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German Pages 782 [784] Year 2022
LEHRB U CH
Klaus Ruhnke | Sönke Sievers | Dirk Simons
Rechnungslegung nach IFRS und HGB Lehrbuch zur Theorie und Praxis der Unternehmenspublizität mit Beispielen und Übungen 5. Auflage
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Rechnungslegung nach IFRS und HGB
Klaus Ruhnke/Sönke Sievers/Dirk Simons
Rechnungslegung nach IFRS und HGB Lehrbuch zur Theorie und Praxis der Unternehmenspublizität mit Beispielen und Übungen
5. aktualisierte und überarbeitete Auflage
Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.
Print: ISBN 978-3-7910-5070-6 ePub: ISBN 978-3-7910-5072-0 ePDF: ISBN 978-3-7910-5071-3
Bestell-Nr. 20499-0003 Bestell-Nr. 20499-0102 Bestell-Nr. 20499-0152
Klaus Ruhnke/Sönke Sievers/Dirk Simons Rechnungslegung nach IFRS und HGB 5. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Januar 2023 © 2023 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH www.schaeffer-poeschel.de [email protected] Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig Produktmanagement: Anna Pietras Lektorat: Traudl Kupfer, Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/ Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart Ein Unternehmen der Haufe Group
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Vorwort zur fünften Auflage Die Dynamik der Normengebung im Bereich der nationalen und internationalen Rechnungslegung ist unverändert hoch. National hat das HGB zuletzt Änderungen erfahren, welche die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG-Reporting) im Lagebericht betreffen. Hinzu treten weitere Änderungen, wie z. B. Änderungen in Bezug auf die ESEF-Finanzberichterstattung und der neu ausgerichtete Deutsche Corporate Governance Kodex. Der Wirecard-Skandal hat zu einem jetzt einstufigen Enforcement ausschließlich durch die BaFin geführt. International wurde das IASB Conceptual Framework überarbeitet. Zudem sind Änderungen in Bezug auf IAS 1 (allgemeine Angaben und Darstellungen) geplant, die u. a. die alternativen Leistungskennzahlen betreffen. Alleine die IFRS umfassen derzeit mehrere Tausend Seiten Normentext und auch das HGB ist stärker informationsorientiert geworden, was wiederum in Teilbereichen zu höheren Ermessens- und Schätzspielräumen führt. Dies gilt auch im Hinblick auf die aus der COVID19-Pandemie resultierenden Unsicherheiten. Zudem muss der Normenanwender gleichermaßen wichtige Verbindungslinien zu verwandten Themenbereichen, wie z. B. der Corporate Governance, den Investor Relations, der internen Unternehmenssteuerung sowie anderen Publizitätselementen wie z. B. der Nachhaltigkeitsberichterstattung herstellen. Dieses Wissensnetzwerk gilt es systematisch zu erschließen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, über welche Fähigkeiten Normenanwender verfügen sollten, um komplexe Probleme in einem dynamischen Umfeld handhaben zu können oder anders formuliert: »Was sollten Normenanwender lernen?« Lernende sind in dem zuvor beschriebenen Umfeld rasch überfordert, sofern ein Lehrbuch sie vor allem mit kasuistischem und veränderlichem Faktenwissen konfrontiert. Erfolgversprechender erscheint es, eine Selbstlernstruktur in den Vordergrund zu rücken, die es den Lernenden erlaubt, sich eigenständig Wissen zu erschließen. Wichtig ist, dass die Lernenden befähigt werden, auch beim erstmaligen Auftreten einer Problemstellung theoriegeleitet und unter Heranziehung praktischer Konzepte einen Lösungsvorschlag zu entwickeln und kritisch zu würdigen. Hierzu gehört auch, dass sie in der Lage sind, Rechnungslegungsprobleme zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Aus diesem Grunde ist das vorliegende Werk als Lehr- und Übungsbuch angelegt. Zudem stellt sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung von Kapital-, Güter- und Dienstleistungsmärkten die Frage, mit welchen Informationen die Stakeholder zu versorgen sind. Dabei ist es wichtig, nicht nur die bestehenden Rechnungslegungsnormen anzuwenden, sondern auch zu verstehen, welche Informationen für Dritte, wie z. B. Kapitalmarktteilnehmer, entscheidungsnützlich sind. Dieser Sachverhalt und die Bedeutsamkeit der Rechnungslegung wurden gerade durch die letzte Finanzmarktkrise sowie die Coronapandemie besonders deutlich. Zur sachgerechten Beurteilung gehört somit auch ein theoretisch fundiertes Verständnis hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen der Informationsbereitstellung über eine externe Unternehmensrechnung sowie der Funktionen, die eine Rechnungslegung erfüllen kann bzw. erfüllen sollte. Hier spielen u. a. Konventionen, theoretische Erkenntnisse und politische Kalküle eine Rolle, welche die externe Unternehmensrechnung zu einer äußerst spannenden und extrem herausfordernden betriebswirtschaftlichen Disziplin machen. Das Lehrbuch, welches im Jahr 2006 mit dem Lehrbuchpreis des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (VHB) ausgezeichnet wurde, richtet sich gleichermaßen an Bachelor- und Masterstudierende, welche an einer eingehenden Beschäftigung mit der externen Unternehmensrechnung interessiert sind.
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Vorwort zur fünften Auflage
Zur didaktischen Gestaltung ist anzumerken, dass zu Beginn zentraler Abschnitte die Lernziele dargelegt werden. Optisch hervorgehoben finden sich in den einzelnen Abschnitten vor allem die folgenden Gestaltungselemente zur didaktischen Unterstützung des Lernenden: Diskussionsfragen, Beispiele, Hintergrundinformationen, empirische Befunde sowie Auszüge aus Geschäftsberichten, relevante Internetadressen, markante Aussprüche sowie verschiedene Exkurse. Diese teilweise bewusst pointiert und herausfordernd angelegten Elemente sollen bereits allgemein dargestellte Ausführungen verdeutlichen und/oder vertiefen sowie zur Auseinandersetzung mit kritischen Fragestellungen anregen. Kontrollfragen befinden sich am Ende der zentralen Abschnitte. Diese lassen sich zumeist anhand der zuvor dargestellten Textpassagen bearbeiten; teilweise erfordert die Beantwortung auch über das im Lehrbuch Gesagte hinausgehende Überlegungen und eigenständige Recherchen in bisher nicht explizit dargestellten Normentexten. Ein weiteres Wesensmerkmal des Lehrbuchs ist, dass die Thematik gleichermaßen praxis- und theoriebasiert behandelt wird (s. Kap. I.1, insbesondere Abb. I.1./1). Dabei fokussiert das Lehrbuch vor allem das Fundament externer Jahresabschlüsse einschließlich einer eingehenden Betrachtung der Methodik zur Lösung von Rechnungslegungsproblemen (s. Kap. II), welches wiederum anhand zentraler Abschlussposten und Berichterstattungserfordernisse (s. Kap. III) sowie grundlegender Ausführungen zur Konzernrechnungslegung (s. Kap. IV) verdeutlicht wird. Dieses Vorgehen folgt der komplexitätsreduzierenden Überlegung, dass sich der interessierte Leser auch nicht behandelte Fragestellungen (z. B. Leasing oder Pensionsrückstellungen) auf Grundlage eines sicheren Fundaments rasch erschließen kann. Behandelt werden sowohl die IFRS als auch die deutschen handelsrechtlichen Normen. Ergänzend finden steuerrechtliche Normen Beachtung. Fokussiert wird der Einzelabschluss. Grundlagen der Konzernrechnungslegung behandelt ein gesondertes Kapitel. Auch die Abschlusspolitik wird in einem gesonderten Teilabschnitt betrachtet. Basiswissen zur Buchungstechnik wird vorausgesetzt. Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Detailfragen empfiehlt sich der Rückgriff auf einschlägige HGB- und IFRS-Kommentierungen (zu einem Überblick siehe z. B. Abb. II.6./2). Die angegebenen Normen beschreiben zumindest den Stand zum 1.1.2022. Die eingangs angesprochenen Änderungen sind allesamt enthalten. Alle Abschnitte wurden überarbeitet und an den aktuellen Normenstand angepasst. Die fünfte Auflage des Lehrbuchs wird in der bewährten Form u. a. von Klaus Ruhnke und Dirk Simons herausgegeben. Wir freuen uns besonders, Sönke Sievers, der bereits die Vorauflage federführend im Bereich der Finanzinstrumente unterstützt hat, als weiteren Herausgeber zu begrüßen. Besonderer Dank geht an Martin Nienhaus, der uns bei der inhaltlichen Überarbeitung zu den Rückstellungen und der Umsatzrealisierung unterstützt hat. An der Überarbeitung und fachlichen Durchsicht haben mit großem Einsatz zudem die folgenden Lehrstuhlangehörigen mitgewirkt: Florian Adomeit, Luisa Däßler, Lisa Feil, Yasmin Hoffmann, Stephan Kaiser, Ludger Knollmann, Daniel Kundt, Alexander Liß, Johannes Martens, Marie Salender, Ole Schieffer, Thomas Simon und Christian Sofilkanitsch. Weiterhin bedanken wir uns auch bei Praktikern und Studierenden, die mit zahlreichen Hinweisen und Anregungen zur Verbesserung beigetragen haben. Die formale Gestaltung sowie die abschließende Durchsicht haben sehr engagiert und zuverlässig und die studentischen Mitarbeiter Nele Lerch und Lars Kreckel durchgeführt. Frau Anna Pietras sowie Frau Claudia Knapp haben uns von der Verlagsseite bei der Neuauflage unterstützt. Zum Schluss sei auf den Ursprung des Wortes »vertuschen« hingewiesen: Da im Mittelalter die Journaleinträge mit Feder und Tusche vorgenommen wurden, konnten unliebsame Einträge schlecht ausradiert werden. Daher stieß man einfach das Tintenfass um und hatte
Vorwort zur fünften Auflage
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somit den unliebsamen Eintrag »vertuscht«. Da das Autorenteam aber im Gegensatz dazu an Offenlegung interessiert ist, sind Hinweise und Anregungen, die auch an die E-Mail-Adressen [email protected]; [email protected] oder office-simons.bvl@ uni-mannheim.de gerichtet werden können, sehr willkommen. Berlin, Paderborn und Mannheim, im Oktober 2022
Klaus Ruhnke, Sönke Sievers, Dirk Simons
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Inhaltsverzeichnis Vorwort zur fünften Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1
Einführung und Konzeption des Lehrbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
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Sichtweisen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Normen der Abschlusserstellung und Abschlussfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Einordnung und historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Handelsrechtlicher Einzelabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Handelsrechtlicher Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Internationaler Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Vergleichende Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu I.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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System der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Begriffsabgrenzungen und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.2 Verhältnis von interner und externer Unternehmensrechnung . . . . . . . 3.1.1.3 Interne Unternehmenssteuerung auf Basis externer Unternehmensrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.4 Freiwillige Zusatzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Medien der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Geschäftsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Handelsregister, Bundesanzeiger und Unternehmensregister . . . . . . . . 3.1.3 Unternehmenspublizität und Investor Relations-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Einbettung der Jahrespublizität in das System der Corporate Governance . . . . . 3.2 Pflichtelemente der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Überblick und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1 Jahrespublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Unterjährige Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Ereignispublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1 Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2 Emissionspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.3 Weitere Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu I.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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49 53 54 54 56 58 59 60 65 65 65 65 73 78 78 85 88 89
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93 93 98 98 101
Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einordnung und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Institutionenökonomische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Grundgedanke und Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Agency-theoretischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
4.2.3 Spieltheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Disclosure Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Transaktionskostenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Informationsökonomische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Gegenstand und Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Empirische Stoßrichtungen zur Erforschung der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Kapitalmarktorientierte Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.1 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.2 Ansätze kapitalmarktorientierter Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Prognoseeignungsstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Verhaltensorientierte Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu I.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Begründungen für die Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Normierungsnotwendigkeit sowie Art und Umfang der Normierung . . . . . . . . . . . 5.1.3 Harmonisierung der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.1 Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.2 Erklärung der Unterschiede in den nationalen Rechnungslegungssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.3 Argumente für eine Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Normierungsinstitutionen und -prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1 International Accounting Standards Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.2 Normenarten, -aufbau, -systematik und Bindungswirkung . . . . . . . . . . 5.2.1.3 Prozess der Normenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.4 Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Deutsche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1 Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.3 Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Einflussnahme von Rechnungslegungsanwendern (Lobbying) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu I.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1
Rechnungslegung als Abbildungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
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Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Stromgrößen und Bestandsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Rechnungslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Geschäftsvorfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Darstellungsformen der GuV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Gesamtkostenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Umsatzkostenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
2.4
Techniken der Erstellung von Abschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Manuelle und IT-gestützte Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Erstellung von Abschlüssen nach unterschiedlichen Normenvorgaben . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175 175 177 179
Theoretische Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Formalinhalt der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Statische Bilanzauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Dynamische Bilanzauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Kapitalerhaltungskonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Substanzerhaltungskonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Organische Bilanzauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Konzept des ökonomischen Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Asset-liability- und revenue-expense-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Kurzbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181 181 182 182 183 184 184 185 187 187 188 190 191
Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Begriff und Aufgabe von GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ermittlung von GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Induktive Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Deduktive Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Hermeneutische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Elemente eines GoB-Systems und Beziehungsgeflecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Überblick und Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Systemgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Pagatorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.3 Einzelbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Rahmengrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.1 Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.2 Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.3 Klarheit und Übersichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.4 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.5 Wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.6 Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Dokumentationsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Definitionsgrundsätze für das Jahresergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.1 Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.2 Abgrenzung der Sache nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.3 Abgrenzung der Zeit nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Ansatzgrundsätze für die Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6.1 Aktivierungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6.2 Passivierungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192 192 193 193 194 194 195 198 199 199 201 201 203 203 203 203 204 208 208 209 210 211 212 212 213 214 214 215 216
3
4
11
Inhaltsverzeichnis
4.4.7 Kapitalerhaltungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.7.1 Vorsichtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.7.2 Imparitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.7.3 Anmerkungen zur zentralen Stellung des Vorsichtsprinzips im deutschen GoB-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.8 Beurteilung des GoB-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 218 218
5
Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB . . . . . . 5.1 Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Elemente und Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Überblick und Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Grundsatzsystem i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.1 Überblick und Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.2 Grundlegende Annahme und allgemeines Abgrenzungskonzept . . . . . 5.3.2.3 Grundsätze und relativierende Nebenbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.4 Entscheidungsnützlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Struktur und Inhalt von Abschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.1 Überblick und Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.2 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.3 Gesamtergebnisrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.4 Eigenkapitalveränderungsrechnung bzw. Eigenkapitalspiegel und Ergebnisverwendungsrechnung . . . . . . . . . . . 5.3.3.5 Angaben zum Jahresabschluss und weitere Pflichtangaben . . . . . . . . . 5.3.4 Ansatz- und Bewertungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5 Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.2 Allgemeine Ansatzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.3 Vermögenswertspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.4 Schuldspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.5 Eigenkapitalspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5.6 Ertrags- und aufwandspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.6 Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.6.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.6.2 Bewertungsmaßstäbe des IASB Conceptual Frameworks . . . . . . . . . . . . 5.3.6.3 Fair value und seine Ausprägungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.6.4 Weitere Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.5.1-II.5.3.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 224 225 226 226 228 228 229 231 243 245 245 246 249
263 266 269 272 272 273 274 277 279 280 280 280 282 285 292 293
5.3.7 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.7.1 Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.7.2 Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.8 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.8.1 System der Folgebewertung nach deutschen GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.8.2 Folgebewertungsmodelle nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.8.3 Wertaufholungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.8.4 Ausbuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.9 Ereignisse nach dem Abschlussstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Kapital und Kapitalerhaltungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Beurteilung der internationalen Rahmennormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.5.3.7-II.5.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296 296 304 309 309 316 341 344 345 347 348 350
219 220 222
12
Inhaltsverzeichnis
6
Herleitung von Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Problemlösungsmethodik im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Beachtenswerte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Problemlösungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Ebene der deutschen GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Charakterisierung der Problemlösungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Auslegung kodifizierter Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
373
Informationsgehalt und Abschlusspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Im Spannungsfeld zwischen entscheidungsnützlichen Informationen und abschlusspolitischen Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Abschlusspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Abschlusspolitik aus dem Blickwinkel des entscheidungsorientierten Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Bezugsrahmen für die abschlusspolitische Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.1 Abschlusspolitische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.2 Abschlusspolitische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.3 Kriterien für die Auswahl und den Einsatz abschlusspolitischer Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu II.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351 351 351 354 360 365 365 366 372
373 379
379 381 381 386
394 396
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 1 2
Grundsätzliches Bearbeitungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Rechnungsabgrenzungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Abzubildender Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Grundsätzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2 Deutsche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Sonderfälle der Rechnungsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1 Erhaltene Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.2 Unterschiedsbetrag zwischen Rückzahlung und Auszahlung einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Steuerabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Ansatz und Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Ansatzkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Ansatz nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Ansatz nach HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.2.1–III.2.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
400 400 400 400 400 400 402 402
403 407
407 409 409 411 412 413 414 415 415
13
Inhaltsverzeichnis
2.3
Umrechnung von Fremdwährungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Abzubildender Sachverhalt und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . 2.3.2 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Behandlung zentraler Abschlussposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Sachanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Abzubildender Sachverhalt, Definition und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Ansatz und Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.1 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.2 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.3 Ausbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426 426
Immaterielle Vermögensposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ansatz und Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Deutsche GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Zusammenfassendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6.1 Geschäfts- oder Firmenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6.2 Ingangsetzungs- und Erweiterungs- sowie Gründungsund Eigenkapitalbeschaffungsaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
445
3.3 Vorräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Abzubildender Sachverhalt, Definition und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Ansatz und Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.1 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.2 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
466
3
3.2
3.4
Originäre Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Einordnung und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Originäre Finanzinstrumente nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.2 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.3 Ansatz und Ausbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
416 416 417 418 424 424
426 427 428 428 433 440 441 443
445 446 446 450 452 452 452 455 456 458 458
464 465
466 467 468 468 473 475 476
477 477 478 478 479 482
14
Inhaltsverzeichnis
3.4.2.4 Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.5 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.6 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Originäre Finanzinstrumente nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3.1 Ansatz und Erstbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3.2 Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3.3 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
483 484 495
496 496 496 497 498
Derivative Finanzinstrumente und Sicherungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Derivative Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1.1 Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . 3.5.1.2 Derivative Finanzinstrumente nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1.3 Derivative Finanzinstrumente nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Sicherungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.1 Grundbegriffe, Wesen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.2 Sicherungsbeziehungen nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.3 Sicherungsbeziehungen nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
499 499 499 500
3.6 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Komponenten des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3.1 Gezeichnetes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3.2 Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3.3 Behandlung des Kaufs eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Zusammenfassendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511
3.7 Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Ansatz und Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2.2 Deutsche GoB und Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3.2 Deutsche GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3.3 Vergleichende Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.4 Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.4.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.4.2 Deutsche GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.5 Zentrale Unterschiede zwischen den IFRS und den deutschen GoB . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
536
3.5
501 501 501 504 509 511
511 513 514 514 520 529 533 535
536 538 538 543 550 550 553 556 557 557 561 562 564
15
Inhaltsverzeichnis
3.8 Umsatzrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Ansatz und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2.2 Deutsche GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Darstellung und Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3.1 Internationale Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3.2 Deutsche GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.3.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
567
4
Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Kapitalflussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Kernidee und Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Fondsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Aktivitätsformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.1 Grundsätzliche Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2 Fondsveränderung aus der betrieblichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.3 Fondsveränderung aus der Investitionstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.4 Fondsveränderung aus der Finanzierungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.5 Fremdwährungsumrechnung als Sonderproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Grundsätze der Aufstellung und Angabepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Zusammenfassendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587 587 587
4.3 Segmentberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Abgrenzung der Segmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Abgrenzung der berichtspflichtigen Segmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Segmentbezogene Angaben und Überleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
603
4.4
Lagebericht und ähnliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Bedeutsame Teilberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Entwicklung des Lageberichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Bericht zu den Grundlagen des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.3 Wirtschaftsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.4 Chancen- und Risikobericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.5 Prognosebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.6 Vergütungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu III.4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
567 569 569 579 583 583 584 585
587 589 590 591 591 593 596 596 597 598 599 603
603 605 606 611 614
614
614 617 619 621 622 624 628 631 632
16
Inhaltsverzeichnis
Kapitel IV Konzernrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 1
Einführung und Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
2
Motivation zur Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
3
Theoretische Ansätze zur Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Einheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Proprietary Concept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Parent-Company Concept und Parent-Company-Extension Concept . . . . . . . . . . .
4
Konzernrechnungslegungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises . . . . . . . . . . 649
Erstellung von Konzernabschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Idealtypischer Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Konsolidierungsvorbereitende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Formelle Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Materielle Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Währungsumrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Berücksichtigung latenter Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Maßnahmen der Vollkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Kapitalkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.1 Erwerbsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.2 Identifikation des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.3 Bestimmung des Erwerbszeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.4 Ermittlung der Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.5 Kaufpreisallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.6 Erstkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.7 Folgekonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.8 Konsolidierungen bei Veränderung der Anteilsquote . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Schuldenkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Zwischenergebniseliminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Aufwands- und Ertragskonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5 Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Weitere Maßnahmen außerhalb der Vollkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Anteilmäßige Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Equity-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen zu IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
644 645 645 646 646
656 656 658 658 659 659 664 665 665 665 666 667 669 671 675 679 683 686 690 693 694 695 695 697 703
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767
17
Abkürzungsverzeichnis β
Beta-Faktor (Unternehmensbewertung, DCF-Verfahren)
∅
Durchschnitt
∑
Summe
A
Aktiva (Bilanz); appendix; Annahme
a. A.
anderer Ansicht
a. F.
alte Fassung
a. M.
am Main
AB
Anfangsbestand
AC
Amortised Cost
adj.
adjustiert(es)
ADS
Adler/Düring/Schmaltz (Bilanzkommentar)
AfA
Absetzung für Abnutzung
AG
Aktiengesellschaft Application Guide (Anwendungsrichtlinie, Normen des IASB)
AHK
Anschaffungs- oder Herstellungskosten
AICPA
American Institute of Certified Public Accountants (Berufsorganisation der accountants, Normengeber, USA)
AK
Anschaffungskosten
AktG
Aktiengesetz
AN
Arbeitnehmer
AO
Abgabenordnung
APB
Accounting Principles Board (AICPA)
API
Abnormaler Performance-Index
ARAP
aktivischer Rechnungsabgrenzungsposten
ARC
Accounting Regulatory Committee (Komitologieverfahren, EU-Ebene)
ASCG
Accounting Standards Committee of Germany
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BASF
Badische Anilin- & Soda-Fabrik
BAV
Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen
BAWe
Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel
BBK
Betrieb und Rechnungswesen: Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung (Loseblattsammlung)
BC
Basis for Conclusion (Grundlage für die Schlussfolgerungen, Normen des IASB)
BDI
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
BDO
Binder Dijker Otte (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
BeBiKo
Beck’scher Bilanz-Kommentar
BetrVerfG
Betriebsverfassungsgesetz
BewG
Bewertungsgesetz
BFA
Bankfachausschuss (IDW)
BFH
Bundesfinanzhof
BGA
Betriebs- und Geschäftsausstattung
18
Abkürzungsverzeichnis
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BilKoG
Bilanzkontrollgesetz
BilMoG
Bilanzrechtmodernisierungsgesetz
BilReG
Bilanzrechtsreformgesetz
BilRUG
Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz
BiRiLiG
Bilanzrichtliniengesetz
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BMJ
Bundesministerium der Justiz
BMVJ
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
BörsG
Börsengesetz
BörsO
Börsenordnung
BörsO FWB
Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse
BörsZulV
Börsenzulassungsverordnung
BS
Bilanzsumme
BStBl.
Bundessteuerblatt
BT-Drucks.
Bundestagsdrucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BW
Buchwert
c.p.
ceteris paribus (unter sonst gleichen Bedingungen)
CAR
Cumulative Abnormal Returns
CAPM
Capital Asset Pricing Model (Modell der Kapitalmarktheorie)
CAD
kanadischer Dollar
CEO
Chief Executive Officer
CESR
Committee of European Securities Regulators
CF
Cashflow(s)
CFA
Chartered Financial Analyst
CFO
Chief Financial Officer
CGU
Cash Generating Unit (IAS 36)
CHF
Schweizer Franken
CO
Controlling
COSO
Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission
CPA
Certified Public Accountant (Wirtschaftsprüfer, USA)
CSR
Corporate Social Responsibility
CSRD
Corporate Sustainability Reporting Directive
cwacc
gewichteter Gesamtkapitalkostensatz (WACC)
D
Diskriminanzwert
DAI
Deutsches Aktieninstitut e. V.
DAT
Deutsche Automobil Treuhand GmbH
DATEV
Datenverarbeitung und Dienstleistung für den steuerberatenden Beruf eG
DAX
Deutscher Aktienindex
DCF
Discounted Cashflow(s)
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex
Abkürzungsverzeichnis
DelVO
Delegierte Verordnung
ders.
derselbe
DGAP
Deutsche Gesellschaft für Adhoc-Publizität mbH
DHBW
Duale Hochschule Baden-Württemberg
DIRK
Deutscher Investor Relations Verband
DIV
Dividendenzahlungen
DM
Deutsche Mark
DO
Dissenting Opinon (abweichende Meinung, Normen des IASB)
DP
Discussion Paper
DPH
Due Process Handbook
DPR
Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V.
DRS
Deutsche(r) Rechnungslegungs Standard(s)
DRSC
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e. V.
DRÄS
Deutsche(r) Rechnungslegungs Änderungsstandard(s)
DSR
Deutscher Standardisierungsrat
DVFA
Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung e. V.
E
Entwurf
E(rm)
erwartete Rendite aus der Anlage in ein Portfolio riskanter Wertpapiere
EAA
European Accounting Association
EAD
Exposure at Default (Forderungsbestand im Ausfallzeitpunkt)
EBIT
Earnings Before Interest and Taxes
EBITDA
Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
EBK
Eröffnungsbilanzkonto
ECL
Expected Credit Loss (erwarteter Verlust)
ED
Exposure Draft (Diskussionsentwurf)
E-DRS
Entwurf Deutscher Rechnungslegungs Standard
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group (Komitologieverfahren, EU-Ebene)
EG
Europäische Gemeinschaft
EGHGB
Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch
ElektroG
Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten
ELIAS
E-Learning International Accounting System (E-Learning System am Lehrstuhl von Prof. Dr. Klaus Ruhnke an der FU Berlin)
EK
Eigenkapital
engl.
Englisch
ErbbauRG
Erbbaurechtsgesetz
ERP
Enterprise Resource Planning (Integriertes Softwarepaket, welches das gesamte Spektrum betriebswirtschaftlicher Funktionen abdeckt; z. B. SAP S/4HANA)
EStDV
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
EStG
Einkommensteuergesetz
EStR
Einkommensteuer-Richtlinien
ESEF
European Single Electronic Format
ESMA
Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
et al.
et alii (und andere)
19
20
Abkürzungsverzeichnis
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EU-Elektro Richtlinie
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und ElektronikAltgeräte
EVA
Economic Value Added (Wertentwicklungskennzahl)
EZB
Europäische Zentralbank
FAB
Fachausschuss Unternehmensberichterstattung
FAIT
Fachausschuss für Informationstechnologie (IDW)
FAQ
Frequently Asked Questions
FASB
Financial Accounting Standards Board (Normengeber im Bereich der Rechnungslegung, USA)
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FD
Regulation Fair Disclosure
FER
Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Swiss GAAP)
FG
Fachgutachten (IDW), Finanzgericht
FI
Finanzwesen
Fifo
First in – first out (Bewertungsvereinfachungsverfahren)
FISG
Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz
FK
Fremdkapital
FMAC
Financial and Management Accounting Committee (IFAC)
Fn.
Fußnote
FREP
Financial Reporting Enforcement Panel
FS
Festschrift
FTD
Financial Times Deutschland (Zeitung)
FU
Freie Universität
FüPoG
Führungspositionen-Gesetz
FV
Fair Value
FVOCI
Fair Value through Other Comprehensive Income
FVPL
Fair Value through Profit and Loss
FWB
Frankfurter Wertpapierbörse
G
groß (Größenkriterium); gesunde Unternehmen; Gemeinschaftsunternehmen
g
Gewichtung
G 20
Gruppe der Zwanzig
GAAP
Generally Accepted Accounting Principles
GASB
German Accounting Standards Board (synonym für DSR)
GASC
German Accounting Standards Committee (synonym für DRSC)
GBP
Great Britain Pound
GE
Geldeinheit
gem.
gemäß
GenG
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, synonym: Genossenschaftsgesetz
GewStG
Gewerbesteuergesetz
GK
Gesamtkapital
Abkürzungsverzeichnis
21
GKV
Gesamtkostenverfahren (GuV)
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
GmbH-Gesetz
GoB
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (und Bilanzierung)
GoK
Grundsätze ordnungsmäßiger Konsolidierung
GRI
Global Reporting Initiative
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
GWB
Geschäftswertbeitrag
H
Haben (Buchung)
h. M.
herrschende Meinung
HB
Handelsbilanz, Handelsblatt (Zeitung)
HDAX
Zusammenfassung von DAX, MDAX und TecDAX (Auswahlindex der Deutschen Börse)
HdJ
Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen (Loseblattsammlung)
HFA
Hauptfachausschuss (IDW)
HGB
Handelsgesetzbuch
HGB-E
Handelsgesetzbuch i. d. F. des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 8.11.2007
Hifo
Highest in – first out (Bewertungsvereinfachungsverfahren)
http
hyper text transfer protocol (Internet)
i
Zinssatz
i. d. F.
in der Fassung
i. d. R.
in der Regel
i. d. S.
in dem Sinne
i. e. S.
im engeren Sinne
i. H. v.
in Höhe von
i. S.
im Sinne
i. S. d.
im Sinne des, der, dieser
i. S. v.
im Sinne von
i.V.
im Vergleich
i. V. m.
in Verbindung mit
i. w. S.
im weiteren Sinne
IAS
International Accounting Standard(s) (Vorgängerstandard(s) zu den seit 1.4.2001 verlautbarten IFRS, Rechnungslegungsnorm(en), IASC)
IASB
International Accounting Standards Board (seit 1.4.2001 Nachfolgeorganisation des IASC)
IASB F
IASB Conceptual Framework 2018
IASC
International Accounting Standards Committee (Vorgängerorganisation des IASB)
IASCF
International Accounting Standards Committee Foundation
ICAEW
Institute of Chartered Accountants in England and Wales
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.
IDW PH
Prüfungshinweis des IDW (Prüfungsnorm)
IDW PS
Prüfungsstandard des IDW (Prüfungsnorm)
IDW RH HFA
Hinweise zur Rechnungslegung des HFA des IDW
22
Abkürzungsverzeichnis
IDW RS HFA
Stellungnahme zur Rechnungslegung des HFA des IDW (Rechnungslegungsnorm)
IDW RS FAIT
Stellungnahme zur Rechnungslegung des FAIT des IDW (Rechnungslegungsnorm)
IDW S
Standard des IDW
IE
Illustrative Example (verdeutlichendes Beispiel, Normen des IASB)
ieff
Effektivzinssatz
iEK
Eigenkapitalzinssatz
IFAC
International Federation of Accountants
iFK
Fremdkapitalzinssatz
IFRIC
International Financial Reporting Interpretations Committee (IASB)
IFRS
International Financial Reporting Standard(s) (Rechnungslegungsnorm, IASB)
IFRSF
IFRS-Foundation
IG
Implementation Guidance (Richtlinie zur Implementierung, Normen des IASB)
IKS
Internes Kontrollsystem
IN
Introduction (Einführung, Normen des IASB)
insbes.
insbesondere
InsO
Insolvenzordnung
InvZulG
Investitionszulagengesetz
IOSCO
International Organization of Securities Commissions (Internationale Organisation der nationalen Börsenaufsichtsbehörden)
IR
Investor Relations
ISA
International Standards on Auditing
ISSB
International Sustainability Standards Board
JE
Jahresergebnis
K
klein (Größenkriterium); Korrektur; kranke Unternehmen; Kennzahl
KaDeO
Das Kaufhaus des Ostens
KAK
Konzernanschaffungskosten
KapAEG
Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz
KapMuG
Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KHK
Konzernherstellungskosten
KMU
kleine und mittlere Unternehmen
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
KPMG
Klynveld Peat Marwick Goerdeler (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
KStG
Körperschaftsteuergesetz
KWG
Kreditwesengesetz
L+L, LuL
Lieferung und Leistung
LGD
Loss Given Default (Verlustrate bei Ausfall)
Lifo
Last in – first out (Bewertungsvereinfachungsverfahren)
LLP
Loan Loss Provision
Abkürzungsverzeichnis
M
mittel (Größenkriterium); Mutterunternehmen
M&A
Mergers & Acquisitions
MAR
Marktmissbrauchsverordnung der EU
23
MC
Management Commentary
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
MD&A
Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations (Lagebericht nach US-GAAP)
MDAX
Midcap-Dax (Auswahlindex der Deutschen Börse)
Mio.
Million(en)
MitbestG
Mitbestimmungsgesetz
MPM
Management Performance Measures
Mrd.
Milliarde(n)
MU
Mutterunternehmen
MW
Marktwert
n.d.
nicht definiert
n. F.
neue Fassung
NFB
nichtfinanzieller Bericht
NFE
nichtfinanzielle Erklärung
NOPAT
Net Operating Profit after Taxes
NW
niedrigerer Wert
NYSE
New York Stock Exchange (Börse, USA)
o.A.
ohne Angabe
OLG
Oberlandesgericht
OCI
Other Comprehensive Income (sonstiges Ergebnis)
OHG
Offene Handelsgesellschaft
o.Jg.
ohne Jahrgang
o.O.
ohne Ortsangabe
o.S.
ohne Seitenangabe
o. V.
ohne Verfasser
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
P
Passiva (Bilanz)
p
Wahrscheinlichkeit (in %)
par.
Paragraf
PAT
Positive Accounting Theory
PD
Probability of Default (Ausfallwahrscheinlichkeit)
POC, PoC
Percentage of Completion
ProspektVO
EU-Prospektverordnung
PublG
Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz)
PwC
PricewaterhouseCoopers (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
24
Abkürzungsverzeichnis
q
1 + p/100 (Zinsfaktor)
QC
Qualitative Characteristics of Useful Financial Information (qualitätsverbessernde Merkmale entscheidungsnützlicher Informationen des IASB F)
R2
Bestimmtheitsmaß
RAP
Rechnungsabgrenzungsposten
rEK
Eigenkapitalrentabilität
RegFD
Regulation Fair Disclosure
rev.
Revised
rm
Marktrendite (WACC)
rGK
Gesamtkapitalrentabilität
RIC
Rechnungslegung Interpretations Committee (DRSC)
RMS
Risikomanagementsystems
Rn.
Randnummer
ROI
Return on Investment (Kennzahl, Abschlussanalyse)
RWE
Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke
Rz, Rz.
Randziffer
S
Soll (Buchung)
s
Unternehmenssteuersatz
S&P
Standard & Poor’s (Rating Agentur)
SAC
Standards Advisory Council (IASB)
SAP
Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung
SARG
Standards Advice Review Group
SB
Schlussbestand
SBK
Schlussbilanzkonto
SDAX
Smallcap-DAX (Auswahlindex der Deutschen Börse)
SE
Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft)
SEC
Securities and Exchange Commission (Börsenaufsichtsbehörde, USA)
Sec.
Section
SFAS
Statement of Financial Accounting Standards (Rechnungslegungsnorm, USA)
SG
Schmalenbach-Gesellschaft – Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V.
SIC
Standing Interpretations Committee (Vorgängerorganisation des IFRIC, IASB)
SME
Small and Medium Sized Entities
SOA
Sarbanes-Oxley Act of 2002
SOP
Statement of Position; Statement of Principles (Rechnungslegungsnorm, USA)
Sp.
Spalte
stellvertr.
stellvertretend
Stk.
Stück
T
Textverständnis; Tochterunternehmen
t
Zeitindex
T€
Tausend €
Abkürzungsverzeichnis
Tab.
Tabelle
TAB
Tax Amortization Benefit
TAG
Technical Advisory Group
TU
Tochterunternehmen
Tz, Tz.
Textziffer
UE
Umsatzerlöse
UKV
Umsatzkostenverfahren (GuV)
UMTS
Universal Mobile Telecommunications System (Mobilfunkstandard)
UmwG
Umwandlungsgesetz
US-GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
V
Vorverständnis
v.d.H.
vor der Höhe
Verf.
Verfasser
VerkProspV
Verkaufsprospekt-Verordnung
VFA
Versicherungsfachausschuss (IDW)
25
VHB
Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V.
VO
Verordnung
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WACC
Weighted Average Cost of Capital (gewogener Gesamkapitalkostensatz)
WP
Wirtschaftsprüfer
WpAIV
Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz
WPG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WPK
Wirtschaftsprüferkammer
WPO
Wirtschaftsprüferordnung
WpPG
Wertpapierprospektgesetz
WpÜG
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
WS
Wahrscheinlichkeit
XBRL
Extensible Business Reporting Language (Berichtssprache, Internet)
iXBRL
Inline Extensible Business Reporting Language (Berichtssprache, Internet)
XHTML
Extensible HyperText Markup Language
ZGE
zahlungsmittelgenerierende Einheit (IAS 36)
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
29
1 Einführung und Konzeption des Lehrbuchs Externe Unternehmensrechnungen (s. Kap. I.3.1.1.1) richten sich an Adressaten außerhalb des Unternehmens. Zu nennen sind vor allem Investoren, Kreditgeber, Arbeitnehmer, Geschäftspartner, wie Kunden und Lieferanten, Finanzbehörden sowie die sonstige interessierte Öffentlichkeit. Da für die genannten Personenkreise mit der Existenz des Unternehmens etwas »auf dem Spiel steht«, d. h., sie haben etwas »at stake«, werden diese auch als Stakeholder bezeichnet. Aufgrund der Bedeutung der Rechnungslegung für die genannten Personengruppen leisten nationale und internationale Regulierer erhebliche Anstrengungen, um hochwertige Rechnungslegungsnormen bereitzustellen. Dabei können unterschiedliche Funktionen der Rechnungslegung, wie die Ausschüttungsbemessungs- oder die Informationsfunktion, im Vordergrund stehen. Beispiel Institutionelle Bedeutung der Rechnungslegung – HGB »Die Unternehmen in Deutschland benötigen eine moderne Bilanzierungsgrundlage. Ziel des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes ist es daher, das bewährte HGB-Bilanzrecht zu einer dauerhaften und im Verhältnis zu den internationalen Rechnungslegungsstandards vollwertigen, aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative weiterzuentwickeln, ohne die Eckpunkte des HGBBilanzrechts – die HGB-Bilanz bleibt Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung – und das bisherige System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung aufzugeben« (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/10067, S. 1). Institutionelle Bedeutung der externen Rechnungslegung – IFRS Die IFRS Foundation analysiert insgesamt 166 Länder hinsichtlich ihrer Anwendung der IFRS-Standards. Dabei verlangen 144 Länder die vollumfängliche Anwendung der IFRS (86,7 %), insgesamt 156 Länder (94,0 %) haben ihre Unterstützung für die IFRS erklärt. An den Mitgliedsbörsen der World Federation of Exchanges sind insgesamt 48.913 Unternehmen gelistet. Die Börsen, die alle oder fast alle Unternehmen zur Bilanzierung nach IFRS verpflichten, repräsentieren 31.290 Unternehmen (64 %). Von den Unternehmen, die andere Rechnungslegungsgrundsätze als IFRS anwenden, sind 87 % der Nichtanwender in den USA, in China oder Indien gelistet. Eine Übersicht über die regionale Verteilung ergibt folgendes Bild:1 Region
Jurisdiktionen
IFRS obligatorisch für (nahezu) alle Unternehmen
IFRS weder IFRS erlaubt oder verlangt für verlangt noch einige Unterneh- erlaubt men
Europa
44
43 (97,7 %)
1 (2,3 %)
0 (0,0 %)
Afrika
38
36 (94,7 %)
1 (2,6 %)
1 (2,6 %)
Mittlerer Osten
13
13 (100,0 %)
0 (0,0 %)
0 (0,0 %)
Asien-Ozeanien
34
25 (73,5 %)
3 (8,8 %)
6 (17,6 %)
Nord- und Südamerkia
37
27 (73,0 %)
8 (21,6 %)
2 (5,4 %)
Gesamt
166
144 (86,7 %)
13 (7,8 %)
9 (5,4 %)
Abb. I.1./1: Regionale Verwendung der IFRS
1 Vgl. http://ifrs.org; Stand: 1.3.2022 sowie IFRS Foundation 2018, S. 3; Nurunnabi 2021, S. 2 ff.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Die Adressaten können die Informationen der externen Unternehmensrechnung verwenden, um Entscheidungen auf einer verbesserten Informationsgrundlage zu treffen. Für sie steht die Entscheidungsrelevanz der gegebenen Informationen im Vordergrund (vgl. zu den nachstehenden Ausführungen Wagenhofer/Ewert 2015, S. 4 ff.). Typische Entscheidungen betreffen den Kauf, Verkauf oder das Halten von Anteilen, die Vergabe von Krediten, die Bestimmung von Kreditkonditionen, die Aufnahme von Handelsbeziehungen oder die Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Die Bereitstellung relevanter Informationen für derartige Entscheidungen ist dementsprechend die elementare Funktion der Finanzberichterstattung (s. Kap. II.5.3.2.4). Entscheidungsrelevanz von veröffentlichten Unternehmensinformationen ist dabei dann gegeben, wenn die Informationen geeignet sind, Entscheidungen der Stake holder zu beeinflussen oder zu bestätigen. Beispielsweise sind Informationen für einen Fremdkapitalgeber relevant, wenn diese ihm eine Einschätzung erlauben, inwieweit das Unternehmen künftig in der Lage ist, den gewährten Kredit nebst Zinsen zurückzuzahlen. Neben ihrem Einsatz als Entscheidungsgrundlage können Rechnungslegungsinformationen auch zur Bestimmung gesetzlicher Ansprüche herangezogen werden. Gesetzliche Ansprüche beziehen sich vor allem auf Auszahlungen des Unternehmens an seine Anteilseigner, z. B. im Rahmen der Gewinnverwendung, sowie die Steuerzahlungen des Unternehmens an den Fiskus. So sind die Ausschüttungen an die Anteilseigner grundsätzlich an den im Einzelabschluss ausgewiesenen Jahresgewinn geknüpft: dies gilt sowohl für die Gesellschafter einer OHG gem. §§ 120-122 HGB, als auch für die Kommanditisten einer KG gem. § 167 HGB und die Gesellschafter einer GmbH gem. § 29 GmbHG sowie die Aktionäre einer AG nach § 174 AktG. Da die Interessen von Unternehmensvertretern und Stakeholdern nicht zwingend identisch sind, besteht die Notwendigkeit, klare Regeln für die Erstellung von Unternehmensrechnungen festzulegen und diese auch gegenüber dem Unternehmen durchzusetzen (enforcement). Die Rechnungslegungsnormen haben die Aufgabe, die intersubjektive Nachprüfbarkeit der buchhalterischen Abbildung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu gewährleisten und dienen somit dem Adressatenschutz. In diesem Sinne sind sie auch der primäre Bezugspunkt für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung im Rahmen der gesetzlichen oder freiwilligen Jahresabschlussprüfung. Unterliegen mehrere Unternehmen denselben Normen, besteht für die Adressaten zudem der Vorteil der Vergleichbarkeit der Unternehmensrechnungen. Allerdings dürfen Rechnungslegungsnormen nicht nur aus der Perspektive der Ordnungsfunktion betrachtet werden. Vielmehr sind auch Anreizeffekte, die sich für die Unternehmen aus der Einbettung der Rechnungslegung in das Rechts- und Wirtschaftssystem ergeben, zu berücksichtigen. Die Motivation zur sog. Abschlusspolitik (earnings management) kann vielfältige Gründe haben (s. Kap. II.7): Unternehmen besitzen Anreize, die Rechnungslegung zu beeinflussen, um z. B. Steuerzahlungen an den Fiskus in die Zukunft zu verschieben sowie potenzielle Investoren durch eine möglichst gute Außendarstellung zu einer Investition in das Unternehmen zu veranlassen. Dazu müssen die bereitgestellten Informationen verlässlich sein. y Kapitel I legt vor diesem Hintergrund die Grundlagen der externen Unternehmensrechnung dar. Zunächst werden unterschiedliche Sichtweisen von Jahresabschlüssen erläutert. Im Anschluss daran wird das System der Unternehmenspublizität detailliert vorgestellt, um den Umfang des Begriffs externe Unternehmensrechnung zu erschließen. Darauf aufbauend werden ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung der Existenz der externen Unternehmensrechnungen skizziert. Diese dienen im Folgenden als Referenzpunkt für die Beurteilung existierender normativer Regelungen. Institutio-
1 Einführung und Konzeption des Lehrbuchs
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nelle Ausführungen zu Normierungsinstitutionen und Normierungsprozessen schließen sich an. Kapitel II setzt den Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht. Erarbeitet wird ein profundes Verständnis für die nationalen und internationalen Rahmennormen und die hier relevanten Strukturelemente, wie z. B. Ansatzkriterien, Bewertungsmaßstäbe und Folgebewertungskonzeptionen. Im Anschluss folgen methodisch fokussierte Ausführungen zur Herleitung von Problemlösungen. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Behandlung abschlusspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten. Kapitel III stellt zunächst ein festes Schema zur Bearbeitung der nachfolgenden Detailbetrachtungen vor. Dieses Schema wird in Bezug auf den HGB- und IFRS-Einzelabschluss anhand ausgewählter zentraler Abschlussposten gefüllt. Hierbei stehen auf der Aktivseite das Sachanlagevermögen, das immaterielle Vermögen, Vorräte und die Finanzinstrumente im Vordergrund. Auf der Passivseite werden insbesondere Eigenkapital und Rückstellungen betrachtet. Außerdem kommt auch der Frage der Umsatzrealisierung eine zentrale Bedeutung zu. Kapitel IV behandelt schließlich den Konzernabschluss, bei dem die Informationsper spektive der externen Unternehmensrechnung eindeutig im Vordergrund steht. Besonderheiten ergeben sich hier insbesondere daraus, dass mehrere rechtlich selbständige Unternehmen unter der Leitung einer Konzernobergesellschaft stehen und daher wie ein einziges Unternehmen handeln. Abschlussadressaten, die nur den Einzelabschluss einer Konzerngesellschaft betrachten, sind nicht in der Lage, die tatsächliche ökonomische Situation des betrachteten Unternehmens zu identifizieren.
Die Konzeption des Buches besteht folglich in einer zunehmenden Fokussierung des Lehrobjektes. Zunächst grenzt Kapitel I den Umfang der externen Rechnungslegung ab und es werden die diesbezüglichen theoretischen und institutionellen Grundlagen gelegt. In Kapitel II erfolgt eine Konzentration auf die allgemeingültigen Regelungen, die insbesondere für die jährliche Publizität als Grundlage dienen. Kapitel III wendet die allgemeinen Regeln zur Lösung spezieller Probleme an und fokussiert somit stärker auf die praktische Herangehensweise. Kapitel IV behandelt den Konzernabschluss, welcher eine zunehmend wichtiger werdende Spezialanwendung von Rechnungslegungskonzeptionen ist, die primär Informationszwecke verfolgt. Dem Leser, der sich erstmals der Thematik zuwendet, ist das Lesen des Lehrbuchs von Beginn bis zum Ende zu empfehlen. Einzelne Abschnitte, z. B. zu den Grundbegriffen und zur Buchungstechnik, können übersprungen werden, sofern Sie mit den Inhalten eingehend vertraut sind. Sofern der Leser direkt mit der Behandlung von bilanziellen Einzelfragen einsteigen möchte (z. B. wie sind Vorräte zu bewerten?), ist zu empfehlen, zunächst einmal die Ausführungen zur Problemlösungsmethodik und den relevanten Rahmennormen eingehend zu erarbeiten. Abbildung I.1./2 gibt einen Überblick über die Lehrbuchkonzeption. Aufeinander aufbauende Elemente sind entsprechend gekennzeichnet. Ziel ist es auch, das Wechselspiel von Praxis- und Theorieelementen in geeigneter Form zu veranschaulichen.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
PRAXISEBENE
THEORIEEBENE Erklärung und Rechtfertigung von Unternehmensrechnungen (I.4)
System der Unternehmenspublizität (I.3)
Grundlagen
Normierungsinstitutionen und -prozesse (I.5)
– Ad hoc-Publizität (I.3.2.3.1) – Unterjährige Berichte (I.3.2.2.2) – Jahrespublizität (I.3.2.2.1)
Inhalt und Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen (II.3)
Abschlusspolitik (II.7)
Zielgerichtete Anwendung von Rechnungslegungsnormen (I.4.1, II.6, IV.3)
Rahmennormen (II.4, II.5) – Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse (III.2) – Abschlussposten (III.3) – Weitere Berichterstattungserfordernisse (III.4) – Konzernabschlüsse (IV)
Abb. I.1./2 Konzeption des Lehrbuchs
Jahrespublizität
Problemlösungsmethodik (II.6)
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2 Sichtweisen und Funktionen LERNZIELE
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Verständnis verschiedener Sichtweisen und Funktionen externer Unternehmensrechnungen. Kenntnis der für die Erfüllung verschiedener Rechnungslegungsfunktionen anzuwendenden Normensysteme.
2.1 Überblick Der Jahresabschluss stellt das sichtbarste Produkt der externen Unternehmensrechnung dar (zur Einordnung in das System der Unternehmenspublizität s. Kap. I.3.1.1). Jeder Jahresabschluss basiert auf einer Buchführung. Startpunkt ist dabei die Eröffnungsbilanz, die Vermögen und Schulden des Unternehmens zu Beginn des Geschäftsjahres in aggregierter Form wiedergibt. Hiervon ausgehend sind die laufenden Geschäftsvorfälle, wie z. B. der Kauf von Vorräten oder die Begleichung einer Lieferantenrechnung, in Form von Buchungssätzen in der Rechnungslegung zu erfassen. Am Ende des Geschäftsjahres werden Abschlussbuchungen vorgenommen, wie z. B. die jährliche Abschreibung technischer Anlagen zur Berücksichtigung des im Jahresverlauf eingetretenen Wertverzehrs. Basierend hierauf können schließlich die Schlussbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt werden. Darauf aufbauend wird außerhalb des regulären Buchungskreislaufs der Jahresabschluss erstellt. Dabei lässt sich nach der Anzahl der einbezogenen Unternehmen unterscheiden, ob es sich um einen Einzel- oder einen Konzernabschluss handelt (erste Sichtweise). Ein Einzelabschluss spiegelt die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines einzelnen rechtlich selbstständigen Unternehmens wider. Im Gegensatz dazu repräsentiert der Konzernabschluss (s. Kap. IV) die zusammengefasste Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Vielzahl rechtlich selbständiger Unternehmen, die einen gemeinsamen wirtschaftlichen Verband bilden. Dabei wird der Jahresabschluss so aufbereitet, als ob es sich bei dem Konzern um ein einziges Unternehmen handelt; es gilt die sog. Einheitsfiktion, die z. B. in § 297 Abs. 3 HGB kodifiziert ist. Weiterhin lassen sich Jahresabschlüsse nach der Art der angewandten Normen unterscheiden (zweite Sichtweise): Während die Vorschriften des HGB nach Einzel- und Konzernabschluss formal getrennt sind, kennen die IFRS eine vergleichbare Trennung nicht, vielmehr sind alle IFRS grundsätzlich sowohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss beachtlich. Für den steuerrechtlichen Abschluss existieren in Deutschland hingegen ausschließlich Regelungen für einen Einzelabschluss, weil derzeit keine Besteuerungsform existiert, die an den Konzern anknüpft. Diesen beiden Sichtweisen folgend, lassen sich die Abschlussarten wie folgt systematisieren:
Anzahl der einbezogenen Unternehmen
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Konzernabschluss
Konzernabschluss nachdeutschem Handelsrecht
Konzernabschluss nach IFRS
Einzelabschluss
Einzelabschluss nach deutschem Handelsrecht
Einzelabschluss nach deutschem Steuerrecht
Einzelabschluss nach IFRS
Handelsrecht (HGB)
Steuerrecht
IFRS
zugrundeliegendes Normensystem Abb. I.2./1 Systematisierung der Abschlussarten
2.2 Normen der Abschlusserstellung und Abschlussfunktionen 2.2.1 Einordnung und historische Entwicklung Die unterschiedlichen Normensysteme (s. Abb. I.2./1) verfolgen spezifische Abschlussfunktionen. Aus diesem Grund sollen nachfolgend die wichtigsten für einen Abschlussersteller mit Sitz in Deutschland relevanten nationalen und internationalen Normensysteme und ihre Abschlussfunktionen erläutert werden. Die Vorschriften für den handelsrechtlichen Jahresabschluss, auf den z. B. auch das Gesellschaftsrecht Bezug nimmt, finden sich im dritten Buch des HGB; die Grundlagen für den (ertrag-)steuerrechtlichen Jahresabschluss liefern das Einkommen-, das Körperschaft- und das Gewerbesteuergesetz. Das zentrale internationale Normensystem sind die International Financial Reporting Standards (IFRS). Unabhängig davon, nach welchen Normen der Jahresabschluss zu erstellen ist, bedarf es stets einer Buchführung. Da die Geschäftsvorfälle in der Buchführung aufgezeichnet werden, erfüllt diese vor allem eine Dokumentationsfunktion. Eine Rechnungslegung kann darüber hinaus verschiedene weitere Funktionen erfüllen. Als zentrale Funktionen sind die Informations-, die Ausschüttungsbemessungs- und die Steuerbemessungsfunktion zu nennen (vgl. Rieg/Heyd 2015, S. 68 ff.). Da auch die beiden zuletzt genannten Funktionen auf der Abgabe von Informationen beruhen, lassen sich diese gleichfalls unter die Informationsfunktion i. w. S. subsumieren. Die Bilanzierung für private und betriebliche Zwecke, die sich in der handelsrechtlichen Rechnungslegung widerspiegelt, dient ursprünglich der Selbstinformation des Kauf-
2 Sichtweisen und Funktionen
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manns und hat eine lange Tradition (zur historischen Entwicklung des deutschen Rechnungslegungsrechtes vgl. Schneider 1993, Sp. 713 ff.; Simons 2005, S. 39 ff.). Ihre Entwicklung in den italienischen Handelszentren des 13. Jahrhunderts hat sich in einem mathematischen Lehrbuch von Luca Pacioli aus dem Jahr 1494 niedergeschlagen. Nachhaltige Bekanntheit erlangten jedoch lediglich die 27 der 615 Seiten, die sich mit der Buchführung für betriebliche Zwecke auseinandersetzten (vgl. Kirschenheiter/Simons/Suijs 2011, S. 261). Im deutschen Rechtsraum gewinnt die Rechnungslegung später den Charakter einer Dokumentation für den Insolvenzfall, so z. B. in der Hamburger Fallitenordnung (fallit = zahlungsunfähig). Hier werden erstmals »ordentliche und richtige Handelsbücher ehrbarer Kaufleute Gebrauch gemäß« gefordert (vgl. Savary 1676, S. 358; Pausch 1979, S. 67). In diesem Fall tritt neben die Dokumentations- die Rechenschaftsfunktion. Die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses gelangt so in das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794. Auch heute noch verpflichtet § 242 HGB jeden Kaufmann grundsätzlich zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Als Startpunkt der Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung kann das sog. Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG) von 1986 angesehen werden (vgl. Kirsch 2002; Baetge 2009). Es führt die Generalnorm des true and fair view in die gesetzlich kodifizierten deutschen Rechnungslegungsnormen ein. Darüber hinaus wird postuliert, dass grundsätzlich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln sei. Damit kommt es zur Betonung der Informationsfunktion. Allerdings bleiben die Ergebnisse der Harmonisierungsbemühungen auf EU-Ebene deutlich hinter den Erwartungen der Unternehmenspraxis zurück, sodass mit Beginn der 1990er Jahre zunächst vor allem die nationalen US-amerikanische Rechnungslegungsgrundsätze (US-GAAP) in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Mit der auch in § 315e Abs. 1 HGB verankerten IFRS-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002) werden Konzerne mit Sitz in der EU zur Anwendung der IFRS verpflichtet. Bei der Erstellung eines internationalen Jahresabschlusses gelten die internationalen Rechnungslegungsnormen. Die neu herausgegebenen und künftig herauszugebenden Normen werden als International Financial Reporting Standards (IFRS) bezeichnet. Der Begriff IFRS stellt zudem den Oberbegriff für die derzeit noch gültigen IAS und die IFRS sowie die relevanten Interpretationen dar (IAS 1.7).
2.2.2 Handelsrechtlicher Einzelabschluss Der handelsrechtliche Einzelabschluss dient als Grundlage für die Ausschüttungen an die Anteilseigner, er erfüllt eine Ausschüttungsbemessungsfunktion. Dabei soll die im Einzelabschluss ausgewiesene Ergebnisgröße die an die Anteilseigner ausschüttbaren Beträge begrenzen. Der vorsichtig ermittelte Gewinn kann dem Unternehmen entzogen werden, ohne dessen ökonomisches Wohlergehen zu beeinträchtigen. Da unter Vernachlässigung von Gewinnrücklagen und Gewinnvorträgen nur der ausgewiesene Gewinn ausgeschüttet werden darf, wirkt die Ergebnisgröße wie eine Ausschüttungssperre. Die gleiche Funktion erfüllt die explizite Ausschüttungssperre z. B. für den Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 268 Abs. 8 HGB). Im Mittelpunkt steht hier der Gläubigerschutz. Da ausgeschüttete Gewinne den Gläubigern im Insolvenzfall als Haftungsmasse endgültig verloren gehen könnten, sollen die Gläubiger dadurch geschützt werden, dass an die Anteilseigner nur der vorsichtig ermittelte Gewinn ausgeschüttet wird und so die Sicherung eines Mindesthaftungsvermögens gewährleistet wird.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Die starke Verankerung des Vorsichtsprinzips im Handelsrecht kommt durch § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sowie eine Vielzahl von Einzelregelungen zum Ausdruck. So sind z. B. unrealisierte Verluste bei Bekanntwerden als Aufwand zu erfassen. Diskussionsfrage I.2.-1 Worin liegt der Unterschied zwischen den Ergebnisgrößen »Bilanzgewinn« und »Jahresüberschuss«? Ist es möglich, dass ein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Bilanzgewinn und einen Jahresfehlbetrag ausweist?
Als eine Rechtfertigung für die vorsichtige Gewinnermittlung wird regelmäßig der Gläubigerschutz vorgebracht. Dabei wird folgende Wirkungskette unterstellt: 1. Der Gewinn ist vorsichtig, d. h. nicht zu hoch, zu bemessen. 2. Dies führt zu Begrenzungen des Mittelentzugs durch die Anteilseigner, d. h. Ausschüttungen werden begrenzt. 3. Die Fähigkeit des Unternehmens, die erhaltenen Kredite zurückzuzahlen, wird gestärkt. Die Vorstellung, Gläubigerschutz sei durch eine vorsichtige Gewinnermittlung zu gewährleisten, ist aus verschiedenen Gründen umstritten (vgl. Rammert 2004, S. 578 ff.; Wielenberg 2009; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 247): Erstens sind auch Gläubiger an möglichst präzisen Informationen und nicht an einer überbetont vorsichtigen Gewinnermittlung interessiert. In diesem Zusammenhang findet auch der Begriff des informationellen Gläubigerschutzes Verwendung (vgl. Busse v. Colbe 2002, S. 170 und bereits Moxter 1962, S. 109; kritisch Kahle 2002, S. 695 ff.). Allerdings schließt ein informationeller Gläubigerschutz die Notwendigkeit zusätzlicher Ausschüttungsbegrenzungen nicht vollends aus. Präzise Informationen können kein Substitut für ggf. notwendige Restriktionen sein (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 237 sowie S. 220 ff. m. w. N.). Darüber hinaus führt die vorsichtige Gewinnermittlung zur Bildung stiller Reserven. Diese können abschlusspolitisch motiviert aufgelöst werden, wenn ein Verlust droht, und so über die wahre ökonomische Lage hinwegtäuschen. Stille Reserven haben insofern ein Verlustverschleierungspotenzial, das dem informationellen Gläubigerschutz zuwiderläuft. Zweitens setzt die vorsichtige Gewinnermittlung auf der Ebene des Reinvermögens an, während Ausschüttungen die Liquidität des Unternehmens schmälern. Insofern könnte die Fähigkeit des Unternehmens, Ausschüttungen zu leisten, wesentlich zielgerichteter auf Basis einer Finanz- und Liquiditätsplanung vorgenommen werden. Einen alternativen Mechanismus zur Ausschüttungsbegrenzung stellen sog. solvency tests dar (vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn 2007, S. 264 ff.; Olivier/Wielenberg 2010, S. 33 ff.). Außerdem könnten sich Gläubiger leichter durch bestimmte Kreditvertragsklauseln (sog. financial covenants) schützen (zu Definition und Bedeutung von Covenants vgl. Taylor 2013, S. 389 ff.; zu einer empirischen Analyse vgl. Schulte 2016). Hierbei handelt es sich häufig um betriebswirtschaftliche Kennzahlen, wie z. B. das Jahresergebnis oder die Eigenkapitalquote, die Veränderungen von Kreditbedingungen zugunsten des Kreditgebers auslösen, z. B. das Ansteigen des Darlehenszinssatzes oder eine Verstärkung der Informations-, Kontroll- oder Mitbestimmungsrechte. Grundsätzlich sind financial covenants aber kein Selbstzweck, vielmehr verlangt die Sicherstellung struktureller Liquidität weit mehr als das bloße Einhalten von Ad hoc-Grenzen für Bilanzkennzahlen zum Eigenkapital oder zur Liquidität (vgl. Chiaramonte/Casu 2017). Insofern dienen die financial covenants dazu, die Aufmerksamkeit des Managements auf neuralgische Punkte zu lenken und vorbeugende Maßnahmen zu motivieren.
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Exkurs »Financial Covenants sind als kreditvertragliche Nebenvereinbarungen zwischen Gläubigern und Schuldnern definiert. Ihre Auflagen und Vorgaben sind zusätzlich zur eigentlichen Zahlungsverpflichtung einzuhalten. (...) Beim Covenant-Bruch wird in den meisten Fällen eine Strafgebühr (Waiver Fee) verhängt. Zu Kreditkündigungen kommt es selten« (vgl. Haghani et al. 2014).
Drittens ist die ökonomische Wirkung von Ausschüttungsbegrenzungen unklar: Einerseits könnten Ausschüttungsbegrenzungen die Eigner dazu veranlassen, Beträge zu investieren, die ansonsten das Unternehmen in Form von Ausschüttungen verlassen hätten. Es kommt zum Abbau von Unterinvestitionen und die Gläubigerposition wird durch neue rentable Investitionsprojekte gestärkt. Andererseits könnte in Ermangelung rentabler Investitionen auch eine schädigende Überinvestition auftreten, die Unternehmenswert vernichtet. Im letztgenannten Fall kann die vorsichtige Gewinnermittlung sogar dazu missbraucht werden, den auszuschüttenden Gewinn zu verkürzen und eine Form von Zwangsthesaurierung herbeizuführen. Die Geschäftsführung ist somit der Notwendigkeit enthoben, andernfalls für Projekte um Kapital werben zu müssen und die Ertragschancen zu rechtfertigen. Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist zu bemängeln, dass es hier zu Fehlallokationen von liquiden Mitteln am Kapitalmarkt kommen kann. Insgesamt »ist die Wirkung einer vorsichtigen Bilanzierung und Bewertung für den Gläubigerschutz keineswegs eindeutig« (Wagenhofer/Ewert 2015, S. 259). Als weitere Funktion des handelsrechtlichen Einzelabschlusses ist die Informationsfunktion zu nennen. Die Informationsaufgabe ergibt sich bei Kapitalgesellschaften vor allem aus § 264 Abs. 2 HGB, wonach der Jahresabschluss unter Beachtung der GoB grundsätzlich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln hat. Zunächst galt die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen durch Bilanz und GuV als nicht einlösbares Versprechen. Mit dem Aufkommen kapitalmarktorientierter Studien (s. Kap. I.4.3.3) hat sich diese Einschätzung jedoch relativiert (vgl. Ballwieser 2008, S. 1 ff.). Obgleich das Handelsrecht in Bezug auf den Einzelabschluss einen möglichst weitgehenden Interessenausgleich zwischen den Informationsbedürfnissen der Abschlussadressaten anstrebt, stehen durch die starke Betonung des Vorsichtsprinzips die Gläubigerinteressen im Vordergrund. Dementsprechend wird ein vorsichtiger Gewinn ermittelt, der dem Unternehmen entzogen werden kann, ohne Existenz und Fortentwicklung des Unternehmens zu beeinträchtigen. Eine nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellte Handelsbilanz dient auch als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 S. 1 EStG, der für steuerliche Zwecke auf Buchführungspflichten nach anderen Gesetzen abstellt. Insofern ist die Handelsbilanz für steuerliche Ansatzentscheidungen grundsätzlich maßgeblich. Bei Bewertungsentscheidungen ist der steuerrechtliche Bewertungsvorbehalt nach § 5 Abs. 6 EStG zu beachten.
2.2.3 Steuerbilanz Die Bilanzierung für steuerliche Zwecke entsteht mit der Einführung einer ertragsabhängigen Steuer im Zuge der französischen Revolution (vgl. Barth 1955). Heutzutage knüpft die Besteuerung an den Jahresüberschuss zur Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns an. Das Einkommensteuergesetz subsumiert unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile aus verschiedenen Mitunternehmerschaften (§ 15 EStG), das Körperschaftsteuer-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
gesetz knüpft in § 8 Abs. 1 KStG an die einkommensteuerrechtliche Definition an und das Gewerbesteuergesetz sieht in § 7 GewStG den Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage vor. Um den steuerpflichtigen Gewinn zu ermitteln, ist ein Jahresabschluss nach steuerrechtlichen Vorschriften zu erstellen; die Steuerbemessungsfunktion ist hier die ausschließliche Funktion des Jahresabschlusses. Eine Steuerbilanz ist »eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz« (§ 60 Abs. 2 EStDV). Dabei kann die Steuerbilanz aus der Handelsbilanz entwickelt werden; es handelt sich dann um eine sog. derivative Steuerbilanz. Praktisch erfolgt dies dergestalt, dass ausgehend von dem erstellten HGB-Abschluss zusätzlich noch die steuerspezifischen Buchungen getätigt werden (s. Kap. II.2.4.2). Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen für die steuerrechtliche Gewinnermittlung hat ihre Wurzeln in sächsischen bzw. bremischen Vorschriften zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage aus dem Jahr 1874, die 1891 in das Preußische Einkommensteuergesetz übernommen wurden (vgl. Robisch/Treisch 1997, S. 157 f.). Kleinere gewerbliche Unternehmen nutzten diese Maßgeblichkeit und erstellten aus Vereinfachungsgründen oftmals sogar nur eine Steuerbilanz, die zugleich Handelsbilanz war, die sog. Einheitsbilanz. Im Laufe der Zeit wurde ein solches Vorgehen jedoch zunehmend eingeschränkt, weil handelsund steuerrechtliche Vorschriften verstärkt zwingend voneinander abwichen, z. B. bei der Behandlung von Drohverlustrückstellungen (s. Kap. III.3.7.2.2). Das BilMoG macht schließlich das Erstellen einer Einheitsbilanz durch die Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit, d. h. der Maßgeblichkeit steuerrechtlicher Ansätze für die Handelsbilanz, nahezu unmöglich (vgl. Haller/Ferstl/Löffelmann 2011, S. 889). Zu beachten ist allerdings, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit, wenn auch in veränderter Form, in § 5 Abs. 1 EStG weiterhin gilt. Derzeit liegt kein eindeutiges Bild über die zukünftigen Entwicklungsperspektiven vor. Hierzu passt auch die rechtswissenschaftliche Sichtweise zur Fortgeltung des Maßgeblichkeitsprinzips: »Mit der Änderung des § 5 Abs. 1 EStG (...) hat der Gesetzgeber in Abkehr von der zuvor geltenden strikten formellen Maßgeblichkeit die unterschiedliche Ausübung von Wahlrechten in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz zugelassen. Entgegen einzelner Stimmen in der Literatur war dies allerdings noch nicht der Todesstoß für den Grundsatz der formellen Maßgeblichkeit. Dieser lebt fort, wenn auch mit erheblichen Einschränkungen« (vgl. Stapperfend 2021, S. 1241; ähnlich Ballwieser 2017, S. 114). Während grundsätzlich von einem Trend zur eigenständigen steuerlichen Gewinnermittlung ausgegangen wird, deuten einzelne Entwicklungen, wie z. B. bei der Ermittlung der Herstellungskosten, auf eine erneute Annäherung der beiden Bilanzkreise hin (vgl. Meyering 2016, S. M5).
2.2.4 Handelsrechtlicher Konzernabschluss Liegen die in §§ 290 ff. HGB genannten Voraussetzungen vor, so entsteht für das Mutterunternehmen die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses. Sofern es sich nicht um einen börsenorientierten Konzern im Sinne des § 315e Abs. 1 und Abs. 2 HGB handelt, wird keine Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards begründet. Wird auch nicht vom Wahlrecht des § 315e Abs. 3 HGB Gebrauch gemacht, so wird der Konzernrechnungslegungspflicht mit einem handelsrechtlichen Konzernabschluss Genüge getan. Gem. dem Weltabschlussprinzip (§ 294 Abs. 1 HGB) bilden das Mutterunternehmen und sämtliche konsolidierungspflichtigen Tochterunternehmen den Vollkonsolidierungskreis, d. h., sie sind vollständig zu konsolidieren. Darüber hinaus sind auch Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 HGB) und assoziierte Unternehmen (§ 311 HGB) in
2 Sichtweisen und Funktionen
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den Konzernabschluss einzubeziehen, allerdings greifen hier bestimmte Vereinfachungen (s. Kap. IV). Dem handelsrechtlichen Konzernabschluss kommt primär eine Informationsfunktion zu. Er kann losgelöst von steuerrechtlichen Zwängen erstellt werden, da ihm derzeit keine Steuerbemessungsfunktion zukommt. Inwieweit die auf EU-Ebene geführte Diskussion um die Einführung eines sog. »Formula Apportionment«, bei dem für alle Konzernunternehmen eine einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage ermittelt und dann zwecks Besteuerung auf die einzelnen Sitzstaaten aufgeteilt wird, in der Zukunft zu einer Veränderung führen wird, ist derzeit nicht absehbar (vgl. Martini/Niemann/Simons 2012). Allerdings sind durch die Einführung eines country-by-country reporting die steuerlichen Berichtspflichten für international tätige Unternehmen intensiviert worden. Country-by-country reporting bedeutet, dass die Unternehmen unabhängig von ihren Steuererklärungen in einzelnen Ländern für alle Länder ihres Tätigkeitsgebiets steuerlich relevante Daten, wie Umsatz, Gewinn oder Mitarbeiteranzahl angeben müssen (vgl. Lagarden et al. 2020; Schreiber et al. 2020). Eine unmittelbare Ausschüttungsbemessungsfunktion besitzt der Konzernabschluss jedenfalls weder für steuer- noch für gesellschaftsrechtliche Zwecke. Faktisch kann dieser aber eine mittelbare Ausschüttungsbemessungsfunktion erlangen, wenn die Ausschüttungen an das Konzernergebnis gekoppelt werden (vgl. z. B. Ruhnke 1995, S. 37). Für fast alle DAX-Unternehmen richtet sich die Ausschüttungsbemessung nach dem IFRS-Konzernergebnis, während sich im MDAX und SDAX ein differenzierteres Bild zeigt. Nur 30 % der Befragungsteilnehmer bestätigen eine direkte oder indirekte Verknüpfung des Konzernabschlusses mit der Ausschüttungsbemessung (vgl. Waschbusch/Loewens 2013, S. 254).
2.2.5 Internationaler Jahresabschluss Bei der Betrachtung internationaler Jahresabschlüsse, die im Wesentlichen in der Ausprägung als Konzernabschluss vorliegen, sind verschiedene Fragen zu beantworten: 1. Wie entstehen internationale Rechnungslegungsnormen? Im Gegensatz zu nationalen Rechnungslegungsnormen existiert kein im öffentlichen Auftrag handelnder Gesetzgeber. 2. Wie erlangen die internationalen Rechnungslegungsnormen Geltung für Unternehmen, die ihrer Rechtspersönlichkeit folgend in einem bestimmten Staat ansässig sind? Was passiert bei Normenkonkurrenz, wenn die Unternehmen nationalem und internationalem Recht unterliegen? 3. Für welche in Deutschland ansässigen Unternehmen sind die internationalen Rechnungslegungsnormen einschlägig? 4. Welche Abschlussfunktionen erfüllen internationale Jahresabschlüsse? Hinsichtlich der ersten Frage ist festzuhalten, dass die internationalen Rechnungslegungsnormen nicht von einem staatlichen Gesetzgeber, sondern von einer privatrechtlich organisierten Einrichtung – dem International Accounting Standards Board (IASB) – entwickelt werden (s. Kap. I.5.2.1.1). Durch die Befolgung eines partizipativ ausgestalteten formellen Verfahrens wird versucht, die Legitimation der so entwickelten Normen zu gewährleisten (s. Kap. II.6.1.1). In Bezug auf die zweite Frage sind zwei Antworten denkbar. Einerseits können Unternehmen, sofern ihr nationales Recht dem nicht entgegensteht, freiwillig IFRS anwenden. In diesem Fall könnten sie zur parallelen Aufstellung von Jahresabschlüssen verpflichtet
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sein, um auch den nationalen Normen zu genügen. Andererseits könnte ein IFRS-konformer Abschluss so ausgestaltet sein, dass er gleichzeitig auch den Anforderungen der nationalen Rechnungslegungsnormen entspricht. In diesem Fall läge ein dualer Jahresabschluss vor. Zum anderen kann die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsnormen für bestimmte Unternehmen verpflichtend sein. Kapitalmarktorientierte Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaates der EU unterliegen, müssen ihre konsolidierten Abschlüsse seit 2005 nach IFRS erstellen. Grundlage für diese Verpflichtung ist die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und Rates (sog. IFRS-Verordnung). Exkurs Eine EU-Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat. Dagegen binden EU-Richtlinien den Normenanwender nicht unmittelbar. Vielmehr sind die einzelnen EU-Mitgliedstaaten, d. h. die nationalen Gesetzgeber, verpflichtet, die Ziele der jeweiligen Richtlinie in nationales Recht umzusetzen (Art. 249 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Bedeutsam für die Rechnungslegung waren vor allem die 1985 in deutsches Recht transformierte 4. Richtlinie (Einzelabschluss) und 7. Richtlinie (Konzernabschluss). Einen Überblick über die einzelnen Richtlinien sowie deren Umsetzung in nationales Recht findet sich in Pfitzer/Oser/Orth 2008.
Die IFRS-Verordnung wurde nach Übernahme durch die Europäische Kommission rechtlich verbindlich. Das Verfahren der Übernahme muss prüfen, ob die IASB-Normen den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 formulierten Übernahmevoraussetzungen genügen. Hierzu zählen das true and fair view-Prinzip der 4. und 7. EG-Richtlinie, die Kriterien der Verständlichkeit, Relevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit sowie die europäischen öffentlichen Interessen. Ein IFRS, der gegen diese Übernahmevoraussetzungen verstößt, ist rechtlich nicht verbindlich, d. h., ein auf dieser Basis erstellter Abschluss ist nichtig (vgl. auch Hennrichs 2006, S. 1258 f.). Da die Überprüfung jeder einzelnen IASB-Norm über ein eigenständiges Verordnungs- oder Richtlinienverfahren sehr langwierig ist, hat sich die EU für das sog. Komitologieverfahren entschieden (vgl. Kollmeyer 2015, S. 125 ff.). Der Endorsement-Prozess, der zur Übernahme eines IFRS führt, vollzieht sich in fünf Schritten: Im ersten Schritt verabschiedet das IASB einen neuen Standard oder passt einen bestehenden Standard an. Im zweiten Schritt gibt die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), ein privatrechtlich organisiertes Gremium zur Unterstützung der Kommission, eine Stellungnahme zur Übernahme des Standards ab. Entscheidet die Kommission im dritten Schritt, den Standard zu übernehmen, leitet sie einen Übernahmeentwurf an das Accounting Regulatory Committee (ARC) weiter. Sofern die Stellungnahme des ARC positiv ist, wird der Übernahmeentwurf an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat weitergegeben. Werden innerhalb einer dreimonatigen Prüfungsfrist keine Einwände erhoben, wird die Übernahme durch die EU-Kommission vollzogen (vgl. https://ec.europa.eu/ unter dem Stichwort financial reporting, Stand: 27.10.21). Letztlich rechtlich verbindlich werden die IASB-Normen über eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt (http://eur-lex.europa.eu/oj/ direct-access.html?locale=de). Allerdings bestehen Zweifel, ob dieses Übernahmeverfahren eine wirkliche inhaltliche Überprüfung gewährleistet (vgl. kritisch Schulze-Osterloh 2003, S. 98 f.). Die Befugnis zur Rechtsetzung wird auf diese Weise zwar nicht formal, aber materiell vom europäischen Gesetzgeber auf eine private Institution, das IASB, übertragen (vgl. z. B. Kahle 2003, S. 263 m. w. N.). Diese faktische Selbstbindung entspricht in ihrem materiellen Gehalt einer dynamischen Verweisung.
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IASB gibt neuen IFRS heraus.
EFRAG prüft den IFRS und leitet das Ergebnis der Stellungnahme an die EU-Kommission weiter.
EU-Kommission leitet die EFRAG-Stellungnahme an das Accounting Regulatory Committee (ARC) weiter.
ARC gibt ihre Stellungnahme der EU-Kommission bekannt.
EU-Kommission legt bei Zustimmung durch das ARC den Entwurf dem Rat und dem Europäischen Parlament vor.
Sprechen sich Rat und Parlament nicht gegen den Entwurf aus, wird dieser von der EUKommission erlassen.
Lehnen Rat oder Parlament den Entwurf ab, so kann die EU-Kommission z. B. dem ARC einen geänderten Entwurf unterbreiten.
Abb. I.2./2 Komitologieverfahren nach Art. 5a Komitologie-Beschluss
Die dritte Frage lässt sich sowohl formal als auch materiell beantworten. Formal ist der Anwendungsbereich der IFRS auf den Konzernabschluss beschränkt. Die Pflicht zur Aufstellung eines internationalen Konzernabschlusses trifft nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaates der EU unterliegen. Kapitalmarktorientiert sind solche Unternehmen, deren Wertpapiere auf einem organisierten Markt gehandelt werden (vgl. auch § 2 Abs. 1, Abs. 5 WpHG). Grundlage hierfür ist die zuvor angesprochene IFRS-Verordnung. Wird ein solcher IFRS-Konzernabschluss erstellt, ist kein HGB-Konzernabschluss (s. Kap. I.2.2.4) mehr zu erstellen (§ 315e Abs. 1 HGB). Materiell ist die Verwendung der IFRS in Deutschland spürbar weitreichender: y Die Aufstellung eines IFRS-konformen Konzernabschlusses erfordert auch, die einzubeziehenden Einzelabschlüsse nach IFRS zu erstellen (s. Kap. IV.5.2). Daraus folgt, dass nach abweichenden lokalen Normen erstellte Einzelabschlüsse, z. B. solche nach deutschen GoB, auf Grundlage der IFRS überzuleiten sind. y §§ 315e und 325 HGB sehen folgende Wahlmöglichkeiten für die Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen vor: – § 315e Abs. 3 HGB sieht für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen ein Wahlrecht zur Erstellung des Konzernabschlusses nach IFRS vor. – Zudem ist es zulässig, zum Zweck der besseren Information anstelle des HGB-Einzelabschlusses einen IFRS-Einzelabschluss zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 2a HGB). Ein Unternehmen, welches sich für die Offenlegung eines informatorischen IFRS-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Einzelabschlusses entscheidet, hat daneben für Ausschüttungsbemessungs- und Steuerbemessungszwecke einen HGB-Einzelabschluss und bei abweichenden steuerrechtlichen Vorschriften für steuerliche Zwecke ggf. gesondert eine Steuerbilanz zu erstellen (s. Kap. I.2.2.3). Das bedeutet, die sog. »befreiende Wirkung der Offenlegung« ist beschränkt. Große Kapitalgesellschaften müssen im vorgenannten Fall im Bundesanzeiger lediglich den IFRS-Einzelabschluss und nicht den HGB-Einzelabschluss offenlegen (siehe auch BMJ 2003b, S. 5 ff.). Gem. EU-Verordnung 575/2013 können Banken in Abhängigkeit von den nationalen Bestimmungen die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze für die Berechnung der Eigenmittel anwenden. Dabei kommen der Angemessenheit der Eigenmittel für die Abdeckung des Risikos, dem ein Institut ausgesetzt ist, sowie der Bewertung der Konzentration von Krediten besondere Bedeutung zu. Die Anwendung der IFRS für aufsichtsrechtliche Anforderungen erspart ebenfalls Überleitungsrechnungen. Die weltweite Organisation der nationalen Börsenaufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, IOSCO) hat ihren Mitgliedern empfohlen, die IFRS als Basisregelwerk für die Zulassung an den nationalen Wertpapierbörsen anzuerkennen. Mitglieder der IOSCO sind die nationalen Börsenaufsichtsbehörden; hierzu zählt auch die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC). So können z. B. ausländische Emittenten bei einer Notierung an einer US-Börse ihre Abschlüsse nach IFRS erstellen.
Exkurs Die Regelungen der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (BörsO FWB, Stand: 1.2.2022) unterscheiden im Hinblick auf von der EU regulierte Märkte zwei Transparenz-Level. Zu nennen ist zum einen die Zulassung zum regulierten Markt (General Standard) und zum anderen die Zulassung zum Teilbereich des regulierten Marktes mit weiteren Zulassungspflichten (Prime Standard): y Der General Standard richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen, die eher nationale Investoren ansprechen und die sich für ein kostengünstiges Listing an der Börse interessieren (§§ 45–47 BörsO FWB). y Der Prime Standard ist auf Unternehmen zugeschnitten, die sich auch gegenüber internationalen Investoren positionieren wollen. Dabei sind über den General Standard hinaus die in den §§ 48-57 der BörsO FWB und den §§ 114–118 WpHG normierten hohen Transparenzanforderungen zu erfüllen: Hierzu gehören Jahresfinanzberichte, IFRS-Konzernabschlüsse, Halbjahresfinanzberichte und Quartalsmitteilungen bzw. Quartalsfinanzberichte (s. Kap. I.3.2.1), ein Unternehmenskalender mit den wichtigsten Terminen, wie z. B. Hauptversammlung oder Bilanzpressekonferenz, sowie die Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr. Die Notierung im Prime Standard ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Auswahlindizes. Zu nennen ist vor allem der Deutsche Aktienindex, der die 40 größten und umsatzstärksten Unternehmen mit Sitz in Deutschland umfasst (DAX 40), sowie der MDax, SDax und TecDax.
Auch Unternehmen, welche die IFRS derzeit nicht anwenden und auch in Zukunft nicht anwenden müssen, sind ggf. daran interessiert, diese Normen freiwillig anzuwenden. Dabei könnte sich auch für nicht börsennotierte Unternehmen, insbesondere Mittelständler, eine Umstellung auf die IFRS lohnen (vgl. Wielenberg 2007). Als Gründe für eine Umstellung sind z. B. die Verwendung von IFRS-Daten auch für interne Steuerungszwecke (s. Kap. I.3.1.1.3), eine angestrebte Internationalisierung der Geschäftstätigkeit oder ein verbesserter Zugang zu Kreditfinanzierungen zu nennen (vgl. Kehrel et al. 2009, S. 283 ff.). Um kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu den IFRS zu erleichtern, hat das IASB 2009 den Standard »IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen« (KMU) eingeführt und 2015 überarbeitet. Allerdings hat die Europäische Kommission den Standard
2 Sichtweisen und Funktionen
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bisher nicht übernommen, sodass dessen Anwendung nicht verpflichtend ist. Derzeit ist die Übernahme umstritten: Während die skandinavischen Länder eine Einführung begrüßen, lehnt Deutschland den Standard ab (vgl. Geberth 2016, Teil A, Kap. V, Rn. 183). Dabei wird darauf verwiesen, dass mit einer Komplexitätssteigerung für die Bilanzierung zu rechnen wäre, Vergleichbarkeit für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen von nachrangiger Bedeutung sei und die EU im Falle einer Übernahme gegen das Subsidiaritätsprinzip verstieße (vgl. Fülbier/Windhorst 2010, S. VI ff.). Insgesamt zeigt sich, dass eine IFRS-Anwendung für kleinere, nicht kapitalmarktorientierte KMU kritisch gesehen wird (vgl. Fülbier/Wittmann/ Bravidor 2017, S. 36). Ein wesentlicher Grund dürfte sein, dass die HGB-Bilanzierung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz zu einer kostengünstigen und international anschlussfähigen Alternative geworden ist. Außerdem sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Überlegenheit der IFRS gegenüber den HGB-Regelungen in Bezug auf die vermutete Senkung von Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten empirisch derzeit nicht abschließend belegen lässt (s. Kap. I.4.3). Aktuelles Basel IV und Mittelstand Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat 2010 Eigenkapital- und Liquiditätsregeln veröffentlicht (sog. Basel-III-Rahmenwerk oder Baseler Accord). Im Grundsatz wird von Banken verlangt, die risikogewichteten Aktiva mit einer bestimmten Eigenkapitalquote zu hinterlegen. Ab 2019 muss eine Hinterlegungsquote von 10,5 % erreicht werden, die sich aus einer speziell regulierten Gewichtung verschiedener Eigenkapitalkomponenten (regulatorisches Eigenkapital) ergibt. Aus Unternehmenssicht ist relevant, dass ein angestrebter Kreditbetrag mit einem Risikogewicht hinterlegt wird, um die risikogewichteten Aktiva zu ermitteln. Das bedeutet, dass die Kapitalkosten ansteigen, je riskanter ein Unternehmen nach standardisierten Bewertungsverfahren eingeschätzt wird (Rating). Das verwendete Rechnungslegungssystem bzw. die daraus resultierenden Kennzahlen haben dabei einen bedeutsamen Einfluss auf das Rating und die hierdurch beeinflusste Kreditwürdigkeitsbeurteilung im operativen Kreditgeschäft (zum Einfluss der IFRS vgl. Florou/Kosi/Pope 2017). Zudem impliziert die Einführung von IFRS 9 (s. Kap. III.3.4 und III.3.5) ab 2018 einen zusätzlichen Bedarf der Banken nach Kernkapital. IFRS 9 verpflichtet die Banken zu einer frühzeitigen Prognose von Verlusten (expected loss model), um sie widerstandsfähiger gegen Kreditausfälle zu machen. Die hieraus resultierende Abnahme von bankrechtlichem Eigenkapital dürfte zu höheren Kreditkosten für Unternehmen führen. Insgesamt kommt es für Banken zu einer wechselseitigen Verstärkung der Effekte aus Basel III und IFRS 9 (vgl. Mohr/Schmeling/Huch 2017, S. 40 ff.).
Wird aus den zuvor genannten Gründen ein IFRS-Abschluss erstellt, so stellt sich als vierte und letzte Frage die nach der zu erfüllenden Abschlussfunktion. Der internationale Jahresabschluss zielt auf die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen ab (IASB F.1.2). Im Unterschied zum Handelsrecht benennt das Conceptual Framework for Financial Reporting des IASB (IASB F) in IASB F.1.5 ff. den Kreis der Abschlussadressaten (ausführlich zum IASB F s. Kap. II.5.3). Zu den primären Abschlussadressaten zählen aktuelle und potenzielle Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger. Darüber hinaus gehören auch das Management, staatliche Einrichtungen und die interessierte Öffentlichkeit zu den weiteren Adressaten (IASB F.1.10). Mögliche Interessenkonflikte zwischen den zuvor genannten Adressaten löst das IASB ausgesprochen pragmatisch. F.1.8 stellt klar, dass die bereitgestellten Informationen den Bedürfnissen des Maximums der primären Abschlussadressaten (primary users; vgl. IASB F.1.5) gerecht werden sollen. In Deutschland besitzt der IFRS-Abschluss keine Steuerbemessungsfunktion. Demnach ist auch bei Erstellung eines solchen Abschlusses für die Ermittlung der Steuerbemes-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
sungsgrundlage stets zusätzlich eine Steuerbilanz nach nationalen Vorschriften zu erstellen. Eine umgekehrte Maßgeblichkeit besteht insofern nicht. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Ausschüttungsbemessungsfunktion, d. h., ein IFRSBilanzierer mit Sitz in Deutschland muss für die Bestimmung des maximal zulässigen Ausschüttungsbetrags stets zusätzlich einen HGB-Einzelabschluss erstellen. Diskussionsfrage I.2.-2 Das IASB hält einen auf Grundlage der IFRS erstellten Abschluss grundsätzlich für geeignet, um auf dieser Basis ausschüttbare Gewinne und Dividenden zu bestimmen (vgl. IASB F.1.20). Wie beurteilen Sie diese Aussage?
2.2.6 Vergleichende Gegenüberstellung Abbildung I.2./3 fasst das zuvor Gesagte noch einmal tabellarisch zusammen. Funktion
Einzelabschluss nach HGB
Konzernabschluss nach HGB
Abschluss nach IFRS
Ausschüttungs-bemessung
✓ (1. Priorität)
(✓)
(✓)
Information
✓ (2. Priorität)
✓
✓
Steuerbemessung
✓ (3. Priorität)
Legende: ✓ = unmittelbar relevant; (✓) mittelbar relevant. Abb. I.2./3 Jahresabschlussfunktionen
Diskussionsfrage I.2.-3 Die Beta AG ist im SDAX notiert. Unternehmenssitz ist Berlin. Ein Konzernabschluss ist nicht zu erstellen. Am 31.12.t1 werden die folgenden Zahlen ausgewiesen: Ergebnisgröße (profit) im IFRS-Jahresabschluss Jahresüberschuss im handelsrechtlichen Einzelabschluss Bilanzgewinn im handelsrechtlichen Einzelabschluss Ergebnisgröße in der Steuerbilanz
300.000 € 250.000 € 240.000 € 208.000 €
a) Welcher Betrag steht insgesamt höchstens für Ausschüttungen zur Verfügung? b) In welcher Höhe erwarten Sie als Aktionär der Beta AG Dividendenzahlungen, wenn Sie 5 % der Aktien der Beta AG halten? Gehen Sie von einer Vollausschüttung der relevanten Ergebnisgröße aus.
Diskussionsfrage I.2.-4 Die Rational AG ist im TecDAX notiert. Unternehmenssitz ist Duisburg. Die Rational AG hält zwei 100%ige Beteiligungen an US-amerikanischen Unternehmen und eine 80%ige Beteiligung an einem finnischen Unternehmen; alle Beteiligungen sind konsolidierungspflichtig. Welche Abschlüsse muss die Rational AG erstellen?
Kontrollfragen zu I.2
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Kontrollfragen zu I.2 1. Worin besteht der Unterschied zwischen einem Einzel- und einem Konzernabschluss? 2. Sind die Interessen der Abschlussadressaten stets gleichgerichtet? 3. Die Beta AG tätigt in der Steuerbilanz steuerliche Sonderabschreibungen gem. § 7 g EStG. Inwieweit beeinflusst dieses Vorgehen die Erstellung des handelsrechtlichen Einzel- und Konzernabschlusses? Sie sind als Kreditgeber der Beta AG an möglichst präzisen Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beta AG interessiert. Wie beurteilen Sie die Aussagekraft der zuvor genannten handelsrechtlichen Abschlüsse? 4. Warum besitzt ein IFRS-Abschluss ggf. eine faktische Ausschüttungsbemessungsfunktion? 5. Geben Sie ein Beispiel für ein deutsches Gesetz, welches eine EU-Richtlinie umsetzt. Gehen Sie auf die Zielsetzung der von Ihnen herangezogenen EU-Richtlinie ein und verdeutlichen Sie die Umsetzung anhand der herangezogenen Gesetzesnorm. 6. In Zusammenhang mit dem Komitologieverfahren wurde ausgeführt, dass dieses Verfahren in seinem materiellen Gehalt demjenigen einer dynamischen Verweisung entspricht. Was ist unter einem dynamischen Verweis zu verstehen?
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3 System der Unternehmenspublizität LERNZIELE
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Überblick über das System der Unternehmenspublizität und Abgrenzung der einzelnen Publizitätselemente. Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen einer Unternehmenssteuerung auf Basis der IFRS. Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Unternehmenspublizität und Investor Relations-Maßnahmen sowie Jahresabschluss und Corporate Governance. Fähigkeit Anforderungen an und Probleme von einzelnen Publizitätselementen zu identifizieren.
3.1 Einführung 3.1.1 Begriffsabgrenzungen und Systematisierung 3.1.1.1 Überblick Unternehmenspublizität umfasst jede Veröffentlichung von Informationen an Dritte, wobei Informationen als zweckorientiertes Wissen definiert sind. Die Literatur grenzt die Begriffe Unternehmenspublizität, externe Unternehmensrechnung und interne Unternehmensrechnung nicht immer einheitlich voneinander ab.2 Trotz der Uneinheitlichkeit in der Abgrenzung soll für Zwecke des Buches nachfolgender Morphologie gefolgt werden. Externe Unternehmensrechnungen bilden den Kernbereich der Unternehmenspublizität. Weitgehend synonym finden auch die Begriffe »Externe Rechnungslegung« oder »financial accounting« Verwendung. Zu den externen Unternehmensrechnungen zählen neben dem Jahresabschluss u. a. auch unterjährige Abschlüsse (s. Kap. I.3.2.2.2), die sog. Ad-hoc-Publizität (s. Kap. I.3.2.3.1) sowie freiwillige Zusatzinformationen über den Geschäftsverlauf. Bei Unternehmensrechnungen handelt es sich gemeinhin um Informationssysteme (vgl. z. B. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 3 f.). Mit externen Unternehmensrechnungen i. e. S. sind im Folgenden jene Systeme angesprochen, welche die im Zusammenhang mit der Abschlusserstellung (s. Kap. I.2.2) relevanten Informationen wie das Jahresergebnis generieren. Überdies werden einer externen Unternehmensrechnung solche Informationssysteme zugerechnet, welche sich auf die Generierung weiterer, verpflichtend zu publizierender Informationen beziehen (Fläche D in Abb. I.3./1). Hierzu zählen z. B. bestimmte, im Rahmen der Ereignispublizität (s. Kap. I.3.2.3) zu veröffentlichenden Informationen, wie z. B. die Information zum Wechsel eines leitenden Mitarbeiters im Rahmen der Ad-hoc-Publizität.
2
Vgl. hierzu z. B. Feldhoff/Feldhoff 2002, Sp. 1640 ff.; Schweitzer 2002, Sp. 2017 ff. m. w. N.
3 System der Unternehmenspublizität
D
A
Interne Unternehmensrechnungen
B
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E
C
D
Externe Unternehmensrechnungen
Unternehmenspublizität
Abb. I.3./1 Interne Unternehmensrechnungen, externe Unternehmensrechnungen und Unternehmenspublizität
Eine dem Bereich der Unternehmenspublizität und nicht der externen Unternehmensrechnung zurechenbare Information (Flächen C und E) könnte z. B. die Weitergabe von aktuellen Produktinformationen sein. Auch die Weitergabe von Informationen zu einer strategischen Neuausrichtung an die Tagespresse könnte unter diese Kategorie fallen. Voraussetzung ist, dass diese Informationen aufgrund ihrer Eignung zur Kursbeeinflussung nicht bereits zwangsweise ad hoc zu publizieren sind. Diese Informationen werden im Folgenden als Zusatzinformationen bezeichnet; die Abgabe dieser Informationen erfolgt zumeist freiwillig (s. Kap. I.3.1.1.4). Werden die Informationen für externe Zwecke auch für interne Steuerungszwecke verwendet (Fläche B), besteht eine Identität zwischen interner und externer Unternehmensrechnung (s. Kap. I.3.1.1.2). Bei alleiniger Verwendung von Informationen für interne Steuerungszwecke ist die Fläche A angesprochen. Hier könnte es sich z. B. um Preiskalkulationen unter Verwendung kalkulatorischer Kosten handeln. Anzumerken ist, dass sich eine Vielzahl von Informationen nicht immer eindeutig einer bestimmten Fläche zuordnen lässt. Werden z. B. interne Steuerungsinformationen auf der Basis extern zu publizierenden Informationen abgeleitet (z. B. durch Korrektur der externen Daten), so wären diese internen Steuerungsinformationen unter Berücksichtigung des Prozesses ihrer Erstellung sowohl der externen als auch der internen Unternehmensrechnung zuzurechnen (Fläche B). Adressaten interner Unternehmensrechnungen sind Entscheidungsträger im Unternehmen. Es lassen sich zwei Hauptfunktionen interner Unternehmensrechnungen unterscheiden (vgl. zu den folgenden Ausführungen z. B. Küpper et al. 2013, S. 81 ff.; Ewert/Wagenhofer 2014, S. 6 ff.): y Unter der Entscheidungsfunktion wird die Fähigkeit interner Unternehmensrechnungen verstanden, möglichst umfangreiche und genaue Informationen als Grundlage für die Entscheidungen des Managements zu liefern. Genauere Informationen werden in Hinblick auf die Entscheidungsfunktion nur dann nicht als zielführend angesehen, wenn sie mit übermäßig hohen Kosten verbunden wären (vgl. Ewert 2006; Pfaff 2006). y Anders als die Entscheidungsfunktion sieht die Verhaltenssteuerungsfunktion interne Unternehmensrechnungen primär als Instrument zur Lösung von Koordinations- und Kontrollproblemen zwischen verschiedenen Entscheidungsträgern im Unternehmen. Diese können aufgrund von Zielkonflikten und Informationsasymmetrien zwischen ver-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
schiedenen Entscheidungsträgern, z. B. der Leitung eines Unternehmensbereichs und dem Topmanagement, entstehen. Die Berücksichtigung spezifischer Informationen in internen Unternehmensrechnungen, z. B. die Weiterverrechnung spezifischer Kostenbestandteile, kann auch zur besseren Koordination von Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger beitragen. Im Gegensatz zur Entscheidungsfunktion sind eine höhere Genauigkeit und ein höherer Umfang von Informationen dabei nicht immer von Vorteil (vgl. Pfaff/Stefani 2006). Der Unterschied zwischen Entscheidungs- und Verhaltenssteuerungsfunktion kann am besten am Beispiel von internen Verrechnungspreisen verdeutlicht werden. Für Zwecke der Entscheidungsfindung werden Preise gesucht, die die tatsächlichen Herstellungs- bzw. Herstellkosten für das Zwischenprodukt abbilden. Für Zwecke der Verhaltenssteuerung werden die Verrechnungspreise z. B. bewusst niedriger angesetzt, um eine unternehmensinterne Beschaffung von Zwischenprodukten zu fördern. Die Ausgestaltung interner Unternehmensrechnungen obliegt der Unternehmensleitung; hierfür gibt es keine festen Vorgaben. Weitgehend synonym verwendet werden die Begriffe »Internes Rechnungswesen«, »Controlling« sowie »management accounting«. Exkurs Controlling-Begriff In der Literatur ist der Controlling-Begriff »schillernd« (vgl. z. B. Berens/Bertelsmann 2002, Sp. 280 ff.; Horváth 2020, S. 13 ff.). Controlling bezieht sich nach überwiegender Meinung auf die Wahrnehmung von Steuerungs- und Lenkungsaufgaben mit der Zielsetzung, die Unternehmensleitung bei ihren Entscheidungen zu unterstützen. Dabei geht es um die Lenkung der eingesetzten Ressourcen in ihre optimale Verwendungsweise. Üblich ist es auch, Controlling als Steuerung durch Planung und Kontrolle zu definieren. Beispielsweise lassen sich Planumsätze bzw. Soll-Umsätze mit den Ist-Umsätzen vergleichen (Kontrolle) und die ggf. festgestellten Abweichungen auswerten. Als Ursachen für Abweichungen kommen z. B. ein Produktionsengpass oder Konkurrenzprodukte in Betracht. Als mögliche Anpassungsmaßnahmen sind die Beseitigung der Engpässe sowie Produktverbesserungen oder das Durchführen zusätzlicher Werbemaßnahmen zu nennen.
3.1.1.2 Verhältnis von interner und externer Unternehmensrechnung In Deutschland war über lange Zeit hinweg eine Loslösung des internen vom externen Rechnungswesen feststellbar (Zweikreissystem). Demnach wurde im externen Rechnungswesen eine Ergebnisgröße als Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen und im internen Rechnungswesen der Erfolg als Differenz zwischen Leistungen und Kosten ermittelt (s. Kap. II.2.1). Als Grund für das Auseinanderfallen von internen und externen Unternehmensrechnungen ist vor allem die mangelnde Eignung der (gesetzlich) geforderten externen Unternehmensrechnungen für interne Steuerungszwecke anzuführen. Als Argumente zur Begründung der Abweichungen sind zu nennen (in Anlehnung an Hax 2002, Sp. 760 f. m. w. N.): y Mangelnde Eignung einer externen Rechnungslegung, die sich stark am Vorsichtsprinzip orientiert: Eine solche Orientierung ist insbesondere bei der Erstellung eines HGBEinzelabschlusses gegeben. y Sachliche Abgrenzung: Intern ist es oftmals wünschenswert, nur den auf das Unternehmensziel (Sachziel) bezogenen Kernbereich der Leistungserstellung und -verwertung zu erfassen; neutrale Komponenten sind anders als in der externen Unternehmensrechnung ohne Belang.
3 System der Unternehmenspublizität
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Eliminierung abschlusspolitischer Verzerrungen (s. Kap. II.7): Die Ergebnisgrößen in externen Unternehmensrechnungen sind oftmals durch Überlegungen (Ausübung von Wahlrechten und Ermessensspielräumen) beeinflusst, welche sich z. B. auf die Ausschüttungen und die Steuerbemessung beziehen. Eine dergestalt verzerrte Ergebnisgröße ist für interne Steuerungszwecke ungeeignet. Wertmäßiger Kosten- und Leistungsbegriff: Die interne Unternehmensrechnung löst sich von der pagatorischen Orientierung der externen Unternehmensrechnung, wonach Aufwendungen und Erträge als ergebniswirksame Aus- und Einzahlungen definiert sind, die nach bestimmten Regeln einzelnen Perioden zugerechnet werden (s. Kap. II.4.4.2.2; II.4.4.5.1). Dagegen berücksichtigen interne Unternehmensrechnungen regelmäßig auch kalkulatorische Kosten, die nicht den tatsächlich gezahlten Preisen entsprechen und insofern nicht pagatorisch abgesichert sind. Kalkulatorische Kosten sollen den eingetretenen Werteverzehr berücksichtigen. Beispiele für kalkulatorische Kosten sind kalkulatorische Zinsen, ein kalkulatorischer Unternehmerlohn sowie kalkulatorische Abschreibungen (vgl. stellvertr. Haberstock 2020, S. 70 ff.).
3.1.1.3 Interne Unternehmenssteuerung auf Basis externer Unternehmensrechnungen Die Trennung von interner und externer Unternehmensrechnung lässt sich allerdings vor dem Hintergrund einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung nach IFRS weitaus schwieriger aufrechterhalten (vgl. z. B. Simons/Voeller 2009, S. 179 ff.; Simons/Weißenberger 2010, S. 273 ff.). Ein Management, welches mit seinen Entscheidungen die Steigerung des Unternehmenswertes verfolgt, benötigt für die interne Steuerung Informationen, die die Performance des Unternehmens und seiner Teile abbildet. Diese Informationen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den Informationen, die ein externer Adressat, z. B. bei seinen Kapitalanlageentscheidungen, heranzieht (so auch KPMG 2000, S. 39 ff.). Folgendes ist festzustellen: y Die IFRS-Rechnungslegung ist nicht übervorsichtig. y Sowohl eine IFRS-Rechnungslegung als auch eine HGB-Rechnungslegung ermöglichen eine auf das Sachziel bezogene Abgrenzung (i. S. des gesonderten Ausweises einer operativen Ergebnisgröße; zur Ergebnisspaltung s. Kap. II.5.3.3.3). Zudem schließt die alleinige Ausrichtung der IFRS auf den Informationszweck eine Beeinflussung durch Ausschüttungs- und Steuerbemessungsüberlegungen weitgehend aus. y Abschlusspolitik (s. Kap. II.7) kann sowohl bei Erstellung eines HGB- als auch eines IFRS- Abschlusses betrieben werden. Für die Verwendung von IFRS-Daten für interne Steuerungszwecke spricht die geringere Anzahl an Wahlrechten; dagegen sprechen die in weitaus größerem Umfang vorhandenen Ermessenspielräume (z. B. bei Ermittlung geschätzter Werte). y Der Einbezug kalkulatorischer Kosten für interne Zwecke ist umstritten (vgl. Hax 2002, Sp. 761 ff.; Günther/Schiemann 2005, S. 604 f. m. w. N.). Gegen einen solchen Einbezug wird z. B. angeführt, kalkulatorische Abschreibungen (auf die Wiederbeschaffungskosten) seien für interne Zwecke gerade nicht zu berücksichtigen, da über die Abschreibungsgegenwerte bereits voll amortisierte Kapitalbeträge nicht noch einmal verdient werden müssen (vgl. Männel 1999, S. 20 f.). Für die grundsätzliche Eignung der IFRS für interne Zwecke spricht weiterhin, dass zwischen dem Anforderungskatalog an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung und den Anforderungen an eine IFRS-Rechnungslegung weitgehende Identität besteht. Als Anforderungen
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
an eine Kontrollrechnung sind zu nennen (vgl. Klein 1999, S. 68 ff.; Günther/Schiemann 2005, S. 620 ff.): y Kommunikationsfähigkeit: Verständlichkeit und Akzeptanz des Steuerungssystems. y Anreizverträglichkeit: Durch die Orientierung an den Steuerungsgrößen werden Anreize zu gesamtunternehmenszielkonformen Verhaltensweisen gesetzt (Zielkongruenz). Weiterhin ist die Objektivität der Messgrößen zu fordern, d. h., Ermessensspielräume sind auszuschließen. y Analysefähigkeit: Zu fordern ist eine Vergleichbarkeit der Informationen im Zeitablauf sowie mit anderen Unternehmen. Zudem muss die Relevanz der Steuerungsdaten gegeben sein; angesprochen ist z. B. die Eignung der Informationen der Segmentberichterstattung gem. IFRS 8 (s. Kap. III.4.3) für interne Steuerungszwecke (s. Kap. II.3.3). y Wirtschaftlichkeit. Diese Anforderungen finden sich weitgehend im IASB F sowie in IAS 1 (s. Kap. II.5.3.2). Gleichwohl ist anzumerken, dass sich in den Einzelstandards durchaus Regelungen finden, die mit beachtlichen Ermessensspielräumen einhergehen und insofern nur bedingt oder gar nicht für interne Steuerungszwecke geeignet sind (vgl. hierzu z. B. die Kriterien zum Ansatz immaterieller Vermögenswerte gem. IAS 38; s. Kap. III.3.2.2). Weiterhin kann es zum Zwecke der Verhaltenssteuerung durchaus sachgerecht sein, mit kalkulatorischen Kosten zu arbeiten. Weitere Gründe, die für eine Vereinheitlichung von internem und externem Rechnungswesen in Form eines Einkreissystems sprechen, sind z. B. die Vereinfachung des Rechnungswesens, die Schaffung einer gemeinsamen Basis für die Kommunikation nach innen und außen (Kommunizierbarkeit und Akzeptanz) und die unmittelbare Verantwortung der Unternehmenseinheiten für die extern kommunizierte Performance (vgl. Klein 1999, S. 68; Simons/Weißenberger 2008, S. 137 ff.). Exkurs Integrierte Rechnungslegung Eine integrierte Rechnungslegung bezieht sich auf die Konvergenz von externem und internem Rechnungswesen. Ausgelöst durch die zunehmende Verbreitung der IFRS gehen viele Unternehmen dazu über, intern steuerungsrelevante operative Ergebnisse aus der Gewinn- und Verlustrechnung des externen Rechnungswesens abzuleiten (vgl. z. B. Göck/Dresp 2017). Eine Integration wird insbesondere durch den Einsatz von IT-gestützten ERP-Systemen, wie z. B. SAP S/4HANA gefördert (s. Kap. II.2.4.1). Auch die wissenschaftliche Literatur greift diesen Trend auf und publiziert in den Jahren 1994 bis 2009 hierzu rund 330 Beiträge (vgl. Weißenberger 2014, S. 440). Eine Übersicht mit Beispielen, inwiefern bestehende IFRS auf Informationen des Controllings zurückgreifen, gibt auch Weißenberger 2017. Die empirische Studie von Engelen/Pelger 2014 untersucht, welche Determinanten das Vorliegen eines integrierten Rechnungswesens im obigen Sinne fördern. Sie finden als fördernde Faktoren eine komplexe Unternehmensorganisation, das Vorhandensein eines Anteilseigners mit großem Anteilsbesitz und das Fehlen einer übermäßigen variablen Vergütung (vgl. ebd., S. 197 ff.). Dagegen finden Rieg/Gruber/Reißig-Thust 2017 bei kleineren und mittleren Unternehmen einen nur geringen Einfluss der Eigentümerstruktur. Die Ergebnisse der Studie deuten auch daraufhin, dass das Vorliegen eines integrierten Rechnungswesens mit der Unternehmensgröße abnimmt. Integrationshemmend wirkt indes der relative Anteil von Tochterunternehmen im Ausland, das Alter des Unternehmens und sein Verschuldungsgrad (vgl. Schmidt 2017).
In der Unternehmenspraxis erfolgt die interne Steuerung häufig als »wertorientierte Unternehmenssteuerung« (vgl. Gebhardt/Mansch 2005). Diese Steuerung umfasst alle Strategien und Maßnahmen des Managements eines Unternehmens, die darauf abzielen, den Unternehmenswert zu steigern (Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft, Deut-
3 System der Unternehmenspublizität
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sche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. 1996, S. 545). Eine solche Steuerung rückt die Interessen der Kapitalgeber und hier insbesondere der Aktionäre in den Vordergrund. Im neuen DCGK findet sich der Anspruch an den Vorstand, den nachhaltigen Unternehmenswert zu steigern, nur noch in abgeschwächter Form. So werden börsennotierte Unternehmen im Grundsatz 23 (vgl. zur Struktur des neuen DCGK Kap. I.3.1.4) verpflichtet, die Vergütungsstruktur der Vorstandsmitglieder auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten. Der alte Kodex beinhaltete zusätzlich, dass der Vorstand das Unternehmen mit dem Ziel der nachhaltigen Wertschöpfung leiten soll. Dies ist im neuen Kodex in einer ähnlichen Weise nur in der Präambel, jedoch nicht als eigener Grundsatz formuliert. Vereinzelt wird daher die nachhaltige Wertschöpfung, insbesondere vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Finanzmärkte, als eigenständiges Ziel hinterfragt (vgl. Wagner 2021). Eine wertorientierte Steuerung kann an Zielgrößen ansetzen, die z. B. eine bestimmte Rendite auf das eingesetzte Kapital (z. B. Eigenkapitalrentabilität) anstreben. Alternativ können Residualergebnisgrößen verwendet werden. Die Ausgangsüberlegung ist die Folgende: In den jeweiligen (Geschäfts-)Einheiten eines Unternehmens werden Ressourcen (betriebsnotwendiges Kapital) eingesetzt. Folglich ist in den jeweiligen Einheiten auch das Entgelt für den Ressourceneinsatz (Zinsen auf das betriebsnotwendige Kapital; im Folgenden kurz: Kapitalkosten) zu entrichten. Wird den Geschäftseinheiten ein bestimmtes Kapital zugerechnet, dann signalisieren (Perioden-)Ergebnisse, die das definierte Ziel (Erwirtschaftung der Kapitalkosten) überschreiten, die periodenbezogene Schaffung eines zusätzlichen Wertes (positives Residualergebnis), während das Verfehlen der Zielgröße eine periodenbezogene Wertvernichtung anzeigt (negatives Residualergebnis; vgl. hierzu Kley 2003, S. 8). Als Residualergebnisgröße kommt das die Kapitalkosten übersteigende Periodenergebnis in Betracht; dagegen werden in der externen Rechnungslegung von der Ergebnisgröße nur die Zinsen auf das Fremdkapital abgezogen, nicht aber die Zinsen auf das Eigenkapital. Weite Verbreitung als Residualergebnisgröße hat in der Praxis der Economic Value Added (EVA) gefunden (vgl. Ballwieser 2007, S. 18; Quick/Kayadelen/Flashaar-Bloedorn 2008, S. 161 ff.), auch wenn die empirische Literatur hinsichtlich der Überlegenheit des EVA uneinheitliche Ergebnisse liefert (vgl. Altaf 2016, S. 152 f. m. w. N.). Der EVA kann ausgehend von dem in der externen GuV ausgewiesenen »Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern« ermittelt werden. Diese Größe ist unter Berücksichtigung verschiedener Anpassungen in das »operative Periodenergebnis« zu überführen (Net Operating Profit after Taxes, NOPAT). Weiterhin sind die mit dem Kapitaleinsatz verbundenen Kapitalkosten (betriebsnotwendiges Kapital x Gesamtkapitalkostensatz 3) abzuziehen.4 EVA = NOPAT – Kapitalkosten Die einzige verbleibende kalkulatorische Kostenart, der allerdings große Bedeutung zukommt, ist der kalkulatorische Zins (hier im Rahmen der Kapitalkosten). Die errechnete
3
4
Nach dem Konzept der gewogenen Kapitalkosten (WACC-Konzept; s. Kap. II.5.3.8.2.c) ist die Summe der gewichteten Eigen- und Fremdkapitalkostensätze angesprochen; die Bestimmung des Eigenkapitalkostensatzes kann mittels des CAPM (s. Kap. II.5.3.8.2.c) erfolgen. Zur EVA-Ermittlung und den damit einhergehenden Problemen vgl. stellvertr. Lachnit/Müller 2002, S. 2553 ff.; Lang guth/Marks 2003, S. 615 ff.; Nowak/Heuser 2005, S. 649 ff. sowie zur EVA-Ermittlung bei Anwendung der IFRS siehe Weißenberger 2011, S. 261 ff. Für Kritik zur Verwendung des EVA zum Zwecke der Rechenschaft vgl. Ballwieser 2007, S. 13 ff.
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Residualergebnisgröße lässt sich erst dann für interne Steuerungszwecke heranziehen, wenn man diese für Teilbereiche des Unternehmens berechnet. Möglich ist hier eine residualergebnisgrößenorientierte Steuerung von Profit Centern (als unternehmensinterne Bereiche mit Ergebnisverantwortung). Dabei sind die für Zwecke der internen Steuerung abgegrenzten Geschäftssegmente regelmäßig auch für die nach dem Management-Ansatz abgegrenzten Geschäftssegmente gem. IFRS 8 (s. Kap. III.4.3) heranzuziehen. Insofern besteht auch aus diesem Blickwinkel ein enger Zusammenhang zwischen interner und externer Rechnungslegung (vgl. z. B. Haller 2006, S. 143 ff.). Der enge Zusammenhang der beiden Rechnungskreise wird auch daran deutlich, dass in einer Befragungsstudie von den zehn am häufigsten genannten steuerungsrelevanten Kennzahlen sieben earnings-basiert sind (vgl. Göck/Dresp 2017, S. 9). Geschäftsbericht EVA bei der Henkel AG & Co. KGaA Der EVA belief sich in Bezug auf das Geschäftsjahr 2020 auf 503 Mio. €. Davon entfielen auf die zentralen Unternehmensbereiche (= Konzernsegmente) Adhesive Technologies 410 Mio. €, Beauty Care –47 Mio. € und Laundry & Home Care 150 Mio. €. Der Segmentberichterstattung ist für Adhesive Technologies ein eingesetztes Kapital von 9,304 Mrd. €, für Beauty Care von 4,405 Mrd. € und für Laundry & Home Care von 7,473 Mrd. € zu entnehmen. Die WACC-basierten Kapitalkostensätze betragen für Adhesive Technologies 9,00 %, Beauty Care 7,25 % und für Laundry & Home Care 7,25 %. Demnach berechnet sich der EVA z. B. für Adhesive Technolgies wie Folgt: EBIT – Kapitalkosten = 1,248 Mrd. € – (9,304 Mrd. € × 9,00 %) = 410 Mio. € (vgl. hierzu Henkel AG & Co. KGaA 2021, S. 3 ff., insbes. S. 102 u. 178).
Diskussionsfrage I.3.-1 Welche Schlüsse ziehen Sie auf Grundlage der zuvor beschriebenen segmentbezogenen EVA-Berechnungen der Henkel AG & Co. KGaA? Was fällt Ihnen auf und welche weiteren Informationen sind aus Ihrer Sicht heranzuziehen, um unternehmerische Entscheidungen zu treffen? Warum werden für die Konzernsegmente unterschiedliche Kapitalkostensätze herangezogen?
In einem engen Zusammenhang zu dem zuvor Gesagten steht, dass in die Analyse des Lageberichts (s. Kap. III.4.4.1) »die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern« (§ 289 Abs. 1 S. 3 HGB; eine analoge Regelung für den Konzernabschluss findet sich in § 315 Abs. 1 S. 3 HGB) sind. Unter die finanziellen Leistungsindikatoren fallen insbesondere die von der Unternehmensleitung zur Steuerung des Gesamtunternehmens oder einzelner Geschäftsbereiche verwendeten Größen (vgl. auch DRS 20.102). Wird hier der EVA herangezogen, ist dieser Indikator angemessen zu definieren und aus den Zahlen des Jahresabschlusses überzuleiten (vgl. DRS 20.104). Da sich im zuvor dargestellten Beispiel der Henkel GmbH & Co. KG die Berechnungen im Lagebericht finden, ist in Abbildung I.3./1 die Fläche B angesprochen. Das Potenzial zur Konvergenz von interner und externer Unternehmensrechnung bei Anwendung der IFRS ist reichhaltig und umfasst neben dem bereits angesprochenen IFRS 8 (Segmentberichterstattung) weitere Bereiche, wie Vorratsbewertung, Beteiligungsbewertung oder durch den Rückgriff auf interne Planungsdaten die Ermittlung von Fair Values (vgl. Lorson 2007, S. 303 ff.; Simons/Weißenberger 2010, S. 271 ff.; Weißenberger 2011, S. 81 ff. m. w. N.) oder die Ermittlung von Nutzungswerten (s. Kap. II.5.3.8.2) zum Zweck der Durch-
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führung von Wertminderungstests (vgl. Crasselt/Pellens/Rowoldt 2014). Mittlerweile setzt sich die Annäherung von internem und externem Rechnungswesen zunehmend in der Praxis durch (vgl. z. B. Wagenhofer 2008; Lorson/Melcher/Zündorf 2013). Empirie Annäherung von internem und externem Rechnungswesen in der Praxis Einer Befragung von 162 Unternehmen zufolge nutzen 69 % der Unternehmen die IFRS für das interne Berichtswesen. Davon gehen wiederum 48 % der Befragten davon aus, dass eine Verwendung der IFRS Vorteile für das Management bietet; 25 % haben hierzu keine Angabe gemacht und 31 % sehen keine Vorteile in der Verwendung der IFRS (vgl. ausführlich ICAEW 2007, S. 5 ff., insbes. S. 40).
Die zuvor genannten Gründe sprechen dafür, dass die in Abbildung I.3./1 dargestellte Schnittmenge B in Zukunft einen größeren Raum einnehmen wird. Insgesamt ist daher eine deutliche Tendenz zur Konvergenz interner und externer Unternehmensrechnungen feststellbar (vgl. auch Klein 1999, S. 67 ff.; Fröhlich 2004, S. 12 ff.; Simons/Weißenberger 2009). 3.1.1.4 Freiwillige Zusatzinformationen Unternehmen veröffentlichen mit zunehmender Kapitalmarktorientierung über die externe Unternehmensrechnung hinaus freiwillig Zusatzinformationen (sog. »voluntary disclosure«, s. Abb. I.3./1, Flächen C, E). Diese Informationen beziehen sich oftmals auf eine strukturierte Darstellung von Werttreibern und deren Entwicklung im Zeitablauf (value reporting, business reporting). Die Literatur verwendet diese Begriffe allerdings nicht einheitlich. Oftmals werden business reporting oder value reporting auch als die Bereitstellung kapitalmarktinduzierter Informationen definiert, die über die Pflichtpublizität (financial reporting) hinausgeht.5 Naturgemäß sind die Informationen zusätzlich zu publizieren, die Dritte für die Beurteilung des Unternehmens als relevant erachten; an diesen Informationen sollten sich auch die Investor Relations-Maßnahmen (s. Kap. I.3.1.3) eines Unternehmens ausrichten. Die freiwilligen Informationen beziehen sich häufig auf die folgenden, nicht ganz trennscharfen Kategorien; zudem bestehen oftmals Überschneidungen zu den im Rahmen der Pflichtpublizität geforderten Informationen.6 y Aktienbezogene Informationen, wie z. B. die Aktienentwicklung oder Aktienkennzahlen. Als zentrale Kennzahlen sind u. a. zu nennen: Ergebnis je Aktie (verpflichtend gem. IAS 33), Cashflow-Größen (verpflichtend z. B. gem. IAS 7; s. Kap. III.4.2), Kurs-GewinnVerhältnisse, book-to-bill ratios (Verhältnis von Auftragseingängen zu Umsatz) sowie modifizierte Ergebnisgrößen, wie z. B. EBIT und EBITDA.7 Eine Auswertung der Steuerungssysteme von Unternehmen der DAX-Familie zeigt, dass EBIT und EBITDA sehr häufig als Steuerungsgrößen gewählt werden (vgl. Göck/Dresp 2017). y Informationen zu den strategischen Zielen und zum Management sowie hiermit in einem engen Zusammenhang stehende Informationen zu kritischen Erfolgsfaktoren (value drivers). Zu diesen Faktoren zählen z. B. Kundenzufriedenheit und -fluktuation,
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Vgl. hierzu Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2002, S. 2337; Alvarez/Kleekämper/Kuhlewind 2020, Teil A, Kapitel I, Rn. 3. Zu abweichenden Begriffsdefinitionen vgl. Ruhwedel/Schultze 2002, S. 608 f.; Fischer/Klöpfer 2006, S. 4. Zu den Inhalten eines value reporting vgl. z. B. Fey/Siegler 2000, S. 6 ff.; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. 2002, S. 2337; Fischer/Klöpfer 2006, S. 4 ff.; Buchheim/ Fischer 2007, S. 144 ff. m. w. N. Zum Informationsbedarf von Finanzanalysten in der Automobilindustrie auf Basis einer durchgeführten Befragung vgl. Wichels 2002, S. 131 ff., insbes. S. 196.
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neue Patente, Entwicklungszeiten und Mitarbeiterqualifikation. Auch für diese Informationen könnte sich eine Berichterstattungspflicht oder -möglichkeit im Lagebericht ergeben. Erläuterungen zur Verbindung von kurzfristigen Maßnahmen und langfristigen Strategien stehen in einem engen Zusammenhang zu dem zuvor Gesagten (empirisch hierzu Thomas 2003, S. 79 ff.). Wertentwicklungskennzahlen (performance measures), wie z. B. der EVA (s. Kap. I.3.1.1.3), werden gleichfalls regelmäßig im Lagebericht dargestellt. Weiterhin fordern die Kapitalmarktteilnehmer oftmals zukunftsorientierte Informationen. Solche Informationen finden sich gleichfalls im Lagebericht; angesprochen ist der Prognosebericht als Teilbericht des Lageberichtes. § 289 Abs. 1 HGB verlangt, dass über die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu berichten ist (s. Kap. III.4.4). Teilweise wird angeführt, Prognosen seien nützlich, weil diese das Vertrauen der Investoren erhöhen und mithin geeignet sind, bestehende Risiken abzubauen. Gleichwohl mehren sich die Stimmen, welche die Nützlichkeit von Unternehmensprognosen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Unternehmen regelmäßig ein Management der Analystenerwartungen (s. Kap. I.3.1.3) betreiben, bezweifeln (vgl. AICPA 1993, S. 5). Zudem fordern verschiedene Stakeholdergruppen, wie z. B. Nachhaltigkeitsfonds, dass Unternehmen alle natürlichen Ressourcen möglichst effizient einsetzen und sich ethisch einwandfrei verhalten. Demnach besteht seitens der Unternehmen die Notwendigkeit, sich gegenüber den Stakeholdern entsprechend zu rechtfertigen (vgl. O’Donovan 2002, S. 344 ff.). Zum einem wird dem Informationsbedarf der Stakeholder durch eine zunehmende gesetzliche Regulierung der nichtfinanziellen Berichterstattung Rechnung getragen. So wurden mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz bestimmte Unternehmen verpflichtet, für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2017 eine nichtfinanzielle Erklärung (§ 289c HGB) zu erstellen (s. Kap. III.4.4). Zum anderen legen Unternehmen, neben der gesetzlich vorgeschriebenen nichtfinanziellen Berichterstattung, weiterhin freiwillig erstellte Nachhaltigkeitsberichte vor (vgl. Pellens/Lleshaj/Stappert 2018, S. 2287; Simon-Heckroth/Borcherding/Luckenhunber 2020, S. 882 ff.). Einen möglichen Leitfaden für die Erstellung dieser Berichte bietet die Global Reporting Initiative (GRI, vgl. http://www. globalreporting.org).
3.1.2 Medien der Unternehmenspublizität Zentrale Medien der Unternehmenspublizität sind der Geschäftsbericht, das Internet sowie der Bundesanzeiger und das Handelsregister. Hinzu treten u. a. Einlassungen im Rahmen der Jahreshauptversammlung, die außerhalb des Geschäftsberichts veröffentlichten unterjährigen Berichte (s. Kap. I.3.2.2.2), Unternehmenspräsentationen im Rahmen von Road Shows, Analystenkonferenzen, Aktionärsbriefe und Pressemitteilungen. Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich auf diese Medien (vgl. hierzu sowie zu weiteren Publizitätsformen Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 58). 3.1.2.1 Geschäftsbericht Der Geschäftsbericht ist das zentrale Medium der jährlichen Unternehmenspublizität oder anders formuliert: »Der Geschäftsbericht ist ein Herzstück der Finanzkommunikation« (Gazdar/ Piwinger 2001, S. 298). Dabei sind online verfügbare Geschäftsberichte (vgl. z. B. Bundesanzeiger Verlag 2021, unter http://www.unternehmensregister.de) eine Selbstverständlichkeit.
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Empirie Nutzen, Nutzer und Nutzung von Geschäftsberichten Gabrysch/Norgall 2014 haben 273 Anleger, Analysten, Journalisten und Investoren befragt: »Die schönste Nachricht als Auftakt: Die Mühe lohnt sich. Der Geschäftsbericht ist ein Instrument zur Entscheidungsfindung. Auf die Frage, ob Geschäftsberichte eine Basis für Entscheidungen der Stakeholder bilden, herrscht Einigkeit: 90 Prozent der institutionellen Aktionäre, Analysten und Privataktionäre aller Altersgruppen nutzen die Berichte genau dazu« (ebd. 2014, S. 4). Eine 2013 seitens des DAI durchgeführte Befragung von 38.127 privaten und institutionellen Anlegern brachte die folgenden Ergebnisse hervor: »Der Anteil derjenigen, die dem Geschäftsbericht eine hohe oder sogar sehr hohe Bedeutung beimessen, ist um 9 Prozentpunkte gestiegen. Dieser Anstieg wird besonders bei der Anlegergruppe der Profis deutlich, bei der ein Wachstum um rund 11 Prozentpunkte festzustellen ist« (DAI 2014, S. 34). »So zeichnet sich nach wie vor eine – gegenüber 2008 sogar um 4 bzw. 5 Prozentpunkte gestiegene – Präferenz für die ›klassischen Rechenwerke‹ Bilanz und GuV ab. Der Anstieg in der Nutzungsintensität von Bilanz und GuV betrifft alle Anlegergruppen mit einer Ausnahme: Der Prozentsatz der unerfahrenen Anleger, welche die GuV sehr intensiv oder intensiv nutzen, fiel von 65 % im Jahr 2008 um knapp 10 Prozentpunkte auf gerundet 54 %« (ebd., S. 38). Eine 2020 bis 2021 durchgeführte Befragung von Lesern von Online-Geschäftsberichten belegt vielfältige Nutzergruppen: Hierzu zählen vor allem Analysten (17 %), private Aktionäre (12 %) und Mitarbeitende (25 %). Weitere Nutzergruppen sind Studierende und Bewerber, Kunden, Lieferanten, sowie Journalisten. Die Hauptinteressen sind wirtschaftliche Entwicklung, Strategie und Nachhaltigkeit (vgl. Mittelbach-Hörmanseder 2021).
In Deutschland gliedert der Geschäftsbericht sich zumeist in die in Abbildung I.3./2 genannten Bestandteile (vgl. hierzu Klein/Voss 2002, Sp. 899 ff.).
Geschäftsbericht Jahresabschluss
Lagebericht
Bestätigungsvermerk
Veröffentlichungspflicht
Bericht des Aufsichtsrates
Zusatzinformationen freiwillig
Abb. I.3./2 Inhalte eines Geschäftsberichts
Der Jahresabschluss, der auch ein zentraler Bestandteil des Geschäftsberichts ist, kann nach nationalen oder internationalen Normen erstellt werden; ein deutscher HGB- oder IFRS-Bilanzierer hat im Hinblick auf die Erstellung des Lageberichts die deutschen Normen zu beachten (s. Kap. I.3.2.2.1). Der Bestätigungsvermerk (Testat) informiert über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen externen Abschlussprüfer (§ 322 HGB). Im Bestätigungsvermerk ist gem. ISA DE 710 8 auch über besonders wichtige Prüfungssachverhalte (sog. key audit matter) zu berichten.
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Bei den ISA DE handelt es sich um die vom International Auditing and Assurance Board (IAASB) verlautbarten International Standards on Auditing (ISA), die vom IDW in die deutsche Sprache (DE) übersetzt wurden (ggf. um nationale Besonderheiten ergänzt). Die ISAs konkretisieren als fachtechnische Normen die allgemeinen Anforderungen an die Durchführung einer Jahresabschlussprüfung in den §§ 317 ff. HGB, die auch bei der Prüfung eines IFRS-Abschlusses zu beachten sind (§ 315e Abs. 1 HGB).
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Der Vorstand hat den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 Abs. 1 AktG). Zugleich hat der Vorstand dem Aufsichtsrat einen Gewinnverwendungsbeschluss zu unterbreiten (§ 170 Abs. 2 AktG). Dem Aufsichtsrat obliegt wiederum die Prüfung von Jahresabschluss, Lagebericht und Gewinnverwendungsbeschluss (§ 171 Abs. 1 AktG; s. Kap. I.3.2.2.1.b). Der Aufsichtsrat muss den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (§ 321 HGB) selbst kritisch hinterfragen und beurteilen. Bestehenden Unstimmigkeiten ist nachzugehen. Demnach darf der Aufsichtsrat sich nicht grundsätzlich auf ein positives Prüfungsurteil des externen Abschlussprüfers (uneingeschränkter Bestätigungsvermerk gem. § 322 Abs. 2 HGB) verlassen. Über das Ergebnis dieser Prüfung hat der Aufsichtsrat schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten (§ 171 Abs. 2 AktG). Der Bericht des Aufsichtsrates ist wiederum Teil des Geschäftsberichts. Die Zusatzinformationen, z. B. zu den Märkten und den Produkten, zu den Mitarbeitern sowie zur Erfolgsstory des Unternehmens nehmen in der Praxis den größten Raum des Geschäftsberichts ein. Diese Informationen umfassen regelmäßig auch Eigendarstellungen des Unternehmens mit Werbecharakter. In den Zusatzinformationen sollte die Unternehmensleitung auch auf das Leitbild des Unternehmens eingehen. Entscheidungsnützliche Informationen müssen auch zuverlässig sein. Demnach ist es für die Stakeholder bedeutsam zu wissen, welche Informationen geprüft sind und welche nicht. Wichtig ist demnach die Zuordnung der zu publizierenden Informationen zu den einzelnen Bestandteilen des Geschäftsberichts: y Vollumfänglich geprüft werden regelmäßig der Jahresabschluss und der Lagebericht (§§ 316, 317 HGB ggf. i. V. m. § 315e HGB; s. Kap. I.5.2.1.4). y Darüber hinaus hat der amtierende Abschlussprüfer zusätzliche Informationen, die von Unternehmen in Dokumenten (angesprochen ist hier der Geschäftsbericht) zusammen mit dem Jahresabschluss und dem Lagebericht veröffentlicht werden, kritisch zu lesen, um mögliche Widersprüche zu den geprüften Informationen im Abschluss oder Lagebericht festzustellen; dabei handelt es sich allerdings nur um eine Plausibilitätsprüfung. Einzelheiten zur Prüfungsdurchführung finden sich im ISA DE 720. Kritisches Lesen bedeutet, dass der Prüfer die Zusatzinformationen im Hinblick auf Unstimmigkeiten zum Jahresabschluss oder Lagebericht durchsieht. Insofern handelt es sich nicht um eine vollumfängliche Prüfung, d. h., dass diese Zusatzinformationen weniger zuverlässig und mithin weniger entscheidungsnützlich sind. Diskussionsfrage I.3.-2 Aufgrund der allgemein formulierten Anforderungen an einen Lagebericht in § 289 Abs. 1 HGB ist es den Unternehmen faktisch freigestellt, freiwillige Zusatzinformationen (s. Kap. I.3.1.1.4) in den veröffentlichungspflichtigen oder in den freiwilligen Teil des Geschäftsberichts aufzunehmen. Diskutieren Sie aus Unternehmenssicht und aus Sicht der Stakeholder, welche Vorgehensweise vorziehenswürdig ist.
3.1.2.2 Internet Die Stakeholder fordern entscheidungsnützliche und mithin zuverlässige, relevante und zeitnahe Informationen. Zeitnahe Informationen erfordern im Idealfall ein sog. real-time reporting (synonym continuous reporting). Ein solches reporting lässt sich durch die Verwendung des Internets als Medium der Unternehmenspublizität technisch problemlos realisieren (vgl. hierzu Küting/Dawo/Heiden 2001; Orens/Aerts/Cormier 2010).
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Deutsche börsennotierte Unternehmen stellen die zuvor angesprochenen Elemente einer Pflichtpublizität sowie freiwillige Zusatzinformationen zumeist auf unternehmensspezifischen Webseiten ein. y Dort stehen die Geschäftsberichte (s. Kap. I.3.1.2.1) regelmäßig zur Einsicht und zum Herunterladen bereit (sog. Online-Geschäftsbericht). Sie haben sich in den letzten Jahren als digitales Pendant zum gedruckten Bericht etabliert (vgl. Barrantes/Zülch 2019, S. 191 ff.). Dabei fällt z. B. auf, dass digitale Geschäftsberichte in den Niederlanden (71 % der Unternehmen, die in einem Index gelistet sind, bieten Online-Berichte an) deutlich weiter verbreitet sind als in Deutschland (50 %). y Bestimmte freiwillige Zusatzinformationen finden sich aufgrund der besonderen Möglichkeit einer Publikation ohne zeitliche Verzögerung oftmals nur im Internet. Als solche sind u. a. zu nennen: Analystenmeinungen, aktueller Kurs, Pressemitteilungen, Ad hocMeldungen sowie häufig gestellte Fragen (Frequently Asked Questions, FAQ). y Nachteilig ist allerdings, dass mit der Bereitstellung der Informationen im Internet besondere Risiken (insbes. Der Manipulation durch Dritte) einhergehen. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, das IT-System im Hinblick auf ihre Sicherheit freiwillig prüfen zu lassen (vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 957 ff.). Das Internet wird als Medium der Unternehmenspublizität weiter an Bedeutung gewinnen. Hierzu könnte auch die weitere Verbreitung der Berichtssprache XBRL (Extensible Business Reporting Language) beitragen. Dabei werden die einzelnen Jahresabschlussdaten durch sog. Tags (Etiketten) ausgezeichnet, sodass es möglich ist, die Daten unabhängig vom Betriebssystem und der verwendeten Software in ein Analyseprogramm zu übernehmen oder optisch (z. B. im PDF-Format) darzustellen. Auf diese Weise lassen sich strukturierte Informationspakete definieren. Entsprechende Informationspakete mit hierarchisch gegliederten Strukturen für die Abschlussposten nach HGB und IFRS liegen bereits vor (sog. XBRL-Taxonomien).9 XBRL bedeutet nicht, dass die Unternehmen andere Rechnungslegungsnormen befolgen. Es geht vielmehr darum, die bereits jetzt vorhandenen Wege der Datenübermittlung und -darstellung zu vereinfachen und kostengünstiger zu gestalten. Insofern ist XBRL ein software- und technologieunabhängiger Kommunikationsstandard (vgl. z. B. Berndt/Müller 2015 m. w. N.). Unternehmen können ihre in XBRL erstellten Finanzberichte den Stakeholdern über Portale, wie z. B. Newsfile (siehe http://www.newsfilecorp.com), zur Verfügung stellen. Eine besondere Bedeutung hat die HGB-Taxonomie durch den elektronischen Bundesanzeiger (s. Kap. I.3.1.2.3) erlangt. Hier hat man sich für XBRL als das bevorzugte Einlieferungsformat (Standardformat) entschieden. Der Verein XBRL Deutschland betreut Taxonomien für das deutsche Bilanzrecht (vgl. https://de.xbrl.org/taxonomien/). Darüber hinaus verpflichtet § 5b EstG zur elektronischen Übermittlung von Bilanz- und GuV-Informationen an die Finanzverwaltung. Für die Übermittlung wurde das XBRL-Format gewählt (vgl. BMF 2010). Kapitalmarktorientierte Konzerne müssen ihre IFRS-Konzernabschlüsse (Bilanz und Gesamtergebnisrechnung) ab dem 1.1.2020 in einem einheitlichen elektronischen Berichtsformat (European Single Electronic Format, ESEF) offenlegen (sog. ESEF-Jahresfinanzberichte10; hierzu z. B. Ruhnke/Schmidt 2021, S. 275 ff.). Zum 1.1.2022 sind Anhanginformatio-
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Taxonomien einschließlich umfangreicher Hinweise und Beispiele finden sich z. B. unter https://www.xbrl.org (Stand: 1.10.2021). 10 Jahresfinanzberichte umfassen gem. §§ 114, 117 WpHG den (Einzel-)Jahresabschluss nach nationalem Recht, ggf. den IFRS-Konzernabschluss, den Konzernlagebericht sowie die Erklärung der Geschäftsführung.
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nen ebenfalls in diesem neuen Format offen zu legen. Die Offenlegung erfolgt gem. Art. 3 der Delegierten VO 2018/815 (siehe Europäische Union 2018) in XHTML (Extensible Hypertext Markup Language) unter Verwendung der Auszeichnungssprache XBRL bzw. iXBRL (Inline Extensible Business Reporting Language). Dabei ist für die Auszeichnung auf vorgegebene IFRS-Taxonomien zurückzugreifen. Diese Berichte sind zudem gem. § 317 Abs. 3b HGB prüfungspflichtig. Von dieser Neuregelung sind in Deutschland rund 400 Konzerne betroffen (vgl. Zwirner 2020, S. 675 ff.). Für die Zukunft wird mit einer zunehmenden Nachfrage dieses Berichtformats gerechnet (vgl. Berger/Lieck 2018, S. 112; Mittelbach-Hörmanseder et al. 2020, S. 47; Zwirner 2020, S. 675 ff.). Von Vorteil ist, dass einheitlich strukturierte ESEF-Jahresfinanzberichte einen schnelleren und vereinfachten Informationszugang sowie hierauf basierende Analysen erlauben. Insofern wird die in IAS 1.9 geforderte Entscheidungsnützlichkeit gefördert. Empirisch lassen sich u. a. reduzierte Informationsverarbeitungskosten und Informationsasymmetrien belegen (vgl. z. B. Rudolph 2020; Hoitash/Hoitash/Morris 2021 m. w. N.; Ruhnke/Schmidt 2021, S. 275 ff.). Da die IFRS-Taxonomien ebenfalls im Wege der EU-Verordnung übernommen werden, kommt es auf diese Weise zu verbindlichen Gliederungsvorgaben, die in ihrer Detaillierung über IAS 1.54-1.111 hinausgehen. 3.1.2.3 Handelsregister, Bundesanzeiger und Unternehmensregister Das beim Amtsgericht geführte Handels- und Unternehmensregister kann gem. § 9 Abs. 1 HGB von jedermann eingesehen werden (vgl. Kußmaul/Ruiner 2007, S. 672 ff.; Kaminski 2020, Rn. 1 ff.). Dabei sind Firmenrecherche und Abruf von Veröffentlichungen kostenfreie Services. Weitergehende Abrufe sind kostenpflichtig (vgl. http://www.handelsregister.de). Das Handelsregister wird von den Gerichten geführt. Die Register enthalten im öffentlichen Interesse Angaben über bestimmte Tatsachen, die für den Geschäftsverkehr von Bedeutung sind (z. B. Firma, Sitz, vertretungsberechtigte Personen, ggf. das Stammkapital, Rechtsform). § 8b Abs. 2 HGB legt fest, dass Informationen wie z. B. Eintragungen ins Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister im Internet zugänglich gemacht werden. Die gesetzlichen Vertreter aller Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personengesellschaften haben u. a. den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrates und die Entsprechenserklärung zum DCGK (s. Kap. I.3.1.4) beim Betreiber des Bundesanzeigers (vgl. https://www.bundesanzeiger.de) elektronisch einzureichen (§ 325 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Für die offenzulegenden Unterlagen im elektronischen Bundesanzeiger gibt es wiederum größenabhängige Erleichterungen (vgl. hierzu §§ 325-327 HGB; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 44). Für die Einreichung von Rechnungslegungsinformationen steht eine schriftliche Arbeitshilfe zur Verfügung. Bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht sieht § 335 Abs. 1 HGB Ordnungsgeldverfahren und Strafen zwischen 2.500 € und 25.000 € vor. § 335 Abs. 1a HGB legt die Obergrenze für kapitalmarktorientierte Unternehmen auf das Maximum aus 10 Mio. €, dem Fünffachen des jährlichen Gesamtumsatzes und dem Doppelten des wirtschaftlichen Vorteils, der aus der unterlassenen Offenlegung gezogen wurde, fest. Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers hat die Daten gem. § 8b Abs. 3 Nr. 1 HGB an das Unternehmensregister zur Einstellung zu übermitteln (vgl. https://www. unternehmensregister.de/ureg/). Über die Internetseite des Unternehmensregisters sind die in § 8b Abs. 2 HGB genannten Daten zugänglich. Diese Daten umfassen neben den vom elektronischen Bundesanzeiger übermittelten Daten auch die Eintragungen im Handelsregister sowie weitere Daten, die vom Veröffentlichungspflichtigen einzustellen sind (§ 8b Abs. 3 HGB). Ziel ist es, die wichtigsten veröffentlichungspflichtigen Daten eines Unternehmens zentral zusammenzuführen und für Interessenten elektronisch abrufbar zu gestalten.
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3.1.3 Unternehmenspublizität und Investor Relations-Maßnahmen Unternehmenspublizität steht weiterhin in einem engen Zusammenhang zu Investor Relations-Maßnahmen. Der Begriff »Investor Relations« umfasst die planmäßige und strategische Gestaltung der Beziehungen zwischen einem Unternehmen und den (potenziellen) Eigenund Fremdkapitalgebern.11 Zu den Investor Relations-Instrumenten zählen u. a. Einzelgespräche, Road Shows, Pressekonferenzen, Analystentreffen sowie Geschäftsberichte, unterjährige Berichte, Aktionärsbriefe und alle Darstellungen auf der Homepage des betreffenden Unternehmens (vgl. z. B. Kirchhoff Consult AG/Fischer/PwC 2005, S. 16 f.). Ein herausragendes Medium von Investor Relations-Maßnahmen ist der Geschäftsbericht (s. Kap. I.3.1.2.1; Müncher 2016). Einer Befragung zufolge ist der Bekanntheitsgrad des Geschäftsberichtes in der Kernzielgruppe von Investor Relations-Maßnahmen (Analysten/Berater, institutionelle und private Anleger) am höchsten (vgl. IRES o.J.). Ziel von Investor Relations-Maßnahmen ist die Vertrauensbildung und der Abbau von Informationsasymmetrien zwischen dem Unternehmen und der financial community. Dazu gehört auch die Erhöhung der analyst coverage, d. h. einer Erhöhung der Anzahl von Analysten, die ein Unternehmen aktiv verfolgen. Dabei muss ein professionell betriebenes Investor Relations-Management auch Risiken und Zielverfehlungen kommunizieren. Dies ist Bestandteil einer konsistenten und kontinuierlichen Veröffentlichungspolitik, die auch das Erwartungsmanagement durch earnings guidances einschließt. Nur so entwickelt sich langfristig Vertrauen in ein Unternehmen (vgl. Stern Investor Relations 2017, http://sternir. com/#services/). Beispiel & Empirie Bedeutung von Investor Relations Bushee/Matsumoto/Miller 2003 zeigen in einer auf ca. 10.000 Telefonkonferenzen von Unternehmen mit Investoren und Analysten basierenden Befragung, dass Marktreaktionen auf die darin veröffentlichten Informationen davon beeinflusst werden, ob die Konferenzen durch Übertragung im Internet öffentlich sind oder nur einem beschränkten Kreis von Analysten zur Verfügung stehen. Hollander/Pronk/Roelofsen 2010 finden zudem Belege für eine negative Investorenreaktion auf die Nichtbeantwortung von Fragen in Telefonkonferenzen. Ergänzend zeigt die empirische Untersuchung von Brockman/Subasi/Uzmanoglu 2017 für Unternehmen einen positiven Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Investorenkonferenzen und der Liquidität ihrer Aktien. Die Untersuchung von Gajewski/Li 2015 legt nahe, dass eine höhere Anzahl von Veröffentlichungen durch Unternehmen im Internet mit geringeren Informationsasymmetrien einhergehen. Eine Interviewstudie von Bushee/Miller 2012 deutet allerdings daraufhin, dass der Erfolg von IR-Maßnahmen stärker vom direkten Zugang zum Management des Unternehmens als von umfangreicheren Veröffentlichungen abhängt. Einen ausführlichen Literaturüberblick über die empirische Forschung zur Bedeutung von Investor Relation geben Hoffmann/Tietz/Hammann 2018.
Bei der Interpretation der Investor Relations-Kommunikation muss ggf. die spezifische Motivation der handelnden Akteure berücksichtigt werden. So lässt sich z. B. nachweisen, dass sich der Umfang von Abschlusspolitik stärker durch aktienbasierte Anreize von CFOs als von CEOs erklären lässt (vgl. Jiang/Petroni/Wang 2010). Derartige Fehlanreize, die durch Anreizverträge mit dem Management hervorgerufen werden können, bewirken u. U. eine Informationspolitik, die aus Sicht der Investoren am falschen Ziel ausgerichtet ist. Anstatt
11 Für eine weitergehende theoretisch-konzeptionelle Einordnung des Begriffes »Investor Relations«, sowie für eine ausführliche Betrachtung der Investor Relations in Deutschland vgl. Köhler 2015. Der größte europäische Fachverband für Investor-Relations-Arbeit ist der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK; https://www.dirk.org).
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bestmögliche Informationen für die faire Bewertung der Aktie am Markt zu erhalten, könnte das Management durch »geschönte Informationen« oder das Zurückhalten negativer Informationen die Realisierung kurzfristiger Vorteile verfolgen (vgl. Kirsten 2004, S. 319; Kothari/ Shu/Wysocki 2009). Da die Marktteilnehmer an vorhersagbaren Ergebnisgrößen interessiert sind, richten die Unternehmen ihre Investor Relations-Maßnahmen häufig auf eine kontinuierliche Erfüllung der Ergebniserwartungen aus (kritisch hierzu s. Kap. II.7 unter dem Stichwort »earnings game«). Kurzfristige Gewinnerwartungen werden dabei systematisch über ein Management der Analystenerwartungen (sog. earnings guidance oder auch expectations management) gesteuert, welches ein wichtiges Gestaltungselement der Informationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Analysten darstellt (vgl. empirisch Versano/Trueman 2017, S. 227 ff.). Der Prozessverlauf der earnings guidance gestaltet sich vereinfacht wie folgt (vgl. Wichels 2002, S. 210 ff.; Ferber/von Nitzsch 2004, S. 822 ff.): y Festlegung interner Planungsgrößen (z. B. Halbjahresergebnis in Höhe von 2,2 Mio. €), y Festlegung von Kommunikationsmaßnahmen zur Orientierung des Marktes, z. B. Bekanntgabe durch den Finanzvorstand, konsistente Informationspolitik (one-voicepolicy), zunehmende Konkretisierung von Plangrößen im Zeitablauf, y Überprüfung der Erwartungshaltung (vor allem der Analysten), z. B. durch Sammlung und Aggregation von externen Gewinnprognosen (sog. Konsensschätzungen), y Identifikation von Abweichungen (Erwartungslücken) und Ableitung von Handlungsmaßnahmen, z. B. Korrektur der Erwartungshaltung der Analysten durch frühzeitige Vorbereitung auf Ergebnisabweichungen (preannouncements) oder Tätigung abschlusspolitischer Maßnahmen (s. Kap. II.7), um die gesetzten Erwartungen zu erfüllen, y Ergebnisbekanntgabe. Investor Relations ist auch eine wesentliche Voraussetzung für eine wertorientierte Unternehmensführung (s. Kap. I.3.1.1.3): »Die Erreichung des Ziels einer Wertsteigerung für die Eigenkapitalgeber wird wesentlich gefördert, wenn es gelingt, die Märkte von der konsequenten Umsetzung eines hierauf ausgerichteten Konzeptes im Unternehmen zu überzeugen. Einen besonderen Stellenwert besitzt hierbei eine zielgerichtete und glaubwürdige Investor Relations-Arbeit« (Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. 1996, S. 545 f.).
3.1.4 Einbettung der Jahrespublizität in das System der Corporate Governance Die Publizität von Unternehmen und besonders die Jahrespublizität (s. Kap. I.3.2.2.1) sind in das System der Corporate Governance eingebettet, d. h., die Jahrespublizität ist Bestandteil der Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung gegenüber den Stakeholdern. Unter Corporate Governance versteht man den normativen Rahmen zur Leitung und Überwachung von Unternehmen (vgl. hierzu DCGK, Präambel). Dabei wird regelmäßig die Rechtsform der Aktiengesellschaft betrachtet. Das Corporate Governance-System ist in hohem Maße durch die nationalen rechtlichen Umfeldfaktoren geprägt. Eine sinnvolle Betrachtung setzt daher die Berücksichtigung nationaler institutioneller Charakteristika voraus. Kennzeichen der internen Corporate Governance-Struktur einer deutschen Aktiengesellschaft ist ihr dualer Aufbau (Trennung von Leitungs- und Überwachungsfunktion in unterschiedlichen Organen; s. Abb. I.3./3).12
12 Zu den folgenden Ausführungen vgl. stellvertr. Hachmeister 2002, Sp. 487 ff. m. w. N.
3 System der Unternehmenspublizität
Vorstand
61
Leitungsfunktion
bestellt Aufsichtsrat wählen
Arbeitnehmer
bildet
Überwachungsfunktion
Ausschüsse
Hauptversammlung
Abb. I.3./3 Interne Corporate Governance-Struktur einer deutschen Aktiengesellschaft
Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat bestellt (§ 84 Abs. 1 AktG) und leitet die Geschäfte in eigener Verantwortlichkeit (§ 76 Abs. 1 AktG); ihm obliegt auch die Vertretung der Gesellschaft nach außen (§ 78 Abs. 1 AktG). Der Vorstand unterliegt der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Ungeachtet hoher Sorgfaltsanforderungen übernimmt der Vorstand in Bezug auf die auszuübenden Aufgaben keine Erfolgsgarantie. Dabei stellen auf Basis angemessener Informationen getroffene Entscheidungen innerhalb des unternehmerischen Entscheidungsspielraums, die sich ex post als unvorteilhaft herausgestellt haben, keine Pflichtverletzung dar (sog. business judgement rule; siehe hierzu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Business Judgement Rule ist ein wichtiges Element in der deutschen Corporate Governance, da sie gründliche Entscheidungsfindung auf Basis anerkannter betriebswirtschaftlicher Kalküle fördert, ohne pflichtvergessenes Verhalten zu schützen.13 Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat über y die beabsichtigte Geschäftspolitik und grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung, y die Rentabilität der Gesellschaft, y den Gang der Geschäfte und y Geschäfte von erheblicher Bedeutung für Rentabilität und Liquidität zu berichten (§ 90 AktG). Außerdem hat er nach § 91 Abs. 2 AktG ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden (zum Risikofrüherkennungssystem s. Kap. III.4.4.2). Dem Aufsichtsrat obliegt es, den Vorstand zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG), dazu hat er z. B. das Recht, Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen (§ 111 Abs. 2 AktG). Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden von der Hauptversammlung gewählt (§ 101 Abs. 1 AktG; zur Praxis der virtuellen Hauptversammlung vgl. Downar/Bartkowiak 2021). Bei Unternehmen, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, wählen neben der Hauptversammlung gem. § 96 Abs. 1 AktG auch die Arbeitnehmer den Aufsichtsrat (sog. paritätische Mitbestimmung). Dabei erfasst z. B. das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) die meisten Unternehmen, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen (vgl. § 1 Abs. 1 MitbestG). Daneben existiert eine sog. Drittelparität für Unternehmen, die zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmer
13 Vgl. z. B. Terwedow/Klavina 2012; Berwanger 2014, S. 3, formuliert: »Die Risikobereitschaft des Mutigen verdient Schutz – nicht jedoch die des Hoffärtigen.«
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
beschäftigen. Hier wird ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder von der Arbeitnehmerseite gestellt. Der Aufsichtsrat kann jederzeit aus seiner Mitte Ausschüsse bilden (§ 107 Abs. 3 AktG) und diesen insbesondere die Prüfungsaufgabe gem. § 111 Abs. 2 S. 2 AktG übertragen. Hierbei handelt es sich um sog. Prüfungsausschüsse bzw. audit committees (vgl. zu deren Arbeitsschwerpunkten empirisch Peemöller/Warncke 2005, S. 403). Bei der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (sowie des Gewinnverwendungsbeschlusses) dürfen diese Ausschüsse jedoch nur vorbereitend tätig werden (§ 107 Abs. 3 AktG). Überwacht werden die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands und deren Folgen. Im Mittelpunkt der Überwachung stehen u. a. Gesetzeskonformität des Vorstands, Qualität des Rechnungswesens, Existenz, Wirksamkeit und Anwendung des internen Kontrollsystems zum Schutz vor Unregelmäßigkeiten und Vermögensverlusten. Der Aufsichtsrat muss insbesondere überwachen, ob der Vorstand geeignete Maßnahmen getroffen hat, damit Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden, früh erkannt werden (§ 91 Abs. 2 AktG). Daneben muss der Aufsichtsrat die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems des Unternehmens überwachen. Diese sind seit Inkrafttreten des Finanzmarktintegritätsgesetzes (FISG) im Juli 2021 verpflichtend vom Vorstand börsennotierter Gesellschaften einzurichten (§ 91 Abs. 3 AktG). Zudem trifft den Aufsichtsrat die bereits angesprochene Pflicht, Jahresabschluss und Lagebericht selbstständig zu prüfen (§ 171 AktG; s. Kap. I.3.2.2.1.b). Der Aufsichtsrat erteilt auch den Prüfungsauftrag an den externen Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG). Empirie Wichtigkeit von Informationen zur Corporate Governance Einer Befragung von McKinsey zufolge sind Investoren bereit, für Anteile an Unternehmen mit einem gut funktionierenden Corporate Governance-System zwischen 11 und 41 % mehr zu zahlen. In Deutschland waren es 13 %. Ausgewertet wurden insgesamt die Antworten von 201 Investoren (vgl. McKinsey 2002, Exhibit 4). Weiterhin zeigt die kapitalmarktorientierte Studie von Beiner et al. (2006) anhand von 209 an der Schweizer Börse notierten Unternehmen eine positive Beziehung zwischen guter Corporate Governance, die anhand eines Corporate Governance Index gemessen wird, und der Aktienrendite. Zu beachten ist jedoch, dass empirische Studien uneinheitliche Ergebnisse liefern und verschiedentlich an einer unzureichenden theoretischen Basis leiden, was den Erklärungsgehalt einschränkt (vgl. Wald 2009).
Um das deutsche Corporate Governance-System transparent und nachvollziehbar zu machen und das Vertrauen der Stakeholder in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter AG zu fördern, hat eine vom BMJ berufene Regierungskommission (sog. Cromme-Kommission) den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) entwickelt (vgl. http://www. dcgk.de/de/). Auf dessen Grundlage müssen börsennotierte AG sowie Aktiengesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel in einem organisierten Markt ausgegeben haben, gem. § 289 f HGB eine »Erklärung zur Unternehmensführung« in ihren Lagebericht aufnehmen. Der Kodex stellt wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Unternehmen dar und enthält international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Dabei handelt es sich nicht um ein verpflichtendes Normenwerk, sondern um Empfehlungen guter Unternehmensführung, die auf dem Wege einer freiwilligen Selbstverpflichtung gelten (zu Auslegungsfragen vgl. Seibt 2003, S. 470 ff.).
3 System der Unternehmenspublizität
63
Die aktuelle Fassung des DCGK ist mit ihrer Bekanntmachung am 20.3.2020 in Kraft getreten. Sie enthält sieben Regelungsabschnitte, in denen Themenkomplexen wie z. B. die Besetzung des Vorstands oder die Zusammensetzung des Aufsichtsrates adressiert werden. Konzeptionell ist der DCGK nach den Funktionen des Vorstands und des Aufsichtsrates strukturiert. Die einzelnen Regelungsabschnitte enthalten Grundsätze sowie daraus abgeleitete Empfehlungen und Anregungen (vgl. zu den folgenden Ausführungen Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 809 ff.; v. Werder 2021, Teil 2 II, Rn. 16 ff.): y 25 Grundsätze geben wesentliche rechtliche Vorgaben verantwortungsvoller Unternehmensführung wieder und dienen der Information der Anleger und weiterer Stakeholder (vgl. DCGK.Präambel). y Die Empfehlungen (»Soll«-Kennzeichnung) beziehen sich auf Grundsätze. Die Unternehmen können von den Empfehlungen abweichen, allerdings sind sie dann verpflichtet, dies offenzulegen und zu begründen (comply or explain). Diese Regelung soll es ermöglichen, auf branchen- oder unternehmensspezifische Besonderheiten einzugehen (vgl. DCGK.Präambel). Beispielsweise thematisiert Grundsatz 12, dass jedes Aufsichtsratsmitglied darauf achten muss, genügend Zeit für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verfügung zu haben. Hieraus abgeleitet gibt z. B. die Empfehlung C.4 an, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das keinem Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft angehört, insgesamt nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate bei konzernexternen börsennotierten Gesellschaften oder vergleichbare Funktionen wahrnehmen soll. y Zudem enthält der Kodex Anregungen (»Sollte«-Kennzeichnung), von denen ohne eine Erklärung abgewichen werden kann (vgl. DCGK.Präambel). Beispielsweise thematisiert Grundsatz 8 die Hauptversammlung und die konkretisierende Anregung A.4 gibt an, dass der Hauptversammlungsleiter sich davon leiten lassen sollte, dass die ordentliche Hauptversammlung spätestens nach vier bis sechs Stunden beendet ist. Die Inhalte werden regelmäßig vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Entwicklungen überprüft. Im neuen DCGK wurden inhaltlich vor allem Ergänzungen in Bezug auf die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sowie Anpassungen zur Vorstandsvergütung vorgenommen.14 So enthält der neue Kodex z. B. Kriterien zu der Unabhängigkeit von Anteilseignervertretern und empfiehlt, dass mehr als die Hälfte der Anteilseignervertreter unabhängig sein sollen (vgl. DCGK.C.7). Im Hinblick auf die Vorstandsvergütung wurden die Empfehlungen zur Ausgestaltung angepasst und ergänzt. Beispielsweise soll der Aufsichtsrat zur Beurteilung der Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder eine geeignete Vergleichsgruppe anderer Unternehmen heranziehen, deren Zusammensetzung er offenlegt (vgl. DCGK.G.3). Weitere Änderungen im neuen Kodex betreffen Empfehlungen zur Beschränkung von weiteren Aufsichtsratsmandaten (vgl. DCGK.C.4 u. C.5) und zur Berichterstattung, sodass der Corporate-Governance-Bericht in die Erklärung zur Unternehmensführung überführt wird (vgl. DCGK.Grundsatz 22). Börsennotierte Aktiengesellschaften und andere Unternehmen, die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt ausgegeben haben, müssen nach § 289f HGB in ihrem Lagebericht eine Erklärung zur Unternehmensführung aufnehmen. Bestandteil dieser Erklärung ist die Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG, in der darzulegen ist, ob und
14 Für eine Auflistung der neu eingefügten, signifikant verschärften oder nicht unwesentlich angepassten Empfehlungen und Anregungen vgl. v. Werder 2021, Teil 5, Rn. 2 ff. Für eine Auflistung der gestrichenen Empfehlungen und Anregungen des DCGK 2017 vgl. v. Werder 2021, Teil 2, Rn. 27 ff.
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inwieweit von den Soll-Empfehlungen des DCGK abgewichen wurde. Die Nichtbefolgung des DCGK ist explizit zu begründen (§ 161 Abs. 1 S. 1 AktG). Insofern ist von der Gültigkeit eines comply or explain-Prinzips auszugehen.15 Da es sich bei den Muss-Regelungen um Gesetze handelt, sind diese ohnehin zwingend zu beachten. Derzeit befolgt die Praxis die Empfehlungen und Anregungen zu ca. 85 %; wobei die Erfüllungsquote im DAX bei 95,3 % liegt (vgl. v. Werder/Danilov/Schwarz 2021, S. 2099). Die Entsprechenserklärung ist Bestandteil der Jahrespublizität (s. Kap. I.3.2.2.1). Im Anhang muss auf sie verwiesen werden (§§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB). Die gesetzliche Angabepflicht beschränkt sich allerdings nur darauf, ob die Erklärung abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht worden ist. Da es sich um eine Angabe im Anhang handelt, hat der Abschlussprüfer diese gem. §§ 316 Abs. 1 und 2 i. V. m. 317 Abs. 1 S. 2 HGB auch zu prüfen. Die gesetzliche Prüfungspflicht erstreckt sich allerdings nur darauf, ob der Angabepflicht im Anhang (§ 285 Nr. 16 HGB) entsprochen wurde (Abgabe der Entsprechenserklärung und dauerhafter öffentlicher Zugang). Eine inhaltliche Prüfung erfolgt insofern nicht.16 Die Entsprechenserklärung ist auch bei der Erstellung international verpflichtender Konzernabschlüsse (s. Kap. I.2.2.5) abzugeben (§ 315e Abs. 1 HGB; s. Kap. I.3.2.2.1.a). Börsennotierte Aktiengesellschaften haben die Entsprechenserklärung als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung in einem gesonderten Abschnitt im (Konzern-)Lagebericht oder auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen (§§ 289f Abs. 1, 315d HGB). Beispiel Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat der Daimler AG gemäß § 161 AktG zum Deutschen Corporate Governance Kodex Die Daimler AG entspricht den im amtlichen Teil des Bundesanzeigers am 20.3.2020 bekannt gemachten Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 16.12.2019 mit Ausnahme der Empfehlungen C.4 und C.5 (Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten) sowie der Empfehlungen G.8 und G.12 (nachträgliche Änderung von Zielen und Vergleichsparametern variabler Vorstandsvergütungsbestandteile) und hat den Empfehlungen mit den genannten Ausnahmen seit Abgabe der letzten Entsprechenserklärung vom Juli 2021 entsprochen. Die Daimler AG wird den Empfehlungen auch künftig mit den genannten Abweichungen entsprechen (vgl. Daimler AG 2021a, Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex).
Im Gegensatz zum dualistischen deutschen System der Corporate Governance ist das amerikanische System monistisch, d. h., es gibt keine organische Trennung von Leitungs- und Überwachungsfunktion. y Dem board of directors obliegt die Geschäftsführung, Überwachung und Vertretung einer public corporation (ähnlich der Aktiengesellschaft). Die Mitglieder des board of directors werden von der Hauptversammlung zumeist für ein Jahr gewählt. Bei an der New Yorker Börse (NYSE) notierten Unternehmen muss sich das board mehrheitlich aus unabhängigen Mitgliedern (sog. independent directors) zusammensetzen.17
15 Zusätzlich sind Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen Normen hinausgehen, zur Arbeitsweise von Vorstand, Aufsichtsrat und deren Ausschüssen (sofern nicht im Internet verfügbar) sowie zu gleichstellungs- und diversitätsfördernden Zielen und deren Zielerreichung zu machen. 16 Zu den Einzelheiten der Prüfung vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 811 ff. 17 Die Überprüfung der Unabhängigkeit unterliegt einem fünfstufigen Test, dessen Durchführung dem board of directors obliegt. Vgl. hierzu Vater 2004, S. 78 ff. m. w. N.
3 System der Unternehmenspublizität
y
y y
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Das board of directors bestellt zumeist aus seinen Reihen Mitglieder, die aktiv und hauptamtlich die Geschäftsführung (Leitungsfunktion) wahrnehmen (sog. executive directors oder inside directors). Ist das Unternehmen bei der SEC registriert, so hat das Leitungsorgan auf das Finanzberichtswesen bezogene interne Überwachungsmaßnahmen einzurichten; diese Maßnahmen sind jährlich schriftlich zu bewerten (SOA, Sec. 404). Dagegen nehmen die nicht im Unternehmen beschäftigten outside directors vor allem Überwachungsaufgaben wahr (Überwachungsfunktion). Ist das Unternehmen bei der SEC registriert, hat das Überwachungsorgan einen besonderen Prüfungsausschuss (audit committee) einzurichten, der sich ausschließlich aus outside directors zusammensetzt (SOA, Sec. 301). Dieser Ausschuss ist mit Überwachungsaufgaben befasst. Insbesondere ist es seine Aufgabe, die Funktionstüchtigkeit des Rechnungswesens und des internen Kontrollsystems zu gewährleisten. Der Ausschuss ist Ansprechpartner für den Abschlussprüfer und die interne Revision; auf diese Weise kann der Prüfer etwaige Probleme und Konflikte mit einer von den inside directors unabhängigen Instanz erörtern.
3.2 Pflichtelemente der Unternehmenspublizität 3.2.1 Überblick und Systematisierung Unternehmenspublizität ist die allgemein zugängliche Bekanntmachung von Unternehmensinformationen (vgl. z. B. Pellens et al. 2021, S. 1019). Die Pflichtelemente der Unternehmenspublizität lassen sich hinsichtlich ihrer Periodizität einerseits in die regelmäßig wiederkehrende Publizität (Regelpublizität) und die anlassbezogene bzw. situationsgebundene Publizität (Ereignispublizität) systematisieren. Andererseits lässt sich die Publizität nach dem Entscheidungshorizont (eher mittel- oder kurzfristiger Entscheidungshorizont) der Stakeholder kategorisieren. Abbildung I.3./4 veranschaulicht die vorgenommene Kategorisierung (vgl. ähnlich Bridts 1990, S. 73; Seeberg 1998, S. 605). Die Elemente einer Regelpublizität werden in Kap. I.3.2.2 und die einer Ereignispublizität in Kap. I.3.2.3 näher untersucht. Entscheidungshorizont
Erscheinungsweise
mittelfristig
kurzfristig
Ereignispublizität
Prospektpublizität
Ad-hoc-Publizität, Gesellschafterpublizität
Regelpublizität
Jahrespublizität
unterjährige Berichte
Abb. I.3./4 System der Pflichtpublizität von Unternehmen
3.2.2 Regelpublizität 3.2.2.1 Jahrespublizität a. Internationale Ebene Die Verpflichtung bzw. die Möglichkeit zur Erstellung eines IFRS-Abschlusses basiert regelmäßig auf nationalen Normen. Besonders bedeutsame gesetzliche Regelungen sind bei einem IFRS-Konzernabschluss § 315e HGB sowie bei einem informatorischen IFRS-Einzelabschluss § 325 Abs. 2a HGB; für Inlandsemittenten ist weiterhin § 114 WpHG relevant (s. Kap. I.2.2.5). Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass ein IFRS-Abschluss zu erstellen ist, und es wer-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
den in diesem Zusammenhang relevante Publizitätspflichten sowie weitere, die Erstellung des Abschlusses betreffende Pflichten thematisiert. Jeder externe Jahresabschluss basiert auf einer Buchführung. Allerdings enthalten die IFRS keine spezifischen Vorschriften zur Buchführung. Ohne eine sachgerechte Buchführung ist die Erstellung und Prüfung (s. Kap. I.5.2.1.4) eines IFRS-Abschlusses allerdings unmöglich. Insofern besteht eine faktische Buchführungspflicht. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass »sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens vermitteln kann« (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB). Demnach gilt die im HGB kodifizierte spezifische Generalnorm für die Buchführung faktisch auch auf internationaler Ebene. Die IFRS enthalten auch keine spezifischen Vorschriften hinsichtlich Inventur und Inventar. Implizit lässt sich die Notwendigkeit von Inventur und Inventar aus IAS 34.Appendix C1 herleiten: Demnach ist bei der Erstellung unterjähriger Berichte keine Inventur im Vorratsvermögen durchzuführen. Im Umkehrschluss gilt, dass eine solche Inventur bei der Erstellung von Jahresabschlüssen notwendig ist. Weiterhin lässt sich die Notwendigkeit aus dem Grundsatz der Nachprüfbarkeit (verifiability gem. IASB F.2.30 ff.) ableiten, weil ohne Inventur keine verlässliche Erfassung der Vermögens- und Schuldposten möglich erscheint. Nachstehend werden die in Abbildung I.3./5 dargestellten Elemente der Jahrespublizität nach IFRS näher beleuchtet.
IFRS-Abschluss
HGB-Jahresabschluss
Statement of financial position
Pflicht
Bilanz
Pflicht
Statement of comprehensive income – Separate income statement – Other comprehensive income
Pflicht
GuV
Pflicht
Notes
Pflicht
Anhang
Pflicht
Statement of cash flows
Pflicht
Kapitalflussrechnung
Pflicht
Statement of changes in equity
Pflicht
Eigenkapitalspiegel
Pflicht
Segment reporting
Pflichtergänzung
Segmentberichterstattung
Wahlrecht
Earnings per share
Pflichtergänzung Lagebericht
Pflicht
Financial review by management Erwähnung
←
←
Abb. I.3./5 Jahrespublizität kapitalmarktorientierter Unternehmen nach internationalen und deutschen Normen im Vergleich
Zum IFRS-Jahresabschluss zählen die in IAS 1.10 genannten Bestandteile: y Bilanz zu Beginn und zum Ende der Berichtsperiode (statement of financial position; s. Kap. II.5.3.3.2), y Gesamtergebnisrechnung für die Berichtsperiode (statement of profit and loss and other comprehensive income; s. Kap. II.5.3.3.3). Diese Rechnung beinhaltet das separate income statement (GuV) und das other comprehensive income und ist insofern umfassender als die GuV abgegrenzt; sie kann wahlweise in einer Gesamtrechnung oder in zwei Teilen präsentiert werden (vgl. IAS 1.10a). Gleichwohl werden beide Begriffe im Folgenden aus
3 System der Unternehmenspublizität
y y y
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Vereinfachungsgründen weitgehend synonym verwendet, sofern die Unterscheidung keiner besonderen Hervorhebung bedarf. Erläuternde Angaben zum Jahresabschluss (notes, comprising significant accounting policies and other explanatory information; s. Kap. II.5.3.3.5), Eigenkapitalveränderungsrechnung für die Berichtsperiode (statement of changes in equity; s. Kap. II.5.3.3.4) sowie Kapitalflussrechnung für die Berichtsperiode (statement of cash flows gem. IAS 7; s. Kap. III.4.2).
Die Segmentberichterstattung (segment reporting) wird nicht in IAS 1.10 als Bestandteil des Jahresabschlusses erwähnt. Eine solche Berichterstattung ist nach IFRS 8.2 regelmäßig nur für Unternehmen zwingend, deren Anteile an einer Börse gehandelt werden. Für diese Unternehmen stellt die Segmentberichterstattung eine Pflichtergänzung des Jahresabschlusses dar. Einzelheiten zur Erstellung der Segmentberichterstattung finden sich in IFRS 8 (s. Kap. III.4.3.4). Auch die Angaben zum Ergebnis je Aktie (earnings per share) bilden eine Pflichtergänzung für börsennotierte Unternehmen. Das Ergebnis je Aktie ist in der GuV anzugeben (IAS 33.66). Einzelheiten zur Ermittlung und Darstellung des Ergebnisses je Aktie finden sich in IAS 33. Die IFRS kennen keinen eigenständigen Bericht über die wirtschaftliche Lage deutscher Prägung (Lagebericht gem. §§ 289, 315 HGB; s. Kap. III.4.4). Gleichwohl erwähnt IAS 1.13 die Erstellung eines Finanzberichtes durch das Management (financial review by management). Diese Darstellungen erfolgen außerhalb des Jahresabschlusses. Die in IAS 1.13a-c beschriebenen Berichtsinhalte sind sehr allgemein gehalten (zu der aktuellen Entwicklung in Richtung eines management commentary s. Kap. III.4.4.1). Allerdings finden sich in den einzelnen IFRS Angabepflichten, die den Bestandteilen des Lageberichts deutscher Prägung sehr nahekommen. Z. B. bilden die in IAS 38.126 f. geforderten Angaben zu Forschung und Entwicklung einen Teilaspekt der in § 315 Abs. 2 Nr. 2 HGB geforderten Angabepflicht; eine Nähe zum Lagebericht zeigen teilweise auch die Angabepflichten zu den Finanzinstrumenten gem. IFRS 7. Bei Erstellung eines IFRS-Konzernabschlusses (s. Kap. I.2.2.5) sind teilweise aufgrund nationaler Vorschriften Angaben zu tätigen, welche über das in den IFRS geforderte Maß hinausgehen. y Beispielsweise sieht § 315e Abs. 1 HGB vor, dass die Bestimmungen des Neunten Titels anzuwenden sind. Gegenstand der Bestimmungen des Neunten Titels ist der Konzernlagebericht. Demnach ist auch bei Erstellung eines Konzernabschlusses nach internationalen Normen ein Konzernlagebericht zu erstellen, welcher grundsätzlich den Anforderungen des § 315 HGB genügt. Um dies zu verdeutlichen, wurde in Abbildung I.3./5 ein Pfeil vom Lagebericht zur financial review by management eingefügt. y Weiterhin ist bei der Erstellung eines international verpflichtenden Konzernabschlusses zu beachten, dass neben den in den notes geforderten Angaben ggf. weitere Angaben zu tätigen sind, die nur nach deutschem Recht gefordert werden: Angesprochen sind die in § 315e Abs. 1 HGB genannten Angabepflichten; diese Norm verweist u. a. auf die gem. § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB zu tätigenden Angaben zu den Bezügen der Organmitglieder. Um dies zu verdeutlichen, wurde in Abbildung I.3./5 ein Pfeil vom Anhang zu den notes eingefügt. Ein IFRS-Abschluss ist prüfungspflichtig (s. Kap. I.5.2.1.4) und offenlegungspflichtig (§ 315e Abs. 1 HGB i. V. m. § 325 HGB als Regelung außerhalb des zweiten Unterabschnitts des zweiten Abschnitts des HGB). IFRS-Bilanzierer, die an einer deutschen Börse notiert sind, müssen im Hinblick auf die Offenlegung die relevanten deutschen börsenrechtlichen Bestimmungen
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
beachten (s. Kap. I.3.2.2.1.b). Für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) existiert ein IFRS für KMU (IFRS for SME, wobei SME für small and medium sized entities steht), der verschiedene Vereinfachungen vorsieht. b. Deutsche Ebene Nach § 242 HGB muss jeder Kaufmann einen aus Bilanz und GuV bestehenden Jahresabschluss aufstellen. Die Aufstellung des Jahresabschlusses obliegt der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand. Bei Personengesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter und bei Einzelunternehmen der Einzelkaufmann selbst verantwortlich (vgl. hierzu Quick/Wolz 2020, § 238 HGB, Rn. 15). Der erste Abschnitt des dritten Buches des HGB (s. Kap. I.5.2.2.1) gliedert die diesbezüglichen Vorschriften vor allem in die folgenden Unterabschnitte: y Anforderungen an Buchführung und Inventar (§§ 238-241a HGB), y Eröffnungsbilanz und Jahresabschluss; dieser Unterabschnitt wird weiter untergliedert in allgemeine Vorschriften (§§ 242 ff. HGB), Ansatzvorschriften (§§ 246 ff. HGB) sowie Bewertungsvorschriften (§§ 252 ff. HGB), y Aufbewahrungs- und Vorlagevorschriften (§§ 257 ff. HGB). Einzelkaufleute, die bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten (600 T€ Umsatz und 60 T€ Jahresüberschuss an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren), sind von der Buchführungs-, Inventar- und Abschlusserstellungspflicht befreit (§§ 241a Abs. 1, 242 Abs. 4 HGB). Insofern sind diese nur zu einer Einnahme-ÜberschussRechnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG aus steuerrechtlichen Gründen verpflichtet. Weitere rechtsformspezifische Vorschriften ergänzen die HGB-Normen. Beispielsweise y muss eine AG ergänzend den § 58 AktG zur Verwendung des Jahresüberschusses sowie die §§ 150-162 AktG beachten, y bei der GmbH sind §§ 29, 42, 42a GmbHG und y bei Genossenschaften u. a. die §§ 33 und 48 GenG zu beachten. Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften nach § 264a HGB müssen zusätzlich die §§ 264 ff. HGB beachten. Dabei listet § 264a HGB auf, welche Unternehmen als haftungsbeschränkte Personengesellschaften zu verstehen sind. Hier ist der Jahresabschluss um einen Anhang (s. Kap. II.5.3.3.5) zu erweitern (sog. erweiterter Jahresabschluss), der mit der Bilanz und der GuV eine Einheit bildet (§ 264 Abs. 1 S. 1 HGB sowie in Bezug auf den Konzernabschluss siehe § 297 Abs. 1 S. 1 HGB). Diese Formulierung begründet eine Gleichrangigkeit von Bilanz, GuV und Anhang. y Spezifische Regelungen zu den einzelnen Angabepflichten im Anhang finden sich vor allem in den §§ 284-288 HGB sowie konzernbezogen in den §§ 313 f. HGB. Der Anhang erläutert Bilanz und GuV und enthält Angaben, die über den Inhalt der Bilanz und GuV hinausgehen. Z. B. fordert § 285 Nr. 1 a) HGB die Angabe des Gesamtbetrags der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren. Darüber hinaus finden sich Verpflichtungen zu Angaben im Anhang an verschiedenen Stellen innerhalb des zweiten und dritten Abschnitts. Der Lagebericht (s. Kap. III.4.4) tritt zum Jahresabschluss hinzu und ergänzt diesen. Der Lagebericht ist kein Bestandteil des Jahresabschlusses. § 264 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, den Lagebericht zu erstellen; diese Regelung gilt über § 264a HGB auch für haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften.
3 System der Unternehmenspublizität
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Den Inhalt des Lageberichts normieren die §§ 289 und 315 HGB. Der Lagebericht soll die Angaben im Jahresabschluss verdichten sowie vor allem den Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens aus Sicht der Unternehmensleitung darstellen. Der Lagebericht enthält auch den sog. Bilanzeid, d. h., nach §§ 289 Abs. 1 S. 5, 297 Abs. 2 S. 4, 315 Abs. 1 S. 6 HGB haben die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft nach bestem Wissen »zu versichern, dass der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.« Abbildung I.3./6 veranschaulicht das zuvor Gesagte (in Anlehnung an Bornhofen/Bornhofen/Meyer 2021, S. 13). Mutterunternehmen sowie kapitalmarktorientierte Unternehmen, die keinen Konzernabschluss erstellen müssen, haben auch eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erstellen; bezüglich der Erstellung einer Segmentberichterstattung besteht ein Wahlrecht (§ 264 Abs. 1 S. 2 HGB, § 297 Abs. 1 HGB; s. Kap. III.4.2; III.4.3; II.5.3.3.4). Diskussionsfrage I.3.-3 Zu erstellen ist ein HGB-Konzernabschluss. Welche Normen sind neben dem § 297 Abs. 1 HGB für die Erstellung einer Kapitalflussrechnung, einer Segmentberichterstattung und eines Eigenkapitalspiegels heranzuziehen?
Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften sind grundsätzlich zur Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht verpflichtet. Diese Regelung wird durch verschiedene Einzelregelungen für die in § 267 HGB genannten Größenklassen teilweise eingeschränkt. Dabei geht es um größenabhängige Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften bzw. haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften. Anhand der Merkmale Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Zahl der Arbeitnehmer (im Jahresdurchschnitt) werden dabei kleine, mittelgroße und große Gesellschaften unterschieden. Kaufleute
Einzelkaufleute
Personenhandelsgesellschaften
§§ 241a, 242 HGB
Kapitalgesellschaften
§ 264a HGB
§ 264 Abs. 1 HGB
Natürliche Person als Vollhafter?
Ja
Nein
Jahresabschluss
erweiterter Jahresabschluss
Bilanz, GuV
Bilanz, GuV, Anhang
Abb. I.3./6 Aufstellungspflichten für den Jahresabschluss nach HGB
Lagebericht
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Darüber hinaus kennt § 267a HGB Kleinstkapitalgesellschaften, für die die Vereinfachungsvorschriften für kleine Kapitalgesellschaften anzuwenden sind. Darüber hinaus dürfen Kleinstkapitalgesellschaften weitere Entlastungen in Anspruch nehmen (vgl. Störk/Lawall 2020, § 267a HGB, Rn. 5 ff.): y Nutzung einer vereinfachten Bilanzgliederung (§ 266 Abs. 1 S. 4 HGB) y Nutzung einer vereinfachten GuV-Gliederung (§ 275 Abs. 5 HGB) y Verzicht auf das Erstellen eines Anhangs (§ 264 Abs. 1 S. 5 HGB) y erleichterte Offenlegungspflichten (§ 326 Abs. 2 HGB) Kreditinstitute, Versicherungen, kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, Unternehmensbeteiligungs- und Investmentgesellschaften können die Entlastungen für Kleinstkapitalgesellschaften nicht in Anspruch nehmen, selbst wenn sie die Größenkriterien erfüllen. Größe der Gesellschaft
Bilanzsumme (BS) in Mio. €
Kleine (K) Mittelgroße (M)
Umsatzerlöse (UE) in Mio. €
Zahl der Arbeitnehmer (AN)
BS ≤ 6,0
UE ≤ 12,0
AN ≤ 50
6,0 < BS ≤ 20,0
12,0 < UE ≤ 40,0
50 < AN ≤ 250
BS > 20,0
UE > 40,0
AN > 250
BS ≤ 350 T€
UE ≤ 700 T€
AN ≤ 10
Große (G) Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB)
Abb. I.3./7 Größenkriterien nach §§ 267 und 267a HGB
Die Zuordnung zu einer Größenklasse erfolgt grundsätzlich danach, ob die Gesellschaft an zwei aufeinander folgenden Stichtagen mindestens zwei der drei genannten Merkmale erfüllt; bei einer Neugründung treten die Rechtsfolgen bereits am ersten Abschlussstichtag ein (§ 267 Abs. 4 HGB). Die Erleichterungen für kleine und mittelgroße Gesellschaften bei der Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht verdeutlicht Abbildung I.3./8. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB und besondere Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften i. S. d. § 267a HGB
Bilanz GuV Anhang
Lagebericht
Kleinst-KapG
Kleine (K)
Mittelgroße (M)
Große (G)
verkürzt (§ 266 Abs. 1 S. 4 HGB)
verkürzt (§ 266 Abs. 1 S. 3 HGB)
voll
voll
verkürzt (§ 275 Abs. 5 HGB)
verkürzt (§ 276 S. 1 HGB)
verkürzt (§ 276 S. 1 HGB)
voll
Verzichtoption (§ 264 Abs. 1 S. 5 HGB)
verkürzt (§§ 74a Nr. 1-4, 288 Abs. 1 HGB)
verkürzt (§ 288 Abs. 2 HGB)
voll
nein
nein (§ 264 Abs. 1 S. 4 HGB)
ja
ja
Abb. I.3./8 Erleichterungen für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB bei der Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht
3 System der Unternehmenspublizität
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Die größenabhängigen Befreiungen greifen nicht für die folgenden Gesellschaften: y Börsennotierte Gesellschaften, d. h., eine Gesellschaft gilt stets als große, wenn von ihr ausgegebene Wertpapiere am Abschlussstichtag z. B. in einem Mitgliedstaat der EU zugelassen sind oder eine solche Zulassung bis zum Abschlussstichtag beantragt worden ist (§ 267 Abs. 3 S. 2 HGB i. V. m. § 264d HGB). y Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§§ 340a, 341a HGB). Die Aufstellungspflichten für Kapitalgesellschaften gelten auch für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 HGB). Weiterhin haben bestimmte Großunternehmen (große Einzelkaufleute oder große Personenhandelsgesellschaften mit natürlichen Personen als Vollhafter) unabhängig von ihrer Rechtsform einen Abschluss zu erstellen (§ 5 PublG; die Größenkriterien, welche hierzu verpflichten, finden sich in § 1 PublG). Dies liegt in ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung begründet. Diskussionsfrage I.3.-4 Warum stellt das HGB höhere Anforderungen an die Pflichtpublizität von großen Kapitalgesellschaften im Vergleich zur Pflichtpublizität von Personengesellschaften (die nicht unter § 264a HGB fallen)?
Vereinfacht dargestellt, gestaltet sich der Prozess der Jahrespublizität bei einer Aktiengesellschaft wie folgt:
Buchführung
Abschlusserstellung
Externe Prüfung Abschluss- durch Aufprüfung sichtsrat
Feststellung
Offenlegung
Sanktionen
Abb. I.3./9 Prozess der Jahrespublizität
Die grundsätzliche Pflicht zur Prüfung durch einen externen Abschlussprüfer ist in § 316 Abs. 1 HGB kodifiziert (zur Prüfungspflicht vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 57 ff.). Diese Regelung gilt auch für haftungsbeschränkte Personengesellschaften (§ 264a Abs. 1 HGB). Konzernabschluss und -lagebericht sind gleichfalls prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 2 HGB). Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Prüfungspflicht befreit (§ 316 Abs. 1 S. 1 HGB). Gleiches gilt gem. § 267a Abs. 2 HGB auch für Kleinstkapitalgesellschaften. Bei einer Aktiengesellschaft hat der Vorstand den Jahresabschluss und den Lagebericht (sowie einen Beschluss über die Gewinnverwendung) unverzüglich nach der Aufstellung (zu den Aufstellungsfristen vgl. § 264 Abs. 1 HGB) dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 AktG). Die Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht durch den Abschlussprüfer entbindet den Aufsichtsrat nicht von seiner Verpflichtung, die zuvor angesprochenen Unterlagen gem. § 171 AktG selbstständig zu prüfen (vgl. Hennrichs/Pöschke 2018, § 171 AktG, Rn. 15 ff.; Ruhnke/Schmidt 2021, § 316 HGB, Rn. 11). Die Arbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer soll sich dabei sinnvoll ergänzen. y Zentraler und wichtigster Informationsvermittler für den Aufsichtsrat ist der Vorstand; dabei hat der Vorstand mindestens vierteljährlich an den Aufsichtsrat zu berichten (§ 90 insbes. Abs. 2 Nr. 3 AktG).
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y
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Wichtigste neutrale Informationsquelle für den Aufsichtsrat ist der externe Abschlussprüfer; dabei ist besonders der seitens des Abschlussprüfers erstellte Prüfungsbericht (§ 321 HGB) für die Arbeit des Aufsichtsrats bedeutsam. Bei börsennotierten Gesellschaften ist der Prüfer weiterhin verpflichtet, an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats teilzunehmen und über die Ergebnisse der Prüfung zu berichten (§ 171 Abs. 1 S. 2 AktG).
Der aufgestellte und ggf. zuvor geprüfte Einzelabschluss wird durch Feststellung rechtlich wirksam. Die Feststellung ist deshalb bedeutsam, weil Ergebnisverwendungsbeschlüsse nur auf Basis eines festgestellten Abschlusses erfolgen können; ohne vorherige Feststellung des geprüften Einzelabschlusses (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 AktG) sind derartige Beschlüsse nichtig. y Bei einer Aktiengesellschaft gilt ein durch den Aufsichtsrat gebilligter Jahresabschluss als festgestellt (§ 172 AktG). Alternativ ist es möglich, dass Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, dass die Hauptversammlung den Abschluss feststellt (§ 173 AktG); dieses Vorgehen stellt jedoch in der Praxis eher die Ausnahme dar. Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Abschluss fest, so können diese bestimmte Teile des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 AktG; s. Kap. II.5.3.3.4); über diese bereits verwendeten Teile kann die Hauptversammlung nicht mehr entscheiden. y Bei einer GmbH obliegt die Feststellung den Gesellschaftern (§ 46 Nr. 1 GmbHG); dies gilt auch für andere Rechtsformen. Konzernabschlüsse sind nicht festzustellen, da auf dieser Basis keine Ergebnisverwendungsbeschlüsse erfolgen. Diese Abschlüsse sind regelmäßig durch den Aufsichtsrat zu billigen (§ 171 Abs. 2 S. 4 AktG). Aus einer versagten Billigung ergeben sich indes keine Rechtsfolgen. Der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft ist spätestens 12 Monate nach dem Abschlussstichtag offen zu legen (§ 325 Abs. 1a HGB; diese Frist gilt gem. Abs. 3 auch für Konzernabschlüsse). Für Kapitalgesellschaften, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, gilt grundsätzlich eine Frist von vier Monaten (§ 325 Abs. 4 HGB). Ein Großteil der Unternehmen nimmt die Veröffentlichung deutlich unter dieser Frist vor, wobei 75 % der Unternehmen die Veröffentlichung innerhalb von drei Monaten vornimmt (vgl. Eisenschmidt/Rieg 2019, S. 542). Die rechtzeitige Offenlegung von Jahresabschlüssen ist für Unternehmen von großer Bedeutung, weil eine verspätete Offenlegung einen Hinweis auf eine geringere Rechnungslegungsqualität und eine eingeschränkte Wertrelevanz des Jahresabschlusses liefert.18 Verstöße gegen die Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten werden sanktioniert (§§ 331-335b HGB). Beispiele hierfür sind: y Unrichtige Darstellungen oder Verschleierungen durch Vorstand oder Aufsichtsrat werden mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen geahndet (§ 331 HGB). y Verweigert ein Unternehmen die Pflichtpublizität, so kann auf Antrag von jedermann ein Ordnungsgeld zwischen 2.500 € und 25.000 € gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs (Vorstand, Geschäftsführer) festgesetzt werden (§§ 335, 335b HGB). y Während z. B. die Nichtabgabe des Bilanzeids lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit maximal 25.000 € geahndet wird (§§ 335, 335b HGB), wird die unrichtige Abgabe des Bilanzeids ggf. mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verbunden (§ 331a HGB).
18 Vgl. Asthana 2014, S. 33 ff. Eine umfangreiche Übersicht zu Studien, die sich mit Einflussfaktoren von Prüfungs- und Offenlegungsverzögerungen befassen, bieten Abernathy et al. 2017 und Habib et al. 2019.
3 System der Unternehmenspublizität
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Für ein Unternehmen, welches als Inlandsemittent Wertpapiere begibt, stellt die Erstellung von Jahresabschlüssen (als Bestandteil des Jahresfinanzberichts) eine beachtenswerte Zulassungsfolgepflicht gem. § 114 WpHG dar. Bei etwaigen Verstößen gem. § 120 Abs. 2 Nr. 4 WpHG handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die gem. § 120 Abs. 17 WpHG mit Geldbußen bis zu 2 Mio. € geahndet werden; bei juristischen Personen beträgt die Obergrenze 10 Mio. € bzw. 5 % des Gesamtumsatzes. Bei Nichterfüllung der Emittentenpflichten kann die Zulassungsstelle als ultima ratio die Börsenzulassung widerrufen (§§ 45, 54 BörsO FWB). 3.2.2.2 Unterjährige Berichte a. Definition, Zielsetzung und Normierung Unterjährige Berichte (interim reports oder interim financial reports) sind definiert als alle periodenbezogenen Berichte, die einen Zeitraum von weniger als einem Jahr umfassen. Ziel der unterjährigen Publizität ist es, zeitnahe und verlässliche Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens sowie die künftige Entwicklung des Geschäftsjahres zu vermitteln. Zitat Transparenz und unterjährige Berichterstattung »Durch die Überarbeitung der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) ist die Frage, ob eine generelle Pflicht zur unterjährigen Regelpublizität in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht, in der Europäischen Union in jüngster Vergangenheit wieder verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Die betriebswirtschaftliche Literatur geht davon aus, dass eine regelmäßige, unterjährige Bereitstellung von anlagerelevanten Informationen in Form von Zwischenberichten insbesondere zwei Zielen dient: der Erreichung eines allokativ effizient arbeitenden Kapitalmarkts und dem Investorenschutz. Auch lässt die empirische Forschung eine Reduktion der Informationsasymmetrie bzw. der Kapitalkosten durch eine unterjährige Berichterstattung vermuten.19 Demgegenüber stehen Kosten für die berichtenden Unternehmen, beispielsweise indem auch Wettbewerbern Informationen preisgegeben werden.« (vgl. Henselmann et al. 2017, S. 1).
In Deutschland sind in Bezug auf den Halbjahresfinanzbericht die folgenden Normierungen relevant: y § 115 WpHG verpflichtet Inlandsemittenten (Aktien- und Schuldtitelemittenten i. S. des § 2 Abs. 1 WpHG) zur Erstellung eines Halbjahresfinanzberichtes (vgl. ausführlich Heidelbach/Doleczik 2020, § 115 WpHG, Rn. 1 ff.; Störk/Küster/Koch 2021, Rn. 1 ff.). y Die Berichte sind spätestens drei Monate nach Ablauf des Halbjahres zu veröffentlichen. Zu erstellen ist gem. Abs. 2 ein verkürzter Abschluss, ein Zwischenlagebericht sowie eine Erklärung der gesetzlichen Vertreter (gem. §§ 264 Abs. 2 S. 3, 289 Abs. 1 S. 5 HGB). In dieser Erklärung ist zu versichern, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt und die wesentlichen Chancen und Risiken beschrieben werden (sog. Bilanzeid; s. Kap. I.3.2.2.1.b). Ab dem 1.1.2022 sind Strafen bei etwaigen Verstößen in § 119a WpHG aufgeführt. y Da gem. § 115 Abs. 3 S. 2 WpHG auf den verkürzten Abschluss als Bestandteil des Halbjahresfinanzberichtes die für den Jahresabschluss geltenden Rechnungslegungsnormen anzuwenden sind, müssen deutsche IFRS-Bilanzierer IAS 34 anwenden. Die Pflicht zur Anwendung von IAS 34 ergibt sich für kapitalmarktorientierte Unternehmen auch aus der EU-Verordnung 1606/2002 (s. Kap. I.2.2.5). Im Hinblick auf die Erstellung des
19 Beispielsweise zeigen die Ergebnisse von Fu/Kraft/Zhang 2012, S. 132 ff., dass eine höhere Berichtserstattungsfrequenz mit einer Reduktion der Informationsasymmetrien und Kapitalkosten assoziiert ist.
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unterjährigen Lageberichts greifen wiederum mangels detaillierter Regelungen in den IFRS die Normierungen in DRS 16.34 ff. i. V. m. DRS 20. Weiterhin verpflichtet § 52 Abs. 1 BörsO FWB im Prime Standard notierte Unternehmen zur Veröffentlichung von Halbjahresfinanzberichten. Dieser Bericht ist gem. Abs. 4 spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums zu veröffentlichen. Dabei verweist Abs. 1 auf die analoge Anwendung der angegebenen Regelungen zum Halbjahresfinanzbericht in § 115 WpHG.
Im Hinblick auf die quartalsweise Berichterstattung greifen zusätzlich die folgenden nationalen Normierungen: y Im Prime Standard notierte Unternehmen müssen gem. § 53 Abs. 1 BörsO FWB eine Quartalsmitteilung erstellen. Diese muss die wesentlichen Ereignisse und Geschäfte des Mitteilungszeitraums und ihre Auswirkungen auf die Finanzlage des Emittenten erläutern. Außerdem müssen die Finanzlage und das Geschäftsergebnis im Mitteilungszeitraum beschrieben werden. Empirisch lässt sich zeigen, dass Unternehmen zumeist diese Form der Berichterstattung und nicht die nachstehende Option des Quartalsfinanzberichtes wählen (vgl. Sigel/Hachmeister 2020 in Bezug auf Q1/2014 bis Q3/2019). y Anstelle der Quartalsmitteilung können sich Unternehmen auch freiwillig dazu entscheiden einen Quartalsfinanzbericht zur Erfüllung des § 53 BörsO FWB zu erstellen. Die Erstellung eines Quartalsfinanzberichts hat gem. § 53 Abs. 6 BörsO FWB analog zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 2, Abs. 3 u. 4 WpHG oder § 117 Nr. 2 WpHG (vor allem den verkürzten Abschluss und Zwischenlagebericht enthaltend) zu erfolgen. International empfiehlt IAS 34.1 börsennotierten Unternehmen, zumindest einen Halbjahresbericht zu erstellen und die erstellten Berichte innerhalb von 60 Tagen nach Abschluss der unterjährigen Berichtsperiode verfügbar zu machen (IAS 34.1). Diskussionsfrage I.3.-5 Die Drillisch AG ist im TecDAX an der FWB notiert und erstellt ihren Jahresabschluss nach IFRS. Welche Normen sind bei der Erstellung unterjähriger Berichte zu beachten? Wie viele unterjährige Berichte muss die Drillisch AG während eines Geschäftsjahres erstellen?
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf IAS 34. Die Zielsetzung dieses Standards besteht darin, einerseits den Mindestinhalt eines unterjährigen Berichts festzulegen sowie andererseits Grundsätze für die Erfassung und Bewertung der in einem solchen Bericht zu erfassenden Posten vorzuschreiben (IAS 34.objective; vgl. ausführlich Baetge et al. 2020, Rn. 1 ff.). Der unterjährige Bericht besitzt ausschließlich eine Informationsfunktion. Unabhängig davon, ob ein Unternehmen den unterjährigen Bericht freiwillig oder nach anderen Regeln verpflichtend aufstellt, muss der Bericht vollständig IAS 34 entsprechen, wenn er als IFRS-konform bezeichnet wird (IAS 34.3, 34.19). Exkurs »(T)he provision of new information to the capital market could motivate firms to change their business decisions in such a way that economic efficiency suffers even though price efficiency is enhanced. By explicitly analyzing such real effects, we have shown that infrequent reporting could provide better incentives for investment by destroying information. This result may seem counterintuitive in the light of Blackwell’s theorem, but begins to make sense when we take into account that information has strategic consequences, that is, it changes the world that is being assessed (...). The problem lies not in the shorttermism of the manager, but in the short-termism of current shareholders« (Gigler et al. 2014, S. 381).
3 System der Unternehmenspublizität
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b. Bestandteile Der unterjährige Bericht kann entweder einen vollständigen oder einen verkürzten Abschluss umfassen (IAS 34.4). Die an einen vollständigen Abschluss zu stellenden Anforderungen definiert IAS 1.10. Die Praxis erstellt zumeist einen verkürzten Abschluss. Dieser enthält gem. IAS 34.8 mindestens die folgenden Bestandteile: y eine verkürzte Bilanz (condensed statement of financial position), y eine verkürzte Gesamtergebnisrechnung (condensed statements of profit or loss and other comprehensive income; s. Kap. II.5.3.3.3), y eine verkürzte Eigenkapitalveränderungsrechnung (condensed statement of changes in equity) sowie y eine verkürzte Kapitalflussrechnung (condensed statement of cash flows), y ausgewählte erläuternde Angaben im Anhang (selected explanatory notes) wie z. B. Änderungen in den Bewertungsmethoden, erläuternde Bemerkungen zu saisonalen Einflüssen sowie Angaben zu den abschlussbeeinflussenden Sachverhalten, die aufgrund ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Häufigkeit ungewöhnlich sind (IAS 34.16). Ein unterjähriger Bericht ist auf konsolidierter Basis zu erstellen, wenn der letzte Jahresabschluss des Unternehmens ein Konzernabschluss war (IAS 34.14). Alle Informationen eines unterjährigen Berichts sind gem. IAS 34.20 in Bezug auf die Gesamtperiode vom Beginn des Geschäftsjahres bis zum Ende der unterjährigen Berichtsperiode zu erstellen. In Bezug auf die GuV sind auch Angaben vom Beginn der unterjährigen Berichtsperiode bis zu ihrem Ende zu tätigen. In beiden Fällen sind die Vorjahreswerte anzugeben. c. Bilanzierung Kernproblem der Erstellung unterjähriger Berichte ist die Bestimmung einer zweckmäßigen Form der Periodenabgrenzung. Dabei lassen sich zunächst zwei Ansätze unterscheiden (vgl. auch Brönner et al. 2016, S. 1457 ff.; Hebestreit/Lewe 2020, S. 1933 ff.; allgemein zur Bilanzierung Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1022 ff.). Der eigenständige Ansatz betrachtet die unterjährige Berichtsperiode als eine vom Geschäftsjahr (Jahresabschluss) unabhängige Berichtsperiode. Hauptaufgabe der unterjährigen Berichterstellung ist demnach die Darstellung des Geschäftsverlaufs der entsprechenden Periode bei analoger Anwendung der Abgrenzungsgrundsätze für den Jahresabschluss. Schwanken z. B. die Halbjahresumsätze stark, so gibt dies die Halbjahres-GuV entsprechend wieder. Dem Investor wird zugetraut, dass er die mit dieser Methode einhergehenden, möglicherweise erheblichen Ergebnisschwankungen sinnvoll interpretieren kann (vgl. Baetge et al. 2020, IAS 34, Rn. 94). Beispiel Eigenständiger Ansatz Die lineare planmäßige Jahresabschreibung für das Jahr t3 beträgt 12 T€. Die Abschreibung im Halbjahresbericht beträgt 6 T€. Die Ursache für eine außerplanmäßige Abschreibung liegt im März t3; der Grund für diese Abschreibung entfällt im Juli des Jahres t3. Der Abschreibungsbetrag ist 22 T€. Im ersten Halbjahresbericht ist außerplanmäßig abzuschreiben (22 T€) und im zweiten Halbjahresbericht (der mit dem Jahresabschluss zusammenfällt) ist ergebniserhöhend zuzuschreiben (22 T€; sog. Wertaufholung), sofern ein Wertaufholungsgebot (s. Kap. II.5.3.6) besteht. Der Jahresabschluss bleibt von diesem Vorgang unberührt.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Dagegen versteht der integrative Ansatz die unterjährige Berichtsperiode als integralen Bestandteil des Geschäftsjahres und nicht als eigenständige Berichtsperiode. Die Periodenabgrenzung erfolgt dann nicht nach den für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften, es kommt vielmehr zum zeitanteiligen Ausweis eines Planjahresumsatzes und eines Planjahresergebnisses, d. h., die Halbjahreszahlen entsprechen der Hälfte des erwarteten Umsatzes für das Geschäftsjahr bzw. der erwarteten Jahresergebnisgröße. Dies führt zu einer Glättung unterjähriger Umsatz- und Ergebnisschwankungen. Ein solches Vorgehen soll es dem Investor besser (als bei Anwendung des eigenständigen Ansatzes) ermöglichen, Prognosen für das gesamte Geschäftsjahr zu tätigen. Nachteilig ist allerdings, dass die tatsächliche Ertragslage u. U. verschleiert wird; Wendepunkte der Unternehmensentwicklung lassen sich bei Anwendung des eigenständigen Ansatzes tendenziell eher erkennen. Beispiel Integrativer Ansatz Der Planjahresumsatz für das Geschäftsjahr t3 beträgt 200 Mio. € und für das I. Halbjahr beträgt der Planumsatz 100 Mio. €. Der tatsächliche Umsatz für das I. Halbjahr beträgt 106 Mio. €; der Planjahresumsatz wird aufgrund der positiven Halbjahreszahlen nicht nach oben korrigiert. Nach dem eigenständigen Ansatz ist naturgemäß für das I. Halbjahr ein Umsatz von 106 Mio. € zu zeigen. Der im Bericht für das I. Halbjahr auszuweisende Umsatz nach dem integrativen Ansatz beträgt 100 Mio. €. Dieser Betrag soll eine gute Prognose im Hinblick auf den (geplanten) Jahresumsatz von 200 Mio. € (100 Mio. € x 2 Berichtsperioden) erlauben. Im Folgenden wird unterstellt, dass der Planjahresumsatz aufgrund des erfolgreichen I. Halbjahres auf 210 Mio. € nach oben korrigiert wird. In diesem Fall beträgt der im Bericht für das I. Halbjahr auszuweisende Umsatz bei Anwendung des integrativen Ansatzes 105 Mio. € (210 Mio. € / 2 Berichtsperioden).
In den einzelnen Normensystemen erfolgt die Periodenabgrenzung sowohl eigenständig als auch integrativ (sog. kombinierter Ansatz). Dabei grenzen die internationalen und die deutschen Normen eher eigenständig ab (vgl. auch Baetge et al. 2020, IAS 34, Rn. 95 f.). IAS 34.28 f. schreibt die Anwendung des eigenständigen Ansatzes zwingend vor, d. h., für unterjährige Berichte sind die gleichen Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden wie für die Jahresabschlüsse anzuwenden (so auch DRS 16.20 f.). Die Anzahl der unterjährigen Berichte beeinflusst das Jahresergebnis nicht. Demnach verteilt sich das Jahresergebnis auf die Ergebnisse der einzelnen unterjährigen Abschlüsse. Hilfestellung bei der Beantwortung der Frage, wie einzelne Sachverhalte letztendlich abzugrenzen sind, geben die Beispiele im Anhang B von IAS 34. Die Beispiele dienen der Veranschaulichung. Wichtig ist, dass der Anhang den Standard i. e. S. (angesprochen sind hier die Paragrafen 1-47) nicht einschränken kann (i. d. S. auch Baetge et al. 2020, IAS 34, Rn. 111). Ebenso wenig kann der Anhang eine Vorgehensweise als zulässig erachten, welche der Standard i. e. S. ausdrücklich verbietet. Auch hier besitzt der Standard i. e. S. Vorrang. Diskussionsfrage I.3.-6 Der Anhang von IAS 34 findet sich in den amtlichen EU-Texten (s. Kap. I.2.2.5; I.5.2.1.2) nicht. Inwieweit sind die Ausführungen im Anhang für einen Normenanwender verbindlich?
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Diskussionsfrage I.3.-7 Wie sind die folgenden Sachverhalte in einem nach IAS 34 erstellten unterjährigen Bericht zu behandeln? Geben Sie ggf. die jeweils relevante Norm an und buchen Sie den angegebenen Sachverhalt. Zu erstellen ist der Halbjahresbericht I./t3. a) Bezogen auf das Jahr t3 beträgt die lineare planmäßige Jahresabschreibung für einen Vermögenswert 28 T€. b) Dem bilanzierenden Unternehmen fließt am 13.3.t3 eine Einzahlung für vermietete Räume in Höhe von 6 T€ zu. Diese Einzahlung betrifft die Monate Januar bis September des Jahres t3. Die Mieteinzahlung wurde bereits als laufender Geschäftsvorfall gebucht. c) Seit sechs Jahren wird den Vertriebsmitarbeitern am Jahresende eine umsatzabhängige Prämie in Höhe von 2 % des von ihnen erzielten Umsatzes gezahlt. Der für die Berechnung der Prämie relevante Umsatz im I. Halbjahr beträgt 4,2 Mio. €. d) Um die bestehende Funktionalität einer Druckmaschine zu erhalten, wird regelmäßig am Jahresende eine Generalüberholung durchgeführt. Aufgrund von Erfahrungswerten der Vorjahre ist verlässlich absehbar, dass hierfür 58 T€ anfallen.
Der Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) ist für die Erstellung unterjähriger Berichte von besonderer Bedeutung (IAS 34.23 ff.). Bei der Einstufung, ob ein Sachverhalt wesentlich und damit berücksichtigungspflichtig ist, ist dieser ins Verhältnis zu den Daten des Zwischenberichts und nicht ins Verhältnis zu den Daten des Jahresabschlusses zu setzen (IAS 34.25). Wesentlich ist ein Posten dann, wenn das Weglassen dieses Postens zu irreführenden Schlussfolgerungen bei den Stakeholdern führt. Aus Zeit- und Wirtschaftlichkeitsgründen beruht der unterjährige Bericht in höherem Maße als der Jahresabschluss auf Schätzungen (IAS 34.23, IAS 34.41). Beispiele zur Veranschaulichung der Verwendung von Schätzungen finden sich in IAS 34.Appendix C. Beispiel Vereinfachte Verwendung von Schätzungen Bei der Ermittlung unterjährig zu bildender Pensionsrückstellungen sind nicht zwingend Pensionsgutachten zu erstellen. Möglich ist es vielmehr, die vorherigen Jahresabschlusswerte zu extrapolieren (IAS 34.Appendix C.Example 4). Wurden z. B. im letzten Geschäftsjahr den Pensionsrückstellungen 4 Mio. € zugeführt und blieben die Rahmendaten der Rückstellungsbildung (z. B. Anzahl der pensionsberechtigten Mitarbeiter und der gegebenen Zusagen) unverändert, so könnte es zulässig sein, im I. Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres 2 Mio. € den Pensionsrückstellungen zuzuführen.
d. Prüfung und Haftung Weder die internationalen noch die deutschen Normen verpflichten zu einer Prüfung unterjähriger Berichte. § 115 Abs. 5 WpHG und § 52 Abs. 3 BörsO FWB sehen lediglich vor, dass die Angaben im Halbjahresfinanzbericht einer prüferischen Durchsicht unterzogen werden können. Eine prüferische Durchsicht (review) ist eine abgeschwächte Jahresabschlussprüfung, die vor allem auf analytischen Prüfungshandlungen und Befragungen basiert; im Normalfall findet keine Systemprüfung und keine Belegprüfung statt. Die vom Prüfer gewährte Urteilssicherheit bewegt sich nur auf einem mittleren Niveau und ist negativ formuliert. D. h., dem Prüfer liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der unterjährige Bericht nicht den relevanten Normen entspricht. Findet eine freiwillige prüferische Durchsicht statt, so hat diese den Anforderungen im International Standard on Review Engagements 2410 bzw. in IDW PS 900
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
zu genügen (vgl. hierzu Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 966 ff.). Im Jahr 2021 haben beispielsweise die Bayer AG (vgl. Bayer AG (2021), Halbjahresfinanzbericht 2021, S. 48), die Daimler AG (vgl. Daimler AG (2021b), Halbjahresfinanzbericht 2021, S. 60) und die Merck KGaA (vgl. Merck KGaA (2021), Halbjahresfinanzbericht 2021, S. 68) ihre Halbjahresfinanzberichte einer freiwilligen prüferischen Durchsicht unterzogen; insgesamt ist diese Praxis bei rund 80 % der Unternehmen anzutreffen. Wird gegen die börsenrechtlichen Vorschriften verstoßen, so greifen die folgenden Sanktionen: y Wer gegen § 115 Abs. 1 S. 1 WpHG (Halbjahresfinanzbericht) verstößt, handelt ordnungswidrig (§ 120 Abs. 12 Nr. 5 WpHG i. V. m. § 130 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Verstöße werden mit einer Geldbuße von bis zu 2 Mio. € geahndet. Bei juristischen Personen oder Personenvereinigungen können höhere Geldbußen, nämlich bis 10 Mio. € oder 5 % des Vorjahresumsatzes verhängt werden (vgl. § 120 Abs. 17 WpHG i. V. m. § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG; Heidelbach/Doleczik 2020, § 115 WpHG, Rn. 54 ff.; Markworth 2021, § 114 WpHG, Rn. 31 ff.). Für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen im WpHG ist nach § 121 WpHG die BaFin zuständig. Für die Bemessung der zu verhängenden Geldbuße nach § 120 Abs. 17, 18 und 24 WpHG dienen die WpHG-Bußgeldleitlinien II der BaFin (vgl. BaFin 2018, S. 4 ff.). Nach Ermittlung des maßgeblichen Bußgeldrahmens wird die konkrete Bußgeldzumessung festgelegt. Die BaFin nutzt dabei ein festgelegtes, mehrstufiges Verfahren). Die Verstöße werden zudem von der BaFin veröffentlicht (§ 124 WpHG). y Bei Nichterfüllung der Emittentenpflichten kann die Zulassungsstelle als Ultima Ratio die Börsenzulassung widerrufen (§§ 48, 57 BörsO FWB). Die konkrete Bußgeldzumessung erfolgte durch die BaFin, die aufgrund von § 121 WpHG für solche Verstöße gegen das WpHG zuständig ist, auf Basis der Bußgeldleitlinien II. Im folgenden Beispiel hat die BaFin, u. a. aufgrund eines Verstoßes gegen § 115 Abs. 1 S. 1 WpHG, eine Geldbuße gegen die Wirecard AG festgelegt. Dieser Verstoß wurde gem. § 120 Abs. 12 Nr. 5 WpHG i. V. m. § 130 Abs. 1 OWiG als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit geahndet. Beispiel BaFin legt Geldbuße fest (23.9.2019) »Die BaFin hat am 15. April 2019 Geldbußen in Höhe von 1,52 Millionen Euro gegen die Wirecard AG festgesetzt. Der Sanktion lagen Verstöße gegen § 115 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 117 Nummer 2 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sowie gegen § 130 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 2 WpHG zugrunde. Die Wirecard AG hatte der Öffentlichkeit den Halbjahresfinanzbericht für das Geschäftsjahr 2018 teilweise nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Zudem hatte das Unternehmen die Bekanntmachung darüber, ab welchem Zeitpunkt und unter welcher Internetadresse der Halbjahresfinanzbericht für das Geschäftsjahr 2018 zusätzlich zu seiner Verfügbarkeit im Unternehmensregister öffentlich zugänglich ist, nicht rechtzeitig veröffentlicht. Der Bußgeldbescheid ist rechtskräftig.« (BaFin 2019).
3.2.3 Ereignispublizität 3.2.3.1 Ad-hoc-Publizität a. Definition, Zielsetzung und Normierung Nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung (MAR, EU-Verordnung Nr. 596/2014) müssen Emittenten von Finanzinstrumenten Insiderinformationen unverzüglich (ad hoc) an den Markt kommunizieren, um eine Benachteiligung übriger Marktteilnehmer gegenüber den
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Unternehmensinsidern zu verhindern. Auch Freiverkehrswerte müssen unabhängig von ihrer Größe nunmehr die Ad-hoc-Publizitätspflicht beachten. Unbekannte Umstände, die so beschaffen sind, dass sie auf den Preis des Finanzinstruments einwirken und den Emittenten unmittelbar betreffen, sind ad-hoc-publizitätspflichtig (vgl. Art. 7 Abs. 1 MAR zur Definition der Insiderinformation, vgl. Art. 17 Abs. 1 MAR zur Offenlegungspflicht). Betroffen sind Emittenten, deren Finanzinstrumente an einem geregelten Markt oder einem multilateralen Handelssystem in der EU zugelassen sind. Ergänzend fordert § 26 Abs. 1 WpHG, dass derartige Informationen zunächst der BaFin und den Geschäftsführungen der Handelsplätze vorzulegen sind. Insiderinformationen sind nach Art. 7 Abs. 1 MAR »nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen« (vgl. Merkner/Sustmann/Retsch 2019, S. 622 ff.) Eine Information gilt nach Art. 7 Abs. 2 MAR dann als hinreichend präzise, »wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von [dem man] vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse (...) zuzulassen.« Für die Entscheidungsnützlichkeit von Ad hoc-Meldungen sprechen die Ergebnisse kapitalmarktorientierter Studien (s. Kap. I.4.3.3; unter Bezugnahme auf eine informationsökonomische Fundierung). Vertreter von 70 Finanzinstitutionen geben in einer Befragung an, dass Ad hoc-Meldungen für die eigenen Anlageentscheidungen eine hohe oder sehr hohe Bedeutung besitzen (vgl. Gutzy/Märzheuser 2003, S. 488). Die Bedeutung einer schnellen Information des Kapitalmarktes verdeutlicht auch eine empirische Studie im Nachgang zur Fair Disclosure-Regulierung (RegFD) in den USA. Unternehmensveröffentlichungen, die der RegFD entsprechen, erhöhen die Qualität von Analystenprognosen, wodurch der üblicherweise vorhandene Informationsnachteil individueller Investoren abgebaut wird. Im Ergebnis funktioniert der Kapitalmarkt transparenter und diskriminierungsfreier (vgl. Kross/Suk 2012, S. 226). Auch eine empirische Analyse zum Zeitraum der Coronakrise deutet darauf hin, dass Ad-hoc-Meldungen, die sich auf eine Prognoseänderung/-rücknahme wegen Corona beziehen, grundsätzlich kursrelevant für die betroffenen Unternehmen sind (vgl. Theis 2020). »Zweck der Adhoc-Publizität ist es (daher, die Verf.), einen gleichen Informationsstand der Marktteilnehmer durch eine schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes zu fördern, um die Bildung unangemessener Börsenpreise aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Unterrichtung zu vermeiden« (BAWe/Deutsche Börse AG 1998, S. 26; ohne Hervorhebung im Original).20 Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung von Insiderinformationen und der Bekämpfung des Insiderhandels: Je schneller Informationen publik werden, desto weniger können Wissensvorsprünge missbraucht werden. Aus dem Blickwinkel des agency-theoretischen Ansatzes (s. Kap. I.4.2.2) geht es hier um die Vermeidung von Schädigungen infolge asymmetrischer Informationsverteilungen
20 Zur Ad-hoc-Publizität vgl. u. a. Geibel 1999; Leis/Nowak 2001 unter Bezugnahme auf das WpHG a. F.; Simon 2005; Kümpel/Veil 2006, S. 83 ff.; sowie ferner Buck-Heeb 2020, § 6 Rn. 452 ff.; Kumpan/Grütze 2020, Art. 17, § 14 ff.
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und insbesondere um die schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes über Informationen mit Eignung zur Kursbeeinflussung. Insofern orientiert sich die Ad-hoc-Publizität grundsätzlich an einer strengen Kapitalmarkteffizienz. Aus dem Blickwinkel des Transaktionskostenansatzes (s. Kap. I.4.2.5) wird davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität einer freiwilligen Information grundsätzlich überlegen ist. Da eine effiziente Allokation über den Marktmechanismus nicht zu erwarten ist, sollte derjenige zur Publizität verpflichtet werden, der die Publizität mit den geringsten Kosten gewährleisten kann. Demnach sollte der Emittent als cheapest cost avoider zur Publizität verpflichtet werden (vgl. hierzu Kümpel/Veil 2006, S. 89 m. w. N.).21 Eine unverzügliche Unterrichtung bedeutet in Anlehnung an § 121 Abs. 1 BGB »ohne schuldhaftes Zögern«. Im Jahr 2001 wurden 60 % der Meldungen unmittelbar vor Handelsbeginn (montags bis freitags in der Zeit von 7 bis 9 Uhr) veröffentlicht, um z. B. Kursaussetzungen zu vermeiden (vgl. Sterzenbach/Zietsch 2002, S. 3). Wird allerdings ohne erkennbaren Grund mit der Veröffentlichung bis zum nächsten Morgen gewartet, so steht dies einer raschen Information des Marktes entgegen, d. h., die Gefahr steigt, dass Insidergeschäfte getätigt werden. Beispiel Ad hoc-Mitteilung gemäß Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch »Die Regenbogen AG hebt ihre Jahresprognose für das Geschäftsjahr 2021 maßgeblich aufgrund von außerordentlichen Ergebniseffekten an. Bislang hatte der Vorstand für 2021 eine stabile Umsatzentwicklung bei zugleich deutlich verschlechtertem Jahresergebnis erwartet. Stattdessen geht der Vorstand nun davon aus, das Umsatzniveau des Vorjahres (2020: € 17,3 Mio.) leicht zu überschreiten. Dies ist bedingt durch die erlösseitig über den Erwartungen liegende Sommersaison 2021 bis inkl. September 2021, in Kombination mit der erfolgten Erweiterung des Ferienanlagenportfolios im letzten und in diesem Jahr. Zwar sind die operativen Kosten korrespondierend ebenfalls deutlich gestiegen, jedoch geht der Vorstand in Verbindung mit einmaligen außerordentlichen Zuschüssen aus der Überbrückungshilfe III in Höhe von € 1,1 Mio., die der Regenbogen AG genehmigt wurden, nun für 2021 von einem gegenüber dem Vorjahr deutlich verbesserten Jahresergebnis aus (2020: € 2,3 Mio.)« (Regenbogen AG 2021, Ad Hoc Mitteilung vom 11.10.2021).
Die Veröffentlichung der Insiderinformation regelt § 3a WpAIV (Wertpapierhandelsanzeigeund Insiderverzeichnisverordnung). Demnach muss der Emittent die Insiderinformation Medien zuleiten, von denen angenommen werden kann, dass sie die Information in der gesamten EU und dem EWR verbreiten können (z. B. die Deutsche Gesellschaft für Ad hocPublizität mbH; vgl. http://www.dgap.de). Einzelheiten zu den zu veröffentlichten Informationen finden sich in § 4 WpAIV. Im Jahr 2020 wurden 2.397 (Vorjahr: 1.977) Ad hoc-Meldungen veröffentlicht. Nachdem die Anzahl der jährlichen Ad hoc-Mitteilungen kontinuierlich auf 1.434 im Jahr 2015 gesunken ist, führt die BaFin das außergewöhnliche hohe Aufkommen im Jahr 2020 auf die Coronapandemie zurück (vgl. BaFin 2021, S. 90 f.). International bestehen keine spezifischen Normen zur Ad-hoc-Publizität, d. h., es sind die an der jeweiligen Börse geltenden nationalen Regelungen anzuwenden. Demnach hat ein in Deutschland notiertes Unternehmen die Bestimmungen des WpHG zu beachten, während
21 Das Konzept des cheapest cost avoider geht auf Calabresi 1970, zurück.
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ein an der NYSE notiertes Unternehmen den dortigen Erfordernissen, wie der Regulation Fair Disclosure der SEC, nachkommen muss. b. Verhältnis von Ad-hoc-Publizität und Regelpublizität Ad-hoc-Publizität und Regelpublizität (s. Kap. I.3.2.1) stehen in einem engen Verhältnis, da ein im Rahmen der Regelpublizität darzustellender Sachverhalt (z. B. die Ergebnisgröße im Jahresabschluss oder unterjährigen Bericht) bereits vorab ad hoc zu publizieren ist, sofern dieser geeignet ist, den Börsenkurs erheblich zu beeinflussen. Des Weiteren müssen im Rahmen der Ad-hoc-Publizität verwendete Kennzahlen üblich sein. Die BaFin hat u. a. die folgenden abschlussnahen Kennzahlen als üblich i. S. der zuvor angesprochenen Norm eingestuft: Umsatz, Ergebnis je Aktie, Jahresüberschuss, Cashflow, EBIT und EBITDA (vgl. BaFin 2005, S. 49). Wichtig ist, dass die Ad-hoc-Publizität die Regelpublizität ergänzt und nicht ersetzt. Die Stakeholder haben zweifelsfrei ein Interesse an zeitnahen Informationen. Gleichwohl benötigen die Stakeholder einen Referenzpunkt für die Beurteilung der zeitnah publizierten Informationen. Für diese Zwecke wird regelmäßig auf das erweiterte Spektrum der geprüften Abschlussinformationen zurückgegriffen. Beispielsweise lässt sich die Ad hoc-Meldung über einen Auftragseingang nur sachgerecht vor dem Hintergrund anderer Abschlussinformationen, wie z. B. dem im Jahresabschluss veröffentlichten Umsatz sowie den im Lagebericht gegebenen Informationen zur voraussichtlichen Entwicklung der Gesellschaft, interpretieren. c. Bestimmung meldepflichtiger Insiderinformationen Nach Art. 7 Abs. 1 und 17 Abs. 1 MAR muss ein unmittelbarer Emittentenbezug gegeben sein. Dieser ist gegeben, wenn die Umstände im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind. Dabei kann zwischen unternehmensinternen (Regelfall; Umstände im Tätigkeitsbereich des Emittenten) und unternehmensexternen Umständen mit unmittelbarem Emittentenbezug unterschieden werden. Dies wird auch durch die Formulierung in Art. 7 Abs. 1 MAR »Informationen, die direkt oder indirekt einen (...) Emittenten (...) betreffen« deutlich. Unter dem zuletzt angesprochenen Fall können z. B. eine den Emittenten betreffende Entscheidung einer Kartellbehörde oder die Herauf- oder Herabstufung durch eine Rating-Agentur fallen (vgl. auch Simon 2005, S. 16). Ein nicht berücksichtigungsfähiger nur mittelbarer Emittentenbezug ist z. B. grundsätzlich anzunehmen bei Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten und politische Ereignisse sowie Informationen über eine für den Emittenten relevante Veränderung der Situation des Konkurrenten, z. B. bevorstehende Insolvenz (vgl. BaFin 2005, S. 42; Kumpan/ Grütze 2020, Art. 17, Rn. 60 ff.). Diskussionsfrage I.3.-8 Gehen Sie davon aus, dass der Konzernjahresabschluss eine Ergebnisgröße beinhaltet, die geeignet ist, den Börsenkurs des Emittenten zu beeinflussen. Dieser Abschluss wurde allerdings noch nicht durch den Aufsichtsrat gebilligt (§ 171 AktG; s. Kap. I.3.2.2.1.b). In einem anderen Fall hat sich der Vorstand für eine Kapitalerhöhung ausgesprochen. Allerdings liegt noch kein positives Votum der Hauptversammlung vor. Handelt es sich bei den beiden zuvor angesprochenen Fällen um eine adhoc-publizitätspflichtige Insiderinformation?
Kernproblem der Ad-hoc-Publizität ist die Beurteilung der Eignung von Umständen zur erheblichen Börsen- oder Marktpreisbeeinflussung (vgl. hierzu Caspari 1995, S. 72 ff.; Fülbier
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1998, S. 261 ff.). Das Problem der Bestimmung der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung lässt sich in zwei Teilprobleme zerlegen. Zum einen ist zu fragen, wann eine erhebliche Kursbeeinflussung vorliegt (Teilproblem 1) und zum anderen ist festzustellen, welche Umstände geeignet sind, diese erhebliche Kursbeeinflussung auszulösen (Teilproblem 2). y Teilproblem 1: Das Merkmal der Erheblichkeit der Kursbeeinflussung stellt einen unbestimmten Normenbegriff dar. Die Verwendung unbestimmter Normenbegriffe bereitet zwar einerseits Probleme bei der Begriffsauslegung, erlaubt jedoch andererseits eine konsequente Ausrichtung der Auslegung an den Erfordernissen des Einzelfalls. Für die Beurteilung, wann eine Kursbeeinflussung erheblich ist, existieren verschiedene Orientierungshilfen: – Für einen Schwellenwert von 5 % spricht, dass ein Börsenmakler bei einer zu erwartenden Aktienkursveränderung von 5 % eine Plus- bzw. Minusankündigung vorzunehmen hat. – Beachtenswert ist weiterhin die Volatilität 22 der Einzelwerte sowie die hierfür ggf. verantwortliche Marktenge (Liquidität) des jeweiligen Wertes: Während z. B. bei den stark gehandelten DAX-Werten bereits eine 2-3%ige Abweichung (von der marktbedingten Kursbewegung) erheblich sein kann, liegt bei MDAX-Werten eine erhebliche Schwankung erst bei 5 % und bei Nebenwerten erst bei einer zumindest 10%igen Schwankung vor. – Zudem muss sich der Emittent mit den Erwartungen des Marktes beschäftigen, d. h., erwartet der Markt z. B. eine 50%ige Gewinnsteigerung, kann bereits eine im Vergleich zur vorherigen Periode unveränderte Ergebnisgröße einen Kurseinbruch bewirken. – Einfluss nimmt auch die allgemeine Markttendenz, d. h., ein verunsicherter Markt reagiert i. d. R. stärker auf negative Informationen. Die Praxis geht hier zumeist wie folgt vor: Zunächst einmal werden die Markterwartungen festgestellt (z. B. erwarteter Umsatz) und mit den Ist-Werten (z. B. Ist-Umsatz als zu untersuchende publizitätspflichtige Tatsache) verglichen. Die sich ggf. ergebende Differenz ist anschließend im Hinblick auf ihre Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung zu beurteilen. Folglich lässt sich die Frage, wann eine erhebliche Kursbeeinflussung vorliegt, nur einzelfallbezogen beantworten. Dabei verbleiben zweifelsfrei beachtliche Ermessensspielräume. y Teilproblem 2: Die Frage, welche Umstände geeignet sind, eine erhebliche Kursbeeinflussung auszulösen, lässt sich noch weitaus schwieriger beantworten als die zuvor gestellte Frage, wann eine Kursbeeinflussung als erheblich anzusehen ist. Dies liegt darin begründet, dass prognostiziert werden muss, wie die Marktteilnehmer auf den zu veröffentlichenden Umstand reagieren werden. Bezüglich des logischen Aufbaus einer Prognose gilt allgemein Folgendes: Eine Prognose ist eine Aussage über ein zukünftiges Ereignis (oder mehrere zukünftige Ereignisse), welche auf Beobachtungen und einem Gesetz beruht (vgl. für das Bsp. Chmielewicz 1994, S. 150 ff.; sowie Ruhnke/Schmidt 2003, S. 1045 ff. m. w. N.). Jede Prognose beruht daher auf einer Analyse der Vergangenheit; sie muss empirisch fundiert sein.
22 Der Begriff Volatilität ist eng mit dem lateinischen Begriff »volare« (»fliegen«) verwandt und bedeutet etwa »Flatterhaftigkeit« oder »Auf und Ab«. In den Finanzzeitungen werden regelmäßig 30- und 250-Tage-Volatilitäten veröffentlicht. Eine 30-Tage-Volatilität von 12,6 % besagt, dass der Kurs einer Aktie, ausgehend von den Kursen der letzten 30 Börsentage, im Jahr durchschnittlich um 12,6 % nach oben oder unten schwankt. Vgl. Beike/Schlütz 2015, S. 523 ff.
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– Dabei wird auf Basis empirisch fundierter Ausgangsdaten (Randbedingungen) (z. B.: »Ein Faden wird mit 2 kg belastet.«), – gesetzter Prämissen (z. B. Zeitstabilitätsprämisse) und einer Gesetzmäßigkeit (ein Gesetz gibt eine sachlogische Begründung an, wie aus den Ausgangsdaten unter Zugrundelegung der gesetzten Prämissen auf das künftige Ereignis geschlossen wird; z. B.: »Der Faden hat eine Zerreißfestigkeit von 1 kg.«), – eine Prognoseaussage hergeleitet, welche einen Rückschluss auf das künftige Ereignis erlaubt (z. B.: »Der Faden reißt.«). Demnach ist eine Prognoseaussage logisch wahr, wenn sich diese aus den Ausgangsdaten sowie den gesetzten Prämissen und der zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeit logisch ableiten lässt. Der Umstand, dass die Prognoseaussage (erhebliche Kursbeeinflussung) ex post tatsächlich eingetreten ist, ist kein Beweis dafür, dass die Prognose auch sorgfältig hergeleitet wurde. Folglich ist das Nichteintreten der Prognoseaussage (faktisch falsche Prognose) kein Beweis dafür, dass der Vorstand die Prognose nicht sorgfältig hergeleitet hat (zur Haftung s. Kap. I.3.2.3.1.d). Es gilt daher: Auch ein guter Prognostiker darf irren (ausführlich Tietzel 1989, S. 546 ff.). Um dem Bedürfnis nach einer praxisbezogenen Anwendungshilfe bei der Lösung der Prognoseproblematik nachzukommen, hat die BaFin mögliche Fallkonstellationen veröffentlicht, bei denen in der Regel ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial gegeben ist (vgl. BaFin 2020, S. 15 ff. und 22). Diese Beispiele können als Empfehlung an die Emittenten verstanden werden, bei Vorliegen der genannten Konstellation zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation vorliegt. Die gegebenen Beispiele sind nicht abschließend. Beispiel Beispiele potenzieller Insiderinformationen y Veränderungen von Kerngeschäftsfeldern, y Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge, y Kapitalmaßnahmen (z. B. Kapitalerhöhung), y Ankündigung eines nicht uneingeschränkt erteilten Bestätigungsvermerks oder überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers, y Wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen (z. B. Konsensschätzungen von Analysten), y Erhebliche außerordentliche Aufwendungen (z. B. nach Großschäden oder Aufdeckung krimineller Machenschaften) oder erhebliche außerordentliche Erträge, y Verweigerung (sic!) des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer, y Erwerb oder Veräußerung wesentlicher Beteiligungen, y Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung.
Die Notwendigkeit, bei Vorliegen einer der zuvor genannten potenziellen Insiderinformationen eine einzelfallbezogene Prüfung im Hinblick auf eine wesentliche Kursbeeinflussung durchzuführen, lässt sich vor dem Hintergrund des zuvor beschriebenen allgemeinen Aufbaus einer Prognose wie folgt rechtfertigen. Stark vereinfacht wird die Veränderung einer Schlüsselposition am Beispiel eines außerplanmäßigen Wechsels im Vorstand dargestellt:
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Beispiel Aufbau einer Prognose y Ein außerplanmäßiger Vorstandswechsel wird angekündigt (Ausgangsdaten). y Wenn der Markt keinen außerplanmäßigen Vorstandswechsel erwartet, dann kommt es zu einer erheblichen Kursbeeinflussung (Gesetz). y Relevante Prämisse ist zudem die Zeitstabilitätsprämisse, d. h., es wird angenommen, dass in der Vergangenheit beobachtete Ursache-/Wirkungszusammenhänge (Gesetz) auch in Zukunft ihre Gültigkeit besitzen. y Es kommt zu einer wesentlichen Kursbeeinflussung (Prognoseaussage).
Die gegebenen Beispiele weisen zudem einen engen Bezug zu den empirischen Studien auf, welche sich mit dem Nachweis des Nutzens von Ad hoc-Meldungen beschäftigen (s. Kap. I.4.3.3). Empirie Ad hoc-Meldungen und Kursbeeinflussung Als Tatsachen mit besonderer Eignung zur Kursbeeinflussung sind u. a. Auftragseingänge, Jahresergebnisse, Ergebnisse in unterjährigen Abschlüssen, Dividendenankündigungen, Übernahmen sowie Beteiligungsverkäufe und Fusionen zu nennen.23
Weiterhin besteht der Befreiungstatbestand gem. Art. 17 Abs. 4 MAR. Demnach ist der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung so lange befreit, »wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformationen gewährleisten kann.« Der Emittent muss selbst beurteilen, ob die genannten Voraussetzungen für eine (aufschiebende) Befreiung vorliegen (Selbstbefreiung). Da eine solche Beurteilung nicht immer eindeutig möglich ist (vgl. ausführlich Simon 2005, S. 19 ff.; BaFin 2021, S. 36 ff.), bestehen ggf. erhebliche Haftungsrisiken. Beispielsweise liegen berechtigte Interessen gem. § 6 WpAIV vor, wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen oder zeitnahen Veröffentlichung überwiegen (z. B. wenn eine laufende Vertragsverhandlung durch die Veröffentlichung einer diesbezüglichen Information erheblich gefährdet würde). Die verzögerte Veröffentlichung ist der BaFin mitzuteilen, die dann rückwirkend prüft, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorlagen; im Jahr 2020 befreiten sich Emittenten in 496 Fällen (vgl. BaFin 2021, S. 91). d. Prüfung und Haftung Auch wenn in nicht wenigen Fällen Zweifel an der Normenkonformität publizierter Ad hocMeldungen bestehen (vgl. Leis/Nowak 2001, S. 135 ff.), sind diese nicht prüfungspflichtig (vgl. Ruhnke 2001). Bezüglich der Haftung können sich folgende Ansprüche ergeben: y Ein vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße geahndet werden (vgl. § 120 Abs. 15 WpHG). Ein (versuchter) Verstoß gegen die Marktmissbrauchsverordnung stellt
23 Ein Überblick über Ereignisstudien im Bereich der Ad-hoc-Berichterstattung findet sich in Leis/Nowak 2001, S. 193 ff. m. w. N. Vgl. auch Muntermann/Güttler 2007; Leibfried/Spinner 2012.
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nach § 119 Abs. 3 und 4 eine Straftat dar, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann (vgl. § 119 Abs. 1 WpHG). Darüber hinaus haben Dritte einen Anspruch auf Schadenersatz vor allem gem. §§ 97, 98 WpHG oder § 826 BGB. Die beiden zuerst genannten Paragrafen zielen auf einen Ersatz des entstandenen Schadens (sog. Naturalrestitution24) wegen einer unterlassenen unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation oder wegen Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation ab. Die Voraussetzungen für eine Haftung gem. § 826 (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) hat der BGH erstmals am Fall Infomatec aufgezeigt (zu den Einzelheiten vgl. BGH 2004a, 2004b, 2004c sowie Kort 2005, S. 21 ff.). Die beklagten Vorstandsmitglieder von Infomatec mussten dabei Schadenersatzzahlungen im Rahmen einer Naturalrestitution leisten. Als weiteres Beispiel sind zwei laufende Musterverfahren gegen die VW AG und die Porsche Automobil Holding SE aufgrund einer ggf. zu späten Ad-hoc-Meldung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal zu nennen (vgl. OLG Braunschweig 2021).
Hauptproblem bei den drei genannten Anspruchsgrundlagen ist der vom Anleger zu erbringende Nachweis der Kausalität der falschen bzw. nicht erfolgten Ad hoc-Meldung für seine Anlageentscheidung. Teilweise fordert die Literatur unter Hinweis darauf, dass Anleger in einem funktionierenden Kapitalmarkt auf die veröffentlichten Informationen vertrauen, eine Beweislastumkehr (so z. B. Kümpel/Veil 2006, S. 107). 3.2.3.2 Emissionspublizität a. Definition und Zielsetzung Die Emissionspublizität bezieht sich auf die Publizität bei einem Börsengang. Antragsteller für die Börsenzulassung ist der Emittent, d. h. das Unternehmen, welches beabsichtigt, an die Börse zu gehen. In Deutschland vollzieht der Emittent die Zulassung der Wertpapiere im regulierten Markt (General Standard) gemeinsam mit einer emissionsbegleitenden Bank (§ 32 Abs. 2 BörsG, § 45 Abs. 1 BörsO FWB, Stand: 30.9.2021). Ziel der Emissionspublizität ist es, den potenziellen Anlegern ein fundiertes Urteil über die Rendite-Risiko-Aussichten der angebotenen Wertpapiere zu ermöglichen. Die gegebenen Informationen sollen eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob das angebotene Papier gezeichnet werden soll oder nicht; beim sog. bookbuilding-Verfahren muss der potenzielle Aktienkäufer ggf. über das Setzen einer Kaufpreisobergrenze entscheiden. Zentrales Informationsmedium der Emissionspublizität ist der Prospekt; aus diesem Grunde findet häufig synonym auch der Begriff Prospektpublizität Verwendung. b. Ausgestaltung Die Prospektpublizität wird umfassend in der EU-Prospektverordnung (ProspektVO) Nr. 2017/1129 geregelt, die in den Mitgliedstaaten seit dem 21.7.2019 Anwendung findet. Ergänzende Regelungen zu der ProspektVO enthält das Wertpapierprospektgesetz (WpPG; vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Buck-Heeb 2020, § 4, Rn. 193 ff.). Die ProspektVO hat das WpPG a. F., mit dem die EU-Wertpapierprospektrichtlinie 2003/71/EG in das deutsche Recht umgesetzt wurde, abgelöst.
24 Demnach muss der Schädiger (der zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation verpflichtete Emittent) den Zustand herstellen, der ohne das schädigende Ereignis (vor allem Kauf einer Aktie zu einem überhöhten Preis) bestehen würde, d. h., der Schädiger muss den gezahlten Kaufpreis für die Aktien an den Erwerber leisten und der zuletzt Genannte muss die Aktien zurück an den Schädiger übertragen.
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Ziel der Einführung der ProspektVO war zum einen, den Nutzen des Prospektes für Verbraucher durch verbesserte Informationen zu steigern und den Anlegerschutz zu erhöhen. Zum anderen sollte Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht und ein Beitrag zur Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion geleistet werden (vgl. BaFin 2017; Döpfner/Tatavoussian 2017, S. 1392). Die Pflicht zur Prospekterstellung normiert Art. 3 Abs. 1 und Abs. 5 ProspektVO. Demnach ist ein öffentliches Angebot oder der Handel von Wertpapieren an einem geregelten Markt nur nach vorheriger Prospektveröffentlichung gestattet. Die Prospektveröffentlichung darf wiederum erst erfolgen, wenn die jeweils zuständige Behörde (gem. § 17 WpPG die BaFin) den Prospekt oder alle seine Bestandteile gebilligt hat (Art. 20 Abs. 1 ProspektVO). Wird der Prospekt von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates gebilligt, ist es dem Unternehmen möglich, seine Wertpapiere EU-weit anzubieten oder zum Handel zuzulassen, ohne dass weitere Billigungen hierfür nötig wären. Diese, in Art. 24 und Art. 25 der ProspektVO kodifizierte, Regelung wird auch als sog. »Europäischer Pass für Emittenten« bezeichnet (vgl. Bauerschmidt 2019, S. 330; Buck-Heeb 2020, § 4 Rn. 239 ff.). Der Anwendungsbereich der ProspektVO erstreckt sich auf die Erstellung, Billigung und Verbreitung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem in den Mitgliedsstaaten befindlichen geregelten Markt erforderlich ist (Art. 1 Abs. 1 ProspektVO). Ziel des Prospektes ist es, Informationen für die Anleger bereitzustellen, die wesentlich sind, um sich ein fundiertes Urteil u. a. über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Gewinne und Verluste, die Finanzanlage und die Aussichten des Emittenten (Art. 6 Abs. 1 ProspektVO) zu bilden. Dabei müssen die Informationen in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form geschrieben und präsentiert werden (Art. 6 Abs. 2 ProspektVO). Hinsichtlich des Mindestinhalts und Aufbaus von Prospekten verweist Art. 13 ProspektVO auf den Erlass von delegierten Rechtsakten zur Ergänzung der Verordnung. In diesem Zusammenhang hat die europäische Kommission die Delegierte Verordnung 2019/980 (DelVO) verabschiedet.25 Die Verordnung enthält in den Anhängen 1–10 unterschiedliche Kataloge von Pflichtangaben in Abhängigkeit von der Art des Wertpapiers und des Emittenten. Das Registrierungsformular für Aktien in Anhang 1 umfasst u. a. Angaben zu Risikofaktoren, zur Geschäftstätigkeit, zur Organisationsstruktur, zur Geschäfts- und Finanzlage, zur Eigenkapitalausstattung, zum Regelungsumfeld, zu Gewinnprognosen oder -schätzungen, zu Geschäften mit verbundenen Partnern und zu finanziellen Informationen über die Vermögens-, Finanz und Ertragslage des Emittenten. Zu letzteren Informationen gehören auch die geprüften historischen Finanzinformationen, die die letzten drei Geschäftsjahre abdecken, sowie ein Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers für jedes Geschäftsjahr. Diese Finanzinformationen sind grundsätzlich gemäß der internationalen Rechnungslegungsstandards, wie sie gem. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 in der Union anzuwenden sind, zu erstellen (vgl. Art. 2 i. V. m. Anhang I DelVO 2019/980). Die IFRS gelten damit als Leitbild für die dargestellten Finanzinformationen. In Deutschland wendet die BaFin die Leitlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA zu den Offenlegungspflichten an. Diese Leitlinien sollen dazu beitragen, dass die Marktteilnehmer die Anforderungen aus den Anhängen zur Delegierten Verordnung (EU) 2019/980 einheitlich anwenden (vgl. BaFin 2021).
25 Delegierte Rechtsakte ermöglichen der Kommission, nicht wesentliche Elemente von EU-Rechtsakten, wie Verordnungen, zu ergänzen oder zu ändern, um spezifische Maßnahmen festzulegen. Sie sind rechtsverbindlich und treten nach Verabschiedung durch die Kommission, wenn Parlament und Rat keine Einwände haben, in Kraft (vgl. Europäische Kommission 2021).
3 System der Unternehmenspublizität
87
Beispiel Prospekt der Synlab AG Der Prospekt der Synlab AG umfasst inklusive der Anhänge 604 Seiten (vgl. Synlab AG 2021). Die Zulassung wird am Regulierten Markt der FWB mit gleichzeitiger Zulassung zu einem Teilbereich des Regulierten Marktes mit weiteren Zulassungsfolgepflichten (Prime Standard) an der FWB beantragt. Der Prospekt informiert u. a. über die Hauptgeschäftstätigkeiten, die Risikofaktoren, die Dividendenpolitik, die Angebotskonditionen, die Kapitalausstattung, die Vermögens-, Finanzund Ertragslage, den Markt und Wettbewerb, die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, den Aufbau des Konzerns und seiner Organe, den Aktienübernahmevertrag und über die Besteuerung in Deutschland. Zudem enthält der Prospekt die Geschäftsberichte der Snylab AG nach HGB und die Geschäftsberichte der Konzerngesellschaft Synlab Ltd nach IFRS der Jahre 2018–2020.
c. Prüfung und Haftung In Deutschland muss die BaFin den Prospekt nach Abschluss einer Prüfung auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz der vorgelegten Informationen billigen (Art. 20 Abs. 1, Abs. 4 i. V. m. Art. 2 r ProspektVO). Eine solche Prüfung geht unter Verweis auf das Erfordernis einer Plausibilitätsprüfung (resultierend aus dem Kohärenzerfordernis) über eine formale Prüfung hinaus; gleichwohl besteht keine umfassende materielle Prüfungspflicht (vgl. Art. 20 ProspektVO, Rn. 9 sowie Patz 2016, S. 390 ff.; Voß 2018 S. 314 ff.; Groß 2020). Der so entstehende Mangel an Glaubwürdigkeit der Prospektangaben wird teilweise durch die Prospekthaftung ausgeglichen. Die ProspektVO verweist für die Haftungsregelung in Art. 11 auf das nationale Recht der Mitgliedsstaaten. In Deutschland ist die Haftung für fehlerhafte, d. h. unrichtige oder unvollständige, Prospekte in § 9 ff. WpPG festgehalten. Demnach haften der Antragsteller (potenzieller Emittent) und das emissionsbegleitende Kreditinstitut bei wesentlichen Angaben im Prospekt, die falsch oder unvollständig sind, als Gesamtschuldner (sog. Prospekthaftung gem. § 9 Abs. 1 WpPG). Weiterhin greifen bei Verstößen, die eine Ordnungswidrigkeit gem. § 24 WpPG darstellen, die in den Abs. 5 und 6 genannten Bußgeldvorschriften, die jedoch in ihrer Höhe auf 100 T€, 200 T€ bzw. 700 T€ begrenzt sind. Beispiel Prospekthaftung »Der BGH hat mit Urteil vom 18. 9. 2012 – XI ZR 344/11, DB 2012 S. 2622, entschieden, dass in Fällen, in denen sich der Emittent von Wertpapieren ausdrücklich auch an das unkundige und börsenunerfahrene Publikum wendet, sich der Empfängerhorizont für Prospekterklärungen nach den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen (Klein-)Anlegers richtet, der sich allein anhand der Prospektangaben über die Kapitalanlage informiert und über keinerlei Spezialkenntnisse verfügt. Zu den für die Beurteilung der Wertpapiere notwendigen und daher im Prospekt korrekt darzustellenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen gehört auch der Umstand, dass die Möglichkeit einer Erteilung nachteiliger Weisungen durch eine beherrschende Konzernmuttergesellschaft an eine beherrschte Konzerntochtergesellschaft besteht und damit eine erhöhte Gefährdung der Rückzahlung der Anlegergelder einhergeht« (Voß 2012, S. 2622).
Als Reaktion auf die mögliche Prospekthaftung verlangen die emissionsbegleitenden Banken (underwriter) häufig eine (zumeist vom amtierenden Abschlussprüfer des emittierenden Unternehmens zu erstellende) Bestätigung, welche die Glaubwürdigkeit bestimmter im Prospekt enthaltener Angaben sicherstellen soll. Dabei geht es vor allem um die Überwälzung des Haftungsrisikos von der Emissionsbank auf den Wirtschaftsprüfer (vgl. zu einer Analyse Köhler 2003, S. 77 ff.).
88
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
In diesem Fall wird der Prüfer mit der Erstellung eines Schreibens (sog. comfort letter) beauftragt, in welchem die Ergebnisse der Prüfungshandlungen an den Auftraggeber (Emittent) kommuniziert werden. Allerdings handelt es sich hier um keine Pflichtprüfung; allenfalls besteht eine faktische Prüfungspflicht. Obgleich der Vertrag über die Erstellung eines comfort letter zwischen Emittenten und Prüfer geschlossen wird, geht dessen Initiierung zumeist von der emissionsbegleitenden Bank (bzw. dem Finanzdienstleister) aus, der die Einholung eines comfort letter zur Bedingung für die Durchführung des Börsengangs macht. Wird die Erstellung eines comfort letters vereinbart, so hat der Prüfer regelmäßig IDW PS 910 zu beachten (vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 986 ff.). Dabei sieht Rn. 12 vor, dass von den Stakeholdern nur die Emissionsbank den comfort letter erhält. Prüfungsobjekt bilden gewöhnlich die im Prospekt enthaltenen Informationen, die bisher nicht einer Abschlussprüfung unterzogen wurden. Als solche sind z. B. die Prognosedaten, Risikofaktoren sowie die ggf. ungeprüften Bilanzen und GuV der letzten drei Jahre zu nennen. Aus Prüfersicht stellt sich im Zusammenhang mit der Erstellung eines comfort letters vor allem das Haftungsproblem, d. h. im Fall einer Prospekthaftungsklage durch Investoren wird die emissionsbegleitende Bank versuchen, den Prüfer in Regress zu nehmen. Da regelmäßig auch mit hohen Unsicherheiten behaftete Prognoseaussagen zu prüfen sind, wird der Prüfer darauf drängen, eine mögliche Haftung (z. B. durch Vereinbarung einer Haftungsobergrenze mit dem Mandanten) zu beschränken. 3.2.3.3 Weitere Publizitätspflichten Im Folgenden wird kurz auf weitere wesentliche in Zusammenhang mit der Notierung an einer deutschen Börse stehende kapitalmarktorientierte Publizitätspflichten eingegangen. y Dem Schutz der Marktteilnehmer (insbes. dem Minderheitenschutz) dienen auch die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften gem. §§ 33 ff. WpHG. Nach § 33 Abs. 1 WpHG hat jeder, – der durch Erwerb oder Veräußerung oder auf sonstige Weise – 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, überschreitet oder unterschreitet (Meldepflichtiger), – dieses der Gesellschaft sowie der BaFin – unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen mitzuteilen. Diskussionsfrage I.3.-9 Warum hat der Gesetzgeber die zuvor genannten prozentualen Grenzen in der gegebenen Weise festgelegt?
y
y
Weiterhin besteht eine Publizitätspflicht, sofern die Kontrollschwelle einer Gesellschaft erreicht wird. Dabei setzt Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft voraus (§ 35 Abs. 1 i. V. m. § 29 Abs. 2 WpÜG). Diese Regelung dient der Gewährung des Minderheitenschutzes. Personen, die bei einem Emittenten von Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen (z. B. Leitungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten; siehe Art. 19 Abs. 1 MAR), oder mit einer solchen Person in enger Beziehung stehen, sind verpflichtet, eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten (oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten) dem Emit-
Kontrollfragen zu I.3
y
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tenten und der BaFin innerhalb von drei Werktagen mitzuteilen (Art. 19 Abs. 1 MAR; sog. Directors’ Dealings). Der Emittent hat die Mitteilung unverzüglich zu veröffentlichen (Art. 17 Abs. 3 MAR). Diese Regelung gilt allerdings u. a. nur dann, wenn die getätigten Geschäfte den Betrag von 5 T€ bis zum Ende des Kalenderjahres übersteigen (Art. 19 Abs. 8 MAR). Im Jahr 2020 meldeten Führungskräfte börsennotierter Unternehmen der BaFin 3.793 Geschäfte (vgl. BaFin 2021, S. 238). Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie am 1.1.2020 besteht zudem die Verpflichtung zur Veröffentlichung zustimmungspflichtiger Geschäfte mit nahestehenden Personen (gem. §§ 111a-c AktG). Diese Regelung soll die »rasche Information der Aktionäre, Gläubiger, Arbeitnehmer und anderer interessierter Parteien über potenziell unternehmenswertrelevante Vorgänge« sicherstellen (vgl. Deutscher Bundestag 2019, S. 86). Nahestehende Personen sind hierbei sämtliche natürliche oder juristische Personen, die dem abschlusserstellenden Unternehmen i. S. d. IFRS nahestehen (vgl. § 111a Abs. 1 S. 2 AktG; i.W.S. IAS 24.9 und IAS 24.11). Zu den Informationen, die veröffentlicht werden müssen, gehören die Art des Verhältnisses zu den nahestehenden Personen, die Namen der nahestehenden Personen sowie das Datum und der Wert des Geschäfts (§ 111c Abs. 2 S. 4 AktG). Mit diesen, und falls notwendig noch weiteren Informationen, soll bewertet werden können, ob das Geschäft aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die keine nahestehenden Personen sind, angemessen ist (§ 111c Abs. 2 S. 3 AktG). Erfordert ein Geschäft sowohl die Offenlegung nach Art. 17 MAR (s. Kap. I.1.2.3.1a) als auch die Offenlegung nach § 111c AktG, sind die beiden Veröffentlichungen zu einer einzigen zu verbinden (vgl. Deutscher Bundestag 2019, S. 87; § 111c Abs. 3 AktG).
Kontrollfragen zu I.3 1. Diskutieren Sie die Notwendigkeit, interne Unternehmensrechnungen auf pagatorischer Basis zu erstellen. 2. Erläutern Sie den Einfluss des Maßgeblichkeitsprinzips auf die Möglichkeiten der Inte gration interner und externer Unternehmensrechnungen. 3. Welche Argumente sprechen für und welche gegen eine Annäherung von internem und externem Rechnungswesen? 4. Die für die Segmentberichterstattung gem. IFRS 8 definierten Segmente sind zugleich Profit Center für die Zwecke der internen Unternehmenssteuerung. Die Unternehmenssteuerung soll auf Basis des Economic Value Added (EVA) erfolgen. Gehen Sie auf den Zusammenhang zwischen interner und externer Rechnungslegung bei einer Unternehmenssteuerung auf Basis von EVA ein. 5. Für die einzelnen Segmente A, B und C ermitteln Sie die nachstehenden EVA-Werte. Die Segmente sind vergleichbar. Der verwendete Kapitalkostensatz beträgt einheitlich 10 %. Diskutieren Sie mögliche Steuerungsmaßnahmen. Welche weiteren Informationen benötigen Sie?
Segment-Eigenkapital EVA-Beitrag
Segment A
Segment B
Segment C
72.000 T€
3.700 T€
34.000 T€
3.500 T€
- 2.300 T€
3.000 T€
90
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
6. Die Unternehmenssteuerung Ihres Unternehmens erfolgt auf Basis des EVA. In einem Gespräch mit einem Finanzanalysten wirft dieser Ihnen vor, dass bei der EVA-Berechnung nicht das bilanzielle Eigenkapital, sondern der Marktwert des Eigenkapitals (Marktkapitalisierung; definiert als Börsenkurs x Anzahl der umlaufenden Aktien) heranzuziehen sei. Wie reagieren Sie? 7. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile der Publikation von Prognoseinformationen aus Unternehmenssicht und aus Sicht der Stakeholder. 8. Die börsennotierte Delta AG hat Probleme bei der Einführung eines neuen Produktes. Die damit einhergehenden Probleme sind nachweislich temporärer Natur. Um die Umsatzund Ergebnisausfälle zu kompensieren, weist die Unternehmensleitung den Leiter der Abteilung Rechnungswesen an, alle (erlaubten) abschlusspolitischen Maßnahmen auszuschöpfen, um die Lage der Delta AG in ihrem Zwischenbericht für das 2. Quartal der Periode t1 möglichst gut darzustellen. Welche Gründe könnten den Leiter der Abteilung Rechnungswesen dazu veranlassen, die gegebene Anweisung aus dem Blickwinkel der Investor Relations-Arbeit der Delta AG noch einmal persönlich mit der Unternehmensleitung zu diskutieren? 9. Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der Publikation von Unternehmensinformationen über das Internet. Für die Publikation welcher Informationen ist das Internet besonders geeignet? 10. Zu erstellen ist ein IFRS- bzw. ein HGB-Jahresabschluss. Welche Normen verpflichten zur Buchführung? 11. Warum stellt § 264a HGB höhere Anforderungen an die Pflichtpublizität haftungsbeschränkter Personenhandelsgesellschaften? 12. Warum fordert § 285 Nr. 1 a) HGB die Angabe des Gesamtbetrags der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren? 13. Geben Sie drei Beispiele für handelsrechtlich geforderte Angaben im Anhang außerhalb der Regelungen der §§ 284-288 HGB. 14. Ist ein Konzernabschluss festzustellen? Begründen Sie die gegebene Antwort. 15. Bis wann muss die Schreiner OHG ihren Jahresabschluss aufstellen? Das Geschäftsjahr endet am 31.12.t1. 16. Die Rentzler GmbH ist eine große Kapitalgesellschaft i. S. des § 267 HGB. Die Rentzler GmbH möchte die sog. »größenabhängigen Erleichterungen« in Anspruch nehmen. Legen Sie der Rentzler GmbH dar, welche größenabhängigen Erleichterungen ggf. in Betracht kommen und diskutieren Sie, inwieweit das »Outsourcen« von Unternehmensaktivitäten zur Inanspruchnahme dieser Erleichterungen beitragen kann. Welche weiteren Aktivitäten erscheinen Ihnen geeignet, um größenabhängige Erleichterungen in Anspruch zu nehmen? 17. Bestimmen Sie, in welche Größenklassen die nachstehenden Fallbeispiele in t6 einzuordnen sind. Dabei bedeutet klein (K), mittelgroß (M) oder groß (G) die Klassifizierung des entsprechenden Jahres. Die mit »...« gekennzeichneten Größenmerkmale des betreffenden Jahres sind für die Klassifizierung zum Ende von t6 ohne Bedeutung. Geben Sie auch die Berichtsfolgen der Klassifizierung geordnet nach Bilanz, GuV, Anhang und Lagebericht an.
Kontrollfragen zu I.3
Fall
1
Isolierte Beurteilung am jeweiligen Jahresende t1
t2
t3
t4
t5
t6
…
…
…
…
K
K
2
K
K
M
M
M
K
3
…
…
K
M
G
K
4
M
…
M
…
M
G
5
…
G
G
…
G
…
6
G
…
G
…
G
…
91
Klassifizierung in t6 gem. § 267 Abs. 4 HGB
18. Welche Zielsetzung verfolgt der Deutsche Corporate Governance Kodex? In welchem Zusammenhang stehen der Kodex und die Jahrespublizität in Deutschland? 19. Vergleichen Sie die über die Elemente des Systems der Pflichtpublizität gegebenen Informationen hinsichtlich ihrer Entscheidungsnützlichkeit. 20. Werden unterjährige Berichte geprüft, so wird regelmäßig eine prüferische Durchsicht (review) und nicht eine vollumfängliche Prüfung (audit) durch den amtierenden Abschlussprüfer durchgeführt. Eine solche Prüfung soll das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer in die gegebenen Informationen stärken. Welche Gründe sprechen dafür, einen unterjährigen Bericht nur einer prüferischen Durchsicht und nicht einer umfassenden Prüfung zu unterziehen? 21. Unter welchen Voraussetzungen werden Geschäftsvorfälle bereits vor dem eigentlichen Buchungsvorgang publizitätspflichtig? 22. Warum gibt es keine IFRS, die sich mit der Veröffentlichung von Ad hoc-Meldungen beschäftigen? 23. Die B-AG erstellt ihren Jahresabschluss. Bereits vor Veröffentlichung des Jahresabschlusses (14.2.t1) ist absehbar, dass die Ergebnisgröße 2,7 Mio. € beträgt. Die Vorjahresgröße betrug 2,5 Mio. €. Ergeben sich am 14.2.t1 besondere Publizitätspflichten und welche weiteren Informationen benötigen Sie, um eine ggf. bestehende Publizitätspflicht beurteilen zu können? 24. Wie beeinflusst die Volatilität eines Einzelwertes (Y-AG) die Beurteilung der Eignung einer Tatsache zur erheblichen Kursbeeinflussung dieses Wertes? 25. Die BaFin hat eine Vielzahl von Beispielen prüfungsrelevanter Tatsachen im Rahmen der Publizitätspflicht veröffentlicht. Wie lässt sich die an den Emittenten gerichtete Empfehlung begründen, bei Vorliegen der angegebenen Beispiele unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu prüfen, ob eine publizitätspflichtige Tatsache vorliegt? 26. Als Orientierungshilfe für die Beurteilung, ob ein Tatbestand ggf. ad-hoc-publizitätspflichtig ist, liegen Ihnen einerseits die Ergebnisse empirischer Ereignisstudien sowie andererseits eine Aufstellung der in der Vergangenheit publizierten Tatbestände vor. Welcher Informationsquelle messen Sie ein größeres Gewicht bei? 27. Unter welchen Voraussetzungen ist ein ad-hoc-publizitätspflichtiges Unternehmen aufgrund einer unterlassenen Ad hoc-Meldung schadensersatzpflichtig und wer hat die Beweislast zu führen?
92
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
28. Wie unterscheiden sich die in der BörsO der FWB normierten Zulassungsfolgepflichten bei einer Notierung im General Standard und im Prime Standard? 29. Die seit drei Jahren bestehende DVD-GmbH plant den Gang an die Börse. In diesem Zusammenhang wird ein Wirtschaftsprüfer mit der Erstellung eines comfort letter beauftragt. Warum erfolgt eine solche Beauftragung? Annahmegemäß sollen auch die ungeprüften Jahresabschlüsse der letzten Jahre geprüft werden. Warum werden diese Abschlüsse erst im Vorfeld des Börsengangs geprüft? 30. Welche Publizitätspflichten bestehen, wenn ein Erwerber bestimmte prozentuale Grenzen von Stimmrechtsanteilen erreicht hat? Aus welchem Grunde bestehen diese Pflichten? 31. Prüfer werden oftmals damit beauftragt, Börsenprospekte zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung informiert der sog. comfort letter. Die Prüfungsnorm IDW PS 910 gibt Hinweise zur Prüfungsdurchführung und sieht u. a. in Rn. 12 vor, dass der comfort letter an die Emissionsbank zu adressieren ist. Wie beurteilen Sie diese Regelung? 32. Die Ehefrau von Hans Hurtig (Aufsichtsratsmitglied der an der FWB notierten X-AG) hat Aktien der X-AG im Wert von 27 T€ erworben. Insiderinformationen wurden nicht genutzt. Ist dieser Vorgang publizitätspflichtig?
93
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung LERNZIELE
y y y
Verstehen rechnungslegungstheoretischer Ansätze. Kenntnis der Grundidee der einzelnen theoretischen Ansätze. Beurteilung und Würdigung der Beiträge, welche die einzelnen theoretischen Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung der Rechnungslegung leisten.
4.1 Einordnung und Systematisierung Zitat Motivation »In short, theory is an organizing device, one that is designed to illuminate without introducing too much error. We often phrase this in terms of the effects that are of major importance, called firstorder effects, and effects that are of minor importance, called second-order effects. Theory focusses on first-order effects to highlight the central issue in understanding a set of phenomena. Parsimony is essential, and we must remember to allow for an error term, to allow for effects outside the formal theory with which we are working« (Christensen/Demski 2003, S. 7).
»Wissenschaftliche Aussagen stützen sich immer auf Theoriebildung« (Wöhe/Döring/Brösel 2020, S. 5). Diese Aussage postuliert auch die Existenz bzw. die Notwendigkeit einer Rechnungslegungstheorie. Allerdings ist der Terminus »Theorie« schillernd. Das Spektrum der verwendeten Bedeutungen reicht von der Erkenntnis ohne spezifisches Ziel, dem empirischen Befund in einem vorgegebenen Umfeld, der Ableitung genereller Aussagen mit empirischem oder normativem Informationsgehalt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 8 ff.) bis hin zu der umgangssprachlichen Verwendung für etwas, das empirisch nicht nachweisbar ist bzw. in der Praxis nicht funktioniert (vgl. Reinhold 2000, S. 677 f.). Theoretisches Arbeiten bedient sich in der Regel eines Modells. Mathematisch handelt es sich bei einem Modell um ein »abstraktes, vereinfachendes (…) Konstrukt, das sich auf einen Ausschnitt der Realität bezieht und für einen speziellen Zweck formuliert wurde« (deutsche Übersetzung zu Bender 1978, S. 2). Modelltheoretisches Arbeiten bedeutet also, einen komplizierten Zusammenhang aus der Realität so vereinfacht abzubilden, dass sich die zugrundeliegenden Wirkungszusammenhänge analysieren lassen, also die eingangs erwähnten first-order effects sichtbar werden. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, durch die Vereinfachung nichts Wesentliches wegzuschneiden. Als Beispiel mag eine geographische Karte dienen: Je nachdem ob sie für einen Autofahrer oder einen Wanderer zur Orientierung bestimmt ist, werden verschiedene Gegebenheiten, wie Autobahnen oder Wanderwege wiedergegeben. Das Konstrukt sind die verschiedenfarbigen Linien, die Straßen oder Wege repräsentieren. Der spezielle Zweck besteht in der Orientierung des Fahrers oder Wanderers und die Vereinfachung besteht darin, z. B. keine Häuser oder einzelne Bäume in die Karten aufzunehmen. Als Realwissenschaft beschäftigt sich die Betriebswirtschaftslehre mit realen Phänomenen der Erfahrungswelt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 34; siehe auch Homburg 2007, S. 27 ff.). Zugleich soll die Betriebswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft praxis-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
relevantes Wissen bzw. Problemlösungswissen für das praktische Handeln hervorbringen (vgl. Schreyögg 2007, sowie Wöhe/Döring/Brösel 2020, S. 3 ff.). Insofern besitzt sie gegenüber der Praxis eine dienende Funktion. Aus diesem Grund liegt der Betriebswirtschaftslehre häufig ein entscheidungsorientierter Ansatz zu Grunde (vgl. auch Wöhe/Döring/ Brösel 2020, S. 3 ff.). Dieser baut auf der formalen Entscheidungstheorie auf und versucht durch »eine logische Analyse des menschlichen Verhaltens« (Jung 2016, S. 52) optimale Handlungsalternativen zu identifizieren. Sollte dies nicht möglich sein, werden zumindest zufriedenstellende Lösungen im Sinne einer Satisfaktionszielsetzung angestrebt. Diese Entscheidungsorientierung findet sich unmittelbar in der Rechnungslegungspraxis, sofern die Informationsfunktion des Abschlusses und damit die Entscheidungsnützlichkeit im Vordergrund stehen. In der betriebswirtschaftlichen Forschung besteht ein Spannungsverhältnis von rigour und relevance (vgl. Kirsch/Seidl/van Aaken 2007, S. 247 ff.). Rechnungslegungstheoretische Ansätze müssen einerseits methodisch streng formuliert sein (rigorous), ohne andererseits die zentralen Praxisprobleme zu verwässern (relevant). Die dienende Funktion der Rechnungslegung als Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre gegenüber der Praxis ist jedoch umfassender. Zu fragen wäre z. B., wie Rechnungslegungssysteme auszugestalten und Rechnungslegungsnormen anzuwenden sind. Insofern bezieht sich die Praxis auf die Abschlussersteller und -verwender sowie den Normengeber. Ein Rechnungslegungssystem ist dabei definiert als die Gesamtheit aller Rechnungslegungsnormen, welche Art und Umfang der Rechnungslegung determinieren (vgl. ähnlich Rost 1991, S. 23). Rechnungslegungsnormen erheben insofern den Anspruch, die Rechnungslegungspraxis vorzugeben. Diesen Ausführungen folgend ist die Rechnungslegung als Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre definitionsgemäß angewandte und Realwissenschaft zugleich. Demnach verfolgt eine Rechnungslegungstheorie zwei Ziele: y das Erkennen und Erklären der Realität, z. B. sollen Begründungen geliefert werden, warum sich in der Realität bestimmte Rechnungslegungssysteme (historical cost accounting oder fair value accounting) entwickeln oder warum auf der Basis von Rechnungslegungsinformationen bestimmte Kreditvergabeentscheidungen getroffen werden (vgl. Göx/Wagenhofer 2010), y die Gestaltung der Realität, z. B. soll wissenschaftlich fundiert festgelegt werden, welche Zwecke die Rechnungslegung verfolgen sollte oder es soll bestimmt werden, wie eine zweckadäquate Gestaltung von Rechnungslegungsnormen und -systemen aussieht. In Bezug auf die genannten Ziele sind im Idealfall Gesetzesaussagen zu entwickeln. Gesetzesaussagen müssen ihre Gültigkeit losgelöst von Zeit und Raum besitzen. Aus entscheidungstheoretischer Perspektive ist allerdings bewiesen, dass eine personeninvariant optimale Rechnungslegung nicht existieren kann (vgl. Demski 1973). Demnach lässt sich zweckunabhängig keine Kombination von Rechnungslegungsnormen finden, die den Präferenzen aller Rechnungslegungsanwender genügt. Letztlich basiert dieses Ergebnis auf dem Arrow’schen Unmöglichkeitstheorem, das wiederum auf den Condorcet-Effekt zurückgeht (vgl. Simons 2002a, S. 53; Bamberg/Coenenberg/Krapp 2019, S. 216 ff.): Eine Menge von individuellen Präferenzordnungen kann selten so zusammengefasst werden, dass eine konsistente kollektive Präferenzordnung entsteht. Hieraus folgt unmittelbar, dass der Abstimmungsprozess zur Verabschiedung von Rechnungslegungsnormen einen gravierenden Einfluss hat, wie nachfolgendes Beispiel verdeutlicht (in Anlehnung an Pellens et al. 2021, S. 13).
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
95
Beispiel Ein Eigenkapitalgeber, ein Fremdkapitalgeber und ein Abschlussersteller sind zur Abstimmung über die »beste Bewertungsregel« (i. S. einer Rechnungslegungsnorm) für Wertpapiere aufgerufen. Als Bewertungsregeln stehen der Fair Value (FV), die Anschaffungskosten (AK) oder der niedrigere Wert der beiden (NW) zur Verfügung. Die Präferenzordnungen der drei Rechnungslegungsinteressenten sind in nachfolgender Tabelle angegeben: Interessent
Präferenzordnung
Eigenkapitalgeber
FV ≻ NW ≻ AK
Fremdkapitalgeber
NW ≻ AK ≻ FV
Abschlussersteller
AK ≻ FV ≻ NW
Demnach präferiert (≻) der Eigenkapitalgeber eine zeitnahe Bewertung in Form des Fair Values gegenüber dem Niederstwert, wo zumindest Wertminderungen zeitnah abgebildet werden. Den Niederstwert wiederum bevorzugt er gegenüber den Anschaffungskosten. Ursache hierfür ist, dass er Investitionsentscheidungen am Kapitalmarkt besser auf Basis aktueller Informationen treffen kann. Die Präferenzordnung des Fremdkapitalgebers ist vorsichtsorientiert, da so eine Aushöhlung des Haftungsvermögens am besten vermieden wird und die Präferenzordnung des Abschlusserstellers erklärt sich aus einer Vorliebe für eine möglichst einfache Wertermittlung. Betrachtet man nun verschiedene Abstimmungsregeln, so erkennt man das Condorcet-Paradoxon: Abstimmungsregel
Zwischenergebnis
Endergebnis
gewählt
Punktbewertung: Der erste – Platz erhält 4, der zweite 2 und der letzte Platz 1 Punkt
Jedes Bewertungskonzept erhält summiert über alle drei Interessenten 7 Punkte.
–
Paarbewertung: zuerst Abstimmung zwischen FV und NW, danach Sieger versus AK
FV schlägt NW 2 zu 1 mit den Stimmen von Eigenkapitalgeber und Abschlussersteller
AK schlägt FV 2 zu 1 mit den Stimmen von Fremdkapitalgeber und Abschlussersteller
AK
Paarbewertung: zuerst Abstimmung zwischen NW und AK, danach Sieger versus FV
NW schlägt AK 2 zu 1 mit den Stimmen von Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber
FV schlägt NW 2 zu 1 mit den Stimmen von Eigenkapitalgeber und Abschlussersteller
FV
Paarbewertung: zuerst Abstimmung zwischen FV und AK, danach Sieger versus NW
AK schlägt FV 2 zu 1 mit den Stimmen von Fremdkapitalgeber und Abschlussersteller
NW schlägt AK 2 zu 1 mit den Stimmen von Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber
NW
In der Literatur ist aus den genannten Gründen keine geschlossene Theorie der Rechnungslegung feststellbar, sondern es finden sich vielmehr verschiedene theoretische Ansätze, die z. B. auf empirisch getesteten Hypothesen beruhen oder die auf eine Erklärung von Teilbereichen der Rechnungslegungsrealität ausgerichtet. Theoretische Ansätze und die zugehörigen Forschungsprogramme sind zumeist um gewisse, inhaltliche oder methodologische, Leitideen organisiert. Sie stellen natürliche Beurteilungseinheiten dar (vgl. z. B. Schanz 1988, S. 85 ff.), »welche die Problemlandschaft unseres Faches auf unterschiedliche Weise kartographieren wollen« (Albach 1993, S. 16).
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Beispiel Als Beispiel für die verschiedenen Facetten eines theoretischen Ansatzes soll die »Positive Accounting Theory« (PAT) dienen (vgl. Watts/Zimmerman 1986). Sie postuliert in der Bonusplanhypothese, dass die Vergütungsmodalitäten des Managements dessen abschlusspolitisches Verhalten bestimmen sollten (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 290 ff.). Die Bonushypothese lässt sich durch eine Vielzahl von theoretischen Perspektiven beleuchten (vgl. den theoretisch und empirisch fundierten Überblick bei Göx 2016): y Vertragstheoretische Ansätze (contract theory) würden versuchen, alle denkbaren zukünftigen Umweltzustände zu antizipieren und einen vollständigen Vertrag zu verfassen. Dazu könnten sie auf Rechnungslegungsgrößen als Bemessungsgrundlage, z. B. für Vergütungen, zurückgreifen (vgl. zur Vertragstheorie Schweizer 1999; Bannier 2005). y Die Theorie unvollständiger Verträge sieht aufgrund der Unmöglichkeit, vollständige Verträge zu formulieren, die Frage nach der Zuordnung residualer Kontrollrechte (property rights) im Vordergrund (vgl. Grossman/Hart 1986; Hart/Moore 1988; Hart 1988; s. Kap. I.4.2.5). Hinsichtlich der Bonusplanhypothese wäre z. B. den Eigentümern bei fehlenden Beschäftigungsverträgen das Recht zugewiesen, über die Gewinnverwendung – auch in Form einer Prämie an das Management – zu entscheiden. y Dazu eng verwandt ist die Hold-up-Problematik, bei der nicht nachverhandlungsstabile Verträge im Mittelpunkt stehen (vgl. Edlin/Reichelstein 1996; Baldenius/Reichelstein/Sahay 1999). Hier scheuen sich Investoren eine spezifische Investition zu tätigen, weil der Vertragspartner nach der Investition über einen Anreiz zur Nachverhandlung des Vertrages verfügt, um für sich bessere Verrechnungspreiskonditionen zu erzielen. y Ebenfalls eng mit vertragstheoretischen Ansätzen ist die Prinzipal-Agent-Theorie (s. Kap. I.4.2.2) verwandt. Ein Prinzipal (die Unternehmenseigentümer) beschäftigt einen Agenten (den Manager) und beauftragt ihn mit der Leitung des Unternehmens. Aufgrund der Informationsasymmetrie können die Eigner den Manager nicht direkt kontrollieren, sie können ihn allerdings durch Vergütungsanreize motivieren (vgl. Holmström 1979). Die Bonushypothese der PAT baut also auf der Agency-Theorie auf, indem sie die missbräuchliche Ausnutzung von Vergütungsanreizen mittels der externen Rechnungslegung thematisiert (vgl. grundlegend Wagenhofer 2001, S. 439 ff.). y Eine allgemeinere Betrachtung der Informationsasymmetrie führt schnell zu spieltheoretischen Ansätzen. Eine Ausprägung mit Rechnungswesenbezug ist die disclosure theory (s. Kap. I.4.2.4), bei der ein Spieler, z. B. der Manager, durch strategisches Offenbaren von Informationen die Verhaltensweisen anderer Spieler, seien es Eigentümer, Fremdkapitalgeber oder Konkurrenten, beeinflussen möchte. Damit lässt sich z. B. modellieren, welche Informationen der Manager im Rahmen der Finanzberichterstattung freiwillig preisgeben würde (vgl. Beyer et al. 2010). y Vielfältig lassen sich Anreizprobleme und Probleme asymmetrischer Information auch durch organisatorische Maßnahmen umgehen oder abmildern. Die Frage nach der optimalen Organisation von (ggf. vertraglich geregelten) Austauschbeziehungen ist Gegenstand der Transaktionskostentheorie (s. Kap. I.4.2.5), die wiederum eng mit dem property-rights-Ansatz verbunden ist (vgl. Erlei/Leschke/Sauerland 2016, S. 198 ff.).
Wie deutlich wurde, ist die PAT mit vielen anderen theoretischen Ansätzen verwoben. Daher wird nachstehend eine breitere theoretische Basis gelegt. Dem primären Erkenntnisinteresse (Erkennen und Erklären sowie Gestaltung der Realität) folgend lassen sich in der Rechnungslegung vor allem die in Abbildung I.4./1 dargestellten Ansätze unterscheiden (zu einer anderen Einteilung vgl. z. B. Deegan/Unerman 2011, S. 5 ff.; Wolk/Dodd/ Rozycki 2017). Dabei lassen sich alle o. g. Theorien unter die institutionenökonomischen Ansätze subsumieren.
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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Theoretische Ansätze der Rechnungslegung
Erklärung und Rechtfertigung von externen Unternehmensrechnungen Institutionenökonomische Ansätze
Informationsökonomischer Ansatz
Inhalt und Ausgestaltung von externen Unternehmensrechnungen Ansätze zum Formalinhalt
Ansätze zur Ergebnisermittlung
zielgerichtete Anwendung von Rechnungslegungsnormen Entscheidungsorientierter Ansatz
Abb. I.4./1 Theoretische Ansätze der Rechnungslegung
Die nachstehenden Ausführungen befassen sich zunächst mit Ansätzen zur Erklärung und Rechtfertigung für die Existenz von externen Unternehmensrechnungen und anderen Publizitätselementen (s. Kap. I.3). Der Erklärung und Rechtfertigung von Unternehmensrechnungen sind auch solche Überlegungen zuzurechnen, die versuchen, bestehende Normensysteme mit logisch-deduktiven Mitteln im Hinblick auf ihre Eignung zur Zielerreichung zu beurteilen. So untersuchen z. B. Streim/Bieker/Leippe 2001 die Eignung der IFRS zur Verfolgung des Zwecks der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen. Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen (s. Kap. II.3) beschäftigen sich mit der formalen Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen und der Ermittlung des Periodenergebnisses. Für den Konzernabschluss haben sich zudem eigene theoretische Überlegungen entwickelt, die vor allem Art und Umfang der Einbeziehung von Einzelabschlüssen in den Konzernabschluss sowie die Behandlung von an Tochterunternehmen beteiligten Minderheitsgesellschaften thematisieren (s. Kap. IV.3). Im deutschen Rechtsraum bezeichnet man die Identifikation der im Einzelfall relevanten Rechnungslegungsnormen und deren logisch widerspruchsfreie Auslegung teilweise als »Bilanzrechtstheorie« (vgl. stellvertr. Ballwieser 1993, S. 108 m. w. N.). Obgleich es hier um die Gestaltung der Realität geht, erscheint es verfrüht, von einer Theorie des Bilanzrechts zu sprechen. Fragen der Normenanwendung werden an anderer Stelle eingehend behandelt (s. Kap. II.6; s. Kap. III). Da sich die Anwendung von vorgegebenen Rechnungslegungsnormen an Zielen orientiert, ist auch der entscheidungsorientierte Ansatz, dem die zielgerichtete Anwendung von Rechnungslegungsnormen zugrunde liegt, bedeutsam. Als Ziele kommen neben der bestmöglichen Information der Abschlussadressaten vor allem abschlusspolitische Erwägungen in Betracht (s. Kap. II.7), die die Gestaltung des Jahresabschlusses innerhalb des gegebenen Normenrahmens optimieren (s. Kap. II.7.2). In einem engen Zusammenhang hierzu stehen grundsätzliche Fragen der Anwendung von Rechnungslegungsnormen, die sich z. B. bei vorhandenen Regelungslücken stellen (s. Kap. II.6). Weiterhin unterscheidet die Rechnungslegungsforschung häufig positive und norma tive Forschungsansätze (vgl. z. B. Fülbier/Weller 2008, S. 353 ff.). Während positive Arbeiten (positive research, empirische Arbeiten) sich damit beschäftigen, die Rechnungslegungsrealität zu beschreiben und zu erklären, sind normative Arbeiten (normative research) darauf ausgerichtet, entweder an bilanzierende Unternehmen oder Normengeber gerichtete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Oftmals findet sich sowohl eine positive als auch eine normative Ausrichtung: Beispielsweise münden in empirischen Studien festgestellte Unzu-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
länglichkeiten oder vorgenommene Vorteilhaftigkeitsbeurteilungen oftmals in Handlungsempfehlungen für den Normengeber (policy recommendations). Beispiel Der Wertrelevanzstudie von Bugeja/Gallery 2006 zufolge ist ein erworbener Goodwill (s. Kap. III.3.2.6.1), der älter als zwei Jahre ist, nicht bewertungsrelevant. Ein solcher Goodwill wäre demnach (entgegen den derzeit bestehenden internationalen und US-amerikanischen Rechnungslegungsnormen) nicht in der Bilanz anzusetzen; vgl. ebd., S. 534. Im Gegensatz dazu zeigt die Ereignisstudie (s. Kap. I.4.3.3.2) von Knauer/Wöhrmann 2016 negative Kapitalmarktreaktionen auf unerwartete Goodwill-Abschreibungen, was wiederum für eine Wertrelevanz auch älterer aktivierter Goodwillbeträge spricht. Insofern sind die empirischen Ergebnisse gemischt, was wiederum eine eindeutige Handlungsempfehlung an den Normengeber nicht zulässt.
Teilweise sind die Arbeiten nur positiv (empirische Forschungsarbeit ohne policy recommendation) oder nur normativ angelegt. Im Folgenden wird nicht explizit zwischen positiver und normativer Forschung unterschieden, sondern es werden einzelne theoretische Ansätze vorgestellt.
4.2 Institutionenökonomische Ansätze 4.2.1 Grundgedanke und Annahmen Gegenstand institutionenökonomischer Ansätze ist die Bedeutung von Institutionen für das wirtschaftliche Handeln (vgl. für die nachfolgenden Ausführungen Erlei/Leschke/Sauerland 2016, S. 24 ff.). Dabei ist der Begriff der Institution weit im Sinne eines Systems von Normen zu fassen. Hierzu zählen Gesetze, Verträge, Regeln, Konventionen, Gebräuche, Gepflogenheiten, Moral und Sitten sowie Traditionen einschließlich des dazugehörigen Durchsetzungsmechanismus. Ihnen ist gemein, dass sie das Handeln der wirtschaftenden Individuen beschränken und deren Interaktion regulieren. Ziel der Institutionenökonomik ist es, institutionelle Ordnungsmuster zu erklären und konkrete Hinweise für die Ausgestaltung von Institutionen abzuleiten. Die Institutionenökonomik zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich für die Anreizwirkungen interessiert, die von Institutionen ausgehen können. Die Vertreter dieses Forschungsprogramms finden sich in einer Vielzahl ökonomischer Schulen, die unterschiedliche Forschungsrichtungen einschlagen. Sie lassen sich grob in Vertreter der »älteren Institutionenökonomik« und der »Neuen Institutionökonomik« unterteilen. Der zuerst genannten Ausrichtung ist z. B. Schmoller, ein Vertreter der deutschen historischen Schule, zuzurechnen, weil er die Bedeutung der Eigentums- und Marktordnung analysiert hat. Gleiches gilt für den Protagonisten der österreichischen Schule, Menger, der als früher Transaktionskostentheoretiker interpretiert werden kann. Ähnliches gilt für Vertreter der Freiburger Schule, z. B. Eucken, soweit sie sich mit Wettbewerbsaufsichts-, Arbeits- und Haftungsrecht befasst haben. Auch Vertreter des amerikanischen Institutionalismus lassen sich der älteren Institutionenökonomik zuordnen. In Abgrenzung zu den soeben dargestellten Vertretern der »älteren« Institutionenökonomik wird die ökonomische Analyse der Unternehmung, die auf Coase (1937) zurückgeht, als »Neue Institutionenökonomik« bezeichnet.26 Dabei lassen sich zwei Hauptströmungen
26 Allgemeine Darstellungen hierzu finden sich u. a. in Richter/Bindseil 1995, S. 317 ff.; Cezanne/Mayer 1998, S. 1345 ff.; Richter/Furubotn 2010; Erlei/Leschke/Sauerland 2016, S. 1 ff.; Wöhe/Döring/Brösel 2020, S. 20 ff. m. w. N. sowie in Bezug auf die Rechnungslegung siehe Wüstemann 2002; Dohrn 2004, S. 59 ff.
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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unterscheiden. Zum einen entwickelt sich aufbauend auf der Frage nach optimalen Beauftragungsverhältnissen die Prinzipal-Agent-Theorie (s. Kap. I.4.2.2), deren prominente Vertreter Mirrlees, Holmström, Jensen/Meckling oder Grossman/Hart sind. Zum anderen entwickelt sich der Transaktionskostenansatz (s. Kap. I.4.2.5), der Unternehmen als einen Koordinationsmechanismus alternativ zum Markt betrachtet. In Abhängigkeit davon, welches Koordinationsinstrument bestimmte Transaktionen zu geringeren Kosten bewirken kann, sollten anonyme Märkte oder hierarchisierte Strukturen vorherrschen. Beispiele für Hierarchien in diesem Kontext sind Unternehmen oder Konzerne. Urheber des Begriffs Transaktionskosten ist Arrow (1969), prominente Vertreter des Transaktionskostenansatzes sind Williamson (1967) oder Alchian/Demsetz (1972). Übertragen auf die Rechnungslegung sind mit dem System von Normen vor allem die Rechnungslegungsnormen gemeint. Die Durchsetzungsinstrumente beziehen sich vor allem auf die Mechanismen zur Aufdeckung von Verstößen gegen die Rechnungslegungsnormen, wie z. B. die Abschlussprüfung oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, und die verfügbaren Sanktionen bei Verstößen, wie z. B. die persönliche Verantwortlichkeit des Managements für den Jahresabschluss oder die Prospekthaftung. Charakteristisch für die Neue Institutionenökonomie ist weiterhin eine spezifische ökonomische Sichtweise der Welt, die in folgenden Verhaltens- und Informations-Annahmen zum Ausdruck kommt (vgl. Ordelheide 1993, Sp. 1841 f.; Erlei/Leschke/Sauerland 2016, S. 47 f.): y Individualprinzip: Die handelnden Individuen streben die Maximierung ihres jeweils eigenen Nutzens an. Sie handeln insofern opportunistisch. Dazu wägen sie die aus einer Aktion resultierenden Vorteile, z. B. den Nutzen aus einer gewährten monetären Prämie, gegen die hiermit verbundenen Nachteile ab, wie z. B. das Arbeitsleid aus der zusätzlichen Anstrengung zur Erreichung der Prämie. Individualistisch agierende Akteure haben keineswegs ein aktives Interesse an der Schädigung Dritter oder am Betrug. Da die eigenen Präferenzen allerdings alleiniger Orientierungspunkt für das Handeln darstellen, schließt die Maximierung des eigenen Nutzens auch Betrug als Mittel zum Zweck nicht zwingend aus. Aufgrund prohibitiv hoher Nutzeneinbußen, die für einen Betrugsversuch bei funktionierenden Institutionen zu erwarten sind, scheidet Betrug jedoch aus Kosten-Nutzen-Abwägungen aus. Bezogen auf die Rechnungslegung stellt sich z. B. die folgende Frage: Warum sollte das Management eines kapitalsuchenden Unternehmens die Kapitalmarktteilnehmer richtig informieren, wenn ihm dadurch Vorteile entgingen? Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein börsennotiertes Unternehmen im Rahmen einer ordentlichen Kapitalerhöhung neue Aktien ausgibt und sich bei Ausweis einer bestimmten bilanziellen Ergebnisgröße ein höherer Ausgabekurs für die Aktien durchsetzen ließe. Folglich vereinnahmte das Unternehmen in höherem Umfang finanzielle Mittel, was für das Management eine höhere Erfolgsprämie bedeuten könnte. Das Individualprinzip geht davon aus, dass ein Entscheidungsträger immer dann bereit ist, Normen zu verletzen, d. h., abweichend von den Rechnungslegungsnormen einen höheren Gewinn auszuweisen, wenn der erwartete individuelle Nutzen höher ist als die erwarteten Nutzeneinbußen. Demnach ist ein opportun agierendes Management immer dann bereit, den Stakeholdern nicht normenkonform zu berichten, wenn gilt: erwarteter Nutzen aus dem Normenverstoß > Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Normenverstößen × erwartete Nutzeneinbuße
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y
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– Dabei gibt der erwartete Nutzen aus dem Normenverstoß z. B. die zusätzliche Prämie an, die dem Management aufgrund der erfolgreicheren Kapitalerhöhung bei manipulierter Ergebnisgröße im Vergleich zu einem normenkonformen Ergebnisausweis zufließt. – Die Aufdeckungswahrscheinlichkeit des Normenverstoßes hängt vor allem davon ab, ob und inwieweit die Unternehmensrechnung durch Dritte geprüft wird. Als unabhängige Kontrollinstanz kommen neben dem Abschlussprüfer auch andere Institutionen wie Börsenaufsichtsbehörden in Betracht. – Die erwartete Nutzeneinbuße umfasst Sanktionen und Reputationsverluste. Sanktionen können auf gerichtlichem Wege erfolgen. So könnte z. B. ein Haftungsanspruch der Aktionäre gegenüber der Geschäftsleitung bestehen, wenn diese den Kapitalmarkt vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch informiert. Reputationsverluste beziehen sich sowohl auf die Unternehmensebene als auch auf die Ebene der Leitungsorgane des Unternehmens. So könnte auf individueller Ebene des Managers z. B. eine Beeinträchtigung der individuellen Karriere die Konsequenz aus der Falschberichterstattung sein. Auf Unternehmensebene kann es zu Vertrauensverlusten bei den Aktionären oder anderen Stakeholdern gegenüber dem Unternehmen kommen. Dieser Vertrauensverlust kann sich niederschlagen in einer Risikoprämie in Form eines Abschlags vom Aktienkurs oder in verschlechterten Konditionen bei der Erlangung von Fremdkapital. Der somit eingeengte Handlungsspielraum des Managements beeinträchtigt wiederum dessen Karrieremöglichkeiten (zu den verschiedenen Kontrollmechanismen vgl. z. B. Byrd/Parrino/Pritsch 1998; Simons 2002a, S. 69 ff.). Asymmetrische Informationsverteilungen: Bezogen auf die Rechnungslegung sind die Informationen zwischen dem Abschlussersteller, d. h. dem Management, und den Abschlussadressaten im Regelfall ungleich verteilt. Hier haben Unternehmensinterne zumeist einen tätigkeitsbedingten Informationsvorsprung. – Die internen Akteure gelangen zum einen rascher an entscheidungsrelevante Informationen. Dieser Informationsvorsprung in zeitlicher Hinsicht lässt sich weitestgehend abbauen, indem man z. B. die Unternehmen verpflichtet, bestimmte Informationen mit Eignung zur Kursbeeinflussung umgehend zu publizieren (zur Adhoc-Publizität s. Kap. I.3.2.3.1). – Zum anderen verfügen die internen Akteure regelmäßig über einen Informationsvorsprung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, d. h., sie gewinnen aufgrund ihrer Tätigkeit mehr Informationen, die zudem qualitativ hochwertiger sein dürften. Dieser Vorsprung lässt sich durch externe Unternehmensrechnungen zumindest reduzieren. Das Prinzip der begrenzten Rationalität ist keine grundsätzliche Annahme institutionenökonomischer Ansätze, hat jedoch beim Transaktionskostenansatz eine gewisse Bedeutung: Das Prinzip der begrenzten Rationalität (bounded rationality) besagt, dass der Mensch bei schlecht strukturierten Aufgaben aufgrund begrenzter kognitiver Kapazitäten immer nur eine beschränkte Menge an Informationen wahrnehmen, auswählen und für die Problemlösung in Betracht ziehen kann (vgl. zum information overload auch Paredes 2003, S. 417 ff.). Bezogen auf die Rechnungslegung ist beispielsweise davon auszugehen, dass ein Kleinaktionär ohne frei verfügbare Informationen, wie sie u. a. der Jahresabschluss bietet, c.p. einen weitaus geringeren Bestandteil seines Vermögens dazu verwendet, um spezifische Aktien zu erwerben. Dies lässt sich wie folgt begründen: Die Kosten der Informationsbeschaffung und -auswertung und der Nutzen aus der Aktienanlage in Form von Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen stehen bei einem
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Kleinaktionär in einem weitaus schlechteren Verhältnis als z. B. bei Großaktionären oder Fondsgesellschaften (Fixkostendegressionseffekt). Zudem dürfte ein Kleinanleger oftmals gar nicht in der Lage sein, seinen Informationsbedarf zu formulieren oder die gegebenen nicht standardisierten Informationen für seine Zwecke sachgerecht auszuwerten. In diesem Fall handelt der Kleinaktionär innerhalb der ihm gesetzten Grenzen u. U. rational, wenn er sich aufgrund der bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich seines Informationsstandes ganz vom Markt zurückzieht. Diese Strategie wird auch als rationale Apathie bezeichnet (vgl. Easterbrook/Fischel 1991, S. 66; Walz 1993, S. 98 f.). Die normierte externe Unternehmensrechnung, die z. B. den Jahresabschluss oder den Halbjahresbericht (s. Kap. I.3.2.2) liefert, mildert das Problem der rationalen Apathie. Auch bei der Harmonisierung der Rechnungslegung kommt es zu einer Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Informationsgewinnung. Je ähnlicher zwei Rechnungslegungsnormen zueinander sind, desto weniger Kosten muss der Bilanzadressat aufwenden, um diese zu dekodieren (vgl. Barth/Clinch/Shibano 1999, S. 207 ff.). Die Unternehmen werden verpflichtet, standardisierte Informationen zur Verfügung zu stellen, was zwei Vorteile mit sich bringt: – Zum einen ist der Investor mit den gegebenen Informationskategorien, wie z. B. Bilanzgewinn, vertraut. Auf diese Weise werden die Komplexität reduziert und die Kosten der Informationsbeschaffung gesenkt. – Zum anderen erlaubt die Standardisierung Unternehmensvergleiche, z. B. sind verschiedene Unternehmen hinsichtlich ihrer Performance zeitpunktbezogen oder im Zeitablauf vergleichbar. Dies führt wiederum zu einer Komplexitätsreduktion. Zudem werden die Kosten der Informationsauswertung gesenkt. Als für das Rechnungswesen besonders bedeutsame institutionenökonomische Ansätze werden nachstehend agency-theoretische Ansätze, spieltheoretische Ansätze sowie der Transaktionskostenansatz näher untersucht.
4.2.2 Agency-theoretischer Ansatz Gegenstand der Agency-Theorie und hierauf basierenden agency-theoretischen Ansätzen ist die optimale Vertragsgestaltung zwischen einem Prinzipal als Auftraggeber und einem Agenten als Beauftragten (vgl. Bamberg/Spremann 1987, S. 1 ff.; Christensen 2002, Sp. 28 ff.; Bremzen et al. 2015, S. 57 f.; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 137 ff.). Dieses Vertragsverhältnis ist durch fünf zentrale Eigenschaften charakterisiert (vgl. Jost 2001, S. 15 ff.; Macho-Stadler/ Perez-Castrillo 2001, S. 17 ff.): y Der Prinzipal kann eine bestimmte Aufgabe nicht selbst durchführen, z. B. weil ihm die erforderlichen Kapazitäten, die notwendigen Kenntnisse oder die Zeit fehlen. Er ist zur Delegation gezwungen. y Das Ergebnis der delegierten Tätigkeit beeinflusst unmittelbar das Vermögen des Prinzipals, d. h., es existiert ein Ergebnisverbund. y Der Prinzipal kann nicht kontrollieren, ob der Agent seine Aufgabe optimal erfüllt. Ursache hierfür kann sein, dass die Tätigkeit des Agenten für den Prinzipal verborgen ist oder dass dem Prinzipal die notwendigen Informationen fehlen, um die Angemessenheit des Arbeitseinsatzes seitens des Agenten beurteilen zu können. Man sagt auch, die Aktionen des Agenten seien für den Prinzipal unbeobachtbar. Alternativ kann dem Prinzipal die Eignung, Fähigkeit oder Motivation des Agenten verborgen sein. y Prinzipal und Agent maximieren jeweils ihren individuellen Nutzen. y Ggf. haben Prinzipal und Agent unterschiedliche Risikoeinstellungen.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Beispiele für Agency-Beziehungen gibt es viele: So lässt sich z. B. das Vertragsverhältnis zwischen einem Anwalt und einem Mandanten als Agency-Beziehung auffassen. Unterstellt man z. B. einen Schadenersatzprozess, so beeinflusst dessen Ausgang das Vermögen des Mandanten. Der Mandant kann sich mangels Kenntnis nicht selbst vertreten und er kann aufgrund fehlender Ausbildung auch nicht beurteilen, ob der Anwalt die erfolgversprechendste Prozessstrategie einschlägt. Auch die Beziehungen zwischen Arzt und Patient, Fremdkapitalgeber und Unternehmenseigentümern, Anteilseignern und Wirtschaftsprüfern oder Investor und Management weisen die gleiche Grundstruktur auf. Die drei letztgenannten PrinzipalAgent-Beziehungen liegen agency-theoretischen Modellen der Rechnungslegung zugrunde. Die Agency-Theorie unterscheidet drei verschiedene Problemtypen (vgl. Jost 2001, S. 25): y Hidden action: Im Moment des Vertragsabschlusses sind Prinzipal und Agent gleichermaßen informiert, d. h., es ist ex ante Informationssymmetrie gegeben. Dem Beauftragungsverhältnis liegt jedoch eine Tätigkeit zugrunde, die für den Prinzipal unbeobachtbar ist, d. h., es tritt ex post Informationsasymmetrie auf. Der Prinzipal kann den Agenten mangels Beobachtbarkeit nicht auf ein bestimmtes Leistungsniveau verpflichten. Die Folge ist ein Moral-Hazard-Problem: Der Agent kann sich bei schlechten Ergebnissen immer darauf zurückziehen, er habe hart gearbeitet, aber leider wären unglückliche Umweltzustände aufgetreten, obwohl er faktisch nicht die Interessen des Prinzipals vertreten hat. Mittels eines ergebnisorientierten Vertrages lässt sich das Moral-HazardProblem abmildern, aber nie vollständig beseitigen. In der Literatur werden hidden-action-Probleme häufig verwendet, um optimale Management-Verträge theoretisch herzuleiten. Die ergebnisabhängige Vergütung bezieht sich dabei häufig auf Erfolgsgrößen, wie z. B. den Jahresüberschuss, oder bestimmte Bilanzkennzahlen, wie z. B. Rentabilitätskennzahlen. Allerdings muss hier auf eine Besonderheit hingewiesen werden: In Agency-Modellen wird davon ausgegangen, dass zum Endzeitpunkt des Modells alle Ergebnisse bekannt werden. In einer Anteilseigner-Manager-Beziehung gilt dies regelmäßig nicht. Der exakte und vollständige Unternehmenserfolg ist erst zum Lebensende des jeweiligen Unternehmens feststellbar. Insofern sind Jahresergebnisse nur Momentaufnahmen, die sich aus Konventionen der Erfolgsermittlung ergeben. Damit sind sie einerseits nicht eindeutig und andererseits werden sie vom zu beurteilenden Agenten, dem Management, ermittelt; insofern liegt zusätzlich ein Problem des unbekannten Ergebnisses, ein hidden-result-Problem, vor (vgl. Christensen/ Demski 2003, S. 230 ff.; Salanie 2005, S. 119 ff.; Dierkes/Schäfer 2008). y Hidden Information: Hidden Information und hidden action sind eng miteinander verwandt. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses herrscht Informationssymmetrie. Ex post tritt ebenfalls Informationsasymmetrie auf, die ein Moral-Hazard-Problem induziert. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass die Informationsasymmetrie durch ein Signal entsteht, dass dem Agenten exklusiv zugeht. Ein Beispiel für Hidden Information im Kontext der Rechnungslegung ergibt sich erneut aus dem Anteilseigner-Manager-Problem. Die Anteilseigner schließen mit dem Manager einen erfolgsabhängigen Entlohnungsvertrag, z. B. auf Basis des Jahresergebnisses. Bevor der Manager aber seine Arbeitsleistung erbringt, kann er im internen Rechnungswesen, das für die Anteilseigner unzugänglich ist, feststellen, ob die allgemeinen Erfolgsaussichten des Unternehmens gut oder schlecht sind und seine Arbeitsleistung entsprechend anpassen (vgl. auch Frantz/Instefjord/Walker 2013, S. 1184 ff. im Kontext von Publikationsanreizen). y Hidden characteristics: In diesem Fall besteht die Informationsasymmetrie bereits vor Vertragsabschluss. Dadurch entsteht das Problem der adversen Selektion, d. h., der
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Prinzipal gewinnt mit einem bestimmten Vertragsangebot nicht die von ihm gesuchten »guten« Agenten, sondern gerade die nicht gesuchten »schlechten« Agenten. Durch die Offerierung vieler Vertragskonstellationen, ein sog. menu of contracts, kann sich der jeweilige Agent das für ihn passendste Angebot aussuchen und offenbart so seinen eigenen Typ. Man spricht hier von self-selection. Anhand des ausgewählten Vertrages kann der Prinzipal folglich erkennen, ob es sich um einen »guten« oder einen »schlechten« Agenten handelt. Es sind allerdings auch Konstellationen denkbar, in denen der Agent aus Eigennutz seinen Typ offenbaren möchte. In diesem Fall liegt ein sog. Signaling-Spiel vor (vgl. Salanie 2005, S. 11 ff.). Übertragen auf die Rechnungslegung kann dies bedeuten, dass ein Unternehmen als Prinzipal, das als Agenten einen Gutachter mit der Feststellung des Unternehmenswertes beauftragen will, ex ante nicht weiß, welche Fähigkeiten der Gutachter hat. Es könnte aber einerseits einen Vertrag mit sehr hoher Fixvergütung und einer sehr geringen Prämie für das erstellte Gutachten anbieten und andererseits einen Vertrag mit niedrigem Fixum und einer sehr hohen Vergütung für das finale Gutachten. Die beiden Vergütungsverträge sind relativ zueinander so auszugestalten, dass der Agent, sofern er über die gewünschten Fertigkeiten verfügt, immer den stärker erfolgsorientierten Vertrag auswählt. Aus der Vertragsauswahl des Agenten kann das beauftragende Unternehmen auf die vorhandenen Fertigkeiten des Gutachters schließen. Die Verträge müssen allerdings so ausgestaltet sein, dass es für den Agenten mit geringen Fertigkeiten nicht lohnenswert ist, vorzugeben, er sei ebenfalls gut (vgl. den Überblick bei Armstrong/Guay/Weber 2010, S. 179 ff.). Nachstehend zeigt ein einfaches binäres Agency-Modell beispielhaft die Funktionsweise der formalen Agency-Theorie. Außerdem wird die Bedeutung der Rechnungslegung als Vertragsgrundlage verdeutlicht. Beispiel Der finanzstarke Investor P.R. Inzipal hat Kenntnis von einer guten Investitionsgelegenheit. Aus Zeitmangel kann er diese aber nicht selbst wahrnehmen. Daher beschließt er, die Prinzipal GmbH zu gründen, deren Alleingesellschafter er wird, und den Manager A. Gent als verantwortlichen Geschäftsführer einzustellen. Der Gewinn (vor Managementvergütung) aus der Investition kann entweder hoch, xH = 100 GE, oder niedrig, xL = 10 GE, sein. Dabei kann A. Gent durch seinen Arbeitseinsatz die Erfolgswahrscheinlichkeiten des Investitionsprojektes beeinflussen. Leistet er einen hohen Arbeitseinsatz, a = aH, so endet das Projekt mit einer Wahrscheinlichkeit von pH = 0,6 erfolgreich, d. h., es erzielt einen hohen Gewinn (vor Managementvergütung). Allerdings verursacht dieser hohe Arbeitseinsatz dem Manager Arbeitsleid, weil er sich stark auf das Projekt konzentrieren muss; das Arbeitsleid V beträgt bei hohem Arbeitseinsatz VH = 1,6. Leistet A. Gent nur einen niedrigen Arbeitseinsatz, a = aL, so beträgt das Arbeitsleid nur VL = 1,0, die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt aber auch nur pL = 0,3. Vergütungszahlungen bewertet der risikoaverse A. Gent mit einer Nutzenfunktion; hier sei eine Wurzelfunktion angenommen. Dabei bezeichnet sH die Vergütung im Falle eines hohen und sL die im Falle eines niedrigen Gewinns. Das Agency-Problem lässt sich wie folgt formalisieren, wobei von Beginn an unterstellt wird, dass P.R. Inzipal einen Anreiz für einen hohen Arbeitseinsatz geben möchte. Zur Erreichung eines niedrigen Arbeitseinsatzes bedarf es nämlich keines weiteren Anreizes. Die Zielfunktion von P.R. Inzipal lautet: pH(xH − sH) + (1 − pH)(xL − sL)
s
max
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Weiterhin muss sichergestellt werden, dass A. Gent bei der Prinzipal GmbH seinen Vertrag abschließt und nicht einer anderen Beschäftigung nachgeht oder seine Freizeit genießt. Der Nutzen der alternativen Tätigkeit wird als Reservationsnutzen bezeichnet, der hier annahmegemäß gleich eins sei. Die Bedingung, die sicherstellt, dass A. Gent bei der Prinzipal GmbH tätig wird, heißt Partizipationsbedingung. Sie lautet: _ _ _ pH √ sH + (1 − pH ) √ sL − VH ≥ U
Zuletzt muss durch die Anreizbedingung sichergestellt werden, dass der Agent aus opportunistischen Überlegungen den hohen Arbeitseinsatz auswählt. Die Anreizbedingung lautet: _
_
_
_
pH √ sH + (1 − pH ) √ sL − VH ≥ pL √ sH + (1 − pL ) √ sL − VL
Fall 1: Angenommen P.R. Inzipal könnte den Arbeitseinsatz beobachten. Damit wäre die Anreizbedingung überflüssig, weil A. Gent auf den hohen Arbeitseinsatz verpflichtet werden könnte. Allerdings muss zuerst sichergestellt werden, dass A. Gent den Vertrag bei der Prinzipal GmbH unterschreibt, d. h., die Partizipationsbedingung muss erfüllt sein. Da P.R. Inzipal seinen Gewinn maximieren will, wird er A. Gent gerade so viel zahlen, dass die Partizipationsbedingung mit Gleichheit erfüllt ist. Außerdem müssen wir keine erfolgsabhängige Vergütung gewähren, um einen hohen Arbeitseinsatz anzureizen, d. h., es gilt sH = sL = s. Damit vereinfacht sich die Partizipationsbedingung zu: _ _ _ pH √ s + (1 − pH ) √ s − VH = U
Das Einsetzen der Beispieldaten ergibt: 0, 6
s + 0 ,4 s – 1, 6
=
1
Damit erhält man für den sog. First-best-Fall s = 6,76. Für P.R. Inzipal ergibt sich damit ein erwarteter Nettogewinn in Höhe von 0,6 · (100 – 6,76) + 0,4 · (10 – 6,76) = 57,24 GE. Fall 2: Der Arbeitseinsatz sei annahmegemäß nicht mehr beobachtbar und eine Rechnungslegung stehe nicht zur Verfügung. Damit hat P.R. Inzipal keine Möglichkeit, A. Gent anzureizen. Insofern wird er ihm ein niedrigeres Fixum zahlen, weil sich die Partizipationsbedingung nun auf den niedrigen Arbeitseinsatz bezieht. _ _ _ pL √ s + (1 − pL ) √ s − VL = U Damit ergibt sich für den Fall 2 ein Fixum in Höhe von s = 4. Dafür sinkt der erwartete Gewinn von P.R. Inzipal auf 0,3 · 100 + 0,7 · 10 – 4 = 33 GE. Fall 3: Der Arbeitseinsatz sei wiederum unbeobachtbar. Dafür steht eine wahrheitsgemäße Rechnungslegung zur Verfügung, die P.R. Inzipal die Möglichkeit gibt, eine erfolgsabhängige Vergütung zu implementieren. Die optimale Vergütung ergibt sich im vorliegenden Modell, wenn Partizipations- und Anreizbedingung jeweils mit Gleichheit erfüllt sind. Es folgt: 0 , 6 s H + 0 , 4 sL - V H = U
0 , 6 s H + 0 , 4 sL – V H = 0 , 3 s H + 0 , 7 s L – V L
Damit ergibt sich für den Entlohnungsvertrag sH = 11,56 und sL = 1,96. Für P.R. Inzipal beträgt der erwartete Gesamtgewinn 0,6 · (100 – 11,56) + 0,4 · (10 – 1,96) = 56,28 GE.
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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Ein Vergleich der Gewinne von P.R. Inzipal verdeutlicht, dass die Existenz der Rechnungslegung in seinem besten Interesse begründet ist. Außerdem zeigt sich, dass die First-best-Lösung nur noch angenähert aber nicht zur Gänze erreicht wird.
Diskussionsfrage I.4.-1 Ist es anreizkompatibel, die Entlohnung des Managements an eine Ergebnisgröße der externen Unternehmensrechnung zu koppeln?
Umfangreichere Agency-Modelle lassen sich für viele verschiedene Analysen zur Rechnungslegung verwenden. Zu nennen sind z. B. y die Eignung verschiedener Bemessungsgrundlagen für die Vergütung, wie Umsatz, Jahresergebnis oder Rentabilität (vgl. Banker/Datar 1989; Indjejikian 1999, S. 147 ff.), y das Vergütungsrisiko, das dem Agenten aufgrund von Messfehlern aufgebürdet wird (Lambert/Larcker 1987, S. 85 ff.), y der mögliche Konflikt zwischen Anreiznützlichkeit, im Sinne der Eignung eines Rechnungslegungssystems für optimale Entlohnungsverträge, und Entscheidungsnützlichkeit, im Sinne der Informationsversorgung von Kapitalmarktteilnehmern (vgl. Ozkan/ Singer/You 2012), y die Vorteilhaftigkeit strikter bzw. vager Rechnungslegungsstandards (Ewert/Wagenhofer 2005), y die Bedeutung abschlusspolitischer Entscheidungen (vgl. empirisch Burgstahler/Hail/ Leuz 2006) und y die Auswirkung von abgegrenzten Periodenerfolgsrechnungen auf das Investitionsverhalten (vgl. Gillenkirch/Schabel 2001).
4.2.3 Spieltheoretische Ansätze Gegenstand der Spieltheorie und hierauf basierender spieltheoretischer Ansätze ist die Analyse von Entscheidungen unter Unsicherheit, wobei die Unsicherheit aus den Aktionen eines oder mehrerer anderer Spieler resultiert (vgl. Osborne/Rubinstein 1994, S. 1 ff.; Fudenberg/ Tirole 1996, S. 3 ff.; Holler/Illing/Napel 2019, S. 1 ff.). Im Vordergrund steht dabei, ob Handlungsweisen existieren, die zu einem Gleichgewicht führen, d. h., zu einer Situation, in der keiner der beteiligten Spieler einseitig seine Handlungsweise zu ändern wünscht. Die nichtkooperative Spieltheorie als verbreitetste Form kennt eine Vielzahl von Spieltypen, wobei zwei Unterscheidungsmerkmale am häufigsten genutzt werden: Zum einen wird zwischen Spielen in strategischer Form bzw. Normalform und Spielen in extensiver Form unterschieden. Zum anderen werden Spiele mit vollständiger und solche mit unvollständiger Information differenziert. Bei Spielen in strategischer Form wird die zeitliche Abfolge der Züge nicht berücksichtigt. D. h., es wird unterstellt, dass die Spieler gleichzeitig ihre Aktionen wählen bzw. eine Kommunikation zwischen den Spielern ausgeschlossen ist. Für die Rechnungslegung sind derartige Spiele insoweit interessant, wie es um Vertragsgestaltungen geht, die auf die Rechnungslegung als Vertragsgrundlage zurückgreifen (vgl. Simons 2002b, S. 743 ff.; Wielenberg 2007, S. 735 ff.). Ein typisches Beispiel sind Kreditvergabeentscheidungen bei Investitionsvorhaben: Der Kreditnehmer kann das Investitionsvorhaben frei auswählen und der Kreditgeber kann rechnungswesenbasierte Kennzahlen (covenants) im Vertrag festschreiben und nur bei Einhaltung bestimmter Schwellenwerte ist der Fortbestand der Vertragsbeziehung gegeben. Mithilfe strategischer Spiele lassen sich Anreizwirkungen derartiger kennzahlenba-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
sierter Vertragsbestandteile analysieren (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 220 ff.): So könnten strenge Schwellenwerte, die der Kreditgeber setzt, den Kreditnehmer veranlassen, weniger riskante Investitionsprojekte auszuwählen, wie das nachfolgende, stark vereinfachende Beispiel verdeutlicht. Beispiel Ein Kreditnehmer nimmt für die Finanzierung eines Investitionsvorhabens einen Kredit i. H. v. 100 T€ auf. Dabei kann er zwischen einem sicheren und einem riskanten Investitionsprojekt wählen. Das sichere Projekt erwirtschaftet einen Gewinn in Höhe von 20 T€. Das riskante Investitionsprojekt führt mit 50 % Wahrscheinlichkeit zu einem Gewinn in Höhe von 70 T€, mit der Gegenwahrscheinlichkeit fällt das Projekt aus. Der Kreditgeber kann im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung mittels Jahresabschlusskennzahlen entweder eine strikte oder eine laxe Kontrolle zur Sicherung seines Kredites durchführen. Bei einer laxen Kontrolle kann er das Scheitern des riskanten Investitionsprojektes nicht vorhersagen. Bei einer strikten Kontrolle gelingt ihm dies mit Sicherheit. Die strikte Kontrolle verursacht dem Kreditgeber Kosten in Höhe von 3 T€, die laxe Kontrolle verursacht Kosten in Höhe von 1 T€. Grundsätzlich schuldet der Kreditnehmer dem Kreditgeber einen Zins in Höhe von 10 T€; fällt das riskante Projekt aus, so fällt auch die Zinszahlung aus. Die Normalform des zugehörigen Spiels sieht wie folgt aus, wobei sämtliche Zahlenwerte in T€ angegeben sind. Dabei bezeichnet der erste Eintrag in der Ergebniszelle den Payoff für den Kreditgeber, der zweite den für den Kreditnehmer. sicheres Projekt
riskantes Projekt
strikte Kontrolle
(10 – 3 = 7; 20 – 10 = 10)
(0,5 x 10 – 3 = 2; 0, 5 x (70 – 10) = 30)
laxe Kontrolle
(10 – 1 = 9; 20 – 10 = 10)
(0,5 x (–100) + 0,5 x 10 – 1 = –46; 0,5 x (70 – 10) = 30)
Im (Nash-)Gleichgewicht wird der Kreditnehmer das riskante Projekt wählen und der Kreditgeber die strikte Kontrolle. Man erkennt dies, indem geprüft wird, ob einer der beiden Spieler seinen Payoff durch eine Strategieänderung erhöhen kann. Der Kreditgeber könnte von der strikten zur laxen Kontrolle wechseln, dabei verschlechtert er sich allerdings von 2 T€ auf -46 T€; ein Strategiewechsel wird also nicht stattfinden. Der Kreditnehmer könnte von dem riskanten auf das sichere Projekt wechseln, dabei erzielte er allerdings nur einen Gewinn von 10 T€ statt 30 T€, auch hier besteht keine Motivation zu einem Strategiewechsel. Wird die Erfolgswahrscheinlichkeit des riskanten Projektes auf 10 % reduziert, so ergibt sich folgende Normalform, wobei die Payoffs für das sichere Projekt unverändert bleiben: sicheres Projekt
riskantes Projekt
strikte Kontrolle
(7; 10)
(0,1 x 10 – 3 = –2; 0, 1 x (70 – 10) = 6)
laxe Kontrolle
(9; 10)
+ 0,1 ∙ 10 − 1 = −90, ( 0,9 ∙ −100 ) 0,1 ∙ 70 − 10 = 6 (
)
(
)
Offensichtlich besteht das (Nash-)Gleichgewicht nun darin, dass der Kreditgeber eine laxe Kontrolle wählt und der Kreditnehmer das sichere Projekt realisiert. Im Ergebnis hängt die Intensität, mit der der Kreditgeber die Abschlussanalyse durchführt, von der Handlungsweise des Kreditnehmers ab. Derartige Wechselwirkungen lassen sich für eine Vielzahl von rechnungslegungsrelevanten Problemen zeigen.
Aufgrund der Berücksichtigung der Zugabfolge sind Spiele in extensiver Form für die Rechnungslegungsforschung deutlich interessanter. Ein extensives Spiel mit vollständiger Information benötigt keine Rechnungslegung, da ohnehin alle Spieler den gleichen Informations-
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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stand besitzen. Lässt man allerdings unvollständige Information zu, so kann eine Vielzahl rechnungslegungsrelevanter Problemstellungen analysiert werden. Zu den behandelten Themengebieten gehören z. B. 1. das Auftreten von Abschlusspolitik, obwohl sie durch den Abschlussadressaten vollständig antizipiert werden kann (vgl. Fischer/Verrecchia 2000), 2. die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten zur Informationssignalisierung an den Kapitalmarkt (vgl. Hughes/Schwartz 1988), 3. die Sinnhaftigkeit von Methodenwahlrechten im Konzernabschluss (vgl. Simons 2003), 4. der Zusammenhang von Unternehmenspublizität und Konkurrenzwirkungen (vgl. Ewert/Wagenhofer 1992), 5. die Anreizwirkung von Haftungsregelungen im Rahmen der Prospekthaftung (vgl. Hillegeist 1999), 6. die Entscheidung des Abschlussprüfers, sich freiwillig von einem Mandat zurückzuziehen (vgl. Bockus/Gigler 1998) und 7. die Wechselwirkung zwischen Innenrevision und externer Abschlussprüfung (vgl. Patterson/Smith 2007). Neben der nichtkooperativen Spieltheorie existieren zwei weitere Teilgebiete der Spieltheorie, die ebenfalls zur Analyse rechnungslegungstheoretischer Probleme eingesetzt werden: y Die kooperative Spieltheorie untersucht die Aufteilung gemeinsamer Ressourcen oder gemeinsam verursachter Kosten auf eine Gruppe von Spielern. Dabei wird berücksichtigt, dass Spieler unterschiedliche Outside-Options haben bzw. unterschiedlich mächtig sind. Insofern ist dieser Ansatz besonders für die Abbildung politischer Prozesse und auch von Lobbying-Aktivitäten interessant; hierzu kann auch der Kommentierungsprozess bei der Verabschiedung eines Standards gehören (s. Kap. I.5.3; Bertomeu/Magee/ Schneider 2012, S. 12 ff.). y Die evolutorische Spieltheorie untersucht dynamische Prozesse, um herauszufinden, welche Verhaltensweisen sich unter verändernden Ausgangsbedingungen als stabil erweisen. Einen derartigen Prozess stellt z. B. die Umstellung von HGB auf IFRS dar (vgl. Simons/Weißenberger 2008, S. 143 ff.).
4.2.4 Disclosure Theory Eine besondere Klasse spieltheoretischer Modelle bilden die Beiträge zur Publizitäts- oder Offenlegungstheorie (disclosure theory). Sie befassen sich mit Fragestellungen wie z. B.: y Unter welchen Bedingungen legen Unternehmen freiwillig Jahresabschlussinformationen offen? y Wie sollten Investoren Unternehmen bewerten, wenn keine aktualisierenden Informationen (Regelpublizität, s. Kap. I.3.2.2) bereitgestellt werden? Dies kann z. B. aufgrund abweichender Publizitätsvorschriften für Kapital- und Personengesellschaften auftreten. y Wie hängen freiwillige und verpflichtende Publizität voneinander ab? y Wie verändern sich Publizitätsanreize, wenn verschiedene Abschlussadressaten mit unterschiedlichen Informationsbedürfnissen vorliegen? Die Grundidee der Publizitätstheorie lässt sich anhand einer Sender-Signal-EmpfängerSituation beschreiben (vgl. z. B. Röhner/Schütz 2020, S. 27 ff. m. w. N.).
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Signal Empfänger
Sender Kanal Abb. I.4./2 Sender-Signal-Empfänger-Situation
Der Sender repräsentiert das Unternehmen bzw. dessen Manager in seiner Funktion als Jahresabschlussersteller. Im Zeitablauf, d. h. während seiner Tätigkeit, können ihm private Informationen zugehen, die den Unternehmenswert präzisieren. Sofern freiwillige Unternehmenspublizität (voluntary disclosure) modelliert wird, entsteht für den Manager ein Entscheidungsspielraum. Er kann entscheiden, ob er die private Information publiziert oder nicht. Dabei wird er immer diejenige Publikationsentscheidung treffen, die den Preis maximiert, der im Gleichgewicht für das Unternehmen gezahlt wird. In seltenen Fällen kann es auch im Interesse des Managers liegen, den Unternehmenswert zu minimieren, z. B. dann, wenn ein Management-buy-out geplant ist oder der Ausübungspreis für eine neu aufzulegende anteilsbasierte Vergütung nach unten manipuliert werden soll. Wird verpflichtende Publizität (mandatory disclosure) modelliert, so kann die Entscheidung z. B. darin bestehen, über die gegebenen Pflichten hinauszugehen. Das Signal stellt die publizierte Information dar. Im Regelfall wird unterstellt, das wahrheitsgemäß (truth-telling condition) berichtet werden muss. Es gibt allerdings auch Modelle, in denen ein wahrheitswidriges Schweigen möglich ist und sich die truth-telling-Bedingung nur auf tatsächlich erfolgte Berichte bezieht. Der Empfänger repräsentiert die Abschlussleser bzw. Eigen- oder Fremdkapitalgeber. Sie haben grundsätzlich zu Beginn des Spiels eine (identische) Einschätzung über den Unternehmenswert (prior). Findet Offenlegung statt, so nutzen sie die erhaltene Information, um ihre Einschätzung über den Unternehmenswert rational nach statistischen Methoden anzupassen, z. B. nach der bayesianischen Regel. Im Falle fehlender Offenlegung unterstellen die Investoren pessimistische Vermutungen, d. h., sie erklären das Unterbleiben der Offenlegung damit, dass eine besonders ungünstige Information vorliegt, die der Manager lieber verbergen wollte. Den Ausgangspunkt der Publizitätstheorie bilden Überlegungen zum market for lemons (vgl. Akerlof 1970; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 363). Nachstehend wird am Beispiel eines Gebrauchtwagenmarktes erläutert, warum Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer eines Gutes zum Marktzusammenbruch führen kann.27 Der zugrunde liegende Mechanismus wird nachstehend an einem einfachen Beispiel erläutert. Beispiel Annahmegemäß existieren vier potenzielle Verkäufer i, i = 1, ..., 4, deren Gebrauchtwagen unterschiedliche Werte aufweisen sollen. Zur Vereinfachung entspreche der Wert des Gebrauchtwagens dem Zählindex des Verkäufers, d. h., der Wagen des Verkäufers 1 hat einen Wert in Höhe von 1 GE, der des Verkäufers 2 hat einen Wert von 2 GE usw. Wenn Informationsasymmetrie vorherrscht und den potenziellen Käufern die Werte der Gebrauchtwagen nicht bekannt sind, werden sie rationalerweise das Kaufpreisangebot über den Durchschnittswert bestimmen. Im vorliegenden Fall ergäbe sich ein Preisangebot in Höhe von (1 GE+2 GE+3 GE+4 GE)/4 = 2,5 GE. Nunmehr ergibt sich allerdings das Problem, dass die Verkäufer mit den hochwertigen Gebrauchtwagen (Verkäufer 3 und 4) aus dem Markt ausscheiden, weil sie keinen adäquaten Preis erzielen können. Machen sich die poten-
27 Da Akerlof 1970 im Original das Gebrauchtwagenbeispiel verwendet, soll dies auch hier geschehen.
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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ziellen Käufer diesen Effekt bewusst, so müssen sie das Kaufpreisangebot (iterativ) verringern. Mit den verbleibenden Verkäufern 1 und 2 sinkt das Kaufpreisangebot auf 1,5 GE und Verkäufer 2 scheidet nunmehr ebenfalls aus dem Markt aus. Im Ergebnis verbleibt nur der schlechteste Anbieter am Markt, was auch allen Käufern bewusst ist. Es kommt somit zum Zusammenbruch des Marktes. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es im Eigeninteresse der potenziellen Verkäufer liegt, die Informationsasymmetrie zu überwinden. Dieses prominente Beispiel eines Marktzusammenbruchs verdeutlicht die Notwendigkeit von Rechnungslegungsinformationen, um die Funktionsfähigkeit eines Marktes zu gewährleisten. Offen bleibt derzeit noch, ob die benötigten Informationen freiwillig gewährt werden oder ob eine Rechnungslegungsregulierung erforderlich ist.
Diese Überlegung ist der Startpunkt für das sog. unraveling-Prinzips (vgl. Grossman/Hart 1980). Das unraveling-Prinzip begründet, warum die Verkäufer mit dem jeweils besten Gut einen Offenlegungsanreiz haben und warum sich dieser Anreiz iterativ auch auf die Verkäufer mit den Gütern nächstbester Qualität überträgt. Es kann unter Fortführung des Gebrauchtwagenbeispiels erklärt werden und verdeutlicht, warum Verkäufer freiwillig (aus opportunistischen Motiven) offenlegen sollten. Beispiel Betrachten wir erneut das obige Beispiel. Verkäufer 4 hat bei einem auf dem Durchschnittswert von 2,5 GE basierenden Kaufpreisangebot eine starke Motivation, den wahren Wert seines Gebrauchtwagens glaubwürdig darzulegen, weil er dadurch einen besseren Preis (4 GE > 2,5 GE) erzielen kann. Gleiches gilt für Verkäufer 3. Im Gegensatz dazu würden die beiden anderen Verkäufer (1 und 2) vorerst schweigen wollen, um von dem unangemessen hohen Kaufpreisangebot profitieren zu können. Nachdem allerdings die Verkäufer 3 und 4 für ihre Gebrauchtwagen Informationssymmetrie hergestellt und die potenziellen Käufer dies beobachtet haben, werden sie für nichtoffenlegende Verkäufer ein neues Kaufpreisangebot basierend auf dem aktualisierten Durchschnittswert i. H. v. 1,5 GE festlegen. Nunmehr hat auch Verkäufer 2 einen Vorteil von der Offenlegung des wahren Wertes seines Gebrauchtwagens. Im Ergebnis ist nur der Verkäufer mit dem schlechtesten Angebot indifferent zwischen der Offenlegung oder fortgesetztem Schweigen. Da die Käufer allerdings von pessimistischen Erwartungen ausgehen, ist eine Offenlegung auch gar nicht erforderlich, um den letzten schweigenden Verkäufer als den mit dem Gebrauchtwagenwert in Höhe von 1 GE zu identifizieren. Im Ergebnis kommt es zu einem vollständigen Offenlegungsgleichgewicht. Da zuerst die Verkäufer mit den hohen Werten offenlegen, denen sukzessiv diejenige mit den nächstniedrigeren Werten folgen, bezeichnet den Prozess als »unraveling from the top«. Solange das unraveling-Prinzip wirkt, sind Rechnungslegungsnormen zur Herstellung von Informationssymmetrie nicht erforderlich. Die Offenlegung geschieht vollständig auf freiwilliger Basis.
Die Gültigkeit des unraveling-Prinzips beruht allerdings auf einer Reihe teilweise einschränkender Annahmen (vgl. Beyer et al. 2010, S. 300 f.): 1. Die Offenlegung verursacht keine Publizitätskosten. 2. Unternehmen verfügen mit Sicherheit über private Informationen, d. h., exklusive Informationen, über die nur sie verfügen, und dies ist den Investoren bekannt. 3. Die Investoren interpretieren das Signal einheitlich und eindeutig und reagieren bei ihrer Kaufentscheidung auf vorhersehbare Art und Weise. 4. Die Zielsetzung des Bilanzierenden besteht darin den Unternehmenswert zu maximieren und dies ist den Investoren bekannt. 5. Es gilt die Annahme wahrheitsgemäßer Berichterstattung, d. h., die Investoren können dem erhaltenen Signal vollumfänglich trauen.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Bei Aufgabe der Annahme kostenloser Publizität (Annahme 1) ergibt sich ein partielles Offenlegungsgleichgewicht (vgl. Verrecchia 1983; Dye 1986). Dabei können die Publizitätskosten auch Verluste aufgrund der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen umfassen. Strebt ein Manager die Maximierung des Börsenkurses seines Unternehmens an, so hat er zwei Handlungsoptionen: Er kann wahrheitsgemäß offenlegen und der sich einstellende Börsenkurs bildet den Unternehmenswert zutreffend ab. Alternativ kann er auf Offenlegung verzichten. In diesem Fall werden die Investoren einen Durchschnittspreis über alle schweigenden Unternehmen bilden. Daraus resultiert ein partielles Offenlegungsgleichgewicht, bei dem einige Unternehmen freiwillig berichten und andere keine Informationen bereitstellen. Strebt der Normgeber eine vergleichbare Informationsgewährung über eine Gruppe von Unternehmen (hier z. B. börsengelistete Unternehmen) an, so wird eine Rechnungslegungspflicht erforderlich. Da der Zustand vergleichbarer Rechnungslegung sich nicht auf freiwilliger Basis einstellt, ist der Eingriff des Normgebers zur Zielerreichung gerechtfertigt. Beispiel Unendlich viele Unternehmen und die zugehörigen Unternehmenswerte, die vereinfachend dem Börsenpreis (für das gesamte Unternehmen) entsprechen sollen, sind im Intervall [0; 1] gleichverteilt. Die Publikationskosten sollen 0,1 betragen. Übersteigt der Publizitätsvorteil in Form des gesteigerten Börsenkurses (der jetzt individualisert und damit höher als der Durchschnittspreis der nichtoffenlegenden Unternehmen ist) die Offenlegungskosten gerade nicht mehr, so bricht das »unraveling from the top« ab. Im Beispiel ist das Unternehmen mit dem Unternehmenswert 0,2 GE zwischen Offenlegung und Nichtoffenlegung indifferent. Sofern es offenlegt, wird es korrekt mit dem Wert 0,2 GE bepreist, muss allerdings die Offenlegungskosten in Höhe von 0,1 GE gegenrechnen, sodass der Unternehmenswert nach Offenlegungskosten 0,1 GE beträgt. Verzichtet das Unternehmen auf die Offenlegung wird es mit dem Durchschnittswert aller nicht publizierenden Unternehmen bewertet, der ebenfalls 0,1 GE beträgt. Im Gleichgewicht legen alle Unternehmen im Intervall [0,2; 1] offen und die Unternehmen im Intervall [0; 0,2) schweigen; insofern liegt ein partielles Offenlegungsgleichgewicht vor. Ein partielles Offenlegungsgleichgewicht verdeutlicht den Zusammenhang von verpflichtender und freiwilliger Publizität. Ohne verpflichtende Rechnungslegungsnormen würden die schweigenden Unternehmen niemals Informationen teilen, weil es für sie ökonomisch nachteilig wäre.
Eine Erweiterung des Problems entsteht dann, wenn Unternehmen über keine ökonomisch relevanten Informationen verfügen, die sie bereitstellen könnten, sondern zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten lediglich »inhaltsleere Standardtexte« publizieren (Informationen ohne Informationswert, s. Kap. I.4.3.1). Dies hat Auswirkungen auf die Börsenkursbildung. Eine derartige Situation kann durch die Annahme stochastischer Informationsausstattung der Unternehmen abgebildet werden, d. h., ein Bruchteil der Unternehmen verfügt über private Informationen und der andere Bruchteil nicht. Diese Situation führt zu einem partiellen Offenlegungsgleichgewicht (vgl. Dye 1986, Jung/Kwon 1988). Die Annahme sicherer Informationsausstattung (Annahme 2) wird folglich aufgegeben. Dabei wird angenommen, dass Unternehmen mit der Wahrscheinlichkeit p über kein privates Signal verfügen, das eine entscheidungsrelevante Information beinhaltet, und somit auch keine Offenlegung vornehmen können; von Publikationskosten wird nunmehr wieder abstrahiert. Da unterstellt wird, dass die Informationsausstattung unabhängig vom Unternehmenswert ist, existieren Unternehmen mit sehr hohen Unternehmenswerten, die über keine privaten Informationen verfügen und somit nicht offenlegen können. Dadurch steigt der Durchschnittspreis schweigender Unternehmen an. Folglich ist es für Unternehmen am unteren
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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Ende der Unternehmenswertverteilung vorteilhaft zu schweigen. Die Fortführung des Zahlenbeispiels verdeutlicht dies. Beispiel Es wird zusätzlich angenommen, dass p = 0,05 ist, was bedeutet, dass 5 % der Unternehmen über keine private Information verfügen und folglich gar nicht die Möglichkeit der Offenlegung haben, während 95 % der Unternehmen ungehindert über ihre Offenlegungsstrategie entscheiden können. Wie unten berechnet ist das Unternehmen mit dem Unternehmenswert von 0,183 GE indifferent bei der Wahl zwischen Offenlegung oder Schweigen. Im Fall der Offenlegung wird es korrekt mit 0,183 bepreist. Im Fall des Schweigens wird es mit dem Durchschnitt aller schweigenden Unternehmen bewertet. Zum einen schweigen alle schlechten Unternehmen, die durch das Intervall [0; 0,183] repräsentiert werden, wegen des angehaltenen unraveling from the top. Deren Durchschnittspreis ergibt sich zu 0,183 GE/2 = 0,0915 GE. Zum anderen schweigen die 5 % Unternehmen ohne private Information, die über das Intervall [0; 1] gleichverteilt sind und einen Durchschnittswert von 0,5 GE aufweisen. Aus der Gruppe der Unternehmen, die über eine private Information verfügen, (95 %) schweigen also 18,3 % oder insgesamt (0,95 x 0,183) = 17,4 %. Zuzüglich der uninformierten Unternehmen (5 %) schweigen insgesamt 22,4 % der Unternehmen. Die fehlende Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen wird dabei als Schweigen bezeichnet. Der gewichtete Durchschnittspreis aller schweigenden Unternehmen ergibt sich folglich als: 0,174 × 0,0915 GE + 0,05 × 0,5 GE 0,224
= 0,183 GE
Das Beispiel verdeutlicht wie die Offenlegung anderer Unternehmen am Kapitalmarkt die Bewertung eines interessierenden Unternehmens beeinflussen kann. Die Aufgabe der Annahme eindeutiger und vorhersehbarer Investorenreaktionen (Annahme 3) begründet unterschiedliche Modellentwicklungen, die sich letztlich als Antwort auf die Frage interpretieren lassen, wie sich Publizitätsanreize verändern, wenn Adressaten mit unterschiedlichen Informationsbedürfnissen existieren. Die zwei wichtigsten Variationen sind die Einführung von Unsicherheit über die Reaktion des Empfängers (vgl. Suijs 2007) und die Betrachtung mehrerer Empfänger, die unterschiedlich auf das erhaltene Signal reagieren (vgl. Wagenhofer 1990; Arya/Firmor/Mittendorf 2010). Im Folgenden werden die beiden Varianten vorgestellt: y In der ersten Variante verfügt der Investor, ähnlich zum Unternehmen, über eine private Information, die informativ über die zukünftigen Erfolgsaussichten des Unternehmens ist. Außerdem entscheidet der Investor nicht mehr allein über die Investition in das berichtende Unternehmen (Ja-/Nein-Entscheidung), sondern hat weitere Investitionsalternativen (Wahlentscheidung). Diese beiden Modifikationen führen dazu, dass das unraveling-Prinzip unter bestimmten Bedingungen vollständig außer Kraft gesetzt wird (vgl. Suijs 2007, S. 400). y In der zweiten Variante wird nicht die Eindeutigkeit der Empfängerreaktion selbst verändert, sondern die Einschätzung des Unternehmens darüber, ob die Empfängerreaktion aus Unternehmensperspektive positiv oder negativ zu beurteilen ist. Dies geschieht z. B. dadurch, dass eine Mehrzahl von Informationsempfängern existiert. Wird das Signal z. B. vom Kapitalmarkt und gleichzeitig einem Konkurrenzunternehmen wahrgenommen, so kann die Offenlegung eines Signals gleichzeitig positive (Erhöhung des Börsenpreises) und negative (Wettbewerbsreaktion des Konkurrenten) Konsequenzen haben, was
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letztlich einer Form von proprietären Publizitätskosten entspricht. Es kommt zu einer ganz neuen Form partieller Offenlegungsgleichgewichte, die sich durch Fragmentierung auszeichnet, d. h., es kommt zu einer Abfolge von Intervallen, in denen Unternehmen berichten bzw. schweigen (vgl. Wagenhofer 1990, S. 349). Für die Fragmentierung verantwortlich ist die relative Bedeutung von positiver Kursreaktion und der Offenbarung wettbewerbsrelevanter Informationen. Die Gruppe der schlechtesten Unternehmen legt nicht offen, was aus den vorhergehenden Modellen bekannt ist. Die zweitschlechteste Gruppe legt offen, weil für sie die (positive) Börsenkursentwicklung bedeutsamer ist als der Nachteil aus der Offenbarung von Informationen über die (ohnehin nicht sonderlich eindrucksvolle) Wettbewerbssituation. Für die zweitbeste Gruppe kehrt sich die Gewichtung um, hier ist der Wettbewerbsnachteil gewichtiger als die Börsenbewertung. Die beste Gruppe wiederum legt offen, was ebenfalls aus den vorhergehenden Modellen bekannt war. Vor dem Hintergrund dieses Gleichgewichts kann z. B. die Regelung nach § 286 Abs. 3 Nr. 2 HGB oder IAS 37.92 zum Unterlassen von Angaben verstanden werden. Eine ähnliche Situation entsteht, wenn ein Unternehmen über mehr als eine private Information verfügt, die einander (partiell) widersprechen. Dies kann z. B. im Rahmen der Segmentberichterstattung auftreten. Verfügt ein Segment über positive private Informationen, während das andere Segment über negative private Informationen verfügt, kann es dazu kommen, dass nur ein aggregiertes Signal gesendet wird. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Segmente in hinreichend ähnlichen Märkten operieren und die individuelle Offenlegung des positiven Signals gleichzeitig Informationen über das andere Segment preisgibt. Hier kann ein partielles Offenlegungsgleichgewicht entstehen, bei dem es zwar zur Publikation kommt, aber nicht alle Informationen bekannt gemacht, sondern durch einen höheren Aggregationsgrad verschleiert werden (vgl. Arya/Frimor/Mittendorf 2010, S. 650). Vor diesem Hintergrund erklärt sich eine Vielzahl abschlusspolitischer Maßnahmen, die auf Ausweisstrategien zurückgehen. Ein interessantes Beispiel für ein optimales Offenlegungsverhalten unter Aufgabe der Annahme, dass die Zielsetzung in der Unternehmenswertmaximierung besteht (Annahme 4), findet sich bei Einhorn 2007. Letztlich kommt es hier zur Überlagerung von zwei Offenlegungsgleichgewichten. Zum einen gibt es eine Gruppe von Unternehmen, die durch Unternehmenspublizität den Unternehmenswert maximieren will, und eine andere Gruppe, die den Unternehmenswert minimieren will (zu Motiven für eine börsenkurssenkende Publizitätspolitik, vgl. Einhorn 2007, S. 246 f.). Das bedeutet, dass Unternehmen mit besonders guten privaten Informationen über den eigenen Unternehmenswert und solche mit besonders schlechten Informationen die stärksten Offenlegungsanreize haben. Im Ergebnis kommt es zu einem stochastischen Offenlegungsverhalten, das eine U-Form beschreibt (vgl. Einhorn 2007, S. 255). Derartige Entscheidungssituationen treten ständig auf, weil die Berichterstattung allen Stakeholdergruppen dienlich sein soll. Als letztes soll die Aufgabe der Annahme wahrheitsgemäßer Berichterstattung (Annahme 5) betrachtet werden. Zwar existieren Offenlegungsgleichgewichte auch bei nicht verifizierbaren, privaten Informationen des Senders, diese cheap-talk-Situationen sollen hier aber nicht betrachtet werden (vgl. Stocken 2000). Vielmehr soll eine Situation betrachtet werden, in der der Sender mehrere private Informationen erhält und diese unterschiedlich granular an den Empfänger berichten kann. Dabei wird unterstellt, dass sich positive und negative Informationen gegeneinander aufheben. Aufgrund modelltheoretischer Überlegungen zeigt sich, dass gute Unternehmen, die normalerweise einen starken Offenlegungsanreiz aufweisen, sich eines aggregierten Berichts bedienen, während schlechte
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Unternehmen möglichst kleinteilig offenlegen. Der Grund besteht darin, dass die schlechten Unternehmen die wenigen verfügbaren guten Informationen von den schlechten Informationen trennen und separat offenlegen wollen. Das unraveling-Prinzip bewirkt hier, dass die hinreichend schlechten Unternehmen sich soweit wie möglich separieren (vgl. Ebert/ Simons/Stecher 2017). Auch die normative Diskussion um Brutto- oder Nettoausweise kann hieraus verstanden werden (vgl. z. B. IAS 1.33 oder § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB).
4.2.5 Transaktionskostenansatz Transaktionskosten ergeben sich, um den Austausch von Gütern oder Dienstleistungen anzubahnen, durchzuführen und zu kontrollieren. Sie beinhalten Kosten für die Informationsgewinnung über die zu transferierenden Güter, die Bewertung derselben und die Kontrolle des Kaufs bzw. Verkaufs der zugrundeliegenden Verfügungsrechte (property rights) an den wirtschaftlichen Gütern (vgl. hierzu sowie den folgenden Ausführungen Williamson 1991, Löchel 1995, S. 19 ff.; Picot/Schuller 2002, S. 1966 ff.). In Abhängigkeit von den institutionellen Rahmenbedingungen können die Kosten für die Anbahnung und Abwicklung der Transaktion differieren. Der Transaktionskostenansatz stellt als Koordinationsmechanismen zur Steuerung von Transaktionen den »Markt« und die »Hierarchie« zur Auswahl. Auch sämtliche Kombinationen oder Hybride, die sich aus diesen beiden Extremformen der Koordination bilden lassen, werden in die Analyse einbezogen. So lassen sich z. B. Konzerne als eine grundsätzlich hierarchische Organisationsform auffassen, die auf dem Wege der Verrechnungspreise versuchen, Marktkräfte einzubinden. Oftmals gelten Märkte, auf denen die Transaktionsbedingungen individuell ausgehandelt werden, als effizienter Koordinationsmechanismus. Allerdings führen die begrenzte Rationalität wirtschaftlicher Akteure und die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens bei Vorhandensein bestimmter Umweltzustände zum Versagen von Marktlösungen (s. Kap. I.4.2.1). Bei einem solchen Versagen kann der Rückgriff auf den Koordinationsmechanismus Hierarchie transaktionsstabilisierend und ggf. auch transaktionskostenreduzierend sein. Eine umfassende Kostenanalyse schließt die Würdigung von Anreiz-, Kontroll- und Sanktionssystemen ein. Nachfolgend werden wichtige Umweltzustände genannt: y Hohe Unsicherheiten bestehen, sofern sich ex ante nicht alle möglichen Umweltzustände erkennen und vertraglich fixieren lassen. y Eine hohe Komplexität ist gegeben, sofern die Zusammenhänge der Transaktion für die Transaktionspartner unüberschaubar sind. y Eine hohe Spezifität liegt vor, wenn die Transaktion individuell für einen bestimmten Vertragspartner ausgestaltet wird. Der Wechsel eines Vertragspartners ist nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich, sodass hier ein zumeist einseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht. y Eine hohe Häufigkeit ist gegeben, wenn bestimmte Transaktionen häufig stattfinden bzw. sich oftmals wiederholen. Der Transaktionskostenansatz wird oftmals auf Entscheidungen bei der Beschaffung von Produktionsfaktoren durch Fremdbezug (Markt) oder Eigenfertigung (Hierarchie) angewandt (make-or-buy). In diesem Fall wird, vereinfacht formuliert, empfohlen, dass z. B. bei einer hohen Komplexität und hohen Unsicherheit der Koordinationsmechanismus Hierarchie vorziehenswürdig sei, um opportunistisches Verhalten einzuschränken. Im Folgenden sei eine Kapitalmarkttransaktion (z. B. Kreditvergabe, Erwerb von Aktien) unterstellt, für die Rechnungslegungsinformationen relevant sind. Aus einer Regulierungs-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
perspektive heraus stellt sich die Frage, ob die transaktionskostenverursachende Informationsbereitstellung als Grundlage für die Abwicklung einer solchen Transaktion eher über individuelle Verhandlungen (z. B. zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber) oder die zwangsweise Bereitstellung von transaktionsrelevanten Informationen über eine verpflichtende externe Rechnungslegung (durch den Kreditgeber) erfolgen sollte. Zusätzlich könnte eine verpflichtende Rechnungslegung mit ergänzenden weiteren Informationen, die individuell zu verhandeln sind, in Betracht kommen. Hier stellt sich die Frage, welchen Erkenntnisbeitrag der Transaktionskostenansatz, insbesondere über den agency-theoretischen Ansatz (s. Kap. I.4.2.2) und die disclosure theory (s. Kap. I.4.2.4) hinausgehend, zu leisten vermag.28 Diese möglichen Erkenntnisbeiträge werden nachstehend anknüpfend an den Umweltzuständen diskutiert. y Ohne verpflichtende Rechnungslegung bestehen hohe Unsicherheiten. Beispielsweise stellt sich die Frage, welche Unsicherheitsmomente bei der Realisierung von Umsatzerlösen hinnehmbar sind, um eine informative Ergebnisgröße herzuleiten. In ähnlicher Weise ist zu fragen, in welcher Form sich Unsicherheiten manifestiert haben müssen, um eine Rückstellung anzusetzen. Eng hiermit verbunden ist die regelmäßig bestehende hohe Komplexität bei der Ermittlung einer solchen Ergebnisgröße. Hohe Unsicherheiten und eine hohe Komplexität führen dazu, dass in individuellen Vertragsverhandlungen Raum für opportunistisches Verhalten geschaffen wird. Dies spricht wiederum für eine Verpflichtung zur Rechnungslegung mit Vorgabe von Abbildungsregeln (Rechnungslegungsnormen) nebst Durchsetzungsmechanismen. y Da die Kreditvergabe und der Erwerb von Aktien häufig auf ähnlichen Informationsbedürfnissen basieren, spricht diese niedrige Spezifität aus dem Blickwinkel des Transaktionskostenansatzes eher dafür, die für eine Transaktion relevanten Informationen individuell zu verhandeln (geringe Opportunitätsbedrohungen). Allerdings sprechen hier trotz niedriger Spezifität die bestehenden hohen Unsicherheiten und die hohe Komplexität dafür, zumindest Teile der Informationsbereitstellung extern zu normieren und nur transaktionsspezifische Besonderheiten individuell vertraglich zu vereinbaren (beispielsweise über Kreditvertragsklauseln, die an Größen der Pflichtpublizität wie z. B. die Eigenkapitalquote anknüpfen). Insofern dominieren in dem vorliegenden Fall Komplexität und Unsicherheit die Spezifität. y Transaktionen auf Basis von Rechnungslegungsinformationen finden häufig statt (hohe Häufigkeit). Dem Transaktionskostenansatz folgend stellt sich die Frage nach der Effizienz (d. h., die Frage nach einer Eigenfertigung stellt sich nur bei häufigen Eigenherstellungskapazitäten). Übertragen auf die Frage nach der Effizienz einer verpflichtenden Rechnungslegung ist festzustellen, dass die institutionelle Verankerung in Gestalt einer Normierung einschließlich der Schaffung relevanter Durchsetzungsmechanismen vor allem Fixkosten verursacht. Die einer einzelnen Transaktion zurechenbaren Fixkostenanteile sinken mit hoher Häufigkeit (Degressionseffekt). Dies spricht dafür, bei einer sehr hohen Anzahl von Entscheidungen, die sich auf Basis von relevanten externen Rechnungslegungsinformationen treffen lassen (niedrige Spezifität), eine Veröffentlichung dieser Informationen vorzuschreiben und zu normieren.
28 Zu den Erkenntnisbeiträgen im Kontext der Harmonisierung der Rechnungslegung vgl. Ruhnke 2000, S. 175 ff., siehe auch Albach 1988.
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Insgesamt unterstützt der Transaktionskostenansatz eine strukturierte Diskussion der Fragen, die es in Zusammenhang mit der Entscheidung für oder gegen eine Pflichtpublizität zu beantworten gilt. Präzise Gestaltungsempfehlungen lassen sich indes nicht ableiten. Gleichwohl spricht die zuvor geführte Diskussion tendenziell für eine Bereitstellung von transaktionsrelevanten Informationen über eine verpflichtende Rechnungslegung, die ggf. auch Ansatzpunkte für hierauf aufbauende individuelle Vereinbarungen bietet.
4.3 Informationsökonomische Ansätze 4.3.1 Gegenstand und Grundgedanke Gegenstand informationsökonomisch orientierter Ansätze ist die Analyse ökonomischer Systeme bei besonderer Berücksichtigung der Informationsausstattung und der Informationsqualität. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass insbesondere im Hinblick auf zukünftige Gegebenheiten unvollständige Informationen vorliegen können. Zum anderen sind die menschlichen Möglichkeiten der Informationsaufnahme und -verarbeitung begrenzt. Im weiteren Sinne beschäftigen sich informationsökonomische Ansätze mit den Auswirkungen unterschiedlicher Informationsbedingungen auf die Funktionsweise ökonomischer Systeme (vgl. einführend Kaas 2006, S. 2470 ff. m. w. N.). Dementsprechend greift auch diese theoretische Denkrichtung die Verhaltensannahmen der zuvor diskutierten institutionenökonomischen Ansätze auf. Allerdings stellen informationsökonomische Forschungsprogramme weniger die Gestaltung von Institutionen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung, sondern vor allem die Analyse ökonomischer Systeme aus informatorischer Sicht. Angewendet auf einen Rechnungslegungskontext lassen sich z. B. Abschlussinformationen als ein Instrument zum Abbau ungleicher Informationsausstattungen interpretieren (vgl. stellvertr. Hartmann-Wendels 1991, S. 6 ff. m. w. N.; ferner Dohrn 2004, S. 41 ff.). Dieser Abbau soll wiederum zu einer verbesserten Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes beitragen. Informationen werden auch als zweckorientiertes Wissen bezeichnet (vgl. bereits Wittmann 1959, S. 14). Der Zweck liegt dabei in der Vorbereitung menschlichen Handelns. Aus informationsökonomischer Sicht ist zwischen dem Wert und dem Gehalt von Informationen zu unterscheiden (vgl. z. B. Ballwieser 1997, S. 36 f.; Hitz 2007, S. 333). y Informationsgehalt ist vor allem dann gegeben, wenn eine Information bei einem Entscheider eine andere Entscheidung auslöst als diejenige, die ohne diese neue Information getroffen worden wäre (vgl. stellvertr. Ballwieser 1997, S. 36; Christensen/Demski 2003, S. 169). Mit dem Informationsgehalt ist jedoch nicht automatisch ein Informationswert gegeben. y Ein positiver Informationswert ist gegeben, wenn der aus einer Entscheidung resultierende Nutzen die damit verbundenen Kosten übersteigt. Veranlasst eine veröffentlichte Information einen Entscheider (Kapitalmarktteilnehmer) dazu, eine bestimmte Aktie zu erwerben und steigt der Kurs in der Folgezeit, liegt ein positiver Nutzen vor; fällt der Kurs indes, ist der Nutzen negativ. Von dem Nutzen sind die Kosten für die Informationsbeschaffung (sofern die Information nicht frei verfügbar ist) und die Kosten der Kapitalmarkttransaktion (Provision, Depotgebühren u. a.) abzuziehen; insofern besteht ein enger Zusammenhang zum Transaktionskostenansatz. Der Informationswert ist demnach der Erwartungswert des Nettonutzens, der sich aus einer Information ziehen lässt.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Beispiel Ermittlung des Informationswertes Ein Investor besitzt ein Aktienpaket und erwägt drei zukünftige Strategien: Weitere Aktien zu kaufen, das Paket unverändert zu halten oder das Aktienpaket zu verkaufen. Die möglichen Handlungen bestimmen den Aktionsraum des Investors. Dabei hängt das Ergebnis seiner Handlung von der zukünftigen Umweltentwicklung ab, d. h., die Börsenkurse könnten allgemein steigen, unverändert bleiben oder fallen. Die möglichen Umweltentwicklungen werden zusammenfassend als Zustandsraum bezeichnet. Die einzelnen Zustände, die durch ii symbolisiert werden, treten mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten (WS) auf. In Abhängigkeit von der gewählten Aktion und dem eintretenden Umweltzustand erzielt der Investor ein bestimmtes Ergebnis. Ein Lesebeispiel verdeutlicht die nachfolgende Ergebnismatrix: Wählt der Investor die Aktion halten und tritt der Umweltzustand i2 ein, so realisiert er annahmegemäß einen Gewinn in Höhe von 30 €. i1 (WS = 25 %)
i2 (WS = 55 %)
i3 (WS = 20 %)
E[.]
kaufen
25 €
30 €
35 €
29,75 €
halten
28 €
30 €
32 €
29,90 €
verkaufen
29 €
30 €
31 €
29,95 €
Da der Investor die zukünftigen Umweltzustände nicht kennt, ermittelt er seine optimale Aktion, indem er die erwarteten Gewinne, E[.] berechnet, die in der letzten Spalte angegeben sind. Im vorliegenden Beispiel ist verkaufen die optimale Aktion, da sie den höchsten erwarteten Gewinn verspricht. Zur Verdeutlichung des Informationswertes sei nun angenommen, dass ein Informationssystem, z. B. eine Unternehmensrechnung, existiert. Wird das Signal y1 beobachtet, so kann das Auftreten des Umweltzustandes i3 ausgeschlossen werden. Tritt das Signal y2 auf, so kann mit Sicherheit auf das Auftreten von Zustand i3 geschlossen werden. Daraus resultiert folgende, veränderte Entscheidungssituation: y nach Beobachtung von Signal y1 können die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten der zukünftigen Umweltzustände mittels der Bayes’schen Regel aktualisiert werden. Da Umweltzustand i3 nunmehr ausgeschlossen werden kann, gilt für die Wahrscheinlichkeit, dass der Umweltzustand i1 auftritt: WS(γ 1 | 1 )WS(1 ) 0,25 WS( 1 |γ 1) = ____________________________ = _ 0,25 = 0,3125 + 0,55 WS(γ 1 | 1 )WS(1 ) + WS(γ 1 | 2 )WS(2 )
Analog ergibt sich für WS(i2|y1) = 0,6875. i1 (WS = 31,25 %)
i2 (WS = 68,75 %)
i3 (WS = 0 %)
E[.]
kaufen
25 €
30 €
35 €
28,44 €
halten
28 €
30 €
32 €
29,37 €
verkaufen
29 €
30 €
31 €
29,69 €
In dieser Situation ändert sich die optimale Entscheidung nicht, die Information ist lediglich konfirmatorischer Natur. y nach Beobachtung von Signal y2 ergibt sich folgende Situation: i1 (WS = 0 %)
i2 (WS = 0 %)
i3 (WS = 100 %)
E[.]
kaufen
25 €
30 €
35 €
35 €
halten
28 €
30 €
32 €
32 €
verkaufen
29 €
30 €
31 €
31 €
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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Die optimale Handlungsalternative besteht nun darin, weitere Aktien zu kaufen. Die Information hat einen Informationsgehalt, da sie eine Veränderung der Entscheidung auslöst. Ohne Informationssystem erzielt der Investor einen erwarteten Gewinn in Höhe von 29,95 €. Mit Informationssystem ergibt sich ein erwarteter Gewinn 0,8 x 29,69 € + 0,2 x 35 € = 30,75 €. Daraus folgt, dass der Investor jedes Informationssystem implementieren wird, dass Kosten von weniger als 30,75 € – 29,95 € = 0,80 € verursacht.
Da sich der Informationswert in praxi weitaus schwieriger bestimmen lässt, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Entscheidungsrelevanz (synonym auch Informationsgehalt). Entscheidungen sind stets zukunftsgerichtet. Entscheidungsrelevanz ist beispielsweise dann gegeben, wenn eine Rechnungslegungsinformation, z. B. vergangenheitsorientierte Ergebnisgröße, zu einer Erwartungsänderung, z. B. erwartete Ergebnisgröße, führt und diese wiederum eine veränderte Entscheidung, z. B. Kauf- oder Verkaufsentscheidung auf dem Aktienmarkt, nach sich zieht. Entscheidungsrelevant sind auch jene Informationen, welche die Voraussetzung dafür bilden, dass andere Informationen überhaupt erst entscheidungsrelevant sein können. Beispielsweise lässt sich eine zeitnah gegebene Unternehmensmeldung über einen Auftragseingang nur vor dem Hintergrund vergangenheitsorientierter Rechnungslegungsinformationen, z. B. dem Jahresumsatz, sachgerecht verwerten. In diesem Zusammenhang findet im Folgenden der Begriff entscheidungsrelevante Hintergrundinformation Verwendung. Entscheidungsrelevant ist eine Information auch dann, wenn diese eine bereits getroffene Entscheidung bestätigt. Allerdings wird ihr Informationswert negativ sein, wenn zur Beschaffung der Information Kosten aufgewendet werden müssen (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 59 ff.). Aus diesem Grund strebt das IASB an, dass weniger unwesentliche Informationen im Jahresabschluss enthalten sind (vgl. Link/Obst 2015). Im Fall der eben genannten konfirmatorischen Informationen wird entschieden, ob die in der Vergangenheit getroffene Entscheidung beizubehalten ist. Auf diesem Wege ist es z. B. möglich, bestehende Unsicherheiten abzubauen. Im obigen Beispiel ist ein solcher Fall gegeben, wenn das Signal y1 beobachtet wurde. Da in diesem Fall die einmal getroffene Entscheidung beibehalten wird, ist es nahezu unmöglich, den aus einer bestätigenden Information resultierenden Nutzen empirisch zu messen. Informationen, die eine einmal getroffene Entscheidung bestätigen, sind vermutlich in Hülle und Fülle vorhanden. Entscheidungsrelevanz bedeutet nicht gleichzeitig Entscheidungsnützlichkeit. Hierfür müssen weitere Voraussetzungen vorliegen: y Die gegebenen Informationen müssen verlässlich sein. In aller Regel muss zumindest eine gewisse Verlässlichkeit gegeben sein, damit Informationen überhaupt entscheidungsnützlich sein können. Sind Informationen nicht verlässlich, dürften die Stakeholder dazu neigen, diese zu ignorieren, um zu verhindern, dass sie getäuscht werden.29 y Dies spricht dafür, Unternehmensinformationen durch einen unternehmensunabhängigen Dritten verifizieren zu lassen, d. h. einen Abschlussprüfer einzuschalten. Beispiel Verlässlichkeit als Voraussetzung für die Entscheidungsnützlichkeit Nach IFRS 3.B63a sind Firmenwerte (Goodwill) aus Unternehmenszusammenschlüssen nur außerplanmäßig wertzumindern (s. Kap. III.3.2.6.1.a). Ein solches Vorgehen ist mit denselben Problemen
29 Zu verschiedenen Bedingungen, unter denen nicht verifizierbare Informationen ausnahmsweise dennoch entscheidungsnützlich sein können, siehe Wagenhofer/Ewert 2015, S. 369 ff.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
behaftet, wie sie sich auch im Rahmen einer Unternehmensbewertung stellen (Prognose künftiger Cashflows und Bestimmung eines geeigneten Diskontierungszinssatzes). Auch der amtierende Abschlussprüfer kann das Prognoseproblem nicht abschließend lösen, sondern die Prognosen der Unternehmensleitung nur auf ihre Plausibilität hin überprüfen. Demnach erhalten die Stakeholder auch bei Einschaltung einer unabhängigen Prüfungsinstanz letztendlich Informationen, die regelmäßig bestenfalls nur eingeschränkt verlässlich sind. Handelt es sich um Informationen, die nicht verlässlich sind, sind diese definitionsgemäß auch nicht entscheidungsnützlich. Insofern ist dem Normengeber anzuraten, auf eine Verpflichtung zur Offenlegung nicht verifizierbarer Informationen zu verzichten (vgl. Ruhnke 2003, S. I).
y
Oftmals ist eine Information nur dann entscheidungsnützlich, wenn diese zeitnah abgegeben wird. Zumindest ist davon auszugehen, dass eine zeitnahe Veröffentlichung von Informationen deren Entscheidungsnützlichkeit begünstigt. Verlässlichkeit und Zeitnähe stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis, da die Prüfung einer Information in aller Regel eine gewisse Zeit beansprucht und auf diese Weise wiederum der Vorteil einer zeitnahen Informationsgewährung verloren gehen kann. Demnach besteht ein trade-off zwischen einer zeitnahen Informationsgewährung einerseits und dem Erfordernis, verlässliche Informationen abzugeben, andererseits.
Die vorherigen Ausführungen lassen sich grundsätzlich wie folgt systematisieren:
Entscheidungsnützlichkeit Voraussetzung
Voraussetzung / begünstigender Faktor
Voraussetzung
Verlässlichkeit
Zeitnähe
Entscheidungsrelevanz/Informationsgehalt Arten
Veränderte Entscheidung
Bestätigung einer einmal getroffenen Entscheidung
Entscheidungsrelevante Hintergrundinformation
Abb. I.4./3 Entscheidungsnützlichkeit von Informationen
Um den Informationsgehalt empirisch zu messen, müsste man vor allem das Entscheidungsfeld des Individuums, seine Präferenzen und seine vorherige Informationsausstattung (information endowment) kennen (Probleme der empirischen Messung). Beispielsweise kann ein gut informierter Investor mit umfangreicher vorheriger Informationsausstattung eine bestimmte Information bereits in sein Entscheidungskalkül einbezogen haben, während dies für einen schlecht informierten Investor nicht gilt. Zudem kann auch bei einem identischen Stand an Vorwissen in Abhängigkeit von der Risikopräferenz, d. h. wie risikoscheu oder -freudig der Entscheider ist, eine unterschiedliche Bereitschaft bestehen, eine bestimmte Aktie zu einem bestimmten Preis zu erwerben.
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
119
Da keiner der zuvor genannten Faktoren allgemein zugänglich ist, bieten sich ersatzweise verschiedene empirische Vorgehensweisen an (vgl. auch Ballwieser 1996, S. 18; ders. 1997, S. 36 f.). Die vorliegenden Studien lassen sich hinsichtlich der gewählten Methodik vor allem in drei Stoßrichtungen unterscheiden: Kapitalmarktorientierte Studien, Prognose eignungsstudien sowie verhaltensorientierte Studien. Diese gilt es im Folgenden näher zu untersuchen. Natürlich sind nicht nur empirische, sondern auch logisch-deduktive Überlegungen zur Relevanz von Informationen möglich und wichtig.
4.3.2 Empirische Stoßrichtungen zur Erforschung der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen Für eine empirische Untersuchung der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte: y Diese ergeben sich erstens aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungsoptionen, z. B. dem Kauf und Verkauf von Aktien, der Bestimmung eines angemessenen Zinssatzes oder dem Erstellen von Gewinn- oder Kursprognosen, die sich den Rechnungslegungsadressaten (z. B. Aktionäre, Gläubiger, Analysten) bieten. Empirische Studien ziehen als Grundlage häufig die statistische Korrelation zwischen den beobachtbaren Handlungen der Rechnungslegungsadressaten sowie bestimmten Rechnungslegungscharakteristika (z. B. ausgewiesenes Jahresergebnis) heran, wobei nicht durch die Rechnungslegung bedingte Faktoren (z. B. generelle Marktentwicklungen) kontrolliert werden. y Zweitens beinhaltet der Prozess der Rechnungslegung zahlreiche Facetten, die im Einzelnen untersucht werden können. Gegenstand von Untersuchungen sind beispielsweise der Einfluss von Interessengruppen auf die Wirkung von Rechnungslegung (s. Kap. I.5), die Relevanz der freiwilligen Offenlegung von Informationen, die Kapitalmarktrezeption unterschiedlicher Gewinnkomponenten (s. Kap. II.7.2), z. B. gewöhnlicher und außerordentlicher Erträge und Aufwendungen, oder der Einfluss von Wirtschaftsprüfung auf die Rezeption von veröffentlichten Informationen. y Drittens bieten sich, abhängig vom Gegenstand der Untersuchung, unterschiedliche Methoden des Untersuchungsaufbaus an. Neben dem bereits oben genannten Zugriff auf beobachtbare Handlungen oder Ergebnisse von Handlungen, z. B. auf Handelsvolumina bzw. den auf einem Kapitalmarkt gebildeten Kurs, basieren empirische Studien auf der Befragung von Rechnungslegern und Rechnungslegungsadressaten oder untersuchen die Wirkung von Rechnungslegungsinformationen mittels eines experimentellen Versuchsaufbaus. Der nachfolgende Abschnitt systematisiert anhand des dritten Gliederungskriteriums wesentliche Literaturströmungen zur Analyse der Rezeption von Rechnungslegungsinformationen. Dabei werden kapitalmarktorientierte Studien, Prognoseeignungsstudien und verhaltensorientierte Studien unterschieden. Der Schwerpunkt liegt auf Studien im Bereich der empirischen Kapitalmarktforschung, welche die direkte Reaktion auf Rechnungslegungsinformationen untersuchen.
4.3.3 Kapitalmarktorientierte Studien 4.3.3.1 Annahmen Die zentralen Annahmen kapitalmarktorientierter Studien lassen sich wie folgt skizzieren: Wenn Rechnungslegungsinformationen entscheidungsrelevant sind, dann wirken diese über die Dispositionen der Kapitalmarktteilnehmer, z. B. Kauf- oder Verkaufsentscheidungen, auf die Börsenkurse. Aus beobachtbaren Kursänderungen kann umgekehrt auf den Informati-
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
onsgehalt der zuvor publizierten Rechnungslegungsdaten geschlossen werden. Dabei gehen die Rechnungslegungsinformationen als unabhängige Variablen in das Regressionsmodell ein, das Kapitalmarktverhalten (gemessen z. B. an der Kursbewegung) stellt die abhängige Variable dar. Abbildung I.4./4 verdeutlicht das zuvor Gesagte (modifiziert in Anlehnung an Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1417 f.; vgl. auch Lindemann 2006, S. 967 ff. m. w. N.). Die Abbildung beschränkt sich auf den Fall, in dem eine neue Rechnungslegungsinformation zu einer veränderten Entscheidung führt. Bestätigende Informationen und entscheidungsrelevante Hintergrundinformationen finden keine Berücksichtigung (s. Abb. I.4./3).
Rechnungslegungsinformationen
Marktreaktion
Informationsgehalt
Beobachtungsmodell Ursache-/Wirkungsmodell Möglicher umgekehrter Wirkungszusammenhang Abb. I.4./4 Zusammenhang zwischen Rechnungslegungsinformationen, Informationsgehalt und Marktreaktionen
Der gepunktete Pfeil stellt ein grundlegendes Problem vieler kapitalmarktorientierter Studien dar: Im Beobachtungsmodell wird lediglich eine statistische Korrelation zwischen den Daten der Rechnungslegung und der Kursbewegung festgestellt. Im Rahmen der Interpretation wird daraufhin eine kausale Wirkungsbeziehung angenommen. Allerdings ist ebenso ein umgekehrter Kausalzusammenhang (reverse causality) denkbar: Beispielsweise können Kursveränderungen zu einer Ergebnisminderung im Rahmen eines Wertminderungstestes führen (vgl. hierzu Ruhnke/Canitz 2010, S. 20; allgemein zum Wertminderungstest s. Kap. II.5.3.8.2.c). Die statistische Korrelation zwischen Ergebnisminderung und Kursbewegung wäre dann kein Beleg für die Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen, sondern spiegelte lediglich eine Eigenschaft des Rechnungswesens, nämlich die Reflektion von Marktbewertungen, wider. Durch die Wahl der Untersuchungsmethodik versuchen viele Studien, die Problematik einer reverse causality zu umgehen. Soll der Einfluss von Rechnungslegungsinformationen auf den Aktienkurs untersucht werden, so stellt sich die Frage nach der Effizienz des Kapitalmarktes. Die zu beobachtenden Reaktionen, z. B. Kursveränderungen oder Veränderungen der Handelsvolumina, sind nicht nur von der Relevanz der durch das Rechnungswesen übermittelten Information abhängig, sondern auch von der Fähigkeit der Marktteilnehmer, diese zu verarbeiten. Will man aus den beobachteten Marktreaktionen auf die Entscheidungsrelevanz der Rechnungslegungsinformation schließen, müssen somit zentrale Markteigenschaften unterstellt werden. Bei einem schwach effizienten Markt sind in den Kursen nur die Informationen über vergangene Kursverläufe enthalten. Verarbeitet der Kapitalmarkt neben öffentlich verfügbaren auch nichtöffentliche Informationen (Insiderinformationen; s. Kap. I.3.2.3), liegt ein streng effizienter Kapitalmarkt vor. Unterstellt wird regelmäßig eine mittelstrenge Informationseffizienz des Kapitalmarktes. Diese ist dann gegeben, wenn alle öffentlich verfügbaren Informationen einschließlich der Rechnungslegungsinformationen im Aktienkurs verarbeitet sind. Dies bedeutet, über
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die Auswertung solcher Informationen lassen sich keine Vorteile in Form von Überrenditen erzielen. Der Aktienkurs spiegelt die auf diesem Informationsstand gebildeten Erwartungen wider. Im Zeitablauf verfügbare Informationen führen ggf. zu angepassten Erwartungen und mithin zu veränderten Aktienkursen (vgl. hierzu Fama 1970, S. 383; Beaver 1983, S. 344 ff. sowie Scott 2015, S. 122 ff.). An einem mittelstreng effizienten Kapitalmarkt können demnach auch wenig informierte Anleger davon ausgehen, dass sie eine risikoadäquate Verzinsung erzielen. Demnach muss nicht der Anleger selbst die Implikationen umfangreicher Rechenwerke durchschauen; es reicht aus, dass es genügend kenntnisreiche Anleger gibt (professionelle Fondsmanager, Analysten u. a.), die diesen Auswertungsprozess vornehmen und die Informationen letztlich in die Preise einfließen lassen. Dadurch werden auch wenig fachkundige Anleger grundlegend geschützt; dies kann die Bereitschaft erhöhen, sich überhaupt am Kapitalmarkt zu engagieren (in Anlehnung an Wagenhofer/Ewert 2015, S. 98 ff.; siehe ferner Scott 2015, S. 127 ff.). Allerdings ist keine exakte Theorie des Kapitalmarktes verfügbar, aus der sich ex ante der Kurs berechnen ließe, der sich im Gleichgewicht einstellen wird. Gleichwohl existieren verschiedene Ansätze zur Herleitung von Gleichgewichtskursen. Beispielsweise erklärt das Capital Asset Pricing Modell (CAPM) unter sehr restriktiven Annahmen, welche Aktienkurse sich im Marktgleichgewicht in Abhängigkeit von der erwarteten Rendite und dem Risiko des jeweiligen Aktienpapiers bilden (vgl. stellvertr. Kruschwitz/ Husmann 2012, S. 187 ff. m. w. N.; Perridon/Steiner/Rathgeber 2017, S. 271 ff.). Als Annahmen sind z. B. zu nennen: y alle Anleger sind risikoscheu, y sie haben homogene Erwartungen, y es existieren keine Transaktionskosten oder Steuern und y alle Informationen stehen kostenlos zur Verfügung. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein rationaler Anleger bei einem höheren Risiko auch eine höhere Rendite erwartet. Der Preis eines Papiers kann im Gleichgewicht über die Addition der erwarteten Zahlungen aus dem Papier, abgezinst mit der erwarteten Rendite, berechnet werden. Im CAPM setzt sich die erwartete Rendite annahmegemäß additiv aus dem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie (Marktrisikoprämie multipliziert mit einem β-Faktor) zusammen (ausführlich im Kontext der IFRS s. Kap. II.5.3.8.2.c). Während die Marktrisikoprämie das Risiko bei Investition in das Marktportfolio im Gegensatz zu einer risikolosen Anlage angibt, ist der β-Faktor ein Maßstab für das Risiko eines spezifischen Aktienpapiers. Dabei ist der β-Faktor umso größer, je stärker die Rendite des spezifischen Aktienpapiers im Vergleich zum Marktportfolio schwankt. Diskussionsfrage I.4.-2 Das Unternehmen A veröffentlicht in seinem Jahresabschluss für das Jahr t1 eine Ergebnisgröße von 2,6 Mio. €. Unternehmen B weist für dasselbe Geschäftsjahr eine Ergebnisgröße von 1 Mio. € aus. Beide Ergebnisgrößen werden am selben Tag publiziert. Daraufhin bricht der Kurs von Unternehmen A im Vergleich zum Vortag um 7,1 % ein; dagegen steigt der Kurs von Unternehmen B im Vergleich zum Vortag um 3,4 %. Beide Unternehmen sind im Aktienindex TecDax vertreten. Der TecDax hat am Tag der Ergebnisbekanntgabe um 0,3 % zugelegt. Unternehmen A und B sind ähnlich groß und bewegen sich in derselben Branche. a) Können Sie sich die Kursbildung erklären? b) Sprechen die Kursveränderungen gegen eine mittelstrenge Informationseffizienz des Marktes? c) Halten Sie die These der mittelstrengen Informationseffizienz des Kapitalmarktes für realistisch?
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4.3.3.2 Ansätze kapitalmarktorientierter Studien Kapitalmarktorientierte Studien weisen unterschiedliche Untersuchungsdesigns auf (zu Übersichtsarbeiten vgl. Kothari 2001; Dumontier/Raffournier 2002). Im Folgenden werden Ereignis- und Wertrelevanzstudien sowie Studien, welche die impliziten Kapitalkosten von Unternehmen berechnen, vorgestellt. Dabei beziehen sich Ereignisstudien (s. Kap. I.4.3.3.2.a) zumeist auf einen kurzfristigen Zeithorizont, indem sie untersuchen, wie Rechnungslegungsinformationen die Entscheidungen der Kapitalmarktteilnehmer beeinflussen (shortwindow-Ansatz). Dagegen untersuchen Wertrelevanzstudien (s. Kap. I.4.3.3.2.b), ob Rechnungslegungsinformationen langfristig geeignet sind, den Marktwert eines Unternehmens zu erklären (long-window-Ansatz). Im Unterschied zu den Ereignisstudien geht es bei den Wertrelevanzstudien vor allem darum, zu zeigen, dass Rechnungslegungsinformationen und Marktwert korrelieren. Studien, die sich mit den impliziten Kapitalkosten von Unternehmen beschäftigen (s. Kap. I.4.3.3.2.c), berechnen anhand von Gewinnprognosen und aktuellen Aktienkursen die von den Kapitalmarktteilnehmern erwartete und deshalb im Marktpreis implizierte Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Erwartung ist dabei, dass eine höhere Qualität der Rechnungslegung zu einer geringeren Informationsasymmetrie zwischen Investoren und Unternehmensinsidern und somit zu einer Reduktion der impliziten Kapitalkosten führt (s. Kap. I.5). a. Ereignisstudien Ereignisstudien (event studies) messen, wie die Unternehmensrendite oder das Handelsvolumen der betreffenden Aktie auf bestimmte Ereignisse reagieren. Bei einer empirischen Untersuchung stellt sich hier zunächst die Frage, wie die abhängige und die unabhängige Variable definiert sind. y Unabhängige Variable ist das zu untersuchende Ereignis, d. h., die vom Unternehmen an die Stakeholder publizierte Information wie z. B. eine Ergebnisgröße. Ausgangspunkt der Studien zur Reaktion von Kapitalmärkten auf die Bekanntgabe von Rechnungslegungsinformationen war die Studie von Beaver (1968), die eine ungewöhnliche Variation von Aktienkursen und Handelsvolumina im Umfeld der Bekanntgabe von Jahresergebnissen nachgewiesen hat. y Zu erklärende (abhängige) Variable ist zumeist der Aktienkurs (zur Methodik vgl. z. B. Gerpott/Jakopin 2006, S. 66 ff. m. w. N.). Ziel ist die Quantifizierung der Erwartungsrevision aufgrund von Informationen, die dem Kapitalmarkt bislang unbekannt waren. Untersucht werden die Marktreaktionen zumeist über einen Zeitraum vor und nach der Veröffentlichung der neuen Information (event window, Ereignisfenster). Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Rechnungslegungsinformationen bereits vor dem offiziellen Ankündigungszeitpunkt bekannt werden könnten, wird häufig ein Datum vor dem eigentlichen Ereignis als Beginn des Ereignisfensters gewählt. Die Kursbeeinflussung durch ein Ereignis ist dann als erheblich anzusehen, wenn aufgrund der neuen Information der Kurs des Wertpapiers statistisch signifikant von der »normalen« Kursentwicklung abweicht. Die abnormale Rendite ergibt sich folgerichtig z. B. als Differenz aus der Kursentwicklung innerhalb des Ereignisfensters und der »normalen«, im Rahmen eines Preisbildungsmodells erwarteten Rendite. Zu beachten ist, dass sich auch hier ein joint-hypothesis-Problem ergibt, da sich abnormale Renditen sowohl durch die Relevanz einer Information als auch durch eine Fehlspezifikation des Preisbildungsmodells ergeben können. In einer überblicksartigen Darstellung, der das auf Sharpe 1963 zurückgehende Marktmodell zugrunde liegt, lassen sich zwei Schritte unterscheiden:
4 Ökonomische Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung
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1. Schritt: Ermittlung der tagesbezogenen normalen Unternehmensrendite Es wird angenommen, dass zwischen der Rendite eines Wertpapiers i zum Zeitpunkt t, Ri,t, sowie der Rendite des Marktportfolios, Rm,t, folgender statistischer Zusammenhang besteht: R i, t = α i + β i ∙ R m,t + ϵ i,t Dabei stellen αi die von der Marktrendite unabhängige Wertpapierrendite und βi eine Maßgröße für die Abhängigkeit der Rendite der Aktie i von der Rendite des Marktportfolios dar. Weiterhin ist εi,t ein zufallsabhängiger Störterm, wobei der Erwartungswert dieses Terms null beträgt. Aufgrund dieses Zusammenhangs lassen sich mittels linearer Einfachregression innerhalb eines Schätzfensters (z. B. drei Monate), das vor dem Ereignisfenster liegt, die firmenspezifischen Koeffizienten αi und βi empirisch ermitteln. Diese Schätzfunktion ist naturgemäß nur dann aussagekräftig, wenn die Parameter αi und βi auch im Ereignisfenster Gültigkeit besitzen. Das hier beschriebene Marktmodell ist regelmäßig nur ein sehr grober Schätzer für die normale Rendite. 2. Schritt: Ermittlung der (kumulativen) tagesbezogenen abnormalen Rendite Anschließend wird die erwartete (»normale«) Rendite anhand der auf der ersten Stufe geschätzten Koeffizienten α und β sowie der Marktrendite, Rm,t, innerhalb des Ereignisfensters ermittelt: ARi,t ≡ ε i,t = Ri,t − ˆ α i − ˆ β i ∙ Rm,t Die tagesbezogene abnormale marktbereinigte Rendite ARi,t lässt sich daraufhin z. B. berechnen, indem man von der im Ereignisfenster beobachteten tatsächlichen Rendite des untersuchten Papiers die mithilfe des Marktmodells geschätzte normale Rendite des Wertpapiers i zum Zeitpunkt t subtrahiert. Zur Aggregation der tagesbezogenen bereinigten Renditen in Bezug auf das Ereignisfenster werden insbesondere zwei Verfahren verwendet: der Abnormale Performance Index (API; vgl. Fama et al. 1969), bei dem das Produkt der bereinigten Renditen über das Ereignisfenster gebildet wird, sowie das Konzept der kumulierten abnormalen Renditen (cumulative abnormal returns; CAR); vgl. Ball/Brown 1968), das die Summe der abnormalen Renditen im Ereignisfenster bildet. Ein zentrales Problem bei der Durchführung von Ereignisstudien ist, dass das Ereignis nicht zu nah vor und nach einem anderen kapitalmarktrelevanten Ereignis (confounding event, Störereignis oder überlappendes Ereignis) liegen sollte, da ansonsten nicht mehr feststellbar ist, ob die Marktreaktion auf das zu untersuchende Ereignis oder das Störereignis zurückzuführen ist (vgl. z. B. den methodischen Überblick bei Corrado 2011). Das oben genannte Problem (s. Kap. I.4.3.3.2.a) der reverse causality zwischen der Ausprägung von Rechnungslegungsdaten und Kursreaktionen ist dagegen bei Ereignisstudien von nachgeordneter Bedeutung. So erscheinen beispielsweise abnormale Kursreaktionen im Umfeld der Bekanntgabe von überraschend hohen oder niedrigen Ergebnissen plausibel, während ein direkter Einfluss der Kursreaktion auf das veröffentlichte Ergebnis ausgeschlossen werden kann; eine indirekte Beeinflussung, z. B. aufgrund einer Antizipation der späteren Kursreaktion durch das Management, ist gleichwohl möglich. Die folgenden Ereignisstudien lassen sich beispielhaft als Beleg für den Informationsgehalt von Jahresabschlüssen und unterjährigen Berichten heranziehen.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Empirie Ereignisstudien: Reaktion auf Rechnungslegungsinformationen Im Folgenden wird als Ereignis eine Ad hoc-Meldung (s. Kap. I.3.2.3.1) näher betrachtet. Röder (2000, S. 570 ff.) hat 912 solcher Meldungen der Jahre 1996 und 1997 ausgewertet und einen API auf Basis marktbereinigter Renditen an sieben Handelstagen ermittelt. Das Ereignisfenster umfasst jeweils drei Tage vor und nach dem Ereignistag. Dabei zeigte sich im Durchschnitt ein API von 5,44 %. Am Ereignistag betrug der API im Durchschnitt 2,01 %; überdurchschnittliche API zeigten sich vor allem in Bezug auf Auftragseingänge (4,48 %), Unternehmensübernahmen (3,63 %) sowie Jahresabschlussinformationen (2,79 %).
Die genannte Studie verwendet die Methodik der Ereignisstudie, um Kapitalmarktreaktionen auf Rechnungslegungsinformationen zu untersuchen, um auf diese Weise »direkte« Belege für die Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegung zu liefern. Gegenstand von Ereignisstudien können jedoch auch die Marktreaktionen auf regulatorische Änderungen im Bereich der Rechnungslegung sein. Signifikante Reaktionen auf einen Wechsel im Rechnungslegungssystem könnten beispielsweise als »indirektes« Indiz für die Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegung interpretiert werden. Empirie Ereignisstudien: Reaktionen auf einen Wechsel im Rechnungslegungssystem Armstrong/Barth/Jagolinzer 2010, untersuchen die Marktreaktionen auf 16 Ereignisse im Rahmen der verpflichtenden Einführung der IFRS in Europa. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Kapitalmarktreaktionen auf die Veränderung von Rechnungslegungssystemen insbesondere von der unternehmensspezifischen Qualität der Rechnungslegung sowie von der Qualität nationaler Durchsetzungsregelungen (Enforcement; s. Kap. I.5.2.1.4) abhängen. So reagieren beispielsweise die Kurse von Unternehmen aus Ländern, in denen die ordnungsgemäße Bilanzierung nach IFRS nur unzureichend durch Institutionen sichergestellt wird, nicht so positiv auf die verpflichtende Einführung der IFRS wie die Kurse von Unternehmen aus Ländern mit starkem Enforcement.
b. Wertrelevanzstudien Wertrelevanzstudien bzw. Assoziationsstudien beschäftigen sich mit der Messung der Wertrelevanz (value relevance) im Sinne einer Erklärung von Marktwerten durch Daten des Rechnungswesens (siehe auch Schmidt 2005, S. 99 f.; Lindemann 2006, S. 969 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1415 ff.; und die dort angegebene Literatur). Grundlegend für diese Stoßrichtung zur Erforschung der Entscheidungsnützlichkeit von Rechnungslegungsinformationen ist die Studie von Ball und Brown 1968. Im Gegensatz zu Ereignisstudien betrachten Wertrelevanzstudien nicht die Marktreaktion auf ein spezifisches Ereignis (z. B. die Bekanntgabe des Jahresergebnisses), sondern messen die Assoziation von Markt- und Buchwerten über einen längeren Zeitraum. Zur theoretischen Motivation von Wertrelevanzstudien werden häufig das sog. OhlsonModell sowie dessen Verfeinerungen herangezogen (vgl. Feltham/Ohlson 1995, S. 689 ff.; Ohlson 1995, S. 661 ff.; Möller/Hüfner 2002, S. 430 ff.; Pronobis 2011, S. 100 ff.). Exkurs Ohlson-Modell Das Ohlson-Modell stellt den Marktwert eines Unternehmens als Linearfunktion des Buchwerts des Eigenkapitals zuzüglich des Barwerts der für die Zukunft erwarteten Residualgewinne dar. Der Residualgewinn eines Jahres entspricht dabei der Differenz zwischen dem Gewinn eines Jahres und der
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von den Kapitalmarktakteuren geforderten Verzinsung des Eigenkapitals. Dabei wird regelmäßig unterstellt, dass die Residualgewinne aufgrund von Wettbewerb im Zeitablauf abnehmen. Das Modell basiert u. a. auf den folgenden Annahmen. y Gültigkeit des clean surplus relation (s. Kap. II.4.4.3.2), d. h. die Summe aller Periodenergebnisse entspricht dem Totalergebnis (vgl. Lücke 1955). y Die Residualgewinne folgen einem autoregressiven Prozess, wobei autoregressiv bedeutet, dass die Realisation des Prozesses in einem Zeitpunkt nur von den Vergangenheitswerten sowie einem Störterm mit dem Erwartungswert null (»weißes Rauschen«) abhängt. y Der Marktwert des Eigenkapitals entspricht dem Barwert aller künftigen Nettoauszahlungen an die Anteilseigner. Bezüglich des Bewertungsmodells von Feltham/Ohlson 1995 ist hervorzuheben, dass es sich um eine gewichtete Kombination aus dem Buchwert des Eigenkapitals und den zukünftig erwarteten Gewinnen handelt. Dies lässt sich leicht veranschaulichen, wenn zwei Spezialfälle betrachtet werden (vgl. Ohlson 1995, S. 671): y Unterstellt man konstante Residualgewinne, d. h., die Veränderung der Buchgewinne zwischen zwei Perioden entspricht der geforderten Eigenkapitalverzinsung auf die Zuführung zu den Gewinnrücklagen, so muss der Barwert einer ewigen Rente auf Basis der konstanten Residualgewinne zum Buchwert des Eigenkapitals hinzuaddiert werden, um den Marktwert des Eigenkapitals zu erhalten. y Unterstellt man dagegen, dass es nur Residualgewinne in Höhe von null gibt, so entspricht der Marktwert des Eigenkapitals genau seinem Buchwert. Wertrelevanzstudien verwenden beispielsweise die nachstehende lineare Regressionsgleichung, um den Zusammenhang zwischen Rechnungslegungsinformationen und Marktwerten zu überprüfen. Sie besagt, dass der Marktwert (MW, abhängige Variable) eines Unternehmens durch das Eigenkapital (EK, unabhängige Variable), das Jahresergebnis (JE, unabhängige Variable) und die Dividendenzahlungen (DIV, unabhängige Variable) sowie einen Störterm (ε) erklärt werden kann. Dabei verwenden empirische Studien anstelle des Marktwertes häufig vereinfachend den Aktienkurs im Zeitpunkt t.
MWt = α1 ∙ EKt + α2 JEt + α3 ∙ DIVt + εt Aus den beiden diskutierten Spezialfällen des Ohlson-Modells lässt sich die Regressionsgleichung unmittelbar erklären: Aus dem zweiten Bulletpoint folgt, dass der Buchwert des Eigenkapitals mit dessen Marktwert zusammenhängt. Aus dem ersten Bulletpoint ergibt sich die Einbeziehung des Jahresergebnisses und der Dividenden: Wegen der Forderung nach konstanten Residualgewinnen muss gelten, dass sich die Jahresergebnisse abzüglich der geforderten Eigenkapitalverzinsung in den jeweiligen Perioden entsprechen, d. h. JE1 – r x EK1 = JE2 – r x EK2. Durch Umformen erhält man r x (EK2 – EK1) = JE2 – JE1. Der Unterschied zwischen den beiden Eigenkapitalgrößen ist aber nichts anderes als die Zuführung zu den Gewinnrücklagen, die dem Jahresergebnis vermindert um die Dividendenzahlungen entspricht. Teilweise wird vereinfacht auch nur der Zusammenhang zwischen einer Größe der externen Unternehmensrechnung und dem Marktwert untersucht.30 Die Erklärungskraft der eingesetzten Regressionsmodelle gibt das Bestimmtheitsmaß R 2 an. Wird der Marktwert vereinfacht als Y und werden die herangezogenen Größen der externen Unternehmensrechnung vereinfacht als X bezeichnet, so gibt das Bestimmtheitsmaß den Anteil der durch X erklärten Varianz von Y an. Die herangezogene Größe der externen Unternehmensrechnung (z. B. Ergebnisgröße) ist für den Kapitalmarkt umso bedeutsamer, je höher das R2 ist. So besagt ein R 2 von 0,4, dass die untersuchte Ergebnisgröße im Untersuchungszeitraum 40 % der Änderung der Unternehmensrendite erklären kann.
30 Dergestalt angelegte Studien sehen sich insofern mit dem Vorwurf der Theorielosigkeit konfrontiert. So auch Schmidt 2005, S. 113.
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Empirie Wertrelevanzstudien Harris/Lang/Möller 1995, S. 1006 ff. untersuchen den Einfluss der jährlichen Abschlussdaten auf die Aktienrendite (Kursentwicklung und Dividende). Aufgestellt wurden verschiedene Regressionsmodelle, u. a. mit dem Jahresergebnis als unabhängige Variable und der Aktienrendite als abhängige Variable. Das Ohlson-Modell wurde in vereinfachter Form verwendet. Untersucht wurden 230 auf Basis der deutschen HGB-Normen erstellte Jahresabschlüsse sowie 230 vergleichbare Abschlüsse, die auf Basis der US-GAAP erstellt wurden. Untersuchungszeitraum waren die Jahre 1986 bis 1991. Dabei zeigten sich verschiedene signifikante Zusammenhänge. Zentrale Ergebnisse waren u. a., dass bei einjähriger Betrachtung die Abschlussdaten auf Ebene des konsolidierten Abschlusses sowohl nach HGB (R 2 = 0,11) als auch nach US-GAAP (R 2 = 0,14) zur Erklärung der Veränderung der Veränderung der Aktienrendite beitragen. Ungeachtet theoretischer Bedenken erfreuen sich Wertrelevanzstudien insbesondere auf nationaler Ebene großer Beliebtheit (vgl. für Deutschland Jermakowicz/Prather-Kinsey/Wulf 2007, für Polen Dobija/Klimczak 2010 sowie für die Türkei Kargin 2013). Untersucht wird auch, inwieweit die verpflichtende Anwendung der IFRS in Europa zu einer Erhöhung der Wertrelevanz von Jahresabschlüssen geführt hat, da nunmehr hinreichend lange Datenzeitreihen verfügbar sind. Die Resultate sind uneinheitlich, wobei sich zumindest eine erhöhte Wertrelevanz der Gewinngrößen für Deutschland, Frankreich und Großbritannien feststellen lässt, nicht aber für Spanien und Italien (vgl. Devalle/Onali/Magarini 2010, S. 113 f.). Im Gegensatz zur vorgenannten Studie konzentriert sich eine weitere Studie auf die europäische Bankenindustrie. Hier findet sich durchgängig eine gesteigerte Wertrelevanz der Jahresabschlüsse in Deutschland, Großbritannien und Italien, wobei der Effekt in Großbritannien am schwächsten ist (vgl. Agostino/Drago/Silipo 2011 S. 453).
Der Aussagewert von Wertrelevanzstudien ist in der Literatur umstritten (vgl. z. B. Barth/ Beaver/Landsman 2001; Holthausen/Watts 2001). Umstritten sind insbesondere die bewertungstheoretische Fundierung der Studien und die Implikationen, die sich aus der statistischen Assoziation zwischen Rechnungslegungsdaten und Marktwerten ergeben. Auch unabhängig von dieser methodischen Kritik lässt sich ein höherer Informationsgehalt von IFRS-Abschlüssen im Vergleich zu HGB-Abschlüssen anhand von Wertrelevanzstudien nicht immer eindeutig belegen (vgl. Bonse 2004, S. 266 ff.; s. Kap. I.5.1.2). Auch weitere Detailfragen, wie z. B. ob eine Bewertung zum fair value gegenüber historischen Kosten vorziehenswürdig ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend beantworten (vgl. Bonse 2004; Schmidt 2005, S. 126 ff. und die dort angegebene Literatur). c. Studien zu den impliziten Kapitalkosten Eine weitere Möglichkeit, die Relevanz von Rechnungslegung anhand von Kapitalmarktdaten zu untersuchen, besteht in der Bestimmung von sog. impliziten Kapitalkosten (implied cost of capital, vgl. auch Lambert/Leuz/Verrecchia 2007). Im Gegensatz zu einer vergangenheitsorientierten Schätzung von Kapitalkosten, wie sie z. B. mithilfe des CAPM oder des auf der Asset Pricing Theory basierenden Mehrfaktorenmodells erfolgt, werden Kapitalkosten hier anhand zukünftig erwarteter Gewinne oder Dividenden geschätzt. Ausgangspunkt ist das Dividendendiskontierungsmodell, welches den Marktwert eines Unternehmens als Barwert der den Aktionären zukünftig zufließenden Zahlungen beschreibt.31
31 Bei Gültigkeit des Kongruenzprinzips lässt sich der Marktwert analog als Barwert der zukünftigen Residualgewinne darstellen, vgl. Lücke 1955, s. Kap. II.4.4.3.2.
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Zur Bestimmung der zukünftigen Zahlungsströme bzw. Gewinne werden regelmäßig Konsenserwartungen von Analysten herangezogen. Gegenstand des Interesses ist die in den Marktpreisen implizierte erwartete Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Diese Verzinsung sinkt annahmegemäß bei einer höheren Qualität der durch das Rechnungswesen bereitgestellten Information. Es wird somit unterstellt, dass durch den Abbau von Informationsasymmetrien das Risiko für Investoren sinkt, was sich in niedrigeren Kapitalkosten niederschlägt. 32 Eine Reihe von Studien beschäftigt sich mit den Veränderungen der impliziten Kapitalkosten im Rahmen der Umstellung von lokalen Rechnungslegungsnormen auf die IFRS. Daneben werden insbesondere die Wirkungen freiwilliger Offenlegung (z. B. im Rahmen umfangreicher Anhangangaben) untersucht. Empirie Studien zu impliziten Kapitalkosten In einer internationalen Studie, die auf Unternehmensdaten aus 26 Ländern basiert, stellen Daske et al. 2008, geringere implizite Kapitalkosten im Rahmen der verpflichtenden Einführung der IFRS nur in Ländern fest, die durch ihre enforcement-Mechanismen eine hohe Qualität der IFRS-Rechnungslegung sicherstellen. Botosan 1997, untersucht den Einfluss freiwilliger Offenlegung auf die impliziten Kapitalkosten. Anhand eines selbst konstruierten Offenlegungs-Index kann sie bei nur durch wenige Analysten beobachteten Unternehmen eine signifikante Reduktion der Kapitalkosten bei größerer freiwilliger Offenlegung feststellen. Eine sehr umfangreiche technische Einführung, die gleichzeitig einen guten Literaturüberblick gibt, findet sich in Easton/Sommers 2007.
4.3.4 Prognoseeignungsstudien Prognoseeignungsstudien untersuchen die Prognosekraft externer Rechnungslegungsdaten (vgl. auch Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1331 f., 1380 ff.). Die Rechnungslegungsdaten besitzen dann Prognosekraft, wenn man mithilfe dieser Informationen in der Lage ist, die künftige Zahlungsfähigkeit oder Aktienkursentwicklung des Unternehmens zu bestimmen. Je geringer die Abweichung des geschätzten Wertes vom tatsächlichen Wert ist, desto größer ist die Prognosekraft. Die empirischen Studien beschäftigen sich mit der Prognose von Ereignissen, aber auch mit der Prognose von Ergebnis- oder Cashflow-Größen. So zeigen z. B. Greenberg/Johnson/Ramesh 1986, S. 286 ff., dass sich künftige Cashflow-Größen besser auf Basis vergangenheitsorientierter Ergebnisgrößen des Jahresabschlusses als auf Basis vergangenheitsorientierter Cashflow-Größen prognostizieren lassen. Zumeist versuchen Prognoseeignungsstudien, anhand der Ausprägungen bestimmter Abschlussinformationen und darauf basierender Kennzahlen die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Unternehmen zu prognostizieren (vgl. z. B. Tinoco/Wilson 2013). Dabei wird aufgrund von Erfahrungswerten unterstellt, dass z. B. bestimmte Kennzahlenwerte geeignet sind, um ein »krankes Unternehmen« von einem »gesunden Unternehmen« zu unterscheiden (kritisch Schneider 1985, S. 1489 ff.).
32 Zu den unterstellten Kapitalmarkteigenschaften und der vorausgesetzten Angemessenheit des Bewertungsmodells s. Kap. I.4.3.3.2.a.
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Empirie Prognoseeignungsstudien Oftmals wird versucht, anhand verschiedener Kennzahlen »gesunde Unternehmen« und »kranke Unternehmen« zu trennen. Neben der multivariaten Diskriminanzanalyse bedient man sich hier künstlicher neuronaler Netze und der logistischen Regression. Multivariat bedeutet, dass mehrere Kennzahlen zur Klassifikation herangezogen werden. Auch künstliche neuronale Netze und die logistische Regression zielen letztendlich darauf ab, Variablen zu identifizieren, welche es erlauben, »gesunde Unternehmen« und »kranke Unternehmen« trennscharf zu unterscheiden (vgl. Baetge 2002, S. 2281 ff.). Beispielsweise gelang es Baetge (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2004, S. 552 ff.), mithilfe eines neuronalen Netzes auf der Basis ausgewählter Abschlusskennzahlen (z. B. zur Rentabilität, Finanzkraft und Verschuldung; vgl. hierzu auch Günther/Grüning 2000, S. 47, 56) mit einer Wahrscheinlichkeit von 91,25 % insolvenzgefährdete Unternehmen bis zu drei Jahre vor der Insolvenz als solche korrekt zu klassifizieren; überdies wurden 66,45 % der tatsächlich gesunden Unternehmen richtig klassifiziert. Der α-Fehler (Anteil der tatsächlich kranken Unternehmen, die als gesund eingestuft wurden) beträgt somit 8,75 %; der β-Fehler (Anteil der tatsächlich gesunden Unternehmen, die als krank eingestuft wurden) beträgt 33,55 %. Entwickelt wurde das Netz auf Basis einer Auswertung von mehr als 11.000 Jahresabschlüssen (vgl. Günther/Hübl/Niepel 2000, S. 346 ff.). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein krankes Unternehmen vorliegt, wenn man ein negatives Signal erhält, kann mittels Bayes’ Regel bestimmt werden. Sie ist stark von der Verteilung gesunder zu kranker Unternehmen in der Grundgesamtheit abhängig. Die Prognose von Insolvenzrisiken profitiert von der Verfügbarkeit und leichteren Verarbeitung großer Datenmengen. Eine Studie auf Basis von 214 chinesischen Unternehmen generiert 31 Indikatoren auf Basis von Rechnungslegungsdaten mittels verschiedener Data-Mining-Techniken. Für die Prognose insolvenzgefährdeter Unternehmen über einen Vorhersagezeitraum von drei bis fünf Jahren erweisen sich neuronale Netze in einem Methodenvergleich als überlegen (vgl. Geng/Bose/ Chen 2015, S. 244).
4.3.5 Verhaltensorientierte Studien Verhaltensorientierte Studien fokussieren das Entscheidungsverhalten von Individuen auf der Basis von Rechnungslegungsdaten. Hier lassen sich oftmals auch kognitive Verzerrungen beobachten, verstanden als ein aufgrund der begrenzten Rationalität der Entscheider sowie der hohen Komplexität des zur Lösung anstehenden Rechnungsproblems bedingtes Abweichen von einer streng rationalen Problemlösung (hierzu im Bereich financial accounting siehe Korzeniowska/Artienwicz 2021). Methodisch basieren verhaltensorientierte Studien zumeist auf Befragungen oder Experimenten (zur Methodik vgl. z. B. Libby/Bloomfield/ Nelson 2002; Bonse 2004, S. 84 ff.; Schmidt 2005, S. 97 f. m. w. N.). y Experimente untersuchen das Entscheidungsverhalten, indem Teilnehmer gebeten werden, hypothetische Anlageentscheidungen anhand vorliegender Geschäftsberichte zu treffen. So ließ sich u. a. zeigen, dass die Teilnehmer eines Experimentes Angaben zu den Pensionsverpflichtungen stärker beachten, sofern sich diese in der Bilanz und nicht in den notes finden (vgl. Harper/Mister/Strawser 1987). Da sich hier äußere Störeinflusse gut kontrollieren lassen, besitzen Experimente eine hohe interne Validität. Gleichwohl setzen sich Experimente oftmals dem Vorwurf aus, reale Situationen nur künstlich abbilden zu können (Problem der externen Validität). y Befragungen untersuchen die wahrgenommene Bedeutung von externen Unternehmensrechnungen für Entscheidungen. Gegen Befragungen wird oftmals eingewendet, dass die Befragten gar nicht in der Lage sind, ihre eigenen Informationspräferenzen anzugeben, oder dass es an der diesbezüglichen Bereitschaft mangelt.
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Demnach bergen beide Verfahren das Problem, dass ein Unterschied zwischen dem angegebenen bzw. dem im Experiment gewählten Verhalten und dem tatsächlichen Verhalten bestehen kann. Von Vorteil ist indes, dass sich bereits frühzeitig Erkenntnisse gewinnen lassen (vgl. Stefani 2003, S. 247 m. w. N.). Diese Erkenntnisse lassen sich insofern bereits im Vorfeld der Verlautbarung einer Norm im Rahmen von teilweise gebotenen Kosten- und Nutzeneinschätzungen einer veränderten Regulierung berücksichtigen (vgl. z. B. Ruhnke/Schmidt 2016, S. 72, allerdings in Bezug auf die im EU-Grünbuch unterbreiteten Vorschläge zu veränderten Prüfungsnormen). Durch die Möglichkeit, insbesondere im Rahmen von Experimenten von realen Gegebenheiten zu abstrahieren, lassen sich Fragestellungen empirisch bearbeiten, für die keine natürlichen Daten vorliegen. Empirie Experimente Für Angaben über Finanzinstrumente besteht nach IFRS 7 ein erheblicher Spielraum. Bischof/Ebert 2014 legen Probanden unterschiedliche Bilanzdarstellungen derselben Finanzinvestition vor. Dabei zeigt sich, dass die Risikowahrnehmung eng mit der Klassifikation der Finanztitel verbunden ist. Dies beruht auf zwei Effekten: (1) einem unmittelbaren Labeling-Effekt und (2) einem indirekten Zuordnungseffekt, weil bestimmte Wertpapiertypen mit bestimmten Kategorien assoziiert werden. Eine weitere Studie belegt, dass Kreditnehmer bessere Kreditvergabekonditionen erlangen, sofern die der Kreditvergabeentscheidung zugrunde gelegten Jahresabschlussinformationen mit einer hohen Prüfungssicherheit geprüft wurden (Ruhnke/Pronobis/Michel 2018), was wiederum die Aussage stützt, dass eine gewisse Verlässlichkeit Voraussetzung für die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen ist (s. Kap. I.4.3.1). Befragungen McKinsey führte 2002 eine Befragung durch, an der sich 201 Investoren beteiligten. Danach nehmen accounting disclosures den größten Einfluss auf die Entscheidungen der Investoren. 33 Befragungen von Führungskräften und Experten zeigen auch, dass dem Jahresabschluss eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Konkurrenzanalyse zukommt (jahresabschlussbasierte Konkurrenzanalyse); in diesem Zusammenhang findet der Begriff competitor accounting Verwendung (vgl. Hoffjan 2003, S. 1496 m. w. N.). 34 Eine Befragung von Investoren und deren Beratern (242 gültige Antworten) belegt, dass diese vor allem Jahresabschlüsse als relevante und verlässliche Informationsquelle erachten. Es folgen (mit absteigender Wichtigkeit) der direkte persönliche Kontakt mit der Unternehmensleitung und die Analyse von nicht rechnungswesenbezogenen Marktdaten (vgl. Gassen/Schwedler 2010, S. 501). Eine Interviewstudie mit 81 professionellen Investoren im Auftrag der EFRAG untersucht die Bedeutung von Jahresabschlussdaten in unterschiedlichen Entscheidungsszenarien. Es zeigt sich, dass der Jahresabschluss sowohl für Bewertungsentscheidungen als auch für vertragliche Zwecke (stewardship) als die bevorzugte Informationsquelle angesehen wird. Allerdings wird die Relevanz der Jahresabschlussdaten für Bewertungszwecke höher eingeschätzt als für vertragliche Zwecke. Darüber hinaus findet sich auch das bekannte Phänomen, dass professionelle Investoren GuVDaten eine höhere Bedeutung beimessen als Bilanzdaten (vgl. Cascino et al. 2016, S. 9 f.).
33 71 % der Befragten erachten diese Informationen als »sehr wichtig«; vgl. McKinsey 2002, Exhibit 7. 34 Bestätigend auch die Ergebnisse des Laborexperimentes von Grütter-Settele 1999.
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4.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Insgesamt ist festzustellen, dass die ökonomischen Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung der Rechnungslegung wertvolle Erkenntnisse liefern. Die Ergebnisse der dazugehörigen empirischen Studien sind regelmäßig sowohl für den Normenanwender als auch den Normengeber bedeutsam. Einzelne Studien richten sich direkt an den Normengeber. So ist z. B. die Entscheidungsrelevanz höher, sofern eine bestimmte Information in der Bilanz und/ oder GuV Berücksichtigung findet und nicht nur in den notes angegeben wird (vgl. Hirst/Hopkins/Wahlen 2004, S. 453 ff.). Gleichwohl zeichnen die vorhandenen Ansätze und die dazugehörigen empirischen Studien kein geschlossenes Bild. Vielmehr beleuchten die einzelnen Ansätze unterschiedliche Facetten. Auch in Bezug auf eng abgegrenzte Fragestellungen ergeben sich regelmäßig keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse (i. d. S. z. B. auch Bonse 2004, S. 360), sodass derzeit zweifelsfrei keine einheitliche Theorie der Rechnungslegung vorliegt.
Kontrollfragen zu I.4 1. Warum gibt es keine einheitliche Rechnungslegungstheorie? 2. Erläutern Sie den Begriff »Prinzipal-Agent-Beziehung« im Rechnungslegungskontext. 3. Warum und unter welchen Voraussetzungen ist es sinnvoll, ein Unternehmen zur Abgabe von Rechnungslegungsinformationen zu zwingen? 4. Erläutern Sie die Funktionsweise des unraveling-Prinzips. Unter welchen Voraussetzungen kommt es zu einem vollständig separierenden Gleichgewicht? 5. Unterstellen Sie folgende Beispieldaten: Es gibt unendliche viele Unternehmen, deren Unternehmenswerte [in GE] auf dem Intervall [0; 100] gleichverteilt sind. Die Publikationskosten betragen 5 GE. 90 % der Unternehmen haben private Informationen über wertrelevante Informationen. 10 % der Unternehmen verfügen über keine wertrelevanten Informationen. An welcher Stelle bricht das unraveling ab? Bestimmen Sie den Preis, den Investoren für schweigende Unternehmen zu zahlen bereit sind (non-disclosurePreis). 6. Wie beurteilen Sie die Sicherung des Gläubigerschutzes über die Festlegung von Covenants aus dem Blickwinkel des Transaktionskostenansatzes? 7. Wie gehen kapitalmarktorientierte Studien grundsätzlich vor, wenn diese versuchen, den Informationsgehalt von Rechnungslegungsinformationen nachzuweisen? 8. Entscheidungen sind stets zukunftsgerichtet. Können vergangenheitsorientierte Rechnungslegungsinformationen entscheidungsnützlich sein? Begründen Sie Ihre Antwort! 9. Auf welchen theoretischen Überlegungen basiert eine Ereignisstudie? Diskutieren Sie weiterhin, wie das Ereignisfenster bei der Durchführung einer Studie abzugrenzen ist. Welche Überlegungen sind hier bedeutsam? 10. Beschreiben Sie kurz das Ohlson-Modell. Wie ist dieses Modell in Zusammenhang mit einer theoretischen Fundierung der Rechnungslegung einzuordnen? Wie beurteilen Sie die Annahmen, die diesem Modell zu Grunde liegen? 11. Diskutieren Sie kurz die Vor- und Nachteile, welche experimentelle Studien gegenüber Studien, die auf Jahresabschlussdaten basieren, aufweisen.
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5 Normierung LERNZIELE
y y y
Verständnis der Notwendigkeit, Unternehmensrechnungen zu reglementieren. Erkennen der hiermit einhergehenden Probleme. Kenntnis der normensystemspezifischen Normenarten, der Normierungsinstitutionen und -prozesse.
5.1 Vorüberlegungen 5.1.1 Begründungen für die Pflichtpublizität Unternehmen unterliegen zumeist auf der Grundlage einer rechtlichen Verpflichtung einer Pflichtveröffentlichung bestimmter Informationen des Geschäftsberichts (Pflichtpublizität). Zunächst einmal ist jedoch zu fragen, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen sich bewusst dazu entscheiden, Informationen freiwillig zu publizieren (freiwillige Publizität aus Unternehmenssicht). Anreize zur Publizität bestehen, wenn sich auf diese Weise die Eigen- und/oder Fremdkapitalkosten beeinflussen lassen bzw. wenn die Beschaffung von Kapital erst über eine Mindestpublizität möglich ist. Gleichsam ist die Vergrößerung der Aktionärsbasis ein Ziel, welches mithilfe der Publizität verfolgt werden kann, sofern durch die Publizität Investoren erst auf ein Unternehmen aufmerksam werden (vgl. Merton 1987, S. 500). Es ist zu erwarten, dass die Kapitalkosten derjenigen Unternehmen sinken, die günstige Informationen an die Kapitalgeber zu geben haben. Entsprechend erhöhen sich die Kapitalkosten bei der Veröffentlichung ungünstiger Informationen. Durch freiwillig publizierte Informationen, die wahrheitsgemäß und entscheidungsrelevant sind, wird der Markt potenziell seine Erwartungen über das Unternehmen verändern (zu einer analytischen Herleitung vgl. Easley/O’Hara 2004, S. 1553 ff.). Gleichsam kann intensive Publizität durch die Senkung von Informationsasymmetrien die Kapitalkosten indirekt über gesteigerte Liquidität senken (vgl. Diamond/ Verrecchia 1991; vgl. auch Healy/Palepu 2002). Allerdings führt die Veröffentlichung ungünstiger Informationen auch zu Kurskorrekturen nach unten. So weisen Unternehmen, die eine Anpassung ihres Jahresabschlusses vornehmen mussten (restatement), durchschnittlich negative abnormale Renditen auf (vgl. Palmrose/Richardson/Scholz 2004, S. 59 ff.). Der negative Effekt tritt verstärkt für Anpassungen betrügerischer Abschlüsse auf (vgl. auch Hribar/ Jenkins 2004, S. 337 ff.). Mithin sind die Unternehmen mit günstigen Informationen an einer freiwilligen Publizität interessiert. Dagegen neigen Unternehmen mit ungünstigen Informationen grundsätzlich nicht zur freiwilligen Publizität (s. Kap. I.4.2.4). Vom Unternehmen freiwillig akzeptierte und übernommene Verpflichtungen, wie z. B. bei sog. cross-listings, welche eine langfristige und glaubhafte Bindung an ein anderes Rechtssystem mit in der Regel strengeren Publikationsanforderungen erfordern, ermöglichen es Unternehmen üblicherweise jedoch nicht, Informationen zurückzuhalten. In diesem Kontext zeigt Königsgruber (2009a), dass Unternehmen mit der Bindung an ein strengeres ausländisches Rechnungslegungssystem (enforcement, s. Kap. I.5.2.1.4) die Erfolgswahrscheinlichkeit von Projekten innerhalb der Unternehmung gegenüber dem Kapitalmarkt glaubhaft signalisieren können. Diese Einstellung dürfte sich allerdings ändern, wenn der Markt weiß, dass ein Unternehmen im Besitz ungünstiger Informationen ist. Dabei geht der Markt aufgrund skeptischer
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Erwartungen im Zweifel davon aus, dass die Nichtinformation als ungünstige Information zu interpretieren ist. Auf diese Weise kann die gebildete Erwartungshaltung noch ungünstiger sein als die, die sich bei Publikation der tatsächlich vorliegenden ungünstigen Informationen gebildet hätte. Dies kann wiederum zu einem Publizitätsanreiz führen, d. h., die Unternehmen zeigen alle (auch ungünstigen) Informationen, sofern erwartet wird, dass ein Nichtausweis zu einem geringeren Marktpreis führt (sog. unraveling-Prinzip; s. Kap. I.4.2.4). Die obigen Ausführungen setzen eine Ausprägung der Markteffizienz voraus, welche dem Markt die Kenntnis dieser Informationen ermöglicht (vgl. Fama 1970). Bei vollständig effizienten Kapitalmärkten (s. Kap. I.4.3.3.2.a) kommt es hierbei zu einer interessanten Situation: »Perfectly efficient markets reveal information so completely that no one will bother collecting it, but if no one collects it, then the information is not revealed« (Bloomfield 2002, S. 238). Ergänzend zu den in Kap. I.4.3.3 dargestellten empirischen Belegen seien die folgenden Beispiele als Beleg für mögliche Publizitätsanreize im Kontext von Fremd- und Eigenkapital angeführt. Empirie Publizitätsanreize im Kontext von Fremd- und Eigenkapitalkosten Eine Untersuchung von 532 US-Unternehmen zeigt, dass Unternehmen mit einer hohen Publizitätsgüte bei der Aufnahme von Fremdkapital bessere Konditionen (insbes. niedrigere Zinssätze) erlangten (vgl. Sengupta 1998, S. 459 ff.). Die Publizitätsgüte wurde u. a. anhand der Jahresabschlüsse, Quartalsberichte und anderer frei zugänglicher Unternehmensinformationen beurteilt. Weiterhin ist von einem stärkeren Einfluss der Publizitätsgüte auf die Kreditkonditionen bei starker Marktunsicherheit (gemessen an der Aktienkursvolatilität) auszugehen. Botosan/Plumlee (2002, S. 21 ff.) zeigen, dass mit zunehmender Publizität in unterjährigen Berichten (Aspekt der zeitnahen Informationsvermittlung) die Eigenkapitalkostensätze sinken. Auf geprüfte Jahresabschlüsse bezogene Studien lassen sich als Beleg für einen bestehenden Publizitätsanreiz werten. Empirisch lässt sich belegen, dass vergleichbare Unternehmen einen niedrigeren Kreditzinssatz entrichten, sofern die Abschlüsse durch einen Prüfer testiert wurden (vgl. Blackwell/Noland/Winters 1998, S. 57 ff.; Ruhnke/Pronobis/Michel 2018). Neuere Studien untersuchen z. B., wie die Verständlichkeit von Unternehmenspublikationen die Kapitalkosten beeinflusst. Häufig wird hier die Auswirkung auf die Fremdkapitalkosten betrachtet, da sich der Fremdkapitalmarkt durch weniger Störeinflüsse auszeichnet. So führen z. B. umfangreichere textliche Erläuterungen, die weniger in Fachsprache als in allgemein erklärender Sprache gehalten sind, zu einer signifikanten Reduktion der Fremdkapitalkosten (vgl. Bonsall IV/Miller 2017, S. 625). In ähnlicher Weise gilt, dass die präzisere und spezifischere Erläuterung von Risikofaktoren in Unternehmenspublikationen zu sinkenden erwarteten Eigenkapitalkosten führt (vgl. Hope/Hu/ Lu 2016, S. 1023 ff.). Durch die höhere Spezifität der Informationen steigt der Informationsgehalt, sodass die Unsicherheit über die Höhe der Finanzmittelrückflüsse abnimmt (technisch gesehen sinkt die Varianz der erwarteten Cashflows), sodass Investoren eine geringere Prämie für das Investitionsrisiko kalkulieren.
Neben Kapitalinvestoren nutzen auch andere Marktteilnehmer publizierte und somit frei verfügbare Informationen (externe Effekte). Hieraus können dem publizierenden Unternehmen ggf. Nachteile entstehen. Dabei besteht eine latente Konkurrenzgefahr, die sich darin äußert, dass andere Unternehmen überlegen, ob sie in den Produktmarkt des betrachteten Unternehmens eindringen sollen: So kann eine günstige Information bewirken, dass der Konkurrent tatsächlich in den Markt eintritt, weil er sich hiervon einen Vorteil verspricht; z. B. kann dies bei Hinweisen über den aktuellen Stand der eigenen Forschung der Fall sein (vgl. Guo/Lev/Zhou 2004, S. 319 ff.). Ist der mögliche Konkurrent unsicher, ob er den Markteintritt wagen soll, könnte eine ungünstige Information diesen von einem möglichen Eintritt abhal-
5 Normierung
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ten. Das betrachtete Unternehmen bräuchte sich dann den Produktmarkt nicht zu teilen und ist folglich daran interessiert, günstige Informationen zu verschweigen. So bestehen auch im deutschen Handelsrecht Schutzklauseln, welche das Unterlassen der Bereitstellung von Informationen ermöglichen. So erlaubt § 286 Abs. 2 HGB, auf die Aufgliederung von Umsatzerlösen nach § 285 Nr. 4 HGB zu verzichten, sofern es nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung möglich ist, dem Unternehmen einen Schaden zuzufügen. Der Anwendungsrahmen einer solchen Klausel ist jedoch als strikt einzustufen, d. h., durch die Umsatzaufgliederung muss dem betreffenden Unternehmen nachweisbar ein fühlbarer, konkreter geschäftlicher Schaden zugefügt werden können (vgl. Grottel 2020, § 286 HGB, Rn. 21). Besteht dagegen nur eine geringe Konkurrenzgefahr oder sieht das Unternehmen keine Möglichkeit mehr, ein Eindringen des Konkurrenten zu verhindern, erscheint wiederum unter Hinweis auf eine Reduktion der Eigenkapitalkosten eine vollständige Publizität empfehlenswert. Bei dieser Abwägung ist zu beachten, dass sich publizierte Informationen generell an alle Interessierten richten, einzelne Interessengruppen zudem fordern, umfassend informiert zu werden (vgl. ausführlich Wagenhofer/Ewert 2015, S. 382 ff. m. w. N.). Aus Adressatensicht ist zu vermuten, dass bei einer freiwilligen Publizität ungünstige Informationen oftmals nicht oder nur unzureichend veröffentlicht werden (vgl. auch Kirchner 2000, S. 56). Man könnte in einem solchen Fall auch von Marktversagen sprechen. Demnach lässt sich als ein Grund für die Pflichtpublizität der Adressatenschutz anführen. Pflichtpublizität soll weiterhin Chancengleichheit (gleicher Informationsstand) von »schwachen« und »starken« Adressaten herstellen, um den Informationsstand verschiedener Adressaten anzugleichen (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 380). Insofern trägt sie dazu bei, die rationale Apathie von Kleinanlegern zu beseitigen (zum Prinzip der begrenzten Rationalität s. Kap. I.4.2.1). Insgesamt sprechen mehr Gründe für als gegen eine Pflichtpublizität. Allerdings ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu erwägen, eine Pflicht zur Publizität erst bei einer bestimmten Unternehmensgröße zu fordern, da bei kleinen Unternehmen die Kosten für die Pflichtpublizität regelmäßig die Nutzeffekte übersteigen. Bei börsennotierten Unternehmen erscheint dagegen unter Hinweis auf das Schutzinteresse der aktuellen sowie der potenziellen Aktionäre grundsätzlich eine Pflichtpublizität gerechtfertigt.
5.1.2 Normierungsnotwendigkeit sowie Art und Umfang der Normierung Nur normierte Abschlüsse sind untereinander vergleichbar (hierzu empirisch Laínez/Callao 2000, S. 65 ff.). Daher ist es nicht nur bei einer Pflichtpublizität, sondern auch bei einer freiwilligen Publizität, sinnvoll, die Inhalte der publizierten Informationen zu normieren. Ansonsten ließen sich die freiwillig erstellten Unternehmensrechnungen nicht oder nur sehr schwer miteinander vergleichen. Auch der Transaktionskostenansatz (s. Kap. I.4.2.5) spricht für eine Normierungsnotwendigkeit, weil ansonsten der Koordinationsmechanismus »Markt« seine Steuerungsfunktion nicht entfalten kann. Interessengruppen haben unterschiedliche Informationsbedürfnisse (z. B. ICAEW 2012, S. 33 ff.), welche sie an die Rechnungslegung stellen und erfüllt sehen möchten. Aufgrund dieser Unterschiedlichkeit ist es jedoch von Seiten der Rechnungslegung nicht möglich, allen Wünschen gerecht zu werden. Es gibt somit keine allgemein präferierte Ausgestaltung der Rechnungslegung. Zunächst einmal entscheiden die gesetzten Normen über den Umfang der zu veröffentlichenden Informationen. Hieran ist die Art der Normierung geknüpft, welche sich auf den Detaillierungsgrad der Normen und die hiermit in einem engen Zusammenhang stehende
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Frage bezieht, ob eher ein prinzipienbasierter oder ein regelbasierter Normierungsansatz verfolgt werden soll (vgl. hierzu z. B. Kühnberger/Zaumseil 2017). y Ein regelbasierter Ansatz weist eine hohe Regelungsdichte auf und zielt darauf ab, jeden Sachverhalt im Detail zu regeln. Demnach führt das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts unter Anwendung der Rechnungslegungsnormen stets zu einem bestimmten Ergebnis (Abbildung im Jahresabschluss). y Dagegen setzt ein prinzipienbasierter Ansatz auf allgemein gehaltene Prinzipien, die einzelfallbezogen im Hinblick auf ein vordefiniertes Ziel (bestmögliche Informationsgewährung) anzuwenden sind (für einen Überblick vgl. z. B. Kuhner 2004, S. 261 ff.). Die Literatur geht gemeinhin davon aus, dass die IFRS prinzipienbasiert (s. Kap. I.5.2.1.2) aufgebaut sind (vgl. z. B. Nobes 2005, S. 25; Baetge/Zülch 2021, Rn. 303 ff.; eher a. A. Tanski 2013, S. 38 f.). Die IFRS sind systematisch und übersichtlich aufgebaut und enthalten (wie auch das HGB) oftmals unbestimmte Normenbegriffe und andere Formulierungen, die der Auslegung bedürfen. Insofern stellt der gewählte prinzipienbasierte Ansatz (scheinbar) höhere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit bzw. das Urteilsvermögen des Normenanwenders als ein regelbasierter Ansatz. Allerdings ist ein rein regelbasierter, kasuistischer Ansatz deutlich leichter zu umgehen. Werden z. B. konkrete Prozentsätze für Beteiligungsquoten festgelegt, die angeben, ab wann ein Unternehmen zu konsolidieren ist (s. Kap. IV.5), so eröffnet dies gezielte Ansatzpunkte z. B. für konkrete sachverhaltsgestaltende abschlusspolitische Maßnahmen. Auch bei einer gewissen Präferenz für eine prinzipienbasierte Normierung lässt sich die Frage nach Art und Umfang der Normierung nicht abschließend beantworten, da sich die Kosten und der Nutzen spezifischer Normensysteme nur schwer oder gar nicht messen lassen (vgl. Ruhnke 2000, S. 439; Wüstemann 2002, S. 34 f.).
5.1.3 Harmonisierung der Rechnungslegung 5.1.3.1 Begriffsabgrenzung Der Wunsch nach Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen legt es nahe, den Informationsbedürfnissen der Stakeholder durch ein weltweit einheitliches System von Rechnungslegungsnormen gerecht zu werden. Obgleich die Harmonisierung der Rechnungslegung oftmals als Grund für die Hinwendung zu den IFRS genannt wird (vgl. z. B. Tanski 2010, S. 1), ist keine eindeutige Begriffsbestimmung festzustellen. Harmonisierung der Rechnungslegung soll als ein Prozess definiert werden, der die Unterschiede zwischen den nationalen Rechnungslegungsnormen reduziert. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Normenharmonisierung zu einer Angleichung der nationalen Rechnungslegungspraktiken führt. Diese Definition beinhaltet zwei Ebenen der Harmonisierung: y die formale Harmonisierung durch einheitliche Normen y sowie die intendierte Angleichung der Rechnungslegungspraktiken über diese Vorgaben (vgl. Ruhnke 2000, S. 151, jedoch unter Bezugnahme auf die Harmonisierung im Prüfungswesen). Es gilt jedoch zu bedenken, dass Harmonisierung ein Prozess ist, welcher sich im Ergebnis im Grade der Vereinheitlichung unterscheidet. Bei der verpflichtenden Einführung der IFRS in der EU handelt es sich z. B. streng genommen um Standardisierung auf Ebene der Rechnungslegung und nicht um eine Harmonisierung (vgl. hierzu auch Wagenhofer 2009, S. 31 ff.). Zentraler Treiber der Harmonisierung ist die Verflechtung der Kapitalmärkte. Wollen Investoren fundierte Investitionsentscheidungen auf globaler Ebene treffen können, so müssen sie Jahresabschlüsse effizient vergleichen können, was bei vergleichbaren Abschlüssen gege-
5 Normierung
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ben ist. Außerdem ergeben sich auch Kosten- und Zeitersparnisse im Rahmen der Jahresabschlussprüfung (vgl. Alvarez/Kleekämper/Kuhlewind 2020, Kapitel I, Teil A, Rn. 10). 5.1.3.2 Erklärung der Unterschiede in den nationalen Rechnungslegungssystemen Die Entwicklung von nationalen Normensystemen kann als Ergebnis eines historischen Prozesses angesehen werden. Diese Systeme spiegeln das spezifische ökonomische Umfeld eines Landes und die spezifischen Bedürfnisse der Stakeholder wider; insofern sind Unterschiede im nationalen Vergleich nicht zufälliger Natur. Dabei kann von der in Abbildung I.5./1 angegebenen Kausalkette ausgegangen werden (in Anlehnung an Rost 1991, S. 80 f.).
In jedem Land existieren individuelle nationale Umfeldfaktoren.
Diese führen zu heterogenen länderspezifischen Zielvorstellungen über Gegenstand, Aufgaben, Inhalte, Bedeutung, Sinn und Zweck von Jahresabschlüssen (als zentrales Element der Rechnungslegung) in den einzelnen Ländern.
Daraus entwickeln sich wiederum spezifische national ausgerichtete Systeme von Rechnungslegungsnormen (Rechnungslegungssysteme).
Diese führen zu spezifischen nationalen Rechnungslegungspraktiken (nationale Rechnungslegungspraxis). Abb. I.5./1 Vermutete Kausalkette von den Umfeldfaktoren bis hin zu den nationalen Rechnungslegungspraktiken
Nationale Umfeldfaktoren beeinflussen die Rechnungslegung. Dies verdeutlicht auch das nachstehende Zitat. Zitat Nationale Einflüsse auf die Harmonisierung »Although this means that, for many situations, national systems of regulation will become irrelevant, it does not mean that national attitudes towards the practical application of written regulations will become irrelevant. (…) In short, whilst the objective of moving standards more and more closely together is not in doubt, the achievement of that objective in the short term seems unlikely« (Alexander/Nobes 2016, S. 93 f.).
Abbildung I.5./2 veranschaulicht Umfeldfaktoren, die das jeweilige System der Rechnungslegungsnormen beeinflussen. Die wesentlichen Umfeldfaktoren werden in der Folge näher untersucht (zu den folgenden Ausführungen vgl. stellvertr. Rost 1991, S. 86 ff.; Ruhnke 2000, S. 157 ff.; Choi/Meek 2011, S. 30 ff.; Pellens et al. 2021, S. 36 ff.). Rechtssysteme prägen die Struktur einer Gesellschaft entscheidend. Sie sind eine Reflexion nationaler kultureller Traditionen. Die in einem Rechtssystem zulässigen (AG, GmbH, OHG etc.) sowie die in der Praxis gewählten Rechtsformen beeinflussen gleichfalls die Rechnungslegungsnormen. So verringert sich der öffentliche Informationsbedarf, sofern haftungsbeschränkte Rechtsformen nicht zulässig sind.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
System der Unternehmensfinanzierung Rechtssystem
Steuersystem nationales System von Rechnungslegungsnormen
kulturelle und sonstige sozio-ökonomische Faktoren
Stellung der accountancyBerufsstände
Abb. I.5/2 Nationales System von Rechnungslegungsnormen und der Einfluss von Umfeldfaktoren
Als Rechtssysteme lassen sich u. a. das anglo-amerikanische und das kontinental-europäische Rechtssystem unterscheiden: y Das anglo-amerikanische Rechtssystem ist durch eine weitgehende Vertragsfreiheit mit nur begrenzt einschränkenden Gesetzesvorschriften gekennzeichnet. Der einzelfallbezogene Richterspruch (case law) besitzt eine starke Stellung. Rechnungslegungsnormen werden in hohem Maße durch die Beteiligten selbst gesetzt. So verfassen private Organisationen zumeist sehr detaillierte, nichtgesetzliche Rechnungslegungsnormen. Diesem Rechtssystem zuzuordnen sind z. B. Australien, Großbritannien, Kanada und die USA. y Das kontinental-europäische Rechtssystem zeichnet sich durch eine hohe Anzahl von Gesetzen aus (code law). Gesetze gelten für alle gleichgelagerten Fälle, sind aber relativ abstrakt. Dies hat den Vorteil, dass die Gesetze relativ selten an neue Erfordernisse anzupassen sind. Gleichwohl besteht ein hoher Bedarf, die Gesetze auszulegen. Die einzig verbindliche Auslegung erfolgt z. B. in Bezug auf das deutsche HGB durch die Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Herausgabe sog. Gesetzeskommentierungen (s. Kap. II.6.2.2.b) sowie die Entwicklung nichtgesetzlich kodifizierter GoB (s. Kap. II.4.2; II.4.3) können dabei den Rechtsfindungsprozess beeinflussen. Dem kontinental-europäischen Rechtssystem zuzuordnen sind z. B. Deutschland, Frankreich, Schweden und die Schweiz. Derzeit ist keines der beiden Rechtssysteme in reiner Form anzutreffen, d. h., auch im kontinentaleuropäischen Raum ist das fallspezifische Richterrecht bedeutsam. Zudem entwickeln sich durch einen privaten Standardsetter gesetzte Rechnungslegungsnormen in den USA immer stärker zu quasi-kodifizierten Normen, die schon aus Gründen der Haftung faktisch zu beachten sind. In der EU kann in Folge des Endorsement-Prozesses gleichsam von einer faktischen Normsetzungskompetenz des privaten IASB ausgegangen werden (zum Komitologieverfahren s. Kap. I.2.2.5). Insgesamt zeichnet sich daher in Bezug auf die Rechnungslegungsnormen eher eine gewisse Konvergenz der beiden Rechtssysteme ab (so schon Rost 1991, S. 89; »Norwalk Agreement«: IASB/FASB 2009). Das traditionell vorherrschende System der Unternehmensfinanzierung lässt sich in Bezug auf die Rechtssysteme zum einen aus dem Blickwinkel der Eigentumsstruktur und zum anderen aus dem Blickwinkel der Kapitalmarktstruktur beleuchten.
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y
y
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Eigentumsstruktur: In anglo-amerikanischen Ländern befinden sich die Aktien in höherem Maße in den Händen privater Haushalte als in kontinental-europäischen Ländern. Hier sind die Anleger darauf angewiesen, dass der Abschluss für Eigenkapitalgeber entscheidungsnützliche Informationen liefert. Dagegen verfügen z. B. Banken neben dem Abschluss über weitere (zumeist informelle) Informationsquellen und sind aus diesem Grunde weniger auf den Abschluss angewiesen als z. B. Kleinaktionäre. Kapitalmarktstruktur: Anglo-amerikanische Länder verfügen im Vergleich zu den kontinentaleuropäischen Ländern tendenziell über einen stärker ausgeprägten Kapitalmarkt. Abbildung I.5./3 verdeutlicht dies anhand ausgewählter Kriterien. Gleichwohl zeichnet sich in den letzten Jahren eine spürbar stärkere Inanspruchnahme der Eigenkapitalmärkte in den kontinentaleuropäischen Ländern ab. Rund 12,4 Mio. Personen sind direkt oder über Aktienfonds Aktionäre. Vor Ausbruch der Finanzkrise waren es noch 10,3 Mio. Personen und der Höchststand betrug 2001 12,9 Mio. Personen (vgl. DAI 2021, S. 2). Bemerkenswert ist, dass die Aktionärsquote in den Niederlanden 30 %, in Japan 28 %, in den USA 25 % und in Großbritannien 23 % beträgt.
Stand
Deutschland
Großbritannien
USA
China
Japan
Marktkapitalisierung inländischer börsennotierter Unternehmen in Billionen US-$
2020
2,28
--
40,72
12,21
6,72
Marktkapitalisierung in % des Bruttoinlands- bzw. Bruttosozialproduktes
2000 2010 2020
65,4 % 42,1 % 60,0 %
155,4 % 108,3 % --
147,4 % 115,3 % 194,5 %
-66,2 % 83,0 %
64,6 % 67,2 % 122,2 %
Anzahl der börsennotierten inländischen Aktiengesellschaften
2020
438
--
4.266
4.154
3.754
Abb. I.5./3 Kapitalmarktstrukturen im internationalen Vergleich35
Im Hinblick auf das Steuersystem ist festzustellen, dass besonders in Deutschland die Steuerbilanz traditionell eng mit der Handelsbilanz verknüpft war. Ein solch enger Zusammenhang zwischen Steuer- und Handelsbilanz besteht in den anglo-amerikanischen Ländern grundsätzlich nicht. Das bedeutet, die Erstellung der Handelsbilanz erfolgt losgelöst von steuerlichen Überlegungen und lässt sich insofern konsequenter auf die Informationsbedürfnisse der Stakeholder ausrichten. Allerdings wurde in Deutschland der enge Zusammenhang von Steuer- und Handelsbilanz mittlerweile stark gelockert (s. Kap. I.2.2.1). Der accountancy-Berufsstand besitzt im anglo-amerikanischen Raum eine stärkere Stellung als im kontinentaleuropäischen Raum (so z. B. auch Spanheimer 2002, S. 26). Es ist davon auszugehen, dass ein starker nationaler accountancy-Berufsstand wie in den USA wenig Interesse an einem hohen Bestand gesetzlicher Rechnungslegungsregeln hat. Der Begriff accountants umfasst die externen Rechnungsleger (financial accountants), die inter-
35 Vgl. Weltbank, https://data.worldbank.org/indicator/CM.MKT.LCAP.CD (Stand: 18.10.2021). Die Angaben in Bezug auf das Bruttosozialprodukt in Japan und die Anzahl der börsennotierten inländischen Gesellschaften in den USA beziehen sich aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit auf das Jahr 2019.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
nen Rechnungsleger (managerial accountants) und die Wirtschaftsprüfer (auditors). Der Berufsstand ist regelmäßig in die private Normgebung involviert (in Deutschland z. B. über die Verlautbarung von IDW RS) und verliert bei einem hohen Bestand an gesetzlichen Normen Machtpotenzial. Neben den zuvor beschriebenen Umfeldfaktoren beeinflussen insbesondere kulturelle und sonstige sozio-ökonomische Faktoren das nationale Rechnungslegungssystem (vgl. z. B. Reisloh 2011). Hier spielt z. B. eine Rolle, ob eine Gesellschaft eher individualistisch oder kollektiv geprägt ist oder eher dazu neigt, Unsicherheiten zu vermeiden oder nicht (vgl. hierzu stellvertr. Cowperthwaite 2009; Choi/Meek 2011, S. 34 ff., m. w. N.). Empirisch lässt sich der Einfluss der angesprochenen Umfeldfaktoren auf die Ausgestaltung von Rechnungslegungssystemen und von Rechnungslegungspraktiken untersuchen. Hier ist von einem komplexen Wirkungsgeflecht auszugehen. Empirie Nationale Einflüsse auf die Rechnungslegungspraxis Ball/Robin/Wu 2003 zeigen, dass die Qualität der Rechnungslegung neben den Rechnungslegungsnormen auch von den Anreizen der Abschlussersteller abhängt, welche sich durch das Zusammenspiel von Markt und politischen Einflüssen ergeben. Die Autoren haben dabei vier ostasiatische Länder (Hong Kong, Malaysia, Singapur und Thailand) untersucht, welche zwar ein anerkannt hochwertiges Rechnungslegungsumfeld besitzen, potenziell aber Rahmenbedingungen bieten, welche für eine geringe Rechnungslegungsqualität sprechen können. Die Autoren zeigen, dass institutionelle Faktoren, welche die individuellen Anreize der Abschlussersteller beeinflussen, letztendlich für die Qualität des Abschlusses entscheidend sind. So würde man aufgrund der Normenvorgabe eine zeitnahe Verlusterfassung erwarten. Die Beobachtungen zeigen jedoch eher eine verspätete Berücksichtigung, was anreizkonform ist.
5.1.3.3 Argumente für eine Harmonisierung Die zuvor vorgetragenen Ausführungen sprechen aufgrund der Existenz spezifischer nationaler Umfeldfaktoren tendenziell gegen eine Harmonisierung von nationalen Rechnungslegungssystemen. Dem stehen Argumente für eine Harmonisierung entgegen: y Zu nennen ist vor allem das Interesse multinational tätiger Investoren an vergleichbaren und aussagekräftigen Abschlussinformationen. Investoren sind irritiert, wenn ein Unternehmen unter Anwendung verschiedener Normensysteme unterschiedliche Kennzahlen ausweist. y Das Argument der Risikoreduzierung durch Harmonisierung adressiert das Risiko einer »falschen Abschlussanalyse«, welches aus der Beschäftigung mit einer Vielzahl von Systemen von Rechnungslegungsnormen resultiert. Auch aus Unternehmenssicht sprechen verschiedene Argumente für eine Harmonisierung, d. h. eine weltweite Anwendung der IFRS für die Zwecke einer informationsorientierten Rechnungslegung. Als Vorteile sind u. a. zu nennen (vgl. hierzu auch Auer 1998, S. 23 ff.): y Die IFRS-Daten lassen sich durch die Entscheidungsorientierung potenziell einfacher für interne Steuerungszwecke nutzen (s. Kap. I.3.1.1.3). y Lässt sich durch die Anwendung eines Systems von Rechnungslegungsnormen weltweit eine Börsennotierung erreichen, kann ein ausländisches Listing die Aktionärsbasis verbreitern. Auf diese Weise werden auch die Möglichkeiten zur Platzierung einer Kapitalerhöhung verbessert. y Eigene Aktien (s. Kap. III.3.6.3.2.c3) können als Akquisitionswährung im Ausland eingesetzt werden. Ein harmonisiertes Rechnungswesen vereinfacht die Beurteilung des
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y
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zu akquirierenden Unternehmens sowie die Kommunikation mit den Alteigentümern. Große Unternehmenstransaktionen lassen sich ohne Aktientausch kaum mehr realisieren. So gab z. B. die Julius Bär Gruppe eigene Aktien im Wert von rund 240 Mio. schweizer Franken hin, um das außeramerikanische Vermögensverwaltungsgeschäft von Merrill Lynch zu erwerben. Dabei betrug der gesamte Transaktionspreis rund 1,2 Mrd. CHF (vgl. Wolf/Gaberthüel 2013). Weiterhin lässt sich bei einem ausländischen Listing der Bekanntheitsgrad des Unternehmens und seiner Produkte erhöhen und es dürfte bei Mitarbeitern im Ausland zu einer höheren Identifikation mit dem Unternehmen kommen.
Insgesamt überwiegen die Argumente für eine Harmonisierung. Derzeit führt insbesondere kein Weg an einer Anwendung der internationalen Rechnungslegungsnormen auf Konzernebene (s. Kap. I.2.2.5) vorbei. Trotz Anerkennung der faktischen Gegebenheiten bleibt festzuhalten, dass es auch berechtigte Argumente für eine Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten gibt und insofern eine weltweite vollständige Harmonisierung nicht erstrebenswert ist.
5.2 Normierungsinstitutionen und -prozesse Zentrale Inhalte institutionenökonomischer Ansätze sind die Ausgestaltung expliziter und impliziter Regeln sowie deren Einfluss auf Wirtschaftssubjekte. Zu den angesprochenen Regeln gehören die Normen und die dazugehörigen Durchsetzungsinstrumente. Aus diesem Grunde werden nachstehend zunächst die auf die Rechnungslegung bezogenen Normierungsinstitutionen und -prozesse auf internationaler und deutscher Ebene vorgestellt.
5.2.1 Internationale Ebene 5.2.1.1 International Accounting Standards Board Das International Accounting Standards Board (IASB) ist eine unabhängige, privatrechtliche Organisation, welche sich vor allem die folgenden Ziele gesetzt hat (IFRS Foundation Constitution.2): y Im öffentlichen Interesse sind qualitativ hochwertige, verständliche, durchsetzbare sowie global akzeptierte Rechnungslegungsnormen zu erarbeiten, welche zu entscheidungsnützlichen Jahresabschlussinformationen führen. y Daher gilt es, die Nutzung und strikte Anwendung dieser Normen zu fördern. y Weiterhin ist eine Harmonisierung der nationalen Rechnungslegungsnormen und der IFRS (s. Kap. I.5.1.3) beabsichtigt. Das IASB hat als Nachfolgeorganisation des International Accounting Standards Committee (IASC) seine Tätigkeit am 1.4.2001 aufgenommen. Dabei wird das IASB über eine Stiftung unter dem Namen IFRS Foundation (IFRSF) finanziert. Die Gesamteinnahmen beliefen sich in 2020 auf 30,1 Mio. britische Pfund (GBP), davon stammten 12 Mio. GBP aus dem operativen Geschäft (Verkauf von Publikationen, Lizenzen, etc.), 4,3 Mio. GBP aus Spendenaufkommen von der EU und 2,3 Mio. GBP aus Beiträgen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (vgl. IASB 2020). Darüber hinaus finden sich Spenden aus Japan (2,4 Mio. GBP), China (2,1 Mio. GBP), Frankreich (0,9 Mio. GBP), UK (0,8 Mio. GBP), Italien (0,7 Mio. GBP), Australien (0,6 Mio. GBP) und Deutschland (0,6 Mio. GBP) sowie Korea, Indien und Kanada (jeweils 0,5 Mio. GBP). Diese Werte und weitere regionale Spendenaufkommen finden sich im Jahresabschluss des IASB (vgl. IFRS Foundation 2020). Die IFRS Foundation wird durch Treuhänder geleitet.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
In die Organisationsstruktur der IFRSF sind vor allem die folgenden Organe eingebunden (vgl. IFRS Foundation Constitution.3 ff.; Pellens et al. 2021, S. 48 ff.): y Die 22 Treuhänder (trustees) bilden das oberste Führungsorgan der Stiftung. Diesen kommt vor allem eine Aufsichts- und Finanzierungsfunktion zu. Aufgabe ist es weiterhin, die Mitglieder des Board und des IFRIC zu ernennen sowie neue Treuhänder zu nominieren. Die Trennung von Board und Treuhändern soll verhindern, dass das Board durch bestimmte Interessengruppen dominiert wird (vgl. IFRS Foundation Constitution.4 ff.). y Das Monitoring Board soll die formale Verbindung zwischen den Treuhändern und öffentlichen Behörden herstellen, an der Ernennung neuer Treuhänder mitwirken und die Treuhänder überwachen und beraten (vgl. IFRS Foundation Constitution.18 ff.). y Das aus 14 Mitgliedern bestehende International Accounting Standards Board (IASB) hat die Aufgabe, IFRS sowie die diesen Standards zugrundeliegenden Diskussionsentwürfe (Exposure Drafts, ED) zu entwickeln und zu veröffentlichen (vgl. IFRS Foundation Constitution.24 ff.). Diesbezügliche Entscheidungen erfordern die Zustimmung von zumindest 9 Mitgliedern, sofern alle Mitglieder anwesend sind. Ansonsten müssen mindestens 8 Mitglieder zustimmen. y Das Interpretations Committee besteht ebenfalls aus 14 Mitgliedern und soll die zeitnahe Interpretation der Standards leisten. Dazu werden IFRIC erarbeitet und dem Board zur formalen Bestätigung vorgelegt; diese ist erreicht, wenn mindestens acht BoardMitglieder zustimmen. Die Entscheidungsregeln folgen denen des IASB (vgl. IFRS Foundation Constitution.38 ff.). y Der Advisory Council soll die Treuhänder und das Board in inhaltlichen Fragen beraten. In diesem Gremium soll insbesondere den nicht im Board vertretenen Interessengruppen (z. B. nationale Gremien wie das DRSC; s. Kap. I.5.2.2.2) die Möglichkeit zur Einflussnahme eingeräumt werden (vgl. IFRS Foundation Constitution.43 ff.). y Das Board setzt zu seiner fachlichen Arbeit Advisory Groups ein. Diese sind als Arbeitsgruppen konzipiert, um bei bedeutsamen Projekten beratend tätig zu sein (vgl. IFRS Foundation Constitution.36(g)). Abbildung I.5./4 verdeutlicht das Beziehungsgeflecht zwischen den zuvor angesprochenen Organen. Das IASB ist bei seiner Arbeit mit einer Vielzahl verschiedener weiterer Institutionen vernetzt. Beispielsweise besteht zwischen dem IASB und der International Federation of Accountants (IFAC) faktisch eine Arbeitsteilung. Das IASB ist mit der Entwicklung internationaler Rechnungslegungsnormen betraut, während die IFAC mit der Entwicklung internationaler Prüfungsnormen befasst ist. Einzelheiten zur IFAC, den herausgegebenen internationalen Prüfungsnormen und dem Beziehungsgeflecht zwischen nationalen und internationalen Prüfungsnormen finden sich in Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 155 ff. sowie unter http:// www.ifac.org. Aktuelles Informationen zur Arbeit des IASB Aktuelle Informationen zum IASB finden sich vor allem im Internet (http://www.ifrs.org) sowie in zahlreichen Informationsportalen mit unmittelbarem Bezug zu den Aktivitäten des IASB (z. B. http://www. iasplus.com; http://www.pwc.com/ifrs; http://www.ifrs-portal.com).
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141
5.2.1.2 Normenarten, -aufbau, -systematik und Bindungswirkung Das IASB unterscheidet hinsichtlich der herausgegebenen Normen formal zwischen den Standards (IFRS und IAS) sowie den bei der Anwendung der Standards zu beachtenden Interpretationen des IFRIC und der Vorgängerorganisation Standing Interpretations Committee (SIC). IAS 1.7 fasst sämtliche zuvor genannte Normenarten unter den Oberbegriff der IFRS. Dabei tragen die vom International Accounting Standards Committee, der Vorgängerorganisation des IASB, herausgegebenen Standards die Bezeichnung International Accounting Standards (IAS). Unter dem Begriff der internationalen Rechnungslegungsnormen werden sowohl die IFRS als auch das IASB Conceptual Framework gefasst.
International Financial Reporting Standards Foundation (IFRS Foundation), Treuhänder
Standards Advisory Council (SAC)
International Accounting Standards Board (IASB)
Advisory Committees
erstellt und beschließt IFRS und Exposure Drafts (Standards)
beraten berichten ernennen
International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) erstellt und beschließt IFRIC Interpretationen und Drafts
Abb. I.5./4 Organisationsstruktur der IFRSF
Exkurs Zugang zu den internationalen Normen Die vom IASB herausgegebenen internationalen Normen sind gebührenpflichtig entweder in Buchform oder elektronisch verfügbar (IASB-Handbuch; vgl. http://www.ifrs.org). Kurzfassungen zu den aktuell verlautbarten IFRS finden sich z. B. im Informationsportal von Deloitte unter http://www. iasplus.de/standard/.
Die IFRS gehen den Regelungen im IASB Conceptual Framework (s. Kap. II.5.3) jedoch vor (vgl. IASB F.Status and Purpose). Standards und Interpretationen sind zwingend zu beachten. Demnach besitzen die Standards und die Interpretationen dieselbe Bindungskraft: »An entity shall not describe financial statements as complying with IFRSs unless they comply with all the requirements of IFRSs« (IAS 1.16). Die nachstehenden Ausführungen verdeutlichen den Charakter von Interpretationen: y Bei den Interpretationen handelt es sich vor allem um Auslegungsregeln bestehender Standards. Die Interpretationen lassen sich ihrem überwiegenden Charakter nach als Auslegungsregel den jeweils auszulegenden Standards zuordnen (z. B. IFRIC 6 zu IAS 37). Die Zuordnung selbst ist den einzelnen Interpretationen zu entnehmen, d. h., jede Interpretation adressiert den Anwendungsbereich (scope, siehe auch reference).
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Weiterhin geht es darum, rechtzeitig Leitlinien für neue Fragen der Rechnungslegung zu erarbeiten, die in den IFRS nicht gesondert behandelt werden oder für solche Fragen, bei welchen sich unbefriedigende oder gegensätzliche Interpretationen entwickelt haben oder sich möglicherweise entwickeln werden.
Hinsichtlich der Bindungswirkung ist in Bezug auf ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland festzustellen, dass die nach Abschluss des Komitologieverfahrens (s. Kap. I.2.2.5) im Amtsblatt in deutscher Sprache veröffentlichten IFRS rechtlich bindend sind. Die im Amtsblatt veröffentlichten Normen stehen für sämtliche EU-Amtssprachen kostenfrei im Internet zum Download zur Verfügung (vgl. http://eu-ifrs.de/eu-ifrs-texte/eu-ifrs-2021/). Allerdings stellt sich die Frage, welche Bindungskraft diejenigen IFRS besitzen, y die nicht in das Amtsblatt übernommen werden konnten (aktuelle IFRS, die bereits vom IASB verabschiedet wurden, die sich aber aufgrund zeitlicher Restriktionen – z. B. kein Abschluss des Komitologieverfahrens oder Abschluss des Verfahrens und noch keine erfolgte Veröffentlichung im Amtsblatt – noch nicht im Amtsblatt finden) (Fall A) bzw. y die bewusst nicht in das Amtsblatt übernommen wurden (Fall B). Zu nennen sind einerseits das IASB F sowie nicht materielle Bestandteile eines Standards (Unterfall B1, z. B. standardspezifische Anhänge oder Implementierungsrichtlinien). Andererseits handelt es sich hier um spezifische Einzelstandards, die ganz oder teilweise nicht in das Amtsblatt übernommen wurden (Unterfall B2). Beispielsweise wurde IAS 39 bei der erstmaligen Übernahme nur teilweise in das Amtsblatt übernommen (sog. carve out-version). Hier ist »carve out« im Sinne einer Herausarbeitung der Textpassagen eines Standards zu verstehen, die sich auf EU-Ebene im politischen Prozess haben durchsetzen können. Den Charakter von Rechtsnormen besitzen diese Normen zweifelsfrei nicht. Allerdings verpflichtet der in das Amtsblatt übernommene IAS 1.16 dazu, sämtliche vom IASB veröffentlichte Normen (und damit nicht nur die in das Amtsblatt übernommenen Normen) zu beachten. Auch über IAS 8.10 ff. (ausführlich s. Kap. II.6.1.1) könnte sich eine faktische Pflicht zur Beachtung ergeben. Die EU-Kommission stellt in einem Kommentar hierzu einerseits fest, dass die Unternehmen nicht dazu angehalten sind, nicht übernommene IFRS anzuwenden (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 4; ferner Pellens/Jödicke/Jödicke 2007, S. 2503 ff.). Andererseits relativiert die Kommission diese Aussage wie folgt: In dem Maße wie ein Standard, der von der EU noch nicht freigegeben wurde, mit den bereits freigegebenen Standards kohärent ist und auch den Bedingungen des IAS 8.10 genügt, kann er als Anhaltspunkt verwendet werden (in enger Anlehnung an Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 4 f.). Dieselbe Aussage wird auch in Bezug auf einen Standard getroffen, der von der EU abgelehnt wurde: In dem Maße, wie ein Standard, der von der EU abgelehnt wurde, mit den bereits freigegebenen Standards kohärent ist und auch den Bedingungen des IAS 8.10 genügt, kann er als Anhaltspunkt verwendet werden (in enger Anlehnung an Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 5). Dieses Beachtungserfordernis lässt sich auch wie folgt stützen: Wie stünde ein Abschlussersteller im Rechtsstreit da, wenn ihm vorgehalten würde, dass er bei Beachtung eines noch nicht in das Amtsblatt übernommenen Standards eine zweckgemäße Verfolgung der IFRSZielsetzung im Hinblick auf die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen hätte gewährleisten können, die ohne Beachtung dieses Standards nicht gegeben ist (Argument des fiktiven Rechtsstreits).
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Demnach ist nach der hier vertretenen Auffassung insgesamt grundsätzlich von einer faktischen Pflicht zur Beachtung von Standards und Interpretationen auszugehen, die aus zeitlichen Gründen noch nicht in das Amtsblatt übernommen werden konnten (Fall A), sofern die beiden zuvor angesprochenen Voraussetzungen (Kohärenz, Erfüllung der Bedingungen des IAS 8.10) erfüllt sind (i. d. S. wohl auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 6). In Bezug auf das IASB Framework (als Vorläufer des IASB Conceptual Framework) sowie nicht materielle Bestandteile eines Standards (Unterfall B1) stellt die EU fest, dass die dort genannten Normentexte die Grundlage für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen bilden. Dies bedeutet nicht, dass diese Normentexte zwingend zu beachten sind. Vielmehr sind sie bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Dabei kann der Normenanwender durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass eine vorgeschlagene Vorgehensweise im Einzelfall zu keiner Problemlösung führt, welche den Anforderungen in IAS 8.10 genügt (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 6; sowie Ruhnke 2008, S. 45 f.). Da die Kommission der EU sich bezüglich der abgelehnten und noch nicht freigegebenen Standards dem Wortlaut nach in derselben Weise äußert, müsste auch ein bewusst nicht in das Amtsblatt übernommener Standard bei Vorliegen der Voraussetzungen (Kohärenz, Erfüllung der Bedingungen des IAS 8.10) als Anhaltspunkt verwendet werden (Unterfall B2, abgelehnter spezifischer Standard oder Normentexte, die nicht Bestandteil der carve out-version sind). Da die EU sich aber in diesem Fall bewusst gegen die Übernahme solcher Standards entschieden hat, ist nach der hier vertretenen Auffassung von einer geringeren Bindungskraft auszugehen. Gleichwohl ist der Normenanwender gut beraten, auch diese Standards bei seinen Überlegungen zu berücksichtigen. Exkurs Übersetzungsprobleme bei der Anwendung der IFRS Es liegt nahe anzunehmen, dass aufgrund der rechtlichen Gültigkeit der in das Amtsblatt übernommenen IFRS gar keine Übersetzungsprobleme bestehen. Für eine Verwendung der deutschsprachigen Übersetzung spricht auch, dass die englische Sprache in Deutschland nicht als Amtssprache zugelassen ist (nach § 23 Abs. 1 VwVfG ist die Amtssprache deutsch). Problematisch ist allerdings, dass die deutschsprachige Übersetzung englische Begriffe (z. B. income) mit deutschen Begriffen (z. B. Ertrag) übersetzt, obwohl beide Begriffe inhaltlich anders abgegrenzt sind. Hier liegt es nahe, dass ein deutscher Normenanwender den übersetzten Begriff »Ertrag« im IFRS-Kontext vermutlich intuitiv mit anderen (eher GoB-ähnlichen) Inhalten füllt. In diese Richtung bewegt sich auch die empirische Erkenntnis, dass englischsprachige Begriffe von Personen unterschiedlicher nationaler Zugehörigkeit unterschiedlich ausgelegt werden. Doupnik/Richter 2003, S. 15 ff., zeigen hierbei im Kontext der Rückstellungsbildung (s. Kap. III.3.7.2.2.a), dass deutsche Wirtschaftsprüfer und US-amerikanische CPAs unbestimmten Normenbegriffen wie z. B. expected oder probable unterschiedliche quantitative Wahrscheinlichkeiten zuweisen. Hinzu können Fehler der Übersetzung treten (vgl. Niehus 2005, S. 2477 ff.; ausführlich Plietzsch 2017). Diese Punkte sprechen dafür, die englischsprachigen Normentexte in den einzelnen Ländern direkt anzuwenden. Auch das IFRS Preface.22 gibt vor, dass als genehmigter Normentext grundsätzlich die englischsprachige Fassung gilt: »The approved text of any discussion document, Exposure Draft, IFRS or Interpretation is that approved by the IASB in the English language.« Gleichwohl verweist par. 22 auf die Möglichkeit der Genehmigung von Übersetzungen. Abschnitte
Zitierweise
Introduction to this edition
Einführung in diese Ausgabe
Changes in this edition
Änderungen in dieser Ausgabe
Preface to IFRS
Vorwort zu den IFRS
Introduction IFRS Preface.x
144
Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Abschnitte
Zitierweise
Conceptual Framework for Financial Reporting
Rahmenkonzept für die Finanzberichterstattung
IASB F.x
IFRS
IFRS
IFRS y.x (z. B. IFRS 3.7)
IFRS Practice Statement
IFRS PS
IFRS PS y.x (IFRS PS 1.4)
IAS
IAS
IAS y.x
IFRIC Interpretation / SIC Interpretation
IFRIC Interpretation / SIC Interpretation
SIC y.x / IFRIC y.x (z. B. IFRIC 4.2)
Glossary
Glossar
Glossary.term (z. B. Glossary.asset)
Index
Schlagwortverzeichnis
Abb. I.5./5 Aufbau der IFRS-Standards und Zitierweise
Die IFRS werden in drei Bänden veröffentlicht: Teil A beinhaltet die verlautbarten Standards und das IASB F, Teil B die Anwendungsrichtlinien und die IFRS Practice Statements sowie Teil C die Grundlagen für die Schlussfolgerungen. Im Folgenden werden die IFRS-Standards nebst der verwendeten Zitierweise dargestellt. Grundsätzlich gilt, dass zunächst die Standards (IFRS, IAS) und dann die Interpretationen (IFRIC Interpretation, SIC Interpretation) abgedruckt werden. Die Darstellung innerhalb dieser beiden Kategorien erfolgt chronologisch. Obgleich branchenspezifische (z. B. IFRS 4, 6) und nicht branchenspezifische Normen existieren, werden diese nicht gesondert dargestellt. Insofern ist keine überzeugende Systematik erkennbar. In der nachstehenden Abbildung steht »y« für die Nummer der Norm und »x« für den jeweiligen Paragrafen. Liegt ein Diskussionsentwurf (Exposure Draft, ED) vor, ist der Zitierweise des Standards die Bezeichnung »ED« sowie bei einer Interpretation die Bezeichnung »D« (Draft) voranzustellen. Aktuell stehen auf der Agenda des IASB nur Änderungsentwürfe, die chronologisch nummeriert werden (zur Agenda des IASB vgl. auf der Homepage der IFRS Foundation, http://www.ifrs. org/projects/work-plan/). So wird z. B. in einem aktuellen Exposure Draft eine Anpassung der IFRS Foundation Constitution vorgeschlagen, um ein International Sustainability Standards Board (ISSB) einzurichten. Der Aufbau der einzelnen IFRS folgt einer einheitlichen Struktur. Zudem existiert für die jeweiligen Strukturelemente eine spezifische Zitierweise. Standards und Interpretationen sind ähnlich aufgebaut. Nachstehend werden die typischen Strukturelemente eines Standards nebst der verwendeten Zitierweise dargestellt (vgl. auch Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rn. 65 ff.). y Das Inhaltsverzeichnis (contents) gibt die Inhalte des Standards an und verweist auf die relevanten Paragrafen. y In der Einführung (introduction) finden sich z. B. Angaben zu den Gründen für die Überarbeitung der Vorgängernorm nebst der vorgenommenen wesentlichen Änderungen (Zitierweise IFRS y.INx, z. B. IAS 33.IN3). y Der Standard i. e. S. umfasst Angaben zu den eigentlichen Regelungen (Zitierweise IAS/ IFRS y.x, z. B. IAS 27.3 oder IFRS 3.1): – Zielsetzung (objective), auch Grundprinzip (core principle, vgl. IAS 23.1, IFRS 8.1), – Anwendungsbereich (scope), – Definitionen (definitions), – Bilanzansatz (recognition), – Erstbewertung (measurement at recognition),
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Folgebewertung (measurement after recognition), Ausbuchung (derecognition), Angaben (disclosure), Übergangsregelungen und Zeitpunkt des Inkrafttretens (transitional provisions and effective date) sowie – Zurücknahme anderer Verlautbarungen (withdrawal of other pronouncements). Der Anhang (appendix) dient der Veranschaulichung des Standards i. e. S. Dieser kann erläuterndes Material, Beispiele und Entscheidungsdiagramme enthalten. Anhänge können materieller Bestandteil des Standards i. e. S. sein (Zitierweise: IFRS y.Appendix x, z. B. IAS 36.Appendix B bzw. IAS 36.A2 für einen paragraph im Anhang). Dargelegt wird auch die Billigung des IFRS durch das Board (approval of the standard by the board) nebst Abstimmungsergebnis (Zitierweise: IFRS y.Approval, z. B. IAS 2.Approval). Die Grundlage für die Schlussfolgerungen (basis for conclusions) ist nicht materieller Bestandteil des Standards i. e. S., sondern begleitet diesen (Zitierweise: IFRS y.BCx, z. B. IAS 39.BC30). Abweichende Meinungen von Board-Mitgliedern (dissenting opinions) werden gesondert dargestellt (Zitierweise: IFRS y.DOx, z. B. IAS 27.DO2 ff.). Implementierungsrichtlinien (implementation guidance) sowie Anwendungsbeispiele (illustrative examples) sind nicht materieller Bestandteil des Standards i. e. S., sondern begleiten diesen (Zitierweise: IFRS y.IGx, z. B. IAS 1.IG12; IFRS y.IEx, z. B. IAS 32.IE3). Anwendungsrichtlinien (application guidance) sind wiederum materieller Bestandteil des Standards i. e. S. (Zitierweise: IFRS y.AGx, z. B. IAS 39.AG1). – – – –
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Beispiele für den typischen Aufbau eines Standards finden sich in IAS 2, IAS 16, IAS 17 und IAS 38. Es gilt jedoch zu beachten, dass ein Standard nicht alle erwähnten Bestandteile umfassen muss und inhaltlich bedingt auch einem anderen Aufbau folgen kann. Beispielsweise befasst sich IAS 24 mit der Bereitstellung von Informationen über nahestehende Unternehmen und Personen. Bilanzansatz, Bewertung und Ausbuchung sind hier inhaltlich nicht notwendig. Daneben existiert ein Handbuch des formalen Normensetzungsverfahrens (due process handbook), das die prozeduralen Anforderungen an die Standardentwicklung beschreibt (Zitierweise: IASB DPH.x; vgl. IFRS Foundation 2020;). Auch die Entwicklung erläuternder Materialien, die die konsistente Anwendung von IFRS-Standards sicherstellen sollen, unterliegen diesen Anforderungen. Darüber hinaus beschreibt die Satzung (constitution) die Aufbauorganisation der IFRS Foundation und ihrer Organe (Zitierweise: IFRS Constitution.x; vgl. IFRS Foundation 2021a). 5.2.1.3 Prozess der Normenentwicklung Da die IFRS eine breite Akzeptanz bei den Normenanwendern und -adressaten erreichen sollen, muss die Normenentwicklung auf eine möglichst breite Basis gestellt werden, d. h., die interessierte Öffentlichkeit ist in die Normengebung einzubinden. Aus diesem Grunde durchläuft die Entwicklung von Standards ein formelles Verfahren (due process), welches mehrere Stufen umfasst (IFRS Preface.4; s. Abb. I.5./6). Der Entwicklungsprozess muss den folgenden grundlegenden Anforderungen genügen (IASB.DPH.3.1 ff.): y Transparenz bei der Standardentwicklung, y umfassende Konsultation der Betroffenen und y verantwortungsvolle Abschätzung der Konsequenzen von Standardvorschlägen für die potentiellen Anwender einschließlich Erklärung der Gründe, die zu einem neuen oder veränderten Standard geführt haben.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Das Board stimmt sich mit dem IFRS Advisory Council ab, ob ein bestimmter Themenbereich in das Arbeitsprogramm aufzunehmen ist. Nationale Normengeber sollen ebenfalls in diesen Prozess eingebunden werden. Das Advisory Council unterstützt und berät das Board während eines Projektes in fachlichen Fragen. Dabei kann zunächst ein Diskussionspapier erarbeitet und der Öffentlichkeit zur Kommentierung zugänglich gemacht werden. Das Diskussionspapier sollte die präferierten und abgelehnten Vorschläge zur Behandlung des Rechnungslegungsproblems einschließlich der ihnen zugrunde gelegten Prinzipien zur Diskussion stellen. Die interessierte Öffentlichkeit findet die Aufforderung zu Stellungnahmen unter https:// www.ifrs.org/projects/open-for-comment/. Dort finden sich auch Angaben zu Post-Implementation-Reviews. Der Schritt der Erstellung eines Diskussionspapiers kann auch übersprungen werden.
Die IASB-Mitarbeiter identifizieren eine Problemstellung. Das IASB verständigt sich mit dem IFRS Advisory Council, ein neues Projekt auf die Agenda zu nehmen und richtet regelmäßig eine korrespondierende Arbeitsgruppe ein. Diskussionspapier, DP Der IASB bekundet vorläufig Einschätzungen des Problems und zugehörige Lösungsansätze, in dem es ein Diskussionspapier veröffentlich (nicht zwingend).
Kommentare Interessierte Öffentlichkeit
Entwicklung eines Exposure Drafts in öffentlichen Boardsitzungen, der auf eigenen wissenschaftlichen Erhebungen, der Durchsicht erhaltener Kommentierungen und den Vorschlägen des Advisory Councils beruhen kann.
Exposure Draft, ED
Kommentare Ein IFRS-Draft wird entwickelt.
Das IASB nimmt den neuen oder geänderten IFRS formal an (endgültiger IFRS).
Abb. I.5./6 Möglicher Entwicklungsprozess von IFRS
Auf Grundlage des Diskussionspapiers und der eingegangenen Stellungnahmen bzw. Kommentare (comment letters) erstellt das Board einen Diskussionsentwurf. Stimmt eine qualifizierte Mehrheit zu, wird dieser mit einer erneuten Kommentierungsfrist von zumeist 120 Tagen, jedoch mindestens 30 Tagen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (IASB DPH.6.7). Beispiel ED und eingegangene Stellungnahmen Beim IASB eingegangene Stellungnahmen lassen teils auch die Relevanz des zugrundeliegenden Problems erkennen. Beispielsweise gingen zum Themenkreis share-based payment (ED IFRS 2) 207 relevante Kommentare ein. Hiervon entfielen 61 auf die Abschlussadressaten, 82 auf die Abschlussersteller, 10 auf die Wirtschaftsprüfer, 14 auf Akademiker. 40 Kommentare ließen sich nicht eindeutig zuordnen. Auch das IDW und das DRSC haben den zuletzt angesprochenen Diskussionsentwurf kommentiert. Für den Exposure Draft zur Anpassung der Segmentberichterstattung (ED/2017/2) endete die Kommentierungsfrist am 31.7.2017. Es handelt sich also um den letzten beobachteten Rücklauf. Hier gingen bis zum Ende der Frist lediglich 37 Stellungnahmen ein. Die eingegangenen
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Kommentierungen sind teilweise Gegenstand von empirischen Inhaltsanalysen (z. B. Yen/Hirst/ Hopkins 2007). Für den Zeitraum 2001-2008 kamen 42 % der Stellungnahmen aus der EU, 21 % aus den USA und 14 % aus dem asiatisch-pazifischen Raum, insbes. Australien. Dabei zeigt sich auch, dass einzelne Standards in den verschiedenen Ländern besondere Aufmerksamkeit erregen. So gingen 45 % der Stellungnahmen zum Thema Verbindungen zum Staat aus China und 58 % der Stellungnahmen zum Thema Finanzinstrumente aus Luxemburg ein (vgl. Larson/Herz 2013, insbes. S. 115 f. und S. 126 f.).
Die zu dem ED eingegangenen Stellungnahmen werden wiederum geprüft und ein endgültiger IFRS veröffentlicht, sofern neun der 14 Board-Mitglieder zustimmen (IFRS Constitution.36). Auch der endgültige Standard umfasst die Angabe abweichender Meinungen von Board-Mitgliedern. Weiterhin hat der Standard eine basis for conclusions zu beinhalten und zu beschreiben, wie das Board mit öffentlichen Kommentaren zum ED umgegangen ist. Das Board kann jederzeit die Wiederholung einzelner Teilschritte beschließen. Beispielsweise kann ein überarbeiteter Diskussionsentwurf (re-exposure draft) erneut zur Diskussion gestellt werden, wenn aufgrund der eingegangenen Kommentare kein endgültiger Standard verabschiedet wurde. Der Prozess der Entwicklung von Interpretationen des IFRIC ist ähnlich. Ausführliche Darstellungen zum derzeitigen Entwicklungsstand der IFRS sowie dem Arbeitsprogramm des IASB für künftige Regelungen (IASB agenda projects) finden sich auf den Internetseiten des IASB (vgl. http://www.ifrs.org/projects/work-plan/). Selbst bei einem transparenten due process unter Einbindung sämtlicher betroffener Akteure kann das Ergebnis der Normengebung immer nur den Versuch darstellen, ggf. divergierende Interessen zum Ausgleich zu bringen. Demnach handelt es sich bei der Normenentwicklung auch um einen politischen Prozess. Die im Normengebungsprozess involvierten Akteure werden die zu entwickelnden Normen nicht nur aus dem Blickwinkel der Entscheidungsnützlichkeit betrachten, sondern sie werden ggf. auch versuchen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen (Lobbying, s. Kap. I.5.3). Teilweise bringt der Normensetzungsprozess auch Ergebnisse hervor, die sich nur schwer oder gar nicht nachvollziehen lassen. 5.2.1.4 Durchsetzung Sofern sich ein Unternehmen zur Einhaltung der IFRS verpflichtet oder hierzu verpflichtet ist (s. Kap. I.2.2.5), stellt sich ebenso die Frage nach der Einhaltung bzw. Durchsetzung der zu beachtenden Normen. Grund hierfür sind die bestehenden Informationsvorteile der Unternehmensleitung und die ggf. bestehenden Anreize, die Rechnungslegung zum eigenen Vorteil zu manipulieren. Als Mechanismen zur Normendurchsetzung kommen zum einen die Prüfung durch einen unabhängigen Dritten (Abschlussprüfung) und zum anderen der Aufbau einer besonderen Durchsetzungsinfrastruktur (enforcement) in Betracht. Unter enforcement ist die Überwachung der Normenkonformität von Unternehmensabschlüssen durch eine außerhalb des Unternehmens stehende, nicht mit dem gesetzlichen Abschlussprüfer identische, unabhängige Stelle zu verstehen (in Anlehnung an BMJ 2003a, Punkt 6).36 Bezüglich der Prüfung des Jahresabschlusses gilt Folgendes: y Deutsche Unternehmen, die verpflichtend oder wahlweise einen IFRS-Konzernabschluss (s. Kap. I.2.2.5) erstellen, müssen § 315e Abs. 1 HGB anwenden. Diese Gesetzesnorm sieht vor, dass die Vorschriften außerhalb dieses Unterabschnittes (angesprochen
36 Das Committee of European Securities Regulators (CESR) als Zusammenschluss der europäischen Börsenaufsichtsbehörden sammelt Entscheidungen nationaler Enforcementorganisationen in Bezug auf IFRS-Abschlüsse und intendiert die verstärkte Zusammenarbeit dieser Organisationen; vgl. Brinkmann/Rilling 2008 S. 27 ff.; CESR 2011.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
ist der zweite Unterabschnitt, §§ 290-315e HGB) anzuwenden sind. Demnach besitzen die Ausführungen im dritten Unterabschnitt zur Prüfung (§§ 316-324a HGB) für die zuvor angesprochenen Unternehmen Gültigkeit. Folglich besteht nach § 316 Abs. 2 HGB eine Prüfungspflicht. Die Prüfung eines informatorischen IFRS-Einzelabschlusses gem. § 325 Abs. 2a HGB (s. Kap. I.2.2.5) regelt § 325 Abs. 2b HGB. Unabhängig von den beiden zuvor angesprochenen Fällen dürfte eine faktische Prüfungspflicht bestehen, da der Kapitalmarkt ungeprüfte IFRS-Abschlüsse nicht akzeptiert.
Im Nachgang zum Wirecard-Skandal sah sich der deutsche Normgeber zu einer zügigen Reform der Bilanzkontrolle gezwungen, weil die Grenzen des bisher durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) praktizierten zweistufigen enforcement-Verfahrens deutlich sichtbar wurden (vgl. Philipps 2021). Zwischen dem Referentenentwurf zum Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) vom 26.10.2020 und dem korrespondierenden Referentenentwurf vom 16.12.2020 lagen nur sieben Wochen (vgl. hierzu kritisch Schüppen 2021). Sah der Regierungsentwurf noch die Beibehaltung eines zweistufigen EnforcementVerfahrens unter Beteiligung einer gestutzten DPR vor, so bekennt sich die im Mai 2021 verabschiedete Fassung des FISG zu einer »Bilanzkontrolle aus einer Hand« (vgl. Markworth/ Bangen 2021). Folglich wurde die DPR mit Wirkung zum 1.1.2022 abgeschafft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als die alleinige Instanz für die Bilanzkontrolle eingesetzt, d. h., nunmehr ist ein einstufiges Bilanzkontrollverfahren implementiert (§§ 106 WpHG f.; Zwirner/Boecker 2020). Die Einstufigkeit soll u. a. verhindern, dass es zukünftig zu einem sog. »blame shifting« kommen kann, welches im Wirecard-Fall zu beobachten war. Die DPR hat hier auf ihre fehlenden Befugnisse und Ressourcen sowie auf den Widerspruch zwischen kooperativer Zusammenarbeit mit den zu prüfenden Unternehmen und den Anforderungen einer Betrugsprüfung hingewiesen. Die BaFin wiederum verwies auf ihre fehlende primäre Zuständigkeit, die sie bei der DPR verortet sah (vgl. Hennrichs 2021). Trotz dieser ersten grundlegenden Reform seit mehr als 15 Jahren verändert sich der Kreis der zu prüfenden Unternehmen nicht. Dieser ist weiterhin auf kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Sitz in Deutschland beschränkt. Auch die Auswahl der zu prüfenden Unternehmen wird vergleichbar bleiben. Liegt ein konkreter Anhaltspunkt für Rechnungslegungsverstöße vor, so kommt es zu einer Anlassprüfung. Außerdem kommt es weiterhin zu zufälligen Stichprobenprüfungen (vgl. Hoffmann 2021; Kliem/Kosma/Optenkamp 2021). Allerdings ist der Prüfungsumfang spürbar erweitert worden, weil nunmehr der Jahresabschluss des aktuellen und der zwei vorhergehenden Jahre der Prüfung unterliegen. Somit kommt es zur Ausweitung um ein Jahr. Gravierender dürften jedoch die Änderungen im Prüfungsprozess selbst sein. So wurde die Freiwilligkeit der Unternehmen bei der Prüfungsmitwirkung abgeschafft. Vielmehr ordnet die BaFin die Prüfung an (§ 107 Abs. 1 S. 1 WpHG). Außerdem wurden der BaFin weitreichende Befugnisse eingeräumt. Dazu gehören (vgl. Hoffmann 2021; Kliem/Kosma/Optenkamp 2021; Wirth 2021): y Erweiterte Auskunfts- und Vorlagerechte, d. h., die BaFin kann z. B. Organmitglieder, Beschäftigte und Abschlussprüfer des zu prüfenden Unternehmens laden. y Vernehmungsrechte gegenüber Geschäftspartnern, Banken und Treuhändern, d. h., bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente können weitere Personen befragt werden, um z. B. die Echtheit von Dokumenten zu überprüfen.
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Staatsanwaltsähnliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsrechte, d. h., der BaFin wird zukünftig bei Vorliegen hinreichender Verdachtsmomente auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen ermöglicht. Erweiterte Informationsrechte, d. h., dass die BaFin bei bestehendem öffentlichen Interesse die Anordnung einer Prüfung auf ihrer Internetseite bekannt geben kann. Außerdem können auch während des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse publik gemacht werden. Diese Transparenz soll Eigen- und Fremdkapitalgebern eine schnelle Reaktion auf potenzielle Betrugsfälle ermöglichen. Zum Abschluss des Verfahrens werden identifizierte Fehler und die zugehörigen Begründungen ebenfalls veröffentlicht. Normeninterpretationen als faktische Rechtsetzung, d. h., der BaFin steht im Zuge einer Fehlerfeststellung die Norminterpretation offen (zu den damit verbundenen Problemen etwaiger Widersprüche zwischen dem lt. IFRS geforderten subjektiven Fehlerbegriff und einem objektiven Fehlerbegriff bei einer Auslegung im enforcement-Verfahren siehe den Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 4.2.2019; hierzu Kap. II.5.3.2.3.a1 sowie z. B. Böcking/Gros/Wirth 2019b).
5.2.2 Deutsche Ebene In Deutschland sind selbst bei Anwendung einer informationsorientierten Rechnungslegung nach IFRS (s. Kap. I.2.2.5) die nationalen handelsrechtlichen Normen (Ausschüttungsbemessung) und die nationalen steuerrechtlichen Normen (Steuerbemessung) zwingend zu beachten. Die nachstehenden Ausführungen analysieren daher die Institutionen und Prozesse, die in einem engen Zusammenhang mit den nationalen handelsrechtlichen Normen stehen (s. Kap. I.2.2.2; I.2.2.4). Diese Betrachtungen werden durch einen Überblick über die Struktur des deutschen Normensystems ergänzt. 5.2.2.1 Gesetzgeber Zentraler Normengeber in Deutschland ist der Gesetzgeber. Basis der Rechnungslegung ist das Handelsgesetzbuch (HGB). Darüber hinaus existieren rechtsformspezifische Regelungen. Zu nennen sind vor allem das Aktiengesetz (AktG) und das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sowie ferner das Genossenschaftsgesetz (GenG) und das Publizitätsgesetz (PublG). Unternehmen verschiedener Rechtsformen greifen jedoch regelmäßig auf die Regelungen des HGB zur Rechnungslegung zurück, vgl. z. B. § 5 PublG. Die Vorschriften für die handelsrechtliche Rechnungslegung finden sich im dritten Buch des HGB (§§ 238-342e HGB). Das dritte Buch gliedert sich wiederum in sechs Abschnitte. y Der 1. Abschnitt (§§ 238-263 HGB) ist von allen Kaufleuten zu beachten. y Der 2. Abschnitt (§§ 264-335c HGB) enthält ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH) sowie für bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften (§ 264a Abs. 1 HGB, sog. haftungsbeschränkte Personengesellschaften). Dieser Abschnitt enthält auch Normen zur Konzernrechnungslegung sowie zur Prüfung und Offenlegung von Abschlüssen. Die Prüfungspflicht ist in § 316 HGB kodifiziert. y Der 3. Abschnitt (§§ 336-339 HGB) enthält ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften, während der 4. Abschnitt (§§ 340-341y HGB) ergänzende Vorschriften für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen berücksichtigt. y Der 5. Abschnitt (§§ 342, 342a HGB) regelt die Einrichtung eines privaten Rechnungslegungsgremiums bzw. eines Rechnungslegungsbeirats (s. Kap. I.5.2.2.2). y Der 6. Abschnitt (§§ 342b-342e HGB) bezieht sich auf die Einrichtung und Funktionsweise einer Prüfstelle für die Rechnungslegung (s. Kap. I.5.2.1.4).
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Das Gesetzgebungsverfahren ist regelmäßig langwierig und kann schon aus diesem Grunde keine Einzelfälle regeln. In das Gesetzgebungsverfahren sind der Bundestag und der Bundesrat involviert. Meist bringt die Regierung Gesetzesvorlagen ein, die in den Ministerien erarbeitet worden sind. Im Bereich der Rechnungslegung ist primär das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) zuständig. Dabei erfolgt im Allgemeinen auch die Anhörung von betroffenen Gruppen und Experten (vgl. stellvertr. Breidenbach 1997, S. 19 ff.). Auf die Erstellung eines Referentenentwurfs folgt regelmäßig die Konsultation von Experten und Interessengruppen, die Stellungnahmen abgebeben. Ein hierauf von der Bundesregierung verabschiedeter Regierungsentwurf wird dem Bundesrat zugeleitet, welcher wiederum die Möglichkeit der Stellungnahme erhält. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, der wiederum Sachverständige hört, wird schließlich dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt. Ein derartiger Prozess kann durchaus zwei Jahre in Anspruch nehmen. Das Gesetzgebungsverfahren unterliegt, wie auch das formalisierte Verfahren des IASB (s. Kap. I.5.2.1.3), den Eigeninteressen der involvierten Akteure (s. Kap. I.5.3; i. d. S. auch Ordelheide 1997, S. 254). Beispiel Gesetzgebungsverfahren und Unternehmensinteressen Dargestellt wird der Einfluss der Unternehmensinteressen am Beispiel der Abschreibungsnormen für Versicherungsgesellschaften. Zu vermuten ist, dass sich die Versicherungsgesellschaften nach dem »Zusammenbruch« der Börsen im Jahr 2002 massiv dafür eingesetzt haben, Rechnungslegungsnormen zu erlassen, welche Abschreibungen auf ihre Wertpapierbestände vermeiden. Nach dem 2002 geänderten § 341b Abs. 2 HGB müssen Versicherungsgesellschaften nur die als dauerhaft erachteten Kursverluste aufwandswirksam abschreiben. Dagegen müssen Nichtversicherungsgesellschaften Wertpapiere des Umlaufvermögens gem. § 253 Abs. 4 HGB unabhängig von der Dauer der voraussichtlichen Wertminderung abschreiben. Die Vorgehensweise bei der Interessenpolitik beschreibt das nachstehende Zitat: »Und wer wirklich ein ernstes Anliegen hat, geht direkt zum zuständigen Minister. Als etwa die Versicherungsindustrie ein gemildertes Niederstwertprinzip wollte, klopfte sie direkt bei Finanzminister Hans Eichel an – und wurde erhört.«37
Diskussionsfrage I.5.-1 Zur Wahl stehen das deutsche Gesetzgebungsverfahren und der due process des IASB. Welches Normensetzungsverfahren ist nach Ihrer Ansicht vorziehenswürdig?
Die einzelfallbezogene Auslegung von Gesetzen vollzieht sich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH), sofern es um die Auslegung der handelsrechtlichen GoB (s. Kap. II.4) geht, die gem. § 5 Abs. 1 EStG bei der Erstellung von Steuerbilanzen beachtenswert sind (zur Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz s. Kap. I.2.2.3). Ein Richterspruch kann durchaus auf künftige Fälle ausstrahlen, sofern diese ähnlich gelagert sind (sog. Breitenwirkung). Demnach kommt diesen Urteilen »über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine grundsätzliche Bedeutung zu« (Naumann et al. 2013, Rn. 15 unter
37 Rössing 2003, unter Verweis auf ein mit Liesel Knorr (ehemalige Generalsekretärin des DRSC; s. Kap. I.5.2.2.2) geführtes Interview.
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Bezugnahme auf den BFH). Entscheidungen des BFH werden zudem oftmals in die EStR übernommen. Mit der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit im Rahmen der Umsetzung des BilMoG kann argumentiert werden, dass der BFH mit seiner Zuständigkeit als oberstes deutsches Gericht für Steuerangelegenheiten seine sog. Vorfragenkompetenz bezüglich der Auslegung handelsrechtlicher GoB verloren hat. Vorfragenkompetenz bezeichnet den Rückgriff eines Gerichts auf eigentlich einem anderen juristischen Bereich zustehende Inhalte. Dies liegt für die Rechnungslegung begründet in der Verbindung von bürgerlichem Recht, Gesellschaftsrecht (das HGB deckt regelmäßig bürgerlich-rechtliche sowie gesellschaftsrechtliche Sachverhalte ab, wie z. B. Austauschverträge), Handelsbilanzrecht und Steuerbilanzrecht (die GoB bilden die maßgebende Grundlage des Steuerrechts nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Hinzu kommt, dass regelmäßig mehr steuerrechtliche Verfahren entschieden werden als gesellschaftsrechtlich relevante Verfahren mit Verbindung zum Bilanzrecht (vgl. für diese Ausführungen Crezelius 1987, insbes. S. 1 ff.). Es kann jedoch aus dem Gesetzgebungsprozess abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber mit der Bestätigung der Maßgeblichkeit die Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte unabhängig vom Vorgehen in der Handelsbilanz nicht gewollt hat (vgl. Gelhausen/Fey/ Kämpfer 2009, D 4 m. w. N.). Sofern also BFH-Entscheidungen vorliegen, welche in der Handels- und Steuerbilanz in gleicher Weise ausgeübte Wahlrechte betreffen, kann weiterhin von einer Relevanz von Urteilen des BFH für die Auslegung der GoB ausgegangen werden. Beispiel Höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf das HGB Bei der Erstellung eines Einzelabschlusses (es ist davon auszugehen, dass gleichzeitig auch ein Konzernabschluss zu erstellen ist; s. Kap. I.2.1) stellt sich u. a. die Frage, ob Ergebnisse, die von einem Tochterunternehmen (T) in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft in einem bestimmten Geschäftsjahr erwirtschaftet wurden, noch im selben Jahr (phasengleiche Gewinnvereinnahmung) oder erst im nächsten Jahr (zeitverschobene Gewinnvereinnahmung) vom Mutterunternehmen (M) zu vereinnahmen sind, obwohl kein Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG) vorliegt (vgl. ausführlich Schmidt/Kliem 2020, § 277 HGB, Rn. 17 f.; Schubert/Waubke 2020, § 266 HGB, Rn. 120 f.). y Der BGH vertritt die Auffassung, dass der Gewinnanspruch eines MU, welches mehrheitlich an einem T beteiligt ist, unter bestimmten Bedingungen auch ohne Ausschüttungsbeschluss bereits zum Abschlussstichtag des TU soweit konkretisiert sei, dass er zum Vermögen des MU zugehörig angesehen werden könne (vgl. BGH 1998, S. 567 ff.). Daraus folgt, dass diese, auf den Vermögensanspruch bezogene, Forderung zeitgleich (phasengleich) mit der Entstehung der entsprechenden Verpflichtung bei dem T in den Einzelabschluss des M aufgenommen werden muss (Buchung beim MU: Forderung an Beteiligungsertrag). y Der EuGH hat bestätigt, dass diese Auffassung im Einklang mit der 4. EG-Richtlinie steht (vgl. EuGH 1996, S. 1400 f.; EuGH 1997, S. 1513). y Anders als der BGH und der EuGH will der BFH in der Steuerbilanz die phasengleiche Aktivierung nur noch in seltenen Ausnahmefällen anerkennen. Abgestellt wird auf objektiv nachprüfbare Umstände, die belegen, dass die Gesellschaft am maßgeblichen Bilanzstichtag unwiderruflich zur Ausschüttung des Betrags entschlossen war (vgl. Moxter 2000, S. 2333 ff. m. w. N.; BFH 2007, S. 553). Anzumerken ist, dass der BFH in diesem Fall keine handelsrechtlichen GoB auslegen wollte und insofern dem Urteil in Bezug auf die Handelsbilanz keine Bedeutung zukommt. Diskussionsfrage I.5.-2 Es stellt sich die zuvor formulierte Frage nach der phasengleichen Gewinnvereinnahmung. Wie ist in Anbetracht der widerstreitenden Interessen von BGH, BFH und EuGH vorzugehen?
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
5.2.2.2 Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Mit § 342 Abs. 1 HGB hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, ein privates Rechnungslegungsgremium einzurichten. Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC, vgl. http://www.drsc.de) wurde im Jahr 1998 auf dieser Rechtsgrundlage gegründet, d. h., das BMJ hat das DRSC auf dieser Rechtsgrundlage anerkannt. Das DRSC ist ein eingetragener Verein, der auf internationaler Ebene als Accounting Standards Committee of Germany (ASCG) auftritt. Das DRSC ist Träger des Deutschen Standardisierungsrates (DSR), der primär mit der Herausgabe von Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) befasst ist. Neben Unternehmen sind auch Verbände als stimmberechtigte Mitglieder beim DRSC zugelassen (vgl. hierfür und im Folgenden DRSC Satzung 2021). Zwei Fachausschüsse (IFRS und HGB) bilden den Kern nach der Neuordnung, während das Präsidium den Verein nach außen vertritt. Der Präsident und der Vizepräsident sitzen gleichzeitig einem Fachausschuss vor. Die Mitglieder des Vereins werden einem der folgenden Segmente zugeteilt (DRSC Satzung, § 4): kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen und Verbände (Segment »A«), nichtkapitalmarktorientierte Industrieunternehmen und Verbände (Segment »B«), Banken und Verbände (Segment »C«), Versicherungen und Verbände (Segment »D«) und Wirtschaftsprüfung und Verbände (Segment »E«). Der aus 20 Mitgliedern bestehende Verwaltungsrat bestimmt die Grundsätze und Leitlinien des Vereins. Die hohe Bedeutung kapitalmarktorientierter Unternehmen und Verbände widerspiegelnd (vgl. o. V. 2011), werden zehn Mitglieder aus Segment »A« bestimmt. Die Segmente »B« und »D« sind mit jeweils zwei, die Segmente »C« und »E« mit jeweils drei Mitgliedern vertreten (vgl. § 10 Abs. 2 DRSC Satzung). Die Beitragsordnung des DRSC sieht jährliche Mitgliedschaftsbeiträge z. B. für DAX-Unternehmen in Höhe von 50 T€, für MDAX-Unternehmen in Höhe von 20 T€ sowie für andere Unternehmen in Höhe von 10 T€ vor. Übertragen wurden dem DRSC als nationalem Standardsetzer vor der Neuordnung die in § 342 Abs. 1 HGB genannten Aufgaben: y Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung (Nr. 1), y Beratung des Bundesministeriums der Justiz bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungslegungsvorschriften (Nr. 2), y die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien (Nr. 3), angesprochen ist insbesondere das IASB sowie y die Erarbeitung von Interpretationen internationaler Rechnungslegungsstandards im Sinne des § 315e Abs. 1 HGB (Nr. 4). Werden die Empfehlungen des DSR vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Bundesanzeiger bekannt gemacht, ist zu vermuten, dass ein unter Beachtung der DRS erstellter Konzernabschluss den GoB entspricht (GoB-Vermutung auf Konzernebene). Die Feststellung der im Einzelfall relevanten GoB obliegt allerdings weiterhin den Gerichten (s. Kap. I.5.2.2.1). Insofern reduziert sich die in Nr. 1 formulierte Aufgabe faktisch darauf, dass der DSR offene Fragen der Konzernrechnungslegung insbesondere vor dem Hintergrund einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung diskutiert und dem Gesetzgeber dazu Lösungsmöglichkeiten unterbreitet. Die herausgegebenen Veröffentlichungen werden in einem mehrstufigen formellen Verfahren entwickelt. Die Fachausschüsse des DRSC (IFRS-Ausschuss und HGB-Ausschuss) sind zuständig für die Erstellung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne von § 315e HGB, von Rechnungslegungsstandards im Sinne von
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§ 342 HGB, Stellungnahmen gegenüber nationalen und internationalen Adressaten zu Fragen der Rechnungslegung sowie von Diskussionspapieren, sonstigen Stellungnahmen und Veröffentlichungen. Der Einbezug der fachlich interessierten Öffentlichkeit im Rahmen des sog. Konsultationsprozesses ist abhängig von der zu erstellenden Verlautbarung. Für Entwürfe von Interpretationen und Standards folgen auf die Veröffentlichung eines Entwurfs die Veröffentlichung der eingegangenen Stellungnahmen sowie die erneute Veröffentlichung eines überarbeiteten Entwurfs und die Einrichtung eines Diskussionsforums. Anschließend wird die Interpretation oder der Standard verabschiedet und mit Begründung veröffentlicht. Die Verabschiedung erfolgt in öffentlicher Sitzung mit 2/3 der Stimmen (DRSC Satzung 2021, § 20 Abs. 5). Die Anwendung von DRS ist unproblematisch, wenn es um die Schließung gesetzlich ungeregelter Bereiche geht. Solche Regelungslücken bestehen z. B. hinsichtlich der Ausgestaltung von Segmentberichterstattung und Kapitalflussrechnung (vgl. § 297 Abs. 1 HGB sowie konkretisierend DRS 3 und 21; s. Kap. III.4.2), Erstellung von Halbjahresfinanzberichten (§ 115 Abs. 1 WpHG sowie konkretisierend DRS 16; s. Kap. I.3.2.2.2) und der Lageberichterstattung (§§ 289, 315 HGB sowie konkretisierend DRS 20 i. d. F. E-DRÄS 8; s. Kap. III.4.4). Probleme treten indes auf, wenn ein DRS etwas anderes als die HGB-Regelung vorschreibt oder im HGB explizit kodifizierte Wahlrechte einengt. Die Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise ist anzuzweifeln (vgl. hierzu stellvertr. Böcking/Dutzi 2017, § 342 HGB, Rn. 34; a. A. Kirsch/Hepers/Ewelt-Knauer 2021, Rn. 252, die eine Einengung gesetzlicher Wahlrechte für zulässig halten). Nach der hier vertretenen Auffassung kann ein DRS ein Gesetz nicht »aushebeln«. Vielmehr müssen sich die Empfehlungen »im Rahmen der bestehenden Gesetze bzw. gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften halten«. Eine Empfehlung, die sich über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinwegsetzt, wird es sicherlich nicht geben können« (Ernst 1998, S. 1030).38 Hierfür spricht auch § 4 Abs. 3 des Standardisierungsvertrages des BMJ mit dem DRSC, wonach der DSR beim Erarbeiten der Standards darauf zu achten hat, dass sie nicht im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen (vgl. hierzu auch Greinert 2004, S. 59). Da kapitalmarktorientierte deutsche Unternehmen seit 2005 verpflichtet sind, ihre Konzernabschlüsse nach IFRS zu erstellen (s. Kap. I.2.2.5), ist fraglich, welche Bedeutung die DRS derzeit haben. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf nichtkapitalmarktorientierte Konzernunternehmen wäre denkbar. Küting/Lam 2011 zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der in Deutschland erstellten Konzernabschlüsse den Regelungen des HGB folgt. Allerdings ist zu vermuten, dass die IFRS auch auf diese Unternehmen »ausstrahlen«. Hierfür spricht auch das Wahlrecht für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS (§ 315e Abs. 3 HGB; s. Kap. I.2.2.4). Ein DRS-spezifischer Regelungsbedarf besteht allenfalls im Hinblick auf typisch deutsche Berichterstattungselemente, denen auch ein IFRS-Bilanzierer nachkommen muss, für die aber keine spezifischen internationalen Normen existieren. Angesprochen ist hier vor allem der Lagebericht (DRS 5 und 15; s. Kap. III.4.4). Das Rechnungslegungs Interpretations Committee (RIC), welches neben dem DSR ein weiteres Gremium des DRSC bildet, beabsichtigt, in enger Zusammenarbeit mit dem IFRIC des IASB (s. Kap. I.5.2.1.1) sowie den entsprechenden Gremien anderer nationaler LiaisonPartner, die internationale Konvergenz von Interpretationen wesentlicher Rechnungsle-
38 Dr. Christoph Ernst war im BMJ zum damaligen Zeitpunkt Referatsleiter für Rechnungslegung, Publizität und Steuerrecht.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
gungsfragen zu fördern und spezifische nationale Sachverhalte im Rahmen der gültigen IFRS zu beurteilen. Die vom RIC beschlossenen Interpretationen gelten nach Auffassung des DRSC solange als Leitlinie für die Bilanzierung der zu behandelnden Sachverhalte in einem IFRSAbschluss, bis eine anderslautende Regelung durch das IFRIC oder IASB beschlossen wurde. Gleichwohl ist stets einzelfallbezogen zu prüfen, ob die in einer Interpretation des RIC vorgeschlagene Vorgehensweise wirklich zu sachgerechten Ergebnissen führt (s. Kap. II.6; insbes. II.6.2.2.c). Zitat DRSC und Unternehmensinteressen »Die Industrie ist es auch, die alles finanziert – über freiwillige Mitgliedsbeiträge. 100.000 € (derzeit entrichten DAX-Unternehmen 50.000 €, die Verf.) zahlt jedes Unternehmen im Jahr. Das tun nur die großen Konzerne und die fordern dafür Einfluss. Motto: Wer zahlt, bestimmt die Musik. Austrittsdrohungen und Liebesentzug, heißt es, seien da keine Seltenheit« (Liesel Knorr, zitiert in: Rössing 2003).
5.2.2.3 Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW; vgl. http://www.idw.de) vertritt als berufsständische Organisation den wirtschaftsprüfenden Berufsstand in Deutschland. Die Mitgliedschaft im IDW ist freiwillig. Das Institut ist als eingetragener Verein privatrechtlich organisiert. Da es dem IDW als Privatrechtssubjekt an der Kompetenz zum Erlass von Rechtsnormen mangelt, handelt es sich bei den herausgegebenen Normen nicht um gesetzliche Normen. Die IDW-Normen binden den Abschlussersteller demnach nicht direkt. Strenggenommen handelt es sich bei einer solchen Norm um eine Meinungsäußerung, »die in der juristischen Diskussion wie jede andere Ansicht nur Gewicht hat, soweit ihr überzeugende Argumente zugrunde liegen« (Amtsgericht Duisburg 1994, S. 123). Insofern sind bei der Erstellung von HGB-Abschlüssen die IDW-Normen beachtenswert, soweit diese überzeugende Lösungen bei der Auslegung von Gesetzestexten oder bei der Klärung von anderen Zweifelsfragen anbieten (s. Kap. II.6.2.2.c). Für die Herausgabe von Normen mit Bezug zur Rechnungslegung sind Unterausschüsse des IDW zuständig. Zu nennen ist hier vor allem der Hauptfachausschuss (HFA). Der standardisierte Normierungsprozess (insofern bestehen Parallelen zum due process des IASB; s. Kap. I.5.2.1.3) umfasst die Veröffentlichung eines Entwurfs für die beabsichtigte Norm. Auf diese Weise sollen Änderungs- und Ergänzungsvorschläge seitens der interessierten Öffentlichkeit und der nicht im Normensetzungsprozess involvierten Mitglieder des Berufsstandes abgefragt werden. Auf dieser Grundlage wird dann die vorläufige Fassung überarbeitet und als endgültige Norm veröffentlicht. Zu unterscheiden sind die folgenden Normenarten bzw. -spezifika: y Die vom HFA herausgegebenen IDW-Normen mit Bezug zur Rechnungslegung werden seit 1998 als »Stellungnahmen zur Rechnungslegung« bezeichnet (IDW RS HFA). Die vor 1998 herausgegebenen Fachgutachten und Stellungnahmen behalten jedoch so lange ihre Gültigkeit, bis diese teilweise oder ganz durch entsprechende Stellungnahmen und Hinweise zur Rechnungslegung ersetzt werden. Diese Normen werden wie folgt zitiert: IDW RS HFA y.x. Dabei gibt »y« die Nummer der Norm an und »x« verweist auf die angesprochene Rn. (z. B. IDW RS HFA 2.7). Liegt ein Normenentwurf vor, wird die Bezeichnung um ein »E« ergänzt (z. B. IDW ERS HFA 12.2). y Im Rahmen der IFRS-Modulverlautbarung (IDW RS HFA 50) werden abgegrenzte Einzelfragen der IFRS-Rechnungslegung gewürdigt und kommentiert. Diese werden in Form
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von separaten Modulen verfasst und in der Reihenfolge der IASB-Standards in IDW RS HFA 50 einsortiert. So hat das IDW z. B. im Jahr 2021 das IFRIC Update supply chain financing arrangements – reverse factoring zum Anlass genommen ein neues Modul zu entwicklen, das die Abschnitte zu Reverse-Factoring-Transaktionen in IDW RS HFA 48 und in IDW RS HFA 9 ersetzt. Ergänzend gibt der HFA »Hinweise zur Rechnungslegung« heraus (IDW RH HFA).
Eine Aufstellung der bisher herausgegebenen Stellungnahmen und Hinweise zur Rechnungslegung sowie etwaige Normenentwürfe finden sich im Internet (vgl. http://idw.de, unter »Verlautbarungen«). Erwähnenswert ist, dass sich einzelne Stellungnahmen explizit mit der Anwendung der IFRS auf nationaler Ebene beschäftigen. Zu nennen sind vor allem IDW RS HFA 2 (Einzelfragen zur Anwendung von IFRS), IDW RS HFA 9 (Einzelfragen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS), IDW RS HFA 40 (Einzelfragen zu Wertermittlungen von Vermögenswerten nach IAS 36) und IDW RS HFA 47 (Einzelfragen zur Ermittlung des Fair Value nach IFRS 13). Diese Normen können dann Bedeutung erlangen, wenn bei der Erstellung von IFRS-Abschlüssen Zweifelsfragen auftreten (s. Kap. II.6.1.3). Diskussionsfrage I.5.-3 Erstellt werden soll ein HGB-Jahresabschluss. Es bestehen Probleme bei der Interpretation eines unbestimmten Rechtsbegriffs, welcher im HGB Verwendung findet. Hinsichtlich der Interpretation bestehen zwei unterschiedliche Auffassungen, welche sich zum einen in einem IDW RS HFA und zum anderen in einem DRS finden. Welche Auffassung bindet den Abschlussersteller dem Status ihrer Quelle nach stärker?
Das IDW gibt u. a. die Zeitschrift »Die Wirtschaftsprüfung« heraus, welche nicht nur die herausgegebenen Normen, sondern auch eine Vielzahl von fachlichen Beiträgen zur Rechnungslegung abdruckt.
5.3 Einflussnahme von Rechnungslegungsanwendern (Lobbying) Mit der im Jahre 2002 erfolgten Übernahme der IAS-Verordnung wurde in Europa erstmals ein privater Normengeber mit Kompetenzen im Bereich der Rechnungslegung ausgestattet, welche traditionell dem Gesetzgeber zustanden (vgl. Königsgruber 2009b). 39 Die Entwicklung der Normen hat durch die Übernahme der EU im Komitologieverfahren unmittelbare Konsequenzen für kapitalmarktorientierte Unternehmen, die diese Normen verpflichtend anzuwenden haben. Die Entwicklung von Standards ist im Rahmen der internationalen Normengebung standardisiert und weitestgehend transparent ausgelegt. Die Einbindung der betroffenen Anspruchsgruppen bedingt jedoch den Ausgleich der vorhandenen Interessen, sodass die Normengebung einen politischen Prozess darstellt, in dem die beteiligten Interessengruppen ggf. ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Es zeigt sich, dass dies in der Praxis der Fall ist (vgl. Armstrong 1977, S. 76 ff.). Insofern handelt es sich um einen praxisbezogenen Anwendungsfall institutionenökonomischer Überlegungen (s. Kap. I.4.2).
39 Vgl. auch Ruhnke 2000, S. 463 ff.; Schildbach 2004, S. 163 m. w. N.; Auste 2011 sowie in Bezug auf das Lobbying-Verhalten im internationalen Normensetzungsprozess Vietze/Chatham 1998.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
Unter Lobbying werden individuelle oder kollektive Handlungen verstanden, die darauf abzielen, die Ausgestaltung von Rechnungslegungsregeln in irgendeiner Weise zu beeinflussen (vgl. Sutton 1984, S. 81; Zülch/Gebhardt/Hoffmann 2009, S. 5 f.). Die Form des Lobbyings kann dabei sehr variieren und lässt sich einordnen von schriftlichen Einreichungen (z. B. comment letters im Rahmen der Standardentwicklung) bis hin zur Druckausübung auf Entscheidungsträger (vgl. Sutton 1984, S. 81). Die theoretische Rechnungslegungsforschung bildet derartige Aushandlungsprozesse häufig mittels spieltheoretischer Modelle ab (s. Kap. I.4.2.3). So lassen sich z. B. Abstimmungsverhalten über Impairment-Regeln abbilden, indem man jeden einzelnen Anwender für oder gegen die Erhöhung des aktuell geltenden Referenzwertes für die Notwendigkeit einer Abschreibung stimmen lässt (inkrementelle Mehrheitsfindung). Ergibt sich bei einem so ermittelten Referenzwert ein Patt, hat man eine gleichgewichtige Regel gefunden, weil sich keine Mehrheit zu deren Abänderung bereitfinden würde (vgl. Bertomeu/Magee/Schneider 2012, S. 12 ff.). Ökonomisch ist Lobbying nur dann für den Lobbyisten sinnvoll, wenn die daraus entstehenden Kosten durch den erwarteten Nutzen überkompensiert werden. Der erwartete Nutzen ergibt sich aus dem sich durch Lobbying ergebenden Nutzenunterschied zweier Alternativen, gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit, dass das Lobbying erfolgreich ist (vgl. Sutton 1984, S. 82). Wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich Lobbying lassen sich wie folgt unterteilen (vgl. Sutton 1984, S. 93; Königsgruber 2009b, S. 1316): y Abschlussersteller neigen eher zu Lobbying im Kontext der Rechnungslegung als Abschlussleser, was darin begründet liegen kann, dass Abschlussleser häufig diversifiziert sind und Konsequenzen aus neuen Standards eher Abschlussersteller treffen (vgl. empirisch bestätigend Gilfedder/Ó hÓgartaigh 1998; Giner/Arce 2012, S. 666). Die Diversifikation der Interessengruppen lässt dahingehend einen Unterschied beim Lobbying erwarten, dass diversifizierte Akteure weniger Lobbying ausüben als weniger diversifizierte. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Abschlussprüfer aktiver für ihre Mandanten Lobbying betreiben, wenn es um den Erhalt von Flexibilität in den Rechnungslegungsstandards geht (vgl. Allen/Ramanna/Roychowdhury 2014, S. 52). y Es kann von einem Größeneffekt ausgegangen werden, da große Einflussgruppen häufiger Lobbying betreiben (vgl. empirisch bestätigend Griffin 1982, für Australien; Brasher und Lowery 2006, für die USA). y Bei Wirtschaftsprüfern sind wesentliche Einflussnahmen auf den Prozess der Normengebung zu erwarten (vgl. empirisch bestätigend Newman 1981), wobei die Wirtschaftsprüfer auch eigene Interessen verfolgen (vgl. bestätigend für Großbritannien MacArthur 1988, sowie Haring 1979, für die USA). So sinkt die Verlässlichkeit der Stellungnahmen z. B. dann, wenn gravierendere Haftungsfolgen aus einer anstehenden Standardänderung zu erwarten sind (vgl. Allen/Ramanna/Roychowdhury 2014, S. 51). y Hochschullehrer haben in Deutschland traditionell wesentlichen Anteil an der Regulierung der Rechnungslegung, indem sie sowohl Interpretationen durch Kommentarliteratur liefern als auch als Sachverständige im Gesetzgebungsprozess auftreten. Hingegen liefern Hochschullehrer in den USA weniger comment letters im Normengebungsprozess, da sie einen geringen Einfluss der eigenen Meinung befürchten (vgl. Tandy/Wilburn 1996). y Außerdem lässt sich feststellen, dass Unternehmen, die aktiv Lobbying betreiben, bessere Kursentwicklungen aufweisen. Es lassen sich auch in der Finanzberichterstattung signifikant höhere Ergebnisse vor außerordentlichen Ergebisbestandteilen (income before extraordinary items) feststellen (vgl. Chen/Parsley/Yang 2015, insbes. S. 455).
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Abschließend sollte beachtet werden, dass auch (supra-)nationale Einrichtungen Lobbying bereiben und auf den Standardsetzungsprozess massiv Einfluss nehmen. So hat die EU einen eigenen Konsultationsprozess im Rahmen der Einführung von IFRS 8 initiiert, um eine für möglich gehaltene Reduktion ausgewiesener operativer Segmente zu verhindern (vgl. Crawford et al. 2014, S. 310). Beispiel Normengebung und Eigeninteressen Die folgenden Beispiele basieren vor allem auf einkommensorientierten Erklärungsansätzen, d. h., die im Normengebungsprozess involvierten Akteure setzen sich für bestimmte Normen ein, weil sie sich hiervon einen positiven Einfluss auf das eigene Einkommen versprechen (vgl. auch Ordelheide 1997, S. 244 ff.). Die im Normengebungsprozess involvierten Prüfungsgesellschaften neigen u. U. dazu, für komplexe Rechnungslegungsnormen einzutreten, weil diese Beratungsbedarf beim Mandanten generieren, der wiederum Einkunftsmöglichkeiten für den Prüfer eröffnet. Zeff 2003, S. 271, verweist darauf, dass sog. cross-selling von Prüfungs- und Beratungsleistungen im Zuge verschärften Wettbewerbs um Größe und Profitabilität einen wichtigen Faktor darstellt. Nicht auszuschließen ist auch, dass Prüfer sich für solche Normen einsetzen, die für bestimmte Mandanten vorteilhaft sind oder die das Prüfungsrisiko (und damit das Risiko einer möglichen Haftungsinanspruchnahme) reduzieren.40 Unternehmensvertreter dürften sich vor allem für solche Normen interessieren, die nach ihrer Ansicht eine möglichst positive Außendarstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit erlauben. Dies könnte z. B. eine fair value-Bewertung (s. Kap. II.5.3.6) sein, welche über die ursprünglichen Anschaffungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1) hinausgehende Wertansätze ermöglicht. Einkommensorientiert ist ein Lobbying der Unternehmensvertreter dann, wenn z. B. variable Gehaltszahlungen vom Ergebnisausweis im Jahresabschluss abhängen.
Kontrollfragen zu I.5 1. Diskutieren Sie die Notwendigkeit einer Pflichtpublizität für kapitalmarktorientierte und nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen. 2. Welcher Normierungsansatz (rule-based oder principle-based) ist aus dem Blickwinkel der Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen vorziehenswürdig? 3. Teilweise nutzen Unternehmen eigene Aktien als Akquisitionswährung. Spricht ein solches Vorgehen für oder gegen eine Harmonisierung der Rechnungslegungsnormen? 4. Welche Argumente sprechen für und welche gegen eine Harmonisierung der Rechnungslegungsnormen? 5. Diskutieren Sie, ob es sich bei den IFRS um ein eigenständiges Rechtssystem handelt. 6. Als Leiter der Rechnungslegungsabteilung einer deutschen börsennotierten Gesellschaft wollen Sie Ihre fachlichen Bedenken hinsichtlich eines vorliegenden Diskussionsentwurfs zu einem geplanten IFRS artikulieren. Welche Möglichkeiten erscheinen besonders geeignet, um eine Änderung im Diskussionsentwurf durchzusetzen?
40 Empirisch bestätigend zur ablehnenden Haltung gegenüber ED IAS 37 unter Hinweis auf die Probleme der Prüfbarkeit siehe Wielenberg/Blecher/Puchala 2007, S. 456 ff.
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Kapitel I Grundlagen externer Unternehmensrechnungen
7. Was spricht dafür, dass der Normengebungsprozess des IASB transparent ist? 8. Welche Bedeutung hat das DRSC im nationalen und internationalen Normensetzungsprozess? 9. Warum hat sich nach ihrer Ansicht Englisch als »Standardsprache« im Rechnungswesen etabliert?
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
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1 Rechnungslegung als Abbildungsproblem LERNZIELE
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Verständnis für die Rechnungslegung als Abbildungsproblem. Erkennen der Abhängigkeit zwischen Rechnungslegungs- und Marktdaten.
Nachstehend wird das Rechnungslegungsproblem als Abbildungs- bzw. Transformationsproblem gekennzeichnet. Dabei geht es vereinfacht formuliert um die Abbildung ökonomischer Realität im Jahresabschluss bzw. in den darin enthaltenen Abschlussposten. Um einen möglichst systematischen Zugang zu eröffnen, werden innerhalb dieses Kapitels zunächst jene Probleme behandelt (und damit quasi »vor die Klammer gezogen«), die für eine Vielzahl der abschlusspostenbezogenen Betrachtungen bedeutsam sind. Hierzu zählen grundlegende Ausführungen zur kaufmännischen Buchungstechnik (s. Kap. II.2) und zu den theoretischen Überlegungen hinsichtlich des Inhalts von Unternehmensrechnungen (s. Kap. II.3). Nachstehend werden die deutschen und die internationalen Rahmennormen dargestellt (s. Kap. II.4; II.5) und die Methodik der Normenanwendung (s. Kap. II.6) sowie hiermit einhergehende abschlusspolitischen Überlegungen (s. Kap. II.7) näher beleuchtet. Aufbauend auf diesen grundlegenden Ausführungen wird die Erstellung von Jahresabschlüssen zumeist abschlusspostenbezogen im Detail behandelt (s. Kap. III). Aus Sicht des abschlusserstellenden Unternehmens (Anwendersicht) bildet die Rechnungslegung die ökonomische Realität (z. B. Herstellung einer Ware) entsprechend der anzuwendenden Rechnungslegungsnormen ab. Rechnungslegung überführt somit einen regelmäßig unbeeinflussbaren Ist-Zustand in einen Soll-Zustand aus Sicht der Rechnungslegung (vgl. hierzu allgemein Dörner 1987). Der Ist-Zustand ist durch die abzubildende ökonomische Realität gekennzeichnet und der Soll-Zustand stellt die Abbildung der ökonomischen Realität im Jahresabschluss entsprechend der angewandten Rechnungslegungsnormen dar. Die Identifikation des Teilausschnittes der ökonomischen Realität, der unter Anwendung der relevanten Rechnungslegungsnormen in einen Soll-Zustand zu überführen ist, stellt dabei ein wesentliches Problemfeld der Rechnungslegung dar. Hierzu zählen auch jene Ausschnitte der ökonomischen Realität, die z. B. im Hinblick auf ihre Abbildung im Jahresabschluss zu überprüfen, aber letztlich dort nicht abzubilden sind. Als Beispiel ist die Überprüfung der Notwendigkeit der Bildung einer Rückstellung mit dem Ergebnis, dass eine Rückstellungsbildung nicht in Betracht kommt, zu nennen. Für die relevanten Teilausschnitte gilt es, Buchungssätze zu bilden und/oder die relevanten Angabepflichten außerhalb von Bilanz und GuV zu identifizieren. Dabei bezeichnet ein Operator die allgemeine Form einer (auf die Problemlösung bezogenen) Handlung und eine Operation die konkrete Realisierung eines Operators (konkreter Buchungssatz, konkrete Angabepflicht). Die Durchführung einer Buchung und das Tätigen spezifischer Angabepflichten können sich dabei auf die Anwendung einer Reihe bekannter Operatoren beziehen. Beispiel Rechnungslegungsoperatoren – Abbildung durch Marktpreisermittlung Ein Rechnungslegungssystem ist definiert als die Gesamtheit aller Rechnungslegungsnormen, welche Art und Umfang der Rechnungslegung determinieren. Annahmegemäß gibt eine Rechnungslegungsnorm (Einzelnorm) eines fiktiven Rechnungslegungssystems die folgenden Operatoren vor:
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Ein auf der Aktivseite anzusetzender Posten X ist mit dem »Marktpreis« (als Ausprägungsform des Bewertungsmaßstabs »beizulegender Zeitwert«; s. Kap. II.5.3.6.2) anzusetzen und die Differenz zum Bilanzansatz des Vorjahres ist ergebniswirksam zu erfassen. Lässt sich der Marktpreis problemlos ermitteln (z. B. durch die Operation »Blick auf die Preise, welche sich an einer Warenbörse gebildet haben«), gibt die Buchungstechnik bei vom Vorjahr abweichenden Werten vor, wie die Preisveränderung zu erfassen ist. Beispielsweise wäre bei einem niedrigeren Marktpreis im aktuellen Jahr wie folgt zu buchen: Aufwand (GuV) an Aktivposten (Bilanz). Eine typisierende Darstellung der Operatoren findet sich in Kap. II.2, Abbildung II.2./2.
Im obigen Beispiel handelt es sich aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades der Operatoren und ihrer unkritischen Anwendung (Bestimmung der Operation) um ein leichtes Rechnungslegungsproblem. Oftmals sind die Operatoren ex ante jedoch nicht vollends bekannt oder es ergeben sich Probleme bei der Bestimmung der Operationen (z. B. durch die Existenz einer Normenlücke oder eines unbestimmten Normenbegriffs). Beispiel Rechnungslegungsoperatoren – Abbildung durch Vergleichswerte Das vorherige Beispiel abändernd soll angenommen werden, dass sich ein Marktpreis zum Zeitpunkt t1 nicht direkt ermitteln lässt. In diesem Fall kann eine Abbildung darin bestehen, dass der Normenanwender den aktuellen Marktpreis für einen ähnlichen Bilanzposten Y (Marktpreis von Y zum Zeitpunkt t1: PY,1 = 22 €) ermittelt und aufgrund einer stabilen Wertrelation zwischen X und Y in der Vergangenheit (z. B. PX,0 = 10 €, PY,0 = 20 €, sodass gilt: PX,0 = 0,5 × PY,0) auf den Wert von X im aktuellen Jahr (PX,1 = 0,5 × PY,1 = 0,5 × 22 € = 11 €) schließt.
Schwierigkeiten liegen hier in der Beurteilung der Ähnlichkeit der Bilanzposten einerseits und der Beurteilung der Annahme einer stabilen Wertrelation zwischen X und Y andererseits. Ein auf diese Weise ersatzweise ermittelter, vom Vorjahr abweichender Wertansatz führt wiederum durch Anwendung bekannter Operatoren (Buchungstechnik) zur Operation (Buchungssatz). Teilweise enthalten die Normen selbst prozessuale Vorgaben zur Lösung nicht eindeutig normierter Probleme. In einem engen Zusammenhang hierzu stehen die Rahmennormen (s. Kap. II.4; II.5), welche im Fall einer nicht vorhandenen oder auslegungsbedürftigen Norm heranzuziehen sind. Rahmennormen existieren auch aus dem Grund, dass selbst noch so ausgefeilte Einzelnormen (welche sich auf die Vorgaben zur Behandlung spezifischer Sachverhalte wie z. B. immaterielle Vermögensposten beziehen, s. Kap. III.3.2) nicht alle Bilanzierungsfragen umfassend regeln können (s. Kap. II.4.1). Daneben beeinflussen auch Überlegungen der Unternehmensleitung, die z. B. auf einen bestimmten Ergebnisausweis abzielen (abschlusspolitische Überlegungen; s. Kap. II.7), den Abbildungsprozess. Die Kenntnis der relevanten Rechengrößen (s. Kap. II.2.1.1), Rechnungslegungsmethoden (s. Kap. II.2.1.2) und der Buchungstechnik (s. Kap. II.2.2 bis II.2.3) wird grundlegend vorausgesetzt. Weiterhin werden besondere Probleme der Erstellung von Konzernabschlüssen gesondert behandelt (s. Kap. IV). Das Rechnungslegungsproblem lässt sich demnach als Abbildungs- oder Transformationsproblem kennzeichnen, welches Ist-Zustände durch Operationen ins Rechnungswesen abbildet. Im Folgenden werden Probleme der Beschaffung von Informationen zur Abbildung der ökonomischen Realität ausgeblendet, indem vereinfacht davon ausgegangen wird, dass alle relevanten Informationen vorhanden sind und dass auf dieser Basis der Soll-Zustand herzuleiten ist. Das anstehende Abbildungsproblem lässt sich prozessual wie folgt strukturieren:
1 Rechnungslegung als Abbildungsproblem
Ist-Zustand
Ökonomische Realität des Unternehmens Bestimmung des relevanten Teilausschnittes der ökonomischen Realität
Operationen Buchung, Offenlegungserfordernisse
Soll-Zustand
Abschluss, Sonderrechnungen, sonstige Angaben
Abb. II.1./1 Rechnungslegungsproblem als Transformationsproblem
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2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik LERNZIELE
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Kenntnis der relevanten Grundbegriffe sowie der dazugehörigen Begriffsinhalte. Verständnis für grundlegende Buchungstechniken sowie die Besonderheiten einer IT-gestützten Erstellung von Abschlüssen und einer Erstellung von Abschlüssen nach unterschiedlichen Normensystemen.
2.1 Grundbegriffe 2.1.1 Stromgrößen und Bestandsgrößen Interne und externe Unternehmensrechnungen beschäftigen sich mit der Gestaltung von Informationssystemen in Unternehmen und orientieren sich grundlegend an den Informationsbedürfnissen verschiedener Adressaten (vgl. hierzu detailliert Ewert/Wagenhofer 2014, S. 3 ff.). Die externe Unternehmensrechnung konzentriert sich dabei auf die Informationsbedürfnisse externer Nutzer, wie z. B. Investoren und Fremdkapitalgeber. Im Gegensatz dazu orientiert sich die interne Unternehmensrechnung an der Ausgestaltung unternehmensinterner Informationssysteme. Interne und externe Unternehmensrechnungen (s. Kap. I.3.1.1.2) erfordern dabei einen bestimmten Informationsbedarf. An diesem Informationsbedarf müssen sich auch die verwandten Rechengrößen orientieren. Im System der externen Unternehmensrechnung lassen sich Bestandsgrößen und Stromgrößen unterscheiden. Bestandsgrößen stellen eine zeitpunktbezogene Sicht dar, während Stromgrößen zeitraumbezogen sind. Die Veränderung einer Bestandsgröße, die zwischen zwei unterschiedlichen Zeitpunkten eintritt, lässt sich durch Stromgrößen erklären. Stromgrößen der externen Unternehmensrechnung finden sich in der Kapitalflussrechnung sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Die Kapitalflussrechnung (s. Kap. III.4.2) ist eine Zahlungsstromrechnung, die Veränderungen im Finanzmittelbestand (als Saldo von Einzahlungen und Auszahlungen) eines Unternehmens erklärt. Unter Auszahlungen werden Stromgrößen (Veränderungsgrößen) verstanden, welche die Abnahme des Bestandes an Zahlungsmitteln bewirken, während Einzahlungen als Stromgrößen definiert sind, welche eine Erhöhung des Bestandes an Zahlungsmitteln zur Folge haben. Die Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen innerhalb einer Periode wird als Cashflow bzw. Einzahlungsüberschuss bezeichnet. Umfassender als die Begriffe Einzahlungen und Auszahlungen sind die in der Finanzrechnung (mittel- und langfristige Kapitalbeschaffung) bedeutsamen Begriffe Ausgaben und Einnahmen, welche die Bestandsgröße Nettogeldvermögen (Bestand an liquiden Mitteln zuzüglich Forderungen abzüglich Verbindlichkeiten) verändern. Einnahmen/Ausgaben führen zu einer Zunahme/Abnahme des Nettogeldvermögens. In der GuV sind nach deutschen Normen als Stromgrößen Erträge und Aufwendungen sowie nach internationalen Normen income und expenses bedeutsam. Bei den Erträgen bzw. beim income handelt es sich um die Zunahme der Bestandsgröße Nettovermögen (vereinfacht: Vermögen abzüglich Schulden = Eigenkapital). Sie ergeben sich in der GuV nach Maßgabe der anzuwendenden Rechnungslegungsnormen (s. Kap. II.5.3.3.3.a). Bei den Aufwendungen bzw. expenses handelt es sich analog um die Abnahme des Nettovermögens, die in der GuV nach Maßgabe der anzuwendenden Rechnungslegungsnormen zu erfassen ist. International ist eine Gesamtergebnisrechnung aufzustellen, die sich aus der GuV (separate income statement)
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
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und einer Aufstellung der ergebnisneutral gebuchten Wertänderungen von Vermögens- und Schuldposten (other comprehensive income) zusammensetzt (s. Kap. II.5.3.3.3). Auch die Veränderungen im other comprehensive income lassen sich als Stromgrößen interpretieren (Veränderung des Eigenkapitals zu Beginn und am Ende einer Periode, die auf bestimmten direkten eigenkapitalmindernden oder -erhöhenden Buchungen basieren). Aufwendungen und Erträge sind so abgegrenzt, dass dem Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung (s. Kap. II.5.3.2.2) entsprochen wird. Ein wesentliches Ziel einer externen Unternehmensrechnung ist es, die Auszahlungen und Einzahlungen so auf die einzelnen Jahresabschlussperioden zu verteilen, dass das ermittelte GuV-Ergebnis der vorgegebenen Zielsetzung der angewandten Rechnungslegungsnormen bestmöglich entspricht. Beispiel Periodisierung von Auszahlungen und Einzahlungen Annahmegemäß soll ein Abschluss primär Informationszwecken dienen. Kauft ein Unternehmer z. B. eine Maschine für 200 T€ (Auszahlung), ist es nicht informativ, die 200 T€ vollumfänglich ergebnismindernd in der GuV zu erfassen. Vielmehr kommt es darauf an, in der GuV die Veränderung des Nettovermögens zu erfassen. Wird die Maschine fünf Jahre gleichmäßig genutzt, nimmt das Nettovermögen unter der gewählten Annahme jedes Jahr um 40 T€ (200 T€/5 Jahre) ab, sodass die in der GuV zu zeigenden Aufwendungen pro Jahr 40 T€ betragen.
Ein Jahresabschluss liefert für einen Investor entscheidungsnützliche Informationen, wenn ein bereits entstandener, aber noch nicht realisierter Kursgewinn als income in der GuV erfasst wird (internationale Rechnungslegung). Wird hingegen ein gläubigerschutzorientierter Jahresabschlusszweck verfolgt, und soll daher ein vorsichtiger Gewinn ohne Berücksichtigung der Kursänderung gezeigt (und die Ausschüttungen hierauf begrenzt) werden, dann ist der Gewinn erst bei Realisation (Einnahme aus dem Verkauf des Wertpapiers) als Ertrag in der GuV zu erfassen. Die Nettovermögensänderungen sind durch das jeweils anzuwendende Normensystem definiert. Dies verdeutlicht die Konventionsbasierung der externen Unternehmensrechnung. Die deutsche Übersetzung der IFRS übersetzt die Begriffe income mit Ertrag und expense mit Aufwand, obgleich die beiden Begriffspaare inhaltlich nicht zwingend deckungsgleich sind (s. Kap. II.5.3.5.6), d. h., es kann income geben, das keinen Ertrag i. S. des deutschen Handelsrechts darstellt (z. B. bei Anwendung der Neubewertungsmethode im Rahmen des IAS 16; s. Kap. III.3.1.3.2.b). Im Folgenden werden jedoch grundsätzlich die Begriffe Ertrag und Aufwand verwendet. Ist aufgrund abweichender Begriffsinhalte eine Unterscheidung notwendig, werden im IFRS-Kontext die englischsprachigen Begriffe verwendet. Die zuvor dargestellten Stromgrößen stehen wiederum in einem systematischen Zusammenhang mit den Bestandsgrößen in der Bilanz. Demnach lässt sich die Ergebnisgröße am Ende des Geschäftsjahres y zum einen durch einen Vergleich der in der GuV erfassten Stromgrößen errechnen. Es gilt bei Erstellung einer GuV: Erträge – Aufwendungen = Jahresergebnis. y Zum anderen lässt sich die Ergebnisgröße am Ende des Geschäftsjahres auch durch einen Vergleich der Bestandsgrößen Eigenkapital am Ende des aktuellen Geschäftsjahrs (31.12.t1) und Eigenkapital am Ende des Vorjahres (31.12.t0) ermitteln.1
1
Eigenkapitalveränderungen durch Transaktionen mit den Anteilseignern (z. B. Einlagen ins Unternehmen) müssen in einem allgemeineren Fall herausgerechnet werden. Es gilt: Ergebnisgröße des aktuellen Jahres t1 = Eigenkapital in t1 – Eigenkapital in t0 – Einlagen + Entnahmen.
166
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die Gewinnermittlung über den Vergleich entweder der Stromgrößen in der GuV oder der zuvor genannten Bestandsgrößen in der Bilanz führt in einem bestimmten Jahr stets zu demselben Ergebnis, sofern alle Änderungen des bilanziellen Reinvermögens auch entsprechende, in der GuV abgebildete Stromgrößen induzieren. Allerdings weist die Ergebnisermittlung allein über die Bestandsgrößen den Nachteil auf, dass die Quellen des Jahresergebnisses nicht ersichtlich sind (zur Ergebnisspaltung s. Kap. II.5.3.3.3.b). Die Bestandsgrößen der Bilanz lassen sich wiederum nach ihrer Mittelverwendung (Aktivseite) und der Mittelherkunft (Passivseite) unterscheiden. Bei den zur Verfügung gestellten Mitteln (Passivseite) kann es sich y zum einen um Mittel handeln, die von Externen (z. B. Kreditgeber) zeitlich begrenzt zur Verfügung gestellt werden (Fremdkapital), und zum anderen y um Mittel handeln, die von den Unternehmenseignern regelmäßig unbefristet zur Verfügung gestellt werden (Eigenkapital). Bei den Fremdkapitalgebern handelt es sich um Festbetragsbeteiligte, da diese einen fixierten Zahlungsanspruch haben. Dagegen handelt es sich bei den Eigenkapitalgebern um Restbetragsbeteiligte (auch Residualbetragsbeteiligte). Den Eigenkapitalgebern steht z. B. bei der Unternehmensauflösung regelmäßig nur der (Rest-)Betrag zur Verfügung, der vom Liquidationserlös nach Befriedigung der Gläubiger (Fremdkapitalgeber) verbleibt (vgl. z. B. Wöhe/ Döring/Brösel 2020, S. 530 f.).
2.1.2 Rechnungslegungsmethoden Weitere häufig verwendete Begriffe stehen in einem engen Zusammenhang zu den eingesetzten Rechnungslegungsmethoden. Rechnungslegungsmethoden (accounting policies) umfassen alle Verfahren, die bei der Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen zur Anwendung gelangen. Hierzu zählen Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden: Bilanzansatzmethoden beziehen sich auf die Verfahren zur Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Posten bilanziell abgebildet werden muss bzw. kann und ob dieser auf der Aktiv- oder Passivseite der Bilanz zu erfassen ist (Bilanzansatz, Bilanzierung dem Grunde nach). Ansatzmethoden umfassen demnach das planvolle Vorgehen bei der Ausübung von expliziten Ansatzwahlrechten sowie bei der Ausübung von Ermessensspielräumen im Rahmen der Entscheidung des Bilanzansatzes (vgl. IDW RS HFA 38.7 sowie s. Kap. II.7.2.2.2). Nach deutschen Normen sind als Bilanzposten auf der Aktivseite vor allem die Vermögensgegenstände und auf der Passivseite vor allem das Eigenkapital und die Schulden zu nennen. In ähnlicher Weise sind international auf der Aktivseite assets (Vermögenswert) und auf der Passivseite equity (Eigenkapital) und liabilities (Schulden) anzusetzen. Die genannten Begriffspaare wie z. B. equity und Eigenkapital können übereinstimmen; dies ist jedoch nicht zwingend. Bewertungsmethoden beziehen sich auf die Verfahren zur Bestimmung der Geldbeträge, mit denen die Abschlussposten in der Bilanz und GuV anzusetzen sind. Die zielgerichtete Anwendung einer Bewertungsmethode kann dabei auch abschlusspolitisch motiviert sein (s. Kap. II.7.2.2.1). In zeitlicher Hinsicht ist die Bewertung wie folgt zu differenzieren: y Geht es um die erstmalige Bewertung der in der Bilanz anzusetzenden Posten, so wird von der Erst- oder der Zugangsbewertung gesprochen (measurement at recognition). Eine Erstbewertung kann sich auf die erstmalige Erfassung eines Sachverhalts im laufenden Geschäftsjahr (z. B. Kauf einer Maschine im laufenden Geschäftsjahr und deren
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
y
167
zeitnahe, unterjährige Einbuchung) oder am Jahresende (z. B. Rückstellungsbildung zum Ende des Geschäftsjahres) beziehen. Die Folgebewertung (measurement after recognition) bezieht sich auf die Bewertung von Bilanzposten an den Bilanzstichtagen, welche dem Geschäftsjahr der Erstbewertung oder Einbuchung folgen.
Im Rahmen der anzuwendenden Bewertungsmethode gelangen Bewertungsmaßstäbe (measurement bases; s. Kap. II.5.3.6) zur Anwendung. Der Begriff Bewertungsmethode ist weiter gefasst als der des Bewertungsmaßstabs, da eine Bewertungsmethode ggf. den Einsatz verschiedener Bewertungsmaßstäbe erfordert. Beispielsweise ist bei der Bestimmung des erzielbaren Betrages im Rahmen des Wertminderungstests gem. IAS 36 der beizulegende Zeitwert abzüglich Verkaufskosten mit dem Nutzungswert zu vergleichen und der höhere der beiden Beträge heranzuziehen (s. Kap. II.5.3.6.4). Wichtige Bewertungsmaßstäbe im Rahmen der Erst- bzw. Zugangsbewertung sind die (historischen) Anschaffungs- und die Herstellungskosten. International sind diese beiden Bewertungsmaßstäbe dem Bewertungsmaßstab der historischen Kosten (historical cost) zuzurechnen (hierzu IASB F.6.4, s. Kap. II.5.3.6.2). Herstellungskosten sind für selbst erstellte Vermögensposten bedeutsam, während Anschaffungskosten für aus Einzelunternehmenssicht fremdbezogene Vermögensposten von Bedeutung sind. Bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten handelt es sich um ursprüngliche (originäre) Bewertungsmaßstäbe. Diese Bezeichnung weist darauf hin, dass die Bewertung so lange mit diesen Bewertungsmaßstäben durchzuführen ist, wie nicht andere Rechnungslegungsnormen (im Rahmen der Folgebewertung) einen anderen Wertansatz vorschreiben oder zulassen (vgl. ähnlich Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 1). Konkrete Vorgaben zur Anwendung der genannten Bewertungsmaßstäbe finden sich in den jeweiligen Rechnungslegungsnormen. Anschaffungs- und Herstellungskosten basieren trotz des Verweises auf »Kosten« grundsätzlich auf dem pagatorischen Prinzip, d. h., dem im Zuge der Erstbewertung angesetzten Betrag müssen (geleistete oder künftige) Auszahlungen zugrunde liegen. Insofern beinhalten diese Kosten keine kalkulatorischen Kosten. Die ursprünglichen Bewertungsmaßstäbe besitzen oftmals auch im Rahmen der Folgebewertung ihre Bedeutung. Dies gilt zum einen dahingehend, dass die erstmals festgestellten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ggf. planmäßig oder außerplanmäßig abzuschreiben sind. Wird beispielsweise ein Vermögensgegenstand planmäßig genutzt, sind in den Folgeperioden die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Beispielsweise betragen die fortgeführten Anschaffungskosten einer in t1 für 50 T€ fremdbezogenen Maschine mit einer planmäßigen Abschreibung in t2 von 5 T€ für das Jahr t2 45 T€. Der Begriff außerplanmäßige Abschreibungen ist auf nationaler Ebene gebräuchlich (z. B. § 253 Abs. 3 S. 5 HGB). International findet regelmäßig für außerplanmäßige Wertansatzkorrekturen, die zu einem niedrigeren Wertansatz führen, der Begriff Wertminderung (impairment) Verwendung (z. B. IAS 36; s. Kap. II.5.3.8.2). Wurde außerplanmäßig abgeschrieben und sind die Gründe hierfür in einer Folgeperiode entfallen, ist höchstens bis zu dem zuvor abgeschriebenen Betrag wieder zuzuschreiben (Wertaufholung, reversal of an impairment loss; s. Kap. II.5.3.8.3). Wurden z. B. nach HGB annahmegemäß zu 30 T€ gekaufte Wertpapiere aufgrund gesunkener Kurse auf 25 T€ außerplanmäßig abgeschrieben und ist der Kurs der Papiere im nächsten Jahr wieder auf 30 T€ gestiegen, so sind ggf. 5 T€ zuzuschreiben bzw. wertaufzuholen.
168
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
t Erst-/Zugangsbewertung
Folgebewertung(en)
Anschaffungskosten
planmäßige Abschreibungen
Herstellungskosten
außerplanmäßige Abschreibungen (Wertminderungen) und Wertaufholungen
originäre Bewertungsmaßstäbe
Auf- oder Abwertungen auf Grund der Anwendung eines spezifischen Bewertungsmaßstabs (losgelöst von den originären Bewertungsmaßstäben)
Abb. II.2./1 Erst-/Zugangsbewertung und Folgebewertung(en)
Im Rahmen der Folgebewertung geben die internationalen Normen teilweise Bewertungsmaßstäbe (s. Kap. II.5.3.8.2) vor, die zu einem Wertansatz führen, der völlig losgelöst von den im Rahmen der Erstbewertung ermittelten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu sehen ist. Der jeweils relevante Bewertungsmaßstab findet sich in den zumeist postenspezifischen IFRS. Beispielsweise können Sachanlagen gem. IAS 16.31 zum Neubewertungsbetrag (s. Kap. III.3.1.3.2.b) angesetzt werden. Die Anwendung des angegebenen Bewertungsmaßstabs kann zu einem Wertansatz führen, der höher oder niedriger als der (fortgeführte) Buchwert ist. Auch ein Überschreiten der ursprünglichen Aufwendungen ist möglich. Gelangen auf internationaler Ebene Beträge zum Ansatz, die über die historischen Kosten hinausgehen, wird gegen das pagatorische Prinzip i. e. S. verstoßen. In diesem Fall erachtet es das IASB als ausreichend, einen höheren (nicht auf pagatorischen Größen der Vergangenheit abgesicherten) Wertansatz mit einem erwarteten Nutzenzufluss (zumeist in Form von Einzahlungen in der Zukunft) zu rechtfertigen, d. h., das pagatorische Prinzip wird um erwartete künftige Zahlungsflüsse erweitert (pagatorisches Prinzip i. w. S.). Das gesamte Beziehungsgeflecht verdeutlicht Abbildung II.2./1.
2.2 Geschäftsvorfälle Die externe Rechnungslegung basiert stets auf einer Buchführung, welche alle Geschäftsvorfälle einer Periode abbildet. Handelsrechtlich ist die Buchführungspflicht in den §§ 238 ff. HGB kodifiziert. International besteht eine faktische Buchführungspflicht (s. Kap. I.3.2.2.1.a). Buchungstechnik bezieht sich auf die Herleitung der Schlussbilanz aus der Eröffnungsbilanz anhand von Buchungssätzen, welche Geschäftsvorfälle abbilden (z. B. Schanz 2015, S. 31 ff.; Wöhe/Kußmaul 2018, S. 61 ff.). Geschäftsvorfälle (business transactions) sind dabei wirtschaftliche und rechtliche Vorgänge, die in der GuV und/oder der Bilanz nach bestimmten Regeln wertmäßig zu erfassen sind und zu einer Änderung der Zusammensetzung des Vermögens oder Kapitals eines Unternehmens führen. Die Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle erfolgt in chronologischer Folge im Grundbuch (journal) und nach sachlichen Gesichtspunkten im Hauptbuch (general ledger), d. h. auf Konten wie z. B. flüssige Mittel, sonstige Verbindlichkeiten und sonstige betriebliche Erträge. In der Buchhaltung sind die Geschäftsvorfälle zu erfassen. Zu beachten ist stets das Prinzip der doppelten Buchführung (Doppik), d. h., jeder Geschäftsvorfall ist auf mindestens zwei Konten zu buchen. Soll und Haben jedes Buchungssatzes müssen sich insgesamt der Höhe nach entsprechen. Dies führt wiederum dazu, dass Aktiva und Passiva der Bilanz in ihrer Höhe stets deckungsgleich sind. In einem engen Zusammenhang hierzu steht, dass sich das Periodenergebnis i. d. R. sowohl aus der Bilanz als auch aus der GuV ermitteln lässt.
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
169
Geschäftsvorfälle können rein formaler Natur sein. Angesprochen sind die formalen Eröffnungsbuchungen und die formalen Abschlussbuchungen. Materielle Geschäftsvorfälle lassen sich in laufende Geschäftsvorfälle und materielle Abschlussbuchungen unterscheiden. Materielle Geschäftsvorfälle können ergebnisneutral und/oder ergebniswirksam sein. Ein Geschäftsvorfall ist ergebniswirksam, sobald dieser in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag oder Aufwand zu erfassen ist. y Das Prinzip der doppelten Buchführung bedingt, dass auch bei Eröffnungs- und Abschlussbuchungen eine Buchung nicht ohne entsprechende Gegenbuchung erfolgen darf. Formale Eröffnungsbuchungen gewährleisten, dass die Anfangsbestände der aktiven und passiven Bestandskonten erfasst werden. Als Gegenkonto kommt jedoch die (Vor‑)Jahresbilanz nicht in Frage, da diese rein statistisch ist, also außerhalb des Systems der doppelten Buchführung steht. Durch die Einführung eines zur Bilanz seitenverkehrten Hilfskontos, dem sog. Eröffnungsbilanzkonto (EBK), kann die Doppik hingegen gewahrt werden (vgl. Eisele/Knobloch 2018, S. 88). y Formale Abschlussbuchungen folgen der gleichen Logik und übertragen die Periodenendsalden der Bestandskonten an das Schlussbilanzkonto, welches jedoch seitengleich zur Bilanz ist. y Materielle Geschäftsvorfälle lassen sich wiederum in laufende Geschäftsvorfälle und materielle Abschlussbuchungen unterscheiden. Materielle Geschäftsvorfälle können ergebnisneutral und/oder ergebniswirksam sein. – Bei der Buchung laufender Geschäftsvorfälle werden im normalen Geschäftsgang realisierte Geschäftsvorfälle zeitnah buchhalterisch erfasst, z. B. Wareneinkauf, Kassenabgang. – Materielle Abschlussbuchungen (vorbereitende Abschlussbuchungen) berücksichtigen, dass über die Buchung der laufenden Geschäftsvorfälle nicht alle aus Sicht der zugrunde liegenden Rechnungslegungsnormen aufwands- und ertragswirksam zu erfassenden Geschäftsvorfälle berücksichtigt werden. Daher müssen zusätzlich materielle Abschlussbuchungen vorgenommen werden, welche eine periodengerechte Ergebnisermittlung ermöglichen, z. B. die Vornahme von planmäßigen Abschreibungen oder die Dotierung von Rückstellungen. Die Geschäftsvorfälle lassen sich unter Beachtung der Buchungsgrundregel typisierend wie in Abbildung II.2./2 dargestellt systematisieren. Vermögensposition (asset)
Schuldposition (liability)
Ergebniserhöhend
1
Vermögen (asset) an Ertrag (income)
2
Schulden (liability) an Ertrag (income)
Ergebnismindernd
3
Aufwand (expenses) an Vermögen (asset)
4
Aufwand (expenses) an Schulden (liability)
Eigenkapitalerhöhend
5
Vermögen (asset) an Eigenkapital (equity)
5
Schulden (liability) an Eigenkapital (equity)
Eigenkapitalmindernd
7
Eigenkapital (equity) an Vermögen (asset)
8
Eigenkapital (equity) an Schulden (liability)
Umbuchungen
9
Vermögen (asset) an Vermögen (asset)
10
Schulden (liability) an Schulden (liability)
11
Vermögen (asset) an Schulden (liability)
12
Schulden (liability) an Vermögen (asset)
Ergebniswirksam
Ergebnisneutral
Abb. II.2./2 Typisierende Systematisierung ergebniswirksamer und ergebnisneutraler Geschäftsvorfälle
170
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
In diese Systematik lassen sich die einzelnen Geschäftsvorfälle einordnen. Beispielsweise ist die planmäßige Abschreibung einer Maschine ergebniswirksam. Insofern entfällt der ergebnisneutrale Teil der Systematisierung. Da weiterhin ein auf der Aktivseite der Bilanz angesetzter Posten in seinem Wertansatz gemindert wird und durch die Abschreibung ein Aufwand zu verbuchen ist, kommt die typisierende Buchung 3 in Betracht. Die Bildung einer Rückstellung ist ebenfalls ergebniswirksam. Der Passivposten Rückstellungen erhöht sich bei gleichzeitiger Buchung eines Aufwands. Insofern kommt die typisierende Buchung 4 in Betracht. Kommt es zu einer ergebnisneutralen Wertänderung, ist der untere Teil der Systematisierung relevant. Dies ist beispielsweise bei einer Werterhöhung eines Vermögenspostens der Fall, die direkt, d. h., unter Umgehung der GuV, zu einer Eigenkapitalerhöhung führt (vgl. die typisierende Buchung 5). Ein solches Vorgehen kommt ggf. nach IFRS in Betracht. Ergebnisneutral gebuchte Eigenkapitalveränderungen finden sich international im sog. other comprehensive income (als Bestandteil der Gesamtergebnisrechnung; s. Kap. II.5.3.3.3). Zu den ergebnisneutralen Buchungen zählen auch Umbuchungen. Die Unternehmenspraxis führt zur Erfassung und Verarbeitung der Geschäftsvorfälle im Hauptbuch zahlreiche Konten. Um die Konten systematisch zu ordnen, gibt es Kontenrahmen und Kontenpläne (vgl. Littkemann/Holtrup/Schulte 2016, S. 23 ff., 325 ff.; Döring/Buchholz 2021, S. 183 ff.). y Der Kontenrahmen ist ein branchenspezifisches Ordnungsinstrument für Konten der Buchhaltung (z. B. Industriekontenrahmen, Gemeinschaftskontenrahmen oder Spezialkontenrahmen der DATEV). Der Kontenrahmen umfasst verschiedene Kontenklassen. Die Kontenklassen folgen beim Industriekontenrahmen beispielsweise dem Abschlussgliederungsprinzip (Klassen 0–2: Aktivkonten, Klassen 3–4: Passivkonten, Klassen 5–7: GuV, Klasse 8: Abschlusskonten und die Klasse 9 ist frei für die Kostenrechnung). Aufgrund der Trennung von Finanzbuchhaltung (Klassen 0–8) und Kostenrechnung (Klasse 9) wird hier auch von einem Zweikreissystem gesprochen. y Der Kontenplan ist eine systematische Übersicht der in einem bestimmten Unternehmen geführten Konten. Der Kontenplan orientiert sich regelmäßig am Kontenrahmen.
2.3 Darstellungsformen der GuV Die gewählte Darstellungsform der GuV beeinflusst die Buchungstechnik. Als Darstellungsformen kommen das Gesamtkostenverfahren (nature of expense method) und das Umsatzkostenverfahren (cost of sales method oder function of expense method) in Betracht (IAS 1.99 ff.; § 275 HGB). Die Begriffe Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren sind streng genommen nicht zutreffend, weil in der GuV Erträge und Aufwendungen und nicht betriebliche Leistungen und Kosten2 erfasst werden. Ohne die aus dem jeweiligen Normensystem resultierenden Besonderheiten näher zu vertiefen, wird nachstehend die Buchungstechnik der beiden Darstellungsformen in ihren Grundzügen am Beispiel eines Industriebetriebs dargestellt.
2
Kosten umfassen den bewerteten Verzehr von Gütern und Dienstleistungen, der durch die betriebliche Leistungserstellung in einer bestimmten Periode verursacht wird. Kosten werden in der Kostenrechnung erfasst, die wiederum einen Teilbereich der internen Unternehmensrechnung (s. Kap. I.3.1.1.1) bildet. Ziel der Kostenrechnung ist z. B. die Kalkulation der betrieblichen Leistungen. Der Kostenbegriff umfasst z. B. auch kalkulatorische Kosten und unterscheidet sich insofern vom Begriff des Aufwands. Vgl. hierzu z. B. Haberstock 2020, S. 21 ff.
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
171
2.3.1 Gesamtkostenverfahren Beim Gesamtkostenverfahren ist die GuV nach Kostenarten (vor allem Materialaufwand, Personalaufwand und Abschreibungen) gegliedert und zeigt die gesamte Periodenleistung (Gesamtleistung) sowie die dabei angefallenen Kosten (Gesamtkosten). Die gesamten Kosten werden demnach unabhängig davon ausgewiesen, ob die Erzeugnisse verkauft wurden oder noch auf Lager liegen. Als spezifische GuV-Posten sind die Posten »Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen« sowie »andere aktivierte Eigenleistungen« zu nennen. Wesensmerkmal ist, dass die Erträge (über das GuV-Konto »Bestandsänderungen«) an die Aufwendungen der in der Rechnungslegungsperiode produzierten Mengen angepasst werden. Im Folgenden werden exemplarisch einige Geschäftsvorfälle und deren Verbuchung im Gesamtkostenverfahren gezeigt. Der Umsatzsteuersatz beträgt nachstehend einheitlich 19 %. Geschäftsvorfälle »Produktion« und »Warenverkauf«: In t1 gilt: y Produktion von 100 Einheiten: Personalaufwand für die Arbeitnehmer in der Fertigung 10 € pro Einheit, Rohstoffaufwand 2 € pro Einheit (netto). Die Rohstoffe werden von Dritten zeitnah bezogen und sofort verbraucht. Personal- und Materialaufwendungen werden per Banküberweisung beglichen. y Absatz von 60 Einheiten: Umsatzerlöse 20 € pro Einheit netto, Barverkauf. Weiterhin fallen für den Vertrieb Personalaufwendungen in Höhe von 100 € und für die allgemeine Verwaltung Personalaufwendungen in Höhe von 50 € an (Begleichung per Banküberweisung). Die laufenden Geschäftsvorfälle sind vereinfacht wie folgt zu buchen (ausführlich Döring/Buchholz 2021, S. 79 ff.): Personalaufwand Materialaufwand Vorsteuer Kasse
1.150 € 200 € 38 € 1.428 €
an an
Bank Bank
1.150 € 238 €
an
Umsatzerlöse Umsatzsteuer
1.200 € 228 €
Geschäftsvorfall »Erstellte Eigenleistung«: Als weiterer laufender Geschäftsvorfall sind Eigenleistungen zu nennen. Eigenleistungen sind Leistungen, die das Unternehmen erbringt, die aber nicht unmittelbar für den Absatz bestimmt sind. Hierunter fallen im Wesentlichen selbst erstellte Vermögensposten des Anlagevermögens (selbst erstellte Gebäude oder selbst erstellte Maschinen) sowie aktivierte Großreparaturen.3 Dabei ist es wichtig, zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand (s. Kap. II.5.3.7.2.a) zu unterscheiden. Für zu aktivierende Eigenleistungen (Anlagen im Bau) fallen Personalaufwendungen in Höhe von 500 € an, die durch Banküberweisung beglichen werden (zur Aktivierung siehe »Anlagen im Bau«). Personalaufwand
500 €
an
Bank
500 €
Geschäftsvorfall »Zinsaufwand«: Für aufgenommene Kredite fallen in Bezug auf das Geschäftsjahr Zinsaufwendungen in Höhe von 60 € an, die per Banküberweisung beglichen
3
Großreparaturen sind handelsrechtlich aktivierbar, wenn diese z. B. die Gebrauchs- und Verwertungsmöglichkeiten der Anlage wesentlich verändern.
172
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
werden. Die Zinsaufwendungen sind nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung der Herstellung eines Vermögenspostens angefallen. Zinsaufwand
60 €
an
Bank
60 €
GuV-bezogene Abschlussbuchungen: Zu berücksichtigen ist, dass die Maschine (Sachanlagen), mit der die Produkte hergestellt wurden, planmäßig abzuschreiben ist (70 €). Planmäßige Abschreibungen
70 €
an
Sachanlagen
70 €
Als laufender Geschäftsvorfall wurden Material- und Personalaufwendungen in Bezug auf 100 Einheiten gebucht. Anzupassen sind die Erträge (Umsatzerlöse in Bezug auf 60 Einheiten) an die Aufwendungen der in der Rechnungslegungsperiode produzierten Mengen (100 Einheiten). Es kommt demnach zu einer Bestandserhöhung (40 Einheiten werden produziert, liegen aber am Ende der Periode auf Lager), d. h., in der GuV sind die Bestandserhöhungen (Ertrag) auf dem Konto »Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen« (kurz: Bestandsänderung) zu buchen. Die Bestandserhöhung ist zu Herstellungskosten zu bewerten. Diese Erhöhung umfasst zunächst einmal die Material- (2 € pro Einheit) und Personalaufwendungen (10 € pro Einheit): 40 Einheiten × 12 € = 480 €. Weiterhin sollen die anteiligen Abschreibungen aktiviert werden: 70 € × 40 Einheiten/ 100 Einheiten = 28 €. Demnach sind insgesamt 508 € (480 € + 28 €) zu aktivieren. Fertige Erzeugnisse
508 €
an
Bestandsänderung
508 €
Die zu aktivierenden Eigenleistungen sind auf das aktive Bestandskonto »Anlagen im Bau« zu buchen (zu der korrespondierenden Bilanzposition vgl. § 266 Abs. 2 A. II. 4. HGB). Alle Personalaufwendungen gelten als aktivierungsfähig und sollen auch aktiviert werden. Aus diesem Grunde ist in der GuV ein Korrekturposten (zum zuvor als laufenden Geschäftsvorfall gebuchten Personalaufwand) einzufügen, um die Ergebnisneutralität dieses Vorgangs zu gewährleisten. Dieser Korrekturposten trägt die Bezeichnung »andere aktivierte Eigenleistungen« (vgl. hierzu § 275 Abs. 2 Nr. 3 HGB). Anlagen im Bau
500 €
an
andere aktivierte Eigenleistungen
500 €
Die GuV nach dem Gesamtkostenkostenverfahren zeigt folgendes Bild: Umsatzerlöse
1.200 € Verkauf von 60 Einheiten
+
Bestandsänderung
508 € Lagerbestandserhöhung von 40 Einheiten
+
andere aktivierte Eigenleistungen
500 € Erstellung einer Eigenleistung
–
Materialaufwand
–
Personalaufwand
–
Abschreibungen
–
Zinsaufwand
=
Jahresüberschuss
200 € Produktion von 100 Einheiten, 1.650 € Erstellung einer Eigenleistung sowie Zinsaufwand 70 € 60 € 228 €
Abb. II.2./3 GuV – Darstellungsvariante Gesamtkostenverfahren
sämtliche Erträge (Gesamtleistung)
sämtliche Aufwendungen
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
173
2.3.2 Umsatzkostenverfahren Das Umsatzkostenverfahren gliedert die betrieblichen Aufwendungen grundsätzlich nach Kostenstellen (Herstellung, Vertrieb, allgemeine Verwaltung). Den Umsatzerlösen werden nur die Aufwendungen gegenübergestellt, die auf die verkauften Produkte entfallen (umsatzbezogene Herstellungskosten). Die laufenden Geschäftsvorfälle und Abschreibungen werden häufig analog zum Gesamtkostenverfahren gebucht: Personalaufwand Materialaufwand Vorsteuer Kasse
1.150 € 200 € 38 € 1.428 €
an an
Bank Bank
1.150 € 238 €
an
Personalaufwand Zinsaufwand Planmäßige Abschreibungen
500 € 60 € 70 €
an an an
Umsatzerlöse Umsatzsteuer Bank Bank Sachanlagen
1.200 € 228 € 500 € 60 € 70 €
Die zuvor erfassten Material- und Personalaufwendungen sowie die Abschreibungen werden in einer nach dem Umsatzkostenverfahren erstellten GuV nicht separat ausgewiesen. Die genannten Posten lassen sich über eine Tabelle den spezifischen Posten des Umsatzkostenverfahrens zuordnen. Diese Zuordnungstabelle ist ein Hilfsmittel bei der Überführung der Konten aus dem Gesamtkostenverfahren auf die Konten des Umsatzkostenverfahrens und bei der Zuordnung von Kostenarten zu Kostenstellen. Die Tabelle gestaltet sich in dem vorliegenden Beispiel wie folgt:4 Zeile
Konto
Kontoabschluss
Herstellungskosten
1
Zinsaufwand
2
Materialaufwand
200 €
200 €
3
Personalaufwand
1.650 €
1.500 €
Vertriebs kosten
allgemeine Verwaltungskosten
60 €
4
Abschreibungen
70 €
70 €
5
Zwischensumme
1.980 €
1.770 €
6
Korrekturen
7
Bestandsveränderungen
- 508 €
8
andere aktivierte Eigenleistungen
- 500 €
9
umsatzbezogene Herstellungskosten
100 €
50 €
100 €
50 €
762 €
Abb. II.2./4 Zuordnungstabelle
4
In diesem Beispiel wird von der Wertuntergrenze der Herstellungskosten ausgegangen, welche nur aktivierungspflichtige Bestandteile enthält. Die Aufwendungen für die allgemeine Verwaltung werden als aktivierungsfähige Bestandteile somit nicht berücksichtigt. Ein ausführliches Beispiel findet sich in Kresse/Leuz 2010, S. 595 ff.
174
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die Spalte Kontoabschluss übernimmt den Saldo der bisher auf den einzelnen Konten gebuchten Beträge und ordnet diese den spezifischen Konten des Umsatzkostenverfahrens zu. Die dort ermittelten Herstellungskosten (1.770 €) sind zu hoch ausgewiesen, da diese nicht vollumfänglich auf die Umsatzerlöse entfallen. Um die umsatzbezogenen Herstellungskosten zu ermitteln, sind von den vorläufigen Herstellungskosten (1.770 €) die Bestandserhöhung (508 €) und die anderen aktivierten Eigenleistungen (500 €) als Korrekturposten abzuziehen. y Bestandserhöhung: Den auf Lager produzierten Einheiten stehen Umsatzerlöse in späteren Perioden gegenüber. Erst in der Periode, in der Umsatz realisiert wird, sind die korrespondierenden Material- und Personalaufwendungen in der GuV zu zeigen. y Andere aktivierte Eigenleistungen: Die Nutzung der aktivierten Eigenleistungen für betriebliche Zwecke (z. B. bei einer Maschine die Produktion von Gütern) erfolgt gleichfalls in einer späteren Periode. Auch hier wird der (durch die Produktion verursachte) Nutzenverzehr erst in der Periode ergebniswirksam, in der die Produkte verkauft werden. Werden die Produkte nicht direkt verkauft, sondern auf Lager produziert, gilt das zuvor in Zusammenhang mit den Bestandsveränderungen Gesagte. Die dazugehörige Buchungstechnik kann sich wie folgt gestalten. Für die Zwecke der Auflösung der Konten Material-, und Personalaufwand sowie Abschreibungen (Zuordnungstabelle, Zeilen 2-4) ist zunächst einmal wie folgt zu buchen: Umsatzbezogene Herstellungskosten
200 €
an
Materialaufwand
200 €
Vertriebskosten Allgemeine Verwaltungskosten Umsatzbezogene Herstellungskosten
100 € 50 € 1.500 €
an
Personalaufwand
1.650 €
Umsatzbezogene Herstellungskosten
70 €
an
Abschreibungen
70 €
Da der Zinsaufwand auch im Umsatzkostenverfahren gesondert zu zeigen ist, bedarf es keiner gesonderten Buchung. Die zu diesem Zeitpunkt ausgewiesenen umsatzbezogenen Herstellungskosten (1.770 €) sind zu hoch, da in diesem Fall Aufwendungen in einer Höhe ausgewiesen würden, die nicht den Umsätzen der aktuellen Periode zuzuordnen sind. Die umsatzbezogenen Herstellungskosten müssen vielmehr noch im Hinblick auf die Bestandsveränderungen (Produktion auf Lager) und die anderen aktivierten Eigenleistungen korrigiert werden (siehe hierzu die Korrekturen in der Zuordnungstabelle). Auf Lager wurden 40 Einheiten produziert, deren korrespondierende Herstellungskosten in Höhe von 508 € (40 Einheiten × 12 € zuzüglich anteiliger Abschreibungen in Höhe von 28 €) zu aktivieren sind (Zuordnungstabelle, Zeile 7). fertige Erzeugnisse
508 €
an
umsatzbezogene Herstellungskosten
508 €
Einer weiteren Korrektur bedarf es in Zusammenhang mit den anderen aktivierten Eigenleistungen (Zuordnungstabelle, Zeile 8). Anlagen im Bau
500 €
an
umsatzbezogene Herstellungskosten
500 €
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
175
Die GuV auf Basis des Umsatzkostenverfahrens zeigt folgendes Bild: Umsatzerlöse –
1.200 € Verkauf von 60 Einheiten
umsatzbezogene Herstellungs kosten
762 € Herstellungskosten zur Erzielung der Umsatzerlöse (Verkauf von 60 Einheiten) gem. der Berechnung in der Zuordnungstabelle
–
Vertriebskosten
–
allgemeine Verwaltungskosten
–
Zinsaufwand
100 € nicht aktivierbare Aufwendungen in Bezug 50 € auf die Periode, in der 100 Einheiten produ60 € ziert wurden
=
Jahresüberschuss
228 €
Abb. II.2./5 GuV – Darstellungsvariante Umsatzkostenverfahren
2.3.3 Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren im Vergleich Das Gesamtkostenverfahren ist kostenartenorientiert (vgl. Schanz 2015, S. 240 ff.; Döring/ Buchholz 2021, S. 94 ff.). Durch die Korrektur der Umsatzleistung um Bestandsveränderungen und aktivierte Eigenleistungen wird die Gesamtleistung gezeigt. y Dies ist wichtig bei Unternehmen mit langfristiger Auftragsfertigung (s. Kap. III.3.8), sofern die Gewinne erst am Ende des Fertigungsauftrags gezeigt werden (deutsche GoB). In diesem Fall sind die Fortschritte bei unfertigen Aufträgen direkt aus der GuV ersichtlich. Allerdings sind nach internationalen Rechnungslegungsnormen in aller Regel Teilgewinne (d. h. auch anteilige Umsätze sowie anteilig die dazugehörigen Aufwendungen) zu realisieren, sodass dieser Vorteil des Gesamtkostenverfahrens entfällt. y Das Gesamtkostenverfahren ist zur kostenträgerorientierten Erfolgskontrolle nicht geeignet, weil der Aufwand nur nach Aufwandsarten (z. B. Material- und Personalaufwand) systematisiert wird. Das Umsatzkostenverfahren ist kostenstellenorientiert. Der Umsatzleistung werden die umsatzbezogenen Herstellungskosten gegenübergestellt. y Dieses Verfahren eignet sich zur kurzfristigen Erfolgssteuerung, da leicht ermittelbar ist, welche Produkte mit Gewinn oder Verlust produziert und abgesetzt wurden (Gegenüberstellung der produktbezogenen Umsatzerlöse und ihrer Herstellungskosten). Eine Aufschlüsselung des Gesamterfolgs in seine Entstehungsursachen (kostenträgerorientierte Erfolgskontrolle) ist möglich, d. h., die folgende Frage kann beantwortet werden: »Auf welche Produkte ist der Gesamterfolg in welchem Umfang zurückzuführen?«. Die Darstellung nach dem Umsatzkostenverfahren ist aus Unternehmenssicht nicht notwendig, da eine vorhandene Kostenrechnung diese Informationen bereits abbildet. Allerdings ist diese Darstellungsform insoweit von Vorteil, als den Abschlussadressaten diese Informationen vermittelt werden. y Die Bestandsveränderungen sind nicht aus der GuV, sondern nur aus der Bilanz ersichtlich (Vergleich Bestand laufendes Geschäftsjahr mit dem Vorjahresbestand).
2.4 Techniken der Erstellung von Abschlüssen 2.4.1 Manuelle und IT-gestützte Erstellung Die Buchführung und Abschlusserstellung kann manuell oder IT-gestützt erfolgen. Als Techniken der manuellen Buchführung sind die Übertragungs- und Durchschreibebuchführung zu nennen. Bei einer manuellen Erstellung von Abschlüssen ist die Hauptabschlussüber-
176
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
sicht (auch Bilanzübersicht oder Betriebsübersicht, engl. general ledger trial balance) ein Hilfsmittel, um die laufende Buchführung zunächst einmal probeweise in einen Abschluss zu überführen. Die Hauptabschlussübersicht dient der Aufdeckung von formellen Buchungsfehlern, der Zusammenstellung von Abschlussbuchungen sowie dem Aufstellen einer Probebilanz zur Durchführung abschlusspolitischer Maßnahmen, welche eine Entscheidung der Unternehmensleitung erfordern (vgl. Schanz 2015, S. 506 ff.; Wöhe/Kußmaul 2018, S. 265 ff.; Döring/Buchholz 2021, S. 150 ff.). Da die manuelle Buchführung und Erstellung sehr arbeitsintensiv und fehleranfällig ist und sich IT-gestützte Techniken kostengünstig einsetzen lassen, ist in der Unternehmenspraxis eine IT-gestützte Rechnungslegung vorherrschend. Die zugrunde gelegte Buchungstechnik ändert sich auch bei Einsatz einer IT-gestützten Rechnungslegung nicht. Sowohl bei manueller als auch bei einer IT-gestützten Rechnungslegung gilt die spezielle Generalnorm der Buchführung, wonach eine Buchführung so beschaffen sein muss, dass »sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann« (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB). Weiterhin müssen sich die »Geschäftsvorfälle (...) in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen« (§ 238 Abs. 1 S. 3 HGB; vgl. auch IDW RS FAIT 1.25 ff. sowie grundlegend zur IT-Buchführung Störk/Lewe 2020, § 239 HGB, Rn. 10 ff.). Die Anforderungen gelten indes unabhängig davon, ob ein IFRS- oder ein HGB-Abschluss zu erstellen ist. y Bei einer IT-gestützten Rechnungslegung werden die laufenden Geschäftsvorfälle in das IT-System eingegeben. Das Journal wird automatisch erstellt. Erleichterungen bestehen z. B. dahingehend, dass über vereinfachte Eingaben (z. B. Steuerschlüssel A1 für 19 % und A2 für 7 % Umsatzsteuer) automatisch Vor- und Umsatzsteuer berechnet und gebucht werden. Zudem erlauben Eingabekontrollen eine Überprüfung der eingegebenen Buchungssätze auf ihre sachliche Richtigkeit (Vermeidung unlogischer Eingaben wie z. B. die Eingabe eines Wareneinkaufs ohne Vorsteuer) und formelle Richtigkeit (z. B. Identität von Soll- und Habenbuchung sowie Vorhandensein der eingegebenen Kontonummern im Kontenplan). Fehler werden direkt angezeigt und/oder als Fehlerprotokoll ausgegeben. y Die vorbereitenden Abschlussbuchungen werden gleichfalls manuell eingegeben oder beispielsweise über eine Tabellensteuerung automatisch ausgelöst (Dauerbuchungsfunktion). Als Beispiele für Dauerbuchungen sind die automatischen Buchungen der planmäßigen Abschreibungen, der Zins- und Tilgungszahlungen sowie der Gehaltszahlungen zu nennen. y Die formalen Abschlussbuchungen werden vom IT-System automatisch generiert, d. h., das hinterlegte Programm erstellt den Kontenabschluss. Die relevanten Auswertungen (z. B. Summenbilanz, Saldenbilanz) sind auf Basis der erfassten Daten direkt am Bildschirm einsehbar. Zudem kann der Abschlussersteller die Auswirkungen vorbereitender Abschlussbuchungen auf Bilanz und GuV direkt erkennen (z. B. die sich ergebenden Veränderungen, wenn bei der Ermittlung der vorratsbezogenen Herstellungskosten einbeziehungsfähige Fremdkapitalzinsen aktiviert werden, s. Kap. II.5.3.7.2.a). Auf diese Weise ist es möglich, abschlusspolitische Entscheidungen (s. Kap. II.7) vorzubereiten. Auch die formalen Eröffnungsbuchungen für das Folgejahr lassen sich automatisch generieren. Beispiel IT-gestützte Rechnungslegung bei Einsatz von SAP Eine integrierte betriebliche Anwendungssoftware, die alle wesentlichen betrieblichen Funktionsbereiche umfasst, wird auch als ERP-System (enterprise resource planning) bezeichnet. SAP bietet als Softwarelösung für ein ERP-System derzeit S/4HANA an, die auch als Cloud-Version verfügbar
2 Begriffsabgrenzungen und Buchungstechnik
177
ist. Gegenwärtig arbeiten mehr als 400.000 Unternehmen in über 180 Ländern mit SAP S/4HANA beinhaltet den für die Rechnungslegung relevanten Bereich (area) Finance, in dem u. a. Aufgabenbereiche der externen und internen Rechnungslegung abgebildet sind. Die Nutzung eines ERPSystems wie S/4HANA zeichnet sich dadurch aus, dass eine Integration aller Informationen und eine redundanzfreie Datenhaltung (d. h. einmalige Speicherung von Daten in der Datenbank) sowie schnelle Kommunikation im Vordergrund stehen. Trotz des grundsätzlichen Aufbaus als Standardlösung für alle Unternehmen kann eine unternehmensindividuelle Anpassung vorgenommen werden (sog. customizing). 5 Der Bereich Finance umfasst verschiedene Themen (topics). So deckt z. B. das Thema Accounting & Financial Close relevante Prozesse der externen Rechnungslegung ab. So können Anwender z. B. Eintragungen (journal entries) zur Debitorenbuchführung, Kreditorenbuchführung, Anlagebuchführung und Vorratsbuchführung vornehmen. Durch die einheitliche Datenstruktur in SAP S/4HANA werden alle Informationen dieser Eintragungen im sog. universal journal erfasst.6 Dies gilt auch für andere Themen wie z. B. Management Accounting & Margin Analysis, sodass eine sog. single source of truth für die externe Finanzberichterstattung und die internen Steuerungsprozesse bzw. das Controlling (sowie ggf. auch für weitere Komponenten) besteht. Wie für eine IT-gestützte Rechnungslegung üblich, lässt sich eine Vielzahl von vorbereitenden Abschlussbuchungen über in Tabellen hinterlegte Werte automatisch generieren (z. B. planmäßige Abschreibungen). Auch die formalen Eröffnungs- und Abschlussbuchungen werden über die hinterlegten Steuerungsdaten automatisch generiert. Wichtigste Auswertungen (reports) des Hauptbuchs sind die Bilanz und die GuV. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der parallelen Abbildung der Rechnungslegung nach verschiedenen Rechnungslegungsnormen (s. Kap. II.2.4.2). Durch die Implementierung von maschinellem Lernen und robotergesteuerter Prozessautomatisierung unterstützt SAP S/4HANA die Automatisierung wiederkehrender Prozesse, sodass diese weniger fehleranfällig sind. Zudem lassen sich auf Basis intelligenter Echtzeitanalysen steuerungsrelevante Entscheidungen besser und schneller treffen.
In einem engen Zusammenhang zur IT-gestützten Erstellung von Abschlüssen stehen die dem Steuerbürokratieabbau dienenden Regelungen in § 5b EStG. Demnach sind der Finanzverwaltung vor allem Handelsbilanz und GuV mit steuerlicher Überleitungsrechnung (sofern die handelsrechtliche Bilanzierung den steuerrechtlichen Vorschriften nicht entspricht), eine Steuerbilanz in elektronischer Form oder ausnahmsweise eine Einheitsbilanz (s. Kap. I.2.2.3) über das ELSTER-Portal zu übermitteln (sog. E-Bilanz; hierzu Bongaerts/Neubeck 2020). Anzuwenden ist eine über die Gliederungsvorgaben der §§ 266, 275 HGB hinausgehende Steuertaxonomie (siehe www.esteuer.de) und als Übermittlungsformat für die E-Bilanz dient die Auszeichnungssprache XBRL (s. Kap. I.3.1.2.2). Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen ihre IFRS-Konzernabschlüsse ab dem 1.1.2020 in einem einheitlichen elektronischen Format (sog. ESEF-Jahresfinanzberichte) offenlegen (s. Kap. II.5.3.3.1). In ähnlicher Form gelangen hier eine IFRS-Taxonomie sowie als Auszeichnungssprache XBRL bzw. iXBRL zur Anwendung.
2.4.2 Erstellung von Abschlüssen nach unterschiedlichen Normenvorgaben Sind Einzelabschlüsse nach unterschiedlichen Normenvorgaben zu erstellen, bietet es sich an, einen Abschluss als Ausgangsbasis heranzuziehen und hiervon ausgehend auf die anderen Normenvorgaben überzuleiten. Beispielsweise hat ein deutsches börsennotiertes Unter-
5
6
Einführend zum SAP-Einsatz im Rechnungswesen vgl. Hansen/Mendling/Neumann 2019, S. 181 ff. Zu den Neuerungen durch SAP S/4 HANA für das betriebliche Rechnungswesen vgl. Gerhards 2019; SAP 2021 sowie in Bezug auf die Konsolidierung siehe Monz et al. 2021. Zum Universal Journal vgl. https://help.sap.com/viewer/3eb1567cf97543c08087efb0936964e6/2020.002/en-US/8b8e5 695c4dc4749a706f9fa2f6bda92.html?q=single%20source%20of%20truth (Stand: 1.1.2022).
178
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
nehmen, welches konsolidierungspflichtige Beteiligungen hält, Abschlüsse nach HGB (deutschen GoB), Steuerrecht sowie IFRS zu erstellen. Weit verbreitet dürfte es derzeit sein, nach handelsrechtlichen Vorschriften zu buchen und den erstellten handelsrechtlichen Jahresabschluss auf die IFRS überzuleiten. Vereinzelt sind auch andere Vorgehensweisen feststellbar: Beispielsweise bucht die Software AG direkt nach IFRS und leitet jährlich auf die lokal gültigen handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen über. Dabei buchen auch ausländische Unternehmen, die in den Konzernabschluss (s. Kap. IV) einzubeziehen sind, nach IFRS und leiten dann auf die lokalen Rechnungslegungsnormen (z. B. US-GAAP) über (s. Kap. I.2.2.5). Beim IT-Einsatz bietet es sich aus Gründen der Übersichtlichkeit an, die jeweiligen Geschäftsvorfälle über Zusatzkontierungen bereits so zu erfassen, dass sich aus dem Kontenabschluss direkt jeweils ein Jahresabschluss z. B. nach handelsrechtlichen Vorschriften und IFRS erstellen lässt (sog. parallele Abschlüsse). In diesem Fall existieren betrags- und kontengleiche Geschäftsvorfälle, sofern Geschäftsvorfälle handelsrechtlich und nach IFRS identisch zu erfassen sind (gemeinsame Buchungen). Jedoch kann es Geschäftsvorfälle geben, die nach beiden Rechnungslegungsnormen abweichend zu erfassen sind. Der Abschluss der gemeinsamen Konten und der speziellen IFRS-Konten führt dann zum IFRSAbschluss (Buchungskreis IFRS) und der Abschluss der gemeinsamen Konten und der speziellen HGB-Konten zum entsprechenden HGB-Abschluss (Buchungskreis HGB; vgl. auch Meyer 2004, S. 2060 ff.; siehe hierzu Abb. II.2./6). HGB-Abschluss
IFRS-Abschluss
HGB-spezifische Buchungen
IFRS-spezifische Buchungen
Gemeinsame Buchungen Abb. II.2./6 Abschlusserstellung über Zusatzkontierungen
Weiterhin stellt sich auch in Zusammenhang mit einer IT-gestützten Rechnungslegung die Frage nach einer zeitnahen (s. Kap. II.5.3.2.3.b3) Veröffentlichung (s. Kap. I.3.2.2.1) des Jahresabschlusses. So empfiehlt der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), den Konzernabschluss innerhalb einer Frist von 90 Tagen nach Abschluss des Geschäftsjahres zu veröffentlichen (DCGK F.2). Da diese Frist neben der Prüfung durch den Abschlussprüfer auch die Prüfung und Befassung durch den Aufsichtsrat beinhalten muss, entsteht regelmäßig ein hoher Zeitdruck (vgl. Bachmann 2021, F.2 Rn. 4). Durch den Einsatz von Datenanalysen (insbesondere basierend auf Big Data) und rechnungslegungsbezogenen Prozessautomatisierungen ergeben sich Effizienzsteigerungs- und Qualitätsverbesserungspotenziale, welche durch den zunehmenden Einsatz von Systemen der künstlichen Intelligenz künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden (vgl. z. B. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. 2018, S. 301 ff.; Deiminger 2021). Fragen der beschleunigten Vorlage des Jahresabschlusses nebst seiner Prüfung werden oftmals unter dem Begriff fast close diskutiert. Dabei geht es um die systematische Verkürzung von Abschlusserstellungs- und Abschlussprüfungsarbeiten. Im Vordergrund steht das Vorziehen dieser Arbeiten vor den Abschlussstichtag. Als ein Unterfall des fast close lässt sich der hard-close-Abschluss verstehen (vgl. z. B. Petersen/ Zwirner 2007, S. 645 ff.; Hüttche 2014, S. 55 ff.). In diesem Fall geht es darum, den Abschluss zumeist auf den Monatsstichtag, der dem Geschäftsjahr vorausgeht (bei einem übereinstimmenden Geschäfts- und Kalenderjahr ist dies zumeist der 30.11.), zu erstellen und zu prüfen.
Kontrollfragen zu II.2
179
Die verbleibenden Erstellungs- und Abschlussarbeiten können sich dann auf die Geschäftsvorfälle beschränken, die im letzten Monat des Geschäftsjahres zu erfassen sind, sodass sich auf diese Weise ein Beitrag zur Verkürzung der Abschlusserstellung ergibt. Beispiel Fast close als beschleunigte Vorlage des Abschlusses »Grundlage für eine erfolgreich beschleunigte Abschlusserstellung ist die Optimierung der Informationen, der Prozesse sowie der Systeme des Unternehmens. Wichtigste Voraussetzung ist eine schnellere Datenbeschaffung, damit zum Bilanzstichtag möglichst alle relevanten Informationen vorliegen. (...) Zweitens muss die Ablauforganisation optimiert werden. Hierbei wird der Produktivitätsgedanke in das Finanz- und Rechnungswesen eingeführt. Eine deutlich frühere Bereitstellung von Abschlussinformationen setzt aber auch die Optimierung von Prozessen in Bereichen wie Controlling, dem operativen Geschäft der Informationstechnik (IT) sowie Steuern und Recht voraus. Ziel ist eine Vereinfachung und die Automatisierung der Arbeitsprozesse, die Verringerung manueller Tätigkeiten und eine dadurch reduzierte Fehlerquote. (...) Drittens wird die Jahresabschlusserstellung durch die stetige Fortentwicklung der Softwarelösungen und der IT-Struktur unterstützt und vereinfacht. Im Rahmen der ›fast close‹-Einführung muss überprüft werden, ob die richtigen IT-Systeme eingesetzt werden und ob die Mitarbeiter damit umgehen können« (Rödl/Keller 2004, S. 19).
Kontrollfragen zu II.2 1. Diskutieren Sie die Notwendigkeit einer Pflichtpublizität für kapitalmarktorientierte und nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen. 2. Definieren Sie Ein- und Auszahlungen sowie Aufwendungen und Erträge. a) Warum sind die Stromgrößen Einzahlung und Ertrag einerseits sowie Auszahlung und Aufwand andererseits abweichend definiert? b) Warum sind Aufwendungen und Erträge im Kontext der Erstellung eines HGBAbschlusses sowie der Erstellung eines IFRS-Abschlusses teilweise abweichend definiert? Auf etwaige Unterschiede ist nicht einzugehen! 3. Was ist unter dem »statement of other comprehensive income« zu verstehen? Werden in diesem Statement Stromgrößen oder Bestandsgrößen erfasst? 4. Werden in einer Kapitalflussrechnung ausschließlich Stromgrößen dargestellt? 5. Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Erstellung einer sog. Zuordnungstabelle. a) Welche Aufgabe kommt einer Zuordnungstabelle zu? b) Im Folgenden ist ein IFRS-Abschluss zu erstellen. Im Zusammenhang mit der Herstellung einer Ware sind 930 T€ Aufwendungen angefallen (600 T€ produktionsbezogene Einzelkosten, 300 T€ produktionsbezogene Gemeinkosten, 30 T€ Vertriebskosten). Weiterhin kam es zu einer Bestandsminderung in Höhe von 150 T€ und es wurden Eigenleistungen in Höhe von 40 T€ aktiviert. Wie hoch sind die bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens auszuweisenden umsatzbezogenen Herstellungskosten? Erläutern Sie die einzelnen Schritte Ihrer Berechnung! 6. Wodurch unterscheiden sich das Gesamtkosten- und das Umsatzkostenverfahren? Welches Verfahren gibt die ökonomische Realität besser wieder? 7. Aus welcher handelsrechtlichen Norm lässt sich die Zulässigkeit einer IT-gestützten Rechnungslegung ableiten?
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
8. Welche Vereinfachungen bietet eine IT-gestützte im Vergleich zu einer manuellen Rechnungslegung? 9. Das Finanzgericht Münster hat bezüglich der Zulässigkeit einer veralteten Buchhaltungssoftware entschieden, die nur 3,5 Zoll Disketten beschreiben kann (FG Münster, 13 K 3764/09 vom 15.1.2013). Wie hat das FG Münster ihrer Meinung nach entschieden? Wie wurde die Entscheidung begründet? Diese Fragen lassen sich auch ohne Rückgriff auf die gerichtliche Entscheidung beantworten! 10. Welche Konsequenzen können sich bei der Erstellung eines Jahresabschlusses unter Einsatz von fast close am Kapitalmarkt ergeben?
181
3 Theoretische Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen LERNZIELE
y y
Kenntnis theoretischer Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen. Kenntnis von Konzepten zur Erfolgsmessung.
3.1 Vorüberlegungen Das Erkenntnisinteresse der nachstehenden Ansätze zielt auf den Inhalt und die Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen ab (zur Einordnung dieser Ansätze in die theoretischen Ansätze der Rechnungslegung s. Kap. I.3.1.1). Das Merkmal rechnungslegungstheoretischer Auseinandersetzungen ist die ökonomisch fundierte, von rechtlichen Anforderungen unabhängige Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung und dem Sinn und Zweck der dem Jahresabschluss zugrunde liegenden Normen. Dem Grunde nach müsste eine Rechnungslegungstheorie in dem zuvor definierten Sinne angeben, welche Inhalte ein Abschluss haben sollte und wie dieser im Detail auszugestalten ist, wenn bestimmte Rechnungslegungszwecke (s. Kap. I.2) zu erfüllen sind. Demnach steht hier das Gestaltungsinteresse im Vordergrund (s. Kap. I.5.1). Primärer Adressat von Rechnungslegungstheorien ist der Normengeber. Ziel einer Rechnungslegungstheorie ist es, dem Normengeber eine theoretische Fundierung zur Seite zu stellen, über welche Letzterer aus Gründen konsistent entwickelter Normen zwingend verfügen sollte. Anhand einer solchen theoretischen Fundierung kann damit die Arbeit des Normengebers an dem vorhandenen System von Rechnungslegungsnormen hinsichtlich des verfolgten Rechnungslegungszwecks beurteilt werden. So diskutiert das IASB in IASB F.8.1 ff. z. B. mit dem Kapital- und Substanzerhaltungskonzept (s. Kap. II.5.4) zwei Kapitalerhaltungstheorien, welche je nach den Bedürfnissen der Abschlussadressaten Anwendung finden sollen. Somit sind Fragen der Rechnungslegungstheorie auch für den Normenanwender von Bedeutung. Allerdings setzt das Regelwerk des IASB keines dieser beiden zuvor genannten Konzepte konsequent um (vgl. ADS International 2002, Abschnitt 1, Rn. 220 ff.; Lüdenbach/ Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 111 ff.). Bedeutsam sind die beiden angesprochenen Konzepte z. B. im Zusammenhang mit IAS 29 (Konzepte für die Rechnungslegung in Hochinflationsländern; siehe auch IFRIC 7), da hier die Frage der Kapitalerhaltung von besonderer Bedeutung ist. Weiter können die Konzepte bei der Füllung von Regelungslücken und bei der Auslegung von Rechnungslegungsnormen bedeutsam sein (s. Kap. II.6). Wie bereits in s. Kap. I.3.1 ausgeführt, mangelt es an einer umfassend geschlossenen Rechnungslegungstheorie und mithin auch an einer geschlossenen Theorie zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen, wenngleich eine Fülle von möglichen Ansätzen existiert.7 Im Laufe dieses Kapitels werden daher neben Rechnungslegungstheorien,
7
Vgl. stellvertr. Wagenhofer 2005, S. 468 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 14 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1325 ff.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
welche den Inhalt und die Ausgestaltung des Jahresabschlusses beleuchten, auch Ansätze zur Gewinnermittlung betrachtet, welche unmittelbar mit einer bestimmten Unternehmenserhaltungskonzeption verbunden sind (zu den Ansätzen auf Konzernebene s. Kap. IV.3).
3.2 Formalinhalt der Bilanz Die Ansätze zum Formalinhalt der Bilanz beschäftigen sich mit der Frage, wie ein Abschluss auszugestalten ist. 8 Im Folgenden werden grundlegende Bilanzauffassungen kurz dargestellt (vgl. auch Moxter 1984, S. 5 ff.; Tanski 2013, S. 73 ff. m. w. N.).
3.2.1 Statische Bilanzauffassung Die statische Bilanzauffassung wurde vom Berliner Anwalt Herman Veit Simon gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt (vgl. Simon 1886). Nach der statischen Bilanzauffassung besteht der Zweck einer Bilanz in der Darstellung des Vermögens des Kaufmanns zu einem bestimmten Zeitpunkt, sodass die Bilanz als Vermögensbilanz interpretiert werden kann. Die Bilanz zeigt das Unternehmen in einem ruhenden Zustand (zum Bilanzstichtag). Aus diesem Grund findet die Bezeichnung »statisch« Verwendung. Dabei sind Simons Ausführungen im Detail deutlich von Vereinfachungen und Objektivierungsüberlegungen geprägt. Die statische Bilanzauffassung tritt mit Fortführungs- und Zerschlagungsstatik in zwei grundsätzlichen Richtungen auf. Während die Zerschlagungsstatik das Vermögen gläubigerorientiert als Zerschlagungswert sieht, der für Gläubiger bei Auflösung des Unternehmens zur Verfügung steht, konzentriert sich die Fortführungsstatik auf eine kaufmannsspezifische Vermögensbetrachtung, welche vom Unternehmensfortgang ausgeht. Die Annahme der Unternehmensfortführung hat sich in der Diskussion durchgesetzt, sodass das Fortführungsvermögen durch den potenziellen Preis des gesamten Unternehmens (Ertragswert) gegeben sein soll. Ertragswert ist nach Simon synonym zu Unternehmenswert zu verstehen. Folgerichtig müssen alle Aktiva zukünftig ertragswirksam sein und somit einen positiven Ertragswertbeitrag leisten. Passiva hingegen sind als negative Ertragswertbeiträge zu verstehen, mithin als »Aktiven mit umgekehrten Vorzeichen« (Moxter 1984, S. 11). Basierend auf der kaufmannsspezifischen Vermögensbetrachtung muss im Rahmen der Bewertung von Bilanzpositionen der aus Sicht des Bilanzerstellers individuelle Wert Berücksichtigung finden, welcher den Wert einer Bilanzposition am Gesamtunternehmenswert darstellen soll. Gewinn wird im bilanzstatischen Verständnis als Vermögenszuwachs verstanden, sodass sich die Gewinnermittlung als »Nebenprodukt der jährlichen Vermögensermittlung« (Moxter 1984, S. 5) ergibt. Zur richtigen Gewinnermittlung wird somit zunächst der Vermögensausweis benötigt. Das Periodenergebnis (Gewinn) wird demnach vereinfacht als Reinvermögensvergleich ermittelt (Periodenergebnis = Reinvermögen am Ende der Periode – Reinvermögen am Anfang der Periode; formal bilanzorientierte Gewinnermittlung). Dies steht im Gegensatz zur dynamischen Bilanzauffassung, welche die Gewinnermittlung auch unter Angabe eines »›falschen« Vermögens in den Mittelpunkt stellt. Die Idee der Grundannahme der Unternehmensfortführung lässt sich sowohl für das HGB als auch für die IFRS beobachten (s. Kap. II.4.4.2.1; II.5.3.2.2).
8
Vgl. Wagenhofer 2005, S. 468 ff.; Freidank/Velte 2008, S. 711 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 14 ff.
3 Theoretische Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen
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3.2.2 Dynamische Bilanzauffassung Die dynamische Bilanzauffassung ist eng mit dem Namen von Schmalenbach verbunden, der die ersten Grundideen der Dynamik zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichte (vgl. u. a. Schmalenbach 1933b). Als einer der ersten deutschen Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre stellte der Kölner Professor Eugen Schmalenbach betriebswirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund. Die Hauptaufgabe des Jahresabschlusses wird in der Dynamik der Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Erfolgs einer bestimmten Teilperiode gesehen. Zur Identifikation finanzieller Schwierigkeiten ist nach Schmalenbach nicht die Vermögensbilanz ausschlaggebend, sondern die Veränderung des Vermögens ist zur Aufdeckung von unternehmensinternen Problemen relevant. Entsprechend besitzt die GuV eine zentrale Bedeutung (formal GuV-orientierte Gewinnermittlung) für die Steuerung im Unternehmen. Gleichwohl haben in der Dynamik die Handels- und Steuerbilanzen die gleiche Aufgabe wie eine rein betriebswirtschaftliche Bilanz, sodass auch geltendes Bilanzrecht Berücksichtigung finden soll. Fallen Zahlungsvorgänge und Ergebniswirkung (Aufwand und Ertrag) dadurch auseinander, dass sich Posten in zukünftigen Perioden in Erträge umsetzen, sind in der Bilanz »schwebende Vorleistungen« aufzunehmen. Diese Vorleistungen symbolisieren folglich Nutzen, welcher nach einem Stichtag erwartet wird, jedoch bereits bis zum Stichtag aufgebaut wurde. Die Bilanz stellt insofern einen Kräftespeicher dar, welcher auf der Aktivseite schwebende Vorleistungen (i. S. von Nutzenbündeln) und auf der Passivseite schwebende Nachleistungen (i. S. von Verpflichtungen) aufnimmt. Letztere entstehen dadurch, dass Vermögensminderungen den bereits realisierten Vermögenszugängen gegenübergestellt werden, auf welche sie sich beziehen. Der Vorsorge finanzieller Schwierigkeiten geschuldet, sollen beispielsweise Abschreibungen und Rückstellungen prinzipiell überhöht berücksichtigt werden und Zuschreibungen über die Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht erfolgen. Nach Schmalenbach ist die Erzielung eines Erfolgsbeitrags an die Entstehung von Umsatz gebunden. Weiterhin sieht Schmalenbach die Aufgabe des Abschlusses nicht nur darin, den externen Adressaten zu dienen, sondern auch Informationen für die Steuerung des Unternehmens zu liefern. Vorsichtige Bewertungen können hierbei das Vermögen zwar verzerren, führen jedoch zu einem zutreffenden, da vergleichbaren Gewinn. Zur Bestandssicherung des Unternehmens ist der Gewinn daher eher zu gering als zu hoch anzusetzen (vgl. Moxter 1984, S. 39). Dies ist der »Unsicherheit der Erfolgsrechnung« (Schmalenbach 1962, S. 99, Hervorhebung im Original) geschuldet. Ausprägungen der dynamischen Bilanzauffassung finden sich z. B. im Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, im strengen Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip des § 253 Abs. 1 S. 1 HGB sowie in der planmäßigen Verteilung von Anschaffungskosten auf die planmäßige Nutzungsdauer, wie sie sowohl nach HGB als auch nach IFRS verfolgt wird. Bis in die 1960er-Jahre hinein zeichneten sich zudem klare Tendenzen des BFH hinsichtlich einer dynamischen Bilanzauffassung ab (für eine Übersicht vgl. Moxter 1993, m. w. N.). Auch die IFRS orientieren sich in vielerlei Hinsicht an der dynamischen Bilanzauffassung, was sich beispielsweise in der intendierten Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen zeigt (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 16 f.). Beispiel Bilanz als Kräftespeicher Wird eine Maschine gekauft, ist eine Zurechnung der Anschaffungsauszahlung als Aufwand des Geschäftsjahres nicht periodengerecht, sofern die Maschine über mehrere Jahre genutzt wird und in dieser Zeit über den Einsatz der Maschine (Produktion von Gütern und deren Verkauf) Erträge erzielt werden. In diesem Fall stellt die Anschaffungsausgabe eine (zu aktivierende) schwebende
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Vorleistung dar, da mit ihrer Anschaffung über mehrere Perioden hinweg Nutzenbeiträge (Erträge) erzielt werden (auf der Aktivseite ist ein Posten »Ausgabe, aber noch nicht Aufwand« zu zeigen). Gewährte Darlehn stellen gleichfalls »aktivisch auszuweisende Ausgaben dar, die noch nicht zu Einnahmen geführt haben«. Garantierückstellungen ordnen bereits erfolgten Verkäufen, die einen Liquiditätszufluss oder einen Forderungszugang auslösen (Aktivzugang), jene Lasten zu, welche in Form von Garantieleistungen auf den Verkäufen ruhen. In diesem Fall ist auf der Passivseite eine schwebende Nachleistung (Garantierückstellung) zu erfassen. Zu zeigen ist ein Posten »Aufwand, aber noch nicht Ausgabe«.
Diskussionsfrage II.3.-1 Die Metabox AG hat im Geschäftsjahr t3 Ausgaben für einen Werbefeldzug in Höhe von 1 Mio. € getätigt. Der Werbefeldzug wurde im August t3 abgeschlossen. Das Periodenergebnis vor Erfassung der Ausgaben für den Werbefeldzug beträgt 600 T€. Wie ist der Werbefeldzug i. S. der dynamischen Bilanzauffassung zu erfassen? Wie hoch ist das Periodenergebnis am 31.12.t3? Falls Sie weitere Annahmen tätigen, legen Sie diese offen.
3.3 Gewinnermittlung Losgelöst von der Frage, wie der Gewinn formal zu ermitteln ist (Bilanz- oder GuV-orientiert), stellt sich die Frage nach der materiellen (inhaltlichen) Gewinnermittlung. Auch die Vertreter der zuvor angesprochenen statischen und dynamischen Bilanzauffassungen haben Vorstellungen hinsichtlich der Bewertung der Posten in der Bilanz und GuV, die damit zwangsläufig zu einer bestimmten Gewinnermittlung führen. So sind z. B. nach der fortführungsorientierten Interpretation der statischen Bilanzauffassung die Vermögensposten zu unternehmensindividuellen Werten anzusetzen, welche im Falle eines Veräußerungsgegenstandes mit dem in der Zerschlagungsstatik vorherrschenden Veräußerungswert übereinstimmen können. Theoretische Ansätze zur Gewinnermittlung zielen regelmäßig darauf ab, das Konzept der Gewinnermittlung aus einer bestimmten Unternehmenserhaltungskonzeption heraus zu erklären. Dabei lassen sich verschiedene Erhaltungskonzeptionen unterscheiden: Kapitalerhaltungskonzeptionen, Substanzerhaltungskonzeptionen sowie das Konzept des ökonomischen Gewinns (s. Kap. II.3.3.1 bis II.3.3.4). Gleichsam steht in der organischen Bilanzauffassung (s. Kap. II.3.3.3) zur Diskussion, wie Vermögen und Gewinn aus gesamtwirtschaftlicher Sicht simultan »richtig« berechnet werden können. Die einzelnen Konzeptionen versuchen, das Jahresergebnis zu ermitteln, welches den Erhalt des Unternehmens sichert. Im anglo-amerikanischen Sprachraum sind insbes. der asset-liability- sowie der revenueexpense-Ansatz bedeutsam (s. Kap. II.3.3.5).
3.3.1 Kapitalerhaltungskonzeptionen Die Kapitalerhaltungskonzeptionen unterscheiden zwischen Nominal- und Realkapitalerhaltung (vgl. z. B. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1354 ff.). Erhaltungsziel der Nominalkapitalerhaltung ist der Geldbetrag, der dem Eigenkapital am Anfang des Geschäftsjahres entspricht (Euro = Euro). Gewinn ist als Anstieg des Nominalkapitals definiert (Nominalkapital am Ende des Geschäftsjahres abzüglich Nominalkapital am Anfang des Geschäftsjahres). Eine Ausschüttung dieses Betrages kann vorgenommen werden, ohne den nominalen Betrag des Eigenkapitals im Laufe einer Betrachtungsperiode zu verändern. Kommt es allerdings zu Geldentwertungen, ist die Kaufkraft des Eigenkapitals am Ende des Geschäftsjahres kleiner als die Kaufkraft des Eigenkapitals am Anfang des Geschäftsjahres.
3 Theoretische Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen
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Diesen Nachteil versucht die Realkapitalerhaltung dadurch zu beseitigen, dass darauf abgestellt wird, das Eigenkapital gemessen an seiner Kaufkraft zu erhalten. Demnach liegt ein ausschüttungsfähiger Gewinn dann vor, wenn die Kaufkraft des Eigenkapitals am Ende des Geschäftsjahres größer ist als die am Anfang des Geschäftsjahres. Der Jahresabschluss wird somit um Geldwertschwankungen bereinigt. Die Berechnung der Kaufkraft des Eigenkapitals am Ende des Geschäftsjahres erfolgt mittels sog. Indexzahlen. Steigen die Lebenshaltungskosten in einer Periode z. B. um 5 % an, so beträgt der Lebenshaltungskostenindex 1,05. Demnach ist das Periodenergebnis zunächst um 5 % des Eigenkapitals zu Beginn der Periode zu mindern, um den Verlust der Kaufkraft des Eigenkapitals zu berücksichtigen. Beispiel Nominale und reale Kapitalerhaltung Das Eigenkapital zu Beginn des Geschäftsjahres beträgt 900 T€. Dieser Periode sind Erträge in Höhe von 950 T€ und Aufwendungen in Höhe von 850 T€ zuzurechnen, d. h., das Periodenergebnis beträgt 100 T€. Die Lebenshaltungskosten steigen um 4 %. Bei nominaler Kapitalerhaltung sind 100 T€ ausschüttungsfähig. Das Eigenkapital ist am Ende des Geschäftsjahres nach Ausschüttung nominal unverändert. Bei realer Kapitalerhaltung ist die Kaufkraft des Eigenkapitals zu erhalten: Reales Eigenkapital zu Beginn der Periode = Nominales Eigenkapital zu Beginn der Periode (900 T€) × Kaufkraftindex (1,04) = 936 T€. Demnach ist der Anfangsbestand des Eigenkapitals um 36 T€ zu erhöhen, d. h., aus dem Periodengewinn sind 36 T€ in das Eigenkapital einzustellen (z. B. in eine Position unter der Bezeichnung »Scheingewinnrücklage« oder »Geldentwertungsrücklage«). Letztendlich sind dann noch 64 T€ (100 T€ – 36 T€) ausschüttungsfähig (zu einer detaillierteren Betrachtung vgl. z. B. Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 1366 f.).
3.3.2 Substanzerhaltungskonzeptionen Die Substanzerhaltungskonzeptionen sehen als Maßstab für die Unternehmenserhaltung nicht eine bestimmte Geldsumme, sondern die hinter den Geldbeträgen stehenden Gütermengen. Substanzerhaltung ist dann erreicht, wenn (bei konstantem Fremdkapitaleinsatz) die mengenmäßige Vermögenssubstanz am Periodenende jener am Periodenanfang entspricht. Dabei wird zwischen reproduktiver und relativer Substanzerhaltung unterschieden. Die reproduktive Substanzerhaltung ist dann gewährleistet, wenn aus den Umsatzerlösen einer Periode alle im Leistungsprozess verbrauchten (eingesetzten) Güter in gleicher Menge und in gleicher Qualität wiederbeschafft werden können (Wiederbeschaffung gleicher Gütermengen). Ein darüber hinaus erwirtschafteter Geldbetrag kann als Gewinn den Betrieb verlassen, ohne seine Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Die relative (qualifizierte) Substanzerhaltung modifiziert die reproduktive Substanzerhaltung dahingehend, dass nicht nur die vorhandenen Produktionskapazitäten, sondern die Marktstellung des Unternehmens in der Gesamtwirtschaft erhalten bleiben soll. Eine relative Substanzerhaltung liegt somit dann vor, wenn am Ende der Periode die eingesetzten Güter in einer Menge und Qualität derart wiederbeschafft werden können, dass das Unternehmen seine relative Stellung am Markt behält. Beispiel Reproduktive und relative Substanzerhaltung Die Umsatzerlöse eines Geschäftsjahres betragen 700 T€ und die Anschaffungskosten der verkauften Produkte (DVD-Laufwerke) betragen 350 T€. Die Wiederbeschaffungskosten der verkauften Produkte betragen 360 T€. Es ist davon auszugehen, dass künftig nur noch Produkte höherer Qua-
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lität (Blu-Ray-Laufwerke) verkauft werden. Die diesbezüglichen Wiederbeschaffungskosten betragen 500 T€. Weiterhin ist die Gesamtwirtschaft in dem betreffenden Zeitraum um 2 % gewachsen. Bei reproduktiver Substanzerhaltung ist der Betrag ausschüttbar, der von den Umsatzerlösen nach Abzug der Wiederbeschaffungskosten der Produkte gleicher Qualität verbleibt: 700 T€ – 360 T€ = 340 T€. Die Differenz zu dem auf Anschaffungskostenbasis ermittelten Gewinn (350 T€ – 340 T€ = 10 T€) ist als Scheingewinn zu interpretieren. Dieser ist in eine Position (z. B. unter der Bezeichnung »Substanzerhaltungsrücklage«) einzustellen, die bei der Wiederbeschaffung der eingesetzten Produkte aufzulösen ist. Bei relativer Substanzerhaltung sind von den Umsatzerlösen die Wiederbeschaffungskosten der eingesetzten Produkte in der nunmehr handelsüblichen Qualität (500 T€) abzuziehen. Dieser Betrag ist um einen Wachstumszuschlag von 2 % (10 T€) zu erhöhen. Ausschüttungsfähig sind dann nur noch 190 T€ (700 T€ – 500 T€ – 10 T€). Die Differenz zu dem auf Anschaffungskostenbasis ermittelten Gewinn (350 T€ – 190 T€ = 160 T€) stellt den Scheingewinn dar, der wiederum in die bereits angesprochene Substanzerhaltungsrücklage einzustellen ist.
Es wird deutlich, dass die diskutierten Kapital- und Substanzerhaltungskonzeptionen mehr oder weniger überzeugende Vorschläge darstellen, wie der Erhalt des Unternehmens zu sichern ist. Die Frage nach der »richtigen« Erhaltungskonzeption lässt sich auf diese Weise allerdings nicht eindeutig beantworten. Demnach ist nicht sicher, ob sich der Erhalt eines Unternehmens beispielsweise durch Begrenzung der Ausschüttungen auf eine nominalkapitalerhaltungsbasierte Rechnungslegung (z. B. HGB-Einzelabschluss) sicherstellen lässt oder nicht (s. Kap. I.2.2.2). Erschwerend tritt hinzu, dass die Erhaltungskonzeptionen in der Realität nicht in Reinform auftreten. Naturgemäß sind alle Stakeholder am Fortbestand des Unternehmens interessiert. Aus dem Blickwinkel eines Investors ist der Einbehalt von Periodengewinnen immer dann vorteilhaft, wenn das Unternehmen über sinnvolle Investitionsmöglichkeiten verfügt und diese dem Investor eine Verzinsung erlauben, die über seinen alternativen Anlagemöglichkeiten liegt. Demnach ist die bei den Substanzerhaltungskonzeptionen unterstellte Ersatzinvestition kein Automatismus. Sie konkurriert mit Alternativinvestitionen, d. h., die Mittel können stets auch anderweitig angelegt werden.9 Dabei sind Ersatzinvestitionen dann nicht zu tätigen, wenn sich über die Wiederbeschaffung der eingesetzten Produkte keine Gewinne erzielen lassen. Eine Ausnahme könnte sich allerdings dann ergeben, wenn sich nur kurzfristig keine Gewinne realisieren lassen, aber langfristig mit besseren Absatzchancen gerechnet wird. In diesem Fall ist ein langfristig engagierter Investor bereit, kurzfristig Verluste (z. B. durch die Aufrechterhaltung des Bestandes an Personal) hinzunehmen, sofern diese durch die langfristig erzielbaren Gewinne überkompensiert werden. Folglich kann der den Substanzerhaltungskonzeptionen innewohnende Automatismus der Ersatzinvestition sogar zu einer unvorteilhaften Unternehmenspolitik führen (vgl. hierzu Ewert/Schenk 1998, S. 156). Dieser Kritikpunkt behält auch in Bezug auf die Kapitalerhaltungskonzeptionen seine Gültigkeit: Die Entscheidung, zusätzliche Beträge im Unternehmen einzubehalten, um eine reale Kapitalerhaltung zu sichern, muss sich stets an den zur Verfügung stehenden Investitionsmöglichkeiten messen. Demnach bieten die zuvor diskutierten Kapital- und Substanzerhaltungskonzeptionen keine abschließende Lösung des Problems, welche Erhaltungskonzeption letztendlich vor-
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Vgl. für eine Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichen, juristischen und volkswirtschaftlichen Ausschüttungsüberlegungen Wagner 1986, S. 409-425.
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ziehenswürdig ist. Gleichwohl erlauben deren kritische Betrachtungen eine systematische Problemdiskussion.
3.3.3 Organische Bilanzauffassung Fritz Schmidt, Professor für Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt am Main, entwickelte mit der Organik in den 1920er-Jahren eine weitere einflussreiche Bilanzauffassung. Schmidt stellt dabei eine gesamtwirtschaftliche Sichtweise in den Fokus seiner Arbeit: das Unternehmen ist als Zelle im »Organismus in der Gesamtwirtschaft« (Schmidt 1929, S. 47) zu verstehen. Entgegen der Statik und Dynamik geht die Organik von einem Dualismus der Bestimmung des richtigen Gewinns und des richtigen Vermögens aus, welcher beinhaltet, dass nur die richtige Bewertung des Vermögens den richtigen Gewinn ergeben kann. Im Fokus standen als Reflex auf die inflationären Entwicklungen in Deutschland von 1914 bis 1928 auf Preisänderungen basierende Überlegungen, welche als Grund für das Abweichen von bilanziellem und »richtigem« Vermögen gesehen werden. Das Themenfeld der Hyperinflation entfaltet auch heutzutage noch Relevanz (vgl. Hanke/Kwok 2009, S. 353 ff.) und wird im Rahmen der internationalen Rechnungslegung in einem eigenen Standard (IAS 29) behandelt. Frei von fast jeglicher Bilanzobjektivierung, werden Aktiva in der Organik recht weit gefasst. Aktiva sollen den »Stand der lebenden Unternehmung« wiedergeben und damit einen Fortführungswert darstellen, welcher auch Objekte »ohne Liquidationswert« (beide Zitate Schmidt 1929, S. 118) mit einbezieht. Alle bilanziellen Posten werden mit ihren Tageswerten erfasst. Differenzen zwischen historischen Anschaffungswerten und Tageswerten erfasst die Organik im Eigenkapitalposten »Wertänderungen am ruhenden Vermögen«, welcher als Charakteristikum dieser Bilanzauffassung gesehen werden kann. Die für Schmidt ausschlaggebende Bewertungskonzeption geht – wie zuvor dargestellt – von Tagesbeschaffungswerten aus, also jenen Werten, welche zum aktuellen Zeitpunkt für den Wiederaufbau des Unternehmens zu zahlen wären. Dies kann als Abkehr vom Anschaffungskostenprinzip verstanden werden. Ein Gewinn kann im Rahmen der Organik nur dann gesehen werden, wenn das Unternehmen seine relative Stellung in der Gesamtwirtschaft behaupten kann, was nur dann erfüllt ist, wenn die zugrunde liegende Substanz des Unternehmens erhalten bleiben kann. Dies erfolgt explizit unter Berücksichtigung von Preisänderungen der einzelnen Bilanzpositionen. Der Ansatz bestimmter Aktiva zu Zeitwerten kann beispielsweise als organisches Element in HGB und IFRS verstanden werden (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 26 f.). 3.3.4 Konzept des ökonomischen Gewinns Das Konzept des ökonomischen Gewinns (economic income) sieht den Betrag als ausschüttungsfähig an, der dem Unternehmen in einer Periode entnommen werden kann, ohne dass sich das sog. Erfolgskapital vermindert. Das Erfolgskapital ist der Barwert der erwarteten Einzahlungsüberschüsse (Unternehmensgesamtwert) und damit als Fähigkeit zu verstehen, Annuitäten einer bestimmten Höhe zu generieren (vgl. Schneider 1963; Schneider 1997, S. 41 ff.). Der ökonomische Gewinn ist demnach als positive Differenz zwischen Unternehmensgesamtwert am Ende der Periode und am Anfang dieser Periode (zuzüglich etwaiger Ausschüttungen und abzüglich möglicher Kapitaleinlagen dieser Periode) definiert. Lediglich Unternehmenswertsteigerungen sind somit ausschüttbar. Zurückführen lässt sich die Konzeption des ökonomischen Gewinns auf Kritik an einperiodigen Erfolgsgrößen vor dem Hintergrund mehrperiodiger Entscheidungsprobleme (vgl. Weißenberger 2003, S. 117 ff.).
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Die Bestimmung des ökonomischen Gewinns geht mit einer Unternehmensbewertung einher (vgl. hierzu IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, IDW S 1). Die Ermittlung eines solchen Wertes setzt z. B. die Schätzung der künftigen Ein- und Auszahlungen sowie die Bestimmung eines geeigneten Diskontierungszinssatzes voraus. Eine solche Bestimmung geht mit erheblichen Schätzspielräumen einher. Demnach kann sich der ökonomische Gewinn bei unsicheren Erwartungen alleine dadurch ändern, dass am Ende der Periode bessere Informationen, z. B. zur Schätzung der künftigen Zahlungsströme, vorhanden sind. Wird der Konzeption des ökonomischen Gewinns gefolgt, wäre die Erstellung eines (auf historischen Größen basierenden) handelsrechtlichen oder internationalen Abschlusses nicht mehr erforderlich, da der maximal ausschüttbare Betrag auf Basis einer völlig anderen (zukunftsorientierten) Berechnung ermittelt wird. Ein solches Vorgehen erscheint theoretisch konsequent. Allerdings ist auch dieses Konzept nicht ohne Kritik. Zu kritisieren sind zum einen die erheblichen Schätzspielräume, die mit der Bestimmung des Unternehmenswertes einhergehen (mangelnde Objektivierbarkeit). Zum anderen verhindert auch das Konzept des ökonomischen Gewinns nicht, dass u. U. Beträge ausgeschüttet werden, für die im Unternehmen gute Investitionsmöglichkeiten bestehen und die ggf. überproportional hohe Ausschüttungen in den Folgeperioden sicherstellen würden. Diskussionsfrage II.3.-2 Die an der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Metabox AG muss einen Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsnormen erstellen. Die nachstehenden Abschlussangaben beziehen sich auf das zu betrachtende Geschäftsjahr (1.1. bis 31.12.). – Einzelabschluss, HGB, Jahresüberschuss 4,3 Mio. € – Einzelabschluss, HGB, Bilanzgewinn 4,0 Mio. € – Einzelabschluss, IFRS, profit 4,2 Mio. € – Konzernabschluss, IFRS, profit 4,5 Mio. € – Konzernabschluss, HGB, Bilanzgewinn 4,4 Mio. € – Unternehmensgesamtwert, zum 1.1. des Geschäftsjahres 44,8 Mio. € – Unternehmensgesamtwert, zum 31.12. des Geschäftsjahres 51,8 Mio. € Welchen Betrag kann die Metabox AG mit Sitz in Deutschland nach der Konzeption des ökonomischen Gewinns ausschütten und welcher Betrag ist tatsächlich ausschüttungsfähig?
3.3.5 Asset-liability- und revenue-expense-Ansatz Im anglo-amerikanischen Bereich werden in Zusammenhang mit der Gewinnermittlung vor allem der asset-liability-Ansatz und der revenue-expense-Ansatz herangezogen.10 Diese beiden Ansätze haben auch durch die Neugestaltung der Ertragsrealisation gem. IFRS 15 (s. Kap. III.3.8) besondere Aufmerksamkeit erlangt. y Vertreter des revenue-expense-Ansatzes sehen in der Ermittlung des Periodenergebnisses den primären Zweck des Jahresabschlusses. Insofern zeigen sich Ähnlichkeiten zur dynamischen Bilanzauffassung (s. Kap. II.3.2.2). Erträge sind nach dem Realisationsprinzip (s. Kap. II.4.4.5.1) und Aufwendungen nach dem matching-Prinzip (s. Kap. II.4.4.5.2) zu definieren. Die bilanzierten assets stellen (ähnlich dem Kräftespeicher in der dynamischen Bilanz von Schmalenbach) demnach lediglich revenue charges in sus-
10 Vgl. zum revenue-expense-Ansatz Paton/Littleton 1940, sowie zum asset-liability-Ansatz Sprouse/Moonitz 1962, und Miller/Bahnson 2010. Siehe auch Zülch/Fischer/Willms 2006, S. 6 ff.; Seifert 2011, S. 21 ff.
3 Theoretische Ansätze zum Inhalt und zur Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen
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pense dar, d. h., es handelt sich um Aufwendungen in Wartestellung für ein matching in künftigen Perioden. Die relevante Gewinngröße ergibt sich demnach im Zusammenspiel von Realisationsprinzip und matching-Prinzip. Vertreter des asset-liability-Ansatzes sind der Auffassung, der Periodengewinn sei grundsätzlich nach dem Konzept des ökonomischen Gewinns (s. Kap. II.3.3.4) zu ermitteln. Aufgrund von Ermittlungsproblemen sind ersatzweise die zutreffenden Werte der Vermögens- und Schuldposten heranzuziehen. Einer Cashflow-Orientierung folgend ist dabei vorzugsweise auf Marktpreise für die einzelnen assets und liabilities zurückzugreifen. Insofern bedarf es in dieser Konzeption keiner Periodisierung, da bei der Existenz von Marktpreisen kein Erfordernis besteht, durch planmäßige Abschreibungen eine zutreffende Periodisierung herzustellen. Die GuV nimmt demnach die Rolle einer Nebenrechnung an. Der asset-liability-Ansatz ähnelt konzeptionell der statischen Bilanzauffassung (s. Kap. II.3.2.1). Ausgehend von der Feststellung des Vermögens/der Schulden ergeben sich Erträge/Aufwendungen ähnlich der statischen Bilanzauffassung als Veränderung der bilanziellen Vermögens- bzw. Schuldenwerte.
Wie sind diese beiden Ansätze zu beurteilen? Der asset-liability-Ansatz erscheint durch die Bezugnahme auf das Konzept des ökonomischen Gewinns bei erster Betrachtung theoretisch fundiert. Allerdings stellt dieser Ansatz in der Praxis nicht auf eine Veränderung des Gesamtunternehmenswertes, sondern auf die Marktpreise der einzelnen assets und liabilities ab. Dies setzt voraus, dass sich die Marktpreise auch tatsächlich zuverlässig ermitteln lassen. Dies ist insbes. bei selbst geschaffenen immateriellen Posten nur schwer bzw. gar nicht möglich. Auch die bestehende IFRS-Konzeption erfasst nicht alle selbst geschaffenen (einzeln identifizierbaren) assets (recognition gap). Zudem wird ein ggf. verbleibender (nicht einzeln identifizierbarer) selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert (s. Kap. III.3.2.5.1) nicht abgebildet (goodwill gap; vgl. z. B. Hitz 2007, S. 346). Dies liegt insbes. darin begründet, dass eine zuverlässige Ermittlung und Bepreisung bestimmter immaterieller assets (z. B. eingespielte Organisation, Innovationspotenzial) faktisch nicht möglich ist und bestimmte immaterielle assets bilanziell nicht angesetzt werden dürfen (z. B. Umorganisationskosten). Auch im Hinblick auf die materiellen Posten lassen sich häufig keine Marktpreise ermitteln und es muss ersatzweise auf andere marktnahe Bewertungskalküle (z. B. DCF-Verfahren) zurückgegriffen werden, deren Anwendung teilweise mit hohen Ermessensspielräumen verbunden ist (siehe hierzu die Stufenkonzeption der fair value-Ermittlung, s. Kap. II.5.3.6.3). Die IFRS in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung verfolgen ansatzweise beide Konzeptionen (vgl. hierzu Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 99). Der derzeitigen Überzeugung des IASB folgend verfügt der asset-liability-Ansatz über konzeptionelle Vorteile gegenüber in der Vergangenheit präferierten revenue-expense-Ansatz. Beispielsweise orientieren sich die Regelungen im IASB F.4.68 zur Erfassung von income stark an dem asset-liabilityAnsatz (s. Kap. II.5.3.5.6, siehe auch die income-Definition in IFRS 15.Appendix A). Eine den Sarbanes-Oxley-Act 2002 begleitende Studie der SEC deutet auf einige der Vorund Nachteile der Konzeptionen aus Sicht der Standardsetter hin (vgl. SEC 2003, m. w. N. sowie Benston/Bromwich/Wagenhofer 2006): Zitat Standardsetterperspektive bei der Evaluation des revenue-expense-Ansatzes »We believe that the revenue/expense view is inappropriate for use in standard setting – particularly in an objectives-oriented regime. In establishing an accounting standard, the standard setter is attempting to define and establish the accounting principles for the underlying economic substance of
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
the class of transactions under consideration. As noted above, from an economic perspective, income represents a flow of, or change in, wealth during a period. Without first having an understanding of the wealth at the beginning of the period, it is not possible to determine the change in wealth during the period. The accounting equivalent to identifying »wealth« is identifying the assets and liabilities related to the class of transactions. This identification of wealth acts as a conceptual anchor to determining revenues and expenses that result from the flow of wealth during the period. Historical experience suggests that without this conceptual anchor the revenue/expense approach can become ad hoc and incoherent« (SEC 2003, Note 78 f.).
Ein Referenzpunkt für eine ökonomische Begründung des asset-liability-Ansatzes liegt in der Bezugnahme auf das volkswirtschaftliche Konzept des Hicksian income, welches Gewinn ebenfalls als Veränderung des Nettovermögens in einer Periode begreift (vgl. Dichev 2008, S. 454). Die theoretische Fundierung letzterer Konzeption in der ökonomischen Theorie ist positiv zu beurteilen. Gleichzeitig lassen sich konzeptionelle Gründe für die Verfolgung des revenue-expense-Ansatzes finden; danach betont dieses Konzept nicht nur die Wichtigkeit der Rechnungswesenkenngröße Gewinn, sondern berücksichtigt unter bestimmten Bedingungen auch die ökonomische Realität eines Unternehmens besser als der alternative Ansatz (vgl. Dichev 2008, S. 453). Die Ermittlung des zutreffenden Vermögens, das in der Bilanz auszuweisen ist, erfordert eine Entscheidung, unter welchen Umständen eine Vermögensänderung auszuweisen ist. Damit handelt es sich aber um ein Problem, das der GuV zuzuordnen ist. Eine abschließende Beurteilung beider Ansätze hinsichtlich ihrer Vorziehenswürdigkeit erscheint kaum möglich. Wird z. B. die richtige Vermögensbestimmung als Ausgangspunkt genommen, ist das Verständnis der Vermögensänderung grundlegend für den Einkommensbegriff. Aufgrund der Doppik (doppelte Buchführung, s. Kap. II.2) sind Bilanz und GuV jedoch eng miteinander verbunden, sodass sich für jede Vermögensänderung auch die Frage der Abbildung in der GuV stellt. Es handelt sich bei der Beurteilung letztendlich um zwei Seiten der gleichen Medaille; eine lediglich bilanzielle oder lediglich gewinn- und verlustorientierte Sichtweise der Gewinnermittlung hat regelmäßig Einfluss auf die andere Seite. Bereits bei den in Abschnitt II.3.2 dargelegten Bilanzauffassungen lassen sich solch konzeptionelle Betrachtungen erkennen. Die Kernaussagen der widerstreitenden Bilanzauffassungen der Statik (»Wer den Gewinn richtig ermitteln will, muss das Vermögen richtig ermitteln.«) und der Dynamik (»Wer den Gewinn richtig ermitteln will, muss das Vermögen falsch ermitteln.«) sind in ihrer Bedeutung nicht trivial, da die grundlegende Interpretation des Gewinns nicht eindeutig ist (vgl. Moxter 1984, S. 6 ff.).
3.3.6 Kurzbeurteilung Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass es im Hinblick auf die Ermittlung des »richtigen« Unternehmensgewinns kein überzeugendes Konzept gibt. Insofern kann der Einblick in die »tatsächlichen Verhältnisse« eines Unternehmens nur im Rahmen bestehender Konventionen (Rechnungslegungsnormen) vermittelt werden (s. Kap. II.4; II.5). Wichtig ist, dass der Abschlussadressat sich dieser Konventionen und etwaiger Beschränkungen im Informationsgehalt der ausgewiesenen Gewinn- und Bilanzgrößen bewusst sein muss und um eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren nicht umhinkommt (vgl. auch Wagenhofer 2006, S. 35).
Kontrollfragen zu II.3
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Zitat Externe Unternehmensrechnung als konventionsbasierte Wissenschaft »Accounting is a social construct, not a pure science. Nevertheless, because it involves quantification, there is a tendency to believe that accounting, and therefore the rules standard-setters make, is analogous to mathematics, with only one correct answer that must, by definition, be adopted for each item in a set of financial statements. In fact, financial reporting is a matter of careful judgement within a framework of generally understood principles and conventions« (Ernst & Young 2005, S. 8).
Kontrollfragen zu II.3 1. Beruhen die Wertansätze in einer IFRS-Bilanz stets auf dem pagatorischen Prinzip? 2. Nach Schmalenbachs dynamischer Bilanzauffassung ist ein Erfolgsbeitrag an die Entstehung von Umsatz gebunden. Dagegen sind nach internationalen Rechnungslegungsnormen oftmals Erfolgsbeiträge zu zeigen, die darauf beruhen, dass Marktpreise für Aktivposten steigen; insofern zeigt die Bilanz nicht durch Umsatzakte realisierte Gewinne. Sowohl Schmalenbach als auch die IFRS erheben den Anspruch, Informationen zu liefern, welche für die Unternehmenssteuerung geeignet sind. Welche Auffassung ist richtig? 3. Legen Sie den Zweck eines nach der dynamischen Bilanzauffassung und nach IFRS erstellten Jahresabschlusses dar und gehen Sie insbes. auf bestehende Unterschiede und Gemeinsamkeiten ein. 4. Auf welcher(n) Kapitalerhaltungskonzeption(en) beruhen das deutsche Steuerrecht, das deutsche Handelsrecht und die internationalen Rechnungslegungsnormen? Lässt sich eine klare Trennung vornehmen? Suchen Sie Gründe für Ihre Beobachtungen. 5. Welche Gewinnermittlungskonzeption bevorzugen Sie als Fremdkapitalgeber? Begründen Sie Ihre Antwort und gehen Sie auf mögliche Effekte für andere Interessensgruppen ein. 6. Worin liegen die Probleme bei Gewinnermittlung auf Grundlage des asset-liabilityAnsatz bzw. des revenue-expense-Ansatzes? Verdeutlichen Sie die Anwendung dieser Ansätze sowie etwaige Anwendungsprobleme am Beispiel der Erfassung von Umsatzerlösen. Wie beurteilen Sie diese Ansätze?
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4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB LERNZIELE
y y y
Verständnis für die Rechtfertigung der Existenz von Rahmennormen. Entwicklung von Rahmennormen. Inhalt und Ausgestaltung eines GoB-Systems sowie kritische Würdigung dieses Systems.
4.1 Einordnung Rechnungslegungsnormen sind Regeln, die den Anspruch erheben, das Verhalten des Normenanwenders zu steuern. Im Folgenden wird zwischen Einzelnormen und Rahmennormen unterschieden. Einzelnormen regeln spezifische Sachverhalte. Dabei handelt es sich zumeist um bestimmte Abschlussposten (z. B. IAS 2 zu den Vorräten oder § 272 HGB zum Eigenkapital). Jedoch ist es auch mit noch so ausgefeilten Einzelnormen nicht möglich, sämtliche Bilanzansatz- und Bewertungsfragen zu regeln. Aus diesem Grunde existieren Rahmennormen, deren Aufgaben sich wie folgt umschreiben lassen: y Rahmennormen sollen als Deduktionsbasis für die Herleitung einzelfallbezogener Problemlösungen dann dienen, wenn keine Einzelnorm vorhanden oder diese auslegungsbedürftig ist. Die Aufgabe der Auslegung besteht darin, Normwidersprüche zu eliminieren, Normkonkurrenzen zu lösen und Regelungsbereiche zu definieren (vgl. Larenz 1991, S. 312 f.). Dabei wird Auslegen im Folgenden definiert als »ein vermittelndes Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm problematisch geworden ist, zum Verständnis bringt« (Larenz 1991, S. 312). y Darüber hinaus sollen Rahmennormen grundsätzliche Fragestellungen regeln und ziehen damit quasi »vor die Klammer der Einzelnorm«. Auf diese Weise dienen Rahmennormen auch der Komplexitätsreduktion. y Die beiden zuvor angesprochenen Punkte sprechen die Perspektive des Normenanwenders an. Aus dem Blickwinkel des Normengebers sollen Rahmennormen auch als Deduktionsbasis für die Herleitung neuer Einzelnormen dienen. Als Rahmennormen stehen sich auf nationaler Ebene die deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung (GoB) und auf internationaler Ebene vor allem die Regelungen im IASB Conceptual Framework for Financial Reporting (IASB F) sowie in IAS 1, IAS 8 und IAS 10 gegenüber. Im Folgenden werden zunächst die deutschen GoB (s. Kap. II.4.2 bis II.4.4) und darauf aufbauend die internationalen Rahmennormen dargestellt und mit den deutschen GoB verglichen (s. Kap. II.5).
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
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4.2 Begriff und Aufgabe von GoB Auch der deutsche Gesetzgeber hat erkannt, dass sich nicht alle Sachverhalte umfassend regeln lassen.11 Aus diesem Grunde wurde, wie auch in anderen Rechtsbereichen, in den gesetzlich kodifizierten Normen der unbestimmte Rechtsbegriff »Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung« (GoB) eingeführt (z. B. in den §§ 238 Abs. 1, 243 Abs. 1, 264 Abs. 2 S. 1 HGB). § 243 Abs. 1 HGB verpflichtet alle Kaufleute bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zur Beachtung der GoB. Dieser Verweis auf die GoB bedeutet jedoch keine Gesetzeslücke und somit keinen planwidrigen Mangel im Gesetz. Vielmehr verweist der Gesetzgeber auf die gesetzlich angeführten sowie die gesetzlich nicht kodifizierten GoB. Damit »ist das Handelsbilanzrecht lückenlos. Jede Frage, die sich nicht nach gesetzlichen Einzelvorschriften beurteilt, beantworten die GoB« (Beisse 1990, S. 499). Die Verpflichtung zur Beachtung der GoB findet sich auch in der Generalnorm für den Einzelabschluss (§ 264 Abs. 2 S. 1 HGB).12 Diese besagt, dass »[d]er Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft (…) unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln [hat].« Der GoB-Verweis in der Generalnorm macht deutlich, dass es einen »objektiv absolut wahren Jahresabschluss« nicht gibt, sondern dass der Einblick in die »tatsächlichen Verhältnisse« immer nur im Rahmen der bestehenden Konventionen (Rechnungslegungsnormen) vermittelt werden kann. Dabei spricht gerade die Formulierung »unter Beachtung der GoB« dafür, dass der Jahresabschluss das den »tatsächlichen Verhältnissen« entsprechende Bild nicht immer vermittelt. Dies wird aber auch durch S. 2 deutlich, der zusätzliche Angaben im Anhang verlangt, wenn besondere Umstände dazu führen, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht vermitteln sollte. Praktische Anwendungsfälle für solche besonderen Umstände sind relativ selten. Im Anhang zu erläutern wäre z. B., wenn das Jahresergebnis durch y ungewöhnliche abschlusspolitische Maßnahmen (s. Kap. II.7.2) wie z. B. ein sale and lease back-Geschäft oder y aperiodische Gewinnrealisierungen (z. B. volle Gewinnrealisierung bei langfristigen Fertigungsaufträgen grundsätzlich erst bei Abnahme des Werkes durch den Auftraggeber; s. Kap. III.3.8) in so erheblichem Ausmaß beeinflusst ist, dass ohne zusätzliche Angabe im Anhang ein falsches Bild der Ertragslage entstünde (vgl. ADS 1995, § 264 HGB, Rn. 117, 122; Störk/Schellhorn 2020, § 264 HGB, Rn. 51).
4.3 Ermittlung von GoB Wie GoB zu ermitteln sind, ist umstritten. Einigkeit herrscht jedoch dahingehend, dass die einzelnen GoB insgesamt Systemcharakter besitzen sollten (vgl. z. B. Grau 2002, S. 12 ff.). Als Methoden zur Ermittlung der GoB wurden vor allem die Induktion, die Deduktion und
11 Die nachstehenden Ausführungen sind teilweise eng an Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 102 ff. angelehnt. Siehe auch Tanski 2013, S. 115 ff. 12 Die angesprochene Generalnorm gilt für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften. Zur speziellen Generalnorm für den Konzernabschluss vgl. § 297 Abs. 2 S. 2 HGB.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
die Hermeneutik diskutiert (vgl. stellvertr. Leffson 1987, S. 29 ff., 112 ff.; Baetge/Zülch 2010, Rn. 19 ff.; Tanski 2013, S. 116 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 105 ff.).
4.3.1 Induktive Methode Die induktive Methode gewinnt die GoB aus der Vorgehensweise der Kaufleute in der Praxis. Maßstab für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs GoB sind demnach die Handelsbräuche ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute. Aus diesem Grund wird ein solches Vorgehen auch empirische Methode genannt. y Diese Methode wird heute überwiegend abgelehnt, da die Kaufleute vermutlich sachverständig, aber nicht neutral sind. Demnach ist zu erwarten, dass der bilanzierende Kaufmann die GoB vermutlich verstärkt in seinem Sinne ermittelt, sodass die Ziele des Gesetzgebers ggf. nur unzureichend beachtet werden. Es kommt nicht darauf an, wie die Praxis verfährt, sondern wie diese verfahren sollte (vgl. Döllerer 1959, S. 1217 f.; kritisch bereits Schmalenbach 1933a, S. 232). y Des Weiteren versagt die induktive Methode, wenn es um die Beantwortung von neuen Fragen geht, für die sich noch keine praktische Übung herausgebildet hat. 4.3.2 Deduktive Methode Dagegen ermittelt die deduktive Methode die GoB aus den (vom Gesetzgeber gewollten) Zwecken des Jahresabschlusses. Da Gesetze Mittel zur Erreichung eines Zweckes darstellen, muss sich die Auslegung an diesem Gesetzeszweck orientieren. Aus diesem Grund wird diese Methode auch als teleologische Auslegung (griechisch telos, der Zweck) bezeichnet (vgl. z. B. Tipke 1986, S. 5). Demnach wären GoB »durch Nachdenken« (Döllerer 1959, S. 1220) zu ermitteln, d. h. durch logische Ableitung aus den Abschlusszwecken bzw. den Funktionen, welche ein Abschluss zu erfüllen hat. Wird von einer Dominanz der Ausschüttungsbemessungsfunktion und der Annahme, dem Gläubigerschutz sei eine vorsichtige Bilanzierung dienlich (s. Kap. I.2.2.2), ausgegangen, wären im Gesetz enthaltene unbestimmte Rechtsbegriffe i. S. einer vorsichtigen Ausschüttungsbemessung auszulegen. Allerdings gestaltet sich in Bezug auf die deutschen GoB die Deduktion nicht ganz unproblematisch. Als Gründe hierfür sind zu nennen: y Mangel an einer klaren Deduktionsbasis: Es existiert eine Vielzahl von Abschlusszwecken. Die Deduktionsbasis ist nur dann klar, wenn einem bestimmten Zweck eindeutig Vorrang gegenüber den anderen Zwecken eingeräumt wird.13 Besonders eklatant ist der Mangel dann, wenn die Auffassung vertreten wird, der Abschluss solle einen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Abschlusszwecken gewährleisten (so z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 105 f.). y Durchführung der Deduktion: Die Deduktion erweist sich auch bei der Ausrichtung auf nur einen Abschlusszweck als problematisch. Auch wenn der Abschluss nur den Zweck der Ausschüttungsbemessung hätte, wäre immer noch zu beweisen, ob das deduzierte Vorgehen tatsächlich die »richtige« Ausschüttungsbemessung sicherstellt. Ein solcher Beweis lässt sich jedoch nicht überzeugend führen. Dies verdeutlicht auch die Diskussion über die richtige Methode der Gewinnermittlung (s. Kap. II.3.3).
13 Eine theoretische Begründung für die Unmöglichkeit, verschiedenen Abschlusszwecken gleichermaßen zu dienen, liefert Demski 1973, S. 718 ff. (s. Kap. I.2.2).
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
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Als weiteres Problem tritt hinzu, dass eine Vielzahl von GoB gesetzlich kodifiziert ist. Demnach liegt der Schwerpunkt der GoB nunmehr nicht mehr allein auf der Entwicklung neuer (außergesetzlicher bzw. nicht kodifizierter) GoB, sondern auch in der Auslegung gesetzlich kodifizierter GoB.
4.3.3 Hermeneutische Methode Daher erlangt zunehmend die hermeneutische Methode an Bedeutung. Die Hermeneutik ist die in der Rechtswissenschaft übliche Methode der Auslegung von Rechtsnormen (juristische Methodenlehre). Begründer ist Friedrich Carl von Savigny (vgl. Savigny 1840). Diese Methodenlehre beschreibt zum einen wie Gesetze ausgelegt werden und legt zum anderen Maßstäbe fest, welche eine Auslegung als »vertretbar« bzw. »zutreffend« erscheinen lassen (vgl. Larenz 1991, S. 226). Der Begriff Hermeneutik stammt aus dem Griechischen (»hermeneuo«) und lässt sich als die Fertigkeit im ganzheitlichen Auslegen von Texten bezeichnen. In der griechischen Mythologie war Hermes nicht nur der Überbringer von Botschaften der Götter, sondern auch deren Übersetzer – ohne seine Übersetzungen blieben die Botschaften kryptisch. Die Hermeneutik ist demnach eine das Gesetz verstehende ganzheitliche Methode, anhand derer handelsrechtliche Rechnungslegungsnormen nach anerkannten Spielregeln ausgelegt werden und neue (nicht kodifizierte) GoB entwickelt werden. Methodisch schließt die Hermeneutik gleichsam die Induktion und die Deduktion ein. Als hermeneutisch bedeutsame Kriterien für die Auslegung und/oder Entwicklung sind vor allem zu nennen (vgl. z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 107 ff.): y Wortlaut und Wortsinn der gesetzlichen Vorschriften: Demnach ist es z. B. nicht möglich, einen gesetzlich kodifizierten GoB entgegen dem Wortlaut und dem Wortsinn auszulegen; dies ist nur bei offensichtlichen Gesetzgebungsfehlern der Fall. Die grammatikalische Auslegung bildet den Ausgangspunkt jeder Auslegung, weil sie an den Wortsinn anknüpft, aber auch die Grenze der Auslegung, denn eine Interpretation über den Wortsinn hinaus ist unzulässig (vgl. Arndt/Jenzen/Fetzer 2016, S. 20 f.). y Bedeutungszusammenhang der gesetzlichen Vorschriften: Bei der logischen Auslegung wird durch die Stellung der Norm im Gesetzestext bzw. im »äußeren System« (Zippelius 2021, S. 47) auf den Normsinn geschlossen. Es werden Beziehungen zu anderen Normen untersucht, um Widersprüche zu vermeiden (vgl. Alexy 2012, S. 295). Hierbei stehen syntaktische wie auch logische Zusammenhänge im Vordergrund. Ersteres untersucht einzelne Wörter der Rechtsnorm, während zweiteres Verbindungen zwischen der zu untersuchenden Norm und ergänzenden Regelungen aufstellt, die so zu einem Ergebnis der Auslegung gelangen sollen (vgl. Zippelius 1983, S. 740). Deshalb sollte die Norm so ausgelegt werden, dass sie nicht im Widerspruch zu einer anderen gleich- oder höherrangigen Norm steht (vgl. BVerfG 1977, S. 273 f.; Zippelius 2021, S. 43 f.). Hierbei gilt bei Normkollisionen allgemein, dass speziellere Normen allgemeinen Normen vorgehen und höherrangige Normen niederrangige Normen dominieren (vgl. Arndt/Jenzen/ Fetzer 2016, S. 22). Die logische Auslegung wird auch als logisch-systematische Auslegung bezeichnet, weil sie auf Strukturen der logischen Systembildung zurückgreift (vgl. Engisch 2018, S. 112 f.). Somit ist der Bedeutungszusammenhang der auszulegenden gesetzlichen Vorschrift im Verhältnis zu anderen Gesetzen und nicht kodifizierten GoB relevant; bei der Entwicklung neuer GoB ist der Bedeutungszusammenhang des neu zu entwickelnden GoB in Bezug zu den vorhandenen GoB angesprochen. y Entstehungsgeschichte des Gesetzes und Ansichten des Gesetzgebers: Die historische Auslegung versucht, durch Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte den Willen des
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y
y
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Gesetzgebers zu ermitteln. Da es jedoch in einer parlamentarischen Demokratie keinen historischen Gesetzgeber mit einem einheitlichen Willen gibt, sondern eine Norm immer das Ergebnis eines Kompromisses vieler verschiedener Meinungen ist, ist es nahezu unmöglich, die gesamte historische Diskussion in den Auslegungsprozess einzubeziehen (vgl. Arndt/Jenzen/Fetzer 2016, S. 23). Deshalb wird zur Erreichung des Ziels der Auslegung und Entwicklung neuer GoB auf die folgenden Auslegungsmittel zurückgegriffen: die Gesetzesmaterialien (Entwürfe, Beratungs- und Sitzungsprotokolle, amtliche Begründungen; solche Gesetzesmaterialien finden sich unter http://dip.bundestag. de) lassen Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu (»genetische Auslegung«). Dabei werden auch der Rechtszustand, der auf das Gesetz wirkte sowie die politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse der Entstehungszeit herangezogen (vgl. Honsell 1982, S. 47 ff.). Da das Ziel der Auslegung die Ermittlung des heutigen Normsinnes ist, ist darauf zu achten, dass die historische Auslegung nicht zu veralteten Wertvorstellungen führt (vgl. Arndt/Jenzen/Fetzer 2016, S. 23). Teleologische Auslegung: Hier geht es um eine an den Abschlusszwecken orientierte Auslegung (siehe auch Fey 1987, S. 56 ff.). Insofern beinhaltet die teleologische Auslegung die Deduktion (s. Kap. II.4.3.2). Die Orientierung am Sinn und Zweck des Gesetzes bildet aber genau das Ziel jeglicher Rechtsauslegung. Daher könnte angenommen werden, dass die anderen Auslegungselemente überflüssig wären. Aber gerade bei der teleologischen Auslegung neigt der Normauslegende zu einem Zirkelschluss, indem er zunächst seine subjektive Wertung in die Norm einbringt und sie dann als Sinn und Zweck aus der Norm abliest. Dies zeigt gerade die Bedeutung der anderen Elemente, denn auch diese möchten den Normsinn und -zweck ermitteln. Arndt/Jenzen/Fetzer (2016, S. 24) sehen die grammatikalische, systematische und historische Auslegung daher nicht als eigenständige Elemente an, sondern sehen in ihnen lediglich Hilfsmittel zur teleologischen Auslegung. Diese Hilfsmittel dienen dazu, »das Auslegungsergebnis auf eine wesentlich breitere, gefestigtere Basis [zu stellen], als das bei einer einseitig teleologischen Interpretation der Fall wäre« (Arndt/Jenzen/Fetzer 2016, S. 24). Sonstige Kriterien wie z. B. Verfassungskonformität, die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH14 und vor allem des BFH15 (s. Kap. I.5.2.2.1), aber auch Praktikabilitätserfordernisse (vgl. z. B. Tipke 1986, S. 9). Insofern finden sich hier induktive Elemente.
Zunächst sei noch einmal daran erinnert, dass sich die o. g. Auslegungskriterien nicht gegenseitig ausschließen, sondern Gesichtspunkte darstellen, die von unterschiedlichem Gewicht sind und sich gegenseitig ergänzen (vgl. BVerfG 1960, S. 130). Orientiert an den zuvor genannten Kriterien könnte sich der Gang der Gesetzesauslegung z. B. wie folgt vollziehen (hierzu z. B. Beisse 1981, S. 137 f.; Larenz 1991, S. 343 ff.; Schmalz 1998, S. 85 ff.; Merkt 2021): Zunächst wird der mögliche Wortsinn ermittelt. Eine Auslegung, die über den Wortsinn hinausgeht, ist unzulässig, sodass der Wortsinn zugleich die Grenze der Auslegung bildet. Welche Auslegung die sachgerechteste ist, wird erst später durch die teleologische Auslegung entschieden. Um den Wortsinn zu ermitteln, kann es sich anbieten, zunächst einmal vom Wortlaut auszugehen (grammatikalische Auslegung), der die Auslegung begrenzen oder in eine bestimmte Richtung lenken kann. Bedeutsam ist auch die Stellung des auszulegenden Gesetzestextes im Kontext der Rechtsordnung insgesamt
14 Entscheidungen des BGH finden sich unter https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Entscheidungen/entscheidungen_ node.html. 15 Entscheidungen des BFH finden sich unter https://www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen.
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
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(systematische Auslegung); hierbei wird z. B. auf den Textzusammenhang mithilfe von amtlichen Überschriften einzelner Gesetzesnormen und Abschnitten des Gesetzes abgestellt. Beispielsweise gilt § 256a HGB zur Währungsumrechnung (die §§ 238-263 HGB gelten für alle Kaufleute) für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute nur unter Berücksichtigung der in § 340h HGB vorgeschriebenen Modifikationen, weil die §§ 340–340o HGB eindeutig erkennbar als »Ergänzende Vorschriften für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute« gekennzeichnet sind. Zudem ist der Wortsinn und Bedeutungszusammenhang in seinem historischen Kontext zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers und der Zweck, der der auszulegenden Norm am nächsten kommt. Diese können durch Absichtserklärungen des Gesetzgebers, amtliche Begründungen oder Entwürfe zur Zeit der Entstehung des Gesetzes gewonnen werden. Objektiv telelogische Überlegungen stehen nicht vollends losgelöst von den zuvor angesprochenen Erwägungen. Diese beziehen sich auf den Normenzweck (z. B. welche Normenauslegung ist i. S. der Bestimmung von Ausschüttungen an die Unternehmenseigner geeignet). Weiterhin ist eine verfassungskonforme Auslegung gefordert, weil sich die rechtsethischen Prinzipien mit Verfassungsrang gegenseitig ergänzen oder einschränken können. Kernidee ist, dass das Ganze aus dem Einzelnen und das Einzelne aus dem Ganzen heraus verstanden werden muss. Dabei geht der Gesetzesanwender mit einem Vorverständnis an eine Auslegungsfrage heran. Dieses Vorverständnis gilt es nun vor dem Hintergrund der zuvor genannten hermeneutisch bedeutsamen Kriterien sukzessive auf eine (höhere) Verständnisstufe zu bewegen. Demnach gelangt der Gesetzesanwender ausgehend von dem Vorverständnis zu einem Verständnis des Gesetzestextes (Textverständnis). Dieses Textverständnis bildet wiederum das erweiterte Vorverständnis (V1) für eine weitere Beschäftigung mit dem vorliegenden Text, d. h., auf Basis von V1 ist ein erweitertes (korrigiertes) neues Textverständnis (T1) möglich, welches dann wiederum die Grundlage (V2) für die folgenden Auseinandersetzungen mit dem Text bildet. Dieser fortlaufende Erkenntnisfortschritt ist prinzipiell unabgeschlossen.
Abb. II.4./1 Hermeneutische Spirale16
16 Entnommen aus http://www.teachsam.de/deutsch/d_schreibf/schr_schule/txtinterpr/txtinterpr_3_1_ 1_0.htm (Stand: 1.1.2022).
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Allerdings gibt die Hermeneutik keine operationale methodische Regel an, wie im Einzelnen vorzugehen ist (vgl. Wild 1975, Sp. 2658), d. h., die Anwendung der hermeneutisch bedeutsamen Kriterien führt regelmäßig zu einer Bandbreite von zulässigen Lösungen. Demnach führt diese Methode nicht zu logisch zwingenden Schlüssen. Ausdruck des hermeneutischen Erkenntnisgewinns ist eine Kreisbewegung des Verstehens, die nicht an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt, sondern das Verständnis z. B. des Gesetzestextes auf eine neue (höhere) Stufe hebt (sog. hermeneutische Spirale; vgl. ausführlich Larenz 1991, S. 206 ff.). Der Anwender der hermeneutischen Methode muss über ein umfassendes Vorverständnis verfügen. Hierzu gehört, dass der Normenanwender einerseits die abzubildende ökonomische Realität durchdrungen hat und andererseits über ein entsprechendes Problemlösungswissen (z. B. grundsätzliche Abbildungsmöglichkeiten im Jahresabschluss nebst dazugehöriger Buchungstechnik) verfügt. Auf dieser Basis sind alle hermeneutisch bedeutsamen Kriterien zu prüfen. Dies führt y entweder zu neuen Einsichten, d. h. beispielsweise einer anderen Auffassung hinsichtlich der Auslegung einer Gesetzesnorm, oder y zu einer Bestätigung der bereits vorhandenen Auffassung, zumeist allerdings bei einem nunmehr vertieften Verständnis. Ergebnis des hermeneutischen Prozesses ist demnach die begründete Entscheidung für ein bestimmtes Vorgehen, wie beispielsweise eine bestimmte Auslegung eines Gesetzes oder die Entwicklung eines neuen GoB (vgl. Ruhnke 2000, S. 78 f. m. w. N.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 107 ff.).
4.3.4 Würdigung Bereits an dieser Stelle ist festzustellen, dass das GoB-System durch die Möglichkeit der Existenz gesetzlich nicht kodifizierter GoB offen für neue Entwicklungen ist. Beispielsweise lassen sich die Regelungen zur Buchführung in §§ 238 f. HGB nicht nur in Bezug auf eine manuelle, sondern auch auf die derzeit übliche IT-gestützte Buchführung anwenden (s. Kap. II.2.4.1). Die allgemeinen Bewertungsregelungen der §§ 252 ff. HGB können auch als Grundlage zur Behandlung von neueren Finanzierungsformen wie z. B. factoring oder asset backed securities (s. Kap. II.7.2.2.2.b1) dienen. Auf diese Weise kann rasch auf aktuelle Entwicklungen reagiert werden, d. h., es ist nicht notwendig, den langwierigen Weg der Entwicklung eines Gesetzes zu beschreiten. Dem Vorteil der Flexibilität steht entgegen, dass u. U. keine Klarheit hinsichtlich des aktuellen Standes der GoB herrscht, was wiederum dazu führt, dass die Vergleichbarkeit von Unternehmensrechnungen leidet. Zudem sind die kodifizierten GoB teilweise sehr vage formuliert. So ist im HGB beispielsweise keine Definition des Vermögensgegenstandes zu finden. Der Begriff des Vermögensgegenstandes ist hierbei nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu konkretisieren. Aus dem Vollständigkeitsprinzip ergibt sich, dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände zu enthalten hat, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 246 Abs. 1 S. 1 HGB). Dabei ist die Aktivierung von Ausgaben aus dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) ableitbar. Die Kritik an der fehlenden Klarheit kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Literatur das deutsche GoB-System als »Markt für Interpretationen« bezeichnet.
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
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Zitat »GoB: the market for interpretations Where the rules set down in the law are insufficient, the German accountant turns for guidance to the principles of orderly book-keeping (GoB). Some of these principles are laid down in the law. However the HGB’s principles are expressed in rather vague and general terms and to make them operational they need to be supplemented by more detailed rules. These are provided by the ›market for interpretations‹ which is an important feature of the German regulatory system and which is unique to that country. This market consists of the writings of experts in financial reporting law and practice, such as lawyers, accountants and, above all, academics, which are presented as interpretations of law. These writings are published in specialized journals and in very comprehensive commentaries, which seek to set down the rules to be followed in every eventuality. The activity may be characterized as a ›market‹ because the participants compete with each other in providing relevant and applicable interpretations of the law. There are so many competing interpretations that it is said that someone who wants to account for an item in a particular way can generally find support for the proposed treatment in one of the commentaries. However the market is regulated by the courts of law, which have the last say in whether a particular interpretation is valid; if the court rejects the interpretations of a particular expert this has a considerable impact on that expert’s reputation and marketability« (Flower/Ebbers 2002, S. 171 m. w. N.).
4.4 Elemente eines GoB-Systems und Beziehungsgeflecht 4.4.1 Überblick und Vorbemerkungen Die Ausführungen zur hermeneutischen Methode legen nahe, dass es nicht ein bestimmtes GoB-System gibt. Vielmehr existieren verschiedene Systematisierungen (vgl. z. B. Leffson 1987, S. 157 ff.; Moxter 2003; Ballwieser 2019, Rn. 13 ff.). Das nachstehend in Abbildung II.4./2 dargestellte und auf den Einzelabschluss17 bezogene GoB-System lehnt sich an das System von Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 113 ff. an und modifiziert dieses in Teilbereichen. GoB sind auch aus den Funktionen des Jahresabschlusses abzuleiten (deduktive Methode). Die Jahresabschlussfunktionen stehen einander weitgehend gleichwertig gegenüber. Allenfalls ist eine gewisse Dominanz der Ausschüttungs- und der Informationsfunktion gegenüber der Steuerbemessungsfunktion zu konstatieren. Andere Stimmen in der Literatur sehen ein »Primat der Ausschüttungsbemessung« gegenüber den anderen Funktionen (vgl. Lorson 2009, S. 31); hierfür spricht, dass stärker informationsorientierte Wertansätze, die über den bisherigen Wertansatz hinaus gehen, teilweise gem. § 268 Abs. 8 HGB für Ausschüttungen an die Anteilseigner gesperrt sind.
17 Zur Herausbildung der Grundsätze ordnungsmäßiger Konsolidierung bzw. Konzernrechnungslegung (GoK) s. Kap. IV.5.1.
Realisationsprinzip Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach
Vorsichtsprinzip Imparitätsprinzip
Kapitalerhaltungsgrundsätze
ÿ konkrete Passivierungsfähigkeit
Definitionsgrundsätze für das Jahresergebnis
ÿ konkrete Aktivierungsfähigkeit
Wirtschaftlichkeit u. Wesentlichkeit
Passivierungsgrundsatz ÿ abstrakte Passivierungsfähigkeit – Außenverpflichtung – wirtschaftliche Belastung – Quantifizierbarkeit
Wirtschaftliche Betrachtungsweise
Ansatzgrundsätze für die Bilanz
Vollständigkeit Stichtagsprinzip Periodisierungsprinzip
Aktivierungsgrundsatz ÿ abstrakte Aktivierungsfähigkeit – wirtschaftlicher Wert – selbständige Bewertbarkeit – selbständige Verkehrsfähigkeit
Klarheit und Übersichtlichkeit
Einzelbewertung
allgemeine Grundsätze in Bezug auf die Erfassung der Geschäftsvorfälle (Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtheit, Ordnung, Nachvollziehbarkeit, Unveränderlichkeit) Aufbewahrungsfristen Einrichtung eines Internen Kontrollsystems (IKS) (…)
ÿ Stetigkeit ÿ Erläuterung von Unstetigkeiten
Vergleichbarkeit
Rahmengrundsätze
Pagatorik
Systemgrundsätze
Dokumentationsgrundsätze
ÿ Objektivierbarkeit ÿ Willkürfreiheit
Richtigkeit
Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Abschlussfunktionen: ÿ Gewinnanspruchsermittlung – Ausschüttungsbemessung – Steuerbemessung ÿ Informationsvermittlung
200 Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Abb. II.4./2 System der deutschen GoB für den Einzelabschluss18
18 Modifizierte Darstellung in Anlehnung an Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 142. Siehe auch Kirsch/Höbener 2021, Rz. 58. Die im gestrichelten Kasten enthaltenen Elemente bewegen sich außerhalb des GoB-Systems; s. Kap. II.4.4.6.
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
201
4.4.2 Systemgrundsätze Die gesetzlich kodifizierten und die nicht gesetzlichkodifizierten GoB sollen ein System bilden, welches eine bestmögliche Erfüllung der gesetzten Abschlussfunktionen sicherstellt. Die alleinige Herleitung von Grundsätzen aus den Funktionen eines Abschlusses (Deduktion) erweist sich oftmals als sehr schwierig (s. Kap. II.4.3.2). Um Widersprüche mit den übrigen GoB zu vermeiden und eine einheitliche Konkretisierung sicherzustellen, erscheint es sinnvoll, weitere (allgemeingültige) kodifizierte GoB (System-GoB) als Basis für die Auslegung anderer GoB heranzuziehen. Demnach betonen die Systemgrundsätze, die aus § 252 Abs. 1 HGB abgeleitet sind, den Bedeutungszusammenhang zwischen den kodifizierten allgemeingültigen GoB und den zu entwickelnden oder zu konkretisierenden übrigen GoB (hermeneutische Komponente). Zu den Systemgrundsätzen zählen die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, der Grundsatz der Pagatorik und der Grundsatz der Einzelbewertung. 4.4.2.1 Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Abschlusserstellung von der »Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen«. Diese Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit wird auch als going concern-Annahme bezeichnet. Demnach ist die HGB-Bewertungskonzeption immer dann anzuwenden, wenn die Annahme der Unternehmensfortführung gegeben ist. Erst dann, wenn dieser Annahme tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen, wird die HGB-Bewertungskonzeption außer Kraft gesetzt (vgl. hierzu auch Groß 2004, S. 1361 ff.; Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 597 ff.). y Der going concern-Annahme entgegenstehende tatsächliche Gegebenheiten sind vorrangig wirtschaftliche Schwierigkeiten. Jedoch ist es nicht möglich, wirtschaftliche Tatbestände zu benennen, die zwingend eine Unternehmensfortführung ausschließen. Ersatzweise lassen sich Sachverhalte benennen, die eine Fortführung gefährden können. Hierzu zählen z. B. das Unvermögen, existenznotwendige Investitionen durchzuführen oder der Wegfall wesentlicher Kreditgeber, Zulieferer oder Kunden. y Als entgegenstehende rechtliche Gegebenheiten kommen z. B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Satzungsvorschriften, welche die Auflösung der Gesellschaft zur Folge haben, in Betracht. Zu den Insolvenzgründen zählen gem. §§ 16 ff. InsO die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung (siehe auch IDW S 11). Die handelsbilanzielle buchmäßige Überschuldung ist von der insolvenzrechtlichen Überschuldung gem. § 19 Abs. 2 InsO zu unterscheiden (zur Erstellung sog. Überschuldungsbilanzen vgl. Deubert/Meyer 2021, S. 723 ff.). Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Praxis der bedeutendste Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Bei der Beurteilung der going concern-Annahme sind auch Maßnahmen zur Krisenbewältigung (z. B. Umstrukturierungen) zu berücksichtigen. Als Bezugsperiode für die Beurteilung nennt die Literatur überwiegend ein Jahr; dieser Zeitraum kann im Einzelfall allerdings auch ausgeweitet werden (vgl. z. B. Kahle/Cordes 2020, § 252 HGB, Rn. 54; siehe auch IDW PS 270.8 und 270.A10). Die entgegenstehenden Gegebenheiten müssen sich hinreichend konkretisiert haben, sodass ein Zweifel an der Unternehmensfortführung allein nicht ausreicht. Gleichwohl lässt sich oftmals nur schwierig beurteilen, ob die Unternehmensfortführung tatsächlich über einen Zeitraum von einem Jahr hinweg gegeben ist (zur Erstellung einer Fortführungsprognose vgl. Groß/Amen 2002, S. 433 ff.; Hater 2013).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Entscheidend für die Beurteilung der Unternehmensfortführung sind grundsätzlich die Verhältnisse am Abschlussstichtag. Gleichwohl sind Ereignisse zu berücksichtigen, die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind, sofern diese bessere Erkenntnisse über die Verhältnisse zum Abschlussstichtag liefern. Solche Ereignisse, die als going-concern-aufhellende Ereignisse19 bezeichnet werden können, waren zum Abschlussstichtag bereits begründet, sind allerdings erst nach dem Stichtag bekannt geworden. Ein Beispiel hierfür wäre, dass ein zentraler Zulieferer im alten Geschäftsjahr einen Insolvenzantrag gestellt hat und hierdurch bedingt seinen Unternehmensbetrieb einstellen musste. Allerdings wird dem bilanzierenden Unternehmen (welches hierdurch annahmegemäß selbst in seiner Fortführung gefährdet ist) diese Information erst im neuen Geschäftsjahr bekannt. Weiterhin sind bei der Beurteilung der Fortführungsannahme auch Ereignisse zu berücksichtigen, die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind (going-concern-begründende Ereignisse; hierzu Störk/ Büssow 2020, § 252 HGB, Rn. 12). Diskussionsfrage II.4.-1 Diskutieren Sie, warum going concern-begründende Ereignisse zu berücksichtigen sind und gehen Sie in diesem Zusammenhang auch auf die hermeneutisch bedeutsamen Kriterien ein!
Als Stichtag für die Berücksichtigung von Ereignissen, die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind, erscheint den Vorgaben in den einschlägigen Prüfungsnormen folgend der Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks sinnvoll (so auch ISA [DE] 560.6, IDW PS 270.7). Die Auswirkungen des Wegfalls der going concern-Annahme sind gesetzlich nicht geregelt. Einigkeit besteht dahingehend, dass in diesem Fall Liquidationsaspekte zu beachten sind. Liquidationsaspekte sind umso stärker zu beachten, je sicherer und/oder näher das tatsächliche Ende der Unternehmenstätigkeit ist. Ist das tatsächliche Ende sicher, dann sind z. B. das Anlagevermögen auf die erwarteten Veräußerungserlöse abzüglich Veräußerungskosten ab- oder zuzuschreiben, die Vorräte zu Einzelveräußerungspreisen am Absatzmarkt abzüglich Veräußerungskosten anzusetzen20 und ggf. auch zusätzliche Rückstellungen zu bilden, die aus der Einstellung des Unternehmensbetriebs resultieren (z. B. Sozialplanrückstellungen). Die auf diese Weise erstellte Bilanz wird auch als Liquidationsstatus bezeichnet.21 Diskussionsfrage II.4.-2 Teilweise wird argumentiert, in dem Liquidationsstatus seien aufgrund von § 35 Abs. 1 InsO auch bilanziell nicht erfasste immaterielle Vermögensgegenstände gem. § 248 Abs. 2 HGB aufzunehmen und mit ihren Liquidationswerten (Einzelveräußerungspreisen) anzusetzen. Wie beurteilen Sie ein solches Vorgehen? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Regelung in IDW RS HFA 17.7 f.?
19 Zur Unterscheidung zwischen den sog. wertaufhellenden und -begründenden Ereignissen, welche ggf. für die Beurteilung einzelner Abschlussposten bei gegebener going concern-Annahme heranzuziehen sind, s. Kap. II.5.3.9. 20 Für die Bewertung der Vermögensgegenstände zu Zeitwerten gibt IDW RS HFA 17.5 und 20 eine Obergrenze in Höhe der fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten vor. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht jedoch keine Notwendigkeit für eine solche »Deckelung«, sofern sich die Zeitwerte hinreichend zuverlässig ermitteln lassen und aufgrund einer Beurteilung der Marktverhältnisse absehbar ist, dass sich die Veräußerung auch tatsächlich realisieren lässt. 21 Zum Bilanzansatz und zur Bewertung bei Abkehr von der going concern-Annahme vgl. auch IDW RS HFA 17.6 ff., IDW RH HFA 1.012 sowie Veldkamp 2012; Zwirner/Zimny 2017.
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4.4.2.2 Pagatorik Der Grundsatz der Pagatorik findet sich in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB. Dieser Grundsatz erfordert eine Bewertung, die auf tatsächlich gezahlten Beträgen, auf Zahlungsmitteläquivalenten oder künftigen Zahlungen beruht (lat. pagare = zahlen). Demnach geht es bei der Erfassung von Aufwendungen und Erträgen ausschließlich um die Periodisierung von Zahlungen. Folglich finden kalkulatorische Kosten (z. B. kalkulatorischer Unternehmerlohn) keinen Eingang in den Abschluss. 4.4.2.3 Einzelbewertung Der in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB kodifizierte Grundsatz der Einzelbewertung besagt, dass die Vermögensgegenstände und Schulden einzeln zu bewerten sowie einzeln auszuweisen sind. Insbes. darf keine Saldierung von Aktiv- und Passivposten sowie Aufwendungen und Erträgen erfolgen (§ 246 Abs. 2 S. 1 HGB). Der Grundsatz der Einzelbewertung ergibt sich auch aus § 240 Abs. 1 HGB. Gleichwohl existieren Spezialregelungen, welche ein Abweichen vom Grundsatz der Einzelbewertung unter Hinweis auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Rahmengrundsatz; s. Kap. II.4.4.3.6) ausdrücklich als zulässig erachten. Beispielsweise sind unter den in §§ 240 Abs. 3 und 4, 256 HGB genannten Voraussetzungen auch eine Fest- oder Gruppenbewertung oder die Anwendung bestimmter Verbrauchsfolgeverfahren zulässig (s. Kap. III.3.3.3.1). Weiterhin sind bei der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften Bewertungseinheiten zu bilden, soweit sich gegenläufige Wertänderungen oder Zahlungsströme aufheben (§ 254 HGB; s. Kap. III.3.5.2.3). Durch die Bildung von Bewertungseinheiten wird auf die Bilanzierung nicht realisierter Verluste verzichtet, sofern diesen Verlusten nicht realisierte Gewinne in gleicher Höhe gegenüberstehen. Insofern entspricht ein solches Vorgehen auch dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s. Kap. II.4.4.3.5). Diskussionsfrage II.4.-3 Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelbewertung widersprechen dem Charakter eines Systemgrundsatzes, wonach dieser als Basis für die Auslegung bestehender und die Gewinnung weiterer GoB dienen soll. Demnach stellt sich vor dem Hintergrund einer verstärkten Informationsorientierung im HGB-Einzelabschluss sowie auch dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Frage, ob der Grundsatz der Einzelbewertung unverändert den Status eines Systemgrundsatzes besitzen sollte. Diskutieren Sie diese Frage!
4.4.3 Rahmengrundsätze Da der Jahresabschluss die ökonomische Realität abbilden soll (s. Kap. II.1), muss eine aussagefähige Abbildung den grundlegenden Anforderungen jeder Informationsvermittlung genügen. Leffson 1987, S. 179 spricht hier von den »Bedingungen jeder Vermittlung nützlicher Informationen«. Die Rahmengrundsätze legen solche Anforderungen bzw. Bedingungen fest. Zu den Rahmengrundsätzen zählen der Grundsatz der Richtigkeit, der Grundsatz der Vergleichbarkeit, der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit, der Grundsatz der Vollständigkeit, der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sowie der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit. 4.4.3.1 Richtigkeit Richtigkeit bedeutet dabei nicht absolute, sondern relative Richtigkeit. Demnach muss die Anwendung der Rechnungslegungsnormen objektivierbar sein.
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Eine objektive Abbildung (absolute Richtigkeit) ist nicht möglich. Die Ausführungen zu den theoretischen Ansätzen zur Gewinnermittlung (s. Kap. II.3.3) haben gezeigt, dass es die wahre Ergebnisgröße nicht gibt. Relative Richtigkeit ist so zu verstehen, dass die Abbildung objektivierbar ist, d. h., diese muss für einen Dritten bei Kenntnis der gesetzlich kodifizierten und nichtkodifizierten GoB, insbes. des Realisationsprinzips, des Grundsatzes der sachlichen sowie zeitlichen Abgrenzung und des Imparitätsprinzips, intersubjektiv nachvollziehbar sein (objektivierbare Abbildung). Ohne objektivierende (ermessensbegrenzende) Normen besteht die Gefahr einer interessengelenkten Beliebigkeit der Rechnungslegung (vgl. ähnlich Rüdinger 2004, S. 20 m. w. N.).
Ergänzt wird der Grundsatz der Richtigkeit durch den Grundsatz der Willkürfreiheit. Willkürfreiheit bedeutet, dass Vorgehensweisen, die völlig unbegründet sind, die sachfremden Überlegungen folgen oder die in unzulässiger Weise im Widerspruch zu Vorgehensweisen in vorherigen Abschlüssen stehen, unzulässig sind. Daher ist u. a. zu fordern, dass der Abschlussersteller z. B. die bei der Bewertung zugrunde gelegten Annahmen offenlegt, damit ein Dritter die gesetzten Annahmen zumindest beurteilen kann (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 116). 4.4.3.2 Vergleichbarkeit Um aus den berichteten Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zuverlässige Hinweise über die Entwicklung des Unternehmens gewinnen zu können, müssen die Informationen vergleichbar sein. Vor diesem Hintergrund umfasst der Grundsatz der Vergleichbarkeit die Stetigkeit sowie das ggf. bestehende Erfordernis der Erläuterung von Unstetigkeiten. Im Hinblick auf die Stetigkeit kann wiederum zwischen formeller und materieller Stetigkeit unterschieden werden. a. Formelle Stetigkeit Die formelle Stetigkeit beinhaltet zum einen die in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB geforderte Bilanzidentität und zum anderen die aus § 243 Abs. 2 HGB abgeleitete Bezeichnungs-, Gliederungsund Ausweisstetigkeit. Dem Grundsatz der Bilanzidentität folgend muss die Schlussbilanz des alten Geschäftsjahres mit der Eröffnungsbilanz des neuen Geschäftsjahres identisch sein. In einem engen Zusammenhang zur formellen Stetigkeit steht die Gewährleistung des Kongruenzprinzips, d. h., die Summe der Periodenergebnisse muss dem Totalgewinn während der gesamten Existenz eines Unternehmens (Summe aller Einzahlungen in das Unternehmen abzüglich aller Auszahlungen aus dem Unternehmen) entsprechen (vgl. Preinreich 1936, S. 130 ff.). Gleichwohl kann es in seltenen Ausnahmefällen zu einer Durchbrechung des Kongruenzprinzips kommen, obgleich die Bilanzidentität beachtet wird: Angesprochen sind solche Buchungen, die bei Beachtung des Kongruenzprinzips ergebniswirksam in der GuV zu erfassen wären (z. B. Aktivposten an Ertrag), die aber unter Umgehung der GuV direkt in das bilanzielle Eigenkapital gebucht werden (z. B. Aktivposten an Kapitalrücklage) und auch in künftigen Perioden nicht ergebniswirksam werden. Demnach wird nicht gegen das Kongruenzprinzip verstoßen, wenn die Buchung im Eigenkapital im Zeitablauf rückgängig gemacht wird (z. B. Kapitalrücklage an Ertrag). In einem engen Zusammenhang zum Kongruenzprinzip steht die sog. clean surplus relation. Danach müssen sämtliche Änderungen im buchmäßigen Eigenkapital, die nicht aus Transaktionen zwischen Eignern und Unternehmen beruhen, in der GuV erfasst werden (vgl. Christensen/Demski 2003, S. 65; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 124 ff.). Es gilt folglich:
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
Eigenkapital der Periode t
=
Eigenkapital der Periode (t–1)
+
Gewinn der Periode t
–
Nettoausschüttung der Periode t
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Abb. II.4./3 Clean surplus relation
Demnach errechnet sich das Eigenkapital am Ende jeder Periode, indem man das Eigenkapital am Anfang der Periode um den Periodengewinn erhöht und hiervon die Ausschüttungen an die Anteilseigner abzieht. Bei der Berechnung sind ggf. auch Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen zu berücksichtigen (s. Kap. III.3.6.3.1). Ein Verstoß gegen die clean surplus relation führt demnach nicht zu einem Verstoß gegen das Kongruenzprinzip, sofern der Verstoß in einer späteren Periode wieder rückgängig gemacht wird (sog. recycling; vgl. ferner Ballwieser 2013, S. 137 ff.). Nach internationalen Normen kann es häufiger zu Verstößen gegen das Kongruenzprinzip kommen als nach den handelsrechtlichen Grundsätzen (s. Kap. II.5.3.2.3.b13; III.3.1.3.2.c). Weiterhin wird gegen das Kongruenzprinzip verstoßen, sofern auszahlungsloser Aufwand bei gleichzeitiger Gegenbuchung im Eigenkapital erfasst wird (in Bezug auf ausgegebene Aktienoptionen über den Buchungssatz »Personalaufwand an Eigenkapital«). Neben dem grundsätzlichen Erfordernis der Bezeichnungs-, Gliederungs- und Ausweisstetigkeit des § 243 Abs. 2 HGB sind Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften nach § 265 Abs. 1 und 2 HGB dazu verpflichtet, die Form der Darstellung, insbes. die Gliederung aufeinanderfolgender Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen beizubehalten und zu jedem Posten den entsprechenden Betrag des vorhergehenden Geschäftsjahres anzugeben. Dies hat z. B. zur Folge, dass die im Vorjahr angewandte Darstellungsform der GuV (Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahren; s. Kap. II.2.3) auch im Folgejahr grundsätzlich anzuwenden ist. b. Materielle Stetigkeit Die materielle Stetigkeit kann sich auf den Bilanzansatz (§ 246 Abs. 3 HGB) oder die Bewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) beziehen. Ziel dabei ist es, dass gleiche Sachverhalte über mehrere Perioden nicht durch die unterschiedliche Ausnutzung von Wahlrechten oder Ermessensspielräumen anders im Jahresabschluss abgebildet werden, sodass sich ein unterschiedliches Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ergibt. Ansatz und Bewertung besitzen wiederum eine zeitliche und eine sachliche Dimension, deren Bedeutung es im Folgenden näher zu untersuchen gilt (siehe Abb. II.4./4). materielle Stetigkeit
Bilanzansatz
zeitliche Dimension
Bewertung
sachliche Dimension
Abb. II.4./4 Systematisierung der Überlegungen zur materiellen Stetigkeit
Bei der auf den Bilanzansatz bezogenen Stetigkeitsverpflichtung geht es darum, ob der Bilanzersteller sich durch die Ausübung eines Wahlrechtes (Bilanzansatz oder kein Bilanzan-
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satz; z. B. die Normierungen in den §§ 248 Abs. 2 S. 1, 250 Abs. 3, 274 Abs. 1 S. 2 HGB) auch im Hinblick auf die Behandlung weiterer gleicher Abschlussposten, für die das Wahlrecht auch gilt, in derselben Periode (sachliche Dimension) festlegt und/oder auf die Behandlung eines bestimmten Abschlusspostens in der Folgeperiode festlegt (zeitliche Dimension).22 y In Bezug auf den Bilanzansatz besteht nach § 246 Abs. 3 S. 1 HGB ein Stetigkeitsgebot. Demnach können Ansatzwahlrechte sowohl in derselben Periode als auch im Zeitablauf nicht unterschiedlich ausgeübt werden. Allerdings bezieht sich die einheitliche Ausübung der Ansatzwahlrechte in derselben Periode (sachliche Dimension) nur auf art- oder funktionsgleiche Vermögensgegenstände eines Bilanzpostens (vgl. Küting/ Tesche 2009b, S. 1493). Für die Frage, ob Art- oder Funktionsgleichheit vorliegt, ist der jeweils vorliegende Einzelfall entscheidend, d. h., es existieren gewisse Ermessensspielräume. So sehen Küting/Tesche die Art- und Funktionsgleichheit hinsichtlich des Ansatzes eines Disagios, aktiver latenter Steuern sowie von Pensionsrückstellungen, die unter Art. 28 EGHGB fallen, immer als gegeben an (vgl. Küting/Tesche 2009b, S. 1493), während Kußmaul diese für Disagien nicht generell bejaht (vgl. Kußmaul 2016, § 246 HGB, Rn. 18). Einigkeit besteht darüber, dass für verschiedene selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aufgrund der im Unternehmen sehr unterschiedlich vorhandenen immateriellen Vermögensgegenstände eine individuelle Ausübung zulässig ist. Somit gilt in Bezug auf die sachliche Dimension beispielsweise, dass »ein produzierendes Unternehmen selbst entwickelte patentierte Produktionstechnologien aktivieren [darf], ohne gleichzeitig selbst erstellte Software aktivieren zu müssen« (Küting/Tesche 2009b, S. 1493). Die Ansatzstetigkeit bezieht sich aber auch auf eine einheitliche Ausübung von Ermessensspielräumen. Diese bestehen immer dann, wenn zwar eine gesetzliche Regelung zum Ansatz vorhanden ist, diese jedoch bei den Voraussetzungen oder Methoden zur Entscheidung über den Ansatz mehrere Interpretationen ermöglicht (vgl. Küting/Tesche 2009b, S. 1494). Als wichtigster Anwendungsfall dürfte die Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten zu nennen sein. Somit ist für gleichartige Projekte die Unterscheidung in Forschungs- und Entwicklungsphase einheitlich vorzunehmen, der Zeitpunkt der Aktivierung und die damit verbundene Einschätzung, ob und wann ein immaterieller Vermögensgegenstand mit hoher Wahrscheinlichkeit entsteht, einheitlich festzulegen sowie die Abgrenzung von Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten, Kundenlisten oder vergleichbaren Vermögensgegenständen i. S. d. § 248 Abs. 2 S. 2 HGB einheitlich vorzunehmen (vgl. Küting/Tesche 2009b S. 1494 f.; Kußmaul/Gräbe 2009, S. 389). y Hinsichtlich der zeitlichen Dimension gilt, dass ein im Vorjahr ausgeübtes Ansatzwahlrecht im darauffolgenden Jahr beibehalten werden muss, d. h. keine neue Ausübung vollzogen werden darf (interperiodische Ansatzstetigkeit; vgl. Küting/Tesche 2009a, S. 45). Dieses Vorgehen gilt aber nur für regelmäßig anfallende Ansatzwahlrechte, sodass beispielsweise für ein unregelmäßig entstehendes Disagio der Grundsatz der Ansatzstetigkeit nicht gelten sollte (vgl. Küting/Tesche 2009b, S. 1493).
22 Zur sachlichen und zeitlichen Dimension als Hilfsmittel zur Erzielung eines qualifizierten Informationsniveaus vgl. bereits Wohlgemuth 1985, S. 45 ff.
4 Rahmennormen – Einordnung und Darstellung der deutschen GoB
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Auch in Bezug auf die Bewertung ist eine sachliche und zeitliche Dimension zu unterscheiden: y Die sachliche Dimension der Bewertungsstetigkeit verlangt, dass gleichartige Sachverhalte zu einem bestimmten Zeitpunkt auch gleich zu behandeln sind (art- und funktionsgleiche Posten sind gleich zu behandeln). Folglich ist dem Grundsatz der Stetigkeit Vorrang vor dem Grundsatz der Einzelbewertung einzuräumen (vgl. Coenenberg/Haller/ Schultze 2021a, S. 48). Demnach sind beispielsweise zwei identische zu einem bestimmten Zeitpunkt angeschaffte (ansatzpflichtige) Maschinen auch zu demselben Betrag in der Bilanz anzusetzen, sofern die Rahmenbedingungen ihres Einsatzes identisch sind. Gleichwohl kommen im Zeitablauf aufgrund abweichender Rahmenbedingungen auch abweichende Wertansätze in Betracht und zwar insbes. dann, wenn im obigen Beispiel eine Maschine stärker genutzt wird als die andere oder wenn eine Maschine aufgrund anderer klimatischer Bedingungen nur über einen kürzeren Zeitraum genutzt werden kann. Die sachliche Dimension der Bewertungsstetigkeit ist nicht gesetzlich kodifiziert. Allerdings handelt es sich um einen nicht gesetzlich kodifizierten GoB, der sich insbes. unter Hinweis auf den Grundsatz der Willkürfreiheit (s. Kap. II.4.4.3.1) begründen lässt. y Die zeitliche Dimension der Bewertungsstetigkeit ist in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB kodifiziert. Demnach sind beispielsweise im Vorjahr wahlweise in die Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7.2) einbezogene Gemeinkosten (§ 255 Abs. 2 HGB) auch im Folgejahr in die Herstellungskosten einzubeziehen. Ein Abweichen von der Stetigkeit ist gem. § 252 Abs. 2 HGB in begründeten Ausnahmefällen zulässig, was der hermeneutischen Auslegung nach dem Bedeutungszusammenhang der gesetzlichen Vorschrift entspricht (vgl. hierzu ADS 1995, § 252 HGB, Rn. 109). Demnach ist ein einmal gewähltes Vorgehen nicht allein unter Hinweis auf Vergleichbarkeitsgründe beizubehalten. Haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten, die die Entscheidung für eine Bewertungsmethode beeinflussen, geändert, dann führt dies automatisch zu einer Abkehr von der Bewertungsstetigkeit (vgl. Forster 1985, S. 29 ff.). Demnach ist in begründeten Ausnahmefällen eine Durchbrechung der Stetigkeit von Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden zulässig und auch geboten. Dies ergibt sich in Bezug auf die Bewertung unmittelbar aus § 252 Abs. 2 HGB und in Bezug auf den Bilanzansatz durch den Verweis in § 246 Abs. 3 S. 2 HGB auf § 252 Abs. 2 HGB (siehe auch IDW RS HFA 38.14 f.). Diese Abweichung ist für Kapitalgesellschaften im Anhang anzugeben und zu begründen (Erläuterung von Unstetigkeiten gem. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Dabei stellt sich die Frage, wie der unbestimmte Rechtsbegriff »begründeter Ausnahmefall« auszulegen ist (s. Kap. II.6.2.2). Als Auslegungshilfe kommen vor allem die IDW RS HFA 38.15 und (in Bezug auf den Konzernabschluss) DRS 13.8 sowie die Literaturkommentierungen (vgl. z. B. Störk/Büssow 2020, § 252 HGB, Rn. 72 ff.) in Betracht. Das Abweichen muss sachlich gerechtfertigt sein. Dabei sind, nicht zuletzt unter Hinweis darauf, dass mit einem Abweichen von der Bewertungsstetigkeit Abschlusspolitik (s. Kap. II.7.2) betrieben werden kann, strenge Maßstäbe an eine Durchbrechung der Bewertungsstetigkeit zu stellen. Als Beispiele, bei denen eine solche Durchbrechung in Betracht kommen kann, sind zu nennen (vgl. auch IDW RS HFA 38.15): y Die Abweichung dient dazu, Bewertungsvereinfachungsverfahren in Anspruch zu nehmen; zu nennen ist z. B. der Übergang von der Einzel- auf die Gruppenbewertung gem. § 240 Abs. 4 HGB. Grund hierfür ist, dass sich durch den Übergang Vereinfachungen realisieren lassen. Allerdings gilt diese Argumentation nur in Bezug auf den erstmaligen Übergang. Soll wiederum von der Gruppen- auf die Einzelbewertung übergegangen werden, erfordert dies einen anderen gewichtigen Grund, wie z. B. die Anpassung an die
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y
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konzerneinheitliche Bewertung, d. h., das Unternehmen soll nun in einen Konzernabschluss einbezogen werden, und das Vorgehen aller in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen soll vereinheitlicht (in diesem Fall: konzernweite Einzelbewertung) werden. Es hat eine Änderung im System der Kostenrechnung stattgefunden, die es nur noch mit unverhältnismäßig hohem Aufwand oder gar nicht erlaubt, bestimmte Gemeinkostenbestandteile zu identifizieren. In diesem Fall dürfte es zulässig sein, auf den Einbezug dieser Kostenbestandteile in die zu aktivierenden Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7.2) zu verzichten.
4.4.3.3 Klarheit und Übersichtlichkeit Der in § 243 Abs. 2 HGB kodifizierte Grundsatz besagt, dass der Jahresabschluss klar und übersichtlich sein muss. Dies bedeutet u. a. Folgendes: Die einzelnen Abschlussposten müssen der Art nach eindeutig bezeichnet sein und der Abschluss selbst muss verständlich und übersichtlich sein. Während der Grundsatz der Klarheit dann gewährleistet ist, wenn die Jahresabschlussposten so eindeutig bezeichnet sind, dass sie die Realität widerspiegeln, impliziert der Grundsatz der Übersichtlichkeit, dass es einem sachverständigen Dritten durch die Gliederung der Jahresabschlussposten möglich ist, sich einen nachvollziehbaren Überblick zu verschaffen (vgl. Baetge et al. 2011, § 243 HGB, Rn. 45). Zweck beider Grundsätze ist, dass der Jahresabschluss eindeutig, verständlich, nachvollziehbar und systematisch gegliedert ist (vgl. Baetge et al. 2011, § 243 HGB, Rn. 45; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 119). Beispielsweise wäre ein Ausweis von Wertpapieren in einem Sammelposten »Wertpapiere und Bankbestand« formal richtig, allerdings entspricht dieses Vorgehen nicht dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit, weil es einem sachverständigen Dritten nicht möglich ist, eine Separierung der einzelnen Bestandteile vorzunehmen (so auch Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 42). 4.4.3.4 Vollständigkeit § 246 Abs. 1 HGB kodifiziert den Grundsatz der Vollständigkeit für den Jahresabschluss: »Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.« Dies beinhaltet auch, dass alle am Abschlussstichtag erkennbaren Risiken zu berücksichtigen sind, sofern diese zu einer Abbildung in der Bilanz oder GuV führen oder eine entsprechende Angabepflicht auslösen (vgl. ähnlich Leffson 1987, S. 222). Zu beachten ist, dass sich aus dem Grundsatz der Vollständigkeit nur die Frage ableitet, ob ein Sachverhalt im Jahresabschluss zu berücksichtigen ist (mengenmäßige Berücksichtigung), nicht jedoch die Frage nach der vollständigen Werterfassung (wertmäßige Berücksichtigung; vgl. Schmidt/Ries 2020, § 246 HGB, Rn. 3). I. d. S. ist auch das in § 246 Abs. 2 HGB kodifizierte Saldierungsverbot konsequent, welches eine Verrechnung von Aktiv- und Passivposten sowie Aufwendungen und Erträgen verbietet. Um dem Grundsatz der Vollständigkeit gerecht zu werden, ist die Pflicht zur Durchführung einer Inventur sowie der Aufstellung eines Inventars gesetzlich geregelt (§§ 240 f. HGB). Dabei wird die Vollständigkeit durch die handelsrechtlichen Ansatzgebote, Ansatzwahlrechte und Ansatzverbote konkretisiert, ergänzt sowie durchbrochen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 120). Ergänzt wird der Vollständigkeitsgrundsatz durch das in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB kodifizierte Stichtagsprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass die Abbildung der ökonomischen Realität zum Abschlussstichtag, der das Ende des Geschäftsjahres darstellt (§ 242 Abs. 2 HGB), zu erfolgen hat.
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Der Jahresabschluss wird allerdings regelmäßig erst nach dem Abschlussstichtag aufgestellt. So darf der Zeitraum zwischen Abschlussstichtag und Aufstellung bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften bis zu drei Monaten, bei kleinen Kapitalgesellschaften bis zu sechs Monaten betragen (§ 264 Abs. 1 S. 3 und 4 HGB). Ereignisse zwischen Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses23 , die sich auf Gegebenheiten im abgelaufenen Geschäftsjahr beziehen, sind ggf. als sog. wertaufhellende Ereignisse (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zu berücksichtigen (s. Kap. II.5.3.9). Wertaufhellende Ereignisse waren zum Abschlussstichtag bereits begründet. Dabei kann es sich z. B. um den Untergang einer nicht versicherten Schiffsladung oder die Insolvenz eines Schuldners kurz vor dem Abschlussstichtag handeln. Werden dem Abschlussersteller diese Umstände kurz nach dem Abschlussstichtag bekannt, ist dies eine wertaufhellende Information, die entsprechend zu berücksichtigen ist, z. B. Abschreibung der Schiffsladung oder der Forderung gegenüber dem Schuldner. Dagegen werden Umstände nach dem Abschlussstichtag nicht mehr erfasst, wenn sie ihre Ursache nicht im alten Geschäftsjahr haben (wertbegründende Ereignisse). Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die Schiffsladung zu Beginn des neuen Geschäftsjahres untergeht und der Abschlussersteller diese Information noch vor dem Zeitpunkt der Aufstellung des Abschlusses erlangt. Die aus diesem Umstand resultierende Abschreibung ist nicht mehr in der Bilanz des alten Geschäftsjahres zu erfassen. Allerdings müssen Kapitalgesellschaften auf Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind, im Anhang eingehen (§ 285 Nr. 33 HGB), d. h., im Anhang wäre anzugeben, dass eine nicht versicherte Schiffsladung untergegangen ist (zur Abgrenzung von wertaufhellenden und werbegründenden Ereignissen nebst Beispielen s. Kap. II.5.3.9). Ergänzt wird der Vollständigkeitsgrundsatz weiterhin durch das in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB kodifizierte Periodisierungsprinzip. Dieses Prinzip fordert, dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind. Dieses Kriterium ist im HGB nicht weiter erläutert, sodass es durch Rückgriff auf die nicht gesetzlich kodifizierten GoB auszulegen ist. Dabei hat sich die akzeptierte Auffassung entwickelt, dass Aufwendungen bereits dann zu erfassen sind, wenn diese verursacht sind. Dagegen sind Erträge erst dann zu erfassen, wenn diese sowohl verursacht als auch realisiert sind (zur Bestimmung des Realisationszeitpunkts s. Kap. II.4.4.5.1 sowie zur imparitätischen Behandlung von Aufwendungen und Erträgen s. Kap. II.4.4.7.2). So sind beispielsweise Zinserträge, die auf das alte Geschäftsjahr entfallen und erst im neuen Geschäftsjahr per Banküberweisung eingehen, bereits im alten Geschäftsjahr als Ertrag zu erfassen (Buchung im alten Geschäftsjahr: Forderung an Zinsertrag; Buchung im neuen Geschäftsjahr: Bank an Forderung). 4.4.3.5 Wirtschaftliche Betrachtungsweise Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise war bis zur Einführung des BilMoG im Jahr 2009 zwar weitgehend anerkannt, aber nicht gesetzlich im HGB verankert. Nunmehr wurde mit § 246 Abs. 1 S. 2 HGB eine Regelung geschaffen (vgl. hierzu Gelhausen/Fey/ Kämpfer 2009, § 246 Abs. 1 HGB, Rn. 1 ff.), die nach Ansicht des Gesetzgebers keine Änderung des bisherigen Rechtszustands darstellt (vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 47). Vielmehr ist eine Klarstellung zur Bedeutung der rechtlichen Zuordnung beabsichtigt. Gleichwohl dürfte durch die nunmehr vorgenommene gesetzliche Kodifizierung diesem Grundsatz eine
23 Zu den Aufstellungsfristen vgl. §§ 243 Abs. 3; 264 Abs. 1 HGB; zu den Offenlegungspflichten siehe § 325 HGB.
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eher stärkere Bedeutung zukommen. Da es sich hier um eine grundlegende Anforderung jedweder Informationsvermittlung handelt, ist dieser Grundsatz als Rahmengrundsatz zu qualifizieren. Dem Realisationsprinzip folgend sind Ausgaben für Vermögensgegenstände demjenigen zuzurechnen, der sie getätigt hat. Nach § 246 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 1 HGB sind Vermögensgegenstände grundsätzlich in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen (zivilrechtliches Eigentum). Allerdings gilt diese Zuordnung nach dem zivilrechtlichen Eigentum nur unter der Einschränkung des Halbsatzes 2, wonach die rechtliche Zuordnung nicht gilt, sofern der Vermögensgegenstand einer anderen Person wirtschaftlich zuzuordnen ist (wirtschaftliches Eigentum). Zumeist fallen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum zusammen. Ist dies nicht der Fall, dominiert das wirtschaftliche Eigentum (so auch § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des BilMoG (vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 47) ist der Vermögensgegenstand demjenigen zuzurechnen, der die wesentlichen Chancen und Risiken trägt. Beispiele Bei einer Lieferung unter Eigentumsvorbehalt ist im Liefervertrag vereinbart, dass die Ware bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Lieferanten bleibt. Obwohl der Kaufmann, der die Ware erhalten hat, nicht zivilrechtlicher Eigentümer ist, bilanziert er diese Ware nach Erhalt der Ware aber vor der Bezahlung als wirtschaftlicher Eigentümer. Bei einer Sicherungsübereignung wird als Sicherheit (z. B. für eine Kreditgewährung) das Eigentum an einem Vermögensgegenstand vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer (rechtlicher Eigentümer) übertragen. Da der Sicherungsgeber weiterhin frei über den Vermögensgegenstand verfügen kann, ist dieser auch dem Sicherungsgeber als wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen. Auch bei der Behandlung von Treuhandverhältnissen richtet sich die bilanzielle Behandlung des Treuguts nach der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums.24
Das Abstellen auf das wirtschaftliche Eigentum kann für Gläubiger im Falle der Insolvenz eines Unternehmens nachteilig sein, weil sich womöglich dann herausstellt, dass ein Großteil des Vermögens dem Schuldner rechtlich gar nicht gehört. Unter Informationsgesichtspunkten ist es aber bei gegebener going concern-Annahme (s. Kap. II.4.4.2.1) geboten, die Grenzziehung über das wirtschaftliche Eigentum vorzunehmen, weil ansonsten aufgrund der zahlreich vorkommenden Eigentumsvorbehalte und Sicherungsübereignungen das Bilanzvermögen nur einen Bruchteil des im Unternehmen eingesetzten Vermögens umfassen würde. Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit 4.4.3.6 Die Bereitstellung einer zusätzlichen Abschlussinformation ist dann wirtschaftlich, wenn der zusätzliche Informationsnutzen der Abschlussadressaten die mit der Informationsbeschaffung einhergehenden Kosten des Abschlusserstellers übersteigt (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit). Die damit einhergehenden Beurteilungsprobleme sind allerdings kaum lösbar, da der Informationsnutzen von Abschlussadressat zu Abschlussadressat in Abhängigkeit vom Bestand der Vorinformationen variiert und zudem die einzelnen Nutzenbeiträge zu einer Gesamtnutzengröße zu aggregieren wären.
24 Zur beispielhaften Darstellung der personellen Zuordnung vgl. Schmidt/Ries 2020, § 246 HGB, Rn. 9 ff. sowie auch IDW ERS HFA 13 i. d. F. vom 29.11.2006.
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Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist nicht ausdrücklich im Gesetz niedergelegt. Gleichwohl finden sich Wirtschaftlichkeitserwägungen an verschiedenen Stellen: Beispielsweise eröffnen die §§ 240 Abs. 3 und Abs. 4 sowie 256 HGB unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen bei der Inventur und der Bewertung der Vorräte. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist eng mit dem Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality-Grundsatz; vgl. hierzu stellvertr. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 320 ff. m. w. N.) verknüpft. Zumeist wird davon ausgegangen, eine Information sei dann wesentlich, wenn diese die Entscheidungen eines mit ausreichender Sachkenntnis und keinen besonderen Präferenzen und Risikoneigungen ausgestatteten Abschlussadressaten beeinflusst. Allerdings lässt sich dieses Konzept des average prudent investors kaum sachgerecht operationalisieren, sodass die Praxis oftmals hilfsweise quantitative Wesentlichkeitsgrenzen heranzieht. Beispiele Wesentlichkeitsbeurteilungen Für die Beurteilung der Wesentlichkeit sind quantitative und qualitative Kriterien relevant (s. auch Kap. II.5.3.2.3.a1). Ein Vorschlag für eine quantitative Wesentlichkeitsgrenze ist, dass eine Wertkorrektur oder -erfassung dann durchzuführen ist, wenn diese das Jahresergebnis um 5 % oder ersatzweise (sofern das Jahresergebnis niedrig oder negativ ist) die Bilanzsumme bzw. die Umsatzerlöse um 0,5 % beeinflusst. Qualitative Überlegungen können dazu führen, dass diese Grenze zu modifizieren ist. Beispielsweise ist eine unter einer zuvor festgelegten quantitativen Grenze liegende Wertkorrektur regelmäßig als wesentlich zu beurteilen und damit zu buchen, sofern diese dazu führt, dass nunmehr kein positives, sondern ein negatives Jahresergebnis zu zeigen ist oder eine kontinuierliche Gewinnentwicklung der letzten Jahre nicht mehr gegeben ist. Eine abschließende Antwort, wann ein Sachverhalt als wesentlich einzustufen ist oder nicht, kann indes nicht gegeben werden. Auch die deutsche Rechtsprechung urteilt hier nicht einheitlich: Während in einem Fall ein Betrag von 1 % der dazugehörigen Bilanzposition als wesentlich angesehen wurde, wird in einem anderen Fall ein Betrag von 22 % des ausgewiesenen Bilanzgewinns, der zugleich 0,9 % der Bilanzsumme betrug, als nicht wesentlich angesehen (vgl. BGH 1982, S. 1922; LG Frankfurt a. M. 2001, S. 1483; vgl. ferner Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 63 zu weiteren Urteilen aus der deutschen Rechtsprechung). Auch dies verdeutlicht die Bedeutung qualitativer Überlegungen.
Das Beispiel zeigt, dass erhebliche Ermessensspielräume des Abschlusserstellers bestehen, wobei seine Entscheidungen auch in hohem Maße davon abhängen, inwieweit der Abschlussprüfer als externe Prüfinstanz diese mitträgt.
4.4.4 Dokumentationsgrundsätze Die Dokumentationsgrundsätze beziehen sich auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Diese – teilweise in den §§ 238 f. HGB kodifizierten Grundsätze (vgl. ferner IDW RS FAIT 1.25 ff.) – sollen vor allem Folgendes sicherstellen: vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Erfassung der Geschäftsvorfälle (§ 239 Abs. 2 HGB). Zudem muss die Erfassung der Geschäftsvorfälle für einen Dritten nachvollziehbar sein, sog. spezielle Generalnorm für die Buchführung (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB; s. Kap. II.2.4.1). Die erfassten Geschäftsvorfälle müssen zudem unveränderlich sein. y Eng mit dem Erfordernis der Nachvollziehbarkeit ist die Belegfunktion der Buchführung verknüpft, die in dem Merksatz kulminiert: Keine Buchung ohne Beleg! Ist kein Fremdbeleg, z. B. Lieferantenrechnung, vorhanden, muss eine autorisierte Person einen Eigenbeleg erstellen. Dies ist insbes. bei den materiellen Abschlussbuchungen, wie Abschreibungen, Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten der Fall (s. Kap. II.2).
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y y
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die Nachvollziehbarkeit in zeitlicher Hinsicht wird durch die Journalfunktion erfüllt, indem eine tatsächliche und zeitgerechte Erfassung des Geschäftsvorfalls einzuhalten ist. Die Kontenfunktion verlangt, dass die im Journal in zeitlicher Reihenfolge aufgezeichneten Geschäftsvorfälle in sachlicher Ordnung auf Konten abgebildet werden.
Zudem sind bestimmte Aufbewahrungspflichten für die Unterlagen der Buchführung zu beachten (insbes. § 257 Abs. 4 und 5 HGB), um die Nachvollziehbarkeit der Buchführung über einen bestimmten Zeitraum hinweg sicherzustellen. Der richtigen Erfassung der Geschäftsvorfälle dienlich ist die Einrichtung eines Internen Kontrollsystems (IKS), welches Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen (Regelungen) umfasst, die zur Bewältigung der Risiken aus dem Einsatz einer Buchführung resultieren (vgl. ausführlich Graumann 2020, S. 233 ff.; IDW 2021, L233 ff.). Das IKS umfasst zum einen die Regelungen zur Erfassung der Geschäftsvorfälle (internes Steuerungssystem) und zum anderen die Regelungen zur Überwachung der Einhaltung des internen Steuerungssystems (internes Überwachungssystem; vgl. auch IDW RS FAIT 1.8). Das IKS ist regelmäßig auf die Erfordernisse einer IT-gestützten Rechnungslegung (s. Kap. II.2.4.1) auszurichten.
4.4.5 Definitionsgrundsätze für das Jahresergebnis Die Definitionsgrundsätze für das Jahresergebnis sind auf die dynamische Bilanztheorie von Schmalenbach (vgl. Schmalenbach 1933b; s. Kap. II.3.2.2) zurückzuführen, wonach dem Jahresabschluss eine periodengerechte Erfolgsermittlung zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund legen die Definitionsgrundsätze für das Jahresergebnis fest, wann die Ein- und Auszahlungen entweder ergebniswirksam in der GuV oder ergebnisneutral in der Bilanz zu erfassen sind. Dabei sind zwei Ausprägungsformen der Definitionsgrundsätze zu unterscheiden: das Realisationsprinzip einerseits und die Grundsätze der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach andererseits. Realisationsprinzip 4.4.5.1 Das Realisationsprinzip ist in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB kodifiziert. Demnach gilt Folgendes: »Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.« Eine Durchbrechung des Realisationsprinzips liegt z. B. bei der Abzinsung von Rückstellungen vor. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass das in den Rückstellungen gebundene Kapital zinsbringend angelegt wird (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 132 f.). Das Realisationsprinzip verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll es den Ausweis und die Ausschüttung nicht realisierter Gewinne verhindern, zum anderen gewährleistet es, dass Beschaffungsvorgänge ergebnisneutral behandelt werden. Vor diesem Hintergrund besteht das Realisationsprinzip aus zwei Komponenten: dem Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB; s. Kap. II.5.3.7), welches festlegt, dass Vermögensgegenstände solange (höchstens) mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind, wie kein Verkauf am Markt stattgefunden hat sowie dem Realisationsprinzip im eigentlichen Sinne, das den Zeitpunkt der Realisation von positiven Erfolgsbeiträgen festlegt (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 129 ff.). Grundsätzlich kommen für die Umsatzrealisation unterschiedliche Zeitpunkte in Betracht: y Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Abschluss eines Kaufvertrags), y Zeitpunkt der Fertigstellung der Leistung (Produktion von Gütern oder Erstellung einer Dienstleistung),
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Zeitpunkt der Beendigung der Leistungserbringung (produziertes Gut oder erstellte Leistung muss den Verfügungsbereich des produzierenden oder leistenden Unternehmens verlassen haben), Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises, Zeitpunkt des Ablaufs der Gewährleistungspflicht.
Dabei werden in Abhängigkeit von dem gewählten Zeitpunkt unterschiedliche Risiken eliminiert (z. B. Beschaffungs-, Produktions- und Absatzrisiken sowie Gewährleistungs- und Bonitätsrisiken). Von einer Realisation i. S. der deutschen GoB ist dann auszugehen, wenn die Güter und Leistungen am Absatzmarkt verfügbar sind. Erst dann sind diese zum Verkaufspreis anzusetzen; ansonsten bleibt es beim Ansatz zu den historischen (ggf. um Abschreibungen geminderten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7). Demnach bildet der Zeitpunkt der Beendigung der Leistungserbringung den Realisationszeitpunkt (vgl. z. B. Sessar 2007; Störk/Büssow 2020, § 252 HGB, Rn. 44 sowie bereits Leffson 1987, S. 247 ff.). Bestellt ein Kunde ein Produkt und wurde dieses hergestellt und an den Kunden geliefert, z. B. durch Übergang an den Spediteur oder bei Transport durch eigene Transportmittel durch die Übergabe an den Kunden, so gilt der Ergebnisbeitrag als realisiert. Der Gefahrenübergang an den Kunden ist erfolgt, d. h., die Risiken für den Verkäufer beschränken sich auf die Kaufpreiszahlung und mögliche Gewährleistungsansprüche durch den Käufer und der vereinbarte Kaufpreis kann in Rechnung gestellt werden. Sind z. B. bei der Herstellung eines Produktes 20 T€ Herstellungskosten angefallen und wurde das Produkt zu 25 T€ (netto) an den Kunden verkauft, gelten 25 T€ Umsatzerlöse einschließlich 5 T€ Gewinn als realisiert. Diskussionsfrage II.4.-4 Ein Kunde bestellt eine Ware und es kommt zum Abschluss eines Kaufvertrags. Die Ware wurde bereits produziert und an den Kunden geliefert. Vereinbart wurde ein Rückgaberecht innerhalb von 14 Tagen. Zu zahlen ist die Ware binnen vier Wochen. Die Gewährleistungspflicht läuft binnen 24 Monaten aus. Bei der Beantwortung der nachstehenden Fragen sind ggf. auch die relevanten Rechnungslegungsnormen anzugeben. a) Wann gilt der aus dem Warenverkauf resultierende Gewinn als realisiert? b) Der Gewinn wurde annahmegemäß realisiert. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Kunde zahlungsunfähig wird. Es ist davon auszugehen, dass die Ware gar nicht bezahlt wird. Wie ist vorzugehen? c) Der Kunde ist zahlungsfähig. Nach Auslieferung der Ware und Ablauf der Rückgabefrist stellt sich heraus, dass die Ware einen Fabrikationsfehler hat. Die gesetzliche Gewährleistungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Es bedarf einer Reparatur. Hierfür fallen voraussichtlich 2 T€ an. Wie ist vorzugehen?
4.4.5.2 Abgrenzung der Sache nach Der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (matching principle) ergänzt das Realisationsprinzip. Verlangt wird, dass den zu realisierenden Erträgen, d. h. den Umsätzen, nur die ihnen zurechenbaren Aufwendungen gegenüberzustellen sind. Demnach können die Aufwendungen als Mittel charakterisiert werden, um Erträge zu realisieren. Dies wird als Mittel-ZweckBeziehung bzw. Finalprinzip bezeichnet (vgl. Haberstock 2020, S. 48 f.).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
realisierte Erträge
Mittel
zurechenbare Aufwendungen
Umsatzerlöse
verkaufsinduzierter Gewinn
Anschaffungs-/ Herstellungskosten
Abb. II.4./5 Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach
Allerdings räumt § 255 Abs. 2 HGB bei der Ermittlung der Herstellungskosten dem Bilanzierenden das Wahlrecht ein, nur die Einzelkosten und einen angemessenen Teil der Gemeinkosten anzusetzen (s. Kap. II.5.3.7.2). Demnach erlauben gesetzliche Wahlrechte, dass sich auch bei Anwendung des Grundsatzes der Abgrenzung der Sache nach im Zeitpunkt der Gewinnrealisation unterschiedliche Ergebnisbeiträge ergeben können. 4.4.5.3 Abgrenzung der Zeit nach Der Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach ergänzt gleichfalls das Realisationsprinzip. Dieser Grundsatz besagt, dass zeitraumbezogene Erträge und Aufwendungen den einzelnen Rechnungslegungsperioden zeitanteilig zuzurechnen sind. Beispielsweise sind am Ende des Geschäftsjahres passive Rechnungsabgrenzungsposten (s. Kap. III.2.1) zu bilden, sofern im alten Geschäftsjahr Mieteinzahlungen vereinnahmt wurden, die das neue Geschäftsjahr betreffen (§ 250 Abs. 2 HGB).
4.4.6 Ansatzgrundsätze für die Bilanz Die Ansatzgrundsätze legen fest, welche geleisteten oder künftigen Zahlungen zu aktivieren bzw. zu passivieren und welche in der GuV ergebniswirksam zu erfassen sind. § 242 Abs. 1 S. 1 HGB bestimmt, dass in der Bilanz des Kaufmanns Vermögen und Schulden gegenüberzustellen sind. Der Gesetzgeber klärt jedoch nicht explizit, was unter Vermögen und Schulden zu verstehen ist, d. h., es besteht keine Legaldefinition. § 266 Abs. 2 und 3 HGB zählt eine Reihe von Vermögensgegenständen und Schulden auf, die in der Bilanz anzusetzen sind. Ergänzend sind auch aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen. Zudem ist als Residualgröße, d. h. die Summe der Aktiva – Summe der Schulden – passive Rechnungsabgrenzungsposten, das Eigenkapital anzusetzen. Die Aufzählung in § 266 HGB ist allerdings nicht abschließend. Zudem sind die genannten Posten nur insoweit in der Bilanz anzusetzen, als das Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 246 Abs. 1 S. 1 HGB). Gleichwohl wurden Kriterien für den Ansatz entwickelt. Diese sind den nicht gesetzlich kodifizierten GoB zuzuordnen. Die Ansatzgrundsätze lassen sich wiederum in Aktivierungsund Passivierungsgrundsätze unterscheiden.25
25 Die Literatur diskutiert diese Grundsätze in unterschiedlichen Nuancierungen; vgl. stellvertr. Moxter 2003, S. 63 ff.; Lutz/Schlag 2017a, Rn. 1 ff.; Lutz/Schlag 2017b, Rn. 1 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 160 ff. m. w. N.; Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 83 ff.
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4.4.6.1 Aktivierungsgrundsatz Der Aktivierungsgrundsatz legt fest, welche Posten in der Bilanz auf der Aktivseite angesetzt werden dürfen oder müssen. Dabei ist zwischen der abstrakten und der konkreten Aktivierungsfähigkeit zu unterscheiden. Diese Unterscheidung folgt dem § 246 Abs. 1 S. 1 HGB, der u. a. bestimmt, dass Vermögensgegenstände in der Bilanz anzusetzen sind, sog. abstrakte Aktivierungsfähigkeit, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, sog. konkrete Aktivierungsfähigkeit. Da keine Legaldefinition des Aktivierungsgrundsatzes besteht, gehört er zu den nicht gesetzlich kodifizierten GoB und muss folglich unter Beachtung der Jahresabschlusszwecke aus den anderen GoB abgeleitet werden. Vor diesem Hintergrund werden für die Beurteilung, ob ein Gegenstand abstrakt aktivierungsfähig ist, die folgenden Kriterien herangezogen, welche kumulativ erfüllt sein müssen: y Der in Betracht kommende Posten muss einen wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen stiften, mit anderen Worten: es muss ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne eines Ausgabengegenwertes erlangt worden sein. Dieser liegt z. B. bei Vorräten in ihrer künftigen Veräußerung und dem damit einhergehenden Mittelzufluss und bei einer Maschine in ihrer Eignung, Produkte herzustellen, die sich wiederum veräußern lassen, begründet. y Vermögensgegenstände müssen selbständig bewertbar sein, d. h., ein Gegenstand muss sich einzeln bewerten lassen. y Zentrales Aktivierungskriterium ist die selbständige Verkehrsfähigkeit. Demnach muss es möglich sein, dass der zu aktivierende Gegenstand einzeln Objekt des Rechtsverkehrs sein kann. Dabei reicht die Einzelverwertbarkeit des Gegenstandes aus, d. h., eine entgeltliche Überlassung zur Nutzung wie z. B. bei Warenzeichen oder Konzessionen. Beispielsweise ist ein Geschäfts- oder Firmenwert, der auf einer eingespielten Organisation beruht, grundsätzlich selbständig bewertbar. Dieser ist indes nicht selbständig verkehrsfähig, da es nicht möglich ist, die eingespielte Organisation zu veräußern (s. Kap. III.3.2.6.1). Die konkrete Aktivierungsfähigkeit berücksichtigt explizit die gesetzlichen Vorschriften. Demnach ist es durchaus möglich, dass ein Gegenstand, der nicht als Vermögensgegenstand zu qualifizieren ist, auf der Aktivseite anzusetzen ist. Da in diesem Fall von der abstrakten Aktivierungsfähigkeit abgewichen wird, handelt es sich hier nicht um GoB. Diesen besonderen Status bringt Abbildung II.4./2 dadurch zum Ausdruck, dass die konkrete Aktivierungsfähigkeit (und die konkrete Passivierungsfähigkeit) durch einen gestrichelten Kasten gekennzeichnet ist. Der Unterschied zwischen abstrakter und konkreter Aktivierungsfähigkeit besteht darin, dass zum einen Aktivierungsverbote trotz abstrakter Aktivierungsfähigkeit bestehen und zum anderen die Möglichkeit oder sogar eine Pflicht besteht, bestimmte Aktivposten anzusetzen, obwohl es an einer abstrakten Aktivierungsfähigkeit mangelt: y Aktivierungsverbot trotz abstrakter Aktivierungsfähigkeit Das HGB enthält Aktivierungsverbote trotz einer im Einzelfall ggf. gegebenen abstrakten Aktivierungsfähigkeit. Zu nennen sind die Aktivierungsverbote z. B. für selbst geschaffene Marken oder Kundenlisten in § 248 Abs. 2 S. 2 HGB. y Aktivierungswahlrecht oder -pflicht trotz fehlender Aktivierungsfähigkeit Weiterhin finden sich im HGB einige Aktivierungswahlrechte und -pflichten für Aktiva, die keine Vermögensgegenstände i. S. der abstrakten Aktivierungsfähigkeit sind bzw. bei denen eine Klassifizierung als Vermögensgegenstand strittig ist. Als solche sind de lege
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lata regelmäßig zu nennen: die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 1 HGB), das Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB) sowie die aktiven latenten Steuern (§ 274 Abs. 1 S. 2 HGB). Diskussionsfrage II.4.-5 Die Enterprise Software AG hat ein Programm entwickelt und urheberrechtlich schützen lassen. Beabsichtigt ist es, in den nächsten fünf Jahren Lizenzrechte an dieser Software zu veräußern. Diskutieren Sie, unter welchen Voraussetzungen die abstrakte Aktivierungsfähigkeit gegeben ist und setzen Sie ggf. geeignete Annahmen. Kann die Enterprise Software AG im Fall einer eindeutig gegebenen abstrakten Aktivierungsfähigkeit auf eine Aktivierung des Programms verzichten?
Der handelsrechtliche Begriff Vermögensgegenstand stimmt aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) grundsätzlich mit dem steuerrechtlichen Begriff des positiven Wirtschaftsgutes überein (vgl. z. B. Breithecker/Schmiel 2003, S. 129 ff. unter Hinweis auf verschiedene BFH-Beschlüsse; Moxter 2007, S. 7 f.; Sigloch/ Keller/Meffert 2017, Rn. 201). Teilweise wird der Begriff Wirtschaftsgut abweichend gefasst; so sind z. B. gem. § 5 Abs. 2 EStG immaterielle Wirtschaftsgüter nur dann zu aktivieren, wenn diese entgeltlich erworben wurden. Zudem dürfen steuerrechtliche Wahlrechte unabhängig vom Handelsrecht ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 EStG). Passivierungsgrundsatz 4.4.6.2 Der Passivierungsgrundsatz konkretisiert den Ansatz von Schuldposten in der Bilanz. Der Schuldbegriff umfasst sowohl die Verbindlichkeiten als auch die Rückstellungen. Der Schuldbegriff ist ebenso wie der Vermögensbegriff auslegungsbedürftig. Dabei wird analog zum Aktivierungsgrundsatz zwischen abstrakter und konkreter Passivierungsfähigkeit unterschieden. Für die Beurteilung der abstrakten Passivierungsfähigkeit sind die folgenden Kriterien heranzuziehen, die kumulativ erfüllt sein müssen: y Es muss eine Außenverpflichtung des bilanzierenden Unternehmens vorliegen. Die Verpflichtung muss bestehen oder der Leistungszwang muss hinreichend konkretisiert sein, d. h., der Leistungszwang gegenüber einem Dritten kann rechtlich begründet sein oder faktisch bestehen. Die rechtliche Begründung einer Verpflichtung kann sich aus dem Zivilrecht, z. B. gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse, oder aus öffentlichem Recht, z. B. Steuerschulden oder Kosten der Prüfung von Jahresabschlüssen, ergeben. Von einer hinreichenden Konkretisierbarkeit ist im Allgemeinen spätestens dann auszugehen, wenn mehr Gründe für als gegen den Eintritt der Verpflichtung sprechen. Diese Voraussetzung ist auf der Grundlage objektivierbarer, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. y Rückstellungen für Verpflichtungen des Bilanzierenden gegenüber sich selbst (Innenverpflichtung) dürfen grundsätzlich nicht gebildet werden. Das HGB sieht von diesem Grundsatz zwei Ausnahmen vor (grundsatzwidrige Ausnahmen). § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB ermöglicht die Bildung von Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen, sofern diese im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden sowie für unterlassene Aufwendungen für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden (s. Kap. III.3.7.2.2). y Nicht alle denkbaren wirtschaftlichen Lasten bilden Verbindlichkeiten. Mit der Verpflichtung muss eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen einhergehen. Diese muss, wie die Verpflichtung selbst, hinreichend konkretisiert sein. Dabei ist das Vorlie-
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gen einer zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Schuld weder notwendig noch hinreichend, denn auch rein wirtschaftliche Leistungsverpflichtungen sind zu passivieren, z. B. eine verjährte Schuld, die noch beglichen werden soll. Dagegen bleiben nur rechtlich (aber nicht wirtschaftlich) existente Verbindlichkeiten außer Ansatz, beispielsweise werden noch nicht verjährte Schulden nicht passiviert, wenn mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist. Eine wirtschaftliche Belastung besteht zumeist darin, dass der Schuldner eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung erbringen muss. Die wirtschaftliche Belastung muss quantifizierbar sein. Dabei muss sich eine Verbindlichkeit genau quantifizieren lassen; eine Rückstellung muss sich innerhalb einer Bandbreite quantifizieren lassen. Notwendig ist ein nach oben und unten begrenzter Schätzungsrahmen, innerhalb dessen eine betragsmäßige Wertzuordnung durchführbar ist. Die Anforderungen an die Quantifizierbarkeit werden als relativ gering eingestuft.
Die konkrete Passivierungsfähigkeit unterscheidet analog zur konkreten Aktivierungsfähigkeit die folgenden beiden Fälle: y Passivierungsverbot oder -wahlrecht trotz abstrakter Passivierungsfähigkeit Für ein Passivierungsverbot trotz abstrakter Passivierungsfähigkeit gibt es im HGB keine Beispiele. Ein möglicher Verzicht auf die Passivierung trotz abstrakter Passivierungsfähigkeit ist bei Rückstellungen für unmittelbare Pensionszusagen, die vor dem 1.1.1987 erworben wurden sowie für Rückstellungen für mittelbare Pensionszusagen und für ähnliche Verpflichtungen (Art. 28 EGHGB) gegeben. Hier besteht ein Passivierungswahlrecht, d. h., es kann auf eine Passivierung verzichtet werden, obgleich eine abstrakte Passivierungsfähigkeit gegeben ist. y Passivierungswahlrecht oder -pflicht trotz fehlender Passivierungsfähigkeit Beim Eigenkapital besteht unter der Annahme der Unternehmensfortführung (s. Kap. II.4.4.2.1) keine Verpflichtung und auch keine wirtschaftliche Belastung. Dennoch ist das Eigenkapital zu passivieren. Es besteht eine Passivierungspflicht gem. § 247 Abs. 1 HGB. Ähnliches gilt in Bezug auf die passiven Rechnungsabgrenzungsposten (z. B. im Voraus erhaltene Mietzahlung). Auch hier besteht keine Verpflichtung und es besteht auch keine wirtschaftliche Belastung. Gleichwohl sind diese Posten gem. § 250 Abs. 2 HGB passivierungspflichtig. Der steuerrechtliche Begriff des negativen Wirtschaftsgutes ist ähnlich definiert wie der handelsrechtliche Schuldbegriff, d. h., es muss eine über das Wirtschaftsjahr hinausgehende Wirtschaftslast und selbständige Bewertbarkeit vorliegen. Weiterhin dürfen steuerrechtliche Wahlrechte unabhängig vom Handelsrecht ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 EStG).
4.4.7 Kapitalerhaltungsgrundsätze Als Erhaltungskonzeption (s. Kap. II.3.3.1) verfolgen die deutschen GoB das Ziel der nominalen Kapitalerhaltung (vgl. z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 134). Dem Erfordernis der realen Kapitalerhaltung tragen die deutschen GoB grundsätzlich nicht Rechnung. Zu den Kapitalerhaltungsgrundsätzen zählen das Imparitäts- und das Vorsichtsprinzip. Zudem findet sich eine kapitalerhaltende Vorsichtskomponente im Realisationsprinzip (Definitionsgrundsatz) (s. Kap. II.4.4.5.1), welches zum einen den Umsatzakt als vorsichtigen Realisationszeitpunkt vorgibt und zum anderen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7) als Wertobergrenze für beschaffte und selbst hergestellte, aber noch nicht verkaufte Güter festlegt (Anschaffungskosten- bzw. Herstellungskostenprinzip).
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4.4.7.1 Vorsichtsprinzip Ein prägender Grundsatz des deutschen GoB-Systems ist das Vorsichtsprinzip. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen. Das Vorsichtsprinzip erlangt besonders dann Bedeutung, wenn es um geschätzte Werte geht, weil es sich um Sachverhalte handelt, bei denen die künftige Entwicklung ungewiss ist, wie dies z. B. bei der Bemessung von Rückstellungen, der voraussichtlichen Nutzungsdauer von abnutzbaren Vermögensgegenständen oder dem nicht einbringlichen Betrag von Forderungen der Fall ist. Bei Vorliegen einer Schätzbandbreite möglicher Werte gebietet es das Vorsichtsprinzip, im Zweifel eher den pessimistischeren als den wahrscheinlichsten Wert zu wählen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass stets von der verlustbringendsten Annahme (worst case) auszugehen ist. Als Daumenregel (vgl. hierzu ADS 1995, § 252 HGB, Rn. 68; Baetge/Ziesemer/Schmidt 2011, § 252 HGB, Rn. 144; Schildbach et al. 2019 S. 154 f.) erscheint es vertretbar, einen Wert anzusetzen, der nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 20 % nicht unterschritten (Aktiva) oder überschritten wird (Passiva). Beispiel Vorsichtsprinzip und Rückstellungsbildung Die Belastung aus einem laufenden Prozess wird wie folgt geschätzt: 25 % 50 T€; 25 % 100 T€; 25 % 200 T€ und 25 % 300 T€. In diesem Fall ist eine Rückstellung in Höhe von 300 T€ zu bilden, da eine Belastung in dieser Höhe mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit auf das Unternehmen zukommt. In einem anderen Fall werden die Belastungen wie folgt geschätzt: 40 % 70 T€; 55 % 90 T€ und 5 % 150 T€. In diesem Fall dürfte es ausreichen, die Rückstellung mit 90 T€ zu dotieren, da dieser Wert nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % (< 20 %) überschritten wird.
Die Literatur sieht das Vorsichtsprinzip in nicht wenigen Fällen als Oberprinzip an, d. h., das Vorsichtsprinzip wird zum einen durch das Realisationsprinzip (Definitionsgrundsatz) und zum anderen durch das Imparitätsprinzip (Kapitalerhaltungsgrundsatz) konkretisiert (vgl. z. B. Störk/Büssow 2020, § 252 HGB, Rn. 29). Diese Systematisierung weicht von der im GoBSystem nach Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, präferierten Vorgehensweise (siehe Abb. II.4./2) ab. Dieser Hinweis soll verdeutlichen, dass es nicht nur ein GoB-System gibt, sondern auch weitere nachvollziehbare und schlüssige Systematisierungen (vgl. z. B. Leffson 1987, S. 157 ff.; Moxter 2003; Ballwieser 2019, Rn. 13 ff.). Imparitätsprinzip 4.4.7.2 Nach dem Realisationsprinzip wären Gewinne und Verluste streng genommen gleich (paritätisch) zu behandeln. Ein solches Vorgehen ist indes mit dem Vorsichtsprinzip nicht vereinbar. Aus diesem Grunde gibt das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) eine dem Vorsichtsgedanken folgende, ungleiche (imparitätische) Behandlung vor. Dem Gesetz folgend »sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen« (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB). Vor diesem Hintergrund soll das Imparitätsprinzip Ausschüttungen und Entnahmen verhindern, die bei einer künftigen Realisierung eines Verlustes nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Besondere Relevanz erlangt es daher bei haftungsbeschränkten Unternehmen, wie z. B. einer AG oder GmbH, da bei diesen Unternehmen ggf. Kapital abfließt, welches zur Deckung eines zukünftigen Verlustes notwendig ist. Das Imparitätsprinzip gilt aber nicht für alle denkbaren zukünftigen Verluste. So wird das Imparitätsprinzip durch das Stichtags-
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prinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) konkretisiert. Dabei werden nur diejenigen Risiken und Verluste, die aus vorhandenen Aktiva, Passiva oder schwebenden Geschäften drohen, erfasst (s. Kap. II.4.4.3.4). Konkret ergibt sich aus der imparitätischen Erfassung: y Künftige positive Ergebnisbeiträge müssen sowohl verursacht als auch realisiert sein (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB). y Dagegen sind künftige negative Ergebnisbeiträge bereits dann als Aufwand in der GuV zu erfassen, wenn diese im Geschäftsjahr verursacht sind. Auf eine Realisation kommt es nicht an. Diese Form der Verlustantizipation gibt § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB ausdrücklich vor. Beispiel Imparitätsprinzip Sie halten börsennotierte Wertpapiere (Beteiligung an der A-AG), welche ursprünglich mit 30 T€ aktiviert wurden. Am Bilanzstichtag errechnet sich für die Papiere aufgrund von Kurssteigerungen ein Marktpreis von 38 T€. Der Ergebnisbeitrag (8 T€) ist allerdings noch nicht realisiert, da die Aktien noch nicht verkauft wurden. In der Bilanz ist der Wertansatz von 30 T€ beizubehalten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB). Die auf Lager befindlichen Waren haben einen Buchwert von 12 T€. Am Abschlussstichtag beträgt der absatzorientierte Marktpreis der Waren 9 T€. Dem Imparitätsprinzip folgend ist gem. § 253 Abs. 4 HGB außerplanmäßig um 3 T€ auf 9 T€ abzuschreiben.
4.4.7.3 Anmerkungen zur zentralen Stellung des Vorsichtsprinzips im deutschen GoBSystem Das Vorsichtsprinzip deutscher Prägung unterstellt, die Gläubiger seien am besten geschützt und folglich die Ausschüttungsbemessungsfunktion am besten erfüllt, wenn möglichst vorsichtig bilanziert und bewertet wird. Dabei ergeben sich über einen möglichst vorsichtigen Ergebnisausweis Begrenzungen in den Ausschüttungen. Demnach wird unterstellt, die Gläubiger seien bei einem steigenden Verlustpuffer am besten geschützt. Jedoch ist es nicht zwingend, Gläubigerschutz durch gewinnverkürzende Bilanzansatzund Bewertungsregeln zu betreiben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Fremdkapitalgeber auch an möglichst präzisen Informationen über das Unternehmen interessiert sind (sog. informationeller Gläubigerschutz; s. Kap. I.2.2.2). Die durch das Vorsichtsprinzip ausgelösten Informationsbeeinträchtigungen werden besonders am Beispiel der Bildung und Auflösung sog. stiller Reserven, synonym auch »stille Rücklagen«, deutlich. Diese Reserven werden »still« gebildet und »still« aufgelöst. Stille Reserven ergeben sich durch eine (gesetzlich zulässige) Unterbewertung der Aktiva und Überbewertung der Passiva. Hinsichtlich der stillen Reserven lassen sich Zwangs- und Ermessensreserven unterscheiden: y Zwangsreserven ergeben sich unvermeidlich aufgrund gesetzlicher Objektivierungen. Beispielsweise ist bei der Bewertung von Grundstücken ein Bilanzansatz unzulässig, der über die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinausgeht (Definitionsgrundsatz Realisationsprinzip). Allerdings ist es zumindest fraglich, wie sich ein nach oben begrenzter Wertansatz rechtfertigen lässt, wenn sich für das Grundstück ein objektivierbarer Marktpreis ermitteln lässt (zum Grundsatz der Richtigkeit und dem hiermit einhergehenden Erfordernis der Objektivierbarkeit s. Kap. II.4.4.3.1). y Ermessensreserven resultieren aus einer bewusst vorsichtigen Bilanzierung des Abschlusserstellers. Als Beispiel sind die Spielräume bei der Bewertung der Rückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung anzusetzen ist (Ermessensspielraum; vgl. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB), zu nennen.
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Dabei ist nicht nur die stille Bildung, sondern insbes. die Auflösung dieser Reserven kritisch zu sehen, da in dem zuletzt genannten Fall die Lage des Unternehmens zu positiv dargestellt wird, d. h., vorhandene stille Reserven stellen ein Verlustverschleierungspotenzial dar. Durch den bei Auflösung der stillen Reserve erzielten Ertrag steigt der ausschüttungsfähige Bilanzgewinn, ohne dass sich die Ertragslage nachhaltig positiv verbessert hätte. Vielmehr ist häufig das Gegenteil der Fall, weil z. B. die Veräußerung eines Grundstückes mit hohen stillen Reserven oder die Auflösung überbewerteter Rückstellungen vorgenommenen werden, um z. B. Analystenerwartungen (s. Kap. I.3.1.3) zu erfüllen (vgl. Degeorge/Patel/Zeckhauser 1999, S. 1 ff.; Dhaliwal/Gleason/Mills 2004, S. 431 ff.; zu abschlusspolitischen Überlegungen s. Kap. II.7). Ein solches Vorgehen entspricht nicht dem Rahmengrundsatz der Vergleichbarkeit und dem Periodisierungsprinzip, welches den Grundsatz der Vollständigkeit konkretisiert. Diskussionsfrage II.4.-6 Worin sehen Sie Gefährdungspotenziale für die Funktionsfähigkeit des kapitalerhaltungsorientierten Gläubigerschutzes i. S. der deutschen GoB?
Durch Änderungen des BilMoG haben sich gewisse Erosionstendenzen des Vorsichtsprinzips im System der deutschen GoB gezeigt. Diese betreffen vor allem das Abzinsungsgebot für langfristige Rückstellungen (§ 253 Abs. 2 HGB) sowie mögliche Verletzungen des Objektivierungsgebots, die aus dem Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 HGB) resultieren. Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion stehen sich derzeit weitgehend gleichberechtigt gegenüber (s. Kap. II.4.4.1), auch wenn Teile der Literatur einer Ausweitung der Informationsfunktion ablehnend gegenüberstehen, weil dies dem Erfordernis eines vorsichtig zu ermittelnden Gewinnausweises entgegensteht (vgl. z. B. Moxter/Engel-Ciric 2014; Gerhards 2020). Eine Möglichkeit könnte sein, den durch eine stärkere Zuwendung in Richtung der Informationsfunktion bedingten Objektivierungsverlusten über eine Ausweitung der bereits in § 268 Abs. 8 HGB bestehenden Ausschüttungsbegrenzung entgegenzutreten.
4.4.8 Beurteilung des GoB-Systems Letztendlich entscheidet die Überzeugungskraft über die Akzeptanz eines GoB-Systems. Demnach ist z. B. zu fragen, ob das System klar strukturiert ist, frei von Widersprüchen ist und den gesetzten Abschlusszwecken entspricht. Abschließend erfolgen einige Anmerkungen zur Beurteilung des zuvor dargestellten GoB-Systems: Ein GoB-System muss definitionsgemäß Systemcharakter besitzen (s. Kap. II.4.3). Dieser Systemcharakter ist aus dem Gesetz nicht erkennbar. Dort stehen kodifizierte GoB unterschiedlicher Bedeutung oftmals gleichberechtigt nebeneinander. Dies zeigt insbes. der § 252 Abs. 1 HGB, welcher (u. a.) die folgenden Grundsätze aufzählt, formal gleichberechtigt behandelt und zudem auch keine Beziehungszusammenhänge zwischen den einzelnen Grundsätzen herstellt: Grundsatz der Bilanzidentität, Grundsatz der Vorsicht, going concern-Annahme sowie Grundsatz der Stetigkeit. Im Vergleich hierzu ist das in Abbildung II.4./2 dargestellte GoB-System vorziehenswürdig, weil es die Grundsätze ihrem besonderen Charakter folgend (Systemgrundsätze, Rahmengrundsätze, Dokumentationsgrundsätze, Ansatzgrundsätze für die Bilanz, Definitionsgrundsätze für den Jahreserfolg und Kapitalerhaltungsgrundsätze) systematisch ordnet. Jedoch ist auch das in diesem Kapitel dargestellte GoB-System nicht frei von Kritik:
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Beispielsweise kann die Stellung der System-GoB als Basis für die Auslegung anderer GoB nicht vollends überzeugen. Vielmehr erfahren auch die System-GoB Modifikationen. So wird der Grundsatz der Einzelbewertung ggf. aus Wirtschaftlichkeitsgründen durchbrochen (Bewertungsvereinfachungsverfahren; s. Kap. III.3.3.3.1). Des Weiteren sind der Definitionsgrundsatz »Realisationsprinzip« und die Kapitalerhaltungsgrundsätze »Vorsichtsprinzip« und »Imparitätsprinzip« eng miteinander verwoben. Die in Abbildung II.4./2 gewählte Strukturierung suggeriert dagegen, dass diese Grundsätze eher losgelöst voneinander zu betrachten sind. Für eine gemeinsame Betrachtung dieser Grundsätze spricht auch die in der Literatur oftmals anzutreffende Auffassung, das Imparitäts- und das Realisationsprinzip als Konkretisierungen des Vorsichtsprinzips zu verstehen (s. Kap. II.4.4.7.1).
Die zuvor vorgetragenen Kritikpunkte verdeutlichen, dass sich auch etablierte GoB-Systeme stets der Kritik stellen müssen und durchaus verbesserungswürdig sind. Weiterhin ergeben sich im Zeitablauf ggf. Änderungen im GoB-System aufgrund gesetzlicher Änderungen. So stellt sich z. B. die Frage, welche Auswirkungen sich für das System der deutschen GoB vor dem Hintergrund der im Rahmen des BilMoG (s. Kap. I.3.2.2.1.b) eingeführten Gesetzesänderungen ergeben haben bzw. ergeben werden. Beispielhaft sei hier auf das Erfordernis der wirtschaftlichen Betrachtung verwiesen, welches international üblich (s. Kap. II.5.3.2.3) ist und jetzt erstmals in § 246 Abs. 1 S. 2 HGB Erwähnung findet. Dieses Erfordernis wurde nunmehr als Rahmengrundsatz unter der Bezeichnung »Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise« (s. Kap. II.4.4.3.5) in das GoB-System aufgenommen. Aus dem Blickwinkel der verstärkten Informationsorientierung erscheint alternativ auch eine Aufnahme als Systemgrundsatz diskussionswürdig. Auch eine explizite gesetzliche Kodifizierung im Rahmen von § 252 Abs. 1 HGB wird diskutiert. Beispielsweise spricht sich Lüdenbach 2019 hierfür aus und weist darauf hin, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Teil teleologischer Gesetzesauslegung (s. Kap. II.4.3.2, II.4.3.3) gestützt werden soll, weil ansonsten in ungewöhnlichen Situationen die handelsrechtliche Bilanzierung im Zweifel der Zivilrechtslage folgt. Zudem wurde der Systemgrundsatz der Einzelbewertung durch die nunmehr ausdrücklich zulässige Bildung von Bewertungseinheiten gem. § 254 HGB ein weiteres Mal durchbrochen, sodass hier zu fragen wäre, ob der Grundsatz der Einzelbewertung unverändert den Status als Systemgrundsatz besitzen sollte. Dies wird nach der hier vertretenen Auffassung bejaht. Weiterhin sind Rückstellungen für Altersvorsorgeverpflichtungen zum beizulegenden Zeitwert anzusetzen, soweit sich ihre Höhe ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert von Wertpapieren bestimmt (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB), wodurch gegen das Realisationsprinzip und auch das Anschaffungskostenprinzip verstoßen wird. Auch die Möglichkeit, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens anzusetzen (§ 248 Abs. 2 S. 1 HGB), steht im Widerspruch zu einer vorsichtigen und objektivierbaren Bilanzierung i. S. der derzeit bestehenden GoB. Es bleibt abzuwarten, ob die Änderungen des BilMoG sowie künftige gesetzgeberische Vorhaben weitere Änderungen bzw. Modifikationen im System der deutschen GoB nach sich ziehen werden.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Kontrollfragen zu II.4 1. Diskutieren Sie die folgende Aussage: »GoB besitzen den Charakter von Rechtsnormen.« 2. Wie sind GoB zu ermitteln? Gehen Sie auch auf ggf. bestehende Probleme ein. 3. Gehen Sie kurz auf den Grundsatz der Pagatorik ein und ordnen Sie diesen Grundsatz in das System der deutschen GoB ein. 4. Dem DRSC kommt nach § 342 Abs. 1 Nr. 1 HGB die Aufgabe zu, Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung zu entwickeln. Wie beurteilen Sie die Kompetenz des DRSC, solche Grundsätze zu bestimmen? Auf fachspezifische Besonderheiten der Konzernrechnungslegung ist nicht einzugehen. 5. Das Erfordernis der formellen Stetigkeit ist dem Grundsatz der Vergleichbarkeit zuzurechnen. Welche Bedeutung besitzt die formelle Stetigkeit im Hinblick auf die Bilanz und GuV? 6. Bei der Bewertung eines Abschlusspostens stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung wertaufhellender Ereignisse. Die Literatur diskutiert, ob sich der Zeitraum der Wertaufhellung bis zum Ende der Erstellung des Abschlusses oder bis zu seiner Feststellung erstrecken soll. Welchen Zeitpunkt erachten Sie als vorziehenswürdig? 7. Definieren Sie die folgenden Begriffe und grenzen Sie sie voneinander ab: wertaufhellende Ereignisse, wertbegründende Ereignisse, going concern-aufhellende Ereignisse und going concern-begründende Ereignisse. Welche Bedeutung besitzen diese Begriffe innerhalb des GoB-Systems? 8. Gehen Sie davon aus, dass ein Abschluss zum 31.12.2021 zu erstellen ist. Handelt es sich bei der Ukranie-Krise im Hinblick auf die Bildung von Rückstellungen um ein wertbegründendes oder wertaufhellendes Ereignis? 9. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit kann der going concern-Annahme entgegenstehen. Gehen Sie davon aus, dass ein Unternehmen eine Liquiditätslücke in Höhe von 200 T€ hat, die sich binnen zwei Wochen nicht beseitigen lässt. Die Gesamtverbindlichkeiten betragen 2,4 Mio €. Ist die going concern-Annahme gegeben? Für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der »Zahlungsunfähigkeit« sind die in Kap. II.4.3.3 genannten hermeneutisch bedeutsamen Kriterien heranzuziehen und dabei insbes. etwaige Entscheidungen des BGH in das Kalkül einzubeziehen. Setzen Sie ggf. Annahmen, die Ihnen plausibel erscheinen und begründen Sie das gewählte Vorgehen. 10. Was besagt das Periodisierungsprinzip? Welche Arten von Periodenverschiebungen sind Ihnen in Zusammenhang mit den Rechengrößen der Rechnungslegung bekannt? Geben Sie Beispiele. 11. In welchem Zusammenhang stehen die Belegfunktion, die Journalfunktion und die Kontenfunktion zu den allgemeinen Dokumentationsgrundsätzen? 12. Welche Zeitpunkte kommen für die Realisation von Gewinnen nach den deutschen GoB in Frage? Welcher Zeitpunkt ist zu wählen und wie beurteilen Sie diesen Zeitpunkt aus dem Blickwinkel des Vorsichtsprinzips? 13. Ein Kunde bestellt eine Ware. Diese steht beim Lieferanten bereits zur Auslieferung bereit und soll in zwei Tagen an den Spediteur übergeben werden. Der Kunde leistet eine Anzahlung in Höhe von 50 % des vereinbarten Brutto-Kaufpreises (60 T€). Aus dem Geschäft soll beim Lieferanten insgesamt ein Gewinn in Höhe von 12 T€ entstehen. Welche Gewinnbestandteile gelten zum jetzigen Zeitpunkt als realisiert? Wie ist beim Lieferanten zu buchen? 14. Der Vermieter einer Lagerhalle erhält am 1.12.t1 die Miete in Höhe von 12 T€ für sechs Monate im Voraus durch Überweisung auf sein Kontokorrentkonto. Wie ist im Zahlungs-
Kontrollfragen zu II.4
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zeitpunkt und wie am Bilanzstichtag (31.12.t1) zu buchen? Welche gesetzliche Regelung ist in diesem Fall relevant? Welche GoB sind relevant? 15. Das HGB räumt dem Abschlussersteller verschiedene Wahlrechte ein. Geben Sie drei Beispiele für explizite Wahlrechte und beurteilen Sie die Existenz von Wahlrechten. 16. Das Vorsichtsprinzip deutscher Prägung unterstellt, die Gläubiger seien bei einer vorsichtigen Bilanzierung, d. h. mit einem »steigenden Verlustpuffer« am besten geschützt. Wie beurteilen Sie diese Annahme? Gehen Sie auch darauf ein, was unter einem »steigenden Verlustpuffer« zu verstehen ist. 17. Wie beurteilen Sie das deutsche GoB-System?
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5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB LERNZIELE
y y y
Verstehen der Entwicklung von internationalen Rahmennormen. Kenntnisse des Inhalts des Systems der internationalen Rahmennormen sowie kritische Würdigung dieses Systems. Kenntnisse der Unterschiede zwischen den internationalen und den deutschen Rahmennormen sowie der Gründe hierfür.
5.1 Einordnung Rahmennormen sind definiert als Normen, die grundsätzliche Fragestellungen regeln und damit vor die Klammer der Einzelnorm zu ziehen sind. Rahmennormen sollen aus Sicht des Normenanwenders als Deduktionsbasis der Herleitung einzelfallbezogener Problemlösungen sowie aus Sicht des Normengebers der Herleitung neuer Einzelnormen dienen (s. Kap. II.4.1). Die internationalen Rahmennormen finden sich vor allem im IASB Conceptual Framework (im Folgenden IASB F sowie Framework 2018, sofern eine Bezugnahme auf die Vorgängerfassung Framework 2010 von Belang ist) sowie in IAS 1, IAS 8 und IAS 10. Als weitere Normen mit allgemeinem Regelungsanspruch sind z. B. IAS 12, IAS 21, IAS 23 und IFRS 13 zu nennen. Insofern werden nachstehend Normen in die Betrachtung einbezogen, die Sachverhalte regeln, die für die Behandlung einer Vielzahl von Abschlussposten bedeutsam sind. Angesprochen sind z. B. Normen, welche die Vorgehensweise bei der Änderung von Rechnungslegungsmethoden oder die Behandlung von Finanzierungskosten innerhalb der Anschaffungskosten regeln. Die latenten Steuern (IAS 12; s. Kap. III.2.2) werden indes erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt. Dabei beschränken sich die Ausführungen an dieser Stelle (s. Kap. II.5) auf grundlegende Darstellungen. Vertiefungen bleiben den zumeist abschlusspostenbezogenen Betrachtungen (s. Kap. III) vorbehalten. Die internationalen Normen geben auch vor, wie die Normen selbst anzuwenden sind und wie vorzugehen ist, wenn sich auf Grundlage der vorhandenen Normen keine eindeutige Problemlösung herleiten lässt (IAS 8.7-12). Aufgrund ihres deutlich eigenständigen Charakters werden diese Normeninhalte gesondert innerhalb der Ausführungen zu den Einflussgrößen auf die Normenanwendung (s. Kap. II.6) behandelt. Das IASB hat am 17.12.2019 einen Standardentwurf (exposure draft) mit dem Titel »General Presentation and Disclosures« (ED/2019/7) vorgelegt, der den bisherigen IAS 1 ersetzen soll. Neben dem neuen Standard IFRS X 26 umfasst der Entwurf weitere Änderungen an IAS 7, IAS 8, IAS 33, IAS 34, IFRS 7 und IFRS 12. Die Inhalte des bisherigen IAS 1 werden teilweise in den neuen IFRS X verlagert und bestimmte Teilbereiche gehen in den IAS 8 ein. Da diese Überarbeitung noch nicht abgeschlossen ist, werden im Folgenden veränderte oder neu hinzugetretene Inhalte in den entsprechenden Abschnitten ergänzend skizziert (hierzu z. B.
26 Im ED dient »X« als Platzhalter für die noch festzulegende Nummer des neuen IFRS.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Bach/Berger 2020; Grote/v. Keitz 2020). Ein genauer Zeitplan für die Veröffentlichung des neuen Standards liegt mit Stand August 2022 nicht vor.
5.2 Ermittlung Die internationalen Rahmennormen stellen kein gewachsenes GoB-System (s. Kap. II.4) dar, welches sowohl auf gesetzlich kodifizierte als auch gesetzlich nichtkodifizierte Elemente zurückgreift. Auch die Ermittlung der Rahmennormen unterscheidet sich auf internationaler und deutscher Ebene deutlich: y Internationale Rahmen- und Einzelnormen werden in einem formellen Verfahren (due process) entwickelt. y Auch die gesetzlich kodifizierten deutschen GoB unterliegen einem standardisierten Verfahren. Angesprochen ist hier das Gesetzgebungsprozedere (s. Kap. I.5.2.2.1). Allerdings folgt die Ermittlung gesetzlich nichtkodifizierter GoB anderen Regeln (s. Kap. II.4.3). Die Entscheidung, ob eine Norm als internationale Norm (und hierzu zählen auch die internationalen Rahmennormen) Akzeptanz besitzt, trifft die internationale Staatengemeinschaft. Stellvertretend für die internationale Staatengemeinschaft stehen die im IASB vertretenen Repräsentanten verschiedener Länder. An der Normengebung selbst sind die 14 stimmberechtigten board-Mitglieder beteiligt. Von diesen müssen wiederum neun dem Standardentwurf zustimmen (zum Prozess der Normenentwicklung s. Kap. I.5.2.1.3). Auf europäischer Ebene entsteht durch das Komitologieverfahren (s. Kap. I.2.2.5) neben der »Ebene der deutschen GoB« und der »internationalen GoB« streng genommen eine weitere Ebene, die »internationalen GoB aus dem Blickwinkel des Europarechts«. Durch eine abweichende Übernahme der IFRS als europäisches Sekundärrecht (s. Kap. I.5.2.1.2) können die zuletzt genannten GoB von den internationalen GoB abweichen. Die Akzeptanz der Staatengemeinschaft dürfte vor allem davon abhängig sein, inwieweit der zur Abstimmung anstehende Standard dem gesetzten Ziel einer primär investorbezogenen Informationsgewährung entspricht (deduktives Element) und sich in der Praxis anwenden lässt (induktives Element). Relevant sind auch hermeneutisch bedeutsame Kriterien (s. Kap. II.4.3.3). Die Akzeptanzkomponente ist auch im deutschen Gesetzgebungsverfahren bedeutsam. Dies ist z. B. der Fall, wenn es darum geht, einen bisher nicht gesetzlich kodifizierten GoB im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in einen gesetzlich kodifizierten GoB zu »überführen«. Weiterhin stehen Akzeptanz und Eigennutzüberlegungen der im Normengebungsprozess involvierten Personen in einem engen Zusammenhang (zum Lobbying s. Kap. I.5.2.1.3).27 So ist es denkbar, dass die Interessenvertreter insbes. der Kleingläubiger, der Publikumsaktionäre sowie der Öffentlichkeit weniger gehört werden als die der Großaktionäre, weil die zuerst Genannten schlechter organisiert sind (in Anlehnung an Wüstemann 1999, S. 40). Auch der Umstand, dass die Satzung des IASB die Mandatsträger im board dazu verpflichtet, im Interesse der Öffentlichkeit zu handeln, kann mögliche Vorbehalte nicht vollends zerstreuen (IFRS Foundation Constitution.2a; siehe auch Annex.8). Vielmehr dürften die board-Mitglieder aufgrund des jeweils geforderten beruflichen Werdegangs und der persönlichen Erfahrungswerte (IFRS Foundation Constitution.24 ff. i. V. m. Annex) oftmals dazu neigen, die Inte-
27 Zur Akzeptanzkomponente im Normenentwicklungsprozess vgl. auch Ruhnke 2000, S. 463 ff.
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ressen der Organisation, der sie sich verbunden fühlen, zu vertreten (vgl. auch Grau 2002, S. 32 f.; Allen/Ramanna 2013). Weiterhin erfordern mehrheitsfähige Normen oftmals Kompromisse, die u. U. systemgerechte und klare Regelungen verhindern. Bei aller Kritik am internationalen Entwicklungsprozess darf jedoch nicht verkannt werden, dass auch der deutsche Gesetzgebungsprozess (teilweise massiven) Einflussnahmen unterliegt (s. Kap. I.5.2.2.1).
5.3 Elemente und Beziehungen 5.3.1 Überblick und Vorbemerkungen In Bezug auf den IAS 1 und das IASB Conceputal Framework ist festzustellen, dass IAS 1 dem IASB Framework vorgeht. Dies geht zweifelsfrei aus dem Status and Purpose zum IASB Conceptual Framework (IASB F.SP1.2) hervor: »The Conceptual Framework is not a Standard. Nothing in the Conceptual Framework overrides any Standard or any requirement in a Standard.« (hierzu sowie im Folgenden Merkt 2014; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 3 f.). Die unterschiedliche Bindungswirkung der Rahmennormen kommt aber nicht in allen Fällen zum Tragen, da sich die im IASB Conceptual Framework genannten Grundsätze in nicht wenigen Fällen auch in IAS 1 finden bzw. dort zumindest erwähnt werden (vgl. ähnlich Tanski 2010, S. 34). Beispielsweise ist die going concern-Annahme sowohl im IASB F.3.9 als auch im IAS 1.25 f. normiert. IAS 1 richtet sich zweifelsfrei an den Normenanwender. Dagegen verfolgt das IASB Conceputal Framework mehrere Zwecke: Das Framework soll u. a. das board des IASB bei der Entwicklung von konsistenten Normen, die Abschlussersteller bei der Anwendung der Standards sowie die Abschlussadressaten bei der Interpretation erstellter Abschlüsse unterstützen (IASB F.SP1.1). Die Literatur sieht den Hauptzweck des Frameworks zumeist in der Unterstützung des Boards bei seinen Aktivitäten (vgl. Ballwieser 2003, S. 338; Tanski 2010, S. 35). Die nachstehenden Ausführungen folgen der Systematisierung des IASB Conceptual Frameworks.28 Die Regelungen des IAS 1 werden begleitend und ggf. ergänzend behandelt. Abbildung II.5./1 stellt die Strukturelemente des IASB Frameworks dar. Primäre Abschlussadressaten sind Investoren, Kreditgeber und sonstige Gläubiger (IASB F.1.4). Vorrangiges Ziel eines IFRS-Abschlusses ist es, den Abschlussadressaten Informationen über die wirtschaftliche Lage, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage bereitzustellen. Demnach steht die Vermittlung entscheidungsnützlicher (Finanz-)Informationen über die berichterstattende Einheit im Vordergrund (IASB F.1.2-1.11; IAS 1.9, s. Kap. I.2.2.4). Dabei sollen die gegebenen Informationen auch als Grundlage für die Prognose der künftigen Lage und der künftigen Cashflows des Unternehmens sowie die Bestimmung des Gesamtunternehmenswertes geeignet sein (IASB F.1.3 ff.; IAS 1.9). Als weiteres Ziel ist Rechenschaft (stewardship) dahingehend abzulegen, wie effektiv und effizient das Management mit den anvertrauten wirtschaftlichen Ressourcen gearbeitet hat (IASB F.3.2). Das Ablegen von Rechenschaft ist der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen nachgelagert, weil die Abschlussadressaten hier lediglich bei ihren Ressourcenallokationsentscheidungen unterstützt werden (z. B. das bisherige Management bei einem schlechten Rechenschaftsergebnis zu ersetzen; vgl. IASB F.BC1.35a).
28 Vgl. zum Framework z. B. Ernst & Young 2021, S. 43 ff.; Pelger 2020, S. 33 ff.
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Eine berichterstattende Einheit (reporting entity) ist jede Einheit, die freiwillig oder verpflichtend einen IFRS-Abschluss erstellt. Eine rechtliche Einheit muss nicht bestehen. Die Berichterstattung kann ein Unternehmen, ein Teil eines Unternehmens oder mehrere Unternehmen umfassen (IASB F.3.10). Die Abgrenzung einer berichterstattenden Einheit muss sich an den Informationsbedürfnissen der Abschlussadressaten orientieren (IASB F.3.14). Hiervon abzugrenzen ist die Entscheidung darüber, wer (who) einen IFRS-Abschluss erstellen muss, kann oder sollte (s. Kap. I.3.2). Die Definition schließt den Einzelabschluss eines nicht in einem Konzernverbund stehenden Unternehmens, den Konzernabschluss (s. Kap. IV) und den Einzelabschluss eines Mutterunternehmens sowie den Einzelabschluss eines Tochterunternehmens ein (IASB F.3.15 ff.). Als combined financial statements wird die Berichterstattung über zwei oder mehr Unternehmen bezeichnet, die jedoch in keinem Mutter-Tochter-Verhältnis stehen (IASB F.3.12).
The objective of general purpose financial reporting (Abschlussfunktion) IASB F.1.2-F.1.11
Information useful in making decisions (entscheidungsnützliche Informationen)
Underlying assumption, accrual basis, qualitative characteristics and cost constraint of useful financial information (Grundsatzsystem i.e.S.) IASB F.3.9, 1.17-1.19, 2.4-2.43 Concepts of capital and capital maintenance (Kapital und Kapitalerhaltungskonzepte) IASB F.8.1-8.10 Concepts of presentation and
disclosure
(Darstellungs- und Ausweiskonzepte) IASB F.7.1-7.22
The elements of financial statements (Abschlusselemente) Definition (definitorische Voraussetzungen) IASB F.4.1-4.72
Recognition and derecognition (Ansatz- und Ausbuchungskriterien) IASB F.5.1-5.25
Measurement of the elements of financial statements (Bewertung) IASB F.6.1-6.91
Abb. II.5./1 Strukturelemente des IASB Conceptual Framework
Im Vergleich mit den Normen zur handelsrechtlichen Abschlusserstellung ist Folgendes festzustellen: Der handelsrechtliche Konzernabschluss dient gleichfalls primär der Informationsfunktion (s. Kap. I.2.2.4). Dagegen soll ein handelsrechtlicher Einzelabschluss einen möglichst weitgehenden Interessenausgleich zwischen den Abschlussadressaten herstellen. Dabei steht die Ausschüttungsbemessungsfunktion und somit der Gläubigerschutz im Vordergrund (s. Kap. I.2.2.2). Von Vorteil ist, dass die IFRS eindeutig zum Adressatenkreis
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Position beziehen, indem sie die Abschlussadressaten konkret benennen und bestehende Interessenkonflikte in weiten Teilen dahingehend lösen, indem sie das Informationsinteresse der primären Abschlussadressaten in den Vordergrund rücken.
5.3.2 Grundsatzsystem i. e. S. 5.3.2.1 Überblick und Vorbemerkungen Im Folgenden wird zunächst das in Abbildung II.5./2 enthaltene Grundsatzsystem i. e. S. näher betrachtet. Die einzelnen Grundsätze finden sich vor allem in IASB F.3.9, F.1.17-1.19, F.2.42.43. Diese lassen sich systematisieren in y die grundlegende Annahme der Unternehmensfortführung und das allgemeine Abgrenzungskonzept sowie y die Primär-, Sekundär- und Tertiärgrundsätze und weiterhin eine relativierende Nebenbedingung (diese Systematisierung ist Reiter 1998, S. 71 ff. entlehnt). Vergleichend zu den deutschen GoB ist festzustellen, dass sich bereits aus den schriftlich niedergelegten Normen eine Systematisierung ergibt. Dies ist bei den gesetzlich kodifizierten GoB nicht der Fall (vgl. vor allem § 252 Abs. 1 HGB).
Grundlegende Annahme und allgemeines Abgrenzungskonzept (1. Ebene)
Going concern (Unternehmensfortführung)
Accrual basis (Periodenabgrenzung)
Qualitative characteristics of useful financial information Relevance (Relevanz)
Primärgrundsätze (2. Ebene)
Faithful representation (Glaubwürdige Darstellung)
Materiality (Wesentlichkeit)
Sekundärgrundsätze (3. Ebene)
- Completeness (Vollständigkeit) - Neutrality (Willkürfreiheit) - Free from error (Fehlerfreiheit)
Enhancing qualitative characteristics (verbessernde qualitative Merkmale)
Tertiärgrundsätze (4. Ebene) Comparability (Vergleichbarkeit) Relativierende Nebenbedingungen (5. Ebene)
Verifiability (Nachprüfbarkeit)
Timeliness (Zeitnähe)
Understandability (Verständlichkeit)
Cost constraint (Wirtschaftlichkeit)
Anwendung der Primär-Grundsätze sowie der im Einzelfall jeweils relevanten IFRS Information useful in making decisions (entscheidungsnützliche Informationen)
Abb. II.5./2 Grundsatzsystem i. e. S.
Diskussionsfrage II.5.-1 Studieren Sie die nachfolgenden Ausführungen zum Grundsatzsystem i. e. S. Gehen Sie auf den Grundsatz der Einzelbewertung und seine Stellung im internationalen Grundsatzsystem i. e. S. sowie im deutschen GoB-System ein. Arbeiten Sie mögliche Unterschiede heraus!
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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5.3.2.2 Grundlegende Annahme und allgemeines Abgrenzungskonzept Die going concern-Annahme ist zweifelsfrei eine grundlegende Annahme (IASB F.3.9, IAS 1.25 f.). Das Erfordernis der Periodenabgrenzung (accrual basis) findet sich nicht explizit als grundlegende Annahme im IASB Conceptual Framework, findet aber gleichwohl in IASB F.1.17 Beachtung. Auch aus IAS 1.27 f. geht zweifelsfrei hervor, dass die IFRS-Rechnungslegung auf diesem Grundsatz basiert. Aus diesem Grunde wird es als sachgerecht erachtet, die Periodenabgrenzung als allgemeines Abgrenzungskonzept zu qualifizieren, welches bei gegebener going concern-Annahme zu beachten ist. a. Going-concern-Annahme Sowohl IASB F.3.9 als auch IAS 1.25 f. fordern, dass von der Annahme der Unternehmensfortführung auszugehen ist. Nach IAS 1.25 obliegt es dem Management des abschlusserstellenden Unternehmens, bei der Aufstellung des Abschlusses eine Einschätzung über die Fähigkeit des Unternehmens, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, vorzunehmen. Besteht ein signifikanter Zweifel hinsichtlich der Unternehmensfortführung, sind geeignete Gegenmaßnahmen des Managements und eine Einschätzung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen in die Beurteilung der Annahme der Unternehmensfortführung einzubeziehen. Hierüber ist in den notes zu berichten (IAS 1.25, 122; hierzu IASB 2021a, S. 2 sowie aus Prüfersicht Marten/ Quick/Ruhnke 2020, S. 609). y Als Bezugsperiode für die Beurteilung der Unternehmensfortführung hält IAS 1.26 einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten für angemessen, den das Management bei seinen Beurteilungen hinsichtlich der Unternehmensfortführung zu berücksichtigen hat. y Nach IAS 10 sind Ereignisse, die nach dem Abschlussstichtag eintreten, bei der Beurteilung der going concern-Annahme zu berücksichtigen. IAS 10.14 unterscheidet im Gegensatz zu allen anderen Arten nachträglich zugehender Informationen nicht zwischen going-concern-aufhellenden und going-concern-begründenden Ereignissen (vgl. auch Bischof/Doleczik/Milanova 2014, IAS 10, Rn. 29; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 4, Rn. 47 ff.). Eine solche Unterscheidung ist nach h. M. auch handelsrechtlich nicht erforderlich (s. Kap. II.4.4.2.1). y Stichtag für die Berücksichtigung von Ereignissen, die im Rahmen der going concernBeurteilung heranzuziehen sind, ist der Zeitpunkt, an dem der Abschluss zur Veröffentlichung freigegeben wird (IAS 10.14 ff. i. V. m. IAS 10.3). Unter Verweis auf die Entscheidungsrelevanz dieses Zeitpunktes besteht nach IAS 10.17 f. eine diesbezügliche Angabepflicht in den notes. Wird der Abschluss durch ein Aufsichtsorgan genehmigt, ist der Zeitpunkt, an dem die Unternehmensleitung den (geprüften) Jahresabschluss an das Aufsichtsorgan weiterleitet, der relevante Zeitpunkt (IAS 10.6). Insofern besteht weitgehend Identität zur Vorgehensweise nach den deutschen GoB (s. Kap. II.4.4.2.1). y Ergibt sich eine negative Beurteilung der Überlebensfähigkeit oder beabsichtigt das Unternehmen den Geschäftsbetrieb einzustellen, ist der Abschluss auf einer anderen Grundlage zu erstellen, die dann anzugeben ist. Ebenso sind gem. IAS 1.25 die Gründe für die negative Beurteilung anzugeben. y Grundlage der Rechnungslegung bei Wegfall der going-concern-Annahme: IAS 10 trifft keine Aussage, welche Rechnungslegungsmethoden in diesem Fall zur Anwendung gelangen (zur grundsätzlichen Vorgehensweise bei Existenz einer Regelungslücke s. Kap. II.6.1.3). Für eine liquidationsorientierte Vorgehensweise spricht, dass bei dem vergleichbaren Sachverhalt der Bewertung zur Veräußerung gehaltener langfristiger Vermögenswerte gem. IFRS 5.15 ff. (s. Kap. II.5.3.3.3.b3) gleichfalls veräußerungs- bzw.
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liquidationsorientiert vorzugehen ist (sog. Analogieschluss; s. Kap. II.6.1.3.b). Demnach sind die vorhandenen IFRS unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die aus dem Wegfall der going-concern-Annahme resultieren, zu beachten. Dies könnte z. B. in analoger Anwendung von IFRS 5.15 dazu führen, eine Maschine mit dem Minimum aus Buchwert und beizulegendem Zeitwert (z. B. Verkaufspreis) abzüglich Veräußerungskosten anzusetzen, und nicht zu einem Wert, der den fortlaufenden Nutzen der Maschine im betrieblichen Einsatz angibt (zum Nutzungswert gem. IAS 36 s. Kap. III.3.1.3.2.c). Insofern besteht weitgehende Übereinstimmung mit den deutschen GoB, wonach bei absehbarer Auflösung des Unternehmens ein Liquidationsstatus zu erstellen ist (s. Kap. II.4.4.2.1). Geschäftsbericht Das folgende Beispiel veranschaulicht, dass im Zuge der COVID-19-Pandemie die Bedeutsamkeit von Angaben zu Schätzunsicherheiten und Ermessensentscheidungen (s. Kap. II.5.3.3.5) im Zusammenhang mit der going-concern-Annahme zunimmt: »Bei der Erstellung des Konzernabschlusses waren vom Vorstand Ermessensentscheidungen über künftige Ereignisse vorzunehmen und Annahmen zu treffen (…). Die tatsächlichen Ergebnisse können von diesen Schätzungen abweichen. Erhöhte Schätzunsicherheiten bestehen auch aufgrund der COVID-19-Pandemie« (OSRAM Licht AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 67). »Die Risikolage des OSRAM Licht-Konzerns unterlag im abgelaufenen Geschäftsjahr vor allem bedingt durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gegenüber dem Vorjahr zum Teil wesentlichen Änderungen und war volatiler. Die konjunkturellen Risiken könnten das Geschäft von OSRAM in gravierender Weise beeinflussen und immer wieder neue operative Maßnahmen sowie Anpassungen der Strategie erfordern. Es muss sich noch zeigen, wie lange die aktuelle Marktschwäche der Halbleiter- und Automobilindustrie andauert. Nach Einschätzung führender Marktforschungsinstitute wird die weltweite Automobilproduktion über mehrere Jahre das Vorkrisenniveau nicht erreichen. Es bleibt abzuwarten, wie weitreichend und wie langanhaltend die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unser Geschäft künftig beeinflussen werden. (…) Unter Berücksichtigung der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit und der potenziellen Auswirkung weisen die (…) erläuterten Risiken weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit einen bestandsgefährdenden Charakter auf. Angesichts der Bilanzstruktur und der gegenwärtigen Geschäftsaussichten erwartet der Vorstand keine substanzielle Gefährdung der Unternehmensfortführung« (ebd., S. 45).
Vergleichend zu den deutschen GoB ist Folgendes festzustellen: Der going concern-Annahme dürfte sowohl nach internationalen Normen (grundlegende Annahme) als auch nach den deutschen GoB (Systemgrundsatz) weitgehend die gleiche hohe Bedeutung zukommen. b. Periodenabgrenzung Das Erfordernis der Periodenabgrenzung ist als allgemeines Abgrenzungskonzept zu verstehen (IASB F.1.17-1.19.; IAS 1.27 f.). Demnach sind die Ein- und Auszahlungen nicht im Zeitpunkt ihres Zu- oder Abflusses ergebniswirksam zu verrechnen, sondern werden den Perioden zugerechnet, denen sie wirtschaftlich zugehören. Für die Periodenabgrenzung ist der Zeitpunkt der Ertragsrealisation bedeutsam. Ein Ertrag ist anzusetzen, sofern dies zu Informationen führt, welche den Primärgrundsätzen genügen (IASB F.5.7). Im Sinne des asset-liability-Ansatzes (s. Kap. II.3.3.5) führt eine Zunahme von Vermögenswerten oder eine Abnahme von Schulden zu der Erfassung von Erträgen (IASB F.5.6; IASB F.4.68 ff.). Dabei kann es auch dann zu Erträgen kommen, wenn die Wahrscheinlichkeit des künftigen wirtschaftlichen Nutzenflusses (Definitionskriterium für ein asset; s. Kap. II.5.3.5) gering ist (IASB F.5.15). Dagegen legen die deutschen GoB das Realisationsprinzip tendenziell strenger aus. Zumeist bildet hier der Gefahrenübergang an
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den Kunden den Realisationszeitpunkt (s. Kap. II.4.4.5.1), d. h., Ergebnisbeiträge werden im Vergleich zur IFRS Rechnungslegung in nicht wenigen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt in der GuV erfasst (zur Erlösrealisierung nach IFRS 15 s. Kap. III.3.8). Die dem Ertrag zurechenbaren Aufwendungen sind nach dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (matching principle) in der Periode zu verrechnen, in der auch der entsprechende Ertrag vereinnahmt wurde. Allerdings ist dieses Prinzip kein eigenständiges Ziel des Frameworks, d. h. der Ansatz von Aufwendungen kommt nur dann in Betracht, wenn eine Abnahme von Vermögenswerten oder eine Zunahme von Schulden gegeben ist (IASB F.5.5). Insofern wird das matching principle durch den asset-liability-Ansatz begrenzt und relativiert. Formal ähnliche Inhalte finden sich auch in den deutschen GoB. Angesprochen ist hier der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (s. Kap. II.4.4.5.2), d. h., den realisierten Erträgen sind nur die ihnen zugehörigen Aufwendungen gegenüberzustellen. Allerdings können sich inhaltlich Unterschiede ergeben. Diskussionsfrage II.5.-2 Beurteilen Sie das Wahlrecht zur Aktivierung von Gemeinkosten aus Sicht der deutschen GoB.
Unterschiede zwischen den deutschen GoB und den IFRS lassen sich teilweise vermeiden, indem z. B. das Wahlrecht zur Aktivierung von Entwicklungskosten gem. § 248 Abs. 2 S. 1 HGB wahrgenommen wird, um eine Kompatibilität zu IAS 38 herzustellen (s. Kap. III.3.2). Allerdings kann ein abweichendes matching auch zwingend sein. Dies ist beispielsweise bei langfristigen Fertigungsaufträgen der Fall. Hier ergibt sich die Abweichung indes nicht aus einer abweichenden Periodisierung der Aufwendungen, sondern aus einer abweichenden Periodisierung der Erträge. Nach IFRS 15 muss der Abschlussersteller unter bestimmten Voraussetzungen bei der langfristigen Auftragsfertigung Teilgewinne z. B. nach dem Projektfortschritt realisieren (s. Kap. III.3.8). Dagegen ist nach deutschen GoB der Gewinn aus dem langfristigen Fertigungsauftrag regelmäßig erst dann zu vereinnahmen, wenn der zu fertigende Gegenstand erstellt und abgenommen wurde. Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach den deutschen GoB und den internationalen Normen der Grundsatz der Periodenabgrenzung formal zwar ähnlich, jedoch inhaltlich u. U. anders auszulegen ist. Dies liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung der Normensysteme begründet. y Die deutschen GoB zielen primär auf eine vorsichtige Bemessung von Ausschüttungen ab. In diesem Fall dominiert der Grundsatz der Vorsicht den Grundsatz der Periodenabgrenzung. y Dagegen steht nach IFRS die Gewährung von primär investorenbezogenen entscheidungsnützlichen Informationen im Vordergrund. In diesem Fall erfährt der Grundsatz der Periodenabgrenzung weniger Beeinflussungen durch andere Grundsätze, d. h. der Grundsatz der Periodenabgrenzung dominiert die Ausübung von Vorsicht. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die internationalen Normen keine Vorsicht kennen. Diese besitzt lediglich einen anderen Stellenwert. Grundsätze und relativierende Nebenbedingung 5.3.2.3 Auf Basis der grundlegenden Annahme der Unternehmensfortführung sowie dem Konzept der Periodenabgrenzung definiert das IASB »Qualitative characteristics of useful financial information« (insb. IASB F.2.4-2.43). Dabei handelt es sich um qualitative Merkmale, die ein
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Abschluss aufweisen muss, damit die gewährten Informationen für einen Abschlussadressaten nützlich sind (IASB F.2.1; vgl. auch Christensen/Demski 2003, S. 427). Insofern sind diese qualitativen Merkmale ähnlich abgegrenzt wie die deutschen Rahmengrundsätze, die als Bedingungen jeder Vermittlung nützlicher Informationen definiert sind (s. Kap. II.4.4.3). Die als qualitative Merkmale gekennzeichneten Grundsätze lassen sich in Primär- und Sekundärgrundsätze einteilen. Während die Sekundärgrundsätze die zwei Primärgrundsätze Relevanz und glaubwürdige Darstellung konkretisieren (IASB F.2.4-2.22), erläutern die Tertiärgrundsätze (IASB F.2.23-2.38) die Primärgrundsätze. Die Primär-, Sekundär- und Tertiärgrundsätze gelten wiederum unter Beachtung der sog. relativierenden Nebenbedingung (IASB F.2.39-43; siehe hierzu Abb. II.5./2). a. Primär- und Sekundärgrundsätze a1. Relevanz Nach IASB F.2.6 sind Informationen dann relevant, wenn sie geeignet sind, die ökonomischen Entscheidungen der Abschlussadressaten zu beeinflussen. Dies ist der Fall, wenn die Information Vorhersage- und/oder Bestätigungskraft besitzt (predictive value, confirmatory value or both; IASB F.2.7). Informationen haben dann eine Vorhersagekraft, wenn sie helfen, künftige Ergebnisse zu prognostizieren (IASB F.2.8). Dagegen haben die Informationen Bestätigungskraft, wenn diese frühere Einschätzungen bestätigen oder ändern (IASB F.2.9). Eine Information kann sowohl Vorhersage- als auch Bestätigungskraft besitzen: Beispielsweise können Ertragsinformationen des laufenden Geschäftsjahres für Prognosen des zukünftigen Ertrags genutzt werden. Gleichzeitig können diese Informationen mit vergangenen Prognosen verglichen werden (IASB F.2.10). Diskussionsfrage II.5.-3 Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, die Entscheidungsrelevanz von Informationen i. S. des IASB Conceptual Framework empirisch zu messen?
Nach IASB F.2.11 ist die Wesentlichkeit (materiality) einer Information für die Beurteilung ihrer Entscheidungsrelevanz bedeutsam (grundlegend s. Kap. II.4.4.3.6). Demnach gelten Informationen als wesentlich, wenn ihr Weglassen, ihre fehlerhafte Darstellung oder ihre Verschleierung (obscuring) die Entscheidungen der primären Abschlussadressaten beeinflussen kann (IASB F.2.11, IAS 1.7; IASB F.BC2.20). Hierbei reicht eine mögliche Beeinflussung der Entscheidung der Abschlussadressaten nicht aus, diese muss vernünftigerweise zu erwarten sein. Wesentliche Finanzinformationen sind demnach separat berichtspflichtig; ggf. isoliert betrachtete nicht wesentliche Posten sind zu berichtspflichtigen wesentlichen Posten zu aggregieren (IAS 1.29-31; IASB F.7.20-22). Wesentlichkeit wird durch die Art und durch das relative quantitative Ausmaß einer Information bestimmt (so auch IAS 1.7; bestätigend auch die Rechtsprechung, vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 63 ff.). y Beachtlich ist das quantitative Ausmaß einer Information, bei der davon auszugehen ist, dass eine Falschdarstellung geeignet ist, die Entscheidungen der Adressaten zu beeinflussen. Allerdings finden sich in IASB F.2.11 und IAS 1.7 keine konkreten Quantifizierungsvorgaben (z. B. ein Sachverhalt ist wesentlich, wenn dieser 5 % des profits übersteigt, weil diese Größe für die Entscheidungen der Abschlussadressaten von besonderer Bedeutung ist). Ein solcher Verzicht erscheint auch sachgerecht, da sich die Wesentlichkeit nicht pauschal quantifizieren lässt, sondern von einer Vielzahl von Faktoren abhängt (vgl. ausführlich Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 320 ff.).
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Eine Information kann bereits alleine wegen ihrer Art geeignet sein, um die Entscheidungen der Abschlussadressaten zu beeinflussen (sog. qualitative materiality-Überlegungen). Qualitative Aspekte können quantitative Grenzen reduzieren oder im Einzelfall kann die Wesentlichkeit auch unabhängig vom quantitativen Ausmaß gegeben sein (IFRS PS 2.54 f.). So kann z. B. die Berichterstattung über ein neues Segment die Beurteilung der Risiken und Chancen für das Unternehmen beeinflussen, und zwar unabhängig davon, wie hoch die von dem neuen Segment erzielten Ergebnisse und Umsatzerlöse in der Berichtsperiode sind. Auch Transaktionen mit nahestehenden Personen (related parties) können schon alleine wegen ihrer Art relevant sein.
Aktuelles Rechtsprechung: Wesentlichkeit bei Rechnungslegungsfehlern im IFRS-Abschluss Eine Fehlerfeststellung im Enforcement-Verfahren (s. Kap. I.5.2.1.4) erfolgt, sofern ein wesentlicher Verstoß gegen die gesetzlich relevanten Rechnungslegungsnormen vorliegt. Hierbei sind laut dem Urteil des OLG Frankfurt a. M. (2019) sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte bei der Wesentlichkeitsbeurteilung zu berücksichtigen (vgl. ebd., Rn. 103). Gleichwohl stellt das OLG in einem konkreten Fall auf das Vorliegen einer qualitativen Wesentlichkeit als Voraussetzung für eine Fehlerfeststellung ab (vgl. ebd., Rn. 124). Ohne das Ergebnis des OLG infrage zu stellen, lässt sich ein »Durchgriff der qualitativen Wesentlichkeit« nach der hier vertretenen Auffassung methodisch nicht nachvollziehen (kritisch auch Pöschke 2019, S. 875), weil eine Information, bei der davon auszugehen ist, dass eine quantitative Falschdarstellung (dieser Information selbst oder in Bezug auf andere hierdurch beeinflusste Größen wie z. B. den profit) für die Abschlussadressaten bedeutsam ist (in Rn. 124 ist die Rede von »aus Sicht des Kapitalmarktes (…) durchaus relevanten Informationen (…), die die Vermögensbzw. Finanzlage des Konzers in erheblichen Umfang betreffen«), immer als wesentlich zu werten ist. Eine qualitativ abweichende Beurteilung ist in diesem Fall insofen sachlogisch nicht möglich. Des Weiteren kann in Bezug auf einen anderen Sachverhalt dem OLG zufolge nicht auf eine Pflichtangabe in den notes verzichtet werden, weil das IASB (Normengeber) mit der Verpflichtung zur Angabe in den notes die Entscheidung bereits getroffen habe, dass eine Angabe wesentlich ist (ebd., Rn. 164 f.). Diese Ansicht konfligiert indes mit IAS 1.31 Satz 2, wonach eine Pflichtangabe dann unterbleiben kann, »wenn die anzugebende Information nicht wesentlich ist« (hierzu Schmidt 2019, S. 2020). Dies dürfte dazu führen, dass Unternehmen im deutschen Rechtsraum aufgrund der potenziellen Sanktionierung in einem Enforcement-Verfahren IAS 1.31 Satz 2 nicht anwenden werden, was wiederum einer weltweit einheitlichen Anwendung der IFRS zuwiderläuft.
Das HGB spricht den Grundsatz der Entscheidungsrelevanz nicht direkt an. Dieser Grundsatz ist nach deutschen GoB vielmehr den nicht gesetzlich kodifizierten GoB zuzurechnen (s. Kap. II.4.4.3.5). Auch Wesentlichkeitserwägungen finden sich in Bezug auf den Einzelabschluss nur implizit (z. B. in §§ 240 Abs. 3, 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB). a2. Glaubwürdige Darstellung a21. Konzeptionelle Vorbemerkungen und Subsumption des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung (faithful representation) betont noch einmal, dass die gegebenen Abschlussinformationen glaubwürdig sein müssen (IASB F.2.12 ff.; auch IAS 8.10bi). Eine glaubwürdige Darstellung muss im Idealfall drei Kriterien genügen: Die Darstellung muss vollständig, fehlerfrei und neutral sein (IASB F.2.13; ausführlich s. Kap. II.5.3.2.3.a22 bis a24). Eine glaubwürdige Darstellung impliziert zudem eine wirtschaftliche Betrachungsweise (substance over form; siehe auch IASB F.2.12, IAS 8.10bii). Demnach sind Geschäftsvor-
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fälle und andere Ereignisse nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt (substance) und nicht allein nach ihrem rechtlichen Gehalt (form) darzustellen. a22. Vollständigkeit Abschlussinformationen sind nur dann glaubwürdig dargestellt, wenn diese vollständig sind, d. h., eine vollständige Darstellung beinhaltet alle notwendigen Informationen inklusive aller Beschreibungen und Erklärungen des darzustellenden Sachverhalts. Insofern konkretisiert der Grundsatz der Vollständigkeit (completeness; IASB F.2.14; IAS 8.10bv) den Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung (faithful representation). Der Grundsatz der Vollständigkeit wird durch den Sekundärgrundsatz der Wesentlichkeit eingeengt. Dies folgt unmittelbar aus den zuvor genannten Normen, die bestimmen, dass der Abschluss Informationen liefert, die in allen wesentlichen Gesichtspunkten vollständig sind. Demnach dürfen unwesentliche Posten zusammengefasst werden. In einem engen Bezug zu diesem Grundsatz steht das Bruttoprinzip, welches besagt, dass eine Saldierung (offsetting) von Abschlussposten grundsätzlich unzulässig ist. Das Bruttoprinzip findet sich in IAS 1.32 ff. Eine Saldierung ist ausnahmsweise zulässig, wenn y ein Standard oder eine Interpretation dies erlaubt (IAS 1.32) oder y der Nettoausweis den wirtschaftlichen Gehalt eines Geschäftsvorfalls oder eines Ereignisses besser widerspiegelt (IAS 1.33). So können z. B. Gewinne aus dem Abgang langfristiger Vermögenswerte nach Abzug der Verkaufskosten in der GuV erfasst werden. Ansonsten würde die GuV »aufgebläht«, d. h., in diesem Fall wird ein höherer Ertrag gezeigt, dem jedoch wiederum höhere Aufwendungen (Verkaufskosten) gegenüberstehen. Insofern spiegelt eine Saldierung den wirtschaftlichen Gehalt des Verkaufs des Vermögenswertes besser wider. Dem Grundsatz der Vollständigkeit dienlich ist weiterhin, dass gem. IAS 10.8 wertaufhellende Ereignisse berücksichtigungspflichtig sind. Im Vergleich zu den deutschen GoB zeigt sich eine weitgehende Kompatibilität mit dem in § 246 Abs. 1 HGB kodifizierten Rahmengrundsatz der Vollständigkeit (s. Kap. II.4.4.3.4). Zudem verbietet auch § 246 Abs. 2 HGB eine Saldierung. Weiterhin sind nach den deutschen GoB ebenfalls wertaufhellende Ereignisse zu berücksichtigen. a23. Neutralität (Willkürfreiheit) und Vorsichtserfordernisse Auch der im IASB F.2.15 und in IAS 8.10biii normierte Grundsatz der Neutralität (neutrality) konkretisiert den Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung. Informationen werden dann neutral dargestellt, wenn deren Auswahl oder Darstellung nicht auf eine einseitige Beeinflussung von Entscheidungen der Abschlussadressaten hin erfolgt (auch IASB F.BC2.38). Dagegen sind Informationen nicht neutral, wenn deren Verwendung zu irreführenden Schlussfolgerungen bei den Berichtsadressaten führt. Beispielsweise verbietet sich eine willkürliche Änderung von Bewertungsmethoden, um die Lage des Unternehmens im Abschluss möglichst positiv darzustellen. In diesem Fall läge gleichzeitig ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen den Grundsatz der Stetigkeit vor. Der Grundsatz der Neutralität schränkt jedoch keine expliziten Wahlrechte in den IFRS (s. Kap. II.7.2.2.2.b21) ein. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Grundsatz der Neutralität die systematische Ausübung z. B. von Schätzspielräumen verbietet, wenn es auf diese Weise zu einer irreführenden Darstellung kommt, welche geeignet ist, die Entscheidungen der Abschlussadressaten zu beeinflussen. Ein Beispiel hierfür könnte die Schätzung der
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Höhe von Rückstellungen sein, die in einer Vielzahl von Fällen stets am unteren Ende einer Bandbreite zulässiger Werte erfolgt. Der Grundsatz der Neutralität zeigt Ähnlichkeiten zum Grundsatz der Willkürfreiheit (s. Kap. II.4.4.3.1) im System der deutschen GoB auf. Entsprechend IASB F.2.16 wird der Grundsatz der Neutralität durch die Ausübung von Vorsicht (prudence) unterstützt (auch IASB F.BC2.38 f.). Das Erfordernis der Vorsicht bezieht sich auf die Umsicht bzw. Sorgfalt (caution) bei Ermessensentscheidungen bzw. der Ausübung von Urteilsvermögen unter Unsicherheitsbedingungen (IASB F.2.17, F.BC2.37, F.BC40). Das Ausüben von Vorsicht erfordert dabei kein asymmetrisches Vorgehen. Demnach dürfen die Anforderungen an den Ansatz von Vermögenswerten und Erträgen nicht höher sein als an den Ansatz von Schulden und Aufwendungen. In Bezug auf die Bewertung gilt, dass Gewinne und Verluste bei den angesetzten Vermögenswerten und Schulden grundsätzlich bei Verursachung zu erfassen sind. Demnach ist es in Bezug auf die Gewinne ausreichend, wenn diese z. B. unter Rückgriff auf Marktpreise objektivierbar sind (auf eine Realisierung kommt es insofern nicht an). Nach Ansicht des IASB ist nur eine solche symmetrische Ausübung der Vorsicht mit dem Erfordernis der Neutralität und einer glaubwürdigen Darstellung von relevanten Informationen vereinbar (ablehnend zu einer asymmetrischen Vorsicht IASB F.BC37b, F.BC2.42). Gleichwohl können international bestimmte Standards eine asymmetrische Behandlung vorsehen, jedoch lediglich insoweit, als dass dadurch eine glaubwürdige Darstellung relevanter Informationen gefördert wird (IASB F.2.17, F.BC2.45). Bei genauer Betrachtung findet sich in den Einzelstandards eine Vielzahl von Indizien, welche stark vorsichtsorientierte Vorgehensweisen fordern, wie z. B. das Aktivierungsverbot für bestimmte selbst geschaffene immaterielle Posten in IAS 38.63. Weiterhin wird der Wahrscheinlichkeitsbegriff »probable teilweise« imparitätisch ausgelegt. Dies gilt z. B. in Bezug auf die Behandlung von Rückgriffsansprüchen gem. IAS 37.53 (s. Kap. III.3.7.3.1) und in Bezug auf das expected loss model von IFRS 9 (Dinh/Seitz 2015; s. Kap. III.3.4.2.5). Auch weitere Detailregelungen wie z. B. IFRS 4.26, 4.BC133 lassen vorsichtsorientierte Vorgehensweisen zu. Empirie und Theorie Nutzen der Ausübung von Vorsicht in einer informationsorientierten Rechnungslegung Fülbier/Gassen/Sellhorn 2008 konstatieren unabhängig von der Existenz vorsichtiger Rechnungslegungsnormen eine ökonomische Nachfrage nach vorsichtiger Rechnungslegung. So zwingt eine vorsichtige Rechnungslegung die Unternehmensleitung z. B. dazu, frühzeitig über verlustträchtige Projekte zu berichten und trägt insofern zu einer wirksamen Managementkontrolle und Allokationseffizienz bei. Auch erhalten Unternehmen bei einer vorsichtigen Rechnungslegung bessere Konditionen in Kreditverträgen, weil eine auf die Einhaltung der Kreditvertragsklauseln (z. B. Mindesteigenkapitalquote) ausgerichtete aggressive Abschlusspolitik (s. Kap. II.7.2) zumindest erschwert wird. Empirisch lässt sich weiterhin u. a. zeigen, dass die Fremdkapitalkosten im Fall der Existenz von Kreditvertragsklauseln bei einer vorsichtigen Rechnungslegung niedriger sind (Li 2015). Weiterhin belegen Lara/Osma/Penalva 2014, dass ein vorsichtiges Vorgehen Informationsasymmetrien zwischen Insidern und Outsidern beseitigt und zu genaueren Vorhersagen von Analysten mit einer geringeren Streuung führt. Eine Übersicht über die Ergebnisse empirischer Studien bieten Ruch/Taylor 2015. Diese empirischen Belege stützen Aktivitäten des Normengebers, bereits die Rechnungslegungsnormen selbst vorsichtsorientiert anzulegen.
Dagegen werden nach deutschen GoB Schulden und Aufwendungen tendenziell eher erfasst als Erträge und Vermögensgegenstände (asymmetrische Vorsicht; zur zentralen Stellung des Grundsatzes der Vorsicht nach deutschen GoB s. Kap. II.4.4.7.3).
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a24. Fehlerfreiheit Als drittes Kriterium konkretisiert der Grundsatz der Fehlerfreiheit29 (IASB F.2.18) den Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung. Dabei bedeutet Fehlerfreiheit, dass es zu keinen Fehlern (i. S. von Abweichungen von den anzuwendenden Rechnungslegungsnormen) in den beschriebenen Sachverhalten kommt und auch keine Auslassungen feststellbar sind. Fehlerfreiheit ist nicht mit völliger Exaktheit in allen Gesichtspunkten gleichzusetzen. Beispielsweise kann ein nicht beobachtbarer Preis oder Wert nicht exakt bestimmt werden. Aber die Darstellung dieser Schätzung kann glaubwürdig sein, wenn der Betrag klar und exakt als Schätzwert dargestellt wird, die Art und Grenzen des Schätzprozesses erläutert werden und keine Fehler beim Auswählen und Festsetzen des zur Ermittlung der Schätzung verwendeten Prozesses gemacht wurden. Dabei weist die Herleitung geschätzter Werte regelmäßig Parallelen zur Erstellung einer Prognose auf (vgl. ausführlich Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 554 ff.). Ein Grundsatz der Fehlerfreiheit findet sich in den deutschen GoB nicht. Allerdings ergibt sich dieses Erfordernis indirekt aus der Verpflichtung des Abschlusserstellers, die relevanten Rechnungslegungsnormen zu beachten und auch aus der Aufgabe des Abschlussprüfers, wesentliche Falschdarstellungen aufzudecken und den Mandanten zu veranlassen, diese zu korrigieren (vgl. hierzu z.B. § 243 Abs. 1 HGB sowie § 317 Abs. 1 HGB i.V.m. ISA [DE] 200.11). a3. Anwendung der Primärgrundsätze Informationen des Jahresabschlusses müssen sowohl relevant sein als auch glaubwürdig dargestellt werden (IASB F.2.20). Insofern muss ein ausgewogenes Verhältnis der beiden Primärgrundsätze (Relevanz und glaubwürdige Darstellung) bestehen. Für die Anwendung der Primärgrundsätze sieht IASB F.2.21 eine bestimmte Prüfreihenfolge vor (siehe ferner Pellens et al. 2021, S. 102): Demnach ist zunächst zu prüfen, ob ein für die Abschlussadressaten relevanter ökonomischer Sachverhalt vorliegt (erster Prüfschritt). Sodann ist nach der relevantesten Information über diesen Sachverhalt zu suchen (zweiter Prüfschritt). Ist diese Information verfügbar und ermöglicht diese eine glaubwürdige Darstellung, ist der Prüfprozess abgeschlossen und die entscheidungsnützliche Information ist im Abschluss darzustellen. Ist dies nicht der Fall, so ist im dritten Prüfschritt nach der nächstbesten (weniger relevanten Information) zu suchen. Diese ist dann wiederum darzustellen, sofern diese verfügbar ist und eine glaubwürdige Darstellung erlaubt. Da die Relevanz vor der Glaubwürdigkeit zu prüfen ist, zeigt sich eine gewisse Dominanz der Relevanz gegenüber dem Erfordernis der Verlässlichkeit, d. h., man könnte auch davon sprechen, dass relevante Informationen unter der Nebenbedingung zu veröffentlichen sind, dass sich diese glaubwürdig darstellen lassen. Relevante Informationen können ein hohes Maß an Bewertungsunsicherheit (measurement uncertainty) aufweisen, wodurch eine glaubwürdige Darstellung gefährdet sein kann (IASB F.2.19). Lassen sich die Schätzungen und die damit verbundenen Annahmen angemessen beschreiben und erkären, kann auch eine unsichere Schätzung zu entscheidungsnützlichen Informationen führen. Führt dieses Vorgehen indes nicht zu einer hinreichend glaubwürdigen Darstellung, sind Informationen mit einer etwas geringeren Relevanz (slightly less relevant) zu bevorzugen, sofern sich diese glaubwürdig darstellen lassen (IASB F.2.22; s. Kap. II.5.3.5.2). Für diese Normierung sprechen die Ergebnisse der empirischen Studie von Chen/
29 Fehler sind Verstöße gegen die zwingend anzuwendenden Rechnungslegungsnormen, sofern diese »betrags- oder ausweismäßig von einigem Gewicht sind«; vgl. IDW RS HFA 6.14 unter Bezugnahme auf die nationalen gesetzlichen Vorschriften.
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Chen/Li 2021, wonach ein höheres Maß an Schätzungen zu einer verringerten Prognosegüte künftiger Cashflows und Ergebnisse führt. b. Tertiärgrundsätze IASB F.2.23 definieren Vergleichbarkeit, Nachprüfbarkeit, Zeitnähe und Verständlichkeit als verbessernde qualitative Merkmale (enhancing qualitative characteristics), die die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen erhöhen, die entscheidungsrelevant und glaubwürdig dargestellt sind. Grundsätzlich gilt, dass nur relevante und glaubwürdige Informationen entscheidungsnützlich sind. Dabei kann das Fehlen von Relevanz und glaubwürdiger Darstellung nicht durch die Erhöhung der Erfüllung von Tertiärgrundsätzen geheilt werden (IASB F.2.37; auch F.BC2.11). b1. Vergleichbarkeit b11. Ebenen der Vergleichbarkeit Den Grundsatz der Vergleichbarkeit normieren IASB F.2.24 ff. Die Vergleichbarkeit betrifft zwei Ebenen: y Vergleichbarkeit der Abschlüsse eines Unternehmens im Zeitablauf (zeitlicher Vergleich), y Vergleichbarkeit mehrerer Unternehmen untereinander zu einem bestimmten Zeitpunkt (zwischenbetrieblicher Vergleich/Benchmarking mit anderen Unternehmen). b12. Stetigkeit Der Grundsatz der Stetigkeit (consistency) kann als Mittel zur Erreichung des Ziels der Vergleichbarkeit angesehen werden. Stetigkeit umfasst die formelle und materielle Stetigkeit (IASB F.2.26). Stetigkeit betrifft zum einen die Darstellung und den Ausweis der Posten im Abschluss (IAS 1.45 f.). In diesem Fall ist die formelle Stetigkeit (consistency of presentation) angesprochen. Der formellen Stetigkeit ist auch die Bilanzidentität zuzurechnen. Zum anderen bezieht sich die materielle Stetigkeit auf den Bilanzansatz und die Bewertung (angesprochen sind die accounting policies gem. IAS 8.14 ff.). Hierzu gehören auch Informationen über die zugrunde gelegten Methoden sowie eine ggf. notwendig gewordene Veränderung der angewandten Methoden und Angaben im Jahresabschluss über vorangegangene Perioden (IASB F.2.25; IAS 1.38 ff.). Die materielle Stetigkeit umfasst eine zeitliche und eine sachliche Dimension: y In Übereinstimmung zu den deutschen GoB (s. Kap. II.4.4.3.2) betrifft die zeitliche Stetigkeit zweifelsfrei nicht nur die Bewertung, sondern auch den Bilanzansatz. y Weiterhin gilt nach IAS 8.13 die sachliche Stetigkeit, wonach art- und funktionsgleiche Posten auch gleich zu behandeln sind. Ein abschlusspostenbezogener Hinweis auf das Erfordernis der sachlichen Stetigkeit findet sich z. B. in Bezug auf die Vorräte in IAS 2.25 f. Die sachliche Stetigkeit greift auch bei der Bildung von Bilanzierungeinheiten (unit of account, s. Kap. II.5.3.4). Nach deutschen GoB ist die sachliche Stetigkeit als nicht gesetzlich kodifizierter GoB relevant (s. Kap. II.4.4.3.2). b13. Durchbrechungen der Stetigkeit und bilanzielle Behandlung Stetigkeit ist kein Selbstzweck. Demnach sind Abweichungen vom Grundsatz der Vergleichbarkeit nicht nur zulässig, sondern geboten, wenn sich auf diese Weise die Darstellung im
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Sinne der Primärgrundsätze Entscheidungsrelevanz und glaubwürdige Darstellung verbessern lässt (IAS 1.45 f.). Durchbrechungen der Stetigkeit normieren IAS 8.14-31. Eine Änderung einer Bilanzansatz- oder Bewertungsmethode (Änderung von Rechnungslegungsmethoden) ist gem. IAS 8.14 nur zulässig, y wenn diese von einem anderen Standard oder einer anderen Interpretation gefordert wird oder y wenn die geänderte Rechnungslegungsmethode zu einer relevanteren und verlässlicheren Darstellung der Geschäftsvorfälle und anderer Ereignisse im Jahresabschluss führt. Auch hier wird der Grundsatz der Vergleichbarkeit zugunsten der Grundsätze Entscheidungsrelevanz und glaubwürdige Darstellung eingeschränkt. Allerdings bestehen umfangreiche Angabepflichten, die wiederum der Vergleichbarkeit dienen (so auch Baetge/Ziesemer/ Schmidt 2011, § 252 HGB, Rn. 603). Die Beurteilung der Sachverhalte, die eine Durchbrechung der Stetigkeit erfordern, eröffnen national und international ähnlich große Ermessensspielräume. Durchbrechungen der Stetigkeit kommen nicht nur bei Änderungen von Rechnungslegungsmethoden, sondern auch bei Rechnungslegungsfehlern (error) der Vorperiode, die in der aktuellen Berichtsperiode aufgedeckt werden (IAS 8.41 ff.), in Betracht. Die Konsequenzen für den Abschluss stimmen in beiden Fällen grundsätzlich überein. Die handelsrechtlichen Regelungen fordern in sog. »begründeten Ausnahmefällen« gem. § 252 Abs. 2 HGB ebenso eine Durchbrechung der Stetigkeit. Allerdings sind die internationalen Regeln dahingehend strenger als die deutschen GoB, als eine Durchbrechung der Stetigkeit umfangreichere Angabepflichten in den notes (IAS 8.28 ff.) nach sich zieht. Zudem kommt es international, wie im Folgenden gezeigt wird, zu einer Durchbrechung der Bilanzidentität. Nachstehend werden die Änderungen der Rechnungslegungsmethoden näher untersucht (vgl. z. B. Fink/Zeyer 2011; Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rz. 37 ff.). Nicht zu diesen Änderungen zählen die Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen (changes in accounting estimates). Dabei handelt es sich um Schätzungen monetärer Beträge im Abschluss, die mit Bewertungsunsicherheiten verbunden sind. Änderungen resultieren aus neuen Informationen und Entwicklungen und betreffen z. B. mögliche Wertminderungen von Vorräten aufgrund von Überalterung gem. IAS 2.28 oder die Anpassung einer Prozesskostenrückstellung aufgrund neuer Erkenntnisse im Prozessverlauf gem. IAS 37.43. Dies ist ausdrücklich in IAS 8.32 ff. normiert; diese Regelungen gelten grundsätzlich auch nach deutschen GoB. y Eine Schätzung erfolgt immer auf der Grundlage der letzten verfügbaren Informationen. Insofern sind Schätzungen im Zeitablauf stets überarbeitungsbedürftig (IAS 8.34). y Daraus resultierende Änderungen sind stets ergebniswirksam zu berücksichtigen (IAS 8.36). y Schätzänderungen sind stets prospektiv zu erfassen (IAS 8.36), d. h., auf das Berichtsjahr bezogene Änderungen sind im Berichtsjahr ergebniswirksam zu erfassen und Änderungen, die (auch) künftige Perioden betreffen, sind (auch) in diesen Perioden zu erfassen (z. B. Nutzungsdaueranpassungen bei den planmäßigen Abschreibungen).
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Änderungen in der Rechnungslegungsmethode sind grundsätzlich retrospektiv anzupassen (IAS 8.19 ff.; vgl. auch IAS 8.IG.Example 2, allerdings in der Vorgängerfassung des derzeit gültigen IAS 8): y Retrospektiv bedeutet, dass die neue Rechnungslegungsmethode so angewandt wird, als ob sie schon immer angewandt worden wäre (IAS 8.22). y Dabei sind die aus der Änderung resultierenden Beträge ergebnisneutral zu verrechnen. Als Posten hierfür kommen regelmäßig die Gewinnrücklagen (retained earnings) in Betracht (IAS 8.26). Diese ergebnisneutrale Korrektur stellt einen Verstoß gegen das Kongruenzprinzip (s. Kap. II.4.4.3.2) dar. Weiterhin sind im Regelfall die Vergleichsinformationen über frühere Geschäftsjahre im aktuellen Abschluss (der Berichtsperiode) entsprechend anzupassen. Das folgende Beispiel dient der Verdeutlichung (vgl. hierzu auch Zülch/Willms 2004). Beispiel Changes in accounting policies In 2008 a company (A) is going to change its accounting policy for the treatment of borrowing costs that are directly attributable to the acquisition of a hydro-electric power station under construction for use by A. In 2007 the borrowing costs have been treated as an expense at the amount of 12 million €. The new IAS 23 (March 2007) requires capitalising of the borrowing costs under specific circumstances, which are given in this example. The company decides to apply the revised IAS 23, starting with the annual period 2008. The tax rate of the company is 30 %. 30 In 2008 all the borrowing costs will be capitalised. A has decided to pay no dividends in 2007 and 2008 (the annual profit has to be transferred to the retained earnings).
Extract from the income statement Profit before interest and income taxes Interest expense Profit before income taxes Income taxes Profit Extract from the balance sheet Retained earnings in the opening balance Change in accounting policy (net of income taxes) Adjusted retained earnings in the opening balance Profit after income taxes Retained earnings in the closing balance
2008 million € 42 0 42 - 12.6 29.4 69.6 + 8.4 78 + 29.4 107.4
(restated) 2007 2007 million € million € 40 40 0 - 12 40 28 - 12 - 8.4 28 19.6 50 0 50 + 28 78
50 0 50 + 19.6 69.6
How to interpret the increase in retained earnings (in 2008) triggered by the change in accounting policy? The interest expense at an amount of 12 million € has reduced the profit in 2007. If these interests had not been booked as an expense (restated income statement 2007), the company would have been able to transfer an additional amount of 12 million € less taxes to the retained earnings (12 million € × 0.7 = 8.4 million €). And this adjustment is now shown in the line »Change in accounting policy« (balance sheet 2008).
30 Das Beispiel unterstellt, dass der IFRS-Abschluss Grundlage für die Besteuerung ist.
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Die zuvor beispielhaft dargestellte Anpassung (Korrektur der 2007 als Zinsaufwand erfassten Finanzierungskosten, die nach der neuen Rechnungslegungsmethode ergebnisneutral als Bestandteil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten hätten aktiviert werden müssen) ist ergebnisneutral, d. h., die Anpassung erfolgt nicht über die GuV, sondern über die Gewinnrücklagen (retained earnings). Ein solches Vorgehen verstößt gegen das Kongruenzprinzip. Werden beispielsweise das zuvor genannte Unternehmen A und ein fiktives Unternehmen B, welches die Fremdkapitalzinsen bereits 2007 aktiviert hat, miteinander verglichen, so zeigen sich abweichende Ergebniszahlen. Unternehmen A weist in den Berichtsperioden 2007 und 2008 kumuliert ein Jahresergebnis in Höhe von 49 Mio. € (19,6 Mio. € + 29,4 Mio. €) und Unternehmen B weist ein kumuliertes Jahresergebnis in Höhe von 57,4 Mio. € (28 Mio. € + 29,4 Mio. €) aus. Wie ist die retrospektive Anpassung vor diesem Hintergrund zu beurteilen? y Positiv ist, dass die retrospektive Anpassung in beiden Berichtsperioden vergleichbare GuV- und Bilanzwerte zeigt. Gleichwohl ist die in 2008 gebuchte Veränderung in den Gewinnrücklagen (+ 8,4 Mio. €) erklärungsbedürftig; insofern ist zu fragen, ob dem Erfordernis der Verständlichkeit in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. y Eine Beurteilung der retrospektiven Anpassung muss vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Alternativen erfolgen. Verfügbare Alternative ist die prospektive Anpassung. Eine solche Anpassung würde in der Berichtsperiode 2008 zu einem zusätzlichen Jahresergebnis in Höhe von 8,4 Mio. € (12 Mio. € × 0,7) führen. In diesem Fall stünden sich das zu niedrig ausgewiesene Jahresergebnis 2007 (– 8,4 Mio. €; absolut 19,6 Mio. €) und das zu hoch ausgewiesene Jahresergebnis 2008 (+ 8,4 Mio. €; absolut 37,8 Mio. €) gegenüber, d. h., der Abschlussadressat konstatiert in 2008 einen Ergebnisanstieg in Höhe von 18,2 Mio. €. Diese Zahlen sind nicht miteinander vergleichbar, da der Ergebnisanstieg in Höhe von 16,8 Mio. € auf den Wechsel der Rechnungslegungsmethode zurückgeht; es verbleibt ein tatsächlicher Anstieg in Höhe von 1,4 Mio. €. Insofern ist die retrospektive Anpassung unter Hinweis auf die gegebene zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der ausgewiesenen Zahlen im Vergleich zur prospektiven Anpassung eindeutig vorziehenswürdig; nachteilig ist allenfalls der bereits angesprochene Verstoß gegen das Kongruenzprinzip. Das zuvor beschriebene ergebnisneutrale Vorgehen bei der Änderung von Rechnungslegungsmethoden ist nach IAS 8.41 ff. auch bei der Korrektur von wesentlichen Rechnungslegungsfehlern anzuwenden (zu einem Beispiel siehe IAS 8.IG.Example 1). Beispiel Retrospektive Korrektur von Rechnungslegungsfehlern SNP Schneider-Neureither & Partner SE hat im Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2020 eine retrospektive Fehlerkorrektur gem. IAS 8 in Höhe von 3,6 Mio. € vorgenommen. Korrigiert wurde der Wertansatz eines Nutzungsrechtes aus einem Mietvertrag gem. IFRS 16. Der Ergebniseffekt der außerplanmäßigen Wertberichtigung dieses Nutzungsrechts (betreffend das Geschäftsjahr 2019) führte zur Nichteinhaltung einer Kreditvertragsklausel (s. Kap. I.2.2.2). Infolgedessen waren der Zinssatz für ein ausstehendes Schuldscheindarlehen um 0,5 % zu erhöhen und die finanziellen Verbindlichkeiten um 200 T€ ergebniswirksam nach oben anzupassen. Hierüber informierte eine Adhoc-Meldung (s. Kap. I.3.2.3.1) der DGAP (www.dgap.de) am 23.11.2021.
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Sowohl in Bezug auf die Änderung von Rechnungslegungsmethoden als auch auf die Korrektur von Rechnungslegungsfehlern bedarf es nach deutschen GoB einer ergebniswirksamen Korrektur, sofern es in den Vorperioden zu nichtzutreffenden Ergebnisdarstellungen gekommen ist. Bis zur Feststellung des Abschlusses bedarf es keiner Änderung (in dem nachstehend beschriebenen Sinne), da bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ein »Abschluss-Entwurf« vorliegt, der jederzeit änderbar ist (vgl. IDW RS HFA 6.3; siehe auch Friedl/Buchner 2014, S. 184; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 713 ff.). Treten indes Fehler nach der Feststellung eines HGB-Einzelabschlusses auf, ist dieser zu ändern (vgl. IDW RS HFA 6; Schubert 2020, § 253 HGB, Rn. 800 ff.). Im handelsrechtlichen Sinne ist unter einer Änderung des Jahresabschlusses jede Änderung von Form und Inhalt des Jahresabschlusses nach Feststellung durch die zuständigen Organe zu verstehen, soweit es sich nicht nur um redaktionelle Änderungen (z. B. Korrektur von Rechtschreibfehlern) handelt. Eine Änderung kann eine fehlerhafte oder nicht fehlerhafte Abschlusserstellung betreffen.31 Möglich sind auch Änderungen der Beträge, die in die Gewinn- oder Kapitalrücklagen eingestellt wurden. Ein geänderter Jahresabschluss ist erneut festzustellen (s. Kap. I.3.2.2.1.b). Die Änderung (und nicht der Abschluss insgesamt) ist zu prüfen. Die Bestellung des ursprünglichen Abschlussprüfers bleibt wirksam. Sind ergebniswirksame Vorgänge zu ändern, ist die Änderung gleichfalls ergebniswirksam. Wird ein bereits mehrere Jahre zurückliegender Jahresabschluss geändert, sind alle folgenden (bereits festgestellten) Jahresabschlüsse zu ändern (IDW RS HFA 6.27). b2. Nachprüfbarkeit IASB F.2.30 ff. definieren das verbessernde qualitative Merkmal der Nachprüfbarkeit (verifiability). Nachprüfbarkeit soll dazu beitragen, dass Informationen den Inhalt von ökonomischen Sachverhalten glaubwürdig darstellen. Dabei bedeutet Nachprüfbarkeit, dass verschiedene sachkundige und unabhängige Beobachter Einigkeit darüber erzielen können, dass eine bestimmte Darstellung einer glaubwürdigen Darstellung entspricht (intersubjektive Nachprüfbarkeit, Objektivierbarkeit). Das Erfordernis der Nachprüfbarkeit kann sowohl bei einer Punktschätzung als auch bei geschätzten Bandbreiten nebst Angabe der dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten erfüllt sein (IASB F.2.30). Die Überprüfung kann direkt oder indirekt erfolgen (IASB F.2.31). Direkte Nachprüfbarkeit bedeutet, dass ein bestimmter Wertansatz durch direkte Beobachtung nachvollzogen werden kann, z. B. Zählen von Bargeld. Eine indirekte Überprüfung bezieht sich indes z. B. darauf, die Eignung eines angewandten Modells, die relevanten Eingangsparameter und die Berechnung der Ergebnisse nachzuvollziehen. Ein Beispiel für die indirekte Überprüfung ist das Nachvollziehen der Pensionsverpflichtungen aus leistungsorientierten Plänen anhand der Angaben über künftige Gehaltssteigerungen, versicherungsmathematische Annahmen und relevante Zinssätze.
31 Von der Änderung des Jahresabschlusses zu unterscheiden ist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses (vgl. IDW 2021, B310 ff.). Ein Jahresabschluss ist nichtig, wenn er durch seinen Inhalt gesetzliche Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger gegeben sind. Dabei geht es um wesentliche oder schwerwiegende Verstöße. Die Nichtigkeit kann durch Klage auf Feststellung der Nichtigkeit geltend gemacht werden (§ 256 Abs. 7 i. V. m. § 249 AktG).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Im Vergleich besteht weitgehende Kompatibilität zum Rahmengrundsatz der Richtigkeit nach deutschen GoB, welcher wiederum eine relative Richtigkeit i. S. einer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit erfordert (Erfordernis der Objektivierbarkeit; s. Kap. II.4.4.3.1). b3. Zeitnähe Das verbessernde qualitative Merkmal der Zeitnähe (timeliness) ist im IASB F.2.33 normiert. Informationen, die dem Adressaten zu spät zugehen, verlieren an Relevanz (Primärgrundsatz) und sind folglich nicht entscheidungsnützlich. Gehen die Informationen dem Empfänger allerdings zu schnell zu, kann es sein, dass noch nicht alle Aspekte eines Geschäftsvorfalls oder eines Ereignisses bekannt sind, beispielsweise Informationen, um die Höhe einer Rückstellung zuverlässig schätzen zu können. In diesem Fall würde die glaubwürdige Darstellung (Primärgrundsatz) leiden. Beeinträchtigungen der glaubwürdigen Darstellung führen wiederum zu Beeinträchtigungen der Entscheidungsnützlichkeit, da nur glaubwürdige Informationen entscheidungsnützlich sind. Um eine Ausgewogenheit zwischen Relevanz und glaubwürdiger Darstellung zu erreichen, ist übergeordnet zu überlegen, wie den Bedürfnissen der Adressaten im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Entscheidungen am besten entsprochen werden kann. Abbildung II.5./3 verdeutlicht die Zusammenhänge. Zugang der Informationen
zu spät
zu schnell
Entscheidungsrelevanz ⇓
Glaubwürdige Darstellung ⇓
Entscheidungsnützlichkeit ⇓ Abb. II.5./3 Zeitnähe, Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit von Abschlussinformationen
Ein deutscher GoB, der dem Grundsatz der Zeitnähe entspricht, existiert nicht. Auf Ebene des Einzelabschlusses erfordert die Ausschüttungsbemessungsfunktion keine starke Zeitnähe. Allerdings spricht die zunehmend bedeutsame Informationsfunktion dafür, auch der Zeitnähe eine Stellung im GoB-System einzuräumen. Zudem findet sich auch auf Ebene des Konzernabschlusses, dem analog zum IFRS-Abschluss primär eine Informationsfunktion zukommt, kein Pendant. Gleichwohl tragen die handelsrechtlichen Regelungen dem Erfordernis der Zeitnähe in gewisser Weise durch spezielle Aufstellungs- und Offenlegungsfristen (s. Kap. I.3.2.2.1.b) Rechnung. Diese sind, mit Ausnahme der in § 325 Abs. 4 HGB kodifizierten Offenlegungspflicht von vier Monaten für Kapitalgesellschaften, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, nicht sehr restriktiv. b4. Verständlichkeit Für die Qualität der im Abschluss gegebenen Informationen ist es wichtig, dass diese Informationen für einen Adressaten leicht verständlich sind (understandability; IASB F.2.34 ff.). Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn Informationen klar und konsistent bezeichnet, charak-
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
243
terisiert und präsentiert werden. Vorausgesetzt werden angemessene Vorkenntnisse der Adressaten (IASB F.2.36). Das IASB stellt zudem klar, dass eine Darstellung komplexer und zugleich entscheidungsnützlicher Informationen nicht unter Hinweis auf den Grundsatz der Verständlichkeit unterbleiben kann (IASB F.2.35). Die deutschen GoB kodifizieren den Rahmengrundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit in § 243 Abs. 2 HGB. Klarheit und Übersichtlichkeit beziehen sich stärker auf die formalen Aspekte der Darstellung und der Bezeichnung der Abschlussposten: »Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit ist im Hinblick auf seinen Inhalt weitgehend bestimmt durch die Forderung nach einer möglichst weitgehenden Erkennbarkeit des formellen Inhalts des Jahresabschlusses« (ADS 1998, § 243 HGB, Rn. 25, im Original teilweise mit Hervorhebung und unter Verwendung von Abkürzungen). Dagegen verdeutlichen die Ausführungen in IASB F.2.34 ff., dass hier auch und gerade die Verständlichkeit im Sinne einer inhaltlichen Nachvollziehbarkeit der Abschlussinformationen gemeint ist. c. Wirtschaftlichkeit Den Primär-, Sekundär- und Tertiärgrundsätzen ist eine Grenze gesetzt. IASB F.2.39 ff. fordern, dass der aus dem Berichten einer Information abgeleitete Nutzen die Kosten für die Bereitstellung der Information rechtfertigt (auch Kostenrestriktion, cost constraint). Dabei handelt es sich weniger um eine qualitative Anforderung, sondern vielmehr um einen Sachzwang. Da sich insbes. der Nutzen einer Information kaum sicher bestimmen lässt, bleibt diese relativierende Nebenbedingung sehr vage. Im System der deutschen GoB findet sich der vergleichbare Rahmengrundsatz der Wirtschaftlichkeit (s. Kap. II.4.4.3.6). 5.3.2.4 Entscheidungsnützlichkeit IAS 1.15 stellt fest, dass die Anwendung der relevanten Grundsätze sowie der im Einzelfall relevanten IFRS im Regelfall zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens führt: »Die Anwendung der IFRS, gegebenenfalls um zusätzliche Angaben ergänzt, führt annahmegemäß zu Abschlüssen, die ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln« (IAS 1.15). Im IASB Conceptual Framework findet der Begriff fair presentation i. d. S. hingegen keine Verwendung mehr. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anwendung der zuvor genannten Grundsätze zu entscheidungsnützlichen (decision usefulness) Informationen führt. Wichtig ist, dass in äußerst seltenen Ausnahmefällen (extremely rare circumstances) Situationen eintreten können, in denen die Anwendung eines Standards oder einer entsprechenden Interpretation so irreführend (misleading) ist, dass es zu einem Konflikt mit der Zielsetzung des IFRS-Abschlusses kommt (IAS 1.19 ff.). In diesem Fall muss die Unternehmensleitung von der Einzelnorm abweichen und solche Rechnungslegungsmethoden wählen, die eine fair presentation gewährleisten. Die Abweichung muss nach den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich oder nicht unzulässig sein. Demnach handelt es sich bei der fair presentation letztendlich um ein overriding principle (to override = sich hinwegsetzen).32
32 So auch ADS International 2002, Abschnitt 1, Tz. 113; Ernst & Young 2021, S. 152 f.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Ein Abweichen von einer Einzelnorm könnte z. B. in Betracht kommen, wenn Sachverhalte so neu sind, dass sie bei der Normengebung nicht berücksichtigt werden konnten.33 Die Voraussetzungen für ein Abweichen sind allerdings sehr eng; insbes. muss die Unternehmensleitung prüfen, ob die Verletzung des Erfordernisses einer fair presentation nicht durch Angabe zusätzlicher Informationen (außerhalb von Bilanz und GuV) geheilt werden kann (IAS 1.17c). Weicht ein Unternehmen von einer Einzelnorm ab, bedarf es umfangreicher Angaben in den notes. Im Detail ist u. a. Folgendes anzugeben (IAS 1.20): y Die (derzeit gültige) Einzelnorm, von der das Unternehmen abgewichen ist, y die Art der Abweichung (z. B. Anwendung einer anderen Rechnungslegungsmethode), y die Behandlungsweise, die sich bei Anwendung der derzeit gültigen Einzelnorm ergeben hätte und eine Begründung, warum diese Behandlungsweise im vorliegenden Einzelfall irreführend ist, y die tatsächlich gewählte Behandlungsweise und der daraus resultierende Einfluss auf alle betroffenen Elemente des Jahresabschlusses. Beispiel Geschäftsbericht – Fair presentation als overriding principle »Am 3. Juli 2006 hatte die Deutsche Post AG mit Wirkung zum 31. Juli 2006 als Anleiheschuldnerin gem. den Anleihebedingungen die Möglichkeit wahrgenommen, die Umtausch-Anleihe auf Postbank-Aktien vorzeitig zu kündigen. […] Die Erträge aus der Veräußerung der Postbank-Aktien aufgrund des Wandlungsrechts der Umtauschanleihe in Höhe von 276 Mio. € wurden im sonstigen betrieblichen Ertrag gezeigt. Der ermittelte Ertrag enthielt mit 100 Mio. € einen Ertrag aus der Auflösung einer Verbindlichkeit aus der Bewertung des Wandlungsrechts. Das Wandlungsrecht wurde auf Grundlage der thesaurierten Gewinne der Postbank bewertet. Unter Berufung auf IAS 1.17 war die deutsche Post AG von der Bewertung des Wandlungsrechts auf der Basis von Marktdaten gem. IAS 32.26 in Verbindung mit IAS 39.47 (a) abgewichen. Hätte die Deutsche Post AG das Wandlungsrecht gem. IAS als Fremdkapitalderivat bewertet, wäre im Geschäftsjahr 2005 eine zusätzliche aufwandswirksame Verbindlichkeit in Höhe von 239 Mio. € zu bilden gewesen. Diese hätte im Geschäftsjahr 2006 ertragswirksam aufgelöst werden müssen. Der Veräußerungserfolg wäre damit um 239 Mio. € angestiegen.«34
Teilweise wird die Befürchtung geäußert, es bestehe die Gefahr, einzelne Unternehmen könnten das overriding principle dazu missbrauchen, »um Regeln für ihre Zwecke zurechtzubiegen, zu umgehen und zu missachten« (Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 74). y Diese Befürchtung wird allerdings durch die sehr umfangreichen Angabepflichten weitgehend entkräftet, d. h. für einen sachkundigen Dritten kann ein Abweichen nicht irreführend sein, da aus den notes der Grund für das Abweichen und die daraus resultierenden Konsequenzen auf das Jahresergebnis ersichtlich sind. y Zudem müssen die vom Abschlussersteller vorgetragenen Argumente auch geeignet sein, um den amtierenden Abschlussprüfer von der besonderen Entscheidungsnützlichkeit zu überzeugen. Für den Abschlussadressaten stellen diese Angaben ggf. wertvolle Zusatzinformationen dar, die im Hinblick auf ihre Entscheidungsnützlichkeit zu prüfen sind.
33 Vgl. ADS International 2002, Abschnitt 1, Tz. 110 sowie ausführlich Küting/Gattung 2006; Bischof/Wendlandt 2020, IAS 1, Rn. 28 ff. 34 Vgl. Deutsche Post AG (2008), Geschäftsbericht 2007, S. 131.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
245
In Bezug auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss schreibt § 264 Abs. 2 S. 1 HGB vor, dass dieser unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln hat (Generalnorm). 35 Der fair presentation kommt dabei (in Bezug auf Bilanz und GuV) nicht die Stellung eines overriding principle zu. Gleichwohl erkennen die deutschen Normen an, dass »besondere Umstände« (z. B. ungewöhnliche abschlusspolitische Maßnahmen (s. Kap. II.6.2) mit erheblichem Einfluss auf das Jahresergebnis) zu einer Abweichung von einer fair presentation führen können (§ 264 Abs. 2 S. 2 HGB). In diesem Fall sind allerdings Informationen im Anhang zu geben, die zur Vermittlung einer fair presentation notwendig sind (kompensatorische Angaben). Demnach sind die Einzelnormen des HGB zwingend anzuwenden und zwar auch dann, wenn deren Anwendung in Bezug auf die Bilanz und GuV nicht zu einer fair presentation führt (kein overriding principle). Die Generalnorm erlangt demnach Bedeutung, wenn es um die Bestimmung der kompensatorischen Angaben, die Auslegung einzelner Normen sowie um nicht normierte Bereiche geht.
5.3.3 Struktur und Inhalt von Abschlüssen 5.3.3.1 Überblick und Vorbemerkungen Ein internationaler Jahresabschluss muss eindeutig als solcher zu identifizieren sein und hat sich von anderen Informationen zu unterscheiden, die im gleichen Dokument veröffentlicht werden (IAS 1.49). Als solche Dokumente kommen vor allem der Geschäftsbericht (s. Kap. I.3.1.2.1) und der Börsenprospekt (s. Kap. I.3.2.3.2) in Betracht. Das Erfordernis der eindeutigen Identifizierbarkeit ist dahingehend bedeutsam, dass beispielsweise innerhalb des Geschäftsberichts teilweise nur schwer zwischen den prüfungspflichtigen Bestandteilen (Jahresabschluss und Lagebericht gem. § 316 Abs. 1 S. 1 HGB) sowie den freiwilligen Zusatzinformationen (die vorzugsweise der Eigen- und Selbstdarstellung dienen) unterschieden werden kann. Diese Zusatzinformationen sind zwar nicht voll prüfungspflichtig, gleichwohl hat der Abschlussprüfer die Zusatzinformationen kritisch zu lesen, um mögliche Implausibilitäten zum geprüften Jahresabschluss festzustellen (s. Kap. I.3.1.2.1). Zentrale Bestandteile der Rechnungslegung wurden bereits in s. Kap. I.3.2.2.1 (insbes. Abb. I.3./5) vorgestellt. Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen (s. Kap. III) setzen ein gewisses Grundverständnis von Struktur und Inhalt bestimmter Rechnungslegungsbestandteile voraus. Als solche sind Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung bzw. Eigenkapitalspiegel sowie die Angabepflichten zu nennen. Die Gliederungsvorgaben der IFRS sind im Vergleich zu den Vorgaben des HGB zumeist weniger restriktiv. Allerdings müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre IFRSKonzernabschlüsse ab dem 1.1.2020 in einem einheitlichen elektronischen Format (European Single Electronic Format, ESEF) offenlegen (sog. ESEF-Jahresfinanzberichte; s. Kap. I.3.1.2.2). Dabei ist zur Auszeichnung der Posten (tagging) auf vorgegebene IFRS-Taxonomien zurückzugreifen. Hier werden z. B. alle Posten der Bilanz und Gesamtergebnisrechnung etikettiert (siehe hierzu Abb. II.5/4). Die Etikettierung zeigt eine deutlich höhere Detaillierung als die Vorgaben in IAS 1.54-1.111 (zu den Gliederungsvorgaben der ESEF-Taxonomie siehe die Anhänge II und VI der Delegierten VO 2018/815). Da die Taxonomien ebenfalls im Wege der EU-Verordnung übernommen werden, erlangen diese insofern dieselbe Verbindlichkeit wie die IFRS selbst. Demnach werden über die Vorgaben zur Erstellung von ESEF-Jahresberichten faktisch Normen gesetzt, die ggf. im Rahmen der Erstellung der IFRS-Finanzberichter-
35 Die spezifische Generalnorm für den Konzernabschluss bildet § 297 Abs. 2 S. 2 HGB.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
stattung zu beachten sind. Die nachstehenden Ausführungen berücksichtigen diese Besonderheiten nicht, sondern fokussieren auf die Vorgaben in den Rechnungslegungsnormen. URI des Elementnamens/ der Elementrolle
Bezeichnung
Dokumentationslabel
Bezugsdokumente
Legal Proceedings Provision
Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten
Der Betrag der Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten.
Beispiel: IAS 37.Beispiel 10 Gerichtsverfahren Beispiel: IAS 37.87
Decrease In Fair Value Measurement Due To Change In Multiple Unobservable Inputs To Reflect Reasonably Possible Alternative Assumptions Recognised In Other Comprehensive Income After Tax Liabilities
Abnahme der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert wegen einer Veränderung an mehreren nicht beobachtbaren Inputfaktoren, mit der für möglich gehaltene alternative Annahmen widergespiegelt werden sollen, im sonstigen Ergebnis erfasst, nach Steuern, Verbindlichkeiten
Der Betrag der Abnahme der Bewertung von Verbindlichkeiten zum beizulegenden Zeitwert, im sonstigen Ergebnis erfasst, nach Steuern, wegen einer Veränderung an mehreren nicht beobachtbaren Inputfaktoren, mit der für möglich gehaltene alternative Annahmen widergespiegelt werden sollen.
Übliche Praxis: IFRS 13.93 h ii
Abb. II.5./4 Schema der Basistaxonomie zur Auszeichung von IFRS-Konzernabschlüssen (Beispiel)36
5.3.3.2 Bilanz Die Bilanz wird nach IAS 1.10a als Aufstellung der Vermögens- und Finanzlage zum Ende der Periode (statement of financial position as at end of the period) bezeichnet. Die Bilanz enthält die Vermögenswerte und Schulden sowie das Eigenkapital (IASB F.3.3a). Eine Bilanz hat zumindest die in IAS 1.54 genannten Posten darzustellen (Mindestposteninhalte). Darüber hinaus sind zusätzliche Posten, Überschriften und Zwischensummen in der Bilanz darzustellen, wenn dies relevant für das Verständnis der financial position des Unternehmens ist (IAS 1.55). Die Bilanz selbst kann in Kontoform (Aktiv- und Passivseite nebeneinander) oder in Staffelform (Postenausweis untereinander) erstellt werden (IAS 1.57). Die Bilanz ist grundsätzlich nach Kurz- und Langfristigkeit zu gliedern. Eine Gliederung nach Liquiditätsnähe ist nur dann zulässig, wenn diese im Vergleich zur Gliederung nach Fristen relevantere und verlässlichere Informationen liefert (IAS 1.60). Demnach ist grundsätzlich in kurzfristige und langfristige Vermögenswerte (current assets; non-current assets) sowie kurzfristige und langfristige Schulden (current liabilities; non-current liabilities) zu untergliedern. Nach IAS 1.66 ist ein Vermögenswert kurzfristig, wenn eines der folgenden Kriterien als erfüllt gilt: a) Der Posten wird zum Verkauf oder Verbrauch innerhalb des normalen Verlaufs des Geschäftszyklus (z. B. bei einem Produktionsbetrieb der Zeitraum zwischen dem Erwerb von Materialien, die in die Herstellung eingehen und deren Realisation in Geld durch Veräußerung der Erzeugnisse an Dritte) gehalten. b) Der Posten wird primär zu Handelszwecken gehalten. c) Die Realisation des Postens wird innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag erwartet. d) Bei dem Posten handelt es sich um Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente (gem. in IAS 7), die keiner Beschränkung unterliegen oder die auch nicht dazu verwendet werden, um eine Schuld nach Ablauf von 12 Monaten nach Bilanzstichtag zu begleichen. Alle anderen Vermögenswerte sind als langfristig zu klassifizieren (Negativabgrenzung).
36 Vereinfacht und leicht abgewandelt entnommen aus Delegierten VO 2018/815, Anhang VI, S. 177 und S. 774.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
247
Beispiel Kurz- und langfristige Vermögenswerte Sind Vorräte, die voraussichtlich erst in 15 Monaten in den Produktionsprozess eingehen und anschließend unverzüglich veräußert werden, als kurz- oder langfristig zu klassifizieren? Der Blick auf das Kriterium c) legt zunächst einmal nahe, dass es sich hier um langfristige Vermögenswerte handelt, da mit einer Realisation erst in deutlich mehr als 12 Monaten zu rechnen ist. Allerdings reicht es für eine Klassifizierung als kurzfristiger Vermögenswert aus, wenn ein Kriterium gegeben ist. Dieses ist hier der Fall: Kriterium a) ist erfüllt, da die Vorräte im normalen Verlauf des Geschäftszyklus (hier 15 Monate) verbraucht werden. IAS 1.68 bestätigt diese Klassifizierung, indem Vorräte explizit als kurzfristige Vermögenswerte deklariert werden; diese Regelung hat insofern klarstellenden Charakter.
Analog zu den Vermögenswerten gelten Schulden gem. IAS 1.69 dann als kurzfristig, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: a) Die Tilgung der Schuld wird innerhalb des normalen Verlaufs des Geschäftszyklus des Unternehmens erwartet. b) Die Schuld wird primär zu Handelszwecken gehalten. c) Die Tilgung der Schuld ist innerhalb von 12 Monaten nach dem Abschlussstichtag fällig. d) Das Unternehmen hat nicht das Recht inne, die Begleichung der Schuld mindestens 12 Monate nach dem Bilanzstichtag hinauszuschieben. Alle anderen Schulden sind als langfristig zu klassifizieren (Negativabgrenzung). Die in Abbildung II.5./537 dargestellte, in Staffelform gegliederte IFRS-Bilanz dient der Illustration. Diskussionsfrage II.5.-4 In der in Abbildung II.5./5 dargestellten Bilanz der technotrans AG findet sich unter den sonstigen Rücklagen ein negativer Ausweis. Diskutieren Sie, wie sich dieser Ausweis erklären könnte. Wie hoch ist die Eigenkapitalquote der technotrans AG und wie beurteilen Sie diese?
Nach deutschen GoB sind in der Bilanz das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen (§ 247 Abs. 1 HGB). Beim Anlagevermögen sind die Posten zu zeigen, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB). Im Regelfall bedeutet dies, dass der Posten dem Unternehmen zumindest für ein Jahr Nutzen stiftet. Für Kapitalgesellschaften geben § 266 Abs. 2 und 3 HGB ein detailliertes Gliederungsschema vor. Allerdings wird nicht konsequent nach der Fristigkeit oder der Liquiditätsnähe gegliedert. Besonders deutlich wird dies auf der Passivseite der Bilanz. Hier dominiert die Unterteilung in Verbindlichkeiten (Posten, die hinsichtlich Fälligkeit und Höhe sicher sind und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Fälligkeit) und Rückstellungen (bestehende Unsi-
37 LuL = Lieferungen und Leistungen. Mit Änderungen entnommen aus technotrans AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 122 f. und technotrans AG (2020), Geschäftsbericht 2019, S. 97 f. Die Angaben zur Bilanz in der Spalte Konzernanhang stellen den Verweis auf die erläuternden Angaben im Konzernanhang dar.
248
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
cherheiten hinsichtlich Fälligkeit und/oder Höhe der zu zahlenden Beträge). Gleichwohl sind Informationen zur Fristigkeit teilweise aus dem Anhang ersichtlich. Beispielsweise sind nach § 268 Abs. 5 S. 1 HGB die Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr gesondert anzugeben. Dagegen dürfte die Untergliederung auf der Aktivseite in Anlage- und Umlaufvermögen weitgehend der Unterteilung in kurzfristige und langfristige Vermögensgegenstände entsprechen. Die Gliederungsvorschriften sind national weitaus detaillierter ausgestaltet als nach internationalen Normen. Allerdings können sich international bei der Erstellung von ESEFJahresfinanzberichten weitere Detaillierungen ergeben (s. Kap. II.5.3.3.1). Aktiva
Konzernanhang
2020
2019
2018
T€
T€
T€
36.781
33.268
28.583
Langfristige Vermögenswerte Sachanlagen
1
Nutzungsrechte
2
3.210
3.846
0
Geschäfts- und Firmenwert
3
23.513
23.513
23.513
Immaterielle Vermögenswerte
4
7.016
7.493
7.693
Finanzielle Vermögenswerte
5
151
185
162
Latente Steuern
28
Summe
1.142
1.484
1.466
71.813
69.789
61.417
Kurzfristige Vermögenswerte Vorräte
6
26.702
28.257
28.296
Forderungen aus LuL
7
21.082
24.039
27.111
Ertragsteuererstattungsansprüche
8
103
349
629
Finanzielle Vermögenswerte
9
546
733
758
Sonstige Vermögenswerte
9
2.122
1.926
2.255
Liquide Mittel
10
25.749
20.910
15.566
78.304
76.214
74.615
148.117
146.003
136.032
Summe Gesamt Aktiva
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
Passiva
Eigenkapital
Konzernanhang
249
2020
2019
2018
T€
T€
T€
11
Gezeichnetes Kapital
6.908
6.908
6.908
Kapitalrücklage
19.097
19.097
19.097
Gewinnrücklage
55.461
49.367
43.282
Sonstige Rücklagen
-6.999
-6.394
-6.426
4.956
6.089
12.383
-5
-6
0
79.418
75.067
75.244
Jahresergebnis Nicht beherrschte Anteile am Eigenkapital Summe Langfristige Schulden Finanzschulden
12
31.043
33.760
25.956
Rückstellungen
16
686
809
942
Sonstige Verbindlichkeiten
13
1.680
2.607
614
Latente Steuern
28
448
657
1.220
33.867
37.833
28.732
Summe Kurzfristige Schulden Finanzschulden
12
12.960
6.696
8.431
Verbindlichkeiten aus LuL
14
4.606
5.952
2.433
Erhaltene Anzahlungen
15
3.210
4.242
3.115
16, 17
8.799
9.045
9.751
274
745
700
Rückstellungen Ertragsteuerverbindlichkeiten
18
Sonstige Verbindlichkeiten
19
Summe Gesamt Passiva
4.993
6.423
2.186
34.842
33.103
32.056
148.117
146.003
136.032
Abb. II.5./5 Praxisbeispiel für eine Bilanzgliederung
5.3.3.3 Gesamtergebnisrechnung a. Grundsätzliche Regelungen Eigenkapitalveränderungen können entweder durch Transaktionen mit Eigenkapitalgebern (z. B. durch Einlagen oder den Kauf von Aktien) oder durch die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgelöst werden. In der Gesamtergebnisrechnung (statement of financial performance, in IASB F.7.16) werden die Veränderungen des Eigenkapitals in einer Periode abgebildet, die nicht auf Transaktionen mit den Eigenkapitalgebern zurückzuführen sind (IAS 1.7). Die Gesamtergebnisrechnung umfasst gem. IAS 1.10b, 1.81A sowie IFRS F.3.3b y GuV-wirksame Aufwendungen und Erträge, die zum Gewinn oder Verlust führen (profit or loss) sowie y GuV-neutrale Aufwendungen und Erträge, die zum other comprehensive income (OCI, auch: sonstiges Ergebnis) führen.
250
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Demnach berechnet sich das Gesamtergebnis wie folgt: ± =
Profit or loss (Total) other comprehensive income (Total) comprehensive income
Ob Erträge und Aufwendungen ergebniswirksam mit Auswirkung auf den profit or loss oder ergebnisneutral über das OCI verbucht werden, ist in den Einzelstandards geregelt (IASB F.7.15, IAS 1.88; für eine Übersicht vgl. Kuhner/Bothen 2016, S. 161). Eine einheitliche Gewinnkonzeption ist daher nicht erkennbar (hierzu z. B. Amshoff 2010, S. 316; ferner Bastini 2014, S. 81 ff.). Dies gilt auch im Hinblick auf das Framework (vgl. IASB F.BC7.16 ff.). Das IASB erkennt selbst an, dass es nicht gelungen ist, die konzeptionelle Trennung in ergebnisneutrale und ergebniswirksame Erträge und Aufwendungen überzeugend zu begründen (IASB F.BC7.20). Aufgrund der dominierenden Bedeutung des profit or loss als primäre Informationsquelle für die Abschlussadressaten wird vermutet, dass alle Erträge und Aufwendungen ergebniswirksam zu buchen sind. Eine Widerlegung dieser Vermutung ist dann möglich, wenn das Herauslassen bestimmter Erträge und Aufwendungen aus der GuV zu relevanteren Informationen führt (IASB F.7.17, F.BC7.23 f.). Empirie In der deutschen Bilanzierungspraxis zeigt sich ein wesentlicher Anteil des OCI am Gesamtergebnis. Hierbei unterliegt das OCI über die Berichtsjahre erheblichen Schwankungen. Beispielsweise betrugen im Jahr 2015 für die DAX-30-Unternehmen die im OCI erfassten Beträge ungefähr 25 % des Gesamtergebnisses und im Jahr 2017 –17 % (vgl. Antonakopoulos/Weidenfeller 2019, S. 265 f.). Besonders bedeutsame OCI-Komponenten resultieren aus der Pensionsbilanzierung, aus den Währungsumrechnungsdifferenzen sowie aus Cashflow-Hedges (hierzu u. a. Dobler/Dobler 2012; Behr/Kümpel 2017; Antonakopoulos/Weidenfeller 2019). Die Ergebnisse empirischer Studien zum Nutzen des OCI sind gemischt. Es lässt sich belegen, dass die Wertrelevanz (s. Kap. I.4.3.3.2.b) einzelner Komponenten des OCI variiert und insbes. die GuVneutralen Effekte aus den Änderungen des beizulegenden Zeitwerts von marktgängigen Wertpapieren (IFRS 9 s. Kap. III.3.4.2) sowie der Neubewertung von Sachanlagen und immateriellen Vermögensposten (IAS 16.39 f., s. Kap. III.3.1.2.) Wertrelevanz zukommt (hierzu Rees/Shane 2012; Khan/Bradbury/Courtenay 2014 und Brouwer/Faramarzi/Hoogendoorn 2014 und die dort angegebenen Studien).
Als Darstellungsformen für das statement of financial performance kommen der single statement approach und der two statement approach in Betracht (IAS 1.10A). Der single statement approach zeigt das profit and loss und das OCI in einem Darstellungsformat. Dagegen wird beim two statement approach in einem Darstellungsformat das profit or loss im sog. separate income statement dargestellt und ein weiteres Darstellungsformat zeigt (ausgehend vom profit or loss des separate income statements) das OCI sowie das sich dann durch Addition ergebende Gesamtergebnis (siehe zu Beispielen für beide Darstellungsformen IAS 1.IG 1 ff.). Obwohl das IASB den single statement approach bevorzugt, wendet die deutsche Bilanzierungspraxis fast ausschließlich den two statement approach an (IAS 1.BC53; Zülch/ Höltken 2014 und 2015, S. 116 bzw. 164, sowie Antonakopoulos/Weidenfeller 2019, S. 267). In der Gesamtergebnisrechnung sind zumindest die in IAS 1.81A-82A genannten Posten darzustellen (Mindestposteninhalte): a) Umsatzerlöse (revenue), b) Finanzierungsaufwendungen (finance costs),
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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c) Gewinn- und Verlustanteile von assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen nach der Equity-Methode, d) Steueraufwendungen (tax expense), e) ein gesonderter Betrag, welcher der Summe der aufgegebenen Geschäftsbereiche gem. IFRS 5 entspricht, f) andere Erträge und Aufwendungen (gains and losses) aus der Ausbuchung, der Wertminderung oder der Reklassifizierung von Finanzinstrumenten, g) Gewinn oder Verlust (profit or loss), aufgeteilt nach Minderheiten und Anteilseignern der Muttergesellschaft, h) Bestandteile des OCI unterteilt danach, ob die jeweiligen Posten später in der GuV erfasst werden oder nicht, i) Anteil am OCI, welcher auf assoziierte Unternehmen und nach der Equity-Methode bilanzierten Gemeinschaftsunternehmen entfällt, j) OCI insgesamt, k) comprehensive income, aufgeteilt nach Minderheiten und Anteilseignern der Muttergesellschaft. Konzeptionell bedeutsam ist, dass diejenigen Positionen des OCI, die in einer späteren Periode in der GuV zu erfassen sind (sog. recycling), gesondert anzugeben sind (IAS 1.82A). Beispiel und Empirie Other comprehensive income und recycling Das OCI zeigt bestimmte ergebnisneutral gebuchte Wertänderungen von Vermögens- und Schuldposten. Hierzu zählen gem. IAS 1.7 u. a. ergebnisneutral gebuchte Änderungen des Wertansatzes von Sachanlagen aufgrund der Anwendung der Neubewertungsmethode (IAS 16 und 38 i. V. m. IAS 36; s. Kap. II.5.3.8.2.f) sowie bestimmte Gewinne und Verluste aus der Bewertung von finanziellen Vermögenswerten (IFRS 4.1.2A) bzw. von Eigenkapitalinstrumenten gem. IFRS 9.5.7.5 (s. Kap. III.3.4). Dabei ist im weiteren Zeitablauf zu unterscheiden, ob diese Wertänderungen ergebnisneutral bleiben oder in eine ergebniswirksame Behandlung (recycling) übergehen. Grundsätzlich stellt das IASB Conceptual Framework fest, dass alle Erträge und Aufwendungen im OCI im Zeitablauf ergebniswirksam als profit or loss zu behandeln sind. Abweichungen sind nur dann möglich, wenn die ergebnisneutrale Behandlung zu einer relevanteren und glaubwürdigeren Darstellung führt (IASB F.7.19; für eine Übersicht vgl. Heuser/Theile 2019, S. 1237 f. und KPMG 2021c, S. 18). Die diesbezügliche Buchungstechnik wird nachstehend beispielhaft verdeutlicht. Beispielsweise ist beim Sachanlagevermögen eine Werterhöhung ggf. zwingend ergebnisneutral in eine Neubewertungsrücklage (revaluation surplus) einzustellen. Zu buchen ist wie folgt: Vermögenswert
an
Neubewertungsrücklage
Die in die Neubewertungsrücklage eingestellten Beträge sind vermutlich für die Beurteilung der künftigen Ertragskraft eines Unternehmens relevant, da der Abschlussadressat über mögliche Ergebnisbeiträge informiert wird, die zwar mit hohen Unsicherheiten behaftet sein können, aber dennoch wahrscheinlich sind. Das Spannungsfeld zwischen Relevanz und Zuverlässigkeit der gegebenen Informationen wird auf diese Weise aufgelöst. Für die Auflösung der ergebnisneutral eingestellten Beträge gibt das IASB die Behandlung einer der beiden nachstehend angesprochenen Varianten vor: y Ergebniswirksames recycling (Auflösungsvariante A) Die ergebnisneutral erfassten Beträge können bei Auflösung des Bilanzpostens (z. B. Verkauf eines Wertpapiers, welches den zur Veräußerung verfügbaren Finanzinstrumenten zuzurechnen ist; s. Kap. III.3.4.2.5) ergebniswirksam werden. In diesem Fall fungiert der Eigenkapitalposten quasi als Zwischenspeicher von Ergebnisbestandteilen, die in der GuV zu einem späteren
252
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Zeitpunkt ergebniswirksam werden. Dieses sog. recycling ist bei den zuvor angesprochenen Finanzinstrumenten zwingend (IFRS 9.5.7.10). Neubewertungsrücklage y
an
Ertrag
Ergebnisneutrale Umgliederung in die Gewinnrücklagen (Auflösungsvariante B) Dagegen ist beim Sachanlagevermögen und den immateriellen Vermögenswerten ein recycling ausgeschlossen, d. h., die ergebnisneutral in die Neubewertungsrücklage eingestellten Beträge sind beispielsweise bei Auflösung des Postens (z. B. Veräußerung der Sachanlage) ergebnisneutral in die Gewinnrücklagen (retained earnings) umzugliedern (IAS 16.41; IAS 38.87; zu den Einzelheiten s. Kap. II.5.3.8.2.f) Zu buchen ist wie folgt: Neubewertungsrücklage
an
Gewinnrücklagen
Bei der Auflösungsvariante B weicht die Summe der Periodenergebnisse von dem Totalergebnis eines Unternehmens ab, d. h., Ergebnisbeiträge führen nicht über ihre Erfassung in der GuV zu einer Eigenkapitalerhöhung, sondern werden direkt (unter Umgehung der GuV) im Eigenkapital gebucht. In diesem Fall wird das Kongruenzprinzip (s. Kap. II.4.4.3.2) durchbrochen. Empirisch lässt sich zeigen, dass bei einem bedeutsamen Anteil des OCI kein recycling erfolgt (inbes. betreffend den Neubewertungserfolg leistungsorientierter Versorgungspläne bei den im DAX und TecDax im Jahr 2017 notierten Unternehmen; hierzu Antonakopoulos/Weidenfeller 2019).
Weiterhin sind zusätzliche Posten, Überschriften und Zwischensummen in der Gesamtergebnisrechnung darzustellen, wenn dies für das Verständnis der Ertragskraft (financial performance) des Unternehmens relevant ist (IAS 1.85). Außerordentliche Posten sind indes nicht zu zeigen (IAS 1.87). Ferner müssen Unternehmen, deren Aktien öffentlich gehandelt werden, das Ergebnis je Aktie in der Gesamtergebnisrechnung angeben (IAS 33.66). Als Darstellungsformen für das separate income statement (GuV) kommen gem. IAS 1.99 ff. das Gesamtkostenverfahren (nature of expense method) und das Umsatzkostenverfahren (cost of sales method oder function of expense method) in Betracht (s. Kap.II.2.3). Empirie Derzeit erstellen die deutschen IFRS-Bilanzierer die GuV vorwiegend nach dem Umsatzkostenverfahren. Eine Untersuchung von Eisenschmidt/Schwenkler zeigt, dass ca. 59 % der untersuchten HDAX und SDAX Unternehmen das Umsatzkostenverfahren anwenden. Dabei ist das Umsatzkostenverfahren mit zunehmender Größe und Internationalisierung der Unternehmen stärker verbreitet. So nutzen ca. 80 % der DAX-Unternehmen und ca. 42 % der SDAX-Unternehmen das Umsatzkostenverfahren (vgl. Eisenschmidt/Schwenkler 2016, S. 57 f.). Empirische Belege sprechen dafür, dass eine Ergebnisspaltung (s. Kap. II.5.3.3.3.b) unter Anwendung des Umsatzkostenverfahrens tendenziell zu entscheidungsnützlicheren Informationen führt (vgl. Terhoeven 2000, S. 97 ff. m. w. N. sowie S. 223).
Nach IAS 1.85 ist die Bildung von Posten, Überschriften und Zwischensummen geboten, sofern diese Relevanz für die Darstellung der Ertragskraft besitzen, jedoch werden Definition und Bezeichnung der Bildung nicht konkret geregelt. Der Standardentwurf ED/2019/7 (IFRS X, s. Kap. II.5.1) gibt Reihenfolge, Abgrenzung, Kategorisierung der Erträge und Aufwendungen sowie die Bildung von Zwischensummen vor (hierzu sowie den folgenden Ausführungen vgl. z. B. Bach/Berger 2020; Freches/Heilmann/Pott 2020; Grote/v. Keitz 2020). Zunächst ergänzt IFRS X.65 die Mindestposten in IAS 1.82 um den Posten »Umsatzkosten« bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (IFRS X.65a(vii) i. V. m. IFRS X.71). Nach IFRS X.65a(ii) reicht zudem der Nettoausweis von Finanzierungsaufwendungen und -erträgen aus, während in IAS 1.82 noch ein getrennter Ausweis gefordert wird. Ferner sind die
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
253
Gewinn- und Verlustanteile von assoziierten Unternehmen bzw. Gemeinschaftsunternehmen, die nach der Equity-Methode bilanziert werden, nun separat für integrale und nichtintegrale assoziierte Unternehmen bzw. Gemeinschaftsunternehmen darzustellen. IFRS X.45 folgend sind Erträge und Aufwendungen der GuV in die folgenden Kategorien einzuordnen: y Betrieb (operating, IFRS X.46, X.B25-B31): Diese Kategorie umfasst Aufwendungen und Erträge, die im Rahmen der Hauptgeschäftstätigkeit (main business activities) anfallen und nicht den anderen Kategorien zuzuordnen sind. Ein Unternehmen kann mehreren Hauptgeschäftstätigkeiten nachgehen. Allerdings wird der Begriff der Hauptgeschäftstätigkeit nicht definiert. y Integrale assoziierte Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen (integral associates and joint ventures, IFRS X.53, X.B38): Integrale Unternehmen, die nach der EquityMethode bilanziert werden, sind eng mit der Geschäftstätigkeit des Konzerns verbunden. Rückflüsse integraler Unternehmen werden weitgehend abhängig von anderen Ressourcen im Konzern generiert (dagegen erwirtschaftet ein nichtintegrales Unternehmen eigenständig und weitgehend unabhängig Rückflüsse). Hierzu gehören Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Beteiligungsunternehmen. Der Ergebnisanteil aus integralen Unternehmen ist in der Investitionskategorie auszuweisen. y Investitionen (investing, IFRS X.47-48, X.B32-B33): Gegenstand der Kategorie sind Aufwendungen und Erträge aus Vermögenswerten, die weitgehend unabhängig von anderen Ressourcen im Unternehmen und einzeln Rückflüsse generieren. Nicht mit der Hauptgeschäftstätigkeit verbundene Ergebnisse werden hier gezeigt, sodass eine eigenständige Analyse im Rahmen der Ergebnisspaltung möglich ist. Gezeigt werden auch die Aufwendungen und Erträge nichtintegraler Unternehmen. Diese Kategorie ist nicht gleichbedeutend mit den Cashflows aus Investitionstätigkeit nach IAS 7 (s. Kap. III.4.2). y Finanzierung (financing, IFRS X.49-52, X.B34-B37): Diese Kategorie umfasst a) nicht der Hauptgeschäftstätigkeit zuzuordnende Erträge und Aufwendungen aus Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten, b) auf Schuldposten bezogene Erträge und Aufwendungen aus der Finanzierungstätigkeit (financing activities) sowie c) Zinsaufwendungen und -erträge aus anderen Schuldposten, die sich nicht aus der Finanzierungstätigkeit ergeben (z. B. Aufzinsung von Rückstellungen und Pensionsverpflichtungen). y Ertragsteuern (income taxes nach IAS 12, IFRS X.54) und y aufgegebene Geschäftsbereiche (discontinued operations nach IFRS 5, IFRS X.55) Entsprechend IFRS X.60 sind neben dem Gewinn- und Verlust (profit or loss) folgende Zwischensummen in der GuV zu bilden und auszuweisen: y Betriebsergebnis (operating profit or loss, IFRS X.60a, X.61): Dieses Ergebnis umfasst alle Aufwendungen und Erträge, die der Kategorie Betrieb zugeordnet wurden. y Betriebsergebnis und Aufwendungen und Erträge aus integralen assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen (IFRS X.60b, X.62). y Ergebnis vor Finanzierung und Steuern (profit or loss before financing and income tax, IFRS X.60c, X.63): Diese Zwischensumme setzt sich aus dem Betriebsergebnis, den Aufwendungen und Erträgen aus integralen Unternehmen sowie den Erträgen und Aufwendungen aus Investitionen zusammen. Diese Angabe soll eine Einschätzung der Ertragskraft unabhängig von der Finanzierungsstruktur des Unternehmens ermöglichen. Neben den vorgeschriebenen Kategorien und Zwischensummen sind gem. IFRS X.42 weiterhin Zwischensummen und Posten zu bilden, wenn diese das Verständnis über die Ertrags-
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
lage verbessern. Die Gliederung der betrieblichen Aufwendungen kann nach Umsatzkostenverfahren (UKV) oder Gesamtkostenverfahren (GKV) erfolgen (IFRS X.68). Es ist das Verfahren auszuwählen, welches zu entscheidungsnützlicheren Informationen führt. Beispielsweise sind bei einem Handelsunternehmen die Umsatzkosten oftmals ein zentraler Treiber der Umsatzerlöse, was wiederum für die Anwendung des UKV sprechen würde (IFRS X.B45). Die Aufgliederung der betrieblichen Aufwendungen erfolgt nach IFRS X.B47 zwingend in der GuV und nicht im Anhang (derzeit optional in IAS 1.100). Wird das UKV angewendet, sind ähnlich zu IAS 1.104 Angaben über die Art der Aufwendungen im Anhang zu tätigen (IFRS X.BC111). Die in Abbildung II.5./6 dargestellte, nach dem UKV gegliederte IFRS-GuV entsprechend IAS 1 dient der Illustration. Konzernanhang Umsatzerlöse
2020 T€
2019 T€
2018 T€
190.454
207.927
216.286
137.716
148.424
156.476
52.738
59.503
59.810
-137.012
-146.612
-146.646
61.315
69.640
20
davon Technology davon Services Umsatzkosten
21
Bruttoergebnis vom Umsatz
53.442
Vertriebskosten
22
-21.226
-25.606
-25.736
Allgemeine Verwaltungskosten
23
-18.375
-18.760
-19.275
Entwicklungskosten
24
-7.347
-7.575
-7.946
Wertminderungsaufwendungen auf finanzielle Vermögenswerte und Vertragsvermögenswerte
7
-165
-510
-530
Sonstige betriebliche Erträge
25
1.511
1.911
2.379
Sonstige betriebliche Aufwendungen
26
-1.060
-2.437
-1.181
6.780
8.338
17.351
86
630
499
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (EBIT) Finanzerträge Finanzaufwendungen Finanzergebnis
27
Ergebnis vor Ertragsteuern Ertragsteuern
28
Jahresergebnis
-746
-763
-543
-660
-133
-44
6.120
8.205
17.307
-1.163
-2.116
-4.924
4.957
6.089
12.383
38
Abb. II.5./6 Praxisbeispiel für die Gliederung einer GuV
38 Entnommen aus technotrans AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 124 und technotrans AG (2020), Geschäftsbericht 2019, S. 99. Die Textziffern in der Spalte Konzernanhang verweisen auf die Darstellung im Anhang gem. Geschäftsbericht 2020. Die Ergebnisanteile der Aktionäre der technotrans AG und der anderen Gesellschafter sowie das Ergebnis je Aktie werden nicht gezeigt.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
255
Das in Abbildung II.5./6 ermittelte Jahresergebnis bildet wiederum den Ausgangspunkt für die Gesamtergebnisrechnung nach dem two statement approach (siehe Abb. II.5./7). Konzernanhang Jahresergebnis
2020 T€
2019 T€
2018 T€
4.957
6.089
12.383
Posten, die nicht in den Gewinn oder Verlust umgegliedert werden Neubewertung der Nettoschuld aus Versorgungsplänen Latente Steuern
16
-1 0
-34 9
-1 -3
-25
86
265
-579
-32
-240
14
-42
-29
-15
23
24
0
-3
-6
-1
-22
-11
Posten, die in den Gewinn oder Verlust umgegliedert wurden oder werden können Währungsdifferenzen aus der Umrechnung ausländischer Konzerngesellschaften Veränderung des im Eigenkapital erfassten Betrags (Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb)
11
Veränderung Marktwerte der CashflowHedges In die GuV umgebuchter Betrag (recycling) Latente Steuern Veränderung des im Eigenkapital erfassten Betrags (Cashflow-Hedges) Sonstiges Ergebnis nach Steuern Gesamtergebnis des Geschäftsjahres
34
-606
7
10
4.351
6.096
12.398
Abb. II.5./7 Praxisbeispiel für die Gliederung einer Gesamtergebnisrechnung39
Nach deutschen GoB sind die GuV-Gliederungsvorschriften bisher weitaus detaillierter ausgestaltet als nach IAS 1. § 275 Abs. 2 und 3 HGB geben detaillierte Gliederungsschemata für das Gesamtkosten- und das Umsatzkostenverfahren vor. Weitere Vorschriften finden sich vor allem in § 277 HGB. Die vorgeschlagenen Kategorien und Zwischensummen im IFRS X führen jedoch im Detailierungsgrad zu einer deutlichen Annäherung an die nationalen Vorschriften. Zudem können sich international bei der Erstellung von ESEF-Jahresfinanzberichten weitere Detaillierungen ergeben (s. Kap. II.5.3.3.1).
39 Entnommen aus technotrans AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 125 und technotrans AG (2020), Geschäftsbericht 2019, S. 100. Die Textziffern in der Spalte Konzernanhang verweisen auf die Darstellung im Anhang gem. Geschäftsbericht 2020. Die Ergebnisanteile anderer Gesellschafter werden nicht gezeigt. Zwischenberechnungen sind kursiv dargestellt.
256
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Bei einem Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 AktG) oder einem Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) verpflichtet sich eine AG durch einen Vertrag dazu, ihren ganzen oder einen Teil des Gewinns an ein anderes Unternehmen abzuführen. Diese abgeführten Gewinne sind nach § 277 Abs. 3 S. 2 HGB gesondert als Aufwand in der GuV zu zeigen. Nach IAS 1.107 sind in der Berichtsperiode an Anteilseigner geleistete Dividenden in der Eigenkapitalveränderungsrechnung oder in den notes zu nennen. Eine Angabe in der GuV kommt insofern nicht in Betracht. b. Fragen der Ergebnisspaltung b1. Konzept und Zweck Ziel der Ergebnisspaltung ist es, den durch die Einwertigkeit des Gewinns verzerrten Blick in die Ertragslage durch eine Aufspaltung des Gesamtgewinns in verschiedene Ergebniskomponenten zu »heilen«. Dabei geht es vor allem darum, die Ergebnisbestandteile »auszuschalten« bzw. gesondert zu zeigen, von denen ein nicht regelmäßig wiederkehrender Ergebniseinfluss erwartet werden kann. Demnach sind die nachhaltigen von den nicht nachhaltigen, kurzfristig schwankenden Ergebnisbestandteilen zu trennen (in Anlehnung an Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 1197 ff.; siehe auch Arbeitskreis DVFA/Schmalenbach-Gesellschaft e. V. 2003, S. 1913 ff.; Küting/Weber 2015, S. 252 ff.). Ermittelt werden soll das nachhaltige Jahresergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres, welches wiederum eine geeignete Ausgangsbasis für die Prognose künftiger Jahresergebnisse oder Cashflows bilden soll (vgl. z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2004, S. 336). IAS 1.9 fordert sogar ausdrücklich, dass der Abschluss die Adressaten bei der Prognose der künftigen Cashflows des Unternehmens unterstützen soll (auch IASB F.3.2). Folglich sind nachhaltige und nicht nachhaltige Ergebnisquellen voneinander zu trennen. Betriebswirtschaftlich wird das Ergebnis regelmäßig nach zwei Kriterien gespalten. Zum einen zerlegt das Kriterium der Regelmäßigkeit das Ergebnis in ordentliche (periodische) und außerordentliche (aperiodische und untypische) Komponenten und zum anderen unterscheidet das Kriterium der Betriebszugehörigkeit zwischen Betriebsergebnis und Finanzergebnis. Nachhaltig dürfte ein Ergebnis vor allem dann sein, wenn dieses aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultiert. y Hierzu zählt der regelmäßig anfallende Erfolg aus der eigentlichen betrieblichen Leistungserstellung. Dieses Betriebsergebnis stufen Finanzanalysten als besonders aussagekräftig für die Beurteilung des Unternehmens ein. y Hinzu tritt das Finanzergebnis, welches teilweise auch als ordentliches betriebsfremdes Ergebnis bezeichnet wird (z. B. Zinserträge aus der Anlage in Wertpapiere). Dieses wird gleichfalls regelmäßig im Rahmen der Unternehmenstätigkeit erzielt, steht jedoch nicht in Zusammenhang mit dem eigentlichen Unternehmenszweck (nicht betriebstypisch). Da das Unternehmen das Finanzergebnis nicht oder nur bedingt beeinflussen kann, wird es von Finanzanalysten nicht so hoch eingestuft wie das Betriebsergebnis. Nicht nachhaltig ist ein Ergebnis dann, wenn es aperiodisch anfällt und untypisch für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit ist. Beispielsweise treten Katastrophenschäden oder außerplanmäßige Wertminderungen in Zusammenhang mit einzustellenden Bereichen selten auf (aperiodisch) und sind untypisch für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit. Daher sind solche Beträge als Ausgangsbasis für die Prognose künftiger Ergebnisse nicht geeignet.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Probleme der Ergebnisspaltung können u. a. darin bestehen, dass die einzelnen Ergebniskomponenten abschlusspolitisch beeinflussbar sind (s. Kap. II.7.2). Dies gilt unabhängig von den zugrunde gelegten Rechnungslegungsnormen. Überlegungen zur Nachhaltigkeit der ausgewiesenen Ergebnisse können auch an den Ergebnissen empirischer Studien ansetzen. Empirie Ergebnisspaltung und Entscheidungsnützlichkeit Verschiedene empirische Studien belegen, dass die Bestandteile des operativen Ergebnisses, die auf zahlungswirksame Geschäftsvorfälle (z. B. Umsätze) zurückgehen, eine höhere Prognosekraft besitzen als jene Bestandteile des operativen Ergebnisses, die auf nicht zahlungswirksamen Geschäftsvorfällen 40 (z. B. Änderungen in der Rückstellungshöhe) beruhen (vgl. z. B. Terhoeven 2000, S. 213). Beispielsweise zeigt Sloan 1996, dass der Kapitalmarkt die Prognosekraft von zahlungswirksamen Ergebniskomponenten unterschätzt, jene von nicht zahlungswirksamen aber überschätzt. Diese Ergebnisse sprechen dafür, das operative Ergebnis in jene Bestandteile aufzuteilen, die auf zahlungswirksamen Geschäftsvorfällen einerseits und nicht zahlungswirksamen Geschäftsvorfällen andererseits beruhen. Hierfür und für eine Trennung in nachhaltige und nicht nachhaltige Ergebniskomponenten sprechen auch die Ergebnisse einer von Dichev et al. 2016 durchgeführten Befragung von Finanzvorständen, wonach sich qualitativ hochwertige Ergebnisse vor allem durch eine hohe Nachhaltigkeit (earnings persistence) und einen starken Cashflow-Bezug auszeichnen. Eine Darstellung verschiedener empirischer Befunde findet sich in Kaserer/Adamek 2003, S. 502 ff. Im Rahmen des Standardsetzungsprozesses greift das IASB regelmäßig empirische Studien auf (evidence based standard setting). Ein Arbeitspapier (staff paper) des IASB kommt auf Grundlage einer Auswertung von 121 empirischen Studien zu dem Ergebnis, dass zu erwarten ist, dass die vorgeschlagenen Änderungen des IFRS X die Entscheidungsnützlichkeit der Abschlussadressaten verbessert. Dabei wird u. a. folgendes festgestellt: »Academic research has established that users of financial statements view operating profit as a useful measure of entity performance« (IASB 2021b, S. 3). Im Detail zeigen z. B. Esplin et al. 2014, dass die getrennte Darstellung der Ergebnisse aus finanzieller und operativer Tätigkeit die Prognosekraft für die künftige Profitablität der Unternehmen stärkt. Chen/Miao/Shevlin 2015 belegen, dass eine disaggregierte Darstellung der Posten in Bilanz und GuV die Eigenkapitalkosten und Bid-Ask-Spreads verringert sowie die Prognosegenauigkeit von Analysten erhöht.
b2. Internationale Normen International ist zunächst zu fragen, ob das Gesamtperiodenergebnis (comprehensive income) oder der profit or loss für die Ergebnisspaltung heranzuziehen sind. Da ergebnisneutral erfasste Wertänderungen von Vermögenswerten und Schulden (other comprehensive income; s. Kap. II.5.3.3.3.a) grundsätzlich als nicht nachhaltig zu beurteilen sind, sollten nach der hier vertretenen Auffassung für die Ergebnisspaltung die Posten herangezogen werden, die für die Berechnung des profit or loss bedeutsam sind (i. d. S. auch Werner/Padberg/ Kriete 2005, S. 56).41
40 Sog. accruals, die wie folgt definiert werden können: net income – operating cashflow. 41 Problematisch sind ergebnisneutral erfasste Wertänderungen, wenn kein recycling (s. Kap. II.5.3.3.3.a) erfolgt, weil diese Posten dann auch in künftigen Perioden im Rahmen der Ergebnisspaltung nicht berücksichtigt werden. Daher ist es empfehlenswert, diese Posten zum Zeitpunkt der Umbuchung in eine andere Eigenkapitalposition im Rahmen der Ergebnisspaltung zu berücksichtigen. Vgl. Coenenberg/Deffner/Schultze 2005, S. 442.
258
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Im Hinblick auf die Ergebnisspaltung ist davon auszugehen, dass ein nach IFRS erstelltes separate income statement, wie in Abbildung II.5./8 dargestellt, gegliedert werden kann (IAS 1.82 ff., 1.102 f., 1.IG6).42
Gesamtkostenverfahren
Umsatzkostenverfahren
(nature of expense method)
(function of expense method)
1
Umsatzerlöse (revenue) [IAS 1.82a]
2 ± Veränderungen des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen (changes in inventories of finished goods and work in progress) 3 + Andere aktivierte Eigenleistungen (work performed by the entity and capitalised) 4 – Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (raw materials and consumables used)
2 – Umsatzkosten (cost of sales) 3 – Vertriebskosten (distribution cost) 4 – Verwaltungskosten (administrative expense) 5 + sonstige Erträge (other income) 6 – sonstige Aufwendungen (other expense)
5 – Personalaufwand (employee benefits expense) 6 – Planmäßige Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (depreciation and amortisation expense) 7 + sonstige Erträge (other income) 8 – sonstige Aufwendungen (other expense)
= ±
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (profit from operations)
10 11
±
Ergebnisanteile von nach der Equity-Methode bewerteten Finanzanlagen (share of the profit or loss of associates and joint ventures accounted for using the equity method) [IAS 1.82c]
12
= –
Ergebnis vor Steuern (profit before tax)
13 14
=
Ergebnis nach Steuern aus der laufenden Geschäftstätigkeit (profit or loss for the period from continuing operations)
15
±
Ergebnis nach Steuern aus aufgegebenen Geschäftsbereichen (a single amount for the total of discontinued operations) [IAS 1.82ea]
16
=
Gewinn oder Verlust (profit or loss)
9
Finanzierungskosten (finance costs) [IAS 1.82b]
Steueraufwand (tax expense) [IAS 1.82d]
Abb. II.5./8 Beispielgliederung für ein separate income statement gem. IAS 1
Nach IAS 1.87 sind keine außerordentlichen (extraordinary) Posten zu zeigen (so auch handelsrechtlich; s. Kap. II.5.3.3.3.b3). Ein solches Vorgehen wird teilweise kritisch beurteilt: »Im Hinblick auf das Interesse der Jahresabschlussadressaten an Informationen über die nachhaltige Erzielbarkeit der Ergebnisse ist jedoch die Abgrenzung außergewöhnlicher Aufwendungen und Erträge für Prognosezwecke wichtig. Ob der Information der Rechnungslegung mit dieser Änderung ein guter Dienst erwiesen wurde, erscheint daher zweifelhaft« (Buchheim 2002, S. 1476).
42 Die Angaben in den eckigen Klammern geben ausgewählte Mindestposteninhalte gem. IAS 1.82 f. an. Weiterhin ist gem. IAS 33.66 in der GuV das Ergebnis je Aktie anzugeben.
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Dagegen vertritt das IASB in IAS 1.BC60 ff. die Auffassung, dass auch außergewöhnliche Ergebnisbewegungen letztendlich aus den normalen Geschäftsrisiken resultieren und dass insofern keine Notwendigkeit besteht, diese separat zu zeigen. Zudem bereitet es regelmäßig erhebliche Probleme, die aus außergewöhnlichen Ereignissen resultierenden Ergebniseffekte auch nur näherungsweise zu bestimmen. Beispielsweise dürften erhebliche Schwierigkeiten bestehen, die negativen außerordentlichen Ergebniseffekte eines Erdbebens zu bestimmen, sofern sich ein Unternehmen gleichzeitig in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs befindet (IAS 1.BC64).Für die Auffassung des IASB spricht auch, dass den Unternehmen auf diese Weise eine abschlusspolitische Gestaltungsmöglichkeit genommen wird. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang auch von der »Furcht des Board (angesprochen ist das IASB, die Verf.) vor Missbräuchen (sic!)« (Schildbach 2003, S. 259). Vor diesem Hintergrund bietet sich nach IFRS die in Abbildung II.5./9 dargestellte Ergebnisspaltungskonzeption an:43 Kategorien
Kriterien
Beurteilung
Regelmäßigkeit
Betriebsbezogenheit
Nachhaltig
ordentliches Betriebsergebnis
+
+
+
ordentliches Finanzergebnis
+
–
+
aperiodisches betriebliches Ergebnis
–
+
–
aperiodisches betriebsfremdes Ergebnis
–
–
–
nicht fortgeführtes Ergebnis
–
–
–
Abb. II.5./9 Kategorien und Kriterien der Ergebnisspaltung nach IFRS
Diese Ergebnisspaltungskonzeption wird im Folgenden beispielhaft präzisiert. Das ordentliche Betriebsergebnis entspricht der Zeile 9 in Abbildung II.5./8. Zu beachten ist allerdings, dass sonstige betriebliche Erträge und Aufwendungen keine aperiodischen, d. h. unregelmäßig anfallenden Posten beinhalten dürfen. Unregelmäßig sind z. B. Wertminderungen auf Sachanlagen, Restrukturierungsaufwendungen sowie Ergebnisse aus Rechtstreitigkeiten. Da solche Bestandteile in den ausgewiesenen sonstigen betrieblichen Erträgen und Aufwendungen enthalten sind, ist es für die Zwecke der Ergebnisspaltung notwendig, diese herauszurechnen (kein nachhaltiges Ergebnis). Hilfreich für die Identifikation solcher Bestandteile sind ggf. die Anhangangaben gem. IAS 1.97 f. Das ordentliche Finanzergebnis spricht die Zeilen 10 und 11 in Abbildung II.5./8 an und umfasst vor allem Zinsen, Dividendenerträge, Erträge und Aufwendungen aus als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (investment property), aus assoziierten Unternehmen, aus Lizenzgebühren und Tantiemen sowie aus Treuhandtätigkeit. Entsprechende Angabe- bzw.
43 Die nachstehenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an Coenenberg/Deffner/Schultze 2005, S. 437 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1197 ff.; zu einer tabellarischen Zuordnung der einzelnen Kategorien zu den Angabepflichten nach IFRS vgl. ebd., S. 1161 ff. Zur Ergebnisspaltung nach IFRS siehe ferner Antonakopoulus 2010, S. 121 ff.
260
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Ausweispflichten finden sich in den einzelnen IFRS (z. B. in Bezug auf die Zinsen in IAS 1.82b, 18.35biii, IFRS 7.20b sowie in Bezug auf die investment properties IAS 40.75 f.). Auch das aperiodische betriebliche Ergebnis sowie das aperiodische betriebsfremde Ergebnis lassen sich aus den Angabepflichten gem. IFRS ableiten. Letztlich ist hier zu beurteilen, ob die Ergebnisse regelmäßig anfallen und betriebsbezogen sind. Beispielsweise sind Wertminderungen beim Sachanlagevermögen (IAS 16.40, 36.60) und Erträge oder Aufwendungen aus Währungsumrechnungsdifferenzen (IAS 21.52a) als betriebsbezogen und aperiodisch zu klassifizieren. Ein Beispiel für ein aperiodisches betriebsfremdes Ergebnis sind Ergebnisbeiträge aus der fair value-Bewertung von investment properties (IAS 40.35, 40.76d). Das nicht fortgeführte Ergebnis in Zeile 15 in Abbildung II.5./8 umfasst zum Verkauf bestimmte langfristige Vermögenswerte und Gruppen von Vermögenswerten (non-current assets or disposal groups classified as held for sale), sofern sie die Definition eines aufgegebenen Geschäftsbereichs (discontinued operations) erfüllen. Voraussetzung für eine solche Klassifizierung ist u. a., dass der Verkauf »höchstwahrscheinlich« sein muss (highly probable; IFRS 5.7) und innerhalb eines Jahres nach Klassifizierung als held for sale abgeschlossen sein muss (IFRS 5.8). Diese Posten sind zum fortgeführten Buchwert oder (falls niedriger) zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten anzusetzen (IFRS 5.15); planmäßige Abschreibungen sind unzulässig. Dagegen sind Gewinne oder Verluste aus der Neubewertung von langfristigen Vermögenswerten (oder Veräußerungsgruppen), die als zur Veräußerung gehalten klassifiziert werden und nicht in die Definition eines aufgegebenen Geschäftsbereichs fallen, im Ergebnis aus fortzuführenden Geschäftsbereichen zu erfassen (IFRS 5.37; hier besteht eine Angabepflicht in den notes; vgl. IFRS 5.41c). Dieses Ergebnis ermöglicht es dem Berichtsadressaten zu beurteilen, welche Ergebnisbestandteile künftig entfallen und insofern als nicht nachhaltig zu beurteilen sind. Entsprechende Angabepflichten zur Bestimmung des nicht fortgeführten Ergebnisses finden sich in IFRS 5.33a und 5.33b. Das bisherige Verbot zum Ausweis außerordentlicher GuV-Posten in IAS 1.87 wird im Standardentwurf ED 2019/7 (s. Kap. II.5.1) nicht übernommen. IFRS X.100 folgend sind Aufwendungen und Erträge als unüblich (unusual income and expenses) definiert, wenn diese einen begrenzten Prognosewert (limited predictive value) haben (unübliche Aufwendungen und Erträge). Ein begrenzter Prognosewert liegt vor, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass in ihrer Art und ihrer Höhe ähnliche (similar in type and amount) Erträge und Aufwendungen in künftigen Geschäftsjahren nicht auftreten. Dabei ist es für eine Klassifizierung als unüblicher Aufwand oder Ertrag ausreichend, dass der Art nach übliche Aufwendungen oder Erträge der Höhe nach unüblich sind (z. B. hohe Aufwendungen bei ansonsten üblichen Rechtstreitigkeiten; siehe IFRS X.B69). Unübliche Posten sind in den notes anzugeben. Zu den Angaben gehören nach IFRS X.101 u. a. der Betrag, die Posten in der GuV, die solche Bestandteile enthalten sowie die Beschreibung der Gründe, die zur Klassifizierung führen. Eine Beispielgliederung für ein separate income statement gem. ED 2019/7 ist in Abb. II.5.10 dargestellt.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
Gesamtkostenverfahren [IFRS X.69]
Umsatzkostenverfahren [IFRS X.70]
(nature of expense method) 1 2
± ±
3
+
4
–
5 6
– –
7 8
+ –
(function of expense method) Umsatzerlöse (revenue) [IFRS X.65a(i)]
Veränderungen des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen (changes in inventories of finished goods and work in progress) andere aktivierte Eigenleistungen (work performed by the entity and capitalised) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (raw materials and consumables used) Personalaufwand (employee benefits expense) planmäßige Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (depreciation and amortisation expense) sonstige Erträge (other income) sonstige Aufwendungen (other expense)
2
–
3 4 5 6
– – + –
Umsatzkosten (cost of sales) [IFRS X.65a(vii), X.71] Vertriebskosten (distribution costs) Verwaltungskosten (administrative expense) sonstige Erträge (other income) sonstige Aufwendungen (other expense)
= ±
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (operating profit or loss) [IFRS X.60a, X.61]
10 11
=
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit und Aufwendungen und Erträge aus integralen Unternehmen [IFRS X.60b, X.62] (operating profit and income and expense from integral associates and joint ventures)
12
±
Aufwendungen und Erträge aus Investitionstätigkeit [IFRS X.47-48] (income and expense from investments)
13
±
Ergebnisanteile aus nicht-integralen Unternehmen [IFRS X.65a(iv)] (share of the profit or loss of non-integral associates and joint ventures)
14
=
Ergebnis vor Finanzierungstätigkeit und Steuern [IFRS X.60c, X.63] (profit or loss before financing and income tax)
15
±
Aufwendungen und Erträge aus Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente
16
±
Aufwendungen und Erträge aus Schulden aus der Finanzierungstätigkeit
17
±
Zinsaufwendungen und -erträge aus Schulden außerhalb der Finanzierungstätigkeit, z. B. Diskontierung von Rückstellungen [IFRS X.49c] (interest income and expense on other liabilities, for example: unwinding of discount on provisions)
18
Ergebnis vor Steuern (profit or loss before tax)
20
= – =
21
±
Ergebnis nach Steuern aus aufgegebenen Geschäftsbereichen [IFRS X.65a(vi), X.55] (profit or loss for the periode from discontinued operations)
22
=
Gewinn oder Verlust (profit or loss) [IFRS X.60d, X.73a]
9
261
Ergebnisanteile aus integralen Unternehmen [IFRS X.65a(iiii), X.53] (share of profit or loss of integral associates and joint ventures)
[IFRS X.49a] (income and expense from cash and cash equivalents) [IFRS X.65a(ii), X.49b] (income and expense on liabilities from financing activities)
19
Steuern (income tax expense) [IFRS X.65a(v), X.54] Ergebnis nach Steuern aus der laufenden Geschäftstätigkeit (profit or loss for the period from continuing operations)
Abb. II.5./10 Beispielgliederung für ein separate income statement nach ED 2019/744
Das IASB fokussiert die Ergebnisspaltung mit den neuen Vorschriften im IFRS X zur Bildung von Kategorien und Zwischensummen sowie der Definiton ungewöhnlicher Ergebnisbeiträge, um die Transparenz über die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. Fraglich ist, ob der Standardsetzer eine nachvollziehbare Abgrenzung zwischen den nach-
44 Beispielhafte Gliederung teilweise vereinfacht entnommen aus IFRS X.IE6 unter Berücksichtigung der Mindestposten gem. IFRS X.65 und der Zwischensummen gem. IFRS X.60.
262
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
haltigen und nichtnachhaltigen Ergebnisgrößen erreicht. Eine Defintion der Hauptgeschäftstätigkeiten zur Abgrenzung des Betriebsergebnisses (operating profit or loss) findet sich nicht. Die Definiton ungewöhnlicher Aufwendungen und Erträge soll künftig eine willkürliche Bereinigung der Erfolgskennzahlen um unübliche Effekte, wie sie in der Praxis gängig ist, vermeiden. Diese ist jedoch unter Verweis auf die Abgrenzungskriterien »in mehreren künftigen Geschäftsjahren« und »vernünftigerweise zu erwarten« ermessensbehaftet. Kritik wird ebenfalls an der Zuordnung der Ergebnisbestandteile aus der Investitionstätigkeit (investing) geübt. Ergebnisteile der Investitionstätigkeit lassen sich einerseits einer operativen Kategorie zuordnen und andererseits einer nichtoperativen Kategorie. Aus diesen Gründen schlagen einige Kommentierungen zum ED 2019/7 eine Beschränkung auf zwei Kategorien vor, das operative und nichtoperative Ergebnis (vgl. Heintges/ Naumann 2020, S. 1522 f.). Das operative Ergebnis würde sich dann aus der Zwischensumme »Betriebsergebnis und Aufwendungen und Erträge aus integralen Unternehmen« und operativen Ergebnisteilen aus der Investitionstätigkeit zusammensetzen. Dem nichtoperativen Ergebnis wäre neben den nichtoperativen Teilen aus dem Investitionsergebnis das »Ergebnis aus Finanzierungstätigkeit« zuzuordnen. Aktuelles Alternative Leistungskennzahlen im Standardentwurf ED/2019/7 Unternehmen veröffentlichen häufig alternative Leistungskennzahlen, wie z. B. den Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT). Da die Berechnung dieser Kennzahlen nicht in den Rechnungslegungstandards normiert ist, werden diese oftmals hinsichtlich der Transparenz ihrer Ermittlung kritisiert. Insofern ist es zu begrüßen, das IFRS X.106 folgend verwendete Leistungskennzahlen in den notes aufzunehmen und zu erläutern sind (hierzu z. B. Freches/Hellmann/Pott 2020; Heintges/Naumann 2020). Veröffentlichungspflichtig sind nunmehr alternative Kennzahlen, die auf den Aufwendungen und Erträgen der GuV basieren und die finanzielle Leistungsfähigkeit aus Sicht des Managements wiedergeben (sog. management performance measures, MPMs). Insofern folgt das IASB hier, wie z. B. auch im Rahmen der Segmentberichterstattung dem Managementansatz (s. Kap. III.4.3.2). Eine Überleitungsrechnung der MPMs aus den Aufwendungen und Erträgen der GuV ist aufzunehmen (IFRS X. 103, 106). Kennzahlen, die nicht auf Erträgen und Aufwendungen aus der GuV basieren, wie z. B. die Eigenkapitalrendite oder Wachstumskennzahlen, stellen ausdrücklich keine MPMs dar (IFRS X.B80). Durch die Aufnahme der MPMs in die notes sind diese nunmehr im Rahmen der Abschlussprüfung prüfungspflichtig. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Diskussionsbedarf besteht z. B. hinsichtilich der Abgrenzung der MPMs zu den finanziellen Leistungsindikatoren im Konzernlagebericht (§ 315 Abs. 1 Satz 3 HGB i. V. m. DRS 20).
b3. Deutsche Normen Vor den Änderungen durch das BilRUG vom 17.7.2015 war gem. § 275 HGB a. F. der Posten »Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit« als Grundlage für die Prognose heranzuziehen. Damit ein Ertrag bzw. Aufwand hingegen als außerordentlich in der GuV auszuweisen war, mussten i. d. R. die beiden folgenden Kriterien kumulativ vorliegen (vgl. hierzu Kirsch/ Ewelt-Knauer 2015, § 277 HGB, Rn. 81 ff.): y Die Ergebniskomponenten müssen außerhalb der normalen Geschäftstätigkeit anfallen, d. h. sie müssen in hohem Maße ungewöhnlich bzw. untypisch sein. y Die Ergebniskomponenten treten selten bzw. unregelmäßig auf. Nach den Änderungen durch das BilRUG wurden der Ausweis außerordentlicher Erträge und Aufwendungen und das sich daraus ergebende außerordentliche Ergebnis sowie das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ersatzlos gestrichen (hierzu z. B. Kühnberger 2017; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1199 ff.). Stattdessen wird gem. § 275 HGB nun-
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
263
mehr der Posten »Ergebnis nach Steuern« als eine »umfassende Erfolgsgröße« 45 ausgewiesen, ohne zwischen betriebsgewöhnlichem und außerordentlichem Ergebnis zu unterscheiden. Die bisher als außerordentlich ausgewiesenen Ergebniskomponenten werden vielmehr im Wesentlichen unter die Posten »sonstige betriebliche Erträge« und »sonstige betriebliche Aufwendungen« gefasst, da diese aufgrund ihres unregelmäßigen Entstehens nicht unter die Definition der Umsatzerlöse nach § 277 Abs. 1 HGB fallen. Der nach den Änderungen durch das BilRUG fehlende Ausweis außerordentlicher Ergebniskomponenten in der GuV wird durch entsprechende Anhangangaben zumindest teilweise kompensiert. So müssen gem. dem eingefügten § 285 Nr. 31 HGB »jeweils der Betrag und die Art der einzelnen Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung« angegeben werden. Zudem sind periodenfremde Erträge und Aufwendungen gem. der neu eingefügten Nr. 32 dieses Paragrafen zu erläutern. Der Anhang wirkt hier also primär in seiner Ergänzungsfunktion (s. Kap. II.5.3.3.5). Dafür, dass es sich bei diesen Angaben nicht lediglich um eine Verschiebung der außerordentlichen Erträge und Aufwendungen in den Anhang handelt, spricht, dass sich diese nicht mehr nur auf die außerordentlichen Erträge und Aufwendungen beschränken, sondern für sämtliche Erträge und Aufwendungen zu tätigen sind, die als außergewöhnlich zu klassifizieren sind (siehe hierzu Kolb/Roß 2015, S. 874 f.; Zwirner 2015, S. 17 f.). Eine Konkretisierung dessen, was als außergewöhnlich anzusehen ist, soll im Einzelfall vor allem durch die Verhältnisse im Unternehmen bestimmt werden. Hierbei kann auch die bisherige Abgrenzung »der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit indiziell weiter herangezogen werden«46 . 5.3.3.4 Eigenkapitalveränderungsrechnung bzw. Eigenkapitalspiegel und Ergebnisverwendungsrechnung Eine Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity) gem. IAS 1.106 ff. muss die folgenden Bestandteile beinhalten: y Den Gesamtperiodenerfolg (s. Kap. II.5.3.3.3.a), wobei die den Anteilseignern des Mutterunternehmens und den Minderheitsgesellschaftern zurechenbare Beträge gesondert zu zeigen sind. y Für jede Eigenkapitalkomponente sind die Auswirkungen aus der Änderung von Rechnungslegungsmethoden sowie von Fehlerkorrekturen gem. IAS 8 (s. Kap. II.5.3.2.3.b13) zu zeigen. y Für jede Komponente des Eigenkapitals ist der Buchwert zu Beginn auf den Buchwert am Ende des Geschäftsjahres überzuleiten, wobei mindestens die Veränderung aus dem Jahresergebnis, dem OCI und aus Transaktionen mit den Anteilseignern des Mutterunternehmens in ihrer Eigenschaft als Eigenkapitalgeber separat zu zeigen sind. Nachstehend findet sich ein einfaches Zahlenbeispiel für eine Eigenkapitalveränderungsrechnung über zwei Jahre (ohne Beteiligung von Minderheiten; zu einem ausführlichen Beispiel nebst Erläuterung vgl. IAS 1.IG6; ferner auch Sepetauz/Behrmann 2014, S. 367 f.).
45 Kirsch/Ewelt-Knauer 2015, § 275 HGB, Rn. 32. Siehe zudem ebd., Rn. 32 ff. und § 277 HGB, Rn. 81 ff. 46 Deutscher Bundestag 2015: Drucksache 18/4050 vom 20.2.2015, S. 67. So auch Deutscher Bundesrat 2015: Drucksache 23/15 vom 23.1.2015, S. 81.
264
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Beispiel Eigenkapitalveränderungsrechnung Alle Zahlenangaben in T€
Saldo zum 1.1.t1
NeuNicht Wähgezeich- Kapital- Gewinnbewerzum rungsrücklage rücknetes umrech- Handels- tungslagen Kapital nungs- bestand rücklage differen- gehörende zen Finanzinstrumente
Gesamtes Eigen kapital
500
200
100
–40
–
–
760
–
–
–10
–
–
–
–10
500
200
90
–40
–
–
750
Eigenkapitalveränderungen t1 Dividenden
–
–
–
–
–
–
Gesamtperiodenerfolg t1
–
–
310
90
–
200
600
500
200
400
50
–
200
1.350
Änderung der Rechnungslegungsmethode Angepasste Eröffnungswerte
Stand 31.12.t1 Eigenkapitalveränderungen t2
100
400
–
–
–
–
500
Dividenden
Kapitalerhöhung
–
–
–100
–
–
–
–100
Gesamtperiodenerfolg t2
–
–
340
20
300
Umgliederung in Gewinnrücklagen
–
–
200
–
–
–200
–
600
600
840
70
300
–
2.410
Stand 31.12.t2
660
Erläuterungen Die aus der geänderten Rechnungslegungsmethode resultierenden Beträge (10 T€) sind ergebnisneutral mit den Gewinnrücklagen zu verrechnen (IAS 8; s. Kap. II.5.3.2.3.b13). In t2 wurde eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen durchgeführt (s. Kap. III.3.6.3.1.b). Zudem wurde in dieser Periode eine Werterhöhung des Grundstücks (200 T€) ergebnisneutral in der Neubewertungsrücklage erfasst und in t2 ergebnisneutral in die Gewinnrücklagen umgebucht (IAS 16, 36; zum Neubewertungsmodell s. Kap.II.5.3.8.2.f). Weiterhin wurde in t2 annahmegemäß eine Werterhöhung bei nicht zum Handelsbestand gehörigen finanziellen Vermögenswerten (300 T€) ergebnisneutral erfasst (IFRS 9; s. Kap. III.3.4.2.5.c). Der Gesamtperiodenerfolg in t2 (660 T€) setzt sich zusammen aus dem Jahresergebnis (profit im separate income statement in Höhe von 340 T€) sowie dem other comprehensive income (320 T€), welches sich wiederum aus Währungsdifferenzen und der bereits zuvor angesprochenen Werterhöhung bei den zur Veräußerung verfügbaren Finanzinstrumenten zusammensetzt. Bemerkenswert ist, dass das Jahresergebnis in der Eigenkapitalveränderungsrechnung offensichtlich direkt den Gewinnrücklagen zugewiesen wird (siehe auch IAS 1.IG6).
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Das deutsche Handelsrecht kennt im Unterschied zu den IFRS keine direkten Ergebnisbuchungen im Eigenkapital. Gleichwohl fordert § 297 Abs. 1 S. 1 HGB auf Konzernebene mit dem Eigenkapitalspiegel eine der Eigenkapitalveränderungsrechnung ähnliche Aufstellung. Einzelheiten der Erstellung gibt DRS 22 vor (vgl. hierzu Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 625 ff.). Einen engen Zusammenhang zur Eigenkapitalveränderungsrechnung bzw. zum Eigenkapitalspiegel weist die Ergebnisverwendungsrechnung auf (hierzu Abb. II.5./11). Ergebnisverwendung bedeutet, dass z. B. Teile des Jahresüberschusses (900 T€) bereits in der Periode, in der diese in der GuV realisiert wurden (t1) in die Gewinnrücklagen eingestellt werden (250 T€) und nur noch der verbleibende Betrag als Bilanzgewinn gezeigt wird, der im nächsten Geschäftsjahr (t2) für Ausschüttungszwecke zur Verfügung steht (650 T€).
– = ± + + – = – =
Erträge Aufwendungen Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag (Jahresergebnis)
Ergebnisermittlung (GKV oder UKV gem. § 275 Abs. 2 und 3 HGB)
Gewinnvortrag / Verlustvortrag aus dem Vorjahr Entnahmen aus der Kapitalrücklage Entnahmen aus Gewinnrücklagen Einstellungen in Gewinnrücklagen Bilanzgewinn / Bilanzverlust zum Bilanzstichtag
teilweise / vollständige Ergebnisver wendung (gem. § 268 Abs. 1 HGB i. V. m. § 158 Abs. 1 AktG)
auszuschüttender Betrag Gewinnvortrag / Verlustvortrag (für die Folgeperiode)
sonstige Ergebnisverwendung (keine Ergebnisverwendung i. S. von § 268 Abs. 1 HGB)
Abb. II.5./11 Ergebnisermittlung und Ergebnisverwendung am Beispiel einer deutschen AG
Deutsche Aktiengesellschaften haben gem. § 268 Abs. 1 HGB das Wahlrecht, in der GuV das Jahresergebnis auszuweisen oder ihre GuV unter Berücksichtigung einer vollständigen oder teilweisen Ergebnisverwendungsrechnung zu erstellen: y Nach herrschender Meinung ist eine teilweise Ergebnisverwendung zwingend, wenn z. B. Rücklageneinstellungen durch Gesetz oder Satzung verpflichtend sind (§§ 58 Abs. 1, 150 AktG). y Eine vollständige Ergebnisverwendung setzt voraus, dass die Ergebnisverwendung spätestens bei Aufstellung der Bilanz beschlossen wurde. I. d. R. liegen jedoch entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung (AG) erst nach dem Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz (s. Kap. I.3.2.2.1.b) vor, sodass der auszuweisende Bilanzgewinn diese Beträge noch beinhaltet. Eine vollständige Ergebnisverwendung kommt zudem (bei einer AG und bei einer GmbH) bei Ausgleich eines Jahresfehlbetrags durch einen Gewinnvortrag oder durch Auflösung vorhandener Rücklagen in Betracht. Möglich ist es auch, einen Verlustvortrag durch einen Jahresüberschuss auszugleichen (vgl. Böcking/ Gros/Wallek 2019, § 268 HGB, Rn. 1 ff.). Eine Ergebnisverwendungsrechnung ist den IFRS unbekannt. Lediglich die beschlossene oder vorgeschlagene Dividende je Aktie ist in der Eigenkapitalveränderungsrechnung oder alternativ in den notes anzugeben (IAS 1.107, 1.137). Die in einer Ergebnisverwendungsrechnung gegebenen Informationen finden sich nach internationalen Normen zumeist in der
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Eigenkapitalveränderungsrechnung. Gleichwohl sind für eine deutsche AG bei der Erstellung eines IFRS-Abschlusses die aktienrechtlichen Regelungen bedeutsam. 5.3.3.5 Angaben zum Jahresabschluss und weitere Pflichtangaben Bilanz und GuV bilden die ökonomische Realität in Zahlenform ab. Allerdings lassen sich die einzelnen Werte allein anhand der bloßen Zahlenangaben nur schwer nachvollziehen. Aus diesem Grunde finden sich weitere Angaben in den notes nach internationalen Normen bzw. im Anhang nach deutschen Normen. Praxisbeispiele zu den notes finden sich in Leibfried/ Weber/Rummel 2015. y Diese Angaben kommentieren bzw. interpretieren Bilanz und GuV (Erläuterungsfunktion). y Die Angaben wirken zugleich entlastend, d. h., um die Klarheit und Übersichtlichkeit von Bilanz und GuV zu erhöhen, sind stärker ins Detail gehende Informationen in die notes bzw. den Anhang zu verlagern (Entlastungsfunktion). y Des Weiteren wirken die Angaben ergänzend, indem dem Abschlussadressaten Informationen über nicht in die Bilanz und GuV aufzunehmende Posten gegeben werden, deren Kenntnis gleichwohl bedeutsam erscheint (Ergänzungsfunktion). Dabei kann es sich z. B. um Angaben über mögliche künftige finanzielle Verpflichtungen des Unternehmens aus dem Abschluss eines Leasingvertrags handeln, die nicht aus der Bilanz und der GuV ersichtlich sind. Die notes müssen gem. IAS 1.112 mindestens die folgenden Angaben beinhalten: y Informationen über die Grundlagen der Aufstellung des Abschlusses und die gem. IAS 1.117-124 angewandten wesentlichen Rechnungslegungsmethoden. y Informationen, die von Standards oder Interpretationen verlangt und an keiner anderen Stelle des Abschlusses gegeben werden. Zu nennen sind z. B. Sitz und Rechtsform des Unternehmens, das Land, in dem es als juristische Person eingetragen ist und die Beschreibung der Geschäftstätigkeit (IAS 1.138). y Zusätzliche Informationen, die nicht in anderen Abschlussbestandteilen dargestellt wurden, aber für das Verständnis derselben relevant sind. Weiterhin finden sich in den notes Angaben, die nach handelsrechtlichen Vorschriften im Lagebericht zu geben sind. Beispielsweise sind nach IAS 1.114dii unter Verweis auf IFRS 7 die Risikomanagementziele und -methoden des Unternehmens anzugeben. Diese Angaben finden sich im Risikobericht, der einen Teilbericht des Lageberichts darstellt (s. Kap. III.4.4.2.4). Dem ED/2019/7 folgend ist in den notes auch über alternative Leistungskennzahlen zu berichten (s. Kap. II.5.3.3.3.b2) Geschäftsbericht Angaben gem. IAS 1.117 Nachstehend finden sich die Angaben der technotrans AG zur Grundlage für die Aufstellung des Abschlusses: »Der Konzernabschluss wurde unter Anwendung von § 315e HGB (»Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards«) im Einklang mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) und den diesbezüglichen Interpretationen des International Accounting Standards Board (IASB) aufgestellt. Dabei wurden alle verpflichtend anzuwendenden, von der Europäischen Union übernommenen Vorschriften berücksichtigt« (technotrans AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 130).47
47 Zum Komitologieverfahren der EU s. Kap. I.2.2.4.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Weiterhin werden im Hinblick auf die angewandten Rechnungslegungsmethoden und hier insbes. im Hinblick auf die Sachanlagen die folgenden Feststellungen getroffen: »Sachanlagen werden zu historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich planmäßiger Abschreibungen und kumulierter Wertminderungsaufwendungen bewertet. Nachträgliche Anschaffungskosten werden aktiviert, soweit sie den Wert der Sachanlage erhöhen. Bei selbst erstellten Sachanlagen werden die Herstellungskosten anhand der Einzelkosten sowie der systematisch zurechenbaren fixen und variablen Produktionsgemeinkosten einschließlich Abschreibungen ermittelt. Laufende Instandhaltungs- und Reparaturaufwendungen werden nach Anfall als Aufwand erfasst« (technotrans AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 134).
Nach IAS 1.113 sind die Angaben in den notes systematisch darzustellen. Jeder Posten in der Bilanz, der GuV und der Kapitalflussrechnung muss einen Querverweis zu sämtlichen dazugehörigen Angaben in den notes haben (s. Kap. II.5.3.3.2; II.5.3.3.3 und die dort dargestellte Bilanz- und GuV-Gliederung). Die speziellen Angabepflichten in den notes sind zumeist den jeweiligen Einzelstandards zu entnehmen und nicht einheitlich in einer Norm geregelt (z. B. IAS 2.36 ff.; IAS 11.39 ff.). Für die angabepflichtigen Informationen existieren Checklisten (vgl. z. B. Petersen/Bansbach/Dornbach 2021; Wollmert/Bischof 2021). Zudem müssen die notes alle Entscheidungen der Unternehmensleitung in Zusammenhang mit der Anwendung der Rechnungslegungsmethoden (mit Ausnahme solcher, die Schätzungen betreffen) offenlegen, die besonders signifikante Auswirkungen auf die Höhe der Abschlussposten gehabt haben (IAS 1.122). Ein solches Vorgehen erscheint in hohem Maße geeignet, der Unternehmensleitung die Motivation zu nehmen, sich abschlusspolitisch (s. Kap. II.7.2) zu betätigen. Darüber hinaus ist über zentrale Quellen von Schätzunsicherheiten zu berichten (IAS 1.125 ff.; Bischof/Wendlandt 2020, IAS 1, Tz. 195 ff. sowie bereits Ruhnke 2007, S. 163). Begründet werden diese Angabeerfordernisse damit, dass auf diese Weise die Relevanz, die Zuverlässigkeit und Verständlichkeit der im Abschluss gegebenen Informationen verbessert werden (IAS 1.BC81). Einzugehen ist auf die wichtigsten Annahmen über die künftige Entwicklung und andere Schätzunsicherheiten, die ein bedeutsames Risiko (significant risk) bergen, binnen des nächsten Geschäftsjahres die (fortgeführten) Buchwerte der assets und liabilities wesentlich anzupassen (IAS 1.125). Um die Beurteilungen (judgement) des Managements hinsichtlich der künftigen Entwicklung und anderer Schätzunsicherheiten zu verstehen, sind Angaben zum aktuellen (fortgeführten) Buchwert sowie zur Natur der Unsicherheiten zu tätigen (zu den Angaben in Rahmen der going-concern-Annahme s. Kap. II.5.3.2.2a). Dabei erscheinen z. B. die folgenden Angaben hilfreich: y Angaben zur Sensitivität der fortgeführten Buchwerte, z. B. in Bezug auf die gesetzten Annahmen einschließlich der Gründe für das Bestehen dieser Sensitivität (IAS 1.129b). y Angabe einer nach vernünftigen Annahmen geschätzten Bandbreite (the range of reasonably possible outcomes), innerhalb derer der Wertansatz im folgenden Geschäftsjahr liegen wird (IAS 1.129c). Nimmt diese Bandbreite im Rahmen der Ermittlung eines geschätzten fair value ein bedeutsames Ausmaß an, so wird die Auffassung vertreten, dass dieser nicht zuverlässig ermittelbar ist.48 In diesem Fall greift z. B. bei Finanzinstrumenten eine anschaffungskostenorientierte Bewertung (s. Kap. III.3.4.2.4).
48 I. d. S. auch Ernst & Young 2005, S. 6: »In our view, fair value measures can be considered reliable only if the variability in the range of reasonable fair value estimates is not significant«.
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Diese Berichterstattungserfordernisse zu den zentralen Quellen von Schätzunsicherheiten werden z. B. in IAS 37.85b und IFRS 7.40 f. und 13.91 ff. konkretisiert (so auch der Hinweis in IAS 1.133). Weitere Konkretisierungen finden sich z. B. in IAS 19, 36 und IFRS 2. Wird beispielsweise ein Nutzungswert gem. IAS 36 (s. Kap. II.5.3.8.2.c) geschätzt, müssten signifikante Annahmen variiert und der daraus resultierende Einfluss auf die Wertermittlung gezeigt werden. So dürften die diskontierten Cashflows einer Mobilfunklizenz u. a. in Abhängigkeit davon variieren, ob ein Lizenznehmer künftig auch tatsächlich Dienste anbietet (oder wie z. B. die Mobilcom AG ihre UMTS-Lizenz zurückgeben musste) und wie hoch die Akzeptanz dieser neuen Dienste in der relevanten Zielgruppe der Bevölkerung ist bzw. sein wird. Methodisch besteht ein enger Zusammenhang zur Methode des mehrwertigen Planens. Ein solches Vorgehen empfiehlt das IDW in Zusammenhang mit der Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1.88). Die sich ergebende Bandbreite plausibler Nutzungswerte ist anzugeben.49 Geschäftsbericht und Empirie Die Deutsche Post AG gibt betragsmäßig an, wie der Nutzungswert und der sich in Folge ergebende Wertberichtigungsbedarf (IAS 36) in Abhängigkeit von den geschätzten Wachstumsraten und veränderten Kapitalkostensätzen variiert (zentrale Quellen von Schätzunsicherheiten): »Für die Ermittlung des Wertbeitrags aus der ewigen Rente ist es erforderlich, sich auf bestimmte Annahmen hinsichtlich der langfristigen Entwicklung ab 2009 festzulegen. Diese Annahmen wirken mit unterschiedlichen Sensitivitäten auf den Nutzungswert. y Für die CGU (cash generating unit, der Verf.) EXPRESS America würde ein ab 2009 um 10 % niedriger als langfristig angenommenes EBITDA (earnings before interest, tax, depreciation and amortization; s. Kap. II.7.2.2.2.c, die Verf.) einen zusätzlichen Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 486 Mio. € auslösen. y Falls die Wachstumsrate um 10 % niedriger angesetzt würde, ergäbe dies einen zusätzlichen Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 219 Mio. €. y Sofern die Kapitalkosten um 10 % höher angenommen würden, ergäbe sich ein zusätzlicher Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 376 Mio. €.« (Deutsche Post AG 2006 (Geschäftsbericht 2005), S. 99, jedoch ohne Einrückungen im Original.) Demnach stehen sich ein fortgeführter Buchwert der CGU in Höhe von ca. 1.400 Mio. € (vgl. Deutsche Post AG 2006 (Geschäftsbericht 2005), S. 97) sowie ein potenzieller Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 1.081 Mio. € (486 Mio. € + 219 Mio. € + 376 Mio. €) gegenüber. Im Geschäftsbericht der Henkel AG & Co. KGaA finden sich folgende Ausführungen: »Im Rahmen einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Sensitivitätsanalyse wurde eine Erhöhung der gewichteten Kapitalkosten um 1 Prozentpunkt, eine Minderung der langfristigen Wachstumsrate um 0,5 Prozentpunkte sowie ein um 10 Prozent verringerter Free Cashflow im Rahmen der Werthaltigkeitstests angenommen. Auf dieser Grundlage würde sich kein weiterer Wertminderungsbedarf ergeben« (Henkel AG & Co. KGaA 2021 (Geschäftsbericht 2020), S. 199). Empirische Studien belegen den Nutzen von Sensitivitätsanalysen. Beispielsweise zeigen Eilifsen/Hamilton/Messier 2021 in einem Experiment (s. Kap. I.4.3.5), dass Investoren bei Kenntnis der Wesentlichkeitsgrenze des Abschlussprüfers eine signifikant höhere Bereitschaft zur Investition zeigen, wenn auf den beizulegenden Zeitwert bezogene Sensitivitätsanalysen eine geringe und keine hohe Sensitivität zeigen.
49 Zu den damit verbundenen Problemen siehe z. B. Hoffmann/Lüdenbach 2006, S. 1965 ff.
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Auch nach deutschen Normen ist der Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personengesellschaften zwingend um einen Anhang zu erweitern (§§ 264 Abs. 1 S. 1, 297 Abs. 1 S. 1 HGB; hierzu Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 725 ff.). Die Erläuterungen der Bilanz und GuV sind vor allem in den §§ 284, 313 HGB normiert, beispielsweise müssen nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB die auf die Posten der Bilanz und GuV angewandten Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden angegeben werden. Des Weiteren geben primär die §§ 285, 314 HGB eine Vielzahl weiterer Pflichtangaben vor. Beispielsweise sind nach § 285 Nr. 3 HGB Art und Zweck sowie Risiken und Vorteile von außerbilanziellen Geschäften anzugeben, soweit dies für die Beurteilung der Finanzlage notwendig ist. Darüber hinaus verlangen §§ 285 Nr. 9a), 314 Abs. 1 Nr. 6a) HGB über die Vergütung der Organmitglieder zu berichten (vgl. hierzu auch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung). Weitere Angabepflichten für den Anhang finden sich u. a. in den §§ 265, 268 u. 277 HGB. Hinzu treten rechtsformspezifische Vorschriften für den Anhang (z. B. § 160 AktG u. § 42 Abs. 3 GmbHG). Neben der Erläuterungs-, Entlastungs- und Ergänzungsfunktion besitzt der Anhang deutscher Prägung auch eine Korrekturfunktion. Diese findet ihren Ausdruck in den §§ 264 Abs. 2 S. 2, 297 Abs. 2 S. 3 HGB, wonach in den Fällen, in denen der Abschluss aufgrund besonderer Umstände nicht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt, diese Darstellung durch Angaben im Anhang zu korrigieren ist. Hierunter lassen sich ggf. auch Schätzspielräume subsumieren, sofern die Bewertung mit einem konkreten Wert alleine nicht ausreicht, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln. Im HGB existiert keine dem IAS 1.125 ff. entsprechende Regelung. Im Einzelfall können sich aus der allgemeinen Erläuterungsfunktion des Anhangs gem. §§ 284 Abs. 2 Nr. 1, 313 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB (Angabe der auf die Posten von Bilanz und GuV angewandten Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden) ähnliche Berichterstattungserfordernisse ergeben. Insgesamt erscheinen die internationalen Normen vorziehenswürdig, da diese den Abschlussersteller in den angesprochenen Fällen deutlich klarer zur Berichterstattung verpflichten. Gleichwohl verbleiben auch hier Ermessensspielräume bei der Auslegung unbestimmter Normenbegriffe. Als Beispiel ist IAS 1.125 zu nennen, der folgende unbestimmte Normenbegriffe enthält: major sources of estimation uncertainty, significant risk und material adjustment.
5.3.4 Ansatz- und Bewertungskonzeption Bei der Bilanzierung von Abschlussposten in der Bilanz und der GuV sind zwei Entscheidungen zu treffen. Die erste Entscheidung betrifft die grundsätzliche Frage, ob ein Posten in der Bilanz oder GuV überhaupt anzusetzen ist (Ansatzentscheidung, auch »Bilanzierung dem Grunde nach«). Ist dies der Fall, ist im zweiten Schritt zu entscheiden, mit welchem Betrag der Posten anzusetzen ist (Bewertungsentscheidung, auch »Bilanzierung der Höhe nach«). Abbildung II.5./12 verdeutlicht den im Folgenden näher zu untersuchenden Entscheidungsprozess.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
IASB Conceptual Framework (Ebene der Abschlusselemente)
Einzelstandards / Interpretationen (Ebene der Abschlussposten)
definitorische Voraussetzungen
allgemeine Ansatzkriterien
zumeist Konkretisierungen und/oder Einschränkungen
Ist ein Posten im Abschluss anzusetzen? (Entscheidung 1)
spezifische Ansatzkriterien und Ansatzverbote sowie -ausweitungen
Ansatzkriterien
ja Mit welchem Betrag ist der Posten im Abschluss anzusetzen? (Entscheidung 2) Bewertungsmaßstäbe
erste Anhaltspunkte
Bewertungsmethoden
Abb. II.5./12 Ansatz- und Bewertungskonzeption des IASB
Ansatz- bzw. Bewertungskonzeptionen sind dabei stets auf y ein Recht (right) oder eine Gruppe von Rechten, y eine Verpflichtung (obligation) oder eine Gruppe von Verpflichtungen, oder y eine Gruppe von Rechten und Verpflichtungen, anzuwenden (IASB F.4.48). Hier stellt sich die Frage, wie diese Rechte oder Verpflichtungen bzw. eine Gruppe von Rechten und Verpflichtungen (auf welche die Ansatz- und Bewertungskonzeptionen anzuwenden sind) abzugrenzen sind (Abgrenzung einer Bilanzierungseinheit, unit of account). Zu den Kriterien, die für die Abgrenzung heranzuziehen sind, gehören nach IASB F.4.51a z. B. ähnliche Risiken, eine gemeinsame Verwendung im Geschäftsablauf oder eine fehlende Einzelverwertbarkeit. Die Abgrenzung einer solchen Einheit muss den Primärgrundsätzen genügen, d. h., relevante Informationen über Vermögenswerte und Schulden sowie damit verbundene Erträge und Aufwendungen vermitteln und eine glaubwürdige Darstellung der Abschlussposten ermöglichen (IASB F.4.51).
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Das gewählte Vorgehen kann unter bestimmten Bedingungen dazu führen, dass für die Ansatz- und Bewertungsentscheidung unterschiedliche Bilanzierungseinheiten abgegrenzt werden (dabei kann auch ein individuelles Recht oder eine individuelle Verpflichtung eine solche Einheit darstellen; IASB F.4.55a). Beispielsweise können Verträge als Teil eines Portfolios bewertet, aber einzeln angesetzt werden (IASB F.4.49). Die Bildung einer Bilanzierungseinheit wird ggf. in den Einzelstandards konkretisiert (IASB F.BC4.76): Beispielsweise können risikobehaftete Steuersachverhalte (hier bestehen Unsicherheiten, ob die Steuerbehörde ein vom Unternehmen gewähltes ertragsteuerliches Vorgehen akzeptiert) entweder einzeln oder zusammengefasst beurteilt werden, und zwar in Abhängigkeit davon, welche Vorgehensweise die bessere Vorhersage der Auflösung der Unsicherheit ermöglicht (IFRIC 23.6 als standardspezifischer Anwendungsfall von IASB F.4.48 ff.). Es wird deutlich, dass die Ausrichtung an der Entscheidungsnützlichkeit dazu führt, dass international dem Grundsatz der Einzelbewertung im Vergleich zu den deutschen GoB (s. Kap. II.4.4.2.3) eine deutlich geringere Bedeutung zukommt. Rahmennormen zu den Ansatz- und Bewertungsentscheidungen finden sich vor allem im IASB Conceptual Framework. Diese Normen sind grundsätzlicher Natur, d. h. ihre grundlegenden Ansatz- und Bewertungskonzeptionen finden sich in einer Vielzahl von Einzelstandards wieder (vgl. auch Baetge et al. 2019, Rz. 102 ff.). Diese Normen werden daher im Folgenden vor die »Klammer« und somit vor die Ausführungen zu den einzelnen Abschlussposten in Kapitel III gezogen. Dem zweistufigen Vorgehen entsprechend werden zunächst die Rahmennormen zur Ansatzentscheidung dargestellt (IASB F 5.1-5.25, s. Kap. II.5.3.5, Abb. II.5./12, Ansatzentscheidung). Hierbei wird zunächst die Normensystematisierung im Framework im erläutert. Hierauf aufbauend werden im Anschluss die einzelnen Anforderungen dargestellt. Die Ausbuchung von Bilanzposten (assets, liabilities) normiert IASB F.5.26-5.33 (s. Kap. II.5.3.6, II.5.3.8.4). Bei der Bewertungsentscheidung geht es darum, mittels eines geleiteten Verfahrens den Geldbetrag zu bestimmen, mit dem Abschlussposten zu erfassen und in der Bilanz und in der GuV anzusetzen sind (IASB F 6.1 ff.). Bei diesem Prozess wird – unabhängig von der konkreten nationalen oder internationalen Normierung – zwischen der Zugangsbewertung zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes und der Folgebewertung im weiteren Geschäftsverlauf unterschieden. Bewertungsfragen werden in IASB F.6.1-6.91 (measurement) thematisiert. Hier findet sich eine Kategorisierung von Bewertungsmaßstäben. Solche Bewertungsmaßstäbe liegen einer jeden Bewertung konzeptionell zugrunde. Abschlusspostenbezogene Vorgaben zur Erst- und Folgebewertung, welche diese Bewertungsmaßstäbe verwenden und stellenweise modifizieren, sind hingegen in den Einzelstandards normiert. Im HGB findet sich dagegen eine Vielzahl allgemeiner Bewertungsregeln (z. B. §§ 252, 253 und 255 HGB), die z. B. das Anlage- oder Umlaufvermögen sowie die zentralen Bewertungsmaßstäbe Anschaffungs- oder Herstellungskosten betreffen. Allerdings enthält das HGB deutlich weniger abschlusspostenspezifische Regeln, die zudem weitaus weniger detailliert sind als die entsprechenden IASB-Regeln (vgl. z. B. § 253 Abs. 1 HGB zu den Rückstellungen im Vergleich zu IAS 37.36 ff.). Die folgenden Abschnitte zur Bewertungsentscheidung stellen daher nach einer konzeptionellen Einführung (s. Kap. II.5.3.6.1) zunächst die entsprechenden Bewertungsmaßstäbe nach dem Framework dar (s. Kap. II.5.3.6.2). Da ein weit verbreiteter Bewertungsmaßstab, der sog. fair value, im Einzelstandard IFRS 13 mit Rahmennormenqualität geregelt ist, werden auch diese Regelungen gleichsam an dieser Stelle »vor die Klammer gezogen«
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
(s. Kap. II.5.3.5.3). Um einen umfassenden Überblick über die Bewertungsmaßstäbe zu geben, werden anschließend alle weiteren Bewertungsmaßstäbe unabhängig von einer Normierung in Rahmennormen kurz dargestellt (s. Kap. II.5.3.5.4). Hierauf aufbauend werden zunächst die Erstbewertung (s. Kap. II.5.3.7) und dann die Folgebewertung (s. Kap. II.5.3.8) auch vergleichend zu den deutschen GoB dargestellt.
5.3.5 Ansatz 5.3.5.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen Die internationalen Normen, die den Ansatz in der Bilanz und GuV regeln, umfassen zwei Stufen (vgl. z. B. Baetge et al. 2019, Rz. 68 ff.): y Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob die definitorischen Voraussetzungen eines Abschlusselementes (the elements of financial statements) erfüllt sind (IASB F.4.1-4.72). Die definitorischen Voraussetzungen beziehen sich nicht auf einzelne Abschlussposten (z. B. Sachanlagen oder Rückstellungen), sondern auf alle Elemente eines Jahresabschlusses. Elemente der Bilanz sind auf der Aktivseite die Vermögenswerte (assets) und auf der Passivseite das Eigenkapital (equity) und die Schulden (liabilities). Elemente der GuV sind Erträge (income) und Aufwendungen (expenses). y Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob die allgemeinen Ansatzkriterien (IASB F.5.6-5.25) erfüllt sind. Ist dies der Fall, ist ein Posten im Abschluss anzusetzen. Die allgemeinen Ansatzkriterien beziehen sich auf alle zuvor genannten Elemente. Die definitorischen Voraussetzungen sowie die allgemeinen Ansatzkriterien entsprechen konzeptionell der abstrakten Aktivierungs- und Passivierungsfähigkeit nach den deutschen GoB (s. Kap. II.4.4.6.1; II.4.4.6.2). Hierzu zählen auch die Konkretisierungen in den Einzelstandards oder Interpretationen. Das Pendant zu den handelsrechtlichen Normen der konkreten Aktivierungs- und Passivierungsfähigkeit (s. Kap. II.4.4.6.1; II.4.4.6.2) bilden die Einschränkungen auf Ebene der Einzelstandards. Als Beispiele sind die Ansatzverbote in IAS 38.54 und 38.63 zu nennen. Ausnahmsweise finden sich auch Ausweitungen auf Einzelstandardebene. Beispielsweise sind auf Konzernebene im Rahmen der Kaufpreisallokation u. a. bestimmte Vermögens- und Schuldposten anzusetzen, die auf Ebene des Einzelabschlusses nicht aktivierbar sind.50 Den zuvor beschriebenen Zusammenhang verdeutlicht Abbildung II.5./12. Da die Einzelstandards dem Framework vorgehen, muss von den Regelungen im Framework abgewichen werden, sofern ein spezifischer Einzelstandard etwas anderes bestimmt (zur Normhierarchie s. Kap. II.5.3.1). Die Rahmennormen sind bei der Beantwortung der Frage nach dem Ansatz demnach nur dann bedeutsam, wenn ein Sachverhalt nicht in einem Einzelstandard oder einer bestimmten Interpretation geregelt ist (s. Kap. II.6.1) oder die Anwendung eines Einzelstandards oder einer bestimmten Interpretation nicht zu einer »fair presentation« führt. Die Überprüfung der definitorischen Voraussetzungen und der allgemeinen Ansatzkriterien sowie der auf den Ansatz bezogenen Regelungen der Einzelstandards und Interpre-
50 So auch IFRS 3.13. Beispielsweise wird auf Konzernebene in Bezug auf immaterielle Vermögensposten das Erfordernis eines wahrscheinlichen Nutzenflusses (IAS 38.21) durch das Erfordernis der Identifizierbarkeit ersetzt, wobei das zuletzt angesprochene Erfordernis regelmäßig eher gegeben ist. Dies führt wiederum im Ergebnis dazu, dass bestimmte immaterielle Vermögensposten nur im Konzernabschluss anzusetzen sind. In ähnlicher Form sind im Rahmen der Kaufpreisallokation die auf Einzelabschlussebene nicht ansetzbaren contingent liabilities zu passivieren (IFRS 3.23). Vgl. hierzu IFRS 3.11 ff., B28 ff. sowie s. Kap. III.6.3.1; IV.5.3.1.5.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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tationen (diese können sich auf die definitorischen Voraussetzungen und die Ansatzkriterien i. e. S. beziehen; vgl. z. B. IAS 38.18) führt demnach zur Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Abschlussposten anzusetzen ist oder nicht (Ansatzentscheidung). Nachstehend werden zunächst die für alle Elemente geltenden allgemeinen Ansatzkriterien näher untersucht. Anschließend werden die definitorischen Voraussetzungen entlang der einzelnen Elemente dargestellt (s. Kap. II.5.3.5.3-II.5.3.5.7). 5.3.5.2 Allgemeine Ansatzkriterien Die allgemeinen Ansatzkriterien für alle Elemente finden sich in IASB F.5.7. f. Hiernach sind Abschlussposten dann anzusetzen, wenn y der Ansatz zu relevanten Informationen führt (IASB F.5.7a) und y diese sich glaubwürdig darstellen lassen (IASB F.5.7b). Wie bereits in IASB F.2.39 ausgeführt, unterliegen auch die Ansatzentscheidungen der Kostenrestriktion (cost constraint; IASB F.5.8), d. h., es kann ausnahmsweise auf einen Ansatz verzichtet werden, wenn die Kosten der Informationsbereitstellung und -auswertung den Nutzen der Information übersteigen. Bereits diese Beurteilung geht mit Ermessen einher, da die hiermit einhergehenden Beurteilungen stets von den individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Abschlussadressaten abhängen (IASB F.5.9). Die Beurteilung der beiden genannten Kriterien der Relevanz und Glaubwürdigkeit geht gleichfalls regelmäßig mit einem hohen Ermessen einher (IASB F.5.12 ff. sowie F.BC.12 ff.): IASB F.5.12 nennt beispielhaft zwei Fälle, bei denen der Ansatz eines Elements zu einer nicht relevanten Information führen kann: Genannt wird als erster Fall eine bestehende Unsicherheit bezüglich der Existenz des Elements (existence uncertainty, IASB F.5.14) und als zweiter Fall eine geringe Wahrscheinlichkeit für den Zufluss bzw. Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen (low probability of an inflow or outflow of economic benefits, IASB F.5.15 ff.). Allerdings führt der Ansatz eines Elements trotz Vorliegen einer dieser Fälle nicht zwangsläufig (automatically) zu einer nicht relevanten Information (IASB F.5.13). Bestehende Zweifel sind ggf. in den notes zu erläutern. Hierzu gehören Angaben zur möglichen Höhe der Zu- oder Abflüsse und der Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für Zu- und Abfluss bestimmen (IASB F.5.14, F.5.16; s. Kap. II.5.3.3.5). Weiterhin kann die glaubwürdige Darstellung eines angesetzten Elements durch eine hohe Bewertungsunsicherheit (measurement uncertainty) beeinträchtigt werden (IASB F.5.18). Unter Verweis auf IASB F.2.19 und die vorgegebene Prüfreihenfolge (vgl. auch IASB F.2.21, F.BC5.21, s. Kap. II.5.3.2.3.a3) wird betont, dass eine hohe Bewertungsunsicherheit die Entscheidungsnützlichkeit einer Information nicht zwingend einschränkt, sofern die zugrunde liegenden Unsicherheiten in der Bewertung transparent und präzise (clearly and accurately) beschrieben und erläutert werden (IASB F.5.19, s. Kap. II.5.3.2.3.a3). Dies gilt auch, wenn die Bewertung in hohem Maße subjektiv und komplex ist oder die Bewertung äußerst sensitiv auf veränderte Parameter reagiert (IASB F.5.20 f.). Nur in Ausnahmefällen (limited circumstances), in denen keine relevante Bewertungsmethode (measures) zur Verfügung steht, die auch bei zusätzlichen Erläuterungen entscheidungsnützliche Informationen bereitstellen kann, ist der Posten nicht anzusetzen (IASB F.5.22). Unabhängig davon, ob ein Vermögenswert oder eine Schuld angesetzt wird oder nicht, kann eine glaubwürdige Darstellung zusätzliche Angaben in den notes erfordern (IASB F.5.23). Das Framework 2018 spricht gegenüber dem Framework 2010 einen wahrscheinlichen Zu- oder Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen als Ansatzkritierium von Vermögenswerten und Schulden nicht mehr explizit an (Verzicht auf die Verwendung
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von Wahrscheinlichkeitsgrenzen). Auch die Vorgabe einer einheitlichen quantitativen Wahrscheinlichkeitsgrenze würde den bestehenden Ermessensspielraum nicht vollends einengen, weil es regelmäßig nicht möglich ist, die Wahrscheinlichkeit exakt zu messen. Die bestehenden subjektiven Ermessensspielräume führen letztendlich dazu, dass sich die Wahrscheinlichkeiten zumeist nur innerhalb einer gewissen Bandbreite objektivieren lassen. Das IASB begründet den Verzicht auf konkrete Wahrscheinlichkeitsgrenzen vor allem mit dem Hinweis darauf, dass es schwierig ist, geeignete Grenzen festzulegen, deren Anwendung über alle Einzelstandards hinweg zu entscheidungsnützlichen Informationen führt (IASB F.BC17). Die Abschaffung des Wahrscheinlichkeitserfordernisses und des Erfordernisses einer zuverlässigen Bewertbarkeit führt dazu, dass der asset-liability-Ansatz nunmehr im Framework ausgeweitet wird (siehe auch IASB F.BC5.13, s. Kap. II.5.3.5.6). Anstatt Unsicherheiten bereits beim Ansatz zu berücksichtigen, sollen diese Unsicherheiten nun in die Bewertung eingehen und ggf. durch korrespondierende Angaben in den notes kompensiert werden (IASB F.5.14, F.5.17, F.5.19 f.; sowie Erb/Pelger 2013, S. 523 f.). Gleichwohl finden sich unverändert wahrscheinlichkeitsorientierte Ausführungen in den Einzelstandards, wie das nachfolgende Beispiel veranschaulicht. Beispiel Ansatz von Abschlussposten und Wahrscheinlichkeitsgrenzen IAS 37.23 trifft in Zusammenhang mit dem wahrscheinlichen Ressourcenabfluss als Voraussetzung für den Ansatz einer Rückstellungsbildung die folgende Aussage: »[A]n outflow of resources (...) is regarded as probable if the event is more likely than not to occur, ie the probability that the event will occur is greater than the probability that it will not.« Dies läuft darauf hinaus, dass der Terminus »probable« mit einer mehr als 50%igen Wahrscheinlichkeit belegt ist. Hierzu wird in IAS 37.23 in Fußnote 1 ausdrücklich angemerkt, dass diese Interpretation nicht zwingend auf andere Standards zu übertragen ist: »The interpretaion of ‹probable‹ in this standard as ‹more likely than not‹ does not necessarily apply in other standards«.
Die folgenden Ausführungen behandeln die elementspezifischen Voraussetzungen für den Ansatz (vgl. auch Dehmel/Hommel/Kunkel 2018; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 84 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 185 ff.). Vermögenswertspezifische Regelungen 5.3.5.3 Die definitorischen Voraussetzungen von Vermögenswerten sind in IASB F.4.3-4.25 normiert. Gem. IASB F.4.3 ist ein Vermögenswert (asset) y eine gegenwärtige wirtschaftliche Ressource, y die als das Ergebnis vergangener Ereignisse y von der berichterstattenden Einheit kontrolliert wird. Eine wirtschaftliche Ressource ist gem. IASB F.4.4 ein Recht, welches das Potenzial hat, einen wirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Wirtschaftliche Ressourcen beziehen sich auf einen der Betrachtungsweise substance over form folgenden weit gefassten Begriff eines Rechtes (rights), z. B. gehören hierzu Rechte, ein Objekt zu benutzen, Nutzungsrechte zu verkaufen oder das Objekt zu verkaufen (IASB F.4.11). Demnach stehen die Verfügungsrechte an Objekten und nicht die physische Form (materiell oder immateriell) des Objektes im Mittelpunkt der Betrachung (IASB F.4.12, F.BC.28 ff.). Jedes separierbare Recht kann einen eigenständigen Vermögenswert bilden. Demnach sind unterschiedliche Rechte an einem Objekt
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verschiedenen Parteien zurechenbar, z. B. lassen sich Einzelrechte an einer Maschine mehreren Parteien zuordnen. Darüber hinaus muss das vorhandene Recht mit dem Potenzial verbunden sein, einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Damit dieses Potenzial vorliegt, muss das Eintreten des Nutzens weder sicher noch wahrscheinlich sein. Voraussetzung ist, dass ein Nutzenpotenzial vorliegt, welches in mindestens einem denkbaren Fall zu einem wirtschaftlichen Nutzen führt, der für das berichtende Unternehmen größer ist als für alle anderen Partien (IASB F.4.14). Demnach beinhaltet auch eine Klage mit einer sehr geringen Erfolgswahrscheinlicheit von 1 % ein Nutzenpotenzial. Eine geringe Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses hat aber gleichwohl Einfluss darauf, wie und in welchem Umfang Informationen über den Vermögenswert bereitgestellt werden (IASB 4.15 i.V.m. 515 ff.). Künftiger wirtschaftlicher Nutzen kann in dem Erhalt direkter oder indirekter Beiträge zur Erlangung von Cashflows oder anderer wirtschaftlicher Ressourcen bestehen (IASB F.4.14-18). Ein indirekter Beitrag ist z. B. dann gegeben, wenn die Ressource den Wert anderer vorhandener Ressourcen erhöht oder im Austausch geeignet ist, um eine Schuld zu begleichen. Getätigte Ausgaben sind ein Indiz, aber kein Beweis für das künftige Nutzenpotenzial. Zudem kann auch für nicht entgeltlich erworbene Vermögenswerte (wie z. B. Spenden) eine Ansatzpflicht bestehen (IASB F.4.18). Die bloße Absicht zum Erwerb begründet keinen Vermögenswert, weil die wirtschaftlichen Ressourcen stets das Ergebnis eines vergangenen Geschäftsvorfalls darstellen müssen (IASB F.4.3). Das berichtende Unternehmen muss das Nutzenpotenzial kontrollieren können (Kontrolle, control). Kontrolle verbindet die ökonomische Ressource mit dem berichtenden Unternehmen (IASB F.4.19). Kontrolle liegt dann vor, wenn ein Unternehmen die Fähigkeit besitzt, frei über die Verwendung der wirtschaftlichen Ressource zu entscheiden und den wirtschaftlichen Nutzenzufluss aus der Ressource zu erhalten (IASB F.4.20 ff.). Dazu gehört die gegenwärtige Fähigkeit, andere Parteien vom Nutzenzufluss auszuschließen. Eine Ressource kann nicht zeitgleich vom berichtenden Unternehmen und von einer anderen Partei kontrolliert werden (IASB F.4.22). Beispielsweise ist beim Leasing nach IFRS 16 nicht ausschlaggebend, wer rechtlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes (asset) ist, sondern wer als wirtschaftlicher Eigentümer den Leasinggegenstand nutzt und andere Personen (z. B. durch eine Kaufoption) dauerhaft von der Nutzung ausschließen kann. Ein etwaiger Nutzenzufluss muss dem kontrollierenden Unternehmen zufließen. Dem steht nicht entgegen, dass der Nutzenzufluss selbst unsicher ist, d. h., einer Kontrolle über die Sicherheit des Zuflusses bedarf es nicht (IASB F.4.23). Die Einzelstandards geben einzelfallbezogen weitere Kriterien vor, die einerseits der Klarstellung bzw. Konkretisierung dienen, andererseits aber auch zu Einschränkungen der im IASB Framework angeführten Regeln führen. Beispielsweise verbietet IAS 38.63 die Aktivierung eines selbst geschaffenen Markennamens. Nach den deutschen GoB bildet die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (s. Kap. II.4.4.6.1) das konzeptionelle Pendant zu den zuvor angesprochenen definitorischen Voraussetzungen. Allerdings sind die internationalen Normen inhaltlich anders abgegrenzt. Im Ergebnis ist der Begriff des Vermögenswertes weiter gefasst als der eines Vermögensgegenstandes (vgl. z. B. Heno 2018, S. 131 f.; Lübbig/Kühnel 2020, § 2, Rn. 108 f., 131; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 186 f.): y Beim asset-Begriff kommt es auf eine Einzelverwertbarkeit nicht an, sondern lediglich auf die bloße Möglichkeit der Erzielung eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens.
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Beispiel Erzielung eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens Tätigt die Beta AG einen Werbefeldzug, sind die angefallenen Ausgaben nach deutschen GoB nicht aktivierbar, da es an einer Einzelveräußerbarkeit mangelt. Besteht annahmegemäß gegenwärtig ein Potenzial auf wirtschaftlichen Nutzen, ist eine Aktivierung im Sinne der definitorischen Voraussetzungen und der allgemeinen Ansatzkriterien nach internationalen Normen nicht ausgeschlossen. Allerdings verbietet IAS 38.69(c) als spezifischer Einzelstandard die Aktivierung. Insofern ist das Ergebnis hinsichtlich der Aktivierung nach deutschen und internationalen Normen identisch.
y y
Der asset-Begriff umfasst auch die aktiven latenten Steuern (§ 274 HGB; s. Kap. III.2.2) und die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 1 HGB; s. Kap. III.2.1). Während das Framework 2015 definitorisch auf einen wahrscheinlichen wirtschaftlichen Nutzen abstellte (IFRS F.4.38 2015) und eine zuverlässige Bewertung erforderte (IASB F.4.38 2015), stellt das Framework 2018 im Ergebnis deutlich geringere Anforderungen. Im Vordergrund steht, dass der Ansatz zu relevanten Informationen führt (s. Kap. II.5.3.3.2), was wiederum ggf. durch erläuternde Angaben in den notes sichergestellt werden soll. In der Folge weiten sich die Unterschiede zu den deutschen GoB tendenziell aus.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Vermögenswerte im Sinne des IASB Frameworks mit den abstrakt aktivierungsfähigen Vermögensgegenständen im Sinne der deutschen GoB nicht gleichzusetzen sind. Aus diesem Grunde dürfen die Begriffe Vermögenswert (asset) und Vermögensgegenstand auch nicht synonym verwendet werden. Eine Überlegenheit des Vermögensgegenstandsbegriffs gegenüber dem asset-Begriff lässt sich aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes herleiten, sofern man die Auffassung vertritt, dass Gläubigerschutz durch eine vorsichtige Bilanzierung und eine hieran geknüpfte Ausschüttungsbegrenzung zu betreiben ist. In ähnlicher Weise sind Gläubiger stärker am Schuldendeckungspotenzial interessiert, welches eher mit den Anforderungen an einen Vermögensgegenstand korrespondiert. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die Gläubiger an möglichst präzisen Informationen über das Unternehmen interessiert sind (informationeller Gläubigerschutz; s. Kap. I.2.2.2). Diese Überlegung könnte wiederum für die asset-Abgrenzung im Sinne des IASB sprechen. Außerdem kann die Legung stiller Reserven ein Verlustverschleierungspotenzial begründen (vgl. Wagner 1986, S. 409). Aus dem Blickwinkel der Informationsfunktion liegt es nahe, den asset-Begriff gegenüber dem des Vermögensgegenstands vorzuziehen. Hierfür spricht vor allem, dass die Stakeholder, dem Primärgrundsatz der Relevanz folgend, für ihre Entscheidungen den Ansatz von Posten fordern, denen ein Potenzial auf künftige wirtschaftliche Vorteile innewohnt. Hierin liegt aber gerade auch eine Schwäche der asset-Konzeption begründet. Denn in nicht wenigen Fällen bestehen erhebliche, mit subjektivem Ermessen zu füllende Spielräume bei der Unterscheidung, ob getätigte Ausgaben als Vermögenswert zu aktivieren oder ergebniswirksam in der GuV zu buchen sind (vgl. hierzu Lutz/Schlag 2017a, Rn. 76 ff. m. w. N.). Stets zu beachten ist, dass die gegebenen Informationen zuverlässig sein müssen (Primärgrundsatz der glaubwürdigen Darstellung). Ist dies nicht der Fall, ist der erstellte Abschluss auch nicht entscheidungsnützlich (hierzu Abb.II.5./3).
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5.3.5.4 Schuldspezifische Regelungen Die definitorischen Voraussetzungen einer Schuld normieren IASB F.4.26-62. Eine Schuld (liability) ist an das kumulative Vorliegen von drei Kriterien geknüpft (IASB F.4.27, 46 f.). Demnach ist eine Schuld y eine Verpflichtung (obligation) eines Unternehmens, y deren Erfüllung mit einer Übertragung von wirtschaftlichen Ressourcen verbunden ist, y die gegenwärtig (present) aufgrund eines vergangenen Ereignisses besteht. Eine Verpflichtung ist nach IASB F.4.29 eine Pflicht (duty) oder Verantwortung (responsibility), welche dazu führt, dass das Unternehmen keine praktische Möglichkeit besitzt, sich der Übertragung wirtschaftlicher Ressourcen zu entziehen (no practical ability to avoid). Verpflichtungen können aus Verträgen, einklagbaren Rechten oder aus üblichem Geschäftsverhalten (sofern das Unternehmen sich dem nicht entziehen kann) resultieren. Demnach kann es sich um rechtliche oder faktische Verpflichtungen handeln (IFRS F.4.31). Da der Jahresabschluss eine gegebene Annahme der Unternehmensfortführung voraussetzt (s. Kap. II.5.3.2.2a), hat das berichtende Unternehmen keine praktische Möglichkeit, eine Übertragung der Ressource zu verhindern, da diese sich nur durch Liquidation oder Einstellung des Geschäftsbetriebs vermeiden ließe (IASB F.4.33). Im Regelfall dürfte es sich hier um Außenverpflichtungen handeln. Dafür bedarf es mindestens einer anderen empfangenden Partei, welche einen wirtschaftlichen Anspruch auf die zu übertragende Ressource besitzt. Aus dem Umstand, kann jedoch nicht automatisch geschlussfolgert werden, dass das empfangende Unternehmen ein asset in der gleichen Höhe ansetzen muss wie das andere Unternehmen eine liability (IASB F.4.30). Innenverpflichtungen kommen ausnahmsweise dann in Betracht, wenn gleichzeitig eine faktische Verpflichtung besteht (sog. faktische Außenverpflichtung; s. Kap. III.3.7.2.2.a). Dies ist z. B. der Fall bei Restrukturierungsrückstellungen für Gehälter der Mitarbeiter, die mit der Restruktuierung betraut sind, sofern ein formaler Restrukturierungsplan vorliegt (vgl. IAS 37.70 ff., s. Kap. III.3.7.2.1.b2.). Ähnlich wie bei den definitorischen Voraussetzungen eines Vermögenswerts muss ein Potenzial zur verpflichtenden Übertragung der wirtschaftlichen Ressource bestehen (IASB F.4.36 f.). Dabei ist es ausreichend, dass die Verpflichtung bereits besteht und in mindestens einem künftigen Szenario (z. B. Vorliegen eines bestimmten Gerichtsurteils) zu einer Übertragung von wirtschaftlichen Ressourcen führt (IASB F.4.37). Eine nur geringe Wahrscheinlichkeit des Eintretens der künftigen Situation steht dem nicht entgegen (IASB F.4.38). Als Beispiele für Verpflichtungen zur Übertragung wirtschaftlicher Ressourcen nennt IASB F.39 u. a. die Verpflichtung zur Übertragung von Zahlungsmitteln, zur Lieferung einer Ware oder zum Tausch wirtschaftlicher Ressourcen. Da die standardspezifischen Regelungen dem Framework vorgehen (IASB F.SP1.2), sind ggf. weitergehende Anforderungen in den Einzelstandards zu beachten. Beispielsweise muss der Ressourcenabfluss von Rückstellungen (s. Kap. III.3.7) zusätzlich zu einem bestehenden Potenzial zur verpflichtenden Übertragung einer wirtschaftlichen Ressource gem. IAS 37.23 »more probable than not« sein. Eine Verpflichtung muss weiterhin aus einem vergangenen Ereignis (past event) resultieren (IASB F.4.42). Eine gegenwärtige Verpflichtung (present obligation) besteht nur dann, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit bereits einen wirtschaftlichen Nutzen erlangt oder eine Handlung vorgenommen hat (taken action), infolgedessen eine Ressource mit wirtschaftlichem Nutzen übertragen wird, die andernfalls nicht übertragen werden würde (IASB F.4.43). Der in der Vergangenheit empfangene wirtschaftliche Nutzen kann z. B. in Form von
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Gütern oder Dienstleistungen dem Unternehmen zugeflossen sein (z. B. bei Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen). Bereits vorgenommene Handlungen betreffen z. B. Veränderungen der operativen Geschäftstätigkeit des Unternehmens (IASB F.4.44). Einer gegenwärtigen Verpflichtung steht nicht entgegen, dass die Übertragung ökonomischer Ressourcen erst in der Zukunft durchsetzbar ist (IASB F.4.46). Verpflichtungen bestehen auch dann, wenn der Erfüllungsbetrag geschätzt werden muss (IASB F.5.14, F.5.19). Beispiel Ansatz einer liability Die Handy GmbH ist bei ihren Kunden dafür bekannt, dass die Fehler bei den verkauften Handys auch sechs Monate nach Ablauf der gesetzlichen Garantiezeit behoben werden. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu besteht allerdings nicht. In der Vergangenheit sind entsprechende Reparaturleistungen in 5 % der Fälle angefallen und es ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass dies auch künftig der Fall sein wird. Ist in diesem Fall auf Basis der in der Vergangenheit durchschnittlich entstandenen Reparaturkosten eine Kulanzrückstellung (liability) nach IFRS zu passivieren? Die definitorischen Voraussetzungen erfordern das Vorliegen der folgenden Kriterien: y Es muss eine Verpflichtung vorliegen. Es wird unmittelbar aus IASB F.4.31 deutlich, dass eine solche gegeben ist, da der o. g. Sachverhalt explizit angesprochen wird. Für das Vorliegen einer Verpflichtung spricht auch der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung (s. Kap. II.5.3.2.3.a2), der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form) impliziert, wonach die wirtschaftliche (tatsächliches Vorgehen des Unternehmens = Garantie aus Kulanzgründen) die rechtliche Betrachtungsweise (Gewährleistungspflicht) dominiert. y Da in der Vergangenheit Reparaturkosten entstanden sind und die Situation sich nicht grundlegend geändert hat, kommt es voraussichtlich (potenziell) zu einer Übertragung von wirtschaftlichen Ressourcen (Reparaturleistungen). y Es liegt eine gegenwärtige Verpflichtung vor, die durch den Verkauf von Handys (vergangenes Ereignis) entstanden ist. Die allgemeinen Ansatzkritierien bringen in Bezug auf die Beurteilung, ob ein Ansatz in Betracht kommt oder nicht, keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Vorläufiges Ergebnis ist, dass eine Schuld (liability) zu passivieren ist. Zu fragen ist weiterhin, ob ein Einzelstandard zur abschließenden Klärung beitragen kann oder dem bisher hergeleiteten Ergebnis entgegensteht. Relevant ist hier IAS 37. Zunächst ist zu klären, ob eine Verpflichtung vorliegt. Nach IAS 37.14a ist eine Rückstellung (provision) auch bei einer faktischen Verpflichtung (constructive obligation) anzusetzen. Den Begriff der faktischen Verpflichtung definiert IAS 37.10. Demnach ist eine solche Verpflichtung gegeben, wenn das Unternehmen durch sein beständiges Verhalten in der Vergangenheit gezeigt hat, dass es bereit ist, bestimmte Reparaturleistungen zu übernehmen und dadurch bei anderen Parteien die begründete Erwartung (valid expectation) entstanden ist, dass sich das Unternehmen auch in Zukunft so verhalten wird (faktische Verpflichtung gem. IAS 37.17b). Diese ist gegeben, sodass eine aus einem vergangenen Ereignis entstandene Verpflichtung vorliegt. Annahmegemäß ist es sehr wahrscheinlich, dass es bei 5 % der Kunden zu Mittelabflüssen für Kulanzleistungen kommt (IAS 37.24 i. V. m. IAS 37.Appendix C.Example 1). Insofern ist davon auszugehen, dass das Kriterium der »wahrscheinlichen Übertragung von wirtschaftlichen Ressourcen« gegeben ist. Insgesamt ist festzustellen, dass die Handy GmbH eine Schuld in Form einer Rückstellung passivieren muss. In der Praxis wird das zuvor skizzierte Schema regelmäßig in umgekehrter Form »durchlaufen«, d. h., zunächst werden konkret anwendbare Einzelstandards herangezogen. Ein Rückgriff auf die Regelungen im IASB Conceptual Framework erfolgt nur in den Fällen, in denen sich das Ansatzproblem nicht abschließend lösen lässt.
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Diskussionsfrage II.5.-5 Bei einem Catering-Event am 4.5.t1 haben sich mehrere Gäste eine Lebensmittelvergiftung zugezogen. Bisher wurden keine Klagen gegen die verantwortliche Catering AG eingereicht. Die Catering AG erwartet jedoch Rechtsstreitigkeiten. Die Aufwendungen hierfür können noch nicht abschließend verlässlich geschätzt werden. Diskutieren Sie, ob der Sachverhalt gem. dem IASB Framework bei der Catering AG im Jahresabschluss zum 31.12.t1 ansatzpflichtig ist! Die Regelungen in einem ggf. anwendbaren Einzelstandard sind nicht zu thematisieren.
Nach den deutschen GoB bildet die abstrakte Passivierungsfähigkeit das konzeptionelle Pendant zu den zuvor angesprochenen definitorischen Voraussetzungen und Ansatzkriterien (s. Kap. II.4.4.6.2). Allerdings sind die internationalen Normen inhaltlich anders abgegrenzt, d. h., es erfolgt ein Rückgriff auf die oben genannten Kriterien und nicht auf die Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit (Verpflichtung, wirtschaftliche Belastung, Quantifizierbarkeit). Im Ergebnis ist der konzeptionelle internationale liability-Begriff weiter gefasst als der Schuldbegriff nach deutschen GoB. Bei Betrachtung der Einzelstandards zur Bilanzierung von Rückstellungen wird jedoch deutlich, dass diese (s. Kap. III.3.7) nach den deutschen GoB grundsätzlich früher und mit einem höheren Wert zum Ansatz kommen. Dies liegt in der dominierenden Stellung der Vorsicht in Form des Grundsatzes der Vorsicht im deutschen GoB-System begründet (s. Kap. II.4.4.5.1; II.4.4.7). Vereinfacht formuliert gehen die deutschen GoB sehr vorsichtig vor, während die internationalen Normen eine Art »mittlere Vorsicht« walten lassen. Beispiel Mittlere Vorsicht und sehr vorsichtiges Vorgehen Nach IAS 37.23 sind Rückstellungen zu passivieren, wenn die Wahrscheinlichkeit für den Abfluss von Ressourcen 50 % übersteigt. Dagegen ist eine Rückstellung nach deutschen GoB zu bilden, wenn diese hinreichend konkretisiert ist. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn stichhaltige Gründe für ihren Eintritt sprechen (s. Kap. II.4.4.6.2; III.3.7.2.2.a). »Aufgrund des Vorsichtsprinzips kann eine ungewisse Verbindlichkeit auch dann vorliegen, wenn das Bestehen einer Verbindlichkeit bei vernünftiger kfm (kaufmännischer, die Verf.) Beurteilung nicht ausgeschlossen werden kann […]. Daher ist bei Unsicherheit über das Bestehen einer Verpflichtung auch dann bereits eine Rückstellung zu bilden, wenn die Wahrscheinlichkeit des Bestehens unter 50 % liegt. Sie muss so wahrscheinlich sein, dass sie ein gedachter Erwerber des Unternehmens bei der Kalkulation des Kaufpreises berücksichtigen würde« (Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 26).
Weiterhin ist der handelsrechtliche Schuldbegriff insofern enger gefasst als der einer Schuld (liability), da dieser nicht die passiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 2 HGB) beinhaltet. Zusammenfassend ist ähnlich wie in Bezug auf die Begriffe Vermögenswert (asset) und Vermögensgegenstand festzustellen, dass Schulden (liabilities) im Sinne des IASB Conceptual Frameworks mit abstrakt passivierungspflichtigen Schuldposten im Sinne der deutschen GoB nicht gleichzusetzen sind (ähnlich z. B. auch Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 188). Daher ist in den Fällen, in denen nicht eindeutig ersichtlich ist, dass sich der Begriff Schulden auf die internationalen Normen beziehen soll, der Begriff liability zu verwenden. 5.3.5.5 Eigenkapitalspezifische Regelungen Das Eigenkapital (equity) nach IFRS ist als Residualgröße definiert, die nach Verrechnung von Vermögenswerten (assets) und Schulden (liabilities) verbleibt (IASB F.4.63). Daraus folgt, dass die abweichende Abgrenzung von assets und liabilities einerseits und Vermögensge-
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
genständen und Schulden nach deutschen GoB andererseits regelmäßig zu abweichenden Residualgrößen führt, die dann als equity in der IFRS-Bilanz und als Eigenkapital in der HGBBilanz auszuweisen sind. Die equity-Definition gilt rechtsformunabhängig. Gleichwohl kann die Gliederung des Eigenkapitals je nach Rechtsform unterschiedlich sein (IASB F.4.66 f.; zur handelsrechtlichen Gliederung des Eigenkapitals vgl. § 266 Abs. 3 A. HGB; s. Kap. III.3.6.2). 5.3.5.6 Ertrags- und aufwandspezifische Regelungen Neben den allgemeinen Ansatzkriterien (s. Kap. II.5.3.5.2) sind für die Elemente Erträge und Aufwendungen die definitorischen Voraussetzungen in IASB F.4.68 f. zu beachten. Demnach sind Erträge (income) definiert als y eine Zunahme von Vermögenswerten oder eine Abnahme von Schulden, y die zu einer Erhöhung des Eigenkapitals führen, die nicht durch eine Kapitalzuführung von Eigenkapitalgebern verursacht wurde. Aufwendungen (expenses) sind definiert als y eine Abnahme von Vermögenswerten oder eine Zunahme von Schulden, y die zu einer Reduzierung des Eigenkapitals führen, die nicht durch eine Kapitalabführung an die Eigenkapitalgeber verursacht wurde. Diese definitorischen Voraussetzungen sind Ausdruck des asset-liability-Ansatzes (IASB F.BC4.94c sowie s. Kap. II.3.3.5). Hiernach ergeben sich die Definitionen von Erträgen und Aufwendungen stets aus der Definition von Vermögenswerten und Schulden, indem sie simultan als Wertveränderungen der zuletzt genannten Elemente erfasst werden. Erträge (Aufwendungen) stellen demnach Erhöhungen (Verminderungen) von Vermögenswerten und Verminderungen (Erhöhungen) von Schulden dar, sofern diese wiederum zu Veränderungen des Eigenkapitals führen. Der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (matching principle, s. Kap. II.5.3.2.2b) besitzt nur nachgeordnete Bedeutung (IASB F.5.5). Einzelstandards konkretisieren die allgemeinen Ansatzkriterien und definitorischen Voraussetzungen. Beispielsweise normiert IFRS 15 die Erfassung von Erlösen bzw. revenues (= Erträge aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit) aus Verträgen mit Kunden (s. Kap. III.3.8). Die GuV ist die primäre Informationsquelle der Ertragskraft eines Unternehmens (IASB F.7.16 ff.). Lediglich in Ausnahmefällen sind Veränderungen von Abschlussposten ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (other comprehensive income; s. Kap. II.5.4.4.4.a) zu erfassen (IASB F.7.17). Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ergibt sich aus den Einzelstandards. Diskussionsfrage II.5.-6 Stellen Sie den Ansatz von Aufwendungen und Erträgen nach internationalen Normen und deutschen GoB vergleichend dar. Wie erklären Sie sich mögliche Unterschiede?
5.3.6 Bewertungsmaßstäbe 5.3.6.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen Sobald ein Element des Jahresabschlusses ansatzpflichtig ist oder aufgrund der Ausübung eines Ansatzwahlrechtes angesetzt wird, stellt sich gem. dem zweistufigen Modell (s. Kap. II.5.3.4) anschließend die Frage nach der Bewertung. Obwohl das Framework für die Bewertung keine im Einzelfall anzuwendenden Bewertungsmaßstäbe vorgibt, werden Faktoren genannt, die bei der Wahl eines geeigneten Bewertungsmaßstabes zu berücksichtigen
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Ebene 1
sind. Welcher Bewertungsmaßstab im Einzelfall für die Bewertung heranzuziehen ist, ergibt sich vor allem aus dem jeweils anzuwendenden Einzelstandard. Dabei greift das IASB teilweise auf die im Framework genannten Bewertungsmaßstäbe zurück. Beispielsweise stellt bei der Bewertung von Rückstellungen (s. Kap. III.3.7.3.2) die bestmögliche Schätzung des zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung erforderlich werdenden Betrags gem. IAS 37.68 eine Ausprägungsform des Erfüllungsbetrags gem. IASB.F.6.11b i. V. m. IASB F.6.17 ff. dar.
Historische Kosten (historical cost) IASB F.6.4 ff.
Zeitwerte (current value) Beizulegender Zeitwert (fair value) IASB F.6.12ff.
Nutzungswert (value in use)
Tageswert (current cost)
IASB F.6.17ff.
IASB F.6.21f.
Ebene 2
Beizulegender Zeitwert (fair value) z.B. IFRS 13 fortgeführte Kosten (amortized cost)
Nettoveräußerungswert (net realisable value)
z.B. IAS 16.30; IFRS 9.5.2.1a
z.B. IAS 2.28 ff.
cost approach
Hilfsmaßstab
beizulegender Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (fair value less cost of disposal)
Nutzungswert (value in use)
Wiederbeschaffungskosten (replacement cost) z.B. IAS 2.32, IFRS 13.B8
z.B. IAS 36.30; IAS 16.6
z.B. IAS 36.28 f.
Erzielbarer Betrag (recoverable amount) z.B. IAS 36.18
Abb. II.5./13 Überblick der Bewertungsmaßstäbe für Aktiva gem. IFRS
Im Folgenden werden zunächst die entsprechenden Regelungen im Framework vorgestellt. Danach wird zunächst der fair value als besonders relevanter Bewertungsmaßstab und schließlich alle weiteren Bewertungsmaßstäbe kurz vorgestellt (vgl. hierzu sowie zum Zusammenhang von Bewertungsmaßstäben und -techniken Ruhnke 2022b). Die korrespondierenden Regelungen nach GoB werden auch hier jeweils vergleichend herangezogen. Abbildung II.5/13 gibt in Bezug auf die Aktivseite der Bilanz einen ersten Überblick über alle wesentlichen Bewertungsmaßstäbe, die in den IFRS zu finden sind. Die erste Ebene umfasst die zwei übergeordneten Kategorien sowie die dazugehörigen Unterkategorien von Bewertungsmaßstäben, die im derzeit gültigen IASB Conceptual Framework genannt sind
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
(s. Kap. II.5.3.6.1). Die zweite Ebene ordnet weitere standardspezifische Bewertungsmaßstäbe (s. Kap. II.5.3.6.3 und II.5.3.6.4) zu. 5.3.6.2 Bewertungsmaßstäbe des IASB Conceptual Frameworks Das IASB F.6.4 ff. nennt zwei übergeordnete Kategorien von Bewertungsmaßstäben: y Historische Kosten (historical cost, IASB F.6.4 ff.) Historische Kosten basieren auf den Werten zum Zeitpunkt der Entstehung des Jahresabschlusselementes und sind kostenorientiert. Zum Erwerbszeitpunkt entsprechen die historischen Kosten demnach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Historische Kosten sind der Betrag, der zum Zeitpunkt des Erwerbs für ein asset aufgewendet wurde. Die historischen Kosten einer liability entsprechen dem Betrag, der als Gegenleistung für die Verpflichtung erhalten wurde abzüglich Transaktionskosten. IASB F.6.4 stellt klar, dass Wertmaßstäbe dieser Kategorie keine Preisveränderungen berücksichtigen, sondern nur einen potenziellen Werteverzehr i. S. von Abschreibungen reflektieren. Schulden wiederum werden z. B. nur zur Darstellung einer periodengerechten Verzinsung oder bei Erfüllung verändert (par. 6.6). Grundsätzlich entsprechen diese Bewertungsmaßstäbe den historischen Kosten des Frameworks i. d. F. 2015. Die historischen Kosten werden als Bewertungsmaßstab z. B. in Zusammenhang mit den Vorräten (IAS 2.9) und dem Sachanlagevermögen in den Einzelstandards (IAS 16.15) ausdrücklich erwähnt. y
Zeitwerte (current value, IASB F.6.10 ff.) Ein Bewertungsmaßstab dieser Kategorie soll die aktuellen Verhältnisse zum Bewertungszeitpunkt im Wertansatz reflektieren. Als konkrete Bewertungsmaßstäbe nennt IASB F.6.11 den beizulegenden Zeitwert (fair value) sowie als entity specific values den Nutzungswert für Vermögenswerte (value in use) und den Erfüllungsbetrag für Schulden (fulfilment value) sowie den Tageswert (current cost): – Der beizulegende Zeitwert (IASB F.6.12 ff.) ist der Preis, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer gewöhnlichen Transaktion bei dem Verkauf eines Vermögenswertes in einer gewöhnlichen Transaktion (orderly transaction) erzielt werden kann. Bei den Schulden ist der beizulegende Zeitwert der Betrag, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufzubringen wäre, um eine Verpflichtung zu übertragen. Die Definition des beizulegenden Zeitwertes in par. 6.21 entspricht der im IFRS 13 (s. Kap. II.5.3.6.3). – Der Nutzungswert bei Vermögenswerten und der Erfüllungsbetrag bei Schulden (IASB F.6.17 ff.) spiegeln die unternehmensspezifischen Erwartungen zum Betrag und zum Zeitpunkt sowie zur Unsicherheit zukünftiger Cashflows wider. Der Nutzungswert bei Vermögenswerten ermittelt sich als der Barwert der Einzahlungsüberschüsse oder übrigen wirtschaftlichen Vorteile, die aus der Nutzung und aus der finalen Veräußerung des Vermögenswertes zufließen. Relevant sind die Cashflows vor Steuern, die mit einem risikoadjustierten Zinssatz vor Steuern zu diskontieren sind. Zudem sind die Cashflows unternehmensbezogen zu ermitteln. Im Gegensatz zum fair value sind hierbei z. B. erwartete Synergien mit einzubeziehen. Der Nutzungswert stellt somit einen unternehmensbezogenen Zeitwert dar (vgl. Hitz 2012, Rn. 5 ff., 50). IAS 36 erweitert die assetbezogene Betrachtung des Nutzungswertes auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten (s. Kap. II.5.3.8.2.d). Bei Schulden bestimmt sich der Erfüllungswert als der Barwert der zukünftigen Nettomittelabflüsse und andere ökonomische Ressourcen, die aufzubringen sind, um die Verpflichtung zu begleichen. Hierbei ist nicht nur der Betrag zu berücksichtigen, der an die Gegenpartei der Verpflichtung zu zahlen ist, sondern auch etwaige andere Beträge,
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die seitens der Unternehmung für eine Begleichung aufgebracht werden müssen. Nutzungswert und Erfüllungsbetrag berücksichtigen zwar im Vergleich zum Fair Value die gleichen Faktoren (u. a. Zeitwert des Geldes, Änderungen in Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsströme), deren Ermittlung basiert hier aber auf unternehmensspezifischen Annahmen und nicht auf Annahmen der Marktteilnehmer (IASB F.6.20, s. Kap. II.5.3.6.4). – Der Tageswert (IASB F.6.21 f.) ist bei Vermögenswerten durch den Betrag bestimmt, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverlauf zur Wiederbeschaffung eines identischen oder vergleichbaren Vermögenswertes zuzüglich Übertragungskosten aufgewendet werden müsste. Somit repräsentiert der Tageswert die Wertverhältnisse am Beschaffungsmarkt. Im Unterschied zu den historischen Kosten wird hier auf den gegenwärtigen Zeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs abgestellt. Bei den Schulden ist der Tageswert als der Betrag definiert, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Begleichung einer Verpflichtung erforderlich wäre, z. B. Begleichung einer Lieferantenverbindlichkeit in Höhe von 100 € nach Abzug von 3 % Skonto, d. h., der Tageswert beträgt 97 €. Abbildung II.5./14 fasst diese Bewertungsmaßstäbe zusammen. Es handelt sich hierbei um eine bloße Aufzählung von verschiedenen Bewertungsmaßstäben, ohne dass vom IASB eine Priorisierung vorgenommen wird oder Kriterien vorgegeben werden, unter welchen Umständen welche Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen sind (vgl. Hitz 2012, Rn. 10 f.; Barth 2014, S. 334 ff.). Bewertungsmaßstab
Abschluss element
Bewertungszeitpunkt
Fokussierung
asset
Erwerbszeitpunkt
Beschaffungsmarkt
liability
Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung
Erhaltener Betrag
(Zeitpunkt des Zahlungsabflusses im normalen Geschäftsverlauf)
(Begleichung der Verpflichtung)
gegenwärtiger Zeitpunkt
Absatzmarkt
I. Historical cost (historische Kosten) historical cost (historische Kosten)
II. Current values (Zeitwerte) fair value (beizulegender Zeitwert)
asset
value in use (Nutzungswert)
asset
Zeitpunkt der Zahlungszuflüsse und ‑abflüsse im normalen Geschäftsverlauf (Barwert)
unternehmsspezifisches Nutzungspotenzial
fulfilment value (Erfüllungsbetrag)
liability
Zeitpunkt des Zahlungsabflusses im normalen Geschäftsverlauf (Barwert)
Begleichung der Verpflichtung (Unternehmenssicht)
current cost (Tageswert)
asset
gegenwärtiger Zeitpunkt
Beschaffungsmarkt
liability
liability
Abb. II.5./14 Bewertungsmaßstäbe gem. IASB F.6.4 ff.
Begleichung der Verpflichtung (Marktperspektive)
Begleichung der Verpflichtung (Unternehmenssicht)
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Diskussionsfrage II.5.-7 Die Delta AG geht eine Lieferantenverbindlichkeit in Höhe von 100 T€ ein. Bei sofortiger Begleichung der Verbindlichkeit können 3 % Skonto abgezogen werden. Die Delta AG beabsichtigt, die Verbindlichkeit binnen drei Monaten ohne Skontoabzug zu begleichen. Für die Barwertermittlung gilt vereinfacht ein Jahreszinssatz von 8 % und ein Dreimonatszins von 2 % (Sollzinssatz = Habenzinssatz). Welche Beträge ergeben sich unter Anwendung der in IASB F.6.4 ff. genannten Bewertungsmaßstäbe?
Weiterhin thematisiert IASB F.6.43 ff. die Auswahl eines geeigneten Bewertungsmaßstabes. Demnach besitzt nicht ein bestimmter Bewertungsmaßstab grundsätzlich Vorrang, sondern über den heranzuziehenden Maßstab ist einzelfallbezogen zu entscheiden (sog. mixed measurement basis, vgl. IASB F.6.2, F.BC6). Als wesentliche diese Entscheidung bestimmende Faktoren nennt par. 6.45 die qualitativen Anforderungen, die ein Abschluss aufweisen muss, damit die gewährten Informationen für einen Abschlussadressaten entscheidungsnützlich sind. Zu nennen sind die Relevanz und die glaubwürdige Darstellung sowie die qualitätsverbessernden Merkmale (siehe hierzu Kap. II.5.3.2): y Die Relevanz der Informationen, die durch die Wahl des Bewertungsmaßstabes bereitgestellt werden, wird durch die Charakteristika der Vermögenswerte und Schulden beeinflusst (IASB F.6.49a). Beispielsweise stellen die historischen Kosten keine relevanten Informationen bereit, wenn diese von den Tageswerten abweichen und diese Veränderungen wichtig für die Abschlussadressaten sind (par. 6.51). Bei der Beurteilung der Relevanz der bereitgestellen Informationen ist weiterhin zu berücksichtigen, inwieweit die zu bewertenden Vermögenswerte oder Schulden zu den zukünftigen Nettomittelzuund abflüssen beitragen (par. 6.49b). So nennt das Framework beispielhaft die historischen Kosten oder den Tageswert als relevante Bewertungsmaßstäbe für das Sachanlagevermögen, weil diese Vermögenswerte typischerweise in Kombination mit anderen Unternehmensresourcen verwendet werden und eine direkte Zuordnung der Nettomittelzuflüsse nicht möglich ist (par. 6.55). y In Bezug auf die glaubwürdige Darstellung sind für miteinander in Beziehung stehende Vermögenswerte und Schulden ähnliche Bewertungsmaßstäbe anzuwenden, so z. B. in Bezug auf eine Rückstellung und ein damit verbundener Erstattungsanspruch. Demnach ist ein sog. »accounting mismatch« zu vermeiden (IASB F.6.58). Bewertungsunsicherheiten bei einem auf Schätzungen basierenden Bewertungsmaßstab können die glaubwürdige Darstellung dergestalt stark beeinträchtigen, dass ein anderer Bewertungsmaßstab heranzuziehen ist, der ebenfalls zu einer relevanten Abschlussinformation führt (par. F.6.60; zu den Bewertungsunsicherheiten siehe auch Kap. II.5.3.5.2). y Die qualitätsverbessernden Merkmale der Vergleichbarkeit, Verständlichkeit und Nachprüfbarkeit sind unter Abwägung der Kosten-Nutzen-Relation bei der Wahl des Bewertungsmaßstabes ebenfalls einzubeziehen (IASB F.6.63 ff.). Nach den deutschen GoB bilden die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7) die grundlegenden Bewertungsmaßstäbe der Zugangsbewertung. Im Zuge der Folgebewertung (s. Kap. II.5.3.8) existiert eine Vielzahl weiterer Bewertungsmaßstäbe, die den internationalen Bewertungsmaßstäben zumindest ähneln. Ein Nutzungswert findet sich indes nach deutschen GoB nicht. Zudem ist die Folgebewertung nach deutschen GoB, unabhängig vom angewandten Bewertungsmaßstab, durch die historischen Kosten grundsätzlich nach oben begrenzt (zu einer Ausnahme bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten vgl. § 340e Abs. 3 HGB).
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5.3.6.3 Fair value und seine Ausprägungsformen Der beizulegende Zeitwert (fair value) ist im Rahmen der IFRS von zentraler Bedeutung und wird sowohl im Conceptual Framework (2018) als auch in den Einzelstandards als Bewertungsmaßstab aufgeführt (vgl. Abb. II.5./13; für eine Auflistung der auf den fair value zurückgreifenden Standards vgl. Nobes 2015, S. 156 ff.). Im Vergleich zu den Vorgängerfassungen nennt das IASB F 6.11a den beizulegenden Zeitwert erstmals als Bewertungsmaßstab des Zeitwertes (current value). Der beizulegende Zeitwert und seine Ermittlungsmethodik wurden mit der Veröffentlichung von IFRS 13 »Bemessung des beizulegenden Zeitwerts« erstmals einheitlich geregelt. Dieser Standard gibt vor, wie der fair value zu ermitteln ist, nicht aber welche Vermögenswerte und Schulden zum fair value zu bewerten sind (vgl. IFRS 13.5; IN4, siehe auch IDW RS HFA 47). IFRS 13.9 definiert fair value als »the price that would be received to sell an asset or paid to transfer a liability in an orderly transaction between market participants at the measurement date«. Demnach handelt es sich um einen Veräußerungspreis (Abgangspreis, exit price), der vom Beschaffungspreis zu unterscheiden ist. Die wesentlichen Komponenten der Definition des fair value stellt IFRS 13.11-26 detailliert dar: y Der Preis repräsentiert eine tatsächliche oder eine hypothetische Transaktion. IFRS 13.24 stellt klar, dass der Preis sowohl ein am Markt beobachtbarer Preis als auch ein mittels einer anderen Bewertungstechnik geschätzter Preis sein kann. Weitere Faktoren, die den Preis beeinflussen und konkretisieren, sind Transport- und Transaktionskosten. Dabei stellen Transaktionskosten ein Merkmal der Transaktion dar, während Transportkosten ein Merkmal des Bewertungsobjekts sind (IFRS 13.25 f.). Die Transaktionskosten dürfen daher im Preis nicht erhalten sein, die Transportkosten dagegen schon (IFRS 13.26). y Das Bewertungsobjekt kann ein Vermögenswert oder eine Schuld sein. Bei der Bemessung des fair value müssen die Eigenschaften des Bewertungsobjekts berücksichtigt werden, die für die Marktteilnehmer bedeutsam sind (IFRS 13.11). Solche Eigenschaften sind z. B. Beschaffenheit und Ort sowie ggf. vertragliche Beschränkungen. Die Frage, wie sich das konkrete Bewertungsobjekt (Bewertungseinheit) abgrenzt, wird vom IASB umgangen. Einerseits wird zugelassen, dass sowohl ein einzelner Vermögenswert bzw. eine einzelne Schuld als auch eine Gruppe mehrerer Vermögenswerte das Bewertungsobjekt sein kann. Andererseits wird formal auf sonstige IFRS verwiesen, welche die Bilanzierungseinheit (s. Kap. II.5.3.4) festlegen (IFRS 13.13 f.; vgl. auch Große 2011, S. 288). y Der Bewertung muss eine gewöhnliche Transaktion zugrunde liegen, die zwischen Marktteilnehmern am Bewertungstag zu aktuellen Marktbedingungen stattfindet (IFRS 13.15). – Die Bewertung muss aus Sicht eines beliebigen Marktteilnehmers erfolgen (IFRS 13.22 f.). Somit wird die Unternehmenssicht als unzulässig erachtet. Der Definition in IFRS 13.Appendix A folgend sind die Marktteilnehmer am Hauptmarkt unabhängig, hinreichend gut über das Bewertungsobjekt und die Transaktion informiert sowie bereit und fähig die Transaktion durchzuführen.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
– Die aktuellen Marktbedingungen sind insofern zu berücksichtigen, dass an erster Stelle eine tatsächliche Transaktion heranzuziehen ist (IFRS 13.69). Wenn allerdings keine tatsächlichen Transaktionen beobachtet werden können, kann auch eine hypothetische Transaktion als Bewertungsbasis dienen (IFRS 13.21). – Als Referenzmarkt soll der Hauptmarkt dienen. Der Hauptmarkt umfasst das größte Volumen bzw. Aktivitätsniveau für das konkrete Bewertungsobjekt (IFRS 13.Appendix A) und ist auch derjenige, den das Unternehmen gewöhnlich nutzt (IFRS 13.17). Wichtig ist auch, dass das Unternehmen am Bewertungsstichtag Zugang zu diesem Markt hat (vgl. IFRS 13.19; Große 2011, S. 288). Sofern der Hauptmarkt nicht vorhanden ist, ist der vorteilhafteste Markt einzubeziehen (IFRS 13.16 ff.). Auf diesem Markt ist der höchste Preis für einen Vermögenswert bzw. der niedrigste Preis für eine Schuld zu realisieren (IFRS 13.Appendix A). Zusammenfassend handelt es sich bei dem fair value demnach nicht um einen unternehmensspezifischen Wert, sondern vielmehr um einen beobachtbaren oder durch andere Bewertungstechniken approximierten Marktpreis. Zusätzlich zu den zuvor dargestellten Grundregeln umfasst IFRS 13 auch weitere Regelungen, die sich auf bestimmte Vermögenswerte oder Schulden beziehen (vgl. Große 2011, S. 289):
Nicht finanzielle Vermögenswerte
Eigene Eigenkapitalinstrumente
Nicht finanzielle Schulden
IFRS 13.27 ─ 33
Finanzielle Schulden
Finanzielle Vermögenswerte
IFRS 13.48 ─ 56 IFRS 13.34 ─ 47
Abb. II.5./15 Anwendungsbereich von IFRS 13
Den Kern von IFRS 13 bilden die Paragrafen 57-90, in denen die Bewertungstechniken und die fair value-Hierarchie zum Vorgehen bei der Ermittlung der Inputfaktoren (auch Stufenkonzeption) für die Bewertung beschrieben sind. Die fair value-Ermittlung wird hierbei durch die Möglichkeiten der Datenbeschaffung bestimmt: y Stufe 1 umfasst die Marktpreise, die für identische Vermögenswerte/Schulden auf einem aktiven Markt dem Unternehmen zugänglich sind. y Stufe 2 umfasst zusätzlich zu den Marktpreisen auch andere am Markt beobachtbare Faktoren. y Stufe 3 lässt auch nichtbeobachtbare Faktoren zu. Dieses Vorgehen minimiert den Anteil nicht beobachtbarer Inputs im Rahmen der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes. Abbildung II.5./16 verdeutlicht die hierarchisch angelegte mehrstufige Vorgehensweise der Ermittlung des fair value.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
Stufen
Inputfaktoren (IFRS 13.67 ff.)
Stufe 1
Marktpreis für identischen Posten auf einem aktiven Markt
Stufe 2a
Marktpreis für ähnliche Posten auf einem aktiven Markt
Stufe 2b
Marktpreis für identische oder ähnliche Posten auf einem inaktiven Markt
Stufe 2c
Andere direkte, marktbasierte Parameter
Stufe 2d
Andere indirekte, marktbasierte Parameter
Stufe 3
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Bewertungstechniken (IFRS 13.61 ff.; B5 ff.)
Beobachtbare Inputfaktoren
Marktbasierter Ansatz Kostenbasierter Ansatz Einkommensbasierter Ansatz a) Barwerttechniken (z.B. DCF-Verfahren) b) Optionspreismodelle
Nicht-beobachtbare Inputfaktoren
Abb. II.5./16 Stufenkonzeption zur fair value-Ermittlung
Im Einzelnen gestaltet sich das Vorgehen auf den einzelnen Stufen wie folgt: Stufe 1 Inputfaktoren der Stufe 1 sind im Idealfall unveränderte Marktpreise für identische Vermögenswerte oder Schulden, die auf einem aktiven Markt dem Unternehmen zugänglich sind (IFRS 13.76). Ein aktiver Markt liegt vor, wenn die Transaktionshäufigkeit und das -volumen hinreichend sind, um laufend Preisinformationen bereitstellen zu können (IFRS 13.Appendix A). Aktive Märkte sind vor allem Kapitalmärkte, aber auch Märkte für landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe (z. B. Edelmetalle, Erdöl und -gas). Zitat Mark-to-market-Bewertungen in der Finanzmarktkrise »Der Chor der Kritiker wird immer lauter: Die Buchführungsregel »mark to market«, die Finanzinstitute zwingt, zur Verbesserung der Transparenz bei der Bewertung von Aktiva Marktpreise einzusetzen, sei an der (…) Finanzkrise mitschuldig. (…) Board-Mitglied John Smith sieht eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Die Verwendung von Marktwerten mache lediglich die bestehende Volatilität sichtbar, verursache sie aber nicht. Die Buchführungsstandards müssten sich an ökonomischen Realitäten orientieren – nicht aber an optimistischen Erwartungen des Managements. Deven Sharma, der Präsident der Rating-Agentur Standard & Poor’s, unterstreicht die Bedeutung transparenter Bewertungen, da sie den Handel erleichterten, die Märkte liquider machten und so das Wirtschaftswachstum stärkten. Auch Finanzanalytiker stimmen den Revisoren zu. Das New Yorker CFA Institute vermutet, »Mark to market«-Regeln dienten als Sündenbock für schlechte oder die Standards verletzende Entscheide. Nur anhand von Marktwerten könnten Investoren Preise und Risiken genau einschätzen. Aus dieser Situation gibt es keinen leicht begehbaren Ausweg. Das Hauptproblem (…) sind das Einfrieren von Märkten in Krisen und das Fehlen glaubwürdiger Marktpreise. Aber selbst in normalen Zeiten führen Marktwerte nicht zwangsläufig zu sinnvollen Resultaten. Dies trifft beispielsweise für die Bewertung von Bonds auf Subprime-Hypotheken zu. Verwendet wird der Index ABX, der ein Bündel von synthetischen Finanzinstrumenten (credit default swaps) auf die 20 liquidesten Subprime-Bonds ist. (…) Fazit: »Mark to market« ist mit Schwächen behaftet, gegenwärtig aber ohne Alternative« (Uhlig 2008).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Diese Kritikpunkte aufgreifend, bietet IFRS 13 auch Leitlinien für die Anwendung des Standards, wenn am Markt abnehmende Marktaktivitäten und Volumen festzustellen sind (vgl. u. a. IFRS 13.B37-42). Eine solche Feststellung führt nicht automatisch zu dem Schluss, dass der Transaktionspreis keinen fair value mehr darstellt, allerdings muss der Transaktionspreis überprüft und ggf. angepasst werden. Stufe 2 Lässt sich ein Marktpreis der ersten Stufe nicht ermitteln, kommen ersatzweise andere als die auf Stufe 1 genannten Marktpreisnotierungen in Betracht, die für den Vermögenswert oder die Schuld entweder unmittelbar oder mittelbar zu beobachten sind (IFRS 13.81). In Anlehnung an IFRS 13.82 können die Inputfaktoren wie folgt konkretisiert werden: y Stufe 2a: unveränderte Marktpreise für ähnliche Vermögenswerte/Schulden auf einem aktiven Markt, y Stufe 2b: unveränderte Marktpreise für identische oder ähnliche Vermögenswerte/ Schulden auf einem inaktiven Markt, y Stufe 2c: direkt beobachtbare Parameter, z. B. Zinssätze und -kurven, implizite Volatilitäten und credit spreads, y Stufe 2d: indirekt beobachtbare Parameter (abgeleitet aus beobachtbaren Daten). Ist z. B. eine implizite Volatilität einer Dreijahresoption auf börsennotierte Aktien nicht berechenbar, könnte man diese mittels Hochrechnung aus der impliziten Volatilität der Ein- und Zweijahresoptionen herleiten, die dann durch einen Vergleich mit der impliziten Volatilität von Dreijahresoptionen vergleichbarer Unternehmen zu bestätigen wäre (IFRS 13.B35). Falls notwendig, sind Anpassungen vorzunehmen: Hier könnte z. B. der bekannte Marktpreis einer Immobilie A angepasst werden, um einen angemessenen fair value nach Stufe 2d für eine vergleichbare Immobilie an einem anderen Standort zu gewinnen. Stufe 3 Lässt sich mithilfe des Inputs der ersten beiden Stufen kein geeigneter Marktpreis bestimmen, ist der beizulegende Zeitwert unter Rückgriff auf alle nichtbeobachtbaren Parameter bei Anwendung anerkannter Bewertungstechniken zu ermitteln. Für die fair value-Ermittlung kommen verschiedene Bewertungstechniken (valuation techniques) in Betracht (siehe auch Ruhnke 2022b). IFRS 13.61 ff. unterscheidet drei Arten von Bewertungstechniken, die entsprechend ihrer einzelfallbezogenen Eignung und unter Berücksichtigung der verfügbaren Daten stetig und gem. der Stufenkonzeption dergestalt einzusetzen sind, dass die Verwendung beobachtbarer Inputs maximiert und nichtbeobachtbarer Inputs minimiert wird (IFRS 13.61 ff., 13.BC139 ff., 13.B5 ff.). Im Einzelnen sind zu nennen (hierzu IFRS 13.B5 ff.): y Marktbasierter Ansatz (market approach): Diese Bewertungstechnik verwendet beobachtbare Informationen. Hierbei wird regelmäßig auf marktbasierte Preise und andere relevante Daten aus Markttransaktionen von identischen oder ähnlichen Vermögenswerten oder Schulden zurückgegriffen (siehe hierzu weiter oben zu den Stufen 1 und 2 der Stufenkonzeption). y Kostenbasierter Ansatz (cost approach): Diese Bewertungstechnik spiegelt den Wert wider, der gegenwärtig notwendig wäre, um die Nutzenkapazität des Vermögenswertes zu ersetzen. Dieser Wert wird gem. IFRS 13.B8 auch oftmals als aktuelle Wiederbeschaffungskosten (current replacement costs) bezeichnet, d. h. die Wiederbeschaffungskosten stellen in der Systematik des IFRS 13 einen beizulegenden Wert dar, obwohl sie konzep-
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tionell einen beschaffungsmarktorientierten Wert i. S. eines Tageswertes des Frameworks i. d. F. 2010 darstellen (IFRS 13.BC 141). Einkommensbasierter Ansatz (income approach): Als Bewertungstechniken sind Barwerttechniken und Optionspreismodelle zu nennen (vgl. IFRS 13.B11 ff.).
Eine Barwerttechnik stellt das DCF-Verfahren dar. Bei Anwendung dieses Verfahrens sollen die Rechenparameter »künftige Ein- und Auszahlungen« sowie »Kapitalkostensatz« marktorientiert ermittelt werden. In diesem Fall besteht methodisch eine starke Ähnlichkeit zur Ermittlung eines Nutzungswertes, der diese Rechenparameter allerdings unternehmensspezifisch ermittelt.51 Bei immateriellen Vermögenswerten (s. Kap. III.3.2) sind als weitere Barwerttechniken (hierzu IDW S 5.31 ff.) die Mehrgewinnmethode (vereinfacht formuliert als der Barwert des Mehrgewinns, der sich beim Verkauf eines Markenproduktes gegenüber einem sog. no nameProdukt erzielen lässt) und die Lizenzpreisanalogie (Barwert der ersparten Lizenzzahlungen) zu nennen. Die Residualwertmethode ähnelt der Lizenzpreisanalogie (berücksichtigt aber zusätzlich fiktive Auszahlungen für unterstützende Vermögenswerte) und ist ebenfalls eine Barwerttechnik (insofern anders IFRS13.B11). Optionspreismodelle gelangen z. B. zur Anwendung, um mithilfe des Black-ScholesMerton Modells den Marktwert einer Aktienoption zu bestimmen. Auch wenn der IASB bewusst keine Hierarchie der Bewertungstechniken im IFRS 13 festgelegt hat (vgl. IFRS 13.BC142) lassen sich anhand der obenstehenden Definitionen die Bewertungstechniken den Inputfaktoren teilweise zuordnen, so z. B. die Stufe 1 der Bewertungstechnik dem marktbasierten Ansatz (s. Abb. II.5./16). Insofern bedingen sich Inputfaktoren und Bewertungstechnik teilweise (ähnlich Hitz 2012, Rn. 44). Zudem kommen für bestimmte Abschlussposten typische Bewertungstechniken zur Anwendung (hierzu Lübbig/ Kühnel 2020, § 2, Tz. 258). In bestimmten Fällen wird eine einzelne Bewertungstechnik sachgerecht sein, in anderen Fällen ist dagegen der Einsatz mehrerer Techniken geboten (IFRS 13.64). Ein Beispiel zur Anwendung unterschiedlicher Bewertungstechniken für Sachanlagen gibt das Beispiel 4 in IFRS 13.IE11 ff.: Beispiel Unterschiedliche Bewertungstechniken bei der Ermittlung eines fair value XYZ AG kauft im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses mit der ABC SE eine Maschine, die weiterhin im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der XYZ AG zu nutzen ist. Die Maschine wurde von der ABC SE vor dem Unternehmenszusammenschluss erworben und an die Bedürfnisse des Unternehmens in geringem Maße angepasst. Die Maschine wird auch nach ihrer Anpassung bestmöglich verwendet. y Die Anwendung des einkommensbasierten Ansatzes (IFRS 13.B10 f.) erweist sich als problematisch, da die Maschine keine separat identifizierbaren Einnahmen generiert, die zur Bestimmung der zukünftigen Cashflows notwendig sind. y Die XYZ AG stellt fest, dass die Anpassungen der Maschine geringfügig sind, sodass der marktbasierte Ansatz (IFRS 13.B5 ff.) angewendet werden kann. Für die Bestimmung des fair value unter Anwendung des marktbasierten Ansatzes nimmt die XYZ AG öffentlich verfügbare Marktpreise für ähnliche Maschinen und passt diese an. Die Bewertung reflektiert den Preis für Maschinen in ähnlichem Zustand (installiert, konfiguriert und gebraucht) und liegt zwischen 40 T€ und 48 T€.
51 So offensichtlich auch IDW RS HFA 40.16 ff. Eine Ausnahme besteht insofern, dass beim Nutzungswert gem. IAS 36 (s. Kap. II.5.3.8.2) die Zahlungsströme vor Unternehmenssteuern mit einem Zinssatz vor Steuern zu diskontieren sind und bei Anwendung des DCF-Verfahrens innerhalb der fair value-Ermittlung eine Betrachtung nach Unternehmenssteuern angezeigt ist.
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Gleichzeitig sind Daten zu den Herstellungskosten einer gleichartigen Maschine zur Ermittlung eines Reproduktionswertes verfügbar, was die Anwendung des Kostenansatzes (IFRS 13.B8 f.) ermöglicht. Bei dem kostenbasierten Ansatz wird der Betrag bestimmt, der für die Konstruktion der gleichen Maschine benötigt würde. Es werden die folgenden Faktoren berücksichtigt: Zustand der Maschine und ihrer Umgebung, physischer Verschleiß, technische oder gewerbliche Überholung aufgrund von Änderungen oder Verbesserungen in der Produktion oder von Änderungen in der Marktnachfrage nach Gütern, die von der Maschine erzeugt werden, sowie die Installationskosten der Maschine. Der berechnete fair value liegt zwischen 40 T€ und 52 T€.
Insofern sind der marktbasierte und der kostenbasierte Ansatz bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Dabei ist Folgendes festzustellen: Die Inputfaktoren beim marktbasierten Ansatz (verfügbare Preise für ähnliche Maschinen) erfordern weniger Anpassungen, die gleichzeitig weniger subjektiv sind, als die Inputfaktoren beim kostenbasierten Ansatz. Es liegen keine unerklärlichen Differenzen zwischen der zu bewertenden Maschine und ähnlichen Maschinen vor. Dies spricht für eine stärkere Berücksichtigung des marktbasierten Ansatzes. Weiterhin fällt die Wertspanne des marktbasierten Ansatzes teilweise mit der Wertspanne des kostenbasierten Ansatzes zusammen. Gleichzeitig ist sie aber geringer. Dies führt dazu, dass die XYZ AG es für sachgerechet erachtet, den fair value der Maschine an der obereren Grenze der nach dem marktbasierten Ansatz vertretbaren Werte anzusetzen, d. h. zu 48 T€. Bei einer hohen kundenspezifischen Anpassung wäre es denkbar, dass keine ausreichenden Daten für die Anwendung des marktbasierten Ansatzes verfügbar sind. In diesem Fall ist die ausschließliche Anwendung des kostenbasierten Ansatzes angezeigt. Hier könnte z. B. ein Wertansatz zum Mittelpunkt der Bandbreite (46 T€) als vertretbar erachtet werden.
Dass der sachgerechte Einsatz unterschiedlicher Bewertungstechniken im Einzelfall herausfordernd und mitunter auch fehleranfällig ist verdeutlicht die nachstehende Fehlerbekanntmachung der BaFin (zum Enforcement s. Kap. I.5.2.1.4). Beispiel Fehlerbekanntmachung gem. § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG Im Rahmen einer Fehlerbekanntmachung zum verkürzten Abschluss der E.ON SE zum 30.6.2016 hat die BaFin am 26.1.2022 Folgendes festgestellt:52 Die E.ON SE hat die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes abzüglich Veräußerungskosten der zur Veräußerung vorgesehenen Uniper SE »methodisch fehlerhaft« vorgenommen. Die E.ON SE hat für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes ausschließlich ein einkommensbasiertes Verfahren (DCF-Verfahren) verwendet. Insbesondere hat die E.ON SE »weder die mehr als ein Dutzend qualifizierten Analystenschätzungen zum Netto-Unternehmenswert noch den Aktienkurs am Abschlussstichtag als Level 3 Inputfaktoren in die Bewertung einbezogen. Dadurch ist der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten der zur Veräußerung gehaltenen Vermögenswerte in Höhe von 40,4 Mrd. Euro und der beizulegende Zeitwert der mit zur Veräußerung gehaltenen Vermögenswerten verbundenen Schulden in Höhe von 28,0 Mrd. Euro nicht sachgerecht ermittelt worden.«
Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass der beizulegende Zeitwert je nach Anwendungsfall durch unterschiedliche Bewertungstechniken ermittelt wird, die durch mehr oder weniger marktnahe Inputfaktoren bestimmt und ausgefüllt werden. Insofern handelt es sich bei dem beizulegenden Zeitwert nicht um einen eigenständigen, einheitlichen Bewertungsmaßstab. Dieser tritt vielmehr in unterschiedlichen Ausprägungsformen auf (vgl. auch die Übersicht in Moitzi 2007, S. 15). Der beizulegende Zeitwert lässt sich demnach als Oberbegriff für
52 Vgl. hierzu https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Massnahmen/Massnahmen_ Bilanzkontrolle/2022_01_26_EON_SE_109_Abs2_WpHG.html (Stand: 25.2.2022).
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alle zumindest marktnahen Bewertungsmaßstäbe charakterisieren (ähnlich Pfitzer/Dutzi 2002, Sp. 750). Unabhängig von der konkreten Ermittlung des fair value gem. IFRS 13 finden sich in den Einzelstandards teilweise auch Bewertungsmaßstäbe, welche sich aus dem fair value ableiten lassen. Beispielsweise ist der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (fair value less costs of disposal) im Rahmen des Wertminderungstests bei der Bewertung von Sachanlagen bedeutsam und konzeptionell mit dem Nettoveräußerungswert eng verwandt. Zudem können Sachanlagen gem. IAS 16 (s. Kap. III.3.1.3.2) im Zuge der Folgebewertung entweder zu ihren Kosten abzüglich der kumulierten Abschreibungen und der kumulierten Wertminderungsaufwendungen oder zum Neubewertungsbetrag angesetzt werden (IAS 16.29). Der Neubewertungsbetrag entspricht »seinem beizulegenden Zeitwert am Tage der Neubewertung abzüglich nachfolgender kumulierter planmäßiger Abschreibungen und nachfolgend kumulierter Wertminderungsaufwendungen« (IAS 16.31). Da das IASB den Wertansatz zum fair value vor dem Hintergrund einer vermuteten höheren Entscheidungsnützlichkeit forciert (vgl. Hinz 2005, S. 1013), stellt sich die Frage, ob ein solches Vorgehen auch tatsächlich zu einer höheren Entscheidungsnützlichkeit führt. Dabei lässt sich bereits an dieser Stelle feststellen, dass das fair value accounting nicht konsequent betrieben wird, da auch noch andere Bewertungsmaßstäbe außerhalb des fair values und auch fair value-Ausprägungen, bei denen fraglich ist, ob diese eine geeignete Ersatzgröße für einen Marktpreis darstellen, zum Einsatz gelangen. Somit kann nicht von einem full fair value accounting, sondern nur von einem partiellen fair value-Konzept (s. Kap. III.3.4.2.4) gesprochen werden. Es liegt nahe, die zuvor formulierte Frage z. B. unter Rückgriff auf den theoretischen Ansatz der Informationsökonomie (s. Kap. I.4.3.1) zu beantworten. Es stellt sich vor allem die Frage, ob empirische Studien eine höhere Entscheidungsnützlichkeit einer solchen Bewertung belegen. Empirie Entscheidungsnützlichkeit der fair value Bewertung Die umfangreichen kapitalmarktorientierten empirischen Studien (s. Kap. I.4.3.3) liefern keine Ergebnisse, die für eine grundsätzliche Überlegenheit z. B. einer fair value-Bewertung von Finanzinstrumenten im Vergleich zu einer Bewertung zu Anschaffungskosten sprechen (z. B. Bonse 2004, S. 201 ff.; Schmidt 2005, S. 126 ff. m. w. N.; Moitzi 2007, S. 36 ff.). Ein Fokus jüngerer Studien bildet die Entscheidungsnützlichkeit von beizulegenden Werten in Abhängigkeit von der Stufe, auf der dieser ermittelt wurde. Beispielsweise zeigen Gassen/Schwedler 2010, S. 499 f., dass Investoren, die anhand von Bewertungsmodellen ermittelten beizulegenden Zeitwerte regelmäßig als weniger entscheidungsnützlich beurteilen. Tama-Sweet/Zhang 2015 belegen, dass »the value relevance of Level 3 financial assets is lower than the value relevance of Level 1 and Level 2 financial assets«. Bestätigend hierzu auch die Wertrelevanzstudie von Song/Thomas/Yi 2010, dagegen ohne Bestätigung nach Einführung von IFRS 13 siehe Siekkinen 2017. Für europäische Immobilienunternehmen zeigen Vergauwe/Gaeremynck (2019), dass die Veröffentlichung von Informationen zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes die Informationsasymmetrien (gemessen anhand der Spanne zwischen Geld- und Briefkurs) reduzieren. Die diesbezüglichen Ergebnisse verhaltensorientierter Studien (s. Kap. I.4.3.5) sind gemischt (vgl. z. B. Bonse 2004, S. 117 ff.; Schmidt 2005, S. 119 ff.; Küting/Kaiser 2010, S. 380; m. w. N.). Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung von Anderson et al. 2015 sprechen dafür, dass eine Bewertung zum fair value im Vergleich zu einer Bewertung basierend auf fortgeführten historischen Kosten die Fähigkeit von Investoren erhöht, die Rechenschaft (stewardship) des Managements korrekt zu beurteilen. Die Ergebnisse der zuvor angesprochenen Wertrelevanzstudie bestätigend zeigt die interviewbasierte Studie von Claessen 2021, das Finanzanalysen Level 3 fair values nicht als Input
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in ihre Bewertung einbeziehen. Auch eine Analyse von Kreditverträgen belegt, dass bei der Festlegung von Kreditvertragsklauseln teilweise auf der Stufe 2 und 3 ermittelte fair values ausgeschlossen werden, weil die Kreditnehmer diese in höherem Maße abschlusspolitisch (s. Kap. II. 7.2) beeinflussen können. Siehe hierzu Demerjian/Donovan/Larson 2016, die in diesem Zusammenhang von »unreliable fair value estimates« sprechen.
Auch theoretisch-normative Untersuchungen kommen hinsichtlich der Überlegenheit einer fair value-Bewertung zu unterschiedlichen Ergebnissen (z. B. Barth 2014; Botosan/Huffman 2015). Empirie Fair value-Bewertung in der deutschen Bilanzierungspraxis Bei den im DAX 30 im Jahr 2011 notierten Industrieunternehmen ist der Anteil der auf der Aktivund Passivseite erfassten Posten zum fair value mit 4,3 % bzw. 1,3 % eher niedrig. Da 22,3 % des Jahresüberschusses durch Wertschwankungen von zum beizulegenden Wert bilanzierten Posten bedingt ist, ist die GuV-Wirkung indes hoch (vgl. Kirsch et al. 2015). Allerdings wird das Wahlrecht, einen Abschlussposten wahlweise zum fair value anzusetzen, tendenziell eher nicht ausgeübt. So wandte nur eines von 160 Unternehmen des HDAX und des SDAX in den Jahren 2012 und 2013 das Neubewertungsmodell gem. IAS 36 an (vgl. Ertel 2014a, 2014b).
Auch den deutschen GoB sind marktnahe Bewertungsmaßstäbe analog zum fair value vor allem seit dem BilMoG nicht fremd. Im Zuge dessen wurde für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts eine ähnliche hierarchische Vorgehensweise wie nach IFRS 13 normiert: Sofern kein Marktpreis auf einem aktiven Markt vorhanden ist, ist der Wert gem. § 255 Abs. 4 HGB anhand »allgemein anerkannter Bewertungsmethoden« zu bestimmen. Zuletzt sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten heranzuziehen. In diesem Sinne ist auch der Ertragswert als besondere Ausprägungsform des niedrigeren beizulegenden Zeitwertes (s. Kap. II.5.3.8.1) deckungsgleich mit einer fair value-Ermittlung anhand des einkommensbasierten Ansatzes. Auch der Bewertungsmaßstab der Wiederbeschaffungskosten wird innerhalb der GoB u. a. als Hilfsmaßstab zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes verwendet (s. Kap. II.5.3.8.1). Ein besonderer Unterschied zum fair-value-Bewertungsmaßstab besteht allerdings darin, dass der Wertansatz nach den deutschen GoB grundsätzlich nach oben begrenzt ist und zwar auf die Höhe der fortgeführten historischen Kosten. Dies liegt in der dominierenden Stellung des Vorsichtprinzips (s. Kap. II.4.4.7.1) im System der deutschen GoB begründet. Insofern findet nach deutschen GoB ein imparitätisches partielles fair-value-Konzept Anwendung. Lediglich Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute müssen zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente (s. Kap. III.3.4.2.2) zum beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikozuschlags ansetzen (§ 340e Abs. 3 HGB). Insofern gilt hier ein full-fair-valueKonzept. Allerdings ist gem. § 340e Abs. 4 HGB ein ausschüttungsgesperrter Sonderposten als Risikopuffer zu bilden. 5.3.6.4 Weitere Bewertungsmaßstäbe In den Einzelstandards finden sich neben den in den Kap. II.5.3.6.2 und II.5.3.6.3 genannten noch weitere Bewertungsmaßstäbe. Diese werden im Folgenden vergleichend zu den deutschen GoB skizziert (siehe auch die zweite Ebene in Abb. II.5./16): Der Nettoveräußerungswert (net realisable value) ist der geschätzte, im normalen Geschäftsgang erzielbare Verkaufserlös abzüglich der geschätzten Kosten bis zur Fertigstellung und der geschätzten notwendigen Vertriebskosten (IAS 2.6). Aufgrund der Absatzmarkt-
Kontrollfragen zu II.5.1-II.5.3.6
293
orientierung ist dieser Wertmaßstab dem fair value sehr ähnlich (vgl. Kirsch et al. 2019, IFRS 13, Rn. 6b). Der Nettoveräußerungswert und der beizulegende Zeitwert können sich indes dahingehend unterscheiden, dass der Nettoveräußerungwert eine unternehmensspezifische Betrachtung darstellt und bei der Ermittlung des fair values eine marktübliche Transaktion unterstellt wird (IAS 2.7). In den deutschen GoB findet sich mit dem vom Absatzmarkt abgeleiteten niedrigeren beizulegenden Zeitwert ein ähnlicher Wertmaßstab. Weiterhin sind gem. IAS 2.32 die Wiederbeschaffungskosten (replacement costs) zu nennen, welche als Hilfswert zur Bestimmung des Nettoveräußerungswertes dienen, wenn Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ggf. zu einem unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegenden Nettoveräußerungswert anzusetzen sind. In den deutschen GoB existiert analog der Reproduktionswert der zu Herstellungskosten produzierten Vermögensgegenstände (s. Kap. II.5.3.8.1). Die fortgeführten Kosten (amortized costs) stellen analog zu den deutschen GoB die um die planmäßigen und außerplanmäßigen Wertminderungen bzw. Abschreibungen fortgeführten historischen Kosten dar (s. Kap. II.5.3.8.1). Der erzielbare Betrag (recoverable amount) ist schließlich als der höhere der beiden Beträge aus »Nutzungswert« (value in use, IASB F.611b, IAS 36.6) und »beizulegendem Zeitwert abzüglich Verkaufskosten« definiert (IAS 36.6; ausführlich s. Kap. II.5.3.8.2). Nach deutschen GoB existiert mit Ausnahme des Ertragswertes zur Bewertung nicht börsennotierter Beteiligungen kein Bewertungsmaßstab, der dem Nutzungswert konzeptionell vergleichbar wäre. Ein Pendant zum erzielbaren Betrag existiert nach deutschen GoB ebenfalls nicht. Wie am Beispiel des erzielbaren Betrags verdeutlicht, gibt die für einen Abschlussposten relevante Bewertungsmethode (s. Kap. II.2.1) teilweise nicht nur einen Bewertungsmaßstab, sondern mehrere Bewertungsmaßstäbe vor (IASB F.6.83 ff.), die dann nach einer vorgegebenen Regel anzuwenden sind. Teilweise wird dem Abschlussersteller auch ein Wahlrecht zur Anwendung verschiedener Bewertungsmaßstäbe eingeräumt (z. B. IAS 16.29). Die zuvor angesprochenen Bewertungsmaßstäbe werden in Zusammenhang mit der Folgebewertung (s. Kap. II.5.3.8) sowie den Detailbetrachtungen in Kapitel III.2 und III.3 sowie in Bezug auf den Konzernabschluss insbes. in Kapitel IV.3 erneut aufgegriffen und vertieft.
Kontrollfragen zu II.5.1-II.5.3.6 Die nachstehenden Kontrollfragen beziehen sich primär auf II.5.1 bis II.5.3.2: 1. Das IASB Conceptual Framework wird in der Literatur teilweise als »theoretischer Unterbau« der IFRS-Rechnungslegung verstanden (z. B. zu finden in Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rn. 59). Diskutieren Sie diese Auffassung! 2. Wie werden deutsche und internationale Rahmennormen entwickelt? Welche Vorgehensweise halten Sie für vorziehenswürdig? 3. Gehen Sie auf die going concern-Annahme nach deutschen und internationalen Rechnungslegungsnormen ein. Welche Stellung besitzt diese Annahme im System der deutschen und der internationalen Rahmennormen? 4. Gehen Sie auf das matching principle nach internationalen Normen ein. Erläutern Sie auch den korrespondierenden Grundsatz im System der deutschen GoB und legen Sie sowohl Gemeinsamkeiten als auch mögliche Unterschiede dar.
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5. Gehen Sie auf den Grundsatz der Vorsicht im System der deutschen und das Erfordernis der Vorsicht in den internationalen Rahmennormen ein. Verdeutlichen Sie anhand von zwei Beispielen die Stellung des Grundsatzes in den beiden Systemen. 6. Stellen die internationalen oder die deutschen Normen höhere Anforderungen hinsichtlich des Grundsatzes der Stetigkeit? 7. Gehen Sie auf die Bedeutung der Primärgrundsätze ein und beschreiben Sie mögliche Zusammenhänge. Besitzen alle Primärgrundsätze dieselbe Bedeutung? 8. Die Primärgrundsätze »Relevanz« und »glaubwürdige Darstellung« stehen in einem Spannungsverhältnis. Diskutieren Sie dieses Spannungsverhältnis unter der Zielsetzung der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen. Erörtern Sie, wie der Standardsetzer das Spannungverhältnis zu lösen versucht. Nennen Sie auch ein Beispiel aus den IFRS-Einzelstandards! 9. Diskutieren Sie, inwiefern die Rechenschaftsfunktion (stewardship) für die Abschlussadressaten entscheidungsnützlich sein kann. 10. Was besagt der Grundsatz der Bilanzidentität und welche Normen verpflichten national und international zur Beachtung dieses Grundsatzes? 11. Gehen Sie kurz allgemein auf die Bedeutung einer Generalnorm und die Ihnen in Zusammenhang mit den deutschen GoB bekannten Generalnormen ein. 12. Wann ergibt sich nach internationalen und wann nach deutschen Normen eine fair presentation? Arbeiten Sie ggf. bestehende Unterschiede heraus. Die nachstehenden Kontrollfragen beziehen sich primär auf II.5.3.3: 1. Welche Erträge sind in einer handelsrechtlichen GuV als »sonstige betriebliche Erträge« zu zeigen? 2. Gehen Sie auf die Ergebnisspaltung nach deutschen und nach internationalen Normen ein. Welche Form der Ergebnisspaltung entspricht besser den Bedürfnissen der Abschlussadressaten? 3. Was versteht man unter einer Ergebnisverwendungsrechnung und auf welche Weise ist der in der GuV ausgewiesene Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag auf den Bilanzgewinn bzw. -verlust überzuleiten? Ist es möglich, dass ein Unternehmen trotz eines Jahresfehlbetrags in der GuV einen Bilanzgewinn zeigt? 4. Worin besteht der Unterschied zwischen einer Eigenkapitalveränderungsrechnung und einer Ergebnisverwendungsrechnung? 5. Kommt die technotrans AG in ihrem Geschäftsbericht 2020 den in IAS 1.138 geforderten Angabepflichten in den notes oder in einem anderen Teil des Geschäftsberichtes nach? Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus hinsichtlich der Zuverlässigkeit der gegebenen Informationen? 6. Welche Funktionen besitzt ein Anhang nach deutschen GoB? Welche Funktionen besitzen die internationalen notes? Gehen Sie auch auf ggf. bestehende Unterschiede ein! 7. Die Tech AG weist für das laufende Geschäftsjahr die folgenden Zahlen aus. S steht für die im EBIT (earnings before interest and taxes) enthaltenen Sondertatbestände, die als nicht wiederkehrend (non recurring items) zu klassifizieren sind. Die Abkürzung E steht für die erwarteten (expected) Zahlen. Der Steuersatz beträgt annahmegemäß 40 %.
Kontrollfragen zu II.5.1-II.5.3.6
295
Ermitteln Sie den Jahresüberschuss und den bereinigten Jahresüberschuss (nachhaltiges Ergebnis) für t1 und t2. Wie beurteilen Sie die gewonnenen Ergebnisse? t1 (Ist)
t2 (E)
Umsätze
1.000 Mio. €
1.100 Mio. €
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)
+ 350 Mio. €
+ 404 Mio. €
Finanzergebnis
– 70 Mio. €
– 65 Mio. €
S1: Rückstellung für Abfindungen an Arbeitnehmer
– 30 Mio. €
-
-
– 20 Mio. €
S3: Außerplanmäßige Abschreibungen
– 50 Mio. €
– 10 Mio. €
S4: Geleistete Entschädigungen für Produktmängel
– 15 Mio. €
-
S5: Ansprüche auf Versicherungsentschädigungen
+ 10 Mio. €
-
S6: Gewinne aus Geschäftsverkäufen
+ 30 Mio. €
+ 40 Mio. €
S2: Rückstellung für IT-Umstellung
Die nachstehenden Kontrollfragen beziehen sich primär auf II.5.3.4 bis II.5.3.6: 1. Inwiefern erfüllt der Ansatz von aktiven latenten Steuern die definitorischen Voraussetzungen für assets und der Ansatz von passiven latenten Steuern die definitorischen Voraussetzungen für liabilities? 2. Gehen Sie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den definitorischen Voraussetzungen für liabilities und der abstrakten Passivierungsfähigkeit für Vermögensgegenstände ein. Wie lassen sich die Unterschiede ggf. erklären? 3. Inwiefern kann die Bewertungsunsicherheit (measurement uncertainty) den Ansatz einer liability oder eines assets verhindern? 4. Inwiefern findet sich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form) bei den definitorischen Voraussetzungen von assets und liabilities wieder? 5. Was versteht man unter einer imparitätischen Auslegung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs und wie lässt sich diese im System der internationalen Rechnungslegungsnormen rechtfertigen? 6. Während der asset-Begriff u. a. darauf abstellt, dass es wahrscheinlich (probable) zu einem künftigen wirtschaftlichen Nutzen kommt, geht der liability-Begriff u. a. davon aus, dass es voraussichtlich (expected to result in) zu einem Abfluss von Ressourcen kommt. Die Literatur geht in Anlehnung an IAS 37 oftmals davon aus, dass probable eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % voraussetzt. Weitere Literaturquellen meinen, diese Prozentgrenze sei auch für den Abfluss der Ressourcen in Zusammenhang mit der liability-Definition relevant. a) Diskutieren Sie die beiden angesprochenen Literaturmeinungen. b) Sollte die in Zusammenhang mit dem Ressourcenab- bzw. -zufluss angegebene Prozentgrenze für die assets und die liabilities identisch sein? 7. Was versteht man unter einer imparitätischen Auslegung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs und wie lässt sich diese im System der internationalen Rechnungslegungsnormen rechtfertigen?
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
8. Handelt es sich bei dem erzielbaren Betrag (recoverable amount) um einen beizulegenden Zeitwert (fair value)? 9. Wann lässt sich ein Ansatz zu historical costs in einem ausschließlich an fair values orientierten Rechnungslegungssystem rechtfertigen? 10. Warum finden sich in der IFRS-Rechnungslegung unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe? 11. Gehen Sie auf den Bewertungsmaßstab des fair value im Rahmen der IFRS-Rechnungslegung ein und beschreiben Sie, in welchem Zusammenhang die Stufenkonzeption, die Bewertungstechniken und die Inputfaktoren stehen! 12. Inwieweit greifen die deutschen GoB auf den beizulegenden Zeitwert (fair value) zurück und wie lässt sich dieser Rückgriff mit der dominierenden Stellung des Vorsichtsprinzips vereinbaren? 13. Wie können die qualitätserhöhenden Merkmale der Vergleichbarkeit, Verständlichkeit und Nachprüfbarkeit durch die Wahl eines Bewertungsmaßstabs positiv beeinflusst werden?
5.3.7 Erstbewertung Originäre Bewertungsmaßstäbe sind bei der Erst- bzw. Zugangsbewertung (initial measurement) für erworbene oder im Unternehmen hergestellte Vermögensposten anzusetzen (s. Kap. II.2.1; insbes. Abb. II.2./4). Hierbei sind international und auch nach deutschen GoB vor allem die historischen Kosten (historical cost) relevant. Als historische Kosten werden nachstehend die Anschaffungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1) und die Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7.2) näher behandelt. Bei der Zugangsbewertung von Schulden sind nicht die finanziellen Abflüsse für den Zugang eines Vermögenspostens (insbes. der Anschaffungspreis), sondern die Abflüsse für den künftigen Abgang eines Schuldpostens relevant. Leffson (1987, S. 412) spricht hier von einer Bilanzierung zu »Abschaffungspreisen«. In diesem Fall ist z. B. als künftige Auszahlung der Nominalbetrag einer Verbindlichkeit angesprochen, der (auch im Rahmen der Erstbewertung) ggf. noch abzuzinsen ist (Erfüllungsbetrag; s. Kap. II.5.3.6.2). Weiterhin kommt international auch eine Erstbewertung zum fair value in Betracht (z. B. in Bezug auf originäre Finanzinstrumente, s. Kap. III.3.4.2.4). Der fair value zum Zeitpunkt der Erstbewertung (z. B. in der Ausprägungsform eines Marktpreises) dürfte regelmäßig den historischen Kosten entsprechen. Da die über die historischen Kosten hinausgehenden Besonderheiten der Erstbewertung teilweise stark in Abhängigkeit von dem jeweils betrachteten Abschlussposten variieren, werden diese in Kap. III.2 und III.3 aufgegriffen. 5.3.7.1 Anschaffungskosten a. Begriff und Umfang Anschaffungskosten stellen den originären Bewertungsmaßstab für von Dritten erworbene Vermögensgegenstände oder Vermögenswerte dar (zu den Anschaffungskosten vgl. Naumann et al. 2013, Rn. 255 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 195 ff., 253 ff.; Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 102 ff., 114 ff.). Nach den deutschen GoB umfasst die Definition des Anschaffungskostenbegriffs die folgenden Erfordernisse, die grundsätzlich auch international gelten: y Zweckbezogenheit der Anschaffungskosten: »Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen« (§ 255 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 HGB).
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y
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Zurechenbarkeit der Anschaffungskosten: Dies gilt nur insoweit, als die Anschaffungskosten »dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können« (§ 255 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 HGB).
Bei der Festlegung der Anschaffungskosten gelten nach deutschen GoB sowie grundsätzlich auch international zwei zentrale Prinzipien (vgl. Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 2 f.): y Das Prinzip der Maßgeblichkeit der Gegenleistung besagt, dass die Anschaffungskosten grundsätzlich durch die Gegenleistung des Erwerbers bestimmt werden. Im Regelfall handelt es sich um die Zahlungen, die durch den Beschaffungsvorgang verursacht worden sind. y Der Erwerb eines Vermögensgegenstands bildet lediglich eine Vermögensumschichtung. Demnach gilt das Prinzip der Ergebnisneutralität, d. h., durch den Beschaffungsvorgang kann es zu keinem Gewinnausweis kommen. Diskussionsfrage II.5.-8 Die Hubertus AG zahlt für eine schlüsselfertige Garage einen Kaufpreis von 15 T€. Dieselbe Garage hätte bei einem anderen Lieferanten für 13 T€ bezogen werden können. Wie hoch sind die Anschaffungskosten?
Für den Bewertungsmaßstab Anschaffungskosten gilt die in IASB F.6.4 ff. enthaltene allgemeine Kostendefinition. Dort sind die historical cost in Bezug auf Vermögenswerte als die für den Erwerb eines Vermögenswertes aufgewendeten Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente definiert. Konkretisierungen der Anschaffungskosten finden sich nach deutschen GoB in § 255 Abs. 1 HGB sowie international vor allem in IAS 2 und IAS 16 sowie weiterhin in IAS 23, 38, 39 und 40. Sofern nicht explizit darauf hingewiesen wird, gelten die folgenden Ausführungen sowohl für die handelsrechtlichen Normen als auch für die IFRS. Als Bestandteile der Anschaffungskosten sind zu nennen: – + + +
Anschaffungspreis Anschaffungspreisminderungen Anschaffungsnebenkosten Nachträgliche Anschaffungskosten Finanzierungskosten*
=
Anschaffungskosten nach HGB und IFRS
* Einbeziehungspflicht nach deutschen GoB, sofern Erwerbs- und Kreditgeschäft eng miteinander verbunden sind. Abb. II.5./17 Bestandteile der Anschaffungskosten
Mit dem Anschaffungspreis ist zumeist der Kaufpreis angesprochen. Davon sind alle Anschaffungspreisminderungen in Form von Rabatten und Skonti sowie ggf. von Bonuszahlungen (vgl. hierzu Kap. II.5.3.7) abzuziehen. Anschaffungsnebenkosten umfassen neben dem Anschaffungsvorgang direkt zurechenbare Ausgaben, die dazu dienen, den Vermögensposten in einen betriebsbereiten
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Zustand zu versetzen. Hierzu zählen z. B. Importzölle und Transportkosten, Notariats- und Gerichtskosten sowie Probeläufe von Maschinen. Diskussionsfrage II.5.-9 Bei der Anlieferung von 100 Druckern entstehen Transportkosten in Höhe von 500 €. Handelt es sich hierbei um Anschaffungskosten?
Nachträgliche Anschaffungskosten sind Ausgaben, die nach Abschluss des ursprünglichen Beschaffungsvorgangs anfallen, um die Verwendbarkeit eines Vermögensgegenstandes zu ändern oder zu verbessern. Nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB besteht für die nachträglichen Anschaffungskosten eine Einbeziehungspflicht. Die Einordnung von Ausgaben für Maßnahmen an bereits vorhandenen Vermögensgegenständen als nachträgliche Anschaffungskosten ist unproblematisch, wenn die Maßnahmen von Dritten durchgeführt werden und demgemäß Ausgaben in Form eines Rechnungsbetrags vorliegen. Wenn die Maßnahmen durch die bilanzierende Unternehmung selbst erfolgt sind und daher zu Aufwendungen geführt haben, können nachträgliche Anschaffungskosten nur vorliegen, wenn die Art und/oder Qualität des Vermögensgegenstandes im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Beispiele für das Entstehen nachträglicher Anschaffungskosten sind Straßenanlieger- und Erschließungsbeiträge bei Grundstücken oder der Abbau einer Maschine und ihre Wiederaufstellung an anderer Stelle in der Unternehmung, wobei als nachträgliche Anschaffungskosten die Aufwendungen für die neue Fundamentierung und Installation anzusehen sind. Die früheren Fundamentierungskosten sind außerplanmäßig abzuschreiben (vgl. hierzu Zwirner/Heyd/ Krauß 2021, A. Rn. 13). Nachträgliche Anschaffungskosten sind nach IFRS unter Beachtung des Komponentenansatzes (s. Kap. III.3.1.3.1) zu aktivieren. Nachträgliche Ausgaben für eine schon angesetzte Sachanlage, die dazu dienen, die vorhandene Substanz des Vermögenspostens zu erhalten (costs of the day-to-day servicing of the item), sind nach deutschen GoB und nach IAS 16.12 als Aufwand der Periode (sog. Erhaltungsaufwand bzw. repairs and maintenance) zu erfassen. Wurde ein Vermögenswert in fremder Währung auf Ziel erworben, stellt sich die Frage, ob ein aus der Währungsumrechnung resultierender Verlust als nachträgliche Anschaffungsnebenkosten aktivierbar ist. Dies ist sowohl nach deutschen GoB als auch nach IAS 21.28 nicht zulässig. Beachtlich ist, dass in Zusammenhang mit dem angeschafften Vermögensposten stehende Ausgaben ggf. dazu führen können, dass als anzuwendender Bewertungsmaßstab nicht mehr die Anschaffungskosten, sondern nunmehr die Herstellungskosten in Betracht kommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Reparaturwerkstatt einen defekten Pkw kauft, der nach umfangreichen, durch die Werkstatt durchgeführten Reparaturen seiner bestimmungsgemäßen Nutzung (Verkauf) zugeführt werden soll. Hier gehen die Anschaffungskosten des defekten Pkw in die Herstellungskosten des verkaufsfertigen Pkw ein, d. h., bei der Reparatur handelt es sich nicht um nachträgliche Anschaffungs-, sondern um Herstellungskosten (vgl. hierzu Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 49). In diesem Fall handelt es sich um eine Umklassifizierung von Anschaffungs- in Herstellungskosten. Finanzierungskosten umfassen die Fremdkapitalkosten und sonstige Kosten (z. B. Gebühren) bei einer Kreditaufnahme, die in Zusammenhang mit der Finanzierung eines Anschaffungsvorgangs stehen. Nach den deutschen GoB dürfen Fremdkapitalzinsen (Finanzierungskosten) grundsätzlich nicht zu den Anschaffungskosten zugerechnet werden, da die Anschaffung eines
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Vermögensgegenstandes ein von der Finanzierung unabhängiger Vorgang ist (vgl. Schubert/ Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 501). Die Kommentierungen und das weitere Schrifttum gehen zumeist davon aus, dass eine Aktivierung dann vorzunehmen ist, wenn das Erwerbs- und das Kreditgeschäft eng miteinander verbunden sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der aufgenommene Kredit dazu dient, Anzahlungen auf anzuschaffende Anlagen mit längerer Bauzeit zu leisten (vgl. z. B. Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 36 ff.; Knop/Küting/Knop 2016, § 255 HGB, Rn. 40). Argumentiert wird dergestalt, dass der Lieferant die Anzahlung dazu nutzt, um die Herstellung der Anlage zu finanzieren. Würde keine Anzahlung geleistet, müsste der Lieferant einen Kredit aufnehmen und er würde die zu leistenden Zinsen über den Kaufpreis an den Käufer weitergeben. In diesem Fall besteht, der Einbeziehungspflicht für Anschaffungsnebenkosten folgend, nach der hier vertretenen Auffassung eine Einbeziehungspflicht und kein Einbeziehungswahlrecht (insofern a. A. Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 501; grundsätzlich gegen eine Aktivierung sprechen sich Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 201 aus). International regelt IAS 23 die Behandlung von Finanzierungskosten (borrowing costs; hierzu z. B. Bischof/Sterzenbach 2021, IAS 23, Rn. 5 ff.). In diesem Zusammenhang ist ggf. auch IDW RS HFA 37 beachtenswert (zu einer Vorgängerfassung Schurbohm 2011). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Anwendung von IAS 23 im Rahmen der Ermittlung der Anschaffungskosten, gelten aber analog auch für die Ermittlung der Herstellungskosten (IAS 23.1; s. Kap. II.5.3.7.2). Finanzierungskosten sind grundsätzlich in der Periode als Aufwand zu erfassen, in der sie angefallen sind. Dagegen sind Finanzierungskosten, die direkt dem Erwerb eines qualifizierten Vermögenswertes (qualifying asset) zugeordnet werden können, als Bestandteil der Anschaffungskosten zu aktivieren (IAS 23.8). Insofern besteht eine Aktivierungspflicht. Ein qualifizierter Vermögenswert liegt vor, wenn der Anschaffungsvorgang bis zur Erreichung des betriebsbereiten Zustands einen beträchtlichen Zeitraum (substantial period of time) umfasst (IAS 23.5). y Der unbestimmte Normenbegriff »beträchtlicher Zeitraum« wird indes nicht näher konkretisiert. y IAS 23.7 nennt allerdings einige Beispiele für qualifizierte Vermögenswerte. In Betracht kommen u. a. langfristige Auftragsfertigung bei Vorräten oder als Finanzinvestition gehaltene Grundstücke und Gebäude. y Als Daumenregel gilt, dass der Anschaffungsvorgang mindestens ein Jahr betragen sollte. Der Anteil der aktivierungspflichtigen Finanzierungskosten ist definiert als die Kosten, die sich ohne die entsprechende Anschaffung hätten vermeiden lassen (IAS 23.10). Weiterhin müssen die Fremdkapitalkosten auf den Zeitraum der Anschaffung entfallen (IAS 23.17, 23.22). Hinsichtlich der Zweckbezogenheit der Finanzierungskosten lassen sich die folgenden Fälle unterscheiden: y Bei einer Fremdkapitalaufnahme speziell für einen bestimmten qualifizierten Vermögenswert bilden die tatsächlich angefallenen Finanzierungskosten den aktivierungsfähigen Betrag (IAS 23.12). y IAS 23.14 regelt den Fall einer nicht zweckgebundenen Fremdkapitalaufnahme. Dabei ergibt sich der aktivierungspflichtige Anteil der Finanzierungskosten aus den für den qualifizierten Vermögenswert angefallenen Ausgaben multipliziert mit einem gesondert zu berechnenden Durchschnittszinssatz. Der Zinssatz errechnet sich als gewogener Durchschnitt der Fremdkapitalkosten für solche Kredite des Unternehmens, die während der
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Periode bestanden haben und die nicht speziell für die Beschaffung eines qualifizierten Vermögenswertes aufgenommen worden sind. Als Nebenbedingung gilt, dass der Betrag der aktivierten Finanzierungskosten den Gesamtbetrag der während der gesamten Periode tatsächlich angefallenen Finanzierungskosten nicht übersteigen darf. Beispiel Behandlung von Finanzierungskosten Die XY-AG hat am 1.1.t3 ein Grundstück zum Preis von 150.000 € erworben. Notariatskosten, Grunderwerbsteuer und Grundbuchgebühren betragen 50.000 € (zu einem ähnlichen Beispiel vgl. Bischof/Sterzenbach 2021, IAS 23, Rn. 39 ff.). Auf diesem Grundstück wird ein Bürogebäude errichtet. Die Errichtung des Gebäudes (Bauabschnitt A) erfolgt in t3 durch die Fremdfirma Bau AG. Der vereinbarte Anschaffungspreis beträgt 1,5 Mio. €. An die Bau AG sind die folgenden Zahlungen zu leisten: 1 Mio. € am 1.2.t3 und 500.000 € am 1.10.t3. Mit dem Bau des Bürogebäudes wird am 1.2.t3 begonnen. Bauabschnitt A wurde am 31.12.t3 fertiggestellt. Gehen Sie davon aus, dass es sich bei dem bebauten Grundstück um einen qualifizierten Vermögenswert handelt. Die weiteren Bauabschnitte sind im Folgenden annahmegemäß ohne Bedeutung. Für die Finanzierung der Abschlagszahlung zum 1.2.t3 wurde ein Kredit in Höhe von 1 Mio. € aufgenommen (Laufzeit: 1.2.t3 bis zum 31.12.t3, Zinssatz 9 % p. a.). Am 31.12.t3 bestanden bei der XY-AG folgende Bankverbindlichkeiten: y Darlehn A (Laufzeit 5 Jahre) vom 31.12.t1 in Höhe von 6 Mio. €, Zinssatz 8 % p. a., Zinsen zahlbar jährlich zum 31.12. y Darlehn B (Laufzeit 3 Jahre) vom 31.12.t2 in Höhe von 3 Mio. €, Zinssatz 6 % p. a., Zinsen zahlbar jährlich zum 31.12. Folgende Fragen sind in Bezug auf t3 zu beantworten: 1. Wie hoch sind die Anschaffungskosten für das bebaute Grundstück nach IAS 23? 2. Wie hoch sind die Anschaffungskosten, wenn die XY-AG die Darlehn A und B nicht aufgenommen hätte und hierfür auch keine Notwendigkeit besteht? 3. Welche Angaben in Bezug auf die Frage 1) sind in den notes zu tätigen? zu Frage 1) Die Pflichtbestandteile der Anschaffungskosten sind wie folgt zu berechnen: Für das Grundstück gilt: Anschaffungspreis (150.000 €) + Anschaffungsnebenkosten (50.000 €) = Anschaffungskosten (200.000 €). Da für das Gebäude keine weiteren Angaben verfügbar sind, entsprechen die Anschaffungskosten zunächst dem Anschaffungspreis (1,5 Mio. €). Demnach betragen die vorläufigen Anschaffungskosten (ohne Finanzierungskosten) für das bebaute Grundstück 1,7 Mio. €.
a. a1.
Anschaffungsausgaben
Zeitraum
Zinssatz
Finanzierungskosten mit Zweckbindung Gebäude Abschlagszahlung 1.2.t3 1.000.000 € 11/12 9 % a2. ohne Zweckbindung 12/12 7,33 % Grundstück 200.000 € Gebäude Abschlagszahlung 1.10.t3 3/12 7,33 % 500.000 € b. Berechnung des durchschnittlichen gezahlte Zinsen in t3 (660.000 €) / Darlehnssumme (9.000.000 €) = 7,33 % Finanzierungskostensatzes für die der Vermögenswert-Anschaffung nicht direkt zurechenbaren Darlehn Summe der aktivierungspflichtigen Finanzierungskosten
Finanzierungskosten
82.500,00 € 14.660,00 € 9.162,50 €
106.322,50 €
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Zusätzlich ist ein Betrag von 106.322,50 € zu aktivieren, da er die tatsächlich gezahlten Zinsen in Höhe von 742.500 € (660.000 € für Darlehn A und B sowie 82.500 € für die Gebäudeabschlagszahlung) unterschreitet (Niederstwerttest i. S. des IAS 23.14 S. 3). Das bebaute Grundstück ist zu 1,7 Mio. € zuzüglich der Finanzierungskosten von 106.322,50 € zu aktivieren. Der Wertansatz beträgt demnach 1.806.322,50 €. zu Frage 2) In diesem Fall sind die aktivierungsfähigen Fremdkapitalkosten gem. IAS 23.14 S. 3 durch die tatsächlich angefallenen Fremdkapitalkosten (82.500 €) begrenzt (zur Berechnung siehe oben unter a1.). Demnach beträgt der Wertansatz 1.782.500 €. zu Frage 3) In den notes sind die in IAS 23.26 geforderten Angaben zu tätigen: IAS 23.26a: Die in t3 aktivierten Fremdkapitalkosten betragen 106.322,50 €. IAS 23.26b: Anzugeben ist weiterhin der bei der Bestimmung der zu aktivierenden Fremdkapitalkosten zugrunde gelegte Finanzierungskostensatz. Gegenüberzustellen sind hier die auf die Vermögenswertanschaffung durchschnittlich entfallenden Ausgaben einerseits und die aktivierten Fremdkapitalzinsen andererseits. Eine vereinfachte Berechnung gestaltet sich wie folgt: 106.322,50 € / (1.000.000 € × 11/12 + 200.000 + 500.000 × 3/12) = 8,56 %. Die entsprechende Angabe lautet wie folgt: »Der angewandte Finanzierungskostensatz beträgt 8,56 %.«
b. Sonderprobleme b1. Anschaffungskosten bei Tauschgeschäften Bei einem Tauschgeschäft (z. B. Erwerb eines Grundstücks im Tausch gegen ein anderes Grundstück) besteht nach h. M. bei den deutschen GoB ein Wahlrecht, die angeschafften Anlagewerte y entweder ergebnisneutral mit dem Buchwert des hingegebenen Gegenstandes (Buchwertfortführung) oder y mit dem vorsichtig geschätzten Zeitwert des hingegebenen Gegenstandes, höchstens aber mit dem vorsichtig geschätzten Zeitwert des erhaltenen Gegenstands anzusetzen (vgl. z. B. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 39 f.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 196 f.). In dem zuletzt genannten Fall wird auch eine teilweise Gewinnrealisierung für zulässig gehalten. Ist der Tausch dagegen überwiegend abschlusspolitisch motiviert, sieht die Literatur zumeist nur die Buchwertfortführung als zulässig an (so z. B. Naumann et al. 2013, Rn. 262). Steuerrechtlich sind die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufzulösen und wie ein Veräußerungsgewinn zu versteuern, d. h., der sog. gemeine Wert des hingegebenen Gutes ist anzusetzen (§ 6 Abs. 6 S. 1 EStG). Dabei ist der gemeine Wert gem. § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (vgl. hierzu Bilke/Heining/Mann 2021, S. 266 f., 269 f.). Nach IFRS ist bei einem Tauschgeschäft, z. B. Erwerb eines Grundstücks im Tausch gegen ein anderes Grundstück, zumeist der beizulegende Zeitwert des hingegebenen Vermögenswertes (the asset given up) anzusetzen (IAS 16.24 ff., 38.45 ff., 40.27 ff.; vgl. z. B. Nommensen 2020, § 5 Rn. 55 ff.). Voraussetzung für die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert ist, dass das Tauschgeschäft wirtschaftlichen Gehalt (commercial substance) besitzt (IAS 16.24 f., 38.45 f.). Bei der Beurteilung, ob der geforderte wirtschaftliche Gehalt vorliegt (commercial substance-test, IAS 16.BC21 f.), sind die aus dem Tauschgeschäft resultierenden Veränderungen im Cashflow
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zu berücksichtigen. Das Tauschgeschäft hat z. B. dann wirtschaftlichen Gehalt, wenn sich erhaltener und hingegebener Vermögenswert hinsichtlich Risiko, zeitlichem Anfall und Höhe der Cashflows voneinander unterscheiden (IAS 16.25a, 38.46a). Lassen sich bei einem Tauschgeschäft mit wirtschaftlicher Substanz die beizulegenden Zeitwerte des erhaltenen und des hingegebenen Vermögenswertes zuverlässig bestimmen, ist der beizuliegende Zeitwert des hingegebenen Vermögenswertes anzusetzen. In diesem Fall führt das Tauschgeschäft regelmäßig zu Ergebniswirkungen, sodass gegen das Prinzip der Ergebnisneutralität (s. Kap. II.5.3.7.1.a) verstoßen wird. Der beizulegende Zeitwert des erhaltenen Vermögenswertes ist ausnahmsweise nur dann anzusetzen, wenn dieser eindeutiger zu ermitteln ist (more clearly evident; vgl. IAS 16.26, 38.47). Mangelt es an wirtschaftlichem Gehalt, ist der fortgeführte Buchwert des hingegebenen Vermögenswertes anzusetzen. Der fortgeführte Buchwert des hingegebenen Vermögenswertes ist auch dann anzusetzen, wenn sich der beizulegende Zeitwert weder des hingegebenen noch des erhaltenen Vermögenswertes zuverlässig bestimmen lässt (IAS 16.24, 38.45). Diskussionsfrage II.5.-10 Die Fuhrpark AG hat den Verleih von Nutzfahrzeugen als Geschäftsgegenstand. Zwecks Optimierung der Einsatzmöglichkeiten ihres Fuhrparks wird ein Sattelschlepper (Buchwert: 6 T€; beizulegender Zeitwert 13 T€) mit einem Kran (Buchwert: 7 T€, beizulegender Zeitwert 12 T€) getauscht. Obgleich der Zeitwert des erhaltenen Krans niedriger ist als der Zeitwert des hingegebenen Sattelschleppers, verspricht sich die Fuhrpark AG aus dem Tausch Vorteile, da sich der Kran besser einsetzen lässt und mithin mit einem höheren Ertragswert verbunden ist. Mit welchem Betrag ist der Kran in der HGB-Bilanz, der IFRS-Bilanz und der Steuerbilanz anzusetzen? Welcher Betrag sollte nach Ihrem Dafürhalten in einer Bilanz angesetzt werden, die ausschließlich Informationszwecke zu erfüllen hat?
b2. Behandlung von Zuwendungen der öffentlichen Hand Im deutschen Rechtsraum werden die Zuwendungen der öffentlichen Hand vor allem in Investitionszuschüsse 53 und Investitionszulagen54 unterschieden. In Anlehnung an die Ausführungen in den Vorbemerkungen der Stellungnahme HFA 1/1984 i. d. F. 1990 wird für die Zwecke der handelsrechtlichen Bilanzierung als Oberbegriff gleichfalls die Bezeichnung »Zuwendung« gewählt (so auch Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 75; vgl. auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 12, Rn. 24). International gelten gem. IAS 20 Hilfeleistungen der öffentlichen Hand durch Transfer von Ressourcen als Zuwendung (government grant). Der IFRS-Begriff einer Zuwendung ist insofern enger, als dieser sich nur auf öffentliche und nicht auf private Zuwendungen bezieht. Nach deutschen GoB ist die Behandlung von nicht zurückzahlbaren Zuwendungen mit Bezug zu einer Investition nicht explizit geregelt. Das IDW empfiehlt in der Stellungnahme HFA 1/1984 i. d. F. 1990 die Verteilung der Ergebniswirksamkeit von Zuwendungen über die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes, für den diese gewährt wurden. In Abschnitt 2.a) dieser Stellungnahme wird die Auffassung vertreten, dass eine sofortige ergebniswirksame Vereinnahmung das Periodenergebnis verzerren würde. Für diese Zwecke sollte ein
53 Diese betragen z. B. im Rahmen des Gesetzes der Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« bis zu 50 % der Investitionsaufwendungen. 54 Zuletzt war das Investitionszulagengesetz von 2010 bedeutsam, welches als Fördergebiet die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ausweist; vgl. § 2 Abs. 2 InvZulG.
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besonderer Passivposten mit der Bezeichnung »Sonderposten für Investitionszuschüsse zum Anlagevermögen« gebildet werden, der dann über die Nutzungsdauer ergebniserhöhend aufzulösen ist. In der Literatur wird auch die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Zuwendung als zulässig angesehen, was dann wiederum zu reduzierten Abschreibungsbeträgen führt (vgl. z. B. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 115 ff.; Baetge/ Kirsch/Thiele 2021a, S. 198 f.). Die gewählte Rechnungslegungsmethode ist im Anhang anzugeben (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB). International sind Zuwendungen nach IAS 20.12 ergebniswirksam zu behandeln (z. B. Küting/Koch 2006, S. 569 ff.). Dabei besteht nach IAS 20.26 f. ein Wahlrecht, die Zuwendungen in Form eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens zu berücksichtigen (der dann planmäßig über die Nutzungsdauer des Vermögenswertes ergebniserhöhend aufzulösen ist), oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermögenswertes um die Zuwendung zu kürzen. Insofern besteht Übereinstimmung mit den deutschen GoB. Weiterhin bestehen nach IAS 20.39 umfangreiche Angabepflichten in den notes. Das Steuerrecht unterscheidet steuerfreie Investitionszulagen und steuerpflichtige Investitionszuschüsse (vgl. z. B. Heno 2018, S. 145 ff.; Falterbaum et al. 2020, S. 623 ff.; Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 120 ff.). y Investitionszulagen sind steuerrechtlich nicht ergebniswirksam zu vereinnahmen. Diese werden zwar zunächst als sonstige betriebliche Erträge gebucht, jedoch am Jahresende außerhalb der Steuerbilanz in der Steuererklärung wieder abgezogen und sind insofern steuerfrei. Zudem mindern Investitionszulagen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht (§ 13 InvZulG 2010). y Für Zuschüsse wird die Bildung eines Passivpostens als nicht zulässig angesehen. Aus diesem Grunde setzt die Praxis Zuschüsse regelmäßig von den Anschaffungskosten ab, um die handels- und steuerrechtliche Bilanzierung zu vereinheitlichen. R 6.5 Abs. 2 EStR (bestätigt durch die BFH-Rechtsprechung) sieht für bestimmte Investitionszuschüsse ein Wahlrecht vor, sie entweder sofort vollumfänglich ergebniswirksam zu vereinnahmen oder von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen. Die vollumfängliche ergebniswirksame Vereinnahmung ist gem. IAS 20.24 f. nicht zulässig. Beispiel Zuwendungen mit Bezug zu einer Investition Die Beier AG baut am 28.12.t1 eine Rauchgasentschwefelungsanlage ein. Die Anschaffungskosten hierfür betragen 2 Mio. € (vgl. Tanski 2010, S. 180; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 12, Rn. 36 f.). Für den Einbau der Anlage wird in t1 eine öffentliche, nicht zurückzahlbare Zuwendung von 400 T€ gewährt. Die Anlage wird linear über die wirtschaftliche Nutzungsdauer von 4 Jahren abgeschrieben und wird ab dem 1.1.t2 genutzt. Für den zu erstellenden IFRS-Abschluss ergeben sich die folgenden Abbildungsmöglichkeiten, die grundsätzlich auch nach deutschen GoB Gültigkeit besitzen: IAS 20.26 Jahr
asset
expenses
IAS 20.27
deferred income
income
400 T€
asset
expenses
t1
2.000 T€
1.600 T€
t2
1.500 T€
- 500 T€
300 T€
+ 100 T€
1.200 T€
- 400 T€
t3
1.000 T€
- 500 T€
200 T€
+ 100 T€
800 T€
- 400 T€
t4
500 T€
- 500 T€
100 T€
+ 100 T€
400 T€
- 400 T€
t5
-.-
- 500 T€
-.-
+ 100 T€
-.-
- 400 T€
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5.3.7.2 Herstellungskosten a. Begriff und Umfang Herstellungskosten stellen den originären Bewertungsmaßstab für im Unternehmen hergestellte Vermögensposten dar55 und sind handelsrechtlich in § 255 Abs. 2, 2a und 3 HGB geregelt; ggf. ist ergänzend IDW RS HFA 31 (Aktivierung von Herstellungskosten) heranzuziehen. Die Herstellungskosten sind neben den Anschaffungskosten den historischen Kosten zuzurechnen, werden aber im IASB F.6.4 ff. nicht explizit definiert. IASB F.6.5 definiert indes, dass alle zur Anschaffung oder Herstellung des Vermögenswertes angefallenen Kosten inkl. der Transaktionskosten zu den historischen Kosten zählen. Konkretisierungen bzw. Einschränkungen zur Ermittlung der Herstellungskosten finden sich in den Einzelstandards. Zu nennen sind vor allem IAS 2 (Vorräte), IAS 16 (Sachanlagevermögen) und IAS 38 (immaterielle Vermögenswerte). Bezüglich des Umfangs der Herstellungskosten gilt das folgende Grundprinzip: Herstellungskosten beinhalten die Kosten des Herstellungsvorgangs (costs of conversion) und alle sonstigen Kosten (other costs), die dafür angefallen sind, die Vermögensposten an ihren derzeitigen Ort und in ihren derzeitigen Zustand zu versetzen (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB; IAS 2.10, 2.12 ff.). Der Herstellungskostenbegriff ist pagatorisch fundiert, d. h., Kosten sind nur insoweit in die Herstellungskosten einzubeziehen, als diese auf Ausgaben basieren (s. Kap. II.2.1). Dies verdeutlicht auch die Definition der historischen Kosten im IASB F.6.5. Im Unterschied zu den Anschaffungskosten ist der Vorgang der Herstellung (vor allem handelsrechtlich) nicht zwingend ergebnisneutral, da nicht alle Aufwendungen des Herstellungsvorgangs in die aktivierten Herstellungskosten einbezogen werden müssen (Prinzip der eingeschränkten Ergebnisneutralität). Nachträgliche Herstellungskosten sind zu aktivieren, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Ausgaben zu einem über das ursprünglich angenommene Nutzenpotenzial hinausgehenden Zusatznutzen des Vermögenspostens führen, z. B. eine Verlängerung der Nutzungsdauer einschließlich einer Erhöhung der Kapazität (vgl. z. B. Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 375 ff.). y Nachträgliche Herstellungskosten (sog. Herstellungsaufwand) sind nach deutschen GoB zu aktivieren und auf die Restnutzungsdauer entsprechend dem Abschreibungsplan zu verteilen. Die Abschreibungen für die Folgeperioden berechnen sich wie folgt: (Restbuchwert + nachträgliche Herstellungskosten) / Restnutzungsdauer (vgl. z. B. Heno 2018, S. 344 ff.). Herstellungsaufwand liegt regelmäßig vor, wenn der Gegenstand in seiner Substanz vermehrt, die Gebrauchs- und Verwertungsmöglichkeit des Gegenstandes wesentlich verändert oder die Lebensdauer des Gegenstandes verlängert worden ist. Diese Regelung gilt grundsätzlich auch nach IFRS, allerdings erfordert der sog. Komponentenansatz gem. IAS 16.13 f. ggf. eine gesonderte Erfassung (s. Kap. III.3.1.3.1). Hier unterscheiden sich die Normen nach HGB und IFRS. y Dienen die Ausgaben lediglich dazu, die vorhandene Substanz des Vermögenspostens zu erhalten, handelt es sich um sog. Erhaltungsaufwand, der nach deutschen GoB das Ergebnis der laufenden Berichtsperiode mindert (vgl. hierzu Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 254). In ähnlicher Weise sind die laufenden Wartungskosten (costs of day-today servicing) als Aufwand zu erfassen (IAS 16.12). Allerdings sind bestimmte Ausgaben zu aktivieren, wenn die Ansatzkriterien gem. IAS 16.7 erfüllt sind (IAS 16.13 f.; s. Kap. III.3.1.3.1).
55 Die Eigenherstellung stellt den typischen Anwendungsfall dar. Vgl. zu den Herstellungskosten bei Fremderstellung Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 332 ff.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Das Problem der Bestimmung des Umfangs der Herstellungskosten lässt sich in drei Teilprobleme strukturieren: den Kostenarten-, den Kostenstellen- und den Angemessenheitsaspekt (vgl. ausführlich Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 11 ff.). Diese Aspekte greifen die folgenden Abschnitte auf. Abschlusspostenbezogene Vertiefungen finden sich in Kapitel III (s. Kap. z. B. III.3.1 bis 3.3). b. Kostenartenaspekt Die Kostenartenrechnung dient der Erfassung der Kosten nach ihrer Art und zwar nach Einzel- und Gemeinkosten. Nach IAS 2.12 sind die Kosten in die Herstellung einzubeziehen, die sich den einzelnen Produktionseinheiten direkt zurechnen lassen (direct costs) sowie alle angemessenen (s. Kap. II.5.3.7.2.d) produktionsbezogenen fixen und variablen Produktionsgemeinkosten (production overheads). y Zu den Einzelkosten zählen die Materialeinzelkosten (z. B. unmittelbar dem herzustellenden Produkt zurechenbare Rohstoffe oder fremdbezogene Teilerzeugnisse), die Fertigungseinzelkosten (vor allem Fertigungslöhne) und die Sondereinzelkosten der Fertigung (z. B. Modelle, Spezialwerkzeuge und Stücklizenzen). y Die Gemeinkosten umfassen die variablen und fixen Materialgemeinkosten. Zu nennen sind z. B. Lagerkosten, die im Produktionsprozess vor einer weiteren Produktionsstufe anfallen (IAS 2.16b) oder Kosten für Transport und Prüfung des Fertigungsmaterials. Weiterhin sind Fertigungsgemeinkosten (z. B. Betriebsstoffe, Hilfsstoffe, Sachversicherungen für Anlagen der Fertigung, Fertigungskontrolle) zu berücksichtigen. In die Gemeinkosten müssen auch angemessene Teile der Abschreibungen einbezogen werden. Dies gilt vor allem für den Werteverzehr (planmäßige Abschreibung) des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Somit dürfen außerplanmäßige Abschreibungen (Wertminderungen) nicht einbezogen werden (auch IAS 2.12; vgl. z. B. Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 428; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 204 f.). Als Sonderfall ist die Behandlung von Finanzierungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1.a) anzusprechen. Hier besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Einbeziehungswahlrecht (§ 255 Abs. 3 HGB) bzw. international eine Einbeziehungspflicht (IAS 23.8). c. Kostenstellenaspekt Neben der Kostenart entscheidet auch der Ort, an dem die Kosten entstanden sind, über den Inhalt der Herstellungskosten. Dabei folgt der Kostenstellenaspekt dem Grundprinzip, dass alle Kostenstellen, die an der Herstellung des Vermögenspostens mitgewirkt haben, bei der Ermittlung der Herstellungskosten zu berücksichtigen sind. Der Herstellungs- bzw. Fertigungsprozess gilt mit der Möglichkeit einer bestimmungsgemäßen Verwendung des Vermögenspostens als beendet. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Erzeugnisse ihre Absatzreife erreicht haben. Je enger dieser Zusammenhang, desto eher ist von einer Einbeziehungspflicht in die Herstellungskosten auszugehen. Nachstehend werden die in den einzelnen Bereichen entstandenen Kosten vor dem Hintergrund des Grundprinzips näher beleuchtet. y Der Fertigungsbereich ist einzubeziehen, da in diesem die Fertigung vollzogen wird. y Dies gilt auch für den der Produktion vorgelagerten Materialbereich, der u. a. die Warenannahme, die Prüfung, Lagerung und Ausgabe des Materials umfasst. y Im Verwaltungsbereich – besteht nach den deutschen GoB grundsätzlich ein Einbeziehungswahlrecht (§ 255 Abs. 2 S. 3 HGB).
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y
y
y
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
– Nach IFRS gilt für die Verwaltungskosten mit Herstellungsbezug (z. B. Lagerverwaltung, Arbeitsvorbereitung oder Fertigungskontrolle) eine Einbeziehungspflicht (IAS 2.12), da eine unmittelbare Nähe zum Material- und Fertigungsbereich vorhanden ist. Zwischen der allgemeinen Verwaltung (z. B. Geschäftsleitung, Rechnungswesen, Personalbüro) und dem Fertigungsbereich besteht indes kein eindeutiger Zusammenhang. Insofern erscheint ein Einbeziehungsverbot sachgerecht. Nach IAS 2.16c (Vorräte) und IAS 16.19d (Sachanlagen) besteht ein Einbeziehungsverbot für Verwaltungskosten. Die Aufwendungen für soziale Einrichtungen (sozialer Bereich) des Betriebs (z. B. Kantine, Sporteinrichtungen, Unfallstation) haben auch einen zweitrangigen Bezug zur Fertigung, deswegen erscheint ein Einbeziehungsverbot sachgerecht. – Nach § 255 Abs. 2 S. 3 HGB besteht für diese Aufwendungen ein Wahlrecht. Bei einem engen Bezug zur Fertigung sollten diese jedoch dem Grundprinzip folgend einbezogen werden und in allen anderen Fällen auf eine Einbeziehung verzichtet werden. – Nach IFRS sind Aufwendungen mit engem Produktionsbezug grundsätzlich einzubeziehen, für Kosten ohne Produktionsbezug besteht ein Aktivierungsverbot. Bezüglich des Forschungs- und Entwicklungsbereichs gilt, – dass die (Grundlagen-)Forschung (vor allem Neuentwicklungen und wesentliche Weiterentwicklungen) keinen Zusammenhang zur laufenden Produktion aufweist. Insofern ist ein Einbeziehungsverbot konsequent (§ 255 Abs. 2 S. 4 i. V. m. Abs. 2a S. 3 HGB, IAS 38.54). – Dagegen besteht bei Kosten der (Weiter-)Entwicklung, wie z. B. Aufwendungen für die ständige Verbesserung der laufenden Produktion, ein enger Bezug zur laufenden Produktion. Dementsprechend sind Entwicklungskosten, sofern eine verlässliche Unterscheidung zu Forschungskosten möglich ist, als Teil der Herstellungskosten zu sehen (§ 255 Abs. 2a HGB; s. Kap. III.3.2.2; vgl. Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 480 ff.). – Für den Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens besteht gem. § 248 Abs. 2 HGB ein Aktivierungswahlrecht. – Nach IAS 38.57 besteht indes eine Pflicht zur Aktivierung von Entwicklungskosten als eigenständiger Vermögenswert (allerdings besteht faktisch ein Aktivierungswahlrecht; s. Kap. III.3.2.2). Dem Herstellungsprozess eindeutig nachgelagert ist der Vertrieb der Produkte. Insofern ist das für die Kosten des Vertriebsbereichs bestehende Aktivierungsverbot (§ 255 Abs. 2 S. 4 HGB; IAS 2.16d) konsequent.
d. Angemessenheitsaspekt Die Frage nach der Angemessenheit der einbezogenen Kostenbestandteile stellt sich in zeitlicher und sachlicher Hinsicht. y In zeitlicher Hinsicht sind die Herstellungskosten dann angemessen, wenn diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (vgl. z. B. § 255 Abs. 2 S. 3 HGB; IAS 2.10 ff.). y Auch in sachlicher Hinsicht müssen die einbezogenen Einzel- und Gemeinkosten angemessen sein. Dies bringt z. B. IAS 2.16a zum Ausdruck, der abnormale Beiträge für Materialabfälle, Fertigungslöhne und Produktionskosten explizit von einer Einbeziehung in die Herstellungskosten ausschließt.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Dabei stellt sich das Problem der Bestimmung der angemessenen fixen Fertigungs gemeinkosten,56 die gem. § 255 Abs. 2 S. 2 HGB und gem. IAS 2.13 in die Herstellungskosten einbezogen werden müssen (Pflicht). IAS 2.13 bietet eine Lösung des Problems der Bestimmung der angemessenen fixen Gemeinkosten an, welche grundsätzlich der Vorgehensweise nach den deutschen GoB entspricht (vgl. Wohlgemuth/Ständer 2003, S. 207, 210 f. sowie IDW RS HFA 31.20 f.). Demnach ist bei der Ermittlung der aktivierbaren Gemeinkosten grundsätzlich von einer Normalbeschäftigung auszugehen. Dabei kann zwischen Leerkosten und Nutzkosten unterschieden werden: – Nutzkosten sind der Teil der fixen Kosten, der auf die genutzte Kapazität entfällt. Leerkosten entfallen bei offensichtlicher Unterbeschäftigung auf die nicht genutzte Kapazität. – Als angemessene Gemeinkosten sind mithin nur die Nutzkosten aktivierbar. Leerkosten bilden einen Aufwand der Periode (IAS 2.13 S. 5). – Bei einer Unterauslastung oder einem Betriebsstillstand darf der Fixkostenverrechnungssatz nicht erhöht werden, da dies eine nicht zulässige Einbeziehung von Leerkosten zur Folge hätte (IAS 2.13 S. 4). Die deutschsprachige Literatur vertritt oftmals die Auffassung, eine Eliminierung von Leerkosten könne unterbleiben, wenn die tatsächliche Beschäftigung 70 % der Normalbeschäftigung überschreitet (vgl. Reiter 1998, S. 79; Wohlgemuth/Ständer 2003, S. 211). Ein solches Vorgehen steht dem Wortlaut von IAS 2.13 S. 4 entgegen. Allerdings erscheint der Verzicht auf eine Eliminierung von Leerkosten zulässig, sofern es sich um unwesentliche Beträge handelt (Primärgrundsatz der glaubwürdigen Darstellung; s. Kap. II.5.3.2.3.a2). Diskussionsfrage II.5.-11 Die fixen Fertigungsgemeinkosten der Production AG betragen 100 T€. Im Fall der Normalbeschäftigung produzieren 50 Mitarbeiter 100 Produkteinheiten. Geben Sie für die folgenden Fälle an, wie hoch die aktivierbaren bzw. aktivierungspflichtigen Fertigungsgemeinkosten (insgesamt und pro Einheit) und die aufwandswirksam zu erfassenden Beträge sind. Beziehen Sie Ihre Ausführungen sowohl auf einen HGB- als auch einen IFRS-Abschluss. Alle produzierten Einheiten befinden sich am Jahresende noch auf Lager. Begründen Sie Ihre Antworten! a) 50 Mitarbeiter produzieren 100 Einheiten. b) 40 Mitarbeiter produzieren 80 Einheiten. c) 50 Mitarbeiter produzieren 108 Einheiten.
Die folgenden Auszüge aus den notes verschiedener IFRS-Abschlüsse verdeutlichen, dass die Unterscheidung in Nutz- und Leerkosten durchaus praxisrelevant ist. Geschäftsbericht Unterscheidung Nutz- und Leerkosten »Als Herstellungskosten werden neben den direkt zurechenbaren Kosten auch angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten bei Normalkapazität der betreffenden Produktionsanlagen erfasst, soweit sie im Zusammenhang mit dem Herstellungsvorgang anfallen« (BASF SE
56 Während die variablen Gemeinkosten in Abhängigkeit von der Beschäftigung (als der am häufigsten verwandten Kosteneinflussgröße) schwanken, ist dies bei den fixen Gemeinkosten (z. B. für die Gehälter ohne Akkordlöhne sowie Mieten) nicht der Fall.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
(2021), Geschäftsbericht 2020, S. 273). »Die zugerechneten Gemeinkosten sind überwiegend auf Basis der üblichen Kapazitätsauslastung ermittelt« (MAN SE (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 95). »Die Herstellungskosten entsprechen den produktionsorientierten Vollkosten; sie werden auf der Grundlage einer normalen Kapazitätsauslastung ermittelt« (RWE AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 116).
Da R 6.3 EStR von den notwendigen Fertigungsgemeinkosten und den notwendigen Materialgemeinkosten spricht, ist davon auszugehen, dass der Aspekt der Angemessenheit auch steuerrechtlich gilt (vgl. auch Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 98 ff.). e. Herstellungskostenbestandteile im Vergleich Die handelsrechtliche Herstellungskostenuntergrenze umfasst neben den Einzelkosten auch angemessene Teile der Materialgemeinkosten, Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit diese durch die Fertigung veranlasst sind (Pflichtbestandteil). Weiterhin besteht ein Wahlrecht zur Einbeziehung angemessener Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs sowie Aufwendungen für freiwillige soziale Leistungen des Betriebs und die betriebliche Altersversorgung, sofern diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (§ 255 Abs. 2 HGB). Weiterhin können fertigungsbezogene Finanzierungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1.a) in die Herstellungskosten einbezogen werden (§ 255 Abs. 3 S. 2 HGB; ggf. i. V. m. IDW RS HFA 31.23 ff.). Den vorherigen Ausführungen folgend sind nach IFRS alle Einzelkosten und alle produktionsbezogenen Gemeinkosten zu aktivieren. Dies gilt auch für die fertigungsbezogenen Finanzierungskosten. Eine solche Vorgehensweise ist Ausdruck des matching principle, d. h., die Aufwendungen sind in der Periode zu verrechnen, in der der entsprechende Ertrag vereinnahmt wird (IASB F.5.5; IAS 1.27 f.). Abbildung II.5./18 stellt die Bestandteile der Herstellungskosten nach IFRS und deutschen GoB gegenüber.57 Ergänzend werden auch die steuerrechtlichen Bestandteile der Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 EStG; R 6.3 EStR) dargestellt. Einzelheiten zu den steuerrechtlichen Besonderheiten finden sich z. B. in Rodermond 2016; Velte 2016; Falterbaum et al. 2020, S. 685 ff.; Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 345 ff. und Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 59 ff. IFRS
deutsche GoB
Steuerrecht
Pflicht Pflicht Pflicht
Pflicht Pflicht Pflicht
Pflicht Pflicht Pflicht
Pflicht Pflicht Pflicht
Pflicht Pflicht Wahl
Pflicht Pflicht Wahl
Pflicht
Pflicht
Pflicht
Kostenartenaspekt Einzelkosten Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Sondereinzelkosten der Fertigung Gemeinkosten Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten planmäßige Abschreibungen Sonderfall Finanzierungskosten
57 Vgl. auch Heno 2018, S. 164; Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 345; Kahle/Haas/Schulz 2021, § 255 HGB, Rn. 154; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 39 f.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
309
IFRS
deutsche GoB
Steuerrecht
Pflicht Pflicht Pflichta Pflichtc
Pflicht Pflicht Wahl Wahl
Pflicht Pflicht Wahlb Wahlb
Verbot Verbot
Verbot Verbot
Verbot Verbot
Verbotd
Wahle
Verbotf
Kostenstellenaspekt Fertigungsbereich Materialbereich Verwaltungsbereich sozialer Bereich Forschungs- und Entwicklungsbereich Forschung Entwicklung Vertriebsbereich a
Verbot für allgemeine nicht herstellungsbezogene Verwaltungskosten.
b
Das Wahlrecht ist übereinstimmend mit der handelsrechtlichen Ausübung wahrzunehmen (sog. Übereinstimmungsvorbehalt).
c
Für herstellungsbezogene freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung; dagegen gilt für nicht herstellungsbezogene soziale Einrichtungen des Betriebs ein Verbot.
d
Ggf. besteht eine Pflicht zur Aktivierung als eigenständiger Vermögenswert.
e
Bei selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens.
f
Bei selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.
Abb. II.5./18 Bestandteile der Herstellungskosten nach IFRS, deutschen GoB und Steuerrecht
5.3.8 Folgebewertung 5.3.8.1 System der Folgebewertung nach deutschen GoB a. Überblick und Systematisierung Folgebewertung erfolgt bei Vermögensgegenständen mit mehrjähriger Nutzungsdauer und dient zur Abbildung ihrer Weiterentwicklung im Unternehmen. Nachstehend folgen grundlegende Ausführungen zum System der Folgebewertung nach deutschen GoB. Im System der deutschen GoB bildet der Betrag, der im Rahmen der Erst- bzw. Zugangsbewertung unter Anwendung der originären Bewertungsmaßstäbe ermittelt wurde, die Wertobergrenze: »Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (...) anzusetzen« (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB). Diese »Deckelung« wird als Anschaffungskostenprinzip bezeichnet. Weiterhin bilden die originären Bewertungsmaßstäbe den Anknüpfungspunkt für in der Folgeperiode ggf. durchzuführende Abschreibungen. Dies folgt aus § 253 Abs. 1 S. 1 HGB, wonach die Vermögensgegenstände höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) »vermindert um Abschreibungen« anzusetzen sind. Abschreibungen sind nach deutschen GoB grundsätzlich direkt vorzunehmen, d. h., der Abschreibungsbetrag ist aktivisch vom letzten Bilanzansatz des Vermögensgegenstandes abzusetzen. Zu buchen ist wie folgt: Abschreibungen
an
Vermögensgegenstand
Einzelheiten z. B. zu den Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahres sowie zu den kumulierten Abschreibungen finden sich im Anlagenspiegel (§ 284 Abs. 3 HGB; s. Kap. III.3.1.4). Bei den Abschreibungen sind planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen zu unterscheiden:
310
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die planmäßige Abschreibung führt zum planmäßig fortgeführten Buchwert. Die außerplanmäßige Abschreibung betrifft niedrigere Wertansätze, die regelmäßig zwingend zu berücksichtigen sind. – Außerplanmäßige Abschreibungen sind in der GuV gesondert zu zeigen oder im Anhang anzugeben (§ 277 Abs. 3 S. 1 HGB). – Wurde außerplanmäßig abgeschrieben, kann sich in den Folgeperioden die Frage stellen, ob diese Abschreibungen wieder rückgängig zu machen sind (Wertaufholung; s. Kap. II.5.3.8.3). Abbildung II.5./19 verdeutlicht die zuvor skizzierte Systematik. y y
Abschreibungen
planmäßige
außerplanmäßige
Bewertungsmaßstab
fortgeführte AHK
Bewertungsmaßstäbe innerhalb des Niederstwertprinzips
Anwendungsbereich
abnutzbares Anlagevermögen
Umlaufvermögen (strenges Niederstwertprinzip)
Anlagevermögen (gemildertes Niederstwert prinzip)
Rechtsgrundlage
§ 253 Abs. 3 S. 1 und 2 HGB
§ 253 Abs. 4 und 5 HGB
§ 253 Abs. 3 S. 5 und 6 HGB, § 253 Abs. 5 HGB
Wertobergrenze
AHK abzüglich planmäßige Abschreibungen
Börsen- oder Marktpreis bzw. niedrigerer beizulegender Wert
niedrigerer beizulegender Wert
Notwendigkeit
Pflicht
Pflicht
vorübergehende Wertminderung: a) Verbot: Nicht-Finanz anlagen b) Wahlrecht Finanz anlagen dauernde Wertminderung: Pflicht
Wertaufholung
–
Pflicht
Pflicht
Abb. II.5./19 Konzeption der Folgebewertung nach deutschen GoB
b. Planmäßige Abschreibungen Die Regelungen zur planmäßigen Abschreibung dienen vor allem der Realisierung des Definitionsgrundsatzes der Abgrenzung der Sache nach (s. Kap. II.4.4.5.2). Demnach sind den Umsatzerlösen (Erträgen) die korrespondierenden Aufwendungen gegenüberzustellen. Zu diesen Aufwendungen zählt auch der durch die hergestellten Produkte ausgelöste Werteverzehr des Anlagevermögens. Planmäßige Abschreibungen betreffen die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist. Es besteht eine Abschreibungspflicht (§ 253 Abs. 3 S. 1 HGB). Als Abschreibungsausgangswert sind regelmäßig die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten heranzuziehen, die ggf. um einen erheblichen Restwert zu reduzieren sind. Zur Aufstellung des Abschreibungsplans sind weiterhin das Abschreibungsverfahren und die Abschreibungsdauer zu bestimmen. y Der Abschreibungsausgangswert ist nach § 253 Abs. 3 S. 2 HGB auf die Geschäftsjahre zu verteilen, in denen der Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt wird (Abschrei-
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
y
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bungsdauer). Demnach ist die wirtschaftliche und nicht die technische Nutzungsdauer relevant. Die Schätzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer eröffnet beachtliche Ermessensspielräume, die sich abschlusspolitisch (s. Kap. II.7.2) nutzen lassen. Die Verteilung des Abschreibungsausgangswertes über die Nutzungsdauer bestimmt das Abschreibungsverfahren. Das Abschreibungsverfahren ist gesetzlich nicht geregelt. Als mögliche Verfahren sind zu nennen (vgl. ausführlich z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 262 ff.; Boecker et al. 2021, B., Rn. 112 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 164 ff.): – Bei der linearen Abschreibung erfolgt die Abschreibung mit einem gleichbleibenden Prozentsatz von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Diese Abschreibung führt zu gleichbleibenden Abschreibungsbeträgen. – Die degressive Abschreibung zeichnet sich durch im Zeitablauf fallende Abschreibungsbeträge aus. – Die progressive Abschreibung ist durch im Zeitablauf steigende Abschreibungsbeträge gekennzeichnet. – Bei der leistungsabhängigen Abschreibung werden die jährlichen Abschreibungsbeträge nach Maßgabe der Leistung berechnet, d. h., der Abschreibungsausgangswert (ursprüngliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten) wird durch die voraussichtlich erzielbaren Leistungseinheiten (z. B. Fahrleistung eines LKW) dividiert und mit der tatsächlichen Leistungsabgabe im jeweiligen Geschäftsjahr multipliziert.
Ein Wechsel im Abschreibungsverfahren (Methodenwechsel) ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Abs. 2 HGB). Ein Methodenwechsel liegt indes nicht vor, wenn ein solcher im Abschreibungsplan vorgesehen ist, wie z. B. zwingend beim Übergang von der geometrisch-degressiven auf die lineare Abschreibung, da ansonsten niemals ein Restbuchwert von »Null« erreicht wird. Nach § 243 HGB stehen grundsätzlich alle Abschreibungsverfahren zur Auswahl, solange das Verfahren den GoB entspricht. »Daraus ergibt sich jedoch kaum einmal eine Einschränkung der Wahlfreiheit, weil ein Widerspruch zu den GoB nur bei einem dem tatsächlichen Werteverzehr völlig widersprechenden Abschreibungsverlauf anzunehmen ist. Dies wäre im Allgemeinen nur bei der progressiven Abschreibungsmethode denkbar. Hervorzuheben ist, dass der Bilanzierende nicht gehalten ist, ein dem voraussichtlichen Werteverzehr möglichst nahekommendes Verfahren zu wählen. Die planmäßige Abschreibung dient vielmehr der aufwandsmäßigen Abgrenzung (Periodisierung) der angefallenen Ausgaben als der Ermittlung der voraussichtlich ›richtigen Zeitwerte‹ zu den künftigen Bilanzstichtagen. Es wird daher auch von der sog. ›Verteilungsabschreibung‹« (Boecker et al. 2021, B., Rn. 114, andere Hervorhebung im Original) gesprochen. Nach IAS 16.43 ff. ist jeder Teil (Komponente) einer Sachanlage, dessen Anschaffungswert bedeutsam ist und dessen Nutzungsdauer von der Nutzungsdauer des »gesamten« Vermögenswertes abweicht, getrennt abzuschreiben. Als Beispiel wird eine separate Abschreibung von Rumpf und den Triebwerken des Flugzeugs genannt. Dieser Komponentenansatz (ausführlich s. Kap. III.3.1.3.1) wird auch handelsrechtlich für zulässig erachtet, sofern physisch separierbare Komponenten ausgetauscht werden und die betroffene Komponente in Relation zum gesamten Vermögensgegenstand wesentlich ist (vgl. IDW RH HFA 1.016; so z. B. auch Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 391). Steuerrechtlich bildet die lineare Abschreibung den Normalfall. § 7 Abs. 1 S. 1 EStG spricht hier von der Absetzung für Abnutzung (AfA) in gleichen Jahresbeträgen. Grundsätzlich anwendbar ist weiterhin die leistungsabhängige AfA (§ 7 Abs. 1 S. 6 EStG). Unzulässig sind
312
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
indes die degressive 58 sowie die progressive AfA. Wird ein Wirtschaftsgut unterjährig angeschafft oder hergestellt, ist steuerrechtlich monatsgetreu abzuschreiben (R 7.4 Abs. 2 EStR; § 7 Abs. 1 S. 4 EStG). Es ist zu erwarten, dass die Unternehmen auch handelsrechtlich zu einer monatsgenauen Abschreibung neigen werden, um ein »Auseinanderfallen« von Handelsund Steuerbilanz zu vermeiden. Geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 800 € nicht übersteigen, dürfen gem. § 6 EStG Abs. 2 sowohl steuerrechtlich als auch nach deutschen GoB sofort abgeschrieben werden. Darüber hinaus kann die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer digitaler Wirtschaftsgüter laut BMF-Schreiben vom 26.2.2021 auf ein Jahr festgelegt werden, sodass für diese ebenfalls die Möglichkeit einer steuerrechtlichen Sofortabschreibung besteht (BStBl. I S. 298). Das Wahlrecht kann in Wirtschaftsjahren ausgeübt werden, die nach dem 31.12.2020 enden und soll der weiteren Stimulierung der Wirtschaft dienen sowie Anreize zur Digitalisierung schaffen. c. Außerplanmäßige Abschreibungen Die Regelungen zu den außerplanmäßigen Abschreibungen sollen die Überbewertung von Vermögensgegenständen verhindern, die aufgrund unvorhergesehener ökonomischer, technischer oder umweltbedingter Entwicklungen einen Wertverlust erleiden. Sie dienen der Kapitalerhaltung (s. Kap. II.4.4.7) und sind Ausdruck des Vorsichts- und insbes. des Imparitätsprinzips: y Das auf Vermögensgegenstände bezogene Niederstwertprinzip lässt sich wiederum als Konkretisierung des Imparitätsprinzips dergestalt verstehen, dass künftige Perioden von bereits verursachten negativen Ergebnisbeiträgen freigehalten werden. y In Bezug auf die Schulden folgt aus dem Imparitätsprinzip das sog. Höchstwertprinzip, d. h., ergibt sich am Abschlussstichtag eine wirtschaftliche Belastung, welche den zuvor angesetzten Betrag übersteigt, so ist der nunmehr höhere Wertansatz zu passivieren. Die in Bezug auf die Vermögensgegenstände durchzuführenden außerplanmäßigen Abschreibungen betreffen das Anlage- und das Umlaufvermögen. Für das Umlaufvermögen gilt das strenge Niederstwertprinzip, d. h., die außerplanmäßige Abschreibung ist auch bei einer voraussichtlich nur vorübergehenden Wertminderung vorzunehmen. Für das Anlagevermögen gilt das gemilderte Niederstwertprinzip, verpflichtend abgeschrieben wird nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB). Auf welchen Zeitraum sich der unbestimmte Normenbegriff »dauernd« bezieht, ist indes gesetzlich nicht kodifiziert. Typischerweise kann eine außerplanmäßige Abschreibung unterbleiben, wenn zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses eine Werterholung bereits eingetreten ist oder konkrete Hinweise hierauf vorliegen. Für abnutzbare Vermögensgegenstände liegt eine dauernde Wertminderung vor, wenn der Stichtagswert, der sich aus den planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer oder den nächsten drei bis fünf Jahren nicht erreicht wird. Bei Zweifeln hinsichtlich der Werterholung ist grundsätzlich von einer dauernden Wertminderung auszugehen (vgl. Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 317 f. sowie zur Vielfalt der Ansichten hinsichtlich der Auslegung dieses unbestimmten Normenbegriffes siehe Marx 2020, § 253 HGB, Rn. 139).
58 Eine Ausnahme besteht nach § 7 Abs. 2 S. 1 EStG für bewegliche Wirtschaftsgüter, die in den Jahren 2020 bis 2022 angeschafft oder hergestellt wurden. Diese Ausnahme soll eine konjunkturelle Stützungsmaßnahme in Reaktion auf COVID-19 darstellen, die in Art. 1 CorStHG umgesetzt wird.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Eine Ausnahme stellen Finanzanlagen dar. Diese können auch bei einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung außerplanmäßig abgeschrieben werden (§ 253 Abs. 3 S. 6 HGB). Bei Finanzanlagen kann einem Vorschlag des Versicherungsfachausschusses (VFA) des IDW folgend insbes. dann von einer dauernden Wertminderung ausgegangen werden, wenn der Börsenkurs über sechs Monate durchgängig 20 % oder im Monatsschnitt der vergangenen 12 Monate 10 % unter den Anschaffungskosten liegt (vgl. IDW 2002, S. 667 f.). Begründen lässt sich diese Differenzierung dahingehend, dass beim Anlagevermögen der drohende Verlust einer vorübergehenden Wertminderung eher unwahrscheinlich ist, da die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB), d. h., die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich vorübergehende Wertverluste im Zeitablauf wieder ausgleichen. Diskussionsfrage II.5.-12 In Bezug auf einen abnutzbaren Vermögensgegenstand wird aufgrund eines kurzfristigen Angebots von gebrauchten Maschinen (ein Hersteller hat Insolvenz angemeldet) ein Marktpreis festgestellt, der 30 % unter den aktuellen fortgeführten Anschaffungskosten liegt. Es erscheint plausibel, dass der Marktpreis für gebrauchte Maschinen in 18 Monaten sich wieder auf dem bisher üblichen Niveau, welchen den fortgeführten Anschaffungskosten entspricht, bewegt. Muss in dem vorliegenden Fall außerplanmäßig abgeschrieben werden? Wie gehen Sie vor und welche weiteren Informationen benötigen Sie?
Im Folgenden werden die Bewertungsmaßstäbe innerhalb des Niederstwertprinzips nach Umlauf- und Anlagevermögen getrennt dargestellt. Beim Umlaufvermögen ist auf einen sich aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergebenden niedrigeren Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 4 S. 1 HGB; vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen z. B. ADS 1995, § 253 HGB, Rn. 488 ff.; Marx 2020, § 253 HGB, Rn. 160 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 374 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 125 ff.). y Der Börsenpreis ist der an einer amtlich anerkannten Börse festgestellte Preis. y Der Marktpreis ist der Durchschnittspreis, der an einem Handelsplatz für Waren einer bestimmten Gattung von durchschnittlicher Art und Güte gewährt wurde. Dabei wird eine größere Anzahl von abgeschlossenen Kaufverträgen unterstellt. Um zum beizulegenden Wert zu gelangen, sind zum Börsen- oder Marktpreis ggf. noch die Anschaffungsnebenkosten (z. B. Verkaufskosten) bei einer beschaffungsmarktorientierten Bewertung hinzuzurechnen oder bei einer absatzmarktorientiertierten Bewertung abzuziehen (vgl. z. B. Bertram/Kessler 2020, § 253, Rn. 284). Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht feststellbar, ist nach § 253 Abs. 4 S. 2 HGB der sog. niedrigere beizulegende Wert anzusetzen. Diese Regelung berücksichtigt das Erfordernis, einen möglichst gut objektivierbaren Bewertungsmaßstab (Börsen- oder Marktpreis) vorzugeben, d. h., der niedrigere beizulegende Wert kommt nur dann in Betracht, wenn ein Börsen- oder Marktpreis nicht ermittelbar ist. Die Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes ist im HGB nicht explizit geregelt. Allerdings haben sich für seine Ermittlung nicht gesetzlich kodifizierte GoB herausgebildet. Dabei gilt folgende Grundregel: Der beizulegende Wert ist in Abhängigkeit von der Nähe des zu untersuchenden Postens zum Absatz- oder zum Beschaffungsmarkt zu ermitteln, ggf. kommt auch ein Ertragswert in Betracht. Im Detail gilt Folgendes:
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Der vom Absatzmarkt abgeleitete niedrigere beizulegende Wert kommt vor allem für fertige und unfertige Erzeugnisse ohne Möglichkeit eines Fremdbezugs sowie für Überbestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen in Betracht. Dem Imparitätsprinzip folgend ist das Ziel einer verlustfreien Bewertung zu verfolgen. Demnach sind vom vorsichtig geschätzten Verkaufserlös noch alle bis zum Verkauf anfallenden Herstellungskosten, Verpackungskosten, Ausgangsfrachten sowie Erlösschmälerungen abzuziehen. Auf diese Weise gelangt man retrograd zum vom Absatzmarkt abgeleiteten Wert. Der vom Beschaffungsmarkt abgeleitete niedrigere beizulegende Wert ist in Zusammenhang mit dem Umlaufvermögen entweder ein Wiederbeschaffungswert oder ein Reproduktionswert. – Der Wiederbeschaffungswert kommt vor allem für fertige und unfertige Erzeugnisse mit Möglichkeit eines Fremdbezugs sowie für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in Betracht. Auf die Abwertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen kann verzichtet werden, wenn es sich um Auftragsmaterial handelt, dessen Anschaffungskosten durch den Auftrag insgesamt gedeckt sind (ADS 1995, § 253, Rn. 540). Dabei bilden die Anschaffungskosten den originären Bewertungsmaßstab. Unterstellt wird die Fiktion der Wiederbeschaffung und zwar für die Fälle, in denen sich kein Preis feststellen lässt, der den Anforderungen eines Börsen- oder Marktpreises genügt (Anwendungsfall von § 253 Abs. 4 S. 2 HGB). Der Wiederbeschaffungswert setzt sich aus dem Wiederbeschaffungspreis (Anschaffungskosten) zuzüglich fiktiver Anschaffungsnebenkosten zusammen. – Der Reproduktionswert kommt für fertige und unfertige Erzeugnisse in Betracht, sofern sich kein Wert vom Absatzmarkt herleiten lässt und auch kein Wiederbeschaffungswert ermittelt werden kann. Dabei stellen die Herstellungskosten den originären Bewertungsmaßstab dar. Ermittelt werden die Herstellungskosten auf Basis einer Kalkulation am Bilanzstichtag. – Für (Handels-)Waren und Überbestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen wird teilweise die Auffassung vertreten, es gelte die sog. doppelte Maßgeblichkeit. Demnach wäre der niedrigere Wert entweder vom Beschaffungs- oder vom Absatzmarkt heranzuziehen (z. B. IDW 2021, F186). Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass nicht abgesetzte Waren und Überbestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen ein Indiz für Absatzschwierigkeiten sein können und das Vorsichtsprinzip in diesem Fall eine »besondere Vorsicht« erfordert. Dem ist entgegenzuhalten, dass bei gesunkenen Beschaffungspreisen sowie bei konstanten Preisen am Absatzmarkt kein Bedarf für eine außerplanmäßige Abschreibung ersichtlich ist. Insofern scheint es zumindest für (Handels-)waren sachgerecht, auf eine Abwertung zu verzichten, sofern eine Veräußerung oberhalb der Anschaffungskosten so gut wie sicher ist, weil es ansonsten zu einer »Überdehnung des Vorsichtsprinzips« kommen würde (so auch Marx 2020, § 253 HGB, Rn. 167; Schubert/Berberich 2020, § 253 HGB, Rn. 519; IDW 2021, F189).
Beim Anlagevermögen ist ggf. auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB). Dabei stellt der Börsen- oder Marktpreis (zuzüglich Anschaffungsnebenkosten) die bestmögliche Ausprägungsform des beizulegenden Wertes dar. Ist dieser nicht ermittelbar, sind grundsätzlich die Verhältnisse am Beschaffungsmarkt maßgebend (vgl. z. B. Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 308 ff.). Dabei kann es sich beim abnutzbaren Anlagevermögen um einen Wiederbeschaffungszeitwert, fortgeführten Wiederbeschaffungsneuwert oder Reproduktionswert handeln.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Da abnutzbare Anlagen definitionsgemäß abzuschreiben sind, kommt als niedrigerer beizulegender Wert nicht ein Wiederbeschaffungsneuwert, sondern ein Wiederbeschaffungszeitwert in Betracht, wie z. B. Schätzlisten für gebrauchte Kraftfahrzeuge, wie die DAT- oder Schwacke-Schätzliste. Häufig lässt sich ein Wiederbeschaffungszeitwert nicht feststellen. In diesen Fällen ist ein fortgeführter Wiederbeschaffungsneuwert zu berechnen. Dabei geht man vom fiktiven Wiederbeschaffungsneuwert des zu bewertenden Gegenstandes aus und vermindert diesen um dem Alter des Gegenstandes entsprechende fiktive planmäßige Abschreibungen. Lässt sich der fiktive Wiederbeschaffungsneuwert nur für einen Gegenstand erweiterter technischer Funktionalität ermitteln, so ist der Wert zusätzlich um einen Abschlag zu reduzieren. Der Reproduktionswert kommt für selbst erstellte Anlagen, bei denen kein Beschaffungsmarkt existiert, in Betracht. Ermittelt werden die Herstellungskosten auf Basis einer Kalkulation am Bilanzstichtag.
Der Ertragswert, als Barwert aller künftigen Einzahlungsüberschüsse aus dem zu bewertenden Vermögensgegenstand, kommt nur dann in Betracht, wenn der beizulegende Wert sich nicht auf eine andere Weise ermitteln lässt (vgl. Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 310). y Als Beispiele sind nichtbörsennotierte Beteiligungen, Patente und Lizenzen zu nennen. Dabei kann es sich um Vermögensgegenstände des Anlage- oder des Umlaufvermögens handeln. y Die Probleme der Ertragswertbestimmung liegen zum einen in der Schätzung der künftigen Einzahlungsüberschüsse und zum anderen in der Bestimmung eines geeigneten Zinssatzes für die Berechnung des Barwertes der künftigen Einzahlungsüberschüsse (vgl. IDW S 1). Die handelsrechtlichen Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert entsprechen konzeptionell den steuerrechtlichen Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 S. 7 EStG) sowie den steuerrechtlichen Teilwertabschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG; vgl. hierzu Falterbaum et al. 2020, S. 727 ff.; Marx 2020, § 253 HGB, Rn. 148 ff.; Wohlgemuth/Radde 2021, Rn. 71 ff.; Zwirner/Heyd/ Krauß 2021, A., Rn. 119 ff.). Nachstehend werden die steuerlichen Teilwertabschreibungen näher untersucht. y § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG definiert den Teilwert als den »Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.« y Die Bestimmung eines solchen Teilwertes setzt letztendlich eine Unternehmensbewertung voraus (zur Ertragswertermittlung vgl. IDW S 1). Die damit verbundenen erheblichen praktischen Probleme, wie z. B. Schätzung der künftigen Ein- und Auszahlungen und deren Diskontierung sowie Aufteilung des Gesamtunternehmenswertes auf die einzelnen Wirtschaftsgüter, haben dazu geführt, dass die Rechtsprechung Teilwertvermutungen aufstellt, die vom Steuerpflichtigen im Einzelfall widerlegt werden können. Insgesamt dürften sich die handels- und steuerrechtlichen Wertansätze regelmäßig entsprechen. y Der steuerrechtliche Teilwert und der handelsrechtliche niedrigere beizulegende Wert unterscheiden sich z. B. dahingehend, dass steuerrechtlich nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ein niedriger Teilwert angesetzt werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 2 EStG) und dass bei einer am Absatzmarkt orientierten retrograden Wertermittlung vom voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlös ein durchschnittlicher Unternehmensgewinn abzuziehen ist (R 6.8 Abs. 2 S. 3 und 5 EStR; vgl. Boecker et al. 2021, B., Rn. 606).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Beispiel Teilwertabschreibung bei Berücksichtigung eines Rohgewinnaufschlags Der voraussichtliche Verkaufserlös für eine Ware beträgt 700 T€, der aktuelle Buchwert beträgt 750 T€. Bis zum Verkauf fallen noch Aufwendungen in Höhe von 100 T€ an. Der Rohgewinnaufschlag beträgt 200 T€. In diesem Fall kann steuerrechtlich ein Betrag von 400 T€ (700 T€ – 100 T€ – 200 T€) angesetzt werden.
Diskussionsfrage II.5.-13 Ist bei der Erstellung eines HGB-Abschlusses im Zuge der retrograden Bewertung vom vorsichtig geschätzten Verkaufserlös auch ein angemessener Gewinn abzuziehen? Diskutieren Sie die Frage aus dem Blickwinkel der Zielsetzung eines handelsrechtlichen Einzelabschlusses.
Neben den beiden zuvor genannten steuerrechtlichen Abschreibungsarten kommen steuerrechtlich wahlweise weitere Abschreibungen in Betracht, z. B. Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen (vgl. hierzu §§ 7 g-i EStG). 5.3.8.2 Folgebewertungsmodelle nach IFRS a. Überblick und Vorbemerkungen Das IASB unterscheidet verschiedene Folgebewertungsmodelle. Der Begriff Modell bezieht sich auf Verfahren zur Gewinnung von Informationen, wie z. B. zur Bewertung bestimmter Abschlussposten, welche auf spezifischen Annahmen hinsichtlich der Entscheidungsnützlichkeit dieser Informationen basieren (vgl. zum Modellbegriff Reinhold 2000, S. 441 f. sowie zur Vielfalt der Modellbegriffe Zschocke 1995, S. 215 ff.; Richter 2013 m. w. N.). Allerdings stellt die normative Vorgabe bestimmter Bewertungsmodelle alleine keinen abschließenden Nachweis für ihre besondere Eignung zur Bewertung bestimmter Abschlussposten dar. Der Nachweis einer solchen Eignung kann empirisch (z. B. durch kapitalmarktorientierte Studien; s. Kap. I.4.3.3) geführt werden. Demnach setzt die normative Vorgabe spezifischer Folgebewertungsmodelle streng genommen die Herausbildung einer Rechnungslegungstheorie (s. Kap. I.4.1) voraus. Eine solche Theorie liegt jedoch derzeit nicht vor. Bewertungsmodelle greifen wiederum auf Bewertungsmaßstäbe (s. Kap. II.5.3.6) zurück bzw. geben vor, wie ggf. mehrere Bewertungsmaßstäbe einzusetzen sind. IASB F.6.43 ff. stellt Faktoren bereit, die bei der Auswahl eines geeigneten Bewertungsmaßstabs zu berücksichtigen sein sollen. Eine unmittelbare Zuordnung der Bewertungsmaßstäbe zu bestimmten Vermögenswerten und Schulden erfolgt indes nicht. Insofern referieren die nachstehenden Ausführungen auf die Regelungen in den Standards. Im Einzelnen lassen sich drei Folgebewertungsmodelle unterscheiden: das cost-Modell, das fair value-Modell und das revaluation-Modell.59 Die Entscheidung für ein bestimmtes Modell (vgl. z. B. IAS 16.29, 40.30) sowie die Anwendung dieses Modells beeinflusst naturgemäß verschiedene Abschlusskennzahlen und lässt sich insofern abschlusspolitisch (s. Kap. II.7.2) nutzen (zu einem Beispiel s. Kap. III.3.2.5). Weiterhin sind bei den Modellen zumeist Wertminderungen (impairments) zu berücksichtigen, die in Bezug auf das cost- und das revaluation-Modell in IAS 36 geregelt sind. Abbildung II.5./20 gibt einen ersten Überblick.
59 Eine ähnliche, jedoch im Detail abweichende Systematisierung findet sich in Naumann et al. 2013, Rn. 417 ff. Anzumerken ist, dass in Bezug auf das Eigenkapital nur eine Erst-, nicht aber eine Folgebewertung durchgeführt wird; so auch IDW RS HFA 9.7.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
cost model:
cost, depreciation/amortisation, lower net realisable value (b.)
impairments (c., d.)
fair value model:
fair value (e.)
impairments (e.)
revaluation model:
revalued amount, depreciation/amortisation (f.)
impairments (c., d.)
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Abb. II.5./20 Folgebewertungsmodelle nach IFRS und Erfassung von Wertminderungen
Diese Modelle werden nachstehend vorgestellt. Latente Steuern (s. Kap. III.2.2) bleiben zunächst unberücksichtigt und werden teilweise im Rahmen der abschlusspostenbezogenen Betrachtungen behandelt (z. B. s. Kap. III.3.1.3.2). b. Cost-Modell Das Kostenmodell (cost-Modell) ist als ein Modell definiert, bei dem der Wertansatz durch die historischen Anschaffungskosten oder einen anderen bei der erstmaligen Bewertung angesetzten Betrag nach oben begrenzt ist. Der Anwendungsbereich dieses Modells lässt sich wie folgt skizzieren: Das cost-Modell kommt vor allem für Vorräte (IAS 2.9; s. Kap. III.3.3.3.2; allerdings unter Verzicht auf die Durchführung von Wertminderungen sowie ausnahmsweise mit einer Verpflichtung zum Ansatz eines ggf. niedrigeren Nettoveräußerungswertes), finanzielle Vermögenswerte, die einzig zum Zweck der Vereinnahmung von Zins- und Tilgungszahlungen gehalten werden (IFRS 9.4.1.2; s. Kap. III.3.4.2.2), das Sachanlagevermögen (IAS 16.30; s. Kap. III.3.1.3.2), immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens (IAS 38.74; s. Kap. III.3.2.3.2) sowie Geschäfts- oder Firmenwerte aus Unternehmenszusammenschlüssen (IFRS 3.B63a spricht hier von »the amount recognised at the acquisition date less any accumulated impairment losses«; s. Kap. III.3.2.6.1) in Betracht. Das cost-Modell ähnelt den deutschen GoB und ist durch die folgenden Wesensmerkmale gekennzeichnet: y Planmäßige Abschreibungen (depreciations/amortisation60) sind zu berücksichtigen. Da hinsichtlich der planmäßigen Abschreibungen weitgehend Übereinstimmung zu den deutschen GoB (s. Kap. II.5.3.8.1.b) besteht, werden diese erst im Rahmen der abschlusspostenbezogenen Betrachtungen weiter vertieft (in Bezug auf die Sachanlagen s. Kap. III.3.1.3.2 und die immateriellen Vermögensposten s. Kap. III.3.2.3.2). y Weiterhin sind die um Wertminderungen (impairments) reduzierten fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (historical cost) anzusetzen. Die deutschen GoB sprechen an dieser Stelle von außerplanmäßigen Abschreibungen. y Die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (historical cost) bilden auch international die Obergrenze für den Wertansatz.
60 Für die planmäßige Abschreibung von Sachanlagen wird der Begriff depreciation und für immaterielle Vermögenswerte der Begriff amortisation verwendet; vgl. IAS 16.43 ff. u. IAS 38.97 ff.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
c. Erfassung von Wertminderungen in Bezug auf einzelne Vermögenswerte Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Durchführung von Wertminderungstest gem. IAS 36. Der Anwendungsbereich dieses Standards ist weit gefasst (vgl. IAS 36.2). Ist eine Wertminderung durchzuführen, ist der sog. erzielbare Betrag (recoverable amount) zu ermitteln. Der erzielbare Betrag ist als der höhere Betrag aus beizulegendem Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (fair value less costs of disposal) und Nutzungswert (value in use) definiert (IAS 36.6; konkretisierend zum Wertminderungstest vgl. auch IDW RS HFA 40). y Der Nutzungswert ist der Barwert der künftigen Cashflows, der voraussichtlich aus einem Vermögenswert oder einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit abgeleitet werden kann (IAS 36.6). y Der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten ist als Preis definiert, der in einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag für den Verkauf eines Vermögenswerts eingenommen bzw. für die Übertragung einer Schuld gezahlt würde abzüglich der hierfür anfallenden Veräußerungskosten (IAS 36.6; s. Kap. II.5.3.6). Ist der erzielbare Betrag niedriger als der fortgeführte Buchwert (carrying amount), ist auf den erzielbaren Betrag abzuschreiben. Der Wertminderungsverlust ist die positive Differenz zwischen erzielbarem Betrag und fortgeführtem Buchwert und ist sofort unabhängig von seiner Nachhaltigkeit ergebniswirksam zu erfassen (IAS 36.60). Abbildung II.5./21 fasst die Schritte eines Wertminderungstests zusammen. Das ökonomische Rationalkalkül, das die hinter der Heranziehung des höheren Wertes aus beizulegendem Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten und Nutzungswert steht, richtet sich auf die Entscheidungen der Unternehmensleitung (Rationalkalkül des erzielbaren Betrags; so auch IAS 36.BCZ23; siehe ferner Schmidt 1998, S. 811; Lüdenbach/Hoffmann/ Freiberg 2021, § 11, Rn. 6 ff.): y Handelt die Unternehmensleitung rational, würde diese einen Vermögenswert veräußern, wenn der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten den Nutzungswert übersteigt. y Dagegen bedarf es keiner veränderten unternehmerischen Disposition, wenn der Nutzungswert den beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten übersteigt. Insofern ist das im Rahmen der externen Rechnungslegung geforderte Vorgehen auch unter internen Steuerungsgesichtspunkten interessant, was für eine gewisse Verzahnung von interner und externer Unternehmensrechnung (s. Kap. I.3.1.1.2) spricht (vgl. auch Simons/ Weißenberger 2008, S. 140). Diskussionsfrage II.5.-14 Der erzielbare Betrag kann ein Nutzungswert oder ein beizulegender Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten sein. Der beizulegende Zeitwert lässt sich im Rahmen der kapitalwertorientierten Bewertungstechnik mithilfe eines DCF-Verfahrens ermitteln (s. Kap. II.5.3.6.2). Wodurch unterscheiden sich diese beiden Vorgehensweisen (Nutzungswert vs. DCF-Verfahren im Rahmen der fair-valueErmittlung)? Können die bilanzierenden Unternehmen zwischen diesen beiden Vorgehensweisen frei wählen und wenn ja, für welche Methode würden Sie sich unter welchen Rahmenbedingungen entscheiden?
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Ist ein Wertminderungstest obligatorisch? (IAS 36.10) nein
ja
vorgelagerte Prüfung
Liegen Anzeichen für eine Wertminderung vor? (IAS 36.12–14)
nein
ja Bestimmung des erzielbaren Betrags
höherer Wert beizulegender Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (IFRS 13; IAS 36.28–29)
Nutzungswert (IAS 36.30–57)
erzielbarer Betrag < fortgeführter Buchwert?
nein
ja Wertminderungsverlust
kein Wertminderungsverlust
Abb. II.5./21 Wertminderungstest gem. IAS 36
Zunächst einmal ist zu prüfen, ob Anlass zur Durchführung eines Wertminderungstests besteht (vorgelagerte Prüfung). IAS 36.9 verpflichtet die Unternehmen an jedem Abschlussstichtag zu beurteilen, ob Anzeichen für eine Wertminderung (sog. triggering events) vorliegen. Solche Anzeichen finden sich in externen und/oder internen Informationsquellen. In der Praxis häufig vorkommende Anzeichen sind schlechtere langfristige Erwartungen, Preisverfall und Auftragseinbrüche (vgl. KPMG 2021b, S. 38). Dabei sind mindestens die in IAS 36.12 angesprochenen Anzeichen zu prüfen (empirisch zu triggering events in Zeiten der Coronapandemie im Vergleich zu einem Nichtkrisenjahr siehe Ruhnke/Kassebohm 2022). Als solche sind z. B. zu nennen: y Externe Informationsquellen: – beobachtbare Anzeichen dafür, dass der Wert des Vermögenswerts deutlich stärker zurückgegangen ist, als durch den bloßen Zeitablauf oder die normale Nutzung zu erwarten gewesen wäre, – wesentliche nachteilige Veränderungen des technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder rechtlichen Umfelds, – Erhöhung der Marktzinssätze oder anderer Marktrenditen während der Periode, was zu einer wesentlichen Senkung des erzielbaren Betrags führen könnte, – das buchmäßige Eigenkapital des Unternehmens ist höher als seine Marktkapitalisierung (vgl. Ruhnke/Canitz 2010). Dies dient als Indiz für Fehlbewertungen des Marktes oder Fehlbewertungen im Abschluss.
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Interne Informationsquellen: – Überalterung oder physische Beschädigung eines Vermögenswertes, – wesentliche Änderungen in Ausmaß oder Art der (erwarteten) Nutzung eines Vermögenswertes, – internes Berichtswesen liefert substanzielle Hinweise dafür, dass die wirtschaftliche Ertragskraft eines Vermögenswertes schlechter ist oder sein wird als erwartet.
Unabhängig davon, ob ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung vorliegt oder nicht, ist die jährliche Durchführung eines Wertminderungstests für bestimmte Vermögenswerte obligatorisch. Nach IAS 36.10 gilt dies für immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer, noch nicht nutzungsbereite immaterielle Vermögenswerte und bei einem Unternehmenszusammenschluss erworbene Geschäfts- oder Firmenwerte. In diesen Fällen kann der Wertminderungstest auch während des gesamten Geschäftsjahres stattfinden, der gewählte Zeitpunkt ist beizubehalten (dies gilt gem. IAS 36.96 auch für zahlungsmittelgenerierende Einheiten; s. Kap. II.5.3.8.2.d.). Bei einem Wertminderungstest ist der erzielbare Betrag zu bestimmen. Dabei ist es nicht immer erforderlich, sowohl den beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten als auch den Nutzungswert eines Vermögenswertes zu bestimmen. Wenn einer dieser Werte den Buchwert des Vermögenswertes übersteigt, ist der Vermögenswert nicht wertgemindert und es ist nicht erforderlich, den anderen Wert zu schätzen (IAS 36.19). Einzelheiten zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes abzüglich Veräußerungskosten finden sich in IAS 36.28 f. Die Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts erfolgt dabei nach der Stufenkonzeption (fair value hierarchy) des IFRS 13.72 ff. (s. Kap. II.5.3.6.3). Der beizulegende Zeitwert kann beobachtbar sein oder mittels Bewertungstechniken ermittelt werden, wobei marktpreis-, kapitalwert- und kostenorientierte Verfahren in Betracht kommen. Ist eine Schätzung nicht zuverlässig möglich, muss der erzielbare Betrag mit seinem Nutzungswert gleichgesetzt werden (IAS 36.20). Beispiel Stufenkonzeption bei der fair value-Ermittlung Die Deutsche Telekom greift bei der fair-value-Ermittlung von T-Mobile UK (zahlungsmittelgenerierende Einheit; s. Kap. II.5.3.8.2.d) auf das zeitnah abgegebene Übernahmeangebot von Telefónica an O2 zurück und bestimmt mittels Multiplikatoren den fair value von T-Mobile UK (siehe hierzu Deutsche Telekom AG 2006, S. 140). Zur Anwendung gelangt somit eine marktpreisorientierte Bewertungstechnik. Inputparameter ist ein beobachtbarer Marktpreis für ein vergleichbares Objekt, sodass der ermittelte beizulegende Zeitwert in der Stufenkonzeption des IFRS 13 (s. Abb. II.5./16) auf Stufe 2 einzuordnen ist (IFRS 13.B35(h)). Wenn hingegen wesentliche Anpassungen an den Multiplikatoren vorgenommen werden, um etwaige Unterschiede zwischen T-Mobile UK und O2 zu berücksichtigen, handelt es sich um einen fair value der Stufe 3 (IFRS 13.84; Lüdenbach/ Hoffmann/Freiberg 2021, § 8a, Rn. 39). Die Verwendung einer kapitalwertorientierten Bewertungstechnik, wie z. B. das DCF-Verfahren 61, ist nicht ausgeschlossen (Pricewaterhouse Coopers 2021, § 5.65 ff.). In diesem Fall werden die prognostizierten Zahlungsströme häufig auf Basis unternehmensinterner Daten unter Berücksich-
61 Die Grundsätze, die nach Ansicht des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer diesbezüglich relevant sind, finden sich in IDW S 1.
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tigung gegenwärtiger Markterwartungen erstellt. Derartige Inputparameter sind zumeist nicht direkt beobachtbar, sodass der resultierende fair value regelmäßig auf Stufe 3 einzuordnen ist (IFRS 13.B36(e)). Grundsätzlich sind die Techniken einzusetzen, die im Einzelfall sachgerecht sind, für die ausreichend Daten zur Verfügung stehen und bei denen die Verwendung maßgeblicher, beobachtbarer Inputfaktoren hoch ist (IFRS 13.61). Während DCF-Verfahren oftmals in der verarbeitenden Industrie herangezogen werden, greift das Hotelgewerbe eher auf EBITDA-Multiplikatoren unter Berücksichtung von Marktannahmen zurück (vgl. Ernst & Young 2021, Chapter 20, 6.1). Weiterhin ist zu beachten, dass der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten ein Wert nach Unternehmenssteuern ist. Demnach ist der Steuervorteil aus der Abschreibung (sog. Tax Amortisation Benefit, TAB; vgl. Ruhnke/Müller/Idà 2017) explizit zu berechnen und zum Barwert der Nachsteuer-Cashflows zu addieren (zu einem Beispiel siehe Erb et al. 2020, § 27 Rn. 40). Der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten spiegelt demnach die Einschätzungen des Marktes hinsichtlich der aus dem Vermögenswert resultierenden Cashflows wider.
Ein dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten ähnlicher Bewertungsmaßstab ist der niedrigere beizulegende Wert (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB i. V. m. den nicht gesetzlich kodifizierten GoB), welcher sich beim Anlagevermögen zumeist am Beschaffungsmarkt (Wiederbeschaffungszeitwert; fortgeführter Wiederbeschaffungszeitwert; Reproduktionswert) orientiert (s. Kap. II.5.3.8.1.c). Im Unterschied hierzu unterstellen die IFRS, dass der Vermögenswert verkauft und nicht wiederbeschafft werden soll. Dies wird besonders deutlich an dem Erfordernis, die bedingt durch den Verkauf anfallenden Ausgaben abzuziehen (IAS 36.28). Demnach gehen die IFRS konsequent von einer Veräußerung aus, während die deutschen GoB einen Unternehmensbetrieb bei kontinuierlichem Ersatz der vorhandenen Sachanlagen unterstellen. Der Bewertung des Vermögenswertes bei seinem Verbleib im Unternehmen trägt der Nutzungswert als ein weiterer Bewertungsmaßstab Rechnung. Der Nutzungswert gibt den Barwert (present value) der geschätzten künftigen Cashflows an, die aus der fortlaufenden Nutzung eines Vermögenswertes und seinem Abgang am Ende der Nutzungsdauer erwartet werden (IAS 36.6). Diese Definition folgt methodisch einer Unternehmensbewertung bei Anwendung eines DCF-Verfahrens. Dieses Verfahren umfasst die beiden in IAS 36.31 genannten Schritte, welche dem Abschlussersteller erhebliche Ermessensspielräume eröffnen: y Prognoseproblem: Die mit der Nutzung und dem Abgang des Vermögenswertes verbundenen Zahlungsströme müssen geschätzt werden. y Problem der Bestimmung eines geeigneten Diskontierungssatzes: Diese künftigen Zahlungsströme sind auf ihren Barwert abzuzinsen. Einzelheiten zur Schätzung der künftigen Zahlungsströme finden sich in IAS 36.33 ff. (vgl. hierzu z. B. Baetge et al. 2016, IAS 36, Rn. 51 ff.; Erb et al. 2020, § 27 Rn. 62 ff.; allgemein zu Prognosen in der Betriebswirtschaftslehre vgl. Kuhner 2006, S. 713 ff.). Die Vorgehensweise folgt dem in der Unternehmensbewertung üblichen Zweiphasenmodell (IDW S 1.84 ff.). y 1. Phase: Zumeist sind die Stromgrößen über einen Planungszeitraum von fünf Jahren detailliert zu schätzen, hier basiert die Prognose auf detaillierten Finanzplänen der Unternehmensleitung (IAS 36.33b, 36.35). Diese Planungsrechnungen eröffnen naturgemäß erhebliche Ermessensspielräume, die in der Vergangenheit regelmäßig Gegenstand von DPR-Prüfungen (s. Kap. I.5.2.1.4) waren (vgl. DPR 2020, S. 18 f.; dies. 2021, S. 23).
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2. Phase: Zeitlich weiter in der Zukunft liegende Stromgrößen werden bis zum Ende der Nutzungsdauer eines Vermögenswertes durch Extrapolation der Cashflow-Prognosen der 1. Phase unter Verwendung einer Wachstumsrate für die Folgejahre vorgenommen. Die Praxis legt abweichend weit überwiegend (79 %) das letzte Detailplanungsjahr zugrunde, welches teilweise nach unten adjustiert wird (vgl. KPMG 2021b, S. 32). Die Rate sollte zumeist gleichbleibend oder fallend sein. Eine Steigerung der Rate kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn diese objektiven Informationen über den Verlauf des Lebenszyklus eines Produktes oder einer Branche entspricht (IAS 36.33c, 36.36). Die Formel der ewigen Rente ist bei einer unbegrenzten Nutzungsdauer (z. B. bei Grundstücken) anzuwenden. Weiterhin ist bei einer begrenzten Nutzungsdauer ein Restwert zu berücksichtigen, der aus dem Abgang des Vermögenswertes am Ende seiner Nutzungsdauer zugeht.
Nach IAS 36.49 sind alle Auszahlungen zu berücksichtigen, die notwendig sind, um den wirtschaftlichen Nutzen des Vermögenswertes auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten. Demnach sind Erhaltungsinvestitionen (Auszahlungen für Wartung und Instandhaltung), nicht aber Erweiterungsinvestitionen zu berücksichtigen (IAS 36.44b). Insbesondere sind auch keine Restrukturierungen zu berücksichtigen, zu denen das Unternehmen zum Bewertungszeitpunkt noch nicht verpflichtet ist (IAS 36.44a). Für die Schätzung der Cashflows ist auch keine Neuanschaffung des Vermögenswertes nach Ablauf der Nutzungsdauer zu unterstellen. Besteht ein Vermögenswert aus mehreren Bestandteilen mit unterschiedlichen Nutzungsdauern, so ist für die Schätzung der Cashflows der Ersatz der Bestandteile mit der kürzeren Nutzungsdauer als Erhaltungsinvestition zu betrachten (IAS 36.49). Diskussionsfrage II.5.-15 Wann erscheint es Ihnen sachgerecht, bei der Nutzungswertermittlung den Detailprognosezeitraum der 1. Phase über 5 Jahre hinweg auszuweiten?
Bei Schätzung der künftigen Cashflows unterscheidet IAS 36.A1 ff. zwischen dem traditional approach und dem expected cash flow approach (s. Abb. II.5./22; vgl. auch IDW S 1.89; siehe ferner Küting/Dawo/Wirth 2003, S. 181; Heidemann 2005, S. 203 ff.). y Der traditional approach geht von dem wahrscheinlichsten Szenario der künftigen Cashflows aus (single set of estimated cash flows). Die mit den Stromgrößen einhergehenden Unsicherheiten werden über Korrekturen des Zinssatzes berücksichtigt (Zinszuschläge). Besonders einfach anzuwenden ist dieser Ansatz bei vertraglich zugesicherten Cashflows (IAS 36.A4 f.). y Beim expected cash flow approach werden verschiedene Cashflow-Szenarien geplant und die den prognostizierten Szenarien zugehörigen diskontierten Zahlungsströme mit ihren jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet. Durch Addition dieser Beträge errechnet sich der erwartete Barwert (expected present value; zu einem einfachen Beispiel siehe IAS 36.A8). Dabei sind die den einzelnen Szenarien zugehörigen Cashflows um bestehende Risiken zu adjustieren. Wird risikoaverses Verhalten (Regelfall) unterstellt, so ist der risikoadjustierte erwartete Cashflow (risk-adjusted expected cash flow; vgl. IAS 36.A2) kleiner als der erwartete Cashflow. Methodisch dürfte dieser Ansatz daher der Sicherheitsäquivalenzmethode entsprechen (vgl. IDW S 1.89).
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
Wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Vermögenswerten
Erfassung im Rahmen der Ermittlung des Nutzungswertes traditional approach Zahlungsströme
a) Schätzung des Zahlungsstroms aus dem Vermögenswert
323
Zinssatz
x
expected cash flow approach Zahlungsströme
Zinssatz
x
b) Einschätzungen über mögliche mengenoder zeitmäßige Veränderungen der Zahlungsströme
x
x
c) Berücksichtigung des Zeitwertes des Geldes, wie er sich in einem risikolosen Zinssatz niederschlägt
x
d) vermögenswertspezifischer Risikozuschlag
x
x
e) andere Faktoren, welche die Marktteilnehmer in die Barwertermittlung einbeziehen
x
x
x
Abb. II.5./22 Berücksichtigung der Einflussgrößen auf den Nutzungswert im traditional approach und expected cash flow approach gem. IAS 36.A1 ff.
Der Zinssatz muss bei beiden Ansätzen den Zeitwert des Geldes berücksichtigen. Darüber hinaus sind im Zinssatz nur solche Risiken zu berücksichtigen, die noch nicht in den Zahlungsströmen berücksichtigt wurden. Z. B. erfordert eine höhere Streuung der erwarteten Zahlungsströme einen höheren Risikozuschlag. Würde der risikolose Zinssatz um einen Zuschlag für Risiken erhöht, die bereits in den Zahlungsströmen berücksichtigt wurden, käme es zu einer doppelten Berücksichtigung dieser Risiken (IAS 36.56, weitere Hinweise zur Zinssatzbestimmung finden sich in IAS 36.A15 ff.). In Bezug auf die praktische Umsetzung ist festzustellen, dass der traditional approach sich regelmäßig einfacher anwenden lässt. Die Zinszuschlagsmethode hat den Vorteil, dass sie sich auf empirisch beobachtbares Verhalten stützen kann und somit eine marktorientierte Bemessung von Risikozuschlägen erlaubt. Auch die Praxis ist mit den notwendigen Adjustierungen, die vornehmlich als Zuschläge zu einem risikolosen Zinssatz vorzunehmen sind, besser vertraut (i. d. S. auch IDW S 1.90). Insofern ist dieser Ansatz erwartungsgemäß in der Praxis weit verbreitet (vgl. KPMG 2021b, S. 16 ff.). Aktuelles Auswirkungen von COVID-19 auf die Cashflow-Planung COVID-19 hat weitreichende negative Konsequenzen auf die Umsatz- und Margenentwicklung vieler Unternehmen (hierzu sowie im Folgenden Berger/Fink 2021, S. 171 ff.). Vor diesem Hintergrund scheint die widerlegbare Vermutung gerechtfertigt, dass bei der Mehrzahl der Unternehmen ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung vorliegen dürfte. Eine möglicherweise bestehende erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der sich ergebenen Auswirkungen lässt sich im Rahmen der Cashflow-Planung mithilfe von Szenarioanalysen adressieren. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß COVID-19 im Zeitablauf die zukünftigen Cashflows beeinflusst. Über die Variation von Kernannahmen (key assumptions) lassen sich alternative plausible Planungsszenarien entwickeln, die wiederum (mit ihrer Wahrscheinlichkeit) gewichtet in eine Gesamtbetrachtung überführt werden können. Die zugrunde gelegten Kernannahmen dieser Szenarien sowie etwaige Sensitivitätsanalysen sind in den notes zu erläutern (hierzu IAS 36.134(f)). Beachtlich ist auch, dass sich der Startpunkt, ab dem aufgrund einer stabilen Entwicklung die Formel der ewigen Rente anwendbar ist, nach hinten verschieben kann. Das Ergebnis dieser Betrachtung lässt sich wiederum z. B. anhand aktueller Analysteneinschätzungen plausibilisieren.
324
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Nach IAS 36.55 soll der Zinssatz die gegenwärtigen Markteinschätzungen des Zeitwerts des Geldes und die spezifischen Risiken des Bewertungsobjektes widerspiegeln. Dabei muss es sich um einen Zinssatz vor unternehmensbezogenen Ertragsteuern handeln (IAS 36.55). Ebenso sind auch Zahlungsströme aus der Finanzierung und für Ertragsteuern nicht in die Schätzung der Cashflows einzubeziehen. Insofern handelt es sich auch bei den betrachteten Cashflows um eine Vor-Steuer-Betrachtung (IAS 36.50).62 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass rationale ökonomische Entscheidungen, wie z. B. die Entscheidung der Unternehmensleitung, einen Vermögenswert zu veräußern oder weiter im Unternehmen zu nutzen, grundsätzlich auf einer Nach-Steuer-Betrachtung basieren (Rationalkalkül des erzielbaren Betrages). IAS 36.56 spricht primär marktbezogene Zinssätze an, welche die Rendite angeben, die ein Investor für eine vergleichbare Finanzinvestition verlangen würde. Relevant für die Beurteilung des Vorliegens einer vergleichbaren Finanzinvestition sind die Höhe und zeitliche Verteilung der Cashflows sowie die damit verbundenen Risiken (IAS 36.56). Als Ausgangspunkt für die Ermittlung kommen die durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten des Unternehmens (Weighted Average Cost of Capital; WACC-Ansatz)63 , der Zinssatz für Neukredite des Unternehmens und andere marktübliche Fremdkapitalzinssätze in Betracht (IAS 36.A17). Dabei muss der Zinssatz in geeigneter Weise das Nutzenpotenzial und die nicht in den Cashflows erfassten Risiken des zu bewertenden zahlungsmittelgenerierenden Vermögenswertes widerspiegeln (IAS 36.56). Ist dies nicht der Fall, ist der ermittelte Zinssatz der Risikosituation des zu bewertenden Vermögenswertes anzupassen durch z. B. Zuschläge für bisher noch nicht berücksichtigte Risiken (IAS 36.A18; empirisch zu den Kapitalkostensätzen gem. IAS 36 siehe Zwirner/Mugler2012). Im Folgenden wird der Zinssatz unter Rückgriff auf den WACC-Ansatz geschätzt.64 Nach dem WACC-Ansatz ergeben sich die gewichteten Gesamtkapitalkosten additiv aus den gewichteten Eigenkapitalkosten (Eigenkapitalkostensatz; Renditeforderung bzw. -erwartung der Eigenkapitalgeber) und den gewichteten Fremdkapitalkosten (Fremdkapitalkostensatz; Renditeforderung bzw. -erwartung der Fremdkapitalgeber). Die folgenden Überlegungen in Bezug auf den Eigenkapitalkostensatz basieren auf dem CAPM (Capital Asset Pricing Model; siehe auch IAS 36.A17a), 65 welches in der Unternehmenspraxis regelmäßig zur Ermittlung des Kapitalkostensatzes gem. IAS 36 herangezogen wird (vgl. KPMG 2021b, S. 20 ff.). Ungeachtet einer nur geringen empirischen Unterstützung des CAPM besitzt dieses Modell eine hohe praktische Relevanz.66 Dem CAPM liegt die Erkenntnis der Portfolio-Theorie zugrunde, dass sich durch Mischung von Wertpapieren (Diversifikation) deren Risiko (z. B. durch Renditeschwankungen) reduzieren lässt, sofern die Renditen nicht vollständig positiv korreliert sind. Unter der Annahme
62 Zu einer Begründung der Vor-Steuerbetrachtung siehe IAS 36.BCZ84 sowie Baetge et al. 2016, IAS 36, Rn. 63. 63 Allgemein zum WACC-Ansatz siehe z. B. Mandl/Rabel 1997, S. 321 ff.; Kruschwitz/Lorenz 2019, S. 350 ff. Die Verwendung des WACC-Ansatzes steht nicht im Widerspruch zu der Forderung nach einem kapitalstrukturunabhängigen Kapitalkostensatz, sofern das Theorem von Modigliani und Miller gilt, welches besagt, dass der Wert eines Unternehmens unabhängig von der Finanzierungsstruktur ist; vgl. ebd., S. 378 f. Vgl. auch Wirth 2005, S. 72. 64 Zur Diskussion um die Verwendung des WACC-Ansatzes als Startpunkt für die Kapitalkostensatzbestimmung gem. IAS 36 vgl. Husmann/Schmidt 2008; Kvall 2010; Husmann/Schmidt 2011. 65 Allgemein zum CAPM-Modell siehe Kruschwitz/Husmann 2012, S. 187 ff. Eine Modifikation des CAPM stellt das Tax-CAPM dar, welches davon ausgeht, dass sich empirisch beobachtbare Bruttorenditen (vor Abzug persönlicher Ertragsteuern) unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern bilden; vgl. IDW S 1.118 ff. 66 Vgl. Kruschwitz/Husmann 2012, S. 233 ff.; Gleißner 2014, der u. a. zu dem folgenden Ergebnis kommt: »Die empirische Kapitalmarktforschung zeigt, dass sich mit dem Beta-Faktor des CAPM (alleine) weder realisierte noch erwartete Aktienrenditen erklären lassen« (ebd., S. 167).
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
325
risikoaverser Investoren sind all jene Mischungen effizient, die bei gegebener Renditeerwartung ein minimales Risiko bzw. bei gegebenem Risiko eine maximale Renditeerwartung aufweisen. Die Überleitung zum Kapitalmarktmodell erfolgt durch die explizite Einbeziehung eines vollkommenen Kapitalmarktes, an dem Kapital zum gleichen Zinssatz (r f ) risikolos angelegt und aufgenommen werden kann und alle Marktteilnehmer über homogene Erwartungen hinsichtlich Wertpapierrenditen verfügen. Hieraus resultiert eine effiziente Struktur des Portfolios riskanter Wertpapiere, die im Gleichgewicht der Struktur des Marktportfolios (M) entspricht. Als effizientes Gesamtportfolio ergibt sich somit stets eine Mischung aus risikoloser Kapitalanlage und dem Marktportfolio. Welche Mischung gewählt wird, ist vom Risikoaversionsgrad des Investors abhängig. Durch die Einbeziehung des Kapitalmarktes lässt sich anhand der Kapitalmarktlinie ein linearer Zusammenhang zwischen dem Risiko (gemessen als Standardabweichung der Wertpapierrendite si) eines effizienten Gesamtportefeuilles und seiner Renditeerwartung (µi) herstellen (vgl. Abb. II.5./23).
µi
Kapitalmarktlinie M
µm
Effizienzkurve riskanter Portfolios
rf
σm
0
σi
Abb. II.5./23 CAPM und die Kapitalmarktlinie
Obgleich der WACC-Ansatz eine Betrachtung nach unternehmensbezogenen Ertragsteuern beinhaltet, wird dieser Ansatz zunächst vorgestellt und nachstehend der Frage nachgegangen, wie auf eine Vorsteuerbetrachtung überzuleiten ist. 67 Der gewichtete Kapitalkostensatz ermittelt sich demnach wie in Abbildung II.5./24 dargestellt (vgl. auch Ruhnke 2008, S. 44 ff.). gewichteter Gesamtkapitalkostensatz cWACC, nach Steuern gewichteter Eigenkapitalkostensatz iEK + (βunverschuldet × (rm ‒ iEK) ) ×
+ EK GK
+
gewichteter Fremdkapitalkostensatz iFK × (1 ‒ s) ×
FK GK
Abb. II.5./24 Ermittlung der durchschnittlich gewichteten Kapitalkosten nach dem WACC-Ansatz
67 Vgl. hierzu Beyhs 2002, S. 130 ff.; Wirth 2005, S. 70 ff.; Lienau/Zülch 2006, S. 323 ff.; Erb et al. 2020, § 27 Rn. 74 ff. sowie allgemein Mandl/Rabel 1997, S. 287 ff.
326
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Der Eigenkapitalkostensatz setzt sich additiv aus den folgenden Komponenten zusammen. y Der risikolose Zinssatz iEK gibt den Zeitwert des Geldes an. Als Annäherung können z. B. Staatsanleihen mit ähnlicher Laufzeit herangezogen werden. Die Unternehmenspraxis orientiert sich im Rahmen von IAS 36 zumeist an deutschen Staatsanleihen bzw. Zinsstrukturkurven mit einer Laufzeit von 30 Jahren oder mehr.68 Werden nichtabnutzbare Vermögenswerte ohne Nutzungsdauerbegrenzung bewertet, sollte der risikolose Zinssatz unter Rückgriff auf eine Zinsstrukturkurve ermittelt werden (IDW S 1.117), welche eine Extrapolation der risikolosen Zinssätze auch für lange Zeiträume erlaubt, für die keine Kapitalmarktdaten verfügbar sind. Dabei geht eine normale Zinsstrukturkurve mit zunehmender Laufzeit von einem steigenden Zinssatz aus. y Die Risikoprämie errechnet sich durch Multiplikation einer durchschnittlichen Marktrisikoprämie mit einem Beta-Faktor (β). – Die durchschnittliche Marktrisikoprämie bestimmt sich als der Unterschied zwischen der Marktrendite und dem risikolosen Zinssatz: rm – iEK . Dabei ist rm als die erwartete Rendite aus der Anlage in ein Portfolio riskanter Wertpapiere definiert. In der Praxis wird die Marktrendite für Deutschland häufig durch die Rendite der DAXWerte approximiert. Unter Abwägung der Ergebnisse empirischer Studien erscheint es sachgerecht, sich in Bezug auf den deutschen Markt bei der Bemessung von Marktrisikoprämien an einer Bandbreite von 6 % und 8 % vor persönlichen Steuern und 5 % und 6,5 % nach persönlichen Steuern zu orientieren (hierzu IDW 2020, S. 3; KPMG 2021b, S. 20). Diese Betrachtungen sind naturgemäß vergangenheitsorientiert (vgl. auch Erb et al. 2020, § 27 Rn. 80 ff.). – Der Beta-Faktor (β) ist der entscheidende Faktor bei der Bestimmung der Eigenkapitalkosten und drückt das wertpapierspezifische, systematische Risiko aus. Gemessen wird der Beta-Faktor als Quotient aus der Kovarianz (cov) der Renditen des Marktportfolios und des Wertpapiers i und der Varianz der Rendite des Marktportfolios: cov(r i, r m) β = _ 2 . σ m
Indikator für das Risiko sind die in der Vergangenheit empirisch beobachteten Renditeschwankungen (Kurs- und Dividendenentwicklung) des zu untersuchenden Papiers im Vergleich zum Portfolio, das zur Bestimmung der Marktrisikoprämie herangezogen wurde. Vergangenheitsorientierte β-Werte für börsennotierte Unternehmen stellen Informationsdienstleister wie z. B. Bloomberg oder Reuters bereit, die Werte lassen sich z. B. auch aus der Börsenzeitung entnehmen. Dabei besagt ein β von 1, dass das wertpapierspezifische Risiko dem Risiko des Marktportfolios entspricht. Bei einem β größer (kleiner) als 1 ist das wertpapierspezifische Risiko größer (kleiner) als das Marktrisiko. – Ist das zu untersuchende Wertpapier indes nicht börsennotiert, sind ersatzweise geeignete Vergleichsbetas heranzuziehen. Ein solches Vorgehen ist für die im Rahmen von IAS 36 relevanten zahlungsmittelgenerierenden Vermögenswerte üblich, da hierfür in aller Regel keine Eigenkapitalanteile an einer Börse gehandelt werden.
68 Laut Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank beträgt der Zinsatz für (hypothetische) Null-Kupon-Anleihen ohne Kreditausfallrisiko mit 30-jähriger Laufzeit derzeit -1,18%. Siehe hierzu: https://www.bundesbank.de/resource/bl ob/650724/051632f7ac990370e768ff876981690a/mL/zsbwp-data.pdf (Stand: 15.8.2022). Der Basiszinssatz nach IDW S 1 beträgt zum 1.4.2022 gerundet 0,4%.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
327
In diesem Fall ist der Beta-Faktor anhand eines börsennotierten Unternehmens oder einer Gruppe von börsennotierten Unternehmen abzuleiten, die mit dem zu bewertenden Vermögenswert (bzw. der zahlungsmittelgenerierenden Einheit) vergleichbar sind (vgl. hierzu z. B. Beyhs 2002, S. 140 f.; Lienau/Zülch 2006, S. 325 f.). Anhaltspunkte zur Bestimmung börsennotierter Vergleichsunternehmen finden sich in IDW RS HFA 40.48. Die Ermittlung von Vergleichsbetas eröffnet naturgemäß erhebliche Schätzspielräume (vgl. Braun 2018, S. 750 f.). Auch wenn ein Beta verfügbar ist, sind Anpassungen notwendig, wenn der zu bewertende Vermögenswert ein im Vergleich zum Gesamtunternehmen über- oder unterdurchschnittliches Risiko aufweist. – Veröffentlichte β-Werte beziehen sich i. d. R. auf verschuldete Unternehmen und beinhalten daher auch das Kapitalstrukturrisiko, d. h. das aus einer Fremdfinanzierung resultierende zusätzliche Risiko. Da sich das Kapitalstrukturrisiko gem. IAS 36.A19 nicht in den Kapitalkosten niederschlagen soll, ist aus dem veröffentlichten βverschuldet das Kapitalstrukturrisiko herauszurechnen. Dies kann vereinfacht mittels der folgenden Anpassungsformel erfolgen: βunverschuldet = βverschuldet / [(1 + (1 – s) × FK / EK)] mit s = Ertragsteuersatz (Steuervorteil der Fremdkapitalfinanzierung gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung), EK = Marktwert des Eigenkapitals und FK = Marktwert des zinstragenden Fremdkapitals. Die Ermittlung des Fremdkapitalkostensatzes erfolgt wie folgt: iFK × (1-s). Der Zinssatz iFK ist der marktübliche Zinssatz für die Aufnahme von Fremdkapitaltiteln mit einem vergleichbaren Risiko und s ist der Steuersatz. Da die Aufnahme von Fremdkapital für den zahlungsmittelgenerierenden Vermögenswert regelmäßig ausscheidet, erscheint es sinnvoll, die Fremdkapitalkosten des Gesamtunternehmens, welches den zahlungsmittelgenerierenden Vermögenswert beinhaltet, heranzuziehen (vgl. Beyhs 2002, S. 145).69 Dabei ist die Orientierung an vom Unternehmen herausgegebenen Industrieanleihen sinnvoll. Eigen- und Fremdkapital sind im Verhältnis ihrer Marktwerte zu gewichten. Sollen die Nutzungswerte, wie in IAS 36.A19 gefordert, unabhängig von der jeweiligen Finanzierung sein, müssen branchentypische Kapitalstrukturen herangezogen werden. Die Ableitung der Kapitalstruktur aus einer Peer Group stellt dabei die in der Praxis vorherrschende Vorgehensweise (vgl. KPMG 2017a, S. 47) dar. Weiterhin bedarf es spezifischer Anpassungen, die das Risiko des zu untersuchenden Vermögenswertes bzw. der zu untersuchenden zahlungsmittelgenerierenden Einheit betreffen. Die Gewichtung der Marktwerte kann vereinfacht durch eine vorgegebene Zielkapitalstruktur vorgenommen werden (z. B. Eigenkapital 20 % und Fremdkapital 80 %, d. h. EK / GK = 0,2). Dies würde z. B. bedeuten, dass es bei Schwankungen im Börsenkurs (Marktwert Eigenkapital) zu Variationen im Fremdkapital (Aufnahme bzw. Rückzahlung von Krediten) kommen muss. IAS 36.56 adressiert den WACC-Ansatz. Der mithilfe dieses Ansatzes ermittelte Kapitalkostensatz (cWACC) ist ein Nachsteuerzinssatz (post-tax discount rate). Dabei stellt sich die Frage, wie der Normenanwender bei der Ermittlung des Nutzungswertes vorgehen sollte, da hier gem. IAS 36.55 ein Vorsteuersatz heranzuziehen ist. Insofern stellt sich die Frage, wie der Nachsteuer- auf einen Vorsteuersatz überzuleiten ist. Der Problemlösungsmethodik in IAS 8 (s. Kap. II.6.1) folgend, ist zunächst unter Berücksichtigung des spezifischen Standards eine Problemlösung herzuleiten (IAS 8.7). Ein solches
69 Zur Ermittlung des Fremdkapitalkostensatzes mithilfe eines risikolosen Zinssatzes und eines Kreditrisikozuschlags entsprechend der Bonitätseinschätzung des zu bewertenden Vermögenswertes vgl. Schmusch/Laas 2006, S. 1056 f.
328
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Vorgehen ist in diesem Fall unter Berücksichtigung der in den basis for conclusions gegebenen Ausführungen möglich (vgl. Ruhnke 2008, S. 45 f.). IAS 36.BCZ85 gibt Anhaltspunkte, wie der Nachsteuerzinssatz in einen Vorsteuerzinssatz zu überführen ist. Hier werden zwei Vorgehensweisen angesprochen: y Hochschleusen: Der Nachsteuerzinssatz ist mit einem Standardsteuersatz (standard rate of tax) auf den Vorsteuerzinssatz hochzuschleusen (grossing-up). Es gilt: cWACC, pre-tax = cWACC, after-tax / (1 – s). y Iterative Berechnung: Unter der Annahme, dass sich der Nutzungswert vor Steuern (Vorsteuer-Cashflows diskontiert mit cWACC, pre-tax) und der Nutzungswert nach Steuern (Nachsteuer-Cashflows diskontiert mit cWACC, after-tax) entsprechen, ist in einem ersten Schritt der Nutzungswert nach Steuern zu bestimmen. In einem zweiten Schritt sind die Vorsteuer-Cashflows heranzuziehen und der Zinssatz zu bestimmen, der zu dem zuvor berechneten Nutzungswert nach Steuern (der annahmegemäß dem Nutzungswert vor Steuern entspricht) führt. Ein Hochschleusen kann zu zutreffenden Ergebnissen führen. Dies ist der Fall bei konstanten Cashflows vor und nach Steuern über eine unbegrenzte Anzahl von Perioden (zu einem Beispiel siehe Breitenstein/Hänni 2005, S. 653). Allerdings können sich insbes. bei stark ansteigenden Cashflows vor Steuern und bei der Existenz latenter Steuern (s. Kap. III.2.2) Vor- und Nachsteuerwerte unterscheiden. Aus diesem Grunde wird das Hochschleusen fast ausnahmslos abgelehnt.70 Die Unternehmenspraxis geht daher oftmals iterativ vor (vgl. KPMG 2010, S. 30 f.). In diesem Fall ist zu vermuten, dass der iterativ berechnete Vorsteuerzinssatz nur dem Zweck dient, der Angabepflicht in den notes nachzukommen. Allerdings ist auch die im Rahmen der iterativen Berechnung gesetzte Annahme einer Identität des Nutzungswertes vor und nach Steuern nicht ohne Kritik, da hier faktisch ein Nutzungswert nach Steuern ermittelt wird und lediglich für die Zwecke der in IAS 36.130 g geforderten Angabepflicht in den notes ein Kapitalkostensatz vor Steuern ermittelt wird. Auf diese Weise dürfte das IASB dem selbst gesetzten Anspruch, steuerliche Aspekte beim Ansatz von Vermögenswerten zu vernachlässigen, nicht gerecht werden:71 Der Nutzungswert vor und nach Steuern unterscheidet sich u. a. dadurch, dass Eigen- und Fremdkapital aufgrund der Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen von der Steuerbemessungsgrundlage nicht identisch behandelt werden, sodass der Nutzungswert nach Steuern nicht finanzierungsneutral ist. Da das Rationalkalkül des erzielbaren Betrags eine Nachsteuerbetrachtung erfordert, würde eine konsequente Anwendung der in IAS 36 geforderten Vorsteuerbetrachtung nicht immer zu rationalen Entscheidungen führen. Insofern ist die iterative Berechnung zu begrüßen, da diese streng genommen zwar IAS 36.55 (Vorsteuerbetrachtung) widerspricht, jedoch faktisch zu einer Nachsteuerbetrachtung führt. Das IASB hat diese Probleme offensichtlich erkannt, jedoch noch nicht gelöst (IAS 36.BC93).
70 Vgl. z. B. IDW RS HFA 40.53 sowie das Beispiel in IAS 36.BCZ85; IAS 36.BC94; siehe auch Lienau/Zülch 2006, S. 326; PricewaterhouseCoopers 2021, § 24.FAQ112.2. 71 Wofür sollte man einen Vorsteuerzinssatz bestimmen, »wenn damit nur ein zuvor bereits berechneter Nutzungswert nach Steuern bestätigt wird? Sollte das IASC (angesprochen ist derzeit das IASB, die Verf.) tatsächlich der Ansicht sein, dass ein so berechneter Nutzungswert anzusetzen sei, kommt es faktisch zum Ansatz eines Nutzungswertes nach Steuern« (Husmann/Schmidt/Seidel 2002, S. 15 f.). Siehe auch Haring 2004, S. 223 ff.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
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Aktuelles Vor- und Nachsteuerbetrachtung Dem Diskussionspapier DP/2020/1 (s. Kap. II.5.3.8.2.c) folgend plant das IASB, die verpflichtende Vorsteuerbetrachtung abzuschaffen. Vorgeschlagen wird, dass die Annahmen nur noch konsistent sein müssen, d. h., entweder sind Cashflows vor Steuern mit einem Vorsteuerzinssatz oder Cashflows nach Steuern mit einem Nachsteuerzinssatz zu diskontieren. Der Kapitalkostensatz soll zwar weiterhin angegeben werden, allerdings muss es sich dabei nicht mehr um einen Vorsteuerzinssatz handeln (DP/2020/1 par. 4.53).
Auch wenn das iterative Vorgehen selbst mit keiner Schätzunsicherheit einhergeht (reiner Transformationsvorgang), erscheint es aufgrund der angesprochenen Probleme angezeigt, den Abschlussadressaten über die gesetzten Annahmen bzw. das gewählte Vorgehen zu informieren (siehe allgemein IAS 1.126 ff.). Das folgende Beispiel verdeutlicht die Technik der iterativen Berechnung des Kapitalkostensatzes (vgl. z. B. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 11, Rn. 85 ff.; Pricewaterhouse Coopers 2021, § 24.FAQ112.1 ff.): Beispiel Iterative Berechnung des Kapitalkostensatzes Für die Berechnung des Nutzungswertes für einen Vermögenswert liegen annahmegemäß die folgenden Ausgangsdaten vor. Alle Angaben sind in Mio. €. Nominal
t1
t2
t3
t4
t5
t6
t7
t8
t9
t10
Cashflows vor Steuern
1,47
1,52
1,58
1,84
1,98
2,13
2,21
2,29
2,37
2,45
Cashflows nach Steuern
0,95
0,98
1,03
1,27
1,40
1,53
1,59
1,64
1,70
1,76
Weiterhin gilt annahmegemäß: iEK = 0,04; iFK = 0,1; rm = 0,1; s = 0,35; FK / GK = 0,0625, EK / GK = 0,9375; zudem lässt sich für ein Vergleichsunternehmen mit einer Fremdkapitalquote von 0,4 ein βverschuldet = 1,3 ermitteln. Schritt 1
Da gem. IAS 36.A19 bei der Nutzungswertberechnung kein Kapitalstrukturrisiko zu berücksichtigen ist, ist zunächst das Beta für ein unverschuldetes Unternehmen zu berechnen. Hier gilt: β unverschuldet = β verschuldet / [(1 + (1 – s) × FK / EK)] = 1,3 / (1 + 0,65 × 4/6) = 0,906976.
Darauf aufbauend berechnet sich der Kapitalkostensatz nach Steuern wie folgt: cWACC, after tax = [iEK + (β unverschuldet × (rm – iEK)) × EK / GK] + [iFK x (1 – s) × FK / GK)] = [0,04 + 0,906976 × 0,06
× 0,9375] + [0,1 × 0,65 × 0,0625] = 0,0950799. Schritt 2 Werden die Cashflows nach Steuern mit cWACC, after tax diskontiert, so errechnet sich ein Nutzungswert in Höhe von 8,32 Mio. €. Gesucht wird nun der Zinssatz (cWACC, pre tax), der in Bezug auf die oben dargestellten Cashflows vor Steuern zu einem Nutzungswert von 8,32 Mio. € führt. Dieses Problem lässt sich z. B. mithilfe des Tabellenkalkulationsprogramms Excel über die Funktion »Zielwertsu-
330
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
che« lösen. Die 8,22 Mio. € stellen hier den Zielwert dar und cWACC, pre tax ist die veränderbare Zelle. Für cWACC, pre tax errechnet sich ein Betrag von 0,1795215. Folgende Tabelle zeigt die gerundeten diskontierten Cashflows vor und nach Steuern. Barwert
t1
t2
t3
t4
t5
t6
t7
t8
t9
t10
Diskontierte Cashflows vor Steuern
1,25
1,09
0,96
0,95
0,87
0,79
0,70
0,61
0,54
0,47
Diskontierte Cashflows nach Steuern
0,87
0,82
0,78
0,88
0,89
0,89
0,84
0,79
0,75
0,71
Aktuelles Auswirkungen von COVID-19 auf die Kapitalkostensatzbestimmung Dem Grundsatz der Risikoäquivalenz folgend, müssen die Risken der geplanten Cashflows den Risiken des gewählten Kapitalkostensatzes entsprechen. Demnach ist eine alleinige Berücksichtigung der COVID-19-spezifischen Risiken nur im Rahmen der Kapitalkostensatzbestimmung unzulässig. Bei Anwendung des WACC-Ansatzes bzw. des zugrunde liegenden CAPM stellt sich zudem die Frage, ob die auf Grundlage von historischen Daten ermittelten Marktrisikoprämien und Beta-Werte in Zeiten der COVID-19-Pandemie aussagekräftig sind. In diesen Pandemiezeiten lässt sich empirisch beobachten, dass Einzelaktien zunehmend mit dem zugehörigen Index korrelieren (Coronakrise als systematischer übergreifender Risikofaktor), sodass das Beta im Hinblick auf unternehmensindividuelle Risiken nicht mehr aussagekräftig ist (siehe Meitner/Streitferdt 2020, S. 43 f.). Diesem Problem könnte begegnet werden, indem für die Beta-Ermittlung auf einen Referenzzeitraum abgestellt wird, der kurz vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie liegt (Zwirner/Zimny 2021, S. 11). Der hiermit einhergehende Nachteil nicht aktueller Beta-Werte wäre hinzunehmen, auch weil geeignetere Werte nicht ermittelbar sind. Auch eine fundamentale Adjustierung der Betas für einen Übergangszeitraum wird erwogen. Bei den Marktrisikoprämien werden Volatilitätsadjustierungen oder eine Beibehaltung der auf historischen Daten (vor der COVID-19-Pandemie) ermittelten Marktrisikoprämien diskutiert. Aufgrund der bestehenden Probleme wäre auch zu erwägen, in Zeiten der COVID-19-Pandemie den Kapitalkostensatz auf Grundlage geeigneter Fremdkapitalkostensätze zu ermitteln, zumal IAS 36.A17 diese Möglichkeit explizit als zulässig erachtet.
Auch wenn sich das cost-Modell und die deutschen GoB ähneln, unterscheiden sich diese vor allem im Hinblick auf die Durchführung außerplanmäßiger Abschreibungen bzw. von Wertminderungen (zu den deutschen GoB s. Kap. II.5.3.8.1.c). y Die Dauer der Wertminderung ist international nicht relevant, d. h., eine Überprüfung, ob eine vorübergehende Wertminderung i. S. eines gemilderten Niederstwertprinzips vorliegt, kennen die IFRS nicht. y Auch die Vergleichsmaßstäbe für die Bestimmung einer Wertminderung weichen voneinander ab. Einen »erzielbaren Betrag«, der als der höhere Betrag aus »Nutzungswert« und »beizulegendem Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten« definiert ist (IAS 36.18), kennen die deutschen GoB nicht. y Zudem stellen die IFRS bei der Wertermittlung deutlich überwiegend auf den Absatzmarkt ab, während die Bewertungsmaßstäbe innerhalb des Niederstwertprinzips sowohl eine Absatz- als auch eine Beschaffungsmarktorientierung kennen. Die »aktuellen Kosten« (current cost) als ein Bewertungsmaßstab mit Beschaffungsmarktorientierung werden im IASB F.6.21 f. zwar erwähnt, besitzen jedoch keine zentrale praktische Bedeutung.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
y
y
331
Weiterhin existiert nach deutschen GoB regelmäßig kein Pendant zum Nutzungswert. Nur in seltenen Fällen wie z. B. für die Zwecke der Bewertung von nichtbörsennotierten Beteiligungen ist ein mit dem Nutzungswert vergleichbarer Ertragswert (s. Kap. II.5.3.8.1.c) anwendbar. Aus Sicht der deutschen GoB ist es z. B. in Bezug auf die Bewertung des Sachanlagevermögens von Vorteil, dass die erheblichen Schätzspielräume bei der Ermittlung des Nutzungswertes entfallen. Allerdings erscheint es fraglich, ob sich die in § 253 Abs. 3 S. 5 HGB geforderte außerplanmäßige Abschreibung auf einen niedrigeren beizulegenden Wert (mit Orientierung am Beschaffungsmarkt; s. Kap. II.5.3.8.1.c) überhaupt rechtfertigten lässt, sofern z. B. die aus dem Einsatz einer Sachanlage resultierenden diskontierten Zahlungsüberschüsse den aktuellen Buchwert übersteigen. Hier räumen die deutschen GoB einer vorsichtigen (s. Kap. II.4.4.7.1) Vorgehensweise (hohe Zuverlässigkeit zulasten einer niedrigeren Relevanz) Vorrang gegenüber einer relevanten Abbildungsregel ein, deren Anwendung jedoch in geringerem Maße verlässlich ist (hohe Relevanz zulasten einer geringeren Zuverlässigkeit). Demnach wird der Konflikt zwischen Relevanz und Zuverlässigkeit im System der deutschen GoB, der dominierenden Stellung des Vorsichtsprinzips folgend, zugunsten der Zuverlässigkeit und nach internationalen Normen zugunsten der Relevanz aufgelöst.
d. Besonderheiten der Erfassung von Wertminderungen in Bezug auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten Der erzielbare Betrag ist grundsätzlich für einzelne Vermögenswerte zu bestimmen. Ist dies nicht möglich, sind verschiedene Vermögenswerte zu einer Gruppe zusammenzufassen. IAS 36.6 definiert die zahlungsmittelgenerierende Einheit (cash-generating unit, ZGE) als die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugt, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten sind. ZGE können dabei z. B. als eine Produktlinie, ein Werk, eine Geschäftstätigkeit, ein geografischer Bereich oder als ein berichtspflichtiges Segment im Einklang mit IFRS 8 definiert sein (vgl. IAS 36.130di). Bei der Beurteilung der Unabhängigkeit der Mittelzuflüsse ist gem. IAS 36.69 zu berücksichtigen, y wie das interne Berichtswesen aufgebaut ist (z. B. nach Produktlinien, Geschäftsfeldern, einzelnen Standorten, Bezirken oder regionalen Gebieten) oder y wie die Unternehmensleitung Entscheidungen über die Fortsetzung oder den Abgang der Vermögenswerte bzw. die Einstellung der Unternehmenstätigkeiten trifft (zu einem Beispiel IAS 36.IE1 ff.). Existiert indes ein aktiver Markt für die von einem Vermögenswert oder einer Gruppe von Vermögenswerten produzierten Erzeugnisse und erstellten Dienstleistungen, ist dieser Vermögenswert oder diese Gruppe von Vermögenswerten als zahlungsmittelgenerierende Einheit zu identifizieren, auch wenn die produzierten Erzeugnisse oder erstellten Dienstleistungen (teilweise) intern genutzt werden (IAS 36.70; zu einem Beispiel IAS 36.IE11 ff.). Die Identifizierung einer ZGE erfordert eine Beurteilung durch die Unternehmensleitung und eröffnet regelmäßig einen hohen Ermessensspielraum (vgl. z. B. Heuser/Theile 2019, Rn. 19.16 ff.; Erb et al. 2020, § 27 Rn. 86 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 11 Rn. 101 ff., zu Praxisbeispielen siehe Ernst & Young 2021, Chapter 20, 3). Für die vorgenommene Abgrenzung gilt das Stetigkeitsgebot (IAS 36.72).
332
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Beispiel Abgrenzung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten Unterhält ein Bergwerksunternehmen eine eigene Eisenbahnlinie zur Unterstützung der Abbautätigkeit, dann stellt die Eisenbahn selbst keine ZGE dar, da diese annahmegemäß nur zu einem Schrottwert verkauft werden kann. Zahlungsmittelzuflüsse lassen sich nur dem Bergwerk als Ganzes, d. h. einschließlich der Eisenbahn, zuordnen (IAS 36.67). Eine Busgesellschaft bietet Beförderungsleistungen im Rahmen eines Vertrags für eine Gemeinde an, die für fünf verschiedene Strecken jeweils Mindestleistungen anbietet. Die auf jeder Strecke eingesetzten Busse und die korrespondierenden Zahlungsströme lassen sich gesondert identifizieren. Auf einer Strecke wird ein erheblicher Verlust erwirtschaftet. Die Busgesellschaft hat jedoch aufgrund der vertraglichen Verpflichtung nicht die Möglichkeit, eine bestimmte Strecke aufzugeben. Die ZGE ist daher die Busgesellschaft als Ganzes (IAS 36.68).
Diskussionsfrage II.5.-16 X und Y sind zwei Produktionsstätten eines Unternehmens. X stellt ein Zwischenprodukt her, welches von Y zu einem Verrechnungspreis, der eine Gewinnmarge beinhaltet, abgenommen und zu einem Endprodukt weiterverarbeitet wird. 80 % der Endprodukte von Y werden an Kunden außerhalb des Unternehmens veräußert. Bei X gehen 40 % der Zwischenprodukte an Dritte und 60 % an Y. Welches sind die ZGE, wenn y X die Zwischenprodukte auch auf einem aktiven Sekundärmarkt verkaufen könnte und der interne Verrechnungspreis, zu dem X an Y verkauft, höher als der Marktpreis ist, oder y kein aktiver Sekundärmarkt für die Zwischenprodukte existiert (vgl. hierzu IAS 36.IE5 ff.)?
Im Rahmen des Wertminderungstestes wird die zahlungsmittelgenerierende Einheit zum Bezugsobjekt für den Vergleich von erzielbarem Betrag und Buchwert (IAS 36.104). Der Buchwert der ZGE ist in Übereinstimmung mit der Art, in welcher der erzielbare Betrag der ZGE bestimmt wird, zu ermitteln (IAS 36.75). Demnach gehen nur die Buchwerte derjenigen Vermögenswerte in den Buchwert der ZGE ein, die dieser direkt oder aufgrund einer vernünftigen und stetigen Basis zugerechnet werden können (IAS 36.76). Beispiel Wertminderungstest einer ZGE Die GIA AG unterhält in Spanien eine Produktionsstätte zur Herstellung von Kopfschmerztabletten für den regionalen Markt (vereinfacht entnommen aus Baetge/Kirsch/Thiele 2020, S. 103 ff.). Zeitungsberichten zufolge bringt ein Konkurrent in Spanien eine günstigere Kopfschmerztablette auf den Markt. Vermutlich wird die GIA AG dadurch Umsatzeinbußen erleiden. Insofern liegt ein Hinweis auf eine mögliche Wertminderung vor (IAS 36.9). Die Produktionsstätte in Spanien (P-Stätte) bildet eine ZGE. Ihr sind drei Produktionsanlagen (P-Anlagen A, B, C) zugeordnet, für die sich die nachstehenden beizulegenden Zeitwerte abzüglich Veräußerungskosten ermitteln lassen. Ein Nutzungswert lässt sich indes nur für die Produktionsstätte insgesamt ermitteln. Buchwert
Beizulegender Zeitwert abzüglich Verkaufskosten
Nutzungswert
Erzielbarer Betrag
P-Anlage A
300.000 €
75.000 €
–
75.000 €
P-Anlage B
250.000 €
200.800 €
–
200.800 €
P-Anlage C P-Stätte
50.000 €
45.000 €
–
45.000 €
600.000 €
320.800 €
350.870 €
350.870 €
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
333
Der Wertminderungsbetrag ist die Differenz zwischen dem Buchwert und dem erzielbaren Betrag der Produktionsstätte. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 249.130 € (600.000 € - 350.870 €). Diese Wertminderung ist den Produktionsanlagen anteilig auf Basis der jeweiligen Buchwerte (IAS 36.104b) zuzuteilen (S5). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der erzielbare Betrag der einzelnen Produktionsanlagen nicht unterschritten wird (IAS 36.105) (S6). Es ergeben sich die folgenden Berechnungen: Buchwert
Erzielbarer Maximale Betrag Wertminderung S1-S2
Relativer (4) x Gesamte Zuzurechnende WertmindeBuchwert rung Produk- Wertmindeauf Basis rung; Min tionsstätte der Vermö{S3; S5} genswerte der ZGE
Spalte (S)
1
2
3
P-Anlage A
300.000 €
75.000 €
225.000 €
4 50 %
124.565 €
5
124.565 €
6
P-Anlage B
250.000 €
200.800 €
49.200 €
41,67 %
103.812 €
49.200 €
P-Anlage C
50.000 €
45.000 €
5.000 €
8,33 %
20.753 €
5.000 €
Da die in S6 gezeigten zuzurechnenden Wertminderungen (178.765 €) den berücksichtigungspflichtigen Wertminderungsbetrag (249.130 €) unterschreiten, ist die verbleibende Differenz (70.365 €) vollumfänglich der Produktionsstätte A zuzurechnen, da diese noch über ihrem erzielbaren Betrag bewertet ist (300.000 € – 124.565 € = 175.435 € > 75.000 €). Die Wertminderung ist damit vollständig erfasst. Der ZGE sind alle Vermögenswerte zuzurechnen, die zur Erzielung der Mittelzuflüsse beitragen (IAS 36.77). Hierzu zählen u. a. immaterielle Vermögenswerte sowie Sachanlagen. Schulden sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, dass der erzielbare Betrag der ZGE nicht ohne die Berücksichtigung dieser Schuld bestimmt werden kann (IAS 36.76b). Ein Beispiel dafür sind Rekultivierungsverpflichtungen (vgl. hierzu Schmusch/Laas 2006, S. 1050 f.; zur Berücksichtigung von Schulden siehe auch Wirth 2005, S. 86 ff.). Eine anteilige Zurechnung kommt für gemeinschaftliche Vermögenswerte (corporate assets) in Betracht. Hierzu zählen z. B. das Gebäude der Hauptverwaltung eines Geschäftsbereichs, die IT-Ausstattung eines Unternehmens oder die zentrale Forschungsabteilung (IAS 36.100). Die Buchwerte der gemeinschaftlichen Vermögenswerte können z. B. anhand der Buchwerte oder Umsatzerlöse der zahlungsmittelgenerierenden Einheiten auf diese verteilt werden (vgl. auch IAS 36.IE69 ff.). Beispiel Wertminderungstest bei Existenz gemeinschaftlicher Vermögenswerte Die IT-Abteilung der ABC AG ist für die Softwareinstallation bei den ZGE A, B und C verantwortlich (vgl. auch Pellens et al. 2021, S. 349 ff.). Der Buchwert (BW) der IT-Abteilung beträgt 250.000 €. Die beizulegenden Zeitwerte abzüglich Veräußerungskosten lassen sich für keine ZGE ermitteln, sodass deren erzielbare Beträge durch den Nutzungswert bestimmt werden. Die Buchwerte und die ermittelten Nutzungswerte der einzelnen ZGE lassen sich aus der untenstehenden Tabelle entnehmen. Buchwert
Nutzungswert
A
1.000.000 €
950.000 €
B
1.500.000 €
1.400.000 €
C
1.800.000 €
1.800.000 €
334
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Da die IT-Abteilung keine eigenständig bewertbaren Mittelzuflüsse aus ihrer Tätigkeit generiert, ist sie als gemeinschaftlicher Vermögenswert den Buchwerten der einzelnen ZGE zuzuordnen. Die ABC AG nimmt die Schlüsselung gem. den Buchwerten der ZGE vor. Somit sind die Buchwerte der einzelnen ZGE um die entsprechenden Umlageanteile des Buchwerts der IT-Abteilung zu adjustieren. Buchwert
Spalte (S)
1
Berechnung
Zuordnungsschlüssel
Zugeordneter Buchwert IT-Abteilung
2
3
Adjustierter Buchwert
Nutzungswert
4
5
Wertminderung
6
S1/4.300.000
BW × S2
S1 + S3
S4 – S5
250.000 € × 23,26 % = 58.140 €
1.000.000 € + 58.140 € = 1.058.140 €
950.000 €
1.058.140 € – 950.000 € = 108.140 €
A
1.000.000 €
1.000.000 €/ 4.300.000 € = 23,26 %
B
1.500.000 €
34,88 %
87.209 €
1.587.209 €
1.400.000 €
187.209 €
C
1.800.000 €
41,86 %
104.651 €
1.904.651 €
1.800.000 €
104.651 €
Summe
4.300.000 €
100 %
250.000 €
4.550.000 €
4.150.000 €
400.000 €
Die ermittelten Wertminderungen werden entsprechend ihren Buchwerten den jeweiligen ZGE und der IT-Abteilung zugeordnet: Wertminderung ZGE
Wertminderung IT- Abteilung
A
108.140 € × (1.000.000 €/1.058.140 €) = 102.198 €
108.140 € × (58.140 €/1.058.140 €) = 5.942 €
B
176.923 €
10.286 €
C
98.901 €
5.750 €
Summe
378.022 €
21.978 €
Nach Verteilung der Wertminderung ergeben sich am Jahresende die folgenden Buchwerte: Buchwert vor Wertminderung
Wertminderung
Buchwert (31.12.t1)
A
1.000.000 €
102.198 €
897.802 €
B
1.500.000 €
176.923 €
1.323.077 €
C
1.800.000 €
98.901 €
1.701.099 €
250.000 €
21.978 €
228.012 €
IT-Abt.
Weiterhin sind im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen entstandene Goodwills zuzuordnen (IAS 36.80 ff.; hierzu z. B. Moser/Hüttche 2010, S. 524; s. Kap. III.3.2.6.1; IV.5.3.1.6). Ein Goodwill entsteht, wenn bei einem Unternehmenserwerb, z. B. aufgrund erwarteter Synergien, ein Preis gezahlt wird, welcher das neubewertete Eigenkapital (beizulegender Zeitwert des durch den Unternehmenszusammenschluss übernommenen Nettovermögens) des erworbenen Unternehmens übersteigt (IAS 36.81). Ein Goodwill generiert dabei keine von anderen Vermögenswerten, ZGE oder Gruppen von ZGE unabhängigen Cashflows. Er ist des-
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
335
halb im Rahmen des Wertminderungstests der ZGE oder Gruppe von ZGE zuzuordnen, auf der der Goodwill für interne Steuerungszwecke überwacht wird (IAS 36.80 ff.). Dabei darf die Einheit nicht größer sein als ein für die Zwecke der Segmentberichterstattung gem. IFRS 8 (s. Kap. III.4.3) gebildetes Segment (IAS 36.80b). Vereinfacht ergibt sich für die Durchführung des Wertminderungstestes bei Zuordnung eines Goodwills zu einer ZGE das in Abb. II.5./25 dargestellte Ablaufschema:
(1) Zuordnung Goodwill und/oder gemeinschaftliche Vermögenswerte zu den Buchwerten der zahlungsmittelgenerierenden Einheiten (ZGE) (IAS 36.80 und 102)
(2) Ermittlung der beizulegenden Zeitwerte abzüglich Verkaufskosten der in der ZGE enthaltenen Vermögenswerte und Addition zu einem Gesamtwert
(3) Ermittlung Nutzungswert der ZGE
(4) Max {(2), (3)} = Erzielbarer Betrag nein
(5) Erzielbarer Betrag < Buchwert? ja (6) Minderung des der ZGE zugeordneten Goodwills (IAS 36.104a)
(7) Erzielbarer Betrag < (ggf. verbleibender) Buchwert?
nein
ja (8) anteilige Minderung der einzelnen Vermögenswerte der ZGE auf Buchwertbasis (ggf. einschließlich zugeordneter gemeinschaftlicher Vermögenswerte) (IAS 36.104b); Untergrenze für den Buchwert eines Vermögenswertes nach Wertminderung ist der beizulegende Zeitwert abzüglich Verkaufskosten (soweit bestimmbar), der Nutzungswert (soweit bestimmbar) oder Null (IAS 36.105).
Ende
Abb. II.5./25 Wertminderungstest bei Zuordnung eines Goodwills zu einer ZGE gem. IAS 36
Ein Goodwill wird annahmegemäß mehreren ZGE zugeordnet (Gruppe von ZGE). Besteht ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung bei einer dieser ZGE, sind gem. IAS 36.98 ggf. mehrere Wertminderungstests durchzuführen. Das folgende Beispiel ist an KPMG 2021a, S. 736 angelehnt.
336
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Beispiel Durchzuführende Wertminderungstests gem. IAS 36.98 Das Unternehmen P hat festgestellt, dass für die ZGE R (Buchwert 1 Mio. €) ein Hinweis auf eine mögliche Wertminderung vorliegt (IAS 36.9). Ein Goodwill (Buchwert 500 T€) bezieht sich nicht nur auf die ZGE R, sondern auch auf die ZGE S (Buchwert 600 T€) und ZGE T (Buchwert 400 T€). Ließe sich der Goodwill sachgerecht (on a non-arbitrary basis) den einzelnen ZGE zuordnen, so ist der Wertminderungstest in Bezug auf ZGE R unter Berücksichtigung des zugeordneten Goodwills (500 T€) durchzuführen. Dies ist allerdings annahmegemäß nicht möglich (siehe auch IAS 36.81), d. h. die Zuordnung des Goodwill erfolgt in diesem Fall auf Ebene der Gruppe der ZGE R, S und T. In diesem Fall bedarf es mehrerer Wertminderungstests: y Bottom-up test: IAS 36.98 Satz 4 gibt ausdrücklich vor, dass zunächst ZGE R einem Wertminderungstest zu unterziehen ist, wobei der Buchwert des (anteiligen) Goodwills nicht zu berücksichtigen ist. Ziel ist es, die Werte der einzelnen Vermögenswerte von R zunächst auf den aktuellen Stand zu bringen. Wird der erzielbare Betrag mit 800 T€ bestimmt, ergibt sich ein Wertminderungsverlust von 200 T€. y Top-down test: Darüber hinaus ist die Gruppe von ZGE (R, S und T) gemeinsam mit dem Goodwill einem Wertminderungstest zu unterziehen. Es ist ein Buchwert von 2,3 Mio. € [(1 Mio. € – 200 T€) + 600 T€ + 400 T€ + 500 T€] zugrunde zu legen. Bei einem erzielbaren Betrag von 2,2 Mio. €, errechnet sich für den Goodwill eine Wertminderung in Höhe von 100 T€. Unabhängig davon, ob ein Hinweis auf eine mögliche Wertminderung vorliegt, ist der Goodwill außerdem aufgrund von IAS 36.10(b) einmal jährlich verpflichtend einem Wertminderungstest zu unterziehen. Dieser Test findet auf Ebene der Gruppe von ZGE (R, S und T) statt, sodass der bottomup test entfällt.
Je größer die (Gruppe von) ZGE ist, der ein Goodwill zugeordnet wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aufgrund eines Ausgleichs von Wertminderungen und -erhöhungen innerhalb dieser Einheit bzw. zwischen den Einheiten keine Notwendigkeit zur Wertminderung eines Goodwills ergibt. Folglich handelt ein an einer ergebniserhöhenden Abschlusspolitik (s. Kap. II.7.2) interessierter Abschlussersteller zielkonform, wenn er für die Goodwill-Zuordnung eine möglichst große ZGE bzw. Gruppe von ZGE wählt. Demnach wird der Abschlussersteller bei einem Unternehmenserwerb nach Argumenten suchen, die dafür sprechen, das erworbene Unternehmen nicht oder nur in möglichst wenige weitere ZGE unterteilen zu müssen (vgl. Braun 2018, S. 753). Die Bildung einer ZGE bewirkt einen internen Wertausgleich der darin enthaltenen Vermögenswerte, d. h., Wertverluste durch einen Vermögenswert können durch Steigerungen bei einem anderen Vermögenswert ausgeglichen werden. Der Grundsatz der Einzelbewertung wird aufgeweicht. Insofern ist dieser Grundsatz deutlich strenger in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB kodifiziert. Allerdings gilt auch hier, dass die deutschen GoB einer am Vorsichtsprinzip orientierten Einzelbewertung gegenüber einer mit hohen Unsicherheiten behafteten, vermutlich besser geeigneten Abbildungsregel den Vorzug geben (zum Konflikt von Relevanz und Zuverlässigkeit s. Kap. II.5.3.2). Diskussionsfrage II.5.-17 Bei Handelsunternehmen sind die ZGE grundsätzlich durch die Handelsstandorte determiniert. Allerdings ist ein Goodwill nicht zwingend einem einzelnen Standort zuzuweisen. Vielmehr ist eine etwaige Goodwillminderung auf der niedrigsten Ebene innerhalb des Unternehmens zu prüfen, auf der der Goodwill für interne Managementzwecke überwacht wird (IAS 36.80a). Im Fall der Metro AG sind das nach eigenen Angaben in der Regel die Organisationseinheiten pro Land (hierzu sowie im Folgenden Metro AG (2020), Geschäftsbericht 2019/20, S. 41, 189 f.). Demnach werden bei der
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
337
Organsationseinheit »METRO Cash & Carry Frankreich« 98 Standorte zu einer Gruppe von ZGE zusammengefasst. Der dieser Gruppe zugeordnete Goodwill betrug 2019/20 insgesamt 293 Mio. €. Eine Wertminderung ließ sich nicht feststellen. Überzeugt Sie das Vorgehen der Metro AG? Welche Beweggründe könnten für die Metro AG im Rahmen der Goodwill-Zuordnung relevant sein? Aktuelles Diskussionspapier DP/2020/1 Mit dem Ziel die Folgebilanzierung des Goodwill zu verbessern, hat das IASB im März 2020 das Diskussionspapier DP/2020/1 »Business Combinations – Disclosures, Goodwill and Impairment« veröffentlicht. Das IASB diskutiert darin Überlegungen zur Verbesserung der Wirksamkeit des Wertminderungstests und eine Wiedereinführung einer planmäßigen Abschreibung des Goodwill (hierzu Berger/ Fink 2020). Mit knapper Mehrheit wird die Beibehaltung des bestehenden »impairment only«-Ansatzes befürwortet. Die Einführung einer planmäßigen Abschreibung sei zwar einfach umsetzbar und würde auch der kritisierten Überbewertung des Goodwill entgegenwirken. Allerdings befürchtet das IASB, dass dieses Vorgehen zulasten der Entscheidungsnützlichkeit gehen könnte (siehe DP/2020/1, par. 3.69 ff.). Daher wird jetzt ein anlassbezogener Ansatz vorgeschlagen (»indicator only«-Ansatz), auch um die Kosten für den Test zu verringern, wobei dieses Argument umstritten ist. Diskussionsfrage II.5.-18 Im Rahmen des zuvor angesprochenen DP/2020/1 betont das IASB die Entscheidungsnützlichkeit des bestehenden »impairment only«-Ansatzes. In einer Wertrelevanzstudie (s. Kap. I.4.3.3.2) zeigen Bugeja/Gallery 2006 einen positiven Zusammenhang zwischen der Goodwill-Höhe und dem Marktwert des Eigenkapitals des betreffenden Unternehmens. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Goodwill nicht älter als zwei Jahre ist.72 Wie beurteilen Sie die Auffassung des IASB vor diesem Hintergrund?
e. Fair-value-Modell Dieses Modell gibt zum Bewertungsstichtag eine Neubewertung mit dem Bewertungsmaßstab »beizulegender Zeitwert« (s. Kap. II.5.3.6.2) vor, die zu einem erhöhten oder verminderten Wertansatz führen kann. Diese Wertänderung erfolgt losgelöst von den originären Anschaffungs- oder Herstellungskosten (zur Beurteilung der fair value-Bewertung s. Kap. II.5.3.6.4). Das fair value-Modell kommt unter bestimmten Voraussetzungen vor allem für bestimmte finanzielle Vermögenswerte (IFRS 9.4.1.1 ff.; s. Kap. III.3.4), für zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte (IFRS 5.15), für bestimmte Vermögenswerte im Immobilienbereich (IAS 40.33) sowie in der Landwirtschaft (IAS 41.12 f.) in Betracht. Hinsichtlich der Ergebniswirksamkeit der Wertänderungen gilt Folgendes: y Wertänderungen sind grundsätzlich ergebniswirksam zu erfassen, z. B. bei zu Handelszwecken gehaltenen Instrumenten gem. IFRS 9.5.7.1 (s. Kap. III.3.4). y Ausnahmsweise ist auch eine ergebnisneutrale Erfassung (über das OCI; s. Kap. II.5.3.3.3) angezeigt, z. B. wenn ein Unternehmen das Wahlrecht zur ergebnisneutralen Erfassung von Wertänderungen bei nicht zu Handelszwecken gehaltenen Eigenkapitalinstrumenten in IFRS 9.5.7.5 in Anspruch nimmt. Zudem sind finanzielle Vermögenswerte ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert zu erfassen, wenn die Voraussetzungen in IFRS 9.4.1.2A kumulativ gegeben sind, d. h. die Vertragsbedingungen zu Zins- und Tilgungs-
72 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Bestand der empirischen Forschung zum »impairment only«-Ansatz sehr umfangreich ist und die Ergebnisse heterogen sind, wenngleich die Ergebnisse insgesamt die Kritik an diesem Ansatz stützen. Einen Überblick bieten Velte/Lazar 2017 und Amel-Zadeh/Glaum/Sellhorn 2021.
338
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
zahlungen auf einen ausstehenden Nominalbetrag führen und das Geschäftsmodell eines Unternehmens das Halten sowie die Veräußerung der Vermögenswerte vorsieht. Ergebnisneutral im OCI erfasste Beträge werden spätestens bei Ausbuchung des dazugehörigen Postens ergebniswirksam (IFRS 9.5.7.10; sog. recycling; s. Kap. II.5.3.3.4). Ein Verstoß gegen das Kongruenzprinzip liegt insofern nicht vor (s. Kap. II.4.4.3.2). Weiterhin ist im Hinblick auf die ergebnisneutrale Erfassung zu beachten, dass bei den Vermögenswerten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten (IFRS 9.4.1.2) oder nach IFRS 9.4.1.2A ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert bilanziert werden, die Wertminderungsregelung gem. IFRS 9.5.5.1 ff. greift. Dabei wird auf die erwarteten Verluste abgestellt (sog. expected loss-Ansatz). Die Höhe der ergebniswirksam zu erfassenden Verluste bestimmt sich nach einem dreistufigen Vorgehen (vgl. z. B. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 938 ff.; s. Kap. III.3.4). Wurde ein im Rahmen dieser Wertminderungsregelung zu erfassender Verlust in der vorherigen Berichtsperiode ergebnisneutral im OCI verbucht, ist dieser nunmehr ergebniswirksam zu erfassen. Nach deutschen GoB greift ein imparitätisches partielles fair value-Konzept (s. Kap. II.5.3.6.4), d. h., etwaige Wertminderungen sind ergebniswirksam zu erfassen. Dagegen besteht keine Verpflichtung, die historischen Anschaffungskosten übersteigenden Beträge in eine Rücklage einzustellen. Das Konzept ist auch partiell, weil bei Finanzanlagen des Anlagevermögens auf eine außerplanmäßige Abschreibung verzichtet werden kann, sofern es sich um eine vorübergehende Wertminderung handelt (§ 253 Abs. 3 S. 6 HGB; s. Kap. II.5.3.8.1.c). Allerdings besteht bei Finanzanlagen eine Angabepflicht im Anhang (§ 285 Nr. 18 HGB). f. Revaluation-Modell Nach dem revaluation-Modell (Neubewertungsmodell) erfolgt eine Neubewertung zum beizulegenden Zeitwert zum Zeitpunkt der Neubewertung (revalued amount; Neubewertungsbetrag).73 Allerdings ist der Neubewertungsbetrag in den Folgeperioden y um (kumulierte) planmäßige Abschreibungen und (kumulierte) außerplanmäßige Wertminderungen ggf. unter Berücksichtigung von Wertaufholungen zu korrigieren (Vorgehensweise A) oder y unter bestimmten Voraussetzungen durch einen höheren oder niedrigeren Neubewertungsbetrag zu ersetzen (Vorgehensweise B). Insofern beinhaltet dieses Modell Elemente sowohl des cost-Modells (Vorgehensweise A) als auch des fair value-Modells (Vorgehensweise B). Das revaluation-Modell kommt alternativ zum cost-Modell bei den Sachanlagen (IAS 16.29, 16.31 ff.) und den immateriellen Vermögenswerten (IAS 38.72, 38.75 ff.) zur Anwendung. Eine Neubewertung findet sich in europäischen IFRS-Abschlüssen allerdings nur äußerst selten (vgl. Antonakopoulos/Kaufmann 2018, S. 222 ff.). Neubewertungen sind in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Die Häufigkeit der Vornahme von Neubewertungen hängt von den Schwankungen des beizulegenden Zeitwerts des jeweiligen Vermögenswertes ab. Unterliegt dieser Wert keinen signifikanten Schwankungen, dürfte es bei Sachanlagen ausreichend sein, die Neubewertung alle drei bis fünf Jahre durchzuführen (IAS 16.34).
73 Vgl. zum Neubewertungsmodell stellvertr. Naumann et al. 2013, Rn. 446 ff.; Pellens et al. 2021, S. 378 ff., 403 ff.; Petersen/Bansbach/Dornbach 2021, S. 94 ff.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
339
Auch bei einer Neubewertung ist ein Wertminderungstest (s. Kap. II.5.3.8.2.c) durchzuführen (vgl. ferner ADS International 2002, Abschnitt 9, Rn. 156 f.). Nach jeder Neubewertung ist zu prüfen, ob der im Rahmen der Neubewertung ermittelte beizulegende Zeitwert auf einen niedrigeren erzielbaren Betrag (IAS 36.5) abzuwerten ist, d. h., es kann nicht zum Ausweis eines beizulegenden Zeitwertes kommen, der den erzielbaren Betrag übersteigt (vgl. hierzu auch Baetge et al. 2016, IAS 36, Rn. 75). Bezüglich der Behandlung von Neubewertungsdifferenzen lassen sich zwei Fälle unterscheiden: Buchwerterhöhung und -minderung. Dabei ist wiederum in Abhängigkeit davon, ob es in den Vorperioden bereits zu Neubewertungen gekommen ist oder nicht, weiter zu differenzieren. In Bezug auf nicht planmäßig abzuschreibende Vermögenswerte gilt das Vorgehen gem. Abbildung II.5./26 (modifiziert entnommen aus Wagenhofer 2009, S. 370). beizulegender Zeitwert
ergebnisneutral
ergebnisneutral ergebniswirksam
(a)
(d)
(c)
(b)
Buchwert (a)
Zeit Abb. II.5./26 Erfassung von Wertänderungen bei der Neubewertung
y
y
Führt die Neubewertung einer Sachanlage zu einer Buchwerterhöhung, – ist der Unterschiedsbetrag ergebnisneutral in eine Neubewertungsrücklage (revaluation surplus) im Rahmen des Eigenkapitals einzustellen. – Allerdings ist die Buchwerterhöhung ergebniserhöhend, wenn auf diese Weise eine in einer früheren Periode entstandene Wertminderung, die ergebnismindernd durchgeführt wurde, rückgängig gemacht wird (IAS 16.39). Hat eine Neubewertung eine Buchwertminderung zur Folge, – dann ist der Unterschiedsbetrag ergebnismindernd zu erfassen. – Wurden allerdings in den Vorperioden aufgrund einer Buchwerterhöhung bereits Beträge in die Neubewertungsrücklage eingestellt, ist der aktuelle Unterschiedsbetrag zunächst mit dieser Neubewertungsrücklage ergebnisneutral zu verrechnen (IAS 16.40).
Bezüglich der Auflösung der Neubewertungsrücklage, wie z. B. im Fall der Veräußerung der Sachanlage, stellt IAS 16.41 fest, dass dies ergebnisneutral über eine Umbuchung in die Gewinnrücklagen (retained earnings) erfolgen kann (may be transferred directly). Die Formulierung »kann« spricht dafür, dass auch andere Vorgehensweisen möglich sind. Nachfolgend wird die Struktur des IAS 16.41 näher untersucht. y Nach S. 1 der zuvor angesprochenen Textziffer kann die Neubewertungsrücklage bei Realisation direkt in die Gewinnrücklagen transferiert werden. – Eine Möglichkeit der vollständigen Realisation besteht bei Stilllegung oder Veräußerung des Vermögenswertes (S. 2). Hier erfolgt eine Konkretisierung des in S. 1 angesprochenen Realisationserfordernisses.
340
y
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
– Eine Möglichkeit der teilweisen Realisation besteht bei (Ab-)Nutzung des Vermögenswertes durch das Unternehmen (S. 3). S. 4 bezieht sich auf die Berechnung des Betrages, der als teilweise realisiert gilt. S. 5 stellt klar, dass ein Transfer der Neubewertungsrücklage in die Gewinnrücklage grundsätzlich ergebnisneutral erfolgt.
Inwieweit sich eine andere ergebnisneutrale Umbuchung in die Gewinnrücklagen rechtfertigen lässt, kann aus IAS 16.41 nicht abgeleitet werden. Demnach müssen zur Beantwortung dieser Frage die internationalen Rahmennormen des IASB (s. Kap. II.5) und die dominierende Informationsfunktion eines IFRS-Abschlusses (s. Kap. I.2.2.5) herangezogen werden (s. Kap. II.6.1). Letztendliche Klarheit schafft hier eine Aussage des SIC, die sich als hermeneutisch bedeutsames Kriterium für den Willen des Normengebers (s. Kap. II.6.1.1) heranziehen lässt: »If an enterprise revalues tangible fixed assets, the SIC agreed that IAS 16 is sufficiently clear that transfer of the revaluation surplus may be done in different ways, but is not mandatory, and in all cases, the transfer is not made through the income statement.« (SIC 1999, S. 2, jedoch ohne Hervorhebung im Original; so auch ADS International 2002, Abschnitt 9, Rn. 155). Demnach kommt es stets zu einer ergebnisneutralen Auflösung der Neubewertungsrücklage (i. d. S. auch Wagenhofer 2009, S. 372, jedoch ohne nähere Begründung). Ein solches Vorgehen stellt einen Verstoß gegen das Kongruenzprinzip (s. Kap. II.4.4.3.2) dar. Aus Unternehmenssicht ist nachteilig, dass ein solches Vorgehen regelmäßig zu einer Verminderung künftiger GuV-Ergebnisse führt. Das folgende einfache Beispiel verdeutlicht die Vorgehensweise. Beispiel Auflösung der Neubewertungsrücklage (ohne latente Steuern) Zum 31.12.t1 beträgt der Buchwert eines Grundstücks 100 T€. Im folgenden Geschäftsjahr ist das Grundstück nach IAS 16.31 ff. zu bewerten. Der beizulegende Zeitwert zum 31.12.t2 beträgt annahmegemäß 140 T€. Grundstück
40.000 €
an
Neubewertungsrücklage
40.000 €
Das Grundstück wird am 31.12.t3 zu 140 T€ verkauft. Bank
140.000 €
an
Grundstück
140.000 €
Zeitgleich ist auch die Neubewertungsrücklage aufzulösen. Dies soll durch eine Umbuchung in die Gewinnrücklagen erfolgen. Neubewertungsrücklage
40.000 €
an
Gewinnrücklagen
40.000 €
Einzelheiten zur Vorgehensweise bei Berücksichtigung latenter Steuern sowie bei Vermögenswerten, die auch planmäßig abzuschreiben sind, finden sich in Kap. III.3.1.3.2b. Zu fragen ist weiterhin, wie sich das revaluation-Modell theoretisch rechtfertigen lässt. Vor dem Hintergrund der bestehenden normativen Regelung ließe sich – in Anlehnung an die Argumentationen zum fair value (s. Kap. II.5.3.6.4) – argumentieren, dass ein fair value-Ansatz aus dem Blickwinkel informationsökonomischer Überlegungen mit einer höheren Entscheidungsnützlichkeit einhergeht. Dem steht allerdings entgegen, dass die revaluation-Modell-
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
341
spezifischen Wertänderungen gerade nicht ergebniswirksam sind. Ob solche Wertänderungen tatsächlich zu einer höheren Entscheidungsnützlichkeit führen, bleibt offen. Gleichwohl steht das revaluation-Modell dem seitens des IASB intendierten full fair value-accounting näher als das cost-Modell. Zusammenfassend ist im Hinblick auf die drei vorgestellten Folgebewertungsmodelle (cost-, fair value-, revaluation-Modell) festzustellen, dass die Ausgestaltung der einzelnen Modelle stark abschlusspostenspezifisch bzw. in Abhängigkeit von dem zu behandelnden Sachverhalt variiert. Insofern ist auf internationaler Ebene derzeit keine geschlossene Folgebewertungskonzeption erkennbar (s. Kap. II.5.5), sodass es angezeigt ist, tiefergehende Fragen der Folgebewertung abschlussposten- bzw. sachverhaltsbezogen zu behandeln (s. Kap. III). 5.3.8.3 Wertaufholungen Allgemein handelt es sich bei einer Wertaufholung um die Erhöhung des Buchwertes eines Vermögenspostens durch Zuschreibung nach Wegfall der Gründe, die in früheren Perioden zu einer Wertminderung oder außerplanmäßigen Abschreibung geführt haben. Zunächst einmal wird der Frage nachgegangen, bei welchen IFRS-Folgebewertungsmodellen (s. Kap. II.5.3.8.2) Wertaufholungen (reversal of an impairment loss) in Betracht kommen. y Wertaufholungen sind zweifelsfrei beim cost-Modell vorzunehmen (IAS 36.117). y Beim fair value-Modell finden streng genommen im Regelfall keine Wertaufholungen statt, sondern es kommt zu Neubewertungen, die ggf. zu veränderten Wertansätzen führen (z. B. IFRS 9.4.1.4). Allerdings ist in den Fällen, in denen eine Wertminderung vollzogen wurde, eine Wertaufholung angezeigt (IFRS 9.5.5.8, unter Bezugnahme auf ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte). y Auch beim revaluation-Modell finden Neubewertungen statt, die jedoch in den Folgeperioden ggf. um planmäßige Abschreibungen und Wertminderungen zu korrigieren sind (IAS 16.31). Naheliegend ist es, dass in Bezug auf diese Wertminderungen grundsätzlich auch Wertaufholungen in Betracht kommen. Diese Wertaufholungen stellen jedoch formal betrachtet Neubewertungen dar: »Jede Wertaufholung eines neu bewerteten Vermögenswerts ist als eine Wertsteigerung durch Neubewertung gem. diesem anderen Standard zu behandeln« (IAS 36.119 S. 2). Mit der Formulierung »gem. diesem anderen Standard« sind z. B. die Regelungen in IAS 16.31 ff. angesprochen. Im Ergebnis besteht jedoch kein Unterschied zu einer Wertaufholung. Regelungen zur Wertaufholung finden sich vor allem in IAS 36.109 ff. (vgl. auch Fischer/ Wenzel 2001, S. 602 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 137 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/ Freiberg 2021, § 11, Rn. 226 ff.). Eine Wertaufholung bei einem Goodwill ist unzulässig (IAS 36.124; ausführlich s. Kap. III.3.2.6.1). Wurde bei einem nicht abnutzbaren Vermögenswert eine Wertminderung vollzogen, z. B. Wertminderung von Sachanlagen auf den »beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten«, dann ist eine Wertaufholung zu tätigen, wenn die folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sind: y In einer Folgeperiode bestehen die Gründe, die zu einer Wertminderung geführt haben, nicht mehr oder diese wurden gemildert (Indikatoren für eine mögliche Wertaufholung finden sich in IAS 36.111). y Der aktuelle Wert liegt über dem Buchwert.
342
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die Wertaufholung darf definitionsgemäß die Höhe der durchgeführten Wertminderung nicht überschreiten. Insbesondere darf der infolge einer Wertaufholung erhöhte Buchwert eines abnutzbaren Vermögenswertes den Betrag nicht übersteigen, der sich ergeben hätte, y wenn in früheren Jahren keine Wertminderung erfasst und y unverändert planmäßig weiter abgeschrieben worden wäre (IAS 36.117). Demnach ergibt sich eine »Deckelung« durch den fiktiv fortgeführten Buchwert. Beispiel Wertaufholung (ergebniswirksam erfasste Wertminderung) Die Druck AG erwirbt am 1.1.t1 eine Druckmaschine. Die Anschaffungskosten betragen 30 T€. Die Maschine soll linear über 6 Jahre planmäßig abgeschrieben werden. Da die Maschine bereits in t1 voll genutzt wird, ist am 31.12.t1 unter Anwendung des cost-Modells (IAS 16.30) wie folgt zu buchen: planmäßige Abschreibung
5 T€
an
Druckmaschine
5 T€
Am 31.12.t2 beträgt der fortgeführte Buchwert nach Durchführung der planmäßigen Abschreibung 20 T€. Weiterhin wird ein erzielbarer Betrag (s. Kap. II.5.3.6.4) in Höhe von 12 T€ ermittelt. Die Gründe für die Wertminderung sind im Dezember t2 eingetreten. Der sich ergebende Wertminderungsverlust (8 T€) ist zu buchen und der Restbuchwert (12 T€) ist auf die Restnutzungsdauer von 4 Jahren (t3, t4, t5 und t6) linear zu verteilen. planmäßige Abschreibung Wertminderungsverlust
5 T€ 8 T€
an
Druckmaschine
13 T€
Am 31.12.t3 liegen keine besonderen Umstände vor. Es ist planmäßig abzuschreiben. planmäßige Abschreibung
3 T€
an
Druckmaschine
3 T€
Am 31.12.t4 beträgt der fortgeführte Buchwert 6 T€ und der erzielbare Betrag annahmegemäß 13 T€. Die Wertaufholung ist durch den Betrag begrenzt, der sich ohne Wertminderung bei unverändert planmäßiger Abschreibung ergeben hätte (IAS 36.117): 30 T€ – (4 · 5 T€) = 10 T€. Demnach ist die sich ergebende Differenz (10 T€ – 6 T€) als Wertminderungsgewinn (impairment gain) zu erfassen. planmäßige Abschreibung Druckmaschine
3 T€ 4 T€
an an
Druckmaschine Wertminderungsgewinn
3 T€ 4 T€
Der sich nun ergebende Restbuchwert (10 T€) ist über die verbleibende tatsächliche Restnutzungsdauer (t5 und t6) linear abzuschreiben (jeweils 5 T€).
Diskussionsfrage II.5.-19 Wertaufholung und Nutzungswertbestimmung Ein abnutzbarer Vermögenswert wird nach dem cost-Modell (s. Kap. II.5.3.8.2.b) bewertet: Der am 1.1.t0 zu 100 T€ angeschaffte Vermögenswert wird über 5 Jahre planmäßig linear abgeschrieben. Es liegen Anzeichen für eine Wertminderung vor, die dazu führen, dass ein Wertminderungstest gem. IAS 36 durchzuführen ist. Für die Nutzungswertbestimmung am 31.12.t0 sind die nachstehend angegebenen Cashflows vor Steuern relevant, die annahmegemäß mit einem Kapitalkostensatz vor Steuern in Höhe von 10 % zu diskontieren sind. Erzielbarer Betrag und Nutzungswert sind annahmegemäß stets identisch.
5 Internationale Rahmennormen – Darstellung und Vergleich mit den deutschen GoB
t0 Cashflows vor Steuern (nominal)
–
Carrying amount
64 T€
Value in use (= recoverable amount)
64 T€
Impairment
16 T€
Reversal of an impairment Depreciation
t1
t2
t3
t4
13 T€
22 T€
23 T€
24 T€
343
0 20 T€
Demnach ist das asset am 31.12.t0 zu 64 T€ in der Bilanz anzusetzen. Der Wertminderungsverlust beträgt 16 T€. Berechnen Sie für die folgenden Perioden (t1, t2, t3, t4) den Nutzungswert und prüfen Sie, ob ggf. eine Wertaufholung in Betracht kommt. Begründen Sie Ihre Antwort! Geben Sie auch den Bilanzansatz für die zuvor angegebenen Perioden an und vervollständigen Sie die oben dargestellte Tabelle. Der angegebene Datenkranz für die Nutzungswertbestimmung (nominale Cashflows vor Steuern, Kapitalkostensatz) bleibt unverändert.
Diskussionsfrage II.5.-20 Wertaufholung und unterjährige Berichte IFRS-Bilanzierer sind regelmäßig zur Erstellung unterjähriger Berichte nach IAS 34 verpflichtet (s. Kap. I.3.2.2.2). Unternehmen A und Unternehmen B erstellen IFRS-Jahresabschlüsse, d. h., die IFRS sind demnach auch für die Erstellung eines unterjährigen Abschlusses relevant. Die Geschäftsjahre stimmen überein. Gehen Sie weiterhin davon aus, dass Unternehmen A zum 30.6.t1 einen Halbjahresbericht nach IAS 34 zu erstellen hat und Unternehmen B nicht. Angenommen sei zusätzlich, dass bei beiden Unternehmen am 1.1.t1 ein Goodwill in Höhe von 900 T€ zu bilanzieren ist, der denselben Wertminderungseinflüssen unterliegt. Im Halbjahresbericht führt Unternehmen A einen Wertminderungstest durch, auf dessen Grundlage der Goodwill vollumfänglich abzuschreiben ist. Am 31.12.t1 sind die Gründe, die zu der Wertminderung geführt haben, entfallen. Eine Wertaufholung kommt bei Unternehmen A jedoch nicht in Betracht (IAS 36.124). Da im Jahresverlauf annahmegemäß keine besonderen Anhaltspunkte für eine Wertminderung ersichtlich waren (siehe auch IAS 36.90) und am 31.12.t1 kein Wertminderungsbedarf besteht, zeigt Unternehmen B am Jahresbilanzstichtag unverändert einen Goodwill in Höhe von 900 T€. Weiterhin stellt IAS 34.28 fest, dass die Häufigkeit der Berichterstattung eines Unternehmens (jährlich, halb- oder vierteljährlich) die Höhe des Jahresergebnisses nicht beeinflussen darf. Allerdings hat sich im obigen Beispiel die Häufigkeit der unterjährigen Berichterstattung auf das Jahresergebnis (zum 31.12.t1) der beiden Unternehmen ausgewirkt (Jahresergebnis Unternehmen B > Jahresergebnis Unternehmen A), ohne dass diesem Ergebnisunterschied auch unterschiedliche ökonomische Verhältnisse zugrunde liegen. Wie gehen Sie mit diesem Normenkonflikt (IAS 36.124 vs. IAS 34.28) um? Bitte berücksichtigen Sie bei Ihren Ausführungen auch die in s. Kap. II.6.1 vor allem unter Bezugnahme auf IAS 8.7 ff. beschriebene Problemlösungsmethodik.
Nach deutschen GoB gilt, dass ein niedrigerer Wertansatz nicht beibehalten werden darf, sofern die Gründe dafür nicht mehr bestehen (§ 253 Abs. 5 S. 1 HGB). Insofern besteht grundsätzlich eine Wertaufholungspflicht (vgl. z. B. Störk/Taetzner 2020, § 253 HGB, Rn. 637 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 281 ff.). Zu beachten ist, dass beim abnutzbaren Anlagevermögen eine ggf. vorzunehmende Zuschreibung auf den Betrag erfolgt, der sich unter Berücksichtigung der planmäßigen Abschreibungen im Zeitablauf ergeben hätte. Eine Ausnahme von der verpflichtenden Wertaufholung besteht nur in Bezug auf den niedrigeren Wertansatz
344
Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes, da dieser gem. § 253 Abs. 5 S. 2 HGB beizubehalten ist; insofern besteht hier ein Wertaufholungsverbot. Auch steuerrechtlich besteht eine ähnlich ausgestaltete Wertaufholungspflicht wie nach deutschen GoB. Unterschiede bestehen u. a. dahingehend, dass die Wertaufholung alleine auf den Anstieg des Teilwerts und nicht auf den Wegfall der Gründe, die ursprünglich zu der außerplanmäßigen Abschreibung geführt haben, abstellt und dass der Steuerpflichtige den niedrigeren Teilwert in jedem Jahr erneut nachweisen muss. 5.3.8.4 Ausbuchungen Ausbuchung bezieht sich auf die vollständige oder teilweise Herausnahme eines Postens aus der Bilanz eines Unternehmens. Diese Herausnahme erfolgt international normalerweise (normally), wenn die Definitionskriterien eines Vermögenswertes oder einer Schuld nicht mehr erfüllt sind. Demnach ist ein Posten auszubuchen, wenn das Unternehmen y die Kontrolle über den angesetzten Vermögenswert oder einen Teil des angesetzten Vermögenswertes verliert (IASB F.5.26a) y oder nicht mehr länger einer gegenwärtigen Verpflichtung für eine angesetzte Schuld oder einen Teil der angesetzten Schuld ausgesetzt ist (IASB F.5.26b). Mit der Ausbuchung sollen sowohl die Veränderung der Vermögenswerte und Schulden (transferred component) als auch die Vermögenswerte und Schulden nach der Veränderung (retained component) glaubwürdig dargestellt werden (Ziele der Ausbuchung; IASB F.5.27). Dabei muss auch der Primärgrundsatz der Relevanz in die Beurteilung einbezogen werden, da nur relevante und glaubwürdig dargestellte Informationen entscheidungsnützlich sind (IASB F.2.4; F.BC5.30). Die aus der (Teil-)Ausbuchung resultierenden Erträge und Aufwendungen sind ergebniswirksam in der GuV zu erfassen (IASB F.5.28). Es bedarf eines separaten Ausweises sowie geeigneter Erläuterungen in den notes, sofern dies einer glaubwürdigen Darstellung dienlich ist. Im Framework wird nicht explizit darauf verwiesen, dass eine Ausbuchung auch mit Veränderungen im OCI (s. Kap. II.5.3.3.3.a) einhergehen kann. Die Diskussion der Erreichung der beiden Ziele greift sowohl den Kontrollansatz (control approach) als auch den Risiko-Chancen-Ansatz (risks-and-rewards approach) auf (IASB F.BC5.23 ff.; zu diesen Ansätzen s. auch Kap. III.3.8.1). Entsprechend dem Kontrollansatz folgt eine Ausbuchung eines Vermögenswerts bzw. einer Schuld, wenn die Ansatzkriterien dafür entfallen, z. B. der Vermögenswert nicht mehr existiert oder das Unternehmen verlässt (IASB F.BC5.24a). Dagegen erfolgt nach dem Risiko-Chancen-Ansatz eine vollständige Ausbuchung erst dann, wenn die mit dem Vermögenswert oder der Schuld verbundenen Risiken und Chancen sich auf ein Niveau reduziert haben, welches einen Ansatz nicht mehr rechtfertigt (ähnlich IASB F.BC5.24b, jedoch mit dem nicht nachvollziehbaren Hinweis, dass eine Ausbuchung voraussetzt, dass die meisten (most of) verbundenen Risiken und Chancen entfallen sind). Das IASB erkennt an, dass die Anwendung dieser beiden (zudem nicht vollends trennscharfen) Ansätze konfliktär sein kann (IASB F.BC25) und stellt daher die Ziele der Ausbuchung (glaubwürdige Darstellung der Vermögenswerte und Schulden nach der Veränderung sowie deren Veränderung selbst) in den Vordergrund (IASB F.BC26). Lediglich in den Fällen, in denen eine Ausbuchung nicht geeignet ist, um diese Ziele zu erreichen, ist eine Beibehaltung des Ansatzes mit erläuternden Ausführungen zu erwägen (IASB F.5.32). Die Regelungen zur Ausbuchung sind vielmehr stark abschlusspostenspezifisch ausgestaltet. Im Allgemeinen gilt Folgendes (hierzu z. B. Hinz 2005, S. 115 ff. sowie Heuser/Theile 2019, Rn. 13.113 ff., 14.90 ff.):
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y
y
y
y
y
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Nichtfinanzielle Vermögenswerte sind auszubuchen, wenn diese aus dem Unternehmen durch Verkauf, Entsorgung oder auf anderem Wege ausscheiden (on disposal) oder wenn künftige wirtschaftliche Vorteile aus der weiteren Nutzung oder dem späteren Abgang nicht erwartet werden (z. B. IAS 16.67, 38.112, 40.66). Ein finanzieller Vermögenswert ist gem. IFRS 9.3.2.3 auszubuchen, wenn die vertraglichen Rechte auf Cashflows aus dem Vermögenswert auslaufen (z. B. ein Kunde begleicht die Verbindlichkeit oder die Ausübungsfrist eines Derivats ist abgelaufen) oder der Vermögenswert mit allen wesentlichen Chancen und Risiken übertragen (z. B. ein Wertpapier wird an der Börse veräußert) worden ist. Zu einem Prüfschema vgl. IFRS 9.B3.2.1. Eigenkapital (Eigenkapitalinstrument) ist auszubuchen, wenn z. B. die Auflösungsbedingungen für eine gesetzliche Rücklage erfüllt sind und ein diesbezüglicher Beschluss der Hauptversammlung vorliegt oder wenn das gezeichnete Kapital durch eine Kapitalherabsetzung gemindert wird (s. Kap. III.3.6). Die IFRS verwenden den Terminus Ausbuchung in Zusammenhang mit dem Eigenkapital nicht. Eine finanzielle Schuld ist auszubuchen, wenn die Schuld getilgt ist, d. h., wenn die im Vertrag genannten Verpflichtungen erfüllt (z. B. Begleichung einer Verbindlichkeit durch Zahlung), aufgehoben oder ausgelaufen sind (IFRS 9.3.3.1). Eine Rückstellung ist auszubuchen, wenn der Zweck, für den diese gebildet worden ist, weggefallen ist. IAS 37.59 spricht hier von der Auflösung von Rückstellungen, wenn der Abfluss ökonomischer Ressourcen nicht mehr wahrscheinlich ist (the provision shall be reversed) und in IAS 37.61 ist von dem Verbrauch von Rückstellungen (use of provisions) die Rede.
Nach deutschen GoB sind Vermögensgegenstände und Schulden grundsätzlich dann auszubuchen, wenn die Ansatzkriterien (s. Kap. II.4.4.6) nicht mehr erfüllt sind. Beispielsweise sind gem. § 249 Abs. 2 S. 2 HGB Rückstellungen aufzulösen, soweit der Grund hierfür entfallen ist. Demnach verfolgen die deutschen GoB den Kontrollansatz. Gleichwohl ist auch der (nicht vollkommen trennscharf vom Kontrollansatz abgrenzbare) Risiko-Chancen-Ansatz bedeutsam. Hier begründet die dominierende Stellung des Vorsichtsprinzips nach deutschen GoB und die hiermit einhergehende Vorstellung, auf diese Weise Gläubigerschutz zu gewährleisten (s. Kap. I.2.2.2), einen stärkeren Fokus auf mit der Ausbuchung verbundene Risiken, d. h., im Ergebnis sind Vermögensgegenstände tendenziell eher und Schulden tendenziell später auszubuchen. Folglich sind z. B. Rückstellungen nach IFRS (»mittlere Vorsicht«) tendenziell eher auszubuchen als nach den stärker vorsichtsorientierten deutschen GoB (s. Kap. III.3.7.2.1.a1; III.3.7.2.2.b1).
5.3.9 Ereignisse nach dem Abschlussstichtag Dabei geht es um die Frage, inwieweit Ereignisse nach dem Abschlussstichtag beim Ansatz und der Bewertung von Abschlussposten zu berücksichtigen sind. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit Ereignisse nach dem Abschlussstichtag bei der Beurteilung der going concern-Annahme gem. IAS 10.14 ff. bzw. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu berücksichtigen sind (s. Kap. II.4.4.2.1; II.5.3.2.2). In Bezug auf den Ansatz und die Bewertung regelt IAS 10 die Behandlung von Ereignissen nach dem Abschlussstichtag. y Berücksichtigungspflichtige Ereignisse (adjusting events after the reporting period) sind nach IAS 10.3a solche Ereignisse, die substanzielle Hinweise zu Gegebenheiten liefern, die bereits am Abschlussstichtag vorgelegen haben. y Stichtag für die Berücksichtigung von Ereignissen ist gem. IAS 10.3 der Tag, an dem der Abschluss zur Veröffentlichung freigegeben wird (authorised for issue). Sollte eine Genehmigung des Abschlusses durch einen Aufsichtsrat (supervisory board) erforderlich sein,
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
ist der Zeitpunkt, an dem die Unternehmensleitung den (geprüften) Jahresabschluss an den Aufsichtsrat weiterleitet, der relevante Tag (IAS 10.6; vgl. Bischof/Doleczik/Milanova 2014, IAS 10, Rn. 11 f.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 4, Rn. 8 f.). Bei einer GmbH ist der Zeitpunkt der Vorlage des Jahresabschlusses an die Gesellschafter angesprochen (§ 42a Abs. 1 GmbHG; IAS 10.5). Nach deutschen GoB sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB solche Ereignisse zu berücksichtigen, die sich auf Gegebenheiten im abgelaufenen Geschäftsjahr beziehen (wertaufhellende Ereignisse; s. Kap. II.4.4.3.4). y Stichtag für die Berücksichtigung von Ereignissen ist der Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses. y Unter Beachtung des Prozesses der Abschlusserstellung (s. Abb. I.3./9) ist davon auszugehen, dass die beiden Zeitpunkte (Abschlussaufstellung und Abschlussveröffentlichung) tendenziell übereinstimmen, da auch nach deutschen GoB die bis zum Ende der Abschlussprüfung erlangten (wertaufhellenden) Erkenntnisse regelmäßig Berücksichtigung finden (so auch Baetge/Ziesemer/Schmidt 2011, § 252 HGB, Rn. 109). Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, der Wertaufhellungszeitraum sei bis zur Feststellung des Abschlusses auszudehnen, da auf diese Weise den Interessen der Gläubiger am besten Rechnung getragen wird (vgl. hierzu Baetge/Ziesemer/Schmidt 2011, § 252 HGB, Rn. 108). Von den zu berücksichtigenden bzw. wertaufhellenden Ereignissen zu unterscheiden sind nach IAS 10.3b nicht zu berücksichtigende Ereignisse nach dem Abschlussstichtag (nonadjusting events after the reporting period). Nach deutschen GoB sind die sog. wertbegründenden Ereignisse angesprochen. Solche Ereignisse haben ihre Ursache nicht im alten Geschäftsjahr. Beispiele hierfür sind die Zerstörung einer bedeutsamen Produktionsstätte durch Brand oder ein bedeutsamer Unternehmenserwerb nach dem Abschlussstichtag (IAS 10.22d, 10.22a). Über nicht berücksichtigungspflichtige Ereignisse ist gem. IAS 10.10 und .21 in den notes zu berichten, sofern es sich um eine wesentliche Information handelt. In ähnlicher Weise ist nach deutschen GoB im Anhang auf Vorgänge von besonderer Bedeutung einzugehen, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind und die nicht als wertaufhellend im Abschluss zu berücksichtigen sind (§ 285 Nr. 33 HGB). Die Abgrenzung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht berücksichtigungspflichtigen Ereignissen (nach deutschen GoB zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen; zu etwaigen Unterschieden im Detail siehe Ohmen/Seidler 2015, S. 3053 f.) kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Die in IAS 10.9 und .22 genannten Beispiele sollen den Normenanwender bei der im Einzelfall vorzunehmenden Beurteilung unterstützen. Diskussionsfrage II.5.-21 Handelt es sich bei den folgenden Beispielen74 um ein berücksichtigungspflichtiges Ereignis und welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für den IFRS-Abschluss? Sehen Sie Unterschiede zur Behandlung in einem handelsrechtlichen Jahresabschluss? a) Die Beta AG hat eine Forderung gegenüber einem Kunden in ihrem Abschluss zum 31.12.t1 in voller Höhe (200 T€) ausgewiesen. Der Kunde wird nach dem Bilanzstichtag, aber vor Aufstellung des Jahresabschlusses insolvent. Nunmehr ist zu erwarten, dass nur noch 15 T€ eingehen.
74 Die Beispiele b) und c) sind aus Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 4, Rn. 20 ff. entnommen und das Beispiel d) aus Lüdenbach 2020.
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b) Die K-AG produziert und vertreibt seit Juni t1 einen neu entwickelten Kühlschrank, der im Wesentlichen auf der patentrechtlich geschützten Technologie eines Konkurrenten basiert. Im Jahresabschluss zum 31.12.t1 hat die K-AG entsprechend IAS 37.39 eine Rückstellung in Höhe von 600 T€ gebildet. Am 10.1.t2 erhebt der Patentinhaber eine Patentverletzungsklage gegen die K-AG. Am 1.3.t2, aber noch vor Aufstellung des Jahresabschlusses, wird die K-AG zur Zahlung von Patentverletzungsansprüchen in Höhe von 900 T€ rechtskräftig verurteilt. c) A hat im Juni t1 2.000 modische Ski-Pullover für die Saison t1/t2 zu Anschaffungskosten in Höhe von 100 € pro Stück erworben. Bis zum 31.12.t1 konnten nur 1 % der Pullover zum vorgesehenen Preis in Höhe von 150 € pro Stück verkauft werden. Im Winterschlussverkauf nach dem Abschlussstichtag, aber noch vor dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses, konnten die restlichen Pullover zum Preis von 20 € pro Stück veräußert werden. d) U, ansässig in X-Stadt, bezieht wichtige Vorprodukte von chinesischen Lieferanten. Im Januar t20 kommt es bedingt durch die Ausbreitung des Coronavirus zu Ausfällen in dieser Lieferkette. U ist deshalb nicht in der Lage, bestimmte Absatzverträge, die er in t19 abgeschlossen hat, fristgerecht zu erfüllen. In der Folge wird U mit Forderungen von Abnehmern auf Schadensersatz, Vertragsstrafen usw. konfrontiert. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit muss U hier mit Zahlungsabflüssen rechnen. U möchte hierfür in der Bilanz per 31.12.t19 keine Rückstellungen ansetzen. Er beruft sich nach Recherchen auf die Information des WHO-Landesbüros in China am 31.12.t19. Danach gab es nur eine »Häufung von Patienten mit einer Pneumonie (Lungenentzündung) unbekannter Ursache in Wuhan«. Verlässlichere Information waren am Stichtag nicht verfügbar. Erst im Januar und Februar t20 konnte zunächst von einer bedrohlichen Virus-Epidemie und sodann von einer Pandemie ausgegangen werden.
5.4 Kapital und Kapitalerhaltungskonzepte Das IASB Conceptual Framework spricht die Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepte in den Paragrafen 8.1-8.10 explizit an. Genannt werden die beiden folgenden Konzeptionen. y Die finanzwirtschaftliche Kapitalerhaltung stellt die Nominalkapitalerhaltung (s. Kap. II.3.3.1) und eine an der Kaufkraft des investierten Kapitals gemessene Realkapitalerhaltung (s. Kap. II.3.3.1) in den Vordergrund (IASB F.8.3a und IASB F.8.7). y Dagegen zielt die leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltung primär auf eine Erhaltung der physischen Produktionskapazität und die reproduktive Substanzerhaltung (s. Kap. II.3.3.2) ab (IASB F.8.3b und 8.8). Das IASB legt sich jedoch auf keine bestimmte Konzeption fest (IASB F.8.9). Vielmehr wird die Auswahl eines geeigneten Kapitalerhaltungskonzeptes in die Verantwortung des abschlusserstellenden Unternehmens gestellt. Dabei ist die Erhaltungskonzeption zu wählen, welche den Bedürfnissen der Abschlussadressaten am besten entspricht (IASB F.8.2). Lediglich bei Hochinflationsländern schreibt IAS 29 bestimmte Anpassungen vor. Insbesondere sind gem. IAS 29.11 ff. nichtmonetäre Posten (z. B. Sachanlagen, Vorräte) mit einem Preisindex fortzuschreiben. Insofern geht das IASB bei inflationären Tendenzen davon aus, dass die Realkapitalerhaltung gegenüber der Nominalkapitalerhaltung vorzuziehen ist. Der Entscheidungsverzicht lässt sich dahingehend interpretieren, dass derzeit keine Einigkeit herrscht, welches Konzept aus dem Blickwinkel der geforderten Entscheidungsnützlichkeit (decision usefulness) der Abschlussinformationen vorziehenswürdig ist (s. Kap. II.3.2). Insgesamt können die Ausführungen zur Kapitalerhaltung durch die fehlende Festlegung auf eine bestimmte Erhaltungskonzeption sowie die mit Ausnahme von IAS 29 fehlende Bezugnahme in den Einzelstandards nicht überzeugen und stellen daher eher einen Fremd-
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körper in den internationalen Rahmennormen dar (i. d. S. auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rn. 98; ferner Mujkanovic 2002, S. 77 ff.). Die deutschen GoB basieren auf der nominalen Kapitalerhaltung. Aspekten der realen Kapitalerhaltung wird grundsätzlich nicht Rechnung getragen, d. h., es ist z. B. keine spezifische Rücklagenposition (Geldentwertungsrücklage) vorgesehen, in die Beträge für Preissteigerungen des Eigenkapitals einzustellen wären (vgl. IDW 1995, S. 16). Angaben zur Berücksichtigung von Preissteigerungen im Anhang werden zumeist empfohlen (vgl. z. B. Naumann et al. 2013, Rn. 100).
5.5 Beurteilung der internationalen Rahmennormen Das IASB Conceptual Framework gibt ein fünf Ebenen umfassendes System vor (s. Kap. II.5.3.2), welches der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen (decision usefulness) dienlich sein soll. Im Unterschied zu den deutschen GoB gibt hier der internationale Normengeber ein Normensystem vor, welches die einzelnen Normen und das Beziehungsgeflecht untereinander explizit anspricht. Dies schafft im Vergleich zu den deutschen GoB Klarheit, da hier verschiedene GoB-Systeme möglich sind und auch existieren. Von Vorteil ist auch, dass die Rahmennormen alleine auf die Entscheidungsnützlichkeit abstellen und sich bereits aus diesem Grunde im Vergleich zu den deutschen GoB, welche in Bezug auf den Einzelabschluss die Zwecke der Ausschüttungsbemessung, der Steuerbemessung und der Information verfolgen (s. Kap. I.2.2.2), konsequenter ausrichten lassen. Obwohl die dargestellte Systematik des IASB Conceptual Framework insgesamt durchaus überzeugend ist, besteht in einer Vielzahl von Punkten Anlass zur Kritik (allgemein zum IASB Conceptual Framework, vgl. Ballwieser 2014; Merkt 2014): y Die Ansatznormen mit ihren definitorischen Voraussetzungen, die allgemeinen und elementspezifischen Ansatzkriterien sind mit einer Vielzahl von Redundanzen (s. Kap. II.5.3.4; II.5.3.5) behaftet und zudem konkretisierungsbedürftig. Mit dem aktuellen Conceptual Framework ändert das IASB gegenüber dem Vorgänger u. a. die Definitionen der bilanziellen Abschlusselemente und stellt klar, dass die wirtschaftliche Ressource selbst den Vermögenswert darstellt und nicht ein erst später stattfindender Zufluss wirtschaftlicher Vorteile (vgl. IASB F.BC4.6 f.). Weiterhin verzichtet das Conceptual Framework bei den Ansatzkriterien nahezu vollständig auf ein Wahrscheinlichkeitskriterium sowie die verlässliche Bewertbarkeit (vgl. Kirsch 2018a, S. 167 f.). Beide Maßnahmen führen gegenüber dem vorangegangenen Conceptual Framework zu einer breiteren Definition von Vermögenswerten und Schulden, was wiederum zu Widersprüchen mit den Einzelstandards führt (vgl. z. B. Kirsch 2018b, S. 216 f.; Dehmel/Hommel/Kunkel 2018, S. 1708 ff.). Da zu erwarten ist, dass sich künftige Standards am neuen Framework orientieren, dürfte dieser Kritikpunkt temporärer Natur sein. y Insgesamt ist keine geschlossene Bewertungskonzeption erkennbar (i. d. S. bereits Mujkanovic 2002, S. 108).75 Dies gilt zum einen hinsichtlich der im IASB Conceptual Framework genannten und den in den Einzelstandards verwendeten Bewertungsmaßstäben (kritisch sind auch Wahlrechte, z. B. zur Anwendung des Kosten- oder des Neubewertungsmodells in IAS 16 und IAS 38). Zum anderen werden unterschiedliche Folgebewer-
75 Vgl. auch Barth 2007, S. 12: »These differences in measurement bases (…) result from conventions and differences in practice that have evolved over time. Thus (…) these differences generate financial statements that are internally inconsistent.« Vgl. auch Ballwieser 2013, S. 44.
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tungsmodelle (s. Kap. II.5.3.8.2) angewendet. Insofern ist derzeit ein partielles fair valueKonzept (auch »mixed-Konzept«; im Unterschied zu einer z. B. ausschließlich am fair value orientierten »full fair value-Konzeption«) festzustellen. Gleichwohl ist eine gewisse Systematik erkennbar, weil das IASB den beizulegenden Zeitwert als den Bewertungsmaßstab mit der maximalen Relevanz erachtet, sofern sich dieser zuverlässig ermitteln lässt. Ist dies nicht der Fall, kommen andere Bewertungsmaßstäbe in Betracht. Auf diese Weise versucht das IASB der geforderten Entscheidungsnützlichkeit mit den determinierenden Faktoren Relevanz und Glaubwürdigkeit Rechnung zu tragen (s. Kap. II.5.3.1; II.5.3.2). Das IASB begründet dieses Vorgehen in ähnlicher Form damit, dass es keinen Bewertungsmaßstab gibt, der in allen Fällen die relevantesten Informationen liefere (IASB F.BC6.7). Positiv ist, dass IASB F.6.43 ff. Faktoren diskutiert, die bei der Auswahl der Bewertungsmaßstäbe in künftigen Standardsetzungsprojekten heranzuziehen sind. Dies dürfte im Zeitlauf der Konsistenz der Bewertungskonzeption zuträglich sein. Das IASB hat keine klare Vorstellung hinsichtlich der zu verfolgenden Kapitalerhaltungskonzeption. Die diesbezüglichen Ausführungen im IASB Conceptual Framework (s. Kap. II.5.4) stellen eher einen Fremdkörper im IASB-Regelwerk dar. Die Ergebnisermittlung stellt die Entscheidungsnützlichkeit in den Mittelpunkt. Allerdings lässt sich das auf Basis der IASB-Normen ermittelte Periodenergebnis nicht systematisch aus einer bestimmten Gewinnermittlungskonzeption oder aus einem anderen Konzept (s. Kap. II.3.3) herleiten (so auch Schildbach 2003, S. 254 f.). Verzichtet man darauf, sich auf eine bestimmte Gewinnermittlungskonzeption festzulegen, ist es im Einzelfall nur schwer bzw. gar nicht möglich, allein auf Basis der geforderten Entscheidungsnützlichkeit (und der im IASB Conceptual Framework sowie in IAS 1 genannten Grundsätze) eine geeignete Problemlösung zu deduzieren (vgl. Ballwieser 2003, S. 343, 347; ähnlich Rüdinger 2004, S. 39). Gleichwohl ist eine gewisse Präferenz des theoretischen asset liability-Ansatzes (s. Kap. II.3.3.5) festzustellen, der jedoch auch in aktuellen Standardsetzungsprojekten nicht konsequent verfolgt wird (vgl. z. B. Dehmel 2015, S. 1771). Im aktuellen Conceptual Framework wird das Vorsichtsprinzip (prudence) wieder genannt bzw. aufgenommen (s. Kap. II.5.3.2.2.a21). Vorsicht im Sinne des IASB F 2.16 f. soll die Teileigenschaft der Neutralität unterstützen und bedeutet, dass Vermögenswerte und Erträge sowie Schulden und Aufwendungen jeweils weder zu hoch noch zu niedrig bewertet werden. Das IASB weist in IASB F 2.17 explizit darauf hin, dass sich daraus nicht die Notwendigkeit einer asymmetrischen Vorsicht ergibt, räumt allerdings ein, dass sich diese unter Umständen aus den Einzelstandards ergeben kann. Diese Klarstellung ist zu begrüßen, wenngleich das Verhältnis von Neutralität und Vorsicht dadurch dennoch nicht abschließend geklärt wird (vgl. Erb/Pelger 2018, S. 876 sowie bereits dies. 2015, S. 1063). Darüber hinaus belegt eine Vielzahl empirischer Studien den Nutzen einer konservativen bzw. vorsichtigen Bilanzierung (vgl. z. B. García Lara/García Osma/Penalva 2014; Penalva/Wagenhofer 2019). Dies stützt wiedererum eine stärkere Stellung des Vorsichtsprinzips i. S. einer asymmetrischen Vorsicht im Conceptual Framework sowie in den Einzelstandards.
Trotz der jüngsten umfassenden Überarbeitung des Conceptual Frameworks zeigen die genannten Kritikpunkte vielfältige Ansatzpunkte für mögliche Verbesserungen (s. Kap. II.5.3.1 sowie zur kritischen Würdigung die dort angegebene Literatur), sodass auch künftig Anpassungen und Erweiterungen zu erwarten sind. Letztendlich sei an dieser Stelle die Wichtigkeit betont, das Regelwerk auf eine geeignete Basis zu stellen, die wiederum einer systemgerechten Entwicklung weiterer Einzelnormen dienlich ist. Nur auf diese Weise dürfte es langfristig gelingen, das gesetzte Ziel, weltweit entscheidungsnützliche Informationen zu liefern, zu erreichen.
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Diskussionsfrage II.5.-22 In der Literatur werden die Rahmennormen und hier insbes. bestehende Frameworks auch als Theorie bezeichnet: »A conceptual framework for financial reporting should be a theory of accounting against which practical problems can be tested objectively, and the utility of which is decided by the adequacy of the practical solutions it provides« (Ernst & Young 2021, Chapter 2, 1.2). Diskutieren Sie vor diesem Hintergrund, ob das IASB Conceptual Framework eine geeignete Theorie darstellt!
Kontrollfragen zu II.5.3.7-II.5.5 1. Gehen Sie kurz auf die unterschiedlichen Folgebewertungsmodelle nach IFRS ein und arbeiten Sie die bestehenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. 2. Ein Vermögenswert wird nach dem Neubewertungsmodell bilanziert. Welchen Effekt haben etwaige Wertsteigerungen auf die Eigenkapitalrendite und die Eigenkapitalquote? Unter welchen Umständen wäre eine Bilanzierung nach dem Neubewertungsmodell gegenüber dem cost-Modell vorzuziehen? 3. Nach IAS 36 gelangt im Rahmen der Folgebewertung ggf. der erzielbare Betrag zur Anwendung. Dabei kommt bei der Nutzungswertermittlung ein DCF-Modell zur Anwendung. Ein DCF-Modell kommt ggf. auch im Rahmen der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes abzüglich Veräußerungskosten in Betracht. Wodurch unterscheidet sich die Anwendung des DCF-Modells in den beiden zuvor angesprochenen Anwendungsfällen? 4. Bei der Nutzungswertermittlung im Rahmen des Wertminderungstests sind zukünftige Cashflows mit einem risikoadjustierten Zinssatz zu diskontieren. Als Ausgangspunkt für die Ermittlung eines geeigneten Zinssatzes wird oftmals der gewichtete Kapital kostensatz (WACC-Ansatz) herangezogen. Diskutieren Sie, welche Anwendungsprobleme sich aus diesem Vorgehen ergeben und wie sich diese lösen lassen. Sehen Sie im Zuge der Coronakrise weitere Anwendungsprobleme und wie lassen sich etwaige Probleme lösen? 5. Vergleichen Sie das cost-Modell mit der deutschen Folgebewertungskonzeption. In welchem Rechnungslegungssystem kommt es eher zu außerplanmäßigen Abschreibungen bzw. Wertminderungen? Begründen Sie Ihre Antwort. 6. Diskutieren Sie, ob es sich bei den nachstehend genannten Beispielen vor dem Hintergrund von IAS 10.9bii um berücksichtigungspflichtige Ereignisse (adjusting events) gem. IAS 10 handelt: a) Preisrückgänge durch einen plötzlichen Anstieg günstiger Importwaren b) Preisrückgänge durch eine gestiegene Wettbewerbsintensität 7. Es werden zum Schadenersatz wegen unerlaubter Handlungen verpflichtende Delikte vor dem Stichtag begangen und diese bis zum Tag der Aufstellung aufgedeckt. Diskutieren Sie, ob es sich hierbei um eine wertaufhellende Information handelt, die eine Rückstellungsbildung erforderlich macht. 8. Inwieweit sind Modelle bei der Bildung von Theorien hilfreich? Diskutieren Sie weiterhin, in welchem Zusammenhang der vom IASB verwandte Modellbegriff und die Herausbildung einer Rechnungslegungstheorie stehen. 9. Welche Kapitalerhaltungskonzeption verfolgt das IASB mit seinen Regelungen? 10. Diskutieren Sie, ob das Konzept der nominalen Kapitalerhaltung im Einklang mit der Abgabe entscheidungsnützlicher Informationen i. S. der IFRS steht. 11. Gehen Sie kurz auf das Kongruenzprinzip ein. Ist es bei der Erstellung eines IFRSAbschlusses möglich, gegen das Kongruenzprinzip zu verstoßen?
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6 Herleitung von Problemlösungen LERNZIELE
y y
Verständnis für das Auftreten von Zweifelsfragen bei der Anwendung der IFRS und der deutschen GoB. Grundkenntnisse der Problemlösungsmethodik beim Umgang mit Zweifelsfragen in Form von Regelungslücken oder unbestimmten Normenbegriffen.
6.1 Internationale Ebene 6.1.1 Problemlösungsmethodik im Überblick Rechnungslegungsprobleme wurden als Abbildungsprobleme gekennzeichnet (s. Kap. II.1). Dabei geht es vereinfacht formuliert um die Abbildung ökonomischer Realität im Jahresabschluss. Hier stellt sich sowohl bei der Verfolgung abschlusspolitischer Ziele (s. Kap. II.7) als auch unter der Annahme, der Abschlussersteller würde ausschließlich das Ziel der Abgabe entscheidungsnützlicher Informationen verfolgen, die Frage nach der Auswahl und der Anwendung der Rechnungslegungsmethoden (selection and application of accounting policies). Diese Frage stellt das zu lösende Rechnungslegungsproblem dar. Die rechtsverbindliche einzelfallbezogene Auslegung von IFRS obliegt den nationalen Gerichten, in Deutschland v.a. dem BGH, und dem EuGH. Allerdings liegen seitens des EuGH derzeit noch keine materiell-rechtlichen Urteile vor (vgl. Kleinmanns 2014, S. 1328). Die über das Komitologieverfahren übernommenen IFRS stellen Gemeinschaftsrecht dar und haben damit innerhalb der EU Rechtsqualität (s. Kap. I.2.2.5). Der EuGH orientiert sich bei der Auslegung des europäischen Sekundärrechts, d. h. den IFRS, die das Komitologieverfahren erfolgreich durchlaufen haben, an den Kriterien der juristischen Methodenlehre. Hierzu gehören vor allem der Wortlaut, die Historie und Systematik sowie die teleologische Auslegung (vgl. auch Hennrichs 2006, S. 1254 ff.; Nerlich 2007, S. 127 ff.). Der Auslegungsmethodik des EuGHs folgend besitzen neben der teleologischen, der systematischen und der historischen Auslegung vor allem die grammatische Auslegung sowie der Verweis auf frühere Rechtsprechung eine herausragende Bedeutung. Insofern besteht weitgehende Übereinstimmung zur hermeneutischen Methode (vgl. Nerlich 2007, S. 134).76 Im Folgenden wird die Problemlösungsmethodik aus Sicht des Abschlusserstellers angegangen. Die Beantwortung der zuvor formulierten Frage ist in IAS 8.7-12 normiert (vgl. hierzu Ruhnke/Nerlich 2004, S. 390 ff.; Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rn. 37 ff.; Ruhnke 2022a, S. 1532 ff.). Bei der Lösung von Rechnungslegungsproblemen muss der Normanwender zunächst einmal auf die im Einzelfall anwendbaren Standards und Interpretationen zurückgreifen (IAS 8.7). Für den deutschen Normanwender sind die im Amtsblatt in deutscher Sprache veröffentlichten IFRS rechtlich bindend.77 Fehlt allerdings im Einzelfall eine geeignete Norm, hat die Unternehmensleitung gem. IAS 8.10 nach eigenem Urteilsver-
76 Zur Hermeneutik im Kontext der deutschen GoB s. Kap. II.4.3.3 sowie in Bezug auf die internationalen Rahmennormen s. Kap. II.5.2. 77 Zum Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IFRS siehe Pöschke 2008, S. 325 ff. Bereits diskutiert wurde die Frage, welche Bindungswirkung noch nicht in das Amtsblatt übernommene IFRS haben, die direkt anwendbar sind; s. Kap. I.5.2.1.2.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
mögen (judgement) Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden zu entwickeln, die sicherstellen, dass der Abschluss Informationen beinhaltet, die a) für die Bedürfnisse der ökonomischen Entscheidungsfindung der Abschlussadressaten relevant sind und b) dadurch verlässlich sind, dass sie i. die finanzielle Lage (financial position), die finanzielle Leistungsfähigkeit (financial performance) sowie die Cashflows des Unternehmens zutreffend darstellen, ii. den wirtschaftlichen Gehalt von Ereignissen und Geschäftsvorfällen widerspiegeln und nicht nur deren rechtliche Form, iii. neutral sind, das heißt frei von wesentlichen Verzerrungen,78 iv. vorsichtig sind und v. in allen wesentlichen Gesichtspunkten vollständig sind. Dabei nimmt IAS 8.10 eindeutig Bezug auf die im IASB F.2.4 ff. normierten fundamentalen qualitativen Charakteristiken für entscheidungsnützliche Informationen, die Relevanz und die glaubwürdige Darstellung (s. Kap. II.5.3.2.3). Zunächst einmal erstaunt es, dass die im IASB Conceptual Framework verankerte Fundamentalprämisse der Unternehmensfortführung, die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen verbessernden Charakteristiken des IASB F.2.23 ff. sowie die relativierende Nebenbedingung für relevante und glaubwürdige Informationen (IASB F.2.39) keine Erwähnung finden. Gleichwohl zielt das IASB Conceptual Framework in der Introduction explizit darauf ab, den Abschlussersteller bei der Anwendung der IFRS zu unterstützen (vgl. IASB F.SP1.1). Insofern sind die Regelungen des Frameworks grundsätzlich beachtenswert. Allerdings ist der Verpflichtungsgrad des IASB Conceptual Framework im Vergleich zu den Standards und Interpretationen geringer (vgl. IASB F.SP1.2). Die Wiederholung bestimmter Grundsätze in IAS 8.10 soll dem Normanwender offensichtlich verdeutlichen, dass diesen Grundsätzen bei der Auswahl und Anwendung der Rechnungslegungsmethoden eine besondere Bedeutung zukommt, sofern es an einzelfallspezifischen Regelungen mangelt. IAS 8.10 spricht davon, dass bei Nichtvorhandensein einer einzelfallbezogenen Norm die Regelungen des IAS 8.10 ff. greifen (»In the absence of an IFRS that specifically applies to a transaction, other event or condition (…)«)79. Naheliegend ist es, IAS 8.10 ff. nur dann anzuwenden, wenn keine Norm vorhanden ist. Dabei kann es sich y um eine nicht vorhandene Norm als Ganzes (Regelungslücke in Gestalt einer fehlenden Norm) oder y um eine Regelungslücke innerhalb einer vorhandenen Norm handeln. Demnach würden die genannten Paragrafen nur bei einer Regelungslücke greifen. Eine Regelungslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit im internationalen Normensystem. Referenzpunkt für die Beurteilung, ob eine Regelungslücke vorhanden ist, bildet die Entscheidungsnützlichkeit der im Jahresabschluss geforderten Informationen. Allerdings lässt sich der Normentext in Paragraf 10 auch so verstehen, dass auch bei Vorliegen einer auslegungsbedürftigen Norm der Tatbestand des Fehlens einer besonde-
78 Eine Darstellung in einem Jahresabschluss ist dann nicht neutral, wenn die gewählte Auswahl und Darstellung bei den Abschlussadressaten die Wahrscheinlichkeit für irreführende Schlussfolgerungen erhöht; vgl. IASB F.2.15. 79 Der Begriff IFRS umfasst Standards (IFRS, IAS) und Interpretationen (IFRIC, SIC), jedoch nicht die nichtmateriellen Bestandteile eines Standards (z. B. Implementierungsrichtlinien und Anhang); vgl. IAS 8.5, IAS 8.BC14. Standards und Interpretrationen haben dieselbe Bindungswirkung; vgl. IAS 8.BC15.
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ren Norm (that specifically applies) erfüllt ist. Für die Heranziehung der Paragrafen 10 ff. für die Auslegung von Normen spricht auch die grundsätzliche Eignung dieser Paragrafen für Auslegungszwecke. Zudem ist aus der Überschrift zu IAS 8.7-12 (selection and application of accounting policies) keine Beschränkung nur auf Regelungslücken erkennbar. Aus den genannten Gründen wird IAS 8.10 ff. auch in Bezug auf die Auslegung von Normen angewandt. Die Auslegung von Normen ist seitens des Normgebers regelmäßig gewollt bzw. ergibt sich aus der Unmöglichkeit, bestimmte Sachverhalte (umfassend) zu normieren (geplante oder unvermeidbare Unbestimmtheit). 80 Die Auslegung von Normen ist vor allem dann erforderlich, wenn es um Schätzungen und insbes. um zukunftsorientierte Schätzungen geht. Das Auslegungserfordernis geht oftmals mit der Verwendung unbestimmter Normenbegriffe einher. Die Herleitung einer Problemlösung nach eigenem Urteilsvermögen erfolgt unter Berücksichtigung der in IAS 8.11 f. genannten beachtenswerten Quellen. Dabei wird zwischen berücksichtigungspflichtigen Quellen und solchen Quellen, die beachtet werden können, unterschieden. Abbildung II.6./1 fasst das zuvor Gesagte noch einmal zusammen. 81
IAS 8.7
Abbildung ökonomischer Realität im IFRS-Jahresabschluss
Lässt sich anhand spezifischer Standards oder Interpretationen eine Problemlösung herleiten?
Ja
Ende
IAS 8.10
Nein Entwicklung einer Problemlösung nach eigenem Urteilsvermögen (judgement) der Unternehmensleitung (Management) unter Beachtung bestimmter Informationsanforderungen beachtenswerte Quellen
a) ähnliche Standards und Interpretationen b) IASB Framework
Berücksichtigungsmöglichkeit
IAS 8.12
IAS 8.11
Berücksichtigungspflicht
a) Erklärungen anderer Normgeber, b) Rechnungslegungsliteratur, c) anerkannte Branchenpraktiken, sofern mit IAS 8.11a und IAS 8.11b vereinbar
Abb. II.6./1 Auswahl der anzuwendenden Rechnungslegungsmethoden
80 Möglich ist auch, dass der Normgeber eine auslegungsbedürftige Norm setzt, obwohl dies vermeidbar gewesen wäre. In diesem Fall existiert ein Mangel, der dem Normgeber anzulasten ist. 81 Ähnlich in IFRS Foundation (2019), S. 3.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Die in IAS 8.11 f. genannten Quellen sind nur dann beachtenswert, wenn die darin enthaltenen Argumentationen zu einer überzeugenden Problemlösung führen und die angebotene Problemlösung sich auf den vorliegenden Einzelfall übertragen lässt. Nachstehend werden zunächst die beachtenswerten Quellen näher beleuchtet (s. Kap. II.6.1.2), um darauf aufbauend die eigentliche Problemlösung näher zu betrachten (s. Kap. II.6.1.3). Nach IAS 8.13 ist eine einmal gewählte Rechnungslegungsmethode stetig fortzuführen.
6.1.2 Beachtenswerte Quellen a. Berücksichtigungspflicht IAS 8.11 nennt Quellen, auf die der Normanwender bei der Urteilsfindung Bezug nehmen muss (shall refer to). Die Anwendbarkeit dieser berücksichtigungspflichtigen Quellen ist zu prüfen (consider the applicability). Dabei besteht eine Rangfolge hinsichtlich der Wichtigkeit der genannten beachtenswerten Quellen (Nennung mit absteigender Wichtigkeit). Im Einzelnen gibt IAS 8.11 die folgende Rangfolge vor: a) Standards und Interpretationen, sofern diese ähnliche oder verwandte Themen behandeln (zur Bindungskraft dieser Normen, sofern sie noch nicht in das Amtsblatt übernommen wurden, s. Kap. I.5.2.1.2), b) Definitionen, Ansatzkriterien und Bewertungskonzepte der Abschlussposten im IASB F (s. Kap. II.5.3.5, II.5.3.6). Hinsichtlich der Rangfolge ist zunächst einmal zu fragen, zu welchem Zeitpunkt ein niedrigerer Rang zu berücksichtigen ist. y Einerseits könnte argumentiert werden, dass die Unternehmensleitung zunächst die beachtenswerten Quellen mit dem höchsten Rang analysiert und erst dann, wenn sie auf diesem Rang nicht fündig wird, auf den nächstniedrigeren Rang ausweicht. y Andererseits wäre es möglich, dass sämtliche Quellen unterschiedlichen Rangs von Beginn an zu berücksichtigen sind und nur im Konfliktfall die Rangfolge beachtlich ist. Das zuletzt angesprochene Vorgehen zeigt Ähnlichkeiten zur hermeneutischen Methode (so bereits Ruhnke/Nerlich 2004, S. 395; Hauck/Prinz 2005, S. 641), welche den Sinn von Erscheinungen erfassen und durch ganzheitliche Interpretation im Lichte der Lebenserfahrung deuten will (zur Hermeneutik s. Kap. II.4.3.3). Eine ganzheitliche Interpretation erfordert es, alle hermeneutisch bedeutsamen Kriterien für die Problemlösung heranzuziehen und nicht jene Kriterien von vornherein auszuschließen, die ihrer Natur nach weniger bedeutsam sind als andere Kriterien. Weiterhin sind als beachtenswerte Quelle faktisch auch die Agenda-Entscheidungen des IFRS Interpretation Committee mit in die Betrachtung einzubeziehen, z. B. die im April 2021 getroffene Entscheidung zur Behandlung von »configuration or customisation costs in a cloud computing arrangement« gem. IAS 38. Diese Entscheidungen gehen nicht über den Anwendungsbereich eines IFRS hinaus und sollen eine einheitliche Anwendung (consistent application) der IFRS fördern. Die faktische Bindungswirkung resultiert daraus, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) diese Entscheidungen als eine zentrale Quelle für die Auslegung der IFRS anerkannt hat (hierzu Maier, K. 2021, S. 162 sowie zu einem Überblick über diese Entscheidungen siehe IFRS Foundation 2021b). Eine ganzheitliche Problemlösung steht zudem im Einklang mit dem in IAS 8.10 ff. angesprochenen judgement-Erfordernis. Kognitive Studien in anderen fachlichen Bereichen
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zeigen, dass Fehlentscheidungen bei der Lösung komplexer Probleme häufig auf eine zu frühe und falsche Festlegung einer Lösungshypothese zurückzuführen sind (hierzu Ruhnke 2000, S. 293 ff. m. w. N.). Demnach ist es der Problemlösung in dem hier vorliegenden Kontext vermutlich regelmäßig förderlich, den Problemlösungspfad nicht von vornherein zu beschränken, sondern zunächst einmal alle Problemlösungsbeiträge, die sich in den in IAS 8.11 genannten Quellen finden, zu sichten und erst anschließend die eigentliche Problemlösung herzuleiten. Im Hinblick auf die nicht materiellen Bestandteile eines Standards, vor allem Implementierungsrichtlinien, Anwendungsbeispiele und zumeist auch der Anhang (s. Kap. I.5.2.1.2), besteht nach IAS 8.11 kein unmittelbarer Zwang zur Berücksichtigung bzw. zur unmittelbaren Befolgung. Demnach kann der Normanwender durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass eine in einem nicht materiellen Bestandteil vorgeschlagene Vorgehensweise im Einzelfall zu keiner Problemlösung führt, welche den Anforderungen in IAS 8.10 genügt. Gleichwohl ist dem Normanwender anzuraten, die Ausführungen in diesen Bestandteilen zumindest zu würdigen, um ein ggf. abweichendes Verhalten begründen zu können. b. Berücksichtigungsmöglichkeit Neben den verpflichtend heranzuziehenden Quellen kann (may consider) der Abschlussersteller die in IAS 8.12 genannten Quellen heranziehen: y Erklärungen anderer Normgeber in der jeweils aktuellen Fassung, sofern diese bei der Normgebung auf einen ähnlichen Bezugsrahmen (conceptual framework) zurückgreifen, y andere Rechnungslegungsliteratur sowie y akzeptierte Branchenpraktiken. Dies gilt allerdings nur insoweit, als die unmittelbar zuvor genannten Quellen mit den in IAS 8.11 genannten Quellen nicht konfligieren (Übereinstimmungsanforderung). Diese Regelung unterstreicht das ganzheitliche Problemlösungsvorgehen. Demnach ist eine »Unterwanderung« durch IFRS-fremde Methoden nicht zu befürchten. Eine besondere Vorrangstellung innerhalb der in IAS 8.12 genannten Quellen ist nicht erkennbar. b1. Erklärungen anderer Normgeber Hinsichtlich der Erklärungen (synonym auch: Verlautbarungen) anderer Normgeber ist anzuraten, zumindest die US-amerikanischen Normen zu sichten. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der Überarbeitung und Einführung eines gemeinsamen Rahmenkonzepts von IASB und FASB. Zudem beinhalten die FASB-Standards einen hohen Bestand an branchenspezifischen Regelungen (insofern bestehen Parallelen zu Kap. II.6.1.2 b3.).82 Weiterhin kommen sonstige GAAP mit angelsächsischem Ursprung wie z. B. UK GAAP, Australian GAAP oder Canadian GAAP in Betracht (so auch Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rn. 62). Zu den Erklärungen anderer Normgeber zählen auch die DRS (s. Kap. I.5.2.2.2). Die DRS sind oftmals stark an die IFRS angelehnt. Zudem konzentriert sich die künftige Bedeutung des DRSC als Normgeber vermutlich auf typisch deutsche Berichterstattungselemente wie den Lagebericht (s. Kap. III.4.4). Aus den beiden genannten Gründen dürften die DRS als beachtenswerte Quelle für die Auslegung der IFRS keine nennenswerte Bedeutung erlangen.
82 Beispielsweise agriculture, insurance, mining, oil and gas producers; vgl. die Darstellungen hierzu von Deloitte unter http://www.iasplus.com/en-us/standards/fasb/industry.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Bei Vorhandensein einer geeigneten Erklärung ist zu prüfen, ob diese auf einem ähnlichen Bezugsrahmen beruht. Eine solche Ähnlichkeit ist bei den zuvor genannten Normen ausländischer Normgeber zumindest zu vermuten. 83 b2. Andere Rechnungslegungsliteratur Da § 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB dem DRSC die Aufgabe der Vertretung deutscher Interessen in internationalen Standardisierungsgremien übertragen hat, ist davon auszugehen, dass möglichen Meinungsäußerungen des DRSC zur Behandlung von Regelungslücken in den IFRS dem Status ihrer Quelle nach innerhalb der beachtenswerten Rechnungslegungsliteratur eine besondere Bedeutung zukommt. Angesprochen sind hier vor allem die vom IFRSFachausschuss (IFRS-FA) des DRSC herausgegebenen Interpretationen (Interpretationen des IFRS-FA)84 . y Diese Interpretationen sollen so lange als Leitlinie für die Bilanzierung in einem IFRSAbschluss dienen, bis eine geeignete Regelung durch das IFRS Interpretations Committee (IFRIC IC, vormals IFRIC) oder das IASB verlautbart wird. y Die Interpretationen des IFRS-FA sind streng von den DRS (GoB-Vermutung in Bezug auf einen nach HGB erstellten Konzernabschluss) zu unterscheiden (s. Kap. I.5.2.2.2). Weiterhin finden sich in den IFRIC Updates Informationen zu Fragen, die an das IFRS Interpretation Committee herangetragen wurden (request asking for guidance). 85 Die hier gegebenen Standpunkte des Interpretation Committee nebst der gegebenen Begründungen sind in nicht wenigen Fällen hilfreich für die Herleitung einer einzelfallbezogenen Problemlösung des Managements. Beachtlich ist weiterhin IDW RS HFA 2, der sich ausdrücklich das Ziel gesetzt hat, auf spezielle Probleme bei der Anwendung der IFRS einzugehen (IDW RS HFA 2.Vorbemerkung). Aufgrund des Fehlens eines Bezugsrahmens fallen IDW-Stellungnahmen zur Rechnungslegung nicht in die Kategorie der Erklärungen anderer Normgeber, sondern in die Kategorie der Rechnungslegungsliteratur (insofern a. A. Blaum/Holzwarth/Wendlandt 2020, IAS 8, Rn. 62). Mittlerweile verabschiedet der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) des IDW sog. IFRS-Modulverlautbarungen, die in IDW RS HFA 50 zusammengefasst werden und in der Reihenfolge der IFRS sortiert sind. Dies erleichtert dem Leser die Suche nach einem Thema. Beispielsweise thematisiert das Modul IFRS 3-M1 Unternehmenszusammenschlüsse, die mithilfe von speziell für diesen Zweck gegründeten Einheiten (sog. Newcos) durchgeführt werden. Weiterhin sollte ein Abschlussersteller zumindest einschlägige Kommentierungen zu den IFRS durchsehen. Die Kommentarliteratur in den einzelnen Ländern ist höchst unterschiedlich angelegt. Im anglo-amerikanischen Raum gingen die Kommentierungen zu den IFRS lange Zeit nicht deutlich über den Wortlaut des Normtextes hinaus (vgl. z. B. Cairns 2002). Dies lag vor allem darin begründet, dass die nationalen anglo-amerikanischen Rechnungslegungsnormen und hier besonders die US-amerikanischen Normen sehr detailliert ausgestaltet sind. Rechnungslegungsprobleme werden, der Idee eines regelbasierten Normierungsansatzes (s. Kap. I.5.1.2) folgend, unter Rückgriff auf authoritative sources (z. B. Verlautbarungen des FASB und der Emerging Issues Task Force) und non-authoritative sources
83 Zur Ähnlichkeit des Conceptual Frameworks mit dem US-Pendant vgl. KPMG 2021a, S. 11 ff.; in Bezug auf das im Kern ähnliche Conceptual Framework 2010, vgl. Gassen/Fischkin/Hill 2008, S. 874 ff.; Bohušová 2011; Shamrock 2012, S. 5 ff. 84 Bis 2011 wurde diese Aufgabe vom Rechnungslegungs Interpretations Committee (RIC) des DRSC übernommen. 85 Siehe https://www.ifrs.org/news-and-events/updates/ifric.
6 Herleitung von Problemlösungen
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(z. B. APB Statements und AICPA Issues Papers, aber auch Lehrbücher und Zeitschriftenbeiträge) gelöst (ausführlich Weirich/Pearson/Churyk 2014, S. 54 ff.). Dagegen ist der Bestand an nationalen gesetzlichen Rechnungslegungsnormen in Deutschland gering. Die daraus resultierende Notwendigkeit, sich intensiv mit der Auslegung von Rechnungslegungsnormen zu beschäftigen, hat dazu geführt, dass sich eine eigenständige Kultur der Kommentierung gesetzlicher Rechnungslegungsnormen (s. Kap. II.6.2.2.b) entwickelt hat. Der umfassende Bestand an solchen Kommentierungen leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung gesetzlich nicht kodifizierter GoB (s. Kap. II.4.2). Diese Kultur wird offensichtlich in Bezug auf die IFRS »weitergelebt«, sodass auch zur Anwendung der IFRS mittlerweile ein recht reichhaltiger Bestand an kommentierender Literatur verfügbar ist. Einen Überblick über zentrale IFRS-Kommentierungen mit fortlaufender Aktualisierung gibt Abbildung II.6./2. Dabei gibt das Kriterium Problemlösungskraft an, inwieweit das Werk über den Normentext hinausgeht und sinnvolle Hinweise oder Anregungen für einzelfallbezogene Problemlösungen bietet. Die diesbezügliche Einstufung wurde anhand einer Recherche zu ausgewählten Problemkreisen vorgenommen und unterliegt naturgemäß dem subjektiven Ermessen der Verfasser.86 Name
Titel
Bearbeitungssyste- Stand matik
Digital Problemlösungskraft*)
Baetge et al. (Hrsg.) Rechnungslegung nach IFRS
den IFRS folgend (sowie ausgelagerter Grundlagenteil)
2021, Loseblattsammlung
ja
++
Baetge/Kirsch/ Thiele (Hrsg.)
Bilanzrecht
2021, Loseblattden HGB-Paragrasammlung fen folgend mit Zuordnung der IFRS (jeweils in Teil 2)
ja
+
Deloitte
iGAAP A guide to IFRS reporting
eigene Systematik
2021
ja87
+/++
Brune et al. (Hrsg.)
Beck’sches IFRS-Handbuch
eigene Systematik
2020
ja
++
Ernst & Young
International GAAP 2021
eigene Systematik
2021
ja
++
Heuser/Theile
IFRS-Handbuch
eigene Systematik mit Zuordnung der IFRS und vereinzelt auch der HGBParagrafen
2019
ja
+
KPMG
Insights into IFRS
eigene Systematik
2021
ja
+
86 Vgl. hierzu in alphabetischer Reihenfolge: Baetge et al. 2021; Baetge/Kirsch/Thiele 2021b; Deloitte 2021b; Brune et al. 2020; Ernst & Young 2021; Heuser/Theile 2019; KPMG 2021a; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021; PKF International 2021; PricewaterhouseCoopers 2021; Thiele/v. Keitz/Brücks 2021. Digital bezieht sich auf eine vorhandene CD/DVD, online-Version oder die Verfügbarkeit des Werks als e-book. 87 iGAAP wird aktuell nur als Teil des digitalen Angebots des »Deloitte Accounting Research Tools« angeboten.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Name
Titel
Bearbeitungssyste- Stand matik
Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.)
Haufe IFRS-Kommentar
eigene Systematik mit Zuordnung der IFRS und teilweise auch der HGBParagrafen
2021
ja
+ / ++
PKF International
Wiley 2021 Interpretation and Application of IFRS Standards
eigene Systematik
2021
ja
+
PricewaterhouseCoopers
Manual of Accounting IFRS 2021
eigene Systematik
2021
ja
+ / ++
Thiele/v. Keitz/ Brücks
Internationales Bilanzrecht Kommentar
den IFRS folgend
2021, Loseblattsammlung
ja
+/++
*)
Digital Problemlösungskraft*)
++ (sehr hoch); + (hoch); o (mittel); – (gering); -- (nicht vorhanden).
Abb. II.6./2 Ausgewählte IFRS-Kommentierungen
Der Rechnungslegungsliteratur ist auch das weitere Fachschrifttum zuzurechnen. Hierzu zählen y Monografien, die sich mit abgegrenzten Fragestellungen beschäftigen (z. B. Dissertationen), y Beiträge in Sammelbänden oder Fachzeitschriften, wie z. B. Accounting in Europe, Betriebs-Berater, Der Betrieb, Der Konzern, Die Wirtschaftsprüfung, Praxis der internationalen Rechnungslegung, Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung und die Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung oder y Internetbasierte Quellen. Hierzu zählen auch Internetplattformen, die Informationen zu den IFRS bereitstellen. Beispielsweise sind zu nennen: https://home.kpmg/xx/en/home/ insights/2015/03/ifrs-breaking-news.html; https://www.iasplus.com/de/resources/ deloitte/ifrs-related-publications-from-deloitte; http://www.pwc.com/gx/en/services/ audit-assurance/ifrs-reporting.html. Ein IFRS in Form eines Exposure Drafts (ED) besitzt den Status beachtenswerter Rechnungslegungsliteratur gem. IAS 8.12. Bezieht sich ein ED auf die zu untersuchende Fragestellung, bestimmen die im ED enthaltenden Argumentationen, ob das ED im vorliegenden Einzelfall anzuwenden ist. Besonders bedeutsam dürften hier die im ED enthaltenen Ausführungen zu den Grundlagen für die Schlussfolgerungen (s. Kap. I.5.2.1.2) sein. Der Rang als beachtenswerte Literaturquelle wird gestärkt, wenn absehbar ist, dass der ED breite Unterstützung finden wird und insbes. keine nennenswerten Anzeichen erkennbar sind, die eine Ablehnung oder eine endgültige Verabschiedung einer Norm in modifizierter Form erkennen lassen (vgl. PricewaterhouseCoopers 2002, S. 21). Einen diesbezüglichen Eindruck kann sich der Normanwender über eine Durchsicht der beim IASB eingegangenen Kommentare verschaffen (s. Kap. I.5.2.1.2). Während Baetge et al. 2019 (Teil A, Rn. 16) sich ohne nähere Begründung grundsätzlich dagegen aussprechen, Standardentwürfe als beachtenswerte Quelle heranzuziehen, halten dies Lübbig/Kühnel 2020 (§ 2, Rz. 116) für zulässig, sofern kein konkreter IFRS existiert.
6 Herleitung von Problemlösungen
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Eine noch stärkere Beachtlichkeit erlangt ein ED, sofern seine Annahme als Standard oder Interpretation bereits beschlossen wurde, jedoch der in der Norm angegebene Tag des In-Kraft-Tretens (effective date) noch nicht erreicht wurde. Dies dürfte häufig der Fall sein, da das IASB die Anwendung regelmäßig bereits zu einem früheren Zeitpunkt erlaubt (z. B. IFRS 16.C1) oder mitunter sogar empfiehlt (z. B. IAS 16.81). In diesem Fall besteht ein Wahlrecht zur Anwendung der Norm. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, welche Bedeutung abweichenden Meinungen bzw. Minderheitsvoten (dissenting opinions; s. Kap. I.5.2.1.2) zukommt. Diese werden innerhalb des Standards veröffentlicht, besitzen jedoch nicht den Status eines Standards. Teilweise sind die Minderheitsvoten beachtlich (in Klammern das Abstimmergebnis): z. B. IFRS 3 (11:3), IFRS 4 (8:6), IFRS 14 (13:3). Diese Minderheitsvoten eignen sich faktisch als Argumentationshilfen, um ein Abweichen von einem Standard i. S. eines eingeschränkten overriding principle gem. IAS 1.17 ff. zu begründen. Allerdings kommt es auch hier auf die Überzeugungskraft der vorgetragenen Argumente an, die gleichfalls im Standard abgedruckt sind.88 Diskussionsfrage II.6.-1 Das OLG Frankfurt a. M. (2019) hat beschlossen, dass für die IFRS-Rechnungslegung bei Regelungslücken oder unbestimmten Normenbegriffen die BaFin über die Richtigkeit der Lückenschließung oder der Auslegung entscheidet. Insofern gilt im Enforcement-Verfahren (s. Kap. I.5.2.1.4) ein objektiver Fehlerbegriff. Dagegen stellt IAS 8.5 auf einen Informationsstand ab, der vernünftigerweise erlangt werden konnte; eine nachträgliche Gerichtsentscheidung ist insofern unbeachtlich. Auch das IASB und das IFRS Interpretation Committee erachten oftmals mehr als eine Auslegung für zulässig. Dies spricht für einen subjektiven Fehlerbegriff (hierzu z. B. Lüdenbach/Freiberg 2019). Diskutieren Sie, ob der Beschluss des OLG Frankfurt a. M. als eine beachtenswerte Quelle gem. IAS 8 zu qualifizieren ist, die für die Bestimmung des Fehlerbegriffs relevant ist.
b3. Branchenpraktiken IAS 8.12 spricht auch akzeptierte Branchenpraktiken (accepted industry practices) an. Da sich eine Vielzahl von Branchenpraktiken bereits in den Erklärungen anderer Normgeber, hier vor allem in den US-GAAP (s. Kap. II.6.1.2.b1) und in den praxisorientierten Kommentierungen findet, dürfte diese Quelle in der Praxis nur vergleichsweise selten herangezogen werden. Der Maßstab, der an die Akzeptanz einer (nicht bereits national normierten) Branchenpraktik zu legen ist, muss besonders hoch sein. Dies liegt darin begründet, dass sich Branchenpraktiken primär unter Einfluss der abschlusserstellenden Unternehmen entwickeln. Hier ist die Gefahr des Einzugs induktiver Elemente, die sich vor allem an den abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten der Abschlussersteller ausrichten, hoch. b4. Umfang der Informationsbeschaffung Des Weiteren ist zu fragen, wie umfassend die Unternehmensleitung recherchieren sollte. Eine Pflicht zur Recherche besteht ohnehin nicht, da die Heranziehung der in IAS 8.12 genannten Quellen auf freiwilliger Basis erfolgt (IAS 8.BC16). Eine abschließende Suche ist nicht möglich. Hierfür sprechen zeitliche und auch sprachliche Grenzen sowie die im IASB F.2.39 ff. normierte relativierende Nebenbedingung der Wirtschaftlichkeit. Es empfiehlt sich, zumindest zentrale Quellen nach problemlösungsrelevanten Beiträgen durchzusehen.
88 Europarechtlich sind die Minderheitsvoten mangels Übernahme naturgemäß unverbindlich; vgl. Luttermann 2006, S. 782.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
6.1.3 Problemlösungsprozess a. Charakterisierung der Problemlösungsmethodik Die Charakterisierung der Problemlösungsmethodik soll zunächst aus einem methodischen Blickwinkel vorgenommen werden, d. h., es wird gefragt, ob diese auf induktive, deduktive und/oder hermeneutische Elemente (s. Kap. II.4.3) abstellt. Durch den Rückgriff auf anerkannte Branchenpraktiken (IAS 8.12) beinhaltet die Vorgehensweise unterschwellig induktive Elemente. Die Erfordernisse in IAS 8.10 bilden zweifelsfrei die Deduktionsbasis für die herzuleitende Problemlösung. Zu kritisieren ist, dass diese Basis nicht so klar ist, wie dies auf den ersten Blick erscheint. Problematisch ist insbes., dass die internationalen Normen insgesamt keine geschlossene Bewertungskonzeption erkennen lassen (s. Kap. II.5.3.6, 5.3.8.2), und dass sich die nach IFRS ermittelte Ergebnisgröße nicht systematisch aus einer bestimmten Gewinnermittlungskonzeption oder einem anderen Konzept herleiten lässt (s. Kap. II.3; II.5.5). Verzichtet man darauf, sich auf eine bestimmte Gewinnermittlungskonzeption festzulegen, ist es im Einzelfall nur schwer oder gar nicht möglich, allein auf Basis der geforderten Entscheidungsnützlichkeit eine geeignete Problemlösung zu deduzieren. Die hermeneutische Methode will den Sinn von Erscheinungen erfassen und durch ganzheitliche Interpretation im Lichte der Lebenserfahrung deuten (in Anlehnung an Wild 1975, Sp. 2657 f.). Wesensmerkmal des hermeneutischen Erkenntnisgewinns ist die sog. hermeneutische Spirale (s. Kap. II.4.3.3), die sich durch eine Kreisbewegung des Verstehens auszeichnet, welche nicht mehr an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt. IAS 8.10-13 stellt gleichfalls eine ganzheitliche Problemlösungsmethode dar, welche zwar beachtenswerte Kriterien für die Problemlösung vorgibt (Vorstrukturierung der Problemlösung), die Problemlösung selbst jedoch dem Urteilsvermögen des Normanwenders überlässt. Demnach ist auch die internationale Problemlösungsmethodik durch hermeneutische Elemente gekennzeichnet. Obwohl IAS 8 nicht explizit auf den zeitlichen Ablauf der Problemlösung eingeht, dürften sich auch hier Verstehensprozesse ergeben, welche der hermeneutischen Spirale entsprechen. Zudem sind die Anwendungsprobleme dieser Methodik ähnlich gelagert wie von Vertretern der Hermeneutik beschrieben: »Operationale methodische Regeln, wie man (...) im einzelnen [sic!] vorzugehen habe, geben die Hermeneutiker allerdings nicht an« (Wild 1975, Sp. 2658). Daher führt diese Methode nicht zu logisch zwingenden Schlüssen, sondern bestenfalls zu einer begründeten Entscheidung für ein bestimmtes Vorgehen. Diskussionsfrage II.6.-2 In der EU tritt bei der Wortlautauslegung (hermeneutisch bedeutsames Kriterium) der IFRS neben dem grundsätzlichen Problem der Übersetzung der englischsprachigen Originalnormtexte in die jeweilige Landessprache (s. Kap. I.5.2.1.2) das Problem der Mehrsprachigkeit hinzu: Im Europarecht führt der Grundsatz der Vielsprachigkeit dazu, dass die IFRS »im Licht ihrer Fassung in allen (...) Sprachen auszulegen» (EuGH 1969) sind. Folglich kann nicht mehr »nur auf den englischen oder deutschen Wortlaut abgestellt werden. Vielmehr sind sämtliche Amtssprachen bei der Auslegung zu berücksichtigen« (Küting/Ranker 2004, S. 2511). Diskutieren Sie das Problem der Wortauslegung. Berücksichtigen Sie dabei auch, dass das IASB sich das Ziel gesetzt hat, dass die herausgegebenen Normen zu weltweit vergleichbaren Jahresabschlussinformationen führen sollen (IFRS Preface.6a).
Zusammenfassend lässt sich die Problemlösungsmethodik als hermeneutische Methode mit der zentralen Deduktionsbasis der Entscheidungsnützlichkeit, die wiederum im Lichte
6 Herleitung von Problemlösungen
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der in IAS 8.11 f. genannten Quellen zu interpretieren ist, charakterisieren. Den vorhandenen Ermessensspielräumen versucht das IASB zumindest teilweise durch (kasuistisch festgelegte) Willkürgrenzen entgegenzuwirken. Beispielsweise setzt das IASB den erheblichen Ermessensspielräumen bei der Aktivierung immaterieller Vermögenswerte durch einige Aktivierungsverbote Grenzen; z. B. verbieten IAS 38.63 und 38.69c ausdrücklich die Aktivierung von Ausgaben für den Aufbau eines Markennamens und Werbeaktivitäten. b. Anmerkungen zur Vorgehensweise bei der Auslegung unbestimmter Normbegriffe Um Aussagen zur Vorgehensweise bei der Auslegung unbestimmter Normbegriffe treffen zu können, ist zunächst der Aufbau einer Norm näher zu untersuchen: Normen beinhalten eine Tatbestandsseite und eine Normfolgeseite. Liegen z. B. von Dritten bezogene ansatzfähige Vorräte vor (Tatbestand), dann sind diese zunächst einmal zu Anschaffungskosten zu bewerten (Normfolge). Dabei ist die Normfolge stets an das Vorliegen eines bestimmten Tatbestands geknüpft. Unbestimmte Normbegriffe können sowohl auf der Tatbestandsseite als auch der Normfolgeseite auftreten. y Oftmals lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ob der Tatbestand, an den eine bestimmte Normfolge anknüpft, auch tatsächlich vorliegt. Als Beispiele sind zu nennen: – IAS 37.14b: Der wahrscheinliche Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen (Tatbestand) als Voraussetzung für den Ansatz einer Rückstellung (Normfolge). – IAS 38.57a: Die technische Realisierbarkeit der Fertigstellung eines immateriellen Vermögenswertes (Tatbestand) als Voraussetzung für seine Aktivierung (Normfolge). y Weiterhin kann die Normfolge selbst unbestimmt sein. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn es um die Bewertung oder den Ausweis eines Postens geht. Als Beispiele sind zu nennen: – IAS 37.36: Eine Rückstellung ist mit dem Betrag anzusetzen, der die bestmögliche Schätzung der Ausgabe darstellt, die zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung zum Abschlussstichtag erforderlich ist. – IAS 16.50: Für die Bewertung der anzusetzenden abnutzbaren Anlage ist die voraussichtliche Nutzungsdauer zu bestimmen bzw. zu schätzen. Bei der Auslegung unbestimmter Normbegriffe stellt sich grundsätzlich die Frage nach dem Ziel der Auslegung (so auch Larenz 1991, S. 316 ff., unter Bezugnahme auf die Auslegung von Gesetzen). Einer prinzipienbasierten Normierung folgend, ist das Ziel des Normgebers als Auslegungsziel heranzuziehen (s. Kap. I.5.1.2; so auch IAS 8.10). Der Normgeber bringt das seinerseits verfolgte Ziel sowohl grundlegend in Bezug auf den zu erstellenden Abschluss (IASB F.1.2) als auch in Bezug auf die einzelne Norm (z. B. IAS 2.1, IAS 12.OB) zum Ausdruck. Demnach muss der Normanwender zunächst einmal die Norm selbst nach möglichen Anhaltspunkten für die Auslegung untersuchen (IAS 8.7). Dabei ist jedes Argument verwertbar, sofern es sachlich ist und dem Normzweck nicht zuwiderläuft (vgl. Schmidt 2016, S. 114 f., unter Bezugnahme auf die deutsche Jurisprudenz). y Erste Anhaltspunkte für die Auslegung finden sich in Bezug auf die weiter oben genannten Beispiele z. B. in IAS 37.23 f. (Ansatz einer Rückstellung), in IAS 37.37 ff. (Bewertung einer Rückstellung) sowie in IAS 16.57 f. (Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungsdauer). y Allerdings finden sich keine weiteren Anhaltspunkte zum Erfordernis des Nachweises der technischen Realisierbarkeit gem. IAS 38.57a. y Die Anhaltspunkte für eine Auslegung beinhalten oftmals nützliche Hinweise, wie z. B. der Hinweis in IAS 16.57, dass die voraussichtliche Nutzungsdauer kürzer sein kann als
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y
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die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Gleichwohl finden sich oftmals weitere unbestimmte Normbegriffe, die wiederum auslegungsbedürftig sind, so z. B. in Bezug auf die Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungsdauer die Ausführungen in IAS 16.57: »Die Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Vermögenswerts basiert auf Schätzungen, denen Erfahrungswerte des Unternehmens mit vergleichbaren Vermögenswerten zugrunde liegen.« Hier muss der Normanwender wiederum beurteilen, welche Vermögenswerte vergleichbar sind, d. h., es sind Kriterien festzulegen, die im vorliegenden Einzelfall an das Erfordernis der Vergleichbarkeit zu stellen sind. Unbestimmte Normbegriffe können auch unauflöslich mit Entscheidungen des Abschlusserstellers verknüpft sein. So kann z. B. ein immaterieller Vermögenswert nur dann aktiviert werden, wenn der Abschlussersteller die Absicht hat, diesen fertig zu stellen (IAS 38.57b). Hier ist die Unternehmensleitung grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung. Streng genommen liegt hier grundsätzlich kein Auslegungsproblem vor. Gleichwohl ist zu beachten, dass die sich ergebende Abbildung im Jahresabschluss neutral sein muss, d. h., der erstellte Abschluss darf gem. IAS 8.10biii bei den Abschlussadressaten nicht zu irreführenden Schlussfolgerungen führen.
Lässt sich die Auslegungsfrage durch die Beschäftigung mit der Norm selbst nicht abschließend beantworten, ist zu prüfen, ob die in IAS 8.11 f. genannten Quellen eine geeignete Problemlösung anbieten. Diese sind zu sichten und anschließend ist nachvollziehbar eine Problemlösung nach eigenem Urteilsvermögen herzuleiten, welche den Anforderungen in IAS 8.10 genügt. Beispiel Berücksichtigung der in IAS 8.11 f. genannten Quellen Beispielsweise kann bei der Bestimmung der betrieblichen Nutzungsdauer, sofern keine unternehmensspezifischen Erfahrungswerte vorliegen, auch bei der Erstellung eines IFRS-Abschlusses auf die steuerlichen AfA-Tabellen89 zurückgegriffen werden. Diese Tabellen geben anhand von langjährigen Erfahrungswerten (branchenspezifische) Schätzwerte an. In der Terminologie des IAS 8.12 handelt es sich um anerkannte Branchenpraktiken.
Bei der Beurteilung, ob die herangezogene Quelle eine geeignete Problemlösung anbietet, ist der Analogieschluss bedeutsam: y Beispielsweise kann die an den Tatbestand A geknüpfte Normfolge einen unbestimmten Normbegriff beinhalten, der dazu führt, dass die Normfolge insgesamt unbestimmt ist. y In einer anderen Normquelle findet sich der Tatbestand B. Dieser ist dem Tatbestand A ähnlich. Zudem ist die an den Tatbestand B geknüpfte Normfolge eindeutig geregelt. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die in Zusammenhang mit B stehende Normfolge nicht auch in Bezug auf A in Betracht kommt. Dies setzt voraus, dass die Tatbestände A und B ähnlich sind (siehe auch Fink/Schwarz 2020, IAS 8, Rn. 125).
89 Entsprechende AfA-Tabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter finden sich z. B. in Pelka/Rohde 2021, Z, Rn. 1. Siehe auch https://www.bundesfinanzministerium.de.
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Beispiel Analogieschluss IAS 2 regelt die Bilanzierung von Tauschvorgängen (s. Kap. II.5.3.7.1 b1) im Vorratsvermögen (s. Kap. III.3.3) nicht. Allerdings enthalten IAS 16.24 ff. sowie IAS 38.45 ff. einschlägige Regelungen zu Tauschvorgängen. Bei der bilanziellen Erfassung eines Tauschvorgangs im Vorratsvermögen ist daher unter Anwendung des Analogieschlusses – aufgrund der wirtschaftlichen Ähnlichkeit eines Tauschvorgangs im Vorrats- und im Anlagevermögen – der so erworbene Vermögenswert mit dem beizulegenden Zeitwert des hingegebenen Vermögenswerts zu bilanzieren. Voraussetzung ist, dass das Tauschgeschäft wirtschaftliche Substanz besitzt und der beizulegende Zeitwert verlässlich ermittelt werden kann.
Die Beurteilung der Ähnlichkeit von Tatbestand A und B kann sich indes auch als kritisch erweisen. Ähnlichkeit bedeutet nicht Gleichheit. Vielmehr müssen sich die Tatbestände in der für die Bestimmung der Normfolge maßgeblichen Hinsicht gleichen (vgl. Larenz 1991, S. 381 ff.). Diskussionsfrage II.6.-3 Die Bewertung einer einzelnen Rückstellungsverpflichtung regelt IAS 37.40. In diesem Fall dürfte das wahrscheinlichste Ergebnis (most likely amount) die bestmögliche Schätzung darstellen (s. Kap. III.3.7.3.2). Allerdings ist das wahrscheinlichste Ergebnis zu adjustieren, wenn andere mögliche Ergebnisse entweder größtenteils über oder größtenteils unter dem wahrscheinlichsten Ergebnis liegen. In diesem Fall ist die bestmögliche Schätzung ein höherer oder niedrigerer Betrag. Bei der Frage der Auslegung dieses Normentextes (Festlegung des höheren oder niedrigeren Betrags) stellt sich die Frage, ob hier eine Ähnlichkeit zu der Erfassung von variablen Vergütungen als Umsatzerlöse gem. IFRS 15 besteht (s. Kap. III.3.7). Diese Regelung ist dahingehend ähnlich aufgebaut, als bei der Erfassung von Umsatzerlösen (aus einem einzelnen Kundenvertrag) eine variable Vergütung gem. IFRS 15.53(b) mit dem Wert der höchsten Wahrscheinlichkeit (most likely amount) heranzuziehen ist, sofern die variable Vergütung nur zwei mögliche unsichere Ergebnisse nach sich zieht (z. B. Erreichung einer Bonuszahlung oder nicht). Allerdings ist auch dieser Wert ggf. zu adjustieren, d. h. die Erfassung variabler Vergütungsbestandteile als Umsatzerlös steht unter dem Vorbehalt, dass es sehr wahrscheinlich (highly probable) ist, dass es zu keiner signifikanten Umkehr (significant reversal) der Umsätze bei Wegfall des unsicheren Ereignisses kommt (IFRS 15.56). Indikatoren hierfür finden sich in Paragraf 57. Insofern ist auch hier der Wert mit der höchsten Wahrscheinlichkeit ggf. zu adjustieren. Bei einer bestehenden Ähnlichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen könnte es sich anbieten, z. B. die in den Paragrafen 57(b) und 57(c) genannten Anhaltspunkte für eine Adjustierung des wahrscheinlichsten Wertes der variablen Vergütung auch für die im Einzelfall ggf. notwendige Adjustierung des wahrscheinlichsten Ergebnisses in IAS 37.40 heranzuziehen. Studieren Sie eingehend die diesbezüglichen Normierungen in IAS 37 und IFRS 15 und diskutieren Sie, ob in diesem Fall die für einen Analogieschluss erforderliche Ähnlichkeit gegeben ist.
In Bezug auf den vorherigen Fall ist die Grenze zwischen Auslegung einer Norm und einer Regelungslücke fließend (vgl. hierzu auch Schmalz 1998, S. 125). Immer dann, wenn in Bezug auf A die Festlegung einer eindeutigen Normfolge zu erwarten gewesen wäre, liegt eine planwidrige Unvollständigkeit und folglich eine Regelungslücke vor. Diese Unterscheidung ist in der Praxis jedoch von untergeordneter Bedeutung, da sowohl bei der Auslegung als auch bei einer Regelungslücke nach der hier vertretenen Auffassung IAS 8.10 ff. zur Anwendung gelangt. Auch der in Preface to IFRS. 12 enthaltene Grundsatz »Gleiches gleich zu behandeln»
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bzw. »Ungleiches ungleich zu behandeln» (Gleichheitsgrundsatz) stützt diese Ansicht. Analogie beruht letztlich auf diesem Gleichheitsgrundsatz (vgl. Canaris 1983, S. 72 m. w. N.). Da die Problemlösungsmethode primär hermeneutisch geprägt ist (s. Kap. II.6.1.3.a), lässt sich oftmals keine eindeutige Problemlösung generieren. Dies gilt besonders dann, wenn das Vorliegen des Tatbestandes oder die Bestimmung der Normfolge von zukunftsgerichteten komplexen Wertungen abhängt (so auch Schmidt 2016, S. 102). Auch hier sind die künftigen Einschätzungen nachvollziehbar darzulegen, d. h., die der Prognose zugrunde liegenden Daten und Annahmen sowie das hergeleitete Ergebnis müssen transparent sein (s. Kap. II.5.3.2.3.a2). Ist eine zuverlässige Schätzung nicht möglich, kommt ein Bilanzansatz nicht in Betracht, da in diesem Fall eine fundamentale Vorausetzung für das Vorliegen von entscheidungsnützlichen Informationen, die Verlässlichkeit, nicht gegeben ist. In Bezug auf die genannten Beispiele verbietet z. B. IAS 37.26 die Passivierung einer Rückstellung, wenn keine zuverlässige Schätzung möglich ist. In diesem Fall ist gem. IAS 37.86 ggf. eine Eventualschuld in den notes anzugeben. Hier haben sich 2018 auch Änderungen im IASB F ergeben. Demnach schränkt eine hohe Bewertungsunsicherheit die Entscheidungsnützlichkeit einer Information nicht zwingend ein, sofern die zugrunde liegenden Unsicherheiten in der Bewertung in den notes transparent und präzise beschrieben und erläutert werden (IASB F.5.19, s. Kap. II.5.3.5.2). Wichtig ist, dass die gewonnene Auslegung für einen Dritten nachvollziehbar ist, d. h., die Auslegungsargumente, deren Gewichtung und der gewonnene Auslegungsschluss sind nachvollziehbar darzulegen. c. Anmerkungen zur Vorgehensweise bei der Existenz einer Regelungslücke Auch bei Vorliegen einer Regelungslücke beschreibt IAS 8.10 das Ziel der Vorgehensweise zur Schließung dieser Lücke (vgl. Ruhnke/Nerlich 2004). Liegt eine Regelungslücke vor, kommt als Methode zur Lückenschließung vor allem der Analogieschluss zur Anwendung (Beispiele hierzu in Jödicke 2008, S. 60 ff.). Als weitere auch in Zusammenhang mit Auslegungsfragen bedeutsame Methode ist der Umkehrschluss zu nennen. Vereinfacht formuliert geht es darum, dass aus der Verschiedenheit der Tatbestände auf die Verschiedenheit der Normfolge geschlossen wird. Demnach ist eine bestimmte Normfolge gerade nicht zu übertragen, sofern dies dem Wortlaut und/oder der Zielsetzung des Normgebers nach nicht gewollt ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Normgeber die Normfolge N nur an den Tatbestand A und gerade nicht an den, ggf. nicht explizit geregelten, Tatbestand B binden will. Beispiel Umkehrschluss Ein weiteres Beispiel ist die Herleitung der Notwendigkeit der Durchführung einer Inventur sowie der Erstellung eines Inventars gem. den IFRS, die hierzu keine spezifischen Vorschriften enthalten. Gemäß IAS 34.Appendix C1 ist bei der Erstellung unterjähriger Berichte keine Inventur im Vorratsvermögen durchzuführen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine solche Inventur bei der Erstellung von Jahresabschlüssen notwendig ist. Die Durchführung einer Inventur lässt sich auch aus IASB F.2.30 ff. herleiten.
In der Rechnungslegungspraxis erfolgt häufig ein Rückgriff auf Erklärungen anderer Normgeber. Diese Erklärungen sind indes nicht ohne nähere Überprüfung analog anzuwenden. Vielmehr können diese Quellen bei der Lückenschließung berücksichtigt werden, sofern die Erklärung des anderen Normgebers auf einem ähnlichen Bezugsrah-
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men basiert. Weiterhin ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob sich unter Anwendung dieser Quelle eine relevante und verlässliche Abbildung des zu bilanzierenden Sachverhalts im Abschluss ergibt. Dabei sind auch etwaige Widersprüche zu bestehenden internationalen Standards und Interpretationen, die sich mit ähnlichen oder verwandten Fragen beschäftigen, zu berücksichtigen. Beispiele Rückgriff auf Erklärungen anderer Normgeber Zwei in der IFRS-Rechnungslegungspraxis häufig angewandte Rückgriffe auf die Erklärungen anderer Normgeber betrafen die Umsatzrealisierung (z. B. bei Ruhnke/Nerlich 2003 in Bezug auf Minimumgarantien im Abschluss von Filmunternehmen und bei Wirth 2009, S. 239 ff. in Bezug auf Mehrkomponentengeschäfte) und die Bilanzierung von Versicherungsverträgen (z. B. bei Jödicke 2008, S. 165 ff.). Hier wurde die Regelungslücke jeweils unter Bezugnahme auf die Regelungen des US-GAAP geschlossen. Mit dem IFRS 15 und dem IFRS 17 wurde die Umsatzrealisierung respektive die Bilanzierung von Versicherungsverträgen unterdessen vom IASB reformiert und explizite Vorschriften aufgenommen, um die bisherigen Regelungslücken zu schließen (hierzu auch IFRS 15.BC2; IFRS 17.BC13). Eine aktuelle Regelungslücke findet sich in Bezug auf die Aufstellung von carve-out-Abschlüssen. Für diese bieten die IFRS weder einen Standard noch eine Interpretation. Pföhler et al. 2015 ziehen zur Schließung dieser Regelungslücke auch die Normierungen der US-GAAP und UK-GAAP heran. Darüber hinaus werden sonstige Verlautbarungen (z. B. italienische Bilanzierungsgrundsätze) berücksichtigt und unter Anwendung des Analogieschlusses auf Regelungen aus anderen IFRS, die ähnliche Sachverhalte behandeln (insbes. IFRS 3, IFRS 5, IFRS 8), zurückgegriffen. Ähnlich adressiert diese Regelungslücke der Praxisleitfaden von KPMG 2017b, jedoch ohne expliziten Rückgriff auf die Problemlösungsmethodik oder andere Normierungen z. B. in den US-GAAP oder UK-GAAP.
6.2 Ebene der deutschen GoB 6.2.1 Charakterisierung der Problemlösungsmethodik Bei der Erstellung von HGB-Abschlüssen existiert keine normierte Problemlösungsmethodik wie auf internationaler Ebene (s. Kap. II.6.1.1). Vielmehr ist die Herleitung von Problemlösungen eng verknüpft mit der Methodik zur Ermittlung von GoB (s. Kap. II.4.3). Zunächst einmal sind bei der Erstellung von Abschlüssen die kodifizierten Rechtsnormen (s. Kap. I.5.2.2.1) zu beachten. Ergeben sich Anwendungsprobleme oder ist im Extremfall keine anwendbare Norm vorhanden, ist eine Problemlösung unter Beachtung aller hermeneutisch bedeutsamen Kriterien zu generieren (s. Kap. II.4.3.3). Als solche Kriterien sind vor allem der Wortlaut und Wortsinn der gesetzlichen Vorschrift, der Bedeutungszusammenhang der gesetzlichen Vorschriften, die teleologische Auslegung, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und Ansichten des Gesetzgebers sowie sonstige Kriterien (z. B. höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH) zu nennen. Der zeitliche Ablauf der Problemlösung ist durch eine Kreisbewegung des Verstehens gekennzeichnet, die nicht mehr an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt (sog. hermeneutische Spirale; s. Kap. II.4.3.3). Insofern zeigen sich Parallelen zu der in IAS 8.7 ff. normierten Problemlösungsmethodik (s. Kap. II.6.1.1). Nachstehend wird die Auslegung kodifizierter Rechtsnormen näher untersucht. Dabei wird vor allem der Frage nachgegangen, welche Bedeutung den GoB, der Rechnungslegungsliteratur sowie weiteren Normen hier zukommt. Das Zusammenwirken verschiedener Auslegungsquellen sowie deren Bedeutung untersucht Plaumann 2013.
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6.2.2 Auslegung kodifizierter Rechtsnormen a. Bedeutung der GoB Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die GoB für die Auslegung kodifizierter Rechtsnormen haben (vgl. hierzu ausführlich Baetge/Ziesemer/Schmidt 2011, Rn. 113 ff.; Plaumann 2013, S. 78 ff.). Grundsätzlich gilt die Prioritätenregel, welche bei «ranggleichen Normen« besagt, dass Spezialvorschriften den Generalvorschriften vorgehen. Demnach geht z. B. § 246 Abs. 2 HGB, welcher die Saldierung von Posten der Aktivseite mit Posten der Passivseite sowie von Aufwendungen und Erträgen in die Handelsbilanz untersagt, als lex specialis der in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB kodifizierten Generalnorm vor, die ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Lage des Unternehmens fordert. Die Prioritätenregel besagt Folgendes: y Vorhandene Spezialvorschriften sind anzuwenden. Bei bestehenden Anwendungsproblemen sind die Spezialvorschriften zunächst einmal unter Beachtung der Generalvorschriften, nämlich den GoB, zu interpretieren. y Finden sich keine Spezialvorschriften, sind vor allem die kodifizierten und nicht kodifizierten GoB sowie ggf. auch HGB-Regelungen ohne GoB-Charakter direkt für die Herleitung einer geeigneten Problemlösung heranzuziehen. Demnach wäre z. B. zu fragen, welche Vorgehensweise dem Vorsichtsprinzip entspricht, ob eine Einzelbewertung gegeben ist und ob die gewählte Vorgehensweise objektivierbar ist. Grundsätzlich gilt, dass gesetzlich gewährte Wahlrechte durch GoB nicht verdrängt werden können. Allerdings sind bei der Ausübung der Wahlrechte die Rahmengrundsätze der Willkürfreiheit (s. Kap. II.4.4.3.1) und der Stetigkeit (s. Kap. II.4.4.3.2) zu beachten. Hat ein Unternehmen sich z. B. dazu entschlossen, ein Aktivierungswahlrecht i. S. einer Aktivierung auszuüben, ist der angesetzte und bewertete Posten regelmäßig auch im Folgeabschluss anzusetzen (Bewertungsstetigkeit; vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Dabei stellt sich die Frage, ob bei der Ausübung von Wahlrechten die GoB und die Zwecke des Jahresabschlusses beachtenswert sind. So sind z. B. bei der Ausübung der gesetzlich eingeräumten Wahlrechte im Rahmen der Niederstwertvorschriften gem. § 253 Abs. 3 und 4 HGB jene GoB heranzuziehen, die von dem Wahlrecht nicht explizit ausgeschlossen werden, wie z. B. das Imparitätsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Beispielsweise sind bei der Bestimmung eines vom Absatzmarkt abgeleiteten niedrigeren beizulegenden Wertes vom vorsichtig geschätzten Verkaufserlös noch alle bis zum Verkauf zu erwartenden Aufwendungen sowie Erlösschmälerungen abzuziehen (s. Kap. II.5.3.8.1; vgl. hierzu Leffson 1987, S. 421 ff.). b. Bedeutung der Rechnungslegungsliteratur Rechnungslegungsliteratur und hier insbes. Kommentierungen besitzen bei der Erstellung von HGB-Abschlüssen eine weitaus größere Bedeutung als im anglo-amerikanischen Rechtsraum. Dies liegt darin begründet, dass der Bestand an gesetzlichen Rechnungslegungsnormen gering ist und insofern ein Bedarf an erläuternden Literaturbeiträgen besteht. Die Literaturbeiträge sind auch wichtig, wenn es um die Entwicklung gesetzlich nicht kodifizierter GoB geht. Festzustellen ist, dass sich in Deutschland in Bezug auf die Erstellung von HGB-Abschlüssen eine eigenständige Kultur der Kommentierung gesetzlicher Rechnungslegungsnormen entwickelt hat. Eine zentrale Säule der Rechnungslegungsliteratur betrifft die bereits angesprochenen klassischen Bilanzkommentare. Nachstehend werden aus Sicht der Verfasser zentrale Kommentare genannt, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
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Bei einer Vielzahl von Kommentaren folgt die Bearbeitungssystematik der Reihenfolge der Paragrafen im HGB. Dies sind der Beck’sche Bilanz-Kommentar (umgangssprachlich zumeist kurz: »BeBiKo«, herausgegeben von Grottel et al. 2020), das Handbuch der Rechnungslegung von Küting/Pfitzer/Weber 2021, der Bilanzrecht Kommentar von Hachmeister et al. 2020, der HGB Bilanz-Kommentar von Bertram/Kessler/Müller 2020 (umgangssprachlich häufig »Haufe HGB Kommentar«), der ursprünglich als »Bonner Handbuch Rechnungslegung« bezeichnete Kommentar »Rechnungslegung« (vgl. Kirsch 2021c) sowie die Kommentare von Baetge/Kirsch/Thiele 2021b und Wiedmann/Böcking/ Gros 2019, welche beide den Titel »Bilanzrecht« tragen. Als weiterer bedeutsamer Kommentar ist der von Adler/Düring/Schmaltz (umgangssprachlich zumeist kurz: »ADS«) zu nennen (vgl. ADS 1995 ff.), der jedoch in weiten Teilen nicht mehr die aktuelle Rechtslage widerspiegelt, gleichwohl in der Praxis in Zusammenhang mit grundlegenden Fragestellungen immer noch Beachtung findet. Bedeutsam ist auch der Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, auch wenn dieser derzeit nicht in einer aktuellen Auflage vorliegt (vgl. Hennrichs/Kleindiek/Watrin 2013). Thematisch zusammengehörige Bereiche wie z. B. die Anschaffungskosten, die Herstellungskosten oder einzelne Abschlussposten behandeln das Beck’sche Steuerberater-Handbuch (vgl. Pelka/Petersen 2021) sowie das Handbuch des Jahresabschlusses (umgangssprachlich zumeist kurz: HdJ; vgl. Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann 2021). Erwähnenswert sind weiterhin z. B. das Beck’sche Handbuch der Rechnungslegung (vgl. Böcking et al. 2021) und das Wirtschaftsprüfer-Handbuch (zumeist kurz: WPHandbuch; vgl. IDW 2021). Hinzu treten Kommentare für Spezialthemen. Hier sind zum einen Änderungskommentare, die sich auf die Kommentierung von HGB-Paragrafen beziehen, die durch ein Änderungsgesetz verändert wurden (z. B. der auf das BilRUG bezogene Änderungskommentar von Russ/Janssen/Götze 2015), zu nennen. Zum anderen finden sich Kommentare zur Erstellung von Sonderbilanzen (vgl. Deubert/Förschle/Störk 2021) sowie jüngst zur Rechnungslegung in der Coronakrise (vgl. Bernhardt et al. 2020).
Rechnungslegungsliteratur ist dahingehend bei der Auslegung kodifizierter Rechtsnormen bedeutsam, als die Autoren versuchen, unter Rückgriff auf hermeneutisch bedeutsame Kriterien (s. Kap. II.4.3.3) Problemlösungen zu generieren. Literaturbeiträge sind jedoch nur relevant, sofern die Beiträge kraft Argumentation überzeugen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich der Normenanwender die Beiträge aussucht, die seine Ansichten hinsichtlich der Bilanzierung am besten stützen und auf diese Weise versucht, seine Position beim amtierenden Abschlussprüfer durchzusetzen. Hier würden die Literaturbeiträge Angebote auf dem »Markt für Interpretationen» darstellen. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Abschlussersteller Einfluss auf die kommentierenden Autoren nehmen, damit diese wiederum Auffassungen vertreten, welche von Unternehmensseite her gewollt sind.90 Häufig sind Vertreter von Prüfungsgesellschaften an der Erstellung von Kommentaren beteiligt; hier besteht die Gefahr, dass Positionen vertreten werden, welche den jeweiligen Mandanten genehm sind. Nachstehend wird beispielhaft diskutiert, inwieweit Bilanzkommentierungen einen Beitrag zur Lösung des Problems der Behandlung von Boni bei Erwerbsvorgängen leisten.
90 In einem engen Zusammenhang hierzu stehen die Versuche von Unternehmensvertretern, den Normengebungsprozess selbst zu beeinflussen; s. Kap. I.5.2.2.1.
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Beispiel Behandlung von Boni Das Problem der Behandlung von Boni stellt sich wie folgt: Da eine Bonus-Zahlung zumeist am Jahresende für eine Vielzahl von Anschaffungsvorgängen gewährt wird, stellt sich die Frage, ob für noch auf Lager befindliche Vermögensgegenstände (z. B. Waren) eine nachträgliche Anschaffungspreisminderung (s. Kap. II.5.3.7.1.a) gegeben ist (ergebnisneutrale Behandlung) oder ob die BonusZahlung als sonstiger betrieblicher Ertrag ergebniswirksam zu buchen ist. Dabei stellt sich insbes. das Problem der Auslegung des Erfordernisses der Einzelzuordenbarkeit. Das zuvor skizzierte Problem ist auch dahingehend bedeutsam, als der durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BilRUG) geänderte § 255 Abs. 1 HGB den neu eingefügten Satz 3 beinhaltet: »Anschaffungspreisminderungen, die dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, sind abzusetzen.« Alle nachstehend genannten ausgewählten Bilanz-Kommentierungen zu § 255 HGB haben das Problem der Behandlung von Boni als solches identifiziert und geben Literaturverweise. Die Änderungen durch das BilRUG wurden berücksichtigt. Die nachstehenden Ausführungen geben zentrale Argumente wider. y Der Bilanzrecht Kommentar (herausgegeben von Baetge/Kirsch/Thiele 2021b, konkret zur Behandlung von Boni Kahle 2017, § 255 HGB, Rn. 122) spricht sich grundsätzlich für eine Behandlung von Boni als sonstiger betrieblicher Ertrag aus und argumentiert dahingehend, dass ein Bonus erst im »Nachhinein i. d. R. mit einer Jahresabnahmemenge oder einem Jahresumsatz gewährt« wird, »so dass eine Zurechnung auf einzelne Vermögengsgegenstände willkürlich ist«. Insofern wird unter Hinweis auf den Grundsatz der Willkürfreiheit (s. Kap. II.4.4.3.1) argumentiert. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum eine Zuordnung grundsätzlich willkürlich ist. Zudem werden beispielhaft Fälle genannt, in denen eine Behandlung als Anschaffungspreisminderung angemessen ist: »Eine Zurechenbarkeit des Bonus kommt (…) in Frage, wenn bei einem gestaffelten Bonus der untere Schwellenwert bereits mit einer Lieferung überschritten wird.« y Das Handbuch der Rechnungslegung (herausgegeben von Küting/Pfitzer/Weber 2021, konkret zur Behandlung von Boni Knop/Küting/Knop 2016, § 255 HGB, Rn. 62) vertritt die Auffassung, dass ein Bonus nicht in Zusammenhang mit einer bestimmten Lieferung gewährt wird und insofern »kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Bonus und dem einzelnen Beschaffungsakt besteht«. Aus diesem Grund ist eine Einzelzuordenbarkeit nicht gegeben, was wiederum dazu führt, dass Boni grundsätzlich nicht (andere Hervorhebung im Original, die Verf.) als AK-(Anschaffungskosten, die Verf.) »Minderung berücksichtigt werden«. Lässt sich allerdings »die Höhe des Bonus (…) im Voraus als Preisermäßigung für eine Lieferung exakt ermitteln (…), liegt dem Wesen nach kein Bonus, sondern vielmehr ein Rabatt vor. Um diesen Rabatt wären dann die AK zu kürzen.« y Der Beck’sche Bilanz-Kommentar (herausgegeben von Grottel et al. 2020, konkret zur Behandlung von Boni Schubert/Gadek 2020, § 255, Rn. 62) stellt zunächst ohne nähere Begründung unter Verweis auf verschiedene Literaturquellen fest, dass ein Bonus nach Ablauf eines Jahres nur insoweit anschaffungspreismindernd berücksichtigt werden kann, als sich die angeschafften Vermögensgegenstände »nachweislich noch im Bestand befinden«. Soweit der Bonus auf Vermögensgegenstände entfällt, die sich nicht mehr im Bestand befinden, ist die mit dem Abgang korrespondierende Aufwandsbuchung anteilig zu vermindern. Kann eine solche Aufwandsminderung nicht mehr im Geschäftjahr des Abgangs vorgenommen werden, ist ein Bonus als periodenfremder (sonstiger betrieblicher) Ertrag zu erfassen. Danach wird Folgendes ausgeführt: »Die Voraussetzung der ›Einzelzuordenbarkeit‹ (…) wurde durch das BilRUG gesetzlich normiert. »Bei der Vielfalt der möglichen Bonussysteme und vor dem Hintergrund der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs (s. Kap. II.5.3.7.1.a, die Verf.) hat dies uE (unseres Erachtens, die Verf.) nicht zur Folge, dass eine anschaffungspreismindernde Berücksichtigung von Boni grds. (grundsätzlich, die Verf.) zu versagen ist.« y Der BilRUG-Änderungskommentar (herausgegeben von Russ/Janssen/Götze 2015, konkret zur Behandlung von Boni Baumann 2015, §§ 253, 255 HGB, Rn. 28-51) nimmt im Hinblick auf das Erfordernis der Zuordenbarkeit zunächst auf die Ermittlung der Anschaffungskosten
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i. S. des § 255 Abs. 1 S. 1 HGB Bezug und stellt u. a. unter Hinweis auf IDW RS HFA 31.14 fest, dass hier Schlüsselungen auch im Hinblick auf die Bewertung der eingesetzten Mengenkomponente möglich sind (z. B. eine Umrechnung von Fertigungslöhnen auf die zur Herstellung des Vermögensgegenstands eingesetzte Fertigungszeit). Daher sind auch bei Anschaffungspreisminderungen (hier der Boni) Schlüsselungen zulässig. Ein abweichendes Vorgehen lässt sich nicht rechtfertigen, d. h. »in ähnlichen Zusammenhängen im selben Regelungszusammenhang mehrfach verwandte Begriffe (dürfen, die Verf.) nicht ohne zwingenden Grund unterschiedlich ausgelegt werden« (Rn. 40). Zudem soll den Abschlusszwecken folgend der Anschaffungsvorgang erfolgsneutral bleiben, d. h. die Kosten der Anschaffung sind vollständig zu aktivieren und eben auch die Anschaffungskostenminderungen vollständig zu kürzen. Die Kürzung ergibt sich insofern auch teleologisch aus den Abschlusszwecken (hierzu Rn. 40 f.). Die Problematik ist somit vergleichbar mit der Einbeziehung von z. B. Weihnachtsgeld oder Prämien als Einzelkosten der Fertigung in die Anschaffungskosten, da diese Entgeltbestandteile bei der Erbringung der einzelnen Arbeitsleistung noch nicht feststehen und durch sie allenfalls mitverursacht werden. Folgt man der Auffassung, »Boni seien nicht einzeln zuordenbar, so dürften folgerichtig auch solche Entgeltbestandteile, die nicht allein durch die Inanspruchnahme einer bestimmten Arbeitsleistung verursacht werden, nicht in die Ermittlung der Einzelkosten eingezogen werden. Andernfalls würden an die Qualifikation als Anschaffungskostenminderung höhere Anforderungen gestellt, als an die Qualifikation als Anschaffungskosten« (Rn. 46). Zudem ist davon auszugehen, dass ein »Kaufmann den zu erwartenden Bonus bei der Entscheidung über die Anschaffung eines Vermögensgegenstands antizipieren wird. (…) Die Abbildung eines Erwerbsgewinns (…) in Höhe des Bonus ist der handelsrechtlichen Rechnungslegung wesensfremd« (Rn. 47). Da mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG; s. Kap. I.3.2.2.1.b) eine maßvolle Annäherung des HGB an die IFRS angestrebt wurde, spricht auch der Umstand, dass Boni nach IFRS als Anschaffungskostenminderung zu berücksichtigen sind, für die dementsprechende Handhabung nach HGB (hierzu Rn. 48). Weiterhin fordert die durch das BilRUG umgesetzte EU-Richtlinie nicht die Einzelzuordenbarkeit, sondern lediglich die Zurechenbarkeit der Anschaffungspreisminderung. Da es der Wille des deutschen Gesetzgebers war, die Ziele der Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen, »kann es nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein, durch eng gefasste Voraussetzungen für den Abzug von Anschaffungskostenminderungen eine Abweichung vom EU-Recht zu generieren« (Rn. 49). Daher reicht eine Schlüsselung aus, um § 255 Abs. 1 S. 3 HGB zu entsprechen (richtlinienkonforme Auslegung). Dies gilt umso mehr, da somit die Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs gewährleistet wird (hierzu Rn. 50). Daher sind Boni als Anschaffungspreisminderungen zu berücksichtigen. Hierfür spricht auch, dass im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BilRUG eine grundlegende Änderung der bisherigen Praxis nicht beabsichtigt war. Sollten die Boni der Höhe nach unwesentlich sein, erscheint es auch vertretbar, den auf die noch auf Lager befindlichen Vermögensgegenstände entfallenden Teil, ertragswirksam zu erfassen (hierzu Rn. 30, 51).
Die Argumentationskraft eines Kommentars variiert häufig in Abhängigkeit vom Umfang der Kommentierung. Es ist naheliegend, dass ein Kommentar, der zu einer bestimmten Fragestellung mehr als doppelt so viele Seiten umfasst als ein anderer (in dem hier vorliegenden Fall der BilRUG-Änderungskommentar im Vergleich zu den anderen Kommentierungen), vermutlich eher eine tiefer ins Detail gehende Problemlösung anbietet. Gleichwohl sollte auch ein weniger umfangreicher Kommentar zentrale Probleme als solche identifizieren und zentrale Argumente für die Problemlösung zumindest benennen. Weiterhin ist anzumerken, dass die beispielhafte Untersuchung der angesprochenen Kommentare nicht geeignet ist, um ein Qualitätsurteil über den Kommentar als Ganzes auszusprechen.
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Werden die Kommentare näher gewürdigt, so wird deutlich, dass die Qualität der Argumente im vorliegenden Beispiel der Behandlung von Bonuszahlungen stark variiert. Sie reichen von bloßen Behauptungen bis hin zu wohl begründeten Ausführungen. Am wenigsten überzeugen können der Bilanzrecht Kommentar und das Handbuch der Rechnungslegung, da hier die grundsätzliche Befürwortung für eine Behandlung von Boni als sonstiger betrieblicher Ertrag nicht überzeugend mit Argumenten belegt wird. Beispielsweise wird nicht deutlich, warum eine Zuordnung grundsätzlich willkürlich ist. Dem Beck’schen Bilanz-Kommentar ist im Ergebnis zuzustimmen, auch wenn das Kernargument der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs nicht explizit herausgearbeitet wurde. Die Argumentationen in den Kommentierungen führen nicht explizit an, dass es sich um hermeneutisch bedeutsame Kriterien handelt. Am deutlichsten wird die Bezugnahme auf die Kriterien »Entstehungsgeschichte des Gesetzes und Ansichten des Gesetzgebers«, »teleologische Auslegung«, »Wortlaut und Wortsinn der gesetzlichen Vorschriften« sowie »Bedeutungszusammenhang dieser Vorschriften« im BilRUG-Änderungskommentar. Letztendlich ist die Überzeugungskraft der Argumente hier am stärksten. Demnach ist auch nach der hier vertretenen Auffassung ein Bonus grundsätzlich als Anschaffungspreisminderung zu behandeln. Eine Buchung als sonstiger betrieblicher Ertrag erscheint allenfalls unter Hinweis auf den Rahmengrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit (s. Kap. II.4.4.3.6) möglich. Es sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass die vorstehende Würdigung der Kommentare sich ausschließlich auf die Behandlung von Boni-Zahlungen bezieht und sich ohne nähere Prüfung nicht auf andere Inhalte der herangezogenen Kommentare übertragen lässt. c. Bedeutung weiterer Normen Im Folgenden wird die Bedeutung der Rechnungslegungsnormen des IDW, des DSR sowie der Stellenwert der internationalen Rechnungslegungsnormen des IASB im Rahmen der Auslegung kodifizierter Rechtsnormen näher beleuchtet. Die Rechnungslegungsnormen des IDW (s. Kap. I.5.2.2.3) besitzen grundsätzlich den Charakter beachtenswerter Literatur (s. Kap. II.6.2.2.b). Auch diese Normen müssen letztendlich kraft Argumentation überzeugen. Gleichwohl ist eine hohe Bedeutung zu vermuten, da IDW-Normen von fachkundigen Personen in einem standardisierten Verfahren (due process) entwickelt wurden. Faktisch gewinnen sie außerdem dadurch an Bedeutung, dass die Abschlussprüfer, die bei einem prüfungspflichtigen Unternehmen letztlich das gewählte bilanzielle Vorgehen testieren müssen, sich aus Gründen der leichteren Exkulpation häufig an den Verlautbarungen des IDW orientieren. Nachteilig ist dabei, dass sich in den gesetzten Normen vermutlich die Interessen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer widerspiegeln. Auch die Normen des DSR (s. Kap. I.5.2.2.2) haben zunächst einmal den Charakter beachtenswerter Literatur. Für eine hohe Bedeutung dieser Normen spricht das standardisierte Verfahren der Normengebung. Dem steht der vermutlich hohe Einfluss der Unternehmensinteressen entgegen (s. Kap. I.5.2.2.2; »DRSC und Unternehmensinteressen»). Gleichwohl unterscheiden sich die DRS- und die IDW-Normen dahingehend, dass das DRSC als Trägerorganisation des DSR über § 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB gesetzlich dazu legitimiert ist, Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung herauszugeben (sog. GoB-Vermutung im Hinblick auf den Konzernabschluss). Demnach besitzen die DRS Kraft ihrer Natur eine höhere Bedeutung als die IDW-Normen, wenn es um die Erstellung von HGB-Konzernabschlüssen geht. Gleichwohl kann ein DRS auch in Bezug auf Konzernabschlüsse ein Gesetz nicht aushebeln, d. h. ein zum Gesetz widersprüchliches Vorgehen vorgeben oder gesetzliche Wahlrechte einschränken. Zudem kann die GoB-Vermutung widerlegt werden.
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Nach der hier vertretenen Auffassung lassen sich bei der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die IFRS bei der Auslegung und Anwendung deutscher Rechtsnormen bedeutsam sein können, verschiedene Fallgruppen unterscheiden (zu den nachstehenden Ausführungen vgl. Hennrichs/Pöschke 2009, S. 532 ff.; insofern offensichtlich a. A. Moxter 2009, S. 7 ff.): y Nimmt eine kodifizierte Rechtsnorm explizit Bezug auf die IFRS, so ist die internationale Norm maßgeblich, auf die verwiesen wird (sog. dynamischer Verweis). Hierfür gibt es derzeit mit dem Begriff der »nahestehenden Unternehmen und Personen« nur ein Anwendungsbeispiel. Dieser Begriff ist nach §§ 285 Nr. 21, 314 Nr. 13 HGB i. S. von IAS 24 auszulegen. Die Verweisung auf IAS 24 ergibt sich dergestalt, dass die beiden zuvor genannten Gesetzesnormen der Umsetzung der Vierten EG-Richtlinie dienen und dieser Richtlinie zufolge der Begriff »nahestehende Unternehmen und Personen« i. S. von IAS 24 zu verstehen ist (vgl. Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der am 5.9.2006 in Kraft getretenen Richtlinie zur Änderung der 4. und 7. EG-Richtlinie; so auch IDW RS HFA 33.8). y Sind die Vorschriften des HGB nach dem Vorbild der IFRS gestaltet, so können die IFRS punktuell als Interpretationshilfe berücksichtigt werden. Als Beispiel sei die Regelung des IAS 38 in Bezug auf die Beantwortung der Frage, ob die Ansatzvoraussetzungen für eine mögliche Aktivierung von Entwicklungskosten gem. § 248 Abs. 2 HGB gegeben sind, genannt (i. d. S. offensichtlich auch Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, S. 76 f., die hier von einer Eignung der IFRS als Orientierungshilfe sprechen). Gleichwohl ist stets einzelfallbezogen zu prüfen, ob sich unter Anwendung der IFRS eine sachgerechte Problemlösung ergibt. y Ähnliches gilt für den Fall, in dem die HGB-Regelung nicht bewusst nach dem Vorbild der IFRS gestaltet wurde; allerdings ist in diesem Fall eine besonders kritische einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen. y Hat der deutsche Gesetzgeber bewusst von den IFRS abweichende Normen geschaffen, sind zweifelsfrei die deutschen Gesetze anzuwenden. Aufgrund der dominierenden Informationsfunktion des HGB-Konzernabschlusses ist zu erwarten, dass die IFRS hier eine gewisse Bedeutung erlangen können.
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Kontrollfragen zu II.6. 1. Welchen Stellenwert besitzt das IASB Conceptual Framework, wenn es darum geht, einen unbestimmten Normbegriff auszulegen, der sich in einem IFRS findet? 2. Wie sind auf internationaler Ebene unbestimmte Normbegriffe auszulegen? 3. Sie sind Mitarbeiter der börsennotierten Flying Wings AG, die nach IFRS Rechnung legt. Die Lösung eines Bewertungsproblems steht an. Ihr Vorgesetzter beauftragt Sie, die relevante Rechnungslegungsliteratur zu recherchieren und die Meinungen herauszusuchen, welche eine bestimmte seitens der Flying Wings AG gewünschte Vorgehensweise stützen. Welches Problem könnte sich bei der Herleitung einer i. S. von IAS 8 sachgerechten Problemlösung ergeben? 4. Stellen die gesetzlichen Regelungen des HGB eine beachtenswerte Quelle im Sinne von IAS 8.11 f. dar? 5. Sie haben eine Regelungslücke in den IFRS identifiziert, welche Sie zu schließen versuchen. Sie entdecken dafür Kommentarliteratur sowie jeweils eine Behandlung dieser Lücke in den US-GAAP und im HGB. Welche Quellen ziehen Sie heran und wie nehmen Sie eine etwaige Gewichtung vor? 6. Diskutieren Sie, ob und inwieweit die Entscheidungen der BaFin im Rahmen der Auslegung der IFRS oder bei der Existenz von Regelungslücken in den IFRS Bedeutung erlangen können. 7. Ein ED gibt für die bilanzielle Abbildung eines Sachverhalts eine bestimmte Bewertungsmethode vor. Sind Konstellationen denkbar, unter denen der Abschlussersteller das ED zwingend beachten muss? Sollte dies der Fall sein, geben Sie mögliche Voraussetzungen an, die eine Beachtung des ED erforderlich machen! 8. Beschreiben Sie, wie im Rahmen der Erstellung eines HGB-Abschlusses kodifizierte Rechtsnormen auszulegen sind. 9. Anzuwenden sind die deutschen GoB. Diskutieren Sie mögliche Einschränkungen bei der Ausübung von Wahlrechten. 10. Zu erstellen ist ein HGB-Abschluss. Welche Bedeutung besitzt Rechnungslegungsliteratur bei der Auslegung kodifizierter Rechtsnormen? 11. Es stellt sich die Frage, ob bestimmte Aufwendungen im Rahmen der Herstellungskosten aktivierbar sind. Zu erstellen ist ein HGB-Einzelabschluss. Skizzieren Sie die Problemlösungsmethodik! 12. Welche Bedeutung besitzen die IFRS bei der Auslegung gesetzlich kodifizierter Rechtsnormen? Gehen Sie dabei zum einen von der Erstellung eines HGB- Einzelabschlusses und zum anderen von der Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses aus.
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7 Informationsgehalt und Abschlusspolitik LERNZIELE
y y
Verständnis für die zielgerichtete Ausnutzung diskretionärer Spielräume in den Rechnungslegungsnormen. Kenntnis des Bezugsrahmens für die abschlusspolitische Gestaltung von Jahresabschlüssen und insbesondere der abschlusspolitischen Ziele und Mittel.
7.1 Im Spannungsfeld zwischen entscheidungsnützlichen Informationen und abschlusspolitischen Erwägungen Ein losgelöst von abschlusspolitischen Erwägungen erstellter Abschluss ist dergestalt aufzustellen, dass den gesetzten Zielen des Normgebers bestmöglich entsprochen wird. Demnach wären z. B. bestehende Ermessensspielräume und Wahlrechte so auszuüben, dass der Abschluss den Adressaten bestmögliche Informationen für ihre Entscheidungen liefert (s. Kap. I.2.2.2). Ein solches Vorgehen vernachlässigt jedoch den Umstand, dass (wie im Folgenden gezeigt wird) der Abschluss regelmäßig als Instrument zur Verhaltensbeeinflussung der Abschlussadressaten herangezogen wird. Auf diese Weise findet in gewisser Weise auch das Gedankengut der Neuen Institutionenökonomie (s. Kap. I.4.2) Beachtung. Angesprochen sind vor allem y die Verhaltensannahme »Opportunismus der Akteure«, d. h., das Verhalten des Abschlusserstellers orientiert sich am eigenen Nutzen und y die Informationsannahme »asymmetrische Informationsverteilung«, d. h., ungleich verteilte Informationen werden systematisch zum eigenen Vorteil genutzt. Verhaltensbeeinflussung der Abschlussadressaten ist gleichzusetzen mit dem Betreiben von Abschlusspolitik (vgl. Healy/Wahlen 1999, S. 368). Dem folgend ist Abschlusspolitik definiert als die bewusste und zielgerichtete Gestaltung des Jahresabschlusses innerhalb des gegebenen Normrahmens. Im anglo-amerikanischen Raum finden weitgehend synonym die Begriffe creative accounting, window dressing oder earnings management Verwendung.91 Der häufig verwendete Begriff Bilanzpolitik 92 greift zu kurz, da das Gestaltungsinteresse sich nicht nur auf die Bilanz, sondern ggf. auch auf andere Abschlusselemente, wie z. B. die GuV und den Anhang bzw. die notes, richten kann. Auch andere Publizitätselemente, wie z. B. Lagebericht (vgl. Grottke/Höschele/Wildner 2015) oder unterjähriger Bericht, lassen sich entsprechend der Zielsetzung der Unternehmensleitung gestalten. Ein Instrument zur Messung der Gestaltung und Lesefreundlichkeit von Publizitätselementen ist z. B. der sog. »Fog Index«. Dieser misst die Lesbarkeit durch eine Kombination aus der Anzahl von Silben pro Wort und der Anzahl von Wörtern pro Satz. In diesem Zusammenhang lässt sich empirisch zeigen, dass Unternehmen mit persistenter Ertragslage einfacher geschriebene und zu verstehende Abschlüsse publizieren (vgl. Li 2008, S. 25). Aktuellere Studien identifizieren einige methodische Schwächen dieses Indizes und schätzen die Kom-
91 Vgl. Mulford/Comiskey 2002, S. 3; teilweise werden auch Begriffe (wie z. B. fraudulent financial reporting) verwendet, die sich auf Aktivitäten außerhalb des gesetzten Normenrahmens (Abschlussmanipulation) beziehen. 92 Dieser Begriff findet sich z. B. bei Pfleger 1991; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 263 ff. Regelmäßig wird auch unter dem Begriff Bilanzpolitik die Beeinflussung verschiedener Elemente des Jahresabschlusses subsumiert.
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plexität der Offenlegung im Zusammenhang mit Jahresabschlüssen im Kontext von »conference calls« (vgl. Bushee/Gow/Taylor 2018). Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen Abschlusspolitik und der Lesefreundlichkeit (vgl. Lo/Ramos/Rogo 2017, S. 3). Ein alternatives, in der aktuellen Forschung häufig favorisiertes Maß ist der »Bog Index«. Dieser misst die Lesbarkeit von Abschlüssen anhand konkreter Textmerkmale, die im Zusammenhang mit Offenlegung stehen (vgl. Bonsall et al. 2017). Für eine Übersicht zur Forschung im Zusammenhang mit Jahresabschlüssen und Leserfreundlichkeit siehe Loughran/McDonald 2016. Die Wirkung von Abschlusspolitik ist nicht eindeutig: Abschlusspolitik kann (1) positiv wirken, indem glaubwürdige Insiderinformationen über die langfristige Unternehmensentwicklung vermittelt werden, (2) schädlich sein, wenn sie die »wahre« Information über den Unternehmenswert verzerrt oder verschleiert oder (3) eine neutrale Wirkung haben, wenn die Abschlussadressaten aufgrund der dort gegebenen Informationen keine Anpassung ihrer langfristigen Werterwartungen vornehmen (vgl. Ronen/Yaari 2008, S. 27). Dabei sind auch die Kosten der Informationsverarbeitung seitens der Abschlussadressaten bedeutsam, d. h., hier könnte der Abschlussersteller ggf. daran interessiert sein, diese Kosten zu erhöhen, um das Entdecken von Falschdarstellungen zu behindern (»to mask misreporting«; siehe Blankespoor/deHaan/Marinovic 2020). Empirische Evidenz zu den Determinanten, den Möglichkeiten zur Identifikation sowie den Wirkungen von Abschlusspolitik ist für Normengeber und Abschlussadressaten von hohem Interesse. Für Normengeber sind Erkenntnisse über Abschlusspolitik wesentlich, um die Wirkung von Bilanzierungsänderungen (beispielsweise die Einführung von Bilanzierungswahlrechten) beurteilen zu können. Abschlussleser sind an entscheidungsnützlichen Informationen über die Unternehmensentwicklung interessiert. Die Identifikation von Abschlusspolitik würde es ihnen ermöglichen, Jahresabschlussinformationen zu »bereinigen«. Die Aufdeckung abschlusspolitischer Maßnahmen erfolgt im Rahmen der Abschlussanalyse (z. B. Küting/Weber 2015). Insofern ist die Abschlussanalyse auch als »Gegenspieler der Abschlusspolitik« zu interpretieren. Eine Beurteilung der Wirkungsweise von Abschlusspolitik im Einzelfall setzt die empirische Identifizierbarkeit abschlusspolitischer Maßnahmen voraus. Dabei stellen sich jedoch vier wesentliche Probleme: 1. Abschlusspolitik kann nicht direkt beobachtet werden. Die empirische Literatur hat daher verschiedene Ansätze zur indirekten Identifikation von Abschlusspolitik entwickelt. – Die Messung von Abschlusspolitik anhand der Höhe von sog. diskretionären, abschlusspolitisch motivierten Periodenabgrenzungen wird im folgenden Exkurs kurz vorgestellt. – Bei der Messung von Abschlusspolitik ist neben dem diskretionären Ansatz vor allem die Verteilung der Gewinngröße von besonderer Bedeutung. Burgstahler/ Dichev 1997, stellten Unregelmäßigkeiten in der Häufigkeit der zu beobachtenden, mit Marktwerten, Umsätzen oder der Bilanzsumme skalierten Gewinne fest. Aus der relativ geringen Häufigkeit von kleinen Verlusten und leichten Gewinnrückgängen gegenüber dem Vorjahr schließen sie auf die Existenz von Abschlusspolitik. Dieser Ansatz, der in nachfolgenden Studien vielfach aufgegriffen und modifiziert wurde (vgl. z. B. Jacob/Jorgensen 2007), sieht sich jedoch methodischer Kritik ausgesetzt (vgl. Beaver/McNichols/Nelson 2007; Durtschi/Easton 2009; Burgstahler/Chuk 2015). Für einen modellbasierten Ansatz zur Messung der Verteilung von Gewinngrößen sowie empirischer Evidenz zur Abschlusspolitik, siehe Beyer/Guttman/Maronovic 2019).
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Exkurs Empirische Messung von Abschlusspolitik anhand von Periodenabgrenzungen Ein Forschungsansatz, der auf Healy (1985) zurückgeht, versucht Abschlusspolitik anhand der Höhe der Periodenabgrenzungen zu identifizieren. Die Höhe der Periodenabgrenzungen kann als Differenz zwischen Jahresüberschuss und dem Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit bestimmt werden. Anhand von Daten aus der Gewinn- und Verlustrechnung werden die gesamten Periodenabgrenzungen üblicherweise wie folgt ermittelt (vgl. Szczesny 2007, S. 106):
Gesamte Perioden- = abgrenzungen
∆ kurzfristiges Vermögen – ∆ Kasse
–
∆ kurzfristige Verbindlichkeiten – ∆ kurzfristig fällige Anteile langfristiger Verbindlichkeiten – ∆ abgegrenzte Steuern
–
Abschreibungen auf das Anlagevermögen
Die gesamten Periodenabgrenzungen ergeben sich dabei als Veränderung des kurzfristigen Vermögens abzüglich der Veränderung der kurzfristigen Verbindlichkeiten. Beide Positionen werden um Veränderungen, die nicht auf Abgrenzungen zurückzuführen sind (z. B. Änderungen im Kassenbestand), korrigiert. Zusätzlich wird die Höhe der Abschreibungen auf das Anlagevermögen einbezogen. In einem zweiten Schritt wird versucht, die so ermittelten Periodenabgrenzungen in einen sog. normalen und einen diskretionären (abnormalen) Bestandteil aufzuteilen (vgl. Szczesny, 2007, S. 106 ff.). Lediglich der diskretionäre Bestandteil wird als Indikator für Abschlusspolitik angesehen. Während frühe Ansätze den normalen Bestandteil der Periodenabgrenzungen als Durchschnitt vorangegangener Perioden oder im Rahmen eines Random-Walk-Modells als den Wert der Vorperiode ermittelten (vgl. Healy 1985; kritisch hierzu DeAngelo 1986), wird dieser in aktuelleren Studien meist im Rahmen von Regressionsanalysen geschätzt. Dabei werden die vergangenen Periodenabgrenzungen eines Unternehmens oder in manchen Studien die Periodenabgrenzungen verschiedener Unternehmen derselben Branche auf Bestimmungsfaktoren wie z. B. die Veränderung der Umsatzerlöse (vgl. u. a. Jones 1991; in modifizierter Form Dechow/Sloan/Sweeney 1995) regressiert. Mithilfe der so ermittelten Koeffizienten wird die Höhe der unternehmensspezifischen normalen Periodenabgrenzungen geschätzt. Zur Ermittlung der diskretionären Periodenabgrenzungen werden schließlich die geschätzten normalen Abgrenzungen von den gesamten Periodenabgrenzungen subtrahiert. Zu einer alternativen Messung diskretionärer Periodenabgrenzung basierend auf Veränderungen des Eigenkapitals und Kassenpositionen, siehe Larson/Sloan/Giedt 2018. Die Weiterentwicklung dieser empirischen Methoden ist Gegenstand aktueller Forschung. So führt z. B. die Annahme einer linearen Abhängigkeit in den o. g. Regressionsanalysen zu relativ hohen Messfehlern, weil Abschlusspolitik nichtlineare Zusammenhänge impliziert. Diese Nichtlinearität wird z. B. beim Ansatz von Erträgen und Aufwendungen deutlich. Aufwendungen werden häufig über einen längeren Zeitraum verbucht, während Erträge erst realisiert werden, wenn der dazugehörige Zahlungsstrom geflossen ist. Daraus entsteht eine Asymmetrie, die nicht linear ist. Die Schätzung nichtlinearer Modelle führt somit zu deutlichen Verbesserungen in der Messgenauigkeit (vgl. Ball/Shivakumar 2006, S. 207). Gow, Larcker und Reiss (2016) zufolge sollte die Rechnungslegungsforschung generell stärker auf die Entwicklung strukturierter Modelle abstellen, sodass kausale Beziehungen getestet werden können, um inhärente Schwächen der vorherrschenden Assoziationsstudien zu mildern (siehe auch Leuz/Wysocki 2016). Weiterhin zeigen neuere empirische Studien, dass die Schätzung der diskretionären Bestandteile aufgrund von unterschiedlichen Geschäftsmodellen problematisch ist (vgl. Owens/Wu/Zimmerman 2017, S. 210). Auch in derselben Industrie operierende Unternehmen unterscheiden sich regelmäßig stark von anderen Vergleichsunternehmen. Jedes Unternehmen reagiert somit unterschiedlich auf Veränderungen, wie z. B. technologischen Wandel, sich ändernde Regularien, oder wachsenden Wettbewerb. Unternehmen besitzen somit firmeneigene (idiosynkratische) Risiken, die die Abschlusspolitik und die Messung der diskretionären Anteile beeinflussen. Gerade in Zeiten von schnellen technischen Veränderungen und sich ändernder Gesetzgebung werden die Modelle unpräziser und müssen entsprechend angepasst werden (vgl. Owens/Wu/Zimmerman 2017, S. 184).
– Auch über Befragungen lassen sich Erkenntnisse hinsichtlich abschlusspolitischer Aktivitäten gewinnen. Beispielsweise zeigt eine Befragung von 375 CFOs von börsennotierten Unternehmen, dass mehr als 20 % der Unternehmen aktiv Abschluss-
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politik betreiben und dass diese Maßnahmen die Ergebnisgröße durchschnittlich um ca. 10 % verzerren (vgl. Dichev et al. 2013; Dichev et al. 2016; siehe auch Scheld 1994, S. 70 f., 94 f. sowie zu abschlusspolitischen Motiven nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen Eierle/Klamer/Ther 2019). 2. Die Identifikation abschlusspolitischer Maßnahmen wird durch die verschiedenen und teils konträren Zielsetzungen von Abschlusspolitik erschwert. Abschlusspolitik kann zum Ziel haben, das ausgewiesene Ergebnis zu erhöhen, wenn beispielsweise variable Vergütungsbestandteile des Managements an dieses Ergebnis geknüpft sind. Gerade nach einer Umbesetzung des Managements könnten neuberufene Manager jedoch auch eine Reduzierung des Jahresergebnisses, das ihren Vorgängern zugeschrieben wird, anstreben (sog. Big Bath Accounting, vgl. Elliott/Shaw 1988). Dadurch würden stille Reserven geschaffen, die in späteren Jahren aufgelöst werden könnten. Sind handelsbilanzielle Ansätze für die Steuerbilanz maßgeblich (zur Steuerabschlusspolitik siehe u. a. Zwirner/Künkele 2012), könnten Unternehmen durch ergebnissenkende Maßnahmen außerdem steuerliche Zinsvorteile realisieren (vgl. auch Goncharov/Jacob, 2014, S. 1158). Weitere abschlusspolitische Ziele stellen die intertemporale Glättung von Gewinnen (sog. Income Smoothing; vgl. Goel/Thakor 2003) sowie das Erreichen von gegebenen Gewinnzielen oder Analystenschätzungen (vgl. Kasznik/McNichols 2002; Doyle/Jennings/Soliman 2013) dar. 3. Abschlusspolitik kann rein buchmäßig erfolgen, d. h. durch eine bewusste Veränderung der Periodisierung von gegebenen Zahlungsströmen im Rechnungswesen. Sie kann jedoch auch durch Veränderungen der »realen« Geschäftspolitik betrieben werden, beispielsweise durch Rabattaktionen am Geschäftsjahresende, die sich positiv auf die Umsatzerlöse der laufenden Berichtsperiode, aber negativ auf zukünftige Umsätze auswirken (sog. Sachverhaltsgestaltungen (s. Kap. II.7.2.2.2.b1); vgl. Roychowdhury 2006, S. 338). Während buchmäßige Abschlusspolitik lediglich die Abbildung von Zahlungsströmen im Rechnungswesen beeinflusst, führt reale Abschlusspolitik zu veränderten Zahlungsströmen. Reale und buchmäßige Abschlusspolitik können komplementär bzw. substitutiv eingesetzt werden, d. h., reale Abschlusspolitik kann z. B. anstelle von buchmäßiger Abschlusspolitik verwendet werden und vice versa. Empirische Befunde von Zang (2012) deuten darauf hin, dass Unternehmen basierend auf den relativen Kosten der buchmäßigen oder sachverhaltsgestaltenden Abschlusspolitik versuchen, die Kosten der Abschlusspolitik zu minimieren. Dabei ist zu beachten, dass reale Abschlusspolitik während des Geschäftsjahres erfolgen muss, während buchmäßige Abschlusspolitik auch noch nach dem Abschlussstichtag (bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Abschlusses) durchgeführt werden kann. Die theoretische Analyse sowie empirische Messung der Auswirkungen von Offenlegungspflichten und realen Unternehmensaktivitäten, wie z. B. Investitionsentscheidungen, ist Gegenstand aktueller Forschung (siehe Kanodia/Sapra, 2016). 4. Unabhängig von der gewählten empirischen Maßgröße fehlt ein objektiver »Eichstrich« zur Messung von Abschlusspolitik. Beispielsweise kann die Höhe der bei Abwesenheit von Abschlusspolitik vorzunehmenden Periodenabgrenzungen oder die Verteilung von Gewinngrößen nur angenommen, aber nicht objektiv bestimmt werden. Aufgrund der oben genannten Einschränkungen gibt es bislang trotz eines umfangreichen Literaturbestands zu diesem Thema keine allgemein akzeptierte Methodik zur empirischen Messung von Abschlusspolitik. Viele Studien wählen daher gezielt bestimmte Situationen als Untersuchungsgegenstand aus (vgl. z. B. Stubben 2010), in denen sie eine bestimmte Form
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von Abschlusspolitik vermuten, oder bedienen sich mehrerer alternativer Ansätze, um die Robustheit ihrer Ergebnisse zu plausibilisieren (vgl. z. B. Leuz/Nanda/Wysocki 2003). Gleichwohl legen es die Ergebnisse zahlreicher empirischer Studien nahe, dass in der Unternehmenspraxis Abschlusspolitik betrieben wird.93 Aktuelle Rechnungslegungsregulierung zielt derzeit verstärkt darauf ab, die realen Aktivitäten von Unternehmen zu lenken. Angesprochen sind vor allem corporate social responsiblity-Aktivitäten, wie beispielsweise das Erreichen von Klimazielen nebst Berichterstattung hierüber im Lagebericht (s. Kap. III.4.4). Insofern führen verstärkte Regulierungsaktivitäten auch zu ausgeweiteten abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten. Die in empirischen Studien gefundenen Ergebnisse stützen beispielsweise die folgenden Hypothesen:94 y Unternehmen neigen bei einem Börsengang zu einer ergebniserhöhenden Abschlusspolitik, um den Ausgabekurs der Aktien zu steigern (Ausgabekurshypothese). Die oftmals nachweisbaren negativen Marktrenditen nach einem Börsengang werden mitunter als weiterer Beleg für diese Hypothese interpretiert (vgl. Wagenhofer/Ewert 2015, S. 289 f. und die dort angegebenen Studien). y Werden Manager in Abhängigkeit vom Jahresergebnis entlohnt, betreiben diese zumeist eine ergebniserhöhende Abschlusspolitik (Bonushypothese; vgl. Healy 1985). So zeigen z. B. Bergstresser/Philippon (2004), dass der Anteil der diskretionären Periodenabgrenzung opportunistisch eingesetzt wird, um von Aktienkurssteigerungen zu profitieren, wenn die Entlohnung an den Kurs der Aktie gekoppelt ist. Zusätzlich neigen Manager zu riskanteren Investitionen, z. B. in Forschung und Entwicklung, um die Volatilität des Aktienkurses zu beeinflussen und somit den Wert ihrer Aktienoptionen zu steigern (vgl. Coles/Daniel/Naveen 2006). Im Einklang mit der Bonushypothese steht auch, dass Manager mit ergebnisabhängiger Entlohnung dazu neigen, kurz vor ihrer Pensionierung (nicht aktivierbare) Forschungsaufwendungen zu reduzieren, da sie die »Früchte« dieser Investitionen nicht mehr über die variable Entlohnung »ernten« (sog. horizon problem; vgl. Simons 2002a, S. 63 ff.; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 298 m. w. N.). Allerdings finden sich empirische Belege, dass sich die Aufsichtsgremien dieses Problems bewusst sind und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen (vgl. Cheng 2004). y Teilweise existieren Kreditvertragsklauseln (debt covenants), die z. B. eine sofortige Fälligstellung des Darlehns einräumen, wenn der Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital) einen bestimmten Grenzwert überschreitet. In diesem Fall besteht ein Anreiz zu einer ergebniserhöhenden Abschlusspolitik, wenn das Unternehmen in die Nähe des Grenzwertes kommt (Verschuldungsgradhypothese). Die Verschuldungsgradhypothese gilt empirisch als weitgehend bestätigt (vgl. z. B. Sweeney 1994 sowie Wagenhofer/Ewert 2015, S. 293 f. und die dort angegebenen Studien). y Je transparenter die Finanzberichterstattung, desto weniger neigen die Unternehmen dazu, Abschlusspolitik zu betreiben (Transparenzhypothese). In diesem Fall sinkt der erwartete Nutzen abschlusspolitischer Maßnahmen, da die Gefahr groß ist, dass diese von Dritten erkannt werden (vgl. hierzu Hunton/Libby/Mazza 2006, S. 135 ff. unter Bezugnahme auf die Veröffentlichungspflichten zum comprehensive income). y Neuere Studien legen nahe, dass buchmäßige und reale Abschlusspolitik im Sinne von Sachverhaltsgestaltungen substitutiv eingesetzt werden. So lässt sich beispielsweise
93 Literaturübersichten finden sich z. B. in Healy/Wahlen 1999; Szczesny 2007; Walker 2013. 94 Die Bonus- und die Verschuldungsgradhypothese sind auch Gegenstand der PAT; s. Kap. I.4.2.2.
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nach der Verabschiedung des Sarbanes Oxley Acts in den USA, der höhere Anforderungen an die Transparenz und Prüfung der Finanzberichterstattung stellte, eine Zunahme der realen Abschlusspolitik feststellen (vgl. beispielsweise Cohen/Dey/Lys 2008). Sterling/Roychowdhury/Sletten (2020) untersuchen in Bezug darauf, wie sich die Involvierung in Rechtsstreitigkeiten (litigation) auf Sachverhaltsgestaltungen, konkret earnings management, auswirken. Dabei reduziert das Risiko einer Rechtsstreitigkeit sachverhaltsgestaltende Maßnahmen. Von der Abschlusspolitik zu unterscheiden ist die Abschlussmanipulation. Hier wird der Abschluss außerhalb der Grenze dessen, was nach den im Einzelfall angewandten Normen zulässig ist, manipuliert. Beispiel Manipulationen von Abschlüssen Der Zahlungsdienstleister Wirecard wies durch die Erfassung künstlicher Umsätze jahrelang Gewinne aus, obwohl das Geschäft tatsächlich Verluste zeigte. Zudem bildete die Bilanz nicht vorhandene, liquide Mittel in Höhe von 1,9 Mrd. € ab (vgl. o. V. 2020; Peemöller/Krehl/Hofmann/Lack 2020, S. 255 ff.).95 Bei der französischen Tochter der RTL Group RTL Radio wurden die Bilanzen über 8 Jahre manipuliert. Daraus entstand eine Belastung von knapp unter 25 Mio. € (vgl. o. V. 2017, S. 10). In einem anderen Beispiel hat der Technologiekonzern Toshiba sein Nettovermögen konstant über sieben Jahre in einem Volumen von rund 1,2 Mrd. € manipuliert (vgl. o. V. 2016). Gängige Praktiken waren vorgezogene Verbuchungen von Verkäufen, nicht gebuchte Verluste aus mehrjährigen Verträgen und die falsche Behandlung von Betriebskosten (vgl. Schmutz 2015). Die manipulierten Abschlüsse wurden u. a. dazu benutzt, um bei Kapitalerhöhungen eine bessere Lage (s. Kap. III 3.6) zu kommunizieren.
In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit entsteht häufig der Eindruck, Unternehmen würden Abschlüsse manipulieren. Dabei handelt es sich jedoch zumeist nicht um Abschlussmanipulation, sondern um Abschlusspolitik. Die folgenden Schlagzeilen verdeutlichen dies: Zitat Abschlusspolitik in der öffentlichen Kritik »Die Aufarbeitung der Umstände, die zur Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers geführt haben, führt neue und für die Beteiligten möglicherweise brisante Details zutage. Nach Angaben eines vom Konkursgericht bestellten und 2200 Seiten starken Prüfungsberichts hatten führende Angestellte von Lehman versucht, mit Bilanztricks die prekäre Lage der Bank Monate vor dem Zusammenbruch zu verschleiern« (Kuls 2010, S. 15). »Bilanzen: Deutschlands Konzernchefs haben aus zahllosen Skandalen der vergangenen Jahre nichts gelernt. Sie tricksen weiter – und nutzen nach Kräften die Spielräume der neuen internationalen Regelwerke« (Döhle/Papendick 2003, S. 128). »Gummiparagrafen machen Bilanztricks möglich: Betrugsfälle wie Worldcom in den USA sind die Ausnahme. Viel häufiger werden legale Tricks angewendet, um die Bilanz zu schönen. Hierbei haben die Buchhalter viel Raum für ›Gestaltung‹« (Lückmann 2002, S. 14; sowie Voss 2008, S. 20 f. unter Bezugnahme auf die Freenet AG).
95 Der Fall Wirecard hat zu einer Vielzahl von Gesetzesänderungen geführt, die im Zuge des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) umgesetzt wurden, vgl. z. B. Velte 2020.
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Im Folgenden wird zunächst der Einfluss der Abschlusspolitik auf die Normanwendung näher untersucht (s. Kap. II.7.2). Allerdings stellen sich auch losgelöst von abschlusspolitischen Erwägungen Probleme der Normanwendung. Diese Probleme werden unter der Annahme, es sei ein Abschluss zu erstellen, der bestmögliche entscheidungsnützliche Informationen liefern soll, in s. Kap. II.6 angegangen.
7.2 Abschlusspolitik 7.2.1 Abschlusspolitik aus dem Blickwinkel des entscheidungsorientierten Ansatzes Entscheidungsorientierte Ansätze sind unauflöslich mit den Zielen einer Rechnungslegungstheorie, d. h. dem Erkennen und der Gestaltung der Realität (s. Kap. I.4.1), verbunden (vgl. auch Heinen 1976; Ruhnke 1995, S. 47). Wird die Abschlusserstellung entscheidungsorientiert betrachtet, so geht es vor allem um die zielgerichtete Anwendung der Rechnungslegungsnormen unter Berücksichtigung abschlusspolitischer Überlegungen. Dabei lassen sich zwei Richtungen des entscheidungsorientierten Ansatzes unterscheiden: Während der empirisch deskriptive Ansatz primär dem Erkennen dient, d. h. der Frage nachgeht, wie abschlusspolitische Entscheidungen in der Realität getroffen werden, beschäftigt sich der normative entscheidungsorientierte Ansatz mit der Festlegung abschlusspolitischer Ziele sowie der Herleitung abschlusspolitischer Maßnahmen bei vorgegebenen Zielen. Aus dem Blickwinkel des entscheidungsorientierten Ansatzes geht es im Rahmen der Abschlusspolitik darum, Entscheidungsmodelle aufzustellen.96 Solche Modelle haben die Aufgabe, die Bestimmung optimaler Handlungsmöglichkeiten zu erleichtern. Sie suchen nach Mitteln zur optimalen Realisierung von Zielen. Ein abschlusspolitisches Entscheidungsmodell muss daher y sowohl Informationen über die angestrebten Ziele (Zielplan) y als auch die möglichen Handlungsalternativen und damit die abschlusspolitischen Aktionsparameter und deren Wirkungen (Entscheidungsfeld) umfassen (vgl. hierzu Sieben/Schildbach 1994, S. 131 ff.).97 Abschlusspolitik lässt sich daher aus dem Blickwinkel des entscheidungsorientierten Ansatzes auch und vor allem als Abschlussgestaltungstheorie verstehen. Die einem Entscheidungsmodell zugrunde liegende reale Situation ist regelmäßig komplex, sodass formale Abstraktion häufig das einzige Mittel zur adäquaten Beschreibung der Entscheidungssituation darstellt. Die hohe Komplexität resultiert zum einen y aus der Vielfalt der im Einzelfall einsetzbaren abschlusspolitischen Aktionsparameter und der daraus resultierenden Wirkungen (Entscheidungsfeld). y Zum anderen ist auch die Festlegung der angestrebten Ziele (Zielplan) mit einer hohen Komplexität behaftet. Diese resultiert vor allem daraus, dass – die Zielgröße, wie z. B. positive Außendarstellung durch Gestaltung der Ergebnisgröße, nicht immer zu maximieren ist, sondern dass teilweise auch ein bestimmtes Ausmaß der Zielgröße angestrebt wird (Höhenpräferenz).
96 Zum Stellenwert von Entscheidungsmodellen innerhalb der Betriebswirtschaftslehre vgl. stellvertr. Wöhe/Döring/Brösel 2020, S. 17 ff., insbes. S. 13 f. Zum Modellbegriff vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp 2019, S. 13 ff. 97 Sowie in Bezug auf den Konzernabschluss siehe ferner Ruhnke 1995, S. 48 ff. Beispiele finden sich u. a. in Christensen/ Demski 2003, S. 74 ff.
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– der Entscheidungsträger ggf. mehrere Zielgrößen anstrebt, die zumindest teilweise konfliktär sind. Beispielsweise führt ein hoher Ergebnisausweis im HGB-Einzelabschluss zu einer gewünscht positiven Außendarstellung, jedoch gleichzeitig zu nicht erwünschten hohen Ertragssteuerzahlungen (Artenpräferenz). – sich die abschlusspolitischen Maßnahmen im Zeitablauf regelmäßig umkehren. Beispielsweise führen höhere Abschreibungen in t1 in den Folgeperioden zu niedrigeren Abschreibungen (Zeitpräferenz). Diese intertemporalen Abhängigkeiten führen dazu, dass die eingesetzten Aktionsparameter nicht nur im Hinblick auf eine (einperiodige Modelle; hierzu Sieben/Schildbach 1994, S. 146 ff. sowie auf Konzernebene Schäfer 1999, S. 231 ff.), sondern über mehrere Perioden (mehrperiodige Modelle) hinweg zu untersuchen sind.98 Gleichwohl lassen sich über den Einsatz solcher Modelle Hinweise für die optimale Gestaltung des Entscheidungsfeldes geben. – bei mehrperiodiger Betrachtung Unsicherheiten die Abschlusspolitik erschweren. Dabei wird berücksichtigt, dass eine abschlusspolitische Maßnahme (Aktion) in Abhängigkeit von der Umwelt zu mehreren möglichen Ergebnissen führen kann (Unsicherheitspräferenz). Beispiel Abschlusspolitik und Unsicherheiten In t1 wurden Rückstellungen besonders vorsichtig (d. h. hoch) angesetzt, um über eine beabsichtigte Auflösung der Rückstellungen in t2 und die damit einhergehenden Erträge ein erwartet niedriges Ergebnis in t2 zu »vertuschen«. Allerdings ist die Ergebnislage in t2 unerwartet gut. Die Rückstellungen müssen aufgelöst werden, sodass es in t2 zum Ausweis eines unerwartet hohen Ergebnisses kommt, welches bei den Abschlussadressaten Ansprüche weckt, die das Unternehmen in Zukunft nicht zu erfüllen vermag. In t1 könnte es das Ziel sein, durch den erstmaligen Nichteinbezug von Verwaltungsgemeinkosten in die Herstellungskosten der Vorräte die Ergebnisgröße zu reduzieren, um ein in t2 erwartetes niedriges Ergebnis durch einen erneuten Wechsel auf eine Bewertung der Vorräte zu Vollkosten zu »kaschieren«. Während es in t1 gelingt, die Durchbrechung der Stetigkeit unter Hinweis auf eine Anpassung in die konzerneinheitliche Bewertung (s. Kap. IV.5.2) zu rechtfertigen, ist es in t2 nicht möglich, den amtierenden Abschlussprüfer von einer erneuten Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes (s. Kap. II.4.4.3.2; II.5.3.2.3.b12) zu überzeugen.
Der praktisch-normative entscheidungsorientierte Ansatz externalisiert die Herleitung eines konkreten Zielplans, d. h., die in der Praxis verfolgten abschlusspolitischen Ziele werden als gegeben hingenommen. Dagegen beinhaltet der bekennend-normative entscheidungsorientierte Ansatz auch Aussagen über die Zweckmäßigkeit bestimmter Ziele. Dieser Frage wird im Folgenden nicht weiter nachgegangen (vgl. hierzu Sieben/Schildbach 1994, S. 2). Die Unternehmenspraxis betreibt Abschlusspolitik regelmäßig nicht unter Rückgriff auf spezielle Modelle, sondern unter Zuhilfenahme der eingesetzten IT-gestützten Rechnungslegungssysteme (s. Kap. II.2.4.1). Diese Systeme erlauben es zumeist, bestimmte Parameter (z. B. eingesetztes Abschreibungsverfahren und gewählte Nutzungsdauer) systematisch zu variieren, um auf diese Weise den Abschluss sukzessive zu verbessern.
98 Zur Bildung abschlusspolitischer Entscheidungsmodelle vgl. stellvertr. Freidank 1990; Krog 1998, S. 273 ff.; Seelbach/ Fischer 1998, S. 231 ff.; Simons 2003, S. 407 ff.; Freidank/Velte 2013, S. 678 ff.
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Im einfachsten Fall kann der Anwender vorläufige Buchungen tätigen und deren Auswirkung im Abschluss betrachten (vgl. z. B. Layer 1998, S. 1156 f.). Darüber hinaus sind auch umfassende Simulations- und Planungsrechnungen, sowie Forecasts möglich (vgl. Kagermann/Küting/Wirth 2008, S. 69; Küting et al. 2011, S. 130; Klempien 2020, S. 70 ff.): Beispielsweise kann das IT-System mehrere Versionen eines Konzernabschlusses (s. Kap. I.2.2.4) verwalten, die sich bei Variation z. B. der Parameter für die Währungsumrechnung ergeben, sog. what if-Analysen. Die Auswirkungen unterschiedlicher Bewertungsverfahren können auch in einer Liste dargestellt werden (vergleichendes Reporting).
Auch in den zuvor angesprochenen Fällen wird entscheidungsorientiert vorgegangen. Allerdings ist das Vorgehen nicht konsequent zielgerichtet und entspricht eher dem Annähern an den Zielplan mittels Probieren (zu Anwendungsfeldern vgl. beispielsweise Layer 1998, S. 1128 ff.). Im Folgenden geht es nicht darum, ein abschlusspolitisches Entscheidungsmodell näher zu untersuchen, sondern die mit der Erstellung von Abschlüssen bei gleichzeitiger Verfolgung abschlusspolitischer Ziele anstehenden Entscheidungsprobleme möglichst systematisch darzustellen. Den Basiselementen eines Entscheidungsmodells folgend y konzentrieren sich die nachstehenden Ausführungen zunächst auf den Zielplan in Gestalt der abschlusspolitischen Ziele (s. Kap. II.7.2.2.1). y Darauf aufbauend werden die Ausführungen zum Entscheidungsfeld vereinfacht in die abschlusspolitischen Mittel (s. Kap. II.7.2.2.2) und die Kriterien für die Auswahl dieser Mittel (s. Kap. II.7.2.2.3) unterteilt.
7.2.2 Bezugsrahmen für die abschlusspolitische Gestaltung 7.2.2.1 Abschlusspolitische Ziele Die Ziele der Abschlusspolitik ergeben sich unmittelbar aus den bei der Abschlusserstellung verfolgten Zielen bzw. den Funktionen, die ein Abschluss zu erfüllen hat (s. Kap. II.2). y Informationsfunktion: In diesem Fall sollen die Verhaltensweisen der Abschlussadressaten bzw. Stakeholder beeinflusst werden, wie z. B. günstige Außendarstellung für die Zwecke der Eigen- und/oder Fremdkapitalbeschaffung. Wichtig ist, dass die abschlusspolitischen Maßnahmen für Dritte nicht erkennbar sind. Ansonsten läuft die Abschlusspolitik »ins Leere«, da die Abschlussanalysten den Abschluss um erkennbare abschlusspolitische Maßnahmen im Vorfeld der eigentlichen Analyse bereinigen. y Ausschüttungsbemessungs- und Steuerbemessungsfunktion: In diesem Fall geht es darum, die sich aus dem Abschluss ergebenden Rechtsfolgen zu beeinflussen. Angesprochen sind die Beeinflussung der Ausschüttungen an die Anteilseigner, die sog. Ausschüttungsbemessungspolitik sowie der Zahlungen an den Fiskus, die sog. Steuerabschlusspolitik. Diese Rechtsfolgen führen zum Abfluss liquider Mittel (Zahlungen an die Anteilseigner und den Fiskus). Zumeist bildet das ausgewiesene Ergebnis den zentralen Ansatzpunkt für abschlusspolitische Überlegungen. Möglich ist es auch, über die Gestaltung anderer Abschlussinformationen Abschlusspolitik zu betreiben. Steht die Höhe des ausgewiesenen Ergebnisses im Vordergrund, kann es das Ziel sein, ein möglichst hohes oder niedriges Ergebnis zu zeigen. Daneben kommen als weitere Zielvorstellungen das Glätten von Ergebnisgrößen (income smoothing) und das Erreichen vorgegebener Ergebnisgrößen (meet-or-beat) in Betracht. Zunächst werden mögliche Motive für einen hohen oder niedrigen Ergebnisausweis näher betrachtet (vgl. z. B. Wagenhofer/Ewert 2015 S. 272 f.):
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Ein hoher Ergebnisausweis ist z. B. dann relevant, wenn das Unternehmen eine Kapitalerhöhung (s. Kap. III.3.6.3.1.b) durchführen oder günstig Fremdkapital aufnehmen möchte (zur Verschuldungsgradhypothese s. Kap. II.7.1). Ziel kann es auch sein, dass ein ausscheidender Manager beabsichtigt, sich mit dem »besten Ergebnis der Firmengeschichte« ein Denkmal zu setzen. Ein hohes Ergebnis kann dann das relevante Ziel sein, wenn es dem Management darum geht, die Einzahlungen aus einlösbaren Aktienoptionen oder Bonuszahlungen, welche an die Ergebnisgröße geknüpft sind, zu maximieren (vgl. z. B. Yermack 1997; zur Bonushypothese s. Kap. II.7.1). Um die Bemessungsgrundlage für künftige variable Vergütungen zu senken und stille Reserven für künftige Jahre zu schaffen, könnten gerade neuberufene Manager jedoch auch dazu neigen, das Unternehmensergebnis im Jahr der Amtsübernahme zu senken (big bath accounting).99 Möglich kann es auch sein, dass abhängig beschäftigte Manager beabsichtigen, das Unternehmen zu kaufen (sog. Management-Buy-out). In diesem Fall kann ein niedriges Ergebnis kaufpreisreduzierend wirken und insofern im Interesse des Managements (künftige Eigentümer) stehen. Ein hoher oder niedriger Ergebnisausweis ist weiterhin dann eine besonders relevante Zielgröße, wenn es darum geht, die an den Ergebnisausweis ansetzenden Rechtsfolgen zu beeinflussen. Beispielsweise ist es mit dem Ziel der Minimierung der Ausschüttungen an die Anteilseigner vereinbar, die ertragssteuerabhängigen Steuerzahlungen zu minimieren bzw. in die Zukunft zu verschieben. Auch wirtschaftspolitische Maßnahmen wie Subventionen oder Zölle (vgl. Jones 1991) oder bevorstehende Lohnverhandlungen (vgl. Liberty/Zimmerman 1986) könnten Anreize für eine Reduzierung des ausgewiesenen Ergebnisses bieten. Angestrebt wird annahmegemäß eine Steuerbarwertminimierung (positiver Zinseffekt aus der verzögerten Steuerzahlung). In diesem Fall ist bei progressiven Steuertarifen (Einkommensteuer) neben dem Zinseffekt auch ein Progressionseffekt zu beachten. Demnach führen im Zeitablauf schwankende Ergebnisse zu absolut höheren Steuerzahlungen als ein im Zeitablauf konstanter Ergebnisausweis. Folglich sind sowohl Zins- als auch Progressionseffekte zu berücksichtigen (vgl. z. B. Scheffler 1998, S. 420 ff.; Breithecker 2016, S. 175 ff.).
Mögliche Zielkonflikte (vgl. Pfleger 1991, S. 25 ff.) können sich für den Zweck der Steuerbarwertminimierung z. B. ergeben, wenn y das aktuelle steuerliche Jahresergebnis reduziert (Ziel 1) und y z. B. für die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital die Lage des Unternehmens (und mithin das Jahresergebnis) möglichst positiv dargestellt (Ziel 2) werden soll. Die Zielkonflikte können dabei durch einen formalen Zusammenhang zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Bilanzierung (Maßgeblichkeit) oder durch eine Berücksichtigung der handelsrechtlichen Bilanzierung durch die Steuerbehörden bei Auslegungsfragen verursacht werden. Solche Zielkonflikte lassen sich lösen, y indem das Unternehmen Prioritäten setzt (z. B. Ziel 1 hat Vorrang vor Ziel 2) oder y Kompromisse schließt (z. B. für die Aufnahme von Fremdkapital ist es erforderlich, mindestens ein Ergebnis von 2 Mio. € auszuweisen).
99 Zum big bath accounting siehe die Ausführungen weiter hinten innerhalb dieses Abschnitts.
7 Informationsgehalt und Abschlusspolitik
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Oftmals werden den Abschlussadressaten auch unterschiedliche Abschlüsse (s. Kap. I.2) vorgelegt, die entsprechend den gesetzten Zielen unterschiedliche Ergebnisse zeigen (z. B. niedriger Ergebnisausweis in der Steuerbilanz und hoher Ergebnisausweis in der Konzernbilanz). Unternehmen streben häufig eine Verstetigung des Ergebnisausweises an (Ergebnisglättung; synonym auch Income Smoothing100). Dabei ist empirisch feststellbar, dass managergeführte stärker als eigentümergeführte Unternehmen Ergebnisglättung betreiben, da die zuerst Genannten unter einem stärkeren Rechtfertigungsdruck stehen (vgl. Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 1438; sowie bereits Fischer/Haller 1993, S. 51 m. w. N.). Das Ziel der Ergebnisglättung führt dazu, dass das Unternehmen im Zeitablauf abschlusspolitische Maßnahmen ergreifen muss, die sowohl zu einem höheren als auch niedrigeren Ergebnisausweis führen. Das folgende Beispiel verdeutlicht dies. Beispiel Ergebnisglättung und Abschlussmanipulation Die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC »hat Microsoft vorgeworfen, der Konzern habe die Bücher manipuliert, um den Erwartungen der Wall Street nach einem stetigen Umsatzund Profitwachstum zu genügen. (...) Im Gegensatz zu den meisten anderen Delinquenten hat Microsoft allerdings die Zahlen künstlich herabgesetzt (...), um die Gewinne zu senken, mit der Absicht die Reserven wieder aufzulösen, wenn das Geschäft schlechter läuft« (o. V. 2002, S. 21). In diesem Zusammenhang wird auch von sog. Cookie Jar Reserves (frei übersetzt: Keksdosenreserven bzw. -rücklagen) gesprochen.101 »Bei dieser Praktik werden in guten Quartalen Teile eines hohen Gewinns in Reserven oder Rückstellungen verbucht, um den Unterschied in schlechten Quartalen auszugleichen« (o. V. 1999, S. 19). Dieses Beispiel verdeutlicht auch, dass Ergebnisglättung nicht nur in Jahresabschlüssen, sondern auch in unterjährigen Berichten (s. Kap. I.3.2.2.2) betrieben wird.
Das Ziel der Ergebnisglättung ist teilweise eng verknüpft mit dem Ziel der Erreichung vorgegebener Ergebnisgrößen (zum Zusammenhang zu den Investor Relations-Maßnahmen s. Kap. I.3.1.3). Dies kann darin begründet liegen, dass Manager häufig an der Erreichung ihrer Ergebnisse beurteilt werden und insofern Anreize bestehen, diese Ergebnisse zu erreichen, jedoch nicht »überzuerfüllen«, um mögliche Korrekturen künftiger Planergebnisse (Zielgrößen) nach oben zu vermeiden (sog. Sperrklinkeneffekt; ratchet effect; in Anlehnung an Wagenhofer/Ewert 2015, S. 274, vgl. auch z. B. Kasanen/Kinnunen/Niskanen 1996). Ein weiterer Grund für Ergebnisglättung liegt in der Erwartungshaltung von Abschlussanalysten begründet. Hier zeigen empirische Studien, dass das Nichterreichen von Analystenprognosen zu besonders starken Kurseinbußen führt (vgl. dazu im Überblick Dechow/ Skinner 2000, S. 244 f. m. w. N.). In diesem Zusammenhang lässt sich bei Unternehmen mit
100 Vgl. z. B. Flower/Ebbers 2002, S. 392 f.; Mulford/Comiskey 2002, S. 3 f. u. 30 f., die in diesem Zusammenhang auch von »storing earnings for future years« sprechen. Income smoothing lässt sich wie folgt definieren: »A form of earnings management designed to remove peaks and valleys from a normal earnings series, including steps to reduce and ›store‹ profits during good years for use during slower years«. 101 Cookie jar reserves definieren Mulford/Comiskey 2002, S. 51 wie folgt: »An overly aggressive accrual of operating expenses and the creation of liability accounts done in an effort to reduce future-year operating expenses«.
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
verstärkter Ergebnisglättung eine erhöhte Aussagekraft im Rahmen von Wertrelevanzstudien (s. Kap. I.4.3.3.2) von Abschlüssen in Bezug auf zukünftige Erträge und Aktienkursschwankungen beobachten (vgl. Tucker/Zarowin 2006; Hribar/Kravet/Wilson 2014). Dabei stehen die Managementfähigkeiten in einem positiven Zusammenhang mit dem Informationsgehalt der geglätteten Ergebnisausweise (vgl. Baik/Choi/Farber 2020). Das Wechselspiel zwischen Analystenerwartungen und dadurch induzierten abschlusspolitischen Aktivitäten auf Unternehmensseite wird häufig als sog. earnings game bezeichnet (vgl. ausführlich Collingwood 2001, S. 77 ff. sowie DiPiazza/Eccles 2003, S. 61 f.). Beispiel The earnings game Der ehemalige Finanzvorstand der Schering AG, Prof. Dr. Klaus Pohle, nimmt zum Zusammenhang von Investor Relations (s. Kap. I.3.1.3) und Abschlusspolitik wie folgt Stellung: Kernpunkt einer Abschlusspolitik muss es sein, die Gewinnerwartung der Analysten (sog. analyst’s estimate consensus) so nahe wie möglich an die nach Beendigung eines Geschäftsjahres vorzulegende Bilanz und GuV heranzuführen. Dabei empfiehlt es sich, bei den Analysten eine Gewinnerwartungshaltung aufzubauen, die immer ein klein bisschen unter den intern erwarteten Gewinnen liegt. Grund hierfür ist, dass die Reaktionen der Kapitalmärkte auf das Verfehlen des Gewinns pro Aktie um nur 1 Euro-Cent erheblich größer ist als die positive Reaktion bei dem Übertreffen der Gewinnerwartung um 1 Euro-Cent (in Anlehnung an Pohle 2001, S. 297 f.).
Die sog. Prospect Theory wird häufig als Erklärungsansatz dafür, dass Unternehmen Ergebnisglättung betreiben, herangezogen.102 Eine wesentliche Annahme dieses Ansatzes ist, dass der Mensch Alternativen nicht im Hinblick auf ihre absoluten Werte, sondern im Verhältnis zum Referenzwert beurteilt. Dabei beurteilt der Abschlussersteller eine Referenzwertüberschreitung als subjektiven Gewinn und eine -unterschreitung als subjektiven Verlust. Weiterhin werden Verluste stärker empfunden als Gewinne. Dabei unterstellt der Prospect Theory-Ansatz, dass zum einen mit zunehmender Entfernung vom Referenzwert der wahrgenommene Wert einer zusätzlichen, realwirtschaftlichen Gewinn- oder Verlusteinheit abnimmt und zum anderen, dass der Abschlussersteller die höchste Wertschätzung für die zusätzliche Einheit zeigt, die gerade dazu führt, dass der Referenzwert erreicht wird. Dies führt im Ergebnis zu einem konkaven Verlauf der Wertefunktion oberhalb des Referenzpunktes und zu einem konvexen Verlauf unterhalb dieses Punktes. Demnach zeigt sich ein stärkeres Streben nach einer Ergebniserhöhung bzw. -reduktion je stärker der Referenzwert unterbzw. überschritten wird. Aus dem Blickwinkel des Transaktionskostenansatzes (s. Kap. I.4.2.5), lässt sich das Vorgehen dergestalt erklären: In dem Fall, in dem das tatsächliche Jahresergebnis den Referenzwert unterschreitet, besteht erhöhter Erklärungsbedarf (Transaktionskosten) gegenüber den Stakeholdern im Vergleich zu dem Fall, in dem der Referenzwert zumindest erreicht wird.103
102 Die nachstehenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an von Torklus 2007, S. 135 ff. Dieser theoretische Ansatz geht auf Kahneman/Tversky 1979, zurück; mit Bezugnahme zur Abschlusspolitik vgl. bereits Burgstahler/Dichev 1997, S. 123 f. Dieser Ansatz ist der deskriptiven Entscheidungstheorie (s. Kap. II.7.2.1) zuzurechnen. 103 So auch Burgstahler/Dichev 1997, S. 123, die hier »sharply higher costs in transactions with stakeholders« vermuten.
7 Informationsgehalt und Abschlusspolitik
Abschlussfunktionen (Konzernabschluss)
Information
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Abschlussfunktionen (Einzelabschluss)
Ausschüttungsbemessung
Steuerbemessung
Ansatzpunkte für die Rechtsfolgen
andere Abschlussinformationen
Ergebnisgröße
Abschlusspolitische Ziele • Realisierung bestimmter Abschlusspostenwerte • Realisierung bestimmter Kennzahlenausprägungen
• hoher/niedriger Ergebnisausweis • Ergebnisglättung • Erreichung vorgegebener Ergebnisgrößen
Abb. II.7./1 Abschlussfunktionen und abschlusspolitische Ziele
Abb. II.7./1 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Abschlussfunktionen und möglichen abschlusspolitischen Zielen. Gleichfalls der Ergebnissteuerung zuzuordnen ist die Hypothese eines sog. big bath (frei übersetzt: »großes Bad«; vgl. Flower/Ebbers 2002, S. 393 f. sowie zu frühen empirischen Befunden Elliott/Shaw 1988; Schäffer et al. 2012). Dabei geht es darum, dass Unternehmen bestimmte außergewöhnliche Situationen nutzen, um Aufwendungen im aktuellen Geschäftsjahr zu buchen. Beispielsweise neigen Unternehmen in Zusammenhang mit einzustellenden Geschäftsbereichen (s. Kap. II.5.3.3.3.b3) dazu, möglichst viele Aufwendungen diesen Bereichen zuzuordnen. Diese werden von Analysten i. d. R. nicht dem nachhaltigen Ergebnis zugerechnet und sind insofern einer Prognose künftiger Ergebnisse nicht »schädlich«. Beispiel Big bath provisions »Es sieht so aus, als hätte Wachovias CEO Robert Steel seine Lektion aus dem Handbuch für neue Vorstandsvorsitzender gelernt. Er räumte in seinem ersten Quartal als Chef der Bank mit Hauptquartier in Charlotte (North Carolina) seinen Laden auf. Wachovias Verlust im zweiten Quartal in Höhe von 8,9 Milliarden Dollar sah furchtbar aus im Vergleich zum Ergebnis seiner Konkurrenten. Die in New York ansässige Citigroup berichtete in der Vorwoche einen Verlust von 2,5 Milliarden Dollar und Wachovias Stadtrivale, die Bank of America, quetschte im am Montag veröffentlichten Quartalsergebnis sogar einen Überschuss heraus. Wachovias Aktie taumelte am Dienstagmorgen, nachdem die Zahlen veröffentlicht worden waren – am Nachmittag hatte sie aber 10 % an Wert gewonnen. Wie kam es dazu? Wenn man die Abschreibungen auf Goodwill herausrechnet – einem Vermögenswert, der bei der Berechnung der genau beobachteten Tier 1 Ratio [die Tier 1 Ratio ist eine zur Liquiditätsbeurteilung von Banken und Finanzdienstleistern häufig herangezogene Kennzahl, die Verf.] sowieso nicht einbezogen wird – beträgt der operative Verlust für das zweite Quartal lediglich 2,7 Milliarden. (…) Also sieht es ganz so aus, als habe Herr Steel sein Big Bath genommen. Wachovia hat sein riskantestes Leihgeschäft beendet, Milliarden Dollar an Goodwill abgeschrieben und seine Dividenden drastisch gekürzt. Der Aktienrally am Mittag nach zu urteilen, ist die Wall Street bereit, Wachovia eine neue Chance zu geben« (o. V. 2008; eigene Übersetzung).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Diskussionsfrage II.7.-1 Diskutieren Sie die Big Bath Hypothese aus dem Blickwinkel des Prospect-Theory-Ansatzes.
7.2.2.2 Abschlusspolitische Mittel Durch den Einsatz abschlusspolitischer Mittel, häufig auch durch abschlusspolitische Aktionsparameter, sollen die gesetzten abschlusspolitischen Ziele erreicht werden.104 Abschlusspolitische Mittel Formelle
Materielle Sachverhaltsgestaltungen
Direkte Abschlussbeeinflussungen Wahlrechte Ansatz
Ermessensspielräume
Bewertung
Abb. II.7./2 Systematik der abschlusspolitischen Mittel auf Einzelabschlussebene
Die nachstehenden Ausführungen zu den abschlusspolitischen Mitteln beschränken sich auf die Abschlusspolitik nach IFRS und deutschen GoB. Die Steuerabschlusspolitik wird nicht detailliert betrachtet.105 a. Formelle Abschlusspolitik Die formelle Abschlusspolitik befasst sich mit dem Ausweis der Geschäftsvorfälle in Bilanz und GuV sowie der Darstellung und Erläuterung dieser im Anhang bzw. in den Notes. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies: Während die §§ 266, 275 HGB eine detaillierte Gliederung für den Ausweis der Bilanz- und GuV-Posten vorgeben, ist dies bei den IFRS nicht der Fall (s. Kap. II.5.3.3.2, II.5.3.3.3). Insofern sind die abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten nach IFRS größer, wobei auch hier der Grundsatz der Abschlussstetigkeit beachtet werden muss. Gleichwohl bestehen auch nach deutschen GoB Wahlrechte: y Beispielsweise sind erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen als Verbindlichkeit anzusetzen oder von den Vorräten abzusetzen (§ 268 Abs. 5 Satz 2 HGB). Nach IFRS sind erhaltene Anzahlungen ebenfalls gesondert zu zeigen. Dabei erscheint aufgrund der sachlichen Nähe zu den Vorräten sowohl eine offene Absetzung von den Vorräten als auch ein Ausweis unter den liabilities zulässig (IAS 1.32 ff.; s. Kap. III.3.3.2). y Bei bestehenden Ausweiswahlrechten lassen sich bestimmte Kennzahlen gestalten. In dem zuvor angesprochenen Fall führt eine Saldierung im Vergleich zu einem getrennten Ausweis als Verbindlichkeit dazu, dass sich die Kennzahl Umschlagshäufigkeit der Vorräte (Umsatzerlöse / durchschnittlicher Bestand an Vorräten) erhöht, weil die Umsatzerlöse konstant bleiben und der durchschnittliche Bestand an Vorräten sinkt. b. Materielle Abschlusspolitik Weitaus bedeutsamer als die formelle ist die materielle Abschlusspolitik, welche zumeist auf eine Gestaltung der Höhe des ausgewiesenen Jahresergebnisses abzielt. Die Aktionspa-
104 Zu den folgenden Ausführungen vgl. z. B. Pfleger 1991, S. 31 ff.; Müller/Wulf 2001, S. 2206 ff.; Kirsch 2006, S. 1266 ff.; Nobach 2006, S. 231 ff.; Küting 2008, S. 758 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, 1069 ff. 105 Zu steuerabschlusspolitischen Aktionsparametern vgl. z. B. Breithecker 2016, S. 175 ff.
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rameter der materiellen Abschlusspolitik lassen sich einteilen in Sachverhaltsgestaltungen (sog. reale Abschlusspolitik s. Kap. II.7.2.2.2.b1) und direkte Jahresabschlussbeeinflussungen (sog. buchmäßige Abschlusspolitik s. Kap. II.7.2.2.2.b2). b1. Sachverhaltsgestaltungen Sachverhaltsgestaltungen zielen auf das Mengengerüst der Aktiva und Passiva ab. Dabei werden ökonomische Transaktionen vorgenommen, die ohne abschlusspolitisches Motiv nicht erfolgt wären. Da das Mengengerüst zum Abschlussstichtag »fertig« sein muss, hat diese Form der Abschlussgestaltung vor dem Abschlussstichtag zu erfolgen. Aus diesem Grunde werden Sachverhaltsgestaltungen auch als »Maßnahmen vor dem Abschlussstichtag« bezeichnet. Beispielsweise kann ein nach deutschen GoB rechnungslegungspflichtiges Unternehmen vor Jahresende Wertpapiere mit einer aktuellen Börsennotierung über den ursprünglichen Anschaffungskosten verkaufen, um Gewinne zu realisieren (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und diese zu Beginn des nächsten Jahres zum Börsenkurs wieder zurückkaufen. Ein solcher Verkauf ist nach IFRS nicht notwendig, da z. B. zu Handelszwecken gehaltene Wertpapiere nach dem erstmaligen Ansatz gem. IFRS 9.4.1.1 ff. zum beizulegenden Zeitwert anzusetzen sind (s. Kap. III.3.4.2.5.b). In diesem Fall verursachen die handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen Transaktionskosten (s. Kap. I.4.2.5), die sich bei Anwendung der IFRS hätten vermeiden lassen.106 Weitere Beispiele für Sachverhaltsgestaltungen sind: y Ausgestaltung von Leasing-Verträgen: Nach deutschen GoB ist es relativ einfach möglich,107 den Leasingvertrag so auszugestalten, dass der Leasinggegenstand nicht in der HGB-Bilanz des Leasingnehmers erscheint, sondern stattdessen beim Leasinggeber. IFRS 16 folgend ist der Leasinggegenstand i. d. R. dem Leasingnehmer zuzuordnen, da dieser den Leasinggegenstand nutzt (vgl. Morfeld, 2020, § 22, Rn. 1 f.).108 Die Anwendung von IFRS 16 zeigt, dass sich durch die Aktivierung des Nutzungsrechts und die gleichzeitige Passivierung der Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten als Leasingverbindlichkeit (sog. right-of-use-Konzept) das sachverhaltsgestaltende abschlusspolitische Potential für den Leasingnehmer deutlich einengt; insofern wird die außerbilanzielle Erfassung erschwert. Vollkommen beseitigen lassen sich diese Möglichkeiten indes nicht.109 Zudem ergeben sich bei Anwendung von IFRS 16 aus Leasingnehmersicht abschlusspolitische Gestaltungsspielräume (Orth/Tettenborn/Nell 2020). y Sale-and-lease-back-Gestaltungen: Hier verkauft ein Unternehmen Vermögensposten und least diese gleichzeitig langfristig wieder zurück. Auch hier entfällt nach IFRS 16 für Leasingnehmer häufig die Möglichkeit, durch solche Transaktionen die Eigenkapitalquote zu stärken, da nahezu alle bisher als Mietleasing erfassten Sachverhalte gemäß dem zuvor skizzierten right-of-use-Konzept zu bilanzieren sind. Somit ist zu erwarten, dass sale-and-lease-back-Transaktionen künftig weniger häufig abgeschlossen werden (vgl. Bardens/Kroner/Meurer 2016, S. 450, Fn. 107; zu den Implikationen des IFRS
106 Zu den Sachverhaltsgestaltungen nach IFRS siehe auch Nobach 2006, S. 327 ff. 107 Vgl. z. B. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 204 f. Relevant für die Zuordnung des Leasinggegenstandes sind die sog. Leasingerlasse des BMF; vgl. hierzu Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 657 ff. 108 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 203. Zu den Unterschieden zwischen IFRS und den für die handelsrechtliche Bilanzierung maßgeblichen steuerrechtlichen Regelungen siehe Lüdenbach/Freiberg 2021, § 15, Rn. 112 ff. 109 Vgl. Gruber/Hartmann-Wendels 2016, S. 442 ff.; siehe auch Kirsch 2020a, insb. zur außerbilanziellen Erfassung von Leasinggegenständen beim Leasingnehmer; Labrenz 2021, insb. zu den Auswirkungen der IFRS 16 auf DAX-30 Unternehmen und deren Verschuldungsgrad.
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16 in Bezug auf u. a. Abschlusspolitik und sale-and-lease-back-Gestaltungen siehe z. B. Schneider 2017); insofern reduzieren sich die Möglichkeiten zur Sachverhaltsgestaltung. Die Realisation von stillen Reserven im Anlagevermögen kommt demnach grundsätzlich nur nach deutschen GoB als abschlusspolitisches Motiv in Betracht. Zudem kann nach IAS 16.31 die Anlage im Zuge der Folgebewertung auch zu einem höheren beizulegenden Zeitwert angesetzt werden, allerdings kommt es hier zu keinen positiven Ergebniseffekten (s. Kap. III.3.1.3.2.c). Factoring: Hier geht es um den Verkauf von Forderungen an ein Finanzierungsinstitut (factor) zum Forderungsbetrag abzüglich einer Gebühr (Zins und Risikoentgelt), um einen hohen Forderungsbestand in der Bilanz zu reduzieren. Das Ausfallrisiko dieser Forderungen wird somit übertragen, sodass Factoring auch der Finanzierung, d. h. dem Zufluss liquider Mittel, dient. Asset backed securities-Gestaltungen ähneln dem Factoring. In diesem Fall werden umfangreiche Finanzaktiva, insbes. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Form eines Treuhandvermögens gepoolt. Die Ansprüche an diesen Pool werden wertpapiermäßig verbrieft (securitization) und als handelbare Wertpapiere zumeist an institutionelle Anleger veräußert (in Anlehnung an Perridon/Steiner/Rathgeber 2017, S. 513 ff.).110 Wie beim Factoring ist es auch hier Ziel des Veräußerers, z. B. die verkauften Forderungen aus der Bilanz ausbuchen zu können (IDW RS HFA 8.5). Beispielsweise zeigen Dechow/Shakespeare (2009), dass Manager securitization-Geschäfte zeitlich planen, um z. B. Erträge kurz vor der Veröffentlichung von Quartalsberichten noch zu realisieren.
Diskussionsfrage II.7.-2 Wie beurteilen Sie die Eignung des Factoring zur Gestaltung des Ergebnisausweises? Lässt sich über Factoring die Eigenkapitalquote erhöhen?
Die zuvor dargestellten Beispiele dienen nicht nur der Realisierung abschlusspolitischer Zielsetzungen. Es lassen sich auch nichtabschlusspolitische Ziele, wie vor allem die Bereitstellung von Liquidität, verfolgen. b2. Direkte Jahresabschlussbeeinflussungen Hier geht es um die Beeinflussung der Abbildung gegebener ökonomischer Sachverhalte im Jahresabschluss. Bei den abschlusspolitischen Aktionsparametern ist zwischen Wahlrechten (s. Kap. II.7.2.2.2.b21) und Ermessensspielräumen (s. Kap. II.7.2.2.2.b22) zu unterscheiden. b21. Wahlrechte Ein Wahlrecht liegt vor, wenn an einen gegebenen ökonomischen Sachverhalt mindestens zwei verschiedene, eindeutig fixierte, sich gegenseitig ausschließende Normfolgen anknüpfen und der Entscheidungsträger bestimmt, welche von ihnen eintritt (in Anlehnung an Pfle-
110 Vgl. auch Beike/Schlütz 2015, S. 296 ff. Unterschiede zwischen Factoring und asset backed securities liegen u. a. darin, dass bei den asset backed securities eine Refinanzierung über den Kapitalmarkt erfolgt. Zudem übernimmt der Forderungskäufer (factor) regelmäßig Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Einzug der übernommenen Forderungen wie z. B. die komplette Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen (vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/ Weber 2015, S. 178). Die Securitization strebt eine Risikoreduzierung durch Diversifizierung an. Im direkten Vergleich kann Factoring daher teurer sein als Securitization. Vgl. hierzu Rinze/Klüwer 1998, S. 1701.
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ger 1991, S. 33 ff.). Bei den Wahlrechten lassen sich Ansatzwahlrechte und Bewertungswahlrechte unterscheiden. Ansatzwahlrechte finden sich vor allem nach deutschen GoB. Beispiele hierfür sind: y Aktive latente Steuern (Aktivierungswahlrecht gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB); hier besteht nach IAS 12.24 ff. eine Aktivierungspflicht (s. Kap. III.2.2.2). y Disagio bei der Kreditaufnahme (Aktivierungswahlrecht gem. § 250 Abs. 3 HGB); nach IFRS 9.4.2.1 (s. Kap. III.3.4.2.5) ist kein aktiver Abgrenzungsposten zu bilden, sondern die Verbindlichkeit sukzessive zu erhöhen. Nach IFRS bestehen grundsätzlich keine Ansatzwahlrechte. Ein Ansatzwahlrecht besteht ausnahmsweise bei der Behandlung nicht zurückzahlbarer Zuwendungen der öffentlichen Hand, die gem. IAS 20.24 ff. entweder den Wertansatz des betreffenden Vermögenswertes kürzen oder als passiver Abgrenzungsposten zu zeigen sind. Dieses Ansatzwahlrecht besteht auch nach deutschen GoB (s. Kap. II.5.3.5.3). Allerdings bestehen faktische Ansatzwahlrechte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Abschlussersteller über die Beurteilung bestimmter Kriterien entscheidet, ob ein Posten zu aktivieren ist oder nicht (vgl. hierzu auch Kirsch 2003, S. 1111 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 97). An dieser Stelle verschwimmt die Grenze zu den Ermessensspielräumen (s. Kap. II.7.2.2.2.b22). y Beispielsweise nennt IAS 38.57 sechs Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit im Kontext selbst durchgeführter Entwicklungstätigkeiten ein immaterieller Vermögenswert (s. Kap. III.3.2.2) aktiviert werden kann. Formal betrachtet handelt es sich um kein Aktivierungswahlrecht, da der Vermögenswert bei Vorliegen der Kriterien zwingend aktiviert werden muss. Die Beurteilung dieser Kriterien ist jedoch mit erheblichen Ermessensspielräumen behaftet: So ist z. B. nach IAS 38.57d zu beurteilen, ob für den immateriellen Vermögenswert oder für die mit ihm zu erstellenden Leistungen, wie z. B. neue Materialien, die in eine Ware eingehen, ein Markt vorliegt. Nach deutschen GoB besteht in Bezug auf die immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zudem ein offenes Wahlrecht (§ 248 Abs. 2 HGB). Exkurs Wann setzen Manager Entwicklungskosten an? In Deutschland verfolgen Manager mit einem Ansatz der Entwicklungskosten verschiedene Interessen. Gerade in Bezug auf Unternehmensveräußerungen versuchen Manager Investoren durch den Ansatz von Entwicklungskosten eine verbesserte Finanz- und Ertragslage zu signalisieren und in diesem Zusammenhang auch Informationsasymmetrien zu reduzieren. Zudem zeigt sich, dass Unternehmen, die Entwicklungskosten aktivieren, auch eine tendenziell geringere Eigenkapitalquote haben. Außerdem nutzen gerade junge Unternehmen das Wahlrecht, um ihre GuV nicht so stark zu belasten. Andere Unterschiede wie Unternehmensgröße oder Branchenzugehörigkeit scheinen aber nicht im Zusammenhang zum Ansatz von Entwicklungskosten zu stehen (vgl. Quick/Hahn 2017, S. 917 f.; zur Bilanzierung von Entwicklungskosten in der Praxis siehe Eierle/Ther 2018; s. Kap. III.3.2.2).
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Ein faktisches Wahlrecht besteht weiterhin auch in der Passivierung von Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen (IAS 37.70-83; s. Kap. III.3.7.2.2.b2).
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Bewertungswahlrechte finden sich sowohl in den deutschen GoB als auch in den IFRS. Als Beispiele für solche Wahlrechte sind zu nennen:111 y Herstellungskostenermittlung: Während nach deutschen GoB die Verwaltungsgemeinkosten aktiviert werden dürfen, besteht nach IFRS die Pflicht produktionsbezogenen Vollkosten anzusetzen, d. h. kein Wahlrecht nach IFRS (s. Kap. II.5.3.7.2). y Verbrauchsfolgefiktionen bei der Vorratsbewertung: Derzeit kommen gem. IAS 2.25 die Fifo-Methode oder die Durchschnittsmethode in Betracht. Die international anwendbaren Methoden sind auch gem. §§ 256 HGB i. V. m. 240 Abs. 4 HGB anwendbar. Darüber hinaus wird das Lifo-Verfahren als zulässig angesehen (s. Kap. III.3.3.3.1). y Abschreibungswahlrecht bei Finanzanlagen bei einer nur vorübergehenden Wertminderung: Nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB kann abgeschrieben werden (s. Kap. II.5.3.5.3). Die IFRS sehen keine vergleichbare Regelung vor. y Sachanlagen können zu Kosten abzüglich der kumulierten Abschreibungen und der kumulierten Wertminderungen oder auch zu einem darüber hinausgehenden Neubewertungsbetrag bewertet werden (zu den Einzelheiten vgl. IAS 16.29 ff.; s. Kap. III.3.1.3.2). Die zuletzt angesprochene Alternative ist nach deutschen GoB unzulässig. y Bestimmung des Fertigstellungsgrades bei langfristiger Auftragsfertigung: Ist eine Teilgewinnrealisierung aufgrund von zeitraumbezogener Leistungserfüllung zulässig, besteht ein Wahlrecht zur Anwendung der in IFRS 15.B14-19 genannten Methoden zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades (Unterscheidung in input- und outputorientierte Methoden, s. Kap. III.3.8.2.1e). Das Wahlrecht soll dahingehend ausgeübt werden, dass die angewendeten Verfahren die kontinuierliche Realisierung von Umsatzerlösen am besten darstellt (IFRS 15.41, s. Kap. III.3.8.2.1e). Eine Teilgewinnrealisierung ist nach deutschen GoB grundsätzlich nicht anwendbar (s. Kap. III.3.8.2.2b). y Erstmalige Kategorisierung aktiver Schuldinstrumente: Sofern Inkonsistenzen im Ansatz verringert oder vermieden werden, besteht das Wahlrecht zur Klassifizierung von Finanzinstrumenten in die Kategorie »finanzielle Vermögenswerte und finanzielle Schulden, die ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden«; sog. fair value-Option (s. Kap. III.3.4.2.5d). b22. Ermessensspielräume Bei den Ermessensspielräumen besteht kein Wahlrecht. Vielmehr schreiben die Normen einen bestimmten Bewertungsmaßstab vor, lassen jedoch die Bestimmung dieses Wertes ganz oder teilweise offen. Ermessensspielräume treten vor allem y bei der Auslegung unbestimmter Normbegriffe (z. B. stellt die Asset-Definition u. a. darauf ab, dass ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen wahrscheinlich ist) und/oder y bei zukunftsorientierten Schätzungen (z. B. kann der Eintritt eines Rückstellungsgrundes in der Zukunft nur geschätzt werden) auf.112
111 Zu den Bewertungswahlrechten nach IFRS siehe Fischer/Klöpfer 2006, S. 712; Eisenschmidt/Schwenkler 2016, S. 59; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 24 Rz. 9 ff. 112 Ein Überblick über die Ermessensspielräume nach IFRS findet sich z. B. in Fischer/Klöpfer 2006, S. 715; Nobach 2006, S. 261 ff.; Eiselt/Müller 2011, S. 27 ff. oder auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 1, Rz. 34 ff.
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Im Folgenden werden mögliche Ermessensspielräume bei der Rückstellungsbildung dargestellt: y Erhebliche Schätzspielräume bestehen bei der Rückstellungsbildung bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. Nach IAS 37.23 müssen mehr Gründe für als gegen den Eintritt der künftigen Verpflichtung sprechen. In ähnlicher Weise sind nach deutschen GoB Rückstellungen spätestens dann zu bilden, wenn mehr Gründe für als gegen den Eintritt der künftigen Verpflichtung sprechen (s. Kap. III.3.7.2). Gleichwohl ist aufgrund der dominierenden Stellung des Vorsichtsprinzips nach deutschen GoB davon auszugehen, dass Rückstellungen grundsätzlich eher anzusetzen sind (s. Kap. II.5.3.5.4). y Die Schätzung der erwarteten Belastung (Höhe der Rückstellung) hat gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu erfolgen. Zumeist ist der Betrag anzusetzen, der nur mit einer 20%igen Wahrscheinlichkeit überschritten wird (s. Kap. III.3.7.3.1). IAS 37.36 ff. gibt für die Schätzung differenzierte Vorgaben, deren Anwendung jedoch gleichfalls mit erheblichen Ermessensspielräumen einhergeht. Bei der Schätzung der erwarteten Pensionsrückstellungen sind gem. IAS 19.72 ff. erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen zu berücksichtigen (vgl. Höfer/Hagemann/Neumeier 2016, S. 2613 ff.). Mit der Schätzung dieser Parameter gehen weitere Ermessensspielräume einher. Entsprechendes gilt auch nach deutschen GoB. y Für Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen bestehen gem. IAS 37.47 Spielräume. Anzusetzen ist hier ein dem Risiko und dem Zeitraum der Verpflichtung entsprechender Marktzinssatz. y Ein Ermessensspielraum besteht nach deutschen GoB bei der Wahl des Diskontierungszinssatzes bei den Pensionsrückstellungen (§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB). Demnach sind Rentenverpflichtungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr zum Barwert anzusetzen. Gerade bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen dürfen Unternehmen pauschaliert unterstellen, dass jede Pensionsverpflichtung eine Restlaufzeit von 15 Jahren aufweist. Zudem darf ein einheitlicher Diskontierungssatz verwendet werden (vgl. Hommel/Rammert/Kiy 2016, S. 1585). Die Regelungen nach HGB mit den zuvor genannten gestalterischen Möglichkeiten führen somit zu deutlichen Unterschieden zu IAS 19, weil gem. IAS 19.83 die Diskontierung mit dem Stichtagszins gefordert wird. Ein Ermessensspielraum besteht auch hinsichtlich der Bestimmung der Methode für die planmäßige Abschreibung beim abnutzbaren Anlagevermögen. y Nach IAS 16.60 hat die Abschreibungsmethode dem Verbrauch des wirtschaftlichen Nutzens des Asset durch das Unternehmen zu entsprechen. Diese Methodenanforderung wird dadurch ergänzt, indem IAS 16.62 Beispiele für möglicherweise geeignete Methoden nennt, nämlich die lineare, degressive und leistungsabhängige Abschreibung. Der Normanwender ist jedoch nicht zwingend an die genannten Beispiele gebunden, sofern eine andere Methode den erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsverlauf besser widerspiegelt. y Die Regelung des § 253 Abs. 3 HGB ist noch weniger konkret ausgestaltet. Verlangt wird lediglich die planmäßige Abschreibung des abnutzbaren Anlagevermögens über die voraussichtliche Nutzungsdauer (sog. Verteilungsabschreibung). Im Wesentlichen ist aber von der Zulässigkeit der Abschreibungsmethoden auszugehen, sofern diese nicht in einem deutlichen Widerspruch zum tatsächlichen Werteverzehr stehen. Sowohl nach deutschen GoB als auch nach IFRS bestehen weitgehende Spielräume bei der Wahl der Abschreibungsmethode. Diese Spielräume sind bei den deutschen GoB noch weiter
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
als bei den IFRS, da die deutschen GoB die Abschreibungen primär als Verteilungsabschreibungen sehen und die IFRS die Wahl der Abschreibungsmethode eng an die Eignung knüpfen, um den erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsverlauf widerzuspiegeln. Beim abnutzbaren Anlagevermögen bestehen weiterhin Ermessensspielräume bei der Schätzung der Nutzungsdauer. Die Notwendigkeit, beim Anlagevermögen außerplanmäßig abzuschreiben, ist nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB an das Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung geknüpft (s. Kap. II.5.3.5.3). Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs geht mit Ermessensspielräumen einher. Die Literatur geht davon aus, dass, der dominierenden Stellung des Vorsichtsprinzips folgend, im Zweifel von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen ist (vgl. z. B. Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 316). y Nach IAS 16.63 i. V. m. IAS 36 ist auf den erzielbaren Betrag abzuschreiben, der wiederum als der höhere Betrag aus »beizulegender Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten« und »Nutzungswert« definiert ist (IAS 36.18; s. Kap. II.5.3.5.3; III.3.1.3.2.b). Die Ermittlung eines »beizulegenden Zeitwertes abzüglich Veräußerungskosten« ist nicht daran geknüpft, ob dieser nachhaltig gesunken ist (IAS 36.21 ff.). Insofern besteht das nach deutschen GoB vorhandene Problem, nämlich die Beurteilung des Vorliegens einer dauerhaften Wertminderung, nicht. y Allerdings eröffnet die Ermittlung des Nutzungswertes gem. IAS 36.30 ff. erhebliche Ermessensspielräume (z. B. Schätzung der künftigen Cashflows, die Wahl eines risikoadäquaten Diskontierungszinssatzes und die Abgrenzung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten; s. Kap. II.5.3.6.4; III.3.1.3.2.c). Dieser nach deutschen GoB grundsätzlich nicht vorhandene Bewertungsmaßstab eröffnet Ermessensspielräume, die deutlich über die Gestaltungsmöglichkeiten mittels der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der dauerhaften Wertminderung hinausgehen. Eine Ausnahme besteht nach deutschen GoB im Hinblick auf den niedrigeren beizulegenden Zeitwert in der Ausprägungsform eines Ertragswerts bei der Bewertung von nichtbörsennotierten Beteiligungen (s. Kap. II.5.3.8.1). Auch hier bestehen erhebliche Ermessensspielräume. Insgesamt bestehen daher nach internationalen Normen weitaus größere Ermessensspielräume. Auch im Rahmen der Bilanzierung von Erlösen aus Verträgen mit Kunden gemäß IFRS 15 besteht eine Vielzahl von Ermessensspielräumen. y Die Umsatzrealisierung nach IFRS 15 folgt einem 5-Stufen Modell (s. Kap. III.3.8.2). Dieses Modell eröffnet Unternehmen Ermessensspielräume: Bei einem identifizierbaren Vertrag (IFRS 15.9 ff.) mit eindeutig zugeordneten Leistungsverpflichtungen (IFRS 15.22 ff.) betreffen diese die Ermittlung des Transaktionspreises (Schritt 3), insbesondere wenn dessen Bestandteile variable Komponenten (s. IFRS 15.51) enthalten und Erlöse anhand von Schätzungen zu ermitteln sind (s. Kap. III.3.8.2.1.c). Zentral ist hier das Ermessen hinsichtlich der anzuwendenden Schätzmethode und der zugrunde liegenden Inputparameter (z. B. IFRS 15.53), mittels derer sich u. a. Umsätze und Periodengewinne gestalten lassen (siehe hierzu Schmidt/Barekzai/Hüttermann 2015b, S. 144 f. und zu weiteren Ermessenspielräumen und Inkonsistenzen im Rahmen der Umsatzrealisierung nach IFRS 15 Schmidt/Barekzai/Hüttermann 2015a, 2015b sowie Baetge/Celik 2014). y Bei zeitraumbezogenen Leistungsverpflichtungen (s. Kap. III.3.8.2.1.e) ist eine Erlösrealisierung sowie eine damit verbundene Teilgewinnrealisierung an das in IFRS 15.31 genannte Kriterium des Kontrollübergangs gekoppelt. Bei einem zeitraumbezogenen Kontrollübergang muss eines der drei in IFRS 15.35 genannten Kriterien erfüllt sein, deren Überprüfung wiederum regelmäßig mit Ermessensentscheidungen einhergeht
7 Informationsgehalt und Abschlusspolitik
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(so z. B. in IFRS 15.BC126). Subjektives Ermessen erfordert im Einzelfall auch die Messung des Leistungsfortschritts anhand eines Verfahrens, welches in geeigneter Form die Unternehmensperformance abbildet (IFRS 15.39, vgl. auch Pellens et al. 2021, S. 350 ff. oder Kessler/Leinen/Zwirner 2021). Nach deutschen GoB ist eine Teilgewinnrealisierung grundsätzlich nicht zulässig. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Gesamtauftrag in mehrere Teilaufträge mit separat abrechenbaren Teilleistungen aufgeteilt wird (s. Kap. III.3.8.2.2.b). Insofern ist der Ermessensspielraum in den deutschen GoB deutlich eingeschränkter als in der internationalen Rechnungslegung. Nach IFRS 9 sind aktive Finanzinstrumente in verschiedene Kategorien einzuteilen (s. Kap. III.3.4.2.2), wobei die vorgenommene Kategorisierung bestimmt, ob im Rahmen der Folgebewertung das fair value- oder amortised cost-Modell (s. Kap. III.3.4.2.5) zur Anwendung gelangt (IFRS 9.4.1.1). Hierbei bestehen gewisse Ermessensspielräume. Wird z. B. ein Wertpapierportfolio nur gelegentlich und in geringem Maße durch Verkäufe angepasst, so kann die Abgrenzung zwischen den Kategorien »Halten und Vereinnahmung« und »Halten, Vereinnahmung und Verkaufen« mit Ermessen behaftet sein (s. Kap. III.3.4.2.2). b23. Kurzbeurteilung Zusammenfassend ist in Bezug auf die Wahlrechte und Ermessensspielräume festzustellen, dass die IFRS weniger echte Wahlrechte, wohl aber mehr faktische Ansatzwahlrechte und Ermessensspielräume eröffnen. Dies liegt teilweise darin begründet, dass eine entscheidungsnützliche Rechnungslegung eine stärkere Zukunftsorientierung erfordert, die wiederum in höherem Maße auf ermessensbehafteten Schätzungen beruht. Auch die stärkere Detaillierung in den IFRS führt nicht zwangsläufig zu reduzierten Ermessensspielräumen, weil die vorgenommenen einzelnen Detailregelungen wiederum erneut ermessensbehaftete Detailbeurteilungen erfordern. c. Besonderheiten auf Konzernebene Auch auf Konzernebene (s. Kap. I.2.1; IV) bestehen erhebliche abschlusspolitische Gestaltungsmöglichkeiten. Im Folgenden werden beispielhaft einige ausgewählte abschlusspolitische Aktionsparameter benannt: y Nach § 293 HGB bestehen bezüglich der Aufstellungspflicht eines Konzernabschlusses größenabhängige Befreiungsmöglichkeiten. Diese bestehen international nicht. y Die in den Konzernabschluss einbezogenen Einzelabschlüsse sind an die konzerneinheitliche Bilanzierung anzupassen (IFRS 10.19; § 308 HGB). Dies erfolgt regelmäßig durch Erstellung einer HB II (s. Kap. IV.5.2). Alle Ansatz- und Bewertungsnormen sowie die hiermit einhergehenden Ermessensspielräume können in der HB II unabhängig von ihrer Ausübung in der HB I erneut ausgeübt werden. Erstellt ein Unternehmen erstmals einen Konzernabschluss, leben alle einzelabschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Konzernebene erneut auf. y Weiterhin sind bei der Durchführung einer Kapitalkonsolidierung (s. Kap. IV.5.3.1) nach der Erwerbsmethode (acquisition method gem. IFRS 3.4 ff.) auch immaterielle Vermögenswerte in den Konzernabschluss aufzunehmen, die vorher gem. IAS 38.123 nicht in der Bilanz erfasst wurden. Dies gilt auch für übernommene Eventualverbindlichkeiten (contingent liabilities), die jetzt als Verbindlichkeit zu passivieren sind (vgl. hierzu IFRS 3.13, 3.23 i. V. m. IFRS 3.B31 ff.; s. Kap. IV.5.3.1.5). Bei der Bilanzierung dieser Posten eröffnen sich erhebliche Ermessensspielräume, die über die handelsrechtlichen Mög-
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
lichkeiten hinausgehen (zu abschlusspolitischen Überlegungen im Rahmen der Kaufpreisallokation vgl. z. B. Hill 2011; Verhofen 2016). International unterliegt ein Goodwill aus der Konsolidierung nur noch außerplanmäßigen Wertminderungen (IFRS 3.B63a), entgegen den deutschen GoB, die eine planmäßige Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer vorsehen (§ 309 Abs. 1 i. V. m. § 253 Abs. 3 HGB). Die mit den außerplanmäßigen Wertminderungen einhergehenden Ermessensspielräume sind gewaltig. Angesprochen sind vor allem die Schätzung der künftigen Cashflows und die Wahl eines risikoadäquaten Diskontierungszinssatzes (s. Kap. III.3.1.3.2).
7.2.2.3 Kriterien für die Auswahl und den Einsatz abschlusspolitischer Mittel Die Auswahl der abschlusspolitischen Mittel muss sich an den abschlusspolitischen Zielen orientieren. Das Problem der Auswahl abschlusspolitischer Mittel gewinnt dabei weiter an Komplexität, wenn man mögliche Zielkonflikte wie z. B. zwischen der Erstellung eines handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Abschlusses berücksichtigt (s. Kap. II.7.2.2.1). Damit einhergehende Probleme werden im Folgenden nicht weiter vertieft. Vielmehr wird vereinfacht auf die Gestaltung des Jahresergebnisses abgestellt (vgl. stellvertr. Pfleger 1991, S. 52 ff.; Küting 2008, S. 769 ff.; Wagenhofer/Ewert 2015, S. 271 f.). y Ein Auswahlkriterium für die Eignung eines abschlusspolitischen Mittels ist das durch den Einsatz realisierbare Ausmaß der Ergebnisbeeinflussung. Dieses Kriterium ist besonders dann relevant, wenn es darum geht, ein möglichst hohes oder niedriges Ergebnis zu zeigen. y Das Kriterium der Wirkungsdauer berücksichtigt die sog. Zweischneidigkeit abschlusspolitischer Maßnahmen, d. h., die Effekte kehren sich in den Folgeperioden regelmäßig um. Beispielsweise bedingt die Festlegung einer längeren Nutzungsdauer für Sachanlagen, dass zwar das Ergebnis in der Anfangszeit in geringerem Umfang belastet wird, allerdings wird dieser Vorteil durch höhere Ergebnisbelastungen in den Folgeperioden erkauft. Demnach muss eine langfristig angelegte Abschlusspolitik mit dem Ziel der Ergebnisglättung stets berücksichtigen, ob auch in den Folgeperioden geeignete abschlusspolitische Aktionsparameter zur Verfügung stehen, um das Ergebnis in der gewünschten Richtung beeinflussen zu können (mehrperiodige Abschlusspolitik). y Das Kriterium der Bindungswirkung berücksichtigt, inwieweit der Abschlussersteller an eine einmal getroffene Entscheidung gebunden ist. Damit sind die Fragen der formellen und materiellen Bilanzansatz- und Bewertungsstetigkeit angesprochen (s. Kap. II.4.4.3.2). Dabei geht es vor allem darum, inwieweit der Ersteller sich mit der Wahl einer bestimmten Rechnungslegungsmethode auch für künftige Perioden und andere art- und funktionsgleiche Posten bindet. y Das Kriterium der Teilbarkeit betrifft die Dosierbarkeit der Ergebniswirkungen. Teilbarkeit ist z. B. bei der Schätzung der Nutzungsdauer des Anlagevermögens gegeben. Hier ist es möglich, die Ergebnisbeeinflussungen zu »dosieren«. y Das Kriterium der Erkennbarkeit erfasst, inwieweit die abschlusspolitischen Maßnahmen vor allem über die Angaben im Anhang und in den Notes für Dritte erkennbar sind. – Wahlrechte sind teilweise für Dritte erkennbar. Bei Erstellung eines handelsrechtlichen Abschlusses ist z. B. der Betrag der wahlweise aktivierten latenten Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB) anzugeben.
7 Informationsgehalt und Abschlusspolitik
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– Weniger oder gar nicht erkennbar sind Ermessenspielräume und Sachverhaltsgestaltungen. Führen indes allein abschlusspolitisch motivierte Maßnahmen zu erheblichen Ergebniswirkungen, kann sich gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB eine Angabepflicht im Anhang ergeben (vgl. Störk/Schellhorn 2020, § 264 HGB, Rn. 50). Eine ähnliche Regelung findet sich in IAS 1.122: Demnach hat die Unternehmensleitung alle Ermessensentscheidungen in Zusammenhang mit der Anwendung der Rechnungslegungsmethoden offenzulegen, die besonders signifikante Auswirkungen auf die Höhe der Abschlussposten haben. Abschlusspolitische Mittel sind auch unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten zu beurteilen. Dabei lösen insbesondere Sachverhaltsgestaltungen Mehrkosten, beispielsweise Transaktionskosten, die in Zusammenhang mit einem Sale-and-Lease-Back-Geschäft entstehen, aus, welche die erwarteten Vorteile aus diesen Maßnahmen überkompensieren können. Auch bei der Wahrnehmung anderer abschlusspolitischer Mittel können Kosten entstehen. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies: – Über das Einholen eines externen Gutachtens soll belegt werden, dass die Voraussetzungen für die Aktivierung immaterieller Vermögenswerte gem. IAS 38.57 gegeben sind oder auch nicht (s. Kap. III.3.2.2). – Der Beweis der Existenz eines Marktes gem. IAS 38.57d kann über besondere Marktstudien geführt werden. Ein derartiger Beweis lässt sich insbesondere über ein Gutachten erbringen, welches durch unabhängige Dritte erstellt wurde. Beachtenswert ist auch das Kriterium der Testierbarkeit. Demnach hat der Abschlussersteller die abschlusspolitischen Maßnahmen so anzulegen, dass diese nicht zu Beanstandungen seitens des amtierenden Abschlussprüfers führen (vgl. ähnlich Müller/Wulf 2001, S. 2213 sowie Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 330). – Dem Ziel der Verhaltensbeeinflussung kontraproduktiv sind vor allem Beanstandungen, die für Dritte erkennbar sind, d. h., solche, die zu einer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks gem. § 322 HGB i. V. m. IDW PS 400, 405, 406 oder ISA 700, 705, 706 führen oder über die dort als besonders wichtiger Prüfungssachverhalt (key audit matter) gem. IDW PS 401 oder ISA 701 berichtet wird (vgl. Marten/ Quick/Ruhnke 2020, S. 709 ff.). Die daraus resultierenden negativen Konsequenzen, z. B. auf eine höhere Risikoprämie zurückzuführende Kursrückgänge und der hiermit in einem engen Zusammenhang stehende Reputationsverlust des abschlusserstellenden Unternehmens, dürften die möglichen Vorteile der Abschlusspolitik regelmäßig überkompensieren. – Beachtlich ist auch, dass der amtierende Abschlussprüfer sachverhaltsgestaltende Maßnahmen gem. § 321 Abs. 2 Satz 4 HGB im Prüfungsbericht darzulegen hat. Obgleich der Prüfungsbericht im Unterschied zum Bestätigungsvermerk kein extern publiziertes Berichterstattungsinstrument ist, lassen sich Banken bei der Kreditvergabe diesen Bericht regelmäßig vorlegen. Die dort dargelegten sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen sind insofern wenig geeignet, um die Kreditvergabeentscheidung aus Unternehmenssicht positiv zu beeinflussen.
Die Grenzen der Abschlusspolitik finden sich vor allem im Stetigkeitsprinzip (zugleich auch Auswahlkriterium für den Einsatz abschlusspolitischer Mittel; zum Stetigkeitsprinzip s. Kap. II.4.4.3.2; II.5.3.2.3.b12) sowie in den Generalnormen für den handelsrechtlichen Jahresabschluss (§§ 264 Abs. 2; 297 Abs. 2 HGB; s. Kap. II.4.2; II.5.3.2.1) bzw. der international geforderten fair presentation (IAS 1.15).
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Kapitel II Bezugsrahmen für die Lösung von Rechnungslegungsproblemen aus Anwendersicht
Kontrollfragen zu II.7 1. Warum betreiben Unternehmen Abschlusspolitik? Gehen Sie auch kurz darauf ein, inwieweit es möglich ist, das Durchführen der abschlusspolitischen Maßnahmen durch eine IT-gestützte Rechnungslegung zu unterstützen. 2. Kennzeichnen Sie die Durchführung abschlusspolitischer Maßnahmen aus dem Blickwinkel des entscheidungsorientierten Ansatzes. 3. Wie beurteilen Sie »the Earnings Game« aus dem Blickwinkel einer entscheidungsnützlichen Rechnungslegung? 4. Welche abschlusspolitischen Ziele kann ein Unternehmen verfolgen? Welche Probleme können bei der Festlegung abschlusspolitischer Ziele entstehen und wie lassen sich diese lösen? 5. Wie beurteilen Sie die Neigung eines Unternehmens, bei Festlegung von Kreditvertragsklauseln (Financial Covenants) abschlusspolitisch tätig zu werden? 6. Welche abschlusspolitischen Ziele verfolgt die formelle Abschlusspolitik? 7. Geben Sie jeweils zwei Beispiele für Bewertungswahlrechte auf nationaler und internationaler Ebene. Sind Bewertungswahlrechte geeignete abschlusspolitische Aktionsparameter? 8. Anhand welcher Kriterien sind die zur Verfügung stehenden abschlusspolitischen Mittel auszuwählen? 9. Im Abschluss der Gamma AG sind Zuwendungen der öffentlichen Hand zu berücksichtigen. Inwieweit lässt sich der Abschluss der Gamma AG in Zusammenhang mit der Berücksichtigung dieser Zuwendungen abschlusspolitisch gestalten? Gehen Sie bei der Beantwortung der Frage sowohl auf die deutschen GoB als auch auf die internationalen Normen ein. Ist es möglich, den Zielkonflikt zwischen Einzel- und Konzernabschluss aufzulösen? 10. Gehen Sie auf die Grenzen der Abschlusspolitik ein. Welche Rolle kommt dem amtierenden Abschlussprüfer in diesem Zusammenhang zu? 11. Gehen Sie auf den Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der Stetigkeit und der Abschlusspolitik ein und verdeutlichen Sie Ihre Ausführungen anhand von typisierenden Beispielen. Zu berücksichtigen sind sowohl die nationalen als auch die internationalen Rechnungslegungsnormen. 12. Beurteilen Sie die Eignung des abschlusspolitischen Aktionsparameters »Ermittlung der Anschaffungskosten«. Gehen Sie bei der Beantwortung der Frage sowohl auf die deutschen GoB als auch auf die internationalen Normen ein.
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
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1 Grundsätzliches Bearbeitungsschema Bei der Lösung von Rechnungslegungsproblemen geht es darum, die ökonomische Realität in eine repräsentierende Abbildung in Form des Jahresabschlusses (s. Kap. II.1, insbes. Abb. II.1./1) zu überführen. Das hierfür erforderliche Problemlösungswissen umfasst y die Kenntnis der relevanten Rechnungslegungsnormen, y die Fähigkeit, die für die Normenanwendung relevanten Ausschnitte der ökonomischen Realität zu identifizieren und y die Generierung einer Problemlösung, zumeist in Form einer Buchung gestützt auf die geltenden Rechnungslegungsnormen (s. Kap. II.6). In Kapitel II wurden sog. Rahmennormen (s. Kap. II.4; s. Kap. II.5) behandelt, also solche Normen, die grundsätzliche Fragestellungen regeln. Besonders die internationalen Rechnungslegungsnormen sind dadurch gekennzeichnet, dass häufig auftretende Sachverhalte in speziellen Einzelnormen behandelt werden. Diese häufig auftretenden ökonomischen Sachverhalte spiegeln sich regelmäßig in bestimmten Abschlussposten wider. Sie können auch zu spezifischen Detailbetrachtungen, wie z. B. in der Kapitalflussrechnung (s. Kap. III.4.2) führen. Die Bearbeitung der abschlusspostenbezogenen und der weiteren Detailbetrachtungen folgt regelmäßig dem folgenden Schema: (1)
Der abzubildende ökonomische Sachverhalt wird skizziert und die relevanten Begriffsdefinitionen werden gegeben.
(2)
Die Frage nach dem Ansatz eines Postens in der Bilanz wird beantwortet.
(3)
Wird die Ansatzentscheidung bejaht, ist über die Höhe des Ansatzes, d. h. über die Bewertung, zu entscheiden (s. Abb. II.5./12). Hier ist zwischen Erst- und Folgebewertung zu unterscheiden.
(4)
Ausweisfragen werden entweder in Zusammenhang mit den Ansatz- (2) oder den Bewertungsfragen (3) behandelt.
(5)
Die Beschäftigung mit den Angabepflichten wird auf das unbedingt Erforderliche beschränkt.
400
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse LERNZIELE
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Verständnis für den abzubildenden ökonomischen Sachverhalt. Erlernen der grundsätzlichen Vorgehensweise zur Behandlung von Abgrenzungsproblemen im Hinblick auf den Ansatz, die Bewertung und den Ausweis. Kenntnis wesentlicher Unterschiede zwischen der Vorgehensweise nach internationalen und nationalen Rechnungslegungsnormen.
Bevor zentrale Abschlussposten (s. Kap. III.3) näher diskutiert werden, behandelt dieses Kapitel zunächst jene Korrekturposten, die primär der zutreffenden Periodisierung dienen (s. Kap. III.2.1). Darüber hinaus werden Besonderheiten bei der Abbildung ökonomischer Sachverhalte beleuchtet, die sich aus der Existenz einer gesonderten Steuerbilanz (s. Kap. III.2.2) und dem Umrechnungserfordernis bei Transaktionen in ausländischer Währung (s. Kap. III.2.3) ergeben.
2.1 Rechnungsabgrenzungsposten 2.1.1 Abzubildender Sachverhalt Der Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten dient der periodengerechten Ergebnisermittlung. Dabei werden entweder y bereits als Geschäftsvorfall erfasste Sachverhalte am Jahresende korrigiert, weil die Ergebniswirkung zumindest teilweise nicht der aktuellen Periode zuzurechnen ist, oder y Ergebniswirkungen von Geschäftsvorfällen, die eine künftige Periode betreffen, zumindest teilweise in die aktuelle Periode vorgezogen. 2.1.2 Grundsätzliche Regelung 2.1.2.1 Internationale Normen Nach dem Grundsatz der Periodenabgrenzung (accrual principle; IASB F.1.17; IAS 1.27; s. Kap. II.5.3.2.2.b) sind Aufwendungen und Erträge periodengerecht abzugrenzen. Ein Abgrenzungsposten ist in einem IFRS-Abschluss immer dann anzusetzen, wenn dieser die Definition eines Vermögenswerts oder einer liability erfüllt (IAS 1.28). Hierbei stellt z. B. die Definition des Vermögenswerts (s. Kap. II.5.3.5) auf die Möglichkeit künftigen wirtschaftlichen Nutzenzufluss zu generieren ab (IASB F.4.14). Allerdings wird diese Forderung in zeitlicher Hinsicht nicht konkretisiert (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 550). Für den Ausweis der Abgrenzungsposten sehen die IFRS keinen eigenständigen Posten vor (IAS 1.54; s. Kap. II.5.3.3.2). Allerdings sind zusätzliche Posten in der Bilanz darzustellen, wenn eine solche Darstellung für das Verständnis der Finanzlage (financial position) des Unternehmens relevant ist (IAS 1.55). Ein solcher gesonderter Ausweis ist im Einzelfall zu prüfen. 2.1.2.2 Deutsche Normen Der Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten soll eine dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip, dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach sowie dem Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach entsprechende Periodisierung (s. Kap. II.4.4.5.3) ermöglichen.
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
401
Rechnungsabgrenzungsposten sind bilanzielle Korrekturposten, die den Ansatz von Vermögensgegenständen und Schulden ergänzen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 541 ff.). Den ergänzenden Charakter verdeutlicht § 246 Abs. 1 HGB, wonach die Bilanz »sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, [und] Rechnungsabgrenzungsposten« zu enthalten hat. Demnach beurteilt das HGB Rechnungsabgrenzungsposten im Gegensatz zu den internationalen Normen nicht als Vermögensgegenstand oder Schuld. Vielmehr schließt der weiter gefasste IFRS-Begriff des Vermögenswerts die aktiven handelsrechtlichen Abgrenzungsposten ein; analog hierzu umfasst der Liability-Begriff auch die passiven handelsrechtlichen Abgrenzungsposten (vgl. Theile 2019, S. 108). Gemäß den Regelungen des HGB lassen sich die folgenden vier Fälle unterscheiden: Fall
Geschäftsvorfall im alten Jahr (jetzt)
im neuen Jahr (später)
Auswirkung im alten Jahr
Art der Abgrenzung
1
aktivische Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 1 HGB)
Ausgabe
Aufwand
Aufwand sinkt
2
passivische Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 2 HGB)
Einnahme
Ertrag
Ertrag sinkt
transitorische Abgrenzungsposten
3
sonstige Vermögensgegenstände
Ertrag
Einzahlung
Ertrag und Einnahme steigen
antizipative Abgrenzungsposten
4
sonstige Verbindlichkeiten
Aufwand
Auszahlung
Aufwand und Ausgabe steigen
Abb. III.2./1 Arten von Abgrenzungsposten
In Bezug auf die Fälle 3 und 4, die nicht unter den Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen werden, ist Folgendes festzuhalten: y Im Fall 3 handelt es sich um einen bereits realisierten Ertrag, die Gegenpartei hat zum Bilanzstichtag aber noch kein Entgelt geleistet. Hier kann es sich z. B. um ausstehende Lizenzgebühren oder Zinsen für das abgelaufene Jahr handeln. y Im Fall 4 liegt ein bereits realisierter Aufwand vor. Die empfangenen Güter oder Dienstleistungen wurden jedoch noch nicht bezahlt. Beispiele sind noch zu zahlende Löhne oder noch nicht entrichtete Zinsen für das abgelaufene Jahr. Bei beiden Fällen handelt es sich um sog. antizipative Abgrenzungsposten, die dem Aktivierungsgrundsatz (s. Kap. II.4.4.6.1) folgend als sonstige Vermögensgegenstände (3) oder dem Passivierungsgrundsatz (s. Kap. II.4.4.6.2) folgend als sonstige Verbindlichkeiten (4) zu bilanzieren sind. Da antizipative Posten Vermögensposten bzw. Schulden darstellen, werden diese nicht von der Definition des Rechnungsabgrenzungspostens gem. §§ 246 Abs. 1, 250 Abs. 1 und 2 HGB erfasst.
402
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Der Ausweis erfolgt gem. § 266 Abs. 2 B. II. 4. HGB als sonstiger Vermögensgegenstand oder gem. § 266 Abs. 3 C. 8. HGB als sonstige Verbindlichkeit. Die Fälle 1 und 2 sprechen die aktiven und passiven Rechnungsabgrenzungsposten gem. § 250 Abs. 1 und 2 HGB an. Demnach sind z. B. als aktive Rechnungsabgrenzungsposten Ausgaben vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Es besteht folglich eine Ansatzpflicht. y Aktive Abgrenzungsposten sind z. B. im Voraus bezahlte Löhne oder Versicherungsprämien für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag. y Bei den passiven Abgrenzungsposten kann es sich z. B. um vorab erhaltene Mietzahlungen handeln. Erforderlich ist stets, dass es sich um Ausgaben bzw. Einnahmen handelt, die Aufwand bzw. Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Das Kriterium der »bestimmten Zeit« stellt somit einen wesentlichen Unterschied zu den internationalen Normen dar. Bei der Auslegung dieses Erfordernisses ist zunächst einmal dem Wortlaut folgend festzustellen, dass es sich um einen bestimmten Zeitraum handeln muss, d. h., Anfang und Ende des Zeitraums müssen eindeutig festliegen (vgl. z. B. Schubert/Waubke 2020, § 250 HGB, Rn. 21). Dabei kann sich der Zeitraum auf das Geschäftsjahr, welches dem Abschlussstichtag folgt, oder spätere Geschäftsjahre beziehen. Durch die Rechnungsabgrenzungsposten werden y im alten Geschäftsjahr im Voraus gezahlte Aufwendungen und im Voraus erhaltene Erträge ergebnisneutral in die Schlussbilanz übertragen oder y im neuen Geschäftsjahr oder zu einem späteren bestimmten Zeitpunkt diese Beträge ergebniswirksam über die GuV aufgelöst. Aus diesem Grunde werden diese Posten auch transitorische Abgrenzungsposten genannt. Aktive Abgrenzungsposten sind als gesonderter Posten nach dem Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 C. HGB) und passive Abgrenzungsposten sind als gesonderter Posten nach den Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 D. HGB) auszuweisen. Die steuerrechtliche Vorschrift zu den transitorischen Abgrenzungsposten ähnelt der handelsrechtlichen Regelung (§ 5 Abs. 5 S. 1 EStG). Aufgrund der Veränderungen durch das BilMoG ist eine Identität jedoch nicht mehr vollständig gegeben (vgl. Schubert/Waubke 2020, § 250 HGB, Rn. 3).
2.1.3 Sonderfälle der Rechnungsabgrenzung 2.1.3.1 Erhaltene Anzahlungen Erhaltene Anzahlungen stellen Vorleistungen des Bestellers dar, die das bilanzierende Unternehmen zu einer späteren Leistung verpflichten. Sowohl international als auch nach deutschen GoB ist die erhaltene Anzahlung mit dem Nettobetrag zu passivieren. Es ist ausschließlich die Nettomethode zulässig (vgl. Schubert 2020, § 266 HGB, Rn. 226). Eine Anzahlung in Höhe von 11.900 € brutto (einschl. 19 % Umsatzsteuer) ist demnach wie folgt zu buchen: Bank
11.900 €
an
Erhaltene Anzahlung Umsatzsteuer
10.000 € 1.900 €
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
403
Die erhaltene Anzahlung wird ergebnisneutral behandelt, was dem Charakter der Umsatzsteuer als durchlaufender Posten entspricht. Bei Abrechnung der entsprechenden Gegenleistung ist die erhaltene Anzahlung aufzulösen. Zu buchen ist: Erhaltene Anzahlung
10.000 €
an
Umsatzerlöse
10.000 €
Erhaltene Anzahlungen auf Vorräte können gem. § 268 Abs. 5 S. 2 HGB auch offen auf der Aktivseite von den Vorräten abgesetzt werden; dies gilt auch nach IFRS (s. Kap. III.3.3.2). 2.1.3.2 Unterschiedsbetrag zwischen Rückzahlung und Auszahlung einer Verbindlichkeit Ist der Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit höher als der Ausgabebetrag, so wird der Unterschiedsbetrag allgemein als Disagio und bei Hypothekenverbindlichkeiten auch als Damnum bezeichnet. International ist ein solches Darlehn (loan) zu fortgeführten Anschaffungskosten zwingend unter Verwendung der Effektivzinsmethode zu bewerten (IFRS 9.5.4; s. Kap. III.3.4). Grundgedanke dieser Methode ist die systematische Erfassung der Wertänderungen, die sich allein aus dem Verlauf der Zeit ergeben (vgl. ausführlich Kuhn/Scharpf 2006, S. 128 f.; Pellens et al. 2021, S. 623 f.). Die Anwendung der Effektivzinsmethode ist zweistufig: Zunächst einmal ist der Effektivzinssatz zu ermitteln und in einem zweiten Schritt sind auf dieser Grundlage die fortgeführten Anschaffungskosten zu bestimmen. Der effektive Zinssatz ist der Zinssatz, der unter Einbeziehung der Anfangsauszahlung sowie der erwarteten künftigen Zahlungsmittelflüsse zu einem Kapitalwert von null führt (IFRS B5.4). Es handelt sich somit um den internen Zinsfuß der betrachteten Zahlungsreihe (vgl. z. B. Kruschwitz 2014, S. 92 ff.). Im Ergebnis wird zunächst der niedrigere Auszahlungsbetrag passiviert und die Differenz zwischen dem Auszahlungs- und dem Rückzahlungsbetrag über die Laufzeit verteilt. Beispiel Behandlung eines Disagios nach IFRS Von einer vereinbarten Kreditsumme mit einem Nominalzins in Höhe von 5 % und einer Restlaufzeit von 5 Jahren in Höhe von 100.000 € werden nur 95.000 € ausgezahlt. Zurückzuzahlen sind 100.000 € am Ende der Vertragslaufzeit. Das Auszahlungsdisagio beträgt demnach 5.000 €. Das Disagio ist hierbei ein vorwegbezahlter Zins. Würde das Disagio bei einer angenommenen Kreditlaufzeit von 5 Jahren sofort voll als Aufwand gebucht, würde das Geschäftsjahr der Kreditauszahlung mit zu hohen Aufwendungen belastet. Um diesen Verstoß gegen den Grundsatz der Periodenabgrenzung zu beseitigen, kann der Aufwand in Höhe von 5.000 € anteilmäßig über die gesamte Laufzeit des Kredits verteilt werden. In einem ersten Schritt ist zunächst der Effektivzinssatz (ieff ) zu bestimmen, wie er sich unter Beachtung von Nominalzins und Disagio ergibt. 0 = 95.000 € ‒
5.000 € 5.000 € 5.000 € 105.000 € 5.000 € + + + + (1 + ieff)1 (1 + ieff)2 (1 + ieff)3 (1 + ieff)4 (1 + ieff)5
Die angegebene Gleichung lässt sich in der Regel bei mehr als zweiperiodigen Darlehnszahlungsreihen nicht nach i auflösen. Allerdings ist es möglich, den Effektivzinssatz mithilfe eines Tabel-
404
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
lenkalkulationsprogramms zu berechnen. Auf diese Weise errechnet sich ein Effektivzinssatz von ieff = 0,0619. Im zweiten Schritt sind die fortgeführten Anschaffungskosten zum Jahresende zu berechnen: Jahr
a (fortgeführte) Anschaffungskosten zum 1.1.
b = a × ieff effektiver Zinsaufwand
c nominale Zinszahlung
d Tilgung
e = a + (b – c) – d (fortgeführte) Anschaffungskosten zum 31.12.
t1
– 95.000 €
– 5.884 €
– 5.000 €
0 €
– 95.884 €
t2
– 95.884 €
– 5.938 €
– 5.000 €
0 €
– 96.822 €
t3
– 96.822 €
– 5.996 €
– 5.000 €
0 €
– 97.818 €
t4
– 97.818 €
– 6.058 €
– 5.000 €
0 €
– 98.876 €
t5
– 98.876 €
– 6.124 €
– 5.000 €
– 100.000 €
0 €
Zum Zeitpunkt der Darlehnsaufnahme (1.1.t1) ist wie folgt zu buchen: Bank
95.000 €
an
Verbindlichkeit
95.000 €
Jeweils am 31.12. (t1 bis t5) ist der vereinbarte Zins (Rückzahlungsbetrag × 5 %) zu entrichten. Zinsaufwand
5.000 €
an
Bank
5.000 €
Des Weiteren ist die Darlehnsverbindlichkeit jeweils am 31.12. (t1 bis t5) zu den mittels der Effektivzinsmethode berechneten fortgeführten Anschaffungskosten anzusetzen; die Differenz zu den (fortgeführten) Anschaffungskosten der Vorperiode ist als Aufwand zu buchen. Demnach ist z. B. am 31.12.t1 wie folgt zu buchen: Zinsaufwand
884 €
an
Verbindlichkeit
884 €
Ein Disagio darf im HGB-Abschluss in den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten aufgenommen werden (Wahlrecht gem. § 250 Abs. 3 S. 1 HGB). Allerdings ist zu beachten, dass es nur in voller Höhe angesetzt werden darf. Ein Teilwertansatz wird mittlerweile als unzulässig angesehen (vgl. Schubert/Waubke 2020, § 250 HGB, Rn. 38). »Der Unterschiedsbetrag ist durch planmäßige jährliche Abschreibungen zu tilgen, die auf die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden können« (§ 250 Abs. 3 S. 2 HGB). Dabei kann sich die Abschreibung des Disagios an der Verteilung des Zinsaufwands orientieren (vgl. Scherrer 2011, S. 309) oder etwa planmäßig bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit des Kreditvertrages erfolgen (vgl. Schubert/Waubke 2020 § 250 HGB, Rn. 46). Das Disagio ist in der Bilanz innerhalb der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten gesondert zu zeigen oder im Anhang anzugeben (§ 268 Abs. 6 HGB). Beispiel Behandlung eines Disagios nach HGB Fall 1: Fälligkeitsdarlehn Das Darlehn wird am 1.1.t1 aufgenommen und ist mit 5 % p. a. in Bezug auf die Restschuld am Anfang des Jahres zu verzinsen. Die Rückzahlung des Darlehns erfolgt am 31.12.t5. Unterstellt
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
405
wird, dass das Wahlrecht des § 250 Abs. 3 HGB wahrgenommen wird, d. h., es ist ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) zu bilden. Zum Zeitpunkt der Darlehnsaufnahme (1.1.t1) ist beim Darlehnsnehmer wie folgt zu buchen: Bank ARAP
95.000 € 5.000 €
an
Verbindlichkeit
100.000 €
Jeweils am 31.12. (t1 bis t5) ist der vereinbarte Zins (Darlehnsschuld × 5 %) zu entrichten sowie das Disagio anteilig aufzulösen (5.000 € × 20 %). Zinsaufwand Zinsaufwand
5.000 € 1.000 €
an an
Bank ARAP
5.000 € 1.000 €
Am 31.12.t5 ist zusätzlich der Rückzahlungsbetrag (100.000 €) an den Darlehnsgeber zu entrichten. Verbindlichkeit
100.000 €
an
Bank
100.000 €
Fall 2: Tilgungsdarlehn Das Darlehn wird am 1.1.t1 aufgenommen und ist mit 5 % p. a. in Bezug auf die Restschuld am Anfang des Jahres zu verzinsen. Zum 31.12. eines jeden Jahres wird ein Fünftel des Darlehensbetrags getilgt. Der Zins- und Tilgungsplan sieht wie folgt aus: Jahr t t1
Darlehensbetrag am 1.1.t 100.000 €
Tilgung
Zinsaufwand
Abschreibung des Disagios
20.000 €
5.000 € (= 100.000 € × 0,05)
1.666,67 €
t2
80.000 €
20.000 €
4.000 € (= 80.000 € × 0,05)
1.333,33 €
t3
60.000 €
20.000 €
3.000 € (= 60.000 € × 0,05)
1.000,00 €
t4
40.000 €
20.000 €
2.000 € (= 40.000 € × 0,05)
666,67 €
t5
20.000 €
20.000 €
1.000 € (= 20.000 € × 0,05)
333,33 €
Zur Ermittlung des Abschreibungsbetrags wird das Disagio durch die Summe der Zinsaufwendungen dividiert und mit dem Zinsaufwand des betrachteten Jahres multipliziert. Folglich ergibt sich z. B. für das zweite Jahr ein Abschreibungsbetrag in Höhe von 1.333,33 € ( = 5.000 € ∙ _ 15.000 ) 4.000
Fall 3: Annuitätendarlehn Das Darlehn wird am 1.1.t1 aufgenommen und ist mit 5 % p. a. zu verzinsen. Zum 31.12. eines jeden Jahres wird die konstante Annuität entrichtet, wobei sich die Aufteilung auf Zins und Tilgung aufgrund der abnehmenden Restschuld verändert. Im vorliegenden Beispiel ergibt sich die Annuität als Produkt aus Erfüllungsbetrag und dem Wien dergewinnungsfaktor, (1+i) × i , bei einer fünfjährigen Laufzeit (n = 5) zum Zinssatz 5 % (i = 0,05). (1+i)n ‒ i
Sie beträgt 23.097,48 €.
406
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Der Zins- und Tilgungsplan lautet demnach: Jahr t
Darlehensbetrag am 1.1.t
t1
Tilgung
100.000,00 €
Zinsaufwand
18.097,48 €
Abschreibung des Disagios
5.000,00 €
1.614,22 €
t2
81.902,52 €
19.002,35 €
4.095,13 €
1.322,08 €
t3
62.900,17 €
19.952,47 €
3.145,01 €
1.015,34 €
t4
42.947,70 €
20.950,10 €
2.147,38 €
693,27 €
t5
21.997,60 €
21.997,60 €
1.099,88 €
355,09 €
Die Ermittlung des Abschreibungsbetrags für das Disagio erfolgt nach der gleichen Formel wie beim Tilgungsdarlehn. Würde die Schuld vorzeitig getilgt, wäre der Bilanzposten Disagio sofort aufwandswirksam aufzulösen, sofern das Disagio ausnahmsweise nicht vom Kreditgeber zurückerstattet wird. Gleichwohl ist es möglich, das Disagio in t1 voll als Aufwand zu verrechnen (§ 250 Abs. 3 S. 1 HGB). Werden die Ergebniswirkungen im Zeitablauf mit und ohne Aktivierung des Disagios miteinander verglichen, so ergibt sich für das Fälligkeitsdarlehn folgendes Bild: Ergebniswirkungen mit Aktivierung ohne Aktivierung
t1
t2
t3
t4
t5
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 10.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
Werden die Ergebniswirkungen bei Anwendung der Behandlungsweisen mit der zuvor dargestellten Effektivzinsmethode nach internationalen Normen verglichen, so zeigt sich das folgende Bild: Ergebniswirkungen
t1
t2
t3
t4
t5
IFRS 9.5.4
– 5.884 €
– 5.938 €
– 5.996 €
– 6.058 €
– 6.124 €
§ 250 Abs. 3 HGB mit Aktivierung des Disagios
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 6.000 €
– 10.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
– 5.000 €
§ 250 Abs. 3 HGB ohne Aktivierung des Disagios
Steuerrechtlich besteht für solche Abgrenzungsposten (Darlehnsdisagio beim Schuldner) eine Aktivierungspflicht (vgl. Schubert/Waubke 2020, § 250 HGB, Rn. 41). Die Ergebniswirkungen bei der international anzuwendenden Effektivzinsmethode und bei Wahrnehmung des Wahlrechtes gem. § 250 Abs. 3 S. 1 HGB i. S. einer Aktivierung des Disagios unterscheiden sich nur marginal. Dabei dürfte die Effektivzinsmethode auch handelsrechtlich zulässig sein, sodass sich auf diese Weise etwaige Unterschiede in den Ergebniswirkungen vermeiden lassen (vgl. auch Hömberg/König/Weber 2020, § 250 HGB, Rz. 98). Allerdings weichen die Darstellungen in der Bilanz dahingehend voneinander ab, dass nach HGB die Verbindlichkeit bereits in t1 vollumfänglich gezeigt und gleichzeitig auf der Aktivseite ein Korrekturposten (Disagio) gebildet wird. Dagegen zeigt sich die Verbindlichkeit bei Anwendung der IFRS erst am Ende von t5 in voller Höhe; allerdings wird der Posten in dem vorliegenden Beispiel aufgrund der Tilgung sofort aufgelöst. Eine besondere Vorziehenswürdigkeit (gemessen an einer höheren Entscheidungsnützlichkeit der gegebenen Informatio-
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
407
nen) entweder für die IFRS oder für die handelsrechtliche Variante mit Aktivierung des Disagios lässt sich nicht begründen. Zu kritisieren ist allerdings, dass handelsrechtlich auch die sofortige ergebniswirksame Verrechnung des Disagios zulässig ist (§ 250 Abs. 3 S. 1 HGB). Ein solches Vorgehen ist mit einer periodengerechten Ergebnisermittlung nach den GoB nicht vereinbar und daher abzulehnen.
2.2 Steuerabgrenzung 2.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Latente Steuern sind immer dann zu berücksichtigen, wenn sich die Wertansätze eines Vermögenspostens oder einer Schuld in der nichtsteuerlichen Rechnungslegung (hier: HGBoder IFRS-Bilanz) und der Steuerbilanz voneinander unterscheiden (vgl. z. B. Theile/Behling, 2019, S. 819 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 26; Pellens et al. 2021, S. 253 ff.). Da sich die Behandlungen latenter Steuern nach IFRS und nach HGB konzeptionell nicht unterscheiden, wird in diesem Abschnitt allgemein vom handelsrechtlichen statt vom nichtsteuerlichen Abschluss gesprochen. Unterschiedliche Wertansätze, die zur Notwendigkeit einer Steuerabgrenzung führen, ergeben sich aufgrund abweichender Ansatz- oder Bewertungsvorschriften in den handels- und steuerrechtlichen Normensystemen. Aufgrund der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG, die es erlaubte, in der Handelsbilanz rein steuerlich motivierte Wertansätze zu tätigen, steigt die Bedeutung von Steuerabgrenzungen im HGB-Abschluss erheblich und erreicht nunmehr einen Umfang, welcher der internationalen Rechnungslegung entspricht (für einen empirischen Überblick über den Ausweis latenter Steuern vgl. Ertel/Kaiser 2015; Spengel/Evers/Meier 2015; Nickisch 2017a; Nickisch 2017b; Reisch 2020). Gleiches gilt aufgrund der Umstellung vom Timing- auf das Temporary-Konzept (s. Kap. III.2.2.2.1; vgl. auch Kessler/Leinen/Paulus 2009, S. 716 ff.; Wolz 2010, S. 2625 ff.; Karrenbrock 2021, Rn. 3 ff.). Ziel der Bildung latenter Steuern ist es, im handelsrechtlichen Abschluss die Steuerbelastung zu zeigen, die sich ergeben hätte, wenn das handelsrechtliche Ergebnis vor Steuern auch Bemessungsgrundlage für die Besteuerung gewesen wäre. Latente Steuern überbrücken somit die Differenz zwischen der fiktiven Steuerschuld, die sich aufgrund des handelsrechtlichen Ergebnisses ergeben hätte, und der tatsächlichen Steuerschuld, die sich aus der Steuerbilanz ergibt (vgl. Blaum/Utzerath 2021, IAS 12, Tz. 15). Z. B. verdeutlicht eine passive latente Steuer, dass der handelsrechtliche Jahresüberschuss größer gewesen ist als das steuerliche Ergebnis. Die erfolgte Steuerabführung ist somit gemessen am handelsrechtlichen Ergebnis zu niedrig. Kehren sich die Bewertungsdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz in der Zukunft um, so resultieren daraus gemessen an den zukünftigen handelsrechtlichen Jahresüberschüssen überhöhte Steuerzahlungen, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt durch den Ansatz einer passiven latenten Steuer antizipiert werden. Zur Ermittlung der Steuerabgrenzung sind die Wertdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz über alle Vermögensposten und Schulden zu addieren und mit dem relevanten Steuersatz zu multiplizieren. Latente Steuern sind daher der zuvor beschriebenen Vorgehensweise folgend zu bilden, da ansonsten der handelsrechtlich ausgewiesene Steueraufwand in keiner erklärbaren Beziehung zum Jahresergebnis steht. Insofern liegt kein eigenständiger abbildungspflichtiger ökonomischer Sachverhalt vor, sondern das Erfordernis, aufgrund einer abweichenden
408
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Periodisierung in Handels- und Steuerbilanz Anpassungen vorzunehmen. Dementsprechend ist eine aktive latente Steuer kein Vermögensgegenstand; ebenso wenig handelt es sich bei einer passiven latenten Steuer um eine Schuld. Vielmehr stellen Steuerabgrenzungen einen Sonderposten eigener Art dar (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 77). Beispiel Latente Steuern In t1 führt eine nur nach IFRS zulässige ergebniswirksame Wertminderung dazu, dass in der IFRSBilanz ein Vermögenswert zu 100 T€ anzusetzen ist; der Wertansatz in der Steuerbilanz beträgt unverändert 130 T€. Solche Unterschiede können daraus resultieren, dass Vorräte in der Steuerbilanz nur bei einer dauerhaften Wertminderung abzuschreiben sind. Dagegen besteht nach IFRS das Erfordernis der Dauerhaftigkeit nicht (s. Kap. III.3.3.2). Wäre die IFRS-Bilanz Grundlage für die Ertragssteuerzahlungen, hätte sich bei einem relevanten Steuersatz von 40 % aufgrund der reduzierten Bemessungsgrundlage eine um 12 T€ (30 T€ × 0,4) reduzierte Zahllast an den Fiskus ergeben. Demnach ist die effektive Steuerbelastung auf Basis der Steuerbilanz größer als die fiktive Steuerbelastung auf Basis der IFRS-Bilanz. Die bisher gebuchten Steueraufwendungen (Annahme: vorausgezahlte Ertragsteuern = tatsächliche Steuern) sind an die niedrigere fiktive Steuerschuld anzupassen. Demnach ist ein aktiver Ausgleichsposten (aktive latente Steuern) zu bilden. Gebucht wird wie folgt: Latenter Steueranspruch (deferred tax asset)
12 T€
an
latenter Steuerertrag (deferred tax income)
12 T€
Im Folgejahr (t2) wird der Vermögenswert zu 150 T€ verkauft. Dies führt in der Steuerbilanz zu einem Ergebnisbeitrag von 20 T€ und in der IFRS-Bilanz zu einem Ergebnisbeitrag von 50 T€. In der Steuerbilanz wird die Bemessungsgrundlage für die Ertragsteuern um 20 T€ erhöht; dies führt mithin zu 8 T€ transaktionsbezogenen Ertragsteuern, die auch in der IFRS-Bilanz gebucht werden. Auf IFRSEbene führt die Ergebniserhöhung von 50 T€ zu einer fiktiven steuerlichen Belastung aufgrund des Verkaufs von 20 T€. Bisher wurde auf Basis der tatsächlichen Steuerzahlungen ein Steueraufwand von 8 T€ verbucht. Eine Angleichung der gezahlten Steuern an die fiktive Steuerbelastung, die sich aus der Zugrundelegung der IFRS-Bilanz als Bemessungsgrundlage ergäbe, wird durch die Auflösung des aktiven Ausgleichspostens erreicht. Latenter Steueraufwand (deferred tax expense)
12 T€
an
latenter Steueranspruch (deferred tax asset)
12 T€
Abbildung III.2./2 fasst das zuvor Gesagte noch einmal tabellarisch zusammen: IFRS-GuV t1 vorläufiges Ergebnis
300 T€
Wertminderung t1; Asset–Verkauf t2
– 30 T€
Ergebnis vor Steuern
270 T€
effektive Steuern (a) [fiktive Steuern (b)]
Steuer-GuV t1 300 T€
IFRS-GuV t2 200 T€
200 T€
+ 30 T€ 300 T€
230 T€
– 120 T€ [– 92 T€]
aktive latente Steuern: (b) – (a) (Bildung in t1; Auflösung in t2)
+ 12 T€
– 12 T€
Ergebnis nach Steuern
162 T€
180 T€
200 T€ – 80 T€
[– 108 T€]
Abb. III.2./2 Bildung und Auflösung aktiver latenter Steuern
Steuer-GuV t2
138 T€
120 T€
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
409
Für die Behandlung latenter Steuern sind folgende Rechnungslegungsnormen anzuwenden bzw. beachtenswert: y International sind IAS 12 sowie ergänzend SIC 25 zu berücksichtigen. Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten bei der Bilanzierung z. B. von latenten Steuern (auch auf Verlustvorträge) sowie der Bestimmung der anzuwendenden Steuersätze siehe IFRIC 23. y Besonders relevante deutsche Normen auf Ebene des Einzelabschlusses sind die §§ 274, 285 S. 1 Nr. 30 HGB; auf Ebene des Konzernabschlusses sind § 306 HGB sowie ergänzend DRS 18 bedeutsam (s. Kap. IV.1.5.2.4; IV.1.5.3.5).1 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Behandlung latenter Steuern auf Ebene des Einzelabschlusses.
2.2.2 Ansatz und Ausweis Im Hinblick auf den Ansatz latenter Steuern ist zwischen dem Temporary-Konzept und dem historisch älteren Timing-Konzept zu unterscheiden. Während sich nach IFRS der Ansatz latenter Steuern grundsätzlich nach dem bilanzorientierten Temporary-Konzept richtet, sind nach HGB nur große und mittelgroße Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Unternehmen zur Befolgung des Temporary-Konzepts verpflichtet (vgl. Karrenbrock 2021, Rn. 2 ff.). 2.2.2.1 Ansatzkonzepte a. Temporary-Konzept Nach dem bilanzorientierten Temporary-Konzept sind latente Steuern immer dann anzusetzen, wenn zwischen der nichtsteuerlichen und der steuerlichen Rechnungslegung Unterschiede in den Wertansätzen von Vermögensposten und Schulden vorliegen. Dabei ist zwischen passiven und aktiven Steuerabgrenzungen zu unterscheiden. Passive Steuerabgrenzungen treten immer dann auf, wenn y Aktiva in der Handelsbilanz höher bewertet werden als in der Steuerbilanz, z. B. wenn handelsrechtlich das Wahlrecht gem. § 248 Abs. 2 HGB zur Aktivierung immaterieller Vermögensgegenstände in Anspruch genommen wird oder Entwicklungskosten gem. IAS 38 zu aktivieren sind, deren Aktivierung gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht möglich ist. y Passiva in der Handelsbilanz niedriger bewertet werden als in der Steuerbilanz, wenn z. B. steuerrechtlich ein niedriger Diskontierungszinssatz bei der Bewertung langfristiger Rückstellungen vorgeschrieben ist (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 20). Analog ergibt sich eine aktive Steuerabgrenzung immer dann, wenn y Aktiva in der Handelsbilanz niedriger bewertet werden als in der Steuerbilanz, z. B. aufgrund der Nichtaktivierung eines Disagios gem. § 250 Abs. 3 HGB, das in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG verpflichtend anzusetzen ist (vgl. auch Falterbaum et al. 2020, S. 346 ff.; Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 30). Ähnliches gilt, wenn Vorräte aufgrund einer nicht dauerhaften Wertminderung nur nach IAS 2, nicht aber steuerrechtlich abzuschreiben sind. y Passiva in der Handelsbilanz höher bewertet werden als in der Steuerbilanz, z. B. aufgrund der Bildung einer Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz gem. § 249 Abs. 1 HGB, die steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 4a EStG unzulässig ist.
1
Die letzte Änderung von DRS 18 erfolgte am 9.3.2021 durch DRÄS 11. Die Anpassungen beinhalten insb. Bereinigungen bisheriger Unklarheiten, wie z. B. eine Klarstellung des Ansatzwahlrechtes für latente Steuern siehe z. B. Busch/Zwirner 2020 sowie Müller/Reinke 2021, S. 54 ff.
410
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Weitere Voraussetzung ist, dass sich diese Unterschiede im Zeitablauf steuerwirksam ausgleichen. Dies ist bei zeitlich begrenzten und bei quasi-permanenten Differenzen der Fall. Davon sind permanente Differenzen zu unterscheiden, die sich in der Zukunft nicht ausgleichen und folglich auch nicht zu einer Steuerabgrenzung führen (vgl. Coenenberg/Haller/ Schultze 2021a, S. 509 ff.). Zeitlich begrenzte Differenzen (timing differences), die sich im Zeitablauf wieder ausgleichen, können auf vielfältige Weise entstehen: y Beispielsweise gleichen sich die aus unterschiedlichen Abschreibungsmethoden resultierenden abweichenden Abschreibungsbeträge in der Handels- und Steuerbilanz zum Ende der Nutzungsdauer wieder aus. So kann es zu einem vergleichsweise niedrigeren steuerlichen Ergebnis kommen, wenn in der Handelsbilanz eine kürzere Nutzungsdauer eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts angenommen wird. Dieser ist steuerlich gem. § 7 Abs. 1 S. 3 EStG über 15 Jahre abzuschreiben; handelsrechtlich wird keine Abschreibungsdauer vorgegeben. Somit ist auch der umgekehrte Fall einer längeren handelsrechtlichen Nutzugsdauer denkbar, die zu einem höheren steuerlichen Ergebnis führen würde. y Steuerlich ist ein Disagio gem. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG zwingend zu aktivieren, während handelsrechtlich gem. § 250 Abs. 3 HGB ein Ansatzwahlrecht besteht. Die Nichtaktivierung eines Disagios in der Handelsbilanz gleicht sich zum Ende des Zinsbindungszeitraums, der die steuerliche Abschreibungsdauer des Disagios definiert, aus. y Die Bildung von Drohverlustrückstellungen in der Handelsbilanz gem. § 249 Abs. 1 HGB, die steuerlich gem. § 5 Abs. 4a EStG einem Ansatzverbot unterliegen, führen bis zum Wegfall des Rückstellungsgrunds zu einer Wertdifferenz. Bei quasi-permanenten Differenzen ist nicht absehbar, wann es zum Ausgleich der Differenzen kommt. Dies geschieht nur, wenn der betreffende Vermögensposten verkauft oder die Unternehmung aufgelöst wird. Weicht z. B. die Zugangsbewertung (Anschaffungskosten) bei einem Grundstück handels- und steuerrechtlich voneinander ab, kommt es erst dann zu einer Auflösung der Wertdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz, wenn das Unternehmen liquidiert oder das Grundstück veräußert wird. Permanente Differenzen (permanent differences) entstehen dadurch, dass bestimmte Ergebniskomponenten entweder ausschließlich in der Handels- oder ausschließlich in der Steuerbilanz berücksichtigt werden. Ein Umkehreffekt ergibt sich in der Zukunft nicht. Beispielsweise können folgende Sachverhalte auftreten: y Investitionszulagen sind steuerfrei. Sie wirken jedoch handelsrechtlich ergebniserhöhend (s. Kap. II.5.3.7.1.b2). y Aufsichtsratvergütungen bilden handelsrechtlich einen Aufwand, sind steuerlich aber nur hälftig als Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 10 Nr. 4 KStG). Da das Erfordernis einer Steuerabgrenzung bilanzorientiert vorgeht, ist es unerheblich, ob die Ansatzdifferenz ergebniswirksam oder ergebnisneutral (z. B. durch die Werterhöhung einer Sachanlage über die Buchung Vermögenswert an Neubewertungsrücklage; s. Kap. II.5.3.3.3.a; s. Kap. II.5.3.8.2.f) entstanden ist. Somit können auch Sacheinlagen oder Vermögenserwerbe im Rahmen von Umwandlungsvorgängen für die Steuerabgrenzung relevant sein (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 10 f.). b. Timing-Konzept Kleine Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Personengesellschaften sind nach § 274a Nr. 4 HGB von der Anwendung des § 274 HGB befreit. Sofern sie § 274 HGB nicht freiwil-
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
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lig anwenden, dürfen sie das historisch ältere, GuV-orientierte Timing-Konzept weiter nutzen (vgl. Müller/Kreipl 2011, S. 1701 ff.; Reiner 2020, Rn. 6 i. V. m. Rn. 32). Die beiden wesentlichen Unterschiede bestehen darin, dass nach dem Timing-Konzept y nur Vorgänge abgegrenzt werden, die ergebniswirksame Differenzen zwischen handelsund steuerrechtlicher Gewinnermittlung hervorrufen und y nur zeitlich begrenzte Differenzen abgegrenzt werden, während quasi-permanente Differenzen von der Abgrenzung ausgeschlossen sind. 2.2.2.2 Ansatz nach IFRS Für Ansatzdifferenzen zwischen IFRS- und Steuerbilanz, die bei ihrer Auflösung zu einer niedrigeren Steuerbelastung führen, besteht die Verpflichtung, einen Posten für aktive latente Steuern (deductible temporary differences) anzusetzen (IAS 12.24). Voraussetzung ist, dass es wahrscheinlich (probable) ist, dass ein zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, gegen das der aktive Abgrenzungsposten (ergebnismindernd) verrechnet werden kann (IAS 12.27 ff.). Die Wahrscheinlichkeit wird nicht näher spezifiziert, aber als wesentlich über 50 % liegend angenommen (vgl. z. B. Wagenhofer 2009, S. 335; Ernst & Young 2021, S. 2057). Für entsprechende Ansatzdifferenzen, die bei ihrer Auflösung zu einer höheren Steuerbelastung führen, sind passive latente Steuern (taxable temporary differences) anzusetzen (IAS 12.15). Eine Saldierung aktiver und passiver latenter Steuern ist unter den in IAS 12.74 genannten Voraussetzungen geboten. Allerdings ergeben sich sehr eingeschränkte Saldierungsmöglichkeiten. Die Bildung und Auflösung latenter Steuern ist grundsätzlich ergebniswirksam (IAS 12.58 ff.). Allerdings sind gem. IAS 12.61A Bildung und Auflösung dann ergebnisneutral, wenn der Vorgang, der zu temporären Differenzen geführt hat, selbst ergebnisneutral ist (zu einem Zahlenbeispiel s. Kap. III.3.1.3.2.b). Für ungenutzte steuerliche Verlustvorträge sind aktive latente Steuern zu bilden, sofern künftige zu versteuernde Gewinne wahrscheinlich sind, gegen die der Verlustvortrag zu verrechnen wäre (IAS 12.34; vgl. Blaum/Utzerath 2021, IAS 12, Tz. 85 ff.). Hier folgt IAS 12 den Anforderungen, die das IASB Framework an die Aktivierung eines Vermögenswerts stellt (s. Kap. II.5.3.5.3). Demnach muss es wahrscheinlich sein, dass dem Unternehmen aus dem Vermögenswert (angesprochen ist hier der Verlustvortrag) ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zumeist in Form von Cashflows (angesprochen ist hier die Minderung einer künftigen Steuerzahlung) zufließt. Beispiel Steuerliche Verlustvorträge In t1 zeigt die IFRS-Bilanz der Beta AG einen Verlust (loss) vor Bildung aktiver latenter Steuern in Höhe von 400 T€. Das Steuerbilanzergebnis beträgt ebenfalls -400 T€. Da es wahrscheinlich ist, dass die Beta AG künftig steuerliche Gewinne erwirtschaftet, sind im IFRS-Abschluss aktive latente Steuern (latenter Steueranspruch, deferred tax asset) zu bilden. Der Ertragsteuersatz beträgt annahmegemäß 40 %. Demnach ist wie folgt zu buchen: Latenter Steueranspruch
160 T€
an
latenter Steuerertrag
160 T€
Im Folgejahr (t2) ermittelt die Beta AG ein steuerpflichtiges Ergebnis (vor Abzug des Verlustvortrags) von 1.000 T€; nach Abzug des Verlustvortrags von 400 T€ verbleibt ein steuerpflichtiges Ergebnis von 600 T€. Bei einem unterstellten Ertragsteuersatz von 40 % errechnen sich Ertragsteuern in Höhe von 240 T€, sodass das Steuerbilanzergebnis nach Steuern 360 T€ beträgt. Im IFRS-
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Abschluss sind vom vorläufig ermittelten Gewinn (profit) in Höhe von 1.000 T€ zunächst einmal die effektiven Steuern von 240 T€ abzuziehen und anschließend die in t1 gebildeten aktiven latenten Steuern aufzulösen. Latenter Steueraufwand
160 T€
an
latenter Steueranspruch
160 T€
Demnach entspricht der Steueraufwand im IFRS-Abschluss (240 T€ + 160 T€ = 400 T€) dem dort ausgewiesenen Gewinn (1.000 T€).
An die Aktivierung latenter Steuern in Zusammenhang mit Verlustvorträgen sind strenge Anforderungen zu stellen, da bereits die Tatsache eines bestehenden Verlustvortrags ein Indiz für eine schlechte Ertragslage ist und insofern Zweifel bestehen, ob das Unternehmen künftig steuerpflichtige Gewinne erwirtschaften kann (IAS 12.35; zur steuerlichen Verlustverrechnung siehe auch Roser 2020, Rn. 58 ff.). In diesem Fall sind besonders hohe Anforderungen an die Steuerplanung des Unternehmens zu stellen. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, ob künftig ein positives zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung steht, sind die in IAS 12.36 angegebenen Kriterien zu beachten. Empirie Aktive latente Steuern aus Verlustvorträgen in der Praxis Beispielsweise untersuchen Rönsch und Hacker (2019) die Aktivierung von Verlustvorträgen und die damit verbundenen Anhangangaben deutscher DAX- und MDAX-Unternehmen von 2011 bis 2016. Ein Kernergebnis ihrer Untersuchung ist, dass DAX- und insbesondere MDAX-Unternehmen ihren Angabepflichten nur unzureichend nachkommen, jedoch mit im Zeitverlauf positiver Tendenz. Da die Aktivierung von Verlustvorträgen stark zugenommen hat, gewinnt die Notwendigkeit der Angaben zu dieser Position an Bedeutung, insb. im Kontext der daraus resultierenden Auswirkungen auf das Eigenkapital. Auch die von Reisch (2020) durchgeführte Untersuchung von Konzernabschlüssen der 71 größten europäischen Aktiengesellschaften aus den Jahren 2017 und 2018 stellt fest, dass die aktiven latenten Steuern auf Verlustvorträge bedeutsam sind (in Relation zum Eigenkapital in 2018 im Durchschnitt beachtliche 3,4 %), die Berichterstattung hierüber jedoch oftmals Defizite aufweist.
2.2.2.3 Ansatz nach HGB Liegen zeitlich begrenzte oder quasi-permanente Differenzen zwischen HGB- und Steuerbilanz vor, so ist zu prüfen, ob sich die zukünftig erwarteten Steuermehr- oder -minderzahlungen auch realisieren werden. Hierzu sind Wahrscheinlichkeitsüberlegungen anzustellen. Gerade bei aktiven Steuerabgrenzungen ist es erforderlich, dass das Unternehmen zukünftig Gewinne erzielt. Andernfalls könnte es nicht von den im Vergleich zur fiktiven Besteuerung nach HGB-Bilanz verminderten Steuerzahlungen profitieren, da der Fiskus keine Steuerausgleiche in Form von Steuerrückzahlungen gewährt. Der Nachweis über die hinreichende Wahrscheinlichkeit zukünftig zu erwartender Gewinne ist anhand einer Unternehmensplanung zu erbringen (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 42). Für passive latente Steuern, d. h. wenn die gegenwärtige Steuerzahlung effektiv zu niedrig ist, besteht eine Passivierungspflicht (§ 274 Abs. 1 HGB). Dabei stellt § 274 Abs. 1 S. 1 HGB auf eine Gesamtbetrachtung ab. Verbleibt nach Abzug der aktiven latenten Steuern ein passiver Überhang, so ist dieser zwingend anzusetzen. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob ein Brutto- oder ein Nettoausweis vorgenommen wird, da § 274 Abs. 1 S. 3 HGB ein Saldierungswahlrecht gewährt. Dabei bedeutet Nettoausweis, dass nur der (passive) Gesamtsaldo der Steuerabgrenzungen ausgewiesen wird. Im Gegensatz dazu wird beim Bruttoausweis auf die Saldierung aktiver und passiver Steuerabgrenzungen verzichtet.
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
413
Für aktive latente Steuern, d. h. wenn die aktuelle Steuerzahlung effektiv zu hoch ist, besteht gem. § 274 Abs. 1 S. 2 HGB trotz fehlender abstrakter Aktivierungsfähigkeit ein Ansatzwahlrecht (s. Kap. II.4.4.6.1). Werden im Rahmen einer Nettobetrachtung aktive latente Steuern ausgewiesen, besteht in Höhe dieses Betrags grundsätzlich eine Ausschüttungssperre (§ 268 Abs. 8 S. 2 HGB). Wird der Bruttoausweis gewählt, so unterliegt nur der aktivische Überhang der Ausschüttungssperre (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 17). Demnach führt die Aktivierung einer Bilanzierungshilfe, entsprechend ihrem Charakter als Nichtvermögensgegenstand, nicht zu einem höheren Ausschüttungsvolumen. Dies entspricht dem Vorsichtsprinzip und dem Gläubigerschutzgedanken (s. Kap. II.4.4.7.1). Die Bildung und Auflösung latenter Steuern ist ergebniswirksam. Eine Auflösung ist dann vorzunehmen, wenn die entsprechende Steuermehr- oder -minderbelastung eintritt oder mit ihr voraussichtlich nicht mehr zu rechnen ist (§ 274 Abs. 2 S. 2 HGB). In diesem Fall werden ursprünglich als zeitlich begrenzt oder quasi-permanent eingestufte Abweichungen zu permanenten Differenzen. Eine Besonderheit ergibt sich aus § 274 Abs. 1 S. 4 HGB. Steuerliche Verlustvorträge sind bei der Berechnung aktiver latenter Steuern anzusetzen, soweit eine Verlusterstattung in den nächsten fünf Jahren zu erwarten ist. Ein steuerlicher Verlustvortrag resultiert aus negativen steuerlichen Ergebnissen der Vergangenheit, die in den Folgejahren von entstehenden positiven Ergebnissen abgezogen werden dürfen und so die Bemessungsgrundlage für die Ertragsteuern vermindern. Insofern besteht wirtschaftlich am Abschlussstichtag die Erwartung auf eine zukünftige Steuerminderung, die sich erst dann realisiert, wenn in künftigen Perioden wieder steuerliche Gewinne erzielt werden. Daher ist für die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung, inwieweit aus den Verlustvorträgen zukünftig Steuerminderungen resultieren, eine hohe Anforderungsgrenze zu stellen (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, Abschn. M, Rn. 34). Nach DRS 18.20 i. d. F. DRÄS 11 ist analog mit Zinsvorträgen zu verfahren, die sich aufgrund der sog. Zinsschranke ergeben. Diese bedingt, dass Zinsaufwendungen, die 30 % des steuerlichen EBIT übersteigen, im aktuellen Jahr nicht steuermindernd berücksichtigt werden dürfen und auf zukünftige Wirtschaftsjahre vorgetragen werden müssen (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 50 f.). Insgesamt entsprechen sich die Vorschriften nach IFRS und HGB weitestgehend. Allerdings sind insbes. auch folgende Unterschiede zu beachten (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 1 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 26, Rz. 92 ff., Rz. 130): y Während IAS 12 ein Ansatzgebot für aktive latente Steuern vorsieht, gewährt § 274 HGB ein Aktivierungswahlrecht. y IAS 12 sieht im Gegensatz zu § 274 HGB unter bestimmten Bedingungen eine Ausnahme vom Aktivierungsgebot für die ergebnisneutrale Anschaffung von Vermögenswerten vor, z. B. soweit steuerfreie Investitionszulagen gewährt werden. y IAS 12 sieht bei Ansatz aktiver latenten Steuern aufgrund von Verlustvorträgen keine Begrenzung der Verlusterstattung (aufgrund positiver Jahresergebnisse) auf einen Zeithorizont von fünf Jahren vor. 2.2.2.4 Ausweis Nach internationalen Normen sind latente Steuern in der Bilanz grundsätzlich getrennt von anderen Vermögenswerten und Schulden und dabei nicht als kurzfristig auszuweisen (IAS 1.54o; IAS 1.56; IAS 12.71), unter bestimmten, eng gefassten Voraussetzungen besteht jedoch eine Saldierungspflicht (IAS 12.74). In der GuV sind Steuern vom Einkommen und Ertrag und latente Steuern gem. IAS 12.79 und 12.80 regelmäßig getrennt zu zeigen (vgl. z. B.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Deutsche Bank AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 259.; Volkswagen AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 208). Nach deutschen Normen sind latente Steuern unter den Bezeichnungen »aktive latente Steuern« bzw. »passive latente Steuern« in der Bilanz auszuweisen (§ 266 Abs. 2 D, Abs. 3 E. HGB). Die Entscheidung für einen saldierten Nettoausweis oder einen unsaldierten Bruttoausweis unterliegt der Ausweisstetigkeit. In der GuV sind die mit der Bildung und Auflösung latenter Steuern zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge unter der Position »Steuern vom Einkommen und Ertrag« (§ 275 Abs. 2 Nr. 14, Abs. 3 Nr. 13 HGB) zu zeigen. Es entspricht dem Grundsatz der Klarheit, die laufenden Ertragsteuern und die latenten Steuern gesondert zu zeigen. Dies kann mittels eines Unterpostens, eines Davon-Vermerks oder einer Vorspaltenangabe geschehen (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 78; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 570). Des Weiteren sind beim Ansatz latenter Steuerschulden, »die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden« im Anhang anzugeben (§ 285 Nr. 30 HGB). Die Literatur befürwortet es – entgegen dem Wortlaut des zuvor angegebenen Paragrafen – regelmäßig, dass diese Angabe auch dann anzugeben ist, wenn sich aus dem saldierten Ausweis latenter Steuern ein Aktivüberhang ergibt. In diesem sind indirekt auch passive latente Steuern enthalten (vgl. Lange/Müller 2015; Zwirner 2015).
2.2.3 Bewertung Die Berechnung der Höhe der latenten Steuern kann grundsätzlich durch eine Einzeldifferenzen- oder Gesamtdifferenzenbetrachtung erfolgen. Die Einzeldifferenzenbetrachtung untersucht jeden einzelnen Geschäftsvorfall daraufhin, ob er zu einer Bildung oder Auflösung latenter Steuern führt. Durch die Summierung der aktiven und passiven Abgrenzungsbeträge errechnet sich der aktive und passive Abgrenzungsbedarf. Eine solche Betrachtung erlaubt die Berechnung der unsaldierten und saldierten Steuerlatenzen. Dagegen wird unter der Annahme, dass alle Ergebnisdifferenzen auch Ansatzdifferenzen darstellen, bei einer Gesamtdifferenzenbetrachtung z. B. das handelsrechtliche dem steuerrechtlichen Ergebnis gegenübergestellt und die sich ergebende Gesamtdifferenz um permanente Differenzen vermindert, sodass die verbleibende Differenz dann auf temporäre Differenzen zurückzuführen ist. Diese Vorgehensweise impliziert eine Saldierung von aktiven und latenten Steuern und ist insofern nur handelsrechtlich bei der Entscheidung für einen saldierten Nettoausweis, nicht aber international zulässig (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 567 ff.). Latente Steuern errechnen sich nach internationalen und deutschen Normen durch Multiplikation der zeitlich begrenzten oder temporären Differenz mit einem Steuersatz. Dabei ist zu beachten, dass der anzuwendende Steuersatz unternehmensindividuell zu ermitteln ist. Das bedeutet, dass für die verschiedenen Steuerarten separate Sätze zu ermitteln sind. Weiterhin ist der Steuersatz auf den Zeitpunkt zu bestimmen, für den die Umkehr der Differenzen erwartet wird, da IAS 12.46 f. und § 274 HGB auf die Höhe der voraussichtlichen Steuerbe- oder -entlastung abstellen. Auch wenn aus Objektivierungsgründen grundsätzlich aktuelle Steuersätze herangezogen werden, so sind bei rechtlich verabschiedeten Steuersatzänderungen Anpassungen durchzuführen (vgl. Grottel/Larenz 2020, § 274 HGB, Rn. 61 ff.). Latente Steuern betreffen die Ertragsteuern. Bei Aktiengesellschaften sind hier die Körperschaft- und die Gewerbesteuer bedeutsam. Derzeit beträgt der Körperschaftsteuersatz
Kontrollfragen zu III.2.1–III.2.2
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15 % und die Steuermesszahl einheitlich 3,5 %. Der Gewerbesteuersatz entspricht, ausgehend von einem durchschnittlichen Hebesatz der Gemeinden von 400 %,2 demnach 14 % (0,035 × 4). Der durchschnittliche Ertragsteuersatz, vor Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags, beträgt dann 29 % (0,14 + 0,15). Eine Abzinsung latenter Steuern ist sowohl nach IFRS als auch nach HGB unzulässig. IAS 12.53 und § 274 Abs. 2 S. 1 HGB verbieten die Abzinsung latenter Steuern. IAS 12.54 begründet dieses Vorgehen vor allem mit praktischen Problemen einer Abzinsung. Vor allem dürfte es oftmals schwierig sein, den Zeitpunkt der Umkehr quasi-permanenter Differenzen sicher zu prognostizieren.
2.2.4 Angabepflichten Nach IAS 12.79 ff. bestehen umfangreiche Angabepflichten. Beispielsweise fordert IAS 12.81c(i) eine betragsmäßige Überleitung z. B. zwischen dem tatsächlichen Steueraufwand in der IFRS-GuV einerseits und dem ggf. abweichenden Steueraufwand, der sich durch Multiplikation der IFRS-Jahresergebnisgröße (vor Steuern) mit dem anzuwendenden Steuersatz (gem. IAS 12.47 f.) ergibt, andererseits. Handelsrechtlich sind die ausgewiesenen Posten gem. § 285 S. 1 Nr. 29, Nr. 30 HGB zu erläutern.
Kontrollfragen zu III.2.1–III.2.2 1. Die Beta AG gliedert ihre IFRS-Bilanz in kurz- und langfristige Posten. Sind die latenten Steuern bei den kurz- und/oder langfristigen Posten zu zeigen? 2. Für den Einzelabschluss der Zündkerzen AG gilt: Gewinn (profit) nach IFRS in t1: 100 T€, Steuerbilanzgewinn in t1: 180 T€. Diese Differenz resultiert daraus, dass eine Schuld nur in der IFRS-Bilanz, nicht jedoch als Schuld in der Steuerbilanz anzusetzen war. In den nächsten vier Jahren kehrt sich der Ergebnisunterschied des Jahres t1 mit Sicherheit in gleichmäßigen Schritten um; in t2 ist der Gewinn nach IFRS somit um 20 T€ höher als der steuerliche Gewinn. Der Steuersatz beträgt 50 %. a) Erläutern Sie, welche latenten Steuern in t1 bzw. t2 auftreten. b) Wie erfolgt der Ansatz der latenten Steuern nach IFRS in t1 bzw. t2? c) Wie würden diese latenten Steuern in einem handelsrechtlichen Abschluss behandelt? 3. In dem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum 31.12.t1 werden Waren aufgrund künftig erwarteter Wertminderungen außerplanmäßig in Höhe von 36 T€ abgeschrieben. Der relevante Steuersatz für die ggf. zu bildenden latenten Steuern beträgt 40 %. Erwartete künftige Wertminderungen führen steuerrechtlich nicht zu einem niedrigeren Wertansatz. Die Wertminderung tritt tatsächlich in t3 ein. Ergeben sich in der Handelsbilanz und in der IFRS-Bilanz latente Steuerabgrenzungen?
2
Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz betrug im Jahr 2019 in Deutschland 403 %; vgl. Statistisches Bundesamt 2021.
416
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
4. Sie sind in der Abteilung Rechnungslegung einer börsennotierten AG tätig. Ihr Abteilungsleiter fordert Sie auf, Vorschläge dazu zu unterbreiten, wie mithilfe der Bildung latenter Steuern das Jahresergebnis (im IFRS-Einzelabschluss) im aktuellen Geschäftsjahr möglichst hoch ausgewiesen werden kann. Die bestehende Steuerbilanz kann vom bilanzierenden Unternehmen nicht mehr geändert werden. Wie gehen Sie vor? Wie beurteilen Sie die grundsätzliche Eignung, über die Bildung latenter Steuern (im Einzelabschluss) Abschlusspolitik zu betreiben? 5. Dem Aufsichtsrat der börsennotierten Europa AG wird eine Vergütung in Höhe von 120 T€ gewährt. Die Vergütung wird im Geschäftsjahr t1 in der HGB-Bilanz als Aufwand erfasst. Der relevante Steuersatz für die ggf. zu bildenden latenten Steuern beträgt 40 %. Ergeben sich in der Handelsbilanz und der IFRS-Bilanz latente Steuerabgrenzungen? Hinweis: Beachtenswert für die Beantwortung der Frage könnte § 10 Nr. 4 KStG sein.
2.3 Umrechnung von Fremdwährungsposten 2.3.1 Abzubildender Sachverhalt und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Unternehmen agieren nicht nur in Ländern, deren Landeswährung der des eigenen Währungsraumes (im folgenden Beispiel dem Euro) entspricht. Werden in einem solchen Fall wirtschaftliche Aktivitäten über den Euro-Währungsraum hinweg getätigt, so werden Geschäfte ggf. in einer anderen Währung, wie dem US-Dollar, dem britischen Pfund oder dem japanischen Yen, abgewickelt. In diesem Fall sind die Transaktionen in ausländischer Währung in € umzurechnen. Dabei werden die Transaktionen selbst als Fremdwährungstransaktionen bezeichnet und die anzuwendenden Umrechnungsfaktoren ergeben sich aus den Wechsel- bzw. Umrechnungskursen. Fremdwährungstransaktionen sind Geschäftsvorfälle, die entweder in Fremdwährung abgewickelt wurden oder deren Erfüllung in einer Fremdwährung erfolgt. Fremdwährungsposten entstehen als Folge der Fremdwährungstransaktionen. Somit ist die Notwendigkeit zur Währungsumrechnung im Einzelabschluss immer dann gegeben, wenn Geschäftsvorfälle y auf eine ausländische Währung lauten oder y zu irgendeinem Zeitpunkt in einer ausländischen Währung abzuwickeln sind. Der zu zahlende bzw. geforderte Betrag in € ergibt sich durch Umrechnung des Fremdwährungsbetrags mit dem relevanten Umrechnungskurs. Umrechnungskurse sind Preise für Devisen und unterliegen folglich Schwankungen. Diese Schwankungen beeinflussen die Bewertung von Aktiv- und Passivposten. Die Umrechnung von Valutaposten, d. h. in fremder Währung notierter Posten, ist demnach kein wertneutraler Rechen- oder Transformationsvorgang, sondern Teil der Bewertung. Bei der Währungsumrechnung stellen sich zwei grundlegende Fragen (vgl. auch Roß 2012, S. 19 ff.; Zwirner/Petersen 2015, S. 631; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 675 ff.): y Mit welchem Kurs ist die Fremdwährung im Rahmen der Erst- oder Folgebewertung eines Vermögenspostens oder einer Schuld in die Landeswährung umzurechnen? y Sind ggf. entstehende Umrechnungsdifferenzen ergebniswirksam oder ergebnisneutral zu erfassen?
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
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Besonders die folgenden Rechnungslegungsnormen sind dabei beachtenswert: y International ist IAS 21 beachtlich. y Für die Erstellung eines HGB-Einzelabschlusses regelt § 256a HGB die Währungsumrechnung. Darüber hinaus ist der § 244 HGB beachtenswert. Bei Erstellung eines HGBKonzernabschlusses ist § 308a HGB sowie seit 2019 zusätzlich DRS 25 zu befolgen (s. Kap. IV.5.2.3).
2.3.2 Erstbewertung International gibt IAS 21.21 vor, dass die erstmalige Erfassung (initial recognition) eines Fremdwährungsgeschäfts (foreign currency transaction) in der Währung des abschlusserstellenden Unternehmens (functional currency) zum im Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls gültigen Devisenkassakurs (spot exchange rate) zu erfolgen hat. IAS 21 gibt nicht an, welcher Kassakurs (Geld-, Brief- oder Mittelkurs) heranzuziehen ist. Da die Unterschiede zwischen Geldund Briefkurs regelmäßig keinen wesentlichen Einfluss auf die Darstellung im Abschluss haben (IASB F.2.11), kommt aus Vereinfachungsgründen der (Kassa-)Mittelkurs in Betracht (vgl. Ernst & Young 2021, S. 1190; Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 47). Hinsichtlich der Erstbewertung nach deutschen GoB gilt Folgendes: Nach § 244 HGB ist der Jahresabschluss in € aufzustellen. Dazu enthält § 256a HGB eine konkrete Vorschrift für die Behandlung von Fremdwährungsgeschäften in der Bilanz und in der GuV (zu den Offenlegungspflichten im Anhang s. Kap. III.2.3.4). Diese Vorschrift bezieht sich allerdings explizit nur auf die Folgebewertung (vgl. Grottel/Koeplin 2020, § 256a HGB, Rn. 31). Außerdem werden nur Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten erfasst, sodass Rechnungsabgrenzungsposten, latente Steuern und Rückstellungen nicht unter den Anwendungsbereich von § 256a HGB fallen. Rückstellungen werden grundsätzlich mit dem Erfüllungsbetrag angesetzt (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Lautet der Erfüllungsbetrag auf Fremdwährung, so ist das Stichtagsprinzip anzuwenden. Hierdurch ist der Devisenkassakurs am Abschlussstichtag verpflichtend, wodurch Fremdwährungsgewinne wie auch -verluste entstehen können (Grottel/Koeplin 2020, § 256a HGB, Rn. 162). Die Erstbewertung erfolgt zum Zeitpunkt des Entstehens des Geschäftsvorfalls in ausländischer Währung. Dieser Zeitpunkt ist regelmäßig nicht der Abschlussstichtag. Für die Umrechnung in € ist grundsätzlich der Wechselkurs zum Zeitpunkt des Entstehens relevant. Dieser dürfte, da laufende Geschäftsvorfälle zeitnah zu erfassen sind, regelmäßig dem Kurs zum Zeitpunkt der Einbuchung (Transaktionstag) entsprechen. Beispiel Umrechnung von Währungen Ein Kauf von 200 Aktien eines japanischen Unternehmens zum Preis von 20.457,65 Yen pro Aktie dient dem Zweck der Erzielung langfristiger Gewinne. Folglich sind die Wertpapiere im Anlagevermögen auszuweisen. Bei einem Umrechnungskurs von 99,8 Yen für 1 € ergibt sich ein Wertansatz in Höhe von 40.997,30 € (200 Stück × 20.457,65 Yen / 99,8 Yen für 1 €).
Bei Bargeschäften ist der tatsächliche Zufluss bzw. Abfluss von liquiden Mitteln in inländischer Währung für die Anschaffungskosten maßgeblich (vgl. Grottel/Koeplin 2020, § 256a HGB, Rn. 220 ff.).
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bei Zielgeschäften kommt als Wechselkurs der Brief- oder Geldkurs in Betracht. Der Briefkurs ist der Kurs, zu dem Kreditinstitute Devisen verkaufen, und der Geldkurs ist der Kurs, zu dem Devisen gekauft werden. Da für die Kreditinstitute der An- und Verkauf von Devisen ein Geschäft mit Gewinnerzielungsabsicht darstellt, ist der Briefkurs höher als der Geldkurs. Da der angewandte Wechselkurs bei Bezahlung den exakten Gegenwert der Fremdwährung in der Berichtswährung darstellen soll, gilt Folgendes: y Bei Forderungen bzw. Konten in ausländischer Währung ist der Brief- oder Verkaufskurs heranzuziehen. Zum Briefkurs werden also von den Kreditinstituten € zum Verkauf angeboten. y Bei Schuldposten bzw. in ausländischer Währung angeschafften Vermögensgegenständen ist der Geld- bzw. Ankaufskurs relevant. Zu diesem Preis werden von Kreditinstituten € angekauft und gegen Fremdwährungseinheiten getauscht. Beispiel Brief- und Geldkurs Ein Unternehmen verfügt über eine Fremdwährungsforderung in Höhe von 1.000 US-$ und eine Fremdwährungsverbindlichkeit in Höhe von 100.000 Yen. Der US-$-Briefkurs notiert zu 1,36 US-$ für 1 €, während der Geldkurs 1,34 US-$ für 1 € beträgt. Der Yen-Briefkurs beträgt 100 Yen für 1 €, der Yen-Geldkurs lautet 99,5 Yen für 1 €. Die Forderung ist zum Briefkurs umzurechnen, da US-$ vorhanden sind und somit € gekauft werden sollen. Aus Sicht der Bank handelt es sich um ein Verkaufsgeschäft von €. Die Forderung ist somit mit 735,29 € (= 1.000 US-$ / 1,36 US-$ für 1 €) zu bewerten. Hier wird das Niederstwertprinzip befolgt, da sich bei der nicht normenkonformen Anwendung des Geldkurses 746,27 € ergäben. Die Verbindlichkeit ist zum Yen-Geldkurs umzurechnen. Es ergibt sich ein Wertansatz in Höhe von 1.005,03 € (= 100.000 Yen / 99,5 Yen für 1 €). Hier wird das Höchstwertprinzip gewahrt, da sich bei nicht normenkonformer Anwendung des Briefkurses 1.000 € ergäben.
Aus Vereinfachungsgründen kann in beiden Fällen auch ein Mittelkurs (arithmetisches Mittel zwischen Geld- und Briefkurs) herangezogen werden. Im Folgenden wird für die Umrechnung grundsätzlich der Mittelkurs herangezogen.
2.3.3 Folgebewertung Die Umrechnung der Fremdwährungsposten kommt im Rahmen der Folgebewertung bzw. zum Zeitpunkt der Ausbuchung des Fremdwährungspostens (s. Kap. II.5.3.8) zum Tragen. Nach internationalen Normen ist es für die Zwecke der Folgebewertung notwendig, zwischen monetären und nichtmonetären Fremdwährungsposten zu unterscheiden (IAS 21.8). y Monetäre Posten sind Zahlungsmittel und Ansprüche, die auf Geldbeträge lauten, sowie Verpflichtungen, die mit einem festen oder bestimmbaren Geldbetrag beglichen werden (IAS 21.16). Zu den monetären Posten zählen vor allem Forderungen, Finanzanlagen, liquide Mittel, Rückstellungen für ungewisse Zahlungsverpflichtungen sowie Verbindlichkeiten. y Alle anderen Posten sind im Umkehrschluss nichtmonetäre Posten (z. B. Sachanlagevermögen, Vorräte, Eigenkapital). Die Laufzeit ist für die Unterscheidung zwischen monetären und nichtmonetären Posten unerheblich. Nach IAS 21.23 sind die zuvor genannten Posten wie folgt umzurechnen:
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
y y
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Monetäre Posten sind mit dem Stichtagskurs (Kassakurs) umzurechnen (IAS 21.23a). In diesem Fall entstehen regelmäßig Umrechnungsdifferenzen. Bezüglich der nichtmonetären Posten gilt Folgendes: – Nichtmonetäre Posten, die zu (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet wurden (zum cost-Modell s. Kap. II.5.3.8.2.b), sind unverändert mit dem Kurs der erstmaligen Erfassung (historischer Kurs) zu bewerten (IAS 21.23b). Hier entstehen keine Umrechnungsdifferenzen. – Nichtmonetäre Posten, die mit ihrem beizulegenden Zeitwert (fair value) bewertet wurden (zum Fair-Value- und zum Revaluation-Modell s. Kap. II.5.3.8.2.e; s. Kap. II.5.3.8.2.f), sind mit dem Kurs umzurechnen, der zum Zeitpunkt der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts gültig war (IAS 21.23c). Da der beizulegende Zeitwert regelmäßig zum Abschlussstichtag ermittelt wird, ist der maßgebliche Kurs für die Umrechnung zumeist ein Stichtagskurs. Auch in diesem Fall entstehen regelmäßig Umrechnungsdifferenzen. Beispiel Umrechnung nichtmonetärer Posten gem. IAS 21.23c Die Kaufhandel AG wählt für die Bewertung eines Grundstücks die Neubewertungsmethode gem. IAS 16.31 (s. Kap. III.3.1.3.2.c).3 Da der beizulegende Zeitwert des Grundstücks regelmäßig keinen signifikanten Schwankungen unterliegt, wird die Neubewertung alle zwei Jahre durchgeführt (IAS 16.34). Am 31.12.t1 errechnet sich ein beizulegender Zeitwert in Höhe von 100.000 US-$; am 31.12.t3 beträgt der beizulegende Zeitwert 115.000 US-$. Die US-$-Stichtagskurse für einen € entwickeln sich wie folgt: y 31.12.t1: 0,90 US-$ für 1 €, y 31.12.t2: 0,95 US-$ für 1 € und y 31.12.t3: 0,98 US-$ für 1 €. Am 31.12.t1 ist das Grundstück zu 111.111 € anzusetzen. In der Periode t2 erfolgt keine Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts; insofern bedarf es auch keiner Währungsumrechnung. Das Grundstück ist unverändert zu 111.111 € anzusetzen. Am 31.12.t3 ermittelt sich ein beizulegender Zeitwert in Höhe von 115.000 US-$; umgerechnet mit dem aktuellen Wechselkurs ergibt sich ein Bilanzansatz in Höhe von 117.347 €.
Im Folgenden wird die Behandlung der Unterschiedsbeträge aus der Umrechnung der gleichen Anzahl von Fremdwährungseinheiten zu unterschiedlichen Wechselkursen – der sog. Umrechnungsdifferenzen (exchange differences) – näher beleuchtet. y Die Differenzen aus der Umrechnung monetärer Posten sind ergebniswirksam zu behandeln (IAS 21.28). Dabei lassen sich drei Fälle unterscheiden:4 – Fall 1 (IAS 21.29, S. 2): Abwicklung monetärer Posten innerhalb einer Periode. Ein monetärer Posten wird am Transaktionstag zum Tageskurs (historischer Kurs) eingebucht. Noch in derselben Periode wird dieser monetäre Posten durch Zahlung ausgeglichen. Der Kurs zum Zeitpunkt der Zahlung weicht vom Kurs zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls ab, wodurch eine abzubildende Umrechnungsdifferenz entsteht.
3 4
In enger Anlehnung an Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 66. In Anlehnung an Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 68. Zum Sonderfall der Behandlung von Differenzen aus der Umrechnung monetärer Posten, die im Wesentlichen Teil einer Nettoinvestition in eine wirtschaftlich selbstständige ausländische Teileinheit sind (IAS 21.15, 21.32 f.), vgl. Scherrer, 2012, S. 140; Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 75 ff.
420
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
– Fall 2 (IAS 21.29, S. 3): Abwicklung monetärer Posten in der folgenden Periode. Ein monetärer Posten wird in t1 eingebucht und erst in t2 durch Zahlung ausgeglichen. Die Kurse bei Einbuchung und zum Abschlussstichtag am Ende der Periode t1 sind verschieden, sodass eine Umrechnungsdifferenz entsteht. – Fall 3 (IAS 21.29, S. 3): Abwicklung monetärer Posten über mehrere künftige Perioden hinweg. Ein monetärer Posten wird in t1 eingebucht und in t3 durch Zahlung ausgeglichen. Es entsteht eine Umrechnungsdifferenz durch zwei aufeinanderfolgende Folgebewertungen zu verschiedenen Stichtagskursen am Ende der Perioden t1 und t2. Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Fallunterscheidungen: Beispiel Behandlung von Differenzen aus der Umrechnung monetärer Posten Betrag in US-$
Buchwert in €
Einbuchung US-$ Verbindlichkeit am 4.4.t1 (1 € = 1 US-$)
1.200
1.200
Zahlungsausgang am 29.4.t1 (1 € = 1,2 US-$)
1.200
1.000
1. Abwicklung monetärer Posten innerhalb einer Periode
Umrechnungsdifferenz (Kursgewinn)
200
2. Abwicklung monetärer Posten in der folgenden Periode Einbuchung US-$ Verbindlichkeit am 4.4.t1 (1 € = 1 US-$)
1.200
1.200
Bewertung zum 31.12.t1 (1 € = 0,8 US-$)
1.200
1.500
Umrechnungsdifferenz (Kursverlust)
– 300
3. Abwicklung monetärer Posten über mehrere künftige Perioden hinweg Einbuchung US-$ Verbindlichkeit am 4.4.t1 (1 € = 1 US-$)
1.200
1.200
Bewertung zum 31.12.t1 (1 € = 1,1 US-$)
1.200
1.090
Umrechnungsdifferenz 31.12.t1 (Kursgewinn) Bewertung zum 31.12.t2 (1 € = 0,8 US-$) Umrechnungsdifferenz 31.12.t2 (Kursverlust)
+ 110 1.200
1.500 – 410
Das letzte Beispiel zeigt, dass es bei der Folgebewertung eines Postens in der einen Periode zu einem Kursgewinn und in einer anderen Periode zu einem Kursverlust kommen kann.
Umrechnungsdifferenzen bei nichtmonetären Posten sind integraler Bestandteil der Bewertung dieser Posten (vgl. Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 70 f.). Demnach ist die Umrechnungsdifferenz als Ganzes, je nach der zugrunde liegenden (ergebniswirksamen oder -neutralen) Bewertungskonzeption, ergebniswirksam oder -neutral zu erfassen (IAS 21.30). Werden beispielsweise bei einem Grundstück über die ursprünglichen Anschaffungskosten hinausgehende Werterhöhungen ergebnisneutral erfasst (IAS 16.39), sind auch in der Werterhöhung enthaltene Umrechnungsdifferenzen ergebnisneutral zu erfassen.
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
421
Abbildung III.2./3 verdeutlicht das zuvor Gesagte (zu den angesprochenen Folgebewertungsmodellen s. Kap. II.5.3.8):
monetäre Posten
nicht-monetäre Posten
– Stichtagskurs – Umrechnungsdifferenzen ergebniswirksam
cost-Modell – keine Umrechnung
fair value-Modell
revaluation-Modell
– Kurs zum Zeitpunkt der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes – Umrechnungsdifferenzen sind ein integrierter Bestandteil der Bewertung
Abb. III.2./3 Folgebewertung von Fremdwährungsposten nach IFRS
Währungsumrechnungsdifferenzen können zu latenten Steuern (s. Kap. III.2.2) führen. Dies gilt sowohl gem. IAS 21.50 als auch nach deutschen GoB (vgl. Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 143 ff.). International führen die Umrechnungen monetärer Posten zum Stichtagskurs und die ergebniswirksame Behandlung der entstehenden Umrechnungsdifferenzen im Fall von Währungsgewinnen zu einer Vereinnahmung von Erträgen, die de facto noch nicht realisiert sind. Dies gilt teilweise auch für die Umrechnung nichtmonetärer Posten. Diese Vorgehensweise verstößt gegen das Realisationsprinzip deutscher Prägung (s. Kap. II.4.4.5.1). Allerdings kann es gem. § 256 a HGB für kurzfristige Fremdwährungspositionen ebenfalls zur Vereinnahmung unrealisierter Gewinne kommen (vgl. Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Tz. 69). Insgesamt wird hier die Relevanz aktueller Marktwerte betont. Da § 256a HGB das Anschaffungskostenprinzip und das Realisationsprinzip für Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr aufhebt, ist zwischen kurz- und langfristigen Fremdwährungsposten zu unterscheiden. § 256a S. 2 HGB schreibt die bisherige Praxis fest, wonach kurzfristige Fremdwährungsposten vereinfachend mit dem Stichtagsmittelkurs umgerechnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund eines Wechselkursrückgangs die Anschaffungskosten eines Vermögensgegenstands überschritten werden und es so zum Ausweis unrealisierter Gewinne kommt. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten, bei denen es aufgrund von Kurssteigerungen zur Verletzung des Höchstwertprinzips kommt. Rückstellungen, die auf ausländische Währungen lauten, sind von § 256a HGB nicht betroffen. Da für sie ohnehin ein Bewertungserfordernis zum Erfüllungsbetrag vorgesehen ist (§ 253 Abs. 1 und 2 HGB), ergibt sich aber das gleiche Ergebnis wie für kurzfristige Verbindlichkeiten (vgl. Grottel/Koeplin 2020, § 256a HGB, Rn. 162).
422
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bei langfristigen Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze analog anzuwenden, soweit es sich um Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten handelt. Demnach bilden die Anschaffungskosten die Wertobergrenze für die Vermögensgegenstände und der erstmals erfasste Erfüllungsbetrag die Untergrenze für die Verbindlichkeiten. Es gilt das Vorsichtsprinzip (s. Kap. II.4.4.7.1) mit seinen Ausprägungsformen Realisationsprinzip (s. Kap. II.4.4.5.1) und Imparitätsprinzip (s. Kap. II.4.4.7.2). Demnach kann für Vermögensposten nur noch ein Wert unter dem Betrag der erstmaligen Erfassung und für Schuldposten nur noch ein Betrag über dem Betrag der erstmaligen Erfassung zum Ansatz kommen. Übertragen auf das System der Folgebewertung nach deutschen GoB (s. Kap. II.5.3.8.1) gelangt man u. a. zu den folgenden Ergebnissen: y In Bezug auf das Anlagevermögen gilt das gemilderte Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 HGB). Hier kann insbes. bei einem nur vorübergehenden Kursrückgang im Finanzanlagevermögen eine Abwertung vorgenommen werden (Wahlrecht). Indes ist die Abwertung bei einer dauerhaften Wertminderung zwingend (Pflicht). Für die Beurteilung, ob ein Kursrückgang dauerhaften Charakter hat, sind mittel- bis langfristige Kursprognosen heranzuziehen. Ein Indiz für eine dauerhafte Wertminderung kann ein Kursverlust von über 20 % über einen Zeitraum von 6 Monaten vor dem Abschlussstichtag sein (ausführlich hierzu s. Kap. II.5.3.8.1.c). y Beim Umlaufvermögen sind die mit historischen Kursen umgerechneten Anschaffungskosten (€) mit dem zum Stichtagskurs umgerechneten aktuellen Wert (Börsen- oder Marktpreis; sofern nicht ermittelbar ein niedrigerer beizulegender Zeitwert) zu vergleichen. Ein sich ergebender niedrigerer Wert ist zwingend anzusetzen (strenges Niederstwertprinzip gem. § 253 Abs. 4 HGB). Beispiel Umrechnung von Vorräten in Fremdwährung Die Kaufhandel AG bezieht am 3.4.t1 Waren aus New York zu 20.000 US-$. Der Kurs am Transaktionstag beträgt 1,1111 US-$ für 1 € (historischer Kurs). Die Waren werden sofort per Scheck beglichen. Die Vorsteuer bleibt im Folgenden aus Vereinfachungsgründen ohne Berücksichtigung. Waren
18.000 €
an
Bank
18.000 €
Am 31.12.t1 befinden sich die Waren immer noch bei der Kaufhandel AG auf Lager. Die Wiederbeschaffungskosten betragen nunmehr 18.000 US-$. Der Umrechnungskurs beträgt nun 1,05263 US-$ für 1 € (Stichtagskurs). Für Waren gilt grundsätzlich die sog. doppelte Maßgeblichkeit, d. h., sofern kein Börsen- oder Marktpreis verfügbar ist, ist der niedrigere Wert entweder vom Beschaffungs- oder vom Absatzmarkt heranzuziehen (s. Kap. II.5.3.8.1). Werden die niedrigeren Wiederbeschaffungskosten durch den aktuellen Stichtagskurs dividiert, errechnet sich ein niedrigerer beizulegender Wert gem. § 253 Abs. 3 HGB von 17.100 €. Der Differenzbetrag zwischen Vorjahresansatz und aktuellem Ansatz ist außerplanmäßig abzuschreiben. sonstige betriebliche Aufwendungen
900 €
an
Waren
900 €
Die Wertreduzierung in Höhe von 900 € ist wie folgt zu interpretieren: y Währungskursbedingte Zeitwerterhöhung in Höhe von +1.000 € (20.000 US-$ / 1,11111 – 20.000 US-$ / 1,05263), d. h., wenn die Kaufhandel AG heute Waren für 20.000 US-$ kaufen müsste, dann wären hierfür 1.000 € mehr zu zahlen. y Marktbedingte Zeitwertreduzierung in Höhe von – 1.900 € (2.000 US-$ / 1,05263)
2 Abgrenzungsposten und Umrechnungserfordernisse
423
Die währungskursbedingte Zeitwerterhöhung und die marktbedingte Zeitwertreduzierung kompensieren sich in dem vorliegenden Fall teilweise. Im Verlauf der nächsten Berichtsperiode (t2) steigt der Wert des Dollars. Der Umrechnungskurs beträgt nun 0,90 US-$ für 1 € (31.12.t2). Die Wiederbeschaffungskosten betragen 18.000 US-$ und die Kaufhandel AG lagert die Waren weiterhin. Waren
2.900 €
an
sonstige betriebliche Erträge
2.900 €
Die Werterhöhung in Höhe von 2.900 € ist wie folgt zu interpretieren: y Währungskursbedingte Zeitwerterhöhung in Höhe von +2.900 € (18.000 US-$ / 1,05263 – 18.000 US-$ / 0,9), d. h., wenn die Kaufhandel AG heute Waren für 18.000 US-$ kaufen müsste, dann wären hierfür 2.900 € mehr zu zahlen.
y
y
Für Verbindlichkeiten gilt bei einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr das aus dem Imparitätsprinzip (s. Kap. II.4.4.7.2) abgeleitete (strenge) Höchstwertprinzip. Demnach sind Verbindlichkeiten zwingend mit einem niedrigeren Stichtagskurs umzurechnen. Eine Umrechnung zum höheren Stichtagskurs würde zum Ausweis eines nicht realisierten Gewinns führen und ist insofern unzulässig. Ein höherer Stichtagskurs kann nur dann verwendet werden, wenn der sich daraus ergebende Wertansatz den erstmals erfassten Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit (Erstbewertung) nicht unterschreitet (analoge Anwendung der Regeln für die Wertaufholung gem. § 253 Abs. 5 S. 1 HGB; s. Kap. II.5.3.8.3). In Fremdwährung ermittelte Rückstellungen sind zu jedem Bilanzstichtag neu zum Stichtagskurs zu ermitteln und ggf. anzupassen (vgl. Grottel/Koeplin 2020, § 256a, Rn. 162).
Abbildung III.2./4 fasst die oberen Ausführungen zusammen und stellt diese graphisch dar. Aktiva
Bilanz
Anlagevermögen (gemildertes Niederstwertprinzip) – ggf. niedrigerer beizulegender Wert – Stichtagskurs vorübergehende Kursänderung Wahlrecht
dauerhafte Kursänderung
Passiva Rückstellungen – Neuermittlung – Stichtagskurs Verbindlichkeiten (strenges Höchstwertprinzip) – historischer Wert – Stichtagskurs
Pflicht
Umlaufvermögen (strenges Niederstwertprinzip) – ggf. niedrigerer Wert – Stichtagskurs Abb. III.2./4 Folgebewertung von Fremdwährungsposten nach deutschen GoB
Vermögensgegenstände und Schulden sind grundsätzlich einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Auch währungskursbedingte Verluste sind grundsätzlich einzeln zu berücksich-
424
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
tigen und nicht mit währungskursbedingten Gewinnen anderer Posten zu verrechnen. Der Einzelbewertungsgrundsatz gilt folglich auch im Kontext der Währungsumrechnung (vgl. Grottel/Koeplin 2020, § 256a, Rn. 2). Allerdings besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Bewertungseinheiten nach § 254 HGB zu bilden. Sind diese Voraussetzungen in Bezug auf Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten gegeben, dürften auch diese zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden (s. Kap. III.3.5.2.3; vgl. Schmidt/ Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 4 ff.).
2.3.4 Angabepflichten Die im Rahmen der Währungsumrechnung angewandten Bilanzansatz- und Bewertungsgrundsätze sind angabepflichtig (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Bei der Umrechnung von Fremdwährungsposten im Einzelabschluss bestehen vor allem die in IAS 21.52 genannten Angabepflichten. Die nachstehenden Angaben geben beispielhaft Informationen zur Währungsumrechnung im Einzelabschluss an. Beispiel Angaben zur Währungsumrechnung in den notes »In den Einzelabschlüssen der Tochterunternehmen und des Mutterunternehmens werden Geschäftsvorfälle in fremder Währung mit dem Kurs zum Zeitpunkt der Transaktion erfasst. Zum Abschlussstichtag werden monetäre Vermögenswerte und Schulden in fremder Währung zum Stichtagskurs bewertet. Nicht monetäre Vermögenswerte und Schulden, die zum Fair Value in einer Fremdwährung bewertet sind, werden zu dem Kurs umgerechnet, der zum Zeitpunkt der Ermittlung des Fair Value gültig war. Nicht monetäre Posten, die zu historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Fremdwährung bewertet werden, werden zum Kurs am Tag des Geschäftsvorfalls umgerechnet. Gewinne und Verluste aus bis zum Bilanzstichtag eingetretenen Wechselkursschwankungen werden grundsätzlich erfolgswirksam berücksichtigt.« (Metro AG 2020, Geschäftsbericht 2019/20, S. 159).
Kontrollfragen zu III.2.3 1. Wie sind Fremdwährungsposten in den Folgeperioden in einem HGB-Einzelabschluss zu bewerten? Stellen Sie die allgemeine Folgebewertungskonzeption nach deutschen GoB kurz dar und übertragen Sie diese auf die zuvor formulierte Fragestellung. 2. Zu erstellen ist ein HGB-Abschluss. In der vorherigen Periode wurden Vorräte in Fremdwährung (70.000 US-$) erworben, die sich zum Abschlussstichtag noch im Bestand befinden. Zum Zeitpunkt des Erwerbs betrug der Umrechnungskurs 0,97 US-$ für 1 €. Am Abschlussstichtag beträgt der Umrechnungskurs 0,98 US-$ für 1 €. Es wird erwartet, dass der Umrechnungskurs künftig 1 € für 1 US-$ beträgt. Zu welchem Betrag sind die Vorräte am Abschlussstichtag in der Bilanz anzusetzen? Falls Sie weitere Annahmen setzen, legen Sie diese offen. 3. Am 16.12.t1 entsteht eine Forderung in Höhe von 10.000 US-$; der Umrechnungskurs beträgt 0,9091 US-$ für 1 €. Unser Schuldner begleicht die Forderung am 6.1.t2 in voller Höhe. Am 31.12.t1 beträgt der Umrechnungskurs 0,8929 US-$ für 1 € und am 6.1.t2 0,8850 US-$ für 1 €. Wie ist am 16.12.t1, am 31.12.t1 und am 6.1.t2 zu buchen? a) Geben Sie die Buchungen an, die sich bei Anwendung der deutschen GoB ergeben. b) Geben Sie die Buchungen an, die sich bei Anwendung der IFRS ergeben. Lösen Sie die Frage a) und b) unter Berücksichtigung der Bildung latenter Steuern. Der Steuersatz beträgt annahmegemäß 40 %.
Kontrollfragen zu III.2.3
425
4. Die Kaufhandel AG hat eine Kundenforderung in Höhe von 50.000 US-$ (historischer Kurs: 1 US-$ für 1 €) und eine Darlehnsverbindlichkeit in Höhe von 75.000 US-$ (historischer Kurs: 1,25 US-$ für 1 €). Währungs- und Fristenidentität sind gegeben. Wie ist die geschlossene Position zu behandeln? Zeigen Sie rechnerisch, dass sich bei Stichtagkursen zwischen 0,8 € und 1 € für einen US-$ sowohl in Bezug auf die Forderung als auch in Bezug auf die Verbindlichkeit Kursverluste ergeben. 5. Am 3.11.t1 beträgt der Umrechnungskurs 0,8174 US-$ für 1 €. Am 31.12.t1 erhält man für 1 € 0,9061 US-$. Wie sind die folgenden Geschäftsvorfälle am 3.11.t1 und 31.12. t1 sowohl in einem HGB- als auch IFRS-Abschluss zu bilanzieren? Die Umsatzsteuer ist zu vernachlässigen. Bei Notwendigkeit treffen Sie Annahmen. a) Die Kaufhandel AG tätigt am 3.11.t1 eine Beschaffungsinvestition in Höhe von 5.000 US-$ und bezahlt diese bar. b) Die Kaufhandel AG erwirbt am 3.11.t1 per Überweisung Wertpapiere für 9.500 US-$. Gehen Sie auf die unterschiedliche Bilanzierung in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit der Wertpapiere entweder zum Anlage- oder Umlaufvermögen ein. 6. Halten Sie die IFRS oder die deutschen GoB hinsichtlich der Behandlung von Umrechnungsdifferenzen aus der Währungsumrechnung im Einzelabschluss für vorziehenswürdig?
426
3 Behandlung zentraler Abschlussposten LERNZIELE
y y
y
Verständnis für den abzubildenden ökonomischen Sachverhalt. Kenntnis der grundsätzlichen Vorgehensweise im Hinblick auf den Ansatz, die Bewertung und den Ausweis und dabei ggf. bestehende Probleme nebst deren Lösung. Kenntnis wesentlicher Unterschiede zwischen der Vorgehensweise nach internationalen und nationalen Rechnungslegungsnormen.
3.1 Sachanlagen 3.1.1 Abzubildender Sachverhalt, Definition und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Unternehmen sind mit der Herstellung von Produkten (z. B. Güter oder Dienstleistungen) befasst (abzubildender Sachverhalt, ökonomische Realität). Die Herstellung von Gütern erfordert regelmäßig spezielle Maschinen. Da erst durch die Produktion ein über die Produktionsfaktoren hinausgehender Mehrwert geschaffen wird, stiften die Maschinen für das Unternehmen einen andauernden Nutzen und sind mithin in der Bilanz abzubilden. Dasselbe gilt z. B. auch für Grundstücke und Gebäude, die indirekt der Herstellung von Produkten dienen. International regelt vor allem IAS 16 die Bilanzierung von Sachanlagen. Dieser Standard behandelt den Ansatz und die planmäßige Folgebewertung des materiellen Sachanlagevermögens. IAS 16 wird weiterhin durch IFRIC 1 ergänzt, der sich mit Bilanzierungsfragen im Zusammenhang mit Änderungen von Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnlichen Verpflichtungen befasst. Außerplanmäßige Wertminderungen von Sachanlagen sind Gegenstand von IAS 36. Sachanlagen, die zur Veräußerung bestimmt sind (non-current assets held for sale and discontinued operations), behandelt IFRS 5 (vgl. ausführlich Ernst & Young 2021, S. 189 ff. sowie s. Kap. II.5.3.3.3.b3). IAS 16.6 definiert Sachanlagen (property, plant and equipment) als materielle Vermögenswerte, die ein Unternehmen zur Herstellung oder Lieferung von Gütern oder Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke besitzt und die erwartungsgemäß länger als eine Berichtsperiode genutzt werden. Zu den Sachanlagen gehören insbes. Grundstücke und Gebäude, Maschinen und technische Anlagen, andere Anlagen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung (IAS 16.37). Nicht anzuwenden ist IAS 16 z. B. auf Vermögenswerte wie Waldbestände und ähnliche regenerative natürliche Ressourcen und Abbaurechte, die gem. IAS 41 zu behandeln sind. Weiterhin kommt für als Finanzinvestition gehaltene Immobilien neben IAS 16 auch IAS 40 in Betracht, der grundsätzlich eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vorgibt (zu IAS 40 siehe z. B. Pellens et al. 2021, S. 419 ff.). Nach deutschen GoB sind primär die §§ 247 Abs. 2, 266 Abs. 2 A. HGB (Inhalt und Gliederung der Bilanz), §§ 253, 255 HGB (Zugangs- und Folgebewertung, Bewertungsmaßstäbe) und § 284 Abs. 3 HGB (Erläuterungen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung) relevant.5
5
Zur Behandlung der Sachanlagen vgl. z. B. Hommel/Wüstemann 2006, S. 65 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 239 ff.; Pellens et al. 2021, S. 393 ff.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
427
Nach § 247 Abs. 2 HGB sind beim Anlagevermögen die Gegenstände auszuweisen, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Der unbestimmte Rechtsbegriff »dauernd« wird regelmäßig dergestalt ausgelegt, dass die Nutzenstiftung sich auf einen Zeitraum bezieht, der mehr als ein Jahr umfasst. Nicht näher behandelt werden im Folgenden die steuerrechtlichen Vorschriften. Es ergeben sich einige Besonderheiten, welche z. B. die Aufteilung von Gebäuden in einzelne selbstständig nutzbare Gebäudeteile (§ 7 Abs. 5a EStG) sowie die planmäßige Abschreibung von Gebäuden (vgl. vor allem § 7 Abs. 4 u. 5 EStG) betreffen (vgl. hierzu z. B. Wilhelm/Henning 2002, S. 222 ff.; Schreiber 2017, S. 48 ff.; Brandis 2021).
3.1.2 Ansatz und Ausweis Nach IFRS ist eine Sachanlage dann als Vermögenswert anzusetzen, wenn beide Ansatzkriterien des IAS 16.7 erfüllt sind: Es ist wahrscheinlich, dass dem Unternehmen hieraus ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt, und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermögenswerts können verlässlich ermittelt werden. Die in IAS 16.7 ff. genannten Ansatzkriterien für Sachanlagen decken sich weitgehend mit den im IASB Conceptual Framework genannten definitorischen Voraussetzungen (s. Kap. II.5.3.5.1). Stehen in einer einzigen Transaktion mehrere Vermögenswerte sowie ggf. zugehörige Schuldposten zur Veräußerung an, ist für Bewertungszwecke eine sog. Veräußerungsgruppe (disposal group) zu bilden, die gemeinsam (als Bewertungseinheit) zu bewerten und gesondert in der Bilanz auszuweisen ist (IFRS 5.4, IFRS 5.38). Für den Ausweis in der Bilanz empfiehlt IAS 1.60 f. eine Untergliederung in kurzfristige und langfristige Vermögenswerte (s. Kap. II.5.3.3.2); bei den Sachanlagen handelt es sich naturgemäß um langfristige Vermögenswerte. Sachanlagen sind in der Bilanz zumindest als ein Posten auszuweisen (IAS 1.54a). Weitere Untergliederungen sind gem. der in IAS 16.37 genannten Gruppen entweder in der Bilanz oder in den notes vorzunehmen (IAS 1.78a). Beispiele für solche Gruppen sind: unbebaute Grundstücke, Grundstücke und Gebäude, Maschinen und technische Anlagen, Schiffe, Flugzeuge und Kraftfahrzeuge (IAS 16.37). Das HGB enthält keine sachanlagespezifischen Regelungen zum Ansatz. Insofern ist zu prüfen, ob die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (wirtschaftlicher Wert, selbstständige Bewertbarkeit und selbstständige Verkehrsfähigkeit) gegeben ist (s. Kap. II.4.4.6.1). Für den Ausweis findet sich eine Mindestgliederung für Sachanlagen großer und mittelgroßer Kapitalgesellschaften in § 266 Abs. 2 A. II. HGB (zu den Erleichterungsvorschriften s. Kap. I.3.2.2.1.b). Vorgesehen sind vier Unterposten von Sachanlagen: 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte (z. B. Erbbaurecht6) und Bauten (einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken), 2. technische Anlagen und Maschinen, 3. andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie 4. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau (noch nicht fertig erstellte Sachanlagen). Die Entwicklung einzelner Posten des Anlagevermögens ist gem. § 284 Abs. 3 HGB im Anhang in einem sog. Anlagespiegel (s. Kap. III.3.1.4) zu zeigen.
6
Das Erbbaurecht ist das zeitlich befristete Recht, ein Grundstück umfassend zu nutzen und dort ein Bauwerk zu haben (Nutzungsbefugnis auf Zeit); vgl. § 1 ErbbauRG. Diese Rechte sind planmäßig abzuschreiben.
428
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
3.1.3 Bewertung 3.1.3.1 Erstbewertung Aktivierungsfähige Sachanlagen sind bei der erstmaligen Erfassung normalerweise zu ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (IAS 16.15). Errichtet das bilanzierende Unternehmen z. B. ein Gebäude selbst, sind die Herstellungskosten anzusetzen. Wird das Gebäude von Dritten erworben, sind die Anschaffungskosten anzusetzen. Zum Verkauf bestimmte langfristige Vermögenswerte sind zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Verkaufskosten anzusetzen (IFRS 5.15). Beispiel Zum Verkauf bestimmter langfristiger Vermögenswert Die Beta AG hat zahlreichen Vertriebsmitarbeitern Heimarbeitsplätze eingerichtet und beschließt nun, das frei werdende Gebäude zu veräußern. Der Buchwert des Gebäudes beträgt 2 Mio. €, die Jahresabschreibung 100 T€. Für die Räumung des Gebäudes und seine Veräußerung fallen voraussichtlich 50 T€ an. Räumung und Veräußerung werden planmäßig innerhalb der nächsten 12 Monate vollzogen. Das zum Verkauf bestimmte Gebäude wird in der Bilanz gesondert ausgewiesen und ggf. anfallende ergebniswirksame Buchungen in der GuV oder in den notes gesondert gezeigt. Die normalen Abschreibungen werden ausgesetzt, d. h., das Gebäude ist mit 1,95 Mio. € zu aktivieren (2 Mio. € abzüglich Veräußerungskosten in Höhe von 50 T€).
Die grundlegenden Ausführungen zu den Bewertungsmaßstäben Anschaffungs- und Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7) besitzen auch hier ihre Gültigkeit. Dies gilt in gleicher Weise für die grundlegenden Betrachtungen zum Erwerb von Sachanlagen bei Tauschgeschäften (s. Kap. II.5.3.7.1.b1) und zur Behandlung von Zuwendungen der öffentlichen Hand (s. Kap. II.5.3.7.1.b2). Eine Besonderheit ergibt sich dahingehend, dass ab dem 1.1.2022 Erlöse aus dem Verkauf von Gütern, die während der Zeit, in der eine Sachanlage zu ihrem Standort oder in ihren betriebsbereiten Zustand gebracht wird (z. B. Testläufe), nicht mehr von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Sachanlage abzuziehen sind. Diese Verkaufserlöse sind zusammen mit den Kosten der Herstellung gem. dem geänderten IAS 16.17(e) nunmehr direkt ergebniswirksam zu erfassen. Auch nach deutschen Normen erfolgt der Ansatz üblicherweise zu Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 255 i. V. m. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB). Eine nationale Besonderheit ist die Festbewertung von Sachanlagen gem. § 240 Abs. 3 i. V. m. § 256 S. 2 HGB. Als Beispiele sind privat betriebene Bahnanlagen, wie z. B. Gleisanlagen und Signale, Stanzen, Formen und Modelle, Mess- und Prüfgeräte sowie Werkzeuge zu nennen (vgl. z. B. Störk/Philipps 2020, § 240 HGB, Rn. 125). Eine Festbewertung ist dann zulässig, wenn y die betreffenden Sachanlagen u. a. regelmäßig ersetzt werden, y ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist und y der Bestand im Wesentlichen unverändert bleibt (vgl. stellvertr. Störk/Philipps 2020, § 240 HGB, Rn. 82-93). Von einer nachrangigen Bedeutung wird zumeist ausgegangen, wenn der Festwertansatz nicht mehr als 5 % der Bilanzsumme (einschließlich der Festwerte) beträgt. Nach deutschen Normen stellt der Festwertansatz eine Arbeitserleichterung dar, da er für mehrere Jahre unverändert fortgeführt werden kann. Allerdings muss auch bei einer Festbewertung regelmäßig alle drei Jahre eine Inventur der Vermögensgegenstände erfolgen (§ 240 Abs. 3 S. 2 HGB).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
429
Eine vergleichbare Regelung enthalten die IFRS nicht. Insofern ist eine Festbewertung nur zulässig, wenn der Festwertansatz unwesentlich ist (s. Kap. II.5.3.2.3.a). Wird beispielsweise eine Wesentlichkeitsgrenze (Materiality-Grenzwert) von 0,5 % der Bilanzsumme (Bezugsgröße) angenommen, so ist es erforderlich, die Höhe des Festwertansatzes zu bestimmen, um eine Beurteilung der Wesentlichkeit vorzunehmen. Da die Wesentlichkeitsbeurteilung jedes Jahr erfolgen muss, stellt die Festbewertung nach IFRS keine Arbeitserleichterung dar. Nachstehend werden einige sachanlagespezifische Besonderheiten näher behandelt: Soweit mit der Sachanlage Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtungen verbunden sind, die zu einer Rückstellung (s. Kap. III.3.7) führen, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um den Betrag der Rückstellung zu erhöhen (IAS 16.16c, 16.18). Die Besonderheiten der Bilanzierung von Abraumbeseitigungskosten für Unternehmen während der Produktionsphase im Tagebau behandelt IFRIC 20. Zu beachten ist, dass Rekultivierungsrückstellungen, die durch Nutzung entstehen, grundsätzlich ratierlich zu bilden sind, da das Unternehmen sich durch Produktionsstopp weiteren künftigen Verpflichtungen entziehen kann (vgl. Schrimpf-Dörges 2007, S. 317 f.; Ernst & Young 2021, 3502 ff.). Als Beispiele für solche Verpflichtungen sind zu nennen: y Die Inbetriebnahme eines Kraftwerks führt zu künftigen Aufwendungen für die Entsorgung nach der Außerbetriebnahme. Diesen Aufwendungen kann sich das Unternehmen rechtlich oder faktisch nicht entziehen. y In ähnlicher Weise führt der Bau einer Bohrinsel zu Ausgaben für deren spätere Demontage, denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann. Beispiel Behandlung von Entsorgungskosten nach IFRS In t1 wird ein Kraftwerk mit Fertigstellungstermin 31.12.t1 gebaut. Die Herstellungskosten betragen 5 Mrd. €. Alle Aufwendungen sind aktivierungsfähig. Genutzt wird das Kraftwerk ab dem 1.1.t2 gleichmäßig über 20 Jahre. Nach Ende der Betriebszeit fallen Entsorgungskosten in Höhe von 1 Mrd. € an. Die Rückstellungen sind abzuzinsen, da der Zinseffekt wesentlich ist (IAS 37.45; s. Kap. III.3.6.3.2). Der Barwert der Entsorgungsverpflichtung berechnet sich bei einem Diskontierungszinssatz von 10 % wie folgt: 1 Mrd. € × 1,1-20 = ca. 148,64 Mio. €. Latente Steuern (s. Kap. III.2.2) sind annahmegemäß nicht zu bilden. Im laufenden Geschäftsjahr (t1) ist vereinfacht wie folgt zu buchen. Anlagen im Bau Kraftwerk (Sachanlage)
5.000,00 € 5.148,64 €
an an
Bank Anlagen im Bau Rückstellung
5.000,00 € 5.000,00 € 148,64 €
In t2 ist neben der planmäßigen Abschreibung (5.148,64 Mio. € / 20 Jahre = 257,43 Mio. €) auch die Aufzinsung der Rückstellung i. H. v. 148,64 Mio. € × 0,1 bzw. 1 Mrd. € × 1,1-19 – 1 Mrd. € × 1,1-20 = ca. 14,86 Mio. € zu buchen. planmäßige Abschreibung Zinsaufwand
257,43 € 14,86 €
an an
Kraftwerk (Sachanlage) Rückstellung
257,43 € 14,86 €
Nach deutschen GoB sind in dem zuvor angesprochenen Fall gleichfalls Rückstellungen für Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtungen zu bilden. Eine Erhöhung der Anschaffungs- und Herstellungskosten um diese Verpflichtungen ist dagegen nicht zulässig.
430
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Die Rückstellung ist nach h. M. nicht in voller Höhe, sondern ratierlich zu bilden. Werden z. B. im Tagebau Flächen abgetragen, ist der Rückstellung verursachungsgerecht jeweils der Betrag zuzuführen, der aufgewendet werden müsste, um den im laufenden Berichtsjahr ausgebeuteten Teil des Geländes zu rekultivieren (vgl. z. B. Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 100; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 430 f.; ausführlich zur Rückstellungsbildung für die Entsorgung von Kernbrennelementen nach deutschen GoB vgl. Führich 2006, S. 1271 ff., 1349 ff.; Meyering/Gröne 2014). Ein solches Vorgehen entspricht zudem dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (s. Kap. II.4.4.5.2), d. h., den Erträgen aus dem Kohle- oder Stromverkauf bei einem Kraftwerk oder dem Rohölverkauf bei einer Bohrinsel sind die korrespondierenden Aufwendungen, wie z. B. die Kosten für die Entsorgung des Kraftwerks, der Rekultivierung der abgetragenen Fläche sowie der Demontage der Bohrinsel, gegenüberzustellen. Gegen eine ratierliche Bildung spricht indes, dass z. B. der Betreiber eines Kraftwerks bereits bei erstmaliger Inbetriebnahme der Brennelemente verpflichtet ist, die Entsorgung vollumfänglich zu übernehmen (s. Kap. III.3.7.3.1). Nach § 253 Abs. 2 HGB besteht eine Abzinsungspflicht für alle Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr. Für Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr besteht kein explizites Abzinsungsverbot (vgl. Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 180). Diskussionsfrage III.3.-1 Diskutieren Sie anhand der nachstehend genannten Rückstellungen, ob diese nach deutschen GoB ratierlich oder sofort vollumfänglich gebildet werden sollten: a) Rückstellungen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung zur Wiederauffüllung und Rekultivierung von im Tagebau ausgebeuteten Flächen, b) Rückstellungen für die Entsorgung eines Kernkraftwerks nach Außerbetriebnahme sowie c) Rückstellungen für die Demontage einer Bohrinsel zur Ölförderung.
Beispiel Behandlung von Entsorgungskosten nach deutschen GoB Der Sachverhalt und alle gesetzten Annahmen bleiben unverändert. Alle Angaben sind in Mio. €. Im laufenden Geschäftsjahr (t1) ist wie folgt zu buchen: Anlagen im Bau Kraftwerk (Sachanlage)
5.000 € 5.000 €
an an
Bank Anlagen im Bau
5.000 € 5.000 €
In t2 ist zunächst die planmäßige Abschreibung (5.000 Mio. € / 20 Jahre = 250 Mio. €) zu erfassen. planmäßige Abschreibung
250 €
an
Kraftwerk (Sachanlage)
250 €
Wenn davon auszugehen ist, dass die Rückstellung ratierlich über den Zeitraum der Nutzung zu bilden ist, soll am Ende von t2 bereits die erste Rate verbucht werden. Hierfür ist es zunächst erforderlich, die Höhe der jährlichen Rückstellungszuführung zu bestimmen. Es soll somit die Annuität berechnet werden, die (unter Berücksichtigung der später fälligen Verzinsung der bereits gebildeten 1,120 – 1
Rückstellungen) zu 1 Mrd. € im Jahr t21 führt. Mithilfe der Annuitätsformel ( x × 1,1–1 = 1.000 Mio. €) lässt sich dieser konstante jährliche Beitrag bestimmen, der über den Zeitraum der Nutzung der Rückstellung zugeführt wird. Er beträgt 17,46 Mio. €.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
431
Demnach ist in t2 wie folgt zu buchen: Aufwand
17,46 €
an
Rückstellung
17,46 €
Zusätzlich zu der mithilfe der Annuitätsformel berechneten jährlichen Zuführung zur Rückstellung (Rückstellungsaufwand) soll auch der Aufwand für den Zins, der auf die am Ende der Vorperiode bereits bestehende Rückstellung entfällt (Zinsaufwand), berücksichtigt werden. Der Zinsaufwand und die Höhe der Rückstellung der jeweiligen Periode lassen sich aus der folgenden Tabelle entnehmen (alle Angaben in Mio.): Rückstellungsaufwand
Zinsaufwand
Gesamtzuführung
Rückstellung am Ende der Periode
31.12.t2
17,46 €
0 €
17,46 €
17,46 €
31.12.t3
17,46 €
1,75 €
19,21 €
36,67 €
⁞
⁞
⁞
⁞
⁞
31.12.t20
17,46 €
79,61 €
97,07 €
893,22 €
31.12.t21
17,46 €
89,32 €
106,78 €
1.000,00 €
Demnach ist in t3 weiterhin wie folgt zu buchen: Aufwand Zinsaufwand
17,46 € 1,75 €
an
Rückstellung
19,21 €
Diskussionsfrage III.3.-2 Arbeiten Sie im Hinblick auf die beiden vorherigen Beispiele ggf. bestehende Unterschiede zwischen der Vorgehensweise nach deutschen und internationalen Normen heraus. Welche Vorgehensweise ist nach Ihrer Ansicht vorziehenswürdig?
International ist jeder wesentliche Bestandteil einer Sachanlage gesondert zu erfassen (sog. Komponentenansatz), sofern die Ansatzkriterien gem. IAS 16.7 erfüllt sind (vgl. hierzu Küting/Ranker 2007, S. 753 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 14, Rz. 45 ff.). Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zur steuerrechtlichen Behandlung von Gebäuden, welche in einzelne selbstständig nutzbare Gebäudeteile aufzuteilen sind (§ 7 Abs. 5a EStG; vgl. hierzu Wilhelm/ Henning 2002, S. 224 ff.; Brandis 2021). Idee ist es, dass komplexe Sachanlagen regelmäßig aus mehreren Komponenten bestehen, die zumeist unterschiedliche Nutzungsdauern aufweisen und demnach bei der Folgebewertung mit unterschiedlichen Abschreibungsmethoden und Nutzungsdauern zu bewerten sind (vgl. auch Mujkanovic/Raatz 2008, S. 246 ff.). Derartige wesentliche Komponenten sind als eigenständige Vermögenswerte innerhalb der dazugehörigen Sachanlage zu erfassen und über ihre eigene Nutzungsdauer abzuschreiben (IAS 16.13 f., 16.43). Das gilt beispielsweise für Flugzeugteile wie Sitze und Bordküchen, die über die Lebensdauer eines Flugzeugs mehrfach ausgetauscht werden. Beispiel Komponentenansatz Die Delta AG nimmt am 1.1.t1 ein Gebäude in Betrieb, dessen Anschaffungskosten sich auf 1 Mio. € belaufen (in enger Anlehnung an Ernst & Young 2004, S. 14). Eine Analyse ergibt, dass das Gebäude in fünf eigenständige Komponenten unterteilt werden kann: Dach, Aufzugssystem, Sicherheitssys-
432
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
tem, Gebäudehülle und der Rest des Gebäudes (im Folgenden »Rest«). Das Unternehmen bestimmt, dass das Dach alle 10 Jahre zu ersetzen ist, das Sicherheitssystem und das Aufzugssystem jeweils alle 5 Jahre. Der Rest des Gebäudes kann ohne wesentliche Modernisierungsmaßnahmen für einen Zeitraum von 40 Jahren genutzt werden. Die Delta AG wendet den Komponentenansatz an. Die Anschaffungskosten der Gebäudekomponenten und die unter Anwendung des Komponentenansatzes errechneten fortgeführten Buchwerte zum 31.12.t1 setzen sich wie folgt zusammen: Gebäudekomponenten
Anschaffungskostenanteile
fortgeführte Buchwerte zum 31.12.t1
Dach
200.000 €
180.000 €
Aufzugssystem
100.000 €
80.000 €
Sicherheitssystem Gebäudehülle Rest Summe
20.000 €
16.000 €
400.000 €
390.000 €
280.000 €
273.000 €
1.000.000 €
939.000 €
Der fortgeführte Buchwert für die einzelnen Komponenten beträgt 939.000 €. Würde der Komponentenansatz nicht angewendet, so beliefe sich der fortgeführte Buchwert auf 975.000 € (1.000.000 € / 40 × 39). Im Juli t3 kommt es zu einem unerwarteten Ausfall des Aufzugssystems, sodass das gesamte System ersetzt werden muss. Der Nettobuchwert des Aufzugssystems zum 31.6.t3 beträgt 50.000 € (100.000 € – 2,5 Jahre planmäßige Abschreibung i. H. v. 20.000 €). In diesem Fall ist das alte Aufzugssystem gem. IAS 16.67 zunächst auszubuchen (derecognition). Wertminderung
50.000 €
an
Aufzugssystem (Sachanlage)
50.000 €
Das neue Aufzugssystem mit Netto-Anschaffungskosten i. H. v. 150.000 €, die per Banküberweisung beglichen werden, ist zu erfassen und über seine Nutzungsdauer von 5 Jahren abzuschreiben. Aufzugssystem (Sachanlage) Vorsteuer
150.000 € 28.000 €
an
Bank
178.000 €
Bei Nichtanwendung des Komponentenansatzes wären die 150.000 € sofort als Erhaltungsaufwand zu buchen, sofern das neue Aufzugssystem den Zustand des Gebäudes nicht über das ursprüngliche Niveau verbessert.
Der Komponentenansatz ist auch auf Großinspektionen und Generalüberholungen anzuwenden, die Bestandteil des Erwerbs oder der Herstellung sind (so auch IAS 16.14; vgl. Nommensen 2020, § 5, Rn. 83 f. sowie zu Beispielen Kirsch 2021a). Diese sind bei Vorliegen der Ansatzkriterien gem. IAS 16.7 mit den erwarteten Kosten der Großinspektion oder Generalüberholung zu aktivieren, wobei ein evtl. Restbuchwert der vorherigen Inspektions- bzw. Generalüberholungskomponente auszubuchen ist. Die Inspektions- bzw. Überholungskosten werden über die Nutzungsdauer, d. h. den Zeitraum bis zur nächsten Inspektion bzw. Überholung, abgeschrieben, obwohl es sich hier dem Charakter nach eher um Erhaltungsaufwand handelt. Hiervon zu unterscheiden sind routinemäßige Reparaturen und Instandhaltungen, die regelmäßig einen Aufwand in der Periode, in der sie anfallen, darstellen (IAS 16.12).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
433
Der Komponentenansatz besitzt als Wahlrecht auch nach deutschen GoB unter bestimmten Voraussetzungen Gültigkeit (vgl. z. B. IDW RH HFA 1.016; Schubert/Andrejewski 2020, § 253 HGB, Rn. 278 f.). Nachträgliche Ausgaben für eine schon angesetzte Sachanlage, die dazu dienen, die vorhandene Substanz des Vermögenspostens zu erhalten (costs of day-to-day servicing, welche der Reparatur und Aufrechterhaltung dienen), sind als Aufwand der Periode zu erfassen (IAS 16.12). Dies gilt allerdings nicht, wenn es wahrscheinlich ist, dass durch diese Ausgaben künftig ein wirtschaftlicher Nutzen zufließen wird. In diesem Fall sind die Ausgaben gem. IAS 16.13 zu aktivieren. Nach deutschen GoB sind ggf. nachträgliche Herstellungskosten zu aktivieren. (Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand s. Kap. II.5.3.7.2.a). Folgebewertung 3.1.3.2 International ist für die Zwecke der Folgebewertung entweder das cost-Modell (s. Kap. II.5.3.8.2.b) oder das Revaluation-Modell (s. Kap. II.5.3.8.2.f) anzuwenden (IAS 16.29). In der deutschen Unternehmenspraxis gelangt fast ausnahmslos das cost-Modell zur Anwendung (vgl. Müller/Wobbe/Reinke 2008, S. 637; zu Folgebewertungsunterschieden von Sachanlagen nach HGB und IFRS siehe auch Kirsch 2021a). Für zum Verkauf bestimmte langfristige Vermögenswerte kommt das fair-value-Modell in Betracht (s. Kap. II.5.3.6.3). Nach deutschen GoB gelten im Rahmen der Folgebewertung des Sachanlagevermögens die allgemeinen Bewertungsregeln für das Anlagevermögen (s. Kap. II.5.3.6.2). Diese Regelungen zeigen Ähnlichkeiten zum cost-Modell, wenngleich im Detail einige bedeutsame Unterschiede bestehen, wie z. B. Unterschiede bei der Berücksichtigung von Wertminderungen nach IFRS im Vergleich zu den außerplanmäßigen Abschreibungen nach deutschen GoB. a. Cost-Modell Das cost-Modell gibt vor, dass in den Folgeperioden planmäßige Abschreibungen und Wertminderungen sowie ggf. Wertaufholungen zu berücksichtigen sind. Die hierzu bereits getätigten grundlegenden Ausführungen (s. Kap. II.5.3.8.2 bis II.5.3.8.4) besitzen naturgemäß auch für das Sachanlagevermögen ihre Gültigkeit. Nachstehend erfolgt eine Konzentration auf die Besonderheiten, die es in Zusammenhang mit der Bewertung der Sachanlagen zu beachten gilt. Sachanlagen werden zu ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten (historical cost) abzüglich der kumulierten planmäßigen Abschreibungen (accumulated depreciation) und kumulierten Wertminderungsaufwendungen angesetzt (IAS 16.30). Der sich ergebende Betrag ist der fortgeführte Buchwert (carrying amount). Das Abschreibungsvolumen ist auf systematischer Grundlage über die Nutzungsdauer (useful life) der Sachanlage zu verteilen (IAS 16.50). Die sogenannten AfA-Tabellen, die jährlich auf der Website des Bundesfinanzministeriums (http://www.bundesfinanzministerium. de) veröffentlicht werden, können als Hilfsmittel zur Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagegütern herangezogen werden. Sie geben Sätze für die steuerliche Abschreibung (Absetzung für Abnutzung – AfA) an, die von der Rechtsprechung, der Verwaltung und der Wirtschaft allgemein anerkannt werden. Diskussionsfrage III.3.-3 In den AfA-Tabellen wird beispielsweise die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Photovoltaikanlagen auf 20 Jahre veranschlagt. Für Personenkraftwagen und Großrechner werden Nutzungsdauern von 6 bzw. 7 Jahren angegeben. Teilweise finden sich auch typisierte steuerliche Gebäudeabschreibungsdauern von 25, 40 und 50 Jahren. Wie beurteilen Sie die Übernahme dieser Abschreibungen im Rahmen der IFRS-Rechnungslegung?
434
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Die Abschreibungen einer Periode sind als Aufwand zu erfassen. Das Abschreibungsvolumen ergibt sich aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach Abzug eines Restwerts, sofern dieser wesentlich ist (IAS 16.53). Bei der Bestimmung der Abschreibungen sind neben der Restwertbestimmung zwei Entscheidungen zu treffen: Festlegung der Nutzungsdauer und Festlegung der Abschreibungsmethode. y Zur Schätzung der Nutzungsdauer sind alle in IAS 16.56 genannten Faktoren zu berücksichtigen: – erwartete Nutzung des Vermögenswerts ermittelt durch Berücksichtigung der Kapazität oder Ausbringungsmenge – erwarteter physischer Verschleiß in Abhängigkeit von Faktoren, wie z. B. Anzahl der Schichten, in denen eine Maschine genutzt wird sowie Wartung und Pflege der Maschine während der Stillstandzeiten – technische Überholung der Maschine aufgrund von Änderungen oder Verbesserungen in der Produktion, z. B. durch technische Neuerungen – rechtliche oder ähnliche Nutzungsbeschränkungen, wie z. B. das Ablaufen zugehöriger Leasingverträge y Die gewählte Abschreibungsmethode soll dem tatsächlichen Nutzungsverlauf des Vermögenswerts im Unternehmen entsprechen (IAS 16.60). Mögliche Abschreibungsmethoden sind beispielsweise die lineare Abschreibung, die degressive Abschreibung und die leistungsabhängige Abschreibung (IAS 16.62; s. Kap. II.5.3.8.2). Die herangezogene Methode ist nach dem erwarteten wirtschaftlichen Nutzenverlauf auszuwählen und stetig beizubehalten. Eine Abschreibung gemäß der im Zusammenhang mit der Nutzung des Vermögenswerts erwirtschafteten Umsätze ist nicht zulässig (IAS 16.62A; vgl. Hachmeister/Kahle 2021, Rn. 105). Die Nutzungsdauer sowie der Restwert (IAS 16.51) und die Abschreibungsmethode (IAS 16.61) und der Restwert sind jährlich zu überprüfen. Ergeben sich erhebliche Änderungen der früheren Einschätzungen, sind Änderungen des Abschreibungsplans vorzunehmen und die Abschreibungsbeträge der laufenden sowie der künftigen Perioden entsprechend anzupassen. Neben den planmäßigen Abschreibungen sind ggf. auch Wertminderungen bzw. außerplanmäßige Abschreibungen zu berücksichtigen (s. Kap. II.5.3.8.2). IAS 16.63 verweist darauf, dass in diesem Fall ein Wertminderungstest gem. IAS 36 durchzuführen ist. Weiterhin ist im Rahmen der Folgebewertung zu berücksichtigen, dass in Bezug auf die Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtungen (s. Kap. III.3.1.3.1) Anpassungen erforderlich sind, sofern sich der erwartete Verpflichtungsbetrag (z. B. geänderte Schätzung des Ressourcenabflusses für die Rekultivierung oder Beseitigung) oder der Diskontierungszinssatz geändert haben. Das diesbezügliche Vorgehen regelt IFRIC 1.5 (zu einem Beispiel vgl. Zülch/Willms 2005, S. 1181). Wertaufholungen sind nach IAS 36.117 ff. zwingend (s. Kap. II.5.3.8.3). Nach den deutschen GoB ist grundsätzlich analog vorzugehen: y Bei der Bestimmung des Abschreibungsvolumens ist ein wesentlicher Restwert zu berücksichtigen. Analog zu den internationalen Normen ist ebenfalls der Zeitraum der voraussichtlichen Nutzung als Abschreibungsdauer heranzuziehen (s. Kap. II.5.3.8.1). y Der Bilanzierende ist bei der Festlegung der Abschreibungsmethode dagegen nicht dazu angehalten, ein dem voraussichtlichen Werteverzehr möglichst nahekommendes Verfahren zu wählen. Die planmäßige Abschreibung dient nicht der Ermittlung des voraussichtlich richtigen Zeitwerts, sondern lediglich der aufwandsmäßigen Abgrenzung
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
y
y
y
435
(Periodisierung). Eine Abschreibungsmethode ist nur dann unzulässig, wenn diese in einem deutlichen Widerspruch zum tatsächlichen Wertverzehr steht. Diese sog. Verteilungsabschreibungen (s. Kap. II.5.3.8.1) stehen dann im Widerspruch zu den IFRS, wenn die nach deutschen GoB weitgehend frei wählbare Abschreibungsmethode nicht dem wirtschaftlichen Nutzenverlauf entspricht. Eine Verpflichtung zur periodischen Überprüfung der Nutzungsdauer, der Abschreibungsmethode und des Restwerts findet sich im HGB nicht. Gleichwohl ist nach deutschen GoB davon auszugehen, dass der ursprüngliche Abschreibungsplan in den zuvor genannten Fällen anzupassen ist (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 260 ff.). Die Verpflichtung zur außerplanmäßigen Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 S. 5 HGB zeigt Ähnlichkeiten zum Wertminderungstest nach IFRS. Gleichwohl unterscheiden sich die einzelnen Regelungen. Nach den deutschen GoB ist z. B. die Dauerhaftigkeit der Wertminderung relevant. Auch ist nach IFRS für die Beurteilung der Wertminderung ggf. auf einen Nutzungswert zurückzugreifen; nach den deutschen GoB ist dafür kein Pendant zu finden. Dasselbe gilt für die in diesem Zusammenhang auf internationaler Ebene bestehende Notwendigkeit, Wertminderungen auf Ebene von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zu betrachten (zu den Einzelheiten s. Kap. II.5.3.8.1). Nach deutschen GoB besteht analog zu IFRS bei Wegfall der Gründe, die zu einer außerplanmäßigen Abschreibung geführt haben, eine Wertaufholungspflicht (§ 253 Abs. 5 HGB; s. Kap. II.5.3.8.3).
b. Revaluation-Modell Nach dem revaluation-Modell erfolgt eine Neubewertung zum beizulegenden Zeitwert im Zeitpunkt der Neubewertung (Neubewertungsbetrag). Dieser Betrag ist in den Folgeperioden um (kumulierte) planmäßige Abschreibungen (s. Kap. III.3.1.3.2.a) und (kumulierte) außerplanmäßige Wertminderungen zu korrigieren oder unter bestimmten Voraussetzungen durch einen höheren oder niedrigeren Neubewertungsbetrag zu ersetzen (IAS 16.31; ausführlich s. Kap. II.5.3.8.2.f). Die Definition des beizulegenden Zeitwerts richtet sich nach IFRS 13 (s. Kap. II.5.3.6.3). Bei der Ermittlung dieses Werts wird die höchste und beste Verwendung des Vermögenswerts unterstellt. Zulässige Annahmen bezüglich der Nutzung eines Vermögenswerts setzen dabei die physische, rechtliche und finanzielle Realisierbarkeit der unterstellten Nutzung voraus (IFRS 13.28). Bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts kann der Marktwert des Vermögenswerts auf Stand-alone-Basis oder in Verbindung mit anderen Vermögenswerten herangezogen werden (IFRS 13.31(a)-(b)). Neubewertungen sind in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Die Häufigkeit der Vornahme von Neubewertungen hängt von den Schwankungen des beizulegenden Zeitwerts der entsprechenden Sachanlagen ab. Unterliegt dieser Wert keinen signifikanten Schwankungen, kann die Neubewertung alle drei bis fünf Jahre ausreichend sein (IAS 16.34). Wird eine Sachanlage neu bewertet, ist die gesamte Gruppe von Sachanlagen, zu der diese Sachanlage gehört, wie z. B. Grundstücke, Gebäude, Maschinen oder Kraftfahrzeuge, neu zu bewerten (IAS 16.36 f.). Erfolgt die Folgebewertung nach dem revaluation-Modell, wirken sich die Anpassungen, die sich aus einer Änderung des erwarteten Verpflichtungsbetrags einer Rekultivierungsoder Beseitigungsverpflichtung (s. Kap. III.3.1.3.1) ergeben, nicht auf den Buchwert des betreffenden Vermögenswerts aus. Auf der Passivseite der Bilanz ist die Änderung der Rückstellung in die Neubewertungsrücklage in Form eines Passivtauschs zu buchen. Allerdings dürfen die Zuführungen in die Neubewertungsrücklage den (fiktiven) Buchwert des Ver-
436
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
mögenswerts nicht übersteigen, der sich bei einer Folgebewertung zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (cost-Modell) ergeben hätte (IFRIC 1.6(b)). Übersteigende Beträge sind ergebniserhöhend zu buchen. Dagegen sind Änderungen, die sich aus einer Aufzinsung der Rückstellung im Zeitablauf ergeben, stets ergebniswirksam zu erfassen (IFRIC 1.8; vgl. hierzu und zu einem Beispiel Zülch/Willms 2005, S. 1181 f.). Das nachstehende Beispiel dient der Veranschaulichung der Behandlung von Neubewertungsdifferenzen im Zeitablauf. Beispiel Behandlung von Neubewertungsdifferenzen (ohne latente Steuern) Die GIA AG kauft eine Maschine. Die Anschaffungskosten betragen 445.000 €. Die Maschine soll linear über die wirtschaftliche Nutzungsdauer von fünf Jahren abgeschrieben werden. Der Restwert beträgt 0 €. Demnach wären 89.000 € pro Jahr abzuschreiben (in enger Anlehnung an Baetge/ Kirsch/Thiele 2020, S. 100 ff.). Die Maschine ist nach der Neubewertungsmethode gem. IAS 16.31 zu bewerten. Der Neubewertungsbetrag wird zu jedem Abschlussstichtag ermittelt. Latente Steuern bleiben ohne Berücksichtigung. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der fortgeführten Anschaffungskosten und der beizulegenden Zeitwerte über die Perioden t0 bis t5. 31.12.
t0
t1
t2
t3
t4
t5
(fortgeführte) historische Anschaffungskosten
445.000 €
356.000 €
267.000 €
178.000 €
89.000 €
beizulegender Zeitwert
0 €
445.000 €
370.000 €
250.000 €
160.000 €
95.000 €
0 €
planmäßige Abschreibung
0 €
89.000 €
92.500 €
83.333 €
80.000 €
95.000 €
Neubewertungsrücklage
0 €
14.000 €
0 €
0 €
6.000 €
0 €
Umbuchung in die Gewinnrücklagen
0 €
0 €
3.500 €
0 €
0 €
6.000 €
Wertminderungsaufwand
0 €
0 €
17.000 €
6.667 €
0 €
0 €
Wertminderungsertrag
0 €
0 €
0 €
0 €
9.000 €
0 €
Zum 31.12.t1 werden zunächst planmäßig 89.000 € abgeschrieben. Die Maschine ist zum beizulegenden Zeitwert anzusetzen, d. h., die Differenz zwischen dem beizulegenden Zeitwert (370.000 €) und den fortgeführten Anschaffungskosten (356.000 €) ist ergebnisneutral in die Neubewertungsrücklage einzustellen. planmäßige Abschreibung Maschine
89.000 € 14.000 €
an an
Maschine Neubewertungsrücklage
89.000 € 14.000 €
Am 31.12.t2 wird ein beizulegender Zeitwert in Höhe von 250.000 € festgestellt. Zunächst ist planmäßig abzuschreiben, wobei eine Verteilung des Restbuchwerts auf die Restnutzungsdauer erfolgt. (370.000 € / 4 = 92.500 €). planmäßige Abschreibung
92.500 €
an
Maschine
92.500 €
Weiterhin stellt sich die Frage, ob die gem. IAS 16.39 zuvor in die Neubewertungsrücklage eingestellten Beträge (14.000 €) am 31.12.t2 ratierlich in die Gewinnrücklagen umzubuchen sind (IAS 16.41 S. 3 und 4). Der Grund für den gesunkenen beizulegenden Zeitwert liegt annahmegemäß am Ende des Jahres t2. Daher wird es als zulässig angesehen, zunächst die ratierliche Umbuchung in die Gewinnrücklagen zu tätigen (14.000 € / 4 Jahre = 3.500 €) (so auch Baetge/Kirsch/Thiele 2020,
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
437
S. 101).7 Die verbleibende Neubewertungsrücklage in Höhe von 10.500 € (14.000 € – 3.500 €) ist ergebnisneutral aufzulösen. Soweit eine Werterhöhung der Vergangenheit rückgängig gemacht wird, erfolgt dies ebenso ergebnisneutral wie die ursprüngliche Verbuchung der Werterhöhung. Neubewertungsrücklage
14.000 €
an
Gewinnrücklagen Maschine
3.500 € 10.500 €
Der ausstehende Abwertungsbedarf in Höhe von 17.000 € (120.000 € – 92.500 € – 10.500 €) wird ergebnismindernd erfasst. Hier handelt es sich um eine echte, d. h. nicht kompensatorische, Wertminderung, die grundsätzlich ergebniswirksam zu erfassen ist. Wertminderungsaufwand
17.000 €
an
Maschine
17.000 €
Am 31.12.t3 sind zunächst die planmäßigen Abschreibungen (250.000 € / 3 = 83.333 €) zu buchen. planmäßige Abschreibung
83.333 €
an
Maschine
83.333 €
Daraus resultiert ein Restbuchwert von 166.667 € (250.000 € – 83.333 €), der wiederum an den am 31.12.t3 festgestellten niedrigeren beizulegenden Zeitwert (160.000 €) anzupassen ist, d. h., es ist eine ergebnismindernde Abwertung in Höhe von 6.667 € zu buchen. Wertminderungsaufwand
6.667 €
an
Maschine
6.667 €
Der Abschreibungsplan ist wiederholt anzupassen. Bei einer Restnutzungsdauer von zwei Jahren betragen die planmäßigen Abschreibungen in den Folgeperioden (t4 bis t5) nunmehr 80.000 € (160.000 € / 2 Jahre). Am 31.12.t4 sind die planmäßigen Abschreibungen wie folgt zu buchen. planmäßige Abschreibung
80.000 €
an
Maschine
80.000 €
Nach planmäßiger Abschreibung (80.000 €) ergibt sich zum 31.12.t4 ein Ansatz von 80.000 € (160.000 € – 80.000 €). Anzusetzen ist allerdings der zum 31.12.t4 festgestellte beizulegende Zeitwert in Höhe von 95.000 €. Der Wertansatz für die Maschine ist um 15.000 € zu erhöhen. Annahmegemäß ist wie folgt zu buchen: y Die Differenz zwischen dem Buchwert (80.000 €) und den fortgeführten ursprünglichen Anschaffungskosten (89.000 €) in Höhe von 9.000 € ist ergebniserhöhend zu erfassen. y Der verbleibende Betrag (6.000 €) soll ergebnisneutral in die Neubewertungsrücklage eingestellt werden. Zu buchen ist ein Ertrag aus der Rückgängigmachung eines Wertminderungsaufwands (Wertaufholung). Maschine
15.000 €
an
Wertminderungsertrag Neubewertungsrücklage
9.000 € 6.000 €
Am 31.12.t5 wird die Maschine auf 0 € planmäßig abgeschrieben und der Betrag von 6.000 € von der Neubewertungsrücklage in die Gewinnrücklagen umgebucht. planmäßige Abschreibung Neubewertungsrücklage
7
95.000 € 6.000 €
an
Maschine Gewinnrücklagen
95.000 € 6.000 €
Liegt der Grund für den gesunkenen beizulegenden Zeitwert zu Beginn des Jahres t2, so ist nicht von einer anteiligen Realisation der Neubewertungsrücklage auszugehen.
438
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Diskussionsfrage III.3.-4 In dem vorherigen Beispiel ist die Maschine in t4 zu 95.000 € in der Bilanz anzusetzen. Nach Buchung der außerplanmäßigen Wertminderung ist eine Werterhöhung (15.000 €) zu buchen. Dabei wurden annahmegemäß 9.000 € ergebniserhöhend und 6.000 € ergebnisneutral gebucht. Sie sind in der Reporting-Abteilung des betreffenden Unternehmens tätig. Ihr Kollege weist darauf hin, dass aus IAS 16.39 nicht hervorgeht, dass ein Teil der zu buchenden Werterhöhung ergebnisneutral zu buchen ist. Vielmehr vertritt er unter Hinweis auf den genannten Paragrafen die Auffassung, die Werterhöhung sei vollumfänglich ergebniserhöhend zu buchen, da der in den vorherigen Perioden gebuchte Wertminderungsaufwand (23.667 €) die Werterhöhung (15.000 €) übersteigt: »However, the increase shall be recognised in profit or loss to the extent that it reverses a revaluation decrease of the same asset previously recognised in profit or loss« (IAS 16.39 S. 2). Prüfen Sie auch, ob und inwieweit IAS 36 zur Anwendung gelangt. Wie ist am 31.12.t4 vorzugehen?
Bei den bisherigen Überlegungen zur Behandlung von Neubewertungsdifferenzen blieben die latenten Steuern (s. Kap. III.2.2) ohne Berücksichtigung. Kommt es aufgrund einer Neubewertung, z. B. zu einer Erhöhung des Buchwerts, weichen die Wertansätze in der IFRSBilanz und der Steuerbilanz regelmäßig voneinander ab. Dies liegt darin begründet, dass das Steuerrecht eine Neubewertung nicht vorsieht, sofern es zu einem Verstoß gegen das Anschaffungskostenprinzip kommt. Temporäre Ansatzdifferenzen führen bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu passiven latenten Steuern (deferred tax liability). Da die Werterhöhung bei dem Vermögenswert ergebnisneutral durchgeführt wurde, sind auch die latenten Steuern ergebnisneutral zu bilden (IAS 12.61A, 12.62(a); so auch z. B. Wagenhofer 2009, S. 334; Theile/Behling 2019, S. 840 f.; Schulz-Danso 2020, § 25, Rn. 56). Im Hinblick auf die Auflösung ergebnisneutral gebildeter latenter Steuern wird die Auffassung vertreten, dass die Methode der Auflösung der hierfür ursächlichen Änderung der temporären Differenz folgt (IAS 12.57, 12.61A). Erfolgt der Abbau der temporären Differenz durch eine spätere ergebnisneutrale Neubewertung mit einem niedrigeren Neubewertungsbetrag, ist auch die dazugehörige latente Steuer ergebnisneutral aufzulösen. Wird die temporäre Differenz dagegen durch eine (im Vergleich zur steuerrechtlichen Abschreibung) erhöhte, ergebniswirksame planmäßige Abschreibung abgebaut, sind auch die dazugehörigen latenten Steuern ergebniswirksam aufzulösen (vgl. ausführlich Ruhnke/Schmidt/Seidel 2005, m. w. N.). Das nachstehende Beispiel dient der Verdeutlichung (zu einem Fallbeispiel siehe Zülch/Lienau 2006, S. 698 ff.; für weitere Beispiele zu temporären Differenzen siehe Ernst & Young 2021, S. 2482 ff.). Beispiel Behandlung von Neubewertungsdifferenzen mit latenten Steuern Das vorherige Beispiel wird nun unter Berücksichtigung latenter Steuern dargestellt. Die Darstellungen beschränken sich auf die nunmehr veränderten Buchungen, welche in Zusammenhang mit den latenten Steuern stehen. Unterstellt wird, dass die fortgeführten Anschaffungskosten in der Steuerbilanz anzusetzen sind. Der gegenwärtige und der künftige Ertragsteuersatz (s) der GIA AG beträgt 40 %. 31.12.
t0
t1
t2
t3
t4
t5
Ansatz in der Steuerbilanz 445.000 €
356.000 €
267.000 €
178.000 €
89.000 €
0 €
(fortgeführte) historische Anschaffungskosten
445.000 €
356.000 €
267.000 €
178.000 €
89.000 €
0 €
beizulegender Zeitwert
445.000 €
370.000 €
250.000 €
160.000 €
95.000 €
0 €
0 €
89.000 €
92.500 €
83.333 €
80.000 €
95.000 €
planmäßige Abschreibung
439
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
31.12.
t0
t1
t2
t3
t4
t5
Neubewertungsrücklage
0 €
8.400 €
0 €
0 €
3.600 €
0 €
Umbuchung in die Gewinnrücklagen
0 €
0 €
2.100 €
0 €
0 €
3.600 €
Wertminderungsaufwand
0 €
0 €
17.000 €
6.667 €
0 €
0 €
Wertminderungsertrag
0 €
0 €
0 €
0 €
9.000 €
0 €
passive latente Steuern
0 €
5.600 €
0 €
0 €
2.400 €
0 €
aktive latente Steuern
0 €
0 €
6.800 €
7.200 €
0 €
0 €
Steueraufwand
0 €
0 €
0 €
0 €
7.200 €
0 €
Steuerertrag
0 €
0 €
8.200 €
400 €
0 €
2.400 €
Die folgenden Ausführungen behandeln die Besonderheiten, welche aus der Berücksichtigung der latenten Steuern resultieren: Am 31.12.t1 sind in Bezug auf die Ansatzdifferenz zwischen der IFRS-Bilanz (370.000 €) und der Steuerbilanz (356.000 €) passive latente Steuern in Höhe von 5.600 € (14.000 € × 0,4) ergebnisneutral zu bilden. Zusätzlich zu den planmäßigen Abschreibungen (89.000 €) ist wie folgt zu buchen: Maschine
14.000 €
an
Neubewertungsrücklage passive latente Steuern
8.400 € 5.600 €
Am 31.12.t2 sind zunächst die planmäßigen Abschreibungen (92.500 €) zu buchen. Der Grund für den gesunkenen beizulegenden Zeitwert liegt annahmegemäß am Ende des Jahres, sodass 25 % (8.400 € / 4 Jahre = 2.100 €) der Neubewertungsrücklage als realisiert gelten. Neubewertungsrücklage
2.100 €
an
Gewinnrücklage
2.100 €
In t2 übersteigt der Betrag der planmäßigen Abschreibung in der IFRS-Bilanz (92.500 €) den in der Steuerbilanz (89.000 €) und die Steuerlatenz wird teilweise ergebniswirksam abgebaut. Die Auflösung der korrespondierenden latenten Steuer erfolgt annahmegemäß gleichfalls ergebniswirksam (3.500 € × 0,4 = 1.400 €). passive latente Steuern
1.400 €
an
Steuerertrag
1.400 €
Da der Ansatz in der IFRS-Bilanz den in der Steuerbilanz unterschreitet, sind die verbleibende Neubewertungsrücklage (8.400 € – 2.100 €) und die verbleibenden passiven latenten Steuern (5.600 – 1.400 €) ergebnisneutral aufzulösen. Neubewertungsrücklage passive latente Steuern
6.300 € 4.200 €
an
Maschine
10.500 €
Weiterhin sind der Wertminderungsaufwand und die dazugehörigen auf die Ansatzdifferenz bezogenen latenten Steuern (17.000 € × 0,4 = 6.800 €) ergebniswirksam zu buchen. Wertminderungsaufwand aktive latente Steuern
17.000 € 6.800 €
an an
Maschine Steuerertrag
17.000 € 6.800 €
Man beachte, dass die Werterhöhung der Maschine in t1 zu 40 % (die Höhe des Ertragssteuersatzes) den passiven latenten Steuern und zu 60 % der Neubewertungsrücklage zugeführt wird. In t2 wird die Wertminderung vollständig erfasst und die aktive latente Steuer als Zuschlag i. H. v.
440
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
40 % gebucht. Dies liegt an der unterschiedlichen Ergebniswirksamkeit von Wertaufholungen und Abschreibungen im Neubewertungsmodell. Am 31.12.t3 sind wiederum zunächst die planmäßigen Abschreibungen in Höhe von 83.333 € (250.000 € / 3 Jahre) zu buchen. Der daraus resultierende Restbuchwert von 166.667 € (250.000 € – 83.333 €) ist an den niedrigeren beizulegenden Zeitwert (160.000 €) anzupassen, d. h., es ist ein Wertminderungsaufwand von 6.667 € zu buchen. Weiterhin sind die aus dem Vorjahresabschluss übernommenen aktiven latenten Steuern (6.800 €) an die aktuelle Ansatzdifferenz [(178.000 € – 160.000 €) × 0,4 = 7.200 €] anzupassen, d. h., in diesem Fall um 400 € ergebniswirksam zu erhöhen. aktive latente Steuern
400 €
an
Steuerertrag
400 €
Am 31.12.t4 ist zunächst planmäßig abzuschreiben (80.000 €) und anschließend – annahmegemäß wie in dem vorherigen Beispiel – bis zur Höhe der fortgeführten Anschaffungskosten ergebniserhöhend (9.000 €) und der übersteigende Betrag ergebnisneutral (6.000 €) zu buchen. Während in der vorherigen Periode der Wertansatz für die Maschine in der Steuerbilanz um 18.000 € über dem Wertansatz in der IFRS-Bilanz lag, ist dies nunmehr nicht mehr der Fall, d. h., die zuvor ergebniserhöhend gebildeten aktiven latenten Steuern (7.200 €) sind nunmehr ergebnismindernd aufzulösen. Steueraufwand
7.200 €
an
aktive latente Steuern
7.200 €
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass jetzt der Ansatz in der IFRS-Bilanz den in der Steuerbilanz um 6.000 € übersteigt. Da diese Wertsteigerung ergebnisneutral gebucht wurde, sind auch die dazugehörigen latenten Steuern (6.000 € × 0,4 Steuersatz) ergebnisneutral zu bilden. Neubewertungsrücklage
2.400 €
an
passive latente Steuern
2.400 €
Am 31.12.t5 ist planmäßig abzuschreiben (95.000 €) und es sind die in der Neubewertungsrücklage eingestellten Beträge in die Gewinnrücklagen umzubuchen (3.600 €). Die zuvor ergebnisneutral gebildeten passiven latenten Steuern werden – da die Steuerlatenz durch eine in der IFRS-Bilanz (95.000 €) gegenüber der Steuerbilanz (89.000 €) erhöhte Abschreibung ergebniswirksam abgebaut wird – gleichfalls ergebniswirksam aufgelöst. passive latente Steuern
2.400 €
an
Steuerertrag
2.400 €
c. Fair-Value-Modell Zum Verkauf bestimmte langfristige Vermögenswerte sind in den Folgeperioden zum niedrigeren Wert aus Buchwert und beizulegendem Zeitwert (fair value; s. Kap. II.5.3.6.3) abzüglich Veräußerungskosten anzusetzen (IFRS 5.15). Planmäßige Abschreibungen sind unzulässig. Hier finden sich nur vergleichsweise wenige sachanlagenspezifische Besonderheiten: Beispielsweise weist IFRS 5.IG1a darauf hin, dass die Zeit zur Räumung eines zum Verkauf bestimmten Bürogebäudes unschädlich für die Klassifizierung als zum Verkauf bestimmter Vermögenswert ist. Dagegen ist eine Klassifizierung nicht möglich, wenn noch wesentliche Renovierungsarbeiten anstehen (IFRS 5.IG3a; vgl. auch Lächele 2020, § 28, Rn. 31). Ausbuchung 3.1.3.3 Eine Sachanlage ist nicht mehr in der Bilanz anzusetzen und somit auszubuchen (derecognition; s. Kap. II.5.3.6) y bei ihrem Abgang oder y wenn kein künftiger wirtschaftlicher Nutzen aus ihrer weiteren Nutzung oder ihrem Abgang zu erwarten ist (IAS 16.67).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
441
Dabei ist die Höhe der Differenz, z. B. zwischen dem Nettoveräußerungswert und dem letzten Buchwert, ergebniswirksam zu buchen (IAS 16.68). Nach deutschen GoB ist analog zu verfahren.
3.1.4 Angabepflichten Neben den speziellen Angabepflichten bei Durchführung des Wertminderungstests (IAS 36.126 ff.) und den bei der Bildung latenter Steuern zu beachtenden Angabepflichten (IAS 12.79 ff.; s. Kap. III.2.2.4) sind die sachanlagespezifischen Angabepflichten gem. IAS 16.73 ff. zu beachten. Eine besonders bedeutsame Angabepflicht betrifft den Anlagespiegel (auch Anlagegitter). Nach deutschen Normen haben Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften nach § 284 Abs. 3 HGB im Anhang die Entwicklung der einzelnen Posten des Anlagevermögens darzustellen. Kleine Gesellschaften sind von der Erstellung des Anlagespiegels befreit (§ 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB; s. Kap. I.3.2.2.1.b). Die Aufgliederung darf sowohl horizontal (Posten des Anlagevermögens in separaten Zeilen) als auch vertikal (Posten des Anlagevermögens in separaten Spalten) erfolgen (vgl. Grottel 2020, § 284 HGB, Rn. 221). Im Rahmen des BilRUG wurden die Angabepflichten zu Abschreibungen weiter konkretisiert (§ 284 Abs. 3 S. 3 Nr. 1-3 HGB). Ein Anlagespiegel, der nach der direkten Bruttomethode erstellt ist und den Anforderungen des § 284 Abs. 3 HGB genügt, kann den folgenden Aufbau aufweisen (vgl. hierzu Grottel 2020, § 284 HGB, Rn. 223 ff.; zu den folgenden Beispielen vgl. Scherrer 2011, S. 95 ff; Grottel 2020, § 284, Rn. 224; Baetge/Kirsch/ Thiele 2021a, S. 286 ff.). In der ersten Spalte (aus Gründen der Übersichtlichkeit sind in Abbildung III.3./1 nur jeweils sieben der insgesamt 14 Spalten nebeneinandergesetzt) sind die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) zu zeigen. Bei den Zugängen und Abgängen in Spalten 2 und 3 werden die historischen AHK der Vermögensgegenstände ausgewiesen. Die Spalte »Umbuchungen« zeigt Ausweisänderungen bereits vorhandener Anlagewerte, wie z. B. Umgliederung aus der Position »Anlagen im Bau« nach Fertigstellung in »technische Anlagen und Maschinen«. Die Wertangaben in den Spalten 1 bis 4 ermöglichen eine Überleitung zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten am Ende des Geschäftsjahres (Spalte 5). Die kumulierten Abschreibungen in der Spalte 6 umfassen sämtliche planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen der Vorjahre. Diese Angabe sowie die Angaben zu den Änderungen der Abschreibungen im Zusammenhang mit Zugängen, Abgängen oder Umbuchungen (Spalten 9 bis 11) ermöglichen gemeinsam mit den Angaben zu den Abschreibungen des aktuellen Geschäftsjahres eine Überleitung auf den Stand der gesamten Abschreibungen am Ende des Geschäftsjahres (Spalte 12). Die Berechnung des Buchwertes am Ende des Geschäftsjahres (Spalte 13) und am Ende des Vorjahres (Spalte 14) zeigt Abb. III.3./1. (1) gesamte historische AHK zu Beginn des Geschäftsjahrs
(2) Zugänge gesamter AHK in Bezug auf das Geschäftsjahr
(3) Abgänge gesamter AHK in Bezug auf das Geschäftsjahr
(4) Umbuchungen gesamter AHK in Bezug auf das Geschäftsjahr
(5) gesamte historische AHK am Ende des Geschäftsjahrs
(6) gesamte historische Abschreibungen bis zu Beginn des Geschäftsjahrs
(7) Abschreibungen des Geschäftsjahres ohne Änderungen (9) bis (11)
+
–
±
= (1) + (2) – (3) ± (4)
–
–
442
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(8) Zuschreibungen in Bezug auf das Geschäftsjahr
(9) gesamte Änderungen der Abschreibungen des Geschäftsjahres betreffend Zugänge
(10) gesamte Änderungen der Abschreibungen des Geschäftsjahres betreffend Abgänge
(11) gesamte Änderungen der Abschreibungen des Geschäftsjahres betreffend Umbuchungen
(12) gesamte Abschreibungen des Geschäftsjahres
(13) Buchwert Ende des Geschäftsjahres
(14) Buchwert Ende des Vorjahres
+
–
+
±
= (7) + (9) – (10) ± (11)
= (5) – (6) + (8) – (12)
= (1) – (6)
Abb. III.3./1 Aufbau eines Anlagespiegels8
Diskussionsfrage III.3.-5 Erstellen Sie den Anlagespiegel gem. § 284 Abs. 3 HGB unter Berücksichtigung der nachstehenden Angaben. Es ist jeweils eine gesonderte Zeile zu a) und b) zu ergänzen. Zu erstellen ist der Anlagespiegel zum 31.12.t5. Ziehen Sie den in Abbildung III.3./1 dargestellten Aufbau des Anlagespiegels zur Bearbeitung heran. a) Am 1.1.t4 wurden zwei Maschinen zu Anschaffungskosten in Höhe von jeweils 200 T€ angeschafft. Die Maschinen werden linear über 10 Jahre abgeschrieben. Eine weitere Maschine wurde am 1.10.t5 angeschafft; die Anschaffungskosten betragen 200 T€. Es ist monatsgenau abzuschreiben. b) Vier Maschinen wurden am 1.1.t2 angeschafft, deren Anschaffungskosten jeweils 200 T€ betrugen. Die Maschinen werden linear über 10 Jahre abgeschrieben. Eine Maschine wird am Ende der Periode t5 verschrottet. Erläutern Sie dabei auch, wie der Aufwand aus dem Abgang der Maschine, die zu verschrotten ist, in der GuV und im Anlagespiegel zu behandeln ist.
International entsprechen die nach IAS 16.73 geforderten Angaben weitgehend dem Anlagegitter gem. § 284 Abs. 3 HGB. Aufgrund der Spezifika der IFRS entstehen teilweise weitere Angabeerfordernisse, wie z. B. die Angabe der direkt im Eigenkapital gebuchten Wertänderungen aufgrund einer Neubewertung, die Angabe der Grundlagen für eine Neubewertung und der Hinweis, ob bei der Neubewertung ein unabhängiger Bewerter involviert war (IAS 16.74-79). Zudem finden sich in IFRS 13.91 ff. weitere Pflichtangaben zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts. Nachstehend finden sich beispielhaft ausgewählte Angaben der Bilfinger SE zu den Sachanlagen (IFRS-Abschluss; in enger Anlehnung an Bilfinger SE 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 150). Geschäftsbericht Sachanlagen in den notes Sachanlagen sind zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet. Der Werteverzehr wird durch planmäßige lineare Abschreibungen erfasst, sofern nicht in Ausnahmefällen ein anderer Abschreibungsverlauf dem Nutzungsverlauf besser gerecht wird. Die Herstellungskosten umfassen alle direkt beziehungsweise indirekt dem Herstellungsprozess zurechenbaren Kosten. Reparaturkosten werden grundsätzlich als Aufwand behandelt.
8
Vgl. hierzu auch Grottel 2020, § 284 HGB, Rn. 224.
Kontrollfragen zu III.3.1
443
Gebäude werden linear innerhalb einer Nutzungsdauer von 20 bis 50 Jahren abgeschrieben. Die Nutzungsdauer bei den technischen Anlagen und Maschinen beträgt überwiegend zwischen drei und 20 Jahren, bei anderen Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattungen liegt sie im Wesentlichen zwischen drei und zwölf Jahren. Für immaterielle Vermögenswerte und Sachanlagen werden außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen, soweit der erzielbare Betrag des Vermögenswerts unter den Buchwert gesunken ist. Dabei stellt der erzielbare Betrag den höheren der beiden Werte aus Nettoveräußerungswert und dem Barwert der geschätzten Mittelzuflüsse (Nutzungswert) aus dem Vermögenswert dar. Wenn der Grund für eine früher vorgenommene außerplanmäßige Abschreibung nicht mehr besteht, wird eine Wertaufholung höchstens bis zum Betrag der fortgeführten Anschaffungskosten vorgenommen. Die Überprüfung der Werthaltigkeit findet auf der Ebene der kleinsten zahlungsmittelgenerierenden Einheit statt.
Kontrollfragen zu III.3.1 1. In t1 wurde mit dem Bau einer technischen Anlage begonnen. Bis zum 31.12.t1 sind Herstellungskosten in Höhe von 400 T€ angefallen. Bis zur Fertigstellung im Monat März t2 wurden weitere aktivierungspflichtige Aufwendungen in Höhe von 200 T€ getätigt. Die Anlage wurde am 1.7.t2 in Betrieb genommen. Die Maschine soll über fünf Jahre linear abgeschrieben werden. Stellen Sie den Sachverhalt in einem Anlagespiegel (per 31.12. t2) dar, welcher den handelsrechtlichen Anforderungen genügt. 2. Der Bilanzbuchhalter der Larry Potter AG, die einen IFRS-Abschluss zu erstellen hat, steht vor dem folgenden Problem: Es findet eine Neubewertung der Zauberbesenpoliermaschine statt. Sowohl nach IFRS als auch steuerrechtlich gilt: Anschaffung am 31.12.t0 zu 750.000 €; Nutzungsdauer zehn Jahre, lineare Abschreibung. Nach IAS 16.31 kommt es am 31.12.t2 zu einem Wertansatz von 800.000 €. Die Steuerabteilung weist den Buchhalter darauf hin, dass die Werterhöhung steuerlich nicht zulässig ist. Der für die Bildung latenter Steuern relevante Steuersatz beträgt 40 %. a) Buchen Sie die Werterhöhung zum 31.12.t2. Untersuchen Sie auch, ob latente Steuern zu buchen sind und geben Sie ggf. die Buchung an. b) Wie ist unter a) vorzugehen, wenn die Neubewertung annahmegemäß ergebniswirksam zu buchen ist? c) Wie ist unter a) vorzugehen, wenn der HGB-Abschluss der Larry Potter AG zu erstellen ist? Es gelten die o. g. Rahmenbedingungen. Außerplanmäßige Abschreibungen wurden nicht vollzogen. Die Nutzungsdauer bleibt unverändert. 3. Die Schwebebahn AG setzt ihre Gleisanlagen im Einzelabschluss zu einem Festwert von 1.500 T€ an. Die Bilanzsumme des IFRS-Abschlusses beträgt voraussichtlich 33.400 T€. Ist ein solcher Ansatz in einem HGB- und in einem IFRS-Abschluss zulässig? Bedarf es in diesem Fall einer Inventur? 4. Die Röhrenwerke AG hat am Bilanzstichtag eine Sachanlage mit einem Buchwert von 900 T€ bilanziert. Da eine technisch verbesserte Maschine auf den Markt kommt (triggering event), wird geprüft, ob für die Maschine ggf. ein niedrigerer Wertansatz in Betracht kommt. Der beizulegende Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten der Anlage beträgt 500 T€. Der beizulegende Zeitwert am Beschaffungsmarkt beträgt 630 T€. Die Summe der künftigen Cashflows beträgt 950 T€; diskontiert ermittelt sich ein Betrag von 800 T€. Welcher Betrag ist nach IAS 36 sowie nach deutschen GoB für die Maschine anzusetzen? 5. Die Fuhrpark AG mit Sitz in Deutschland erstellt einen internationalen Einzelabschluss in €. Am 28.12.t1 wird ein LKW im Wert von 50.000 US-$ an die Fuhrpark AG geliefert und
444
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
bar bezahlt. Der Umrechnungskurs für 1 € beträgt am 28.12.t1 1,1111 US-$, am 31.12. t1 1,0870 US-$ und am 31.12.t2 1,0990 US-$. Überlegungen zur Vor- und Umsatzsteuer sowie zu den latenten Steuern sind nicht zu berücksichtigen. Der LKW ist nach der erstmaligen Erfassung gem. IAS 16.30 zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten. Der LKW wird linear über fünf Jahre abgeschrieben; am 1.1.t2 soll mit der planmäßigen Abschreibung begonnen werden. Wie ist am 28.12.t1, am 31.12.t1 und am 31.12.t2 zu buchen? Der LKW ist nach der erstmaligen Erfassung gem. IAS 16.31 zum zuverlässig ermittelbaren Neubewertungsbetrag (revalued amount) zu bewerten. Der LKW wird erstmals am 1.1.t2 eingesetzt; dies ist gleichzeitig der Zeitpunkt, zu dem mit der planmäßigen Abschreibung begonnen werden soll. Der beizulegende Zeitwert beträgt am 31.12.t1 46.000 US-$ und am 31.12.t2 39.000 US-$. Wie ist am 28.12.t1, am 31.12.t1 und am 31.12.t2 zu buchen? 6. Die Flink AG erstellt einen IFRS-Abschluss. Am 5.4.t1 wird ein Grundstück in einem Gewerbegebiet zu 500 T€ gekauft. Geplant ist die Errichtung einer Vertriebsfiliale. Bilanziert werden soll unter Anwendung der Neubewertungsmethode gem. IAS 16.31 ff. Aufgrund starker Nachfrage erhöht sich der Wert des Grundstücks zum 31.12.t2 auf 700 T€. In t3 wird das Gewerbegebiet räumlich ausgeweitet. Der aktuelle Marktwert des Grundstücks beträgt zum 31.12.t3 nur noch 550 T€. Die Flink AG hat ihre ursprünglichen Pläne zur Errichtung einer Vertriebsfiliale aufgegeben und verkauft das Grundstück zu 550 T€. a) Welche Wertansätze ergeben sich in den Jahren t1 bis t3 in der Bilanz und GuV der Flink AG unter Anwendung von IAS 16.31? Geben Sie auch die Buchungssätze an. Steuerliche Effekte (einschließlich der latenten Steuern) bleiben ohne Berücksichtigung. b) Wie beurteilen Sie den Informationsgehalt der erstellten Abschlüsse? 7. Die Hyper AG erwirbt am 1.1.t1 eine Anlage, die durch eine steuerrechtliche Sonderabschreibung gefördert wird. Die Anschaffungskosten betragen 200 T€. Genutzt wird die Anlage ab dem 1.1.t1 gleichmäßig über 5 Jahre. Die steuerliche Sonderabschreibung (40 % der Anschaffungskosten) kann im Jahr der Anschaffung in Anspruch genommen werden. Die Hyper AG erstellt einen handelsrechtlichen Einzelabschluss, eine Steuerbilanz sowie einen IFRS-Einzelabschluss unter Anwendung des cost-Modells. Latente Steuern bleiben zunächst ohne Berücksichtigung. a) Ermitteln Sie die Höhe der Abschreibungen sowie den Bilanzansatz der Anlage in den drei zuvor angesprochenen Abschlüssen. Die Hyper AG verfolgt das abschlusspolitische Ziel, die Steuerzahlungen möglichst in die Zukunft zu verschieben. Gehen Sie davon aus, dass der steuerpflichtige Gewinn vor Abschreibungen in jeder Periode die 800 T€ übersteigt. b) Wie ist der Sachverhalt im IFRS-Abschluss unter Berücksichtigung latenter Steuern zu behandeln? 8. Die nach HGB rechnungslegungspflichtige Ferdi Flügel AG weist in ihrem Anlagevermögen am 31.12.t2 u. a. folgende zwei Vermögensgegenstände aus (entnommen aus Baetge/Kirsch/Thiele 2020, S. 142 ff.): a) Im Jahr t2 wurde mit dem Neubau eines Verwaltungsgebäudes begonnen: Die Aufwendungen belaufen sich bisher auf 600 T€ und werden unter »Anlagen im Bau« (§ 266 Abs. 2 A. II. 4. HGB) ausgewiesen. Im Januar t1 wurde ein Flugzeug angeschafft: Die Anschaffungskosten betrugen 55 Mio. €. Das Flugzeug soll über zehn Jahre linear auf einen angenommenen Restverkaufserlös von 5 Mio. € abgeschrieben werden. Stellen Sie das Anlagengitter zum 31.12.t2 auf. b) Im Juni t3 sind zur Fertigstellung des Verwaltungsgebäudes weitere Herstellungskosten in Höhe von 400 T€ entstanden. Das Gebäude soll über 25 Jahre linear abgeschrieben werden. Wie sieht das Anlagengitter zum 31.12.t3 aus?
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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3.2 Immaterielle Vermögensposten 3.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Immaterielles Vermögen besitzt im Wirtschaftsleben eine zentrale Bedeutung als Werttreiber des Unternehmens. So beläuft sich der Anteil der immateriellen Vermögenswerte an der Bilanzsumme bei den im DAX 30 notierten Unternehmen im Median auf über 17 % (vgl. Wulf/Udun 2018, S. 175), die Tendenz ist steigend. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen (vgl. Behrendt-Geisler/Weißenberger 2012, S. 57 ff., für einen Überblick zur empirischen Evidenz zur Aktivierung von Entwicklungskosten in Deutschland; vgl. Lev 2018, S. 15 f., für internationale Evidenz). So belegt eine Studie von Wulf/Udun (2018) bei Unternehmen aus der Medien-, Software- und Telekommunikationsbranche einen durchschnittlichen Anteil immaterieller Vermögenswerte an der Bilanzsumme von ca. 44 %, bei Bauunternehmen kann dagegen nur ein Anteil von 14 % der Bilanzsumme beobachtet werden (vgl. Wulf/Udun 2018, S. 175). Vielfach wird deswegen die unzulängliche Abbildung mancher immaterieller Vermögenswerte in den Bilanzen nach nationalen und internationalen Normen bedauert. So bezeichnet bereits Moxter (1979, S. 1102), die immateriellen Vermögenswerte als »ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts«. Es scheint daher sinnvoll, über die Möglichkeiten einer verbesserten Darstellung dieser Werttreiber des Unternehmenswerts im Jahresabschluss zu diskutieren (vgl. hierzu FASB 2021; IASB 2020). Beispiele für immaterielle Vermögenswerte, die den Unternehmenswert beeinflussen, sind Patente, Software sowie Ausgaben für Forschung und Entwicklung (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 13, Rn. 3). Zudem begründet sich der Wert von Unternehmen auch auf Faktoren wie z. B. eine eingespielte Organisation, einen Markennamen oder einen vorhandenen Kundenstamm. Die überragende Bedeutung immaterieller Werte lässt sich am Beispiel von Apple Inc. zeigen. Der Wert für den Markennamen Apple wird auf mehr als 408 Mrd. US-$ geschätzt (zu einer Schätzung der Top 100 Markennamen vgl. Interbrand 2021, S. 17 ff.). Obgleich die Aufnahme solcher Posten in die Bilanz zunächst sinnvoll erscheint, geht die Wertermittlung mit erheblichen Schätzrisiken und damit mit einer mangelnden Objektivierbarkeit einher, sodass grundsätzlich zu bezweifeln ist, ob die für eine entscheidungsnützliche Information erforderliche Glaubwürdigkeit (faithful representation) gegeben ist (s. Kap. II.5.3.2.3.a2; IASB F.2.12 ff.). Gleichwohl sind im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene Markennamen ggf. gesondert zu aktivieren (IFRS 3.IE18 ff.). In diesem Fall ist der Wert verlässlich und glaubwürdig ermittelbar (und mithin objektivierbar), da ein Käufer bereit war, für das gesamte Unternehmen einschließlich Markenname einen Preis zu entrichten, der das Eigenkapital des erworbenen Unternehmens übersteigt (zu den Ansatzvoraussetzungen für einen Markennamen vgl. Heuser/Theile 2019, Rz. 13.53 ff.). Obgleich die Ergebnisse kapitalmarktorientierter Studien (s. Kap. I.4.3.3) nicht einheitlich sind, sprechen diese überwiegend dafür, dass immaterielle Posten für die Kapitalmarktteilnehmer entscheidungsrelevant sind. Empirie Entscheidungsrelevanz immaterieller Vermögensposten Überblicke über die empirische Literatur zur Entscheidungsrelevanz immaterieller Vermögenswerte bieten z. B. Wyatt 2008; Sougiannis 2015 und Lev 2018.9 Beispielsweise zeigt die auf 33 UKUnternehmen bezogene Studie von Kallapur/Kwan 2004, dass der Kapitalmarkt positiv reagiert,
9
Vgl. auch Barth/Clinch 1998, S. 199 ff.; Beatty/Weber 2006, S. 260 ff.; d‹Arcy/Tarca 2018; S. 203 ff.; Amel-Zadeh/Glaum/ Sellhorn 2021, S. 1 ff.
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sofern z. B. im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbene Markennamen (brand assets) gesondert in der Bilanz gezeigt werden. Dabei variiert die Marktreaktion systematisch in Abhängigkeit von der Höhe der aktivierten Beträge. Zudem reagiert der Markt stärker, sofern nur vergleichsweise geringe vertragliche Anreize zur Abschlusspolitik bestehen. Solche Anreize bestehen z. B. dann, wenn Bonuspläne für Manager an die Aktienkursentwicklung gekoppelt sind und wenn sich die Manager von einem hohen Wertansatz für den Markennamen einen positiven Einfluss auf den Aktienkurs versprechen (sog. Bonushypothese s. Kap. II.7.1). Chalmers et al. 2012, S. 691 ff. untersuchen den Zusammenhang zwischen der Präzision von Analystenschätzungen und der Aktivierung von immateriellen Vermögenswerten. Ihre auf australische IFRS-Bilanzierer bezogenen Ergebnisse legen nahe, dass ein negativer signifikanter Zusammenhang zwischen der Bedeutung der immateriellen Vermögenswerte (d. h., ihrem Anteil am Marktwert der Unternehmen) und der Präzision der Analystenschätzungen besteht. Zusätzlich wird die Entscheidungsrelevanz durch zusätzliche Informationen im Anhang erhöht (vgl. Chen/Gavious/Lev 2017, S. 698 ff.). Diese können sich z. B. auf Fortschritte bei Entwicklung einer neuen Technologie oder eines Medikaments beziehen (vgl. Senger/Wulf/v. Keitz 2021, S. 480 ff.).
IAS 38.8 definiert einen immateriellen Vermögenswert als einen identifizierbaren nicht monetären Vermögensposten ohne physische Substanz. Beispiele für immaterielle Vermögenswerte sind Computersoftware, Patente, Urheberrechte, Filmmaterial, Kundenlisten, Kunden- oder Lieferantenbeziehungen, Marktanteile und Absatzrechte (IAS 38.9). Als anwendbare internationale Rechnungslegungsnormen sind IAS 36 und IAS 38 zu nennen, sowie in Zusammenhang mit der Entwicklung von Webseiten SIC-32. Bei der Behandlung von Unternehmenszusammenschlüssen ist auch IFRS 3 relevant. IAS 38.2-7 legen den Anwendungsbereich von IAS 38 fest. Der umfangreiche Ausnahmenkatalog führt dazu, dass IAS 38 nur noch eine nachrangige Rolle spielt (vgl. Heuser/ Theile 2019 Rz. 13.8). Nicht erfasst von IAS 38 werden z. B. immaterielle Vermögenswerte, die gem. IAS 2 oder IFRS 15 (s. Kap. III.3.3; s. Kap. III.3.8) zum Verkauf im normalen Geschäftsgang bestimmt sind oder langfristige immaterielle Vermögenswerte, die gem. IFRS 5 als zur Veräußerung gehalten klassifiziert werden (s. Kap. III.3.1.1). Den aus einem Unternehmenszusammenschluss ggf. resultierenden Geschäfts- oder Firmenwert (s. Kap. III.3.2.6.1) sowie gesondert zu aktivierende immaterielle Posten, wie z. B. einen Markennamen, behandelt IFRS 3. Die relevanten deutschen Normen sind §§ 248 Abs. 2, 266 Abs. 2 A. I. HGB sowie bei der Erstellung eines handelsrechtlichen Konzernabschlusses DRS 23 und 24 (s. Kap. IV.5.3.1).
3.2.2 Ansatz und Ausweis 3.2.2.1 Internationale Normen Nach IAS 38.18 ist ein selbst geschaffener (originärer) oder erworbener (derivativer) immaterieller Vermögenswert dann anzusetzen, wenn die in IAS 38.8-17 genannten definitorischen Voraussetzungen und die in IAS 38.21-23 genannten Ansatzkriterien gegeben sind (s. Kap. II.5.3.5.2). Im Einzelnen sind die folgenden definitorischen Voraussetzungen relevant (vgl. z. B. Heckeler/Kühnel 2020, § 4, Rn. 3 ff.; Ernst & Young 2021, S. 1295 ff.): y Identifizierbarkeit (IAS 38.11 f.) Die Definition eines immateriellen Vermögenswerts verlangt, dass ein immaterieller Vermögenswert vom Geschäfts- oder Firmenwert unterschieden werden kann. Der bei einem Unternehmenszusammenschluss erworbene Geschäfts- oder Firmenwert ist ein Vermögenswert, der den künftigen wirtschaftlichen Nutzen anderer bei dem Unternehmenszusammenschluss erworbener Werte darstellt, die nicht einzeln identifiziert und getrennt angesetzt werden können (IAS 38.11). Die Goodwill-Behandlung regelt IFRS 3 (s. Kap. III.3.2.6.1.a). Identifizierbar ist ein Vermögenswert dann,
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– wenn dieser vom Unternehmen separiert werden kann, indem er z. B. einzeln oder zusammen mit einem anderen Vermögenswert veräußert oder vermietet werden kann oder – wenn dieser rechtlich eigenständig ist und zwar unabhängig davon, ob sich diese Rechte übertragen lassen (IAS 38.12). Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist hier, vergleichbar zum HGB, nicht auf die konkrete Einzelveräußerbarkeit, sondern auf die Möglichkeit der Übertragung des Vermögenswerts getrennt von einem Geschäfts- oder Firmenwert abzustellen. Beherrschung (IAS 38.13 ff.) Beherrschung oder »Kontrolle« ist dann gegeben, wenn das Unternehmen die Macht hat, den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögenswert zu ziehen und seine Verwendung durch Dritte zu beschränken (vgl. Heckeler/Kühnel 2020, § 4, Rn. 14 ff. und Rn. 32; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 13, Rn. 13). Ein typisches Beispiel sind gerichtlich durchsetzbare Urheberrechte. Dagegen wird z. B. eine Kontrolle über den künftigen wirtschaftlichen Nutzen von besonders gut ausgebildetem Personal für ausgeschlossen gehalten (IAS 38.15). Dies erscheint unmittelbar einsichtig, da das Personal unter Beachtung der Kündigungsfristen das Unternehmen jederzeit verlassen kann. Auch besondere Kundenbeziehungen oder Kundenloyalität lassen sich nicht kontrollieren (IAS 38.16). künftiger Nutzenzufluss (IAS 38.17) Ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen kann durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen, aber auch durch Kosteneinsparungen oder andere Vorteile, die aus der Nutzung des Vermögenswertes resultieren, entstehen.
Weiterhin finden sich standardspezifische Konkretisierungen zu den Ansatzkriterien: y Wahrscheinlicher künftiger Nutzenzufluss (IAS 38.21a) Der Zufluss des künftigen wirtschaftlichen Nutzens setzt bei erworbenen immateriellen Vermögenswerten zunächst wirtschaftliches Eigentum an dem Vermögenswert voraus. Darüber hinaus muss das Unternehmen »anhand von vernünftigen und begründeten Annahmen« (IAS 38.22) beurteilen, ob ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen erwartet werden kann. Maßgeblich ist die Einschätzung der Rahmenbedingungen, die während der Nutzungsdauer des Vermögenswerts bestehen werden. Dabei sind externe Hinweise stärker zu gewichten als unternehmensinterne Informationen (IAS 38.23). y Zuverlässige Ermittelbarkeit der Kosten (IAS 38.21b) Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des immateriellen Vermögenswertes müssen sich zuverlässig ermitteln lassen. Beispiel Ansatz immaterieller Vermögenswerte Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Anwendung der zuvor genannten Kriterien:10 Die SolarSun GmbH hat Geschäftsräume und Auslieferungslager von Bochum nach Freiburg verlegt, da sich der alte Standort im Hinblick auf das Produktangebot als imageschädlich erwiesen hat. Die Aktivierung der Umzugsaufwendungen als immaterieller Vermögenswert scheitert bereits
10 Vgl. Lüdenbach 2010, S. 82 ff. Für weitere Beispiele vgl. auch Pellens et al. 2021, S. 359 ff. Zu einer Überprüfung der Ansatzpflicht am Beispiel eines Domain-Namens vgl. Wüstemann/Wüstemann 2018, S. 43 ff.
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daran, dass Standortvorteile in aller Regel nicht vom Goodwill unterscheidbar und damit nicht identifizierbar sind (IAS 38.11 f.). Zudem enthält IAS 38.69d ein ausdrückliches Ansatzverbot. Das Unternehmen hat über das Maß von Wettbewerbern hinaus in die Ausbildung der Mitarbeiter investiert und kann die zusätzlichen Mitarbeiterfähigkeiten verlässlich identifizieren. Auch wenn das Unternehmen in der Lage ist, die zusätzlichen Mitarbeiterfähigkeiten zu identifizieren, hat es doch keine Kontrolle über den voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzen, der durch das besser qualifizierte Team erwächst. Die Arbeitnehmer könnten zur Konkurrenz abwandern (IAS 38.15). Zudem findet sich in IAS 38.69b ein explizites Ansatzverbot. Weiterhin hat die GmbH ein post-acquisition-Team eingerichtet, das die Kunden intensiv nach Erwerb der Solaranlagen betreut. Hierdurch konnte nachweisbar die Kundenloyalität und Markentreue gesteigert werden. Die Schaffung zusätzlicher Kundenloyalität stellt einen wirtschaftlichen Wert dar. Eine Aktivierung kommt jedoch nicht in Frage. Das Unternehmen kann die Kundenloyalität nicht kontrollieren (IAS 38.16). Die Loyalität lässt sich zudem nicht eindeutig von einem Goodwill unterscheiden (IAS 38.11 f.). Zudem verbietet IAS 38.63 ausdrücklich die Aktivierung.
Da die Beurteilung, ob ein immaterieller Vermögenswert anzusetzen ist oder nicht, oftmals schwierig ist, finden sich in IAS 38.25 ff. zusätzliche Ausführungen, welche Konkretisierungen für bestimmte Zugangsarten immaterieller Vermögenswerte vornehmen. Dabei behandeln IAS 38.25 ff. einzeln erworbene, IAS 38.33 ff. im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbene, IAS 38.44 durch Zuwendungen der öffentlichen Hand erlangte, IAS 38.45 ff. durch Tausch erworbene und IAS 38.51 ff. selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die selbst geschaffenen Vermögenswerte. Bei den selbst geschaffenen Vermögenswerten handelt es sich zumeist um Patente oder Verfahren sowie um Software. In Deutschland haben in 2015 31 von 80 untersuchten IFRS-Abschlusserstellern Entwicklungskosten für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte aktiviert (vgl. Wulf/Udun 2018, S. 177). Dabei werden überwiegend selbst erstellte Software (im Finanzdienstleistungsbereich) und neue Produkte bzw. Verfahren (bei Pharma- und Automobilbauunternehmen) aktiviert (vgl. Haller/Froschhammer/Groß 2010, S. 687; vgl. auch Link/Oldewurtel/Kümpel 2014, S. 333 ff.). IAS 38.8 und 38.54 ff. unterscheiden Ausgaben, die in der Forschungsphase und in der Entwicklungsphase getätigt wurden. Grundsätzlich besteht für Forschungsausgaben ein Aktivierungsverbot (IAS 38.54) und für Entwicklungsausgaben unter den IAS 38.57 genannten Voraussetzungen eine Aktivierungspflicht. Kann ein Unternehmen die Forschungsphase nicht eindeutig von der Entwicklungsphase unterscheiden, sind die angefallenen Ausgaben als Aufwand der Periode zu erfassen, d. h., im Zweifel sind die Ausgaben nicht zu aktivieren (IAS 38.53). y Forschung ist definiert als die eigenständige und planmäßige Suche mit der Aussicht, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen (IAS 38.8). Beispiele sind die Grundlagen- und die angewandte Forschung sowie die Suche nach Produkt- und Prozessalternativen (IAS 38.56). y Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen. Die Entwicklung findet dabei vor Beginn der kommerziellen Produktion oder Nutzung statt (IAS 38.8). Beispiele sind der Entwurf, die Konstruktion und das Testen von Prototypen, der Entwurf von Werkzeugen sowie der Entwurf, die Konstruktion und der Betrieb von Pilotanlagen, die von ihrer Größe her für eine kommerzielle Produktion nicht geeignet sind
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(IAS 38.59). Entwicklungsausgaben sind dann zu aktivieren, wenn ein Unternehmen die folgenden Nachweise kumulativ erbringen kann (IAS 38.57): – Die technische Realisierbarkeit des immateriellen Vermögenswerts muss gegeben sein. Dies ist z. B. durch Konstruktionspläne, Programmdesign, Modelle, Verfahrensoder Produktbeschreibungen gewährleistet (vgl. auch von Eitzen/Moog/Pyschny 2010, S. 359; Heckeler/Kühnel 2020, § 4, Rn. 43). – Die Absicht, das Projekt zu vollenden und den immateriellen Vermögenswert zu verkaufen oder zu nutzen, muss gegeben sein. Beispiele dafür sind projektbezogene Finanzierungspläne, die die Kosten für die Fertigstellung und Markteinführung beinhalten. – Die Fähigkeit des Unternehmens, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen, muss z. B. durch bereits bestehende Erfahrung in der Produktvermarktung gegeben sein. – Der Nachweis ist zu führen, wie mit dem immateriellen Vermögenswert wahrscheinlich ein künftiger Nutzen erzielt wird. Nachzuweisen ist u. a. die Existenz eines Marktes für die Produkte des immateriellen Vermögenswertes oder für den Vermögenswert selbst oder sein Nutzen bei interner Verwendung. – Technische, finanzielle und sonstige Ressourcen müssen verfügbar sein, um das Projekt abzuschließen, z. B. Finanzierungspläne oder -zusagen für die Vermarktung. – Die während der Entwicklung anfallenden Ausgaben müssen sich dem Vermögenswert verlässlich zurechnen lassen. Dafür ist z. B. eine Projektkostenrechnung mit phasenbezogener Kostenmessung notwendig. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Nachweise kumulativ erbracht wurden, sind alle Auszahlungen zu aktivieren. Es besteht ein Nachaktivierungsverbot für als Aufwand verrechnete Ausgaben (IAS 38.71). Das Erbringen der genannten Nachweise birgt erhebliche Ermessensspielräume und stellt aus diesem Grunde einen bedeutsamen abschlusspolitischen Gestaltungsparameter (s. Kap. II.7.2.2) dar. Zu einer ausführlichen Diskussion der abschlusspolitischen Gestaltungsspielräume vgl. z. B. Burger/Ulbrich/Knoblauch 2006, S. 730 ff. und Chen/Gavious/Lev 2017, S. 686 ff. y Die Entscheidung der Unternehmensleitung, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen, bestimmt den Ansatz. Allerdings wird teilweise davon ausgegangen, dass bereits mit der Fortsetzung der Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses dieser Nachweis als erbracht gilt: »Kein ökonomisch handelnder Unternehmer würde die Entwicklung (...) fortsetzen, wenn er nicht zumindest die Absicht zur Vollendung (...) besitzt.« (Baetge/v. Keitz/v. Wieding 2020, IAS 38, Rn. 67). Dies würde den abschlusspolitischen Gestaltungsspielraum wiederum einengen. y Zudem lässt sich der Nachweis der technischen Machbarkeit oftmals nur schwer erbringen. Da faktisch keine Verpflichtung zum aktiven Erbringen eines Nachweises besteht, wird sich das Unternehmen bereits durch das Nichterbringen eines Nachweises einer Aktivierung entziehen können (vgl. Wagenhofer 2009, S. 221). y Auch der Nachweis, ob ein Markt vorliegt, kann häufig erst nach einer versuchsweisen Einführung der (bereits entwickelten!) Produkte in kleiner Stückzahl erbracht werden (sog. Pre-Marketing-Phase), was dazu führt, dass Entwicklungskosten nur zu einem sehr geringen Anteil angesetzt werden. y Die Unternehmensleitung sieht Schwierigkeiten bei der Trennung der Forschungs- und Entwicklungsphase (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 13, Rn. 27), was wiederum zu einer Nichtaktivierung führt.
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Aus den zuvor genannten Gründen besteht zwar formal eine Ansatzpflicht. Faktisch ist allerdings häufig von einem Ansatzwahlrecht auszugehen (s. Kap. II.7.2.2.2.b21; vgl. auch Baetge/v. Keitz/v. Wieding 2020, IAS 38, Rn. 61). Eingeengt werden die abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten durch IAS 38.63 und 38.69, die für bestimmte originäre immaterielle Vermögenswerte und damit verbundene Aufwendungen explizit ein Aktivierungsverbot aussprechen. y IAS 38.63 nennt hierzu einen selbst geschaffenen Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ähnliche Sachverhalte. y Explizit ausgeschlossen ist gem. IAS 38.69 weiterhin die Aktivierung von Ingangsetzungsaufwendungen, Aufwendungen für Trainingsaktivitäten, Werbung sowie für Unternehmensverlagerungen und Reorganisationen. Immaterielle Vermögenswerte sind in der Bilanz gesondert auszuweisen (IAS 1.54c). 3.2.2.2 Deutsche GoB Nach handelsrechtlichen Normen sind immaterielle Vermögensposten unter Hinweis auf das Vollständigkeitsgebot gem. § 246 Abs. 1 HGB grundsätzlich aktivierungspflichtig. Dabei sind entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensposten zu aktivieren, sofern die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (s. Kap. II.4.4.6.1) gegeben ist. Obwohl immaterielle Vermögensgegenstände grundsätzlich abstrakt aktivierungsfähig sein können, sieht § 248 Abs. 2 HGB für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in Satz 1 ein Aktivierungswahlrecht vor (vgl. hierzu Schmidt/ Usinger 2016, § 248 HGB, Rn. 11 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 246 ff.). Aufgrund der wachsenden Bedeutung immaterieller Vermögensgegenstände (vgl. Hager/Hitz 2007 S. 208; Peters/Taylor 2017, S. 259; Wulf/Udun 2018, S. 175) im Wirtschaftsleben soll damit eine Erhöhung des Informationsniveaus und gleichzeitig eine bessere Vergleichbarkeit insbesondere mit nach IFRS erstellten Jahresabschlüssen erreicht werden. Allerdings steht das gegebene Wahlrecht der Informationsfunktion entgegen. y Um dem Gläubigerschutz Rechnung zu tragen, wird der Ansatz immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens mit einer Ausschüttungssperre (s. Kap. I.2.2.2) gekoppelt (vgl. § 268 Abs. 8 HGB). Allerdings wurde dieses Wahlrecht in der Rechnungslegungspraxis zunächst kaum wahrgenommen: So dokumentieren Eierle und Ther (2018), dass nur 0,5 % der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen eigene Entwicklungskosten aktivieren (vgl. auch BDI/Ernst & Young/DHBW 2011, S. 11 sowie zu branchen-, rechtsform- und unternehmensspezifischen Unterschieden in der Aktivierungsentscheidung siehe Eierle/Wencki 2014 und Quick/Hahn 2017). y Nach § 248 Abs. 2 S. 2 HGB besteht ein konkretes Ansatzverbot für Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare selbstgeschaffene immaterielle Güter. Hier erkennt der Gesetzgeber an, dass sich aufgrund der speziellen Eigenschaften immaterieller Werte (insbesondere die vergleichsweise hohe Unsicherheit der künftigen Nutzenabgabe) ein objektivierbarer Wert häufig nur schwer bestimmen lässt. Damit wird der Verstoß gegen das Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 HGB) unter Hinweis auf das dominierende Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) hingenommen. Bei entgeltlichem Erwerb sind allerdings alle oben aufgezählten immateriellen Güter zu aktivieren. Selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens sind indes ansatzpflichtig (§ 246 Abs. 1 HGB). Damit besteht z. B. für Ausgaben für eine selbst erstellte Software, von der Kopien an Dritte (anonymer Markt) veräußert werden sollen, ein Aktivie-
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rungswahlrecht. Dagegen besteht eine Aktivierungspflicht, wenn die Software im Auftrag eines Kunden erstellt und an diesen veräußert werden soll. In diesem Fall ist die Software dem Umlaufvermögen zuzurechnen und in Höhe der Herstellungskosten zu aktivieren. Der zu aktivierende Betrag eines selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenstands bemisst sich nach den während der Entwicklung angefallenen Herstellungskosten (vgl. § 255 Abs. 2a HGB). Die angefallenen Aufwendungen im Rahmen von Forschungsaktivitäten sind analog zu IFRS von einer Aktivierung ausgeschlossen (vgl. z. B. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 248 HGB, Rn. 72 ff.; Zülch/Hoffmann 2009, S. 62; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 188). Daher ist auch hier die Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten von besonderer Bedeutung: y Das Gesetz definiert Forschung als »die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten keine Aussagen gemacht werden können« (§ 255 Abs. 2a S. 3 HGB). Hier steht eine systematische, aber unbestimmte Suche nach etwas Neuem in Vordergrund (vgl. Zülch/Hoffmann, 2009, S. 62). Bei nicht aktivierungsfähigen Forschungsaufwendungen fehlt es an einem konkreten Bezug zu verwertbaren Produkten, sodass kein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem späteren Absatz von Produkten hergestellt werden kann (vgl. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 485). y Anders als bei Forschung handelt es sich bei Entwicklung, um »die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen« (§ 255 Abs. 2a S. 2 HGB). Kennzeichnend für die Entwicklung sind somit Anwenden und Erproben von neu erworbenem Wissen. Die Begriffe »Güter« und »Verfahren« sind weit auszulegen und umfassen Materialien, Produkte, geschützte Rechte oder auch ungeschütztes Know-How oder Dienstleistungen bzw. Produktions- und Herstellungsverfahren und entwickelte Systeme (vgl. Schubert/ Gadek, 2020 § 255 HGB, Rn. 487). Im Gegensatz zur Forschungsphase ist der entstehende Vermögensgegenstand in der Entwicklungsphase bereits konkretisierbar. y Die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung ist problematisch, wenn diese abwechselnd und nicht nacheinander stattfinden. Wenn die verlässliche Unterscheidung von Forschung und Entwicklung nicht möglich ist, verbietet § 255 Abs. 2a S. 4 HGB die Aktivierung von Entwicklungskosten. y Wie international sind auch nach deutschen GoB die Bilanzierung von Entwicklungskosten sowie der Ansatz selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte mit erheblichen abschlusspolitischen Spielräumen behaftet. Zunächst besteht das Wahlrecht die Entwicklungskosten überhaupt zu aktivieren. Darüber hinaus besitzen Unternehmen Argumentationsspielräume bei der Festlegung des Zeitpunkts, an dem die Forschung beendet ist und die Entwicklung beginnt. Auch dürfen insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen, die nach HGB bilanzieren, im Anbetracht der damit verbundenen Ressourcenanforderungen wie umfangreiche Projektdokumentation aus Kostengründen auf die Ausübung des Wahlrechts verzichten (vgl. Zülch/Hoffmann 2009, S. 63; Weinand/Wolz 2010, S. 138). So aktivieren kleine Unternehmen deutlich weniger Entwicklungskosten als größere kapitalmarktorientierte Unternehmen (vgl. Quick/Hahn 2017; Eierle/Ther 2018). Für den Ausweis der ansatzpflichtigen immateriellen Vermögensposten gelten die allgemeinen Gliederungsvorschriften des § 266 Abs. 2 HGB. Steuerrechtlich gilt für entgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter sowie für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens aufgrund der Maßgeblichkeit der Han-
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delsbilanz für die Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot. Für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens besteht indes ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG; vgl. auch Maier, W. 2021, Rn. 7).
3.2.3 Bewertung 3.2.3.1 Erstbewertung Nach IFRS erfolgt die Zugangsbewertung immaterieller Vermögenswerte grundsätzlich zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten (IAS 38.24). Eine Ausnahme hiervon bildet z. B. IAS 38.45, wonach bei Tauschgeschäften mit wirtschaftlicher Substanz der durch den Tausch (s. Kap. II.5.3.7.1.b) erhaltene immaterielle Vermögenswert grundsätzlich zum beizulegenden Zeitwert im Zugangszeitpunkt zu bewerten ist, sofern sich dieser verlässlich ermitteln lässt. Nur wenn der beizulegende Zeitwert des hingegebenen Vermögenswertes verlässlicher ermittelbar ist als der Zeitwert des erhaltenen Vermögenswertes, so ist Ersterer zu verwenden (Baetge/v. Keitz/v. Wieding 2020, IAS 38, Rn. 96). Die Bestimmung der Anschaffungs- und Herstellungskosten richtet sich im Einzelnen nach der Zugangsart des immateriellen Vermögenswertes. Wird ein immaterieller Vermögenswert einzeln erworben, lassen sich die Anschaffungskosten normalerweise zuverlässig ermitteln (IAS 38.26). Auf den Einzelerwerb bezogene Konkretisierungen der Anschaffungskostenermittlung (s. Kap. II.5.3.7.1) finden sich in IAS 38.25 ff. Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte sind zu Herstellungskosten zu bewerten (IAS 38.65). Anzusetzen sind die Kosten, die ab dem Zeitpunkt anfallen, an dem der immaterielle Vermögenswert erstmals ansatzpflichtig ist (s. Kap. III.3.2.2). Auf diesen Fall bezogene Konkretisierungen der Herstellungskostenermittlung (s. Kap. II.5.3.7.2) finden sich in IAS 38.66 f. y Eine nachträgliche Aktivierung von Ausgaben, die bereits in den Vorperioden als Aufwand erfasst wurden, ist unzulässig (sog. Nachaktivierungsverbot; vgl. IAS 38.65, 38.71). Dies führt dazu, dass ein selbst erstellter immaterieller Vermögenswert zumeist nur mit einem Bruchteil seiner Herstellungskosten in der Bilanz ausgewiesen wird. y Von dem Ansatz selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte ist die Behandlung von Entwicklungskosten im Rahmen der Herstellung z. B. einer Sachanlage oder eines Produktes zu unterscheiden. Diese auftrags- und objektgebundenen Entwicklungskosten stellen Sondereinzelkosten der Fertigung (s. Kap. II.5.3.7.2.b) dar. Sind diese Kosten nicht als separater Vermögensposten aktivierbar, so erfolgt eine Aktivierung im Rahmen der hergestellten Sachanlage oder des hergestellten Produktes. Handelsrechtlich gilt, dass aktivierungspflichtige immaterielle Vermögenswerte in Abhängigkeit davon, ob diese erworben oder selbst erstellt wurden, zu Anschaffungs- oder zu Herstellungskosten zu bewerten sind (§ 255 HGB; s. Kap. II.5.3.7; vgl. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 1-2). Dies gilt auch für die Entwicklungskosten im Rahmen der Herstellung, sofern das Wahlrecht zu deren Aktivierung ausgeübt wurde. Für in der Forschungsphase anfallende Aufwendungen besteht ein Aktivierungsverbot (§ 255 Abs. 2a HGB). Für die Bewertung immaterieller Vermögenswerte kommen grundsätzlich marktpreis-, kapitalwert- und kostenorientierte Verfahren in Betracht (vgl. dazu IDW S 5.18 ff.). Steuerrechtlich ist grundsätzlich analog zu den handelsrechtlichen Vorschriften vorzugehen. 3.2.3.2 Folgebewertung Für die Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte besteht ein Wahlrecht zur Anwendung entweder des Kosten- oder des Neubewertungsmodells (IAS 38.72; zu den beiden
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Modellen s. Kap. II.5.3.8.2). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Besonderheiten bei der Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte (siehe hierzu im Überblick Abb. III.3./2). Es besteht zudem eine hohe Ähnlichkeit zu der Folgebewertung von Sachanlagen (s. Kap. III.3.1.3.2). Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte
Kostenmodell
Neubewertungsmodell
historische Anschaffungs-/ Herstellungskosten abzüglich planmäßiger Abschreibungen und Wertminderungen bzw. zuzüglich Wertaufholungen unter Berücksichtigung der folgenden Erfordernisse
Neubewertungsbetrag abzüglich planmäßiger Abschreibungen und Wertminderungen, ggf. zuzüglich Wertaufholungen unter Berücksichtigung der folgenden Erfordernisse • regelmäßige Durchführung von Neubewertungen und Erfassung von Wertänderungen • planmäßige Abschreibungen bei bestimmter Nutzungsdauer • bei unbestimmter Nutzungsdauer jährliche Überprüfung der Klassifizierung • bei unbestimmter Nutzungsdauer jährlicher Wertminderungstest gem. IAS 36
• • •
planmäßige Abschreibungen bei bestimmter Nutzungsdauer bei unbestimmter Nutzungsdauer jährliche Überprüfung der Klassifizierung bei unbestimmter Nutzungsdauer jährlicher Wertminderungstest gem. IAS 36
Abb. III.3./2 Folgebewertung immaterieller Vermögensposten
Beim Kostenmodell sind die kumulierten planmäßigen Abschreibungen sowie die kumulierten außerplanmäßigen Wertminderungen (IAS 38.74) zu berücksichtigen. In Bezug auf die planmäßigen Abschreibungen spricht IAS 38 in Zusammenhang mit den immateriellen Werten nicht von depreciation, sondern von amortisation. Die Durchführung planmäßiger Abschreibungen setzt naturgemäß eine bestimmte Nutzungsdauer voraus (IAS 38.97 ff.). Dabei ist der Restwert grundsätzlich mit null anzusetzen (IAS 38.100), wobei Ausnahmen gelten, wenn z. B. ein aktiver Markt vorliegt (Baetge/v. Keitz/v. Wieding 2020, IAS 38, Rn. 139). Im Zweifel ist die lineare Abschreibungsmethode zu wählen (IAS 38.97). Die wirtschaftliche Nutzungsdauer und die gewählte Abschreibungsmethode sind am Ende jeder Berichtsperiode zu überprüfen und ggf. anzupassen (IAS 38.104). Die daraus resultierenden Anpassungen sind als Schätzänderung grundsätzlich ergebniswirksam (IAS 8.36; s. Kap. II.5.3.2.3.b13). Immaterielle Posten mit einer unbestimmten Nutzungsdauer (indefinite useful life) sind nicht planmäßig abzuschreiben (IAS 38.107). Eine unbestimmte Nutzungsdauer ist nicht mit einer unendlichen Nutzungsdauer gleichzusetzen (vgl. IAS 38.91; zur Begriffsbestimmung vgl. auch Pellens et al. 2021, S. 375). Es ist jährlich im Rahmen einer Überprüfung der Klassifizierung zu klären, ob sich die Annahme einer unbestimmten Nutzungsdauer unverändert aufrechterhalten lässt. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um eine ergebniswirksam zu erfassende Schätzänderung (IAS 8.36).
454
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
IAS 38.74 schreibt weiterhin die Berücksichtigung von außerplanmäßigen Wertminderungen (impairment losses) vor. Für diese Zwecke ist IAS 36 anzuwenden (IAS 38.111). Immaterielle Vermögenswerte mit einer unbestimmten Nutzungsdauer sind gem. IAS 38.107 f. jährlich oder bei Vorliegen von Anzeichen für eine Wertbeeinträchtigung auch innerhalb des Geschäftsjahres einem Wertminderungstest gem. IAS 36 (s. Kap. II.5.3.8.3) zu unterziehen. Bei Anwendung des Neubewertungsmodells ist der Neubewertungsbetrag anzusetzen, d. h. der beizulegende Zeitwert im Zeitpunkt der Neubewertung (IAS 38.75; vgl. allgemein Jäger/Himmel 2003, S. 426 ff.). Voraussetzung für die Neubewertung ist das Vorliegen eines aktiven Marktes (IAS 38.75 S. 2, 38.81). Hier sind die Bewertungsvorschriften strenger als bei den Sachanlagen, wo der Neubewertungsbetrag auch ein durch Schätzungen ermittelter Marktwert sein kann (IAS 16.32 f.; s. Kap. III.3.1.3.2.b). Ein aktiver Markt ist gem. IFRS 13.Appendix A »ein Markt, auf dem Geschäftsvorfälle mit dem Vermögenswert oder der Schuld mit ausreichender Häufigkeit und Volumen auftreten, sodass fortwährend Preisinformationen zur Verfügung stehen«. Da ein aktiver Markt für immaterielle Vermögenswerte nur selten existiert (so auch IAS 38.78 S. 1; vgl. auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 13, Rn. 89), erlangt das Neubewertungsmodell nur geringe bzw. gar keine praktische Bedeutung.11 Ein aktiver Markt kann ausnahmsweise existieren z. B. für Taxi- oder Fischereilizenzen und für Produktionsquoten (IAS 38.78 S. 2). Wird eine Neubewertung durchgeführt, ändert sich die Bewertungsbasis nach erstmaliger Erfüllung der Ansatzkriterien grundlegend, d. h., es sind nicht mehr die Ausgaben für den Erwerb oder die Herstellung des immateriellen Vermögenswertes (Anschaffungs- oder Herstellungskosten), sondern der beizulegende Zeitwert relevant. Wird ein immaterieller Vermögenswert zum Neubewertungsbetrag angesetzt, sind in den Folgeperioden in regelmäßigen Abständen weitere Neubewertungen durchzuführen, um zu vermeiden, dass sich der (fortgeführte) Buchwert wesentlich von dem beizulegenden Zeitwert unterscheidet (IAS 38.75 S. 3). Die Behandlung von Neubewertungsdifferenzen folgt dem Neubewertungsmodell (ausführlich s. Kap. II.5.3.8.2.f). So ist z. B. eine Buchwerterhöhung grundsätzlich ergebnisneutral in eine Neubewertungsrücklage einzustellen (IAS 38.85). Dabei sind ggf. auch latente Steuern zu bilden (s. Kap. III.2.2). Ein angesetzter Neubewertungsbetrag ist bei Vermögenswerten mit einer bestimmten Nutzungsdauer in den folgenden Perioden um planmäßige (kumulierte) Abschreibungen zu mindern. Die Regelungen zu den planmäßigen Abschreibungen in den Paragrafen 97 ff. gelten sowohl für das Kosten- als auch das Neubewertungsmodell. Nach jeder Neubewertung ist zu prüfen, ob der beizulegende Zeitwert auf einen niedrigeren erzielbaren Betrag gem. IAS 36 abzuwerten ist (IAS 38.75 S. 1, 38.83), d. h., es sind außerplanmäßige Wertminderungen zu berücksichtigen. Wird ein immaterieller Vermögenswert veräußert oder ist ein künftiger Nutzen aus diesem Posten nicht mehr zu erwarten, ist dieser aus der Bilanz auszubuchen. Aus dem Abgang entstehende Gewinne oder Verluste sind ergebniswirksam zu erfassen (IAS 38.112 f.). Eine ggf. vorhandene Neubewertungsrücklage ist ergebnisneutral in die Gewinnrücklagen umzubuchen (IAS 38.87). Handelsrechtlich sind im Vorjahr angesetzte immaterielle Vermögensgegenstände dem System der Folgebewertung nach deutschen GoB folgend in Abhängigkeit von ihrer Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen zu bewerten (s. Kap. II.5.3.8.1). Bei abnutz-
11 I. d. S. zeigt auch v. Keitz 2005, S. 43, dass von 58 deutschen IFRS-Bilanzierern, welche selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte aktiviert haben, kein Unternehmen das Neubewertungsmodell angewandt hat.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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baren, selbst geschaffenen Gegenständen ist bei einer nicht verlässlichen Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer diese auf zehn Jahre zu begrenzen (§ 253 Abs. 2 S. 3 HGB). Dasselbe gilt grundsätzlich auch steuerrechtlich, d. h., auch hier bedarf es planmäßiger Abschreibungen sowie ggf. einer Abschreibung auf den steuerrechtlichen Teilwert.
3.2.4 Angabepflichten International gibt IAS 38.118 ff. für jede Gruppe (class) von immateriellen Vermögenswerten umfangreiche Angabepflichten vor. Eine Gruppe umfasst Gegenstände, die hinsichtlich ihrer Art und ihres Verwendungszwecks ähnlich sind. Beispiele für eine Gruppe sind Markennamen, Software, Lizenzen, Urheberrechte sowie in der Entwicklung befindliche immaterielle Vermögenswerte (IAS 38.119). Immaterielle Vermögenswerte sind ggf. in den Anlagespiegel (s. Kap. III.3.1.4) aufzunehmen. Als weitere bedeutsame Angabepflicht ist z. B. die Angabe des Gesamtbetrags der als Aufwand berücksichtigten Ausgaben der Periode für Forschung und Entwicklung zu nennen (IAS 38.126). Falls die Unternehmensleitung zu der Einschätzung gelangt, dass die Nutzungsdauer eines immateriellen Postens unbestimmt ist, sind die Gründe hierfür darzulegen sowie die für diese Einschätzung wesentlichen Faktoren zu beschreiben (IAS 38.122a). Geschäftsbericht Angaben zu immateriellen Vermögenswerten »Das Unternehmen schreibt immaterielle Vermögenswerte mit einer begrenzten Nutzungsdauer linear über die voraussichtliche Nutzungsdauer ab. Die voraussichtliche Nutzungsdauer für Patente, Lizenzen und ähnliche Rechte beträgt in der Regel drei bis fünf Jahre, mit Ausnahme von immateriellen Vermögenswerten mit begrenzter Nutzungsdauer, die im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen übernommen wurden. Diese bestehen insbesondere aus Kundenbeziehungen und Markennamen sowie Technologie. Deren Nutzungsdauer lag bei bestimmten Akquisitionen zwischen vier und 30 (im Vorjahr vier und 20) Jahren für Kundenbeziehungen und Markennamen sowie zwischen fünf und 22 (im Vorjahr fünf und 18) Jahren für Technologie. (…) Forschungsaufwendungen werden unmittelbar als Aufwand erfasst. Entwicklungsaufwendungen werden aktiviert, wenn die Aktivierungskriterien des IAS 38 erfüllt sind. Die aktivierten Entwicklungsaufwendungen setzt das Unternehmen zu Herstellungskosten an, abzüglich kumulierter Abschreibungen und Wertminderungen bei einer Abschreibungsdauer von in der Regel drei bis zehn Jahren« Siemens AG 2022, Geschäftsbericht 2021, S. 8 f.).
Nach deutschen GoB sind die Angabepflichten für immaterielle Vermögenswerte wie folgt geregelt: y § 285 Nr. 22 HGB verlangt die Angabe des Gesamtbetrags der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres sowie des davon auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallenden Betrags, falls das Aktivierungswahlrecht nach § 248 Abs. 2 HGB in Anspruch genommen wurde (vgl. Grottel 2020, § 285 HGB, Rn. 680 ff.). y Mit der Aktivierungspflicht eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes (s. Kap. III.3.2.6.1) mit zeitlich begrenzter Nutzungsdauer (§ 246 Abs. 1 HGB) ist das Unternehmen im Rahmen der Bewertungsvorschriften verpflichtet, die individuelle Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts zum Zeitpunkt seiner Aktivierung zu schätzen und danach planmäßig abzuschreiben. Nach § 285 Nr. 13 HGB ist der Zeitraum, über den ein Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben wird, im Anhang zu erläutern.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
3.2.5 Zusammenfassendes Beispiel Das Softwareunternehmen Braintec AG verfügt über einen immateriellen Vermögenswert, der nach IAS 38 zu behandeln ist (zu weiteren Beispielen vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021b, S. 37 ff.; Pellens et al. 2021, S. 359 ff.). Dabei handelt es sich um das Programm SearchVirus, welches geeignet ist, frühzeitig in Microsoft-Anwendungen Viren zu erkennen. Das Programm wird automatisch über das Internet mit Suchmustern für neue Viren aktualisiert. Darstellungsform für die GuV ist das Gesamtkostenverfahren (s. Kap. II.2.3.1; II.5.3.3.3.a). Latente Steuern sowie Vor- und Umsatzsteuer bleiben im Folgenden ohne Berücksichtigung. Am 1.4.t4 hatte Braintec die Absicht, das Programm zu entwickeln. Marktanalysen zeigen, dass ein Markt für das Produkt vorhanden ist. Die technische Realisierbarkeit des Produktes ist zu vermuten, lässt sich allerdings nicht nachhaltig beweisen. Mit der Programmentwicklung wird am 1.6.t4 begonnen. In t4 sind Forschungsaufwendungen in Höhe von 120 T€ und Entwicklungsaufwendungen in Höhe von 200 T€ angefallen. Diese Aufwendungen bilden allesamt Aufwand der Periode, da es an der technischen Realisierbarkeit gem. IAS 38.57a mangelt. Vereinfacht ist wie folgt zu buchen: Material-/Personalaufwand
320 T€
an
Bank
320 T€
Am 1.1.t5 kann die technische Realisierbarkeit des Programms nachgewiesen werden. In t5 sind Forschungsaufwendungen in Höhe von 200 T€ und Entwicklungsaufwendungen in Höhe von 350 T€ angefallen. Die weiteren in IAS 38.57 genannten Nachweise können erbracht werden. Im laufenden Geschäftsjahr ist vereinfacht wie folgt zu buchen: Material-/Personalaufwand
550 T€
an
Bank
550 T€
Am Jahresende sind die Entwicklungsaufwendungen zu aktivieren, eine Nachaktivierung der Entwicklungsaufwendungen, welche in t4 angefallen sind, kommt gem. IAS 38.65 und 38.71 nicht in Betracht. Software
350 T€
an
andere aktivierte Eigenleistungen
350 T€
Die Produktentwicklung wurde am 30.6.t6 abgeschlossen. In diesem Zeitraum sind Entwicklungsaufwendungen in Höhe von 250 T€ angefallen. Material-/Personalaufwand Software
250 T€ 250 T€
an an
Bank andere aktivierte Eigenleistungen
250 T€ 250 T€
Erste Kaufaufträge für die Software liegen bereits vor. Da damit zu rechnen ist, dass die Konkurrenz bis Ende Juni t10 ein Produkt ähnlicher Funktionalität entwickelt, ist die Nutzungsdauer bis auf diesen Zeitpunkt begrenzt (IAS 38.88 ff.). Wegen der kurzen Nutzungsdauer wird eine lineare Abschreibung über 4 Jahre unterstellt. Der Restwert ist mit null anzusetzen. Nimmt man zunächst an, dass ein aktiver Markt für die Software nicht vorliegt, kommt eine Anwendung des Neubewertungsmodells nicht in Betracht (IAS 38.75 ff.). Die Software ist demnach planmäßig abzuschreiben (6 Monate / 48 Monate = 12,5 % in Bezug auf die bisher aktivierten Herstellungskosten in Höhe von 600 T€). planmäßige Abschreibung
75 T€
an
Software
75 T€
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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In t7 ist der Markt für Virenprogramme dadurch gekennzeichnet, dass ausnahmsweise mehrere ähnliche Produkte gehandelt werden. Der am 31.12. verlässlich schätzbare beizulegende Zeitwert für das Programm, d. h., das Recht, Lizenzen der Software veräußern zu können, beträgt annahmegemäß 3 Mio. €. Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Nettoveräußerungspreis. Der Nutzungswert des Programms beträgt 2,8 Mio. €. Im Rahmen der Folgebewertung ist entweder das Kosten- oder Neubewertungsmodell anzuwenden (Wahlrecht; IAS 38.72). Bei Anwendung des Kostenmodells ist die planmäßige Abschreibung in Höhe von 150 T€ zu buchen. Eine außerplanmäßige Wertminderung gem. IAS 38.74 i. V. m. IAS 36.59 ist nicht zu buchen, da der erzielbare Betrag in Höhe von 3 Mio. € (höherer Betrag aus Nettoveräußerungspreis und Nutzungswert) höher ist als der fortgeführte Buchwert in Höhe von 375 T€ (600 T€ – 75 T€ – 150 T€). planmäßige Abschreibung
150 T€
an
Software
150 T€
Gem. IAS 38.84 kann das revaluation-Modell auch später angewendet werden, wenn der beizulegende Zeitwert erst zu einem späteren Bewertungsstichtag unter Bezugnahme auf einen aktiven Markt bestimmt werden kann. Bei Anwendung des Neubewertungsmodells ist der am 31.12.t7 auf einem aktiven Markt ermittelte beizulegende Zeitwert in Höhe von 3 Mio. € anzusetzen. Die Differenz zwischen dem beizulegenden Zeitwert (3 Mio. €) und dem fortgeführten Buchwert (375 T€) ist ergebnisneutral in die Neubewertungsrücklage einzustellen (IAS 38.85). planmäßige Abschreibung Software
150 T€ 2.625 T€
an an
Software Neubewertungsrücklage
150 T€ 2.625 T€
Das Beispiel wird nun in t8 in Bezug auf das Neubewertungsmodell fortgeführt. In dieser Periode wäre die Software zum beizulegenden Zeitwert abzüglich planmäßiger Abschreibungen anzusetzen, sofern sich in t8 kein beizulegender Zeitwert feststellen lässt (IAS 38.82). Ein neuer Abschreibungsplan ist festzulegen, d. h., der Buchwert (3.000 T€) ist auf die Restnutzungsdauer (30 Monate, d. h. vom 1.1.t8 bis 30.6.t10) zu verteilen. Demnach sind 1.200 T€ planmäßig abzuschreiben (3.000 T€ / 30 × 12). planmäßige Abschreibung
1.200 T€
an
Software
1.200 T€
Durch die Nutzung der Software in t8 gilt ein Teil der Neubewertungsrücklage als realisiert. Dieser Betrag soll annahmegemäß in die Gewinnrücklagen umgebucht werden (2.625 T€ / 30 × 12; vgl. IAS 38.87; s. Kap. II.5.3.8.2.f). Neubewertungsrücklage
1.050 T€
an
Gewinnrücklagen
1.050 T€
Zwischen den beiden zuvor dargestellten Folgebewertungsmodellen kann der Abschlussersteller weitgehend frei wählen. Diese Möglichkeit kann der Abschlussersteller abschlusspolitisch (s. Kap. II.7.2) nutzen, indem er versucht, Ergebniszahlen oder andere Kennzahlen systematisch zu beeinflussen. Diese Beeinflussungen gilt es wiederum im Vorfeld der Abschlussanalyse zu bereinigen. Dieser Einfluss soll nachstehend beispielhaft anhand der beiden Kennzahlen Eigenkapitalrentabilität und Eigenkapitalquote verdeutlicht werden.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Die Eigenkapitalquote (Eigenkapital / Gesamtkapital) ist ein Indikator für das Verlustausgleichspotenzial. – Als Arbeitshypothese für die Abschlussanalyse gilt: Je höher die Eigenkapitalquote, desto weniger bestandsgefährdet ist die Braintec AG. Das Eigenkapital vor Neubewertung beträgt annahmegemäß 4 Mio. € und die Bilanzsumme (= Gesamtkapital) vor Neubewertung 50 Mio. €. – Während sich bei Anwendung des Kostenmodells eine Eigenkapitalquote von 8 % (4 Mio. € / 50 Mio. €) errechnet, steigt diese Quote beim Neubewertungsmodell durch die Verwendung des Eigenkapitals nach Neubewertung auf 12,6 % (6,625 Mio. € / 52,625 Mio. €) an. Weiterhin gibt die Eigenkapitalrentabilität (Jahresergebnis / durchschnittliches Eigenkapital) an, wie sich das von den Unternehmenseignern zur Verfügung gestellte Kapital verzinst. – Als Arbeitshypothese für die Abschlussanalyse gilt: Je höher die Eigenkapitalrentabilität, desto effizienter hat das Unternehmen gearbeitet. Es wird vereinfacht davon ausgegangen, dass das Eigenkapital am Ende der Periode dem durchschnittlichen Eigenkapital entspricht und ein Jahresergebnis von 1 Mio. € unterstellt. – Die Eigenkapitalrentabilität beträgt bei Anwendung des Neubewertungsmodells 15,1 % (1 Mio. € / 6,625 Mio. €) und bei Anwendung des Kostenmodells 25 % (1 Mio. € / 4 Mio. €).
Demnach zeigen sich zwei gegenläufige Effekte: Eine höhere Eigenkapitalquote bei Anwendung des Neubewertungsmodells und eine höhere Eigenkapitalrentabilität bei Anwendung des Kostenmodells. Die Effekte gleichen sich im Zeitablauf wieder an. Bei einer vollständigen Gewinnthesaurierung sinkt z. B. bei Anwendung des Neubewertungsmodells durch die höheren Abschreibungen die Eigenkapitalquote im Zeitablauf (Jahresergebnis Eigenkapital Eigenkapitalquote ). Mithin wird der Abschluss im Zeitablauf für Dritte nur sehr schwer interpretierbar. Diskussionsfrage III.3.-6 Berechnen Sie die Eigenkapitalquote und die Eigenkapitalrentabilität unter der Annahme, es seien latente Steuern zu bilden. Der Steuersatz beträgt 40 %. Gelangen Sie zu einer abweichenden Einschätzung als in dem Fall, in dem keine latenten Steuern zu bilden sind? Wann führt eine wertansatzerhöhende Neubewertung zu einer reduzierten Eigenkapitalquote?
3.2.6 Sonderprobleme 3.2.6.1 Geschäfts- oder Firmenwert a. Internationale Normen IFRS 3 gilt für alle rechtlichen Formen von Unternehmenszusammenschlüssen (s. Kap. IV.1) und somit für die Behandlung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts (Goodwills). Bei einem Unternehmenszusammenschluss handelt es sich um ein Ereignis, bei dem ein Erwerber (acquirer) Kontrolle über einen oder mehrere Geschäftsbetriebe (businesses) erlangt (IFRS 3.Appendix A), wobei die physische Zusammenführung der Geschäftsbetriebe für die Kontrollerlangung nicht zwingend ist. Zur beispielhaften Beschreibung des Vorliegens eines Unternehmenszusammenschlusses und eines Geschäftsbetriebes vgl. IFRS 3.Appendix B5 ff. IFRS 3 ist auch bei Unternehmenszusammenschlüssen durch Fusion (Gesamtrechtsnachfolge) anzuwenden (vgl. IFRS 3.BC12 und 3.Appendix A).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Im Wesentlichen sind gem. IFRS 3.B6 zu unterscheiden: Anteilserwerbe (share deals), die zu einer Mutter-Tochter-Beziehung führen. Die Vorschriften von IFRS 3 gelten in diesem Fall nur für den Konzernabschluss. Einzelheiten zu einem aus der Kapitalkonsolidierung resultierenden Goodwill sind in Kap. IV.5.3.1 zu finden. Unternehmenskäufe (asset deals), bei denen ein Unternehmen ein anderes Unternehmen (oder wesentliche Teile des anderen Unternehmens einschließlich Firmenwert) erwirbt, ohne dass es zum Anteilserwerb und zu einer Mutter-Tochter-Beziehung kommt. In diesem Fall werden die einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden auf einen neuen Rechtsträger übertragen. Insofern bedarf es bei einem asset deal auch keiner Konzernabschlusserstellung.
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf einen asset deal. Hier stellt sich die Berechnung des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes beispielsweise wie folgt dar: Beispiel Berechnung des Geschäfts- oder Firmenwertes bei einem asset deal Die A-AG kauft alle einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden der B-GmbH und gliedert diese in ihr Unternehmen ein (asset deal). Eingehende Untersuchungen der nachstehend dargestellten Bilanz haben ergeben, dass in den Grundstücken stille Reserven in Höhe von 50.000 € enthalten sind. Die Schulden sind mit dem Zeitwert passiviert. Der Kaufpreis beträgt 800.000 €. Aktiva Grundstücke Vorräte Flüssige Mittel Summe
Bilanz B-GmbH 100.000 € Eigenkapital 1.200.000 € Rückstellungen 100.000 € Verbindlichkeiten 1.400.000 € Summe
Passiva 500.000 € 500.000 € 400.000 € 1.400.000 €
Der Geschäfts- oder Firmenwert berechnet sich wie folgt:
– + =
Kaufpreis Zeitwert der Aktiva Zeitwert der Schulden Geschäfts- oder Firmenwert
800.000 € 1.450.000 € 900.000 € 250.000 €
Der erworbene (derivative) Geschäfts- oder Firmenwert ist demnach formal betrachtet ein verfahrensbedingter, technischer Differenzbetrag (Restgröße). In dem Abschluss der A-AG nach der Übernahme erscheinen auch die zu Zeitwerten angesetzten Vermögensgegenstände und Schulden der (ehemaligen) B-GmbH sowie zusätzlich der Geschäfts- oder Firmenwert.
Vom asset deal ist der sog. share deal zu unterscheiden, bei dem ein Unternehmen als Ganzes durch den Erwerb von Anteilen übernommen wird (Beteiligungserwerb).12 Liegt ein share deal vor, sind die erworbenen Anteile im Einzelabschluss gem. IFRS 3.18 wahlweise zu Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert (s. Kap. III.3.4.1; III.3.4.2) anzusetzen. Im Einzelabschluss sind die Anteile an dem erworbenen Unternehmen als Beteiligung zu
12 Zur Ausgestaltung einer Unternehmenstransaktion als asset deal oder als share deal vgl. Semler 2015, S. 816 ff. oder auch Prinz 2020, S. 2145 ff.
460
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
aktivieren. Der Konzernabschluss zeigt allerdings nicht diese Anteile, sondern die hinter den Anteilen stehenden Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens. In dem vorherigen Beispiel ergibt sich der in der Konzernbilanz zu zeigende Geschäfts- oder Firmenwert durch Verrechnung der Beteiligung der A-AG an der B-GmbH (800 T€) mit dem konsolidierungspflichtigen Kapital der B-GmbH nach Auflösung der stillen Reserven (550 T€). Dieser beträgt dann gleichfalls 250 T€ (s. Kap. IV.5.3.1 f.). Nachstehend wird der Frage nachgegangen, warum bei einem asset deal im Einzelabschluss ggf. ein Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren ist. Die A-AG hat 800 T€ für die B-GmbH gezahlt, obwohl das Eigenkapital nach Auflösung der stillen Reserven nur 550 T€ beträgt. Die A-AG war bereit mehr zu zahlen, weil der tatsächliche Unternehmenswert der B-GmbH (regelmäßig ermittelt als Barwert der künftigen Cashflows der B-GmbH aus Sicht der A-AG) zumindest 800 T€ betrug. Die Bilanz der B-GmbH zeigt lediglich das Eigenkapital, nicht aber die künftigen Cashflows, welche die B-GmbH unter Einsatz dieses Eigenkapitals erzielen könnte. Auch immaterielle Werte, wie z. B. eine gut eingespielte Organisation, gute Vertriebskanäle sowie ein fester Kundenstamm finden sich nicht in der Bilanz der B-GmbH. Durch die Bereitschaft der A-AG, einen zusätzlichen Betrag von 250 T€ für die B-GmbH zu entrichten, wurde der Unternehmenswert objektiviert. Würde die A-AG nicht die B-GmbH tatsächlich erwerben, so müsste man den Unternehmenswert berechnen. Eine Unternehmensbewertung (s. Kap. II.5.3.8.2.c) geht jedoch mit erheblichen Unsicherheiten einher, wie z. B. Bestimmung der künftigen Cashflows sowie eines geeigneten Diskontierungszinssatzes. Mithin lässt sich der selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwert nicht zuverlässig ermitteln, was die Regelung der IAS 38.48 erklärt, dass ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) nicht aktiviert werden darf. Da ein Goodwill nur bei Anwendung von IFRS 3 entstehen kann, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf diesen Standard. In diesem Fall ist der Goodwill vereinfacht wie folgt zu berechnen (IFRS 3.32; s. auch Kap. IV.5.3.1 f.):
– +
=
Kaufpreis (beizulegender Zeitwert der übertragenen Gegenleistung im Erwerbszeitpunkt gem. IFRS 3.37 f.) Identifizierbare Vermögenswerte und übernommene Schulden zum beizulegenden Zeitwert im Erwerbszeitpunkt (IFRS 3.18) nichtbeherrschende Anteile [a) or b)] (IFRS 3.19) a) full goodwill-Ansatz: zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 3.B44 f.) b) purchased goodwill-Ansatz zum Wert des anteiligen identifizierbaren Nettovermögens (IFRS 3.19) Goodwill
Für einen solchen Goodwill besteht eine Aktivierungspflicht (vgl. Zülch/Fischer 2007, S. 358 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 197). Der aktivierte Goodwill stellt zweifelsfrei einen Vermögenswert dar (IAS 36.81; IASB F.4.51). y Bei Anwendung von IFRS 3 ist zu beachten, dass erworbene Vermögenswerte, übernommene Schulden und Anteile nichtbeherrschender Gesellschafter gesondert vom Geschäfts- oder Firmenwert anzusetzen sind (IFRS 3.10, 3.18 f.). Dies kann dazu führen, dass vorher nicht angesetzte Vermögenswerte und Schulden, z. B. immaterielle Vermögenswerte, jetzt erfasst werden. Hierzu zählen z. B. nicht patentierte Technologien, Zeitungsnamen und Kundenlisten (IFRS 3.IE16 ff.). Dies führt dazu, dass nach IFRS im Vergleich zur handelsrechtlichen Vorgehensweise regelmäßig ein niedrigerer Geschäftsoder Firmenwert ausgewiesen wird (bzw. ein solcher erst gar nicht entsteht).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Weiterhin sind Eventualschulden (contingent liabilities) anzusetzen, wenn diese aus einem vergangenen Ereignis resultieren und der beizulegende Zeitwert zuverlässig bestimmt werden kann (IFRS 3.23, 3.56). Der Ansatz von Eventualschulden erhöht im Erwerbszeitpunkt einen ggf. zu zeigenden Goodwill.
Ein aktivierter Goodwill ist nach den IFRS in den Folgeperioden nicht planmäßig abzuschreiben. Es kommen nur außerplanmäßige Wertminderungen gem. IAS 36 in Betracht, d. h., der Goodwill ist zu den Anschaffungskosten abzüglich (kumulierter) außerplanmäßiger Wertminderungen anzusetzen (IFRS 3.B63a i. V. m. IAS 36; sog. impairment only-Ansatz).13 Außerplanmäßige Wertminderungen werden durch den sog. Wertminderungstest (s. Kap. II.5.3.8.2.c f.) ermittelt. Vereinfacht formuliert geht es darum, den Goodwill zunächst einer oder mehreren zahlungsmittelgenerierenden Einheit(en) zuzuordnen und (in den folgenden Perioden) bei Vorliegen bestimmter Indikatoren ein Wertminderungstest durchzuführen. Unterschreitet der erzielbare Betrag einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit ihren bisherigen Buchwert (einschließlich Goodwill), ist der Goodwill zu reduzieren. Lässt sich die Differenz auf diese Weise nicht vollumfänglich ausgleichen, sind auch die einzelnen Vermögenswerte der zahlungsmittelgenerierenden Einheit in ihrem Wert zu mindern (vgl. hierzu Hahn 2007, S. 408 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 11, Rz. 116 ff.). Eine Wertaufholung kommt bei einem Geschäfts- oder Firmenwert nicht in Betracht (IAS 36.124). Die Beschränkung auf den zuvor angesprochenen impairment only-Ansatz ist umstritten:14 y Das Vorgehen des IASB ist hier vor allem vor dem Hintergrund der Konvergenzstrategie des IASB mit dem US-amerikanischen FASB zu sehen. Pointiert könnte hier von einem Opfer für den Harmonisierungsprozess gesprochen werden (ausführlich s. Kap. I.5.1.3). y Zu kritisieren ist, dass ein Goodwill keine unbestimmte Nutzungsdauer aufweist. Vielmehr wird der im Zuge des Unternehmenserwerbs erhaltene (derivative) Goodwill im Zeitablauf sukzessive durch einen selbst geschaffenen (originären) Goodwill ersetzt. Der impairment only-Ansatz vermag jedoch keine klare Trennlinie zwischen dem erworbenen Goodwill, der über den Kaufpreis objektiviert wurde, und dem im Zeitablauf selbst geschaffenen Goodwill, der jedoch gerade keine Objektivierung über den Markt erfahren hat, zu ziehen. y Probleme bei der praktischen Handhabung des impairment only-Ansatzes resultieren aus der hohen Komplexität der Regelung und besonders aus den Problemen, die mit der Prognose künftiger Zahlungsströme sowie der Bestimmung eines geeigneten Diskontierungszinssatzes einhergehen. Es ist zu bezweifeln, ob sich eine solche Wertermittlung zuverlässig durchführen lässt. y Für die bilanzierenden Unternehmen sind die zuvor angesprochenen Probleme der praktischen Handhabung in vielfacher Hinsicht interessant: – Abschreibungen auf einen Goodwill lassen sich weitgehend vermeiden. Mithin lassen sich die Ergebniszahlen und die damit verbundenen Kennzahlen positiv gestalten.
13 Zum Informationsgehalt des impairment only-Ansatzes in Bezug auf die Abschreibung des Goodwill siehe u. a. Albersmann/Quick/Walle 2017; Velte/Lazar 2017. Zu einer Gegenüberstellung dieses Ansatzes und der planmäßigen Abschreibung siehe Lilge/Rohmann 2021. 14 Vgl. stellvertr. Ruhnke 2003b, S. 21; Wagenhofer 2009, S. 409 f. sowie zuletzt Amel-Zadeh/Glaum/Sellhorn 2021, S. 1 ff.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
– Die vorhandenen Ermessensspielräume bei der praktischen Anwendung lassen sich gezielt abschlusspolitisch (s. Kap. II.7) nutzen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Unternehmen bestimmte außergewöhnliche Situationen gezielt nutzt (z. B. allgemein schlechte wirtschaftliche Lage oder Umstrukturierungen), um sich auch von einem Goodwill (und dem damit verbundenen Drohpotenzial künftiger Ergebnisminderungen) zu trennen (zum sog. big bath-accounting; s. Kap. II.7). Als nachteilig könnte sich indes erweisen, dass der Wertminderungstest u. U. prozyklisch wirkt: Leidet ein Unternehmen an einer Ertragsschwäche, so dürfte ein in einer solchen Situation durchzuführender Wertminderungstest häufig die (unabwendbare) Notwendigkeit auslösen, eine außerplanmäßige Wertminderung zu buchen. Das bilanzielle Ergebnis würde hierdurch noch weiter verschlechtert. – Externes Wachstum wird gegenüber internem Wachstum belohnt. Beispielsweise sind Auszahlungen für den internen Aufbau eines Markennamens (internes Wachstum) gem. IAS 38.63 zweifelsfrei nicht aktivierbar, während ein vorhandener Markenname bei einem Unternehmenserwerb (externes Wachstum) ggf. im Kaufpreis abgegolten wird und mithin zunächst aktivierbar ist. Beispiel Impairment only-Ansatz »Eine Akquisitionsstrategie schafft eine Wachstumsstory und kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein; sie wird im Übrigen durch die internationalen Rechnungslegungsvorschriften begünstigt, da der Firmenwert keiner planmäßigen Abschreibung unterliegt und so das Ergebnis nicht belastet. Der jährlich geforderte Goodwill Impairment Test zwingt den Vorstand zwar regelmäßig, die Werthaltigkeit des Firmenwerts zu überprüfen; allerdings bestehen zahlreiche Ermessensspielräume, die das bilanzielle Risiko einer Wertminderung in der Folgezeit reduzieren (...). (Es) bestehen große Ermessensspielräume bei der Berechnung des erzielbaren Betrags einer (zahlungsmittelgenerierende) Einheit, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Cashflows im Detailplanungszeitraum, der Wachstumsrate in der ewigen Rente sowie des Diskontierungszinssatzes. Während neu angetretene Vorstände mitunter die Gelegenheit ergreifen und Abschreibungen auf den Goodwill vornehmen, ist diese Neigung bei »Alt«-Vorständen eher gering. Die Berichterstattung über den Misserfolg einer Akquisition und die entsprechende Verschlechterung der finanziellen Kennzahlen durch ein Goodwill Impairment können negative Konsequenzen für die Reputation sowie die erfolgsabhängige und aktienbasierte Vergütung der Vorstände haben« (Thormann 2014, S. I; siehe auch Shalev/Zhang/Zhang 2013, S. 819 ff.).
Unterschreitet die Gegenleistung des erwerbenden Unternehmens, bewertet zum beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt (Kaufpreis), zuzüglich dem Wert der Anteile nicht beherrschender Gesellschafter das neubewertete Eigenkapital (Nettovermögen des erworbenen Unternehmens zum beizulegenden Zeitwert), entsteht (zunächst) ein negativer Goodwill (badwill). Ein solcher Posten entsteht allerdings vermutlich weniger häufig als nach deutschen GoB, da ein Unternehmenszusammenschluss dazu führen kann, dass nunmehr gem. IFRS 3.23 auch Eventualschulden zu passivieren sind. Dies kann dazu führen, dass ein auf negativen Ergebniserwartungen beruhender (vorläufiger) negativer Goodwill als Eventualschuld zu passivieren ist. Ergibt sich ein negativer Goodwill, muss der Erwerber kritisch hinterfragen, ob der Ansatz und die Bewertung der übernommenen Vermögenswerte und Schulden wirklich zutreffend sind (IFRS 3.36). Ein nach dieser kritischen Prüfung verbleibender negativer Goodwill ist sofort ergebniserhöhend zu erfassen (IFRS 3.34). Insofern handelt es sich um einen Ertrag aus einem günstigen Kauf (sog. bargain purchases gem. IFRS 3.34 ff.).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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b. Deutsche GoB und Steuerrecht Ein Geschäfts- oder Firmenwert ist nach § 246 Abs. 1 S. 3 HGB im Einzelabschluss anzusetzen, wenn ein Unternehmen übernommen wurde und der Kaufpreis für das Unternehmen den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden übersteigt (derivativer Geschäfts- oder Firmenwert). Heranzuziehen sind die Zeitwerte der Aktiv- und Passivposten im Erwerbszeitpunkt. Auch hier ist zwischen asset deal und share deal zu unterscheiden. Analog zu den internationalen Normen darf nur ein derivativer Firmenwert aktiviert werden. Nach § 248 Abs. 2 HGB besteht ein Aktivierungsverbot für den selbst geschaffenen (originären) Geschäfts- oder Firmenwert. Steuerrechtlich besteht für einen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert eine Aktivierungspflicht und für einen originären Geschäfts- oder Firmenwert ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). Der Geschäfts- oder Firmenwert ist als gesonderter Posten unter den immateriellen Vermögensgegenständen auszuweisen (§ 266 Abs. 2 A. I.3. HGB). Die handelsrechtliche Folgebewertung des entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts folgt den allgemeinen Regeln der Folgebewertung (s. Kap. II.5.3.8.1). Im Gegensatz zu den internationalen Normen ist der derivative Geschäfts- oder Firmenwert, wie jeder andere Vermögensgegenstand mit einer zeitlich begrenzten Nutzung, planmäßig abzuschreiben. Zu der erwarteten Nutzungsdauer sind entsprechende Anhangangaben zu tätigen (s. Kap. III.3.2.4). Ist eine Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer nicht zuverlässig möglich, ist eine planmäßige Abschreibung über zehn Jahre vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB, vgl. Behrendt-Geisler/Rimmelspacher 2015). Ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert ist steuerrechtlich linear über 15 Jahre abzuschreiben (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG). Sofern der Geschäfts- oder Firmenwert voraussichtlich über diesen Zeitraum genutzt wird, lassen sich die Abschreibungen in Handels- und Steuerbilanz angleichen. Weichen handels- und steuerrechtliche Abschreibungen voneinander ab, sind latente Steuern (s. Kap. III.2.2) anzusetzen. Ein Geschäfts- oder Firmenwert ist weiterhin gem. § 253 Abs. 3 S. 3 HGB außerplanmäßig abzuschreiben, wenn sein Restbuchwert dauerhaft höher ist als der beizulegende Wert (Unternehmenswert des erworbenen Unternehmens abzüglich Zeitwerte der Vermögensgegenstände und zuzüglich der Zeitwerte der Schulden zum Bewertungszeitpunkt; vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 277 ff.). Bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ist der aktivierte Geschäfts- oder Firmenwert außerplanmäßig abzuschreiben. Sollten später die Gründe der Wertminderung entfallen, darf im Gegensatz zu anderen Vermögensgegenständen nicht zugeschrieben werden (§ 253 Abs. 5 S. 2 HGB). Beispiel Außerplanmäßige Abschreibung Wurde ein höherer Kaufpreis gezahlt, weil das Unternehmen über eine gut eingespielte Vertriebsorganisation verfügt und geht dieser Effizienzvorteil aufgrund einer fehlenden Motivation der Mitarbeiter nach dem Unternehmenserwerb verloren, liegt ggf. ein Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung vor. Ähnliches gilt, wenn zentrale Know-How-Träger das Unternehmen verlassen.
Die Konzeption der Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwertes ist getragen von der strikten Trennung zwischen der Behandlung eines originären (Aktivierungsverbot) und eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts (Aktivierungspflicht) sowie der Erkenntnis, dass im Laufe der Zeit – falls der Zeitwert des Geschäfts- oder Firmenwertes abnimmt – der ursprünglich vorhandene derivative Geschäfts- oder Firmenwert durch einen originären ersetzt wird. Dies erklärt sowohl die Pflicht einer planmäßigen Abschreibung als auch das Wertaufholungsverbot, da der Wertverlust eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts
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nur durch den Zugang eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts ausgeglichen werden kann (vgl. Zwirner/Vodermeier 2020, Rn. 205). y Ein badwill kann das Ergebnis eines günstigen Unternehmenserwerbs (lucky buy) sein, d. h. der Verkäufer musste verkaufen und das erwerbende Unternehmen konnte das Unternehmen günstig akquirieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich kein Unternehmensnachfolger finden lässt (Nachfolgeproblematik im deutschen Mittelstand). Ein negativer Geschäfts- oder Firmenwert ist im Einzelabschluss grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig. Aufgrund des Anschaffungskostenprinzips müssen in diesem Fall die Zeitwerte der übernommenen Aktivposten mit Ausnahme von liquiden Mitteln so weit abgestockt werden, dass der Saldo der übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden dem gezahlten Kaufpreis entspricht. Die Abstockung sollte proportional (nach dem Verhältnis der Zeitwerte) erfolgen. Lediglich ein nach Abstockung ausnahmsweise verbleibender passiver Unterschiedsbetrag ist als negativer Geschäfts- oder Firmenwert zu passivieren. Eine Auflösung ist nach der hier vertretenen Auffassung analog zu der konsolidierungsspezifischen Regelung des § 309 Abs. 2 HGB dann geboten, wenn der negative Geschäfts- oder Firmenwert einem realisierten Gewinn entspricht (siehe Coenenberg/Haller/Schultze 2021b, S. 250 ff. für ein Beispiel zur Verbuchung eines badwill). y Basiert der negative Geschäfts- oder Firmenwert indes auf konkreten negativen Ergebniserwartungen, hat der Badwill den Charakter einer Rückstellung. Die Rückstellung ist dann ergebniserhöhend aufzulösen, wenn die negativen Ergebniserwartungen eingetreten oder weggefallen sind. Steuerrechtlich ist bei einem negativen Geschäfts- oder Firmenwert grundsätzlich analog vorzugehen (vgl. Zwirner/Vodermeier 2020, Rn. 216 ff.). 3.2.6.2 Ingangsetzungs- und Erweiterungs- sowie Gründungsund Eigenkapitalbeschaffungsaufwendungen International besteht für Ingangsetzungs-, Gründungs- und Erweiterungsaufwendungen (sog. start-up activities) grundsätzlich ein Aktivierungsverbot (IAS 38.69a). Eigenkapitalbeschaffungskosten sind mit den Einzahlungen aus der Kapitalaufnahme zu verrechnen, d. h., liegt der Ausgabekurs von Aktien über dem Nennbetrag, kommt es zu einer Kürzung der Kapitalrücklagen (IAS 32.35). Nach den deutschen GoB sind Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs ebenfalls nicht aktivierbar. Daher belasten Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs in vollem Umfang das Ergebnis der Periode ihres Entstehens (vgl. Boecker 2017, Rn. 1; Schmidt/Usinger 2020, § 248 HGB, Rn. 1). y Ingangsetzungsaufwendungen entstehen durch den erstmaligen Aufbau der Innenund Außenorganisation und das Vorbereiten der Aufnahme eines geregelten Geschäftsbetriebs. Hierzu zählen z. B. Aufwendungen für die Personalbeschaffung und Schulung sowie den Aufbau von Absatzwegen. y Von den Ingangsetzungskosten abzugrenzen sind die Gründungsaufwendungen, welche der Herbeiführung der rechtlichen Existenz des Unternehmens dienen. Hierzu zählen vor allem Beratungshonorare, Notariatskosten, Eintragungs- und Veröffentlichungskosten. In einem engen Zusammenhang hierzu stehen die Eigenkapitalbeschaffungsaufwendungen, wie beispielsweise die Kosten für eine Börseneinführung. Hierzu zählen u. a. die Bankgebühren und Kosten für den Börsenprospekt (s. Kap. I.3.2.3.2) sowie alle Kosten für die Durchführung einer Kapitalerhöhung (s. Kap. III.3.6.3.1.b). In der Gründungsphase überschneiden sich die Gründungs- und Eigenkapitalbeschaf-
Kontrollfragen zu III.3.2
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fungsaufwendungen weitgehend (so auch Schmidt/Usinger 2020, § 248 HGB, Rn. 3). Für diese Aufwendungen besteht ein Aktivierungsverbot (§ 248 Abs. 1 HGB). Erweiterungsaufwendungen sind alle Aufwendungen, die ihrer Art nach Ingangsetzungsaufwendungen wären, aber zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Ingangsetzung getätigt werden und die eine Ausweitung des Geschäftsbetriebs zur Folge haben. Beispiele hierfür sind die Aufnahme eines neuen Geschäftszweigs oder die erhebliche Erweiterung einer Produktionsstätte.
Kontrollfragen zu III.3.2 1. Die Beta AG kauft ein SAP-System für die Materialwirtschaft. Dabei entstehen auch Aufwendungen in Zusammenhang mit der Anpassung der Software an die unternehmensindividuellen Verhältnisse (sog. customizing; s. Kap. II.2.4.1). Diese Anpassungen werden durch die unternehmensinterne IT-Abteilung der Beta AG durchgeführt. Sind diese Aufwendungen aktivierbar? 2. Gegeben sind die folgenden, teilweise aufeinander aufbauenden Sachverhalte (in enger Anlehnung entnommen aus Coenenberg/Haller/Schultze 2021b, S. 37 ff.). Wie sind die unten genannten Sachverhalte in einem HGB- und in einem IFRS-Einzelabschluss zu bilanzieren? a) Die Jungbrunnen AG, ein Hersteller von Sonnenbänken, hat im Geschäftsjahr t1 ein neues Verfahren zur Messung und Justierung der von den produzierten Bänken abgegebenen UV-Strahlung entwickelt. Bis zur Erteilung des Patents waren aktivierungsfähige Aufwendungen in Höhe von 500 T€ angefallen. Das Europäische Patentamt erteilte das Patent für 10 Jahre. Mit der Erteilung des Patents erhielt der Geschäftsführer Herr Summer ein Angebot der Schönwetter OHG sowie der SunCan AG in Höhe von 1,2 Mio. € für den Kauf des Patents. b) Um die durch das Patent eröffneten Möglichkeiten optimal nutzen zu können, investierte die Jungbrunnen AG 2,5 Mio. € in den Aufbau einer eigenen Marke bei Sonnenstudios. Kino-, Rundfunk- und Fernsehwerbung haben dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad der Marke in der Bevölkerung von 0 auf 75 % zu steigern. Ein bei einem Wirtschaftsprüfer in Auftrag gegebenes Gutachten bewertete den Wert dieser auch einzeln veräußerbaren Marke mit ca. 4 Mio. €. c) Weiterhin soll ein einzigartiger Turbobräuner entwickelt werden. Um mit der neuen Generation von Ganzkörperbräunern problemlos in das Hochpreissegment eindringen zu können, kauft die Jungbrunnen AG von dem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Haushaltsgerätehersteller Technoline die bereits in diesem Bereich gut eingeführte Marke Bruzelbraun für 1,5 Mio. €. d) Um die Marke Bruzelbraun zu erhalten und entsprechend nutzen zu können, veranstaltete die Jungbrunnen AG für die betroffenen Vertriebsmitarbeiter Intensivschulungen. Die Schulungen selbst verursachten Aufwendungen (Personalkosten) in Höhe von 350 T€. 3. Die nachstehenden Sachverhalte zur Bilanzierung immaterieller Vermögensposten sind im Hinblick auf ihren Ansatz (Ansatzpflicht/Ansatzwahlrecht/Ansatzverbot) nach deutschen und nach internationalen Normen unter Benennung der jeweils relevanten Norm(en) zu beurteilen. Es ist, sofern nichts anderes angegeben ist, auf die Behandlung im Einzelabschluss einzugehen (in Anlehnung an Bruns 2006, S. 31). a) Verwertungsrechte an einem Dokumentarfilm. b) Urheberrecht/Copyright an dem Musiktitel einer Boygroup.
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6.
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c) Berechtigung zur Inbetriebnahme einer Anlage (sog. Realkonzession). d) Erwerb eines Patents von einem vollkonsolidierten Tochterunternehmen, das dieses Patent wiederum einem berühmten Erfinder abgekauft hat. In diesem Fall ist auf den Ansatz im Einzel- und im Konzernabschluss einzugehen. e) Gehaltszahlungen an einen Vorstandsvorsitzenden mit nachweislich überragender Managementqualität. Überlegen Sie sich Situationen im Unternehmen, welche den Übergang von Forschungsin die Entwicklungsphase darstellen. Denken Sie beispielsweise an den Werkstoff Silizium, der in Computerchips Anwendung findet. Diskutieren Sie, inwiefern industriespezifische Aspekte einen Einfluss auf die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte eines Unternehmens haben. Suchen Sie drei Geschäftsberichte von Unternehmen verschiedener Industrien und analysieren Sie die Anmerkungen zu immateriellen Vermögenswerte in Bilanz und Anhang. Gehen Sie in dem Beispiel zur Berechnung des Geschäfts- und Firmenwertes bei einem asset deal (s. Kapitel III.3.2.5.1a) davon aus, dass der Kaufpreis (den die A-AG für den Erwerb der Anteile der B-GmbH bezahlt hat) 800 T€, der Zeitwert der übernommenen Aktiva der B-GmbH 1,9 Mio. € und der Zeitwert der übernommenen Schulden der B-GmbH 900 T€ beträgt. Der asset deal wurde bei der A-AG bereits bilanziell erfasst. Hierzu gehört auch ein aus dem Erwerb entstehender Unterschiedsbetrag. Wie ist in Bezug auf diesen Unterschiedsbetrag bei der Erstellung eines HGB-Abschlusses vorzugehen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein lucky buy vorliegt? Geben Sie auch an, wie ggf. zu buchen ist! Erörtern Sie, inwiefern der sog. impairment only-Ansatz Ermessensspielräume ermöglicht und Auswirkungen auf die Informationsfunktion des Jahresabschlusses hat. Im Rahmen des BilMoG hat sich die handelsrechtliche Bilanzierung immaterieller Vermögensposten wesentlich geändert. Diskutieren Sie, ob eine striktere Auslegung der Kriterien für die abstrakte Aktivierungsfähigkeit im Vergleich zu IAS 38 durch den BFH zu erwarten ist.
3.3 Vorräte 3.3.1 Abzubildender Sachverhalt, Definition und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Das Handeln von Unternehmen ist darauf ausgerichtet, durch den Verkauf hergestellter Produkte oder erbrachter Dienstleistungen Gewinne zu erwirtschaften. Regelmäßig befinden sich am Ende der Berichtsperiode Vorräte auf Lager (abzubildender Sachverhalt). Diese gilt es in der Bilanz zu erfassen. Ziel der Aktivierung von Vorräten ist es, die Ausgaben zur Beschaffung oder Herstellung von Vorräten so lange ergebnisneutral zu halten, bis die damit verbundenen Umsatzerlöse (revenues) als realisiert gelten. Dieses Vorgehen entspricht dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach, dem sog. matching principle (s. Kap. II.4.4.5.2, II.5.3.2.2). Das Hauptproblem besteht demnach darin, »alle mit der Produktion oder dem Kauf von Vorräten verbundenen Auszahlungen zu messen und den einzelnen Vorratsgegenständen als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzuordnen« (Pellens et al. 2021, S. 450; vgl. allgemein zu den Vorräten ebd., S. 450 ff.; Hayn/Waldersee 2014, S. 210 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 353 ff.). IAS 2.6 definiert Vorräte (inventories) als Vermögenswerte, die y zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden, y sich im Prozess der Herstellung für diesen Verkauf befinden oder y als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dazu bestimmt sind, bei der Herstellung oder der Erbringung von Dienstleistungen (vollständig) verbraucht zu werden.
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Unter diese Definition fallen auch immaterielle Vermögenswerte sowie Grundstücke und Gebäude, sofern sie zum Verkauf bestimmt sind (vgl. Quick 2008, S. 2206). Diese Definition dürfte mit den deutschen GoB in Einklang stehen; eine explizite Definition findet sich im HGB jedoch nicht. Die zentrale internationale Rechnungslegungsnorm ist IAS 2. Handelt es sich um Vorräte, die langfristigen Fertigungsaufträgen zuzurechnen sind, so ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Teilgewinnrealisierung gem. IFRS 15 zwingend (s. Kap. III.3.8). Für Vorräte, die in Zusammenhang mit biologischen Vermögenswerten und Erzeugnissen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit stehen, ist IAS 41 (vgl. z. B. Haller/Egger 2006, S. 281 ff.; Jessen 2020, § 41) anzuwenden. Ebenfalls ausgeschlossen sind Finanzinstrumente, auch wenn sie zum Verkauf gehalten werden. Diese sind nach IAS 32, IFRS 7 und IFRS 9 zu bilanzieren. Als besonders relevante deutsche Normen sind zu nennen: y §§ 240 f. HGB (Inventur und Inventar), y § 253 Abs. 1, 4-5 HGB (Zugangs- und Folgebewertung), y § 254 i. V. m. § 285 Nr. 23a HGB (Bildung von Bewertungseinheiten), y § 255 Abs. 1-4 HGB (Bewertungsmaßstäbe), y § 256 HGB (Bewertungsvereinfachungsverfahren), y § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB (Anhangangaben) sowie y IDW HFA 1/1981 i. d. F. 1990 (Stichprobenverfahren für die Vorratsinventur) sowie in Bezug auf Abschnitt V dieser Stellungnahme i. V. m. ISA DE 501.4 ff. und y IDW RS HFA 31 (Aktivierung von Herstellungskosten).
3.3.2 Ansatz und Ausweis IAS 2 enthält keine vorratsspezifischen Ansatznormen. Demnach gelten die definitorischen Voraussetzungen sowie die allgemeinen und elementspezifischen Ansatzkriterien des IASB Conceptual Framework (s. Kap. II.5.3.5.3). Ähnliches gilt in Bezug auf die deutschen GoB: Da das HGB keine vorratsspezifischen Ansatznormen enthält (konkrete Aktivierungsfähigkeit), ist zu prüfen, ob die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (wirtschaftlicher Wert, selbstständige Bewertbarkeit, selbstständige Verkehrsfähigkeit) gegeben ist (s. Kap. II.4.4.6.1). Die angesetzten Vorräte sind nach IAS 1.54 g in der Bilanz gesondert auszuweisen. Im Regelfall erfolgt der Ausweis unter den kurzfristigen Vermögenswerten (s. Kap. II.5.3.3.2). Verbreitet ist die folgende Untergliederung (IAS 2.6 und IAS 2.37; siehe auch IAS 1.78c). y Handelswaren (merchandise) sind gekaufte Produkte, die ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung zur Weiterveräußerung vorgesehen sind. y Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (materials, production supplies) sind Bestandteile, welche in das Endprodukt eingehen. y Unfertige Erzeugnisse und Leistungen (work in progress) entstehen durch eine Umgliederung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, wenn die Herstellung durch Einsatz dieser Stoffe begonnen hat. Bei den unfertigen Leistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die noch nicht vollständig erbracht wurden. y Fertigerzeugnisse (finished goods) sind verkaufsfertige Erzeugnisse, die zum Vertrieb bereitstehen. Diese Untergliederung entspricht grundsätzlich § 266 Abs. 2 B. I 1.-3. HGB. Geleistete Anzahlungen sind gesondert auszuweisen; auch ein gesonderter Ausweis unter den Vorräten kommt in Betracht, sofern es sich bei den Zahlungen um Anzahlungen auf Vorräte handelt (§ 266 Abs. 2 B. I. 4. HGB). Nach IFRS ist grundsätzlich analog vorzugehen.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Auch erhaltene Anzahlungen auf vom Kunden bestellte Vorräte können offen von den Vorräten abgesetzt werden (§ 268 Abs. 5 S. 2 HGB). Wird diese Vorgehensweise nicht gewählt, sind die erhaltenen Anzahlungen unter den Verbindlichkeiten gesondert auszuweisen (§ 266 Abs. 3 C. 3. HGB; vgl. Mylich 2017, S. 929; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 241). Nach IFRS sind erhaltene Anzahlungen ebenfalls gesondert zu zeigen. Dabei erscheint aufgrund der sachlichen Nähe zu den Vorräten sowohl eine offene Absetzung von den Vorräten als auch ein Ausweis unter den liabilities zulässig (so z. B. die Vorgehensweise bei der MAN SE 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 85). Eine offene Absetzung stellt keinen Verstoß gegen das Saldierungsverbot gem. IAS 1.32 dar.
3.3.3 Bewertung 3.3.3.1 Erstbewertung Vorräte sind gem. IAS 2.10 mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten (costs of inventories) zu bewerten. Insbesondere die Kosten des Erwerbs sowie die Kosten der Be- und Verarbeitung sind zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind zudem alle Kosten, die anfallen, um die Vorräte an ihren Einsatzort zu bringen und in den Zustand nach Beendigung der Produktion zu versetzen. Relevanter Bewertungsmaßstab beim Erwerb sind die Anschaffungskosten (costs of purchase) und bei der Be- und Verarbeitung die Herstellungskosten (costs of conversion). Vorratsspezifische Regelungen mit Bezug zu den Anschaffungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1) finden sich in IAS 2.11 und IAS 2.15-18. Hervorzuheben sind IAS 2.11 und IAS 2.17. IAS 2.11 nennt als Beispiele für mögliche Anschaffungskosten den Kaufpreis, Einfuhrzölle sowie Transportkosten. Skonti und Rabatte sind abzuziehen. Die Abzugspflicht gilt auch für nicht genutzte Lieferantenskonti. Diese sind regelmäßig nicht aktivierungsfähig, sondern als Zinsaufwand zu erfassen (vgl. Quick 2008, S. 2207). Nach IAS 2.17 müssen unter bestimmten Voraussetzungen (u. a. das Vorliegen eines qualifying asset) Finanzierungskosten in die Anschaffungs- und Herstellungskosten einbezogen werden (IAS 23.10 ff.; s. Kap. II.5.3.7.1). Den Ausführungen gemäß setzen sich die Anschaffungskosten wie folgt zusammen:
+ – + =
Kaufpreis Anschaffungsnebenkosten (z. B. Einfuhrzölle, Transportkosten) Skonti/Rabatte ggf. Finanzierungskosten Anschaffungskosten
Die Regelungen zu den Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 HGB entsprechen dem Grunde nach den internationalen Normen. Dies gilt nach der hier vertretenen Meinung auch für Finanzierungskosten, die ggf. einbeziehungspflichtig sind (s. Kap. II.5.3.7.1). Vorratsspezifische Regelungen mit Bezug zu den Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7.2; insbes. Abb. II.5./18) finden sich in IAS 2.12-18. Besonders bedeutsam sind vor allem die folgenden Randnummern: y IAS 2.12 sieht vor, dass alle produktionsbezogenen Einzel- und Gemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen sind. Es ist jedoch nur der angemessene Teil der Gemeinkosten zu aktivieren (s. Kap. II.5.3.7.2.d). y IAS 2.16 gibt Beispiele für Kosten, die nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktivierungsfähig sind. Diese Kosten dürfen also nicht dem Vermögenswert zugerechnet werden, sondern sind in der Periode ihres Anfallens erfolgswirksam zu erfassen. Hierzu zählen u. a. Verwaltungsgemeinkosten (die nicht zur Anschaffung oder Herstellung von Vorräten beitragen), Vertriebskosten sowie abnormale Beträge für Materialab-
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fälle, Fertigungslöhne oder andere Produktionskosten. Ebenfalls nicht aktivierungsfähig sind Lagerkosten, es sei denn sie sind durch den Produktionsprozess veranlasst, wie es z. B. bei Produkten der Fall ist, die eine gewisse Reife benötigen oder dadurch an Wert gewinnen (vgl. Quick 2008, S. 2207). Die Herstellungskosten setzen sich demnach vereinfacht wie folgt zusammen:
+ + =
Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten herstellungsbezogene Gemeinkosten, soweit angemessen Herstellungskosten gem. IAS 2.12 ff.
Die Regelungen zu den Herstellungskosten in § 255 Abs. 2 HGB entsprechen weitgehend den internationalen Normen (für eine tabellarische Gegenüberstellung s. Kap. II.5.3.6.2). Allerdings besteht nach HGB ein Wahlrecht zur Einbeziehung von Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie für Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 255 HGB, Rn. 33 ff.; Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 358). Diese sind nach internationalen Rechnungslegungsnormen nur einzubeziehen, soweit sie produktionsbezogen und angemessen sind. Zusätzlich zu den Vertriebskosten sind nach § 255 Abs. 2 S. 4 HGB auch Forschungskosten explizit von den Herstellungskosten ausgeschlossen. Demnach setzen sich die Herstellungskosten vereinfacht wie folgt zusammen:
+ + + =
Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten herstellungsbezogene Gemeinkosten, soweit notwendig ggf. Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs/für freiwillige soziale Leistungen/für betriebliche Altersversorgung Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 HGB.
Für die Kostenermittlung sind grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Kosten (Ist-Kosten) maßgeblich. Im Fall einer Unterbeschäftigung sind die Ist-Kosten um die Leerkosten zu korrigieren (s. Kap. II.5.3.7.2.d). Ein solches Vorgehen ist für die Bewertung von Massengütern (z. B. Pkw, Fernseher) sehr aufwendig. Aus diesem Grunde kommen als Vereinfachungsverfahren zum einen die Standardkostenmethode (Anschaffungs- und Herstellungskosten) und zum anderen die retrograde Methode (Anschaffungskosten) in Betracht (vgl. Bartle/Jacobs/Kugel 2017, IAS 2, Rn. 75 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 32 ff.). Voraussetzung für die Anwendung dieser Verfahren ist allerdings, dass die ermittelten Ergebnisse den tatsächlichen Anschaffungsoder Herstellungskosten sehr nahekommen (IAS 2.21). y Bei der in IAS 2.21 angesprochenen Standardkostenmethode werden die Herstellungskosten auf Basis eines Normalverbrauchs (normaler Personal- und Materialeinsatz sowie normale Kapazitätsauslastung) stückbezogen ermittelt. Betragen die Normalkosten für ein Produkt beispielsweise 1.000 € und befinden sich am Jahresende 250 Stück des Produkts im Lager, sind diese mit den (geplanten) Normalkosten (bzw. Standardkosten) von 250 T€ anzusetzen. Die zwischen Ist- und Normalkosten auftretende Differenz (sog. Standardkostenabweichung) ist ergebniswirksam zu erfassen. Die Normal- bzw. Standardkostensätze sind regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen. Die Standardkos-
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tenmethode wird auch handelsrechtlich als zulässig erachtet (vgl. z. B. Schubert/Hutzler 2020, § 255 HGB, Rn. 417). Die retrograde Methode gem. IAS 2.22 findet vor allem zur Bestimmung der Anschaffungskosten im Einzelhandel (sog. retail method) Verwendung, da hier ausreichend hohe Stückzahlen und vergleichbare Gewinnspannen vorliegen. Bei Anwendung der retrograden Methode werden die Waren bereits beim Einkauf mit ihren Verkaufspreisen erfasst. Für eine Gruppe von Vorräten mit vergleichbaren Gewinnmargen wird auf Basis der Zu- und Abgänge der Periode eine gruppenspezifische Gewinnspanne ermittelt. Die Anschaffungskosten der am Ende des Geschäftsjahres auf Lager befindlichen Waren dieser Gruppe werden dann retrograd, d. h. ausgehend von den Verkaufspreisen ermittelt, indem von den Verkaufspreisen der nicht veräußerten Bestände die gruppenspezifische Gewinnspanne abgezogen wird. Die retrograde Methode ist sowohl handels- als auch steuerrechtlich anerkannt (vgl. z. B. Bartle/Jacobs/Kugel 2017, IAS 2, Rn. 81).
Diskussionsfrage III.3-7 Das Kaufhaus des Ostens (KaDeO) hat für die Warengruppe A zum 1.1.t1 einen Anfangsbestand in Höhe von 60 T€ bei einem Verkaufspreis von 110 T€ festgestellt. Im laufenden Geschäftsjahr wurden Waren der Warengruppe A zu Anschaffungskosten in Höhe von 340 T€ angeschafft; der Verkaufspreis beträgt 590 T€. Die planmäßig erzielten Umsatzerlöse im Geschäftsjahr betragen 560 T€. Zu welchem Betrag sind die Vorräte in der IFRS-Bilanz zum 31.12.t1 des KaDeO anzusetzen, wenn die retrograde Methode Anwendung findet?
Neben den Verfahren zur Kostenermittlung kommen weitere Vereinfachungsverfahren zur Zuordnung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Betracht. Dabei handelt es sich um die sog. Bewertungsvereinfachungsverfahren (cost formulas). Es gilt der Grundsatz der Einzelbewertung. Nach IAS 2.23 sind durch Einzelzuordnung grundsätzlich die individuellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bestimmen. Dies gilt auch handelsrechtlich (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; s. Kap. II.4.4.2.3). Allerdings kommt es bei der Produktion und Lagerung regelmäßig zu einer Vermischung (z. B. bei Flüssigkeiten, Schüttgütern), sodass es bei sich ändernden Preisen schwer oder im Einzelfall sogar unmöglich ist festzustellen, zu welchen Einstandspreis die verbrauchten Vorratsbestände gekauft wurden und welcher Warenwert den noch auf Lager liegenden Vorräten zuzurechnen ist. Daher kann gem. IAS 2.24 vom Grundsatz der Einzelbewertung abgewichen werden, wenn es sich um eine große Anzahl von Vorräten handelt und diese gewöhnlich untereinander austauschbar sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten in vereinfachter Form ermittelt werden (sog. fiktive Anschaffungs- oder Herstellungskosten). Dies gilt auch handelsrechtlich, wenn es sich um gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens handelt (§ 256 HGB). Die Vorgehensweise bei der vereinfachten Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gestaltet sich grundsätzlich zweistufig: y Zunächst sind die fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu berechnen (erster Schritt). y In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der mittels Vereinfachungsverfahren ermittelte fiktive Wert einer Wertminderung unterliegt und eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen ist (s. Kap. III.3.3.3.2). Im Folgenden werden mit der Fifo-Methode, der Lifo-Methode, der gewogenen Durchschnittsmethode sowie der Festbewertung einzelne Bewertungsvereinfachungsverfahren
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näher dargestellt. Übersichten zu den einzelnen Verfahren finden sich bei Baetge/Kirsch/ Thiele 2021a, S. 359 ff. sowie Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 32 ff. Bei der Fifo-Methode (first in – first out) wird angenommen, dass die zuerst angeschafften oder hergestellten Vorräte zuerst verbraucht oder veräußert werden und dementsprechend ergebnismindernd in der GuV zu buchen sind. Der Endbestand der Vorräte setzt sich demnach aus den letzten Lieferungen zusammen. Beispiel Fifo-Methode Anfangsbestand Zugänge Abgänge Endbestand
100 Stk. à 10 € 150 Stk. à 12 € 100 Stk. à 10 € 30 Stk. à 12 € 120 Stk. à 12 €
1.000 € + 1.800 € – 1.000 € – 360 € 1.440 €
Bei steigenden Preisen erfolgt eine Bewertung zu den aktuellen Wiederbeschaffungskosten. Die Vermögenslage wird korrekt dargestellt. Stille Reserven können nicht gebildet werden. Allerdings kann es zum Ausweis von Scheingewinnen kommen, weil in der GuV immer der niedrigere Wert als Aufwand erfasst wird. Dies ist unabhängig davon, welcher Lagerbestand tatsächlich verbraucht wurde. Werden tatsächlich die neueren Vorräte verbraucht, wird gegen das Anschaffungskostenprinzip verstoßen. Dieses Prinzip besagt, dass der Wertansatz in der Bilanz nicht über die ursprünglichen Anschaffungskosten hinausgehen darf (s. Kap. II.5.3.8.1.a; II.5.3.8.2.b).
Die Fifo-Methode ist nach IAS 2.25 sowie handelsrechtlich zulässig (§ 256 S. 1 HGB). Steuerrechtlich ist dieses Verfahren nicht zulässig (vgl. Falterbaum et al. 2020, S. 546). Die Lifo-Methode (last in – first out) fingiert, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vorräte zuerst verbraucht oder veräußert werden und dementsprechend ergebnismindernd in der GuV zu buchen sind. Dabei wird zwischen dem sog. permanenten Lifo und dem sog. Perioden-Lifo unterschieden (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 361 ff.) Der Endbestand der Vorräte setzt sich daher aus dem Anfangsbestand und ggf. den ältesten Lieferungen zusammen. Beispiel Lifo-Methode (Perioden-Lifo) Anfangsbestand Zugänge Abgänge Endbestand
100 Stk. à 10 € 150 Stk. à 12 € 130 Stk. à 12 € 100 Stk. à 10 € + 20 Stk. à 12 €
1.000 € + 1.800 € – 1.560 € 1.240 €
Bei steigenden Preisen führt das Lifo-Verfahren dazu, dass Scheingewinne erst gar nicht entstehen, da die Vorräte stets mit den niedrigeren Werten der älteren Vorräte angesetzt werden. Es kann indes zur Bildung stiller Reserven kommen.
Die Lifo-Methode ist handelsrechtlich (§ 256 S. 1 HGB) und steuerrechtlich (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) zulässig. International ist diese Methode unzulässig, da die Lifo-Methode in der abschließenden Aufzählung des IAS 2.25 keine Erwähnung findet (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 35).
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bei der gewogenen Durchschnittsmethode erfolgt die Bewertung des Bestands mit dem gewogenen Durchschnitt aus dem Wert des am Beginn des Geschäftsjahres vorhandenen Bestands (Anfangsbestand) und den Anschaffungskosten der Zukäufe im laufenden Geschäftsjahr. Beispiel Gewogene Durchschnittsmethode Anfangsbestand Zugänge Ermittlung Durchschnittswert Abgänge Endbestand
100 Stk. à 10 € 150 Stk. à 12 € 2.800 € / 250 Stk. = 11,20 € 130 Stk. à 11,20 € 120 Stk. à 11,20 €
1.000 € + 1.800 € – 1.456 € 1.344 €
Bei steigenden Preisen erhöht sich auch der Durchschnittswert laufend, sodass der Bestand am Abschlussstichtag von Jahr zu Jahr mit einem höheren Wert anzusetzen ist. Der ermittelte Wert läuft jedoch dem Preistrend nach. Auch hier kommt es zum Ausweis von Scheingewinnen. In dem vorliegenden Fall beträgt der Scheingewinn 104 € [1.344 € – (100 Stk. × 10 € + 20 Stk. × 12 €)]; gleichzeitig wird aber auch eine stille Reserve in Höhe von 96 € (120 Stk. × 12 € – 1.344 €) gelegt.
Die gewogene Durchschnittsmethode ist nach IAS 2.25 sowie handelsrechtlich zulässig. § 256 S. 2 HGB verweist darauf, dass die inventurspezifische Regelung des § 240 Abs. 4 HGB (Durchschnittsbewertung der Inventurbestände) auf den Jahresabschluss anwendbar ist. Die Durchschnittsmethode ist auch steuerrechtlich zulässig (R 6.8 Abs. 4 EStR; vgl. Falterbaum et al. 2020, S. 542 ff.).15 Die deutschen IFRS-Bilanzierer wenden als Bewertungsvereinfachungsverfahren zumeist die Durchschnittsmethode an (Bilanzierungspraxis). Der Studie von Eisenschmidt/ Schwenkler (2016, S. 53 ff.) folgend nutzen ca. 95 % der untersuchten Unternehmen die Durchschnittsmethode zur Vorratsbewertung (77 % alleiniger Einsatz und 18 % sowohl Durchschnittsmethode als auch FiFo-Verfahren). Des Weiteren ist nach § 256 S. 2 HGB auch § 240 Abs. 3 HGB auf den Jahresabschluss anwendbar. Insofern kommt zur Bewertungsvereinfachung auch eine Festbewertung in Betracht (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 381 f.). Diese ist jedoch nur für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (sowie das Sachanlagevermögen; s. Kap. III.3.1.3.1) zulässig. Nach § 240 Abs. 3 HGB ist eine Festbewertung erlaubt, sofern die betreffenden Stoffe regelmäßig ersetzt werden, ihr Bestand aber im Wesentlichen unverändert bleibt und für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung (i. d. R. maximal 5 % der Bilanzsumme; vgl. z. B. Quick/Wolz 2021, § 240 HGB, Rn. 77 m. w. N.) ist. Für eine Festbewertung kommen bei den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen vor allem Verbrauchsstoffe wie Öl und Kohle in Frage. Der Festwert ist anzupassen, wenn dieser sich nachhaltig verändert; eine Anpassung wird zumeist bei einer Erhöhung oder Verminderung von 10 % des bisherigen Festwertansatzes als notwendig erachtet. Eine vergleichbare Regelung zur Festbewertung enthalten die IFRS nicht. Insofern ist eine Festbewertung nur zulässig, wenn der Festwertansatz unwesentlich ist (s. Kap. II.5.3.2.3.a1; so auch Kümpel 2003, S. 2614; Bartle/Jacobs/Kugel 2017, IAS 2, Rn. 84). Steuerrechtlich ist eine Festbewertung grundsätzlich zulässig (R 5.4 Abs. 3 EStR; vgl. Falterbaum et al. 2020, S. 557 ff.).
15 Handels- und steuerrechtlich sowie nach IFRS kommt weiterhin die gleitende Durchschnittsmethode in Betracht (zu einem Zahlenbeispiel vgl. z. B. Pellens et al. 2021, S. 470 ff.).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
473
Folgende Tabelle fasst die Regelungen zu den Bewertungsvereinfachungsverfahren zusammen:16 Handelsrecht
Steuerrecht
IFRS
Fifo
zulässig (§ 256 S. 1 HGB)
grds. nicht zulässig (EStR R 6.9 Abs. 1)
zulässig (IAS 2.25)
Lifo
zulässig (§ 256 S. 1 HGB)
zulässig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG)
nicht zulässig
Gewogener Durchschnitt
zulässig (§ 256 S. 2 i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB)
zulässig (§ 5 Abs. 1 EStG; R 6.8 Abs. 4 EStR)
zulässig (IAS 2.25)
Gleitender Durchschnitt zulässig (§ 256 S. 2 i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB)
zulässig (§ 5 Abs. 1 EStG; R 6.8 Abs. 4 EStR)
zulässig (IAS 2.25)
Festbewertung
zulässig (§ 5 Abs. 1 EStG; R 5.4 Abs. 3 EStR)
zulässig bei Unwesentlichkeit (IASB F.2.11)
zulässig (§ 256 S. 2 i. V. m. § 240 Abs. 3 HGB)
Tab. III.3/1 Bewertungsvereinfachungsverfahren
Bei art- und funktionsgleichen bzw. -ähnlichen Vorräten ist im Zeitablauf dasselbe Bewertungsvereinfachungsverfahren anzuwenden. Insofern besteht eine sachliche Stetigkeit bei den Bewertungsvereinfachungsverfahren (IAS 2.25; s. Kap. II.5.3.2.3.b12). Nach deutschen GoB stellt die sachliche Stetigkeit einen nicht gesetzlich kodifizierten Rahmengrundsatz (s. Kap. II.4.4.3) dar. 3.3.3.2 Folgebewertung Für die Bewertung der Vorräte gilt sowohl gem. IAS 2.9 als auch gem. § 253 Abs. 1 HGB grundsätzlich das Anschaffungskosten- bzw. Herstellungskostenprinzip. Daher kann es bei der Bewertung nicht zu Wertansätzen kommen, die über die originären (historischen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinausgehen. Weiterhin geben die IFRS z. B. für biologische Vermögenswerte (lebende Pflanzen, lebende Tiere) eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert abzüglich der geschätzten Verkaufskosten vor, sodass es hier zu einer Gewinnrealisierung vor dem Verkauf kommen kann (IAS 41.12, IAS 41.26). Dieser Sonderfall wird im Folgenden nicht näher betrachtet. Allerdings sind die (fortgeführten) historischen Kosten von Vorräten in den Folgeperioden u. U. nicht mehr werthaltig, sodass eine Wertminderung der Vorräte notwendig werden kann. Ursächlich für eine Wertminderung können Beschädigungen, Veralterungen oder Preisrückgänge sein. Wertminderungen sind auch vorzunehmen, wenn die angefallenen und bis zur Fertigstellung geschätzten Kosten den Verkaufspreis übersteigen (IAS 2.28). Insofern wird der Definition des Vermögenswertes im IASB F.4.3 gefolgt, welche auf den wahrscheinlichen künftigen Nutzen (in Form von Zahlungsströmen) abstellt (s. Kap. II.5.3.5.3).
16 Das Fifo-Verfahren ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass die unterstellte der tatsächlichen Verbrauchsfolge entspricht; vgl. Grottel/Huber 2020, § 256 HGB, Rn. 85.
474
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Ist der Nettoveräußerungswert (net realisable value; s. Kap. II.5.3.5.3) niedriger als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ist zwingend der niedrigere Wert anzusetzen (IAS 2.9). Der Nettoveräußerungswert ist definiert als der geschätzte Verkaufspreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abzüglich angenommener Fertigstellungskosten und erwarteter notwendiger Verkaufskosten (IAS 2.6). Maßgeblich ist demnach der Absatzmarkt (zur Folgebewertung nach IFRS und deutschen GoB vgl. z. B. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 253 HGB, Rn. 20 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 32 ff.). Ist ein solcher Nettoveräußerungswert nicht zu ermitteln, beispielsweise, weil ein einzelnes Produkt nicht mehr auf dem technisch aktuellen Stand ist, kommen auch pauschale Wertberichtungen in Betracht, um dem Wertverlust Rechnung zu tragen (vgl. Quick 2008, S. 2207; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 17, Rn. 53). Diskussionsfrage III.3-8 Kann ein IFRS-Bilanzierer sich bei der Bestimmung der notwendigen Kosten zur Veräußerung von Vorräten (costs necessary to make the sell) auf die Grenzkosten (incremental costs) beschränken?
Nach § 253 Abs. 4 HGB gilt für das Umlaufvermögen (und damit für die Vorräte) das strenge Niederstwertprinzip, d. h., auch bei einer voraussichtlich nur vorübergehenden Wertminderung ist ein niedrigerer Börsen- oder Marktpreis oder (sofern dieser nicht ermittelbar ist) ein niedrigerer beizulegender Wert anzusetzen (vgl. Hartmann 2020, Rn. 100). Für die Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes liegen zwar keine konkreten Rechtsnormen vor; es haben sich aber (gesetzlich nicht kodifizierte) GoB herausgebildet, die positionsbezogen angeben, wie der niedrigere beizulegende Wert zu ermitteln ist (s. Kap. II.5.3.8.1.c). Nach den internationalen Normen ist eine Bewertung der Vorräte mit dem beizulegenden Zeitwert stark eingeschränkt (IAS 2.3 und IAS 2.5). Dieser kommt lediglich zur Anwendung bei Vorräten von Warenmaklern und -händlern, welche die Waren kurzfristig kaufen und verkaufen, um aus den Preisschwankungen einen Gewinn oder eine Marge zu erzielen (IAS 2.5). In diesem Fall wird der beizulegende Zeitwert gemäß IFRS 13 bestimmt. Es ist der Preis, welcher in einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag gezahlt würde (IFRS 13.9). Bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie für Überbestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sind nur die Verhältnisse am Absatzmarkt maßgeblich. Nach deutschen GoB kommt in dem Fall, in dem sich kein Wert am Absatzmarkt ermitteln lässt und die Vorräte selbst hergestellt wurden auch der Reproduktionswert in Betracht. Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (keine Überbestände) ist aufgrund der größeren Nähe zum Beschaffungsmarkt der Wert auf dem Beschaffungsmarkt zu ermitteln. Nach IAS 2 ist dagegen vor allem der Absatzmarkt relevant. IAS 2.32 stellt ausdrücklich fest, dass bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen keine Abschreibungen wegen niedrigerer Beschaffungsmarktpreise erforderlich sind, solange die Endprodukte (in welche diese Stoffe eingehen) ohne Verlust veräußerbar sind (verlustfreie Veräußerung). Der Beschaffungsmarkt ist jedoch insofern bedeutsam, als die Preisentwicklung am Beschaffungsmarkt ein Indikator für künftige Absatzgegebenheiten und damit den Nettoveräußerungswert sein kann (IAS 2.32). Deutet z. B. ein rückläufiger Rohstoffpreis (Beschaffungspreis) darauf hin, dass bei der Veräußerung des (ggf. auf Lager befindlichen) Endproduktes Verluste auftreten werden, dann sind ggf. auch die zuvor zu höheren Preisen beschafften Rohstoffe abzuwerten.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
475
Beispiel Folgebewertung von Rohstoffen und Fertigerzeugnissen Die Produktions-AG weist in der Bilanz Rohstoffe zu originären Anschaffungskosten (30 T€) aus. Die Rohstoffe gehen in Fertigerzeugnisse ein. Am Abschlussstichtag sind 15 Fertigerzeugnisse auf Lager, für die jeweils 50 T€ Herstellungskosten angefallen sind. Gleichfalls ist zum Abschlussstichtag ein Rückgang der Rohstoffpreise feststellbar. Der feststellbare Preis für die Rohstoffe am Beschaffungsmarkt beträgt 25 T€. Annahme 1: erzielbarer Preis der Fertigerzeugnisse am Absatzmarkt: 70 T€/Stück Abschlussposten Orientierung der Folgebewertung / Anmerkungen Rohstoffe verlustfreie Veräußerung ist möglich (IAS 2.32) beizulegender Wert am Beschaffungsmarkt (deutsche GoB) Fertigerzeugnisse Orientierung am Absatzmarkt (IAS 2.6) beizulegender Wert am Absatzmarkt (deutsche GoB) Annahme 2: erzielbarer Preis der Fertigerzeugnisse am Absatzmarkt: 45 T€/Stück Abschlussposten Orientierung der Folgebewertung / Anmerkungen Rohstoffe keine verlustfreie Veräußerung (IAS 2.32) beizulegender Wert am Beschaffungsmarkt (deutsche GoB) Fertigerzeugnisse Orientierung am Absatzmarkt (IAS 2.6) beizulegender Wert am Absatzmarkt (deutsche GoB)
Bilanzansatz 30 T€ 25 T€ 750 T€ 750 T€ Bilanzansatz 25 T€ 25 T€ 675 T€ 675 T€
Für Waren und Überbestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen ist international alleine der Absatzmarkt relevant. Wenn eine verlustfreie Veräußerung so gut wie sicher ist, gilt dies auch nach deutschen GoB (s. Kap. II.5.3.8.1.c). Ähnlich der handelsrechtlichen Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert kann steuerrechtlich auf den niedrigeren steuerlichen Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) abgeschrieben werden, sofern eine dauerhafte Wertminderung vorliegt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Liegt keine dauerhafte Wertminderung vor, darf kein niedrigerer Teilwert angesetzt werden (vgl. Weinzierl/Risse/Möller 2016, S. 174; Saure 2017, S 408; EStR R.6.8). Die Schätzung des Nettoveräußerungswertes hat möglichst zuverlässig zu erfolgen. Als berücksichtigungspflichtige Ereignisse gelten Ereignisse, welche Vorgänge erhellen, die bereits am Abschlussstichtag bestanden (IAS 2.30; s. Kap. II.5.3.9). Dies gilt grundsätzlich auch nach deutschen GoB (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Nach IAS 2.33 und auch nach § 253 Abs. 5 HGB besteht eine Wertaufholungspflicht. Eine Wertaufholung ist als Reduktion des Materialaufwands zu erfassen. Steuerrechtlich besteht eine ähnlich ausgestaltete Wertaufholungspflicht (s. Kap. II.5.3.8.3). Diskussionsfrage III.3-9a Legen Sie die Unterschiede bei der Erst- und Folgebewertung der Vorräte nach deutschen und internationalen Normen detailliert dar. Welches der angesprochenen Normensysteme ist vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Unterschiede aus Ihrer Sicht vorzuziehen?
3.3.4 Angabepflichten Grundsätzlich sind die angewandten Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden anzugeben. Die Angabepflichten in IAS 2.36-39 gehen jedoch über das handelsrechtlich Geforderte hinaus. So sind u. a. auch der Betrag der Vorräte, der als Aufwand in der Berichtsperiode erfasst
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
wurde, sowie der Betrag von Wertminderungen von Vorräten und der Betrag der aufwandsmindernd erfassten Wertaufholungen im Anhang auszuweisen. Als bedeutsame Angabepflichten nach deutschen GoB sind u. a. die angewandten Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden sowie die Begründung für eine möglicherweise durchgeführte Änderung (§ 284 Abs. 2 Nr. 1, 2 HGB) zu nennen. Zudem ist bei Anwendung der Durchschnittsbewertung oder von Verbrauchsfolgeverfahren die Angabe von erheblichen stillen Reserven, und zwar pauschal für jede Gruppe (§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB), erforderlich. Geschäftsbericht Angaben zu den Vorräten »Vorräte werden zu Anschaffungs-oder Herstellungskosten oder zum niedrigeren Nettoveräußerungswert bewertet. Die Herstellungskosten umfassen die direkt zurechenbaren Produktionskosten und anteilige fixe und variable Produktionsgemeinkosten. Die zugerechneten Gemeinkosten sind überwiegend auf Basis der üblichen Kapazitätsauslastung ermittelt. Vertriebskosten, Kosten der allgemeinen Verwaltung und Fremdkapitalzinsen werden nicht aktiviert. Rohstoffe und Handelswaren werden zu durchschnittlichen Anschaffungskosten bewertet« (MAN SE 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 95). »Zeitgleich mit der Umsatzerfassung wurden Vorräte in Höhe von 9.358 Mio. € (Vorjahr 10.335 Mio. €) in den Umsatzkosten erfasst. Der Aufwand aus der Wertminderung betrug 158 Mio. € (Vorjahr 52 Mio. €)« (MAN SE 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 119).
Kontrollfragen zu III.3.3 1. Die Dienstleistungs-AG bietet die Erbringung von Beratungsleistungen an. Ein Beratungsauftrag wurde teilweise erbracht, konnte jedoch zum Ende der Berichtsperiode noch nicht abgeschlossen werden. a) Wo sind die in diesem Zusammenhang angefallenen Personalkosten in der IFRSBilanz auszuweisen? b) Handelt es sich dabei um Anschaffungs- oder Herstellungskosten? 2. Im Zuge der Folgebewertung nach HGB findet oftmals der Begriff »verlustfreie Bewertung« Verwendung. a) Was versteht man unter einer »verlustfreien Bewertung«? b) Steht eine verlustfreie Bewertung im Einklang mit den Regelungen des IAS 2? c) Bei der steuerrechtlichen Teilwertermittlung kann bei einer am Absatzmarkt orientierten retrograden Gewinnermittlung vom voraussichtlichen Verkaufserlös auch ein durchschnittlicher Rohgewinnzuschlag abgezogen werden. Steht ein solches Vorgehen im Einklang mit einer »verlustfreien Bewertung«? 3. Der Anfangsbestand der Rohstoffe der X-AG ist zu Beginn des Geschäftsjahres »Null«. Es werden folgende Beschaffungen vorgenommen: 2.000 kg à 250 €, 700 kg à 300 € und 1.300 kg à 280 €. Der Endbestand beträgt 1.600 kg. Anzuwenden sind die internationalen Normen. a) Wie ist bei Anwendung der gewogenen Durchschnittsmethode zu bewerten? b) Wie ist bei Anwendung der Fifo-Methode zu bewerten? c) Welche Wertansätze sind nach handelsrechtlichen Vorschriften zulässig? 4. Der Absatzschlager der Laufschuh AG, einem Großhändler für Laufschuhe, ist das Modell »Berlin Marathon«. Der Anfangsbestand dieses Modells beträgt 2.770 Paare (Anschaffungskosten 32 €). Zugänge erfolgten am 4.4. (1.000 Paare zu 30 €) und am 24.12. (800
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Paare zu 26 €). Verkauft wurden am 6.6. 1.800 Paare zu 50 € pro Paar und am 15.10. 1.500 Paare zu 45 € pro Paar. Der Verkaufspreis zum 30.12. beträgt 27 € pro Paar. Wie hoch ist der Wertansatz in der Bilanz zum Ende des Geschäftsjahres, wenn die Laufschuh AG die Fifo-Methode anwendet? Gehen Sie sowohl auf die deutschen als auch auf die internationalen Normen ein! 5. Die anteiligen Herstellungskosten für ein unfertiges Erzeugnis betragen am 31.12.t1 5.000 €. Für die Fertigstellung fallen in t2 noch produktionsbedingte Aufwendungen in Höhe von 3.000 € an. Für den Transport zum Kunden sind 800 € zu kalkulieren. Die Absatzpreise für das Fertigerzeugnis betragen: Fall a) 7.500 € – Fall b) 9.500 €. USt ist nicht zu berücksichtigen. Anzuwenden sind die IFRS. a) Wie ist am 31.12.t1 in den beiden Fällen zu bewerten? b) Erläutern Sie die Begriffe retrograde und verlustfreie Bewertung an Hand der zuvor dargelegten Daten. 6. Durch die starke bayerische und italienische Konkurrenz sind beim Automobilhersteller Silber-Flitzer AG die Margen erheblich unter Druck geraten. Besonders verheerend wirkte sich dies beim Modell »Silber-Flitzer 100 Turbo-Dynamik« aus, der ansonsten ausgezeichnete Verkaufszahlen aufweist. Rechnungswesensleiter Herbert Hobel-Span erhält u. a. folgende Aufstellung über den »Silber-Flitzer 100 Turbo-Dynamik«: Zeitpunkt der Datenerhebung
Voraussichtliche Ø Verkaufspreise gemäß aktueller Marktlage
Buchwert der unfertigen Fahrzeuge
Voraussichtlich noch erforderliche Aufwendungen bis zur Fertigstellung
Voraussichtliche Vertriebsaufwendungen
31.12.t1
600.000 T€
370.000 T€
250.000 T€
10.000 T€
15.1.t2
570.000 T€
450.000 T€
100.000 T€
10.000 T€
Der Abschluss zum 31.12.t1 ist am 15.1.t2 noch nicht fertig. Zwischen dem 31.12. und dem 15.1. werden keine der unfertigen Fahrzeuge ausgeliefert bzw. verkauft. Vor dem 31.12.t1 wurden keine außerplanmäßigen Abschreibungen für die unfertigen Fahrzeuge erfasst. Mit welchem Wert wären die unfertigen Fahrzeuge am 31.12.t1 in einem IFRSAbschluss zu bilanzieren (in enger Anlehnung an Bruns 2006, S. 99 ff.)? 7. Die historischen Anschaffungskosten für ein Kilogramm eines Rohstoffes betragen am 31.12.t1 500 €/kg. Ein Kilogramm befindet sich noch auf Lager. Eine Wiederbeschaffung wäre am Stichtag zu 450 €/kg möglich. Ein Kilogramm des Rohstoffes wird für die Fertigung eines Produktes verwendet. Bei der Fertigung fallen weitere Aufwendungen von 1.200 € an. Der Absatzpreis für das Produkt ergibt sich wie folgt: Fall a) 1.750 € und Fall b) 1.600 €. Wie ist in den beiden Fällen zu bewerten? Anzuwenden sind die internationalen Normen.
3.4 Originäre Finanzinstrumente 3.4.1 Einordnung und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Die Normenentwicklung im Bereich Finanzinstrumente unterliegt einem ständigen Wandel, der sich für Außenstehende nur schwer nachvollziehen lässt und der zudem sehr stark politisch geprägt ist (vgl. Kuhn 2007, S. 1 ff.; i. d. S. auch Haaker 2016, S. 366; Bischof/Daske/ Sextroh 2020, S. 589 ff.). So gelangte z. B. die Europäische Zentralbank bereits vor der Finanzkrise zu dem Schluss, die Bewertung von Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(fair value) könne aufgrund der höheren Volatilität der auszuweisenden Ergebnisse sowie der begrenzten Zuverlässigkeit von Zeitwertschätzungen möglicherweise »negative Auswirkungen (…) auf die Stabilität des Finanzsystems haben« (Europäische Zentralbank 2004, S. 89). Ausgelöst durch die im Jahr 2007 beginnende Finanzkrise hat das IASB auf Anregung der G 20 begonnen, die Komplexität bei der Bewertung von Finanzinstrumenten, die ohne Spezialkenntnisse nur schwer zu durchdringen war, zu reduzieren (vgl. IFRS 9.IN2 ff.; kritisch hierzu Haaker 2014, S. 2790 ff.). Seit dem 1.1.2018 ist der IFRS 9 anzuwenden, der den alten Rechnungslegungsstandard IAS 39 weitestgehend abgelöst hat.17 Aufgrund der Vielzahl einschlägiger Rechnungslegungsnormen sollen diese zunächst kurz skizziert werden. Im Rahmen der internationalen Rechnungslegung sind insbesondere folgende Standards relevant: y IFRS 9 (Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung) behandelt den Ansatz und die Bewertung von Finanzinstrumenten sowie die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen. Nach deutschen Normen sind neben den handelsrechtlichen GoB (s. Kap. II.4) auch IDW RS HFA 48 mit Bezug auf IFRS 9 sowie IDW RS HFA 50 M1-M3 zu berücksichtigen.18 y IAS 32 (Finanzinstrumente: Darstellung) definiert Finanzinstrumente, finanzielle Vermögenswerte, finanzielle Verbindlichkeiten sowie Eigenkapitalinstrumente. Geregelt werden die Darstellung von Finanzinstrumenten als Verbindlichkeiten oder Eigenkapitalinstrumente und die Saldierung von finanziellen Vermögenswerten mit den finanziellen Verbindlichkeiten (IAS 32.2). y IFRS 7 (Finanzinstrumente: Angaben) geht auf die Offenlegungspflichten (IFRS 7.1; s. Kap. III.3.4.2.6) ein.
3.4.2 Originäre Finanzinstrumente nach IFRS 3.4.2.1 Definitionen Ein Finanzinstrument (financial instrument) ist nach IAS 32.11 definiert als ein »Vertrag, der gleichzeitig bei einem Unternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem anderen Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt«. Der Begriff des Finanzinstruments ist dabei nicht auf originäre Finanzinstrumente beschränkt, sondern schließt auch derivative Finanzinstrumente mit ein (vgl. Albrecht et al. 2013, S. 274; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 273 ff.; s. Kap. III.3.5). Als Finanzinstrument gelten aktivisch alle Positionen, die nicht immaterielles Vermögen, Sachanlagevermögen, Vorratsvermögen, Steueransprüche, Sachleistungsforderungen oder Abgrenzungsposten sind. Z. B. zählen zu diesen finanziellen Vermögenswerten (financial assets) flüssige Mittel (z. B. Kassenbestand oder Bankguthaben), als Aktivum gehaltene Eigenkapitalinstrumente eines anderen Unternehmens (z. B. Aktien), vertragliche Rechte, flüssige Mittel zu erhalten (z. B. Bankeinlagen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Forderungen aus Krediten oder Anleihen), finanzielle Vermögenswerte zu erhalten (z. B. Kaufoptionen), finanzielle Vermögenswerte bzw. Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen auszutauschen (z. B. Verkaufsoptionen) sowie ein in eigenen Eigenkapitalinstrumenten zu erfüllender Vertrag (IAS 32.11). Finanzielle Vermögenswerte umfassen somit insbesondere erworbene Eigenkapital- und Schuldinstrumente.
17 Erstanwender von IFRS 9 haben bei der Bilanzierung das Wahlrecht, Sicherungsbeziehungen entweder weiterhin nach IAS 39 oder nach IFRS 9 zu bilanzieren (IFRS 9.7.2.21; vgl. IDW 2021, Kapitel K, Abschnitt 3.10 f.). Zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IAS 39 siehe Ruhnke/Simons 2018 sowie auch z. B. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 291 ff. 18 Der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) hat am 12.5.2020 die Module M2 und M3 zur Klärung von Anwendungsfragen und Problemen bei der Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 verabschiedet.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Als Finanzinstrument gelten passivisch alle Positionen, die nicht Eigenkapital, Sachleistungsverpflichtung, Abgrenzungsposten oder Rückstellungen sind. Zu den finanziellen Verbindlichkeiten (financial liabilities) zählen vertragliche Verpflichtungen, finanzielle Vermögenswerte an ein anderes Unternehmen abzugeben bzw. zum Umtausch von finanziellen Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten sowie ein in eigenen Eigenkapitalinstrumenten zu erfüllender Vertrag (IAS 32.11). Beispiele für finanzielle Verbindlichkeiten sind Bankverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung sowie gegen verbundene Unternehmen und Darlehensverbindlichkeiten. Klassifizierung 3.4.2.2 Nach IFRS 9.4.1.1 lassen sich finanzielle Vermögenswerte in die Kategorien »Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten« (amortised cost, AC) und Bewertung zum beizulegenden Zeitwert unterteilen, wobei bei letzteren zwischen einer »ergebniswirksamen Bewertung über die GuV« (at fair value through profit or loss, FVPL) und einer »ergebnisneutralen Bewertung über das sonstige Ergebnis« (at fair value through other comprehensive income, FVOCI; s. Kap. II.5.3.3.3.a) unterschieden wird (IFRS 9.4.1.1). Des Weiteren gewährt IFRS 9.4.1.5 eine sogenannte fair value-Option (s. Kap. III.3.4.2.5d), nach welcher ein finanzieller Vermögenswert im Zugangszeitpunkt freiwillig der Bewertungsklasse »ergebniswirksame Behandlung zum beizulegenden Zeitwert« (FVPL) designiert werden kann, wenn dies zur Vermeidung oder Verringerung einer Bewertungs- oder Ansatzinkongruenz führt. Ein finanzieller Vermögenswert ist in die Kategorie Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten einzuordnen, wenn die beiden folgenden Kriterien erfüllt sind: y Der finanzielle Vermögenswert wird im Rahmen eines Geschäftsmodells gehalten, dessen Zielsetzung darin besteht, finanzielle Vermögenswerte zur Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme zu halten (Geschäftsmodellkriterium »Halten und Vereinnahmung«; IFRS 9.4.1.2.a). y Die Vertragsbedingungen des finanziellen Vermögenswerts führen zu festgelegten Zeitpunkten zu Zahlungsströmen, die ausschließlich Zins- und Tilgungszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag darstellen (Zahlungsstromkriterium; IFRS 9.4.1.2.b). Eine Zuordnung zur Kategorie ergebnisneutrale Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI) ist ebenfalls von einem Geschäftsmodell- und einem Zahlungsstromkriterium abhängig: y Der finanzielle Vermögenswert wird im Rahmen eines Geschäftsmodells gehalten, dessen Zielsetzung sowohl in der Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme als auch in dem Verkauf finanzieller Vermögenswerte besteht (Geschäftsmodellkriterium »Halten, Vereinnahmung und Verkauf«; IFRS 9.4.1.2.A.a). y Zahlungsstromkriterium (unverändert, siehe oben, IFRS 9.4.1.2.A.b). Die Zuordnung zur Kategorie ergebniswirksame Bewertung über die GuV (FVPL) ist für folgende finanzielle Vermögenswerte vorzunehmen: y Finanzielle Vermögenswerte, die zu Handelszwecken gehalten werden, y Eigenkapitalinstrumente der Aktivseite, y derivative Finanzinstrumente (Derivate, s. Kap. III.3.5), y sonstige finanzielle Vermögenswerte, die nicht das Geschäfts- und Zahlungsstromkriterium erfüllen (u. a. Schuldinstrumente mit komplexen Risikostrukturen, wie z. B. Indexanleihen) sowie y finanzielle Vermögenswerte, für welche die fair value-Option ausgeübt wurde.
480
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Abbildung III.3./3 verdeutlicht die Klassifizierung von finanziellen Vermögenswerten nach IFRS 9. Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten
Geschäftsmodellkriterium: Halten und Vereinnahmen der vertraglich vereinbarten Zahlungsströme aus finanziellen Vermögenswerten
Zahlungsstromkriterium: Vertragliche Zahlungsströme: Nur Zins- und Tilgungszahlungen auf ausstehenden Nominalwert
Bewertung zum beizulegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis (nicht ergebniswirksam)
Bewertung zum beizulegenden Zeitwert über die GuV (ergebniswirksam)
Geschäftsmodellkriterium: Halten und Vereinnahmen der vertraglich vereinbarten Zahlungsströme aus finanziellen Vermögenswerten sowie die Veräußerung der finanziellen Vermögenswerte
Zu Handelszwecken gehaltene finanzielle Vermögenswerte
Zahlungsstromkriterium: Vertragliche Zahlungsströme: Nur Zins- und Tilgungszahlungen auf ausstehenden Nominalwert
Ausübung der fair value-Option (unter Bedingungen)
Eigenkapitalinstrumente Derivate Sonstige Vermögenswerte, welche die Voraussetzungen für eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis nicht erfüllen fair value-Option
Reklassifizierung (bei Änderung des Geschäftsmodells)
Abb. III.3./3 Klassifizierung von finanziellen Vermögenswerten19
Unter bestimmten Voraussetzungen ist für nicht derivative finanzielle Vermögenswerte ein Wechsel der Bewertungskategorie erforderlich. Dieser Vorgang wird als Reklassifizierung bezeichnet.20 Reklassifizierungen zwischen den unterschiedlichen Bewertungskategorien setzen nach IFRS 9 eine Änderung des Geschäftsmodells zur Steuerung der Finanzinstrumente voraus. Eine Änderung des Geschäftsmodells erfordert es, dass diese von der Unternehmensleitung als Ergebnis externer oder interner Änderungen festlegt wird. Die Änderungen müssen zudem einen wesentlichen Einfluss auf die operative Geschäftstätigkeit haben und gegenüber Dritten nachweisbar sein (IFRS 9.B4.4.1). Dabei kann ein Unternehmen mehrere Geschäftsmodelle parallel verfolgen. Beispielsweise können einzelne Finanzinstrumente zu Portfolios aggregiert und diese Portfolios anschließend verschiedenen Geschäftsmodellen zugeordnet werden. Reklassifizierungen sind zudem bei erstmaliger Anwendung von IFRS 9 zulässig, wenn die Bedingungen der jeweiligen Bewertungskategorien erfüllt sind (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rn. 525 f.). Die Umgliederung ist ab dem Zeitpunkt der Reklassifizierung vorzunehmen. Bereits erfasste Gewinne, Verluste oder Zinserträge dürfen nicht nachträglich angepasst werden (IFRS 9.5.6.1). Eine Reklassifizierung scheidet aus, wenn die fair value-Option ausgeübt wurde oder ein vertragliches Merkmal im Zeitablauf wegfällt oder ausläuft, welches die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert mit Wertänderungen
19 In Anlehnung an Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 307. 20 Die Coronavirus-Pandemie hatte zum Teil erhebliche kurzfristige und langfristige Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen. Für sich ggf. daraus ergebende Wertberichtigungen bei Finanzinstrumenten nach IFRS 9 ist die Berücksichtigung aktueller Stellungnahmen zu empfehlen, siehe z. B. IDW Bankenfachausschuss (BFA) 2020a, 2020b.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
481
im sonstigen Ergebnis (FVOCI) bei erstmaliger Erfassung verhindert hätte. Abbildung III.3./4 fasst die Behandlung der Gewinne und Verluste zum Reklassifizierungszeitpunkt finanzieller Vermögenswerte zusammen.
FVOCI FVPL
Bewertungskategorie vor der Reklassifizierung
Fortgeführte Anschaffungskosten
Bewertungskategorie nach der Reklassifizierung FVPL
FVOCI
Neubewertung des finanziellen Vermögenswerts zum beizulegenden Zeitwert. Die Differenz zwischen Nettobuchwert (Bruttobuchwert abzgl. Risikovorsorge) und dem beizulegenden Zeitwert wird ergebniswirksam erfasst.
Neubewertung des finanziellen Vermögenswerts zum beizulegenden Zeitwert. Die Differenz zwischen (Brutto-) Buchwert und beizulegendem Zeitwert wird ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (OCI) erfasst. Die Risikovorsorge wird ergebnisneutral ausgebucht.
–
–
Neubewertung des finanziellen Vermögenswerts im Reklassifizierungszeitpunkt. Ausbuchung der im kumulierten sonstigen Ergebnis angesammelten Beträge gegen den finanziellen Vermögenswert (ergebnisneutral). Einbuchung einer Risikovorsorge (ergebnisneutral).
Unveränderter Bilanzansatz des finanziellen Vermögenswerts. Ergebniswirksames recycling der im kumulierten sonstigen Ergebnis angesammelten Beträge.
–
Unveränderter Bilanzansatz des finanziellen Vermögenswerts. Ermittlung des Effektivzinssatzes auf Basis des beizulegenden Zeitwerts. Erstmalige Anwendung der Wertminderungsvorschriften.
Fortgeführte Anschaffungskosten
Neubewertung des finanziellen Vermögenswerts im Reklassifizierungszeitpunkt. Der beizulegende Zeitwert des finanziellen Vermögenswerts wird zu dessen Bruttobuchwert. Ermittlung des Effektivzinssatzes auf Basis dieses Bruttobuchwerts. Erstmalige Anwendung der Wertminderungsvorschriften.
Abb. III.3./4 Reklassifizierungsszenarien im Überblick21
21 In Anlehnung an Berger/Struffert/Nagelschmitt 2014b, S. 1129. Einzelheiten zu den Wertminderungsvorschriften und zur Risikovorsorge finden sich in Kap. III.3.4.2.5.e. Eine weitere Übersicht befindet sich z. B. auch in Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 311 ff.
482
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Finanzielle Verbindlichkeiten werden im Regelfall zu fortgeführten Anschaffungskosten22 folgebewertet und entsprechend klassifiziert. Anders als bei finanziellen Vermögenswerten bleibt die Klassifizierung als »zum beizulegenden Zeitwert bewertet« nur wenigen Ausnahmefällen (z. B. bestimmte Derivate s. Kap. III.3.5) vorbehalten (IFRS 9.4.2.1) (s. Kap. III.3.5.1.2). Auch hier erfolgt eine Unterscheidung zwischen den Kategorien »ergebniswirksame Bewertung über die GuV« (at fair value through profit or loss, FVPL) und »ergebnisneutrale Bewertung über das sonstige Ergebnis« (at fair value through other comprehensive income, FVOCI). Darüber hinaus besteht für finanzielle Verbindlichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine fair value-Option (s. Kap. III.3.4.2.5d), welche eine ergebniswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) ermöglicht (IFRS 9.4.2.2). Reklassifizierungen sind für finanzielle Verbindlichkeiten nicht zulässig (IFRS 9.4.4.2). 3.4.2.3 Ansatz und Ausbuchung Der erstmalige Ansatz (initial recognition) eines Finanzinstruments ist gem. IFRS 9.3.1.1 unabhängig von seiner Klassifizierung vorzunehmen, wenn ein Unternehmen Vertragspartner wird und gleichzeitig zur Leistung oder Gegenleistung berechtigt oder verpflichtet wird (vgl. Ernst & Young 2021, S. 3841 f.). Die Form des Vertrages ist nicht vorgegeben. Daher kann es sich sowohl um einen schriftlichen als auch um einen mündlichen Vertrag handeln (vgl. Albrecht et al. 2013, S. 274; Pellens et al. 2021, S. 619). Da der Vertragspartner zur Leistung oder Gegenleistung lediglich berechtigt oder verpflichtet sein muss, bleibt die Wahrscheinlichkeit der Vertragserfüllung unberücksichtigt, sodass, anders als bei anderen Bilanzposten, grundsätzlich bereits schwebende Geschäfte (s. Kap. III.3.7.2.1.b1) zu bilanzieren sind. Dies gilt insbesondere für derivative Finanzinstrumente (vgl. Löw/Theile 2019, Rn. 2423; s. Kap. III.3.5). Die Ausbuchung (derecognition) eines finanziellen Vermögenswerts erfolgt, wenn die mit dem Instrument begründeten Rechte und Pflichten nicht mehr bestehen (IFRS 9.3.2.1 ff.; s. Kap. II.5.3.6). Eine finanzielle Verbindlichkeit ist gem. IFRS 9.3.3.1 ff. auszubuchen, wenn diese erloschen ist, d. h., wenn die im Vertrag genannten Verpflichtungen beglichen, aufgehoben oder ausgelaufen sind (vgl. auch Kuhn/Hachmeister 2015, Teil D; Ernst & Young 2021, S. 4098 ff.). Die Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte erfordert neben einer rechtlichen auch eine wirtschaftliche Betrachtung (vgl. IASB F.4.6, s. Kap. II.5.3.2.3.a21). Damit soll die Realisierung von Gewinnen verhindert werden, wenn nur das rechtliche Eigentum, nicht aber die wirtschaftlichen Risiken übertragen werden (z. B. bei Verbriefungen, siehe dafür Pellens et al. 2021, S. 156; IFRS 9.3.2.2). Finanzinstrumente sind auch dann auszubuchen, wenn die Bedingungen des Vertrages wesentlich geändert werden. Beispiele für derartige Änderungen können Anpassungen an das aktuelle Marktzinsniveau oder Stundungen bei Zahlungsschwierigkeiten sein (vgl. Gehrer/Krakuhn/Schüz 2015, S. 35; IDW Bankenfachausschuss 2020a, 2020b). Abbildung III.3./5 enthält ein zusammenfassendes Prüfschema zur Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte:
22 Siehe IFRS 9.A.1 ff.: »Fortgeführte Anschaffungskosten eines finanziellen Vermögenswerts oder einer finanziellen Verbindlichkeit«.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
Rechte auf Zahlungsströme aus dem Vermögenswert ausgelaufen? (IFRS 9.3.2.3.a)
ja
Vermögenswert ausbuchen
nein
Vermögenswert weiter erfassen
ja
Vermögenswert ausbuchen
ja
Vermögenswert weiter erfassen
483
nein Rechte auf Zahlungsströme wurden übertragen? (IFRS 9.3.2.4.a) nein
ja
Wurde eine Verpflichtung zur Weiterreichung von Zahlungsströmen gem. IFRS 9.3.2.5 übernommen? (IFRS 9.3.2.4.b) ja Alle wesentlichen Risiken und Chancen übertragen? (IFRS 9.3.2.6.a) nein Im Wesentlichen alle Risiken und Chancen zurückbehalten? (IFRS 9.3.2.6.b) nein Verfügungsmacht behalten? (IFRS 9.3.2.6.c)
nein
Vermögenswert ausbuchen
ja Vermögenswert im verbleibenden Umfang weiter erfassen
Abb. III.3./5 Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte23
3.4.2.4 Erstbewertung Sind die Ansatzvoraussetzungen für ein Finanzinstrument erfüllt, so stellt sich die Frage, zu welchem Wert diese in der Bilanz angesetzt werden sollen. Die Erst- bzw. Zugangsbewertung erfolgt für alle Kategorien von Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 9.5.1.1; vgl. Berger/Struffert/Nagelschmitt 2014a, S. 1075; s. Kap. II.5.3.6.3). Da die Anschaffungskosten (s. Kap. II.5.3.7.1) der hingegebenen bzw. erhaltenen Leistung regelmäßig den beizulegenden Zeitwert im Zeitpunkt der Anschaffung darstellen, handelt es sich hier definitionsgemäß um die Anschaffungskosten (IFRS 9.B5.1.1). Demnach sind Anschaffungsnebenkosten grundsätzlich zu berücksichtigen, was wiederum zu einer Vermischung der beiden Bewertungsmaßstäbe beizulegender Zeitwert und Anschaffungskosten führt (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rn. 301 ff.). Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Transaktionskosten, wie Gebühren und Provisionen (IFRS 9.B5.4.8), ist entscheidend, ob das aktivische oder passivische Finanzinstrument ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) folgebewertet wird. Bei einer ergebniswirksamen Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) sind die Transaktionskosten unmittelbar als Aufwand in der GuV zu erfassen, während die Transaktionskosten bei einer ergebnisneutralen Folgebewertung gem. IFRS 9.5.1.1 bei der Ermittlung der Anschaffungskosten (Erhöhung des Zugangswertes von finanziellen Vermögenswerten und Verminderung des Zugangswertes von finanziellen Verbindlichkeiten) zu berücksichtigen sind (IFRS 9.5.1.1; vgl. Kuhn/Scharpf 2006, S. 262 ff.; Ernst & Young 2021, S. 3858 f.). Somit
23 In Anlehnung an IFRS 9.B3.2.1.
484
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
ist es möglich, dass der Wertansatz bei erstmaliger Erfassung den beizulegenden Zeitwert übersteigt. Agien, Disagien, Finanzierungskosten sowie interne Verwaltungs- oder Haltekosten stellen keine Transaktionskosten dar (IFRS 9.B5.4.8). Die beim Verkauf eines finanziellen Vermögenswertes bzw. bei der Erfüllung einer finanziellen Verbindlichkeit anfallenden Transaktionskosten sind stets als Aufwand zu buchen. 3.4.2.5 Folgebewertung a. Finanzinstrumente zu fortgeführten Anschaffungskosten Die Folgebewertung von finanziellen Vermögenswerten richtet sich nach ihrer Klassifizierung (s. Kap. III.3.4.2). Finanzielle Vermögenswerte werden zu fortgeführten Anschaffungskosten folgebewertet, wenn gem. IFRS 9.4.1.2 sowohl das Geschäftsmodell- als auch das Zahlungsstromkriterium erfüllt sind.24 In diesem Fall erfolgt die Folgebewertung nach der Effektivzinsmethode (s. Kap. III.2.1.3.2; vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rn. 308). Die Wertentwicklung des beizulegenden Zeitwerts bleibt dabei unberücksichtigt. Wertminderungen werden nur bei Vorliegen von entsprechenden objektiven Hinweisen (s. Kap. III.3.4.2.5.e) vorgenommen. Sofern nicht sowohl das Geschäftsmodell als auch das Zahlungsstromkriterium erfüllt sind, erfolgt die Folgebewertung mit dem beizulegenden Zeitwert. Da Zinszahlungen im Rahmen der Effektivzinsmethode berücksichtigt werden, erfolgt die Bewertung über das Zinsergebnis (vgl. Ernst & Young, 2021, S. 3870f). Der Effektivzinssatz ist der Zinssatz, für den die Summe aller auf den Anschaffungszeitpunkt diskontierten zukünftigen Zins- und Tilgungszahlungen (Barwert) dem Buchwert des Finanzinstruments bei erstmaligem Ansatz entspricht (sog. interner Zinsfuß). Wird ein Finanzinstrument unter Nennbetrag erworben, kommt es zu einer jährlichen sukzessiven Aufwertung über die Laufzeit. Wird ein Finanzinstrument hingegen über Nennbetrag erworben, erfolgt eine entsprechende jährliche Abwertung. Der Buchwert entspricht dabei den Anschaffungskosten zuzüglich bzw. abzüglich einer Zinsabgrenzung. Aus dieser Zinsabgrenzung ergibt sich die Fortführung der Anschaffungskosten. Direkt zurechenbare Transaktionskosten werden bei erstmaligem Ansatz aktiviert und über die Laufzeit amortisiert (IFRS 9.B5.4.1 ff.). Die Ermittlung zukünftiger Zahlungsströme basiert grundsätzlich auf den vertraglich vereinbarten Zahlungsströmen. Bei Unsicherheit bezüglich der Zahlungsströme ist der Verlauf zu schätzen (vgl. Ernst & Young 2021, S. 3881). Dabei bleiben mögliche Zahlungsausfälle unberücksichtigt, da sie im Rahmen der Risikovorsorge separat erfasst werden (s. Kap. III.3.4.2.6). Bei variabel verzinsten Finanzinstrumenten entspricht der variable Zinssatz bei erstmaliger Erfassung regelmäßig dem Effektivzinssatz (vgl. Ernst & Young 2021, S. 3885). Ändert sich der variable Zinssatz, so wirkt sich dies unmittelbar auf die Effektivzinsen aus, welche fortlaufend ergebniswirksam erfasst werden (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rn. 315; IFRS 9.B5.4.6). Eine Anpassung des Buchwerts eines ausgegebenen Finanzinstruments infolge von Marktzinsänderungen ist somit nicht erforderlich, solange der variable Zinssatz marktüblich ist und keine direkt zurechenbaren Transaktionskosten anfallen. Letz-
24 Die Coronavirus-Pandemie hat große Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen und stellt das im folgenden Kapitel beschriebene expected-credit-loss-Modell (ECL-Modell) zur Ermittlung der Wertberichtigung nach IFRS 9 auf eine große Bewährungsprobe (vgl. Bär et al. 2020, S. 1179).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
485
tere werden, ebenso wie Provisionen, gesondert als Bestandteil der Zinsen über die Laufzeit verteilt. Sofern eine Wertaufholung eines wertgeminderten finanziellen Vermögenswerts nicht mehr zu erwarten ist, ist dieser durch eine Reduzierung des Bruttobuchwerts abzuschreiben (IFRS 9.5.4.4). Beispiel Fortgeführte Anschaffungskosten unter Berücksichtigung der Effektivzinsmethode Unternehmen A emittiert am 1.1.t1 zur langfristigen Fremdfinanzierung 2.000 Anleihen zum Nominalbetrag von 5 T€, die jährlich mit 4 % verzinst werden. Die Laufzeit beträgt 3 Jahre. Unternehmen B erwirbt am 2.1.t1 fünf Anleihen von Unternehmen A zum Preis von je 4,5 T€ und beabsichtigt, diese bis zu deren Endfälligkeit zu halten. Hierbei entstehen Transaktionskosten in Höhe von 0,5 T€. Der erwartete Verlust für die nächsten 12 Monate beträgt zu allen Bilanzstichtagen jeweils 0 €. Analog zu dem in Kap. III.2.1.3.2 dargestellten Beispiel ist im ersten Schritt der Effektivzinssatz zu ermitteln. Im zweiten Schritt sind die fortgeführten Anschaffungskosten zu errechnen. Für die Ermittlung des Effektivzinssatzes muss Unternehmen B die nachfolgende Gleichung nach ieff aufzulösen. 0 = – 23 T€ + 1 T€ / (1 + ieff )1 + 1 T€ / (1 + ieff )2 + 1 T€ / (1 + ieff )3 + 25 T€ / (1 + ieff )3 – 23 T€ = (5 Stück × (– 4,5 T€)) – 0,5T€
1 T€ = 5 Stück × (5 T€ × 4 %)
Der mithilfe des Tabellenkalkulationsprogramms Excel und der Funktion »Zielwertsuche« ermittelte Effektivzinssatz beträgt ieff = 7,05 %. Die nachfolgende Tabelle stellt die fortgeführten Anschaffungskosten jeweils zum Jahresende dar. a (fortgeführte) Anschaffungskosten 1.1.
b = a · ieff effektiver Zinsertrag
c nominale Zinszahlung
d = a + b – c (fortgeführte) Anschaffungskosten 31.12.
t1
23.000 €
1.622 €
1.000 €
23.622 €
t2
23.622 €
1.665 €
1.000 €
24.287 €
t3
24.287 €
1.713 €
1.000 €
25.000 €
Jahr
Im Zeitablauf ist bei Unternehmen B wie folgt zu buchen: Buchung am 1.1.t1 aktiv. Finanzinstrument
23.000 €
an
Bank
23.000 €
1.000 € 622 €
an an
Zinsertrag Zinsertrag
1.000 € 622 €
1.000 € 665 €
an an
Zinsertrag Zinsertrag
1.000 € 665 €
Buchungen am 31.12.t1 Bank aktiv. Finanzinstrument Buchungen am 31.12.t2 Bank aktiv. Finanzinstrument
486
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Buchungen am 31.12.t3 Bank aktiv. Finanzinstrument Bank
1.000 € 713 € 25.000 €
an an an
Zinsertrag Zinsertrag aktiv. Finanzinstrument
1.000 € 713 € 25.000 €
Finanzielle Verbindlichkeiten werden grundsätzlich zu fortgeführten Anschaffungskosten folgebewertet, sofern keiner der folgenden Ausnahmetatbestände gem. IFRS 9.4.2.1 greift: y Finanzielle Verbindlichkeiten, die zum Handelsbestand gehören und Derivate werden ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) folgebewertet. y Finanzielle Verbindlichkeiten, die entstehen, weil eine Transaktion nicht zu einer Ausbuchung führt. Diese sind gem. IFRS 9.3.2.15 ff. in Abhängigkeit von der jeweiligen Fallkonstellation entweder zu fortgeführten Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten. y Garantieverpflichtungen sind zum Maximum aus dem Erfüllungsbetrag nach IAS 37 (s. Kap. II.5.3.6.2) und dem um kumulierte Wertberichtigungen verringerten beizulegenden Zeitwert zu bewerten. y Niedrigverzinsliche Kreditzusagen sind ebenfalls nach dem vorgenannten Konzept zu bewerten. Bei finanziellen Verbindlichkeiten, welche zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten sind, erfolgt die Bewertung ebenfalls nach der Effektivzinsmethode. Dabei ist der Effektivzinssatz von dem Verhältnis zwischen Buchwert bei erstmaligem Ansatz und den zukünftigen Zins- und Tilgungszahlungen abhängig. Der beizulegende Zeitwert ist für die Folgebewertung nicht maßgeblich. Ein eventuell gestiegener Marktwert bleibt unberücksichtigt. b. Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert (ergebniswirksam) Schuldinstrumente auf der Aktivseite, welche das Zahlungsstromkriterium nicht erfüllen, werden ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) erfasst (IFRS 9.4.1.4). Die Bewertung erfolgt häufig zum dirty price, welcher per Definition auch angesammelte, aber noch nicht fällige Zinsen (sog. Stückzinsen) enthält. Die Stückzinsen spiegeln sich dann im beizulegenden Zeitwert wider, sodass die Bildung gesonderter Zinsabgrenzungsposten (Agios oder Disagios) nicht erforderlich ist. Alternativ ist jedoch auch eine Bewertung zum zinsbereinigten clean price möglich. In diesem Fall werden angesammelte Zinsen separat auf einem Abgrenzungskonto erfasst (vgl. Eisele/Knobloch 2018, S. 303; vgl. Grünberger 2021, S. 160 f.). Eigenkapitalinstrumente auf der Aktivseite, insbesondere solche, die zum Handelsbestand (IFRS 9.5.7.1 i. V. m. IFRS 9.5.7.5) gehören, werden ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) folgebewertet (IFRS 9.4.1.4), wenn sie in den Anwendungsbereich von IFRS 9 fallen. Dazu zählen neben stimmrechtlosem Eigenkapital auch Anteile von weniger als 20 % am stimmberechtigten Eigenkapital.25 Für Eigenkapitalinstrumente, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, besteht zudem die Möglichkeit einer ergebnisneutralen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert
25 Eigenkapitalinstrumente, die maßgeblichen Einfluss (IAS 28.4) an einem anderen Unternehmen begründen, fallen unter den Anwendungsbereich von IFRS 10 (Konzernabschlüsse), IFRS 11 (Gemeinsame Vereinbarungen), IAS 27 (Einzelabschlüsse) oder IAS 28 (Anteile an einem Tochterunternehmen, einem assoziierten Unternehmen oder einem Gemeinschaftsunternehmen). Für Details zur Konzernrechnungslegung s. Kap. IV.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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(sog. FVOCI-Option; IFRS 9.5.7.5; s. Kap. III.3.4.2.5c). Von Handelszwecken ist auszugehen, wenn Gewinnerzielungen durch kurzfristige Preisschwankungen angestrebt werden. Finanzielle Verbindlichkeiten sind nur dann zwingend ergebniswirksam über die GuV zu bewerten, wenn sie zu Handelszwecken gehalten werden (IFRS 9.4.2.1.a). Dies sind finanzielle Verbindlichkeiten, die in der Absicht einer kurzfristigen Rückzahlung oder einer Übertragung mit Gewinnerzielungsabsicht aufgenommen werden. Darüber hinaus gehören auch alle Derivate zum Handelsbestand, soweit diese nicht als Sicherungsgeschäft designiert sind (s. Kap. III.3.5). Für alle übrigen finanziellen Verbindlichkeiten kommt eine Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert nur im Rahmen der fair value-Option in Betracht (s. Kap. III.3.4.2.5d; vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 295 f.). c. Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert (ergebnisneutral) Für Eigenkapitalinstrumente auf der Aktivseite, die nicht zum Handelsbestand gehören (IFRS 9.5.7.5), besteht bei erstmaliger Erfassung das Wahlrecht, Wertänderungen von Eigenkapitalinstrumenten ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (other comprehensive income, OCI; s. Kap. II.5.3.3.3.a) zu erfassen (IFRS 9.5.7.1.b). Die Ausübung dieser sog. FVOCI-Option (fair value through other comprehensive income-Option) ist unwiderruflich und auf den Anschaffungszeitpunkt bzw. den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung von IFRS 9 beschränkt, kann jedoch für jedes Eigenkapitalinstrument separat ausgeübt werden (IFRS 9.5.7.5). Veräußerungsgewinne, und -verluste sowie Verluste aus dauerhaften Wertminderungen oder Liquidation des Emittenten werden ebenfalls im sonstigen Ergebnis erfasst (vgl. Mannigel/Wüest 2015, S. 478; Pellens et al. 2021, S. 650). Das Wahlrecht besteht nicht in Bezug auf zusammengesetzte Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumente (z. B. eine erworbene Wandelanleihe). Alle Wertänderungen werden in einer Neubewertungsrücklage für Eigenkapitalinstrumente erfasst (vgl. Buchholz 2017, S. 142). Der Gewinn aus der Neubewertungsrücklage ist im Falle der Veräußerung in eine andere Rücklage umzubuchen (z. B. Gewinnrücklage s. Kap. III.3.6.3.2; IFRS 9.B5.7.9; vgl. Pellens et al. 2021, S. 651). Schuldinstrumente auf der Aktivseite werden ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI) erfasst, wenn sie im Rahmen eines Geschäftsmodells gehalten werden, welches sowohl auf das Halten als auch den Verkauf der jeweiligen Finanzinstrumente abzielt (Abb. III.3./6; IFRS 9.4.1.2A.a). Dabei ist eine gesonderte Ermittlung der Effektivzinsen erforderlich. Diese werden im Zinsergebnis dargestellt. Nur die übrigen Wertänderungen werden im sonstigen Ergebnis ausgewiesen. Werden Schuldinstrumente bis zur Endfälligkeit gehalten, dann gleichen sich im sonstigen Ergebnis erfasste Wertänderungen aus und es besteht bei Endfälligkeit kein OCI, welches in die GuV umgegliedert werden muss. Wird ein über das sonstige Ergebnis bewertetes Finanzinstrument veräußert, so wird die im sonstigen Ergebnis abgebildete Wertänderung über die GuV realisiert (sog. recycling; s. Kap. II.5.3.3.3.a; IFRS 9.5.7.10; vgl. Pellens et al. 2021, S. 650). d. Fair Value-Option Da die Fair value-Option das Geschäftsmodell- sowie das Zahlungsstromkriterium voraussetzt, kommt sie nicht für alle finanziellen Vermögenswerte in Betracht, sondern ist nur für Schuldinstrumente auf der Aktivseite zu prüfen. Für Schuldinstrumente, für die eine Bewertung zu Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis (FVOCI) zulässig ist (z. B. Darlehn), besteht unter bestimmten Voraussetzungen das Wahlrecht einer ergebniswirksamen Erfassung zum beizulegenden Zeitwert über die GuV (FVPL; IFRS 9.4.1.5). Die Ausübung des Wahlrechts muss bereits bei erstmaliger Erfassung des Finanzin-
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
struments erfolgen und ist an die Bedingung geknüpft, dass durch die Ausübung des Wahlrechts Inkonsistenzen im Ansatz oder der Bewertung signifikant verringert oder vermieden werden (IFRS 9.4.1.5; vgl. Gehrer/Krakuhn/Schüz 2014, S. 386; Ernst & Young 2021, S. 3853 ff.). Grundsätzlich lassen sich bei finanziellen Vermögenswerten drei Arten von Inkonsistenzen (sog. accounting mismatch, IFRS 9.4.1.5) unterscheiden (ausführlich Grünberger 2021, S. 150 ff.): y Inkonsistenzen durch Finanzinstrumente auf entgegengesetzter Bilanzseite können sich ergeben, wenn die Bewertung oder Ergebnisrealisierung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf unterschiedlicher Basis stattfinden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn festverzinsliche Anleihen auf der Aktivseite zu fortgeführten Anschaffungskosten und zugleich festverzinsliche Verbindlichkeiten auf der Passivseite zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden. Im Falle einer Marktzinsänderung entstehen dann künstliche Bewertungsdifferenzen, weil sich die Marktzinsänderungen ausschließlich auf den Buchwert der Verbindlichkeiten auswirken. y Inkonsistenzen durch Finanzinstrumente auf derselben Bilanzseite entstehen, wenn ihre jeweiligen Wertänderungen bei Marktänderungen entgegengerichtet verlaufen. y Inkonsistenzen zwischen Finanz- und Nichtfinanzinstrumenten: In diesem Fall bleibt das Wahlrecht auf das Finanzinstrument beschränkt. Ein Anwendungsfall kann z. B. vorliegen, wenn ein Unternehmen Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen hat, in deren Bewertung gem. IFRS 17 aktuelle Informationen einfließen und aus seiner Sicht zugehörige finanzielle Vermögenswerte, die ansonsten entweder ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert im sonstigen Ergebnis (FVOCI) oder zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet würden (IFRS 9.B4.1.30.a). Bei Ausübung des Wahlrechts ist die Designation beizubehalten, bis das jeweilige Finanzinstrument ausgebucht wird. Dies gilt auch dann, wenn der Grund für die Ausübung des Wahlrechts zwischenzeitlich entfällt. Für finanzielle Verbindlichkeiten besteht bei erstmaligem Ansatz unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ein unwiderrufliches Wahlrecht, diese zum beizulegenden Zeitwert über die GuV (FVPL) zu bewerten (IFRS 9.4.2.2). Wie bei finanziellen Vermögenswerten ist die Ausübung des Wahlrechts zulässig, wenn dadurch eine bilanzielle Inkonsistenz verringert oder vermieden wird (IFRS 9.4.2.2.a; für ein Beispiel siehe IFRS 9.B4.1.29 ff.). Die Ausübung des Wahlrechts ist außerdem gestattet, wenn ein Unternehmen eine Gruppe von finanziellen Verbindlichkeiten oder finanziellen Vermögenswerten und finanziellen Verbindlichkeiten so steuert und ihre Wertentwicklung so beurteilt, dass die ergebniswirksame Bewertung dieser Gruppe mit dem beizulegenden Zeitwert zu relevanteren Informationen führt (IFRS 9.4.2.2.a; vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 425). »Ein Beispiel wäre ein Unternehmen, das ›strukturierte Produkte‹ mit mehreren eingebetteten Derivaten emittiert hat und die daraus resultierenden Risiken mit einer Mischung aus derivativen und nicht derivativen Finanzinstrumenten auf Basis des beizulegenden Zeitwerts steuert« (IFRS 9.B4.1.34). Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist im Anhang zu dokumentieren. Eine Ausnahmeregelung gilt für Änderungen des beizulegenden Zeitwerts, welche auf das eigene Kreditrisiko zurückzuführen sind (IFRS 9.5.7.1.c). Derartige Wertänderungen werden bei Ausübung der fair value-Option getrennt von den übrigen Wertänderungen ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (FVOCI) erfasst, wenn durch den getrennten Ausweis keine Bewertungsinkonsistenz entsteht oder vergrößert wird (IFRS 9.5.7.7; IFRS 9.B5.7.10 ff.). Abbildung III.3./6 fasst die vorherigen Ausführungen zu finanziellen Vermögenswerten zusammen.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
Eigenkapitalinstrumente
Schuldinstrumente
Geschäftsmodell: Halten
Geschäftsmodell: Halten & Verkaufen
nein
ja
489
ja
nein
Handelsabsicht
ja nein
Zahlungsstromkriterium erfüllt?
ja
nein
ja nein
ja
fair value-Option
nein
nein
Fortgeführte Anschaffungskosten
FVOCI-Option
ja
FVOCI (mit recycling)
Effektivzinsen, Wechselkurse und erwartete Kreditverluste über GuV
FVPL
FVOCI (ohne recycling)
Alle Effekte über GuV
Dividenden: GuV, Veräußerungsgewinne: OCI
Abb. III.3./6 Bewertung von finanziellen Vermögenswerten26
Abbildung III.3./7 gibt einen Überblick über die Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten. Finanzielle Verbindlichkeit Zu Handelszwecken gehalten
nein
fair value-Option
nein
ja
ja ja
Wird ein getrennter Ausweis von kreditrisikoinduzierter FVÄnderung Inkongruenzen in der GuV erzeugen oder vergrößern? nein
nein
FV-Änderung aufgrund des eigenen Kreditrisikos ja
FVPL
FVOCI (ohne recycling)
Fortgeführte Anschaffungskosten
Abb. III.3./7 Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten27
26 In Anlehnung an Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 307; Berger/Struffert/Nagelschmitt 2014a, S. 1077; Gehrer/ Krakuhn/Schüz 2014, S. 387; Khakzad 2014, S. 108. Legende: FVOCI: fair value through other comprehensive income (beizulegender Zeitwert über das sonstige Ergebnis); FVPL: fair value through profit or loss (beizulegender Zeitwert über die GuV). 27 In Anlehnung an Schatz/Beck 2016, S. 13. Legende: FVOCI: fair value through other comprehensive income (beizulegender Zeitwert über das sonstige Ergebnis); FVPL: at fair value through profit or loss (beizulegender Zeitwert über die GuV).
490
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
e. Wertminderungen Der IFRS 9 verfolgt das expected loss-Modell (Modell des erwarteten Verlusts). Dieses Modell basiert auf der frühzeitigen Erfassung eines erwarteten Verlusts (expected credit loss, ECL) in Form einer Risikovorsorge (loan loss provision, LLP). Während bekannte Risiken in den Anschaffungskosten bereits eingepreist sind, bezieht das expected loss Modell darüber hinaus die zukünftig eintretenden Risikoveränderungen in die Bewertung mit ein (vgl. Dinh/ Seitz 2015, S. 148 f.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 304 f.). Der Anwendungsbereich dieses Modells umfasst alle finanziellen Vermögenswerte der Kategorien »zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet« (amortised cost) oder »ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitraum über das sonstige Ergebnis bewertet« (FVOCI; hierzu IFRS 9.5.5.1 f.). Damit werden auch erwartete Verluste von solchen Finanzinstrumenten über die GuV gebucht, welche ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI) bewertet werden (IFRS 9.5.5.8).28 Für die Kategorie »ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet« (FVPL) erübrigen sich entsprechende Vorschriften, da Wertminderungen in dieser Kategorie naturgemäß stets ergebniswirksam erfasst werden (vgl. Pellens et al. 2021, S. 653). Des Weiteren kann Wertminderungsbedarf entstehen, wenn ein Unternehmen Kreditzusagen und Finanzgarantien gegeben hat, die im Fall der Nichtbedienung durch den Kunden zu einem Schaden für das haftende Unternehmen führen. Da gegenüber dem »Garantie nehmer« jedoch keine Forderung besteht, kann der Verlust nicht direkt als Wertminderung erfasst werden, sondern es ist stattdessen eine Rückstellung zu bilden (vgl. Schmidt/ Barekzai/Hüttermann 2015c, S. 350). Die Höhe des Ansatzes richtet sich dabei nach der Ausfallwahrscheinlichkeit. Darüber hinaus wird die Höhe des Forderungsbetrags im Zeitpunkt des Ausfalls sowie die Verlustquote berücksichtigt. Der erwartete Verlust ergibt sich schließlich aus dem Produkt aus Ausfallwahrscheinlichkeit, Höhe des Forderungsbetrags und der Verlustquote (vgl. Kuhn/ Hachmeister 2015, Teil C, Rn. 308; Freiberg 2016, S. 229 ff.): ECL = PD × LGD × EAD, wobei gilt: y ECL = expected credit loss (erwarteter Verlust) y PD = probability of default (Ausfallwahrscheinlichkeit) in Prozent y LGD = loss given default (Verlustrate bei Ausfall) in Prozent y EAD = exposure at default (Forderungsbestand im Ausfallzeitpunkt) Der erwartete Verlust ist mit seinem Barwert anzusetzen (IFRS 9.5.5.17.b). Der anzuwendende Diskontierungssatz ist innerhalb der Spannweite aus risikolosem Zinssatz als Untergrenze und effektivem Zinssatz als Obergrenze zu bestimmen (vgl. Brixner/Schaber/Bosse 2013, S. 223). Der Zeithorizont, über den der erwartete Verlust zu bestimmen ist, beträgt grundsätzlich 12 Monate. Sofern sich signifikante Änderungen des Risikos ergeben, wird der Prognosezeitraum auf die Lebenszeit der jeweiligen Forderung ausgeweitet (IFRS 9.5.5.9 ff.). Der Risikovorsorgeansatz von IFRS 9 unterscheidet dazu die drei in Abbildung III.3./8 dargestellten Stufen (ausführlich hierzu Nußbaum/Maaß/Ringschmidt 2015). Es ist zu beachten, dass in der Praxis häufig eine Vielzahl von Finanzinstrumenten im selben Unternehmen vorliegt. Der Leser mag hier z. B. an eine große Zahl von Kundenforderungen eines Internetversandhauses oder im Bankgeschäft an ein Portfolio an Kreditforderungen denken.
28 Siehe dazu auch in diesem Abschnitt das Beispiel mit dem Titel: Schuldinstrument in der Kategorie »ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (über das sonstige Ergebnis) bewertet«.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
491
Verschlechterung der erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeit in Relation zum Zugangszeitpunkt
Zugangszeitpunkt des finanziellen Vermögenswerts
Signifikante Erhöhung des Kreditrisikos
Objektive Hinweise auf eine Wertminderung
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
Einstufung im Zugangszeitpunkt Ausnahme: Wertminderung im Zugangszeitpunkt → Einstufung in Stufe 3
Bei Hinweis auf signifikante Verschlechterung der Ausfallwahrscheinlichkeit Kredit entspricht noninvestment grade
Objektive Hinweise auf eine Wertminderung Kreditausfall Wertminderung bereits bei Zugang
12-Monats-ECL
Gesamtlaufzeits-ECL
Gesamtlaufzeits-ECL
Effektivzinssatz auf Bruttobuchwert
Effektivzinssatz auf Bruttobuchwert
Effektivzinssatz auf Nettobuchwert
Transfers zwischen den Stufen grundsätzlich in beide Richtungen möglich
Abb. III.3./8 Stufenmodell zur Wertberichtigung finanzieller Vermögenswerte29
Stufe 1 Die erste Stufe adressiert die Ausgangslage beim erstmaligen Bilanzansatz (vgl. Kuhn/Hachmeister, 2015, Teil C, Rn. 226; Bär et al. 2020, S. 1179 f.). Sie wird solange beibehalten, wie die Bonität gleich bleibt oder sich verbessert. Die Bewertung erfolgt dabei unter Berücksichtigung des über einen Zeithorizont von 12 Monaten erwarteten Verlusts (12-month expected credit losses, 12-Monats-ECL; IFRS 9.5.5.5), wobei bei Verbesserung der Bonität ggf. auch ein Ertrag zu erfassen ist (IFRS 9.5.5.14). Die Verbuchung erfolgt bereits in der Periode der Anschaffung. Sofern z. B. eine Vielzahl von gleichartigen Finanzinstrumenten vorliegt, kann eine Wertberichtigung auf Portfolioebene vorgenommen werden (vgl. IDW RS HFA 48.263 ff.). Konkret kann die Schätzung der Pauschalwertberichtigung auf Basis der aging-Methode durchgeführt werden (vgl. nachfolgendes Beispiel in Anlehnung an Beine/Meyer 2011, Abschnitt 7, Rn. 30 ff.). Beispiel Pauschalwertberichtungen nach der aging-Methode Bei der aging-Methode erfolgt die Kategorisierung der Forderungen nach der Anzahl der Tage oder Monate (Kreditrisikomerkmal), die seit ihrer erstmaligen Erfassung vergangen sind. Auf der Grundlage von Erfahrungswerten des Unternehmens werden die historischen Forderungsausfallquoten auf die Summen der einzelnen Gruppen angewendet. Es liegen keine Indizien vor, die dafür sprechen, dass die historischen Forderungsausfallquoten in der Zukunft nicht mehr ihre Gültigkeit besitzen.
29 In Anlehnung an Gehrer/Krakuhn/Schüz 2014, S. 391 und Schröder 2015, S. 247.
492
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Alter der Forderungen
unter 30 Tage
30-90 Tage
über 90 Tage
Nettoforderungen nach Einzelwertberichtigung
1.100.000 €
425.000 €
360.000 €
Historische Forderungsausfälle
0,5 %
2,5 %
15 %
Erforderliche Wertberichtigung
5.500 €
10.625 €
54.000 €
Summe
70.125 €
Maßgeblich ist, ob im betrachteten Zeithorizont ein Ausfallereignis zu erwarten ist. Dabei sind die Kriterien zur Beurteilung, ob ein Ausfallereignis vorliegt, zu berücksichtigen (IFRS 9.A.1 ff.). Je nach Gestaltung des Finanzinstruments kann es sein, dass in dem 12-Monats-ECLZeitraum keine Zahlung fällig wird, aber dennoch bereits ein ECL zu berücksichtigen ist, wie das nachfolgende Beispiel veranschaulicht. Beispiel Zeithorizont zur Beurteilung eines Ausfallereignisses30 Ein Unternehmen bewertet eine endfällige Forderung aus einer Nullkuponanleihe mit einer Restlaufzeit von 2,5 Jahren in Stufe 1. Das Ausfallrisiko für die nächsten 12 Monate wird mit 1,5 % angesetzt. Ferner wird angenommen, dass der exposure at default 100 T€ beträgt sowie der loss given default sich auf 100 % beläuft. Ungeachtet der niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeit und der Tatsache, dass in den nächsten 12 Monaten keine Zahlungen fällig werden, ist ein erwarteter Verlust anzusetzen. Dies ist damit zu begründen, dass ein Ausfallereignis innerhalb der nächsten zwölf Monate gleichwohl Minderzahlungen in Bezug auf den gesamten Zeitraum bis zur Einstellung aller Eintreibungsmaßnahmen erwarten ließe.
Gegen Ende der Restlaufzeit wird die Verlustvorsorge, sofern kein Ausfallereignis eintritt, sukzessive ergebniserhöhend aufgelöst. Falls die Ausfallereignisse hingegen im erwarteten Ausmaß eintreten, wird das Jahresergebnis dadurch nicht beeinflusst, da die entsprechenden Ergebnisbelastungen bereits gebucht wurden. Bei Verlusten, welche vor dem Abschlussstichtag eintreten, jedoch erst in der Zeit danach bekannt werden (s. Kap. II.5.3.9; IAS 10), ist ebenfalls eine Risikovorsorge anzusetzen. In der Praxis verlängert sich dadurch der Zeithorizont um die Dauer, die im Unternehmen üblicherweise erforderlich ist, um eingetretene Ausfälle zu entdecken, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. Beispiel Zeithorizont zur Beurteilung des 12-Monats-ECL 31 Ein Unternehmen erfährt durchschnittlich mit einer Verzögerung von drei Monaten von eingetretenen Ausfallereignissen seiner Debitoren. Im Rahmen der Risikovorsorge wird dementsprechend der 15-monatige Verlust angesetzt. Somit werden auch die in der Vergangenheit bereits eingetretenen aber noch nicht bekannt gewordenen Ausfälle abgedeckt.
30 In Anlehnung an Grünberger 2021, S. 182. 31 In Anlehnung an Grünberger 2021, S. 183.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
493
Stufe 2 Mit einer signifikanten Verschlechterung der Bonität erfolgt der Übergang zur zweiten Stufe (vgl. Meier/Mitscherlich 2015, S. 64 f.; Bär et al. 2020, S. 1179 f.). Hier ist bei der Bewertung der über die Lebenszeit erwartete Verlust (lifetime expected-credit-losses, Gesamtlaufzeit-ECL) anzusetzen (IFRS 9.5.5.3; vgl. Bär/Gollob 2014, S. 1242 f.). Die Verbuchung erfolgt auf dieser Stufe in der Regel ebenfalls durch eine Portfoliowertberichtigung. Die Differenz zwischen dem bereits berücksichtigten 12-Monats ECL und dem in der zweiten Stufe zu berücksichtigenden Gesamtlaufzeit-ECL wird dabei in der GuV erfasst (IFRS 9.5.5.8). Die Prüfung, ob ein Übergang von der ersten zur zweiten Stufe vorliegt, ist jeweils am Abschlussstichtag vorzunehmen. Maßgeblich für den Übergang ist ein signifikanter Anstieg des Ausfallrisikos in Bezug auf den Zeitpunkt der Anschaffung (IFRS 9.5.5.3; vgl. Fischer/Flick/Krakuhn 2014, S. 436; Hommel/Kiy/Zick 2016, S. 571 ff.). Unerheblich sind hierbei kurzfristige Verschlechterungen, die lediglich eine vorangehende Verbesserung der Risikoeinschätzung nivellieren. Andererseits kann ein über mehrere Perioden geringfügig steigendes Risiko in der Gesamtschau signifikant sein. Ein Zahlungsverzug von mehr als 30 Tagen gilt als widerlegbare Vermutung für einen signifikanten Anstieg des Ausfallrisikos (IFRS 9.5.5.11). Verbessert sich die Risikosituation derart, dass keine signifikante Erhöhung des Risikos mehr vorliegt, erfolgt eine Rückkehr von Stufe 2 zu Stufe 1. In diesem Fall wird die Verlustvorsorge auf den 12-Monats-ECL reduziert (IFRS 9.5.5.7). Stufe 3 Mit dem Eintritt eines Ausfallereignisses erfolgt der Übergang zur dritten Stufe. Finanzinstrumente, welche bereits beim erstmaligen Ansatz im Rahmen ihrer Ausgabe oder des Erwerbs objektive Hinweise auf eine Wertminderung aufweisen, sind direkt der Stufe 3 zuzuordnen (vgl. Kuhn/Hachmeister 2015, Teil C, Rn. 261; Bär et al. 2020, S. 1180). Die Bewertung in Stufe 3 folgt grundsätzlich denselben Regelungen wie die Bewertung in der zweiten Stufe, d. h. es ist der Gesamtlaufzeit-ECL zu berücksichtigen (vgl. Bär/Gollob 2014, S. 1245 f.; Bär et al. 2020, S. 1180). Während die Berücksichtigung in den ersten beiden Stufen in der Praxis häufig durch Portfoliowertberichtigungen vorgenommen wird, nehmen Einzelwertberichtigungen in der dritten Stufe einen stärkeren Stellenwert ein. Die bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt haben das 3-Stufen-Modell anhand der Finanzinstrumente, welche zu fortgeführten Anschaffungskosten folgebewertet werden, verdeutlicht. Darüber hinaus ist der 3-Stufen-Ansatz auch bei der Bewertung von Finanzinstrumenten anzuwenden, welche zum beizulegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis folgebewertet werden (FVOCI). Die Ermittlung der Risikovorsorge folgt denselben Regeln für beide Gruppen. Allerdings besteht beim Ausweis der Risikovorsorge der folgende Unterschied: Während bei der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten direkt der Bruttobuchwert im Falle einer Risikovorsorge reduziert wird, vermindert hingegen bei einem FVOCI-Finanzinstrument die Risikovorsorge nicht den Bruttobuchwert, sondern wird unmittelbar im sonstigen Ergebnis erfasst (IFRS 9.BC5.119; vgl. Kuhn/Hachmeister 2015, Teil C, Rn. 321; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 305).
494
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Beispiel Schuldinstrument in der Kategorie »ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (über das sonstige Ergebnis) bewertet«32 Ein Unternehmen erwirbt am 15.7.t1 eine Schuldverschreibung für einen Preis von 2.000 T€ und weist diese (ergebnisneutral) zum beizuliegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis aus (FVOCI). Das Instrument hat einen Zinssatz von 5 % über eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren. Der effektive Zinssatz beträgt ebenfalls 5 %. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der Schuldverschreibung lag keine Wertminderung vor, es handelt sich somit nicht um einen finanziellen Vermögenswert, der bereits bei Erwerb oder Ausreichung eine beeinträchtigte Bonität aufwies. Der erwartete Verlust für die ersten 12 Monate beträgt 60 T€. Buchung am 15.7.t1 Finanzinstrument (FVOCI)
2.000 T€
an
Bank
2.000 T€
Am Bilanzstichtag am 31.12.t1 ist der aktuelle Wert des Schuldtitels aufgrund von veränderten Marktzinsen auf 1.900 T€ gesunken. Das Kreditrisiko ist jedoch seit der Erstbewertung nicht gestiegen, sodass der erwartete Kreditverlust weiterhin 60 T€ beträgt. Von der Verbuchung der Zinserträge wird in diesem Beispiel zur Vereinfachung abstrahiert. Buchung am 31.12.t1 Wertminderungsaufwand (GuV) Sonstiges Ergebnis (OCI)
60 T€ 40 T€
an
Finanzinstrument (FVOCI)
100 T€
Der (kumulierte) Verlust im sonstigen Ergebnis beträgt am Bilanzstichtag 40 T€. Dieser Betrag setzt sich aus der Veränderung des Marktpreises von 100 T€ (= 2.000 T€ – 1.900 T€) abzüglich des erwarteten 12-monatigen Kreditverlusts zusammen, der mit 60 T€ angesetzt wurde. Am 1.1.t2 verkauft das Unternehmen die Schuldverschreibung für einen Preis von 1.900 T€. Dieser Preis entspricht zugleich dem aktuellen Buchwert. Buchung am 1.1.t2 Bank Aufwand (GuV)
1.900 T€ 40 T€
an an
Finanzinstrument (FVOCI) sonstiges Ergebnis (OCI)
1.900 T€ 40 T€
Der Vermögenswert wird ausgebucht. Im Rahmen des Recyclings (s. Kap. II.5.3.3.3.a) wird der im sonstigen Ergebnis erfasste (kumulierte) Verlust als Aufwand in der GuV verbucht und somit ergebniswirksam.
Während das vorangegangene Beispiel die Verbuchung einer Wertminderung bei einem ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert über das sonstige Ergebnis (FVOCI) bewerteten finanziellen Vermögenswert gezeigt hat, werden im nachfolgenden Beispiel die Buchungssätze für den Fall der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten dargestellt.
32 In Anlehnung an IFRS 9.IE78 ff.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Beispiel Fortgeführte Anschaffungskosten unter Berücksichtigung der Effektivzinsmethode mit Wertminderung Betrachtet wird der im Beispiel des Abschnitts III.3.4.2.5 gegebene Fall (zur Erinnerung: Unternehmen A emittiert am 1.1.t1 zur langfristigen Fremdfinanzierung 2.000 Anleihen zum Nominalbetrag von 5 T€, die jährlich mit 4 % verzinst werden und mit einer Laufzeit von 3 Jahren), mit folgender Abwandlung: Am 31.1.t2 wird eine signifikante Verschlechterung der Bonität von Unternehmen A festgestellt. Der Gesamtlaufzeit-ECL beträgt 3 T€. Alle aus der Anleihe fälligen Forderungen (Zinsen und Rückzahlung) werden fristgerecht bedient. Am Ende der Laufzeit tritt kein Verlust ein. Die Berechnungen z. B. des Zinsertrages sind ebenfalls dem Beispiel aus Abschnitt III.3.4.2.5 zu entnehmen. Buchungen am 31.12.t2 Bank aktiv. Finanzinstrument Wertminderungsaufwand
1.000 € 665 € 3.000 €
an an an
Zinsertrag Zinsertrag aktiv. Finanzinstrument
1.000 € 665 € 3.000 €
Die ersten beiden Buchungen spiegeln die bekannten Zinsertragsbuchungen wider. Da der erwartete Verlust nicht eingetreten ist, wird eine Wertaufholung in Höhe von 3 T€ gebucht (IFRS 9.5.5.8, dort als »Wertminderungsertrag« bezeichnet). Buchungen am 31.12.t3 Bank aktiv. Finanzinstrument aktiv. Finanzinstrument Bank
1.000 € 713 € 3.000 € 25.000 €
an an an an
Zinsertrag Zinsertrag Wertminderungsertrag aktiv. Finanzinstrument
1.000 € 713 € 3.000 € 25.000 €
3.4.2.6 Angabepflichten Die Offenlegungspflichten sind in IFRS 7 normiert (vgl. Zülch/Hoffmann/Wünsch 2011; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rn. 485 ff.). Für deutsche, nach IFRS bilanzierte Unternehmen ist darüber hinaus auch IDW RS HFA 24 bedeutsam. Praxisbeispiele finden sich in Ernst & Young 2021, S. 4405 ff., eine Analyse der Berichterstattung bei der erstmaligen Anwendung von IFRS 9 nehmen u. a. in v. Keitz/Grote 2019, S. 126 ff. vor (zu den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Berichterstattung siehe Deloitte 2021a, S. 1 ff.). Werden Angaben in Form einer Klassenbildung vorgenommen, so ist mindestens so zu gruppieren, dass zwischen zum beizulegenden Zeitwert und zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten Finanzinstrumenten unterschieden werden kann (IFRS 7.6. i. V. m. IFRS 7.B2). Weiterhin muss eine Überleitung auf die betreffenden Bilanzposten möglich sein (IFRS 7.6). Um die Bedeutung von Finanzinstrumenten für die Finanzlage und den Unternehmenserfolg darzulegen, sind spezifische Angaben zur Bilanz, GuV sowie weitere Angaben (z. B. zu den Rechnungslegungsmethoden) darzulegen (IFRS 7.7 ff.). Weiterhin ist über Art und Ausmaß von Risiken zu berichten, die sich aus Finanzinstrumenten ergeben (IFRS 7.31 ff.). Darüber hinaus sind für alle Bewertungskategorien die jeweiligen Buchwerte wahlweise in der Bilanz oder im Anhang anzugeben (IFRS 7.8).
496
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
3.4.3 Originäre Finanzinstrumente nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS Im Folgenden wird die Behandlung originärer Finanzinstrumente nach deutschen GoB dargestellt und wesentliche Unterschiede zu den IFRS herausgearbeitet (vgl. hierzu Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 162 ff.; Merkt/Probst/Fink 2017, S. 570 ff. und S. 616 ff.). 3.4.3.1 Ansatz und Erstbewertung Der Ansatz eines finanziellen Vermögensgegenstandes nach deutschen GoB erfolgt nach dem Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs.1 HGB), soweit dieser die Eigenschaft eines Vermögensgegenstands erfüllt und im wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmens steht (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 276, siehe bezüglich der abstrakten Aktivierungsfähigkeit auch Kap. II.4.4.6.1). Der Ansatz von finanziellen Vermögenswerten nach der internationalen Rechnungslegung (IFRS 9.3.1.1 und IAS 39.14) erfolgt, wenn das bilanzierende Unternehmen Partei eines Vertrages wird, der zu einem finanziellen Vermögenswert führt (Pellens et al. 2021, S. 619). Gem. §§ 246 und 264 Abs. 2 HGB erfolgt die Erstbewertung von finanziellen Vermögensgegenständen unter Beurteilung des Gesamtbilds der Verhältnisse nach Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums und für Sonder- und Grenzfälle sind die GoB zu berücksichtigen (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1307). Grundsätzlich sind finanzielle Vermögensgegenstände zu Anschaffungskosten einschließlich Transaktionskosten zu bewerten (vgl. Scherrer 2011, S. 131; Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 301). Für die Erstbewertung von finanziellen Vermögensposten bestehen nach nationalen und internationalen Normen grundsätzlich vergleichbare Regelungen (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1309). Finanzielle Verbindlichkeiten erfüllen die Schulddefinition nach § 246 Abs. 1 HGB und stehen gemäß dem Gliederungsschema des § 266 Abs. 3 HGB – im Gegensatz zu den finanziellen Vermögensgegenständen – auf der Passivseite der Bilanz eines Unternehmens (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 443 f., siehe bezüglich der passiven Aktivierungsfähigkeit auch Kap. II.4.4.6.2). Das bestimmende Merkmal – welches zu einem Ansatz einer finanziellen Verbindlichkeit nach der internationalen Rechnungslegung führt – ist eine vertragliche Vereinbarung einer Verpflichtung gegenüber z. B. einem anderen Unternehmen (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 483 f.). Die Erstbewertung von finanziellen Verbindlichkeiten erfolgt nach IFRS zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 9.5.1.1), welcher regelmäßig dem Transaktionspreis entspricht (IFRS 9.B5.1.2A). Nach deutschen GoB sind sie mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Bei Geldleistungsverpflichtungen (z. B. Bankdarlehn oder Lieferantenkredite) entspricht der Erfüllungsbetrag dem Rückzahlungsbetrag. Vergleichend lässt sich festhalten, dass beim Ansatz von Vermögensposten ein wesentlicher Unterschied zwischen den deutschen und internationalen Rechnungslegungsnormen besteht. Während nach IFRS sämtliche schwebenden Geschäfte erfasst werden (ggf. mit einem beizulegenden Zeitwert von Null), werden nach deutschen GoB nur solche schwebenden Geschäfte erfasst, welche einen negativen beizulegenden Zeitwert aufweisen (Verpflichtungsüberhang; vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1310). 3.4.3.2 Folgebewertung Die handelsrechtliche Folgebewertung von finanziellen Vermögensgegenständen folgt je nach Zuordnung den allgemeinen Regeln zur Bewertung des Anlage- bzw. Umlaufvermögens (s. Kap. II.5.3.8.1). Demnach sind Wertpapiere des Umlaufvermögens mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus dem Börsen- oder Marktpreis ergibt (§ 253 Abs. 4 S. 1 HGB). Ist
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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dieser nicht feststellbar, kommt gem. Satz 2 ein niedrigerer beizulegender Wert in Betracht, der z. B. im Fall des Haltens einer nicht börsennotierten Beteiligung aus dem Ertragswert abzuleiten ist (vereinfacht als die diskontierten Zahlungsüberschüsse, die dem beteiligten Unternehmen zufließen; vgl. IDW RS HFA 10.3 mit Verweis auf IDW S1). Ist der Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung entfallen, so ist zwingend eine Wertaufholung vorzunehmen (Wertaufholungspflicht; vgl. § 253 Abs. 5 S. 1 HGB). Bei Wertpapieren des Anlagevermögens besteht bei einer vorübergehenden Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht und bei einer dauerhaften Wertminderung eine Abschreibungspflicht (§ 253 Abs. 3 S. 5 und 6 HGB). Indiz für eine dauerhafte Wertminderung ist z. B., dass der Zeitwert eines Wertpapiers in den dem Abschlussstichtag vorangegangen sechs Monaten permanent um mehr als 20 % unter dem Buchwert liegt (vgl. IDW 2021, F182). Konkrete Risiken hinsichtlich eines Schuldners führen zu Einzelwertberichtigungen (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass über die bereits berücksichtigten Einzelwertberichtigungen hinaus ein bestimmter Anteil des gesamten Forderungsbestandes uneinbringlich war und ist damit auch künftig zu rechnen, so ist in Höhe des zu erwartenden Ausfalls eine Pauschalwertberichtigung zu bilden. Hier besteht weitgehend Kompatibilität zu den IFRS. Im Vergleich zu internationalen Rechnungslegungsstandards ist eine ergebnisneutrale Folgebewertung nach nationalen Normen nicht zulässig (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1309). Die ergebniswirksame Folgebewertung finanzieller Vermögensposten zum beizulegenden Zeitwert ist nach handelsrechtlichen Normen im Wesentlichen auf Unternehmen des Finanzsektors beschränkt (§ 340e Abs. 3 HGB), wodurch sich für Unternehmen aller übrigen Geschäftszweige erhebliche Unterschiede ergeben können (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1302). Für finanzielle Verbindlichkeiten ist im Zuge der Folgebewertung ggf. ein höherer Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Etwaige Differenzen sind ergebnismindernd zu erfassen. Mit Ausnahme der auf Rentenverpflichtungen beruhenden Verbindlichkeiten gilt für Verbindlichkeiten nach handelsrechtlichen Normen ein generelles Abzinsungsverbot. Ist der Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit größer als der erhaltene Auszahlungsbetrag einer Verbindlichkeit, so kann ein Disagio aktiviert werden. Ein aktiviertes Disagio ist in den Folgeperioden ergebniswirksam aufzulösen (§ 250 Abs. 3 S. 2 HGB; s. Kap. III.2.1.3.2). Während finanzielle Verbindlichkeiten nach handelsrechtlichen Normen unter Berücksichtigung des Höchstwertprinzips zum Erfüllungsbetrag folgebewertet werden, erfolgt die Folgebewertung nach IFRS in der Regel zu fortgeführten Anschaffungskosten unter Anwendung der Effektivzinsmethode (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 241). Die Möglichkeit zur ergebniswirksamen Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value-Option) besteht ausschließlich nach IFRS. Diskussionsfrage III.3.-9b Stellen Sie die Erst- und Folgebewertung von zu Handelszwecken gehaltenen Wertpapieren des Umlaufvermögens nach deutschen GoB dar und arbeiten Sie mögliche Unterschiede zur Behandlungsweise nach IFRS heraus.
3.4.3.3 Angabepflichten Nach deutschen GoB finden sich die Angabepflichten in Bezug auf den Einzelabschluss in den §§ 285 Nr. 18 u. 20 HGB (konkretisierend IDW RH HFA 1.005). Anzugeben ist vor allem der Buchwert und der übersteigende beizulegende Zeitwert der einzelnen Vermögensgegenstände unter Angabe der angewandten Bewertungsmethode und der zugrundeliegenden
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Annahmen. Bezüglich der Offenlegungspflichten zur Einschätzung der Finanz- und Erfolgslage besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Regelungen nach IFRS 7 und den Vorschriften zur Risikoberichterstattung im handelsrechtlichen Lagebericht (auf Ebene des Einzelabschlusses siehe § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB, s. Kap. III.4.4.2.4). Im Vergleich zu den IFRS sind die national geforderten Angaben weitaus weniger umfangreich und insbesondere werden weniger quantitative Angaben gefordert (vgl. Hartenberger 2020, § 3, Rn. 1322). Empirie Auswirkungen der Anwendung des IFRS 9 Eine Vielzahl empirischer Studien untersucht die Auswirkungen der Erstanwendung des IFRS 9 (siehe u. a. v. Keitz/Grote 2019, S. 126 ff.; Löw/Schmidt/Thiel 2019, S. 1 ff.; Henkel 2021, S. 524 ff.). Bezüglich der Erstanwendung des neuen IFRS 9 (geänderte Bewertungskategorien, geändertes Wertminderungsmodell und geänderter Vorschriften zur Sicherungsbilanzierung im Vergleich zum alten Standard IAS 39) zeigen u. a. v. Keitz/Grote (2019) bei der Analyse der Konzernhalbjahresabschlüsse von 40 der insgesamt 70 Ende Oktober 2018 im SDAX gelisteten Unternehmen deutliche Auswirkungen auf das Eigenkapital dieser Unternehmen, die sich in Erhöhungen, Minderungen und/oder Umgliederungen widerspiegeln. In der Tendenz stellen v. Keitz/Grote (2019) fest, dass Anpassungen in den meisten Fällen durch das geänderte Wertminderungsmodell des IFRS 9 begründet sind. Darüber hinaus untersuchen aktuelle Studien den Einfluss der Coronavirus-Pandemie auf die Anwendung von IFRS 9 (siehe u. a. Bär et al. 2020, S. 1179 ff.; Deloitte 2021a, S. 1 ff.). So zeigen u. a. Waschbusch/Escher/Kakuk (2021), dass die von verschiedenen Institutionen – z. B. ESMA und EZB – anvisierten Erleichterungsmaßnahmen während der Coronavirus-Pandemie den nach den Regelungen des IFRS 9 notwendigen Transfer finanzieller Vermögenswerte von Stufe 1 in Stufe 2 oder Stufe 3 des Wertminderungsmodells entgegenwirken. Daraus folgt eine ggf. kurzfristige Verhinderung einer (eigentlich nach IFRS 9 vorgeschriebenen) aufwandswirksamen Verbuchung einer erhöhten Risikovorsorge. Die Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 sind somit faktisch teilweise ausgesetzt, sodass dies im Rahmen der Jahresabschlussanalyse der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen ist.
Kontrollfragen zu III.3.4 1. Was ist ein Finanzinstrument? Erläutern Sie auch die Begriffe »finanzieller Vermögenswert« und »finanzielle Verbindlichkeit«. 2. Wie erfolgt die Klassifizierung von finanziellen Vermögenswerten nach IFRS 9? 3. Arbeiten Sie detailliert heraus, in welchem Zusammenhang die Ansatzvoraussetzungen eines aktiven Finanzinstrumentes gem. IFRS 9.3.1.1 Satz 1 und die Ansatzkriterien im IASB F stehen! 4. Welche Kategorien zur Folgebewertung von finanziellen Vermögenswerten gibt es nach IFRS 9? Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede? 5. Was versteht man unter der sog. fair value-Option und wie beurteilen Sie die Nützlichkeit einer solchen Option? 6. Wie wird der erwartete Verlust nach dem expected loss model (Modell des erwarteten Verlusts) bestimmt? 7. Wie ist das Stufenmodell zur Wertberichtigung finanzieller Vermögenswerte aufgebaut und wodurch unterscheiden sich die einzelnen Stufen? 8. Legen Sie wesentliche Unterschiede der Behandlung von aktivischen Finanzinstrumenten nach deutschem Handelsrecht und IFRS dar. Wie erklären Sie sich die ggf. bestehenden Unterschiede?
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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3.5 Derivative Finanzinstrumente und Sicherungsbeziehungen 3.5.1 Derivative Finanzinstrumente 3.5.1.1 Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Im Gegensatz zu originären Finanzinstrumenten handelt es sich bei derivativen Finanzinstrumenten (kurz: Derivate33) um schwebende Geschäfte. Derivativen Finanzinstrumenten liegen Termingeschäfte zugrunde, welche hinsichtlich der Geschäftserfüllung in bedingte und unbedingte Termingeschäfte und in Abhängigkeit vom Handelsplatz in börsengehandelte und außerbörsliche Termingeschäfte differenziert werden. Termingeschäfte sind dadurch gekennzeichnet, dass der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts von dem des Erfüllungszeitpunktes abweicht. Wurde eine Pflicht zur Geschäftserfüllung vertraglich vereinbart, so handelt es sich um ein unbedingtes Termingeschäft. Hierzu zählen Futures, Forwards und Swaps. y Ein Future ist eine Verpflichtung zum Kauf bzw. Verkauf einer festgelegten Menge eines Basisobjekts (Underlying) zu einem festgelegten Preis zu einem späteren Zeitpunkt, die an einer Börse gehandelt wird. y Liegt eine derartige Verpflichtung vor, die allerdings nicht an einer Börse handelbar ist (Over-the-Counter-Geschäfte), so handelt es sich um einen Forward. y Bei einem Swap handelt es sich um ein Tauschgeschäft, bei welchem die Vertragspartner den Austausch von Zahlungsströmen individuell vereinbaren. Die getauschten Zahlungsströme können sowohl aus Verbindlichkeiten als auch aus Forderungen resultieren. Zu den grundlegenden Formen von Swaps zählen Zinsswaps, welche den Tausch von unterschiedlich gearteten Zinsbeträgen beinhalten (z. B. Tausch von variablen gegen fixe Zinszahlungen) und Währungsswaps, welche auf dem Tausch von Kapitalund Zinsbeträgen unterschiedlicher Währung basieren. Besteht dagegen ein Wahlrecht zur Geschäftserfüllung, so handelt es sich um ein bedingtes Termingeschäft. Die grundlegendste Form eines bedingten Termingeschäfts stellt die Option dar. Eine Option berechtigt deren Inhaber zum Kauf (Call-Option) bzw. zum Verkauf (Put-Option) einer festgelegten Menge eines Basisobjekts zu einem festgelegten Preis und zu (europäische Option) bzw. bis zu (amerikanische Option) einem in der Zukunft liegendem Zeitpunkt. Bei einer Option handelt es sich um ein bedingtes Termingeschäft, da der Optionsinhaber zur Ausübung berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Der Verkäufer einer Option besitzt hingegen kein Ausübungswahlrecht und wird daher auch als Stillhalter bezeichnet. Für die Übernahme des mit dem Termingeschäft verbundenen Risikos erhält der Stillhalter vom Käufer der Option eine Optionsprämie. Die Ziele des Einsatzes eines Termingeschäfts können unterschiedlich sein. Es wird zwischen drei Hauptmotiven unterschieden: y Spekulation und Handel (Trading): Das Ziel bei dieser Strategie besteht darin, gezielt bestimmte Risiken einzugehen, um außerordentliche Profite zu realisieren. y Arbitrage: Diese Strategie verfolgt das Ziel, gezielt Unterschiede auf verschiedenen Märkten auszunutzen. Die Idee ist, dass Märkte ineffizient sind und sich somit Spiel-
33 Für detailliertere Informationen: Paul et al. 2017, S. 541 ff.
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y
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
räume für risikolose Gewinne bieten (free lunch). Darauf begründet sich die Arbitragetheorie (vgl. Ross 1976; Kruschwitz 2014, S. 372 ff.; Paul et al. 2017, S. 256 ff.). Sicherung (Hedging): Ziel dieser Strategie ist die Absicherung von unterschiedlichen Risiken durch das Eingehen von gegenläufigen Risikopositionen (Sicherungsbeziehungen s. Kap. III.3.5.2).
Da kein eigenständiger Abschnitt in IFRS 9 die Bilanzierung von derivativen Finanzinstrumenten regelt, folgt diese den allgemeinen Regelungen des IFRS 9. Einzige Ausnahmen sind Derivate als Teil von Sicherungsbeziehungen (IFRS 9.6.1.1 ff.) und Derivate, die als Teil eines zusammengesetzten Finanzinstruments (sog. hybride oder strukturierte Finanzprodukte) eingesetzt werden (sog. eingebettete Derivate, embedded derivatives; vgl. IFRS 9.4.3.1 ff.). Ein Beispiel für ein eingebettetes Derivat ist ein in ein Schuldinstrument eingebetteter Zinsswap. Der IASB definiert gemäß IFRS 9.A.1 ff. als Derivat ein Finanzinstrument oder ein anderes Vertragsverhältnis, y dessen Wert vom Wert eines Basisobjekts abhängt (z. B. Zinssätze, Fremdwährungen, andere Finanzinstrumente, Rohstoffe oder Indizes), y welches keine oder nur eine geringe Anfangsauszahlung erfordert (z. B. die Optionsprämie bei Optionen) und y welches zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt oder beglichen wird (Unterschied zu Kassageschäften, bei denen das Geschäft sofort getätigt wird). Erfüllt ein Finanzinstrument diese Voraussetzungen nicht, so handelt es sich um ein originäres Finanzinstrument (vgl. IDW 2021, K154; s. Kap. III.3.4.1). Nachfolgend werden die Grundzüge der bilanziellen Abbildung von derivativen Finanzinstrumenten dargestellt, um im Anschluss auf die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen einzugehen. Für eingebettete Derivate, die nicht in diesem Lehrbuch behandelt werden, sei auf Kuhn/Hachmeister 2015, Teil I und Ernst & Young 2021, S. 3619 ff. verwiesen. 3.5.1.2 Derivative Finanzinstrumente nach IFRS Derivate, die nicht Teil einer Sicherungsbeziehung (s. Kap. III.3.5.2) sind, gehören per Definition zum Handelsbestand (Held for Trading; IFRS 9.A.1 ff.; IFRS 9.BA.7.a). Sie sind gem. IFRS 9.4.1.4 bzw. IFRS 9.4.2.1 beim erstmaligen Ansatz grundsätzlich als »ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet« (FVPL) zu klassifizieren (vgl. Ernst & Young 2021, S. 3772 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen derivativen Vermögenswert oder eine derivative Verbindlichkeit handelt. Die Erstbewertung erfolgt bei Derivaten gem. IFRS 9.5.1 zum beizulegenden Zeitwert. Anschaffungsnebenkosten sind aufwandswirksam zu erfassen. Sofern die Gesamtposition des Derivats bei Vertragsabschluss ausgeglichen ist (üblicherweise z. B. bei Forwards oder Futures), ergibt sich zu diesem Zeitpunkt ein beizulegender Zeitwert von null, sodass zunächst kein Ansatz erfolgt (vgl. IFRS 9.B3.1.2c). Bei Optionen erfolgt der Erstansatz in Höhe der Optionsprämie. Die Folgebewertung von Derivaten erfolgt ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL). In Abhängigkeit der Wertentwicklung kann ein Derivat eine finanzielle Verbindlichkeit oder einen finanziellen Vermögenswert darstellen. Die Angabepflichten zu derivativen Finanzinstrumenten richten sich, ebenso wie die Angabepflichten zu originären Finanzinstrumenten, nach IFRS 7. Daher sei an dieser Stelle auf den entsprechenden Abschnitt zu originären Finanzinstrumenten verwiesen (s. Kap. III.3.4.2.6).
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3.5.1.3 Derivative Finanzinstrumente nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS Die nationalen Normen beinhalten keine Legaldefinition für derivative Finanzinstrumente. Die Bilanzierung richtet sich nach den allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften (s. Kap. II.4, II.5.3.7, II.5.3.8, siehe dazu auch Wiechens/Lorenz/Morawietz 2021, Rn. 22 ff.). Die handelsrechtliche Bilanzierung strukturierter Finanzinstrumente regelt zudem IDW RS HFA 22. Da es sich bei derivativen Finanzinstrumenten um schwebende Geschäfte handelt, sind diese bei Zugang regelmäßig nicht bilanzierungsfähig, solange sich Rechte und Pflichten aus dem Vertrag entsprechen. Insofern erfolgt kein Ansatz. Aktivierungsfähig sind jedoch gezahlte Prämien (z. B. Optionsprämien) und Sicherheitsleistungen an Terminbörsen (margins), welche im Umlaufvermögen im Rahmen der Erstbewertung mit ihren Anschaffungskosten angesetzt werden. Erhaltene Prämien sind entsprechend als Verbindlichkeit zu passivieren. Bei der Folgebewertung sind, dem Imparitätsprinzip folgend, erwartete Verluste aus derivativen Finanzinstrumenten zu berücksichtigen. Dies geschieht ggf. durch eine außerplanmäßige Abschreibung des entsprechenden Finanzinstruments bzw. durch die Bildung einer Drohverlustrückstellung. Nicht realisierte Wertsteigerungen von derivativen Finanzinstrumenten, welche über die Anschaffungskosten hinausgehen, dürfen nicht berücksichtigt werden. Im Vergleich dazu sind Derivate nach IFRS bei erstmaligem Ansatz stets zum beizulegenden Zeitwert zu erfassen. Auch die Folgebewertung erfolgt zum beizulegenden Zeitwert. Angabepflichten zu derivativen Finanzinstrumenten finden sich in § 285 Nr. 19 HGB. Demnach sind unter bestimmten Bedingungen insbesondere Angaben zu Art und Umfang von Derivaten sowie zu deren beizulegenden Zeitwerten und deren Ermittlung zu machen (siehe dazu auch Wiechens/Lorenz/Morawietz 2021, Rn. 375).
3.5.2 Sicherungsbeziehungen 3.5.2.1 Grundbegriffe, Wesen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen a. Grundbegriffe Die Abbildung von Sicherungsbeziehungen in der Rechnungslegung wird auch als hedge accounting bezeichnet. Eine Sicherungsbeziehung (hedging relationship) besteht aus einem zu sichernden Grundgeschäft und einem Sicherungsinstrument. y Das Grundgeschäft (hedged item) ist ein Vermögenswert, eine Verbindlichkeit, eine bilanzunwirksame, feste Verpflichtung oder eine erwartete Transaktion (IFRS 9.6.3.1), durch die ein Unternehmen dem Risiko einer Veränderung eines beizulegenden Zeitwerts oder von Zahlungsströmen ausgesetzt ist. Hierzu zählen z. B. ein variabel verzinslicher Kredit, gehaltene Aktien, Fremdwährungsforderungen oder -verbindlichkeiten oder auch die Absicht des Kaufs eines Vermögenswerts in einer fremden Währung. Neben einzelnen Grundgeschäften können auch Gruppen von Grundgeschäften Teil einer Sicherungsbeziehung sein. Darüber hinaus können auch einzelne Risikokomponenten eines Grundgeschäfts die Voraussetzungen für die Bildung einer Sicherungsbeziehung erfüllen (IFRS 9.6.3.7 und IFRS 9.B6.3.7 ff.). y Das Sicherungsinstrument (hedging item) dient der Beseitigung der Ergebnisvolatilität im IFRS-Abschluss. Als Sicherungsinstrument kommen sowohl derivative als auch originäre Finanzinstrumente in Betracht. Originäre Finanzinstrumente als Sicherungsinstrumente müssen in diesem Falle ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) bewertet und mit einer externen Partei abgeschlossen werden (IFRS 9.6.2.1 ff.). Beispiele für derivative Sicherungsinstrumente sind Futures, Forwards, Swaps und Optionen.
502
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
In Abhängigkeit der Reichweite, mit denen Grundgeschäfte gesichert werden, lassen sich drei Arten von Sicherungsbeziehungen unterscheiden (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 332 f.). y Bei einem micro hedge steht einem einzelnen Grundgeschäft ein unmittelbar zugeordnetes Sicherungsgeschäft gegenüber. y Ein portfolio hedge sichert das Risiko mehrerer gleichartiger Grundgeschäfte durch ein oder mehrere Sicherungsinstrumente ab. y Ein macro hedge fasst mehrere Grundgeschäfte zusammen, um die risikokompensierende Wirkung (Diversifikationseffekt) der Grundgeschäfte untereinander zu nutzen. In diesem Fall wird nur die sich ergebende Nettoposition abgesichert. b. Wesen Werden finanzielle Risiken, die sich aus einzelnen Bilanzpositionen ergeben, durch den Einsatz von geeigneten Sicherungsinstrumenten, z. B. Derivate, ausgeglichen, so kann sich durch die unterschiedliche bilanzielle Behandlung der gegenläufigen Positionen eine Volatilität in der GuV einstellen, welche der ökonomischen Realität nicht gerecht wird. Derartige Asymmetrien in der Bilanzierung sollen durch die Bildung von Sicherungsbeziehungen vermieden werden, indem gegenläufige Positionen zusammengefasst werden. Das nachfolgende Beispiel zeigt eine mögliche Sicherungsbeziehung und verdeutlicht, zu welchen Problemen es kommen kann, falls keine expliziten Bilanzierungsvorschriften für Sicherungsbeziehungen bestehen würden. Beispiel Wesen von derivativen Finanzinstrumenten Die A AG kauft am 29.11.t1 einen Warenbestand zu 1.000 € (Grundgeschäft) mit der Zielsetzung, diesen Bestand in t2 weiter zu veräußern. Zur Absicherung gegen mögliche Preisschwankungen wird am 30.11.t1 ein Vertrag über ein Sicherungsinstrument (angesprochen ist hier ein derivatives Finanzinstrument) abgeschlossen, welches die Wertschwankungen des Warenbestandes vollständig kompensiert. Basisobjekt ist hier die Ware. In dem Beispiel steigt der beizulegende Zeitwert des derivativen Finanzinstruments, wenn der Preis des Grundgeschäfts sinkt (und umgekehrt). Beträgt der Warenpreis (Zeitwert der Ware) am 31.12.t1 z. B. 980 €, hat das Derivat einen Zeitwert von 20 €; beträgt der Warenpreis indes 1.030 €, hat das Derivat einen Zeitwert von –30 €. Es wird deutlich, dass das Hedging in dem vorliegenden Beispiel neben dem Risiko auch die Chance einer günstigen Entwicklung völlig ausschließt. Für die Bewertung von Warenbeständen gilt nach IAS 2.9 und nach § 253 Abs. 1 S. 1 HGB das Anschaffungskostenprinzip (s. Kap. III.3.3.3.2). Bei einer am Wortlaut orientierten Beachtung des Grundsatzes der Einzelbewertung (s. Kap. II.4.4.2.3) sowie bei Gültigkeit des Anschaffungskostenprinzips sowohl für die Ware als auch das Finanzderivat ergeben sich die folgenden Fallunterscheidungen. Fall 1 Bilanz Ware Zeitwert (Fallunterscheidung)
< 1.000 €
Ware Zeitwert (Beispiel)
980 €
Ware Buchwert
980 €
Finanzderivat Zeitwert
20 €
Finanzderivat Buchwert
0 €
Periodenergebnis
Fall 2 GuV
Bilanz
Fall 3 GuV
1.000 €
1.000 €
GuV
> 1.000 €
1.000 € –20 €
Bilanz
1.030 € 0 €
0 €
1.000 €
0 €
–30 €
0 €
0 €
0 €
–30 €
–30 €
–20 €
0 €
0 €
–30 €
–30 €
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Weicht der Warenpreis vom Preis des Grundgeschäfts (in Höhe von 1.000 €) ab, so kommt es zu Ergebnisminderungen (Fall 1 und Fall 3), obwohl ökonomisch betrachtet keinerlei Verluste drohen.
Die in dem Beispiel dargestellte bilanzielle Behandlung »führt zu einer Volatilität in der GuV, die der ökonomischen Realität einer deutlich verringerten Risikoposition nicht entspricht« (Europäische Zentralbank 2004, S. 79). Daher ist eine spezielle, von der zuvor dargestellten bilanziellen Abbildung abweichende Vorgehensweise von Sicherungsbeziehungen im Rechnungswesen erforderlich. Die Designation von Sicherungsbeziehungen soll Asymmetrien beseitigen, die durch nicht in derselben Weise vorgenommene Behandlung der demselben Risiko (z. B. Zins-, Währungs- oder sonstige Preisrisiken) ausgesetzten Posten auf der Aktiv- und Passivseite entstehen. Solche Asymmetrien würden nicht entstehen, sofern für das Grundgeschäft und Sicherungsinstrument dieselben Bilanzierungsvorschriften gelten würden. Eine besondere Regelung für Sicherungsinstrumente wäre vollends entbehrlich, wenn alle Finanzinstrumente in gleicher Weise zum beizulegenden Zeitwert (full-fair-value accounting) bewertet würden (vgl. Wagenhofer 2009, S. 348; Backes 2019, S. 48 ff.). Da die derzeit geltenden Rechnungslegungsvorschriften allerdings kein full-fair-value accounting vorsehen, werden in den nachfolgenden Abschnitten die Details zur Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting) dargelegt. Diskussionsfrage III.3.-10 Diskutieren Sie Argumente für und gegen ein full-fair-value accounting. Welche Argumente fallen Ihnen ein? Zu welcher Gesamtwürdigung gelangen Sie? Welche Bewertungskonzeption sollte nach Ihrer Ansicht für bilanzielle Zwecke verfolgt werden?
c. Anzuwendende Rechnungslegungsnormen IFRS 9 als Nachfolgestandard zu IAS 39 enthält keine Neuregelung zu macro hedges, da das IASB diesen Teil in ein separates Projekt ausgegliedert hat. Erstanwender von IFRS 9 haben bei der Bilanzierung das Wahlrecht, Sicherungsbeziehungen entweder weiterhin nach IAS 39 oder nach IFRS 9 zu bilanzieren (IFRS 9.7.2.21; vgl. IDW 2021, K183). Für deutsche Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, ist ferner IDW RS HFA 48 von Bedeutung. Für die Absicherung kommen nach IFRS 9 neben der Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb34 die beiden folgenden Arten von Sicherungsbeziehungen in Betracht (IFRS 9.6.5.2, sowie ausführlich Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 331 ff.; Pellens et al. 2021, S. 679 ff.): y Der cash flow hedge dient der Absicherung von ergebniswirksam zu erfassenden Schwankungen künftiger Zahlungsströme eines Grundgeschäfts. Beispiele hierfür sind die Absicherung eines Fremdwährungsrisikos aus geplanten Umsätzen in fremder Währung durch Aufnahme einer Fremdwährungsverbindlichkeit, die Absicherung gegen Schwankungen einer Kaufpreiszahlung aus einem Vertrag über die physische Lieferung zu einem festgelegten Preis sowie Absicherung der Zinsrisiken durch Einsatz eines Swaps. y Der fair value hedge dient der Absicherung einer ergebniswirksam zu erfassenden Veränderung des beizulegenden Zeitwertes (FVPL) eines bilanzierten Grundgeschäfts. Beispiele hierfür sind die Absicherung eines gewährten oder aufgenommenen festver-
34 Ein ausländischer Geschäftsbetrieb ist ein Unternehmen(steil), das (bzw. der) im Ausland bzw. mit ausländischer Währung agiert. Somit ist dieser Unternehmensteil mit wirtschaftlichen und wechselkursbedingten Risiken verbunden. Die Konzernmutter kann sich in diesem Fall entschließen, das Währungsrisiko abzusichern. Dieser Sonderfall ist im IAS 21 »Auswirkungen von Änderungen des Wechselkurses« geregelt.
504
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
zinslichen Kredits gegen fair value-Änderungen aufgrund von Marktzinsänderungen, die Absicherung von Energiepreisänderungen aus einer bilanzunwirksamen festen Verpflichtung zur Lieferung von Energie zu einem feststehenden Preis sowie die Absicherung von Vorratsbeständen gegen fair value-Änderungen aufgrund von Güterpreisschwankungen. Nach nationalen Normen sind insb. § 254 HGB und IDW RS HFA 35 einschlägig. Die Einzelheiten zur handelsrechtlichen Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen folgen in Kap. III.3.5.2.3. 3.5.2.2 Sicherungsbeziehungen nach IFRS a. Voraussetzungen Eine Sicherungsbeziehung ist nach IFRS 9 bis zu ihrer Beendigung (IFRS 9.6.5.5 f.) zu bilanzieren, wenn sie als solche designiert (IFRS 9.6.1.2) wird und die folgenden Voraussetzungen gem. IFRS 9.6.4.1 kumulativ erfüllt sind: y Bestandteile: Die Sicherungsbeziehung besteht ausschließlich aus zulässigen Grundgeschäften und zulässigen Sicherungsinstrumenten (IFRS 9.6.4.1.a). y Dokumentation: Zu Beginn der Sicherungsbeziehung erfolgt eine formale Designation, welche mit Erläuterungen von Zielsetzung und Strategie des Risikomanagements dokumentiert wird (IFRS 9.6.4.1.b). y Effektivität: a) Zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang festgestellt werden (IFRS 9.6.4.1.c.i; IFRS 9.B6.4.4 ff.), b) das Ausfallrisiko dominiert nicht die Wertänderungen, die sich aus der wirtschaftlichen Sicherungsbeziehung ergeben (IFRS 9.6.4.1.c.ii; IFRS 9.B6.4.7 f.) und c) die Sicherungsquote der Sicherungsbeziehung (hedge ratio) spiegelt das im Rahmen des Risikomanagements zur tatsächlichen wirtschaftlichen Sicherung eingesetzte Volumen des Grundgeschäfts sowie das Volumen des Sicherungsinstruments zutreffend wider (IFRS 9.6.4.1.c.iii; IFRS 9.B6.4.9 ff.). Die Voraussetzungen zur Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen fasst Abbildung III.3./9 zusammen:
Designation (IFRS 9.6.1.2)
Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen
Beendigung (IFRS 9.6.5.5 f.)
Kumulative Voraussetzungen zur Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (IFRS 9.6.4) Bestandteile (IFRS 9.6.4.1.a) Zulässige Grundgeschäfte Zulässige Sicherungsinstrumente
Dokumentation (IFRS 9.6.4.1.b) Designation und Dokumentation Zielsetzung und Strategie des Risikomanagements
Effektivität (IFRS 9.6.4.1.c) Wirtschaftlicher Zusammenhang Nicht dominierendes Kreditrisiko Angemessene Sicherungsquote
Abb. III.3./9 Voraussetzungen zur Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen35
Sicherungsbeziehungen, welche diese Voraussetzungen erfüllen, werden als effektiv bezeichnet. Die Erfüllung der Voraussetzungen ist ab Beginn der Sicherungsbeziehung zu dokumentieren (IFRS 9.6.4.1.b). Sofern die vorstehenden Voraussetzungen für eine Sicherungsbeziehung nicht mehr bestehen, ist die Sicherungsbeziehung entweder so anzupas-
35 In Anlehnung an KPMG 2021c, S. 162.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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sen, dass die Voraussetzungen wieder erfüllt werden (sog. Rekalibrierung (rebalancing); IFRS 9.6.5.5; IFRS 9.B6.5.7 ff.; hierzu Thomas 2015, S. 291 ff.; Backes 2019, S. 102 ff.) oder aufzulösen (IFRS 9.6.5.6). IFRS 9 gibt zur Beurteilung der Wirksamkeit von Sicherungsbeziehungen (Effektivitätsmessung) keine Methode vor. Allerdings muss das Unternehmen eine Methode verwenden, mit welcher die relevanten Merkmale der Sicherungsbeziehung erfasst werden. Je nach Sachverhalt können qualitative oder quantitative Methoden eingesetzt werden (IFRS 9.B6.4.13). IFRS 9 gibt keine quantitativen Grenzen zur Beurteilung der Effektivität vor. Im Rahmen der weiterhin notwendigen Dokumentation der prospektiven Effektivitätsbeurteilung kann auf die etablierten Methoden zurückgegriffen werden (sog. prospektiver Effektivitätstest, hierzu IDW RS HFA 9, Rn. 328 sowie Bosse/Topper 2013, S. 71 ff.; Prokop/Wallis 2021, S. 149 ff.). Prospektive Effektivitätstests: y Critical term match: Übereinstimmung der Ausstattungsmerkmale von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument. y Sensitivitätsanalyse: Die Sensitivität der Änderungen des beizulegenden Zeitwerts des Grundgeschäfts und des Sicherungsinstruments wird auf Basis unterschiedlicher Szenarien analysiert. y Historische Betrachtung: Nachweis der Effektivität anhand historischer Daten. Derivate, die als Sicherungsinstrument einzustufen sind, gehören nicht zum Handelsbestand. Liegt hingegen eine der Voraussetzungen nicht vor, gehört das Finanzinstrument zum Handelsbestand und wird ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert (FVPL) bewertet (s. Kap. III.3.5.1.2). b. Absicherung des beizulegenden Zeitwerts Ein fair value hedge sichert den beizulegenden Zeitwert eines Vermögenswerts, einer Verbindlichkeit oder einer wahrscheinlichen Transaktion gegen Schwankungen ab. Bei einer Absicherung eines beizulegenden Zeitwerts erfolgt die Bilanzierung der Sicherungsbeziehung nur für den Anteil, für den die Sicherungsbeziehung effektiv ist (IFRS 9.6.5.8.a). In den folgenden Ausführungen wird auf Abbildung III.3./10 Bezug genommen, welche die Bilanzierung von Sicherungsinstrumenten zur Absicherung des beizulegenden Zeitwerts zusammenfasst. Im Regelfall (B1) wird zur Erfassung des ineffektiven Teils der Sicherungsbeziehung gem. IFRS 9.6.5.8.b ggf. der Buchwert des Grundgeschäfts entsprechend angepasst (B2), wobei die Wertänderung ergebniswirksam zu erfassen ist (B3). Dies gilt auch, wenn das abzusichernde Grundgeschäft aus ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI) bewerteten finanziellen Vermögenswerten gebildet wird. Das Sicherungsinstrument wird stets zum beizulegenden Zeitwert bewertet (B4), wobei die Wertänderungen ergebniswirksam in der GuV (FVPL) erfasst werden (B5). Eine Ausnahme besteht bei Eigenkapitalinstrumenten mit ausgeübter FVOCI-Option (C1): In diesem Fall wird das Grundgeschäft ergebnisneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI) bewertet (C2). Dementsprechend werden die Wertänderungen ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis erfasst (C3; IFRS 9.6.5.8.b). Selbiges gilt gem. IFRS 9.6.5.8.a auch für das Sicherungsinstrument (C4 und C5).
506
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(A2) Sicherungsinstrument
((A1) Grundgeschäft)
Absicherung des beizulegenden Zeitwerts (fair value hedge; IFRS 9.6.5.8) (B1) Standard-Grundgeschäfte (Regelfall)
(C1) Eigenkapitalinstrument, für welches die FVOCIOption ausgeübt wird (IFRS 9.5.7.5)
(B2) Anpassung des Buchwertes um Wertänderung der gesicherten Komponente (IFRS 9.6.5.8.b)
(C2) Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 9.6.5.8.b)
(B3) Ergebniswirksame Erfassung in der GuV (IFRS 9.6.5.8.b)
(C3) Nicht ergebniswirksame Erfassung im OCI (IFRS 9.6.5.8.b)
(B4/C4) Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 9.4.1.4 / IFRS 9.4.2.1) (B5) Ergebniswirksame Erfassung in der GuV (IFRS 9.6.5.8.a)
(C5) Nicht ergebniswirksame Erfassung im OCI (IFRS 9.6.5.8.a)
Abb. III.3./10 Absicherung des beizulegenden Zeitwerts36
Beispiel Buchungstechnik bei einem fair value hedge Ein Unternehmen hat am 3.9.t1 eine Produktionsanlage in den USA für 30 Mio. US-$ bestellt (A1/B1; Grundgeschäft). Die Anlage wird am 26.1.t2 geliefert und von dem Unternehmen bezahlt. Um die möglichen Wechselkursschwankungen abzusichern, schließt das Unternehmen ein Termingeschäft (A2; Sicherungsinstrument) ab. Am 3.9.t1 kauft das Unternehmen 30 Mio. US-$ zum Kurs von 1,11 US-$ für 1 € auf Termin per 26.1.t2. Hierdurch wird der Kaufpreis der Produktionsanlage auf 27 Mio. € (30 Mio. US-$ / 1,11 US-$) festgesetzt. Der Wechselkurs am 31.12.t1 beträgt 1,2 USD für 1 € und am 26.1.t2 beläuft sich dieser auf 1,13 US-$ für 1 €. Die Bestellung am 3.9.t1 führt zu keinen Buchungen. Da der fair value des Termingeschäftes null beträgt, wird dieses bilanziell ebenfalls nicht erfasst. Am 31.12.t1 errechnet sich der fair value des Derivats (B4) als Differenz zwischen dem durch das Termingeschäft festgesetzten Kaufpreis in Höhe von 27 Mio. € und dem mit dem am Stichtag relevanten Wechselkurs umgerechneten Kaufpreis in Höhe von 25 Mio. € (30 Mio. US-$/1,2 US-$). Diese Differenz (2 Mio. €) spiegelt den ergebnismindernd zu erfassenden (B5) fair value des Sicherungsinstruments (B4) wieder. Hierbei handelt es sich um eine negative Entwicklung des fair value, denn ohne abgeschlossenes Termingeschäft (B4) könnte die Produktionsanlage zum Zeitpunkt des Stichtages um 2 Mio. € günstiger als der festgesetzte Kaufpreis erworben werden. Dieser Preisvorteil stellt den sich positiv entwickelten fair value des Grundgeschäftes (B2) dar und wird ebenfalls im Periodenergebnis erfasst (B3). Buchungen am 31.12.t1 Aufwand sonst. Vermögenswert
2 Mio. € (B5) 2 Mio. € (B2)
an an
Finanzderivat Ertrag
2 Mio. € (B4) 2 Mio. € (B3)
Am 26.1.t2 ist der fair value des Sicherungsinstrumentes analog zu ermitteln (B4), d. h. vom Kaufpreis umgerechnet mit dem aktuellen Wechselkurs (26,5 Mio. €) ist der durch das Termingeschäft festgesetzte Kaufpreis zu subtrahieren (27 Mio. €), sodass sich ein fair value von – 0,5 Mio. € errechnet. Folglich ist der Buchwert des passivierten Derivates ergebniserhöhend um 1,5 Mio. € zu korrigieren. Somit resultiert aus dem Termingeschäft eine Zahlungsverpflichtung seitens des Unternehmens an die Bank in Höhe von 0,5 Mio. €.
36 In Anlehnung an KPMG 2021c, S. 163.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
507
Buchungen am 26.1.t2 Finanzderivat
2 Mio. € (B4)
an an
Ertrag Bank
1,5 Mio. € (B5) 0,5 Mio. €
Die Aktivierung der Produktionsanlage erfolgt zum aktuellen Kurs von 1,13 US-$ für 1 €. Der fair value des Termingeschäfts entwickelt sich in die umgekehrte Richtung und ist aufwandswirksam zu erfassen (1,5 Mio. €). Im letzten Schritt erfolgt die Anschaffungskosten der Produktionsanlage erhöhende Ausbuchung des Termingeschäftes. Produktionsanlage Aufwand Produktionsanlage
26,5 Mio. € 1,5 Mio. € 0,5 Mio. €
an an an
Bank sonst. Vermögenswert sonst. Vermögenswert
26,5 Mio. € 1,5 Mio. € 0,5 Mio. €
c. Absicherung von Zahlungsströmen Soll anstelle eines Vermögenswerts, einer Verbindlichkeit oder einer erwarteten Transaktion ein Zahlungsstrom oder eine Reihe von Zahlungsströmen aus einem Finanzinstrument abgesichert werden, so handelt es sich um einen cash flow hedge. Die Bilanzierung der Sicherungsbeziehung erfolgt, ebenso wie bei der Absicherung eines beizulegenden Zeitwerts (fair value hedge), nur für den Anteil, für den die Sicherungsbeziehung effektiv ist (IFRS 9.6.5.11.a f.). Die Wertänderung des Grundgeschäfts wird nicht bewertet, weil das Grundgeschäft schwebend ist. Daher wird zunächst nur das Sicherungsinstrument betrachtet (vgl. IDW 2021, K187). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die in Abbildung III.3./11 dargestellte Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen zur Absicherung von Zahlungsströmen. Wertänderungen von zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Sicherungsbeziehungen (siehe B1 in Abb. III.3./11) werden in Bezug auf den effektiven Teil der Sicherung ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (FVOCI) abgebildet (B2). Die Erfassung erfolgt über die Bildung einer sog. cash flow hedge-Rücklage (IFRS 9.6.5.11.b). Der ineffektive Teil wird gem. IFRS 9.6.5.11.c ergebniswirksam in der GuV erfasst (B3). Hinsichtlich der Auflösung der cash flow hedge-Rücklage werden zwei Fälle unterschieden. Wenn es sich bei dem Grundgeschäft um eine abgesicherte erwartete künftige Transaktion handelt, aus welcher ein nichtfinanzieller Vermögenswert bzw. eine nichtfinanzielle Verbindlichkeit oder eine feste Verpflichtung resultiert (B4), ist der Betrag der cash flow hedge-Rücklage gem. IFRS 9.6.5.11.d.i unmittelbar in den Buchwert des nichtfinanziellen Vermögenswerts bzw. der nichtfinanziellen Verbindlichkeit umzubuchen (B5). Andernfalls (C4) kommt es gem. IFRS 9.6.5.11.d.ii zu einem ergebniswirksamen recycling (s. Kap. II.5.3.3.3.a) der über das sonstige Ergebnis abgegrenzten cash flow hedge-Rücklage (C5.1). Falls ein saldierter Verlust in der cash flow hedge-Rücklage auftritt, welcher voraussichtlich in zukünftigen Perioden nicht wieder ausgeglichen wird, ist dieser Verlust gem. IFRS 9.6.5.11.d.iii sofort ergebniswirksam zu recyceln (C5.2).
508
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Absicherung von Zahlungsströmen (cash flow hedge; IFRS 9.6.5.11)
(A2) Grundgeschäft
(A1) Sicherungsinstrument
(B1) Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 9.4.1.4 / IFRS 9.4.2.1) (B2) Effektiver Teil: Nicht ergebniswirksame Erfassung im OCI (IFRS 9.6.5.11.b) (B3) Ineffektiver Teil: Ergebniswirksame Erfassung in der GuV (IFRS 9.6.5.11.c) (B4) Bestimmte erwartete künftige Transaktionen Erwartete künftige Transaktion wird zu einem nichtfinanziellen Vermögenswert/Schuld Erwartete künftige Transaktion für eine(n) nichtfinanziellen Vermögenswert/Schuld wird zu einer festen Verpflichtung, deren beizulegender Zeitwert abgesichert wird
(C4) Sonstige Grundgeschäfte
(B5) Im OCI erfasste Wertänderung des Sicherungsinstruments wird zum Bestandteil der Anschaffungskosten des Vermögenswertes/der Schuld (IFRS 9.6.5.11.d.i)
(C5.1) Im OCI erfasste Wertänderung des Sicherungsinstruments ist in den Perioden in die GuV umzubuchen, in denen die gesicherten Zahlungsströme den Gewinn oder Verlust beeinflussen (IFRS 9.6.5.11.d.ii) (C5.2) Ein saldierter Verlust im OCI ist sofort in die GuV umzubuchen, wenn dieser in zukünftigen Perioden voraussichtlich nicht wieder ausgeglichen wird (IFRS 9.6.5.11d(iii))
Abb. III.3./11 Absicherung von Zahlungsströmen37
Die Sicherungsbeziehung wird beendet, wenn der gesicherte, ergebniswirksame Zahlungsstrom eintritt, das Sicherungselement ausgeübt, »glatt gestellt« oder veräußert wird, ausläuft oder die Ansatzkriterien nicht mehr erfüllt sind. Solange mit dem Eintritt der abgesicherten Zahlungsströme noch zu rechnen ist, bleibt die angelegte cash flow hedge-Rücklage nach Beendigung der Sicherungsbeziehung bestehen (IFRS 9.6.5.12.a). Erst wenn der Eintritt der abgesicherten Zahlungsströme nicht länger erwartet wird, ist die cash flow hedge-Rücklage ergebniswirksam aufzulösen (IFRS 9.6.5.12.b). Beispiel Buchungstechnik bei einem cash flow hedge38 Ein Unternehmen benötigt am 1.7.t1 2.000 t Stahl der Sorte X. Diese erwartete Transaktion stellt das Grundgeschäft (A2) dar. Der Marktpreis von Stahl X liegt am 1.1.t1 bei 500 €/t. Das Unternehmen sichert sich diesen Marktpreis, indem es am 1.1.t1 ein 6-Monats-Future über 100 t Stahl der artverwandten Sorte Y (A1) abschließt. Die Tabelle zeigt die Wertentwicklung der Geschäfte: Wertentwicklung Marktpreis für 2.000 t Stahl X Kumulierte Marktpreisänderung (a) Marktpreis Future Stahl Y (b) Rücklage [min. (a), (b)]
1.1.t1
1.2.t1
1.3.t1
1.5.t1
1.000 T€
1.100 T€
1.250 T€
1.500 T€
–
100 T€
250 T€
500 T€
0 T€
+ 90 T€
+ 260 T€
+ 490 T€
–
+ 90 T€
+ 250 T€
+ 490 T€
Die Höhe der Rücklage bestimmt sich aus dem kleineren Betrag aus der kumulierten Änderung des beizulegenden Zeitwerts des Grundgeschäfts (a) und der kumulierten Änderung des beizulegenden Zeitwerts des Sicherungsinstruments (b) (IFRS 9.6.5.11.a).
37 In Anlehnung an KPMG 2021c, S. 163. 38 In Anlehnung an Grünberger 2021, S. 293.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
509
Buchungen am 1.2.t1 Finanzderivat
90 T€ (B1)
an
cash flow hedge-Rücklage
90 T€ (B2)
Am 1.3.t1 beträgt die kumulierte Marktpreisänderung des Futures 260 T€, während die kumulierte Marktpreisänderung von Stahl X 250 T€ beträgt. Die resultierende Differenz (10 T€) wird ergebniswirksam verbucht. Buchungen am 1.3.t1 Finanzderivat
170 T€ (B1)
an
cash flow hedge-Rücklage Ertrag
160 T€ (B2) 10 T€ (B3)
Am 1.5.t1 muss trotz der Wertsteigerung des Sicherungsinstruments (Future) ein Aufwand (10 T€) gebucht werden. Damit wird der zum 1.3.t1 als ineffektiv erfasste Ertrag (10 T€) neutralisiert. Der im Vergleich zum Sicherungsinstrument stärkere Anstieg des Grundgeschäfts (Marktpreisänderung Stahl X: + 500 T€, Future: + 490 T€) wird nicht verbucht, schlägt sich jedoch im Rahmen der Effektivitätsmessung nieder. Buchungen am 1.5.t1 Finanzderivat Aufwand
230 T€ (B1) 10 T€ (B3)
an
cash flow hedge-Rücklage
240 T€ (B2)
d. Angabepflichten Die Angabepflichten zu Sicherungsbeziehungen normiert IFRS 7. Demnach sind insbesondere zahlreiche qualitative Informationen zu veröffentlichen (vgl. Leibfried/Weber/Rummel 2015, S. 322; KPMG 2021, S. 141). Gem. IFRS 7.22a sind u. a. Beschreibungen der Arten der eingesetzten Sicherungsbeziehungen (z. B. Absicherung des beizulegenden Zeitwerts und Absicherung von Zahlungsströmen) sowie der als Sicherungsinstrument designierten Finanzinstrumente anzugeben. Neben den beizulegenden Zeitwerten der Sicherungsinstrumente sind auch die Arten der abgesicherten Risiken zu benennen. Weiterreichende Angaben sind zudem gem. IFRS 7.24.a für Absicherungen von beizulegenden Zeitwerten und gem. IFRS 7.24.b für Absicherungen von Zahlungsströmen gefordert. Praxisbeispiele finden sich u. a. in Leibfried/Weber/Rummel, 2015, S. 322 ff. oder Ernst & Young 2021, S. 4405 ff. 3.5.2.3 Sicherungsbeziehungen nach deutschen GoB – Darstellung und Vergleich mit IFRS Die bilanzielle Behandlung von Sicherungsbeziehungen nach deutschen GoB regelt § 254 HGB, ggf. unter ergänzender Berücksichtigung von IDW RS HFA 35 und DRS 20 (vgl. Schmidt/ Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 1 ff.). Demnach können Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte und mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen, die in einer Sicherungsbeziehung mit einem Finanzinstrument stehen, zu sog. Bewertungseinheiten zusammengefasst werden (vgl. IDW 2021, F200 ff.). Da die Bildung von Bewertungseinheiten im Ermessen des Unternehmens liegt (»werden (z. B., die Hrsg.) Vermögensgegenstände (…) mit Finanzinstrumenten zusammengefasst« § 254 Abs. 1 Satz 1 HGB), handelt es sich um ein faktisches Ansatzwahlrecht. Demnach kann das Unternehmen ökonomisch eine Risikoabsicherung vornehmen, aber durch eine fehlende Designation als Bewertungseinheit auf die bilanzielle Behandlung als Bewertungseinheit verzichten. In diesem Fall ist im Anhang anzugeben, dass die ökonomische Sicherungsbeziehung nicht als bilanzielle Sicherungsbeziehung abgebildet wurde (DRS 20.186; IDW RS HFA 35.101). Insofern ist die Regelung
510
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
im Ergebnis vergleichbar mit den IFRS (vgl. Kuhn/Hachmeister 2015, Teil F, Rn. 285; Schmidt/ Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 3). Voraussetzung für die Bildung von Bewertungseinheiten ist, dass das Grund- und das Sicherungsgeschäft gleichen Risiken ausgesetzt sind, wobei nur eindeutig ermittelbare einzelne Risiken absicherungsfähig sind (vgl. Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 197 f.; Schmidt/ Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 20 ff.). Darüber hinaus ist ein Effektivitätsnachweis erforderlich. Demnach ist zu jedem Abschlussstichtag einzuschätzen, ob und inwieweit die Gegenläufigkeit der Wertänderungen bzw. der Zahlungsströme innerhalb der Bewertungseinheiten in Zukunft voraussichtlich erfüllt sein werden (IDW RS HFA 35.50). Ein vergleichbarer prospektiver Effektivitätsnachweis ist auch nach IFRS erforderlich (vgl. Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 196 ff.). Bei der Bewertung sind, in dem Umfang und für den Zeitraum, in dem sich gegenläufige Wertänderungen oder Zahlungsströme aus der Sicherungsbeziehung ausgleichen, das Einzelbewertungsprinzip sowie das Imparitäts- und Realisationsprinzip für die an der Sicherungsbeziehung beteiligten Positionen nicht anzuwenden (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, Abschn. H, Rn. 1; Schmidt/Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 50). In der Folge werden keine nicht realisierten Verluste berücksichtigt, soweit diesen in gleicher Höhe nicht realisierte Gewinne gegenüberstehen. Gleichen sich die Wertänderungen (oder Zahlungsströme) indes nicht aus, ist der übersteigende Betrag (ineffektiver Teil der Bewertungseinheit) nach den allgemeinen Bewertungsregeln zu behandeln (z. B. Bildung einer Drohverlustrückstellung). Dieses grundsätzliche Vorgehen entspricht im Wesentlichen auch der Vorgehensweise nach IFRS. Für die Abbildung in der Bilanz und GuV kommen die sog. Einfrierungsmethode und die Durchbuchungsmethode in Betracht (vgl. IDW RS HFA 35.75 ff. sowie ausführlich Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 337 ff.). Während bei der Einfrierungsmethode nur der ineffektive Teil der Sicherungsbeziehung ergebniswirksam abgebildet wird, werden bei der Durchbuchungsmethode alle Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen der zu betrachtenden Posten ergebniswirksam erfasst. Da sich die ergebniswirksamen Änderungen jedoch, soweit sie den effektiven Teil der Sicherungsbeziehung betreffen, gegenseitig ausgleichen, führen beide Methoden stets zum selben Periodenergebnis. Im Gegensatz zur Bilanzierung nach IFRS verzichtet das Handelsrecht auf eine Unterscheidung verschiedener Arten von Sicherungsbeziehungen wie z. B. micro vs. macro hedge (vgl. Schmidt/Usinger 2020, § 254 HGB, Rn. 2). Die mit der Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen verbundenen Angabepflichten im Anhang sind in § 285 Nr. 23 HGB geregelt (vgl. IDW RS HFA 35.93 ff.). Obwohl nach HGB die Dokumentation einer Sicherungsbeziehung nicht explizit als Voraussetzung für den Ansatz genannt ist, ist diese Dokumentation für den Effektivitätsnachweis erforderlich, sodass de facto die Sicherungsbeziehung zu benennen ist (vgl. Backes 2019, S. 157 f.; Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 198). Diskussionsfrage III.3.-11 Gehen Sie bei der Diskussion der folgenden Punkte davon aus, dass ein handelsrechtlicher Einzelabschluss zu erstellen ist. a) Wie beurteilen Sie den Umstand, dass der Gesetzgeber die Bildung von Bewertungseinheiten als Wahlrecht ausgestaltet hat? Legen Sie zunächst einmal dar, welche Beurteilungsmaßstäbe heranzuziehen sind. b) Ein Unternehmen hat für wesentliche Sicherungsbeziehungen keine Bewertungseinheiten gebildet. Diskutieren Sie mögliche Berichterstattungskonsequenzen.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
511
Kontrollfragen zu III.3.5 1. Wodurch unterscheiden sich Derivate von originären Finanzinstrumenten? 2. Welche Kategorien von Termingeschäften lassen sich unterscheiden? 3. Welche unterschiedlichen Arten von Optionen gibt es und wodurch unterscheiden sich diese? 4. Was sind die Hauptmotive für den Einsatz von Termingeschäften? 5. Welche Bestandteile gehören zu einer Sicherungsbeziehung? 6. Welche Arten von Sicherungsbeziehungen werden in IFRS 9 geregelt? 7. Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem fair value-hedge und einem cash flow hedge? 8. Die B-AG stellt ihren Jahresabschluss nach IFRS in Euro auf und erwartet am Ende des Jahres t2 Umsatzerlöse von 20 Mio. US-$ aus hochwahrscheinlichen Transaktionen, für die allerdings noch keine Rechtsgeschäfte abgeschlossen wurden. Die B-AG verkauft – um sich gegen das Risiko unvorteilhafter Wechselkursänderungen abzusichern – am 30.9.t1 20 Mio. US-$ auf Termin per 31.12.t2 zum derzeitigen Wechselkurs von 1,25 US-$/€ (Devisentermingeschäft). Führen Sie alle Buchungen zum 31.12.t1 und zum 31.12.t2 für diesen cash flow hedge durch, unter der Annahme, dass die Umsatzerlöse am 31.12. t2 tatsächlich anfallen. Am 30.9.t1 beträgt der Wechselkurs 1,25 US-$/€ und am 31.12. t2 beträgt der Wechselkurs 1,30 US-$/€ (in Anlehnung an Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 346 ff.).
3.6 Eigenkapital 3.6.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Eigenkapital ist definiert als die Summe der Aktiva abzüglich der Schulden. Nach deutschen GoB sind zusätzlich zu den Schulden auch passive Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen. Das Eigenkapital bezeichnet die Mittel, die von den rechtlichen Eigentümern eines Unternehmens auf eine unbegrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werden (abzubildender Sachverhalt). Die Dividendenzahlungen an die Inhaber eines Eigenkapitalinstrumentes (zumeist Aktien) sind regelmäßig auf das Jahresergebnis beschränkt. Da das Jahresergebnis bereits um mögliche Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber verringert wurde, wird der Gewinnanspruch der Eigenkapitalgeber auch Residualgewinnanspruch genannt. Eigenkapital kann aus verschiedenen Quellen resultieren. Zum einen kann es in der Vergangenheit als Bar- oder Sacheinlage von bisherigen oder neuen Gesellschaftern erbracht worden sein und resultiert daher aus der Eigenfinanzierung. Eigenkapital kann auch aus dem Verzicht auf Ausschüttungen entstehen. Der nicht ausgeschüttete Gewinn wird dann thesauriert. Hierbei handelt es sich um eine Form der Selbstfinanzierung eines Unternehmens. Das Eigenkapital wird wiederum gemindert durch Gewinnentnahmen oder Jahresfehlbeträge. Im Gegensatz zum Eigenkapital handelt es sich beim Fremdkapital um Mittel, die dem Unternehmen von unternehmensexternen Personen auf eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werden. Die Zahlungen an die Fremdkapitalgeber, z. B. Zins und Tilgung an einen Kreditgeber, sind von der Höhe des ausgewiesenen Jahresergebnisses unabhängig. Dem Fremdkapital kommt lediglich eine Finanzierungsfunktion zu.
512
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Das Eigenkapital hingegen erfüllt verschiedene Funktionen (vgl. Baetge/Kirsch/ Thiele 2021a, S. 480 ff.): y Eigenkapital wird dem Unternehmen unbefristet zur Verfügung gestellt, demnach kann das Unternehmen mit diesen Beträgen dauerhaft arbeiten und sie ggf. auch für risikoreiche Investitionen einsetzen, für die ansonsten kaum Fremdkapital zu beschaffen wäre. Somit hat das Eigenkapital auch eine Finanzierungsfunktion. y Für Dritte ist jederzeit erkennbar, mit welchem Betrag eine Kapitalgesellschaft haftet, sodass das Eigenkapital auch die sog. Haftungsfunktion innehat. Eng verbunden hiermit ist die Verlustausgleichsfunktion, d. h., das Eigenkapital kann Jahresfehlbeträge, z. B. über die Auflösung von Rücklagen, auffangen. y Während die Verlustausgleichsfunktion die Vermögensrechte der Anteilseigner ggf. beeinträchtigt, sichert die Gewinnbeteiligungsfunktion den Anspruch der Aktionäre bzw. Gesellschafter auf entstandene (anteilige) Jahresergebnisse. Des Weiteren besitzt das Eigenkapital eine Geschäftsführungsfunktion. Bei z. B. AGs ist diese jedoch auf die Aktionärsrechte in der Hauptversammlung beschränkt. Für den Ansatz und die Bewertung von Eigenkapital (equity) existiert kein eigenständiger IFRS. Das Eigenkapital wird in IAS 32.11 als ein Vertrag definiert, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller dazugehörigen Schulden begründet (so auch in IASB F.4.64). Weitere Details zur Abgrenzung von Schulden und Eigenkapital finden sich in IAS 32.15 ff. Zentrales Abgrenzungskriterium ist dabei, ob der Kapitalgeber bzw. Halter des Instrumentes (holder) den überlassenen Kapitalbetrag auf vertraglicher Basis vom Emittenten (issuer) zurückfordern kann (IAS 32.17, S. 1).39 Hat der Kapitalgeber eine solche Möglichkeit nicht, handelt es sich um ein Eigenkapitalinstrument. Obwohl der Halter eines Eigenkapitalinstruments z. B. zum Empfang einer anteiligen Dividende berechtigt sein kann, ist der Emittent zur Auszahlung des Gewinnanteils nicht verpflichtet (IAS 32.17 S. 2). IAS 32 nimmt sich dem Problem der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nicht prinzipienbasiert, sondern kasuistisch an (vgl. hierzu sowie zu den folgenden Erläuterungen Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 20, Rn. 31 ff.). Wenn sog. kündbare Instrumente (puttable instruments) bestimmte Voraussetzungen (z. B. das kündbare Instrument muss der Klasse von Finanzinstrumenten zuzuordnen sein, deren Ansprüche zuletzt bedient werden, und alle Instrumente dieser Klasse müssen gleich ausgestattet sein; vgl. hierzu IAS 32.16A) erfüllen, dann können diese als Eigenkapital klassifiziert werden (vgl. auch Schmidt 2008, S. 434 ff.; Reiner 2020, § 272, Rn. 137).40 Diese Bedingungen dürften im Regelfall zumindest bei deutschen Personengesellschaften erfüllt sein, sodass die Einlagen der Gesellschafter als Eigenkapital klassifiziert werden können.
39 Zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nach IAS 32 siehe auch IDW RS HFA 45; Rammert/Meurer 2006, S. 1 f.; Pöschke 2011, S. 195 ff.; Schmidt 2013, S. 201 ff. Zum aktuellen Stand der Überarbeitung des IAS 32 und seine Bedeutung für die Abgrenzung siehe auch Geisel/Ploog 2018, S. 1505 ff.; Schmidt 2018, S. 942 ff.; Baumüller/Novotny-Farkas 2019, S. 324 ff. 40 Weitere Bedingungen sind in den Buchstabenparagrafen IAS 32.16A – IAS 32.16F enthalten. Wenn diese Bedingungen vollständig erfüllt sind, dann können die kündbaren Anteile als Eigenkapital qualifiziert werden.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
513
3.6.2 Ausweis Die Mindestausweispflichten für das Eigenkapital nach IFRS geben lediglich vor, dass das gezeichnete Kapital (share capital), die Rücklagen (reserves) und die Minderheitenanteile (non-controlling interest) auszuweisen sind (IAS 1.54q, 1.54r). Weiterhin folgt aus IAS 1.78e, dass das eingezahlte Kapital (paid-in-capital), die Kapitalrücklagen (share premium) und die übrigen Rücklagen entweder in der Bilanz oder im Anhang getrennt zu zeigen sind. Des Weiteren können nach IAS 1.79 weitere Mindestangaben, in Abhängigkeit der Aktiengattung, entnommen werden. Diese sind in der Bilanz, der Eigenkapitalveränderungsrechnung oder dem Anhang auszuweisen. Aufgrund der Vielzahl von nationalen gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergeben sich spezifische nationale Eigenkapitalpositionen (vgl. auch IASB F.4.66 f.). Da die Regelungen zum Eigenkapitalausweis nach IFRS nicht sehr detailliert ausgestaltet sind, stehen sie einer Anwendung der spezifischen nationalen Regelungen nicht entgegen (i. d. S. auch Baetge/ Kirsch/Thiele 2021a, S. 536). Im Ergebnis dürften insbesondere für AG und GmbH die Eigenkapitalpositionen nach IFRS regelmäßig den Eigenkapitalposten nach HGB entsprechen. Dies gilt auch für die SE (Societas Europaea = Gesellschaft europäischen Rechts), da die wichtigsten Rechtsquellen für das Bilanzrecht der SE mit (Register-)Sitz in Deutschland das AktG, das HGB und die IAS-VO sind (Art. 61 SE-VO; vgl. auch Eberspächer 2019, Art. 61, Rn. 3). Daher werden im Folgenden die Regelungen nach IFRS und HGB gemeinsam beschrieben. Handelsrechtlich gelten für den Ausweis des Eigenkapitals vor allem die §§ 266 Abs. 3 A., 268 Abs. 1, 3 und 8 sowie 270 HGB. Ergänzend treten ggf. die rechtsformspezifischen Regelungen im AktG, im GmbHG sowie im GenG hinzu. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Rechtsform einer Aktiengesellschaft.41 Wird keine Ergebnisverwendungsrechnung nach § 158 AktG erstellt, sind gem. § 266 Abs. 3 A. HGB die folgenden Eigenkapitalposten auszuweisen: I. Gezeichnetes Kapital, II. Kapitalrücklage, III. Gewinnrücklagen, IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag (aus dem Vorjahr), V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Bei Erstellung einer Ergebnisverwendungsrechnung ist anstelle der Posten IV. und V. der Posten »IV. Bilanzgewinn/Bilanzverlust« zu zeigen (§ 268 Abs. 1 S. 2 HGB; s. Kap. II.5.3.3.4; insbes. Abb. II.5./11). Übersteigen die erwirtschafteten Verluste die Höhe des Eigenkapitals, so ist nach § 268 Abs. 3 HGB der überschießende Betrag auf der Aktivseite am Schluss der Bilanz als gesonderter Posten »Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag« auszuweisen. Eine solche bilanzielle Überschuldung ist nicht gleichzusetzen mit einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (s. Kap. II.4.4.2.1). Des Weiteren ist anzumerken, dass Gesellschafterdarlehn bei einer Insolvenz gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig bedient werden. Diese sind somit als Fremdkapital auszuweisen, es bedarf keiner Kennzeichnung als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehn. Aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips (s. Kap. I.2.2.1) gelten die handelsrechtlichen Normen grundsätzlich auch in der Steuerbilanz (vgl. z. B. Falterbaum et al. 2020, S. 408). Die
41 Die Ausführungen gelten regelmäßig auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). In diesem Fall haftet wenigstens ein Gesellschafter als Komplementär persönlich und unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen, während die Haftung der Kommanditisten auf ihre in Aktien verbrieften Kapitaleinlagen beschränkt ist. Vgl. §§ 278–290 AktG.
514
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
umgekehrte Maßgeblichkeit, nach der steuerrechtliche Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen in die Handelsbilanz übernommen werden mussten, hat jedoch keine rechtliche Grundlage mehr, sodass z. B. der Sonderposten mit Rücklageanteil entfällt (vgl. hierzu sowie zu den Beibehaltungswahlrechten Schubert 2020, Art. 67 EGHGB, Rn. 15). Besonderheiten des Steuerrechts werden im Folgenden nicht weiter vertieft (hierzu z. B. Falterbaum et al. 2020, S. 982 ff.).
3.6.3 Komponenten des Eigenkapitals 3.6.3.1 Gezeichnetes Kapital a. Begriff und Bilanzierung Das gezeichnete Kapital ist eine feste Eigenkapitalgröße. Mit der Aktienrechtsnovelle 2016 wurde die bisherige Legaldefinition, dass es sich hierbei um das Kapital handelt, »auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist« gestrichen (vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen BTDrucksache 18/6681, S. 13 sowie Petrikowski 2015, S. 2998 f.). Diese Umschreibung war ungenau, weil bei Kapitalgesellschaften nicht die Gesellschafter haften. Es haftet die Gesellschaft, und zwar nur mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Haftung ist daher keinesfalls auf das gezeichnete Kapital beschränkt. Vielmehr definiert das gezeichnete Kapital einen Mindesthaftungsbetrag, auch wenn es unvollständig einbezahlt ist. Die Gesellschaft ist ggf. verpflichtet, die ausstehenden Zahlungen einzufordern. Diese Streichung besitzt somit einen rein redaktionellen Charakter und hat keine Auswirkung auf die praktische Anwendung (vgl. Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272 Abs. 1 HGB, Rn. 10). Bei der Festlegung der Höhe des gezeichneten Kapitals im Gesellschaftsvertrag sind die im Gesetz verankerten Mindestnennbeträge zu beachten. Die Höhe des gezeichneten Kapitals ist ins Handelsregister einzutragen. Eine Veränderung dieses Postens ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich (z. B. Kapitalerhöhung gegen Einlagen, s. Kap. III.3.6.3.1.b; vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 494 ff.; auch Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 363 ff.). Das gezeichnete Kapital wird bei einer AG als »Grundkapital« (§§ 6, 152 Abs. 1 S. 1 AktG) und bei einer GmbH als »Stammkapital« (§§ 5, 42 Abs. 1 S. 1 GmbHG) bezeichnet. Das gezeichnete Kapital ist zum Nennbetrag anzusetzen (§ 272 Abs. 1 S. 1 HGB). Der Mindestnennbetrag beträgt bei einer AG 50 T€ (§ 7 AktG) und bei einer GmbH 25 T€ (§ 5 Abs. 1 GmbHG). Der Begriff »gezeichnetes Kapital« soll zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht notwendigerweise um das eingezahlte Kapital handeln muss. Ein Viertel des gezeichneten Kapitals muss bar eingezahlt sein (§ 36a Abs. 1 S. 1 AktG, § 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Bei einer GmbH muss zudem die Geldeinlage und die ggf. zu leistende Sacheinlage mindestens die Hälfte des Mindeststammkapitals erreichen (§ 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG). Auch bei nur teilweiser Einzahlung des gezeichneten Kapitals wird dieser Posten stets in voller Höhe ausgewiesen. Ist das Kapital noch nicht voll einbezahlt, ist die Differenz als ausstehende Einlage in der Bilanz zu zeigen. Zu unterscheiden sind eingeforderte und nicht eingeforderte ausstehenden Einlagen. Der eingeforderte Teil der ausstehenden Einlagen ist auf der Passivseite als »Eingefordertes Kapital« auszuweisen. Auf der Aktivseite ist eine Forderung zu berücksichtigen (§ 272 Abs. 1 S. 2 HGB). Sind die Einlagen nicht eingefordert, sind sie offen von der Position »Gezeichnetes Kapital« abzusetzen. Diese Methode wird als Nettomethode bezeichnet. Sie ist die einzig erlaubte Methode zur Bilanzierung der nicht eingeforderten Einlagen (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 HGB, Rn. 12 ff.; Grottel/Waubke 2020, § 272 HGB, Rn. 18).
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Beispiel Behandlung ausstehender Einlagen gem. § 272 Abs. 1 S. 2 HGB Das gezeichnete Kapital der Delta AG beträgt 900 T€, davon wurden 500 T€ eingezahlt. Von den nicht eingezahlten 400 T€ sind 300 T€ eingefordert. Bei Anwendung der Nettomethode stellt sich die Bilanz wie folgt dar. Bilanz Aktiva Kurzfristige Vermögenswerte Forderungen Eingefordertes, noch nicht eingezahltes Kapital ... Passiva Eigenkapital Gezeichnetes Kapital – Nicht eingeforderte ausstehende Einlagen = Eingefordertes Kapital ...
31.12.t1 T€
300
900 – 100 800
Die IFRS regeln den Ausweis einer ausstehenden Einlage nicht explizit. Jedoch sind alle Eigenkapitalposten grundsätzlich passivisch auszuweisen. Dies spricht dafür, nicht eingeforderte ausstehende Einlagen auf der Passivseite vom Eigenkapital abzusetzen, d. h., nach IFRS ist ebenfalls nur die Nettomethode zulässig (i. d. S. auch Clemens/Lewe 2020, § 11, Rn. 42; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 537). Nach der Art des verbrieften Anteils am Grundkapital lassen sich Nennbetragsaktien und Stückaktien unterscheiden (§ 8 Abs. 1 AktG): y Nennbetragsaktien lauten auf einen bestimmten Nennbetrag. Dieser muss mindestens 1 € betragen (§ 8 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Summe der Nennbeträge aller ausgegebenen Aktien ergibt das Grundkapital. y Nennwertlose Stückaktien sind zu gleichen Teilen am Grundkapital beteiligt (§ 8 Abs. 3 AktG). Demnach errechnet sich der Wert dieser Aktien mittels Division des Grundkapitals durch die Anzahl der Aktien. Dieser Wert darf 1 € nicht unterschreiten (z. B. Grundkapital 100 T€ und 1.000 Stückaktien = 100 € pro Stückaktie). Stückaktien erleichtern die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, weil sich nur das Grundkapital ändert, nicht aber (wie bei einer Nennbetragsaktie) die Anzahl der Aktien, d. h., bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (s. Kap. III.3.6.3.1.b) müssen keine Berichtigungsaktien ausgegeben werden. Die Ausgabe von Stückaktien schließt die Emission von Nennbetragsaktien aus (§ 8 Abs. 1 AktG). Stückaktien wurden in Deutschland erst im Jahr 1998 zugelassen. Sie sollten die Umstellung der Nennbeträge von Aktien auf den Euro erleichtern, weil keine Umrechnung und Glättung der Beträge erforderlich ist (vgl. BT-Drucksache 13/9573). Nach den Rechten der Aktieninhaber lassen sich Stamm- und Vorzugsaktien unterscheiden: y Die in Deutschland gebräuchlichste Form der Aktie ist die Stammaktie. Diese gewährt Stimm- und Dividendenrechte, einen Anteil am Liquidationserlös sowie Bezugsrechte auf neue Aktien (vgl. §§ 119, 58 Abs. 4, 60 Abs. 1, 186 AktG). y Vorzugsaktien gewähren einen besonderen Vorteil gegenüber den Stammaktien. Dieser Vorzug besteht regelmäßig in einem zusätzlichen Anspruch auf Dividende. Nachteilig für
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y
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
den Inhaber ist allerdings, dass Vorzugsaktien oftmals ohne Stimmrecht ausgegeben werden (§ 12 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien ist unzulässig (§ 12 Abs. 2 AktG).
Nach dem Grad der Übertragbarkeit des Eigentums von Aktien ist zwischen (vinkulierten) Namens- und Inhaberaktien zu unterscheiden: y Bei Namensaktien (z. B. Deutsche Telekom AG, technotrans AG) kann die Übertragung nicht formlos geschehen. Sie erfolgt vielmehr durch Einigung, Indossament und Umschreibung in einem Aktienregister. Dadurch sind die Inhaber der Aktien der Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt bekannt, was der Gesellschaft wiederum eine direkte Kommunikation mit den Aktionären ermöglicht. y Bei vinkulierten Namensaktien ist die Übertragung zusätzlich an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden. Die Vinkulierung soll verhindern, dass einzelne Aktionäre ihre Anteile an der Gesellschaft in nicht erwünschtem Maße erhöhen bzw. vermindern. y Die Inhaberaktie ist die vorherrschende Aktienform. Hier lassen sich die Aktien formlos durch Einigung und Übergabe übertragen. Sie sind deshalb leicht an der Börse handelbar. Beispiel Vinkulierte Namensaktien »Um die internationalen Luftverkehrsrechte und die Luftverkehrsbetriebsgenehmigung zu wahren, muss gemäß Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz (LuftNaSiG) der Nachweis geführt werden, dass sich die Lufthansa Aktien mehrheitlich in deutschem Eigentum befinden. Aus diesem Grund sind alle Lufthansa Aktien vinkulierte Namensaktien« (Lufthansa AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 12).
b. Kapitalerhöhung und -herabsetzung Die Erhöhung des gezeichneten Kapitals wird als Kapitalerhöhung, die Verminderung des gezeichneten Kapitals als Kapitalherabsetzung bezeichnet. Die bilanzielle Abbildung der Kapitalerhöhung darf erst mit der Eintragung der Durchführung ins Handelsregister vorgenommen werden. Steht diese Eintragung aus und die Einlagen wurden eingezahlt, so sind diese als gesonderter Posten »Zur Durchführung der beschlossenen Kapitalerhöhung geleistete Einlagen« zwischen dem Posten Eigenkapital und dem Posten Rückstellungen auszuweisen (vgl. Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272 Abs. 1a, Rn. 54). Bei einer AG setzt der Beschluss einer Kapitalerhöhung eine Dreiviertelmehrheit des auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals voraus (§§ 182 Abs. 1, 193 Abs. 1, 202 Abs. 2, 207 Abs. 2 i. V. m. § 182 Abs. 1 AktG). Dasselbe gilt für eine Kapitalherabsetzung (§ 222 Abs. 1 AktG). Das AktG unterscheidet vier Formen der Kapitalerhöhung, die nachfolgend näher erläutert werden (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 494 ff.; Coenenberg/Haller/ Schultze 2021a, S. 363 ff.). Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (auch ordentliche Kapitalerhöhung) wird der Nennwert des Grundkapitals einer AG durch die Ausgabe neuer Aktien (auch Ausgabe junger Aktien) erhöht (§§ 182-191 AktG). Eine Gesellschaft emittiert junge Aktien z. B. dann, wenn größere Erweiterungsinvestitionen oder Beteiligungen an anderen Unternehmen geplant sind. Bei der Einlage kann es sich sowohl um eine Bar- als auch Sacheinlage handeln, wobei erstere den Regelfall darstellt. Eine Ausgabe von Aktien unter pari (unter dem Nennwert) ist grundsätzlich unzulässig (§ 9 Abs. 1 AktG). Zumeist erfolgt die Ausgabe über pari, wobei der den Nennwert übersteigende Betrag (Agio) in voller Höhe in die Kapitalrücklagen einzustel-
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len ist (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Im Gegensatz zur AG kann der Nennbetrag für verschiedene Gesellschaftsanteile der GmbH variieren (§ 5 Abs. 3 GmbHG S. 1 i. V. m. § 55 Abs. 4 GmbHG). In Summe müssen alle Gesellschaftsanteile dem Stammkapital entsprechen (§ 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG). Insofern ist eine unter pari Emission nicht möglich. Die Kosten für die Ausgabe der Anteile mindern das Jahresergebnis (§ 272 Abs. 1b S. 4 HGB). Zu bilanzieren ist die Kapitalerhöhung mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 189 AktG, § 54 Abs. 3 GmbHG). Eine Obergrenze des Nennbetrags der Kapitalerhöhung besteht nicht (§ 9 Abs. 2 AktG; § 5 Abs. 3 S. 1 GmbHG i. V. m. § 55 Abs. 4 GmbHG). Beispiel Kapitalerhöhung gegen Einlagen Die Delta AG emittiert 50.000 Aktien mit einem Nennwert von 1 € zu einem Ausgabepreis von 12 € pro Aktie. Zu buchen ist wie folgt: Bank
600 T€
an
gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage
50 T€ 550 T€
Bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen wird den Altaktionären regelmäßig ein Bezugsrecht eingeräumt (§ 186 Abs. 1 AktG). Die Ausgabe neuer Aktien erfolgt regelmäßig zu einem Kurs unterhalb des Börsenwerts, sodass dieser durch die Emission regelmäßig sinkt. Ohne ein solches Bezugsrecht würde die Vermögensposition der Altaktionäre verschlechtert. Es träte ein sog. Kapitalverwässerungseffekt auf. Ausnahmsweise ist ein Ausschluss des Bezugsrechts gem. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabepreis den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet, da in diesen Fällen der Verwässerungseffekt zu vernachlässigen ist. Insbesondere muss das Bezugsrecht auch dann ausgeschlossen werden, wenn die Kapitalerhöhung die Gewährung von Aktienoptionsprogrammen ermöglichen soll (vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber 2017, S. 436 ff.). Bei Einräumen eines Bezugsrechts steht einem Altaktionär der prozentuale Anteil an den jungen Aktien zu, den er bereits an der AG insgesamt hält, d. h., dem Altaktionär soll die Möglichkeit eingeräumt werden, die prozentuale Beteiligung an der Gesellschaft aufrecht zu erhalten (Wahrung der bisherigen Eigentums- bzw. Mehrheitsverhältnisse). Alternativ ist das Bezugsrecht veräußerbar und gleicht theoretisch den auftretenden Verwässerungseffekt aus. Beispiel Einräumung von Bezugsrechten Die Delta AG hat vor Durchführung der Kapitalerhöhung einen Bestand an umlaufenden Aktien in Höhe von 500.000 Stück. Es werden 50.000 junge Aktien ausgegeben. Gretchen Müller hat 1.000 Aktien in ihrem Depot und hält damit 0,2 % der Anteile an der Delta AG. Um ihre prozentuale Beteiligung zu halten, wird Gretchen Müller der Bezug von 100 Aktien angeboten (50.000 Aktien × 0,002 bzw. 1.000 Aktien × 0,1). Nimmt Gretchen Müller die Bezugsrechte wahr und kauft 100 neue Aktien, so hält sie weiterhin 0,2 % der Anteile (1.100 Aktien) des Bestands an Aktien nach Durchführung der Kapitalerhöhung (550.000 Aktien). Bezugsrechte werden an der Börse gehandelt, d. h., Gretchen kann die Bezugsrechte auch verkaufen. Bei einem aktuellen Börsenkurs (nach Ankündigung der Kapitalerhöhung) von 14 € und einem
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Bezugskurs von 12 €, ist der rechnerische Wert für das Bezugsrecht nach der folgenden Formel zu bestimmen:
Rechnerischer Wert für das Bezugsrecht =
Kurs alte Aktie – Emissionskurs neue Aktie Bezugsverhältnis + 1
Für das Bezugsrecht errechnet sich ein Wert von 0,182 € [= (14 € – 12 €) / (10 / 1 + 1)]. Entscheidet sich Gretchen für den Verkauf der Bezugsrechte, soll der erzielte Erlös dafür entschädigen, dass Gretchen künftig nur noch ca. 0,182 % (1.000 Aktien / 550.000 Aktien) der Stimmrechtsanteile hält und ihr nur noch ein entsprechend reduzierter Anteil an der Gesamtdividende zusteht. Dies spiegelt sich auch im Wertverlust ihrer Anteile wider, welche nun nur noch 13,818 € [= (500.000 Aktien × 4 + 50.000 Aktien × 12)/550.000 Aktien] pro Aktie wert sind.42 Die Vermögensposition von Gretchen ist – wie im Folgenden gezeigt wird – stets unverändert. Gretchen hat stets ein Vermögen von 14.000 €: a) vor Kapitalerhöhung: 1.000 Aktien × 14 € = 14.000 €, b) nach Kapitalerhöhung mit Wahrnehmung der Bezugsrechte 1.100 Aktien × 13,818 € – (100 Aktien × 12 €) = 15.200 € – 1.200 € = 14.000 € sowie c) nach Kapitalerhöhung ohne Wahrnehmung der Bezugsrechte 1.000 Aktien × 13,818 € + 182 € (Erlös aus dem Verkauf der Bezugsrechte) = 14.000 €.
Die Hauptversammlung kann beschließen, dass das Grundkapital nur insoweit erhöht werden soll, wie von einem unentziehbaren Umtausch- oder Bezugsrecht auf neue Aktien (sog. Bezugsaktien) Gebrauch gemacht wird (§ 192 Abs. 1 AktG). Diese bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192-201 AktG) soll nur zu den in § 192 Abs. 2 AktG genannten Zwecken beschlossen werden. Zu nennen sind z. B. die Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten von Wandelschuldverschreibungen (s. Kap. III.3.6.3.2.b) oder die Ausgabe von Aktien für Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsleitung (sog. stock options). Die Höhe des bedingten Kapitals ist indes begrenzt (z. B. bei der Ausgabe von stock options auf den zehnten Teil des vorhandenen Grundkapitals; vgl. § 192 Abs. 3 AktG). Ebenso wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen fließen der Gesellschaft neue Mittel in Form von Geld- oder Sacheinlagen zu. Im Unterschied zu einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen sind bei der bedingten Kapitalerhöhung Zeitpunkt und Höhe der Kapitalerhöhung ungewiss. Die bedingte Kapitalerhöhung und die Kapitalerhöhung gegen Einlagen sind häufig nicht geeignet, um rasch auf die Bedürfnisse der Gesellschaft nach Eigenkapital und auf günstige Kapitalmarktbedingungen zu reagieren, da es immer eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf. Um dem entgegenzuwirken, wurde vom Gesetzgeber das Instrument des genehmigten Kapitals eingeführt (§§ 202-206 AktG). In diesem Fall wird der Vorstand einer AG durch Satzung für die Dauer von fünf Jahren ermächtigt, »das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag (genehmigtes Kapital) durch die Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen« (§ 202 Abs. 1 AktG). Hinsichtlich der Ausgabe von neuen Aktien sind die gleichen Vorschriften relevant wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Auch hier fließen der Gesellschaft neue Mittel in Form von Geld- oder Sacheinlagen zu. Das genehmigte Kapital ist im Anhang anzugeben (§ 160 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Die Höhe des genehmigten Kapitals ist auf die Hälfte des Grundkapitals, das zum Zeitpunkt der Ermächtigung vorliegt, begrenzt (§ 202 Abs. 3 S. 1 AktG).
42 Einzelheiten zur Berechnung des Bezugsrechts finden sich z. B. in Wöhe/Döring/Brösel 2020, S. 571 ff.; Perridon/Steiner/Rathgeber 2017, S. 432 ff.
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Geschäftsbericht »Befugnisse des Vorstands, insbesondere zu Aktienausgabe und Aktienrückkauf Der Vorstand ist ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zu 160 MIO neue, auf den Namen lautende Stückaktien auszugeben (Genehmigtes Kapital). Die Einzelheiten ergeben sich aus § 5 Abs. 2 der Satzung.« (Deutsche Post AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 76).
Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207-220 AktG) wird das Grundkapital nicht durch Einlagen, sondern durch eine Umwandlung von Kapital- und/oder Gewinnrücklagen in Grundkapital erhöht. Bilanziell handelt es sich hier um einen Umbuchungsvorgang, d. h., der Nennbetrag des gezeichneten Kapitals erhöht sich um den Betrag der Kapitalerhöhung, während die Rücklagen entsprechend gemindert werden. Die neuen Aktien stehen den Anteilseignern im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile am gezeichneten Kapital zu. Da sich die Summe der Vermögensansprüche der Aktionäre an die Gesellschaft nicht ändert, ist der Begriff »Gratisaktien« irreführend (so z. B. Wöhe/Döring/ Brösel 2020, S. 575). Sprachlich zutreffend ist der Begriff »Berichtigungsaktien«. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln führt zu einem niedrigeren Börsenkurs der Aktien, weil sich die Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien erhöht und keine finanziellen Mittel zugeführt werden. Weit verbreitet ist die Meinung, diese Maßnahme verbessere die Fungibilität der Aktien, also die bessere »Handelbarkeit« von Aktien mit zuvor hohen Börsenkursen. Der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ähnlich ist der Aktiensplit. Hier wird die Anzahl z. B. der im Umlauf befindlichen nennwertlosen Aktien durch Herausgabe neuer Aktien bei nunmehr geringerem rechnerischem Anteil am Grundkapital (pro Aktie) erhöht, d. h., das Grundkapital erhöht sich im Unterschied zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht. Diskussionsfrage III.3.-12 Die Bechtle AG hat im Jahr 2021 eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt. Dabei haben die Aktionäre der Bechtle AG für jede bestehende Aktie zusätzlich zwei neue Aktien erhalten. Die Aktie der Bechtle AG eröffnet nach der Kapitalerhöhung bei 58,08 €. Wie hoch war der Börsenkurs vor der Kapitalerhöhung (unter der Annahme einer identischen Marktkapitalisierung)?
Bei einer GmbH regeln §§ 55-57a GmbHG die Kapitalerhöhung gegen Einlagen, §§ 57c-o GmbHG die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. § 55a GmbHG enthält Regelungen für das genehmigte Kapital. Vorschriften für die bedingte Kapitalerhöhung existieren für die GmbH nicht. Die Verminderung des gezeichneten Kapitals wird als Kapitalherabsetzung (§§ 222-239 AktG) bezeichnet (zu den Einzelheiten vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 499 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 366 ff.). Der Zweck einer Kapitalherabsetzung ist zumeist ein Verlustausgleich oder das Einstellen von Beträgen in die Kapitalrücklage. Teilweise sollen auch Teile des Grundkapitals zurückgezahlt werden. Zu unterscheiden sind die folgenden Arten der Kapitalherabsetzung: y Bei Gesellschaften mit Nennbetragsaktien erfolgt die ordentliche Kapitalherabsetzung regelmäßig durch die Herabsetzung des Nennbetrags der Aktien (§ 222 Abs. 4 S. 1 AktG). Wird der Mindestnennwert je Aktie unterschritten, ist eine Zusammenlegung von Aktien möglich (§ 222 Abs. 4 S. 2 AktG). Wurde die Kapitalherabsetzung ins Handelsregister eingetragen, so wird das Grundkapital verringert und die Rückzahlungsverpflichtung bis zum Zeitpunkt der Zahlung als Verbindlichkeit bilanziert.
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y
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Eine vereinfachte Kapitalherabsetzung ist auf den Sanierungsfall beschränkt, d. h., die Rückzahlung von Beträgen an die Aktionäre ist ausgeschlossen (§§ 229 Abs. 1 S. 1, 230 AktG). Die Kapitalherabsetzung erfordert, wie auch die Kapitalerhöhung, eine Dreiviertelmehrheit auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals (vgl. § 222 Abs. 1 AktG). Der aus der Kapitalherabsetzung gewonnene Betrag ist in der GuV als »Ertrag aus der Kapitalherabsetzung« und zwar hinter dem Posten »Entnahmen aus den Gewinnrücklagen« auszuweisen (§ 240 Abs. 1 S. 1 AktG). Der Ausweis erfolgt demnach formal innerhalb der Ergebnisverwendungsrechnung (§ 268 Abs. 1 HGB i. V. m. § 158 Abs. 1 Nr. 3 AktG, s. Kap. II.5.3.3.4). Inhaltlich handelt es sich in diesem Fall um eine Art Ergebnisausgleichsrechnung. Die Kapitalherabsetzung wird wie folgt verbucht: gezeichnetes Kapital
an
Ertrag aus der Kapitalherabsetzung
Soll der Betrag aus der Kapitalherabsetzung den Kapitalrücklagen zugeführt werden, so ist ergänzend die folgende Buchung vorzunehmen: Ertrag aus Kapitalherabsetzung
y
an
Kapitalrücklage
Eine dritte Art der Kapitalherabsetzung ist die Kapitalherabsetzung durch Einziehen eigener Aktien (s. Kap. III. 3.6.3.3).
Bei einer GmbH regeln die §§ 58-58f GmbHG die Kapitalherabsetzung. 3.6.3.2 Rücklagen a. Überblick und Systematisierung Das gezeichnete Kapital zeigt das feste Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft, die Rücklagen gehören zu den variablen Eigenkapitalkonten (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 504 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 370 ff.). Bilanzielle Rücklagen dienen als Puffer zum Ausgleich von Verlusten. Durch den Verbrauch von Rücklagen kann verhindert werden, dass ein Verlust zwingend zur Minderung des gezeichneten Kapitals führt. Da einige Rücklagen nur unter engen Bedingungen wieder aufgelöst werden dürfen (zur Auflösung von Rücklagen s. Kap. III.3.6.3.2.b ff.), erhöhen sie die Haftungsbasis des bilanzierenden Unternehmens und geben den Gläubigern zusätzliche Sicherheit. Hohe Rücklagen tragen indirekt auch zu einer Liquiditätsverbesserung bei, da Gläubiger in diesem Fall eher bereit sind, den Kreditrahmen des Unternehmens auszuweiten. Außerdem fließen in Höhe der gebildeten Rücklagen grundsätzlich keine liquiden Mittel für Gewinnausschüttungen ab, d. h., Rücklagen besitzen auch eine Ausschüttungssperrfunktion. Rücklagen sind nicht als Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente zu interpretieren, da die dort ausgewiesenen Beträge bei Bedarf nicht entnommen werden können. Den Rücklagen stehen keine bestimmten Aktivposten gegenüber. Vielmehr werden die Rücklagen zusammen mit den anderen Passiva durch die Gesamtheit der Vermögensposten abgedeckt. Demnach kann es durchaus dazu kommen, dass ein Unternehmen einen Kredit aufnehmen muss, um z. B. Bestandteile der Gewinnrücklagen ausschütten zu können. Betriebswirtschaftlich lassen sich offene und stille Rücklagen (synonym findet auch der Begriff stille Reserven Verwendung; s. Kap. II.4.4.7.3) unterscheiden. y Offene Rücklagen werden offen in der Bilanz gezeigt und sind demnach für jeden Abschlussleser direkt erkennbar. Offene Rücklagen lassen sich unterscheiden in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen. Nach IFRS sind auch Rücklagenarten zu nennen (die
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
y
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oftmals unter der Bezeichnung »Neubewertungsrücklage« firmieren), in die z. B. ergebnisneutral eingestellte Wertansatzerhöhungen von Finanzinstrumenten aufzunehmen sind (zum OCI s. Kap. II.5.3.3.3). – Damit wird erkennbar, ob die entsprechenden Beträge dem Unternehmen von außen durch die Anteilseigner zugeflossen sind. Bei der Kapitalrücklage ist dies beispielsweise der Fall, wenn der Ausgabekurs den Nennbetrag übersteigt. – Rücklagen können auch im Lauf der Jahre aus den Jahresergebnissen des Unternehmens (von innen) gebildet werden (Gewinnrücklage durch Gewinnthesaurierung) oder – zwar von innen gebildet werden, aber als noch nicht realisiert gelten. Diese sog. Neubewertungsrücklagen reflektieren das other comprehensive income in der Bilanz (s. Kap. II.5.3.3.3). Dieses umfasst Posten, die im Sinne des Rahmenkonzepts als Erträge oder Aufwendungen zu definieren sind, die jedoch im Regelfall bei der Ermittlung des Periodenergebnisses nicht berücksichtigt werden (IAS 1.89). Stille Rücklagen sind für einen Abschlussleser oftmals nicht zu erkennen (zur Erkennbarkeit als Auswahlkriterium für den Einsatz abschlusspolitischer Mittel s. Kap. II.7.2.2.3). Sie entstehen durch Unterbewertung der Aktiva oder Überbewertung der Passiva, stellen also keine eigene Bilanzposition dar. Vielmehr wird die Differenz zwischen dem Marktwert und dem Buchwert eines Vermögenspostens bzw. einer Schuld als stille Rücklage bzw. stille Reserve bezeichnet. Diese Differenz entsteht aufgrund der Bilanzierungsvorschriften, welche regelmäßig eine Bewertung zu (fortgeführten) Anschaffungsbzw. Herstellungskosten fordern und damit einer möglichen Wertsteigerung eines Vermögenspostens bzw. einer Wertminderung einer Schuld nicht Rechnung tragen. Nach IFRS kommen für Aktivposten – im Gegensatz zu den deutschen GoB – Wertansätze in Betracht, die über die ursprünglichen Kosten hinausgehen. In der Praxis wird diese Neubewertungsmöglichkeit jedoch hauptsächlich für Finanzinstrumente (s. Kap. III.3.4 und III.3.5) genutzt, die nach IFRS 9 zu bilanzieren sind. Im Ergebnis sollten stille Rücklagen daher sowohl nach IFRS und HGB regelmäßig entstehen. Ein dem HGB vergleichbares Höchstwertprinzip von Schulden gibt es nach IFRS nicht. Durch Überbewertungen der Passiva begründete stille Reserven sollten daher nach IFRS seltener als nach HGB auftreten.
Abbildung III.3./12 gibt einen systematischen Überblick über die Rücklagen. Auf die einzelnen Komponenten wird im Anschluss eingegangen. Rücklagen Offene Rücklagen Kapitalrücklage
Stille Rücklagen
Gewinnrücklagen gesetzliche
satzungsmäßige
andere
Neubewertungsrücklage
Unterbewertung Aktiva
Überbewertung Passiva
HGB
HGB
HGB
HGB
–
HGB
HGB
IFRS
IFRS
IFRS
IFRS
IFRS
IFRS
IFRS
Abb. III.3./12 Rücklagenarten im Überblick
b. Kapitalrücklage Die Kapitalrücklage umfasst das von den Anteilseignern eingelegte Eigenkapital, welches über das gezeichnete Kapital hinausgeht. Diese Rücklagen sind gem. IAS 1.78e in der Bilanz zu zeigen. Handelsrechtlich finden sich die als Kapitalrücklage auszuweisenden Beträge in
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
§ 272 Abs. 2 HGB. Einstellungen in die Kapitalrücklage sind für die folgenden Posten vorzunehmen: y Agio bei der Ausgabe von Anteilen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB sowie von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte gem. § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB: Es handelt sich beim Agio um den Betrag, der bei der Ausgabe von Anteilen über den Nennbetrag hinaus erzielt wurde (s. Kap. III.3.6.3.1.b). y Zuzahlungen gegen Gewährung eines Vorzugs gem. § 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB: Hierunter fallen alle Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten. Dieser kann z. B. in einem besonderen Recht bei der Verteilung des Gewinns bestehen (z. B. Dividendenbevorrechtigung der Vorzugsaktien gegenüber den Stammaktien gem. § 11 AktG). y Andere Zuzahlungen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB: Der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten, erfasst alle anderen Leistungen, die nicht mit einem Vorzug verbunden sind. Auf diese Weise können freiwillig erbrachte Einlagen, die der Stärkung des Eigenkapitals dienen sollen, ohne den Umweg über die GuV direkt in die Kapitalrücklage eingestellt werden. Hierbei kann es sich z. B. um den Betrag handeln, der bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung oder dem Einzug eigener Anteile frei geworden ist bzw. bei der Existenz eines Beherrschungsvertrags gebildet werden kann. Des Weiteren ist ein Spaltungsgewinn (Buchwert der abgespalteten Schulden übersteigt den Buchwert des abgespaltenen Vermögens), die Übernahme eines positiven Reinvermögens bei einem down-stream-merger (Verschmelzung des Mutterunternehmens auf das Tochterunternehmen) oder die Reinvermögensübernahme bei einem side-stream-merger (Verschmelzung von Schwestergesellschaften) in diese Position einzustellen. Weitere Beispiele stellen die verdeckten Einlagen sowie bei Gesellschaften mbH vorkommende Gesellschaftsbeiträge dar (vgl. Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272, Rn. 195 ff.; Störk/Taetzner 2020, § 272, Rn. 400 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 372; IDW 2021, F 484 ff.). Einstellungen in und Entnahmen aus der Kapitalrücklage sind bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen (§ 270 Abs. 1 HGB). Einstellungen in die Kapitalrücklagen berühren auch nicht die Ergebnisverwendungsrechnung (s. Kap. II.5.3.3.4; siehe hierzu auch die Buchungen bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen in Kap. III.3.6.3.1.b). In § 272 Abs. 2 HGB finden sich keine Regelungen bezüglich der Entnahme aus den Kapitalrücklagen. Diese hängen von der Rechtsform ab. Bei einer AG stellen diese gem. § 158 Abs. 1 Nr. 2 AktG eine Maßnahme der Ergebnisverwendung dar. Entnahmen aus der Kapitalrücklage sind in Bezug auf die anderen Zuzahlungen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB (freiwillig gebildete Kapitalrücklagen) jederzeit möglich. Dagegen unterliegen Entnahmen aus der Kapitalrücklage in Bezug auf die gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB eingestellten Beträge den Vorschriften des § 150 Abs. 3 u. 4 AktG (Entnahmerestriktionen). Demnach kann beispielsweise nach § 150 Abs. 4 Nr. 1 AktG eine gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB gebildete Kapitalrücklage zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr (sofern nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt oder durch Auflösung von Gewinnrücklagen ausgleichbar) verwendet werden, sofern die gesetzlichen Rücklagen und die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals übersteigen. Nachfolgende Ausführungen konzentrieren sich auf das Agio bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen Wandlungsrechte und Optionsrechte.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Eine Wandelschuldverschreibung (convertible bond) ist ein festverzinsliches Wertpapier, das während einer Wandlungsfrist zu einem festgelegten Verhältnis in Aktien eingetauscht werden kann. Die Schuldverschreibungen räumen dem Inhaber nach Ablauf einer bestimmten Sperrfrist das Recht ein, das Gläubigerverhältnis in ein Beteiligungsverhältnis umzuwandeln. Wurde die Umtauschmöglichkeit bis zum Ablauf der Wandlungsfrist nicht in Anspruch genommen, so wird die Wandelanleihe getilgt. Das Aktienbezugsrecht der Inhaber der Wandelschuldverschreibungen (Obligationäre) wird durch eine bedingte Kapitalerhöhung gesichert. Nach HGB sind Wandelschuldverschreibungen zum Nominalbetrag zu passivieren, da vor Ausübung des Wandlungsrechts eine Geldverpflichtung besteht. Ein Aufgeld ist hingegen in die Kapitalrücklage einzustellen (§ 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Der Wert des in die Rücklage einzustellenden Agios ergibt sich als Differenz zwischen dem Ausgabebetrag der Schuldverschreibung mit Wandlungs-/Optionsrecht und dem (geschätzten) Ausgabebetrag/Marktpreis der gleichen Schuldverschreibung ohne Wandlungs-/Optionsrecht. Ausgabekosten dürfen nicht gekürzt werden (vgl. Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272 HGB, Rn. 180). Vor dem Hintergrund der internationalen Eigenkapitaldefinition in IAS 32 wird den Wandelschuldverschreibungen eine Zwitterstellung zwischen Fremd- und Eigenkapital eingeräumt, da diese sich aus einer Schuldkomponente und einer Eigenkapitalkomponente zusammensetzt. Somit handelt es sich um ein zusammengesetztes Finanzinstrument (compound financial instrument). Der Emittent ist dazu verpflichtet, diese Komponenten zu identifizieren sowie gesondert zu bewerten und auszuweisen (IAS 32.29). Die Schuldkomponente resultiert aus der Verpflichtung des Unternehmens zur Leistung von Zins- sowie Tilgungszahlungen. Diese trägt somit den Fremdkapitalcharakter und ist unter den finanziellen Verbindlichkeiten auszuweisen. Die Eigenkapitalkomponente wird bei Vorliegen der zu spezifizierenden Anzahl der umzutauschenden Eigenkapitalinstrumente dagegen im Eigenkapital innerhalb der Kapitalrücklagen ausgewiesen. Die Bewertung der einzelnen Komponenten erfolgt nach der Subtraktionsmethode, welche durch eine zweistufige Vorgehensweise gekennzeichnet ist (IAS 32.31 und IAS 32.32):43 y Stufe 1 – Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts der Schuldkomponente. Dieser ist dem Barwert der zukünftigen Zahlungsströme einer alternativen Verbindlichkeit ohne Wandlungsrecht gleichzusetzen. Die Diskontierung erfolgt zum marktgängigen Zinssatz. Dieser bestimmt sich nach den Zinssätzen der hinsichtlich der Kreditwürdigkeit vergleichbaren und nicht wandelbaren Verbindlichkeiten des emittierenden Unternehmens. Liegen keine vergleichbaren Verbindlichkeiten vor, sind die Zinssätze aus vergleichbaren Verbindlichkeiten ähnlicher Unternehmen abzuleiten (vgl. Vater 2005, S. 60; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 20, Rn. 6). y Stufe 2 – Ermittlung des Buchwertes der Eigenkapitalkomponente durch Subtraktion des beizulegenden Zeitwerts der Schuldenkomponente von dem Gesamtwert der Wandelschuldverschreibung. Wird das Wandlungsrecht ausgeübt, ist die Schuldkomponente ins Eigenkapital umzugliedern. Im Fall der Nichtausübung des Wandlungsrechts wird diese zum Nominalbetrag getilgt. Die Eigenkapitalkomponente ist in beiden Fällen unverändert im Eigenkapital auszuweisen
43 Zu einem Beispiel siehe IAS 32.IE34-36. Zur Bilanzierung nach IFRS siehe auch Christian 2008, S. 81 ff. und Mannigel/ Wüest 2015, S. 477 ff. bzw. zur Wandelschuldverschreibung in fremder Währung siehe Fritz-Schmied/Webering 2015, S. 23 ff. und zur Bilanzierung bzw. den möglichen Auswirkungen des IASB Projekts zu »Financial Instruments with Characteristics of Equity« von 2018 siehe auch Renner/Baumüller 2019.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(IAS 32.AG32; vgl. hierzu auch Isert/Schaber 2005, S. 359 ff.; Vater 2005, S. 57 ff.; Barckow 2016, Rn. 88). Die bei Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (im Vergleich zu einer normalen Schuldverschreibung) erzielten Mehrbeträge sind als Kapitalrücklage auszuweisen (§ 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Der Mehrbetrag kann in einem offenen Aufgeld oder in einer niedrigeren als der marktüblichen Verzinsung bestehen. Beispiel Wandelschuldverschreibung mit offenem Aufgeld Die Delta AG kann bei Herausgabe einer Schuldverschreibung eine normale Verzinsung von 8 % realisieren. Der vorläufige Nominalbetrag der Schuldverschreibung beträgt 100 T€. Für das Recht, die Schuldverschreibung nach Ablauf der Sperrfrist gegen Aktien (zu einem bestimmten Kurs) tauschen zu können, sind die Gläubiger bereit, ein offenes Aufgeld von 10 T€ zu entrichten. Der Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibung beträgt unverändert 100 T€. Der Mehrbetrag ist als Kapitalrücklage auszuweisen. Bank
110 T€
an
Verbindlichkeiten Kapitalrücklage
100 T€ 10 T€
Wird zum Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechtes von der Möglichkeit zur Wandlung nicht Gebrauch gemacht, bleibt die Kapitalrücklage (10 T€) stehen.44 Wird von der Möglichkeit zur Wandlung der Schuldverschreibung in Aktien Gebrauch gemacht und ist es hierfür annahmegemäß erforderlich, Aktien zum Nennwert von 50 T€ herauszugeben, ist wie folgt zu buchen: Verbindlichkeiten
100 T€
an
gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage
50 T€ 50 T€
Bei einer Wandelschuldverschreibung können die erzielten Mehrbeträge, wie bereits weiter oben angesprochen, auch in einer niedrigeren als der marktüblichen Verzinsung bestehen. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Vorgehensweise: Beispiel Wandelschuldverschreibung mit niedrigerer als marktüblicher Verzinsung Die Gamma AG emittiert am 1.1.t1 2.000 Stück einer Wandelanleihe (convertible bond) zu je 1.000 € (Emissionsvolumen 2 Mio. € = Rückzahlungsbetrag, sofern das Recht zur Wandlung nicht wahrgenommen wird). Der Nominalzinssatz beträgt 6 %. Eine Wandlung der Anleihe in 250 Stammaktien je 1.000 € Schuldverschreibung ist jederzeit möglich. Der im Emissionszeitpunkt vergleichbare Marktzins für Schuldverschreibungen beläuft sich auf 9 %. Die Berechnung der Eigenkapitalkomponente nach der Subtraktionsmethode gem. IAS 32 gestaltet sich, den Ausführungen in IAS 32.IE34-36 folgend, wie folgt:
+ = – =
Barwert des Anleihebetrags (zahlbar am Ende von t3: 2.000 T€ / 1,093) Barwert der nachschüssigen Zinsen von jährlich 120 T€ (120 T€ / 1,093 + 120 T€ / 1,092 + 120 T€ / 1,09) beizulegender Zeitwert der Fremdkapitalkomponente (total liability component) Gesamtwert des strukturierten Finanzinstrumentes (proceeds of the bond issue) beizulegener Zeitwert der Fremdkapitalkomponente (total liability component) Buchwert der Eigenkapitalkomponente (equity component by deduction)
1.544.367 € 303.755 € 1.848.122 € 2.000.000 € 1.848.122 € 151.878 €
44 Vgl. Küting/Reuter 2009, § 272 HGB, Rn. 77; zur Behandlung unterverzinslicher Anleihen mit Aufgeld vgl. ebd., Rn. 118 ff.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Zu buchen wäre zeitnah zum 1.1.t1 wie folgt: Bank
2.000.000 €
an
Verbindlichkeiten Kapitalrücklage
1.848.122 € 151.878 €
Die Schuldkomponente erhöht sich im Zeitablauf in Höhe der Differenz zwischen dem effektiven Zinsaufwand und der nominalen Zinszahlung (Anwendung der Effektivzinsmethode s. Kap. III.2.1.3.2). Wird das Recht zur Wandlung nicht wahrgenommen, wäre bei einem Effektivzinssatz von 9 % am 31.12.t1, 31.12.t2 und am 31.12.t3 wie folgt zu buchen: Zinsaufwand Zinsaufwand Zinsaufwand
46.331 € 50.501 € 55.046 €
an an an
Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten
46.331 € 50.501 € 55.046 €
Bei Erstellung eines HGB-Abschlusses wäre die Verbindlichkeit zum Rückzahlungsbetrag von 2 Mio. € zu passivieren. Der Vorteil aus der Unterverzinslichkeit (= in die Kapitalrücklage einzustellender Betrag) soll der mittels Restwertmethode errechnete Betrag in Höhe von 151.878 € sein (vgl. auch Küting/Reuter 2009, § 272 HGB, Rn. 87). Dieser Betrag kann als Rechnungsabgrenzungsposten (Disagio) aktiviert werden und wäre dann planmäßig über die Laufzeit abzuschreiben (§ 250 Abs. 3 HGB; s. Kap. III.2.1.3.2). In t1 wäre bei einer annahmegemäß planmäßigen linearen Abschreibung (des aktiven Abgrenzungspostens) wie folgt zu buchen: Bank aktiver Abgrenzungsposten Zinsaufwand
2.000.000 € 151.878 € 50.626 €
an an an
Verbindlichkeiten Kapitalrücklage aktiver Abgrenzungsposten
2.000.000 € 151.878 € 50.626 €
Die Buchung des Zinsaufwands erfolgt in gleicher Weise am 31.12.t2 und am 31.12.t3.
c. Gewinnrücklagen c1. Überblick Gewinnrücklagen werden (im Unterschied zu den Kapitalrücklagen) aus dem Jahresergebnis gebildet und gesondert ausgewiesen (§§ 266 Abs. 3 A. III. i. V. m. 272 Abs. 3 u. 4 HGB). Gewinnrücklagen nach § 266 Abs. 3 A. III. HGB sind die gesetzliche Rücklage, Rücklagen für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen, die satzungsmäßige Rücklage sowie andere Gewinnrücklagen. Für die Details zur Abgrenzung eigener Patente s. Kap. III.3.2.2.1. Der Begriff Gewinnrücklagen soll zum Ausdruck bringen, dass es sich hierbei um Rücklagen aus dem erwirtschafteten Jahresergebnis handelt, d. h., die Rücklagenbildung erfolgt aus dem Unternehmen (von innen) heraus. Die gesetzlichen und die satzungsmäßigen Rücklagen (legal and statutory reserves) werden im IASB F.4.66 lediglich als Bestandteil des Eigenkapitals genannt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die aufgrund nationaler Vorschriften gebildeten Gewinnrücklagen regelmäßig auch nach IFRS auszuweisen sind, sofern dem kein spezifischer IFRS entgegensteht. c2. Gesetzliche Rücklagen Die Bildung einer gesetzlichen Rücklage ist für Aktiengesellschaften zum Schutz der Gläubiger zwingend vorgeschrieben (§ 150 Abs. 1 u. 2 AktG; vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 510 ff.). Nach § 150 Abs. 2 AktG ist in diese Rücklage 5 % des um einen eventuellen Verlustvortrag bereinigten Jahresüberschusses einzustellen,
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen (gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB) zusammen 10 % oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht haben. Für die GmbH existiert keine vergleichbare Regelung. Die gesetzliche Rücklage (und die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB) unterliegt hinsichtlich ihrer Auflösung den gesetzlichen Bestimmungen. Dabei lassen sich zwei Fälle unterscheiden, die besonders strengen Auflösungsvoraussetzungen des § 150 Abs. 3 AktG (1. Fall) sowie die etwas weniger strengen Auflösungsvoraussetzungen des § 150 Abs. 4 AktG (2. Fall). y 1. Fall: Sofern die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage 10 % des Grundkapitals nicht übersteigen, dürfen diese gem. § 150 Abs. 3 AktG nur verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, sofern er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung anderer Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist und nicht durch Auflösung anderer Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann. y 2. Fall: Soweit die genannten Rücklagen 10 % des Grundkapitals übersteigen, sind die Auflösungsvoraussetzungen weniger streng, da das Erfordernis der Auflösung anderer Gewinnrücklagen nicht mehr besteht. Nach § 150 Abs. 4 AktG darf der übersteigende Betrag verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist; 3. zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gem. §§ 207-220 AktG. Eine Verwendung der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage nach § 150 Abs. 4 Nr. 1 u. 2 AktG ist allerdings nicht zulässig, wenn gleichzeitig Gewinnrücklagen zwecks Gewinnausschüttung aufgelöst werden (§ 150 Abs. 4 S. 2 AktG). Ansonsten wäre es möglich, gesetzliche Rücklagen aufzulösen, um einen Jahresfehlbetrag auszugleichen, und gleichzeitig Gewinnrücklagen aufzulösen, um Ausschüttungen vorzunehmen. c3. Rücklage für eigene Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen sind mit den Anschaffungskosten zu aktivieren. Gleichzeitig ist eine entsprechende Rücklage zu bilden (§ 272 Abs. 4 HGB). Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen werden im Konzernabschluss als Rückbeteiligung bezeichnet und stellen mittelbar eigene Anteile dar. Die Rücklage darf aus vorhandenen freien Rücklagen gebildet werden (§ 272 Abs. 4 S. 3 HGB). Die Dotierung darf auch aus dem Jahresergebnis oder aus einem Gewinnvortrag erfolgen. Gegebenenfalls ist ein Bilanzverlust zu erhöhen, um die Rücklage bilden zu können (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 Abs. 4 HGB, Rn. 61; Störk/Kliem/ Meyer 2020, § 272 HGB, Rn. 300). c4. Satzungsmäßige Rücklagen Die Satzung einer AG bzw. der Gesellschaftsvertrag bei einer GmbH kann vorsehen, dass den Gewinnrücklagen aus dem Jahresüberschuss bestimmte Beträge zuzuführen sind (§ 58
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Abs. 4 AktG; § 29 Abs. 1 GmbHG; vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Baetge/ Kirsch/Thiele 2021a, S. 513 f.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 376 f.). Diese Rücklagen sind unter der Bezeichnung »satzungsmäßige Rücklagen« in der Bilanz zu zeigen (§ 266 Abs. 3 A. III.3. HGB). Nicht in die satzungsmäßige Rücklage einzustellen sind die folgenden Beträge: y Beträge, für die laut Satzung nur ein Wahlrecht zur Bildung einer satzungsmäßigen Rücklage vorgesehen ist, sind in die »anderen Gewinnrücklagen« (§ 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB; vgl. Freidank/Velte 2013, S. 781 f.; Reiner 2020, § 272 HGB, Rn. 114) einzustellen. y Beträge, die laut Satzung in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind und die über die in § 150 Abs. 2 AktG dafür vorgesehene Obergrenze von 10 % des Grundkapitals hinausgehen. Diese Beträge sind in die »gesetzliche Rücklage« (§ 266 Abs. 3 A. III. 1. HGB) einzustellen. Satzungsmäßige Rücklagen können zweckgebunden oder zweckfrei sein. Beispiele für eine Zweckbindung sind die Substanzerhaltungsrücklage (s. Kap. II.3.3.2), die Rücklagen für Rationalisierung sowie die Rücklage für den Aufbau einer Vertriebsorganisation. Die Auflösung der satzungsmäßigen Rücklagen richtet sich (wie ihre Bildung) nach den Bestimmungen der Satzung. Zweckgebundene Rücklagen sind naturgemäß aufzulösen, um den angestrebten Zweck zu erfüllen, beispielsweise die Durchführung der Rationalisierungsmaßnahme. c5. Andere Gewinnrücklagen Die anderen Gewinnrücklagen enthalten alle aus dem Jahresüberschuss in die Gewinnrücklagen eingestellten Beträge, die nicht gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklagen oder Rücklagen für eigene Anteile sind (vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Baetge/ Kirsch/Thiele 2021a, S. 514 f.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 377 ff.). Insofern handelt es sich hier um einen Sammelposten. Bei einer GmbH beschließt grundsätzlich die Gesellschafterversammlung in Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses die Rücklagenzuführung. Bei einer AG bestimmt § 58 Abs. 1 u. 2 AktG die Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen. Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss fest (Regelfall), dürfen sie, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, max. 50 % des zuvor um die Einstellungen in die gesetzliche Rücklage und um einen Verlustvortrag gekürzten Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 AktG). Diese Regelung dient dem Aktionärsschutz, d. h., die Begrenzung der Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen soll eine Mindestbeteiligung der Kleinaktionäre am Jahresüberschuss sicherstellen. Weiterhin können die Verwaltungsorgane von Kapitalgesellschaften den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen (s. Kap. II.5.3.8.3) des Anlage- und Umlaufvermögens in die anderen Gewinnrücklagen einstellen (§§ 58 Abs. 2a AktG, 29 Abs. 4 GmbHG). Bei dem Eigenkapitalanteil handelt es sich um den Wertaufholungsbetrag abzüglich der Ertragsteuern. Diese Regelung soll verhindern, dass die durch Wertaufholungen (Korrektur einer zuvor durchgeführten außerplanmäßigen Abschreibung) aufgedeckten stillen Reserven das Unternehmen verlassen. Auf diese Weise ist es möglich, die Ausschüttung des Wertaufholungsbetrags zu verhindern (Ausschüttungssperre). Allerdings ist diese Regelung nicht konsequent, da einerseits befürwortet wird, bei einer außerplanmäßigen Abschreibung das Ausschüttungspotenzial zu mindern und es andererseits bei Wegfall derselben Gründe nicht zu einer Ausweitung des Ausschüttungspotenzials kommt.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
d. Rücklagen für Erträge aus Beteiligungen Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/34 Art. 9 Abs. 7 Buchst. c wurde durch das BilRUG eine neue Rücklagenart in nationales Recht umgesetzt. Die Bildung dieser Rücklage regelt § 272 Abs. 5 HGB: »Übersteigt der auf eine Beteiligung entfallende Teil des Jahresüberschusses in der Gewinn- und Verlustrechnung die Beträge, die als Dividende oder Gewinnanteil eingegangen sind oder auf deren Zahlung die Kapitalgesellschaft einen Anspruch hat, ist der Unterschiedsbetrag in eine Rücklage einzustellen, die nicht ausgeschüttet werden darf. Die Rücklage ist aufzulösen, soweit die Kapitalgesellschaft die Beträge vereinnahmt oder einen Anspruch auf ihre Zahlung erwirbt«. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zum geltenden Realisationsprinzip (s. Kap. II.4.4.5.1), nach dem Gewinne vereinnahmt werden dürfen, sobald sie als »so gut wie sicher« (Schubert/Berberich 2020, Rn. 80) gelten. Diesen Wortlaut greift auch der Gesetzgeber in den Erläuterungen auf. Nach diesen dürfen Kapitalgesellschaften den Beteiligungsertrag vereinnahmen, wenn dieser »so gut wie sicher« (BT-Drucksache 18/5256, S. 81) ist, auch wenn der Beschluss zur Gewinnverwendung des Beteiligungsunternehmens noch aussteht. Ergänzend wird ausgeführt, dass dies in der Regel anzunehmen sei, wenn eine Kapitalgesellschaft Erträge aus einem Tochterunternehmen vereinnahmt (vgl. BT-Drucksache 18/5256, S. 81 f.). Dieses Vorgehen wird auch als phasengleiche Gewinnvereinnahmung bezeichnet. Alternativ müsste das Tochterunternehmen ansonsten im ersten Schritt den Beschluss zur Gewinnverwendung fassen. Da aber der Beschluss zur Gewinnverwendung i. d. R. erst nach dem Abschlussstichtag gefasst wird (s. Kap. II.5.3.3.4), könnte das Mutterunternehmen den Gewinn erst in der Folgeperiode vereinnahmen (vgl. IDW 2021, F 522 f.), was für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht zweckmäßig scheint. Die Umsetzung der EU-Richtlinie soll demnach die bisherige Bilanzierungspraxis nicht explizit verändern. Die nationale Gesetzgebung bestätigt somit die Zulässigkeit der phasengleichen Gewinnvereinnahmung. Diese wurde als Hauptanwendungsfall der neuen Regelung betrachtet. Somit ist kein Anwendungsfall ersichtlich, der zu einer verpflichtenden Rücklagenbildung gem. § 272 Abs. 5 HGB führt (i. d. S. auch Hermesmeier/Heinz 2015, S. 22 f.; Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272 HGB, Rn. 315). e. Neubewertungsrücklage und andere Eigenkapitalpositionen Die Neubewertungsrücklage ist nur nach IFRS zu bilden. Hier sind vor allem Beträge einzustellen, die aus Werterhöhungen resultieren, die über die ursprünglichen bzw. fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinausgehen und die nicht auf Transaktionen mit den Eigenkapitalgebern beruhen. Zu nennen sind Neubewertungen des Sachanlagevermögens und der immateriellen Vermögenswerte (IAS 16.39, 38.85; s. Kap. II.5.3). In die Neubewertungsrücklage einzustellende Beträge können auch aus der Umrechnung nicht monetärer Fremdwährungsposten (wie z. B. Sachanlagen, Vorratsvermögen) in die inländische Währung resultieren (IAS 21.30; s. Kap. III.2.3.3). Diese Differenzen wären dann wiederum integraler Bestandteil der Neubewertungsrücklage, die z. B. dem Sachanlagevermögen zuzurechnen ist. In der Praxis werden teilweise auch ergebnisneutral zu buchende Änderungen aus der fair value-Folgebewertung in dem Posten »Neubewertungsrücklage« ausgewiesen (vgl. z. B. Deka Gruppe 2021, Konzernabschluss 2020, S. 156). Die in die Neubewertungsrücklage eingestellten Beträge sind aus dem other comprehensive income net of tax (IAS 1.10b, 81A; s. Kap. II.5.3.3.3.a), der Bilanz (bei bedeutsamen Posten unter Hinweis auf IAS 1.55) und der Eigenkapitalveränderungsrechnung (IAS 1.106 (d) i. V. m. IAS 1.IG6; s. Kap. II.5.3.3.4) ersichtlich.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Die Implementierungsrichtlinien zu IAS 1 zeigen in Paragraf IG6 in der Bilanz den Posten »Neubewertungsrücklage« und den Posten »andere Eigenkapitalkomponenten« (other components of equity). Der zuletzt genannte Posten wird wiederum in der Eigenkapitalveränderungsrechnung noch einmal weiter differenziert dargestellt: Gezeigt werden beispielhaft die Komponenten translation of foreign operations gem. IAS 21.39c, sowie cash flow hedges gem. IFRS 9.6.5.11.45 3.6.3.3 Behandlung des Kaufs eigener Anteile Gründe für den Erwerb eigener Aktien können sein: Die Ausgabe von Belegschaftsaktien, um vereinbarte stock options-Pläne zu erfüllen, die Anlage von finanziellen Mitteln bei hoher Liquidität im Unternehmen, die Abwehr von Übernahmeversuchen oder auch die Börsenkurspflege. Werden eigene Aktien mit dem Ziel der Börsenkurspflege erworben, kommt es bei der Ankündigung von Rückkaufprogrammen oftmals zu erheblichen Kursbeeinflussungen; in diesem Fall ist die Notwendigkeit zur Abgabe einer Ad hoc-Meldung (s. Kap. I.3.2.3.1) zu prüfen. Das folgende Beispiel dient der Veranschaulichung. Beispiel HOCHTIEF Aktiengesellschaft schließt Aktienrückkauf ab »Am 31. Dezember 2020 wurde der Aktienrückkauf abgeschlossen. Die Gesamtzahl der im Rahmen dieses Aktienrückkaufs im Zeitraum vom 24. März 2020 bis einschließlich 6. November 2020 erworbenen eigenen Aktien beläuft sich auf Stück 2.436.917 Aktien. Dies entspricht 3,45 % des Grundkapitals. Der an der Börse gezahlte Kaufpreis je Aktie betrug durchschnittlich 68,9615 EUR. Insgesamt wurden eigenen Aktien zu einem Gesamtpreis von 168.053.454,56 EUR (ohne Erwerbsnebenkosten) zurückgekauft. Gemäß Akt. 5 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und Art. 2 Abs. 1 der Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1052 wurde der Rückkaufbeginn mit Bekanntmachung vom 12. März 2020 mitgeteilt. Der Erwerb der Aktien der HOCHTIEF Aktiengesellschaft erfolgte durch eine von der Gesellschaft beauftragte Bank über die Frankfurter Wertpapierbörse (XetraHandel).« (Hochtief AG 2021)
Da die eigenen Aktien nicht dividendenberechtigt sind (§ 71b AktG), kann sich durch den gezielten Rückkauf eigener Aktien die Eigenkapitalrentabilität erhöhen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Rendite der zum Rückkauf eingesetzten Vermögensposten geringer ist als die Eigenkapitalrentabilität der Gesamtgesellschaft. Dies ist beim Erwerb eigener Aktien durch überschüssige Zahlungsmittel zweifelsfrei der Fall (vgl. hierzu Nekat/Nippel 2005, S. 457 ff.). Werden die eigenen Aktien aus überschüssigen Zahlungsmitteln erworben, erhöht sich auch das Ergebnis je Aktie, da die Anzahl der ausgegebenen Aktien vermindert wird (vgl. IAS 33). Aktuelles und Empirie Aktienrückkäufe im DAX und MDAX Nienhaus et al. (2022) untersuchen die Aktienrückkaufaktivitäten von 89 Unternehmen des DAX und MDAX für das Geschäftsjahr 2019. Bei ihren Analysen kommen sie u. a. zu folgendem Ergebnis (vgl. Nienhaus et al. 2022, S. 41):
45 Die konzernspezifische Komponente translation of foreign operations adressiert die Umrechnung von in Fremdwährung aufgestellten Abschlüssen; vgl. z. B. Pellens et al. 2021, S. 780 ff. Zum hedging s. Kap. III.3.5.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
»Unternehmen des DAX (MDAX) kauften im Jahr 2019 etwa 76 Millionen (46 Millionen) Aktien zurück, also durchschnittlich 1,1 % (1,2 %) der ausgegebenen Aktien. Mit etwa 23 Millionen Aktien erwarb die Deutsche Bank die höchste Anzahl an Aktien im DAX zurück. Relativ betrachtet kaufte Rocket Internet (MDAX) mit etwa 10 % der ausgegebenen Aktien die meisten Aktien zurück; das entspricht 15 Millionen Aktien. Das Rückkaufvolumen summiert sich im DAX und MDAX auf rund 9,1 Milliarden Euro. Dies entspricht etwa 1,3 % der Marktkapitalisierung der beiden Indizes. Durchschnittlich hat ein Rückkauf ein Volumen von knapp 380 Millionen Euro (DAX: 766 Millionen Euro; MDAX: 104 Millionen Euro). Wertmäßig ist der Rückkauf bei Linde mit einem Volumen von mehr als 2,2 Milliarden Euro (2,2 % der Marktkapitalisierung) der größte Rückkauf der Stichprobe.«
Da § 57 Abs. 1 AktG die Zurückgewähr von eigenen Aktien grundsätzlich verbietet, dürfen diese nur in den in § 71 Abs. 1 AktG genannten Ausnahmefällen erworben werden. Dabei sind zwei Arten von Aktienrückkäufen zu unterscheiden (vgl. auch Göbel/Kormaier 2006, S. 65 ff.; Foltin/Albrecht 2014, S. 15 ff.): y Zur Einziehung oder aufgrund einer Ermächtigung erworbene Aktien: Diese Rückkäufe dürfen zur Herabsetzung des Grundkapitals aufgrund des Beschlusses der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG) oder aufgrund einer Ermächtigung seitens der Hauptversammlung, wobei dann der Handel in eigenen Aktien als Zweck ausgeschlossen ist (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG), durchgeführt werden. y Nicht zur Einziehung erworbene Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 1-5 u. 7 AktG): Als Beispiele sind die Abwendung eines Schadens von der Gesellschaft (Nr. 1) oder die Abfindung der Arbeitnehmer der Gesellschaft (Nr. 3) zu nennen. Bei zur Einziehung oder aufgrund einer Ermächtigung erworbenen Aktien ist vor allem der in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG beschriebene Fall bedeutsam (vgl. Schmidbauer 2002, S. 188 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 383 ff.). In diesem Fall ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand, für einen Zeitraum von höchstens 5 Jahren, eigene Aktien zu erwerben. Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 % des Grundkapitals beschränkt. Obwohl Satz 2 den Handel mit eigenen Aktien als Zweck des Erwerbs ausschließt, ist die Unternehmensleitung grundsätzlich frei in ihren Aktivitäten. Lediglich ein permanenter An- und Verkauf zur Erzielung sog. trading-Gewinne ist verboten (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG sowie Pape 2015, S. 132). Unabhängig von der Art des Aktienrückkaufs sind erworbene eigene Anteile offen vom Posten »Gezeichnetes Kapital« z. B. unter der Bezeichnung »Kapitalrückzahlung« abzuziehen (§ 272 Abs. 1a HGB; vgl. zu den folgenden Ausführungen Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 Abs. 1a HGB, Rn. 18 ff.; Rieckers 2020, § 15, Rn. 50 f.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 384 f.). Die Aktivierung der Anteile und gleichzeitige Bildung einer Rücklage für eigene Anteile ist nicht zulässig. Die Regelung verdeutlicht, dass der Erwerb eigener Anteile grundsätzlich als Rückzahlung von Einlagen an die Gesellschafter zu verstehen ist. Die Möglichkeit einer Weiterveräußerung wird vernachlässigt. Vom gezeichneten Kapital ist grundsätzlich nur der (ggf. rechnerische) Nennbetrag abzusetzen (§ 272 Abs. 1a S. 1 HGB). Der diesen Betrag übersteigenden Teil des Rückkaufpreises ist mit frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 Abs. 1a HGB, Rn. 20 ff.; Rieckers 2020, § 15, Rn. 51). Ausgaben für den Erwerb eigener Aktien sind nach § 272 Abs. 1a S. 3 HGB als Aufwand zu erfassen. Beispiel Bilanzierung des Erwerbs eigener Anteile (Teil 1) Unterstellt wird im Folgenden ein Erwerb von 800.000 eigenen Aktien mit einem Nennbetrag von 1 € zu einem Kurswert von insgesamt 5.000 T€ per Bank. Zusätzlich fallen Transaktionskosten in
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
531
Höhe von 55 T€ an. Vor Erwerb der eigenen Aktien gestaltet sich die Darstellung des Eigenkapitals annahmegemäß wie folgt: I. II. III.
gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage andere Gewinnrücklagen
2.000.000 € 4.500.000 € 7.000.000 €
Nach § 272 Abs. 1a S. 1 HGB ist der Nennbetrag offen von dem Posten gezeichnetes Kapital als Kapitalrückzahlung abzusetzen. Übersteigt der Kaufpreis den Nennwert, ist der übersteigende Betrag mit den frei verfügbaren Rücklagen (in diesem Fall sind die anderen Gewinnrücklagen relevant) zu verrechnen (§ 272 Abs. 1a S. 2 HGB). Weitergehende Anschaffungskosten sind als Aufwand des Geschäftsjahres zu berücksichtigen (§ 272 Abs. 1a S. 3 HGB). Zu buchen ist demnach wie folgt: Kapitalrückzahlung andere Gewinnrücklagen Aufwand (Transaktionskosten)
800 T€ 4.200 T€ 55 T€
an
Bank
5.000 T€
an
Bank
55 T€
Das Eigenkapital ist beispielsweise wie folgt auszuweisen: I. II. III.
gezeichnetes Kapital – Kapitalrückzahlung Kapitalrücklage andere Gewinnrücklagen
2.000.000 € – 800.000 €
1.200.000 € 4.500.000 € 2.800.000 €
Erfolgt eine Veräußerung eigener Anteile, entfällt der offene Abzug, d. h., der Vorspaltenausweis beim gezeichneten Kapital entfällt in Höhe des Nennbetrags (§ 272 Abs. 1b HGB). Der den Nennbetrag übersteigende Teil des Verkaufserlöses ist wie beim Kauf mit frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Übersteigt der Verkaufserlös den zuvor bezahlten Kaufpreis ist die Differenz in die Kapitalrücklagen einzustellen (§ 272 Abs. 1b S. 3 HGB). Die Veräußerung ist also grundsätzlich als Kapitalerhöhung einzustufen (und diese ist insofern ergebnisneutral). Ist der Verkaufserlös geringer als der zuvor bezahlte Kaufpreis, können die zuvor in Anspruch genommenen freien Rücklagen nicht vollständig zurückgeführt werden. Ein Veräußerungsverlust entsteht nicht. Dieser ist vielmehr durch die Nichtrückführung der freien Rücklagen gedeckt. Zu einem Veräußerungsverlust kommt es hingegen in dem Fall, in dem die eigenen Anteile unter pari weiterveräußert werden, da die vollständige Korrektur des Vorspaltenabzugs nicht unterbleiben darf.
Weitergeführtes Beispiel Bilanzierung des Erwerbs eigener Anteile (Teil 2) In der folgenden Periode werden die eigenen Anteile allesamt zu einem Kurswert von 6.000 T€ veräußert. Dabei fallen Transaktionskosten in Höhe von 66 T€ an. In der Literatur wird zumeist die Auffassung vertreten, dass die Wiederveräußerung der eigenen Anteile wirtschaftlich einer Kapitalerhöhung entspricht und aus diesem Grunde der den Kaufpreis übersteigende Wert den Kapitalrücklagen zuzuführen sei (vgl. z. B. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 Abs. 1b HGB, Rn. 37 ff.; Reiner 2020, § 272 HGB, Rn. 37 ff.).
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bank
Aufwand (Transaktionskosten)
6.000 T€
an
66 T€
an
Kapitalrückzahlung andere Gewinnrücklagen Kapitalrücklage Bank
800 T€ 4.200 T€ 1.000 T€ 66 T€
Das Eigenkapital ist wie folgt auszuweisen: I. II. III.
gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage andere Gewinnrücklagen
2.000.000 € 5.500.000 € 7.000.000 €
International ist die Bilanzierung des Rückkaufs eigener Aktien (treasury shares) in IAS 32.33 f. normiert. Dabei sind eigene Aktien direkt vom Eigenkapital abzusetzen (IAS 32.33). Die Möglichkeit einen Vermögenswert anzusetzen besteht folglich nicht. Ungeregelt ist allerdings, in welcher Form der Abzug vorzunehmen ist. IAS 32.33 f. ersetzt die nunmehr zurückgezogene Interpretation SIC 16, die jedoch in großen Teilen wohl inhaltlich weiterhin relevant sind. Denkbar sind zwei der in SIC 16 genannten Möglichkeiten: 1. Abzug des Kaufpreises in einer Summe vom Eigenkapital 2. Abzug des Nennbetrags von dem gezeichneten Kapital und Kürzung der Kapitalrücklage um den Betrag, der bei der Emission in diese Rücklage eingestellt wurde. Ein ggf. überschießender Betrag ist bei den Gewinnrücklagen zu kürzen (i. d. S. auch Pellens et al. 2021, S. 562 ff.). Die Veräußerung zuvor erworbener eigener Aktien ist ergebnisneutral (IAS 32.33). Der Ausweis der Wiederveräußerung zuvor erworbener eigener Aktien sollte in gleicher Weise vorgenommen werden wie der Rückkauf selbst. Wurde der Kaufpreis in Summe vom Eigenkapital abgezogen, ist nun der Verkaufserlös in Summe dem Eigenkapital zuzurechnen. Unterschreitet der Verkaufserlös den Kaufpreis, sind zunächst die Kapitalrücklagen zu kürzen. Ein ggf. zusätzlicher Differenzbetrag mindert die Gewinnrücklagen. Wurde hingegen der Rückkauf gegen das gezeichnete Kapital und die anderen Gewinnrücklagen verrechnet, sind bei der Wiederveräußerung zunächst einmal die ursprünglichen Kürzungen rückgängig zu machen. In dem vorliegenden Beispiel würde ein übersteigender Betrag (Wiederverkauf mit Gewinn) zu einer Erhöhung der Kapitalrücklagen und ein unterschreitender Betrag (Wiederverkauf mit Verlust) würde zu einer Reduzierung der Kapitalrücklagen führen. Das Vorgehen entspricht der erstmaligen Kapitalausgabe (vgl. Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 402 ff.). Transaktionskosten sind stets ergebniswirksam zu erfassen. Bezüglich der Ergebniswirkungen des Rückkaufs und der Veräußerung eigener Aktien besteht grundsätzlich Kompatibilität zwischen den deutschen und den internationalen Normen, d. h. diese Vorgänge sind grundsätzlich ergebnisneutral. Allerdings ist eine Ergebniswirkung in zwei Fällen denkbar. Einerseits könnten die frei verfügbaren Rücklagen nicht ausreichen, um die Differenz zwischen Anschaffungskosten und Nennbetrag zu kompensieren, sodass eine Verrechnung zulasten des Jahresergebnisses erforderlich ist. Andererseits führt ein Erwerb unter pari zu einem negativen Unterschiedsbetrag, was z. B. in Sanierungsfällen der Fall ist. Hier könnte ggf. ein Ertrag vorliegen (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 272 Abs. 1a HGB, Rn. 26, 28 und 33 sowie Störk/Kliem/Meyer 2020, § 272 Abs. 1b HGB, Rn. 141 ff.). Hinsichtlich des Ausweises lässt sich eine Übereinstimmung herstellen, indem nach IFRS beim Rückkauf eigener Aktien eine Darstellungsform gewählt wird, die nach deutschem Recht zulässig ist (Abzug des Nennbetrags vom gezeichneten Kapital sowie Verrechnung eines ggf. übersteigenden Betrags mit den frei verfügbaren Rücklagen).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
533
3.6.4 Zusammenfassendes Beispiel Das zusammenfassende Beispiel bezieht sich auf die Eigenkapitalbewegungen der RECHNUNGSWESEN AG beim Börsengang. Im Folgenden werden verschiedene Abschnitte aus dem Geschäftsbericht des Jahres t1 dargestellt. Auf dieser Grundlage ist es möglich, die einzelnen Eigenkapitalposten vom 1.1.t1 auf den 31.12.t1 überzuleiten.46 Eigenkapital E1 In der Gesellschafterversammlung vom 4. Juli t1 der RECHNUNGSWESEN GmbH wurde die Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft von 4.200 T€ um 5.800 T€ auf 10.000 T€ durch Umwandlung eines entsprechenden Betrages der Rücklagen (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) beschlossen. Außerdem wurde die formwechselnde Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft unter Feststellung ihrer Satzung beschlossen. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurden am 18.8.t1 im Handelsregister eingetragen. E2 In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 24.10.t1 wurde beschlossen, das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 10.000 T€ gegen Bareinlage um 2.500 T€ auf insgesamt 12.500 T€ durch Ausgabe von Stück 500.000 neuen Inhaberaktien von je 5,00 € zu erhöhen. Die neuen Aktien sind ab dem 1.1.t2 gewinnberechtigt. Das Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen. Die neuen Aktien wurden von einem Bankenkonsortium zum Nennbetrag von 5,00 € je Aktie zum Kauf angeboten. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabebetrag (= Nennwert) und dem Verkaufspreis von 100,00 € je Aktie wurde an die Gesellschaft abgeführt. E3 Das Grundkapital in Höhe von 12.500 T€ ist in der Bilanz als gezeichnetes Kapital zum Nominalbetrag ausgewiesen. Es ist eingeteilt in 2.500.000 Inhaberaktien im Nennbetrag von 5,00 € je Aktie. E4 Die Erhöhung der Kapitalrücklage um 46.500 T€ resultiert aus dem Agio der Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen in Höhe von 47.500 T€ und der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bei der 1.000 T€ in gezeichnetes Kapital umgewandelt wurden. E5 Aus dem Bilanzgewinn des Jahres 2009 wurden 3.800 T€ in die Gewinnrücklagen eingestellt. E6 Den Gewinnrücklagen werden in der AG 1.900 T€ und im Konzern 2.721 T€ zugeführt. Genehmigtes Kapital G1 Nach § 4 der Satzung besteht ein genehmigtes Kapital in Höhe von insgesamt 6.250 T€. Der Vorstand ist ermächtigt: G2 1. das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 24.10.t6 mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Stamm- und Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gegen Bar- oder Sacheinlagen einmalig oder mehrmals um bis zu insgesamt 5.000 T€ zu erhöhen (genehmigtes Kapital I). Den Aktionären ist dabei ein Bezugsrecht einzuräumen. 2. das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 24.10.t6 mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Stammaktien und/oder Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gegen Bareinlagen einmalig oder mehrmals um bis zu insgesamt 1.250 T€ zu erhöhen. Der Vorstand ist ermächtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, um die neuen Aktien zu einem Ausgabepreis auszugeben, der den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet (genehmigtes Kapital II).
46 Das Beispiel erfolgt in Anlehnung an den Börsengang der Aixtron AG im Jahr 1997; vgl. Aixtron AG 1998, S. 35, 37, 45.
534
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bilanz (RECHNUNGSWESEN AG) Passiva Eigenkapital Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Andere Gewinnrücklagen Bilanzgewinn
GuV (RECHNUNGSWESEN AG) ... Jahresüberschuss Gewinnvortrag Einstellung in andere Gewinnrücklagen Bilanzgewinn
31.12.t1 €
Vorjahr T€
12.500.000,00 47.500.000,00 2.100.000,00 2.054.090,52 64.154.090,52
4.200 1.000 1.200 3.917 10.317
31.12.t1 €
Vorjahr T€
3.836.715,05 117.375,47 1.900.000,00 2.054.090,52
3.622 295 0 3.917
Im Folgenden sollen die Eigenkapitalposten zu Beginn des Geschäftsjahres auf den entsprechenden Wert am Ende des Geschäftsjahres übergeleitet werden. Die entsprechenden Beträge zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres lassen sich der Bilanz entnehmen. Der Posten Bilanzgewinn bedarf keiner Überleitung, da der aktuelle Wert aus der GuV (Spalte 31.12.t1) zu entnehmen ist. Überleitung des Postens gezeichnetes Kapital (in T€) gezeichnetes Kapital zum 1.1.t1 + Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln + Erhöhung des gezeichneten Kapitals durch Bareinlage = gezeichnetes Kapital zum 31.12.t1
4.200 + 5.800 + 2.500 12.500
Bei der RECHNUNGSWESEN GmbH fand eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln statt (E1). Die §§ 57c bis 57o GmbHG entsprechen weitgehend den Regelungen der §§ 207–220 AktG. Die Erhöhung des Stammkapitals gibt (E1) an. Der Nennbetrag je ausgegebener Aktie beträgt 5 € (E2). Insgesamt wurden 500.000 Aktien ausgegeben. Demnach ist das gezeichnete Kapital aufgrund der Kapitalerhöhung durch Bareinlage um 2.500 T€ (5 € × 500.000 Aktien) zu erhöhen. Überleitung des Postens Kapitalrücklage (in T€) Kapitalrücklage zum 1.1.t1 + Agio aus der Kapitalerhöhung gegen Bareinlage – Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln = Kapitalrücklage zum 31.12.t1
1.000 47.500 – 1.000 47.500
Der Ausgabebetrag für eine Aktie betrug 100 €. Der Nennbetrag beträgt 5 €, sodass pro Aktie 95 € (100 € – 5 €) den Kapitalrücklagen zuzuführen sind (E2). Insgesamt kommt es zu einer Zuführung in Höhe von 47.500 T€ (95 € × 500.000 Aktien) (E4).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln führte zu einer Erhöhung des Stammkapitals in Höhe von 5.800 T€ (E1). Dabei wurden Kapitalrücklagen in Höhe von 1.000 T€ in gezeichnetes Kapital umgewandelt (E4). Überleitung des Postens andere Gewinnrücklagen (in T€) andere Gewinnrücklagen zum 1.1.t1 + Neuzuführung + Einstellung in die Gewinnrücklagen aus dem Bilanzgewinn t0 – Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln = andere Gewinnrücklagen zum 31.12.t1
1.200 1.900 + 3.800 – 4.800 2.100
Der den anderen Gewinnrücklagen neu zuzuführende Betrag kann sowohl E6 als auch aus der GuV (Spalte 31.12.t1, Posten »Einstellung in andere Gewinnrücklagen«) entnommen werden. Die Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen ist sowohl aus E5 als auch aus der GuV (Spalte »Bilanzgewinn 31.12.t0« – Spalte »Gewinnvortrag 31.12.t1«: 3.917 T€ – 117 T€ = 3.800 T€) ersichtlich. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln führte zu einer Erhöhung des Stammkapitals in Höhe von 5.800 T€ (E1). Dabei wurden Kapitalrücklagen in Höhe von 1.000 T€ in gezeichnetes Kapital umgewandelt (E4). Demnach verbleibt eine Umbuchung von den anderen Gewinnrücklagen in den Posten »gezeichnetes Kapital« in Höhe von 4.800 T€ (5.800 T€ – 1.000 T€).
Kontrollfragen zu III.3.6 1. Handelt es sich bei rückzahlbaren Vorzugsaktien (redeemable preferred shares) um eine finanzielle Schuld (financial liability) oder um ein Eigenkapitalinstrument (equity instrument)? 2. Warum besitzen Rücklagen eine Ausschüttungssperrfunktion? 3. Am 2.1. des Jahres schlossen sich drei Wirtschaftsprüfer und zwei Steuerberater zusammen, um die (nicht börsennotierte) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Treu und Glauben AG zu gründen (das Beispiel stammt aus Coenenberg/Haller/Schultze 2021b, S. 133 ff.). Das Grundkapital in Höhe von 400 T€, das in 8.000 Aktien à 50 € eingeteilt ist, wurde von den Gründern zu gleichen Teilen übernommen. Die Ausgabe der Aktien erfolgte zu einem Kurs von 125 € je Aktie und einer Einzahlungsquote von 30 %. Von den ausstehenden Einlagen wurden 100 T€ eingefordert, aber noch nicht eingezahlt. An Gerichts- und Notariatskosten, Maklergebühren und Kosten der Aktienausgabe fielen insgesamt 12 T€ an. Die Kosten der Aktienausgabe betrugen 5 T€. Die Schulungskosten für metierfremde Angestellte betrugen in den ersten drei Monaten nach Gründung und Aufnahme der Geschäftstätigkeit 10 T€. a) Wie wird die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Treu und Glauben AG ihre Eigenkapitalsituation in der Handelsbilanz am Ende des ersten Geschäftsjahres ausweisen, wenn das Geschäftsjahr gleich dem Kalenderjahr ist und sie ein möglichst hohes Jahresergebnis ausweisen möchte? Gehen Sie dabei auch auf die Ausweisalternativen der ausstehenden Einlagen ein. b) Wie stellt sich die Eigenkapitalsituation in der IFRS-Bilanz der Treu und Glauben AG am Ende des ersten Geschäftsjahres dar, wenn die Zielsetzung der Jahresüberschussmaximierung verfolgt wird?
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
4. Im Dezember t1 gründen Fix und Foxi die nicht börsennotierte Comic AG, an der beide zu je 50 % beteiligt sind (zu einem ähnlich angelegten Beispiel siehe Baetge/Kirsch/ Thiele 2020, S. 289 ff.). Das Grundkapital beträgt 80 T€. Der Ausgabekurs der Aktien beträgt 110 %. Fix und Foxi zahlen jeweils 30 T€ sowie (vollumfänglich) das Agio bar ein. Der Gesellschaftsvertrag legt fest, dass die Einlagen bis zum 31.12.t3 eingezahlt werden müssen. Die Comic AG nimmt zum 1.1.t2 ihren Geschäftsbetrieb auf. Erstellen Sie die Eröffnungsbilanz zum 1.1.t2. Im Geschäftsjahr t2 erzielt die Comic AG Aufwendungen in Höhe von 170 T€ und Erträge in Höhe von 210 T€. Weiterhin werden die ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital eingefordert. In die gesetzliche Rücklage sind die gem. § 150 Abs. 2 AktG geforderten Beträge einzustellen. Die Satzung bestimmt, dass in jedem Jahr 10 % des Jahresüberschusses in eine Rücklage einzustellen sind. Weiterhin sind sich Fix und Foxi einig, dass in die Rücklagen der (ohne weitere Beschlüsse) maximal zulässige Betrag eingestellt werden soll. Erstellen Sie die Bilanz zum 31.12.t2. Dabei sind die Ergebnisse der Inventur zum 31.12.t2 zu berücksichtigen: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 26 T€, Sachanlagen 40 T€, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 20 T€ sowie Vorräte 62 T€. 5. Gehen Sie auf den Unterschied zwischen einer Neubewertungsrücklage i. S. der IFRS und einer Sonderrücklage gem. § 58 Abs. 2a AktG ein. 6. Die BCG Chip AG ist zur Erstellung eines IFRS-Jahresabschlusses verpflichtet. Das Unternehmen ging vor zwei Jahren an die Börse und emittierte 2 Mio. Aktien (Nennbetrag 1 €) zu einem Börsenkurs von 5 € (Verkaufspreis je Aktie). Um einen vermuteten Übernahmeversuch abzuwehren, erwirbt die BCG Chip AG im laufenden Geschäftsjahr 200.000 eigene Aktien zu einem Kurswert von 13,40 € pro Aktie. Dabei fallen Transaktionskosten in Höhe von 1,2 % des Kurswertes an. Wie ist im laufenden Geschäftsjahr zu buchen? Im folgenden Geschäftsjahr werden alle eigenen Aktien zu 14,22 € pro Aktie verkauft. Dabei fallen Transaktionskosten in Höhe von 1,2 % des Kurswerts an. Wie ist im folgenden Geschäftsjahr zu buchen? Begründen Sie die bei der Buchung gewählte Vorgehensweise und wählen Sie bei ggf. bestehenden Regelungslücken die Vorgehensweise, die Ihnen am informationsträchtigsten erscheint.
3.7 Rückstellungen 3.7.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Rückstellungen (provisions) sind Passivposten, mit denen künftige Vermögensabgänge oder Aufwendungsüberschüsse erfasst werden (»to make provisions« bedeutet auch »Vorkehrungen treffen«). Rückstellungen dienen dabei regelmäßig der Periodisierung von Aufwendungen (s. Kap. II.4.4.5.2; II.4.4.5.3; II.5.3.2.2). Dem Prinzip der Periodenabgrenzung (accrual principle) kommt sowohl international als auch national eine besondere Bedeutung zu. Dieser Abschnitt behandelt alle Rückstellungen, mit Ausnahme der Rückstellungen, die in Zusammenhang mit Leistungen an Arbeitnehmer stehen. Nach IFRS ist eine Schuld (liability; s. Kap. II.5.3.5.4) als eine gegenwärtige Verpflichtung eines Unternehmens definiert, die aufgrund eines vergangenen Ereignisses entstanden ist und deren Erfüllung zu einem Abfluss von Ressourcen führt, die einen wirtschaftlichen Nutzen beinhalten (IASB F.4.26). Schulden lassen sich zudem in folgende Unterkategorien
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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kategorisieren: Rückstellungen (provisions), sonstige Schulden (other liabilities) sowie Eventualschulden (contingent liabilities). Rückstellungen sind dabei Schulden, die bezüglich ihrer Fälligkeit und/oder Höhe ungewiss sind (IAS 37.10). Die Bildung von Rückstellungen dient primär der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen (s. Kap. I.2.2.5). Die zentrale Rechnungslegungsnorm bei Erstellung eines internationalen Abschlusses ist IAS 37 (Ansatz, Bewertung, Ausweis und Anhang). Weiterhin sind die Interpretationen IFRIC 1, 5, 6, 17 und 21 relevant. IAS 37.5 verweist zudem auf andere Rechnungslegungsstandards, deren Regelungen, soweit sie bestimmte Rückstellungen, Eventualschulden oder -forderungen behandeln, vorrangig sind (z. B. IAS 19 Leistungen an Arbeitnehmer). Allerdings sind der internationale und der handelsrechtliche Schuldbegriff nicht deckungsgleich. Nach deutschen GoB dominiert bei der Rückstellungsbildung das Vorsichtsprinzip, was wiederum dem Gläubigerschutz dienen soll (s. Kap. I.2.2.2). Rückstellungen fallen ebenso wie Verbindlichkeiten unter den Oberbegriff Schulden. Rückstellungen sind Passivposten für bestimmte Verpflichtungen eines Unternehmens, die am Bilanzstichtag dem Grunde nach (d. h. der Zwang zur Leistung ist nicht sicher) und/oder ihrer Höhe nach (d. h. die zu erbringende Leistung ist nicht eindeutig quantifizierbar) ungewiss sind und deren zugehöriger Aufwand der Verursachungsperiode zugerechnet werden soll. y Rückstellungen unterscheiden sich somit von den Verbindlichkeiten dadurch, dass bei einer Verbindlichkeit sowohl der Verpflichtungsgrund als auch die Höhe der Verpflichtung feststehen. Der Zeitpunkt der Fälligkeit ist belanglos. y Rückstellungen sind auch abzugrenzen von den Rücklagen (s. Kap. III.3.6.3.2), die Teil des Eigenkapitals sind. Sie werden vor allem dotiert, um einen allgemeinen Puffer zum Ausgleich künftiger Verluste zu bilden. Wird ein handelsrechtlicher Abschluss erstellt, so sind § 249 HGB (Ansatz), § 253 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 und Abs. 2 HGB (Bewertung), § 266 Abs. 1 und 3 HGB (Ausweis) sowie die §§ 284, 285 Nr. 12 HGB (Anhangangaben) besonders bedeutsam. Weiterhin ist ggf. IDW RS HFA 4 (Zweifelsfragen zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustrückstellungen) relevant. Die Bildung von Rückstellungen ist i. d. R. sowohl nach IFRS als auch nach deutschen GoB ergebniswirksam (zur Bildung von Rückstellungen in Zusammenhang mit Rekultivierungs- und ähnlichen Verpflichtungen s. Kap. III.3.1.3.1). Rückstellungen sind zudem in den Folgeperioden ggf. an einen neuen Erkenntnisstand anzupassen (IAS 37.59). Dies gilt auch dann, wenn sich im Zeitablauf Erwartungs- oder Schätzänderungen ergeben (IAS 8.32 ff., IFRIC 1; s. Kap. II.5.3.2.3.b12). Sich aus Anpassungen ergebende Minderungen bzw. Erhöhungen der Rückstellung sind ergebniswirksam zu erfassen. Dies gilt auch nach deutschen GoB. Eine Rückstellung ist ergebniswirksam aufzulösen, wenn die Kriterien für die Rückstellungsbildung nicht mehr vorliegen (IAS 37.59, § 249 Abs. 2 S. 2 HGB; zur Ausbuchung s. Kap. II.5.3.6). Eine Rückstellung gilt als verbraucht, wenn das Unternehmen die Verpflichtung, für welche die Rückstellung gebildet wurde, begleicht (IAS 37.61 f.). Dieser Vorgang ist ergebnisneutral, sofern die Höhe der tatsächlichen Verpflichtung und die gebildete Rückstellung übereinstimmen. Stimmen die tatsächliche Verpflichtung und die Rückstellungshöhe nicht überein, so ist zusätzlich ein »sonstiger betrieblicher Aufwand« (Rückstellungshöhe zu niedrig) bzw. ein »sonstiger betrieblicher Ertrag« zu erfassen (Rückstellungshöhe zu hoch). Eine Rückstellung ist in eine sichere Verbindlichkeit umzubuchen, wenn die Verpflichtung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sicher geworden ist. Entspricht die Rückstellung der Höhe nach der nunmehr sicheren Verpflichtung, handelt es sich um eine ergebnisneutrale Umbuchung.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
3.7.2 Ansatz und Ausweis 3.7.2.1 Internationale Normen a. Passivierungspflichtige und angabepflichtige Schulden International lassen sich passivierungspflichtige und angabepflichtige Schulden unterscheiden. Die passivierungspflichtigen Schulden unterteilen sich wiederum in Rückstellungen (provisions) und sonstige Schulden (other liabilities). Angabepflichtige Schulden sind die ebenfalls in IAS 37 geregelten Eventualschulden (contingent liabilities). a1. Rückstellungen Eine Rückstellung (provision) ist definiert als eine Schuld, die bezüglich ihrer Fälligkeit und/ oder Höhe ungewiss ist (IAS 37.10; zum Anwendungsbereich von IAS 37 siehe IAS 37.1-9). Die Ansatzregeln in IAS 37.14 folgen streng den definitorischen Voraussetzungen und den allgemeinen Ansatzkriterien des Conceptual Framework (IASB F.4.26-47, s. Kap. II.5.3.5.2). Eine Rückstellung ist dann anzusetzen, wenn die folgenden drei Kriterien kumulativ erfüllt sind (vgl. Heuser/Theile 2019, S. 723 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 11 ff.; v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 28 ff.): a) Es besteht eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit resultiert. b) Der Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen, um die Verpflichtung zu erfüllen, ist wahrscheinlich. c) Die Höhe der Verpflichtung kann verlässlich geschätzt werden. Das erste Kriterium bezieht sich auf das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis (IAS 37.15-22). Das verpflichtende Ereignis führt dazu, dass die Verpflichtung entweder rechtlich entstanden oder faktisch durchsetzbar ist, sodass sich das Unternehmen der Verpflichtung nicht entziehen kann. y Rechtlich entstanden ist eine Verpflichtung regelmäßig dann, wenn sie durch einen privatrechtlichen Vertrag (aufgrund seiner expliziten oder impliziten Bedeutung), öffentlich-rechtliche Gesetze oder aus einer sonstigen unmittelbaren Auswirkung gesetzlicher Normen begründet ist. Daher ist eine rechtliche Verpflichtung (legal obligation) vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Verpflichtung tatsächlich durchsetzbar ist. y Eine faktische Verpflichtung (constructive obligation) liegt gem. IAS 37.10 vor, wenn ein Unternehmen durch früheres Verhalten, die bisherige Geschäftspolitik oder eine Bekanntmachung seine Bereitschaft zur Übernahme bestimmter Verpflichtungen signalisiert hat und das Unternehmen dadurch bei anderen Parteien die gerechtfertigte Erwartung (valid expectation) geweckt hat, dass es diesen Verpflichtungen nachkommen wird (vgl. v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 43 f.). y Die faktische Verpflichtung basiert auf der Tatsache, dass sich ein Unternehmen Verpflichtungen gegenübersehen kann, zu deren Erfüllung es nicht juristisch angehalten werden kann, deren Nichterfüllung aber für das Unternehmen wirtschaftlich nachteilig wäre. So ist beispielsweise das freiwillige, regelmäßig praktizierte Entgegenkommen eines Unternehmens bei der Rücknahme schadhafter Produkte nach der Garantiefrist zur Kundenbindung eine Geschäftspraxis, die eine faktische Verpflichtung begründet (vgl. Simons/Grathwohl 2010, Abschn. 21, Rn. 26). Ein Ereignis der Vergangenheit, welches zu einer gegenwärtigen Verpflichtung führt, bezeichnet IAS 37.17 als verpflichtendes Ereignis (obligating event). Ein verpflichtendes Ereignis ist
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dann gegeben, wenn das Unternehmen sich der durch das Ereignis entstandenen Verpflichtung nicht entziehen kann. Leitlinie zur Beurteilung der Unentziehbarkeit ist nach IAS 37.19, dass die Verpflichtung unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit besteht (vgl. v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 48 ff.). Eine Verpflichtung kann nur gegenüber Dritten bestehen (IAS 37.20). Die genaue Kenntnis oder Identifikation der Partei, gegenüber der die Verpflichtung besteht, ist jedoch nicht notwendig. Sie kann z. B. gegenüber Kunden oder im Extremfall gegenüber der Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit bestehen. Aufgrund des Erfordernisses einer Außenverpflichtung, ist es nach IAS 37.20 regelmäßig unzulässig auf Innenverpflichtungen basierende Aufwandsrückstellungen zu passivieren (s. Kap. III.3.7.2.2). Allerdings können Innenverpflichtungen aufgrund einer öffentlichen Bekanntgabe des Unternehmens in eine passivierungspflichtige Außenverpflichtung münden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn das Unternehmen bekannt gibt, kontaminierte Böden selbst zu reinigen, obwohl keine gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht. In diesem Fall liegt eine faktische Außenverpflichtung vor (vgl. v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 55 f.). Insgesamt müssen unter Berücksichtigung aller verfügbaren Hinweise mehr Gründe für als gegen (more likely than not) die Existenz der Verpflichtung sprechen (IAS 37.15). Ist dies nicht der Fall, liegt ggf. eine Eventualschuld vor, welche im Anhang anzugeben ist (s. Kap. III.3.7.4.1). Damit geht eine Rückstellung nach internationalen Normen auch mit Unsicherheiten hinsichtlich des Bestehens einer Verpflichtung einher, wenngleich die Definition einer Rückstellung in IAS 37.10 nur auf die Ungewissheit der Fälligkeit oder Höhe abstellt (vgl. Schrimpf-Dörges 2020, § 12, Rn. 9 ff.). Beispiel Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten Eine Besonderheit hinsichtlich der Ansatzvoraussetzung des Bestehens einer gegenwärtigen Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis i. S. v. IAS 37.14a ergibt sich für Hersteller von Elektround Elektronikgeräten. Diese sind durch die EU-Elektro-Richtlinie bzw. das ElektroG verpflichtet, die Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (dazu gehören u. a. Haushaltsgeräte, Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik sowie Geräte der Unterhaltungselektronik), die vor dem 13.8.2005 an private Haushalte in Verkehr gebracht wurden, zu finanzieren. Der Anteil eines Herstellers an der Finanzierung der Entsorgung der Altgeräte berechnet sich gem. IFRIC 6 anhand seines Marktanteils an Neugeräten pro Geräteart im jeweiligen Kalenderjahr (gemessen an den monatlichen Verkaufszahlen).47 Gem. IFRIC 6.9 stellt die Marktteilnahme des Herstellers im Zeitpunkt der Entsorgung (und nicht im Zeitpunkt des In-Verkehrs-Bringens) das eine Verpflichtung begründende Ereignis (obligating event) i. S. v. IAS 37.17 dar (vgl. ausführlich Oser/Ross 2005, S. 1069 ff.; Simons/Grathwohl 2010, Abschn. 21, Rn. 89; Ernst & Young 2021, S. 1973 ff.).
Liegt eine gegenwärtige Verpflichtung vor, die aus Ereignissen der Vergangenheit entstanden ist und erwartungsgemäß zu einem Ressourcenabfluss führt, ist als zweites Kriterium zu prüfen, ob der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen wahrscheinlich ist (IAS 37.23 f.). Ein Abfluss von Ressourcen ist dann als wahrscheinlich einzustufen, wenn mehr dafür als dagegenspricht (more likely than not). Wichtig ist, dass sowohl das Bestehen einer Verpflichtung (IAS 37.15 f.) als auch die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme jeweils
47 Ergänzt wird IFRIC 6 für deutsche IFRS-Bilanzierende durch RIC 2, welcher sich mit durch IFRIC 6 nicht abgebildete Konstellationen (Rücknahme gewerblich genutzter Alt-Geräte und Rücknahmeverpflichtung von Geräten, die nach dem 13.8.2005 in Verkehr gebracht wurden) befasst.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
größer als 50 % sein müssen. Nach den deutschen GoB ist eine Rückstellung bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu bilden (s. Kap. III.3.7.2.2.b1). Die Wahrscheinlichkeit ist grundsätzlich für jede Verpflichtung einzeln zu bestimmen. Sind die Wahrscheinlichkeiten, dass ein Unternehmen einen Prozess verliert und dass es zu einer Schadenersatzleistung kommt, jeweils größer als 50 %, ist eine Rückstellung anzusetzen (IAS 37.C.10A). Bei einer Vielzahl ähnlicher Verpflichtungen ist die Wahrscheinlichkeit des Mittelabflusses gemeinsam zu beurteilen und es darf nicht auf die einzelne Verpflichtung abgestellt werden (IAS 37.24). Beträgt z. B. die Wahrscheinlichkeit eines gesetzlichen Garantiefalls 3 %, so ist (sofern die anderen Ansatzkriterien erfüllt sind) eine Rückstellung anzusetzen, obwohl die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme in Bezug auf einen einzelnen Garantiefall kleiner als 50 % ist. Das IASB orientiert sich an subjektiven Wahrscheinlichkeiten. Dabei handelt es sich um eine subjektive Schätzung der Wahrscheinlichkeit, die auf Erfahrungswissen, Indizien und Anhaltspunkte gestützt wird (vgl. stellvertr. Ruhnke/ Schmidt 2003, S. 1047 m. w. N.). Weiterhin muss sich die Höhe der Verpflichtung verlässlich schätzen lassen (IAS 37.25 f.). Nach IAS 37.25 ist dieses dritte Kriterium in der Regel als erfüllt anzusehen. Es ist bereits dann erfüllt, wenn sich die Verpflichtung aus einer Bandbreite möglicher Werte ableiten lässt. Sollte eine verlässliche Schätzung nicht möglich sein, ist die Verpflichtung nicht als Rückstellung zu passivieren, sondern als Eventualschuld (contingent liability; s. Kap. III.3.7.4.1) im Anhang (notes) anzugeben. Diskussionsfrage III.3.-13 Diskutieren Sie, ob in den folgenden Fällen eine Rückstellung nach IAS 37 zu bilden ist: a) Ein Unternehmen erhält eine behördliche Auflage, bei einer bestimmten Produktionsanlage Rauchfilter zu installieren. b) Eine Reederei ist gesetzlich verpflichtet, bei ihren Schiffen regelmäßig umfangreiche Wartungsarbeiten durchzuführen, um die sog. Seetauglichkeitsbescheinigung zu erhalten (sog. Trockendockkosten). c) Eine Fluggesellschaft betreibt ein Flugzeug. Die Gesellschaft ist gesetzlich verpflichtet, das Flugzeug alle drei Jahre überholen zu lassen. d) Ein Unternehmen ist verpflichtet, eine bereits montierte Ölplattform zu demontieren.
Im Hinblick auf den Ausweis von Rückstellungen fordert IAS 1.54l, dass diese in der Bilanz gesondert zu zeigen sind (s. Kap. II.5.3.3.2). Dieser Posten ist weiter zu untergliedern, sofern dies für das Verständnis der finanziellen Situation (financial position) des Unternehmens relevant ist (IAS 1.55). Weiterhin sind die Rückstellungen grundsätzlich in kurz- und langfristig zu unterteilen (IAS 1.69-76). a2. Sonstige Schulden Zu den sonstigen Schulden (other liabilities) zählen gem. IAS 37.11 die abgegrenzten Schulden (accruals) sowie Verbindlichkeiten, die dem Grunde und ihrer Höhe nach feststehen. Bei den abgegrenzten Schulden steht die Existenz der Schuld (liability) dem Grunde nach fest, jedoch bestehen hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts der Verpflichtung Unsicherheiten. Der Grad der Unsicherheit ist insgesamt niedriger als bei einer Rückstellung (IAS 37.11b). Beispiele sind Urlaubsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern, Verpflichtungen zur Zahlung von Kosten der Jahresabschlussprüfung oder von Beiträgen für die Berufsgenossenschaft sowie Verbindlichkeiten aus ausstehenden Rechnungen für bereits erhaltene Lieferungen.
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Rückstellungen und abgegrenzte Schulden sind gesondert auszuweisen (IAS 37.11). Hinter dem gesonderten Ausweis steht die ökonomische Idee, dass ein solch differenzierter Ausweis von mit mehr oder weniger hohen Unsicherheiten behafteten Schulden für die Abschlussadressaten eine entscheidungsnützliche Zusatzinformation darstellt. Zu den sonstigen Schulden zählen weiterhin Verbindlichkeiten, die dem Grunde und ihrer Höhe nach feststehen. Unsicherheiten bestehen hier lediglich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zahlung. Insofern kann man hier auch von sicheren Verbindlichkeiten sprechen. Angesprochen sind hier die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten (trade and other payables), die in der Bilanz gesondert zu zeigen sind (IAS 37.11a, IAS 1.54k). b. Ergänzende Detailbetrachtungen b1. Drohverlustrückstellungen Nach IAS 37.66 sind Rückstellungen aus belastenden Verträgen (onerous contracts) zu bilden. Dabei handelt es sich um drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Bei den schwebenden Geschäften kann es sich um Absatz- oder Beschaffungsgeschäfte handeln. Ein belastender Vertrag ist ein Vertrag, bei dem die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen. Ist eine Vertragsstrafe niedriger als der Verlust, der bei einer Leistungserfüllung entstehen würde, darf nur die niedrigere (unvermeidbare) Vertragsstrafe als Rückstellung passiviert werden. Der Verpflichtungsüberhang ist als Rückstellung anzusetzen und zu bewerten (IAS 37.68). Sind im Rahmen eines schwebenden Geschäftes Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden und droht aus diesem Geschäft ein Verlust, besteht eine Konkurrenz zwischen der außerplanmäßigen Wertminderung gem. IAS 2 bzw. IAS 36 (s. Kap. III.3.3; II.5.3.8.2) und der Rückstellungsbildung gem. IAS 37. IAS 37.69 regelt, dass zunächst der Aktivposten einer außerplanmäßigen Wertminderung unterliegt und nur für den übersteigenden Betrag eine Rückstellung zu bilden ist (vgl. Heuser/Theile 2019, S. 730; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 66 ff.). Diese Regelung stellt sicher, dass eine Wertminderung nicht doppelt erfasst wird (Rückstellung und Wertminderungsaufwand). b2. Restrukturierungsrückstellungen IAS 37.10 definiert Restrukturierungsmaßnahmen als von der Unternehmensleitung geplante und kontrollierte Programme, welche den Umfang und/oder die Art der Geschäftstätigkeit wesentlich verändern. Als Beispiele nennt IAS 37.70 u. a. den Verkauf oder die Aufgabe von Geschäftszweigen, die Stilllegung oder Verlagerung von Standorten sowie grundsätzliche Umorganisationen (vgl. u. a. Heuser/Theile 2019, S. 731 ff.; v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 82 ff.). Nach IAS 37.71 gelten für die Bildung einer Restrukturierungsrückstellung die in IAS 37.14 genannten standardspezifischen Ansatzkriterien (s. Kap. III.3.7.2.1.a1). Als zusätzliches Ansatzkriterium muss ein detaillierter formaler Restrukturierungsplan (detailed formal plan for the restructuring) vorliegen, welcher bestimmten Mindestinhalten genügt (vgl. Schrimpf-Dörges 2020, § 12, Rn. 174; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 92 ff.). Da eine Restrukturierung nicht rechtlich begründet sein kann, ist das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung notwendig. Dies erfordert, dass der Beschluss einer Restrukturierung den Betroffenen kommuniziert sein muss, sodass diese eine gerechtfertigte Erwartung haben, dass die Restrukturierung auch tatsächlich durchgeführt wird (IAS 37.72). Hierdurch soll die
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Unentziehbarkeit der beschlossenen Maßnahme (IAS 37.17) objektiviert werden (vgl. Hachmeister 2006, S. 156 ff.; Schrimpf-Dörges 2020, § 12, Rn. 181). In eine Restrukturierungsrückstellung dürfen gem. IAS 37.80 nur die direkt in Zusammenhang mit der Restrukturierung stehenden Ausgaben einbezogen werden (z. B. Gehälter für Mitarbeiter, die mit der Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen betraut sind sowie Kosten für die vorzeitige Beendigung von Leasingverträgen). y Nicht berücksichtigungsfähig sind Aufwendungen in Zusammenhang mit den fortgeführten Unternehmensaktivitäten des fortgeführten Bereichs, wie z. B. Umschulung oder Versetzung weiterbeschäftigter Mitarbeiter oder Investitionen in neue IT-Systeme und Vertriebsnetze (IAS 37.81). y Für Abfindungen an Arbeitnehmer ist gem. IAS 37.5d vorrangig eine Rückstellung für Leistungen an Arbeitnehmer gem. IAS 19.132 ff. zu bilden; IAS 37 greift hier nur, wenn IAS 19 die Bilanzierung nicht eindeutig regelt (vgl. v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 83). y Wertminderungsaufwendungen auf Vermögenswerte, die den Verkauf eines Bereichs betreffen, sind gem. IAS 36 (s. Kap. II.5.3.8.2) zu erfassen (IAS 37.79). Nicht in den Anwendungsbereich von IAS 37 fallen Restrukturierungsrückstellungen, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses gebildet werden sollen. Voraussetzung für eine ergebnisneutrale Bildung im Rahmen der Kaufpreisallokation (s. Kap. IV.5.3.1.5) nach IFRS 3 ist, dass die Restrukturierungsrückstellungen bereits vor der Übernahme beim zu übernehmenden Unternehmen existierten. Diskussionsfrage III.3.-14 »Eine Einzelhandelskette hat beschlossen, innerhalb des folgenden Geschäftsjahres bis zu 25 % der Filialgeschäfte zu schließen und die Mitarbeiter abzufinden, da diese Geschäfte nach bisherigen Erkenntnissen unrentabel arbeiten. Dieser Plan wurde kurz vor dem Abschlussstichtag über eine Pressemitteilung veröffentlicht und zusätzlich den Mitarbeitern der Kette über ein Rundschreiben bekannt gegeben. Eine erst nach dem Abschlussstichtag kurzfristig durchzuführende genauere Analyse soll klären, welche Filialen im Einzelnen geschlossen werden sollen; die Filialen weisen erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Größe, Mitarbeiterzahl etc. auf« (ADS International 2002, Abschnitt 18, Rn. 196). Diskutieren Sie, ob eine Restrukturierungsrückstellung gem. IFRS zu bilden ist. Geschäftsbericht Restrukturierungsrückstellungen Im Geschäftsbericht des Jahres 2020 schreibt die BASF SE beispielsweise: »Die Aufwendungen für Restrukturierungs- und Integrationsmaßnahmen resultierten im Jahr 2020 aus Restrukturierungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Höhe von 651 Millionen € in verschiedenen Unternehmensbereichen sowie der Einheit Global Business Services und aus Standortschließungen in Europa, Nordamerika und Asien-Pazifik.« (BASF SE 2021, S. 252).
b3. Steuerrückstellungen Nach internationalen Normen sind die tatsächlichen Steuern (current tax) für die laufenden und früheren Perioden in dem Umfang, in dem sie noch nicht bezahlt sind, gesondert als Steuerschuld (liabilities for current tax) auszuweisen (IAS 12.12; IAS 1.54o). Der Definition einer Schuld gem. IASB F.4.26 folgend, bedarf es nicht der Steuerfestsetzung, um tatsächliche Steuern als Schuld auszuweisen. Demnach sind die tatsächlichen Steuern sowohl vor als auch nach der Steuerfestsetzung als Steuerschuld auszuweisen.
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3.7.2.2 Deutsche GoB und Steuerrecht a. Grundsätzliche Vorgehensweise und Systematisierung Nach deutschen GoB gilt grundsätzlich der Passivierungsgrundsatz (s. Kap. II.4.4.6.2). Da nur konkrete Passivierungsgebote bestehen (für alle anderen Posten besteht ein konkretes Passivierungsverbot), gilt, dass für die konkret passivierungspflichtigen Posten zu prüfen ist, ob die abstrakte Passivierungsfähigkeit gegeben ist. Dieses Vorgehen findet sich in § 249 HGB, der zentralen Regelung für die Bildung von Rückstellungen. Dieser Paragraf enthält in Abs. 1 und Abs. 2 eine abschließende Aufzählung verschiedener Tatbestände, die eine Pflicht zur Bildung von Rückstellungen vorsehen. Für alle anderen Fälle besteht ein Passivierungsverbot (Abs. 3 S. 1).48 Die rückstellungsbegründenden Tatbestände lassen eine Systematisierung in vier Rückstellungsarten zu (vgl. zu den folgenden Ausführungen Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 423 ff.): Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, Kulanzrückstellungen sowie Aufwandsrückstellungen. Es ergibt sich die in Abbildung III.3./13 dargestellte Systematisierung.
Rückstellungen nach § 249 HGB Außenverpflichtung
Innenverpflichtung (= Aufwandsrückstellungen)
rechtliche Verpflichtung
wirtschaftliche Verpflichtung
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (Abs. 1 Satz 1 Alternative 1) (PFLICHT)
Kulanzrückstellungen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) (PFLICHT)
Aufwendungen für unterlassene Instandhaltung oder Abraumbeseitigung (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) (PFLICHT)
Rückstellung für drohende Verluste (Abs. 1 Satz 1 Alternative 2) (PFLICHT)
Abb. III.3./13 Systematisierung der Rückstellungen gem. § 249 HGB
Die einzelnen Rückstellungsarten ergeben sich entweder aufgrund von Außenverpflichtungen oder von Innenverpflichtungen. y Bei einer Außenverpflichtung besteht eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten. Hier kann es sich um eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung (z. B. Verpflichtung aus einem Vertrag) oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (z. B. für die Entsorgung von Altlas-
48 Lediglich für Pensionsrückstellungen nach Art. 28 EGHGB besteht weiterhin ein Ansatzwahlrecht. Art. 28 EGHGB regelt Rückstellungen für Pensionsansprüche, welche vor dem 1.1.1987 erworben wurden.
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y
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ten) handeln. Eine Außenverpflichtung besteht gemeinhin auch bei einer faktischen Verpflichtung gegenüber einem Dritten, z. B. für Kulanzleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Dabei handelt es sich um solche Verpflichtungen, denen ein Kaufmann nachkommt, weil es ihm als wirtschaftlich vorteilhaft erscheint. Ein Anspruch, der vor Gericht mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, besteht jedoch nicht. Die Einbeziehung von faktischen Außenverpflichtungen als ein eine Rückstellung begründendes Merkmal entspricht demnach grundsätzlich der Systematik der IFRS (s. Kap. III.3.7.2.1.a1). Bei einer Innenverpflichtung hat der Bilanzierende eine Verpflichtung gegenüber sich selbst zu erfüllen. Diese der Periodisierung dienende Rückstellungsart wird entsprechend als Aufwandsrückstellung bezeichnet und darf nur in sehr eingeschränktem Umfang bilanziert werden (s. Kap. III.3.7.2.2.b4). Das Erfassen einer Aufwandsrückstellung steht im starken Kontrast zur Behandlung nach IFRS, die eine Rückstellungsbildung aufgrund einer Innenverpflichtung grundsätzlich ausschließen (s. Kap. III.3.7.2.1.a1).
b. Rückstellungsarten Im Folgenden werden die zuvor dargestellten Rückstellungsarten näher betrachtet. b1. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (synonym auch Verbindlichkeitsrückstellungen) sind zu bilden, wenn die drei Kriterien für eine abstrakte Passivierungsfähigkeit (s. Kap. II.4.4.6.2) gegeben sind. Diese sind: 1. Die Verpflichtung besteht gegenüber einem Dritten. 2. Die Verpflichtung führt zu einer wirtschaftlichen Belastung. 3. Die Verpflichtung ist quantifizierbar. Es muss eine hinreichend konkretisierte rechtliche oder faktische Verpflichtung gegenüber einem Dritten vorliegen. Die Verpflichtung muss unabwendbar sein, d. h., der Kaufmann kann sich der Verpflichtung nicht entziehen. Der BFH geht in Bezug auf die Konkretisierung der ungewissen Verbindlichkeit davon aus, dass mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen müssen (vgl. BFH 1984, S. 44, 46; BFH 2005, S. 485; Wüstemann/Rost 2021, Rz. 39). Dies könnte bedeuten, dass eine Rückstellung erst dann zu bilden ist, wenn die subjektive Wahrscheinlichkeit für eine Inanspruchnahme 50 % übersteigt.49 Während eine solche Interpretation weitestgehend dem Wahrscheinlichkeitskriterium nach IFRS entspricht (more likely than not, s. Kap. III.3.7.2.1.a1), ist sie jedoch nicht mit dem Vorsichtsprinzip deutscher Prägung (s. Kap. II.4.4.7.1) vereinbar. Vielmehr ist eine Rückstellung bereits dann anzusetzen, wenn sich diese hinreichend konkretisiert hat. Demnach müssen gute (stichhaltige) Gründe für eine Inanspruchnahme vorliegen (vgl. Eibelshäuser 1987, S. 862 f. sowie ferner Kayser 2002, S. 92 ff.; Euler/Engel-Ciric 2004, S. 142): »Nicht die Anzahl, sondern das Gewicht der Begründung ist ausschlaggebend für die Passivierungspflicht. Folglich sind Verbindlichkeitsrückstellungen auch dann zu bilden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme mathematisch deutlich unter 50 % liegt« (Hommel 2021, § 249 HGB, Rn. 46). Diese Vorgehensweise kann dazu führen, dass Rückstellungen nach deutschen GoB eher anzusetzen sind als nach IFRS.
49 Nach BFH-Rechtsprechung ist ungeachtet einer Außenverpflichtung ein Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB dann ausgeschlossen, wenn die Verpflichtung in ihrer wirtschaftlichen Belastungswirkung von einem eigenbetrieblichen Interesse vollständig »überlagert« wird (BFH 2020, S. 493).
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Bei dem hier angesprochenen Wahrscheinlichkeitsbegriff handelt es sich demnach weniger um eine subjektive Wahrscheinlichkeit, sondern eher um eine komparative Hypothesenwahrscheinlichkeit, welche davon ausgeht, dass eine Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit unmöglich ist und es auf die Würdigung und die Qualität der stichhaltigen Gründe ankommt. 50 Ein Indiz dafür, dass eine Verpflichtung entstanden ist (und demnach das Wahrscheinlichkeitskriterium erfüllt ist), könnte sein, dass ein gedachter Erwerber des Unternehmens als Ganzes die Verpflichtung in seinem Kaufpreiskalkül berücksichtigen würde (in enger Anlehnung an Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 33 m. w. N.). Mit der Verpflichtung muss eine wirtschaftliche Belastung verbunden sein. Dies ist dann der Fall, wenn es in Zukunft bei Erfüllung der Verpflichtung zu einer Minderung des Eigenkapitals kommen würde, welche durch die Rückstellungsbildung antizipiert wird. Verbindlichkeitsrückstellungen zeichnen sich dadurch aus, dass die zu erwartende Vermögensminderung entweder Erträgen vergangener Perioden zuzuordnen ist, oder dass es sich um künftige Vermögensminderungen handelt, denen kein Ertrag gegenübersteht. An einer wirtschaftlichen Belastung fehlt es hingegen, wenn die künftige Vermögensminderung aktivierungsfähig ist, also keine Minderung des Reinvermögens vorliegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn durch die Ausgabe ein neuer entsprechend werthaltiger Vermögensgegenstand entsteht oder zugeht (in enger Anlehnung an Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 430). Die Verpflichtung muss ihrer Höhe nach quantifizierbar sein. Zumindest muss es möglich sein, die Höhe der Verpflichtung innerhalb einer Bandbreite anzugeben. Beispiele für Verbindlichkeitsrückstellungen sind (vgl. ausführlich Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 100): y Gewährleistungsrückstellungen für Nachbesserung, Wandlung oder Minderung, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erbracht werden. y Pensionsrückstellungen für künftige Pensionszahlungen. y Steuerrückstellungen für die der laufenden Periode zurechenbaren, aber noch nicht determinierten Steueraufwendungen (s. Kap. III.3.7.2.1.b3). Die Beträge sind bis zum Erlass des Steuerbescheids in die Rückstellung einzustellen und nach Erlass des Bescheids in die sonstigen Verbindlichkeiten umzubuchen. y Rückstellungen für Umweltrisiken, sofern hierzu eine öffentlich-rechtliche Außenverpflichtung besteht (z. B. für im Tagebau ausgebeutete Flächen). b2. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften Im Rahmen der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (synonym auch Drohverlustrückstellungen) werden noch nicht realisierte künftige negative Ergebnisbeiträge antizipiert. Insofern besteht grundsätzlich Übereinstimmung mit der in IAS 37.66 kodifizierten Pflicht zur Bildung von Drohverlustrückstellungen (s. Kap. III.3.7.2.1.b1; i. d. S. auch Förschle/Kroner/Heddäus 1999, S. 42; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 51 ff.). Diese Art der Rückstellung lässt sich vor allem durch das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB; s. Kap. II.4.4.7.2) begründen. Wie auch bei den Verbindlichkeitsrückstellungen müssen die drei Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit gegeben sein (vgl. auch Böcking/Gros 2019, § 249 HGB, Rn. 59 ff.). Die Behandlung von schwebenden Geschäften
50 »Rechtsgründe sind nicht quantifizier-, sondern nur abwägbar« (Hoffmann 1993, S. 125). Zum Begriff der komparativen Hypothesenwahrscheinlichkeit vgl. z. B. Groß/Amen 2003, S. 72 ff.; Ruhnke/Schmidt 2003, S. 1047 m. w. N.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
ist auch Gegenstand von IDW RS HFA 4 (Zweifelsfragen zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustrückstellungen). Ein schwebendes Geschäft im bilanziellen Sinne liegt vor, wenn bei einem zweiseitig verpflichtenden Vertrag noch keiner der Vertragspartner die vereinbarte Lieferung oder Leistung vollständig erbracht hat (zum Begriff des schwebenden Geschäfts vgl. Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 52 ff.). Das schwebende Geschäft beginnt demnach mit dem Abschluss des Vertrags und endet mit dem Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung durch mindestens einen Vertragspartner. Schwebende Geschäfte werden grundsätzlich nicht bilanziell erfasst, da die Gegenleistung regelmäßig zumindest der Leistungsverpflichtung des Bilanzierenden entspricht. Liegen indes konkrete Anzeichen dafür vor, dass aus dem Geschäft ein Verlust droht, muss das Unternehmen den drohenden Verlust antizipieren und eine Rückstellung bilden. Dabei muss es nicht nur möglich sein, dass der Eintritt eines Verlustes droht. Vielmehr muss dieser aufgrund konkreter Tatsachen vorhersehbar sein, d. h., es muss ernsthaft mit einem Verpflichtungsüberschuss (Wert der Leistungsverpflichtung des Bilanzierenden > Wert des Gegenleistungsanspruchs) zu rechnen sein (IDW RS HFA 4.15). Die Fragen, welche Verluste aus schwebenden Geschäften überhaupt zu berücksichtigen sind und ob ein zu antizipierender Verlust droht, sind eng miteinander verbunden, (Bestimmung des Saldierungsbereichs; vgl. stellvertr. Hommel 2021, § 249 HGB, Rn. 128 ff. m. w. N.). Rückstellungsansatz und -bewertung laufen hier parallel. Unstrittig ist, dass die wechselseitig vereinbarten Hauptleistungen (schuldrechtliches Synallagma) in den Saldierungsbereich einzubeziehen sind. Hier haben die Vertragspartner einen auf die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung einklagbaren Rechtsanspruch. Die Einbeziehung von künftigen Aufwendungen und Erträgen in den Saldierungsbereich ist nicht auf die Hauptleistungen beschränkt. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (wirtschaftliches Synallagma) sind auch mittelbar aus dem Vertrag resultierende Vorteile zu berücksichtigen. Diskussionsfrage III.3.-15 Ein Apotheker hat im Obergeschoss seines gewerblich genutzten Gebäudes eine Arztpraxis gemietet und an einen praktizierenden Arzt untervermietet. Der Mietaufwand überschreitet den Mietertrag deutlich. Der unstreitig vorhandene Vorteil des Apothekers aus dem Betrieb der Arztpraxis liegt darin begründet, dass die Patienten die ausgestellten Rezepte sofort in der im selben Haus befindlichen Apotheke einlösen. Ist dieser Vorteil bei der Bildung einer handelsrechtlichen Drohverlustrückstellung zu berücksichtigen? Gehen Sie auch darauf ein, welche hermeneutisch bedeutsamen Kriterien (s. Kap. II.4.3.3; II.6.2.1) bei der Lösung des Problems »Bestimmung des Saldierungsbereichs« zu berücksichtigen sind.
Aus Sicht des Bilanzierenden lassen sich analog zu den Regelungen nach IFRS (s. Kap. III.3.7.2.1.b1) zwei Arten von schwebenden Geschäften unterscheiden: y Bei einem schwebenden Beschaffungsgeschäft ist der Bilanzierende Empfänger einer Sache oder Dienstleistung. y Bei einem schwebenden Absatzgeschäft ist der Bilanzierende zu einer Sach- oder Dienstleistung verpflichtet. Das nachstehende Beispiel verdeutlicht, dass die Drohverlustrückstellung bei schwebenden Beschaffungsgeschäften grundsätzlich eine vorweggenommene außerplanmäßige Abschreibung darstellt (IDW RS HFA 4.30).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Beispiel Schwebendes Beschaffungsgeschäft Die Industrie AG kauft am 20.11.t1 eine Maschine zu Anschaffungskosten von 900 T€ zuzüglich 19 % USt. Lieferung und Kaufpreiszahlung sollen vereinbarungsgemäß im Januar t2 erfolgen. Der Wert der Maschine sinkt am 31.12.t1 (Bilanzstichtag) auf 700 T€. Am Bilanzstichtag ist eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alternative 2 HGB zu bilden. Ein schwebendes Geschäft liegt vor, da noch keiner der beiden Vertragsparteien seiner Pflicht nachgekommen ist. Zu buchen ist wie folgt: sonstiger betriebl. Aufwand
200 T€
an
Drohverlustrückstellung
200 T€
Bei Lieferung und zeitgleicher Zahlung per Banküberweisung am 16.1.t2 ist wie folgt zu buchen: Drohverlustrückstellung Maschine Vorsteuer
200 T€ 700 T€ 171 T€
an
Bank
1.071 T€
Drohverlustrückstellungen kommen auch für schwebende Absatzgeschäfte in Betracht. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Absatzgeschäft abgeschlossen wurde und der vereinbarte Kaufpreis aus unvorhersehbaren Gründen den Wert der zu erbringenden Leistung unterschreitet. Mögliche Gründe sind unerwartete Faktorpreissteigerungen (z. B. bei Rohstoffen) oder ein absehbarer unerwartet hoher Faktorverbrauch für die Produktion des Produktes (z. B. hoher Ausschuss). Der drohende Verlust aus dem schwebenden Absatzgeschäft berechnet sich wie folgt (IDW RS HFA 4.33): Wert der vereinbarten Gegenleistung (zumeist in Geld) –
bereits aktivierte Anschaffungs- oder Herstellungskosten
–
voraussichtlich noch anfallende Aufwendungen
=
zu antizipierender drohender Verlust (falls negativ)
Abb. III.3./14 Berechnung des drohenden Verlusts aus einem schwebenden Absatzgeschäft
Dabei sind nach IDW RS HFA 4.35 die voraussichtlich noch anfallenden Aufwendungen stets zu Vollkosten anzusetzen, da die Einbeziehung von Teilkosten allein nicht ausreicht, um die Kapitalerhaltung (s. Kap. II.4.4.7) des Unternehmens zu gewährleisten. Sind im Rahmen eines schwebenden Absatzgeschäftes schon Vermögensgegenstände erworben, aber noch nicht geliefert worden, ist die Erfassung des drohenden Verlusts durch die Bildung einer Drohverlustrückstellung oder durch eine außerplanmäßige Abschreibung auf den Vermögensgegenstand möglich. Hier gilt analog zu IAS 37.69 (s. Kap. III.3.7.2.1.b1), dass außerplanmäßiger Abschreibungen grundsätzlich Vorrang vor der Bildung der Drohverlustrückstellung haben (IDW RS HFA 4.20 ff.). Begründen lässt sich dieser Vorrang damit, dass der Abschlussadressat bei einer fehlenden außerplanmäßigen Abschreibung unzutreffend über den Wert der ausgewiesenen Aktivposten informiert würde (so z. B. Baetge/Kirsch/ Thiele 2021a, S. 461). Die Vorgehensweise lässt sich wie folgt systematisieren: y Steht ein schwebendes Absatzgeschäft (z. B. Kaufvertrag) in unmittelbarem Zusammenhang mit einem am Bilanzstichtag aktivierten Vermögensgegenstand, handelt es sich regelmäßig um Umlaufvermögen. Hier ist zunächst außerplanmäßig abzuschreiben
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y
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(§ 253 Abs. 4 HGB). Nur für einen darüber hinausgehenden Verlustanteil ist eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Vermögensgegenstände, die nur mittelbar Gegenstand eines schwebenden Absatzgeschäftes sind (z. B. Miet-, Leasing- und Pachtverträge), sind aufgrund ihrer Zweckbestimmung typischerweise dem Anlagevermögen zuzuordnen. Eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgt nur bei einer dauerhaften Wertminderung (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB). Wird außerplanmäßig abgeschrieben, ist wiederum nur für einen darüber hinausgehenden Verlustanteil eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Wird indes nicht außerplanmäßig abgeschrieben, ist der drohende Verlust in voller Höhe passivisch zu berücksichtigen.
b3. Kulanzrückstellungen Bei den Kulanzrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB handelt es sich nicht um Rückstellungen, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung erbracht werden. Diese Rückstellungen werden bereits durch § 249 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 HGB erfasst. Vielmehr handelt es sich um Rückstellungen aufgrund einer faktischen Verpflichtung. Kulanzleistungen umfassen Ausgleichsleistungen für schadhafte Produkte außerhalb der Gewährleistungspflicht oder für Produkte, die objektiv fehlerfrei, nach dem subjektiven Empfinden des Kunden jedoch mangelhaft sind. Diese Ausgleichsleistungen werden von Unternehmen gewährt, weil sie sich davon einen Wettbewerbsvorteil oder die Vermeidung eines Wettbewerbsnachteils erhoffen. Üblich sind Kulanzleistungen beispielsweise im Einzelhandel (vgl. hierzu auch Simons/Grathwohl 2010, Abschn. 21, Rn. 78; Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 112 ff.). Auch bei einer Kulanzrückstellung müssen die drei Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit gegeben sein. b4. Aufwandsrückstellungen Aufwandsrückstellungen haben keinen Verbindlichkeits-, sondern ausschließlich Aufwandscharakter. Es besteht keine Verpflichtung des Unternehmens gegenüber einem Dritten, sondern gegenüber sich selbst (Innenverpflichtung). Diese Rückstellungen werden gebildet, um bestimmte Aufwendungen der richtigen Verursachungsperiode zuzuordnen. Insofern steht das Periodisierungserfordernis (s. Kap. II.4.4.3.4; II.4.4.5.3) im Vordergrund. Das Erfassen einer Aufwandrückstellung steht demnach im Kontrast zur Behandlung nach IFRS. Nach IAS 37.20 ist eine Passivierung einer auf Innenverpflichtungen basierenden Aufwandsrückstellung aufgrund der fehlenden Außenverpflichtung regelmäßig unzulässig. Die Bildung von Aufwandsrückstellungen ist gesetzlich stark eingeschränkt. Für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen besteht eine Pflicht zur Passivierung, wenn die Instandhaltung binnen drei Monaten im neuen Geschäftsjahr nachgeholt wird (§ 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alternative 1 HGB). Unter einer Instandhaltung sind wiederkehrende Instandsetzungsmaßnahmen, Wartungen und Inspektionen von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens zu verstehen. Als Gründe für eine unterlassene Instandhaltung kommen z. B. die Aufrechterhaltung der Produktion aufgrund eingegangener Lieferverpflichtungen oder fehlender Arbeitskräfte zur Durchführung der Instandhaltung oder widriger äußerer Einflüsse (z. B. Wetter) in Betracht. Eine Pflicht zur Passivierung gilt auch für eine unterlassene Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird (§ 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alternative 2 HGB). Beispiel Aufwandsrückstellung Die Produktions AG muss im Dezember t1 eine dringend notwendige Instandhaltung an einer Maschine durchführen. Am 13.12.t1 geht ein Auftrag ein, der bis zum 30.12.t1 ausgeführt wer-
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den muss. Für die Auftragsabwicklung wird die zuvor genannte Maschine eingesetzt. Aus diesem Grunde werden die Instandhaltungsmaßnahmen, welche die Stilllegung der Maschine für eine Woche erfordern, erst im Januar t2 durchgeführt. Die Instandhaltung erfolgt durch eigenes Personal. Die entsprechenden Aufwendungen werden auf 29 T€ geschätzt. In diesem Fall ergäbe sich in Bezug auf t1 eine unzutreffende Periodisierung. Bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens stünden den Umsatzerlösen für t1 zu niedrige umsatzbezogene Herstellungskosten (s. Kap. II.5.3.7.2) gegenüber. Hier erfordert es der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach, den nachzuholenden Instandhaltungsaufwand der Periode t1 zuzurechnen. sonstiger betrieblicher Aufwand
29 T€
an
Aufwandsrückstellung
29 T€
Auch bei den Aufwandsrückstellungen müssen eine wirtschaftliche Belastung und Quantifizierbarkeit gegeben sein. Neben diesen beiden Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit (s. Kap. II.4.4.6.2) muss als drittes Kriterium auch eine Außenverpflichtung vorliegen. Diese ist bei einer Aufwandsrückstellung definitionsgemäß aber nicht gegeben. Allerdings gibt der Gesetzgeber in den in § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB genannten Fällen gleichwohl auch bei einer Innenverpflichtung den Ansatz einer Rückstellung vor (grundsatzwidrige Ausnahme, d. h., es wird gegen den GoB, dass es einer Außenverpflichtung bedarf, verstoßen). Um dem Erfordernis einer willkürfreien Abschlusserstellung (s. Kap. II.4.4.3.1) Rechnung zu tragen, setzen die im Gesetz genannten Fälle strenge Objektivierungserfordernisse voraus: y Zum einen wird bei den pflichtweise zu bildenden Rückstellungen für Instandhaltung gefordert, dass diese binnen drei Monaten nachzuholen sind (zeitliches Objektivierungserfordernis). y Zum anderen wird die Passivierungspflicht auf bestimmte Sachverhalte (unterlassene Instandhaltung, Abraumbeseitigung) begrenzt (sachliches Objektivierungserfordernis). Für andere Sachverhalte, die den zuvor genannten Objektivierungserfordernissen nicht genügen, dürfen keine Rückstellungen gebildet werden. Diskussionsfrage III.3.-16 Wie ist bei einer faktischen Verpflichtung zur Wartung von Flugzeugen bei Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses vorzugehen? Gehen Sie davon aus, dass das Unternehmen die Wartungsarbeiten selbst durchführt. Wie ist der Geschäftsvorfall für einen nach HGB zu erstellenden Jahresabschluss zu bewerten? Beeinflusst der Zeitpunkt, zu dem die Wartung durchgeführt werden soll, die Rückstellungsbildung?
b5. Restrukturierungsrückstellungen Im Gegensatz zu den internationalen Normen (s. Kap. III.3.7.2.1.b2) ist die Behandlung von Restrukturierungsmaßnahmen nach deutschen Normen nicht explizit geregelt. Daher ist für jede einzelne Maßnahme der Restrukturierung zu prüfen, ob der Ansatz einer Rückstellung gem. § 249 HGB in Betracht kommt. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies: y Für Sozialpläne ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 HGB zu bilden; bei geplanten Betriebsänderungen gem. §§ 111, 112, 112a BetrVerfG ist eine Rückstellung zu bilden, wenn der Unternehmer den Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung unterrichtet hat. Ebenso ist eine Rückstellung zu bilden, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt und vor dem Bilanzstichtag ein entsprechender Beschluss gefasst wurde oder wirtschaftlich unabwendbar war (§ 111 S. 1 BetrVerfG; EStR 5.7 Abs. 9). Nicht ausreichend für eine Rückstellungsbildung
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y
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ist jedoch eine lediglich wahrscheinliche Betriebsänderung (vgl. Schubert 2020, § 249 HGB, Rn. 100). Für die Gehälter der Mitarbeiter, die mit der Restrukturierung beschäftigt sind, können nach den Regelungen des § 249 HGB keine Rückstellungen gebildet werden.
c. Ausweis Beim Ausweis der Rückstellungen in der Bilanz müssen mittelgroße und große Kapitalgesellschaften sowie haftungsbeschränkte Personengesellschaften § 266 Abs. 3 B. HGB beachten. Demnach ist die Bilanzposition »Rückstellungen« wie folgt zu gliedern: 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen; hier handelt es sich um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten; 2. Steuerrückstellungen; 3. Sonstige Rückstellungen; hierzu zählen alle anderen (d. h. nicht unter 1. und 2. aufgeführten) in Abbildung III.3./13 genannten Rückstellungsarten. Diese Untergliederung ist indes für kleine Kapitalgesellschaften nicht obligatorisch (§ 266 Abs. 1 S. 3 HGB; s. Kap. II.5.3.3.2). d. Grundsätzliche Behandlungsweise in der Steuerbilanz In der Steuerbilanz richtet sich der Ansatz der Rückstellungen grundsätzlich nach den handelsrechtlichen GoB (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG; zum Maßgeblichkeitsprinzip s. Kap. I.2.2.2; vgl. ausführlich Falterbaum et al. 2020, S. 1053 ff.). Es gelten die in Kap. II.4.4.6.2 beschriebenen allgemeinen Regeln. Von diesen Regeln gibt es nur wenige Ausnahmen (§ 5 Abs. 4, 4a, 4b sowie § 6a EStG). Eine bedeutsame Ausnahme betrifft die Drohverlustrückstellungen. Diese sind handelsrechtlich nach § 249 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 HGB passivierungspflichtig, wogegen steuerrechtlich ein Passivierungsverbot besteht (§ 5 Abs. 4a EStG).
3.7.3 Bewertung 3.7.3.1 Internationale Normen International regeln IAS 37.36-52 die Bewertung von Rückstellungen. Nach IAS 37.36 ist eine Rückstellung mit dem Betrag anzusetzen, der nach einer bestmöglichen Schätzung (best estimate) erforderlich ist, um die gegenwärtige Verpflichtung am Bilanzstichtag zu erfüllen (vgl. hierzu Heuser/Theile 2019, S. 734 ff.). Die bestmögliche Schätzung ist gem. IAS 37.37 der Erfüllungs- oder der Ablösungsbetrag. Ersterer ist definiert als der Betrag, den das Unternehmen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Erfüllung der Verpflichtung zum Bilanzstichtag zu zahlen hätte. Letzterer ist der Betrag, den das Unternehmen bei Übertragung der Verpflichtung auf einen Dritten zum Bewertungszeitpunkt zahlen müsste (ausführlich Hommel 2007, S. 322 ff. m. w. N.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021 § 21, Rn. 132 f.). Daraus lässt sich ableiten, dass die Bewertung auf Basis der der jeweiligen Verpflichtung zurechenbaren Vollkosten zu erfolgen hat (vgl. Schrimpf-Dörges 2020 § 12, Rn. 61). Rückstellungspflichtig sind die durch die Verpflichtung zusätzlich entstehenden Einzel- und Gemeinkosten. Allgemeine Verwaltungs- und Vertriebskosten sind nicht mit einzubeziehen.51
51 Bei Drohverlustrückstellungen sind alle direkt mit dem Vertrag verbundenen Kosten und nicht nur die zusätzlich entstandenen (inkrementellen) Kosten zu berücksichtigen (vgl. Schrimpf-Dörges 2020 § 12, Rn. 118).
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Die Ermittlung der bestmöglichen Schätzung liegt in der Verantwortung des Managements. Diese darf allerdings nicht zur Legung von stillen Reserven führen (IAS 37.43). In die Erwägungen einzubeziehen sind v.a. auch Erfahrungswerte, die mit ähnlichen Verpflichtungen in der Vergangenheit gemacht wurden. Ggf. kann oder muss zudem auf die Expertise eines Sachverständigen zurückgegriffen werden. Insbesondere für die Bewertung von Rückstellungen in Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten oder Umweltschutzvorschriften, aber auch für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen ist oftmals der Rückgriff auf einen Sachverständigen angezeigt. Die Konkretisierung der bestmöglichen Schätzung hängt zudem davon ab, ob die Rückstellung für eine größere Anzahl von Positionen oder für einen einzelnen Sachverhalt zu bilden ist.: y Liegt eine größere Anzahl gleichartiger Position vor ist gem. IAS 37.39 der statistische Erwartungswert (expected value) anzusetzen. Zur Ermittlung des Erwartungswerts werden die erwarteten Verpflichtungsbeträge jeweils mit der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts gewichtet (s. Kap. III.3.7.3.3). Verkauft z. B. ein Unternehmen Produkte, die einer Gewährleistungspflicht unterliegen und 90 % der Produkte sind fehlerfrei, während 8 % einen leichten Fehler (200 T€ Gewährleistungskosten, wenn alle Produnkte den Fehler hätten) und 2 % einen schweren Fehler (900 T€ Gewährungsleistungskosten, wenn alle Produkte den Fehler hätten) haben, ergibt sich ein Erwartungswert von 34 T€ ((90 % × 0 T€) + (8 % × 200 T€) + (2 % × 900 T€)). Liegt eine stetig verteilte Bandbreite gleichwahrscheinlicher Werte vor, ist die Rückstellung grundsätzlich mit dem Mittelpunkt (arithmetisches Mittel von unterem und oberem Bandbreitenwert) der Bandbreite (mid-point of the range) anzusetzen, welcher auch dem statistischen Erwartungswert einer stetig gleichverteilten Verteilung entspricht.52 y Wird nur ein einzelner Sachverhalt bewertet, ist IAS 37.40 heranzuziehen. Liegen unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten vor, bildet grundsätzlich der wahrscheinlichste Betrag die bestmögliche Schätzung (s. Kap. III.3.7.3.3). Ein solches Vorgehen kann indes zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Dies ist dann der Fall, wenn andere mögliche Ergebnisse größtenteils über oder unter dem wahrscheinlichsten Ergebnis liegen. In diesem Fall muss der bilanziell zu erfassende Wert ggf. angepasst werden. Bei Durchführung der bestmöglichen Schätzung verbleibt ein hohes abschlusspolitisches Gestaltungspotenzial (so auch v. Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 102). Gestaltungsspielräume eröffnen sich vor allem bei der Festlegung der Szenarien für mögliche Verpflichtungen sowie bei der Zuweisung von subjektiven Wahrscheinlichkeiten zu diesen Szenarien. Nach dem Bilanzstichtag sind berücksichtigungspflichtige Ereignisse, die weiteren Aufschluss über die Bewertung am Bilanzstichtag geben, zu beachten (IAS 37.38; s. Kap. II.5.3.9). Darüber hinaus sind auch künftige Ereignisse bei der Bewertung zu berücksichtigen, sofern es ausreichende objektive und substanzielle Hinweise für deren Eintritt gibt (IAS 37.48). Sprechen solche Hinweise z. B. dafür, dass eine neue verbesserte Technologie zum Zeitpunkt der Beseitigung eines rückstellungspflichtigen Umweltschadens verfügbar ist, dann sind die nunmehr geringeren Auszahlungen auch der Rückstellungsbildung zugrunde zu legen (IAS 37.49). Die Abzinsung von Rückstellungen ist zwingend, sofern der Effekt der Abzinsung wesentlich ist (IAS 37.45). Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit sind die Fristigkeit,
52 Das Gleiche gilt für eine diskrete Verteilung mit äquidistanten Ausprägungen.
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die absolute Höhe der Verpflichtung und der Zinssatz. Rückstellungen sind demnach nicht nur dann zu diskontieren, wenn diese Zinsanteile enthalten. Begründet wird dies damit, dass eine Rückstellung dann weniger belastend ist, wenn die ihr zugrundeliegende Verpflichtung nicht unmittelbar nach dem Bilanzstichtag zu einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führen wird (IAS 37.46). Zur Abzinsung ist ein Zinssatz vor Steuern zu verwenden, der dem Risiko der spezifischen Verpflichtung entspricht (risikoadäquater Zinssatz). Geeignet erscheint weiterhin ein fristadäquater Zinssatz für die Restlaufzeit. Wurden die Risiken bereits bei der Schätzung der künftig zu leistenden Zahlungen berücksichtigt, dann dürfen sich diese Risiken nicht noch einmal auf die Zinssatzbestimmung auswirken (IAS 37.47). In diesem Fall kommt ein risikoloser Zinssatz für die Restlaufzeit der Verpflichtung in Betracht (zur Zinssatzbestimmung vgl. Schrimpf-Dörges 2020, § 12, Rn. 75 ff.).53 Die Abzinsung führt in der Periode der Rückstellungsbildung zu einem niedrigeren Passivposten. Im Zeitablauf erhöht der Zinseffekt den Wertansatz (Aufzinsung). Die Beträge, um welche die Rückstellung im Zeitablauf aufgezinst wird, sind nicht bei der ursprünglichen Aufwandsposition, sondern als Fremdkapitalkosten (d. h. als Zinsaufwand; zu einem Zahlenbeispiel s. Kap. III.3.1.3.1) zu erfassen (IAS 37.60). Nach IAS 37.53 sind Rückgriffsansprüche (reimbursements), die so gut wie sicher (virtually certain) sind, getrennt zu aktivieren. Eine Saldierung der beiden Positionen ist nicht vorgesehen. Der Erstattungsanspruch darf den Rückstellungsbetrag jedoch nicht übersteigen. Dabei ist die für eine Aktivierung von Rückgriffsansprüchen (z. B. in Zusammenhang mit einer Schadenersatzklage wegen Produkthaftung) notwendige Wahrscheinlichkeitsschwelle (virtually certain) höher als die vergleichbare Schwelle für die Passivierung der dazugehörigen Rückstellung (the event is more likely than not; IAS 37.23). Hier werden Vermögenswerte und Schulden imparitätisch behandelt (vgl. Wagenhofer 2009, S. 276). Sofern der Rückgriffsanspruch nicht so gut wie sicher, aber dennoch wahrscheinlich ist, kommt für diesen Anspruch nur eine Angabe im Anhang (notes) als Eventualforderung (contingent asset) in Betracht (IAS 37.31 ff.). Sind Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtungen mit einer Sachanlage verbunden, sind nach IAS 16.16c und 16.18 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um den Betrag der Rückstellung zu erhöhen (s. Kap. III.3.1.3.1). Gleichzeitig ist eine Rückstellung zu bilden. Damit erfolgt die Dotierung dieser Rückstellung ergebnisneutral. Die Rückstellung ist im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des Vermögenswerts mit dem diskontierten zukünftigen Betrag, der zur Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtung notwendig ist, zu bewerten. In den Folgeperioden ist zum einen die Rückstellung aufzuzinsen, zum anderen der Vermögenswert abzuschreiben. Es entstehen also ein Zinsaufwand im Rahmen der Rückstellungszuschreibung sowie ein Abschreibungsaufwand im Rahmen der planmäßigen Wertminderung des Vermögenswertes. Über alle Perioden summiert entspricht auch hier der in der GuV erfasste Aufwand dem Betrag, der zur Begleichung der Rekultivierungs- oder Beseitigungsverpflichtung notwendig ist, sodass die Erfüllung der Verpflichtung ergebnisneutral erfolgen kann. Grundsätzlich ist nach IFRS danach zu unterscheiden, ob die Verpflichtung zum Zeitpunkt der Bildung der Rückstellung bereits voll entstanden ist oder nicht. Entsteht die Ver-
53 Weitere Hinweise zur Zinssatzbestimmung finden sich in Section 21 des Financial Reporting Standard 102 (United Kingdom), der ggf. über IAS 8.12 (s. Kap. II.6.1.1) für deutsche IFRS-Bilanzierende Bedeutung erlangen kann. Vgl. ausführlich Ernst & Young 2021, S. 1950 ff.
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pflichtung erst im Zeitablauf und ist daher ein Teil des Aufwands späteren Perioden zuzurechnen, so muss die Rückstellung ratierlich über den Zeitraum der Entstehung aufgebaut werden. Gleichzeitig muss jedoch auch das Diskontierungsgebot berücksichtigt werden (IAS 37.45). Das bedeutet, dass die periodische Erhöhung der Rückstellung zum einen aus der Periodisierung des Aufwands besteht und sich zum anderen aus einem Zinsanteil, welcher sich aus der Aufzinsung der zum Ende der Vorperiode bestehenden Rückstellung ergibt. Entsteht die Verpflichtung jedoch vollständig im Zeitpunkt der erstmaligen Bildung der Rückstellung, so ist grundsätzlich die Verpflichtung vollständig zu bilanzieren. Die Rückstellung kann wie oben beschrieben ergebnisneutral gebildet werden. 3.7.3.2 Deutsche GoB Die gesetzlich kodifizierten deutschen GoB geben für die Bewertung von Rückstellungen keine spezifischen Regeln vor. Nach § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen, der dem Bilanzierenden einen erheblichen Ermessensspielraum eröffnet.
Diskussionsfrage III.3.-17 Das Erfordernis der Bewertung von Rückstellungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung stellt einen interpretationsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Welche Bindungskraft besitzen in diesem Zusammenhang die vom IDW verlautbarten Stellungnahmen IDW RS HFA 4 und IDW RS HFA 34?
Bei der Bestimmung eines konkreten Wertes ist vor allem der Grundsatz der Vorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB; s. Kap. II.4.4.7.1) zu beachten. Dies bedeutet, dass der geschätzte Belastungsbetrag innerhalb einer plausiblen Bandbreite möglicher Inanspruchnahmen aus der Verpflichtung liegen muss. »Im Rahmen dieser Bandbreite ist sodann unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips der konkret anzusetzende Wert zu bestimmen« (IDW RS HFA 34.16). Es gilt das aus dem Imparitätsprinzip (s. Kap. II.4.4.7.2) für Schulden ableitbare Höchstwertprinzip (vgl. ausführlich Thiele et al. 2021, § 253 HGB, Rn. 78 m. w. N.). Allerdings darf das Vorsichtsprinzip nicht einseitig hervorgehoben oder überbetont werden. Vielmehr soll der gewählte Wert vernünftig sein, d. h., er muss von einem sachverständigen Dritten nachvollzogen werden können (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 253 HGB, Rn. 18). Bei Vorliegen einer Bandbreite möglicher Schätzwerte gebietet es das Vorsichtsprinzip, im Zweifel eher den pessimistischeren als den wahrscheinlichsten Wert zu wählen. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass stets von der verlustbringendsten Annahme (worst case) auszugehen ist. Als Daumenregel erscheint es vertretbar, einen Wert zu passivieren, der nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 20 % überschritten wird (vgl. Baetge/Ziesemer/ Schmidt 2021, § 252 HGB Rn. 144). Demnach ist zu erwarten, dass angesetzte Rückstellungen nach deutschen GoB regelmäßig mit einem höheren Betrag zu bewerten sind als nach IFRS (s. Kap. III.3.7.3.1). Bei der Bestimmung kann sich der Bilanzierende an Erfahrungswerten der Vergangenheit orientieren. Betrug z. B. der Gewährleistungsaufwand, zu dem das Unternehmen rechtlich verpflichtet ist, in der Vergangenheit zwischen 2,5 und 3 % des Umsatzes und waren die Wahrscheinlichkeiten innerhalb dieses Intervalls annähernd gleichverteilt, so erscheint es unter Verweis auf das Vorsichtsprinzip angemessen, eine Rückstellung in Höhe von 3 % des aktuellen Jahresumsatzes zu bilden.
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Die Wahl des Begriffs »Erfüllungsbetrag« verdeutlicht, dass die Bewertung auch künftige Preis- und Kostenänderungen zu berücksichtigen hat (siehe auch IDW RS HFA 34.25 ff.). Betroffen hiervon sind z. B. längerfristige Sozialplan- oder Rekultivierungsrückstellungen (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 253 HGB, Rn. 16 ff.). Die Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz erfolgt aufgrund der Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz (s. Kap. I.2.2.2) in ähnlicher Weise (vgl. Falterbaum et al. 2020, S. 1053 ff.). Bei der Bildung von Rückstellungen sind sämtliche Ausgaben zu berücksichtigen, die belastend wirken. Dem Sinn und Zweck der Rückstellungsbildung entspricht es, z. B. die Rückstellungen für drohende Verluste aus einem Absatzgeschäft nicht nur zu Teilkosten, sondern stets zu Vollkosten anzusetzen.54 Demnach wird der Verlust dem Jahr zugerechnet, in dem der Vertrag abgeschlossen wird bzw. ein Verlust droht. Würden nur die dem Auftrag direkt zurechenbaren Einzelkosten (Teilkostenansatz) berücksichtigt, dann würden die Gemeinkosten erst in der Periode aufwandswirksam, in der die entsprechende Kapazität bereitgestellt wird. Der Vollkostenansatz entspricht auch dem Imparitätsprinzip, nach dem die im Rahmen der Bearbeitung des Auftrags in den Folgeperioden noch anfallenden Gemeinkosten in dem Geschäftsjahr als Aufwand zu erfassen sind, in dem der Verlust aus dem Geschäft bilanziert wird. Diese Vorgehensweise entspricht den Vorschriften zu den Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB. Wie bei anderen Bilanzierungsfragen sind auch bei der Bewertung wertaufhellende Ereignisse zu berücksichtigen (s. Kap. II.4.4.3.4). Eine Abzinsung der Rückstellung ist gem. § 253 Abs. 2 HGB zwingend, wenn die Restlaufzeit bis zur Begleichung der Rückstellung mehr als 1 Jahr beträgt (vgl. Kropp/Wirtz 2011, S. 541 ff.; Schubert 2020, § 253 HGB, Rn. 180 ff.). Unter Berücksichtigung der Restlaufzeit einer Rückstellung ist der durchschnittliche fristenkongruente Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre relevant. Demnach ist zu jedem Abschlussstichtag der Diskontierungszinssatz aufgrund der sich verändernden Restlaufzeit zu überprüfen. Die anzuwendenden Zinssätze werden von der Deutschen Bundesbank ermittelt und monatlich bekannt gegeben. Bei einer Verpflichtung, die in einer Fremdwährung vorliegt, kann es zudem sachgerecht sein, einen währungskongruenten Marktzinssatz zur Bestimmung des Diskontierungszinssatzes heranzuziehen (IDW RS HFA 34.46). Es besteht allerdings keine Pflicht für diese Anpassung. Bei einer Passivierung des Barwertes des Aufwandsüberschusses werden künftige negative Ergebnisbeiträge nicht vollständig antizipiert. Vielmehr kommt es in den folgenden Perioden zu zusätzlichen Zinsaufwendungen in Höhe der Veränderung des Barwertes der Rückstellung. Diese sind in der GuV gesondert unter dem Posten »Zinsen und ähnliche Aufwendungen« zu erfassen (§ 277 Abs. 5 S. 1 HGB). Die Abzinsung ist zweckmäßig, da der Barwert einer (unter Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostenentwicklungen ermittelten) Verpflichtung informativer ist als der Nominalwert (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 253 HGB, Rn. 58 ff.). Rückstellungen (mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen) sind in der Steuerbilanz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 1 EStG zwingend mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (zu Anwendungsfragen des Abzinsungsgebotes siehe BMF 2005).
54 I. d. S. IDW HFA 4.35; Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 460 f.; zu einer Gegenüberstellung der divergierenden Literaturmeinungen vgl. Schubert 2020, § 253 HGB, Rn. 169 ff.; s. Kap. II.5.3.7.2.
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Rückstellungen sind grundsätzlich einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), d. h., jede Verpflichtung ist einzeln zu erfassen und zu bewerten. Liegen indes gleichartige Sachverhalte in einer hohen Zahl vor, sind regelmäßig Sammelrückstellungen (z. B. Gewährleistungsrückstellungen) zu bilden (vgl. hierzu Schubert 2020, § 253 HGB, Rn. 162 f.; Baetge/ Kirsch/Thiele 2021a, S. 442). Schätzgrundlage sind hier individuelle oder branchenbezogene Erfahrungswerte der Vergangenheit (z. B. der Anteil der Aufwendungen für Garantieleistungen am Umsatz). In diesem Fall erlauben gerade diese Erfahrungswerte eine nachprüfbare Schätzung. Sammelrückstellungen sind als begründeter Ausnahmefall gem. § 252 Abs. 2 HGB anerkannt. Zudem wurde die Zulässigkeit von Sammelrückstellungen auch vom EuGH (s. Kap. I.5.2.2.1) bestätigt (vgl. EuGH 1999, S. 2035). In Zusammenhang mit dem Grundsatz der Einzelbewertung stellt sich auch die Frage nach der Behandlung von Rückgriffsansprüchen. Hierbei handelt es sich um bedingte Forderungen, d. h., diese Forderungen entstehen nur dann, wenn das Unternehmen in Bezug auf eine Verpflichtung (für die eine Rückstellung zu bilden ist) tatsächlich in Anspruch genommen wird. Zunächst legt § 246 Abs. 2 HGB nahe, dass solche Forderungen und Verbindlichkeiten nicht zu saldieren sind. Da die negativen und positiven Ergebnisbeiträge mit dem Eintritt des gleichen belastenden Ereignisses verbunden sind, liegt eine Bewertungseinheit vor. Als zulässig kann eine Saldierung nur dann angesehen werden, wenn die Ansprüche nahezu sicher sind. Dies ist dann der Fall, wenn (1) ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Verpflichtung und Rückgriffsanspruch besteht, (2) der Rückgriffsanspruch rechtlich an die Entstehung bzw. Erfüllung der Verpflichtung gekoppelt ist und (3) die Bonität des Rückgriffsschuldner unstreitig ist (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 434 f.). Beispiel Saldierung von Rückgriffsansprüchen? Bei einer Rückstellung in Höhe von 300 T€ und einem sicheren Rückgriffsrecht gegenüber der Versicherung in Höhe von 250 T€ wäre lediglich eine Rückstellung in Höhe von 50 T€ zu passivieren. Dem Bruttoprinzip in § 246 Abs. 2 S. 1 HGB folgend ist eine gesonderte Aktivierung des Rückgriffsrechts als unzulässig anzusehen (so auch IDW RS HFA 34.33).
Steuerrechtlich ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a B. c EStG sowie nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu saldieren (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 178 und die dort angegebenen BFH-Urteile). Es kann vorkommen, dass die Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung in einer bestimmten Periode bereits entstanden ist, die Belastung aus dieser Verpflichtung indes wirtschaftlich mehreren (künftigen) Perioden zuzurechnen ist. Beispielsweise entsteht die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Dekontaminierung und Entsorgung eines Kernkraftwerkes bereits mit der ersten Inbetriebnahme (da zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verstrahlung vorliegt). Wirtschaftlich sind die Aufwendungen indes den (künftigen) Perioden zuzuordnen, in denen mit dem Kraftwerk Strom erzeugt wird (zu einem Zahlenbeispiel s. Kap. III.3.1.3.1). In diesen Fällen ist zu fragen, ob die Rückstellung vollständig in der Periode des Entstehens der rechtlichen Verpflichtung zu passivieren ist oder ob die Rückstellung ratierlich bis zum Eintritt der Belastung anzusammeln ist (Ansammlungsrückstellung). Nach überwiegender Meinung ist die Rückstellung nicht bereits vollständig im Entstehungszeitpunkt zu bilden, sondern ratierlich anzusammeln, da nur ein solches Vorgehen dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (s. Kap. II.4.4.5.2) entspricht (vgl. z. B. Böcking/Gros/Wirth
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2019a, § 253 HGB, Rn. 27; Thiele et al. 2021, § 253 HGB, Rn. 129 sowie auch IDW RS HFA 34.18), d. h., den Erträgen aus dem Stromverkauf werden periodengerecht die korrespondierenden Aufwendungen für die Entsorgung gegenübergestellt. Bei einer Ansammlung müssen Kapitalgesellschaften die Differenz zur Vollverpflichtung im Anhang angeben (§ 285 Nr. 3 HGB). Rückstellungen sind auch dann ratierlich anzusammeln, wenn bereits mit der Inbetriebnahme die rechtliche Verpflichtung zur Beseitigung entsteht (vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer 2009, § 253, Rn. 24). Dieses Vorgehen steht allerdings im Kontrast zur Handhabung von Rekultivierungs- und Beseitigungsverpflichtungen nach IFRS, die entsprechende Rückstellungen grundsätzlich vollständig und ergebnisneutral zum Zeitpunkt des Entstehens erfassen (s. Kap. III.3.7.3.1). Steuerrechtlich ist die ratierliche Ansammlung ebenfalls zwingend (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG). Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit ist eine lineare Ansammlung der Rückstellung zu befürworten. 3.7.3.3 Vergleichende Beispiele Im Folgenden wird das Vorgehen bei der Bewertung von Einzel- und Sammelrückstellungen nach IFRS und nach deutschen GoB anhand von zwei Beispielen verdeutlicht. Beispiel Fall 1 – Einzelrückstellung Mit Hinblick auf die Bewertung einer Einzelrückstellung sei angenommen, dass ein Unternehmen einen schwerwiegenden Fehler in einer großen, für einen Kunden gebauten Spezialmaschine beseitigen muss. Dabei existieren drei typische Fehlerquellen, deren Existenz mehr oder weniger wahrscheinlich ist. Im Folgenden gibt p die Wahrscheinlichkeit an, die den jeweiligen Reparaturkosten zuzuordnen ist (vgl. weiterhin das Beispiel in IAS 37.40). Verpflichtung p
100 T€
150 T€
200 T€
0,4
0,3
0,3
Nach IFRS ist grundsätzlich der wahrscheinlichste Betrag (100 T€) anzusetzen. Allerdings muss das Unternehmen gem. IAS 37.40 die Möglichkeit anderer Ergebnisse betrachten. Aufgrund des wesentlichen Risikos (significant chance) einer höheren Verpflichtung (0,6) muss der auszuweisende Betrag über 100 T€ liegen. Eine mögliche Vorgehensweise ist, ein Wahrscheinlichkeitsniveau zu definieren, welches mit dem Rückstellungsbetrag mindestens erreicht werden soll. Unter Verweis auf IAS 37.23 und 37.40 könnte ein Wahrscheinlichkeitsniveau von zumindest 50 % als Orientierungshilfe dienen (vgl. ADS International 2002, Abschnitt 18, Rn. 79; Schrimpf-Dörges 2020, § 12, Rn. 49 f.). Demnach könnte es sich in dem vorliegenden Fall als sachgerecht erweisen, eine Rückstellung in Höhe von 150 T€ anzusetzen. Gleichwohl lässt sich die Höhe der Risikoadjustierung nur schwer bestimmen (i. d. S. auch Ernst & Young 2021, S. 1951 ff.). Nach deutschen GoB sind der Daumenregel folgend (s. Kap. III.3.7.3.2) 200 T€ zu passivieren. Fall 2 – Sammelrückstellung Mit Hinblick auf die Bewertung einer Sammelrückstellung ist folgender Sachverhalt gegeben. Ein Unternehmen verkauft Produkte mit einer Gewährleistung, nach der Kunden eine Erstattung der Reparaturkosten für Fehler erhalten. Bei kleineren Fehlern an allen verkauften Produkten würden Reparaturkosten in Höhe von 2 Mio. € entstehen. Bei größeren Fehlern an allen verkauften Produkten würden Reparaturkosten in Höhe von 8 Mio. € entstehen. Erfahrungswerte und künftige Erwartungen des Unternehmens deuten darauf hin, dass 75 % der verkauften Produkte keine Fehler haben werden, 20 % kleinere Fehler und 5 % größere Fehler aufweisen dürften.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
557
Nach IFRS ist der statistische Erwartungswert anzusetzen. Dieser bestimmt sich wie folgt: (0,75 x 0 €) + (0,2 x 2 Mio. €) + (0,05 x 8 Mio. €) = 800 T€ (in enger Anlehnung an IAS 37.39). Nach deutschen GoB ist unter Hinweis auf das Vorsichtsprinzip ein Betrag anzusetzen, der 400 T€ übersteigt; unter Hinweis auf die weiter oben angesprochene Daumenregel (s. Kap. III.3.7.3.1) ist der Betrag relevant, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 % nicht überschritten wird. Dabei ist zu berücksichtigen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die künftigen Fehlerquoten von den historischen Fehlerquoten (75 %, 20 %, 5 %) abweichen. Über den Umfang einer (aufgrund des Vorsichtsprinzips vorzunehmenden) Risikoadjustierung entscheidet dann die Wahrscheinlichkeit des Abweichens von den historischen Fehlerquoten. Ist ein Abweichen von den historischen Fehlerquoten unter Hinweis darauf, dass die Produkte technisch unverändert geblieben sind, als sehr gering einzustufen, könnte ein Wertansatz von 1000 T€ dem Vorsichtsprinzip deutscher Prägung in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Schwanken die historischen Fehlerquoten indes stark, so ist ggf. ein höherer Rückstellungsbetrag relevant.
3.7.4 Angabepflichten 3.7.4.1 Internationale Normen Nach internationalen Normen sind für jede Gruppe von Rückstellungen (zur Gruppenabgrenzung vgl. IAS 37.87 sowie ADS International 2002, Abschnitt 18, Rn. 270 f.) die Angabepflichten gem. IAS 37.84 ff. zu beachten. Anzugeben ist u. a. eine kurze Beschreibung der Art der Verpflichtung sowie der erwarteten Fälligkeit, die Angabe von Unsicherheiten sowie die Höhe erwarteter Erstattungsansprüche. Darüber hinaus ist die Entwicklung der einzelnen Rückstellungsgruppen unter Beachtung der in IAS 37.84 geforderten Angaben darzustellen. Hierzu gehören Angaben zum Buchwert zu Beginn und zum Ende der Berichtsperiode, die Zuführungen einschließlich Neubildungen, Zinseffekte, Inanspruchnahmen sowie Auflösungen. Diese Angaben können zweckmäßigerweise in einem tabellarischen Rückstellungsspiegel erfolgen (vgl. Simons/Grathwohl 2010, Abschn. 21, Rn. 114). Nachstehend findet sich beispielhaft ein Rückstellungsspiegel. Beispiel Rückstellungsspiegel Rückstellungen (in T€) Sonstige Rückstellungen
Summe
Rückstellungen für Umweltschutz
Restrukturierungsrückstellungen
6.600
930
870
3.345
11.745
585
195
660
2.680
4.120
Wegen Wegfall des Grundes aufgelöste Rückstellungen
-460
-5
-140
-200
-805
Während des Jahres verbrauchte Rückstellungen
-1.440
-55
-410
-1.575
-3.480
Buchwert zum Ende der Periode (31.12.t0)
5.285
1.065
980
4.250
11.580
Rückstellungen für Rechtsfälle Buchwert zu Beginn der Periode (1.1.t0) Zuführungen zur Rückstellung*
558
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Rückstellungen für Rechtsfälle Die Rückstellungen für Rechtsfälle bestehen hauptsächlich aus verschiedenen Rechtsfällen in den USA, die aufgrund von Unterschieden im Patentrecht anhängig sind. Es wird erwartet, dass der Buchwert der Rückstellungen dem erwarteten Zahlungsanfall in den kommenden fünf Jahren entspricht. Dabei wird ein jährlich gleichmäßiger Zahlungsanfall erwartet. Aufgrund der Rechtsanhängigkeit der Verfahren unterliegen diese Erwartungen den üblichen Unsicherheiten. Erstattungsansprüche bestehen nicht. Rückstellungen für Umweltschutz …. Restrukturierungsrückstellungen …. Sonstige Rückstellungen … * einschließlich des Barwertanstiegs der Rückstellungen im Zeitablauf und der Konsequenzen aus Änderungen der Abzinsungsfaktoren
Diskussionsfrage III.3.-18 Der Delta AG liegen im Hinblick auf die Rückstellungsbildung zum 31.12.t1 die folgenden Informationen vor (in Anlehnung an Pellens et al. 2021, S. 500): y Aus dem Vorjahr existiert eine Rückstellung für Schadenersatzzahlungen aus zwei Rechtsstreitigkeiten (Verfahren 1 und 2). Der Buchwert beträgt 95 T€. y Am Anfang des Geschäftsjahres t1 wurden die Kläger im Verfahren 1 mit 50 T€ außergerichtlich abgefunden. Mit weiteren Belastungen aus diesem Verfahren, das mit 70 T€ im aktuellen Rückstellungsbuchwert berücksichtigt ist, wird nicht gerechnet. y In Verfahren 2, mit dessen Ausgang Ende t3 gerechnet wird, haben sich keine neuen Informationen ergeben. Aus einem Verfahren 3, das in t1 erstmals anhängig geworden ist, erwartet die Delta AG künftige Belastungen von 45 T€, die voraussichtlich Ende t5 fällig werden. y Der relevante Diskontierungszinssatz beträgt 5 %. Erstellen Sie den Rückstellungsspiegel für die Rückstellungsgruppe »laufende Prozesse« zum 31.12.t1.
Zudem müssen angabepflichtige Schulden, die sog. Eventualschulden (contingent liabilities), im Anhang aufgeführt werden. Dabei ist für jede Gruppe von Eventualschulden der Betrag anzugeben, der sich bei einer Passivierung nach den Bewertungsregeln für Rückstellungen ergeben hätte (IAS 37.86a). Eventualschulden können unterschiedlich begründet sein: 1. Eine Eventualschuld kann beispielsweise eine mögliche Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis unter dem Vorbehalt des Eintretens künftiger Ereignisse sein. Dabei hängt das Bestehen der Verpflichtung von dem Eintreten oder Nichteintreten eines oder mehrerer unsicherer künftiger Ereignisse ab, die nicht unter der Kontrolle des Unternehmens stehen (IAS 37.10). Zusammengefasst ist die Verpflichtung also möglich, aber unsicher. 2. Außerdem kann eine Eventualschuld auch eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis sein, für die entweder der Ressourcenabfluss als nicht wahrscheinlich gilt oder die Bewertbarkeit nicht gegeben ist. In diesem Fall liegt also eine Verpflichtung vor, die jedoch nicht ansatzfähig ist (IAS 37.10; vgl. auch Simons/Grathwohl 2010, Abschn. 21, Rn. 15). 3. Anzugeben ist weiterhin der Teil einer gesamtschuldnerischen Haftung, dessen Übernahme durch eine andere Partei erwartet wird (IAS 37.29).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
559
Das Pendant zu den Eventualschulden bilden die Eventualforderungen (contingent assets). Dabei handelt es sich nach IAS 37.10 um mögliche Vermögenswerte aus einem vergangenen Ereignis, deren Existenz noch von einem oder mehreren unsicheren zukünftigen Ereignissen abhängt, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Unternehmens stehen. Eventualforderungen sind im Anhang anzugeben und ggf. in Zusammenhang mit der Behandlung von Rückgriffsansprüchen (reimbursements) bilanziell bedeutsam (s. Kap. III.3.7.3.1). Eventualforderungen sind (wie auch die Eventualschulden) nicht in der Bilanz anzusetzen (IAS 37.31). Ist bei Eventualforderungen die Realisation von Erträgen so gut wie sicher (virtually certain; vereinfacht ist von einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 95 % auszugehen; s. auch Abb. III.3./15), ist gem. IAS 37.33 ein Vermögenswert in der Bilanz anzusetzen. Folglich sind Eventualforderungen, bei denen die Realisierung von Erträgen nicht so gut wie sicher ist, gleichfalls nicht in der Bilanz anzusetzen. Beispiel Eventualforderung Ein Unternehmen hat in einem Prozess wegen Patentverletzung erstinstanzlich einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 3 Mio. € erwirkt. Am 31.12.t1 schwebt das Verfahren in der zweiten Instanz. Am 5.3.t2 wird mit dem Anspruchsgegner ein Vergleich (Erstattung von 2 Mio. €) geschlossen. Am 31.12.t1 ist eine Eventualforderung in Höhe von 3 Mio. € im Anhang anzugeben. In t2 ist der Betrag von 2 Mio. € ergebniserhöhend zu vereinnahmen (vgl. z. B. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 21, Rn. 126 ff.).
Dagegen sind Eventualschulden, bei denen ein Abfluss von künftigem wirtschaftlichem Nutzen wahrscheinlich (vereinfacht ist von einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 %, aber weniger als 95 % auszugehen) ist, als Rückstellung zu passivieren (IAS 37.30). Demnach geht das IASB in dem zuvor angesprochenen Fall derzeit imparitätisch vor, d. h. Eventualforderungen mit wahrscheinlicher Ertragsrealisierung sind nicht zu aktivieren, während Eventualverbindlichkeiten mit wahrscheinlichem Ressourcenabgang als Rückstellung zu passivieren sind (vgl. auch Wagenhofer 2009, S. 269 ff.). Nicht bilanzierte vertragliche Verpflichtungen sind grundsätzlich nach IAS 1.114(c)(iv) anzugeben. Die spezifischen Angabepflichten für die außerhalb der Bilanz anzugebenden Eventualschulden (contingent liabilities) finden sich in IAS 37.86. In äußerst seltenen Fällen kann die teilweise oder vollständige Angabe von Informationen im Anhang zu den Rückstellungen, den Eventualschulden oder den Eventualforderungen die Position des Unternehmens in einem Rechtsstreit oder anderen Auseinandersetzungen ernsthaft beeinträchtigen. Beispielsweise könnte eine hohe Rückstellungsbildung als Schuldeingeständnis interpretiert werden und die Position des berichterstattenden Unternehmens im Rechtsstreit schwächen. In diesen Fällen befreit die Schutzklausel in IAS 37.92 von den Angabepflichten (nicht jedoch von der Rückstellungsbildung selbst). Macht ein Unternehmen von der Schutzklausel Gebrauch, sind allgemeine Angaben zum Charakter des Rechtsstreites und die Gründe für das Unterlassen der Angaben darzulegen (Ersatzangaben). Art, Inhalt und Umfang dieser Ersatzangaben finden ihre Grenze im Zweck der Schutzklausel, d. h., der Zweck der Schutzklausel darf durch die Ersatzangaben nicht konterkariert werden (vgl. hierzu v.
560
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Keitz et al. 2021, IAS 37, Tz. 143 f.). Eine vergleichbare Schutzklausel existiert nach HGB nicht. 55 Geschäftsbericht Schutzklausel »Des Weiteren hat die kanadische Bundesumweltbehörde – nach Abschluss ihrer Untersuchung in Bezug auf strafrechtliche Maßnahmen hinsichtlich der Dieselthematik – im Dezember 2019 Anklage gegen die Volkswagen AG betreffend 2.0 l und 3.0 l Dieselfahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi erhoben. Die Volkswagen AG hat bei der Untersuchung mitgewirkt und zur Beilegung sämtlicher Vorwürfe einem Vergleich (Plea Resolution) zugestimmt. Im Januar 2020 hat sich die Volkswagen AG im Sinne der Anklage schuldig bekannt und zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 196,5 Mio. CAD verpflichtet, die das Gericht auch genehmigt hat. Infolge dieser Genehmigung hat die Umweltbehörde der Provinz Ontario ihre Klage auf Verhängung quasi-strafrechtlicher Sanktionen gegen die Volkswagen AG hinsichtlich bestimmter 2.0 l Dieselfahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi zurückgezogen. In einer privaten zivilrechtlichen auf Strafschadensersatz gerichteten umweltrechtlichen Sammelklage im Namen der Einwohner der Provinz Quebec hat ein Gericht der Provinz Quebec, nachdem es das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Sammelklage bestätigt hatte, im Oktober 2020 entschieden, dass die gegen die klägerische Schadensersatzthese vorgebrachten Einwendungen bis zur Hauptverhandlung zurückzustellen sind. Mit dieser Begründung hat das Gericht den Antrag von Volkswagen auf Klageabweisung zurückgewiesen. Das Verfahren befindet sich weiterhin in einem frühen Stadium. Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Verfahren in den USA/Kanada werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.« (Volkswagen AG 2021, S. 194 f.).
Anzugeben ist weiterhin der Teil einer gesamtschuldnerischen Haftung, dessen Übernahme von einem anderen Gesamtschuldner erwartet wird (IAS 37.29). Dabei ist vor allem IAS 1.114(c)(iv) (unrecognised contractual commitments) zu beachten. Abbildung III.3./15 fasst die vorherigen, auf die IFRS bezogenen Ausführungen zu den Rückstellungen, abgegrenzten Schulden, sonstigen Schulden sowie den Eventualschulden zusammen (vgl. Heuser/Theile 2019, S. 728; Ernst & Young 2021, S. 1931).56
55 Die Berichterstattung im Anhang hat nur insoweit zu unterbleiben, als es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist; s. § 286 Abs. 1 HGB. Zu einer unternehmensbezogenen Schutzklausel in anderen Fällen siehe § 286 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB. 56 Die Zuweisung der unbestimmten Wahrscheinlichkeitsbegriffe zu den numerischen Werten basiert auf den empirischen Studien von Reimers, 1992, S. 36 ff.; Simon 2002, S. 601 ff.; Doupnik/Richter 2003, S. 17 ff. Die in der Abbildung angegebene Bandbreite entspricht näherungsweise den empirischen Ergebnissen. Erwähnenswert ist, dass Personen unterschiedlicher nationaler Zugehörigkeit den Wahrscheinlichkeitsbegriffen unterschiedliche numerische Werte zuweisen.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
Bestehen einer Verpflichtung
561
Abfluss von Ressourcen so gut wie sicher (virtually certain)
wahrscheinlich (probable)
möglich (possible)
so gut wie ausgeschlossen (remote)
= ≥ 0,95
= > 0,5 ^ < 0,95
= ≥ 0,1 ^ ≥ 0,5
= < 0,1
so gut wie sicher
Sonstige Schulden (other liabilities)
Rückstellung (provision)
Eventualschuld – (contingent liability)
wahrscheinlich
Rückstellung (provision)
Rückstellung (provision)
Eventualschuld – (contingent liability)
möglich
Eventualschuld Eventualschuld (contingent liability) (contigent liability)
Eventualschuld – (contingent liability)
so gut wie ausgeschlossen
–
–
–
–
Abb. III.3./15 Wahrscheinlichkeitsbegriff und Bilanzansatz- sowie Angabeerfordernisse
Die Angabepflichten nach IFRS sind sowohl für Haftungsverhältnisse als auch für angabepflichtigen Eventualschulden umfassend. So fordert IAS 37.86 eine kurze Beschreibung der Verpflichtung, die Angabe des geschätzten Erfüllungsbetrags sowie der Unsicherheiten hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt des Vermögensabgangs. 3.7.4.2 Deutsche GoB Nach deutschen Normen sind die angewendeten Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden im Anhang anzugeben (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Hierzu gehören auch die auf die Rückstellungsbildung bezogenen Methoden. Weiterhin sind die nach § 285 Nr. 12 HGB in dem Posten »sonstige Rückstellungen« (§ 266 Abs. 3 B. 3. HGB; s. Kap. III.3.7.2.2.c) enthaltenen Rückstellungen zu erläutern, falls sie einen nicht unerheblichen Umfang einnehmen (IDW RS HFA 34.53). Ein Rückstellungsspiegel ist nicht obligatorisch. In einer Vielzahl von Fällen ist für eine nach IFRS nur angabepflichtige Eventualschuld (s. Kap. III.3.7.4.1) jedoch nach deutschen GoB eine Rückstellung zu passivieren. Angabepflichtige Eventualschulden treten nach deutschen GoB selten auf, da bereits das Vorliegen guter stichhaltiger Gründe und nicht zwingend eine über 50 % liegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme für eine Pflicht zur Passivierung ausreicht (s. Kap. III.3.7.2.2.b1). Kommt es indes zu einer Angabepflicht, sind die geforderten Angaben gem. §§ 251 S. 1 u. 268 Abs. 7 HGB zu den Eventualschulden weniger umfassend als nach IAS 37.86. Anzugeben ist der Gesamtbetrag der nicht passivierten sonstigen finanziellen Verpflichtungen gem. § 285 Nr. 3a HGB. Anzugeben sind auch mehrjährige Verpflichtungen aus Miet- und Leasingverträgen sowie Verpflichtungen aus langfristigen Abnahmeverträgen. Bezüglich der außerhalb der Bilanz (unter der Bilanz oder im Anhang) anzugebenden Haftungsverhältnisse gelten die Angabepflichten gem. §§ 251 S. 1 u. 268 Abs. 7 HGB. Angaben zu den Haftungsverhältnissen gem. § 251 S. 1 Halbsatz 1 HGB dienen dazu, den Abschlussadressaten auf mögliche Risiken hinzuweisen, die auf vertraglich gesicherten Ansprüchen von Dritten gegenüber dem bilanzierenden Unternehmen basieren. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass das Unternehmen zur Verpflichtung herangezogen wird. Das Erfordernis »Vorliegen einer Verpflichtung« (als Kriterium der abstrakten Passivierungsfähigkeit) ist also nicht hinreichend konkretisiert.
562
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften müssen die einzelnen Haftungsverhältnisse gesondert unter der Bilanz oder im Anhang angeben (§ 268 Abs. 7 HGB).57 Anzugeben ist jeweils die Höhe des vollen Haftungsbetrags, unabhängig davon, ob gleichwertige Rückgriffsansprüche bestehen. Beispiele für anzugebende Haftungsverhältnisse sind: y Verbindlichkeiten aus Bürgschaften, Wechsel- oder Scheckbürgschaften: Durch einen »Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen« (§ 765 BGB). Anzugeben sind sämtliche Bürgschaften, die das bilanzierende Unternehmen eingegangen ist. y Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen: Der Begriff »Gewährleistungsvertrag« ist gesetzlich nicht definiert. Gemeinhin sind unter einen solchen Vertrag alle nicht als Bürgschaft zu qualifizierende Verträge zu fassen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein Garant (hier das bilanzierende Unternehmen) eine vertragliche Verpflichtung übernimmt, um für gegenwärtige oder künftige Ansprüche eines Dritten einzustehen (so auch Grottel/Haußer 2020, § 251 HGB, Rn. 25). Vermerkpflichtig sind z. B. auch Patronatserklärungen, bei denen ein Mutterunternehmen sich verpflichtet, seinem Tochterunternehmen finanziell beizustehen, damit dieses seinen finanziellen Verpflichtungen aus einem Kreditvertrag nachkommen kann. y Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten: Leistet ein Kaufmann für fremde Verbindlichkeiten Sicherheiten, sind diese anzugeben. Hierzu zählen z. B. Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld), Verpfändungen beweglicher Sachen und Rechte, Sicherungsübereignungen von Vermögensgegenständen und Sicherungsabtretungen bei Forderungen. 58 Der Vermerk als Haftungsverhältnis kommt nur in Betracht, soweit noch keine Anzeichen für eine Inanspruchnahme des bilanzierenden Unternehmens ersichtlich sind. Ist dagegen bereits mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einer Inanspruchnahme auszugehen, so ist eine Rückstellung zu passivieren.
3.7.5 Zentrale Unterschiede zwischen den IFRS und den deutschen GoB Die wichtigsten Unterschiede zur Passivierung von Rückstellungen lassen sich überblicksartig wie folgt skizzieren (vgl. hierzu Pellens et al. 2021, S. 502 f.; Melcher/David/Skowronek 2013, S. 91, 160 f., 173, 205 ff.; Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 254 ff.): 1. Die in der Bilanz zu zeigenden Schuldposten tragen abweichende Bezeichnungen. Hier stehen sich nach IFRS liabilities mit den Unterkategorien provisions und other liabilities (s. Kap. III.3.7.2.1) und nach deutschen Normen die Schulden mit den Unterkategorien Rückstellungen und Verbindlichkeiten gegenüber (s. Kap. III.3.7.2.2). 2. Weiterhin sind Rückstellungen nach deutschen GoB bereits bei hinreichender Konkretisierung anzusetzen (s. Kap. III.3.7.2.2.b1). Diese vorsichtigere Vorgehensweise führt dazu, dass nach deutschen GoB Rückstellungen eher anzusetzen sind als nach IFRS (Verpflichtung besteht wahrscheinlich und es kommt wahrscheinlich zu einem Abfluss von Ressourcen, s. Kap. III.3.7.2.1.a1).
57 Einzelkaufleute und nicht haftungsbeschränkte Personengesellschaften können die Haftungsverhältnisse unter entsprechender Bezeichnung unter der Bilanz gem. § 251 S. 1 Halbsatz 2 HGB in einem Betrag angeben. 58 Gestellte Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten sind nicht vermerkpflichtig. Diese sind vielmehr im Verbindlichkeitenspiegel im Anhang anzugeben (§ 285 Nr. 1 Buchst. b HGB).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
563
3. Zudem sind die angesetzten Rückstellungen nach deutschen GoB (s. Kap. III.3.7.3.2) dem Vorsichtsprinzip folgend regelmäßig mit einem höheren Betrag zu bewerten als nach IFRS (s. Kap. III.3.7.3.1). 4. Die Abzinsung von Rückstellungen ist nach IFRS zwingend, sofern der Effekt der Abzinsung wesentlich ist (s. Kap. III.3.7.3.2). Nach deutschen GoB ist eine Abzinsung ebenfalls zwingend, wenn die Restlaufzeit bis zur Begleichung der Rückstellung mehr als ein Jahr beträgt (s. Kap. III.3.7.3.2). Die anzuwendenden Zinssätze unterscheiden sich jedoch. Während nach deutschen GoB der durchschnittliche fristenkongruente Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre relevant ist, ist nach IFRS ein Zinssatz vor Steuern zu verwenden, der dem Risiko der spezifischen Verpflichtung entspricht. 5. Bestehen Rekultivierungs- und Beseitigungsverpflichtungen in Zusammenhang mit einer Sachanlage, kommt es nach IFRS zu einer Erhöhung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch eine ergebnisneutrale vollumfängliche Bildung der Rückstellung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung, sofern nicht die Voraussetzungen für eine ratierliche Rückstellungsansammlung gegeben sind (s. Kap. III.3.7.3.1). Die Ergebniswirkung erfolgt durch die erhöhte Abschreibung der Sachanlagen. Nach deutschen GoB hingegen ist eine Rückstellung ratierlich anzusammeln (s. Kap. III.3.7.3.2). Insofern entsprechen sich im Zeitablauf die Ergebniswirkungen regelmäßig. Allerdings zeigen sich unterschiedliche Ansätze für die Rückstellung in der Bilanz. 6. Eine Passivierung von Aufwandsrückstellungen ist nach deutschen GoB in sehr eingeschränkter Weise möglich (§ 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB, s. Kap. III.3.7.2.2.b4). Dagegen ist eine solche Passivierung aufgrund der fehlenden Außenverpflichtung nach IAS 37 grundsätzlich unzulässig (zur Behandlung faktischer Außenverpflichtungen s. Kap. III.3.7.2.1.a1). 7. Die Angabepflichten nach IAS 37 gehen über die nach deutschen Normen hinaus. So sind zwar Angaben zu Haftungsverhältnissen nach deutschen GoB häufiger erforderlich (s. Kap. III.3.7.4.2). Allerdings ist der Umfang der Angaben nach IAS weitreichender (s. Kap. III.3.7.4.1). Dies gilt auch für angabepflichtige Eventualverbindlichkeiten. Geschäftsbericht Rückstellungen nach deutschen GoB und IAS 37 »Seit mehreren Jahren ist ein Patentstreit mit der Firma Baldwin anhängig. Im Jahr 2000 hatte Baldwin eine Patentrechtsklage eingereicht. Der Vorstand hält die Klage in vollem Umfang für unbegründet und ist in dieser Beurteilung von Fachanwälten bestätigt worden. Nach Abschluss des Geschäftsjahres fand eine erste gerichtliche Verhandlung vor dem Landgericht Düsseldorf statt. Ihr Ablauf lässt offen, welche Entscheidung das Gericht in dem auf den 6.3.2001 angesetzten Verkündungstermin bekannt geben wird, ob insbesondere zunächst eine Beweisaufnahme durch einen Sachverständigen über die angebliche Verletzung erfolgt. Der Vorstand und die anwaltlichen Berater fühlen sich jedoch durch den Ablauf dieser Verhandlung in ihrer bisherigen Beurteilung bestätigt, selbst wenn das Landgericht als erste Instanz der Klage stattgeben sollte. Höchst vorsorglich wurde handelsbilanziell aufgrund des Vorsichtsprinzips ein Betrag von 0,95 Millionen € zurückgestellt. Im Übrigen hat technotrans vorsorglich ein Ersatzgerät entwickelt, das den Bedarf aller Kunden ohne jede Verletzungsgefahr decken kann. Der Vorstand ist überzeugt, dass das Verfahren zugunsten des Unternehmens abgeschlossen wird und keine Zahlung erfolgen wird. Aus diesem Grunde wurde im Konzernabschluss nach IAS keine Rückstellung gebildet.« (technotrans AG, 2001, S. 92, jedoch mit anderer Hervorhebung im Original).
564
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Kontrollfragen zu III.3.7 1. Welche Grundsätze im System der deutschen GoB rechtfertigen die Bildung von Rückstellungen? 2. Grenzen Sie die Begriffe provision, accrual, other liability und contingent liability voneinander ab. 3. Die Fertigbau AG schloss mit der Hübner GmbH einen bis zum 31.12.t2 befristeten Liefervertrag über monatlich 4 Fertighäuser ab. Die Herstellungskosten bei der Fertigbau AG betragen pro Haus 133 T€. Der vereinbarte Verkaufspreis beträgt 155 T€ (netto) pro Haus. Ab dem 1.1.t2 ist aufgrund einer Erhöhung der Rohstoffpreise mit einem Anstieg der Herstellungskosten pro Haus um jeweils 24 T€ zu rechnen. Wie ist der Sachverhalt in dem Jahresabschluss (31.12.t1) der Fertigbau AG nach deutschen GoB und nach IFRS zu erfassen? 4. Die Bau AG schließt seit dem 1.1.t1 für ihre Transporte keine Versicherung für den Untergang bzw. die Beschädigung des eigenen Transportgutes mehr ab. Die eingesparte Prämie beträgt pro Jahr 15 T€. Nach der Erfahrung der vergangenen Jahre muss im Durchschnitt alle fünf Jahre mit einem größeren Unfall gerechnet werden, der Schäden am eigenen Transportgut zwischen 20 T€ und 100 T€ verursacht. Wie ist der Sachverhalt in dem Jahresabschluss (31.12.t1) der Bau AG nach deutschen GoB und nach IFRS zu erfassen (in enger Anlehnung an Coenenberg/Haller/Schultze 2021b, S. 162 ff.)? 5. Die Brückenbau AG konstruiert und verkauft Hängebrücken. Dabei wird eine bestimmte Technik A angewendet. Mittlerweile hat sich eine neue Technik B herausgebildet, die nachweislich deutlich sicherer ist als die Technik A. Im letzten Jahr wurde eine Hängebrücke unter Anwendung der Technik A konstruiert und an einen Kunden verkauft. Mängel an der Konstruktionsweise sind nicht erkennbar. Diskutieren Sie die Notwendigkeit zur Rückstellungsbildung. 6. Ein Betriebsgebäude muss repariert werden. Zu erstellen ist der Abschluss zum 31.12. t1. Die Reparatur soll im Februar des Jahres t3 durchgeführt werden. Die hierfür anfallenden Reparaturkosten lassen sich zuverlässig schätzen und betragen 32 T€. Wie ist der Sachverhalt in einem Jahresabschluss (31.12.t1) nach deutschen GoB und nach IFRS zu erfassen? 7. Die Windhansa AG ist gesetzlich verpflichtet, ihr Flugzeug alle drei Jahre überholen zu lassen. Die Überholungskosten im nächsten Jahr betragen 225 T€. Wie ist dieser Sachverhalt im alten Geschäftsjahr im Abschluss der Windhansa AG abzubilden? Gehen Sie sowohl auf die Vorgehensweise nach deutschen GoB als auch nach IFRS ein. 8. Am 31.12.t1 ist nach IAS 37 eine Rückstellung für eine künftige Verpflichtung in Höhe von 5 Mio. € anzusetzen. Die Verpflichtung wird am 31.12.t5 fällig. Die Auswirkung der Diskontierung mit einem adäquaten Marktzinssatz von 9 % wird als wesentlich eingestuft. Wie ist am 31.12.t1 (erstmalige Rückstellungsbildung) und wie ist am 31.12.t2 zu buchen? 9. Bei der Frage der Passivierung von Rückstellungen für Instandhaltungen in einem HGBAbschluss kann es sich als problematisch erweisen, zu beurteilen, ob die Rückstellung binnen der drei Monate im folgenden Geschäftsjahr oder nach Ablauf dieser Frist, aber binnen des nächsten Geschäftsjahres nachgeholt wird. Halten Sie die Beantwortung dieser Frage in der Praxis für problematisch? Falls Sie die Frage mit ja beantworten, gehen Sie auf mögliche Lösungsansätze ein.
Kontrollfragen zu III.3.7
565
10. Ein Unternehmen muss einer behördlichen Auflage zum Einbau von Rauchfiltern nachkommen. Nach IAS 37.19 ist in diesem Fall keine Rückstellung zu bilden. Wie ist nach deutschen GoB vorzugehen? 11. Sind nach IFRS Kulanzrückstellungen zu bilden? 12. Ordnen Sie die folgenden Posten nach dem Grad der Unsicherheit der Existenz der zugrunde liegenden Verpflichtung: accrual, contingent liability, provision sowie trade and other payables. Begründen Sie die gewählte Rangfolge. 13. Accountants unterschiedlicher Nationen weisen unbestimmten Wahrscheinlichkeitsbegriffen wie z. B. probable oder remote unterschiedliche quantitative Wahrscheinlichkeiten zu. Beispielsweise weist ein deutscher Wirtschaftsprüfer (englischer CPA) dem Begriff remote durchschnittlich eine numerische Wahrscheinlichkeit von 9,2 % (22,5 %) zu. Wie beurteilen Sie diesen Umstand aus dem Blickwinkel der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen? 14. Die Industrie AG hat eine Bürgschaft in Höhe von 400 T€ für einen Lieferanten übernommen. Es ist absehbar, dass die Industrie AG diesbezüglich in Höhe von 100 T€ in Anspruch genommen wird. Für eine weitere Inanspruchnahme sind keine Indizien erkennbar. Wie ist der Sachverhalt in der externen Rechnungslegung der Industrie AG abzubilden? Gehen Sie sowohl auf die deutschen GoB als auch auf die IFRS ein. Falls Sie besondere Annahmen treffen, legen Sie diese offen. 15. Kann eine in der Vorperiode gebildete Rückstellung auch bei Wegfall der Gründe, die zur Rückstellungsbildung geführt haben, in der aktuellen Periode beibehalten werden? Benennen Sie die relevanten deutschen und internationalen Normen. 16. Ein Unternehmen muss einen schwerwiegenden Fehler in einer großen, für einen Kunden gebauten Spezialmaschine beseitigen. Dabei existieren drei typische Fehlerquellen, deren Existenz mehr oder weniger wahrscheinlich ist. Im Folgenden gibt p die Eintrittswahrscheinlichkeit an, welche Reparaturkosten in Abhängigkeit vom vorliegenden Fehler anfallen werden. Verpflichtung p
90 T€ 0,2
140 T€ 0,25
190 T€ 0,25
260 T€ 0,3
Diskutieren Sie, in welcher Höhe eine Rückstellung gem. IAS 37 bzw. nach deutschen Normen anzusetzen ist. Gehen Sie auch auf ggf. bestehende weitere Angabepflichten ein. 17. Die Pharma & More AG ist oft in Streitigkeiten und gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt. Für eine erwartete Strafzahlung wegen in Indien begangener Umweltsünden soll eine Rückstellung gebildet werden. Die folgende Übersicht zeigt die möglichen Beträge (bereits diskontiert) und ihre Wahrscheinlichkeiten (entnommen aus Henselmann 2007, S. 236): Strafzahlung p
50 Mio. € 0,1
60 Mio. € 0,2
70 Mio. € 0,4
80 Mio. € 0,25
90 Mio. € 0,05
In welcher Höhe ist eine Rückstellung nach IFRS bzw. HGB zu bilden? Wie wäre die Rückstellungshöhe zu beurteilen, wenn sich die Bandbreite möglicher Strafzahlungen wie folgt darstellt: Strafzahlung p
50 Mio. € 0,3
60 Mio. € 0,25
70 Mio. € 0,2
80 Mio. € 0,15
90 Mio. € 0,1
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
18. Eine Aufwandsrückstellung gem. § 249 Abs. 2 HGB wird in t1 zu 40 T€ angesetzt. In t2 besteht der Sachverhalt unverändert fort. Das bilanzierende Unternehmen entschließt sich dazu, die Rückstellung am 31.12.t2 nicht mehr zu passivieren und begründet das Vorgehen damit, dass die Bewertungsstetigkeit nicht für Ansatzwahlrechte gilt. Nehmen Sie hierzu Stellung. 19. Dem Anhang der DocCheck AG sind in Bezug auf die Rückstellungen neben einem Rückstellungsspiegel vor allem die folgenden verbalen Ausführungen zu entnehmen: »Rückstellungen werden für ungewisse Verbindlichkeiten aus vergangenen Geschäftsvorfällen oder Ereignissen gebildet, bei denen der Zeitpunkt oder die Höhe des Vermögensabflusses am Bilanzstichtag unsicher ist. Die Bewertung der sonstigen Rückstellungen erfolgt nach IAS 37. Sie werden zum Erfüllungsbetrag mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit angesetzt.« (DocCheck AG 2007, S. 69). Erstellt wurde ein IFRS-Abschluss. Wie beurteilen Sie die gegebenen Ausführungen? 20. Ein Unternehmen ist Beklagter in zwei Schadenersatzprozessen (P1 und P2). Die Prozesse enden mit einer Wahrscheinlichkeit von 51 % (P1) und 49 % (P2) in einer Prozessniederlage. Im Falle einer Niederlage werden bei P1 die Zustände Z1 (Ressourcenabfluss = 100 T€) und Z2 (Ressourcenabfluss = 50 T€) mit einer bedingten Wahrscheinlichkeit von 25 % bzw. 75 % erwartet. Bei P2 wird im Fall einer Niederlage mit einer bedingten Wahrscheinlichkeit von 25 % bzw. 75 % mit dem Abfluss von 110 T€ (Z1) bzw. 50 T€ (Z2) als mögliche Prozessausgänge gerechnet (in enger Anlehnung an Haaker 2005, S. 54 ff.). Ist für die Sachverhalte in einem IFRS-Abschluss eine Rückstellung zu bilden? Gehen Sie hierbei auch auf die Bewertung einer etwaig zu bildenden Rückstellung ein. 21. Die Infinox AG schließt am 1.1.t1 einen zehnjährigen Wartungsvertrag mit einem Großkunden ab. Gewartet werden sollen die Anlagen des Großkunden. Der Großkunde zahlt hierfür pauschal 15 T€ jeweils am Jahresende. Am 31.12.t1 und am 31.12.t2 übersteigen die Zahlungen des Großkunden die tatsächlich entstandenen Wartungskosten. Die Gewinne werden ergebniswirksam in der GuV der Infinox AG vereinnahmt. Am 31.12.t3 stellt die Infinox fest, dass die Wartungskosten für das Jahr t3 20 T€ betragen. Zu erwarten ist weiterhin, dass die Wartungskosten auch für die folgenden Jahre durchschnittlich 20 T€ betragen werden. Wie ist im IFRS-Abschluss zum 31.12.t3 vorzugehen? Berücksichtigen Sie bei Ihren Überlegungen auch, dass die Infinox AG den Wartungsvertrag auflösen kann. Dabei fällt allerdings eine sofort zahlbare Konventionalstrafe in Höhe von 30 T€ an. Falls Sie weitere Annahmen treffen, legen Sie diese offen. 22. Wie beurteilen Sie die grundsätzliche Eignung von Rückstellungen als abschlusspolitisches Mittel? Eignen sich eher die nach deutschen GoB oder die nach IFRS gebildeten Rückstellungen für abschlusspolitische Zwecke? 23. Sind Rückstellungen ggf. mit einem Zinssatz vor oder nach Steuern abzuzinsen? Begründen Sie warum auf diese Weise vorzugehen ist! 24. Dem Anhang der Landesbank Berlin Holding AG sind u. a. folgende Angaben zu entnehmen: »Es bestehen Eventualforderungen aus Rechtsstreitigkeiten. Deren Wert kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich bestimmt werden. Die Angabe eines Werts unterbleibt deshalb gemäß IAS 37.92.« (Landesbank Berlin Holding AG 2007, S. 167). Wie beurteilen Sie die gegebenen Ausführungen?
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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3.8 Umsatzrealisierung LERNZIELE
y y y y
Verstehen der Konzeptionen zur Umsatzrealisierung nach IFRS und HGB. Erkennen, wann es zur Realisierung von Umsatzerlösen kommt. Entwicklung von Fähigkeiten zur Bilanzierung von Umsatzerlösen nach internationalen und nationalen Normen. Kenntnis von Besonderheiten im Rahmen der Umsatzrealisierung.
3.8.1 Abzubildender Sachverhalt, Definitionen und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Mit Hinblick auf die Einschätzung des Erfolgs und der finanziellen Lage eines Unternehmens stellen Umsatzerlöse eine bedeutende Information dar. Hierbei ist insbesondere der Realisationszeitpunkt der Erlöse für die Vermittlung von entscheidungsnützlichen Informationen sehr wichtig. Die Problematik aus Sicht der Rechnungslegenden besteht nun darin, dass sich die Bestimmung der Umsatzrealisierung, also ob Umsatzerlöse vorliegen, deren Höhe und wann deren Realisationszeitpunkt gegeben ist, aus komplexen Transaktionen ergibt. Dabei können sich die abzubildenden Sachverhalte in vielerlei Hinsicht unterscheiden. y Beispielsweise besteht eine Besonderheit von langfristigen Fertigungsaufträgen darin, dass der Fertigungstätigkeit die Erteilung eines Auftrags durch den Abnehmer zeitlich vorausgeht. Die Auftragsfertigung ist auf das Abarbeiten des erteilten Auftrags ausgerichtet. Die geschuldete Leistung, z. B. der Bau einer Brücke, ist dabei nach den im Kaufvertrag festgelegten Spezifika durch den Auftragnehmer zu erbringen. Für einen bilanzierenden Auftragnehmer haben Fertigungsaufträge oftmals eine hohe Bedeutung, da seine Geschäftstätigkeit regelmäßig durch wenige, aber betragsmäßig bedeutsame Großaufträge gekennzeichnet ist. Um die Unternehmensleistung hinreichend abbilden zu können, stellt sich aus Sicht der Rechnungslegung die Frage, ob etwaige Umsatzerlöse oder Gewinne bereits während der Fertigungszeit oder erst nach Abschluss der Fertigung zu realisieren sind (s. Kap. III.3.8.2.1, III.3.8.2.2; vgl. auch Bigus 2005, S. 602). y Des Weiteren kann eine Gesamtleistung aus mehreren Teilleistungen bestehen. Bei diesen sogenannten Mehrkomponentenverträgen (multiple deliverables) besteht die Verpflichtung des Bilanzierenden in der Erbringung mehrerer Leistungen an den gleichen Abnehmer. Die Teilleistungen sind dabei eng miteinander verbunden. Beispiele hierfür sind der Verkauf eines Mobiltelefons mit anschließender zeitraumbezogener Netzbereitstellung oder der Verkauf einer Software mit Installations- und Wartungsleistungen. Hier stellt sich die Frage, ob der Gesamterlös auf die einzelnen Komponenten aufzuteilen oder erst mit der Erbringung der letzten Teilleistung und damit der Vollendung der Gesamtleistung zu vereinnahmen ist (s. Kap. III.3.8.2.1, III.3.8.2.2). Mit IFRS 15 verfolgt das IASB die Strategie, eine unternehmens-, branchen-, rechtssystem- und kapitalmarktübergreifende Vergleichbarkeit bei der Erlöserfassung herzustellen (IFRS 15.IN5). Die Regelungen des IFRS 15 betreffen alle Umsatzerlöse, die aus Verträgen mit Kunden resultieren. Bilanztheoretisch wird durch die IFRS eine vertragsbasierte Betrachtung im Sinne des asset-liability-Ansatzes (s. Kap. II.3.3.5) vertreten (vgl. Wüstemann/Wüstemann 2014, S. 929 f.). Dabei basiert IFRS 15 auf dem Kontrollansatz (control approach, s. Kap. III.3.8.2.1.e).
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Die Umsatzerfassung ist gem. IFRS 15.31 an die Übertragung der Kontrolle der Ware auf den Kunden gebunden. Der Kontrollübergang verweist dabei auf die Fähigkeit des Kunden, über die Verwendung des Vermögenswerts zu bestimmen, den Nutzen aus dem Vermögenswert zu ziehen oder Dritte von diesem ausschließen zu können (IFRS 15.33; vgl. Wüstemann/Wüstemann/Jendreck 2022, IFRS 15, Rn. 64). Zielsetzung des IFRS 15 ist es, entscheidungsnützliche Informationen über Art, Höhe, Zeitpunkt und Unsicherheit von Erlösen und Zahlungsströmen aus einem Vertrag mit einem Kunden zur Verfügung zu stellen (IFRS 15.1). Um dieses Ziel zu erreichen, sind, dem Grundprinzip (core principle) in Tz. 2 folgend, die Erlöse in Höhe der Gegenleistung zu erfassen, die das Unternehmen im Austausch für die Übertragung der vereinbarten Waren und Dienstleistungen an den Kunden voraussichtlich erhalten wird. Für die Erfassung von Erlösen (revenues) nach IFRS gelten grundsätzlich die allgemeinen Ansatzkriterien und die definitorischen Voraussetzungen des Abschlusselementes Erträge (income) im IASB Conceptual Framework (IASB F.4.68 ff., 5.1 ff.; s. Kap. II.5.3.5). Erlöse gehen mit einer Zunahme von Vermögenswerten in der Berichtsperiode einher. Die Ausführungen im IASB Conceptual Framework zu den Erlösen werden durch die standardspezifischen Regelungen in IFRS 15 konkretisiert. Nach IFRS 15 sind Umsatzerlöse als Erträge definiert, die auf der Übertragung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen an Kunden beruhen, wobei die Leistung ein Produkt der gewöhnlichen Geschäftstätigkeiten (ordinary activities) des Unternehmens sein muss. Der Dienstleistungsbegriff ist dabei weitgefasst und schließt beispielsweise auch Nutzungsüberlassungen oder Lizenzierungen ein (vgl. Ernst & Young 2020 S. 391 ff.). Im HGB existieren keine speziellen Vorschriften zur Umsatzerlösrealisierung. Erlöse sind demnach unter Beachtung der deutschen GoB so zu erfassen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage vermittelt wird. Im Sinne des Periodisierungsprinzips sind Erträge und Aufwendungen dabei unabhängig vom Zahlungszeitpunkt zu erfassen. Des Weiteren sind Erträge im Einklang mit dem Realisationsprinzip dann bilanziell zu berücksichtigen, wenn sie realisiert sind (vgl. Wüstemann/ Wüstemann/Müller 2021, Rz. 5). Grundsätzlich gelten Erträge als realisiert, wenn die zugrundeliegende Leistung erbracht ist, z. B. bei Lieferung eines Produkts oder mit Erbringung einer Dienstleistung (vgl. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 470). Zu beachten ist, dass die internationale und die handelsrechtliche Definition nicht deckungsgleich sind. Nach deutschen GoB sind Umsatzerlöse gem. § 277 Abs. 1 HGB als »Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkter mit dem Umsatz verbundener Steuern« definiert. Die Erlösdefinition enthält, im Gegensatz zur Definition nach IFRS 15, keine Einschränkung aufgrund der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Des Weiteren sind Erträge aus für ein Unternehmen atypischen Leistungsangeboten als Umsatzerlöse auszuweisen. Diese Erträge mussten zuvor als sonstige betriebliche Erträge ausgewiesen werden. Der Auslegung der Begriffe »Produkte« und »Dienstleistungen« kommt für die Abgrenzung von Umsatzerlösen und sonstigen betrieblichen Erträgen eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Baumann 2015, § 277 HGB, Rz. 76; Schmidt/Kliem 2020, § 275 HGB, Rz. 48). Der Begriff »Produkte« ist grundsätzlich mit dem Begriffspaar »Erzeugnisse und Waren« gleichzusetzen (vgl. Schmidt/Kliem 2020, § 275 HGB, Rz. 49). Trotz eines anderen Wortlauts der Formulierung ist nicht von einer materiellen Änderung der Bedeutung auszugehen (vgl. Baumann 2015, § 277 HGB, Rz. 80). Bei Erzeugnissen und Waren handelt es sich gem. § 266 Abs. 2 B.I.3 HGB
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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um Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens. Handelsunternehmen realisieren demnach Umsatzerlöse aus dem Verkauf von Waren, produzierende Unternehmen aus dem Verkauf der eigenen Erzeugnisse. Für die Erbringung von Dienstleistungen sind gem. § 277 Abs. 1 HGB stets Umsatzerlöse auszuweisen (vgl. Schmidt/Kliem 2020, § 275 HGB, Rz. 52). Erzielt ein Unternehmen Erträge, ohne dass diese auf einem Leistungsaustausch basieren, kommt die Erfassung von Umsatzerlösen aufgrund einer fehlenden Dienstleistung nicht in Frage (vgl. Peun/Rimmelspacher 2015, S. 12 f.). Uneinigkeit herrscht dagegen über Erträge aus dem Verkauf von nicht mehr benötigten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Während beispielsweise Oser/Orth/Wirtz (2015) und Richter (2015) Erträge aus diesen Verkäufen generell auch zu den Umsatzerlösen zählen, verneinen Peun/Rimmelspacher (2015) und Schmidt/Kliem (2020) dies, es sei denn, derartige Verkäufe sind typisch für den Geschäftszweig eines Unternehmens und erfolgen damit regelmäßig. Produkt
Umlaufvermögen (Fertige Erzeugnisse und Handelsware) Anlagevermögen
Verwertung Verkauf
Vermietung oder Verpachtung
Umsatzerlöse
Umsatzerlöse
sonstige betriebliche Erträge
Umsatzerlöse
59
Abb. III.3./16 Abgrenzung des Begriffs »Produkt« gem. BilRUG
Während die Verwertung von Umlaufvermögen demnach zu Umsatzerlösen führt, fehlt Vermögensgegenständen des Anlagevermögens die Eigenschaft als Produkt i. S. d. § 277 Abs. 1 HGB. Demnach erfolgt der Ausweis von etwaigen Veräußerungsgewinnen oder -verlusten aus dem Verkauf von Anlagevermögen nicht unter Umsatzerlösen, sondern unter den sonstigen betrieblichen Erträgen bzw. sonstigen betrieblichen Aufwendungen (vgl. Peun/Rimmelspacher 2015, S. 12 f.). Lediglich die Vermietung oder Verpachtung von Anlagevermögen führt gem. § 277 Abs. 1 HGB zur Erfassung von Umsatzerlösen (vgl. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 427). Weiterhin fallen Erträge aus dem Verkauf von sonstigen Vermögensgegenständen, der Auflösung von Rückstellungen, Erträge aus der Währungsumrechnung sowie Gewinne bei Umwandlungsvorgängen unter die sonstigen betrieblichen Erträge (vgl. Oser/Orth/Wirtz 2015, S. 1729 f.). Abbildung III.3./16 stellt diese Systematik abschließend dar.
3.8.2 Ansatz und Bewertung 3.8.2.1 Internationale Normen Der Zielsetzung und dem Grundprinzip folgend Kap. III.3.8.2 findet sich in IFRS 15 ein FünfSchritte-Modell zur Umsatzrealisierung. Dieses auf den Ansatz und die Bewertung von Umsatzerlösen bezogene Modell, welches die folgenden Schritte umfasst, wird in Abbildung III.3./17 schematisch dargestellt (vgl. hierzu z. B. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 92 ff.; Schönhofer 2020, § 15, Tz. 52 ff.): a) Identifikation von Verträgen mit Kunden b) Identifikation von separaten Leistungsverpflichtungen
59 In Anlehnung an Breidenbach/Währisch 2016, S. 154.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
c) Ermittlung des Transaktionspreises d) Allokation des Transaktionspreises e) Ertragsrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung
Schritt 1
Identifikation von Verträgen mit Kunden
Schritt 2
Identifikation separater Leistungsverpflichtungen (LV)
Schritt 3
Ermittlung des Transaktionspreises
Schritt 4
Allokation des Transaktionspreises zu den Leistungsverpflichtungen
Transaktionspreis LV 1
Transaktionspreis LV 2
Schritt 5
Ertragsrealisierung bei Erfüllung der separaten Leistungsverpflichtungen
Ertragsrealisierung LV 1
Ertragsrealisierung LV 2
Vertrag
Leistungsverpflichtung LV 1
Leistungsverpflichtung LV 2
Transaktionspreis
Abb. III.3./17 Grundkonzeption der Erlösrealisierung nach IFRS60
a. Identifikation von Verträgen mit Kunden IFRS 15 knüpft die Erlöserfassung an den Ansatz und die Bewertung von vertraglichen Ansprüchen und Pflichten. Ausgangspunkt der Bilanzierung ist somit ein Vertrag mit einem Kunden, wobei der Standard zum Zweck der Erlöserfassung den Begriff weit interpretiert. Ein Vertrag ist als eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien definiert, durch die durchsetzbare Rechte und Pflichten begründet sind (IFRS 15.10). Dabei müssen die in IFRS 15.9 aufgeführten Definitionsmerkmale kumulativ erfüllt sein: a) die Vertragsparteien haben dem Vertragsinhalt zugestimmt; b) die durchsetzbaren vertraglichen Rechte und Pflichten sind identifizierbar; c) die verbundenen Zahlungsbedingungen sind feststellbar; d) der Vertag hat wirtschaftlichen Gehalt; e) es ist wahrscheinlich, dass das Unternehmen die verbundene Gegenleistung erhält. Verträge können schriftlich oder mündlich geschlossen werden oder durch Geschäftsgebaren des Unternehmens impliziert sein (IFRS 15.9a). Die Durchsetzbarkeit des Vertrags ist mit Hinblick auf das nationale Zivilrecht zu beurteilen (vgl. Wüstemann/Wüstemann/Jendreck
60 In Anlehnung an Grote/Hold/Pilhofer 2014, S. 408.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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2022, IFRS 15, Rn. 17), was wiederum zulasten der internationalen Vergleichbarkeit geht (s. Kap. III.3.8.1). Bevor die Definitionsmerkmale nicht kumulativ erfüllt sind, kommt nach IFRS 15 keine Ertragsvereinnahmung in Frage (vgl. Grote/Hold/Pilhofer 2014, S. 408). Ein Unternehmen hat dann an jedem folgenden Bilanzstichtag eine Neubewertung der Kriterien vorzunehmen (IFRS 15.14). Bei der Identifizierung kann es geboten sein, mehrere zur gleichen Zeit oder in zeitlicher Nähe mit demselben oder einander nahestehenden Kunden geschlossene Verträge zusammengefasst zu behandeln (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 42 ff.). Die Zusammenfassung ist dann geboten, wenn die resultierenden Ansprüche und Pflichten voneinander abhängig sind und aus wirtschaftlicher Hinsicht einen einzigen Geschäftsvorfall begründen. Während der Standard grundsätzlich die Einzelvertragsebene als Ausgangspunkt heranzieht, gibt es nach IFRS 15.4 aufgrund praktischer Gesichtspunkte auch die Möglichkeit der Portfoliobildung. Hierfür müssen Verträge hinreichend ähnliche Merkmale aufweisen. Außerdem darf die Portfoliobetrachtung keine wesentlichen Auswirkungen auf den Abschluss haben. Die Bildung des Portfolios soll nach vernünftigem Ermessen erfolgen, was potentiell Gestaltungsfreiraum für den Bilanzierenden eröffnet. Allerdings darf die Gesamtbetrachtung des Portfolios nicht wesentlich von der Einzelbetrachtung der Verträge abweichen (IFRS 15.4). b. Identifikation separater Leistungsverpflichtungen Im Sinne der Zielsetzung, die Unternehmensleistung widerzuspiegeln, verlangt IFRS 15.22 vertragliche Verpflichtungen weiter in Leistungsverpflichtungen aufzuteilen. Dabei können Leistungsverpflichtungen nicht nur im Vertrag ausdrücklich genannte Leistungszusagen, sondern auch rein faktische Verpflichtungen aus dem gewöhnlichen Geschäftsgebaren bzw. aus Ankündigungen sein (IFRS 15.24). Eine Leistungsverpflichtung besteht, wenn entweder y eine Ware oder eine Dienstleistung (oder ein Bündel von Waren und Dienstleistungen) eigenständig abgrenzbar ist (IFRS 15.22a) oder y wenn eine Reihe eigenständig abgrenzbarer Waren oder Dienstleistungen, die im Wesentlichen gleich sind, nach dem gleichen Muster auf den Kunden übertragen werden (IFRS 15.22b). Ein Muster ist nach IFRS 15.23 dann als gleich anzusehen, wenn jede eigenständige Leistung in einer Reihe über einen Zeitraum hinweg erfüllt und der Fortschritt bis zur vollständigen Leistungserbringung für jede eigenständige Leistung nach der gleichen Methode bestimmt wird. Beispiel Produktion einer Serie von Produkten Ein Unternehmen A produziert 1.000 Stück eines Produkts für einen Kunden K. Das Produkt ist auf die Anforderungen des Kunden individuell angepasst. Annahmegemäß sei die Leistungserbringung nach IFRS 15.35 zeitraumbezogen und die Erfassung des Leistungsfortschritts nach einer einheitlichen Methode erfolgt. Die einzelnen Produkte sind für den Kunden K einzeln verwendbar und die Produkte beeinflussen sich nicht gegenseitig. Demnach ist jedes einzelne Stück grundsätzlich als eigenständig anzusehen. Da die Lieferung der Produkte über einen gewissen Zeitraum und die Messung der Leistungserbringung einheitlich erfolgt, z. B. anhand der gelieferten Stückzahl, kann das Unternehmen A die 1.000 Produkte aber zu einer eigenständigen Leistungsverpflichtung zusammenfassen.
572
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Der Standard konkretisiert zudem die Eigenständigkeit einzelner Vertragsleistungen in IFRS 15.27. Eine Ware oder eine Dienstleistung ist demnach eigenständig, wenn einem Kunden aus den zugesagten Waren oder Dienstleistungen ein Nutzen entsteht und die Zusage von anderen Zusagen trennbar ist. Der Nutzen kann dabei direkt oder im Zusammenspiel mit anderen, dem Kunden zur Verfügung stehenden Ressourcen entstehen (IFRS 15.27a; vgl. Wüstemann/Wüstemann/Jendreck 2022, IFRS 15, Rn. 56). Des Weiteren muss die Leistungszusage innerhalb des Vertrages eigenständig abgrenzbar (separately identifiable) und somit von anderen Vertragsrisiken separierbar sein (IFRS 15.27b). Abgrenzbarkeit ist nach IFRS 15.29 dann anzunehmen, wenn die Ware oder die Dienstleistung keine wesentliche Integrationsleistung darstellt, sie keine wesentliche Modifikation der Gesamtleistung darstellt oder sie weder von anderen Vertragsbestandteilen abhängt bzw. eng mit diesen verbunden ist. Die Kriterien des IFRS 15.27 müssen kumulativ erfüllt sein, um die Eigenständigkeit einer Vertragsleistung zu bejahen. Beispiel Bau einer Schule Der Bau einer Schule wird von einem Unternehmen in mehreren Schritten ausgeführt. Formal wird das Vorhaben in Projektmanagement, Lieferung und Verarbeitung von Baumaterial und Innenausbau unterteilt. Die einzelnen Projektbestandteile sind einzeln am Markt verfügbar. Obwohl eine formale Aufteilung in einzelne Leistungsverpflichtungen möglich wäre, ist dies hier nicht geboten. Es ist klar erkennbar, dass der Bau der Schule eine wesentliche Integrationsleistung darstellt und ein fertiges Schulgebäude als kombiniertes Endprodukt geschuldet wird. Die einzelnen Bestandteile sind hier gem. IFRS 15.27b nicht hinreichend separierbar.
Sofern einzelne Waren oder Dienstleistungen nicht die Kriterien einer separierbaren Leistungsverpflichtung erfüllen, soll das Unternehmen solche einzelnen Leistungen so lange zusammenfassen, bis eine abgrenzbare Ware oder Dienstleistung gegeben ist (IFRS 15.30). Im Extremfall führt dies dazu, dass alle in einem Vertrag genannten Güter oder Dienstleistungen als eine Leistungsverpflichtung anzusehen sind. Das IASB trägt hiermit der Problematik Rechnung, dass bei bestimmten Vertragstypen, z. B. in der Bau- oder Softwareindustrie, eine Aufteilung in einzelne Vertragsbestandteile den Blick auf die eigentliche Unternehmensleistung erschwert und demnach nicht zweckdienlich ist. c. Ermittlung des Transaktionspreises Die Höhe der zu erfassenden Erlöse bestimmt sich anhand des sog. Transaktionspreises. Der Transaktionspreis ist dabei die Gegenleistung, die ein Unternehmen vom Kunden für die Übertragung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen erwarten kann (IFRS 15.47). Eine Gegenleistung kann neben festen Gegenleistungen, und damit sicheren Bestandteilen, auch variable Bestandteile enthalten (vgl. Wüstemann/Wüstemann/Jendreck 2022, IFRS 15, Rn. 100 ff.). Unter variable Gegenleistungen fallen u. a. gewährte Preisnachlässe, Rabatte, oder Skonti (vgl. Ernst & Young 2020, S. 98). Weitere gängige Beispiele sind Vielfliegerprogramme oder Kundenkarten mit Bonuspunktesystem. Variable Gegenleistungen liegen auch dann vor, wenn das Recht des Unternehmens auf Gegenleistung von dem Eintreten eines künftigen Ereignisses abhängt (IFRS 15.51). Enthält ein Vertrag variable Vergütungsbestandteile, ist dementsprechend anhand der vorliegenden Kenntnisse eine Schätzung der zu erwartenden Erlöse vorzuneh-
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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men (IFRS 15.50 f.). Eine angemessene Schätzung des variablen Bestandteils zur Erlösbemessung erfolgt anhand der Erwartungswertmethode (expected value) oder des wahrscheinlichsten Betrags (most likely outcome). Der Erwartungswert stellt eine angemessene Schätzung dar, wenn eine Vielzahl gleichartiger Gegenleistungen mit mehreren möglichen Ausgängen vorliegt (IFRS 15.53a). Bestehen allerdings nur zwei mögliche Szenarien, beispielsweise ein Leistungsbonus wird gewährt oder nicht, kann der Betrag mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit eine angemessene Schätzung darstellen (IFRS 15.53b). Die Beurteilung, welche der beiden vorgegebenen Methoden zum Zweck der Erlösbemessung die beste ist, liegt letztendlich im Ermessen des Bilanzierenden (IFRS 15.53). IFRS 15 thematisiert die Unsicherheit variabler Gegenleistung zudem dadurch, dass der Betrag der variablen Gegenleistung, der als Erlös erfasst werden kann, begrenzt ist. Insbesondere dürfen geschätzte variable Beträge nur in der Höhe im Transaktionspreis berücksichtigt werden, für die es als hochwahrscheinlich (highly probable) gilt, dass ein Wegfall der Unsicherheit in Bezug auf die Höhe dieser variablen Beträge nicht zu einer wesentlichen Änderung der Umsatzerlöse führen wird. Ist dies nicht möglich, darf zu diesem Zeitpunkt nur der Teil der variablen Gegenleistung berücksichtigt werden, der bei Auflösung der Unsicherheit zu keiner wesentlichen Änderung der Umsatzerlöse führen würde (IFRS 15.56). Diese Restriktion verhindert einen ggf. zu hohen Ausweis von mit Unsicherheit behafteten variablen Vergütungsbestandteilen, beispielsweise bei Transaktionen mit ausfallgefährdeten Kunden, und stellt somit eine Abkehr vom Neutralitätsgrundsatz des IASB Conceptual Frameworks (s. Kap. II.5.3) dar (vgl. Wüstemann/Wüstemann 2014, S. 936). Am Ende jeder Berichtsperiode muss ein Unternehmen die Bewertung überprüfen und ggf. den Transaktionspreis entsprechend anpassen (IFRS 15.59). Etwaige Änderungen des Transaktionspreises sind nach IFRS 15.87-90 zu bilanzieren und in der Regel den vertraglichen Leistungsverpflichtungen auf der gleichen Basis zuzuordnen wie bei Vertragsbeginn. Des Weiteren ist das Entgelt um signifikante Finanzierungskomponenten zu bereinigen. Dies folgt aus der Konzeption des Transaktionspreises als erwartungsgemäßem Anspruch auf eine Gegenleistung. Bei der Ermittlung des Transaktionspreises im Sinne eines Barverkaufspreises sind demnach der Zeitwert des Geldes zu berücksichtigen und Finanzierungskomponenten abzutrennen, sollte dem Kunden oder dem leistenden Unternehmen ein signifikanter Finanzierungsvorteil entstehen (IFRS 15.60-61). Die Finanzierungskomponente kann dabei explizit im Vertrag festgeschrieben oder über den zeitlichen Versatz zwischen Leistung und Gegenleistung impliziert sein (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 103). Beispiel Transaktionspreis mit signifikanter Finanzierungskomponente Die Jokohama International bietet ihren Kunden den Kauf des neuen Elektroautos Elektra GT an. Der Barzahlungspreis beträgt 15.727 €. Alternativ ist eine Zahlung von drei jährlichen Raten in Höhe von jeweils 5.500 € möglich. Die erste Zahlung erfolgt im Zeitpunkt des Erwerbs. Der Kunde entscheidet sich für die Ratenzahlung per Banküberweisung. Gekauft wird der Elektra GT am 31.12.t1. Wie ist der Geschäftsvorfall zu diesem Zeitpunkt und in den Folgeperioden nach IFRS zu verbuchen? Wie hoch ist der Erlös in den einzelnen Perioden? Es ist jeweils auf volle €-Beträge zu runden. Auf die Berücksichtigung der Umsatzsteuer wird verzichtet. Der Autoverkauf enthält eine Finanzierungskomponente nach IFRS 15.60-62, da die Summe der Ratenzahlungen (3 × 5.500 € = 16.500 €) den Barzahlungspreis (15.727 €) übersteigt. Die Höhe des Erlöses entspricht dem beizulegenden Zeitwert, hier dem diskontierten Wert der Zahlungsströme (Ratenzahlungen). Gem. IFRS 15.64 kann der Zinssatz herangezogen werden, der anzuwenden ist,
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
damit der Barwert der zu leistenden Zahlungen dem Barzahlungspreis entspricht. In diesem Fall beträgt der Zinssatz 5 % (5.500 € + 5.500 € / 1,05 + 5.500 € / 1,052 = 15.727 €). Zum 31.12.t1 ist zu buchen: Bank Vertraglicher Vermögenswert
5.500 € 10.227 €
an
Umsatzerlöse
15.727 €
Am 31.12.t2 geht die zweite Ratenzahlung ein. Gleichzeitig ist ein Zinsertrag zu vereinnahmen. Die zum 31.12.t1 ausstehenden Ratenzahlungen (10.227 €) wurde auf ein Jahr mit dem Zinssatz von 5 % finanziert (10.227 € × 0,05 = 511 €). Zum 31.12.t2 ist zu buchen: Bank
5.500 €
an
Zinsertrag Vertraglicher Vermögenswert
511 € 4.989 €
Am 31.12.t3 geht die letzte Ratenzahlung ein. Gleichzeitig ist ein Zinsertrag für die Finanzierung von 5.238 € (10.227 € – 4.989 €) mit dem vorgegebenen Zinssatz von 5 % (5.238 € × 0,05 = 262 €) zu vereinnahmen. Zum 31.12.t3 ist zu buchen: Bank
5.500 €
an
Zinsertrag Vertraglicher Vermögenswert
262 € 5.238 €
d. Allokation des Transaktionspreises Um die Unternehmensleistung hinreichend abbilden zu können, ist der Transaktionspreis auf die einzelnen Leistungsverpflichtungen aufzuteilen (vgl. Wüstemann/Wüstemann/Jendreck 2022, IFRS 15, Rn. 127 ff.). Umfasst ein Vertrag mehrere Leistungsverpflichtungen, verteilt das Unternehmen den Transaktionspreis auf die Leistungsverpflichtungen des Vertrags proportional auf Grundlage der Einzelveräußerungspreise (IFRS 15.76). Die Gesamtvergütung wird anhand der relativen Vergütung für die Erbringung der einzelnen Leistungen aufgeteilt und dementsprechend vereinnahmt. Preisnachlässe sind ebenso proportional zu den Einzelveräußerungspreisen der individuellen Leistungsverpflichtungen zu berücksichtigen, sofern eine klare wirtschaftliche Zuordnung zu einzelnen Komponenten besteht (IFRS 15.81 f.). Nach IFRS 15 ist ein Einzelveräußerungspreis der Preis, zu dem ein Unternehmen einem Kunden eine zugesagte Ware oder eine zugesagte Dienstleistung separat verkaufen würde. Bester Anhaltspunkt für einen Einzelveräußerungspreis ist dabei ein am Markt beobachtbarer, ein vertraglich festgelegter oder auch ein Listenpreis (IFRS 15.77). Beispiel Allokation des Transaktionspreises Ein Lieferant schließt im Dezember t1 einen Vertrag mit einem Kunden über die Konstruktion eines Werkzeugs und die Lieferung von 400 Bauteilen, die mit dem Werkzeug weiterverarbeitet werden können, ab. Das Eigentumsrecht an dem fertigen Werkzeug wird in t1 an den Kunden übertragen. Dem Lieferanten werden die Produktionskosten für das Werkzeug (ohne Gewinnmarge) in Höhe von 8.000 € noch in t1 erstattet. Ein üblicher Einzelveräußerungspreis für das Werkzeug wäre 11.000 €. Die Lieferung der 400 Bauteile erfolgt im Laufe von t2. Der Kunde zahlt in t2 120 € pro Bauteil. Ohne den in t1 abgeschlossenen Konstruktionsvertrag würde der Lieferant 115 € für jedes Bauteil berechnen.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
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Hinsichtlich der Erlösrealisierung ist ein Vertrag mit einem Kunden eindeutig identifizierbar. Der Vertrag beinhaltet zwei differenzierbare Leistungsverpflichtungen, das »Werkzeug« und die »Bauteile«. Der Transaktionspreis bestimmt sich als die Summe der Preise, die jeweils für die beiden Einzelverpflichtungen entrichtet wurden. Die Aufteilung des Transaktionspreises auf die separaten Leistungsverpflichtungen erfolgt anhand der relativen Einzelveräußerungspreise. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die notwendigen Berechnungen. Transaktions- Einzelveräuße- EinzelveräußeRelativer preis rungspreis rungspreis (%) Einzelveräußerungspreis
Zeitpunkt der Umsatzrealisierung
8.000 €
11.000 €
19,3 %
10.808 €
t1
Bauteile
48.000 €
46.000 €
80,7 %
45.192 €
t2
Summe
56.000 €
57.000 €
100,0 %
56.000 €
Werkzeug
Die letztendliche Umsatzrealisierung erfolgt bei Kontrollübergang (»Werkzeug«) bzw. der Leistungserbringung (»Bauteile«). Der relative Einzelveräußerungspreis errechnet sich durch Multiplikation des gesamten Transaktionspreises (56.000 €) mit dem periodenbezogenen Einzelveräußerungspreis in Prozent. Die Buchungssätze sind wie folgt: Umsatzrealisierung bei Kontrollübergang in t1: Bank Vertraglicher Vermögenswert
8.000 € 2.808 €
an
Umsatzerlöse
10.808 €
an
Umsatzerlöse Vertraglicher Vermögenswert
45.192 € 2.808 €
Umsatzrealisierung bei Leistungserbringung in t2: Bank
48.000 €
Ist ein Einzelveräußerungspreis nicht direkt beobachtbar, muss er vom Unternehmen geschätzt werden (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 132). IFRS 15.79 nennt verschiedene Methoden, die zur Schätzung heranzogen werden können; die Methoden können auch kombiniert werden. Die Schätzmethoden beinhalten die Methode der angepassten Marktbeurteilung (adjusted-market-assessment-Methode), das Kostenzuschussverfahren (expected-cost-plus-a-marginMethode) und die Residualwertmethode (residual-Methode). Die beiden erstgenannten Methoden verwenden entweder einen gängigen Marktpreis oder die erwarteten Kosten der Erfüllung als Ausgangspunkt der Berechnung. Beide Referenzgrößen werden dann mithilfe der entsprechenden Marge des Unternehmens angepasst. Das letztgenannte Verfahren erlaubt eine retrograde Bestimmung des zu schätzenden Einzelveräußerungspreises. Der zu schätzende Einzelveräußerungspreis ist als die Differenz zwischen dem gesamten Transaktionspreis und der Summe der bestimmbaren Einzelpreise gegeben. Diese Methode ist allerdings z. B. nur dann zulässig, wenn der Einzelveräußerungspreis starken Schwankungen unterliegt (IFRS 15.79c).
e. Ertragsrealisierung bei Erfüllung einer Leistungsverpflichtung Die Erlöserfassung ist an die Erfüllung der einzelnen Leistungsverpflichtungen gebunden. Erlöse werden demnach erfasst, wenn die identifizierte Leistungsverpflichtung erbracht ist und die Kontrolle (control) auf den Leistungsempfänger übergeht (IFRS 15.31). Das Kriterium der Kontrollübertragung (s. Kap. III.3.8.1) ist im Sinne des asset-liability-Ansatzes an die Kontrolle als zentrales Element der Vermögenswertdefinition (s. Kap. II.5.3.5.3) angelehnt und dient der konsistenten Anwendung dieses Kriteriums innerhalb der IFRS (vgl. Wüstemann/Wüstemann 2014, S. 934).
576
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Zum Zeitpunkt der Kontrollübertragung entsteht regelmäßig auch der Anspruch auf Gegenleistung, welcher wiederum den Zufluss wirtschaftlichen Nutzens festlegt (IFRS 15.31). Ein Vermögenswert gilt dann als übertragen, wenn der Kunde die Kontrolle über den Vermögenswert erlangt. Kontrolle schließt die Fähigkeit ein, die Nutzung zu bestimmen und Dritte hiervon auszuschließen. Beim Nutzen handelt es sich um potenzielle Zahlungsströme (Zuflüsse oder verminderte Abflüsse), die einem Unternehmen direkt oder indirekt zukommen (IFRS 15.33). Dementsprechend erfolgt die Erlösrealisation beim Übergang der Kontrolle über die potentiellen Zahlungsströme aus dem Vermögenswert an den Kunden. Die Übertragung der Kontrolle muss allerdings nicht an einen genauen Zeitpunkt gebunden sein. IFRS 15.32 unterscheidet hier zwischen zeitpunktbezogenen Leistungsverpflichtungen und zeitraumbezogenen Leistungsverpflichtungen. Bei zeitpunktbezogenen Leistungsverpflichtungen erfolgt die Umsatzrealisierung, wenn das Unternehmen die Kontrolle zu einem konkreten Zeitpunkt erlangt. IFRS 15.38 enthält eine Aufzählung von Indikatoren zur Bestimmung des Zeitpunkts des Kontrollübergangs wie z. B. ein bestehender Zahlungsanspruch, der physische Besitz des Kunden oder die Abnahme des Vermögenswertes durch den Kunden. Weiterhin kann das rechtliche Eigentum ein Hinweis auf den Kontrollübergang sein, auch wenn letztlich das wirtschaftliche Eigentum entscheidend ist (z. B. schließt eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt einen Kontrollübergang nicht aus). Als ein weiterer Indikator ist der Übergang signifikanter Chancen und Risiken an den Kunden zu nennen. Bei einer zeitraumbezogenen Leistungsverpflichtung erfolgt der Kontrollübergang mit fortschreitender Leistungserbringung. Eine Leistungsverpflichtung ist insbesondere dann als zeitraumbezogen anzusehen, wenn eines der folgenden Kriterien gem. IFRS 15.35 erfüllt ist: y dem Kunden fließt durch die Leistung des Unternehmens ein Nutzen aus der erbrachten Leistung zu und er nutzt diese gleichzeitig (IFRS 15.35a), y mit der Leistung erstellt oder verbessert das Unternehmen einen Vermögenswert, über den der Kunde die Kontrolle besitzt (IFRS 15.35b), y durch die Leistung wird vom Unternehmen ein Vermögenswert erstellt, der keine alternativen Nutzungsmöglichkeiten aufweist und das Unternehmen hat einen Rechtsanspruch auf Bezahlung der erbrachten Leistung (IFRS 15.35c). Bei Erfüllung eines der obengenannten Kriterien hat ein Unternehmen die Umsatzerlöse über den zeitlichen Verlauf der Leistungsverpflichtung zu verteilen. Kann eine zeitraumbezogene Leistungserbringung nicht festgestellt werden, ist die entsprechende Leistungserbringung nach IFRS 15.32 i. V. m. IFRS 15.38 als zeitpunktbezogen zu klassifizieren. Zur Messung einer zeitraumbezogenen Leistungserfüllung kommen input- und outputorientierte Methoden in Betracht. Dabei ist die Methode zu wählen, die für die konkreten Waren und Dienstleistungen die kontinuierliche Übertragung am besten darstellt (faithful depiction, IFRS 15.41 und 15.B14 ff.). Bei inputorientierten Methoden erfolgt die Umsatzerfassung auf Basis des angefallenen Arbeitseinsatzes bzw. der verbrauchten Ressourcen (beispielsweise aufgewendete Arbeitsstunden, entstandene Kosten, vergangene Zeit oder Maschinennutzung in Stunden) im Verhältnis zum insgesamt erwarteten Ressourcenverbrauch (IFRS 15.B18). Hier ist die cost-to-cost-Methode gängige Praxis (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 154). Dabei wird das Verhältnis der bis zum Stichtag angefallenen Auftragskosten zu den geschätz-
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
577
ten gesamten Auftragskosten als Maßgröße verwendet (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 153). Die Methode wird allerdings explizit ausgeschlossen, wenn die Kosten nicht repräsentativ für den Leistungsfortschritt sind (IFRS 15.B19). Andere inputorientierte Methoden bemessen den Fertigstellungsgrad anhand eines Vergleichs des bis zum Stichtag erbrachten Inputs mit dem geschätzten Gesamt-Input (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 152). Hier kann die Bemessung anhand der geleisteten Arbeitsstunden (efforts-expended-Methode) erfolgen. Beispiele Cost-to-cost-Methode Die Gesamtkosten eines Bauvorhabens belaufen sich auf 625 T€ und der Gesamterlös auf 700 T€. Im Jahr t1 seien 125 T€ an Kosten angefallen. Nach der cost-to-cost-Methode sind somit auf Basis der angefallenen Kosten 20 % (125 T€ / 625 T€) der Gesamterlöse (700 T€ x 0,2 = 140 T€) als Umsatzerlöse zu realisieren. Efforts-expended-Methode Für die Erstellung eines Flughafens wird mit einem Arbeitseinsatz von 100.000 Zeiteinheiten kalkuliert. Es wurden bislang 40.000 Zeiteinheiten erbracht. Demnach beträgt der Fertigstellungsgrad gemäß der geleisteten Arbeitsstunden 40 % und die Umsatzerlöse sind dementsprechend zu bilanzieren.
Bei outputorientierten Methoden wird hingegen der dem Kunden bereits durch Erfüllung der Leistungsverpflichtung zugeflossene Nutzen zum Gesamtnutzen aus der Leistungsverpflichtung ins Verhältnis gesetzt (IFRS 15.B15). Bei der Bemessung des Fertigstellungsgrads kann auf physische Teilleistungen (physical-observation-Methode), vertragliche Meilensteine (contract milestones) oder auch die Anzahl der bereits fertiggestellten Einheiten (units-of-deliveryMethode) zurückgegriffen werden (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 153). IFRS 15 gibt keine konkrete input- oder outputorientierte Methode vor. Vielmehr sollen die Paragrafen B14-B19 das bilanzierende Unternehmen bei der Wahl der Methode unterstützen, welche die Unternehmensleistung in einer geeigneten Weise abbildet (IFRS 15.41). Das folgende Beispiel veranschaulicht die Teilgewinnrealisierung im Zeitablauf. Beispiel Langfristfertigung nach IFRS 15 Die Bau AG errichtet eine Brücke. Vereinbart wurde ein Festpreis von 700 T€. Die Auftragsdauer beträgt 5 Jahre (Beginn in t1 und Fertigstellung in t5). Die geplanten Gesamtkosten betragen 625 T€. Tatsächlich fallen 20 % der geschätzten Gesamtkosten pro Jahr an. In den Folgeperioden ergeben sich annahmegemäß keine Abweichungen. Alle Kosten sind als Aufwand verrechenbar. In der IFRS-Bilanz wird eine Teilgewinnrealisierung annahmegemäß nach der cost-to-cost-Methode gem. IFRS 15.B18 vorgenommen, d. h. der geplante Gewinn ist sukzessive zu vereinnahmen und zwar im Verhältnis der tatsächlich angefallenen Kosten zu den geplanten Gesamtkosten. Anzuwenden ist das Umsatzkostenverfahren (s. Kap. II.2.3.2). t1
t2
t3
t4
140 T€
280 T€
420 T€
560 T€
15 T€
15 T€
15 T€
15 T€
t5
Bilanz Auftrag in Bearbeitung (Vorräte) Forderungen Ergebnisbeitrag
0 T€ 700 T€ 15 T€
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
t1
t2
t3
t4
t5
GuV Umsatzerlöse
140 T€
140 T€
140 T€
140 T€
140 T€
-125 T€
-125 T€
-125 T€
-125 T€
-125 T€
Ergebnisbeitrag
15 T€
15 T€
15 T€
15 T€
15 T€
matching (ErtragAufwand) in T€
140 - 125
140 - 125
140 - 125
140 - 125
140 - 125
- Umsatzbezogene Herstellungskosten
Die Verbuchung erfolgt anhand des Leistungsfortschritts, hier jeweils 20 % der Umsatzerlöse und der umsatzbezogenen Herstellungskosten pro Jahr. Die Buchungssätze lauten wie folgt: Umsatzrealisierung in t1-t5: Umsatzbezogene Herstellungskosten Vertraglicher Vermögenswert
125 T€ 140 T€
an
Bank Umsatzerlöse
125 T€ 140 T€
Zusätzliche Buchung in t5: Forderungen
700 T€
an
Vertraglicher Vermögenswert
700 T€
Diskussionsfrage III.3.-19 In dem obigen Beispiel stellt sich in t4 heraus, dass sich durch unerwartet schlechte Bodenverhältnisse die geplanten Gesamtkosten von 625 T€ auf 725 T€ erhöhen. Passen Sie in dem zuvor dargestellten Tableau die Zahlen für die Berichtsperioden t4 und t5 an. Beachten Sie bei Ihren Überlegungen, dass nunmehr ein Verlustauftrag vorliegt und Sie in den vorherigen Perioden (t1 bis t3) bereits Teilgewinne in Höhe von 45 T€ realisiert haben. Diskutieren Sie, ob das sich ergebende matching im Zeitablauf entscheidungsnützliche Finanzinformationen liefert!
Aufgrund der Abweichungen zwischen den steuerrechtlichen Regelungen und den IFRS besteht regelmäßig die Notwendigkeit zur Bildung latenter Steuern (s. Kap. III.2.2). Insbesondere ist steuerrechtlich eine Teilgewinnrealisierung nur bei selbstständig abgrenzbaren und abgenommenen Teilleistungen zulässig (vgl. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 463). Ein Gewinnausweis ist grundsätzlich erst am Ende des Auftrags mit Abnahme der Leistung möglich. Zuvor gilt das Prinzip der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte. Dies erscheint konsequent, da es ansonsten zu Steueransprüchen des Fiskus kommt, für die im Unternehmen ggf. keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. In Fällen, in denen keine verlässliche Schätzung des Fertigstellungsgrads möglich ist, ist die zero-profit-margin-Methode anzuwenden (IFRS 15.44-45). In diesem Fall darf ein Unternehmen den Erlös nur in dem Umfang erfassen, der den angefallenen Kosten bis zu diesem Zeitpunkt entspricht. Beispiel Zero-profit-margin-Methode Die Bau AG errichtet eine Brücke. Der Sachverhalt entspricht grundsätzlich dem aus dem vorangegangenen Beispiel zur Langfristfertigung. Abweichend sei eine verlässliche Schätzung des Fertigstellungsgrads im Sinne des IFRS 15.44 nicht möglich. Die Gegenüberstellung der Erträge und Aufwendungen ergibt sich gemäß der zero-profit-margin-Methode wie folgt:
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
t1
t2
t3
t4
579
t5
Bilanz Auftrag in Bearbeitung (Vorräte)
125 T€
250 T€
375 T€
500 T€
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
75 T€
Umsatzerlöse
125 T€
125 T€
125 T€
125 T€
200 T€
- Umsatzbezogene Herstellungskosten
125 T€
125 T€
125 T€
125 T€
125 T€
Ergebnisbeitrag
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
75 T€
matching (ErtragAufwand) in T€
125 - 125
125 - 125
125 - 125
125 - 125
200 - 125
Forderungen Ergebnisbeitrag
0 T€ 700 T€
GuV
3.8.2.2 Deutsche GoB a. Grundsätzliche Vorgehensweise Die Umsatzrealisation nach deutschen GoB folgt dem Realisationsprinzip (s. Kap. II.4.4.5.1). Demzufolge sind Gewinne erst dann zu erfassen, »wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind« (§ 252 Abs. 1, Nr. 4 HGB). Das Realisationsprinzip erfüllt dabei zwei Funktionen. Zum einen regelt es, dass noch nicht am Absatzmarkt realisierte Güter bzw. Leistungen mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bilanzieren sind, bis die Erträge durch den Verkauf realisiert werden (Anschaffungskostenprinzip). Zum anderen legt es fest, wann die aus den Gütern und Leistungen zu ziehenden Ergebnisbeiträge als realisiert angesehen werden. Prinzipiell ist die Gewinnrealisierung an den Umsatzakt gebunden (vgl. Moxter 2003, S. 41). Zumeist bildet dabei der Gefahrenübergang an den Kunden den Realisationszeitpunkt (s. Kap. II.4.4.3.5), d. h., Ergebnisbeiträge werden im Vergleich zur IFRS Rechnungslegung zu einem späteren Zeitpunkt in der GuV erfasst. Erst durch die Erbringung der geschuldeten Lieferung oder Leistung entsteht der quasi-sichere Anspruch auf Gegenleistung, wodurch die mit dem Umsatzprozess verbundenen Risiken des Verkäufers so gut wie vollständig abgebaut werden (vgl. Sessar 2007, S. 47 ff.). Zumeist gelten die Umsatzerlöse dann als realisiert, wenn die folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sind (vgl. Baetge/Ziesemer/Schmidt 2021, § 252 HGB, Rz. 191): a) der Kaufvertrag wurde abgeschlossen, b) die vertraglich vereinbarte Lieferung oder Leistung wurde erbracht, c) die Ware hat den Verfügungsbereich bzw. den Verwertungsbereich des zur Lieferung oder Leistung verpflichtenden Unternehmens verlassen und d) das Geschäft ist abrechnungsfähig. Diese Kriterien geben insofern als gesetzlich kodifizierte GoB Hilfestellungen bei der Auslegung des Realisationsprinzips. Beispiel Verkauf mit Rückgaberecht Ein Kunde bestellt eine Ware und es kommt zum Abschluss eines Kaufvertrags. Vereinbart wurde ein Rückgaberecht. Die Ware wurde bereits produziert und an den Kunden zu 170 T€ netto geliefert.
580
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
In diesem Fall mangelt es an der erforderlichen Sicherheit bzgl. des Vertragsabschlusses. Das zuvor angegebene Kriterium a) ist nicht erfüllt, sodass eine Umsatzrealisierung nicht in Betracht kommt (so auch im Ergebnis Baetge/Ziesemer/Schmidt 2021, § 252 HGB, Rz. 195). Der Vorgang ist buchhalterisch wie folgt zu erfassen: Forderung
170 T€
an
Vorräte
170 T€
b. Langfristige Fertigungsaufträge Für langfristige Fertigungsaufträge enthält das HGB keine speziellen Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften. Fertigungsaufträge sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass sich die Leistungserbringung über mehrere Geschäftsjahre erstreckt. Unfertige Aufträge sind dabei grundsätzlich mit den Herstellungskosten als unfertige Erzeugnisse im Vorratsvermögen anzusetzen. Dies liegt darin begründet, dass der Hersteller gem. § 644 Abs. 1 S. 1 BGB bis zur Abnahme des Werkes durch den Besteller die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt (vgl. Wüstemann/Wüstemann/Müller 2021, Rz. 23). Bis zur Abnahme des Werkes hat der Hersteller alle Rechte inne und ist folglich wirtschaftlicher Eigentümer. Umsatzerlöse sind erst ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Gesamtwerks und nach erfolgreicher Abnahme zu realisieren (completed contract-Methode; vgl. Kreipl/ Müller 2021, § 252 HGB, Rz. 112). Die deutschen GoB argumentieren bezüglich der Periodenabgrenzung wie folgt: Erst mit Abnahme entfällt das Liefer- und Leistungsrisiko, d. h., erst zu diesem Zeitpunkt ist der Gewinn aus dem Auftrag vollumfänglich zu vereinnahmen. Eine Teilgewinnrealisierung nach der percentage of completion-Methode, die die Ertragsrealisation am Fertigungsfortschritt orientiert, widerspricht demnach grundsätzlich dem strengen Realisationsprinzip gem. § 253 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB (vgl. hierzu und den folgenden Ausführungen BFH 1976, S. 541; Moxter 2007, § 5 II 6, S. 58; Baetge/Kirsch/ Thiele 2021a, S. 384 ff.). Eine Teilgewinnrealisierung wie nach IFRS 15 ist nach deutschen GoB deshalb nicht vorgesehen. Nachteilig ist in diesem Fall, dass der nach vollständiger Vertragsabwicklung zu zeigende positive Ergebnisbeitrag nicht nur auf im aktuellen Geschäftsjahr erbrachten Leistungen, sondern auch auf Leistungen der Vorjahre beruht. Dieser unstetige Ergebnisausweis erschwert die innerbetriebliche und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen (s. Kap. II.5.3.1) und kann einer möglicherweise beabsichtigten, (im Zeitablauf) konstanten, Gewinnausschüttung entgegenstehen. Dieser Verzerrung der Ertragslage muss durch eine Pflichtangabe im Anhang begegnet werden (§ 264 Abs. 2 S. 2 HGB). Eine Teilgewinnrealisierung ist allerdings auch nach deutschen GoB angezeigt, wenn der Gesamtauftrag in einzelne Teilaufträge unterteilt wird, die separat abrechenbare Teilleistungen darstellen. In diesem Fall trägt man dem Realisationsprinzip zweifelsfrei Rechnung (vgl. BFH 1976, S. 541; Moxter 2007, § 5 II 6, S. 58). Eine Gewinnrealisierung ohne separat abrechenbare Teilleistungen ist hingegen strittig. Als Argumente gegen eine Teilgewinnrealisierung lassen sich zum einen der Verstoß gegen das Realisationsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB als auch gegen das Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenprinzip gem. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB anführen. Ein Verstoß gegen diese beiden gesetzlichen Einzelvorschriften lässt sich nach der hier vertretenen Meinung weder unter Rückgriff auf § 252 Abs. 2 HGB (Abweichen von § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB in begründeten Ausnahmefällen) noch mit der Generalnorm des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB rechtfertigen (so auch Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 383 ff.). Gleichwohl befürworten Teile der Literatur eine Teilgewinnrealisierung unter sehr einschränkenden Bedingungen auch im Fall nicht separat abrechenbarer Teilleistungen (vgl. ADS 1995, § 252 HGB, Rn. 88; Bigus 2005, S. 604; Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 457 ff.).
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
581
Käme es nach deutschen GoB zu einer Realisierung von Teilgewinnen (angesprochen ist der Gewinnzuschlag i. e. S.), so würden risikobehaftete künftige Ergebnisbeiträge im (Einzel-) Abschluss gezeigt, die mithin für Ausschüttungszwecke zur Verfügung stünden. Ein solches Vorgehen steht indes der Zielsetzung eines HGB-Einzelabschlusses entgegen, eine vorsichtige, für Ausschüttungszwecke geeignete Gewinngröße zu ermitteln (s. Kap. I.2.2.2). Allerdings ließen sich diese Bedenken künftig ausräumen, wenn auch hier etwaige realisierte Ergebnisbeiträge (nach dem Vorbild des § 268 Abs. 8 HGB) für Ausschüttungen gesperrt würden. Liegen die Voraussetzungen für einen zeitraumbezogenen Übergang der Kontrolle vor, so ist ein auf dieser Basis erstellter Abschluss unter Umständen entscheidungsrelevanter als ein HGB-Abschluss. Dagegen leidet aufgrund der bestehenden Schätz- und Ermessensspielräume ggf. die Verlässlichkeit der gegebenen Informationen. Insofern geht IFRS 15 mit einem höheren abschlusspolitischen Gestaltungspotenzial (s. Kap. II.7) einher als die Vorgehensweise nach deutschen GoB. Die abschlusspolitische Eignung liegt besonders darin begründet, dass für die Abschlussadressaten beispielsweise die Ermessensspielräume bei der Bestimmung des Fertigstellungsgrades faktisch nicht erkennbar sind. Weiterhin dürfte es dem Abschlussersteller in einer Vielzahl von Fällen möglich sein, unter Hinweis z. B. auf eine fehlende Zuverlässigkeit der zu schätzenden Daten, auf die Anwendung der percentage of completion-Methode zu verzichten. Hier würde die Pflicht zur Anwendung der Methode »ausgehebelt«. Es bestehen demnach wesentliche Unterschiede in der Bilanzierung von Fertigungsaufträgen nach HGB und IFRS, die vor allem in der strengeren Auslegung des Realisationsprinzips nach deutschen GoB begründet liegen. Mit der Ausgestaltung von Fertigungsaufträgen als separat abrechenbare Teilleistungen lässt sich jedoch zumeist eine weitgehende Annäherung der deutschen GoB an die Behandlung nach IFRS 15 erreichen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine solche Vertragsgestaltung sich in der Praxis auch umsetzen lässt. Beispiel Langfristfertigung nach HGB Die Bau AG errichtet eine Brücke. Vereinbart wurde ein Festpreis von 700 T€. Die Auftragsdauer beträgt 5 Jahre (Beginn in t1 und Fertigstellung in t5). Die geplanten Gesamtkosten betragen 625 T€. Tatsächlich fallen 20 % der geschätzten Gesamtkosten pro Jahr an. Grundsätzlich ist eine Teilgewinnrealisierung handelsrechtlich nicht möglich, d. h., der Gewinn ist erst nach Abarbeitung des gesamten Auftrags zu vereinnahmen (completed contract-Methode). In den Folgeperioden ergeben sich annahmegemäß keine Abweichungen. Alle Kosten sind als Aufwand verrechenbar. Annahmegemäß sind nach deutschen GoB in den Perioden der Erstellung die Vollkosten in Höhe von jeweils 125 T€ zu aktivieren. Anzuwenden ist das Umsatzkostenverfahren (nachstehend alle Angaben in T€). t1
t2
t3
t4
t5
125 T€
250 T€
375 T€
500 T€
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
Bilanz Auftrag in Bearbeitung (Vorräte) Forderungen Ergebnisbeitrag
700 T€ 75 T€
582
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
t1
t2
t3
t4
t5
Umsatzerlöse
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
700 T€
- Umsatzbezogene Herstellungskosten
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
-625 T€
Ergebnisbeitrag
0 T€
0 T€
0 T€
0 T€
75 T€
0 -0
0 -0
0 -0
0 -0
700 - 625
GuV
Matching (ErtragAufwand) in T€
Im Gegensatz zu IFRS erfolgt die Umsatzrealisierung nicht anhand des Leistungsfortschritts, sondern erst nach Beendigung des Auftrags und damit mit Übergang des Risikos aus Lieferung und Leistung. Demnach werden auch keine umsatzbezogenen Herstellungskosten vor t5 gebucht. Die Buchungssätze sind wie folgt: Umsatzrealisierung in t1-t5: Umsatzbezogene HK Unfertige Erzeugnisse
125 T€ 125 T€
an
Bank Umsatzbezogene HK
125 T€ 125 T€
625 T€ 700 T€
an
unfertige Erzeugnisse Umsatzerlöse
625 T€ 700 T€
Zusätzliche Buchung in t5: Umsatzbezogene HK Forderungen
Diskussionsfrage III.3.-20 Analog zu dem in III.3.8.2.1e dargestellten Beispiel nach IFRS stellt sich in t4 heraus, dass sich durch unerwartet schlechte Bodenverhältnisse die geplanten Gesamtkosten von 625 T€ auf 725 T€ erhöhen. Passen Sie in dem zuvor dargestellten Tableau die Zahlen für die Berichtsperioden t4 und t5 an. Diskutieren Sie die Ergebnisse auch vergleichend zur Teilgewinnrealisierung in einem IFRSAbschluss.
Steuerrechtlich ist aufgrund der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz ein Gewinnausweis erst am Ende des Auftrags mit Abnahme der Leistung möglich. Zuvor gilt das Prinzip der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte. Eine Teilgewinnrealisierung ist nur bei selbstständig abgrenzbaren und abgenommenen Teilleistungen zulässig (vgl. Schubert/Gadek 2020, § 255 HGB, Rn. 463). Die unterschiedliche Behandlung führt ebenso wie unter IFRS regelmäßig zur Bildung latenter Steuern. Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach den deutschen GoB und den internationalen Normen der Grundsatz der Periodenabgrenzung formal zwar identisch, jedoch inhaltlich u. U. anders auszulegen ist. Dies liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung der Normensysteme begründet. Die deutschen GoB zielen primär auf eine vorsichtige Bemessung von Ausschüttungen ab. In diesem Fall dominiert der Grundsatz der Vorsicht den Grundsatz der Periodenabgrenzung. Dagegen steht nach IFRS die Gewährung von entscheidungsnützlichen Informationen im Vordergrund. In diesem Fall dominiert der Grundsatz der Periodenabgrenzung den Grundsatz der Vorsicht. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die internationalen Normen kein Vorsichtsprinzip kennen. Dieses Prinzip besitzt lediglich einen anderen Stellenwert.
3 Behandlung zentraler Abschlussposten
583
c. Mehrkomponentenverträge Bei Mehrkomponentenverträgen besteht die Verpflichtung des Bilanzierenden in der Erbringung mehrerer Leistungen an den gleichen Abnehmer, die eng miteinander verbunden sind. Beispiele hierfür sind der Verkauf eines Mobiltelefons mit anschließender zeitraumbezogener Netzbereitstellung (s. Kap. III.3.8.2.1) oder der Verkauf von Software mit Installationsund Wartungsleistungen sowie Optionen auf Upgrades. Problematisch bei dieser Art von Verträgen ist insbesondere die Bestimmung des Realisationszeitpunkts der Umsatzerlöse aus den einzelnen Leistungsbestandteilen. Die Erlösrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen ist allerdings, wie auch bei Fertigungsaufträgen, nach deutschen GoB nicht explizit geregelt. Die im Gegensatz zu IFRS klare Prinzipienorientierung des HGB führt somit zu einer Regelungslücke (s. Kap. II.6.2), die zu schließen ist. Die Literatur hat Lösungsvorschläge für die Erlöserfassung und Erlösbewertung basierend auf dem (unvollendeten) Standardentwurf E-DRS 17 des DRSC (vgl. Hoffmann/Lüdenbach 2006, S. 153) entwickelt (vgl. Pilhofer 2002, S. 421 f.). Die Inhalte eines DRS besitzen auf Konzernebene den Charakter einer GoB-Vermutung (s. Kap. I.2.2.2). Allerdings handelt es sich bei DRS 17 lediglich um einen Standardentwurf, sodass es sich hier letztendlich um eine GoB-Quelle handelt, die dem Überzeugungsgrad der enthaltenen Argumente folgend zu würdigen ist. Darüber hinaus wurden von Wüstemann/Kierzek (2007) Vorschläge für »Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung für Mehrkomponentenverträge« (vgl. Wüstemann/Kierzek 2007, S. 882 ff.) abgeleitet, welche gleichfalls den Status einer GoB-Quelle besitzen. Grundsätzlich sind Mehrkomponentengeschäfte durch die Zusammenfassung mehrerer verschiedener Leistungen gekennzeichnet, die unterschiedlich zu bewerten sind. Nach überwiegender Literaturmeinung ist der Gesamterlös aus dem Vertrag anhand der beizulegenden Zeitwerte der Einzelkomponenten aufzuteilen. Insofern ist auch hier methodisch dem Konzept der relativen Einzelveräußerungspreise (so die Vorgehensweise nach IFRS; s. Kap. III.3.8.2.1.d) zu folgen, sofern die Leistungserbringung der noch ausstehenden Komponenten als höchstwahrscheinlich beurteilt wird (i. d. S. auch E-DRS 17.41 ff. sowie in Bezug auf den HGB-Einzelabschluss im Ergebnis Wüstemann/Kierzek 2007, S. 907). Sollten die beizulegenden Zeitwerte nicht bestimmbar oder aufteilbar sein, darf eine Erlösrealisierung erst nach Erbringung aller Einzelleistungen erfolgen (vgl. Störk/Büssow 2020, § 252 HGB, Rn. 44; Kreipl/Müller 2021, § 252 HGB, Rz. 120).
3.8.3 Darstellung und Angabepflichten 3.8.3.1 Internationale Normen Die realisierten Umsatzerlöse bilden die Ausgangsgröße der Gewinn- und Verlustrechnung und sind dementsprechend auszuweisen (IAS 1.82a). Zudem sind Verträge mit Kunden im Sinne des asset-liability-Ansatzes in der Bilanz als Vertragsverbindlichkeit (contract liability), Vertragsvermögenswert (contract asset) oder als Forderung (receivable) darzustellen (IFRS 15.105 ff.): y Wenn der Kunde einen Teil der Gegenleistung bereits bezahlt hat, bevor ein Unternehmen die jeweiligen Waren übertragen oder Dienstleistungen erbracht hat, wird eine Vertragsverbindlichkeit in der Bilanz ausgewiesen (IFRS 15.106). Ein gängiges Beispiel sind erhaltene Anzahlungen. y Ein vertraglicher Vermögenswert ist auszuweisen, wenn das Unternehmen Waren oder Dienstleistungen an den Kunden übertragen hat, jedoch die Gegenleistung noch nicht fällig ist (und insofern keine Forderung entstanden ist). Dies ist dann der Fall, wenn die Gegenleistung bedingt ist und noch von einem anderen Tatbestand abhängt als vom
584
y
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
reinen Zeitablauf. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn ein Unternehmen eine andere Leistungsverpflichtung zuvor vollständig erfüllt haben muss, um einen Anspruch auf Zahlung aus einer anderen Leistungsverpflichtung zu begründen. Wertminderungen sind nach IFRS 9 (s. Kap. III.3.4.2.5) zu prüfen, zu bewerten und darzustellen. Eine Forderung ist ein unbedingter Anspruch eines Unternehmens auf Gegenleistung des Kunden. Dieser unbedingte Anspruch ist gem. IFRS 15.108 dann gegeben, wenn die Fälligkeit automatisch durch Zeitablauf eintritt. Forderungen stellen finanzielle Vermögenswerte dar und sind gem. IFRS 9 zu erfassen und darzustellen.
Das IASB hat im Rahmen der Einführung des IFRS 15 den Umfang der Angabepflichten im Sinne der Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen deutlich ausgeweitet (vgl. Ernst & Young 2021, S. 2408 f.). Ziel der Vorschriften ist es, ausreichende quantitative und qualitative Angaben hinsichtlich Art, Höhe, Zeitpunkt und Unsicherheit von Erlösen und Zahlungsströmen aus Verträgen mit Kunden an die Abschlussadressaten zu vermitteln. Zudem sind Angaben zu signifikanten Ermessensentscheidungen und aktivierten Vertragskosten zu machen (IFRS 15.110). Die erweiterten Angabepflichten sollen einen Adressaten in die Lage versetzen, die Ausübung von Ermessenspielräumen nachzuvollziehen (vgl. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 385). Fraglich ist allerdings, ob die starke Zunahme von Informationen im Anhang in der Summe nicht zu einer Beeinträchtigung der Übersichtlichkeit und der Informationsvermittlung führt. Beachtlich ist zudem der Ermessensspielraum, den Unternehmen bei der Wahl des Detaillierungsgrads mit Hinblick auf die notwendigen Angaben zur Erfüllung des Informationsziels gewährt wird. Der Standardsetzer überlässt es dem berichtenden Unternehmen, welchen Stellenwert es den einzelnen Anforderungen beimisst, um einer Informationsüberladung entgegenzuwirken. Das Niveau der Aggregation bzw. der Disaggregation von Informationen hat dabei durch die Unternehmen selbst zu erfolgen. Die bereitgestellten Informationen müssen allerdings in ihrer Form dem Anspruch genügen, nützliche Angaben weder durch die Einbeziehung unbedeutender Einzelheiten noch durch die Aggregation von unterschiedlichen Bestandteilen zu verschleiern (IFRS 15.111). Weitere Angaben zu den Kundenverträgen sind gem. IFRS 15.113-122 zu tätigen. Diese Angaben beinhalten die Aufgliederung der Erlöse aus Verträgen mit Kunden (z. B. nach Produktlinien, geografischer Region oder Art des Vertrags), die Angabe von Vertragssalden von Forderungen, Vertragsvermögenswerten oder Vertragsverbindlichkeiten (insbesondere Eröffnungs- und Schlusssalden sowie die erfassten Erlöse) und Informationen zu den Leistungsverpflichtungen eines Unternehmens (insbesondere erwarteter Zeitpunkt der Erfüllung, wesentliche Zahlungsbedingungen und Informationen zu verbleibenden Leistungsverpflichtungen). 3.8.3.2 Deutsche GoB In der Gewinn- und Verlustrechnung sind die Umsatzerlöse gesondert darzustellen (§ 275 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 HGB). Als Vereinfachung dürfen kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften allerdings Umsatzerlöse mit anderen Posten zu einem Rohergebnis zusammenfassen (§ 276 Abs. 1 HGB). Diese Vereinfachungsvorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber für diese Unternehmen der Ergebnisermittlung Vorrang gegenüber der Informationsfunktion einräumt (vgl. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 520). Im Anhang müssen Kapitalgesellschaften Umsatzerlöse gem. § 285 Nr. 4 HGB nach Tätigkeitsgebieten und Regionen aufspalten. Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sind hiervon befreit (§ 288 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HGB). Zudem müssen gem. § 285 Nr. 31 HGB
Kontrollfragen zu III.3.8
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Umsatzerlöse, die im Vergleich zum Vorjahr außergewöhnlich hoch oder für die Abschlussadressaten von außergewöhnlicher Bedeutung sind, mit ihrem Betrag und Art im Anhang angegeben werden. Auch periodenfremde Umsatzerlöse von nicht untergeordneter Bedeutung sind nach § 285 Nr. 32 HGB hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art im Anhang zu erläutern. Die Angaben im Anhang dienen demnach dem Zweck bei Kapitalgesellschaften eine Ergebnisanalyse durch den Adressaten zu ermöglichen. Insgesamt sind die Anhangangaben nach deutschen GoB deutlich weniger umfangreich als nach IFRS. Die erläuterten Vorgaben können bei stark kundenspezifischer Fertigung das berechtigte Schutzinteresse des Bilanzierenden verletzen, da ggf. Umsatzerlöse mit einem einzelnen Kunden ausgewiesen werden müssen (vgl. Breidenbach/Währisch 2016, Rn. 525). Die dafür vorgesehene Schutzklausel des § 286 Abs. 2 HGB greift jedoch nur bei der Aufgliederung nach Tätigkeitsgebieten und Regionen gem. § 285 Nr. 4 HGB.
Kontrollfragen zu III.3.8 1. Ein Immobilienunternehmen erzielt 10 Mrd. € aus der Vermietung von Grundstücken und 0,5 Mrd. € aus der Lizenzierung einer Software für die Wohngeldabrechnung, die das Unternehmen selbst entwickelt hat (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 8). Wie sind die Erlöse auszuweisen? Wieso können manche Arten des Ausweises unbefriedigend für Bilanzadressaten sein? 2. Eine Ölgesellschaft A fördert Rohöl in der Nordsee, das vor Ort raffiniert wird. Der Absatz des Benzins erfolgt über ein eigenes Tankstellennetz vorwiegend in den USA. Eine Ölgesellschaft B fördert Rohöl auf einem texanischen Feld. Es wird in der Nähe von Texas raffiniert. Der Benzinverkauf erfolgt überwiegend über ein Tankstellennetz in Deutschland. A und B tauschen gleiche Benzinmengen derart, dass A das deutsche Zentrallager von B beliefert und B das amerikanische Zentrallager von A. Hierdurch können die beiden Unternehmen ihrer Transportkosten erheblich reduzieren (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/ Freiberg 2021, § 25, Rz. 17). Wie ist der Umsatz zu bilanzieren? 3. Am 30.12.t1 vereinbaren die Kaufleute A und B mündlich die Übertragung des Eigentums an einer Immobilie. Die Schlüssel werden sofort übergeben. B nimmt die Immobilie noch am 31.12.t1 in Besitz. Am 5.1.t2 schließen die beiden Kaufleute den notariellen und damit wirksamen Kaufvertrag ab (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 28, Rz. 27). Wann darf der Umsatz erfasst werden? 4. Softwareunternehmen U verkauft eine Lizenz (zeitpunktbezogene Leistung mit sofortiger Umsatzrealisierung) an seinen Kunden und schließt gleichzeitig einen zusätzlichen 2-jährigen Softwarewartungsvertrag (zeitraumbezogene Leistung mit Pro-rata-Umsatzrealisierung) ab. Vereinbart wird für die Lizenz ein Entgelt von 7 Mio. € und für den Wartungsvertrag von 2 Mio. €. Die üblichen Einzelveräußerungspreise betragen 2 Mio. € für die Lizenz und 7 Mio. € für die Wartung (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 25, Rz. 43). Wie sind die Umsätze zu erfassen? Wie wären die Umsätze zu erfassen, wenn die Verträge nicht zusammengefasst werden müssten? 5. Die Werkzeug AG schließt innerhalb von zwei Tagen zwei Verträge mit der Industrie AG ab. Vertragsgegenstand sind folgende zwei Sachverhalte: – die Herstellung eines Werkzeugs für die der Industrie AG – die Lieferung von Fertigungsteilen an die Industrie AG, um mit den Werkzeugen weiter zu produzieren.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Die Werkzeug AG kann ihre Kosten für die Herstellung des Werkzeugs mithilfe einer separaten Zahlung der Industrie AG in Höhe der entstehenden Kosten von 100.000 € decken. Fällig wird die Bezahlung mit der Fertigstellung der Leistung sowie der Abnahme durch die Industrie AG. Die Herstellung des Werkzeugs muss nach den Vorstellungen der Industrie AG erfolgen, welche während der Vertragslaufzeit auch geändert werden können. Außerdem kann die Industrie AG zu jeder Zeit den Auftrag gegen Zahlung eines Aufpreises auf die Herstellungskosten stornieren. Auch ein unfertiges Werkzeug ist im Besitz der Industrie AG und der übliche Gewinnaufschlag liegt bei 12 %. Der Vertrag über die Fertigungsteile beinhaltet die Lieferung von Sechskantschrauben. Von diesen Schrauben wird eine unbestimmte Menge geliefert. Der Preis beträgt 10 € für die ersten 1.000 Stück und 7,50 € für alle darüber hinaus verkauften Einheiten. Der Preis für die ersten 1.000 Stück ist nach deren Absatz aber nicht mehr veränderbar. Die Werkzeug AG nimmt an, dass die Industrie AG mehr als 1.000 Schrauben kauft. Der Preis von 10 € für eine Sechskantschraube entspricht den üblichen Marktpreisen. Die Werkzeug AG geht weiterhin davon aus, basierend auf früheren Erfahrungen und nach Rücksprache mit der Controlling-Abteilung, dass die Industrie AG mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % weitere 100 Schrauben kauft, zusätzlich mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % weitere 500 Schrauben und nochmals zusätzlich mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % weitere 1.000 Schrauben kauft. Die Werkzeug AG nimmt an, dass eine wahrscheinlichkeitsbasierte Schätzung den Sachverhalt besser abbilden kann als eine Schätzung des erwarteten Absatzes. Somit geht die Werkzeug AG von einem Absatz von 1.375 Stück (1.000 Stück + (100 Stück x 25 %) + (500 Stück x 30 %) + (1.000 Stück x 20 %)) aus. Weiterhin gewährt die Werkzeug AG der Industrie AG einen Rabatt in Höhe von 8.000 € auf den Gesamtbetrag der Fertigungsteile. Wie ist im IFRS-Abschluss am 31.12.t1 vorzugehen (vgl. Konold/Müller 2015)?
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4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse LERNZIELE
y y y
Verständnis für den abzubildenden ökonomischen Sachverhalt. Grundsätzliche Vorgehensweise im Hinblick auf die Erstellung der Berichte und dabei ggf. bestehende Probleme nebst deren Lösung. Kenntnis wesentlicher Unterschiede zwischen der Vorgehensweise nach internationalen und nationalen Rechnungslegungsnormen.
4.1 Überblick Bis dato wurden zentrale Abschlussposten (s. Kap. III.3) beleuchtet. Darüber hinaus bestehen weitere Berichterstattungserfordernisse mit einem engen Bezug zur Bilanz und GuV, die eine Vermittlung weitergehender Informationen in verschiedenen Bereichen des Jahresabschlusses notwendig werden lassen. Als besonders bedeutsame Berichte werden nachstehend die Kapitalflussrechnung (s. Kap. III.4.2), die Segmentberichterstattung (s. Kap. III.4.3) sowie der Lagebericht (s. Kap. III.4.4) behandelt. Weitere bedeutsame Berichterstattungserfordernisse, die im Rahmen dieses Lehrbuchs keine Beachtung finden, sind die Angaben über Beziehungen zu nahestehenden Personen gem. IAS 24 (related party disclosures; vgl. z. B. Zülch/Popp 2011; Ernst & Young 2021, S. 3093 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 30).
4.2 Kapitalflussrechnung 4.2.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Allgemein soll der Jahresabschluss den Bedürfnissen von Adressaten gerecht werden, die keine gesonderten Berichte über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage anfordern können (z. B. § 264 Abs. 2 S. 1 HGB sowie die in IAS 1.15 geforderte fair presentation; s. Kap. II.5.3.2). Im Jahresabschluss informiert die Bilanz als Bestandsrechnung primär über die Vermögenslage und die Kapitalstruktur des berichtenden Unternehmens als Teilaspekt der Beurteilung der Finanzlage. Die Bilanz informiert dabei stichtagsbezogen über die Mittelbindung und Mittelherkunft (Finanzierung). Die GuV als ergebnisorientierte und damit auf Aufwendungen und Erträge bezogene Stromgrößenrechnung informiert über die Ertragslage. Die Kapitalflussrechnung (cash flow statement) als Zahlungsstromrechnung soll detailliertere Informationen über die Finanzlage des Unternehmens vermitteln (vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Achleitner/Behr/Schäfer 2009, S. 241 ff.; Coenenberg/Haller/ Schultze 2021a, S. 817 ff.; Harzheim 2021, Tz. 11; Pellens et al. 2021, S. 201 ff.). Beantwortet werden soll die Frage, welche Einflüsse zu einer Veränderung der Finanzlage des Unternehmens im Berichtzeitraum geführt haben. Kurzfristig ist die Zahlungsfähigkeit für die Beurteilung der Überlebenschancen eines Unternehmens von zentraler Bedeutung. Zudem stellen die Zahlungsunfähigkeit bzw. die drohende Zahlungsunfähigkeit mögliche Auslöser für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach §§ 16 ff. InsO dar und sind insofern für die Beurteilung der going-concern-Annahme bedeutsam (s. Kap. II.4.4.2.1; II.5.3.2.2).
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Historische (retrospektive) Kapitalflussinformationen werden häufig als Indikator für die Höhe, den zeitlichen Anfall und die Wahrscheinlichkeit künftiger Cashflows herangezogen (zur Prognoseeignung s. Kap. I.4.3.4). Diese Informationen sind auch nützlich, um die Genauigkeit in der Vergangenheit vorgenommener Beurteilungen künftiger Cashflows zu prüfen (IAS 7.5). Zudem verwenden Finanzanalysten den aus einer Kapitalflussrechnung ableitbaren Cashflow häufig als Indikator zur Aktienbewertung (vgl. z. B. Markou/Taylor 2014). Die Kapitalflussrechnung soll daher durch die Offenlegung von Zahlungsströmen Informationen zur Beurteilung des Unternehmens liefern, wobei insbes. folgende Fähigkeiten des Unternehmens von Bedeutung sind: 1. Zukünftige Zahlungsüberschüsse zu erwirtschaften, 2. finanzielle Verpflichtungen (Schuldentilgung, Zinszahlung) zu erfüllen, 3. Dividendenzahlungen vorzunehmen und 4. Investitionen zu tätigen. Des Weiteren sollen mögliche Divergenzen zwischen dem Jahresergebnis und den dazugehörigen Zahlungsvorgängen aufgezeigt werden. Empirie Informationsgehalt von Kapitalflussrechnungen Die Ergebnisse empirischer Studien zur Eignung publizierter Kapitalflussrechnungen hinsichtlich ihres Informationsgehalts sind gemischt. So zeigt Chwallek, dass die Veränderung von Aktienrenditen deutscher Unternehmen mithilfe des operativen Cashflows in Verbindung gebracht werden kann, mit einem adjustierten Bestimmtheitsmaß R2 von 48 % (vgl. Chwallek 1999, S. 167). Eine Wiederholung dieser Studie durch Mayer konnte anhand des operativen Cashflows indes nur 1,5 % (adj. R2) der Veränderung der Aktienrendite erklären (vgl. Mayer 2002, S. 315). Die stark abweichenden Ergebnisse können z. B. in einer unterschiedlichen Grundgesamtheit begründet liegen. Während Mayer die 100 nach Umsatz und Börsenkapitalisierung größten deutschen Industrie- und Handelsunternehmen untersucht, bezieht Chwallek auch kleinere Unternehmen ein. Dies lässt vermuten, dass der Kapitalmarkt weniger gut über kleine Unternehmen informiert ist und aus diesem Grunde auf die Information »operativer Cashflow« stärker reagiert (vgl. Mayer 2002, S. 313 ff.). In einem weiteren Beitrag zeigen Penman/Yehuda 2019, dass Aktienrenditen positiv mit positiven Cashflow-Nachrichten aus dem Jahresabschluss korrelieren. Zudem sind Cashflows in der Unternehmensbewertung und in Analystenberichten bedeutsam. Dabei wird insbes. dem operativen Cashflow eine große Bedeutung zugesprochen. Es gilt jedoch zu beachten, dass sowohl jahresüberschussbezogene Bewertungsverfahren wie das Residualgewinnmodel als auch Cashflow-basierte DCF-Verfahren auf Basis einer integrierten Finanzplanung zu erstellen sind, um möglichst genaue Unternehmenswerte zu ermitteln (vgl. Heinrichs et al. 2013; Hand et al. 2017; siehe auch Green/Hand/Zhang 2016 für häufige Fehler von Finanzanalysten im Zusammenhang mit DCF-Bewertungen).
Folgende Rechnungslegungsnormen sind anzuwenden bzw. zu beachten: Bei Erstellung eines IFRS-Abschlusses ist IAS 7 relevant. IAS 7.1 verpflichtet zur Erstellung einer Kapitalflussrechnung, welche gem. IAS 1.10d integraler Bestandteil des Jahresabschlusses ist, unabhängig von Rechtsform und Größe für alle nach IFRS rechnungslegenden Unternehmen (vgl. Winnefeld 2015, Kap. O, Rn. 35; Ernst & Young 2021, S. 3135). Handelsrechtlich haben die gesetzlichen Vertreter den Konzernabschluss um eine Kapitalflussrechnung zu erweitern (§ 297 Abs. 1 S. 1 HGB). Ebenfalls müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen, die nicht konzernrechnungslegungspflichtig sind, eine Kapitalflussrechnung erstellen (§ 264 Abs. 1 S. 2 HGB). Allerdings existieren keine spezifischen handelsrechtlichen Regeln zur Ausgestaltung der Kapitalflussrechnung und die einschlägigen Unternehmen orientieren sich deshalb vorwiegend an DRS 21 (s. Kap. II.6.2.2). IAS 7 und DRS
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
589
21 stimmen weitgehend überein. Aufgrund der besonderen Bedeutung im europäischen Kontext konzentrieren sich die folgenden Ausführungen deshalb auf IAS 7 (vgl. Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 346 ff.; Pellens et al. 2021, S. 238 f.).61
4.2.2 Kernidee und Begriffsdefinitionen Die Kapitalflussrechnung ist eine Bewegungsrechnung, welche bestimmte finanzielle Mittel in einer Betrachtungseinheit, den sog. Fonds zusammenfasst (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 827 ff.). Dabei wird der Umfang der Fondsveränderungen durch Zuflüsse in die Fonds bzw. durch Abflüsse aus den Fonds aufzeigt und die Ursachen für diese Veränderungen verdeutlicht. Da Veränderungen im Finanzmittelfonds über Ein- und Auszahlungen erklärt werden, ist die Kapitalflussrechnung unabhängig von Bewertungsmaßnahmen und frei von damit verbundenen abschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten (s. Kap. II.7.2; vgl. Eiselt/Müller 2014, S. 109 ff.). Der Zusammenhang zwischen der Bilanz, der GuV und der Kapitalflussrechnung ist in Abbildung III.4./1 überblicksartig dargestellt. Innerhalb des Finanzmittelfonds lassen sich die Bestandteile unterschiedlich abgrenzen (s. Kap. III.4.2.3). Grundlegend setzt sich der Fonds aus Geldmitteln oder leicht liquidierbaren Vermögenswerten zusammen.
S
KapitalflussH rechnung Einzahlungen Auszahlungen Einzahlungsüberschuss
A Bilanz P AnlageEigenkapital vermögen UmlaufVeränvermögen derungen (ohne Eigenkapital FinanzSchulden mittel)
S GuV H AufErträge wendungen Jahresüberschuss
Finanzmittel Veränderungen Finanzmittelbestand
Abb. III.4./1 Ableitungszusammenhänge zwischen Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung62
Die Klassifizierung der Konten in Fondskonten und Nichtfondskonten lässt vier Gruppen von Buchungen entstehen (vgl. Ingendahl 1990, S. 28): Soll / Haben
Fondskonten
andere Konten
Fondskonten
(1) Bewegungen zwischen den Fondskonten
(3) Zugänge zum Fonds
andere Konten
(2) Abgänge aus dem Fonds
(4) Bewegungen zwischen anderen Konten
Abb. III.4./2 Fondskonten und andere Konten
61 Für empirische Studien zum Entwicklungsstand von Kapitalflussrechnungen deutscher börsennotierter Unternehmen siehe z. B. Hitz/Teuteberg 2013; Haller/Groß/Rauscher 2014; Zülch/Jana/Kretzmann 2016; Tallau/Bankamp 2017; Pramann 2018, S. 149 ff. 62 In leicht modifizierter Form entnommen aus Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 823.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Umfasst der Fonds annahmegemäß bare Zahlungsmittel (Kasse, Scheck) und Sichteinlagen bei Banken, lassen sich für die einzelnen Kategorien der Abbildung III.4./2 die folgenden Beispiele bilden: 1. Bankauszahlung bar; Einlösung eines Schecks bei der Bank, 2. Begleichung einer Lieferantenrechnung per Bank; Gehaltszahlung per Bank oder Kasse, 3. Kunde zahlt bar oder per Scheck, 4. Abschreibungen auf das Sachanlagevermögen; Bildung einer Rückstellung; Kauf von Waren auf Ziel. Die vorherigen Beispiele verdeutlichen auch, dass die für externe Zwecke erstellte Kapitalflussrechnung auf historischen Daten beruht und insofern eine retrospektive Fondsrechnung darstellt. Daneben werden Kapitalflussrechnungen auch für interne Zwecke erstellt, so kann z. B. eine prospektive Fondsrechnung innerhalb der Finanzplanung auf Prognosedaten zurückgreifen.
4.2.3 Fondsabgrenzung Der Finanzmittelfonds lässt sich unterschiedlich abgrenzen. Nach IAS 7.6 ff. umfasst der Finanzmittelfonds die Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente (cash and cash equivalents): y Zahlungsmittel umfassen Barmittel und Sichteinlagen bei Kreditinstituten. y Zahlungsmitteläquivalente umfassen kurzfristige, äußerst liquide Finanzinvestitionen, die jederzeit in festgelegte Zahlungsmittelbeträge umgewandelt werden können und dazu dienen, kurzfristigen Finanzverpflichtungen nachzukommen. – Eine Finanzinvestition gehört im Regelfall nur dann zu den Zahlungsmitteläquivalenten, wenn diese, neben der unmittelbaren Umwandlung in einen Zahlungsmittelbetrag, keinen wesentlichen Wertschwankungen unterliegt. Diese Voraussetzungen erfüllen im Regelfall nur Finanzinvestitionen, mit einer Restlaufzeit von nicht mehr als drei Monaten vom Erwerbszeitpunkt. Beispiele hierfür sind Tagesgelder oder Termingelder mit entsprechender Laufzeit (IAS 7.7).63 – Eine konkretere Klassifizierungsvorschrift ist bei Kapitalbeteiligungen (Anteilspapiere) vorgeschrieben. Diese gehören grundsätzlich nicht zu den Zahlungsmitteläquivalenten, außer sie sind dem Wesen nach den Zahlungsmitteläquivalenten zuzurechnen, z. B. Vorzugsaktien mit kurzer Restlaufzeit und einem festen Einlösungszeitpunkt (IAS 7.7). Bewegungen zwischen den Komponenten des Fonds der Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente sind nicht als Cashflows zu betrachten, da es sich hier um Dispositionen des Liquiditätsmanagements des Unternehmens handelt, wie z. B. die Investition überschüssiger Zahlungsmittel in Zahlungsmitteläquivalente (IAS 7.9; s. Abb. III.4./2, Kategorie (1)). Die Bestandteile des Finanzmittelfonds sind anzugeben. Ebenso sind die Posten des Finanzmittelfonds den entsprechenden Bilanzposten gegenüberzustellen und bei abweichender Abgrenzung ggf. überzuleiten (IAS 7.45). In der Bilanz bildet regelmäßig der identisch benannte Posten Zahlungsmittel- und Zahlungsmitteläquivalente gem. IAS 1.54i das
63 Zu einer ausführlicheren Einordnung von Finanzinvestitionen als Teil der Ausgangsgrößen für die Kapitalflussrechnung siehe z. B. Arbeitskreis Finanzierungsrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2019, S. 72 ff.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
591
Pendant für die aufzuführenden Bestandteile. In der Praxis sind diese Posten nach Bilanz und Kapitalflussrechnung zumeist identisch (z. B. Haller/Groß/Rauscher 2014, S. 300). Die Disclosure Initiative des IASB (s. Kap. II.5.3.3.5) war 2013 mit dem Ziel gegründet worden, dem Abschlussadressaten detaillierte Kenntnisse über die Finanzierungsquellen des Unternehmens und somit ein besseres Verständnis der Risikosituation zu ermöglichen. Seit 2017 sind Anhangangaben zu tätigen, die die Veränderungen sowie die Beurteilung der Verbindlichkeiten ergänzen. Die Angabepflichten hinsichtlich der Veränderungen im Fremdkapital als Ergebnis von Finanzierungsaktivitäten schließen auch die dazugehörigen Vermögenswerte mit ein. Eine Möglichkeit diese Angabepflichten zu erfüllen, ist eine Überleitungsrechnung, in welcher die Eröffnungs- und Schlussbilanzsalden in die einzelnen geforderten Effekte aufgeschlüsselt werden (IAS 7.44 nebst Illustrative Example C). Exkurs Aktuelle Entwicklungen im Bereich Kapitalflussrechnung Das IASB hatte im Dezember 2019 einen Standardentwurf veröffentlicht, der IAS 1 künftig ersetzen soll (IASB ED/2019/07) und hier auch Änderungen für die Aufstellung einer Kapitalflussrechnung gem. IAS 7 vorgeschlagen. U. a. sollen die bestehenden Wahlrechte bezüglich des Ausweises gezahlter und erhaltener Zinsen abgeschafft und eine Klassifizierung analog zu den bestehenden Vorgaben des DRS 21 verpflichtend eingeführt werden (IASB ED/2019/7, Figure 2). Der Diskussionsprozess zum ED ist mit Stand Ende 2021 noch nicht abgeschlossen.64 Im März 2021 wurde ein weiterer ED veröffentlicht (IASB ED/2021/03), welcher spezielle Anpassungen in der Offenlegung zum fair value measurement (IFRS 13) und zu employee benefits (IFRS 19) enthält. Bezogen auf die Kapitalflussrechnung sieht dieser ED im Zusammenhang mit leistungsorientierten Versorgungsplänen vor, dass die Beträge in der Kapitalflussrechnung unter Angabe ihrer Bestandteile, einschließlich der Beiträge des Unternehmens angegeben werden (IASB 2021, Rn. 147F).
4.2.4 Aktivitätsformate 4.2.4.1 Grundsätzliche Vorgehensweise Als Gliederungsschema wird das Aktivitätsformat vorgeschrieben. Demnach werden die Zahlungen zunächst betrieblichen Funktionsbereichen zugeordnet, bevor innerhalb dieser Bereiche wiederum nach Zahlungszuflüssen und -abflüssen unterteilt wird. Dabei ist die Kapitalflussrechnung gem. IAS 7.10 ff. in den Bereich der betrieblichen Tätigkeit, den Investitionsbereich und den Finanzierungsbereich aufzuteilen, um die unterschiedliche finanzwirtschaftliche Bedeutung der Mittelbewegungen zum Ausdruck zu bringen (vgl. Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 832 ff.). Diesen Bereichen werden die zugehörigen Fondsveränderungen (cashflows) zugeordnet. Bei der Darstellung der einzelnen Bereiche ist grundsätzlich von einer separaten Bruttodarstellung der zuzuordnenden Cashflows (CF) auszugehen (vgl. IAS 7.21). Die Aufführung der Bruttoeinzahlungen und Bruttoauszahlungen erfolgt für die Bereiche getrennt und ohne Anpassungen. Eine Nettodarstellung und damit einhergehend eine Saldierung der CF ist nur in genau beschriebenen Ausnahmefällen (vgl. IAS 7.22 ff.) zulässig. Wird eine Saldierung der CF verlangt, so kann sich die Entwicklung des Finanzmittelfonds im Laufe des Geschäftsjahres im Sinne des Nettoausweises wie folgt darstellen (alle Angaben in Mio. €):
64 Der aktuelle Projektstand ist abrufbar unter: https://www.ifrs.org/projects/work-plan/primary-financialstatements/#current-stage
592
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
+ 700
– 550 + 200
470
120
Finanzmittelfonds 1.1.
CF aus betrieblicher Tätigkeit
CF aus Investitionstätigkeit
CF aus Finanzierungstätigkeit
Ursachenrechnung
Finanzmittelfonds 31.12.
Abb. III.4./3 Entwicklung des Finanzmittelfonds
In Abbildung III.4./3 flossen dem Unternehmen Zahlungen aus der betrieblichen Tätigkeit in Höhe von 700 Mio. €, beispielsweise in Form von Umsatzerlösen abzüglich der dazugehörigen Auszahlungen z. B. für Löhne und Materialien, zu. Investitionen in das Sachanlagevermögen führten zu Zahlungen in Höhe von 550 Mio. €, beispielsweise für den Kauf einer Maschine oder immateriellen Vermögenswerten. Zudem standen durch eine Kreditaufnahme oder die Ausgabe von eigenen Aktien Zahlungsmittel in Höhe von 200 Mio. € zur Verfügung. Die Nettomethode macht die Intuition der Ursachenrechnung deutlich. Sie erklärt die Fondsänderung (+ 350 Mio. €) aus den Veränderungen der Nichtfondspositionen der Bereiche der laufenden Geschäftstätigkeit, der Investitions- und der Finanzierungstätigkeit. Der Finanzmittelfonds zu Beginn der Periode ist unter Berücksichtigung der Mittelzuflüsse und der Mittelabflüsse der Bereiche innerhalb der Berichtsperiode in den Finanzmittelfonds zum Ende der Periode überzuleiten (Fondsveränderungsrechnung). Diese Rechnungen werden auch als Finanzmittelnachweis bezeichnet (vgl. z. B. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 3, Rz. 39). IAS 7 gibt keine Erläuterung hinsichtlich der Darstellung. Allerdings finden sich im Anhang A und B zu IAS 7 entsprechende Beispielrechnungen für Nichtfinanzdienstleister bzw. Finanzdienstleister. Abbildung III.4./4 dient der Veranschaulichung (alle Angaben in Mio. €).
+ + = + =
CF aus betrieblicher Tätigkeit CF aus Investitionstätigkeit CF aus Finanzierungstätigkeit Nettoveränderung der Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente zu Beginn der Periode Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente am Ende der Periode
+ 700 – 550 Ursachenrechnung + 200 = 350 + 120 Fondsveränderungsrechnung = 470
Abb. III.4./4 Finanzmittelnachweis
Grundsätzlich ist eine Darstellung des CF nach der direkten oder indirekten Methode möglich (vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 834 f.). y Bei der direkten Methode werden nur die Zahlungszuflüsse und -abflüsse der Bereiche erfasst. Eine Darstellung von zahlungsunwirksamen Transaktionen erfolgt nicht. y Dagegen wird bei der indirekten Methode der CF durch die Anpassung des Periodenergebnisses rückwirkend (retrograd) ermittelt.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
593
Retrograd bedeutet, dass nicht zahlungswirksame, aber ertragswirksame Bestandteile innerhalb der drei Bereiche herausgerechnet und nicht ertragswirksame, aber zahlungswirksame Bestandteile zum Jahresergebnis hinzugerechnet werden. Dieses Vorgehen generiert eine rein zahlungsmittelbasierte Kennzahl. Das Periodenergebnis wird demnach auch um nicht zahlungswirksame Aufwendungen (nicht ergebniswirksame Einzahlungen), wie z. B. Abschreibungen (Aufnahme eines Darlehns), erhöht und um nicht zahlungswirksame Erträge (nicht ergebniswirksame Auszahlungen), wie z. B. ergebniswirksame Erhöhung des beizulegenden Zeitwerts (Auszahlung an Anteilseigner), vermindert. Sowohl IAS 7.18 als auch DRS 21.38 räumen ein Wahlrecht bezüglich der Darstellung des CF aus betrieblicher Tätigkeit nach der direkten oder indirekten Methode ein.65 Die CF aus der Investitions- und Finanzierungstätigkeit sind nach der direkten Methode auszuweisen. Nachstehend werden die CF-Ermittlungen der einzelnen Aktivitätsformate näher beleuchtet und die vorgestellte Vorgehensweise anhand von Beispielen verdeutlicht. 4.2.4.2 Fondsveränderung aus der betrieblichen Tätigkeit Die Mittelzuflüsse und -abflüsse aus der betrieblichen Tätigkeit »sind ein Schlüsselindikator dafür, in welchem Ausmaß es der Unternehmensleitung gelungen ist, im operativen Geschäft Zahlungsmittelüberschüsse zu erwirtschaften, die ausreichen, um Verbindlichkeiten zu tilgen, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten, Dividenden zu zahlen und Investitionen zu tätigen, ohne dabei auf die Quellen der Außenfinanzierung angewiesen zu sein« (IAS 7.13). Die Fondsveränderungen ergeben sich somit insbes. aus der Umsatztätigkeit des Unternehmens. Empirie Informationsgehalt von Zahlungsstromorientierung vs. Periodenabgrenzung Die externe Finanzberichterstattung soll es dem Abschlussadressaten auch ermöglichen, künftige Zahlungsmittelzuflüsse des Unternehmens zu prognostizieren (ähnlich IASB F 1.3). Empirische Studien untersuchen daher, ob sich zur Prognose künftiger Cashflows entweder gegenwärtige (periodengerecht abgegrenzte) Gewinne oder Cashflows selbst als bessere Ausgangsgröße zur Vorhersage eignen. Die diesbezüglichen Ergebnisse sind gemischt: Beispielsweise zeigen Greenberg/ Johnson/Ramesh 1986; Dechow/Kothari/Watts 1998 und Kim/Kross 2005, dass sich historische Gewinne besser als historische Cashflows zur Prognose von künftigen Cashflows eignen, während z. B. Bowen/Burgstahler/Daley 1986 oder Finger 1994 belegen, dass historische Cashflows besser als historische Gewinne zur Prognose künftiger Cashflows geeignet sind. Die Ergebnisse jüngerer Studien sind ebenfalls gemischt (vgl. Nallareddy/Sethuraman/Venkatachalam 2020; Ball/Nikolaev 2021).
Obwohl der CF aus der laufenden Geschäftstätigkeit direkt oder indirekt ermittelt werden kann und beide Darstellungsformen zu demselben Ergebnis führen, wird die direkte Methode empfohlen (vgl. IAS 7.19; Ernst & Young 2021, S. 3148 ff.; eine besondere Überlegenheit einer dieser Methoden hinsichtlich ihrer Entscheidungsnützlichkeit lässt sich derzeit empirisch nicht belegen; hierzu Tausch-Nebel/Müller 2017).
65 Nur zwei von 150 untersuchten Konzernabschlüssen (vgl. Stahn 2011, S. 666) bzw. einer von 335 IFRS-Abschlüssen (vgl. Hitz/Teuteberg 2013, S. 38) bzw. einer von 100 HGB-Abschlüssen (vgl. Tallau/Bankamp 2017, S. 2239 f.) wenden die direkte Methode an.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bei der direkten Darstellung werden die wesentlichen Mittelzu- und -abflüsse aus der laufenden Geschäftstätigkeit direkt nach ihrer Zahlungswirksamkeit erfasst. Die Ein- und Auszahlungen sind unsaldiert anzugeben. Beispiele hierfür gibt IAS 7.14: y Mittelzuflüsse können aus Zahlungseingängen aus dem Verkauf von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen sowie aus Nutzungsentgelten resultieren, y Mittelabflüsse können Auszahlungen an Lieferanten für erbrachte Güter und Dienstleistungen sowie für Beschäftigte und Steuerzahlungen sein. Bei der indirekten Darstellung wird der CF aus der betrieblichen Tätigkeit, wie zuvor beschrieben, retrograd aus dem Jahresergebnis ermittelt (IAS 7.20). Derzeit ist diese Ausgangsgröße uneinheitlich entweder der Gewinn vor oder nach Steuern. Für eine bessere Vergleichbarkeit schlägt daher das IASB im ED/2019/766 künftig eine einheitliche Verwendung des operativen Ergebnisses (EBIT) vor (vgl. Grimm/Heintges 2020). Das dargestellte Schema verdeutlicht beispielhaft wesentliche Korrekturen (vgl. IAS 7 Appendix A sowie Lüdenbach/ Hoffmann/Freiberg 2021, § 3, Rz. 73). Jahresergebnis (vor Steuern)
....
Anpassungen für 1
±
Abschreibungen (+) / Wertaufholungen (-)
....
2
±
Erhöhung (+) / Verminderung (-) des Bestands an Rückstellungen
....
3
±
Währungsverluste (+) / -gewinne (-)
....
4
±
Verluste (+) / Gewinne (-) aus dem Abgang langfristiger Vermögensposten
....
5
±
Zinsaufwendungen (+) / -erträge (-)
....
6
=
CF aus der betrieblichen Tätigkeit vor Änderungen des Nettoumlaufvermögens und vor Zinsen und Steuern
7
±
Verminderung (+) / Erhöhung (-) von Forderungen aus L&L und sonstigen Forderungen
....
8
±
Verminderung (+) / Erhöhung (-) der Vorräte
....
9
±
Erhöhung (+) / Verminderung (-) der Verbindlichkeiten aus Lieferun- .... gen und Leistungen
10
=
CF aus betrieblicher Tätigkeit vor Zinsen und Steuern
11
±
erhaltene Zinsen (+) / gezahlte Zinsen (-)
….
12
–
gezahlte Ertragsteuern (-)
….
13
=
CF aus betrieblicher Tätigkeit
....
….
….
Abb. III.4./5 Beispiel für eine indirekte Ermittlung des CF aus betrieblicher Tätigkeit
Um die Korrekturen zu ermitteln, bietet es sich an, bei der Untersuchung der einzelnen Sachverhalte gedanklich y als Ausgangspunkt das Jahresergebnis (JE) heranzuziehen, y den dazugehörigen Cashflow zu bestimmen (CF) und y anschließend die Korrektur (K) zu berechnen.
66 Das ED wurde im Rahmen eines Projekts zur Verbesserung des performance reporting erarbeitet; vgl. Coenenberg/ Haller/Schultze 2021a, S. 847 sowie S. 869 f.,
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
595
Dabei gilt stets: CF – JE = K Haben beispielsweise Abschreibungen (1) das Jahresergebnis in Höhe von 50 T€ gemindert, so führt dies nicht zu einem Zahlungsmittelabgang und der relevante Cashflow beträgt folglich 0 €. Die Minderung des JE ist demnach nicht zahlungsmittelrelevant und wird bei der Ermittlung des CF korrigiert. Für die Ermittlung des CF im vorliegenden Beispiel gilt: 0 € − (− 50 €) = + 50 €. Das Prinzip ist analog auf Rückstellungen (2) anzuwenden, d. h., eingestellte Rückstellungen haben das Jahresergebnis gemindert, führen aber nicht zu einem Abgang finanzieller Mittel. Nicht realisierte Verluste (Gewinne) aus Wechselkursänderungen (3) werden nicht als CF angesehen und sind somit hinzuzurechnen (abzuziehen), da diese getrennt von den CF aus der betrieblichen Tätigkeit und auch der Investitions- und Finanzierungstätigkeit anzugeben sind (IAS 7.28). Weiterhin sind z. B. Gewinne aus dem Abgang langfristiger Vermögensposten (4) abzuziehen; da diese nicht bei den Zahlungen aus der betrieblichen Tätigkeit, sondern im CF aus der Investitionstätigkeit berücksichtigt werden (IAS 7.16b). Zinszahlungen (5) sind regelmäßig dem betrieblichen Bereich zuzurechnen. Gleichwohl besteht hier ein Ausweiswahlrecht, sodass auch eine Zuordnung zum CF aus der Investitionsoder Finanzierungstätigkeit in Betracht kommt (IAS 7.31; vgl. Ernst & Young 2021, S. 3153 f.).67 Zu beachten ist hierbei die Ausweisstetigkeit, sodass ein einmal gewählter Ausweis beizubehalten ist. Eine Zuordnung zum Investitionsbereich erscheint z. B. dann sachgerecht, wenn Zinsauszahlungen dazu verwendet werden, um eine Investition zu finanzieren. Werden Zinsergebnisse dem betrieblichen Bereich zugerechnet, sind diese unter (5) zu korrigieren und die tatsächlichen (erhaltenen bzw. geleisteten) Zinszahlungen unter (11) aufzunehmen. Im Gegensatz zum Ausweiswahlrecht in IAS 7 ist die Zuordnung nach DRS 21 klar geregelt: Erhaltene Zinsen sind der Investitionstätigkeit (DRS 21.44) und gezahlte Zinsen der Finanzierungstätigkeit (DRS 21.48) zuzuordnen.68 Neben den zuvor genannten Anpassungen ist eine Korrektur des Umlaufvermögens (working capital) ggf. notwendig. Beispielsweise ist eine Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (L&L) (7) abzuziehen, da dieser Erhöhung kein Finanzmittelzugang gegenübersteht. Beispiel Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Bereits im Vorjahr (t1) auf Lager befindliche Waren (Herstellungskosten 250 T€) werden in t2 auf Ziel zu 300 T€ (netto) verkauft (ohne Umsatzsteuer). Bei Anwendung des von IAS 1.92 bevorzugten Umsatzkostenverfahrens könnte in t2 vereinfacht wie folgt gebucht werden: umsatzbez. Herstellungskosten Forderungen aus L&L.
250 T€ 300 T€
an an
Vorräte Umsatzerlöse
250 T€ 300 T€
67 In Deutschland ordneten 728 von 1.040 (vgl. Zülch/Jana/Kretzmann 2016, S. 55 f.) IFRS-Abschlusserstellern die geleisteten Zinszahlungen dem CF aus der betrieblichen Tätigkeit zu; von 6.046 untersuchten IFRS-Abschlüssen aus 13 europäischen Ländern nahmen 76 % der Unternehmen diese Zuordnung vor (vgl. Gordon et al. 2017, S. 852 ff.) 68 Für eine ausführliche Gegenüberstellung der Zuordnungsregelungen von IAS 7 und DRS 21 siehe z. B. Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 869 f. Siehe zu den geplanten Änderungen des IAS 7 die oben genannten Aspekte zur Disclosure Initiative des IASB.
596
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
In Bezug auf die indirekte Ermittlung des CF aus der betrieblichen Tätigkeit gilt Folgendes: In t2 kam es zu einer Erhöhung des Jahresergebnisses in Höhe von + 50 T€. In der GuV stehen sich hier bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens als Ertrag die Umsatzerlöse und als Aufwand die umsatzbezogenen Herstellungskosten gegenüber. Da der Vorgang in t2 nicht zahlungswirksam ist (CF = 0 T€), gilt: CF – JE = K. Die Korrektur ergibt sich als 0 T€ – 50 T€ = – 50 T€ für t2. Der Kunde begleicht die Forderung in t3 (ohne Umsatzsteuer). Zu buchen ist wie folgt: Bank
300 T€
an
Forderungen aus L&L
300 T€
Dieser ergebnisneutrale Geschäftsvorfall ist zahlungswirksam. CF – JE = K, d. h. + 300 T€ – 0 T€ = + 300 T€. Obwohl der Ertrag bereits in t2 realisiert wurde fließt der CF dem Unternehmen erst in t3 zu und ist durch eine Korrektur zu erfassen.
Eine Erhöhung des Bestands an Vorräten (8) ist abzuziehen. Erhöhungen (Verminderungen) der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (9) sind hinzuzurechnen (abzuziehen). Demnach ist eine Anpassung des working capital, der Differenz zwischen kurzfristig liquidierbaren Aktiva und kurzfristigen Passiva, vorzunehmen. Ertragsteuerbedingte Zahlungen (12) sind grundsätzlich gesondert anzugeben und dem CF aus der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen (IAS 7.35; siehe Lüdenbach/Hoffmann/ Freiberg 2021, § 3, Rz. 71, 126). Eine Zuordnung zu bestimmten Finanzierungs- und Investitionsaktivitäten ist zwar möglich, findet in der Praxis aber nur selten bzw. keine Anwendung (vgl. Hitz/Teuteberg 2013, S. 38). Da in dem Berechnungsschema (s. Abb. III.4./5) das Jahresergebnis vor Steuern herangezogen wird, können die ertragssteuerbedingten Zahlungen direkt ausgewiesen werden. 4.2.4.3 Fondsveränderung aus der Investitionstätigkeit Die gesonderte Angabe des CF aus der Investitionstätigkeit soll darüber informieren, inwieweit das Unternehmen Zahlungsmittel während der Berichtsperiode eingesetzt hat, um künftige Zahlungsüberschüsse zu generieren (IAS 7.16; Ernst & Young 2021, S. 3151 ff.). IAS 7.21 lässt bei der Darstellung des CF aus der Investitionstätigkeit nur die direkte Darstellungsform zu. Der Grund hierfür liegt darin, dass dieser Bereich nicht wie die betriebliche Tätigkeit durch Massenvorgänge gekennzeichnet ist und die direkte Darstellung dem Unternehmen daher zuzumuten ist (vgl. Harzheim 2021, Tz. 116; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 3, Rz. 81). IAS 7.16 gibt eine Vielzahl von Beispielen für diesen CF u. a.: y Einzahlungen aus dem Abgang langfristiger Vermögensposten, y Auszahlungen für den Erwerb langfristiger Vermögensposten, y Auszahlungen für Dritten gewährte Kredite sowie deren Rückzahlungen. Die Zuordnung der Zahlungsflüsse zu den einzelnen Fonds hängt auch vom Unternehmenszweck ab (vgl. Eiselt/Müller 2014, S. 44). Beispielsweise werden Zahlungsflüsse in Zusammenhang mit Grundstücken regelmäßig der Investitionstätigkeit zuzurechnen sein. Bei Immobiliengesellschaften hingegen bildet der Erwerb von Grundstücken einen Teilbereich des operativen Geschäftes. Folglich sind auch Zahlungsflüsse aus dem Kauf und Verkauf dem CF aus der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen. 4.2.4.4 Fondsveränderung aus der Finanzierungstätigkeit Der gesonderte Ausweis des CF aus der Finanzierungstätigkeit soll das Abschätzen künftiger Ansprüche der Kapitalgeber gegenüber dem Unternehmen erleichtern (IAS 7.17; Ernst &
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
597
Young 2021, S. 3152). Finanzierungstätigkeiten sind alle Tätigkeiten, die sich auf den Umfang und die Zusammensetzung des eingebrachten Kapitals und des Fremdkapitals auswirken (IAS 7.6). Wie auch beim CF aus der Investitionstätigkeit ist die direkte Darstellungsform gem. IAS 7.21 zwingend. IAS 7.17 gibt Beispiele für diesen CF u. a.: y Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen, z. B. Kapitalerhöhung durch Ausgabe junger Aktien oder anderer Eigenkapitalinstrumente, y Auszahlungen an Eigentümer zum Erwerb oder Rückkauf von Anteilen, y Einzahlungen aus der Ausgabe von Schuldverschreibungen sowie aus der Aufnahme von Darlehn, y Auszahlungen für die Rückzahlung von Ausleihungen. Allerdings sind nur Tilgungszahlungen Teil des CF aus der Finanzierungsmöglichkeit, die gezahlten Zinsen sind regelmäßig der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen (IAS 7.33). y Dividendenzahlungen an die Unternehmenseigner können auch als Bestandteil des CF aus der betrieblichen Tätigkeit klassifiziert werden (IAS 7.34); gleichwohl findet sich zumindest eine Klassifizierung als CF aus der Finanzierungstätigkeit.69 y Einzahlungen aus erhaltenen Dividenden und Zinsen unterliegen hingegen keiner strengen Zuordnung und sind entweder als betriebliche Tätigkeit, Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zu klassifizieren (IAS 7.31).70 Eine einmal gewählte Klassifizierung ist aufgrund des Stetigkeitsgrundsatzes beizubehalten (vgl. Rauscher/Koch 2020, § 18, Rn. 14; Harzheim 2021, Tz. 14). 4.2.4.5 Fremdwährungsumrechnung als Sonderproblem Nicht realisierte Gewinne oder Verluste, die sich z. B. aus der Umrechnung der Fremdwährungsposten im Einzelabschluss (s. Kap. III.2.3) ergeben, sind nicht als Cashflows zu betrachten (IAS 7.28 S. 1) und mithin nicht Bestandteil der Ursachenrechnung. Allerdings ist es notwendig, die Auswirkungen von Wechselkursänderungen auf den Finanzmittelfonds als Unterschiedsbetrag zu erfassen, um den Bestand an Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten zu Beginn und am Ende der Periode abzustimmen (IAS 7.28 S. 2). Der Unterschiedsbetrag ist getrennt von den CF aus betrieblicher Tätigkeit, Investitionsund Finanzierungstätigkeit als eine Art Überleitungsposten auszuweisen und umfasst die Differenzen etwaiger Wechselkursänderungen, die entstanden wären, wenn der Finanzmittelbestand in Fremdwährung mit dem Stichtagskurs umgerechnet worden wäre (vgl. Ernst & Young 2021, S. 3165 f.). Beispiel Wechselkursbedingter Abstimmungsposten Die Delta AG verfügt am 1.1.t1 über einen Barbestand von 150 US-$ (Umrechnungskurs 1 € = 1 US-$). Am Abschlussstichtag (31.12.t1) beträgt der Umrechnungskurs 1 € = 1,25 US-$. Im Jahresabschluss werden die 150 US-$ mit 120 € ausgewiesen. Demnach beinhaltet das Jahresergebnis einen Fremdwährungsverlust in Höhe von 30 € (IAS 21.23a). Das Jahresergebnis nach Fremdwährungsverlust beträgt annahmegemäß -30 € und ist dem CF aus der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen.
69 Sowohl Hitz/Teuteberg 2013, als auch Zülch/Jana/Kretzmann 2016, zeigen bei nahezu allen untersuchten Unternehmen eine Zuordnung der gezahlten Dividenden zur Finanzierungstätigkeit. 70 Mehrheitlich werden sowohl erhaltene Zinsen als auch erhaltene Dividenden als betriebliche Tätigkeit klassifiziert; hierzu Hitz/Teuteberg 2013, S. 38 f.; Zülch/Jana/Kretzmann 2016, S. 55 f.; Gordon et al. 2017, S. 854 ff.
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Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bei der indirekten Ermittlung des CF aus der laufenden Geschäftstätigkeit ist der nicht realisierte Fremdwährungsverlust als zahlungsunwirksamer Posten zunächst hinzuzurechnen (IAS 7.20b), d. h., das Jahresergebnis beträgt 0 €. Um den Finanzmittelbestand am Anfang und am Ende der Periode wieder abzustimmen, ist dieser außerhalb der Ursachenrechnung wieder herauszurechnen. Annahmegemäß beträgt der CF aus den drei Tätigkeiten jeweils 0 €; der Finanzmittelbestand besteht ausschließlich aus den 150 US-$. Der Finanzmittelbestand zum 1.1.t1 beträgt 150 €, der CF aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen beträgt 0 € und der Finanzmittelbestand zum 31.12.t1 120 €, d. h. der gesondert auszuweisende wechselkursbedingte Abstimmungsposten beträgt -30 € (150 € + 0 € – 30 € = 120 €).
4.2.5 Grundsätze der Aufstellung und Angabepflichten Neben IAS 7 sind bei der Aufstellung von Kapitalflussrechnungen weiterhin grundsätzlich die allgemeinen Regelungen des IASB Rahmenkonzepts zu beachten. Nicht beachtlich ist der Grundsatz der Periodenabgrenzung (IAS 1.27). Relevant sind indes neben dem zentralen Erfordernis der Entscheidungsrelevanz die folgenden Grundsätze (vgl. Eiselt/Müller 2014, S. 69 f.; Harzheim 2021, Tz. 14): y Grundsatz der Nachprüfbarkeit: Die Kapitalflussrechnung muss so beschaffen sein, dass neben dem Abschlussprüfer auch ein sachverständiger Dritter die Berechnung der darin enthaltenen Informationen nachvollziehen kann (vgl. IASB F.2.30 ff. sowie s. Kap. II.4.4.3.1; II.4.4.4; II.5.3.2.3). y Grundsatz der Wesentlichkeit: Es kann z. B. auf den gesonderten Ausweis einzelner Posten verzichtet werden, sofern dies die Entscheidungen der Stakeholder nicht beeinflusst (IASB F.2.11; IAS 1.29). y Grundsatz der Vergleichbarkeit: Eine zeitliche Vergleichbarkeit von Kapitalflussrechnungen setzt eine im Zeitablauf beizubehaltende Darstellungsstetigkeit der Abgrenzung des Finanzmittelfonds sowie der einzelnen Aktivitätsformate voraus (vgl. allgemein IASB F.2.24 ff. sowie z. B. IAS 7.31). y Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung: Da die Kapitalflussrechnung sämtliche Zahlungsvorgänge zeigen soll, gilt das Bruttoprinzip (vgl. auch IASB F.2.12 sowie IAS 1.32 f.), d. h., eine Saldierung von Ein- und Auszahlungen ist grundsätzlich unzulässig (IAS 7.21; zu den Ausnahmen siehe IAS 7.22-24). Neben den Tätigkeiten, welche einen direkten Einfluss auf den CF haben, kann es innerhalb eines Unternehmens auch solche Tätigkeiten geben, welche nicht Zahlungsmittel bzw. Zahlungsmitteläquivalente erfordern. Diese sollen nicht in der Kapitalflussrechnung dargestellt, dem Leser jedoch an anderer Stelle im Jahresabschluss zugänglich gemacht werden. Diese Angabepflichten sind u. a. in IAS 7.43 ff. normiert. Beispiele für besonders bedeutsame, bisher nicht genannte Angabepflichten sind: y Angaben zu Investitions- und Finanzierungsvorgängen, welche nicht zu Veränderungen von Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten geführt haben, wie z. B. der Erwerb eines Unternehmens gegen Ausgabe von Anteilen oder Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (IAS 7.43 f.), y der Betrag nicht ausgenutzter Kreditlinien (IAS 7.50a), y der Gesamtbetrag der CF, die Erweiterungen der betrieblichen Kapazität betreffen und sich von den CF, die zur Erhaltung der Kapazität erforderlich sind (IAS 7.50c), unterscheiden und y der Betrag der CF der einzelnen Aktivitätsformate aufgegliedert nach Segmenten (IAS 7.50d; s. Kap. III.4.3).
599
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
Diskussionsfrage III.4.-1 Inwieweit besitzen die im IASB-Framework normierten Fundamentalprämissen (s. Kap. II.5.3.2.3) im Rahmen der Erstellung einer Kapitalflussrechnung gem. IAS 7 ihre Gültigkeit?
4.2.6 Zusammenfassendes Beispiel Die Aufstellung einer Kapitalflussrechnung gem. IAS 7 soll im Folgenden anhand eines Beispiels verdeutlicht werden.71 Bilanz Aktiva Kurzfristige Vermögenswerte Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente Wertpapiere Vorräte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Unfertige Erzeugnisse Fertigerzeugnisse Forderungen Rechnungsabgrenzungsposten
31.12.t2 T€
31.12.t1 T€
4.500 1.600
2.200 1.600
10.200 3.000 3.500 16.200 100
9.500 3.500 4.000 15.400 300
Langfristige Vermögenswerte Sachanlagen Immaterielle Vermögenswerte Finanzanlagen Gesamt Aktiva
34.700 3.300 2.800 79.900
30.700 3.500 4.300 75.000
Passiva Kurzfristige Schulden Verbindlichkeiten aus L&L Kurzfristige Rückstellungen Steuerrückstellungen Rechnungsabgrenzungsposten
17.500 5.000 2.100 1.400
16.500 4.500 2.300 1.400
Langfristige Schulden Langfristige Finanzschulden (gegenüber Kreditinstituten) Pensionsrückstellungen
10.500 17.200
12.600 15.500
Eigenkapital Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklagen Bilanzgewinn Gesamt Passiva
7.000 14.200 4.300 700 79.900
6.000 12.000 3.500 700 75.000
71 Das Beispiel ist methodisch an Pellens et al. 2021, S. 213 ff. angelehnt. Zu weiteren Beispielen vgl. Coenenberg/Haller/ Schultze 2021b, S. 289 ff.; Ernst & Young 2021, S. 3131 ff.
600
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Gewinn- und Verlustrechnung
t2 T€ 130.000 – 1.000 + 8.000 – 84.700 – 26.700
Umsatzerlöse Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen Sonstige betriebliche Erträge Materialaufwand Personalaufwand Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte auf Sachanlagen Wertminderungsverlust Sonstige betriebliche Aufwendungen Betriebsergebnis Zinsaufwand Währungsverlust Ergebnis vor Steuern Steuern vom Einkommen und Ertrag Jahresüberschuss Zuführung zu den Gewinnrücklagen Bilanzgewinn
– 200 – 6.000 – 200 – 14.300 4.900 – 1.090 – 10 3.800 – 2.300 1.500 – 800 700
Folgende Annahmen (A) wurden gesetzt: A1 Der Bilanzgewinn aus der Periode t1 wurde vollständig in t2 an die Anteilseigner ausgeschüttet. A2 In t2 wurden auszahlungswirksame Sachanlageinvestitionen in Höhe von 10.000 T€ getätigt. A3 Die seit zehn Jahren gehaltene Beteiligung an der EURO AG wurde zu 2.000 T€ per Banküberweisung verkauft (Buchwert zum 31.12.t1: 1.300 T€). Die Zusammensetzung der Finanzanlagen hat sich ansonsten nicht verändert. A4 Zu den Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten zählt auch ein in Auslandswährung geführtes zinsloses Konto bei einer ausländischen Bank, auf dem in t2 keine Ein- oder Auszahlungen erfolgt sind. Das Guthaben betrug am 31.12.t1 100.000 US-$ (1 € = 1 US-$). Der Umrechnungskurs beträgt zum 31.12.t2: 1 US-$ = 0,9 €. A5 Die planmäßigen Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte betragen 6.200 T€. Hinzu tritt ein Wertminderungsverlust in Höhe von 200 T€ einer langfristigen Finanzinvestition, die bis zur Endfälligkeit gehalten wird (s. Kap. III.3.4). A6 Zinsaufwand und -ertrag sowie der in der GuV gezeigte Steueraufwand sind zahlungswirksam. Kapitalflussrechnung Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit Jahresüberschuss vor Steuern Anpassungen für Abschreibungen Erhöhung des Bestands an Rückstellungen Wertminderungsverlust Währungsverlust Zinsaufwendungen Abnahme aktiver Rechnungsabgrenzungsposten
(1)
31.12.t2 T€ + 3.800
(2) (2) (2) (3) (4) (5)
+ 6.200 + 2.000 + 200 + 10 + 1.090 + 200
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
CF aus der betrieblichen Tätigkeit vor Änderungen des Nettoumlaufvermögens und vor Zinsen und Steuern Erhöhung von Forderungen aus L&L Veränderung des Bestands an Vorräten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Bestandserhöhung) Fertige und unfertige Erzeugnisse (Bestandsminderung) Gewinn aus dem Abgang langfristiger Vermögensposten Erhöhung der Verbindlichkeiten aus L&L CF aus betrieblicher Tätigkeit vor Zinsen und Steuern Gezahlte Zinsen Gezahlte Ertragsteuern Nettozahlungsmittel aus betrieblicher Tätigkeit
601
(6)
+ 13.500
(7)
– 800
(8) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14)
– 700 + 1.000 – 700 + 1.000 13.300 – 1.090 – 2.300 + 9.910
Cashflow aus der Investitionstätigkeit Einzahlungen aus dem Abgang langfristiger Vermögenswerte Auszahlungen für Sachanlageinvestitionen Für Investitionen eingesetzte Nettozahlungsmittel
(15) (16) (17)
+ 2.000 – 10.000 – 8.000
Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit Einzahlungen aus einer Kapitalerhöhung Auszahlungen an Gesellschafter Auszahlungen für die Tilgung langfristiger Finanzschulden (Darlehn) Für die Finanzierungstätigkeit eingesetzte Nettozahlungsmittel
(18) (19) (20) (21)
+ 3.200 – 700 – 2.100 + 400
Finanzmittel 1.1. Nettoveränderung der Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente Wechselkursbedingte Änderungen des Finanzmittelbestands Finanzmittel 31.12.
(22) (22) (22) (22)
+ 2.200 + 2.310 – 10 + 4.500
Die einzelnen Posten erklären sich wie folgt: (1) Der Jahresüberschuss ist aus der GuV zu übernehmen und um die Steuerzahlungen (= Steueraufwand lt. A6) zu erhöhen. (2) Abschreibungen und Rückstellungen sind aufwandswirksam, jedoch nicht zahlungswirksam. Dasselbe gilt für den Wertminderungsverlust (A5). (3) Währungsverluste (A4) sind hinzuzurechnen, da diese getrennt von den in den Aktivitätsformaten dargestellten CF zu zeigen sind (IAS 7.28). (4) Zinsaufwendungen sind hinzuzurechnen, da unter (6) ein Posten vor Zinsen gezeigt wird; die gezahlten Zinsen werden unter (12) wieder abgezogen. (5) Ein in t1 gebildeter aktiver Rechnungsabgrenzungsposten wurde ergebnismindernd verwendet. Dieser Ergebnisminderung steht kein Zahlungsabfluss gegenüber, d. h., dieser Posten ist hinzuzurechnen. (6) Hierbei handelt es sich um die Zwischensumme der unter (1) bis (5) ausgewiesenen Posten. (7) Eine Erhöhung der Forderungen aus L&L (bzw. die dahinterstehenden Umsatzerlöse) ist nicht zahlungswirksam; d. h., dieser Posten ist abzuziehen. (8) Die Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen wurde in der GuV als Aufwand berücksichtigt. Diesem Aufwand steht jedoch kein Zahlungsabfluss gegenüber, d. h. dieser Posten ist hinzuzurechnen. Dasselbe gilt (mit umgekehrtem Vorzeichen) für die Erhöhung des Bestands an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen.
602
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
(9)
Die Beteiligung wird zu 2.000 T€ verkauft (Buchwert: 1.300 T€), d. h., aus dem Verkauf der Beteiligung resultiert ein Gewinn von 700 T€ (A3). Dieser Gewinn ist gem. IAS 7.16 dem CF aus der Investitionstätigkeit zuzurechnen (15). Da der Jahresüberschuss diesen Gewinn beinhaltet, ist dieser Betrag für die Zwecke der Ermittlung des CF aus der betrieblichen Tätigkeit abzuziehen.
(10)
Eine Zunahme der Verbindlichkeiten aus L&L geht z. B. bei einer Beschaffung von Rohstoffen (die in derselben Periode verbraucht werden) mit einer Erhöhung des Materialaufwands einher (Betrachtung ohne Überlegungen zur Vorsteuer). Diesem Aufwand steht jedoch kein Abgang von Zahlungsmitteln gegenüber, d. h., dieser Posten ist hinzuzurechnen. Hierbei handelt es sich um die Zwischensumme der unter (6) bis (10) ausgewiesenen Posten. Die tatsächlich gezahlten Zinsen sind abzuziehen, da der Zinsaufwand unter (4) hinzugerechnet wurde. Zinsaufwand und tatsächlich gezahlte Zinsen entsprechen sich (A6). Die tatsächlich gezahlten Ertragsteuern sind abzuziehen, da als Ausgangsgröße der Jahresüberschuss vor Steuern (1) herangezogen wurde. Steueraufwand und tatsächlich gezahlte Steuern entsprechen sich (A6). Dieser Posten gibt den CF aus betrieblicher Tätigkeit an; synonym hierfür findet der Begriff »Nettozahlungsmittel aus betrieblicher Tätigkeit« Verwendung. Die Einzahlung aus dem Verkauf der Beteiligung ist dem CF aus der Investitionstätigkeit zuzurechnen (IAS 7.16b, A3). Der Gewinn aus dem Verkauf wurde bei der indirekten Ermittlung des CF aus der betrieblichen Tätigkeit herausgerechnet (9). Auszahlungen für die Beschaffung von Sachanlagen gem. A2 sind dem CF aus der Investitionstätigkeit zuzurechnen (IAS 7.16a). Dieser Posten gibt den CF aus der Investitionstätigkeit an; synonym hierfür findet der Begriff »Für Investitionen eingesetzte Nettozahlungsmittel« Verwendung. Die Einzahlungen aus der Kapitalerhöhung (s. Kap. III.3.6.3.1) errechnen sich durch einen Vergleich (t1/t2) der Bilanzposten »gezeichnetes Kapital« und »Kapitalrücklage« (IAS 7.17a). Die Dividendenzahlung basiert auf A1 und ist annahmegemäß dem CF aus der Finanzierungstätigkeit zuzurechnen (IAS 7.31). Die Auszahlungen für die Tilgung langfristiger Finanzschulden (gegenüber Kredit instituten) ergeben sich durch Vergleich (t1/t2) der entsprechenden Bilanzposten (IAS 7.17d). Dieser Posten gibt den CF aus der Finanzierungstätigkeit an; synonym hierfür findet der Begriff »Für die Finanzierungstätigkeit eingesetzte Nettozahlungsmittel« Verwendung. Die dazugehörigen Posten stellen die Fondsveränderungsrechnung dar. Diese leitet den Finanzmittelbestand zu Beginn der Periode auf den Finanzmittelbestand am Periodenende über: 2.200 T€ + 9.910 T€ (14) – 8.000 T€ (17) + 400 T€ (21) – 10 T€ (Währungsverlust; (3), A4) = 4.500 T€. Die 4.500 T€ stimmen mit dem Bilanzposten »Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente« (zum 31.12.t2) überein.
(11) (12)
(13)
(14) (15)
(16) (17) (18)
(19) (20)
(21)
(22)
Kontrollfragen zu III.4.2
603
Kontrollfragen zu III.4.2 1. Gehen Sie auf die Notwendigkeit der Erstellung einer Kapitalflussrechnung ein und erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung. 2. Nennen Sie jeweils zwei Beispiele für nicht zahlungswirksame Aufwendungen und nicht zahlungswirksame Erträge. 3. Nennen Sie zwei Beispiele, bei denen nach IAS 7 ein Wahlrecht bezüglich des Ausweises in den einzelnen Aktivitätsformaten besteht. Diskutieren Sie die Vorziehenswürdigkeit des Ausweises in dem einen oder dem anderen Format. Wie beurteilen Sie die Existenz von Wahlrechten? 4. In Bezug auf ein bestimmtes Geschäftsjahr beträgt der CF aus der betrieblichen Tätigkeit + 40 T€, der CF aus der Investitionstätigkeit -120 T€ und der CF aus der Finanzierungstätigkeit +25 T€. Der Bestand an Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten am Ende des Geschäftsjahres beträgt 90 T€. Stellen Sie die Fondsveränderungsrechnung dar. 5. Der Finanzmittelfonds lässt sich unterschiedlich abgrenzen. Teilweise wird vorgeschlagen, als Finanzmittelfonds das Nettoumlaufvermögen heranzuziehen. Dieses setzt sich zusammen aus den Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten sowie den kurzfristigen Forderungen und Vorräten abzüglich der kurzfristigen Verbindlichkeiten. Zu berücksichtigen sind weiterhin aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Diskutieren Sie die Eignung dieser Abgrenzung des Finanzmittelfonds als Grundlage für die Erstellung einer Kapitalflussrechnung.
4.3 Segmentberichterstattung 4.3.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Verstärkte Globalisierungs- und Diversifikationsbestrebungen von Unternehmen haben zur Folge, dass der Konzernabschluss dieser Unternehmen durch die hochaggregierten Informationen über verschiedene Segmente und dem damit einhergehenden Informationsverlust dem Jahresabschlussnutzer häufig nur noch bedingt nützliche Daten anbietet. Vor allem Nivellierungen gegenläufiger Effekte in verschiedenen Segmenten sind nicht erkennbar. Dieses Defizit soll eine Segmentberichterstattung beseitigen. Ihre Aufgabe ist es daher, die verdichteten Daten zu disaggregieren und den entsprechenden Bereichen des Unternehmens zuzuweisen (zur Bedeutung des Aggregationsniveaus auf den Informationsgehalt vgl. Ebert/Simons/Stecher 2017). Damit soll den Adressaten die Möglichkeit einer differenzierten Beurteilung eines Unternehmens durch die angemessene Abbildung der Finanz- und Ertragskraft sowie der Chancen und Risiken der unterschiedlichen Segmente geboten werden (vgl. Coenenberg/Fink 2008, S. 20; Zülch 2016, S. 378). Empirie Informationsgehalt der Segmentberichterstattung Insgesamt belegen die empirischen Ergebnisse zumeist den Informationsgehalt (s. Kap. I.4.3; I.4.4) der Segmentberichterstattung (z. B. Hope et al. 2009; Cho 2015; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 902). Der Studie von Bugeja/Czernkowski/Moran 2015, zufolge neigen profitable Unternehmen dazu, nur wenige detaillierte Segmentinformationen zu veröffentlichen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Konzept der Kosten der Offenlegung von Information (proprietary cost).
604
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Hierzu zählen unmittelbare Kosten der Informationsproduktion, -aufbereitung und -offenlegung wie auch die wirtschaftlichen Nachteile durch Veröffentlichung schlechter Nachrichten (Merkt 2001, S. 220; für eine aktuelle Studie in Bezug auf die Kosten der Offenlegung, siehe Li/Lin/Zhang 2018). Auch gute Nachrichten können Kosten verursachen. Wettbewerbsvorteile und Profitabilität könnten unwillentlich aufgedeckt werden und weitere Unternehmen zur Teilnahme am Markt oder Nachahmung von Technologien anregen (zu spieltheoretischen Ansätzen s. Kap. I.4.2.3). Demnach kann ein Unternehmen selbst bei guten Nachrichten nicht gewillt sein, Informationen über das geforderte Mindestmaß hinaus zu veröffentlichen (Wagenhofer/Ewert 2015, S. 380-399).
Das Grundprinzip (core principle) von IFRS 8 besagt, dass alle Informationen offen zu legen sind, welche die Adressaten in die Lage versetzen, die Art und die finanziellen Auswirkungen der verschiedenen Geschäftsaktivitäten des Unternehmens sowie des wirtschaftlichen Umfelds, in dem es tätig ist, zu beurteilen (IFRS 8.1). Die Disaggregation erfolgt durch die Zerlegung des Unternehmens in Segmente. Ein Segment lässt sich allgemein als jeder isolierbare Teilbereich eines Unternehmens definieren und zwar sowohl innerhalb eines Einzelunternehmens als auch innerhalb eines Konzerns. Die auf einen solchen Teilbereich entfallenden ökonomischen Aktivitäten bildet die Segmentberichterstattung ab (z. B. Umsatz in Bezug auf das Segment A und in Bezug auf das Segment B). Durch die disaggregierten Segmentinformationen stellen diversifizierte Unternehmen annähernd den Informationsstand her, den ausschließlich in einzelnen Segmenten operierende Unternehmen durch die Veröffentlichung des Jahresabschlusses gewähren (vgl. Haller 2020, IFRS 8, Rn. 24). Im Zuge der Implementierung des IFRS 8 ist zu beobachten, dass Unternehmen ihre Segmentstrukturen anpassen, um eine bessere wirtschaftliche Sicht des Geschäftes zu vermitteln (Lenormand/Touchias 2021). Diskussionsfrage III.4.-2 Zu diskutieren ist die folgende Aussage: »Bei Erstellung eines Konzernabschlusses ist eine Segmentberichterstattung wenig nutzenstiftend, da mit den in den Konzernabschluss einzubeziehenden Einzelabschlüssen (s. Kap. I.2.1) bereits geeignete Segmentinformationen zur Verfügung stehen.«
Des Weiteren werden die gegebenen Segmentinformationen regelmäßig auch für interne Steuerungszwecke herangezogen (s. Kap. I.3.1.1.2). Empirie Integration von interner und externer Unternehmensrechnung Engelen/Pelger (2014) untersuchen in Bezug auf die Jahre 2009-2011 die Segmentberichterstattung gem. IFRS 8 von 417 deutschen börsennotierten Unternehmen. Die zentrale Variable zur Messung der Integration basiert auf den Angaben der gemäß IFRS 8.28 aufzustellenden Überleitungsrechnung. Diese Rechnung soll dem Adressaten die Verbindung zwischen internem (Segmentberichterstattung) und externem (Unternehmensergebnis) Zahlenwerk verdeutlichen. Hierbei wird eine volle Integration immer dann festgestellt, wenn das interne Ergebnis (Summe der Segmentergebnisse) bis auf lediglich 2 % von dem externen Zahlenwerk (Unternehmensergebnis) abweicht. Laut Studie beträgt der Anteil voll integrierter Unternehmen 62 %. Besonders stark integriert sind Dienstleistungsunternehmen (84 %). Die Ergebnisse der multivariaten Regression zeigen u. a., dass die Integration mit höherer Organisationskomplexität (gemessen an der Anzahl konsolidierter Tochterunternehmen, der Anzahl ausländischer Tochterunternehmen und der Anzahl berichteter Segmente) zunimmt. Ebenfalls werden bei hoher Integration geringe Informationsasymmetrien zwischen Eigentümern und Vorstand beobachtet (für eine kritische Diskussion der Implementierung von IFRS 8 und der Konvergenz zwischen internem und externem Rechnungswesen siehe Saile/Müller/Dilßner 2020).
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
605
Folgende Rechnungslegungsnormen sind anzuwenden bzw. beachtenswert: Handelsrechtlich müssen große Kapitalgesellschaften ihre Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geografischen Märkten getrennt ausweisen, falls diese erheblich voneinander abweichen (§§ 285 Nr. 4, 288 HGB). Eine Befreiung ergibt sich nach § 286 Abs. 1 und 2 HGB immer dann, wenn die Aufgliederung der Umsatzerlöse für die Kapitalgesellschaft zu erheblichen Nachteilen führt oder das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet ist. Diese Regelung gilt auf Ebene des Einzelabschlusses. Auf Konzernebene gibt § 297 Abs. 1 S. 2 HGB lediglich ein Wahlrecht zur Erweiterung des Konzernabschlusses um eine Segmentberichterstattung vor. Spezifische handelsrechtliche Regelungen zur Ausgestaltung einer Segmentberichterstattung existieren nicht. Hier kommt DRS 28 eine besondere Bedeutung zu, da vermutet werden kann, dass die niedergelegten Regelungen Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung darstellen (§ 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB; s. Kap. II.6.2.2.c).72 Im Gegensatz zum Wahlrecht nach HGB für Konzernabschlüsse, besteht für IFRS-Konzernabschlüsse eine Aufstellungspflicht. Ein weiterer Unterschied zum HGB besteht in der handelsrechtlichen Berücksichtigung der Homogenität von Risiken und Chancen (risk and rewards approach) innerhalb der Segmente (DRS 3.13). Hierbei werden Segmente unter Bezugnahme auf Geschäftsfelder und geographische Bereiche nach Risiko- und Ertragsgesichtspunkten gegliedert (Wagenhofer 2009). IFRS 8 verfolgt den Management-Ansatz (management approach; s. Kap. I.3.1.1.2). Nach dem IFRS 8 ist eine Segmentberichterstattung für solche Unternehmen zwingend, deren Eigenkapital- oder Fremdkapitalinstrumente bereits öffentlich gehandelt werden oder die sich im Emissionsprozess an öffentlich zugänglichen Wertpapiermärkten befinden (IFRS 8.2). Für diese Unternehmen stellt die Segmentberichterstattung eine Pflichtergänzung des Jahresabschlusses dar. Jüngere Studien zeigen, dass sich die Anpassungen des IFRS 8 zumeist positiv auf die Qualität der Segmentberichterstattung sowie deren Informationsgehalt und -wert (s. Kap. I.4.3) auswirken. Beispielsweise erhöht sich die Qualität geografischer Segmentinformationen (hierzu Aboud/Roberts/Hussainey 2019, allerdings mit gemischten Ergebnissen zu anderen Untersuchungsbereichen). Göttsche/Küster/Steindl (2021) zeigen, dass nicht unter Beachtung von IFRS 8 erstellte Segmentberichte zu weniger genauen Prognosen von Finanzanalysten führen, was wiederum für den Informationsgehalt von IFRS 8 spricht. Weiterhin bestehen Kirsch (2017a, 2017b) folgend auch bei Anwendung von IFRS 8 abschlusspolitische Ermessensspielräume (s. Kap. I.7.2.2.2), welche den Informationswert ggf. beeinträchtigen können. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Erstellung eines Segmentberichtes nach IFRS 8 (zur Kommentierung des IFRS 8 siehe auch Haller 2020).
4.3.2 Abgrenzung der Segmente Für die Abgrenzung der Segmente ist der Management-Ansatz (management approach) heranzuziehen. Dieser stellt auf die Struktur der internen Berichterstattung ab, d. h., das von der Unternehmensleitung für interne Entscheidungen eingerichtete Berichtssystem (z. B. produktgruppenbezogene Umsätze, Ergebnisse) wird auf die externe Segmentberichterstattung übertragen. Dadurch soll ein unverschleierter Blick auf die Geschäftslage und eine aussagekräftige Prognose zukünftiger Cashflows gewährleistet werden (vgl. Weißenberger et al. 2013, S. 13).
72 Zu den Unterschieden zwischen den deutschen GoB und den IFRS vgl. Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 345 ff. Für eine Abgrenzung der IFRS und DRS im Kontext der Segmentberichterstattung siehe Kirsch 2021b.
606
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Dieser Ansatz beruht auf den Annahmen, dass ein erfolgreich geführtes Unternehmen über ein gutes internes Berichtssystem verfügt und dass eine auf dieser Basis vorgenommene externe Berichterstattung gleichfalls geeignet ist, um die externen Abschlussverwender bei ihren Entscheidungen zu unterstützen (vgl. ähnlich Fey/Mujkanovic 1999, S. 263). Eine Umstrukturierung des internen Datenmaterials für externe Zwecke entfällt, d. h., als Vorteil ist eine zeitnahe und kostengünstige externe Berichterstattung zu nennen (vgl. Böckem/Pritzer 2010, S. 614). Als nachteilig könnte sich indes erweisen, dass eine stark individuell ausgerichtete interne Berichterstattung einer Vergleichbarkeit der Segmentinformationen für externe Zwecke entgegensteht (vgl. Herrmann/Thomas 2000, S. 288). Das folgende Beispiel verdeutlicht dies: Zitat Externe Segmentierung auf Basis des internen Berichtssystems? »Sind die Verantwortlichkeiten in einem Unternehmen derart strukturiert, dass jeweils ein Manager für ein Portfolio von unterschiedlichen Geschäftsbereichen verantwortlich ist und seine Tätigkeit nach deren Entwicklung beurteilt wird, so wird auch das interne Berichtswesen zur Information des Chief Operating Decision Makers dieser Organisationsstruktur folgen. Dem externen Adressaten wird jedoch eine auf diesen Strukturen beruhende Segmentberichterstattung kaum eine sinnvolle Beurteilung von Chancen und Risiken und damit auch keine zuverlässige Abschätzung der künftigen Entwicklung ermöglichen« (Fey/Mujkanovic 1999, S. 263).
Der Ablauf einer Segmentberichterstattung nach IFRS 8 umfasst die folgenden Schritte.
4.3.3 Abgrenzung der berichtspflichtigen Segmente Zu berichten ist über die Geschäftssegmente (operating segments). Diese Segmente sind zunächst einmal abzugrenzen. Nach IFRS 8.5 sind Geschäftssegmente Unternehmensteile, y deren Geschäftsaktivitäten Erträge erwirtschaften und bei denen Aufwendungen anfallen können, y deren operatives Ergebnis von der Unternehmensleitung für die Allokation der Ressourcen und die Beurteilung des Erfolges herangezogen werden und y für die separate Finanzinformationen vorliegen. Ein produktorientiertes Segment ist eine Teileinheit eines Unternehmens, das anhand einzelner oder ähnlicher Produkte oder Dienstleistungen abgegrenzt werden kann. Nach Kundengruppen abgegrenzte Segmente gelten als produktorientierte Segmente. Ein geographisches Segment ist eine Teileinheit eines Unternehmens, das aufgrund eines spezifischen regionalen Umfeldes anhand von Vermögen, Produkten oder Dienstleistungen abgegrenzt werden kann. Ausgangspunkt für die Identifikation der Geschäftssegmente für externe Darstellungszwecke bildet die interne Organisations- und Berichtsstruktur. Demnach sind die organisatorischen Strukturen, nach denen das Unternehmen intern geführt wird (z. B. Berichtsstrukturen an die Geschäftsleitung), auch für die externe Berichterstattung heranzuziehen. Geschäftsbericht Übereinstimmung interne und externe Berichtsstruktur Der folgende Auszug aus einem Geschäftsbericht verdeutlicht die Übereinstimmung von interner und externer Berichtsstruktur (vgl. auch Matova/Pelger 2010, S. 500): »In Anlehnung an die Berichterstattungsstruktur des Unternehmens für Managementzwecke nach Märkten und gemäß der Definition des IFRS 8 ›Geschäftssegmente‹ sind zum 31. Dezember 2020 10 Geschäftssegmente identi-
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
607
fiziert worden: Europa, Nordamerika adidas, Nordamerika reebok, Asien-Pazifik, Russland/GUS, Lateinamerika, Emerging Markets, adidas Golf, Runtastic und andere zentral geführte Geschäftsbereiche« (Adidas AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 299).
Mehrere Geschäftssegmente können gem. IFRS 8.12 zu einem berichtspflichtigen Segment zusammengefasst werden, wenn die Zusammenfassung mit dem Grundprinzip des IFRS 8.1, das in Abschnitt 4.3.1 erläutert wurde, übereinstimmt, die Segmente ähnliche wirtschaftliche Merkmale aufweisen und sie außerdem im Hinblick auf alle nachstehend genannten Aggregationskriterien ähnlich sind: Wesensart der Produkte und Dienstleistungen, Art der Produktionsprozesse, Kundengruppen, Vertriebsmethoden und Wesensart des regulatorischen Umfelds wie z. B. bei Banken und öffentlichen Versorgungsbetrieben. Dabei versucht IFRS 8.13 ff., den Prozess einer möglichen weiteren Zusammenfassung von Segmenten zu strukturieren. Nach Paragraf 13 ist ein Segment eigenständig berichtpflichtig, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: y IFRS 8.13a: Die (internen und externen)73 Segmenterlöse betragen mind. 10 % der Summe der Erlöse über alle Segmente (Gesamtsegmenterlöse) oder die (internen und externen) Segmentumsätze betragen mind. 10 % der Summe der Umsätze über alle Segmente (Gesamtsegmentumsätze). y IFRS 8.13b: Das absolute Segmentergebnis muss mind. 10 % der Summe der Gewinne der gewinnbringenden Segmente oder (sofern höher) der Summe der absoluten Verluste der verlustbringenden Segmente betragen. y IFRS 8.13c: Das Segmentvermögen muss mindestens 10 % der Summe der Vermögenswerte aller Segmente betragen. Führt eine Überprüfung gem. Paragraf 13 dazu, dass ein intern dargestelltes Segment nicht berichtspflichtig ist, kann es dennoch freiwillig in die Segmentberichterstattung aufgenommen werden (IFRS 8.13). Wird hiervon kein Gebrauch gemacht, besteht die Möglichkeit, mehrere kleinere, gleichartige Segmente gem. IFRS 8.14 zu einem berichtspflichtigen Segment zusammenzufassen. Dies setzt allerdings voraus, dass sie im Hinblick auf die Mehrheit der in IFRS 8.12 genannten Aggregationskriterien ähnlich sind. Wurde auch hiervon kein Gebrauch gemacht, sind die kleinen Segmente in einen Ausgleichsposten (z. B. unter der Bezeichnung »Alle sonstigen Segmente«) aufzunehmen (IFRS 8.16). Insgesamt müssen die Erlöse der extern ausgewiesenen Segmente 75 % der konsolidierten Gesamtumsatzerlöse ausmachen. Ist dies nicht der Fall, sind solange weitere berichtsfähige Segmente als berichtspflichtige Segmente zu bestimmen, bis die externen Erlöse diesen Schwellenwert erreicht haben (IFRS 8.15). Dies kann dazu führen, dass weitere Segmente einzubeziehen sind, obwohl diese den zuvor angesprochenen Erlösschwellenwert von 10 % nicht erreichen. IFRS 8.19 empfiehlt eine Anzahl von maximal zehn Berichtssegmenten. Ein solches Vorgehen soll verhindern, dass eine zu hohe Anzahl von berichtspflichtigen Segmenten zu einer Informationsüberflutung (information overload) führt.
73 Externe Segmenterlöse entstehen mit Dritten und interne Segmenterlöse entstehen mit anderen Segmenten.
608
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Segmenterlöse > 10 % der Summe der Erlöse über alle Segmente (IFRS 8.13a)?
ja
nein Segmentergebnis > 10 % der höheren Teilsumme der addierten Gewinne oder (der absoluten) Verluste über alle Segmente? (IFRS 8.13b)?
ja
nein Segmentvermögen > 10 % der Summe der Vermögenswerte aller Segmente (IFRS 8.13c)?
ja
nein Freiwillige Behandlung als berichtspflichtiges Segment (IFRS 8.13)?
ja
nein Zusammenfassung mit anderen gleichartigen, nicht berichtspflichtigen Segmenten (IFRS 8.14)? nein Gesonderte Ausweispflicht aufgrund fortwährender Bedeutung (IFRS 8.17)
ja
ja
nein Gesonderte Ausweispflicht zur Erfüllung der 75 %-Regel (IFRS 8.15) nein Ausgleichsposten
Berichtspflicht
ja
ja
Abb. III.4./6 Ablaufplan zur Bestimmung berichtspflichtiger Segmente
Für die Bestimmung der berichtspflichtigen Segmente gilt der in Abbildung III.4./6 dargestellte Ablaufplan (vgl. auch Fink/Ulbrich 2007, S. 981 ff.; Haller 2020, IFRS 8, Rn. 48 sowie IFRS 8.IG7).
Beispiel Abgrenzung berichtspflichtiger Segmente74 Für die Superfood AG stellt sich die Frage, welche der folgenden Segmente gem. IFRS 8.13 ff. berichterstattungspflichtig sind. Für die Zwecke der Unternehmensleitung ist der Konzern in acht Geschäftssegmente, basierend auf den von den Segmenten angebotenen Produkten und Dienstleistungen, untergliedert:
74 Das Beispiel erfolgt in Anlehnung an Ernst & Young 2007, S. 19 ff. Weitere Anwendungsfragen diskutieren Lüdenbach/ Lukat 2013. Vgl. auch Ebeling 2014 sowie Pellens et al. 2021, S. 978 ff.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
Einzelhandel
Catering, private Kunden
Catering, gewerbliche Kunden
Herstellung
609
Kochbücher
T€
T€
T€
T€
T€
129.842
19.798
39.590
2.704
22.046
– mit anderen Segmenten
–
1.980
5.485
36.791
–
Umsatzerlöse gesamt
129.842
21.778
45.075
39.495
22.046
EBIT
6.495
1.232
2.338
2.939
1.102
Vermögen
4.504
3.120
8.152
9.989
5.250
Umsatzerlöse – mit Dritten
Foodzeitschriften
Vermietung
Backwarenversand
T€
T€
T€
Konsolidiert
Eliminierungen, Anpassungen T€
T€
Umsatzerlöse 10.260
14.016
18.670
- 902*
256.024
– mit anderen Segmenten
– mit Dritten
–
2.561
2.200
- 49.017**
-
Umsatzerlöse gesamt
10.260
16.577
20.870
- 49.919
256.024
EBIT Vermögen
420
1.105
740
- 2.496
13.875
5.063
20.975
5.183
-
62.236
* Die Segmenterlöse und die sich für die Segmente Kochbücher und Foodzeitschriften ergebenden Forderungen werden im Einzelabschluss bei Versand der Waren realisiert. Im Konzernabschluss sind diese Erlöse und Forderungen dann zu erfassen, wenn die Waren an den Einzelhändler ausgeliefert sind (IFRS 8.27). ** Die Erlöse aus Geschäften mit anderen Segmenten werden zu Preisen erfasst, die Marktpreisen entsprechen (IFRS 8.27a).
Berichterstattungspflichtig ist ein Segment, sobald einer der in IFRS 8.13 genannten Schwellenwerte erreicht wird: a) Segmenterlöse betragen oder überschreiten 10 % der gesamten internen und externen Erlöse aller Segmente; b) Der absolute Betrag des Segmentperiodenergebnisses beträgt oder übersteigt den höchsten der beiden nachstehend genannten absoluten Werte: i) 10 % des Gesamtgewinns aller Segmente mit positivem Ergebnis; ii) 10 % des Gesamtverlusts aller Segmente mit negativem Ergebnis; c) Das Segmentvermögen muss mindestens 10 % des gesamten Vermögens aller Segmente betragen.
610
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Prozentual betrachtet ergibt sich für die Segmente der Superfood AG folgendes Bild:75 Einzelhandel
Catering, private Kunden
Catering, gewerbliche Kunden
Herstellung
Anteil Umsatzerlöse Gesamt*
42,5 %
√
7,1 %
14,7 %
√
12,9 %
√
Anteil EBIT*
39,7 %
√
7,5 %
14,3 %
√
18,0 %
√
Anteil Vermögen
7,3 %
5,0 %
13,1 %
√
16,1 %
√
Ausweispflichtige Segmente
√
√
√
Kochbücher
Foodzeitschriften
Vermietung
Backwarenversand
Anteil Umsatzerlöse Gesamt*
7,2 %
3,4 %
5,4 %
6,8 %
Anteil EBIT*
6,7 %
2,6 %
6,7 %
4,5 %
Anteil Vermögen
8,4 %
8,1 %
33,7 %
Ausweispflichtige Segmente
√
8,3 %
√
* Vor Eliminierungen und Anpassungen Die mit einem Haken gekennzeichneten Segmente der Superfood AG sind ausweispflichtig. Die Segmente Catering an private Kunden, Kochbücher, Foodzeitschriften und Backwarenversand sind anhand der Kriterien nicht berichtspflichtig. Demnach liegt der prozentuale Anteil der berichtspflichtigen Segmente an den konsolidierten Gesamtumsatzlösen mit Dritten bei 72,7 % [(129.842 T€ + 39.590 T€ + 2.704 T€ + 14.016 T€) / 256.024 T€].76 Da die ermittelten ausweispflichtigen Segmente den Schwellenwert gem. IFRS 8.15 von 75 % der externen Erlöse (im Gegensatz hierzu bezieht sich die Grenze bei dem 10 %-Test auf externe und interne Erlöse) nicht erreichen, sind weitere Segmente zu bilden, bis diese Grenze erreicht oder überschritten wird. Bei dieser Betrachtung sind die Umsatzerlöse mit Dritten ins Verhältnis zu den Gesamtumsatzerlösen zu setzen. Dies kann gemäß IFRS 8.14 durch Aggregation mehrerer Segmente erfolgen, sofern die Mehrzahl der Aggregationskriterien gem. IFRS 8.12 erfüllt wird. Dieses Kriterium erfüllt z. B. das Catering an private Kunden, das mit dem Catering an gewerbliche Kunden zu Catering zusammengefasst wird.
75 Etwaige Differenzen in der Berechnung der prozentualen Anteile gehen auf Rundungserfordernisse zurück, die notwendig sind, um im Hinblick auf die Umsatzerlöse, das EBIT und das Vermögen insgesamt einen prozentualen Anteil von 100 auszuweisen. 76 Die 902 T€ in der Spalte »Eliminierungen, Anpassungen« wurden unter Hinweis auf den Grundsatz der Wesentlichkeit und den Grundsatz der Praktikabilität nicht auf die einzelnen Segmente aufgeteilt. Zu den genannten Grundsätzen vgl. z. B. IASB F.QC11 und QC35 ff.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
611
Demnach sind die folgenden Segmente berichterstattungspflichtig: Einzelhandel
Umsatzerlöse mit Dritten
Catering
Herstellung
Vermietung
Summe berichtspflichtige Segmente
Summe alle Segmente (konsolidiert)
T€
T€
T€
T€
T€
T€
129.842
59.388
2.704
14.016
205.950 (80,4 %)
256.024 (100 %)
Durch diese Aggregation wird die Grenze von 75 % der externen Umsatzerlöse mit Dritten der Superfood AG überschritten. Daher ist keine weitere Suche nach oder Aggregation mit anderen Segmenten notwendig. Aus Praktikabilitätsgründen schlägt IFRS 8.19 eine Richtgröße von maximal zehn Segmenten vor. Die Superfood AG bewegt sich hiermit innerhalb dieser Grenzen. Empirie Industriezugehörigkeit von Unternehmen mit mehreren Segmenten Chen/Cohen/Lou, 2017, zeigen für US-amerikanische Unternehmen, dass Mehr-Segment-Unternehmen dazu neigen, sich über (zielgerichtete) Zuordnung von Umsatzerlösen Vorteile z. B. in Form von höheren Marktkapitalisierungen zu verschaffen. Durch die Umsatzzuordnung gelingt es Unternehmen einer attraktiveren Industrie zugewiesen zu werden. Der Mechanismus dieses opportunen Handelns (s. Kap. I.4.2.1) ist wie folgt: Regelungen der US-Börsenaufsicht SEC verlangen, dass Unternehmen, die in verschiedenen Industrien tätig sind und somit auch unterschiedliche Segmenterlöse ausweisen, einer sog. primären Industrieklasse (SIC = Standard Industry Classification) zugehörig sind. Da Investoren nicht über dieselben Informationen wie das berichtende Unternehmen verfügen (asymmetrische Informationsverteilungen) und zudem nur begrenzte Informationsverarbeitungsmöglichkeiten besitzen (s. Kap. I.4.2.1), liegt es nahe, dass diese ausschließlich auf die primäre Industrie zur Risiko- und Profitabilitätseinschätzung vertrauen. Hierdurch ergeben sich für die Unternehmen Anreize, den Ausweis als primäre Industrie über die Segmenterlöse zu beeinflussen, um z. B. eine höhere Marktkapitalisierung zu erzielen. Mit anderen Worten, das Unternehmen »wählt« eine primäre Industrie mit geringeren Eigenkapitalkosten, weil geringere Eigenkapitalkosten c. p. zu einem höheren Unternehmenswert und somit zu höheren Marktkapitalisierungen führen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn die erreichten Segmentumsätze in einem knappen Verhältnis zueinander stehen (z. B. 51 % in Segment A und 49 % in Segment B), da dann durch geringfügige Anpassungen (z. B. 49 % in Industrie A und 51 % in Industrie B) ein Wechsel der primären Industrie erzielt wird. Obwohl sich an der tatsächlichen Lage des Unternehmens und den erwarteten Cashflows nichts geändert hat, führt die begrenzte Informationsverarbeitung der Investoren zu höheren Marktkapitalisierungen. Diese abschlusspolitische Maßnahme (s. Kap. II.7) wird auch als industry window dressing bezeichnet.
4.3.4 Segmentbezogene Angaben und Überleitungen Ziel der Segmentberichterstattung ist es, dem externen Leser des Jahresabschlusses dieselben Informationen zur Verfügung zu stellen, die das Management als Basis für seine Investitionsentscheidungen nutzt. Somit werden die dem Segmentbericht zugrundeliegenden Daten aus dem internen Berichtswesen abgeleitet.77
77 Eine Checkliste zu den segmentspezifischen Angabepflichten findet sich in Ernst & Young 2021, S. 3003 ff.
612
y
y
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Zu den allgemeinen Angaben gem. IFRS 8.22 zählen Informationen zu den für die Bestimmung der berichtspflichtigen Segmente zugrunde gelegten Faktoren sowie eine Darstellung, wie das Unternehmen organisiert ist und ob operative Segmente zusammengefasst wurden (IFRS 8.22a, 8.22aa), zu den Arten der Produkte und Dienstleistungen, mit denen jedes berichtspflichtige Segment seine Erlöse erzielt (IFRS 8.22b).
Folgende quantitative Angaben zum Periodenergebnis und über das Vermögen und die Schulden sind zu tätigen (IFRS 8.23 f.):78 Das Segmentergebnis und die Segmentvermögenswerte (IFRS 8.23), welche zur internen Steuerung und Berichterstattung herangezogen werden, sind anzugeben. Weiterhin sind folgende Größen anzugeben, sofern sie in das Ergebnis einfließen bzw. dem Management zusätzlich zur Ergebnisgröße mitgeteilt werden: Außenumsätze, Innenumsätze, Zinserträge, Zinsaufwendungen, Abschreibungen, wesentliche Erträge und Aufwendungen gem. IAS 1.97, Equity-Ergebnisse, Ertragssteueraufwendungen und -erträge sowie wesentliche zahlungsunwirksame Posten (ohne Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) neben den Abschreibungen. Das Segmentvermögen ist das einem Segment direkt oder auf Basis eines sinnvollen Schlüssels zugeordnete bzw. zuordenbare Vermögen. Gesondert sind Buchwerte von nach der Equity-Methode erfassten Beteiligungen und Investitionen in das langfristige Vermögen anzugeben (IFRS 8.24). Die Segmentschulden sind nur dann anzugeben, wenn sie internen Steuerungszwecken dienen und regelmäßig an das Management berichtet werden (IFRS 8.23). Segmenterträge, Segmentergebnis, Segmentvermögen und Segmentschulden müssen auf die jeweiligen Posten des Abschlusses übergeleitet werden (IFRS 8.28). Bei der Erstellung von Segmentberichten stellt sich in der Unternehmenspraxis regelmäßig die Frage nach der Aufteilung der einzelnen Größen der jährlichen Berichterstattung. Eine solche Aufteilung ist unproblematisch, wenn sich diese Größen einem Segment direkt zuordnen lassen. Gleichwohl tritt häufig der Fall auf, dass die Jahresgrößen sich gerade nicht direkt zuordnen lassen, sondern auf einer vernünftigen Grundlage auf mehrere Segmente zu verteilen sind (IFRS 8.25). IFRS 8 enthält keine konkrete Regelung, nach welchen Prinzipien die angesprochenen Gemeinschaftsgrößen (joint items) zu verteilen sind. Die Verteilung hängt von den spezifischen Verhältnissen des Unternehmens, des Segments und der Gemeinschaftsgrößen selbst ab. Die Aufteilungskriterien sind zu erläutern (IFRS 8.27). Zulässig dürfte z. B. das Proportionalitätsprinzip sein. Demnach sind Gemeinschaftsgrößen proportional zu geeigneten Bezugsgrößen (wie z. B. Ausbringungsmengen) zu verteilen. Wird z. B. eine Lagerhalle (Gemeinschaftsgröße) von zwei Segmenten hälftig genutzt, so sind auch die damit in Zusammenhang stehenden planmäßigen Abschreibungen sowie Energie- und Instandhaltungsaufwendungen hälftig den jeweiligen Segmenten zuzurechnen. Wichtig ist, dass die Lagerhalle nur dann als Vermögenswert eines bestimmten Segments zu zeigen ist, wenn die darauf bezogenen Erträge und Aufwendungen auch auf dieses Segment verteilt worden sind. Vermögenswerte oder Schulden, die sich gemeinsam auf zwei oder mehr Segmente beziehen, können auch dann auf diese verteilt werden, wenn die darauf bezogenen Erträge und Aufwendungen auch auf unterschiedliche Segmente verteilt werden (IFRS 8.27 f.), d. h., eine Schlüsselung von Vermögenswerten und Schulden ist zulässig.
78 Vgl. ausführlich z. B. Wollmert/Bischof 2021. S. 125 ff.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
613
Unabhängig von den berichtsformatspezifischen Angabepflichten sind die sonstigen Pflichtangaben gem. IFRS 8.27 zu tätigen. Hierzu zählen z. B.: y Angaben zu den Verrechnungspreisen mit anderen Segmenten79 oder y Angaben zu Auswirkungen einer asymmetrischen Aufteilung der Segmentdaten (z. B. Berücksichtigung von Abschreibungen im Segmentergebnis, während der zugehörige Vermögenswert nicht dem Segmentvermögen zugerechnet wird). y Angaben zu einem Segment, das für Zwecke der internen Berichterstattung gebildet wurde, das aber nicht berichtspflichtig ist, da es den Großteil seiner Erlöse aus internen Transaktionen erwirtschaftet. Folgende Überleitungsrechnungen sind basierend auf IFRS 8.28 vorzunehmen: y Überleitungen der Summe der Umsatzerlöse, y Überleitung des Ergebnisses, y Überleitung der Summe der Vermögenswerte, y Überleitung der Summe der Schulden, y Überleitung der Summe der Beträge der berichtspflichtigen Segmente für jeden anderen wesentlichen Informationsposten. Beispiele für Angaben auf Unternehmensebene (IFRS 8.31-8.34) sind: y Erlöse aus Geschäften mit externen Kunden für jedes Produkt und jede Dienstleistung bzw. für jede Gruppe derselben (IFRS 8.32), y Erlöse aus Geschäften mit externen Kunden, die dem Land, in dem das Unternehmen ihren Sitz hat, und allen Drittländern zugeordnet werden können (IFRS 8.33a), y langfristige Vermögenswerte, abgesehen von Finanzinstrumenten, latente Steueran sprüchen, Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie Ansprüche aus Versicherungsverträgen (IFRS 8.33b), y Informationen über die umsatzstärksten Kunden, wenn die Umsätze mindestens 10 % des Gesamtumsatzes generieren (IFRS 8.34).
79 Vgl. technotrans AG 2021, S. 162. Der Geschäftsbericht 2020 führt z. B. bezüglich der Angabe von Rechnungslegungsgrundlagen für Transaktionen zwischen Segmenten Folgendes aus: »Die Lieferpreise für Umsätze werden zwischen den Segmenten in der Regel wie zwischen fremden Dritten vereinbart.«
614
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Kontrollfragen zu III.4.3 1. Die Fahrrad-AG produziert seit Jahren Herrenräder, Damenräder und Kinderräder. Bei den Herrenrädern werden die Produktvarianten Rennräder, Trekkingräder und Tourenräder gefertigt. Die Damenräder werden in den Varianten Trekkingräder, Tourenräder, Mountainbikes und Stadträder hergestellt. Bei den Kinderrädern wird nur ein Modell mit unterschiedlichen Rahmenhöhen gefertigt (für Kinder bis 8 Jahre, 10 Jahre, 12 Jahre, 14 Jahre) (siehe hierzu Buchholz 2017, S. 336). a) Welche Segmentabgrenzung bietet sich an, wenn eine produktorientierte Betrachtung im Vordergrund steht? b) In t10 entscheidet der Vorstand der AG, Herren- und Damenräder in einer speziellen Variante herzustellen. Diese Modelle zeichnen sich durch besonders hohe Absatzrisiken und -chancen aus. Die interne Zuordnung der Fun-Modelle erfolgt zu den entsprechenden Produktvarianten der Herren- bzw. Damenräder. Erläutern Sie anhand dieser Informationen den Management-Ansatz. 2. Die Paul AG erstellt einen IFRS-Abschluss. Im Rahmen der Segmentberichterstattung lassen sich sieben Segmente identifizieren (alle Angaben in T€). Segmente Umsätze
1
2
3
4
5
6
7
100
120
500
80
400
80
70
Vermögenswerte
20
20
80
25
70
30
30
Ergebnisse
+5
+ 15
+ 120
–5
–5
0
– 15
a) Welche Segmente sind auf Basis der zuvor getätigten Angaben berichtspflichtig? Bitte prüfen Sie alle anwendbaren Normen. b) Wie beurteilen Sie die gewonnenen Ergebnisse hinsichtlich der einbeziehungspflichtigen Geschäftsfelder aus dem Blickwinkel der Zielsetzung eines IFRS-Abschlusses? 3. Analysieren Sie die Überleitungsrechnung vom Segmentbetriebsergebnis zum Betriebsergebnis gem. IFRS 8.28 von Adidas (Adidas AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 301–303) und diskutieren Sie die Gründe für eine große bzw. geringe Abweichung des internen und externen Zahlenwerks. Nehmen Sie im Rahmen Ihrer Analyse auch zur Integration von interner und externer Unternehmensrechnung in Deutschland Stellung. Welche Vorteile bietet der Segmentbericht den Adressaten durch die Anwendung des management approach?
4.4 Lagebericht und ähnliche Instrumente 4.4.1 Abzubildender Sachverhalt, Aufgaben und anzuwendende Rechnungslegungsnormen Der Lagebericht stellt ein rechtlich und funktional eigenständiges Rechnungslegungsinstrument der jährlichen Pflichtpublizität von Unternehmen dar, welches neben den Jahresabschluss tritt. Er dient im Sinne der Abkopplungshypothese (s. Kap. II.2.1) der Heilung des eingeschränkten Informationsniveaus in Bilanz und GuV, in dem er den Jahresabschluss
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
615
erläutert und diesen um Informationen allgemeiner Art über den Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Gesellschaft ergänzt. Insofern sind Lagebericht und Jahresabschluss zwar formal unabhängig, beide Rechnungslegungsinstrumente stehen gleichwohl in einem engen inhaltlichen Zusammenhang (vgl. z. B. Grottel 2020, § 289 HGB, Rn. 9). Der Lagebericht zeichnet sich vor allem durch seine prognostische Ausrichtung aus und soll die derzeitige und zukünftige Situation des Unternehmens hinsichtlich der Chancen und Risiken darstellen. Der Lagebericht erfüllt neben der Rechenschaftsfunktion vor allem eine Informationsfunktion (bestätigend hierzu die Ergebnisse einer Befragung von börsennotierten Unternehmen und Finanzanalysten von Kajüter/Bachert/Blaesing 2010, S. 460), wobei die zuletzt genannte Funktion sich in zwei Teilaufgaben aufteilen lässt: y Dabei geht es zum einen darum, die in der Generalnorm des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB genannten »Teillagen« (Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage) zur wirtschaftlichen »Gesamtlage« der Gesellschaft zu verdichten (Verdichtungsaufgabe) und darzustellen, wie sie die Stellung und Entwicklung der Gesellschaft im Vergleich zum Gesamtmarkt und ihrem unmittelbaren wirtschaftlichen Umfeld einschätzen. y Neben der Verdichtungsaufgabe kommt dem Lagebericht eine Ergänzungsaufgabe in sachlicher und zeitlicher Hinsicht zu. In sachlicher Hinsicht sollen über den Jahresabschluss hinausgehende Informationen, z. B. zu selbst entwickelten Patenten, zum Mitarbeiterstamm sowie zur Organisation und Marktstellung des Unternehmens gegeben werden und in zeitlicher Hinsicht geht es vor allem darum, prognoseorientierte Informationen zu geben sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung nach dem Abschlussstichtag zu berichten. Handelsrechtlich verpflichtet § 264 Abs. 1 S. 1 HGB Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich dazu, auf Ebene des Einzelabschlusses einen Lagebericht zu erstellen und § 316 Abs. 1 S. 1 HGB verlangt diesen durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Allerdings gelten diese Pflichten gem. § 264 Abs. 1 S. 3 HGB bzw. § 316 Abs. 1 S. 2 HGB nicht für kleine Kapitalgesellschaften. Zur Erstellung eines Konzernlageberichts verpflichtet § 290 Abs. 1 S. 1 HGB. Der Lagebericht ist regelmäßig Bestandteil des Geschäftsberichts (s. Kap. I.3.1.2.1). Zusätzlich hat ein Unternehmen, welches im Inland Wertpapiere emittiert oder Schuldtitel im Sinne des § 2 Absatz 1 WpHG begibt, nach den §§ 114 f. WpHG einen Jahres- und Halbjahresfinanzbericht zu erstellen, welche einen Lagebericht bzw. Zwischenlagebericht enthalten. Bei Erstellung eines IFRS-Abschlusses kann ein Finanzbericht durch das Management (financial review by management) erstellt werden (s. Kap. Abb. I.3./5). Allerdings erwähnt IAS 1.13 die Erstellung eines solchen Berichts lediglich. Ein solcher Bericht ist weder Pflichtbestandteil eines IFRS-Abschlusses, noch wird seine Erstellung empfohlen. Die diesbezüglichen Berichtsinhalte sind sehr allgemein gehalten. Gleichwohl finden sich in einzelnen IFRS Angabepflichten in den notes, welche den Bestandteilen eines handelsrechtlichen Lageberichtes sehr nahe kommen (s. Kap. I.3.2.2.1.a). 80
80 Angesprochen sind z. B. die Finanzinstrumente und die Nachtragsberichterstattung.
616
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Darüber hinaus hat der IASB im Dezember 2010 ein Practice Statement Management Commentary veröffentlicht (Hayn/Graf Waldersee 2014, S. 59). Diese Leitlinie zum management commentary (PS MC) besitzt keine den IFRS entsprechende Bindungskraft und kann neben dem financial review by management als zusätzliche Möglichkeit gesehen werden, Informationen zu veröffentlichen. Nationale Börsenaufsichten oder Gesetzgeber entscheiden über die Verbindlichkeit dieser Leitlinie für einzelne IFRS-Anwendergruppen (vgl. Buchheim 2009, S. 1685). Der MC soll als separates Berichtselement neben dem Jahresabschluss veröffentlicht werden und die Jahresabschlussinformationen ergänzen und erweitern, eine Unternehmensanalyse aus Sicht des Managements vermitteln sowie eine zukunftsorientierte Berichterstattung unterstützen (vgl. z. B. Kajüter/Bachert/Blaesing 2010, S. 184; Fink/ Kajüter 2021, S. 44). Ziel ist es, den Investoren einen Blick aus der Perspektive der Unternehmensleitung auf das Unternehmen zu ermöglichen. Demnach sollte der Bericht Informationen zu den folgenden Bereichen enthalten (PS MC.24 ff.): y Art des Geschäfts, y Ziele und Strategien der Unternehmensleitung, y Ressourcen, Risiken und Beziehungen des Unternehmens, y Geschäftsergebnis und -aussichten, y Leistungsmaßstäbe und Indikatoren, welche die Unternehmensleitung zur Beurteilung heranzieht. Inwieweit die fünf Bereiche die möglichen Inhalte eines MC abschließend definieren ist nicht eindeutig geklärt (Kajüter/Fink 2012, S. 248). Die Formulierung »the particular focus of management commentary will depend on the facts and circumstances of the entity« (PS MC.24) deutet darauf hin, dass weitere Angaben, die ein Verständnis von der strategischen Ausrichtung des Unternehmens vermitteln, möglich sind. Ein MC kann somit, wie auch der deutsche Lagebericht, zusätzliche Berichtsteile enthalten, sofern die qualitativen Anforderungen erfüllt sind (Kajüter/Fink 2012, S. 250). Die sehr allgemein gehaltenen inhaltlichen Ausweiselemente implizieren einen niedrigen Detailierungsgrad. Sollte der MC in der Zukunft verbindlichen Charakter erhalten, so ist es für deutsche IFRS-Anwender aufgrund der allgemeinen Anforderungen des MC mit geringem Aufwand möglich, einen MC aufzustellen (Fink/ Kajüter 2011, S. 181). Vor dem Hintergrund sich stetig wandelnder Informationsbedürfnisse wurden seit 2017 Untersuchungen zur Identifizierung potenzieller Verbesserungsmöglichkeiten des MC durchgeführt (ED MC 2021, BC2). Diese wurden im Mai 2021 im Rahmen des Exposure Draft »Management Commentary« zusammengefasst und konnten bis November 2021 kommentiert werden. Ein zentrales Anliegen dieses Entwurfes zum MC ist, dass der MC zusammen mit dem Jahresabschluss ein einheitliches Bild vermitteln soll. Zudem sollen langfristige Entwicklungen (z. B. Risiken und Chancen) stärker in den Fokus rücken (ED MC 2021, BC4). Sollten diese Änderungen umgesetzt werden, so ist eine Annährung des MC an den Lagebericht erkennbar (z. B. verlangt auch der Lagebericht nach HGB einen Bezug des Lageberichts zum Jahresabschluss). Eine vorläufige Auswertung der Kommentare, die dem IASB bis zum 23.11.2021 im Rahmen der Überarbeitung des MC eingingen, befürwortet zudem eine Abstimmung mit dem International Sustainability Standards Board (ISSB; hierzu IFRS 2022).
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
617
Durch die Einrichtung des ISSB in Frankfurt a. M. seitens der IFRS Foundation sollen globale Mindeststandards im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt und etabliert werden. Offen bleibt hierbei die Rolle dieser Standards im Gefüge der EU-Klimaund Nachhaltigkeitspolitik (Großkopf et al. 2021) sowie auch das Wirkungsgeflecht zu anderen bereits etablierten Nachhaltigkeitsstandards (z. B. der Global Reporting Initiative, GRI). Sollte das ISSB eigene Standards entwickeln (IFRS 2021c), dann ist zu diskutieren, inwieweit diese gem. § 289d HGB als Rahmenwerk von deutschen Unternehmen übernommen werden. Auch eine (partielle) Übernahme bestehender Standards ist möglich. Auf EU-Ebene besitzt in Bezug auf das ESG-Reporting die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) eine zentrale Stellung, die sich wiederum sehr stark an den GRI-Standards orientiert. »Wie die verschiedenen Standards letztlich ineinander übergreifen, ist bislang noch völlig offen« (o. V. 2021). Insofern bleibt die künftige Entwicklung abzuwarten. Die allgemeinen Anforderungen an einen Lagebericht nach deutschem Recht finden sich für den Einzelabschluss in § 289 HGB sowie für den Konzernabschluss in § 315 HGB und ergänzend in DRS 20 (s. Abb. III.4./7). Die Erstellung des Lageberichts obliegt der Unternehmensleitung und die dort gegebenen Informationen werden stets aus deren Sicht vollzogen (§§ 264 Abs. 1 S. 1, 290 Abs. 1 HGB, DRS 20.31). Die bei der Erstellung des Jahresabschlusses zu beachtenden Rahmennormen gelten (s. Kap. II.4, II.5) in ähnlicher Weise für den Lagebericht. Als besonders bedeutsame Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichterstattung sind die Grundsätze der Vollständigkeit, Verlässlichkeit und Ausgewogenheit, Klarheit und Übersichtlichkeit, Vermittlung der Sicht der Konzernleitung, Wesentlichkeit sowie Informationsabstufung (vgl. DRS 20.12-35; Zülch/Höltken 2013, S. 2457 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 965 ff.) zu nennen. Empirie Umfang der Lageberichterstattung Laut einer Untersuchung durch die KPMG AG reicht die Bandbreite der Seitenanzahl der Lageberichte von 28 der DAX-30-Unternehmen im Geschäftsjahr 2013 von 23 bis 308 Seiten. Aufgrund von Rumpfgeschäftsjahren wurden nicht alle 30 Unternehmen untersucht. Ohne den Minimum- und den Maximum-»Ausreißer« liegt die Spanne immer noch bei 52 bis 180 Seiten (siehe KPMG 2014, S. 9).
Diskussionsfrage III.4.-3 Diskutieren Sie die folgende Aussage: Dem Grundsatz der Vorsicht kommt bei der Erstellung des Lageberichts die gleiche Bedeutung zu, wie bei der Erstellung eines HGB-Einzelabschlusses.
4.4.2 Bedeutsame Teilberichte Dieser Teilabschnitt beschreibt handelsrechtliche Bestimmungen zum Lage- bzw. Konzernlagebericht sowie die diesbezüglichen Konkretisierungen durch die DRS. Abbildung III.4./7 veranschaulicht das Zusammenwirken dieser Normen. 81
81 Abbildung teilweise angelehnt an Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 969.
618
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Bestandteile des (Konzern-)Lageberichts Bestandteil
Lagebericht
Konzernlagebericht
Konkretisierung
Grundlagen des Konzerns
Verschiedene HGB §§
Verschiedene HGB §§
DRS 20.36-52
Wirtschaftsbericht
§ 289 Abs. 1 S. 1-3 HGB
§ 315 Abs. 1 S. 1-3 HGB
DRS 20.53-113
Chancen- und Risikobericht
§ 289 Abs. 1 S. 4 HGB
§ 315 Abs. 1 S. 4 HGB
DRS 20.135-167
Prognosebericht
§ 289 Abs. 1 S. 4 HGB
§ 315 Abs. 1 S. 4 HGB
DRS 20.118-134
Bericht über Finanzrisiken
§ 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB
§ 315 Abs. 2 Nr. 1 HGB
DRS 20.179-187
Forschungs- und Entwicklungsbericht
§ 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB
§ 315 Abs. 2 Nr. 2 HGB
DRS 20.48-52
Zweigniederlassungsbericht
§ 289 Abs. 2 Nr. 3 HGB
§ 315 Abs. 2 Nr. 3 HGB
DRS 38a-38c
Bericht über das Kontrollund Risikomanagementsystem
§ 289 Abs. 4 HGB
§ 315 Abs. 4 HGB
DRS 20.K168-K178
Nichtfinanzielle Erklärung
§ 289b-e HGB
§ 315b-c HGB
DRS 20.232 -313
Erklärung zur Unternehmensführung
§ 289f HGB
§ 315d HGB
DRS 20.K224-K231l
Abb. III.4./7 Bestandteile des (Konzern-)Lageberichts
Die Grundlage für die Anwendung der DRS ist der gesetzliche Auftrag des DRSC nach § 342 Abs. 1 HGB (s. Kap. I.5.2.2.2). Obwohl DRS 20 explizit nur in Bezug auf den Konzernlagebericht gem. § 315 HGB anzuwenden ist, wird seine Beachtung auch für den Lagebericht nach § 289 HGB empfohlen (DRS 20.2 sowie auch die Empfehlung des IDW an den Abschlussprüfer in IDW PS 350.5; Fink/Kajüter 2021, S. 27). Um die Informationsinteressen der Lageberichtsadressaten sowie die gesetzlich geforderten Angaben entsprechend zu erfüllen, ist es sinnvoll, den Lagebericht in verschiedene eigenständige Berichtselemente bzw. Teilberichte zu gliedern (vgl. stellvertr. Stute 2009, S. 47 ff.). Aufgrund der umfangreichen rechtlichen Vorschriften zum Lagebericht wird der Schwerpunkt in diesem Kapitel aus didaktischen Gründen auf eine Auswahl von Teilberichten, namentlich Grundlagen des Konzerns – Wirtschaftsbericht, Chancen- und Risikobericht und Prognosebericht – gelegt (s. Kap. III.4.4.2.2 ff.). Zudem wird zunächst auf die Entwicklung des Lageberichtes eingegangen (s. Kap. III.4.4.2.1). Da der Vergütungsbericht für die Geschäftsjahre bis 2020 ein Teil des Lagerberichtes war und gegenwärtig durch den Verweis im Lagebericht ein indirekter Bezug zum Lagebericht besteht, wird der Vergütungsbericht in diesem
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
619
Kapitel ebenfalls behandelt (zu den anderen Teilbereichen vgl. z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 765 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 957 ff.; Fink/Kajüter 2021). 4.4.2.1 Entwicklung des Lageberichtes Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und die daraus resultierende Verabschiedung des DRÄS 9 (im Oktober 2019) verpflichtet Unternehmen in der Erklärung zur Unternehmensführung einen Verweis auf die Unternehmenswebseite zu tätigen. Auf dieser Internetseite sollen der Vergütungsbericht, das geltende Vergütungssystem, der Beschluss über die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats und der Vermerk des Abschlussprüfers öffentlich zugänglich gemacht werden. Somit geht mit dem DRÄS 9 eine inhaltliche Erweiterung der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung einher, die erstmalig für Berichtsperioden anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2020 beginnen (DRS 20.310). Durch die Umsetzung des ARUG II wird der Vergütungsbericht aus dem Lagebericht herausgelöst und nun als separater Bericht interpretiert (§ 162 AktG). Dies hat zur Konsequenz, dass der Vergütungsbericht nicht mehr als Gegenstand der handelsrechtlichen Abschlussprüfung definiert ist (§ 316 HGB) und stattdessen gemäß § 162 AktG auf das Bestehen geprüft wird. Das Herauslösen des Vergütungsberichtes aus dem Lagebericht, hat ebenfalls zur Folge, dass dieser nicht mehr in den Geltungsbereich des DRSC fällt. Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/95/EU ist am 19.4.2017 in Kraft getreten. Nichtfinanzielle Informationen können demnach durch das Unternehmen im (Konzern-)Lagebericht oder in einem gesonderten Bericht dargestellt werden (§§ 289b, 315b HGB, DRS 20.241). Dabei können Unternehmen nichtfinanzielle Information auf sechs Arten veröffentlichen (Behncke/Wulf 2019, S. 22): y Eigenständiger Bericht (auf der Internetseite), y Kapitel im Geschäftsbericht, y Kapitel eines Nachhaltigkeitsberichtes, y voll integriert im Nachhaltigkeitsbericht, y Abschnitt im Lagebericht, y voll integriert im Lagebericht. Dieser gesonderte Bericht (zu den Inhalten siehe insbes. §§ 289c, 315c HGB; auch als nichtfinanzielle Erklärung bezeichnet) ist erstmals für Berichtsperioden anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 beginnen. Konkretisierungen zur nichtfinanziellen Konzernerklärung wurden in den DRS 20 integriert. Diese beinhalten insbesondere Beispiele für nichtfinanzielle Leistungsindikatoren (DRS 20.286), die nach Aspekten (Umwelt-, Arbeitnehmer-, Sozialbelange, Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung) aufgegliedert sind (DRS 20.258). Die Reihenfolge der Angaben kann frei gewählt werden (DRS 20.264). Bereits ab dem 1.1.2022 greifen die Berichtspflichten zu Art. 8 der »Verordnung 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.6.2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Veränderung der Verordnung (VO) 2019/2088« (im Folgenden EU-Taxonomie VO). Hiernach sind Unternehmen, die verpflichtet sind, eine nichtfinanzielle Erklärung (NFE) bzw. einen nichtfinanziellen Bericht (NFB) aufzustellen, fortan ebenfalls dazu verpflichtet, den ökologisch nachhaltigen Anteil ihrer Umsatzerlöse, ihrer Investitionsausgaben und ihrer Betriebsausgaben zu veröffentlichen (Scheid/Baumüller 2021). Eine Umfrage des DRSC ergab auf Grundlage von 27 Antworten von DAX-30-Unternehmen, dass lediglich die Hälfte dieser Unternehmen derzeit davon ausgehen, dass sie die Berichtspflichten der EU-Taxonomie VO für den Geschäftsbericht 2021 erfüllen können (DRSC 2021b).
620
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Im Rahmen der »Corporate Sustainability Reporting Directive« (CSRD 2021) hat die Europäische Kommission im April 2021 Verbesserungen hinsichtlich der geltenden nichtfinanziellen Berichterstattung vorgeschlagen (Richtlinie 2014/95/EU). Wesentliche Änderungsvorschläge umfassen u. a. die Verortung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagerbericht und die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (ab 2026). Des Weiteren soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der ersten Phase mit begrenzter und zu einem späteren Zeitpunkt mit hinreichender Sicherheit geprüft werden (Lanfermann/Scheid 2021). Nach bestehender Rechtslage ist eine nichtfinanzielle Berichterstattung lediglich auf das Vorhandensein zu prüfen und kann sowohl innerhalb als auch außerhalb des Lageberichtes veröffentlicht werden. Die Erstanwendung der CSRD ist für das Geschäftsjahr 2023 geplant, sodass die Folgen der vorgeschlagenen Änderungen frühestens in 2024 evaluierbar sein werden. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs würden in Deutschland künftig etwa 15.000 statt wie bisher 500 Unternehmen von den Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen (Lanfermann/ Scheid 2021, S. 1218). Die neuen Vorschriften zur nichtfinanziellen Erklärung bieten größtmögliche Flexibilität bei der Wahl der Berichtsformate und deren inhaltlicher Überprüfung, sodass die bisherigen Berichts- und Prüfungspraktiken weitestgehend beibehalten werden können (vgl. Kajüter 2017, S. 624). Der amtierende Abschlussprüfer bestätigt das Vorhandensein der Erklärung, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit (hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen siehe Ruhnke/Schmidt 2021, § 316 HGB, Rz. 81 ff. und die dort angegebene Literatur). Wird die Erklärung im Lagebericht oder gesondert auf der Internetseite des Unternehmens abgegeben, so ist vom amtierenden Abschlussprüfer die Vorlage der Erklärung zu prüfen (§ 317 Abs. 2 S. 4-5 HGB). Die grundsätzlich bestehende Prüfungspflicht des Lageberichts greift insofern nicht. Allerdings muss der Prüfer die nichtfinanzielle Erklärung stets im Hinblick auf mögliche Unstimmigkeiten zu anderen im Geschäftsbericht veröffentlichten Informationen kritisch lesen. Der Aufsichtsrat prüft die nichtfinanzielle Erklärung inhaltlich (§ 171 Abs. 1 AktG). Empirie Darstellung, Prüfung und Vollständigkeit nichtfinanzieller Information Kajüter und Wirth (2018) untersuchen die Praxis der nichtfinanziellen Berichterstattung auf Konzernebene von 27 DAX-Unternehmen (Berichtsjahr 2017). Demnach erstellen 70 % der Grundgesamtheit einen gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht nach § 315b Abs. 3 HGB, während die verbleibenden 30 % nach § 315b Abs. 1 HGB eine nichtfinanzielle Konzernerklärung im Konzernlagebericht veröffentlichen. Die gesonderte Offenlegung nichtfinanzieller Konzernberichte findet lt. Kajüter und Wirth (2018) meistens zeitgleich oder sehr zeitnah mit dem Konzernlagebericht statt. Festgestellt wird, dass »trotz der heterogenen Berichtspraxis die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine gewisse Vergleichbarkeit untereinander« (ebd., S. 1612) aufweist. Basierend auf einer Grundgesamtheit von 129 DAX-Unternehmen (Berichtsjahr 2017) untersuchen Behncke und Wulf (2019) die Erstanwendung der nichfinanziellen Berichterstattung. Zunächst zeigen sie, dass Unternehmen den NFB bzw. die NFE auf sechs Arten veröffentlichen. Zu den vier häufigsten Arten zählen hierbei 1) der eigenständige Bericht auf der Internetseite (33 %), 2) der Abschnitt im Lagebericht (21 %), 3) die gänzliche Integration in den Nachhaltigkeitsbericht (19 %) und 4) das Kapitel im Geschäftsbericht (18 %). Diese Heterogenität findet sich auch im Umfang der NFB wieder. So hat der kürzeste Bericht einen Umfang von zwei und der längste Bericht einen Umfang von 100 Seiten, wobei der Durchschnitt bei 23 Seiten liegt. Bei den angewendeten Rahmenwerken gem. § 289d HGB überwiegen die von der Global Reporting Initiative (GRI) verlautbarten GRI-Standards (70 %), gefolgt von dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (17 %).
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
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Fink und Bäuscher (2020) stellen fest, dass 96 % aller DAX-30-Unternehmen ihre nichtfinanzielle Konzernberichterstattung freiwillig von einem unabhängigen Dienstleister prüfen ließen. Hierbei erfolgt die Prüfung der DAX-30-Unternehmen zu 85 % durch den amtierenden Abschlussprüfer (Behnke/Wulf 2018). Von den geprüften nichtfinanziellen Erklärungen bzw. Berichten werden 25 % mit hinreichender (reasonable assurance) und 75 % mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) geprüft (Fink/Bäuscher 2020; ähnlich bereits Behnke/Wulf 2018). Basierend auf einer Stichprobe von 29 DAX- und 44 MDAX-Unternehmen (Berichtsjahre 2017 und 2018) stellen Fink und Bäuscher (2021) heraus, dass die Kenntlichmachung berichtspflichtiger nichtfinanzieller Leistungsindikatoren nicht nur im ersten Anwendungsjahr (Geschäftsbericht 2017), sondern ebenfalls im zweiten Anwendungsjahr (Geschäftsbericht 2018) deutliche Mängel aufweist. Zudem wird die Möglichkeit von Verweisen auf an anderen Stellen im Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Angaben kaum Gebrauch gemacht (DRS 20.243, 20.256). Fink und Bäuscher (2021) interpretieren die seltene Inanspruchnahme von Verweismöglichkeiten als ein mögliches Indiz dafür, dass Unternehmen die Bedeutung nichtfinanzieller Information zunehmend bewusster wird. Eine vom DRSC durchgeführte Studie bestätigt in Bezug auf 100 repräsentativ ausgewählte Unternehmen, dass die Mehrzahl der Unternehmen die nichtfinanzielle Erklärung außerhalb des Lageberichts in einem gesonderten nichtfinanziellen Bericht veröffentlicht und dabei überwiegend auf das GRI-Rahmenwerk zurückgreift (DRSC 2021a). Ebenfalls berichteten nahezu alle untersuchten Unternehmen über die geforderten Mindestaspekte (Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung).
4.4.2.2 Bericht zu den Grundlagen des Konzerns Dieser Bericht stellt den Ausgangspunkt für die Analyse des Geschäftsmodells und der Forschung und Entwicklung dar (DRS 20.36-38, 48-52). Somit umfasst er auch die in §§ 289 Abs. 2 Nr. 2, 315 Abs. 2 Nr. 2 HGB geforderten Angaben zu den Bereichen Forschung und Entwicklung und kann weiterhin Angaben über die Ziele und Strategien des Konzerns (DRS 20.39-44) und bestehende Zweigniederlassungen (DRS 20.38a-c) beinhalten. Neben allgemeinen Ausführungen beispielsweise zur Konzernstruktur und -organisation, Segmenten, wichtigen Produkten, Absatzmärkten sowie rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren fordert DRS 20.K45 f., dass kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ihr internes Steuerungssystem einschließlich der dabei eingesetzten Kennzahlen sowie wesentliche Veränderungen zu erläutern haben. Für einen Einblick in den Bereich Forschung und Entwicklung gem. § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB sind sowohl alle selbst durchgeführten Aktivitäten als auch die Leistungen Dritter zu erläutern. Neben der Verpflichtung, wesentliche Veränderungen in diesem Bereich anzugeben (DRS 20.51), ist der Konzern ebenso angehalten, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unabhängig davon, ob Entwicklungskosten im Konzernabschluss aktiviert wurden, darzustellen und zu erläutern (DRS 20.52). Diese Angaben informieren darüber, ob und inwieweit das Unternehmen durch Forschung und Entwicklung für die Zukunft vorsorgt und sind daher von besonderer Bedeutung (hierzu sowie im Folgenden z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021a, S. 787 ff.). Forschung und Entwicklung ist ein sensibler Bereich der externen Berichterstattung, da ggf. die Gefahr besteht, dass Konkurrenten Einblicke in neue Entwicklungen gewinnen. Bei befürchteten Konkurrenznachteilen darf aber nicht auf die Berichterstattung insgesamt, sondern nur auf Detailangaben verzichtet werden. Im Hinblick auf die Arbeitnehmerbelange und insbesondere den Frauenanteil wurde im Jahr 2015 das Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) verabschiedet, das die Rolle der Frauen in Führungspositionen stärken sollte. Zwar stieg der Frauenanteil im Vorstand bei 105 börsennotierten Unternehmen bis zum 6.11.2020 auf 11,5 % (Ernst & Young 2021c), blieb jedoch wei-
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terhin deutlich unter dem Anteil der Männer im Vorstand. Weber et al. (2020, S. 970) zufolge beträgt der Frauenanteil für die erste bzw. zweite Führungsebene 18,5 % bzw. 22,9 %. Allerdings bleibt diese hinter der Frauenquote von 30 %, die für eine signifikante Änderung des Führungsverhaltens (nach der sog. »kritischen Masse-Theorie«) angenommen wird, zurück. Vor dem Hintergrund einer sehr geringen Frauenquote in den Vorständen trat am 12.8.2021 das FüPoG II in Kraft und verpflichtet börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit einem Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern u. a. dazu, mindestens einen Vorstandsposten mit einer Frau zu besetzen. Sollte ein Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nachkommen und als Zielquotengröße »Null« angeben, so ist dies zu begründen. Andernfalls werden die Unternehmen sanktioniert. Die BMW Group hat im Jahr 2021 über einen gestiegenen Frauenanteil in Führungsfunktionen und in Nachwuchsprogrammen für das Jahr 2020 berichtet (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 45 f.). Die weitere Entwicklung der Frauenquote insbesondere nach Inkrafttreten des FüPoG II bleibt abzuwarten. 4.4.2.3 Wirtschaftsbericht Der DRS 20.53-113 konkretisiert mit dem Wirtschaftsbericht insbesondere §§ 289 Abs. 1 S. 1-3, 315 Abs. 1 S. 1-3 HGB. In diesem Bericht nimmt die Konzernleitung zu folgenden vier Sachverhalten Stellung: y Gesamtwirtschaftliche und branchenbezogene Rahmenbedingungen (DRS 20.59-61) y Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses (DRS 20.62-63) y Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage (DRS 20.64-100) y Finanzielle und nichtfinanzielle Leistungsindikatoren (DRS 20.101-113) Bezüglich der gesamtwirtschaftlichen und branchenbezogenen Rahmenbedingungen sind gem. DRS 20.59 die Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit des Konzerns darzustellen und zu erläutern. Zu den branchenbezogenen Rahmenbedingungen zählen insbesondere die Branchenkonjunktur, die Wettbewerbssituation und die Marktstellung des Konzerns (DRS 20.60). Ebenfalls ist ein Überblick über den Geschäftsverlauf vor dem Hintergrund des Unternehmensumfeldes, d. h. der gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Rahmenbedingungen, gefordert (DRS 20.62). Hierbei ist insbesondere auf wesentliche Ereignisse einzugehen, die den Geschäftsverlauf beeinflusst haben. Abschließend hat die Unternehmensleitung eine Gesamtaussage zur Geschäftsentwicklung zu treffen (DRS 20.62 f.). Für die Erläuterung der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage sind zeitraumbezogene Informationen über die Entwicklung der Geschäftstätigkeit und sie beeinflussende Ereignisse der Vergangenheit darzulegen (DRS 20.64-100). DRS 20.31 betont insbesondere das Erfordernis der Beurteilung aus Sicht der Unternehmensleitung und die Beachtung einer prognoseorientierten Ergänzungsfunktion für den eher vergangenheitsorientierten Konzernabschluss. Abschließend muss eine Gesamtaussage zur wirtschaftlichen Lage des Konzerns getroffen werden (DRS 20.58). Der Bericht über die Ertragslage liefert Informationen über den erzielten Erfolg der vergangenen Berichtsperiode sowie über das gegenwärtige und zukünftige Erfolgspotenzial des Unternehmens (vgl. Grottel 2020, § 315 HGB, Rn. 80). Die Darstellung beinhaltet verschiedene Unterpunkte wie z. B. Materialaufwand, Personalaufwand und sonstige betriebliche Aufwendungen. Wesentliche Einflussfaktoren sowie Veränderungen in der Struktur sind analytisch zu beschreiben und Trends sind darzustellen. Außerordentliche Einflüsse sind gesondert zu erklären und zu quantifizieren.
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Geschäftsbericht Ertragslage »Die Konzernumsatzerlöse des Geschäftsjahres lagen, bedingt durch die im Zusammenhang mit der Corona Pandemie stehenden Schließungen von Händlerbetrieben, moderat unter denen des Vorjahres (2020: 98.990 Mio. €; 2019: 104.210 Mio. € / – 5,0 %). Negative Währungseffekte aus der Entwicklung des US-Dollars, des russischen Rubels sowie des chinesischen Renminbis belasteten zudem die Umsatzerlöse.« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 131).
Hinsichtlich der Finanzlage ist u. a. auf die Grundsätze und Ziele des Finanzmanagements einzugehen, weitergehende Angaben zur konkreten Umsetzung werden empfohlen (DRS 20.K79). Die Kapitalstruktur ist anhand der internen und externen Finanzierungsquellen wie Kreditverträge, Schuldscheindarlehn, syndizierte und bilaterale Kreditlinien, darzustellen und zu erläutern. Dazu gehören insbesondere Angaben zur Art, Fälligkeits-, Währungs- und Zinsstruktur sowie zu anderen wesentlichen Konditionen der Verbindlichkeiten und der zugesagten, nicht ausgenutzten Kreditlinien (siehe auch IAS 7.50a). Eine Liquiditätsanalyse ist anhand der Kapitalflussrechnung (s. Kap. III.4.2) vorzunehmen (DRS 20.93). Weiterhin ist über außerbilanzielle Finanzierungsinstrumente wie z. B. Factoring, asset backed securitiesGestaltungen und sale and lease back-Geschäfte zu berichten (DRS 20.86). Geschäftsbericht Finanzlage »Der trotz eines rückläufigen Ergebnisses gestiegene Mittelzufluss aus der betrieblichen Tätigkeit resultiert insbesondere aus einem pandemiebedingt rückläufigen Neugeschäft im Segment Finanzdienstleistungen. Die zeitnahe Anpassung der Produktion an die Coronasituation führte auch zu einer Reduzierung der Händlerbestände und damit einhergehendem Abbau von Forderungen aus Finanzdienstleistungen, vornehmlich aus Händlerfinanzierung.« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 134).
Zur Darstellung der Vermögenslage sind die Höhe, Struktur und wesentliche Veränderungen des bilanziellen Vermögens anzugeben und zu erläutern (DRS 20.100). In diesem Zusammenhang wird auch eine Berichterstattung über selbst geschaffene nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte nahegelegt, sofern diese wesentlich für die wirtschaftliche Lage des Konzerns sind (siehe auch DRS 20.88). Die Berichterstattung über immaterielle Werte tätigt die Praxis teilweise in gesonderten Berichten zum intellektuellen Kapital (sog. intellectual capital statements und disclosures; vgl. dazu auch Maul/Menninger 2000, S. 529 ff.; Dumay/Roslender 2012, S. 248; Dumay 2016, S. 178 ff.). 82 Dabei geht es darum, die Strategien des Unternehmens zum Management immaterieller Werte darzulegen und für die Beurteilung der Zielerreichung relevante Indikatoren anzugeben (vgl. z. B. Flower/Ebbers 2002, S. 568 ff.; Bergmann/Bodrow 2003, S. 118 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze 2021a, S. 1281). Während immaterielles Anlagevermögen gem. DRS 20.103 den finanziellen Leistungsindikatoren zugeschrieben wird, ist der Konzern auch verpflichtet, Auskunft über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren zu geben, solang diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs
82 Die Darstellung der selbsterstellten immateriellen Werte und des intellektuellen Kapitals erfüllt u. a. die in § 315 Abs. 3 HGB formulierte Anforderung, nichtfinanzielle Leistungsindikatoren einzubeziehen.
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und der Lage des Konzerns von Bedeutung sind und auch zur internen Steuerung des Konzerns herangezogen werden (DRS 20.105, 106). Geschäftsbericht Vermögenslage »Die Konzernbilanzsumme liegt währungsbereinigt leicht unter dem Niveau des Konzernabschlusses 2019. Ohne Berücksichtigung der Währungseinflüsse unter anderem aus dem US-Dollar und dem britischen Pfund liegt die Konzernbilanzsumme moderat unter dem Vorjahr« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 136 f.).
Zu den nichtfinanziellen Leistungsindikatoren gehören u. a. Kunden-, Umwelt-, und Arbeitnehmerbelange (DRS 20.107). Die finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren können im Konzernlagebericht im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung angegeben werden (DRS 20.110). Bei der Wahl der Leistungsindikatoren ist darauf zu achten, dass die gewählten Indikatoren bedeutsam sind (hierzu Kolb/Neubeck 2016, S. 56 ff.); dieses Erfordernis steht grundsätzlich im Einklang mit dem Grundsatz der Wesentlichkeit. Eine Prognose sowie ein retrospektiver Vergleich der tatsächlichen mit den prognostizierten Leistungsindikatoren ist ebenfalls erforderlich (ebd., S. 61; DRS 20.57). Ausführungen zum Geschäftsverlauf und zur Lage des Konzerns sind zu einer Gesamtaussage zu verdichten und zu beurteilen (DRS 20.58). Chancen- und Risikobericht 4.4.2.4 Nach §§ 289 Abs. 1 S. 4, 315 Abs. 1 S. 4 HGB sind die wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung zu beurteilen und zu erläutern. Bezüglich der Konkretisierungen für die Risikoberichterstattung83 dient der DRS 20. Der Chancen- und Risikobericht kann getrennt oder gemeinsam mit der Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung (vgl. Prognosebericht s. Kap. III.4.4.2.4) erfolgen. Gem. DRS 20.117 ist die Darstellung zu wählen, die Chancen der voraussichtlichen Entwicklung und Risiken im Einzelfall klarer zum Ausdruck bringt. Gem. DRS 20.165 sind Chancen analog zu Risiken zu behandeln. Empirie Darstellung von Chancen-, Risiko- und Prognosebericht Im Jahr 2013 stellten 18 von 28 DAX 30-Unternehmen den Prognosebericht separat dar und kombinierten den Risiko- mit dem Chancenbericht. Hiervon entschieden sich 9 Unternehmen für eine umfängliche separate Darstellung von Chancen, Risiken und Prognosen in Form von drei Berichten (vgl. KPMG 2014, S. 16). Weiterhin belegt Eisenschmidt (2015) in Bezug auf HDAX- und SDAX-Unternehmen einen signifikanten Einfluss der Größe des Unternehmens auf den Umfang und die Qualität der Chancenberichterstattung nach DRS 20. Basierend auf einer Stichprobe von 26 DAX-Unternehmen (Berichtsjahr 2019) berichten 21 Unternehmen im Risiko-, Chancen- und Prognosebericht über Covid-19 (Quick/Gauch/Niekrawietz 2021). Qualität der Risiko- und Chancenberichterstattung Eisenschmidt (2011) untersucht die Qualität der Chancenberichterstattung deutscher Konzerne des HDAX und SDAX für die Geschäftsjahre 2007–2009. Die Beurteilung erfolgte anhand eines Scoring-Modells und zeigt erhebliche Mängel. Die Inhalte der Berichte waren von vagen, wenig konkreten Aussagen geprägt.
83 Eine Übersicht über den Stand der empirischen Forschung und der theoretischen Ansätze bieten Lenz/Diehm 2010, S. 386; vgl. auch Lackmann/Steinmeier/Stich 2014, S. 45; Fink/Schmidt 2015, S. 2157 ff.
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Auch Risikoberichte weisen deutliche Qualitätsmängel auf. So zeigen z. B. Dietsche/Fink (2008, S. 257), dass im Durchschnitt nur 68,9 % (Erfüllungsgrad) der gewichteten Ausweiserfordernisse im Risikobericht erfüllt werden. Untersucht wurden 82 von im HDAX gelisteten Unternehmen der Jahre 2005/2006. Vereinfacht formuliert wurden aus den relevanten Normen heraus Anforderungen an die Berichterstattung abgeleitet und teilweise gewichtet (zu weiteren Studien siehe zuletzt Gleißner et al. 2005; Eisenschmidt 2011, S. 203 ff.). Weiterhin hatte die DPR (s. Kap. I.5.2.1.4) in ihrem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2015 und 2016 oftmals Fehler in Bezug auf den Lagebericht festgestellt (vgl. DPR 2017, S. 8). Neben dem Risiko- zeigt auch der Chancenbericht signifikante Mängel auf (Eisenschmidt/Scherner 2015, S. 1075 ff.). Auf Grundlage einer Stichprobe von 24 DAX-Unternehmen (Berichtsjahr 2015 bzw. 2014/15) und einem Scoring-Modell zeigen Velte/Czaya (2017), dass der Erfüllungsgrad im Hinblick auf den Risikobericht nach DRS 20 weiterhin nur bei 61 % liegt. Ähnlich unzufriedenstellende Ergebnisse belegen Hölscher/Helms/Nelde (2018) mit einem durchschnittlichem Erfüllungsgrad von 65 %. Dabei weisen lt. Velte/Czaya (2017) insbesondere die Quantifizierung der Risiken (Erfüllungsgrad von 27 %) und der Ausweis zur Risikotragfähigkeit des Konzerns (Erfüllungsgrad von 38 %) Verbesserungspotenzial auf. Als ein möglicher Grund hierfür wird die Sorge vor negativen Auswirkungen einer vollumfänglichen Berichterstattung auf die Wettbewerbsfähigkeit aufgeführt. Wulf und Staikowski (2020) evaluieren in ihrer Meta-Analyse vier bestehende Studien zum Risikobericht (u. a. Velte/Czaya 2017 und Hölscher/Helms/Nelde 2018). Im Gegensatz zu früheren Studien unterscheiden Wulf und Staikowski (2020) zwischen verpflichtenden und nicht verpflichtenden Risikoangaben. Dabei liegt der Erfüllungsgrad für Pflichtvorgaben bei 80 %. Insbesondere der Erfüllungsgrad bei Angaben zum Risikomanagement (90 %) und zur Gesamtrisikolage (96 %) signalisiert eine hohe Qualität. Im Rahmen der Weiterentwicklung des DRS 20 wird die Angabe einer »Fehlanzeige« vorgeschlagen, wenn bedingt berichtspflichtige Vorgaben mangels Erfüllung der Voraussetzungen nicht berichtsnotwendig sind.
Zu berichten ist über die für die Abschlussadressaten relevanten Risiken (DRS 20.146). Dabei ist auch auf Risiken einzugehen, die eine Gefährdung der going concern-Annahme (s. Kap. II.4.4.2.1; II.5.3.2.2.a) darstellen, dieser aber nicht entgegenstehen (siehe ferner Grottel 2020, §§ 289 HGB, Rn. 60, 315 HGB, Rn. 115 ff. und Rn. 149). Hilfreich erscheint es, die berichtspflichtigen Risiken in geeignete Risikokategorien zusammenzufassen. DRS 20.164 nennt beispielhaft die folgenden Kategorien: Umfeldrisiken, Branchenrisiken, leistungswirtschaftliche Risiken, finanzwirtschaftliche Risiken und sonstige Risiken. Alternativ können die einzelnen Risiken auch in einer Rangfolge nach Eintrittswahrscheinlichkeit und der möglichen Auswirkung auf die Erreichung der Prognosen geordnet werden (DRS 20.162, 163). Der Rangfolgeausweis ist für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute nicht zulässig (DRS 20.A1.3). Die einzelnen Risiken sind zu beschreiben, aus ihnen resultierenden Konsequenzen zu erläutern und nach Möglichkeit unter Angabe verwendeter Modelle und Annahmen zu quantifizieren (DRS 20.152 ff.). Risiken sollten nach Möglichkeit mit Eintrittswahrscheinlichkeiten versehen werden und ihre betragsmäßigen Auswirkungen erläutert werden. Eine Quantifizierung der Risiken einschließlich der Erläuterung der verwendeten Modelle und Prämissen ist vorzunehmen, wenn dies nach anerkannten und vertretbaren Methoden möglich, wirtschaftlich vertretbar und zudem der Entscheidungsrelevanz zuträglich ist (DRS 20.152). Konjunkturbedingte Änderungen der Kundennachfrage können z. B. durch temporäre Anpassung der Produktionskapazitäten ausgeglichen werden. Finanzrisiken im Zusammenhang mit Pensionszusagen müssen regelmäßig bewertet werden. Wurden Risiken bereits durch wirksame Maßnahmen kompensiert, so beschränkt sich die Berichtspflicht auf die verbleibenden Restrisiken (DRS 20.182).
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Geschäftsbericht Risikobericht »Die Einschätzung der Gesamtrisikolage ist das Ergebnis der konsolidierten Betrachtung aller wesentlichen Risiken. Für die BMW Group ist die Gesamtrisikolage gegenüber dem Vorjahr moderat angestiegen und reflektiert im Worst Case eine deutliche Verschlechterung der Weltwirtschaftslage aufgrund der Corona Pandemie. Die Vertriebs- und Produktionsplanung hat die BMW Group bereits an die zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen angepasst und in die Prognose integriert. Sollten sich die Auswirkungen der Pandemie im Jahr 2021 als weniger gravierend erweisen und die Wirtschaft sich schneller erholen, könnten sich Chancen für Umsatz und Ergebnis bieten.« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 164).
Eine weitere Konkretisierung der Berichtspflichten ergibt sich aus §§ 289 Abs. 2 Nr. 1, 315 Abs. 2 Nr. 1 HGB, wonach auf die Risiken aus der Verwendung von Finanzinstrumenten (z. B. Sicherungsgeschäfte wie Zinsswaps) einzugehen ist (DRS 20.182; vgl. dazu Grottel 2020, §§ 289 HGB, Rn. 85 ff., 315 HGB, Rn. 165 ff.). Vergleichbare Angabepflichten in den notes finden sich in IAS 32 und IFRS 7. Gem. DRS 20.179 sind die Risiken aus der Verwendung von Finanzinstrumenten im Konzernlagebericht gesondert darzustellen, sofern diese entscheidungsrelevant sind. Geschäftsbericht Risikoberichterstattung in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten »Im Finanzdienstleistungsgeschäft werden Zinsänderungsrisiken durch eine weitgehend fristenkongruente Zinsbindung sowie den Einsatz von Zinsderivaten gesteuert. Die von der BMW Group eingesetzten Derivate werden, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, grundsätzlich auch bilanziell als Sicherungsbeziehungen abgebildet. Ergänzende Informationen zu Risiken im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten sind im Konzernanhang unter Textziffer [39] enthalten.« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 178).
Die Berichterstattung im Risikobericht setzt voraus, dass die berichtspflichtige Gesellschaft Maßnahmen zur Erkennung der wesentlichen Risiken (und Chancen) ergreift. Insofern besteht ein enger Zusammenhang zu der ohnehin gem. § 91 Abs. 2 AktG bestehenden Verpflichtung, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft geeignete Maßnahmen zu treffen (Risikofrüherkennungssystem) und insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Das Risikofrüherkennungs- und Risikoüberwachungssystem sind wichtige Bestandteile des gesamten Risikomanagementsystems (RMS). Der Vorstand muss das Risikofrüherkennungssystem nicht nur einrichten, sondern auch umfassend dokumentieren (vgl. LG München I 2007, S. 2171 f.). Weiterhin hat der Abschlussprüfer einer börsennotierten AG festzustellen, ob das einzurichtende System vorhanden ist und seine Aufgabe während der gesamten Berichtsperiode erfüllen konnte (§ 317 Abs. 4 HGB). Hierzu ist für die Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen, die neue Fassung des IDW PS 340 verpflichtend. Wesentliche Merkmale des neuen Prüfungsstandards sind die Bestimmung der Risikotragfähigkeit seitens des Unternehmens und eine detaillierte Beschreibung von Mängeln im Risikofrüherkennungssystem seitens des Abschlussprüfers. Der in Abbildung III.4./8 dargestellte Risikomanagementprozess umfasst die folgenden Teilprozesse (vgl. ausführlich Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 418 ff. m. w. N.): y Risikoidentifikation erfordert grundsätzlich die Einrichtung eines Frühaufklärungssystems. In Betracht kommen indikatororientierte Frühaufklärungssysteme (mögliche
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y
y
y y
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Indikatoren wie z. B. Auftragsbestand, Fehlerhäufigkeit und Reklamationsquote werden identifiziert und Toleranzgrenzen festgelegt, deren Über- oder Unterschreiten ein Alarmsignal auslöst) und strategische Frühaufklärungssysteme (Identifikation schwacher Signale wie z. B. Verbreitung neuartiger Ideen und Tendenzen in der Rechtsprechung). Risikoanalyse/-bewertung kann sich z. B. auf die Aggregation der mit Einzelwahrscheinlichkeiten versehenen Einzelrisiken sowie die Durchführung von Sensitivitätsanalysen beziehen. Risikosteuerung umfasst die aktive Beeinflussung der Einzelrisiken und damit der Gesamtrisikoposition eines Unternehmens. Risikostrategien sind z. B. Risikoakzeptanz (z. B. weil dem Risiko überproportionale Chancen entgegenstehen), Risikovermeidung (z. B. Vermeidung von Geschäftstransaktionen, die mit besonders hohen Risiken behaftet sind oder das Tätigen von Sicherungsgeschäften; zum hedging s. Kap. III.3.5.2.1) und Risikoübertragung an Dritte (z. B. durch eine Versicherung oder Factoring). Risikoüberwachung bezieht sich u. a. auf die Einhaltung gesetzter Toleranzgrenzen und die Aufdeckung von Schwachstellen. Risikokommunikation spricht die zeitnahe Weitergabe der zuvor identifizierten Risiken an. Einerseits müssen unternehmensintern z. B. geeignete Informationskanäle und Risikorichtlinien festgelegt sowie Verantwortlichkeiten zugeordnet werden. Andererseits ist auch extern zu kommunizieren; angesprochen ist vor allem die Risikokommunikation im Risikobericht sowie ggf. auch über Ad hoc-Meldungen (s. Kap. I.3.2.3.1).
Unternehmen
Risikoüberwachung Risikoidentifikation
Risikoanalyse/ -bewertung
Risikosteuerung
interne Risikokommunikation
externe Risikokommunikation
Stakeholder Abb. III.4./8 Risikomanagementprozess
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Das Risikomanagementsystem (RMS) ist in angemessenem Umfang zu beschreiben. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften müssen die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess beschreiben (§§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB). Dabei ist auf die Ziele und die Strategie sowie auf die Strukturen und Prozesse des Risikomanagements einzugehen. Es ist auch anzugeben, ob lediglich Risiken oder auch Chancen erfasst werden (DRS 20.K137). Die vorherigen Ausführungen verdeutlichen, dass die Risikoberichterstattung unauflöslich mit anderen Corporate Governance-Elementen, vor allem mit den Tätigkeiten des Vorstands, Aufsichtsrats und Abschlussprüfers, verbunden ist. So offenbarte der WirecardSkandal im Jahr 2020 potenzielle Schwachstellen im Corporate Governance System (u. a. im Vorstand und Aufsichtsrat). Als Reaktion auf den Vertrauensverlust verabschiedete der Bundestag am 28.5.2021 das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG 2021). Dieses Gesetz umfasst eine Fülle an Änderungen mit der Absicht Bilanzmanipulation zu vermeiden. So wird der Vorstand durch den neu eingeführten § 91 Abs. 3 AktG erstmals explizit zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems (IKS) und RMS verpflichtet. Bislang bestand im Hinblick auf die Einrichtung eines IKS und RMS ein Beurteilungsspielraum (Schumm 2021, S. 265). Da dieser nunmehr wegfällt, wird den Organmitgliedern börsennotierter Gesellschaften dringend angeraten, »ein adäquates IKS und RIS zu installieren« (Schumm 2021, S. 265). Überdies hinaus soll das IKS und RMS die Risikolage des Unternehmens und die konkrete Geschäftstätigkeit berücksichtigen. Die nachstehenden Ausführungen beschreiben auszugsweise die Strukturen des Risikomanagements der BMW Group und des Volkswagen Konzerns. Geschäftsbericht Internes Kontroll- und Risikomanagementsystem bezogen auf die Konzernrechnungslegung »Das Interne Kontrollsystem im Hinblick auf die Rechnungslegungsprozesse der BMW Group hat die Aufgabe, die Ordnungsmäßigkeit und Verlässlichkeit der Rechnungslegung sicherzustellen. Im Rahmen des 3rd-Line of Defense Modells (Modell der drei Verteidigungslinien zur Steuerung des Risikomanagements im Unternehmen) stellt das Interne Kontrollsystem als wesentlicher Bestandteil der 2nd-Line of Defense die Verbindung zwischen den operativen Einheiten, der internen Revision und den externen Wirtschaftsprüfern dar.« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 179) »Der verantwortungsvolle Umgang mit den Risiken wird im Volkswagen Konzern durch ein umfassendes Risikomanagement- und Internes Kontrollsystem (RMS/IKS) unterstützt. Die organisatorische Ausgestaltung des RMS/IKS des Volkswagen Konzerns basiert auf dem international anerkannten COSO-Enterprise-Risk-Management-Rahmenwerk (COSO: Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission), abrufbar über den Internetauftritt der COSO. Konzernweit einheitliche Grundsätze bilden die Basis für den transparenten und angemessenen Umgang mit Risiken.« (Volkswagen AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 61)
4.4.2.5 Prognosebericht Der Prognosebericht bezieht sich auf die Erwartungen der Geschäftsleitung zur weiteren Entwicklung der Gesellschaft (DRS 20.118-134). Diese Erwartungen sind zu erläutern und zu einer Gesamtaussage zu verdichten (DRS 20.118). Die Praxis bezeichnet den Prognosebericht teilweise als »Ausblick«. Wichtig ist, dass auch bei einer kaum zu prognostizierenden gesamtwirtschaftlichen Situation nicht auf einen Prognosebericht verzichtet werden kann, da das Fehlen eines Prognoseberichtes als wesentlicher Fehler der Rechnungslegung zu qualifizieren ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. 2009; Fink/Kajüter 2021, S. 254 ff.).
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Dabei sind die der Prognose (zum logischen Aufbau einer Prognose s. Kap. I.3.2.3.1.c) zugrundeliegenden wesentlichen Annahmen offen zu legen (i. d. S. auch DRS 20.120). Werden Prognosen anderer Organisationen (z. B. von Wirtschaftsforschungsinstituten) den eigenen Prognosen als Annahmen zugrunde gelegt, ist dies anzugeben (DRS 20.123). Angesprochen sind die Ausgangsdaten, die gesetzten Prämissen und die zugrunde gelegte Gesetzmäßigkeit. Nach DRS 20.127 erstreckt sich der Prognosezeitraum über mindestens ein Jahr nach dem Konzernabschlussstichtag. Absehbare Sondereinflüsse nach dem Prognosezeitraum sind jedoch darzustellen und zu analysieren (DRS 20.127). Weiterhin muss der Prognosecharakter aus dem Lagebericht eindeutig ersichtlich sein. Gem. DRS 20.128 müssen die Prognosen die Richtung und Intensität der Veränderung verdeutlichen. Folgende Prognosearten erfüllen nach DRS 20.130 die Anforderungen: y Punktprognosen (z. B. »Wir erwarten einen Umsatz i. H. v. 5 Mio. €«) y Intervallprognosen (z. B. »Wir erwarten einen Umsatz zwischen 4 und 6 Mio. €«) y qualifiziert-komparative Prognosen (z. B. »Wir erwarten einen stark fallenden Umsatz«) Nicht erlaubt sind komparative und qualitative Prognosen (DRS 20.130): y Komparative Prognosen (z. B. »Wir erwarten einen steigenden Umsatz«) y Qualitative Prognosen (z. B. »Wir erwarten einen guten Umsatz«) Geschäftsbericht Prognosebericht: BMW AG »Nach aktueller Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Weltwirtschaft 2021 mit 5,5 % im Vergleich zum Vorjahr kräftig wachsen. Es ist davon auszugehen, dass viele Staaten ihre umfassenden geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen 2021 fortsetzen, um die von der Corona Pandemie gebeutelte Wirtschaft anzukurbeln. Hinzukommen könnten Erholungseffekte, die nach den Lockdowns der Wirtschaft zusätzlichen Schwung verleihen würden. Die tatsächliche Entwicklung wird allerdings stark vom Fortschritt und vom Erfolg der laufenden Impfaktionen abhängig sein. Die Möglichkeit weiterer Infektionswellen und Mutationen stellt ein zusätzliches Risiko dar« (BMW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 159). Prognosebericht: Volkswagen AG »Die Sachinvestitionsquote im Konzernbereich Automobile (Sachinvestitionen in Prozent der Umsatzerlöse) wird sich voraussichtlich auf einem Niveau zwischen 6,0 bis 6,5 % bewegen « (VW AG 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 171).
Diskussionsfrage III.4.-4 Beantworten Sie folgende Fragestellungen: a) Um welche Prognosearten handelt es sich jeweils bei den Geschäftsberichtauszügen? b) Haben sich die Prognosen bewahrheitet? c) Sind zum Erreichen bzw. Abweichen der Prognosen Stellungnahmen im darauffolgenden Jahreskonzernlagebericht enthalten?
Obgleich die Abgabe quantitativer Prognosen vermutlich nützlich ist, lässt sich eine Verpflichtung zur Abgabe solcher Prognosen aus dem Gesetz nicht ableiten (i. d. S. auch Kajüter 2004, S. 202; Fink/Kajüter 2021, S. 252). Dies zeigt sich auch in einer Studie aus dem Jahr 2015, in der lediglich 10,9 % der untersuchten Unternehmen quantitative Information veröffentlichen (Eisenschmidt/Scherner 2015, S. 1074). Dies ist ein geringer Anteil, bedenkt man, dass der DRS 20.66 eine Quantifizierung empfiehlt. Die Nützlichkeit der Abgabe quantitativer Pro-
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gnosen liegt auch in der ex post-Beurteilung der vom Management durchgeführten Schätzungen begründet (Kontrollfunktion). Fink/Kajüter/Winkeljohann (2013, S. 165 und 172) halten fest, dass die Ausführungen i. d. R. verbaler Natur sind. Diese sollten jedoch immer dann durch quantitative Informationen ersetzt werden, wenn dies für das Verständnis wesentlich ist. Lassen sich die einer Prognose zugrundeliegenden Annahmen nicht zuverlässig bestimmen, ist hierauf einzugehen (DRS 20.133). 84 So äußerte sich z. B. die Lufthansa AG (2021, Geschäftsbericht 2020, S. 17), bezüglich des Zeitpunkts der Erholung nach der Coronakrise sehr vorsichtig: »Branchenexperten gehen davon aus, dass die Nachfrage frühestens wieder im Jahr 2024 das Vorkrisenniveau erreichen wird. Das Tempo der Erholung ist allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet, vor allem bezüglich der Ausbreitung des Coronavirus und seiner Mutationen, der Verfügbarkeit von Impfstoffen und potenziell dauerhaften Veränderungen im Reiseverhalten.« Der Prognosebericht ist auch aus dem Blickwinkel der ökonomischen Ansätze zur Erklärung und Rechtfertigung der Rechnungslegung (s. Kap. I.4) und hier insbesondere aus dem Blickwinkel informationsökonomischer Überlegungen (s. Kap. I.4.3) interessant. Indikator für den Nutzen des Prognoseberichtes ist u. a. seine Prognosekraft (s. Kap. I.4.3.4), seine Qualität und seine Entscheidungsrelevanz für die Kapitalmarktteilnehmer. Die diesbezüglichen empirischen Ergebnisse sind teilweise bestätigend, insgesamt aber eher gemischt. Empirie Umfang und Qualität des Prognoseberichtes Basierend auf einer Stichprobe von 75 HDAX-Unternehmen (Berichtsjahr 2019) zeigen Quick/ Gauch/Niekrawietz (2021), dass Unternehmen prospektive Informationen von anderen Berichtselementen abgrenzen und somit den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit erfüllen (DRS 20.25). Während die Bezeichnung des Prognoseabschnitts überwiegend homogen ausfällt (z. B. »Ausblick«, »Ausblick und Prognose«), unterscheidet sich der Umfang der Prognoseberichte teils stark. So findet sich der kürzeste Prognosebericht bei Puma mit 488 Wörtern, und der umfangreichste Prognosebericht bei der Deutschen Telekom mit 7.413 Wörtern, wobei der Durchschnitt bei 1.836 Wörtern liegt. Basierend auf einer Normseite mit ca. 250 Wörtern liegen Puma und die Deutsche Telekom bei etwa zwei und sieben Seiten. Die genannten Umfänge stehen im Einklang mit Ruhnke/Heinrichs/Kundt (2019), die einen Durchschnitt von 1.700 Wörtern finden und ebenfalls zu dem Schluss kommen, dass die Länge der Prognoseberichte sehr stark variiert (Standardabweichung von 912 Wörtern). Mittels eines Scoring-Modells zeigen Ruhnke/Heinrichs/Adomeit (2018) anhand einer multivariaten Analyse von 120 börsennotierten Unternehmen, dass die Größe eines Unternehmens signifikant mit einer höheren Qualität des Prognoseberichts korreliert, sofern das Unternehmen nicht in einem Auswahlindex (z. B. DAX) notiert ist. Demnach haben vor allem kleinere Unternehmen, die keinem Börsenindex angehören, Probleme bei der Standardanwendung. Basierend auf einer Stichprobe von 55 HDAX-Unternehmen (220 Umsatzprognosen mit einem Prognosezeithorizont von einem Jahr für die Geschäftsberichtsjahre 2013 bis 2016) stellen Mania und Wolf (2019) heraus, dass die von Unternehmen getätigten Umsatzprognosen in 59,1 % aller Fälle eingehalten werden. Als eingehalten gelten die Prognosen, wenn die Abweichung zu den IstUmsätzen geringer als 5 % ist. Vergleicht man die Management-Umsatzprognosen mit den Konsensuserwartungen der Analysten (arithmetisches Mittel aller Einzelschätzungen zum 31.12. der Jahre 2014 bis 2017), so sind die Prognosen der Analysten weniger treffsicher als die der Manager (Analysten mit 33,2 % und Manager mit 59,1 %).
84 Zu Prognosen bei außergewöhnlicher hoher Unsicherheit siehe Fink/Kajüter 2021, S. 258.
4 Ausgewählte weitere Berichterstattungserfordernisse
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Auf Grundlage einer Stichprobe von 45 deutschen Prime-Standard-Unternehmen (135 Prognosen mit einem Prognosezeithorizont von einem Jahr für die Geschäftsberichtsjahre 2013 bis 2015) bilden Ruhnke/Heinrichs/Kundt (2019) einen Qualitätswert, der sich aus dem Mittelwert der Vollständigkeit der Prognosen und dem Erfüllungsgrad der Präzision bestimmt wird. Die Ergebnisse der multivariaten Regressionsanalyse zeigen, dass eine Erhöhung der Berichtsqualität die Schätzfehler der Analysten senkt. Dieses Ergebnis stützt zudem den in DRS 20.B12 und B27 verankerten Management-Approach (siehe im Kontext der Segmentberichterstattung Kap. III.4.3.2), wonach eine Orientierung an internen Steuerungsgrößen bestmöglich zu entscheidungsnützlichen Informationen für externe Abschlussadressaten beiträgt.
Wichtig ist, dass für die Beurteilung der Güte eines Prognoseberichtes vor allem die Qualität der Herleitung der Prognoseaussagen relevant ist. Demnach entscheidet die fehlerfreie Herleitung einer Prognose (kein logischer Fehler; auch L-Fehler) über ihre Qualität und nicht die faktische Wahrheit (die Prognoseaussage erweist sich im Nachhinein als faktisch falsch; auch F-Fehler). Beispielsweise kann sich eine Prognose als F-falsch erweisen, weil zum Zeitpunkt der Prognose keine besseren Informationen hinsichtlich der zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeit verfügbar waren (vgl. hierzu z. B. Schmidt 2006, S. 35 f. sowie bereits Tietzel, 1989 mit dem markanten Titel »Prognoselogik oder: Warum Prognostiker irren dürfen«). Vergütungsbericht 4.4.2.6 Der Vergütungsbericht gem. § 162 AktG umfasst Angaben von Vorstand und Aufsichtsrat u. a. zu allen festen und variablen Vergütungsbestandteilen sowie eine Erläuterung, wie die Vergütung die langfristige Entwicklung der Gesellschaft fördert und wie die Leistungskriterien angewandt werden (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 AktG; hierzu z. B. Fink/Kajüter 2021, S. 410 ff.). Dabei brauchen gem. Abs. 6 keine Angaben aufgenommen werden, die nach vernünftiger Beurteilung geeignet sind, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Zur Klärung von Fragen, die bei der praktischen Umsetzung der Anforderungen des § 162 AktG häufig auftreten, hat das IDW am 21.12.2021 ein Fragen & Antworten-Papier verlautbart. Während der Vergütungsbericht für die Geschäftsberichte 2020 noch einen Teil des Lageberichts darstellte (§§ 289a Abs. 2 S. 1, 315a Abs. 2 S. 1 HGB a. F.), wird dieser für die Geschäftsberichte beginnend mit dem Jahr 2021 als ein separater Bericht außerhalb des Lageberichts veröffentlicht (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Vergütungsbericht ist gem. § 162 Abs. 3 AktG durch den Abschlussprüfer zu prüfen. Der Bericht ist auf der Unternehmensseite den Investoren für eine Dauer von zehn Jahren kostenfrei zugänglich zu machen (§ 120a Abs. 2 AktG). Ein Verweis auf die Unternehmensseite und den Vergütungsbericht erfolgt im Lagebericht (§ 289f Abs. 2 Nr. 1a HGB). Neben der Veröffentlichung als separater Bericht, bewirkt das ARUG II auch die Streichung der »opting-out-Klausel« (§§ 286 Abs. 5 S. 1, 314 Abs. 3 S. 1 HGB a. F.), sodass ein Verzicht auf die Bekanntgabe individualisierter Bezüge nicht mehr möglich ist. Eine weitere Neuerung ist das Hauptversammlungsvotum zum Vergütungssystem (»say on pay«). Während im Rahmen des »say on pay« Investoren u. a. die Möglichkeit haben, über die maximale Vergütung abzustimmen, ist dieses Votum für den Aufsichtsrat nicht bindend. Die Vergütungsstruktur ist auf die langfristige und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten (§§ 87 Abs. 1 S. 2, 162 Abs. 1 Nr. 1 AktG; DCGK.Grundsatz 23). Es bleibt abzuwarten, inwieweit die vorgestellten Änderungen zu transparenteren und homogeneren Vergütungsberichten führen werden.
632
Kapitel III Abschlusspostenbezogene und andere Detailbetrachtungen
Empirie Vergütungsbericht Die Auswertung von Burg et al. (2016) bezieht sich auf die Geschäftsberichte der DAX 30-Unternehmen des Geschäftsjahres 2013. Dabei sind bei 86 % der untersuchten Unternehmen anteilsbasierte Vergütungssysteme vorhanden. Generell lässt sich daher feststellen, dass durch Offenlegungspflichten ein sehr transparentes Bild über den ausgezahlten Gesamtvorstandsvergütungsbetrag entsteht (ebd., S. 28). Übersteigt die Menge der berichteten Informationen jedoch das Mindestmaß an gesetzlichen Regelungen (Pflichtangaben), so wird durch die zunehmende Komplexität eine abnehmende Transparenz festgestellt (ebd., S. 23). Needham/Schildhauer/Müller 2021 untersuchen 30 DAX-Unternehmen (Geschäftsberichte 2017 bis 2019) im Hinblick auf die Relevanz von Nachhaltigkeits-Leistungsindikatoren in Vergütungssystemen. Da 54,8 % der Unternehmen die Vorstandsvergütung ausschließlich auf Grundlage finanzieller Leistungsindikatoren definiert, wird der Forderung nach einer Orientierung des Vergütungssystems an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung in der Mehrzahl der Fälle gerade nicht entsprochen (§ 87 AktG Abs. 1 S. 2). Künftig ist im Zuge des ARUG II und dem veränderten DCGK ein Anstieg zu erwarten. Ein erstes Anzeichen für eine mögliche Auswirkung zeigte sich auf der Zalando-Hauptversammlung: So genehmigten die Investoren bei der Hauptversammlung im Mai 2021 die maximale Vorstandsvergütung von 15,8 Mio. €, während Rubin Ritter als Co-CEO im Jahr zuvor noch mit 53,3 Mio. € entlohnt wurde (Zalando 2021, Geschäftsbericht 2020, S. 46).
Kontrollfragen zu III.4.4 1. Welche Zielsetzung verfolgt ein Lagebericht? Welche Pflichtangaben und Sollangaben muss ein deutscher IFRS-Bilanzierer in den Lagebericht aufnehmen? Wo liegen die Grenzen der Berichterstattungspflicht? 2. Diskutieren Sie, ob und inwieweit sich der Lagebericht für rechnungslegungspolitische Zwecke nutzen lässt. 3. Welche Normen hat ein deutscher IFRS-Bilanzierer bei der Erstellung eines Lageberichts vorrangig zu beachten? 4. Welche Rahmenwerke bestehen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung? Erläutern Sie diese bitte. Führen Sie bitte auch eine eigenständige Recherche durch. 5. Diskutieren Sie, ob der Prognosebericht und der Risikobericht getrennt darzustellen sind oder ob ein Bericht (unter der Bezeichnung Prognose- und Risikobericht) zu erstellen ist. Welches Darstellungsformat ist zulässig bzw. vorziehenswürdig? 6. Welche Möglichkeiten bieten sich Unternehmen im Rahmen der Verortung von nichtfinanzieller Information? Diskutieren Sie, ob die nichtfinanzielle Erklärung bzw. der nichtfinanzielle Bericht Teil des Lageberichts ist?
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
635
1 Einführung und Begriffsabgrenzungen LERNZIELE
y y y y
Erkennen, welche zusätzlichen Informationen ein Konzernabschluss zu einem Einzelabschluss bereitstellt. Verstehen der wichtigsten theoretischen Ansätze zur Ausgestaltung von Konzernabschlüssen nebst deren Auswirkung auf den Informationsgehalt. Entwicklung von Fähigkeiten zur Durchführung von Maßnahmen einer einfachen Vollkonsolidierung. Kenntnis von Vorgehensweisen zur Einbeziehung von Unternehmen in den Konzernabschluss, die keine Tochterunternehmen sind.
Dieser Abschnitt führt in die eigenständige Rechnungslegung von Konzernen ein. Diese stellt eine Berichtspflicht für solche Unternehmen dar, die andere Unternehmen kontrollieren. In diesem Fall gehen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und das wirtschaftliche Risiko über die im Einzelabschluss dargestellten Inhalte hinaus. Das Ziel dieser Einführung besteht vor allem darin, die Motivation zur Erstellung von Konzernabschlüssen darzulegen, die relevanten konzernspezifischen theoretischen Ansätze zu verstehen und die einzelnen Schritte der Erstellung eines Konzernabschlusses grundlegend darzustellen und zu erläutern. Um sich mit Konzernrechnungslegung auseinandersetzen zu können, ist festzulegen, was unter einem Konzern verstanden werden soll. An dieser Stelle genügt zunächst eine allgemeine Definition, nach welcher der Begriff »Konzern« den Zusammenschluss mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen unter einer wirtschaftlich einheitlichen Leitung bezeichnet. Als Unternehmenszusammenschluss wird dabei eine Transaktion bezeichnet, bei der eine Gesellschaft, die Mutterunternehmen (M) genannt wird, die Möglichkeit erlangt, nachhaltig die Geschäfts- und Firmenpolitik mindestens eines anderen Unternehmens, das Tochterunternehmen (T) heißt, zu bestimmen.1 Diese Beherrschungsmöglichkeit kann z. B. daraus resultieren, dass das Mutterunternehmen die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien einer börsennotierten Gesellschaft erworben hat. Zudem kann ein Investor auch dann ein anderes Unternehmen beherrschen, wenn er weniger als die Hälfte der Stimmrechte innehat. Ausschlaggebend ist, dass das Mutterunternehmen dauerhaft ein anderes Unternehmen beherrschen kann (s. Kap. IV.4). Im einfachsten Fall ist der kontrollierende bzw. beherrschende Einfluss durch das Eigentum einer Mehrheit der stimmberechtigten Kapitalanteile (z. B. Aktien, Gesellschafteranteile einer GmbH) gesichert. Man spricht dann von einer direkten Beherrschung. Außerdem besteht auch dann eine Beherrschungsmöglichkeit durch das M (Mutterunternehmen), wenn die Mehrheit der stimmberechtigten Kapitalanteile von einem Unternehmen gehalten werden, welches seinerseits unter Beherrschung des M steht. In diesem Fall wird von indirekter Beherrschung gesprochen. Letzteres ist ursächlich für mehrstufige Konzerne, in denen neben Mutter- und Tochter- auch Enkelunternehmen (E) bestehen. Dabei können Konzernstrukturen entstehen, in denen ein Unternehmen sowohl M als auch T (Tochterunternehmen) ist, was bedeutet, dass die betrachtete Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte an einem anderen
1
Eine ausführliche Diskussion theoretischer Konzepte des Konzerns findet sich in Casadeus-Masanell/Spulber 2000, am Beispiel der Beziehung des Karosseriebauers Fisher Body mit General Motors.
636
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Unternehmen hält und gleichzeitig selbst von einer übergeordneten Gesellschaft beherrscht wird. Die einschlägigen Normen IFRS 3 und § 290 HGB gehen implizit von zweistufigen Konzernen aus, auch wenn empirisch fast ausschließlich mehrstufige Konzerne vorkommen. Ein Zusammenschluss von Unternehmen geht nicht zwingend mit der Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses einher. Ist der Unternehmenszusammenschluss als asset deal (Erwerb der einzelnen Vermögensposten und Schulden) oder als Fusion ausgestaltet, so verliert der Erworbene zumeist seine eigene Rechtspersönlichkeit und die erworbenen Vermögensposten und Schulden sind im Einzelabschluss des Erwerbers (neuer Rechtsträger) darzustellen (zu einem einfachen Beispiel s. Kap. III.3.2.6.1). Dagegen wird bei einem share deal eine Beteiligung erworben, welche dazu führt, dass der Erwerber (M) den Erworbenen (T) kontrollieren kann. Die Rechtspersönlichkeit des Erworbenen bleibt weiter erhalten und das M muss neben seinem Einzelabschluss einen Konzernabschluss erstellen. Eine Zusammenfassung der soeben erläuterten, einfachen Konzernstrukturen gibt Abbildung IV.1./1. Dabei symbolisieren die Prozentzahlen die Stimmrechtsanteile, die dem M bzw. einem T am jeweils betrachteten Unternehmen zustehen. Fall a) stellt eine einfache Mutter-Tochter-Beziehung dar. Zudem ist es ein Beispiel für einen zweistufigen Konzern. Zweistufige Konzerne bestehen aus einem M auf der obersten Hierarchieebene und mindestens einem T (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 196 ff.). Fall b) repräsentiert eine indirekte Stimmrechtsmehrheit; hier reichen erst die Stimmrechte von M und T1 gemeinsam aus, um die Mehrheit der Stimmrechte an T2 zu gewährleisten. Dabei ist zu beachten, dass die beiden Besitzanteile addiert werden. Da M die Geschäfts- und Firmenpolitik von T1 kontrolliert, hat sie auch die Verfügungsmacht über die gesamte Beteiligung der T1 an T2 und kontrolliert somit 40 % + 30 % = 70 % der Stimmrechte. Fall c) symbolisiert eine dreistufige Konzernhierarchie. T ist Muttergesellschaft von E, wird aber selbst wiederum von M beherrscht, die gleichzeitig Konzernobergesellschaft ist. Da M das T beherrscht, beherrscht M faktisch auch E. In der Realität sind Konzernstrukturen vielfach komplexer als in Abbildung IV.1./1 angegeben. Folgende Tabelle verdeutlicht an ausgewählten Beispielen die Komplexität realer Konzerne, wobei zu beachten ist, dass auch Enkelunternehmen, Urenkelunternehmen usw. als Tochterunternehmen bezeichnet werden. Geschäftsbericht 2020
Vollkonsolidierte Tochterunternehmen
Gemeinschaftsunternehmen
Assoziierte Unternehmen
Adidas
121
–
Airbus
177
58
Daimler
381
15
Delivery Hero
203
–
6
Lufthansa
468
29
35
thyssenkrupp
331
11
18
47
–
1
Zalando
– 17
2
Tab. IV.1./1 Beteiligungen ausgewählter Konzerne
2
Zu den angegebenen Geschäftsberichten vgl. Adidas AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 215; Airbus SE (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 21; Daimler AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 177; Delivery Hero SE (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 98, 108; Deutsche Lufthansa AG (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 86, 225; thyssenkrupp AG (2020), Geschäftsbericht 2019/2020, S. 175 f.; Zalando SE (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 213 f.
1 Einführung und Begriffsabgrenzungen
637
Die skizzierten Konzernstrukturen genügen aber aus didaktischer Perspektive, da sich aus ihnen die viel komplexeren realen Strukturen zusammensetzen und ableiten lassen.
a)
b)
c)
M
M
M
70 %
60 % T
T1
40 % 30 %
T2
80 % T 60 % E
Abb. IV.1./1 Grundbausteine von Konzernstrukturen3
Ein Konzernabschluss stellt stark vereinfacht formuliert die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines M und aller T dar, die von dem M beherrscht werden. Um externen Abschlussadressaten entscheidungsrelevante Informationen über den Konzern zu liefern, muss der Konzernabschluss so aufgestellt werden, als sei der Konzern insgesamt ein einziges einheitliches Unternehmen (Einheitsfiktion s. Kap. IV.3.1). Diesem Ziel dienen alle konsolidierungsvorbereitenden Maßnahmen sowie die Konsolidierung selbst (s. Kap. IV.5). Sie stellen sicher, dass konzerninterne Leistungs- und Finanzierungsbeziehungen nicht bilanziell wirksam werden, so wie dies auch im Einzelabschluss einer Gesellschaft für unternehmensinterne Beziehungen gilt.
3
In Anlehnung an Küting/Weber 2018, S. 31 ff.
638
2 Motivation zur Erstellung Zunächst stellt sich allerdings die Frage nach dem Zweck eines Abschlusses, der den Konzern als ein einheitliches Unternehmen fingiert. Selbst wenn ein gemeinsamer Abschluss aller Konzernunternehmen sinnvoll ist, schließt sich die Thematik an, warum eine (scheinbar) komplizierte Konsolidierung durchgeführt wird, statt einfach die Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen aufzuaddieren. Diese Fragen sollen nachfolgend mithilfe eines einfachen Beispiels beantwortet werden. Beispiel Informationsbedürfnis Ein Unternehmen M weist zum 30.12.t1 folgende Einzelbilanz auf (alle nachstehenden Zahlenangaben ohne besondere Kennzeichnung beziehen sich auf Tausend € [T€]): Aktiva Anlagevermögen Bank Summe
Einzelbilanz M 30.12.t1 100 Gezeichnetes Kapital 100 Fremdkapital 200 Summe
Passiva 100 100 200
Zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition erwirbt M am 31.12.t1 zu einem Preis von 100 T€ eine 100 %-Beteiligung an einem anderen Unternehmen, das somit zur Tochtergesellschaft T wird. T weist in seiner Einzelbilanz zum 31.12.t1 ein bilanzielles Eigenkapital in Höhe von 50 T€ aus, wie die folgende Bilanz zeigt: Aktiva Anlagevermögen
Summe
Einzelbilanz T 31.12.t1 80 Gezeichnetes Kapital [20] Gewinnrücklagen Fremdkapital 80 Summe
Passiva 35 15 30 80
Obwohl das bilanzielle Eigenkapital der T lediglich 50 T€ beträgt, ist M zur Zahlung des Kaufpreises von 100 T€ bereit, weil sie der hervorragenden Wettbewerbsposition der T einen Wert von 30 T€ beimisst. Außerdem bestehe das Anlagevermögen aus einer drei Jahre alten Spezialmaschine, die bei separater Beschaffung am Markt 100 T€ kosten würde. Das heißt, im Anlagevermögen der T sind zum Erwerbszeitpunkt stille Reserven in Höhe von 100 T€ – 80 T€ = 20 T€ vorhanden. In der oben gezeigten Bilanz der T sind diese stillen Reserven durch eckige Klammern gekennzeichnet. In realen Bilanzen werden sie selbstverständlich nicht offen gezeigt, daher stammt gerade die Bezeichnung stille Reserven. Die Rechtfertigung für den Kaufpreis, den M für T aufzuwenden bereit war, fasst Tabelle IV.2./1 zusammen (Zahlenangaben in T€). + – + =
Buchwert des vorhandenen Anlagevermögens Im Anlagevermögen gebundene stille Reserven Fremdkapital Wert der Wettbewerbsposition von T Kaufpreis für T
Tab. IV.2./1 Erläuterung der Kaufpreiskalkulation
80 20 –30 30 100
2 Motivation zur Erstellung
639
Damit sind die Wertverhältnisse zum Erwerbszeitpunkt für unsere Zwecke hinreichend beschrieben, sodass nunmehr die Erläuterung der wirtschaftlichen Situation in der Folgeperiode folgt. Beispiel Informationsbedürfnis II Zum 31.12.t2 hat T einen Jahresüberschuss in Höhe von 25 T€ erwirtschaftet. Dieser setzt sich zusammen aus Umsatzerlösen in Höhe von 45 T€ und planmäßigen Abschreibungen auf die Spezialmaschine in Höhe von 20 T€, was einer linearen Abschreibung auf die ursprünglichen Anschaffungskosten in Höhe von 140 T€ über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sieben Jahren entspreche. Der Wert des Anlagevermögens ist dementsprechend von 80 auf 60 T€ zurückgegangen. Aus Gründen der Vereinfachung sei weiterhin angenommen, dass die von der Gesellschafterversammlung der T noch am 31.12.t2 beschlossene Dividendenausschüttung in Höhe von 5 T€ unmittelbar per Banküberweisung vorgenommen wird, sodass der verbleibende Bilanzgewinn lediglich 20 T€ beträgt. Damit enthält die Einzelbilanz der T zum 31.12.t2 folgende Werte (in T€): Aktiva Anlagevermögen Bank
Summe
Einzelbilanz T zum 31.12.t2 60 Gezeichnetes Kapital 40 Gewinnrücklagen Bilanzgewinn Fremdkapital 100 Summe
Passiva 35 15 20 30 100
M verfolge annahmegemäß keine eigenen operativen Tätigkeiten und ihr Anlagevermögen bestehe ausschließlich aus Grund und Boden, sodass hier keine Abschreibungen vorzunehmen sind. Ergebniswirksam ist lediglich die Dividendenausschüttung der T, die zu einem ausgewiesenen Jahresüberschuss in Höhe von 5 T€ führt. Daraus resultiert folgende Einzelbilanz der M zum 31.12.t2: Aktiva Anlagevermögen Beteiligung an T Bank Summe
Einzelbilanz M zum 31.12.t2 100 Gezeichnetes Kapital 100 Jahresüberschuss 5 Fremdkapital 205 Summe
Passiva 100 5 100 205
Nunmehr wird untersucht, welche Informationen ein externer Bilanzleser, z. B. ein potenzieller Investor der Gesellschaft M, am 31.12.t2 erhält, wenn die folgenden Vorgehensweisen zur Abbildung der Unternehmensverflechtung zwischen M und T gewählt werden: 1. Keine explizite Berücksichtigung der Konzernbeziehung zwischen M und T, 2. Berücksichtigung der Konzernbeziehung nur in der Bilanz der Muttergesellschaft durch Fortschreibung der Anschaffungskosten der Beteiligung, 3. Verschmelzung beider Einzelbilanzen zu einer gemeinsamen (Summen-)Bilanz und Durchführung einer Kapitalkonsolidierung. Im ersten Fall steht dem Investor, der ggf. keine Kenntnis von der Konzernbeziehung zwischen M und T hat, lediglich die Einzelbilanz der M vom 31.12.t2 zur Informationsgewinnung für seine Anlageentscheidung zur Verfügung. Beispielsweise errechnet sich anhand der Einzelbilanz von M eine Eigenkapitalrentabilität (Jahresüberschuss/Eigenkapital) von 5 %. Betrachtet man jedoch die ökonomische Situation, so ist zu erkennen, dass die ermit-
640
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
telte Eigenkapitalrentabilität völlig willkürlich ist, da sie unmittelbar von der Gewinnverwendungsentscheidung der T abhängt. Hätte diese keine Dividenden ausgeschüttet, läge die Eigenkapitalrentabilität bei null Prozent; hätte eine Vollausschüttung stattgefunden, ergäbe sich eine Eigenkapitalrentabilität von 25 %. Nun könnte man argumentieren, dass der Bilanzgewinn der T vollständig der M zusteht. Dementsprechend solle M unabhängig von der Gewinnverwendungsentscheidung der T immer sofort der vollständige Gewinn angerechnet werden. So würde neben der erfolgten Ausschüttung auch das verbleibende Ausschüttungspotenzial der T verdeutlicht. Doch auch die Unterstellung einer sofortigen Vollausschüttung heilt das aus der Unternehmensverflechtung entstehende Informationsproblem nicht vollständig, wie die nachfolgende Überlegung verdeutlicht. M hat u. a. deshalb 100 T€ für den Erwerb der T aufgewendet, weil sie der Spezialmaschine mit vierjähriger Restnutzungsdauer einen Wert von 100 T€ beimisst. Aus Sicht der M wäre somit eine Abschreibung in Höhe von 25 T€ angemessen, um den Ressourcenverbrauch auf Basis der Anschaffungskosten abzubilden. Die korrespondierende Abschreibung in den Büchern der T beträgt aber nur 20 T€. Folglich fällt der ausgewiesene Jahresüberschuss aus Sicht der M, und damit das Ausschüttungspotenzial, um 5 T€ zu hoch aus. Dieses Problem wird mit der oben vorgeschlagenen Vorgehensweise 2 vermieden, indem der Beteiligungsbuchwert fortgeschrieben wird. Diese Fortschreibung berücksichtigt, dass M nicht nur Vorteile in Form von Gewinnansprüchen aus der Beteiligung zieht, sondern auch, dass ein von den Buchwerten des Nettovermögens abweichender Kaufpreis entrichtet wurde. Dabei wird unter dem Nettovermögen zu Buchwerten das bilanzielle Eigenkapital der T im Übernahmezeitpunkt verstanden. Zur Ermittlung des Jahresüberschusses der T aus Sicht der Muttergesellschaft M ist Folgendes zu berücksichtigen: T hat in Periode t2 einen Jahresüberschuss in Höhe von 25 T€ erwirtschaftet. Darin enthalten sind planmäßige Abschreibungen auf das Anlagevermögen der T in Höhe von 20 T€ (80 T€/4 Jahre = 20 T€ pro Jahr). Aus Sicht der M liegen diesen Abschreibungen aber unzutreffende Anschaffungskosten zugrunde. Schließlich hat sie für die Maschine im Rahmen des Gesamtkaufpreises 100 T€ gezahlt und nicht lediglich den Buchwert von 80 T€. Aus ihrer Sicht sind folglich 25 T€ pro Jahr abzuschreiben. Darüber hinaus hat die M 30 T€ für nicht näher benannte Vorteile aus der Wettbewerbsposition der T, also für goodwill, gezahlt. Unterstellt man etwa, dass sich die Wettbewerbsposition im abgelaufenen Jahr um ein Drittel ihres Wertes verschlechtert hat, ist der entsprechende goodwill aus Sicht der M um 10 T€ abzuschreiben (s. Kap. IV.5.3.1.7). Die Einzelbilanz der T berücksichtigt weder diesen goodwill noch darauf entfallende Abschreibungen. Gemessen am Ressourcenverbrauch des abgelaufenen Geschäftsjahres weist die T aus Sicht der M folglich einen um 15 T€ zu hohen Gewinn aus. Tabelle IV.2./2 fasst diese Überlegungen zusammen. Bilanzposition
goodwill Anlagevermögen
Ansatz in Einzelbilanz der T am 1.1.t2
Anschaffungskosten der M
0
30
30
80
100
Summe
Differenz am 1.1.t2
Zusätzliche Ab- Diffeschreibungen renz am 31.12.t2 am 31.12.t2 10
20
20
5
15
50
15
35
Tab. IV.2./2 Abschreibung der Kaufpreisdifferenz
Die Summe der zum 1.1.t2 bestehenden Differenzen zwischen Buch- und Zeitwerten erklärt den Kaufpreiszuschlag in Höhe von 50 T€ auf das bilanzielle Eigenkapital der T zum Erwerbs-
2 Motivation zur Erstellung
641
zeitpunkt. Die zusätzlichen Abschreibungen repräsentieren den rechnerischen Verbrauch dieser Differenzen. Diese werden im Rechnungswesen von T aufgrund der Fortschreibung der Buchwerte nicht erfasst. Der zum 31.12.t2 verbleibende Restbetrag repräsentiert das zusätzliche Abschreibungspotenzial der folgenden Perioden. Damit ergibt sich für den korrigierten Jahresüberschussbeitrag 25 T€ – 15 T€ = 10 T€. Die Fortschreibung des Beteiligungsbuchwertes soll sämtliche Informationen reflektieren, die das Ausschüttungspotenzial der T beeinflussen. Die Anschaffungskosten der Beteiligung haben 100 T€ betragen. Der Jahresüberschuss der T erhöht das Ausschüttungspotenzial dieser Beteiligung für die M um 25 T€, da die M alleiniger Gesellschafter der T ist (100 %-Beteiligung). Der Jahresüberschuss ist dem Beteiligungsbuchwert folglich hinzuzurechnen. Im Gegensatz dazu ist die bereits gezahlte Dividende von 5 T€ abzuziehen, da sich dadurch der Umfang zukünftiger Ausschüttungen verringert und diese 5 T€ ohnehin bereits im Einzelabschluss der M ausgewiesen werden. Weiterhin sind die zusätzlichen Abschreibungen aus Tabelle IV.2./2 in Höhe von 15 T€ in Abzug zu bringen. Damit ergibt sich der in Tabelle IV.2./3 ausgewiesene fortgeführte Buchwert der Beteiligung am 31.12.t2 in Höhe von 105 T€. + – – =
Beteiligungsbuchwert am 31.12.t1 Jahresüberschuss des Jahres t2 Abschreibung auf die stillen Reserven bzw. goodwill Ausgeschüttete Dividende Fortgeführter Beteiligungsbuchwert
100 25 –15 –5 105
Tab. IV.2./3 Fortführung des Beteiligungsbuchwerts am 31.12.t2
Unter Berücksichtigung des Ergebnisbeitrages von T ergibt sich folgende Einzelbilanz des Mutterunternehmens, dargestellt in Tabelle IV.2./4 (in T€): Aktiva Anlagevermögen Beteiligung an T Bank Summe
Bilanz M zum 31.12.t2 100 Gezeichnetes Kapital 105 Jahresüberschuss 5 Fremdkapital 210 Summe
Passiva 100 10 100 210
Tab. IV.2./4 Einzelbilanz der Muttergesellschaft mit fortgeführtem Beteiligungsbuchwert zum 31.12.t2
Es ist festzustellen, dass die so ausgewiesene Bilanz die ökonomische Situation des Mutterunternehmens besser abbildet. M hat im Zuge des Beteiligungserwerbs 100 T€ investiert. Aus ihrer Perspektive ist zur Erzielung der Umsatzerlöse in Höhe von 45 T€ die Spezialmaschine eingesetzt worden, deren rechnerischer Wertverzehr 25 T€ betragen hat. Außerdem wurde die erworbene Wettbewerbsposition genutzt, was sich im Wertrückgang des goodwill von 30 T€ auf 20 T€ widerspiegelt. Somit wurde ein Erfolg von 10 T€ realisiert, was einer Rentabilität von 10 % des eingesetzten Eigenkapitals entspricht. Setzt man den Jahresüberschuss aus Tabelle IV.2./4 mit dem Beteiligungsbuchwert zum 1.1.t2 ins Verhältnis, so wird unabhängig von der Gewinnverwendungsentscheidung der T diese Rentabilität ausgewiesen. Im Beispielfall der Vollausschüttung zum 31.12.t2, würde das Konto Bank einen Endbestand von 10 T€ aufweisen und der Beteiligungsbuchwert bliebe bei 100 T€. Die Ausschüttungspolitik schlägt sich also in einem reinen Aktivtausch nieder, sofern kein weiterer Ergebnisbeitrag aus anderen Vermögenswerten erzielt wurde.
642
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Trotzdem verbleiben auch bei dieser Vorgehensweise Informationsdefizite für den externen Bilanzleser. Einerseits gewährt der fortgeschriebene Beteiligungsbuchwert keinen Einblick in die dahinterliegenden Vermögensposten, die sich im Eigentum der T befinden. Dies erschwert die Einschätzung der Werthaltigkeit des Beteiligungsbuchwertes. Andererseits könnten bei dem Tochterunternehmen Minderheitsgesellschafter existieren, die ebenfalls Kapital investiert haben (Minderheitenanteile, auch Anteile anderer Gesellschafter oder nicht beherrschende Anteile). Aus der Bilanz des Mutterunternehmens kann dies bei der oben gezeigten Vorgehensweise nicht herausgelesen werden. Die vorgenannten Nachteile korrigiert eine Konsolidierung beider Bilanzen, wie sie oben als dritte Vorgehensweise angeführt wurde. Dabei treten in der Bilanz des Mutterunternehmens die einzelnen Vermögenswerte und Schulden der Tochter, welche die Mutter im Rahmen der Kaufpreisbestimmung berücksichtigt hat, mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten an die Stelle des Beteiligungsbuchwertes. Buchungstechnisch erfolgt die Kapitalkonsolidierung in drei Schritten (s. Kap. IV.5.1): 1. Zusammenfassung der vereinheitlichten und aus Konzernsicht bewerteten Bilanzpositionen aller Konzernunternehmen in einer Summenbilanz, 2. Ausbuchung des Beteiligungsbuchwertes gegen das korrespondierende Eigenkapital der Tochtergesellschaften, 3. Durchführung der Abschreibung auf die aufgedeckten stillen Reserven. Im vorliegenden Beispiel führt dieses Vorgehen zu der in Tabelle IV.2./5 abgebildeten Konzernbilanz (in T€) des Mutterunternehmens, wobei die Trennung der Bilanzposten in M und T hier lediglich aus didaktischen Gründen vorgenommen wird. Aktiva goodwillT AnlagevermögenM AnlagevermögenT BankM BankT Summe
Bilanz M zum 31.12.t2 20 Gezeichnetes KapitalM 100 JahresüberschussM 75 JahresüberschussT 5 FremdkapitalM 40 FremdkapitalT 240 Summe
Passiva 100 5 5 100 30 240
Tab. IV.2./5 Konzernbilanz des Mutterunternehmens zum 31.12.t2 bei Kapitalkonsolidierung
Neben der korrekten Kapitalrentabilität von 10 % zeigt die Konzernbilanz jetzt auch die hinter dem Beteiligungsbuchwert stehenden Vermögens- und Schuldposten des T und damit sämtliche Vermögens- und Schuldposten, die unter der Kontrolle des M stehen. Dies erlaubt Investoren eine bessere Einschätzung des wirtschaftlichen Potenzials des Gesamtkonzerns. Die hier aufgezeigten drei Varianten des Ausweises von Beteiligungen werden sowohl nach IFRS als auch nach HGB angewendet. Entsprechend ihrer Eignung zur Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen an Investoren, ist ihre Anwendung jedoch je nach den unterstellten Informationsbedürfnissen der Konzerneigenkapitalgeber eingeschränkt. Die buchungstechnisch aufwendige Kapitalkonsolidierung findet bei vollkonsolidierten Tochterunternehmen (s. Kap. IV.5.3) Anwendung. Der Ausweis eines fortgeführten Beteiligungsbuchwertes erfolgt bei solchen Unternehmen, auf die kein beherrschender, wohl aber ein maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann (Bilanzierung at equity bei sog. assoziierten Unternehmen; s. Kap. IV.5.4.2). Der Beteiligungsausweis zu Anschaffungskosten wird bei allen übrigen Beteiligungen angewendet. Dabei wird unterstellt, dass das Informationsbedürfnis Dritter im gleichen Maß steigt, wie die Einflussmöglichkeiten des Konzerns auf Gewinnerzielung und -verteilung der Beteiligungsunternehmen (s. Abb. IV.4./2).
2 Motivation zur Erstellung
643
Die besondere Bedeutung des Konzernabschlusses für die Kapitalmarktteilnehmer begründet sich daraus, dass dieser zumindest in Deutschland ausschließlich der Information dient. Insofern kommt es zu keinen Verzerrungen aufgrund zusätzlicher Ausschüttungsbemessungs- oder Steuerbemessungszwecken (s. Kap. I.2.2.4). Gleichwohl werden die Einzelabschlüsse, welche der Konzernabschlusserstellung zugrunde liegen, für die Ausschüttung und Steuerbemessung herangezogen. Da im Zuge der Konzernabschlusserstellung sämtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte erneut aufleben, besteht allerdings keine unmittelbare Maßgeblichkeit des Einzelabschlusses für den Konzernabschluss. Zudem ist es möglich und bei kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland gem. § 315e HGB zwingend, den Konzernabschluss auf Grundlage der IFRS zu erstellen, welche eine stärkere Orientierung an den Informationsbedürfnissen der Abschlussadressaten sicherstellen. Diskussionsfrage IV.2.-1 In der Konzernrechnungslegung wird die Notwendigkeit konsolidierter Abschlüsse aus den Informationsbedürfnissen der Investoren des Mutterunternehmens hergeleitet. a) Ist die Begründung der Konzernrechnungslegung über die Informationsbedürfnisse der Investoren plausibel, wenn man unterstellt, dass Investoren an Dividendenausschüttungen interessiert sind? b) Lässt sich eine an den Informationsbedürfnissen der Investoren orientierte Konzernrechnungslegung auch begründen, wenn deren Interesse nicht vornehmlich in Dividendenausschüttungen besteht? c) Gibt es andere Stakeholder des Konzerns, deren Informationsbedürfnisse ebenfalls zur Begründung einer Konzernrechnungslegungspflicht dienen können?
644
3 Theoretische Ansätze zur Ausgestaltung Theoretische Ansätze der Rechnungslegung thematisieren auch den Inhalt und die Ausgestaltung von Unternehmensrechnungen (s. Kap. I.4.1). Geeignete Konkretisierungen in Bezug auf den Einzelabschluss wurden bereits dargestellt und diskutiert (s. Kap. II.3). Darüber hinaus existieren theoretische Überlegungen, welche sich auf die Gestaltung von Konzernabschlüssen beziehen. Diese konzernspezifischen Ansätze konzentrieren sich zumeist auf die Frage, wie an dem T beteiligte Minderheitsgesellschafter im Konzernabschluss abzubilden sind. Da sich in der Literatur die Begriffe »Einheitstheorie« und »Interessentheorie« weitgehend durchgesetzt haben (z. B. Küting/Weber 2018, S. 119 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 15 ff.), finden diese beiden Begriffe nachstehend Verwendung. Im vorigen Abschnitt wurde die Frage beantwortet, welche zusätzlichen Informationen durch eine Kapitalkonsolidierung generiert werden. Dabei wurde allerdings vereinfachend davon ausgegangen, dass das M zu 100 % an dem T beteiligt ist. Insofern wurde die Existenz von Minderheitenanteilen ausgeblendet. Als Minderheitenanteile werden die Eigenkapitalanteile solcher Gesellschafter bezeichnet, die keine Beherrschung über das Beteiligungsunternehmen ausüben können. Bei Beteiligungen, die vom M gehalten werden und einen beherrschenden Einfluss ermöglichen, jedoch nicht 100 % der Kapitalanteile umfassen, stellt sich die Frage, ob die anderen Gesellschafter des beherrschten Unternehmens als Eigenkapitalgeber des Konzerns oder als Fremdkapitalgeber zu betrachten sind. Die Beantwortung dieser Frage soll nachstehend aus dem Blickwinkel der Einheitstheorie und der Interessentheorie (vgl. Baxter/Spinney 1975; zur Einheitstheorie Moonitz 1942, sowie zu beiden theoretischen Ansätzen bereits Bores 1935) näher untersucht werden. Ihre Kerngedanken werden auf Basis des nachfolgenden Beispiels skizziert. Beispiel Wertkomponenten Die Muttergesellschaft M, deren Einzelbilanz zum Erwerbszeitpunkt im vorliegenden Beispiel angegeben ist, habe zum 31.12.t1 in Abänderung des bisherigen Beispiels für 75 T€ lediglich 75 % der Anteile der T erworben. Die Wertkomponenten des übernommenen Unternehmens (vgl. Tab. IV.2./2) lassen sich, wie in Abbildung IV.3./1 verdeutlicht, in den Buchwert des bilanziellen Nettovermögens, die im Nettovermögen gebundenen stillen Reserven und einen darüberhinausgehenden goodwill aufspalten.
Anteile der M : 75% Goodwill
Anteile anderer Gesellschafter: 25%
E
Summe
F 30
Stille Reserven im Nettovermögen der T Buchwert des bilanziellen Nettovermögens
22,5
7,5
C
D
15
5
A
B
37,5
12,5
20
50
100 Abb. IV.3./1 Wertkomponenten eines übernommenen Unternehmens
3 Theoretische Ansätze zur Ausgestaltung
645
Die unterschiedliche Beantwortung der Frage, ob die Minderheitsgesellschafter als Eigenoder Fremdkapitalgeber aufzufassen sind, führt letztlich dazu, dass die in Abbildung IV.3./1 aufgeführten Wertkomponenten der T in unterschiedlichem Umfang im Konzernabschluss der M gezeigt werden.
3.1 Einheitstheorie Die Einheitstheorie (entity concept) fasst den Kreis der Konzerneigenkapitalgeber weit und betrachtet die Anteilseigner aller Konzernunternehmen, d. h. auch der Tochterunternehmen, als Eigenkapitalgeber des Konzerns. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Konzern eine wirtschaftliche Einheit ist, deren Eigenkapitalgeber grundsätzlich gleichgerichtete Interessen verfolgen, welche von dem Konzernmutterunternehmen vertreten werden (vgl. v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 11; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 16 f.). Insofern bildet der Abschluss ein Vermögen ab, über das das Mutterunternehmen als beherrschendes Unternehmen aufgrund seiner Verfügungsgewalt Anweisungen erteilen kann. In Bezug auf obiges Beispiel würde ein Konzernabschluss im Zeitpunkt der Übernahme am 31.12.t1 auf Basis der Einheitstheorie neben dem bilanziellen Vermögen der M sämtliche Wertkomponenten der T (Felder A bis F in Abb. IV.3./1) ausweisen. Weiterhin ist das gesamte Eigenkapital (125 T€) zu zeigen, d. h., es ist für Dritte nicht ersichtlich, dass 25 T€ des gezeichneten Kapitals auf andere Gesellschafter des T entfallen, da M auch über das Nettovermögen dieser anderen Gesellschafter einheitlich verfügen kann. Aktiva goodwill Anlagevermögen Bank Summe
Bilanz M zum 31.12.t1 (75 %-Beteiligung) 30 Gezeichnetes Kapital 200 Fremdkapital 25 255 Summe
Passiva 125 130 255
Tab. IV.3./1 Konzernbilanz nach Einheitstheorie
3.2 Interessentheorie Im Gegensatz zur Einheitstheorie stellt die Interessentheorie die Anteilseigner in den Mittelpunkt. Unterstellt werden unterschiedliche Interessenlagen der Mehrheits- und der Minderheitsgesellschafter eines Konzerns. Die Minderheiten sind lediglich am Einzelabschluss ihres Unternehmens interessiert und sind daher aus Sicht der Mehrheitsgesellschafter als außenstehende Gesellschafter zu behandeln. Im Vordergrund steht die Interessenlage der Mehrheitsgesellschafter, sodass der Konzernabschluss als erweiterter Abschluss des Mutterunternehmens anzusehen ist. Die Interessentheorie existiert in einer Ursprungsform, dem sog. proprietary concept, sowie zwei praxisorientierten Weiterentwicklungen (dem sog. parent-company concept und dem parent-company-extension concept), die auch einheitstheoretische Elemente aufnehmen. Da auch die Weiterentwicklungen eine Erstellung des Konzernabschlusses aus Sicht der Mehrheitsgesellschafter fordern, lassen sich auch diese »Mischformen« der Interessentheorie zuordnen (so auch Küting/Weber 2018, S. 125; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 18 ff.).
646
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
3.2.1 Proprietary Concept Einer konsequenten Realisierung des interessentheoretischen Konzepts folgend sind das Vermögen und die Schuldposten des T quotal einzubeziehen. Das bilanziell ausgewiesene Vermögen bildet folglich nur die finanziellen Ansprüche des Mutterunternehmens ab, die aus den verschiedenen Beteiligungen folgen. Aus den im vorliegenden Beispiel getroffenen Annahmen würde eine Konzernbilanz resultieren, die neben dem bilanziellen Vermögen der M nur 75 % der Wertkomponenten der T ausweist (A+C+E in Abb. IV.3./1). Das auf die Anteile anderer Gesellschafter entfallende Vermögen der T wird nicht ausgewiesen. Aktiva Goodwill Anlagevermögen Bank Summe
Bilanz M zum 31.12.t1 (75 %-Beteiligung) 22,5 Gezeichnetes Kapital 175 Fremdkapital 25 222,5 Summe
Passiva 100 122,5 222,5
Tab. IV.3./2 Konzernbilanz nach dem Proprietary Concept
3.2.2 Parent-Company Concept und Parent-Company-Extension Concept Real existierende Normensysteme wie IFRS oder HGB verfolgen weder die Einheitstheorie noch das interessentheoretische proprietary concept konsequent. Vielmehr wurden in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Bilanzadressaten und den Schwierigkeiten einer verlässlichen Informationsbereitstellung, z. B. bei der Bewertung des auf die Minderheiten entfallenden goodwills, pragmatische Kompromisse entwickelt. Dabei ist allerdings sowohl nach IFRS als auch nach HGB ein insgesamt deutlich stärkerer Einfluss der Einheitstheorie festzustellen (so auch in Bezug auf die IFRS; s. Ballwieser 2013, S. 175 f.). Die bedeutendste Abweichung von der Einheitstheorie in beiden Normensystemen ist die Quotenkonsolidierung (s. Kap. IV.5.4.1), die stark interessentheoretisch geprägt ist; anzumerken ist, dass die reine Quotenkonsolidierung vom IASB mit IFRS 11 (joint arrangements) durch eine anteilsbasierte Konsolidierung für gemeinschaftliche Tätigkeiten (joint operations) und durch die equity-Methode für Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures) ersetzt wurde (s. Kap. IV.5.4.1; vgl. hierzu auch Pellens et al. 2021, S. 124). Der in der Bilanzierungspraxis am häufigsten anzutreffende Kompromiss zwischen der Einheits- und der Interessentheorie ist das parent-company-extension concept. Hierbei werden ausgehend von der Interessentheorie alle Wertkomponenten des T in die Konzernbilanz übernommen, die verlässlich bewertbar sind. Dazu gehören das gesamte bilanzielle Nettovermögen des Tochterunternehmens und die darin gebundenen stillen Reserven (A+B+C+D in Abb. IV.3./1). Beides zusammen wird als identifizierbares Nettovermögen bezeichnet. Ein goodwill wird nur anteilig für die Konzernanteile gezeigt, und auch dann maximal mit dem Betrag, den das M im Rahmen des Beteiligungserwerbs dafür gezahlt hat (E in Abb. IV.3./1), d. h., die Bereitschaft zur Zahlung wird als hinreichendes Werthaltigkeitssignal verstanden. Ein auf die Anteile anderer Gesellschafter entfallender goodwill wird nicht bilanziell ausgewiesen, da ein objektivierter Wertnachweis fehlt. Die Anteile anderer Gesellschafter am bilanziellen Nettovermögen und den stillen Reserven des Tochterunternehmens werden separat als Sonderposten zwischen Eigen- und Fremdkapital gezeigt. Im Beispiel aus IV.2 würde sich für das parent-company-extension concept folgende Konzernbilanz ergeben (in T€):
647
3 Theoretische Ansätze zur Ausgestaltung
Aktiva goodwill Anlagevermögen Bank Summe
Bilanz M zum 31.12.t1 (75 %-Beteiligung) 22,5 Gezeichnetes Kapital 200 Anteile anderer Gesellschafter 25 Fremdkapital 247,5 Summe
Passiva 100 17,5 130 247,5
Tab. IV.3./3 Konzernbilanz nach dem parent-company-extension concept
Einen weiteren in der Praxis entwickelten Kompromiss stellt das parent-company concept dar, welches zumindest in deutschen HGB-Konzernabschlüssen bis zu den Änderungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) im Jahre 2009 anzutreffen war (s. Kap. I.2.2.4). Auch hier werden, von der Interessentheorie ausgehend, nur bestimmte Wertkomponenten des Tochterunternehmens in den Konzernabschluss übernommen. Im Gegensatz zum parent-company-extension concept wird nur das bilanzielle Nettovermögen des Tochterunternehmens vollständig gezeigt (A+B in Abb. IV.3./1). Stille Reserven und goodwill werden jeweils nur anteilig für die Beteiligung des Mutterunternehmens ausgewiesen (C+E in Abb. IV.3./1). Die Anteile anderer Gesellschafter werden als Bestandteil des Fremdkapitals ausgewiesen. Für das oben genannte Beispiel ergäbe sich folgende Konzernbilanz: Aktiva goodwill Anlagevermögen Bank Summe
Bilanz M zum 31.12.t1 (75 %-Beteiligung) 22,5 Gezeichnetes Kapital 195 Fremdkapital 25 davon Anteile andere Gesellschafter 242,5 Summe
Passiva 100 142,5 12,5 242,5
Tab. IV.3./4 Konzernbilanz nach dem parent-company concept
Zusammenfassend lassen sich die Einheitstheorie und das interessentheoretische proprietary concept als Endpunkte eines Theoriekontinuums auffassen, an denen sich auch der Normengeber bei seinen Überlegungen punktuell orientiert. Insgesamt ist gleichwohl eine stärker einheitstheoretische Orientierung unverkennbar. Die nachfolgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede der vier vorgestellten Konzernbilanzierungskonzepte zusammen (siehe hierzu auch Ballwieser 2013, S. 174 f.). Interessentheorie
Einheitstheorie
proprietary concept
parent-company concept
parent-company-extension concept
entity concept
Einbeziehung des Nettovermögens
anteilig
vollständig
vollständig
Vollständig
Ausweis stiller Reserven
anteilig
anteilig
vollständig
Vollständig
Ausweis des goodwill
anteilig
anteilig
anteilig
Vollständig
Ausweis der Anteile anderer Gesellschafter
–
Fremdkapital
zwischen Eigen- Eigenkapital und Fremdkapital
Tab. IV.3./5 Wesentliche Konsequenzen der Konzernbilanztheorien4
4
In Anlehnung an Hendler/Zülch 2005, S. 1161.
648
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Das Hauptaugenmerk der Konsolidierungstheorien liegt auf der Kapitalkonsolidierung, also auf der Frage, ob und wie das Vermögen von Tochterunternehmen in die Konzernbilanz übernommen wird. Daneben haben sie aber auch Auswirkungen auf sonstige Konsolidierungsmaßnahmen (vgl. z. B. v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 13 ff.; Küting/Weber 2018, S. 123 ff.). Beispielhaft sei auf die Eliminierung konzerninterner Schulden hingewiesen, die streng interessentheoretisch nur anteilig in Höhe der Beteiligungsquote von M an T erfolgen sollte oder einheitstheoretisch vollständig vorzunehmen wäre (zur Schuldenkonsolidierung s. Kap. IV.5.3.2). Diskussionsfrage IV.3.-1 Das entity concept berücksichtigt den Wert des M nur unvollständig. Insbesondere werden stille Reserven und der goodwill nicht in der Konzernbilanz erfasst. Ist dieser Umstand mit der Einheitstheorie in Einklang zu bringen? Welche potenziellen Schwierigkeiten sehen Sie in einer Vorgehensweise, welche nicht nur die Vermögenswerte und Schulden des T, sondern auch des M einer vollständigen Neubewertung unterzieht und damit die einheitstheoretischen Überlegungen auch auf das M ausdehnt (sog. fresh-start-accounting)?
649
4 Konzernrechnungslegungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises Vor Erstellung des Konzernabschlusses (s. Kap. IV.5) ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung gegeben ist. Aus § 315e Abs. 1 HGB folgt, dass sich die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses für alle Unternehmen aus den Vorschriften des HGB ergibt. Die Feststellung der Konzernrechnungslegungspflicht ist damit unabhängig von der Kapitalmarktorientierung der Unternehmen und folgt in Deutschland grundsätzlich den §§ 290-293 HGB (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 87 ff.). Für solche Unternehmen, die unter das Publizitätsgesetz fallen, gelten die Vorschriften des HGB sinngemäß (vgl. §§ 11 Abs. 6, 13 Abs. 2 PublG). Eine Gesellschaft ist nach § 290 HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland handelt, die über mindestens ein Tochterunternehmen verfügt. Die Feststellung einer Mutter-Tochter-Beziehung knüpft dabei an die Möglichkeit eines Unternehmens (Mutterunternehmen – M) an, einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen – T) auszuüben. Wichtig bei diesem als control-Konzept bezeichneten Kriterium ist, dass die Möglichkeit zur Beherrschung ausreicht (§ 290 Abs. 1 S. 1 HGB; vgl. Grottel/Kreher 2020, § 290 Abs. 1 HGB, Rn. 20 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 90 ff.). Die Möglichkeit zur Beherrschung wird dabei regelmäßig aus formalen Kriterien abgeleitet (§ 290 Abs. 2 Nr. 1-3 HGB). Darüber hinaus und insbesondere bei Zweckgesellschaften, deren Konstruktion häufig gezielt der Umgehung dieser formalen Kriterien dient, verlangt das HGB eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 290 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 HGB). Den unbestimmten Rechtsbegriff der Beherrschungsmöglichkeit konkretisiert § 290 Abs. 2 HGB durch Kriterien, bei deren Vorliegen grundsätzlich von der Erfüllung des controlKonzepts auszugehen ist. Die nicht abschließende Aufzählung in § 290 Abs. 2 HGB sieht eine Beherrschungsmöglichkeit als gegeben an, wenn y dem M die Mehrheit der Gesellschafterstimmrechte an einem anderen Unternehmen zusteht (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Dabei sind zwei Besonderheiten zu berücksichtigen. Einerseits muss das Vorliegen der Stimmrechtsmehrheit nicht an die Mehrheit der Kapitalanteile gebunden sein. Dies kann z. B. gegeben sein, wenn aufgrund von Verträgen Stimmrechtsbindungen vorliegen. Andererseits sind Stimmanteile, die das potenzielle Tochterunternehmen als eigene Anteile hält, von der Gesamtheit aller Stimmrechte abzuziehen (§ 290 Abs. 4 HGB), sodass z. B. 45 % der Stimmrechte + 1 Stimme zur Mehrheit genügen, wenn das Tochterunternehmen 10 % der ausgegebenen Aktien mit Stimmrecht als eigene Anteile hält. y ein M Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist und es gleichzeitig das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Gesellschaftsorgans zu bestimmen (§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Dieses Recht kann sich unabhängig von Stimmrechtsmehrheiten, z. B. durch Verträge mit anderen Gesellschaftern, ergeben. y das M aufgrund von Bestimmungen in Verträgen oder Satzung die Möglichkeit hat, die Finanz- und Geschäftspolitik eines anderen Unternehmens zu bestimmen (§ 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB).
650
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Zu beachten ist außerdem, dass im Rahmen des Control-Konzeptes des Mutterunternehmens auch die Rechte anderer Tochterunternehmen zugerechnet werden (§ 290 Abs. 3 HGB). Hat also z. B. ein Tochterunternehmen per Beherrschungsvertrag die Kontrolle über ein drittes Unternehmen, so ist Letzteres auch Tochterunternehmen des Konzerns. Über diese Kriterien hinaus bejaht § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine Beherrschungsmöglichkeit auch dann, wenn formale Kriterien, wie Stimmrechtsmehrheiten oder Organmehrheiten versagen würden, und legt fest, dass es genügt, wenn ein Mutterunternehmen die Mehrheit der Risiken und Chancen eines anderen Unternehmens trägt (vgl. z. B. Grottel/Kreher 2020, § 290 HGB, Rn. 65 ff.). Diese Bestimmung erfasst solche Zweckgesellschaften, die aufgrund ihrer Satzung die formalen Beherrschungskriterien nicht erfüllen würden. Als Zweckgesellschaften werden Unternehmen bezeichnet, die der Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Zweckes des Mutterunternehmens dienen (sog. Autopilot-Mechanismus). Als Beispiele sind Leasinggesellschaften oder ausgelagerte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu nennen. Die Abkehr von formalen Kriterien und der Rückgriff auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (s. Kap. II.4.4.3.5) sollen verhindern, dass durch rein formale Gestaltungen eine Konsolidierungs- oder sogar Konzernabschlusspflicht umgangen wird. Sie verhindert damit etwaige negative Folgen für die Informationsversorgung des Kapitalmarktes (s. Kap. IV.2, vgl. Mujkanovic 2008, S. 136 ff.) Diskussionsfrage IV.4.-1 Das control-Konzept berücksichtigt nach HGB im Wesentlichen formale Kriterien zur Feststellung eines Konzerns. Daneben gibt es im Aktienrecht (§ 18 AktG) den Begriff der einheitlichen Leitung. Demzufolge existiert ein Konzern dann, wenn ein abhängiges Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines beherrschenden Unternehmens steht. Das Konzept der einheitlichen Leitung beruht nicht auf formalen Kriterien, sondern auf der tatsächlichen Ausübung von Leitungsmacht. Welches Konzept halten Sie für umfassender und welches für weniger gestaltungsabhängig?
Ist die grundsätzliche Konzernrechnungslegungspflicht aufgrund des control-Konzepts festgestellt, so muss es dennoch nicht zwangsläufig zur Aufstellung eines Konzernabschlusses kommen. In den §§ 291 und 292 HGB sind Voraussetzungen genannt, unter denen die Aufstellungspflicht ausgesetzt wird. Eine solche Befreiung von der Aufstellungspflicht ist gegeben, falls ein übergeordneter Konzernabschluss offengelegt wird. Weiterhin liegt eine Befreiung vor, falls die in § 293 HGB genannten größenabhängigen Befreiungen greifen. Ein M ist grundsätzlich von der Aufstellung befreit, wenn das M wiederum als T eines übergeordneten M anzusehen ist. In diesem Fall liegt ein sog. Teilkonzern vor. Auf die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses kann dann verzichtet werden, wenn das übergeordnete M einen übergeordneten Konzernabschluss aufstellt (§ 291 Abs. 1 und 2 HGB), in den der Teilkonzern einbezogen wird. Dieser übergeordnete Konzernabschluss wird dann auch als befreiender Konzernabschluss bezeichnet. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein; z. B. darf das Teilkonzern-M selbst keine eigenen Wertpapiere am Kapitalmarkt ausgegeben haben oder von den Minderheitsgesellschaftern (des Teilkonzern-M) darf kein separater Teilkonzernabschluss beantragt worden sein (§ 291 Abs. 3 HGB). Zusätzlich zur Befreiung für Teilkonzern-M beinhaltet § 293 HGB eine größenabhängige Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht. Danach kann ein Konzern, der in den beiden letzten aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der drei in Tabelle IV.4./1 angegebenen Obergrenzen nicht überschritten hat, auf die Aufstellung eines Konzernabschlusses verzichten. Dabei gilt wiederum die Einschränkung, dass es sich nicht um einen kapitalmarktorientierten Konzern handeln darf (§ 293 Abs. 5 HGB).
4 Konzernrechnungslegungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises
Größenkriterium
Bruttomethode
Nettomethode
Bilanzsumme
24 Mio.
20 Mio.
Umsatzerlöse
48 Mio.
40 Mio.
250
250
Arbeitnehmeranzahl
651
Tab. IV.4./1 Kriterien für größenabhängige Befreiungen von der Konzernabschlusspflicht nach § 293 HGB
Der Größenvergleich mit den Obergrenzen kann nach der Brutto- und nach der Nettomethode durchgeführt werden. Im ersten Fall werden die Daten der Einzelbilanzen addiert, um das individuelle Größenkriterium zu bestimmen, und im zweiten Fall werden die Werte im konsolidierten Jahresabschluss (d. h. bereinigt z. B. um Innenumsätze) herangezogen. Der zweite Fall setzt demnach voraus, dass bereits eine vereinfachte Probekonsolidierung vorgenommen wurde. Greift bei Vorliegen mindestens einer Mutter-Tochter-Beziehung keine der Befreiungsmöglichkeiten, so ist ein Konzernabschluss zu erstellen. Grundsätzlich sind dabei die Vorschriften des HGB anzuwenden. Kapitalmarktorientierte Konzerne müssen von diesem Grundsatz abweichend einen IFRS-Konzernabschluss erstellen (vgl. EG Verordnung 1606/2002 sowie auch § 315e Abs. 1 HGB). Alle anderen Konzerne können freiwillig einen IFRS-Konzernabschluss erstellen, der dann von der Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses befreit (§ 315e Abs. 3 HGB; sog. befreiender IFRS-Konzernabschluss). Abbildung IV.4./1 fasst das Zusammenspiel von HGB und IFRS zusammen. Für Mutterunternehmen mit Sitz außerhalb der EU kann sich aufgrund nationaler Gesetze auch die Feststellung der Konzernabschlusspflicht nach den Vorschriften der IFRS richten. Sie knüpft gem. IFRS 10 ebenfalls an das Vorliegen einer Mutter-Tochter-Beziehung an. Anders als das HGB sieht IFRS 10 jedoch keine größenabhängige Befreiung von der Konzernabschlusspflicht vor. Das M kann jedoch auf die Erstellung eines konsolidierten Abschlusses verzichten, wenn die in IFRS 10.4 genannten Befreiungsvoraussetzungen gegeben sind. Diese stimmen inhaltlich weitgehend mit den HGB-Kriterien zum befreienden Konzernabschluss überein (vgl. Baetge/Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 180 ff.).
ja Liegt eine Befreiung von der Aufstellungspflicht vor? • durch befreienden Konzernabschluss (§§ 291, 292 HGB) • durch Unterschreiten der Größenkriterien (§ 293 HGB)
HGB-Ebene
Beurteilung der Aufstellungspflicht
Liegt ein Konzern i.S.d. § 290 HGB vor?
nein
Verpflichtende oder freiwillige Aufstellung nach IFRS
Abb. IV.4./1 Konzernabschlusspflicht und Aufstellungsgrundsätze
IFRSEbene
Aufstellung
Konzernrechnungslegungspflicht nach HGB
652
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Bei einer gegebenen Pflicht zur Konzernrechnungslegung ist sodann der Konsolidierungskreis zu bestimmen. Der Vollkonsolidierungskreis umfasst alle konsolidierungspflichtigen T eines M. Neben diesen kann es auch T geben, die aufgrund eines Wahlrechts nicht konsolidierungspflichtig sind. Zusammen werden diese als verbundene Unternehmen bezeichnet. Darüber hinaus gibt es gemeinsame Vereinbarungen (IFRS 11), assoziierte Unternehmen (IAS 28), die zum erweiterten Konsolidierungskreis zählen, sowie sonstige Beteiligungen (IFRS 9 Finanzinstrumente s. Kap. III.3.4). Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises folgt der sog. Stufenkonzeption. Diese unterstellt einen stufenweisen Übergang von den Unternehmen, die das M beherrschen kann und den Unternehmen, bei denen eine Einflussnahme gar nicht bzw. nur in geringem Maße möglich ist. Die Art der Einbeziehung eines Unternehmens in den Konzernabschluss richtet sich wiederum danach, wie stark der potenzielle Einfluss des M auf dieses Unternehmen ist (vgl. Abb. IV.4./2; siehe hierzu z. B. auch Küting/Weber 2018, S. 207). Zur Abgrenzung des Vollkonsolidierungskreises wird folglich geprüft, ob Mutter-Tochter-Beziehungen zu den einzelnen Beteiligungen des Konzernmutterunternehmens vorliegen. Anders als bei der Feststellung der Konzernrechnungslegungspflicht kommen hier bei kapitalmarktorientierten Konzernen (§ 315e HGB) die Vorschriften des IFRS 10 zur Anwendung. Da sich die Definition einer Mutter-Tochter-Beziehung nach IFRS 10 in Details von der in § 290 HGB unterscheidet, kann sich auch der Vollkonsolidierungskreis nach § 290 HGB von dem nach IFRS 10 unterscheiden. So ist es z. B. möglich, dass aufgrund von § 296 HGB sämtliche T von der Einbeziehung in den Konzernabschluss befreit sind, nach IFRS 10 aber nicht. In solchen Fällen wird das M, gemäß § 290 Abs. 5 HGB, von der Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses befreit (vgl. Grottel/Kreher 2020, § 290 Abs. 5 HGB, Rn. 95).
Sonstige Beteiligungen – nach IAS 39/IFRS 9 Assoziierte Unternehmen – at equity Gemeinschaftsunternehmen – at equity Gemeinschaftliche Tätigkeit anteilmäßige Konsolidierung Tochterunternehmen – Vollkonsolidierung MU
beherrschender gemeinsame maßgeblicher Einfluss Vereinbarung Einfluss abnehmende Möglichkeit zur Einflussnahme
Vollkonsolidierungskreis erweiterter Konsolidierungskreis Abb. IV.4./2 Formen der Einbeziehung in den Konzernabschluss
Auch nach IFRS 10 hat grundsätzlich jedes M einen Konzernabschluss aufzustellen. Gem. IFRS 10.Appendix A ergibt sich eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses, wenn ein M mindestens ein T beherrschen kann (ausführlich zum control-Konzept nach IFRS auch Popp 2014, S. 185 ff.). Hierbei werden implizit auch Zweckgesellschaften in den Konsolidie-
4 Konzernrechnungslegungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises
653
rungskreis einbezogen. Beherrschung liegt nach IFRS 10.6 vor, wenn der Investor schwankenden Renditen aus seinem Engagement in dem Beteiligungsunternehmen ausgesetzt ist. Beherrschung liegt auch vor, wenn der Investor Anrechte auf diese besitzt und die Fähigkeit hat, die Renditen mittels seiner Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen zu beeinflussen. Demnach besteht die Definition aus einer auf die Verfügungsgewalt (power) und die Rendite (return) bezogenen Komponente. Diese werden in IFRS 10.7 weiter konkretisiert. Demnach beherrscht ein Investor ein Beteiligungsunternehmen, wenn der Investor: y die Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen hat (IFRS 10.7a), y eine Risikobelastung durch oder Anrechte auf schwankende Renditen aus seinem Engagement in dem Beteiligungsunternehmen hat (IFRS 10.7b) und y die Fähigkeit besitzt, seine Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen dahingehend einzusetzen, dass dadurch die Höhe seines wirtschaftlichen Erfolges aus seiner Beteiligung beeinflusst wird (IFRS 10.7c). Zusätzlich führt IFRS 10.B3 weitere Faktoren auf, die beschreiben, wann ein Investor ein Beteiligungsunternehmen beherrscht. Hierzu wird zunächst auf den Zweck und die Gestaltung des Beteiligungsunternehmens bzw. dessen maßgebliche Tätigkeiten abgestellt (IFRS 10.B3a und b). Des Weiteren ist zu beachten, ob der Investor tatsächlich die Fähigkeit besitzt, die maßgeblichen Tätigkeiten und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg des Beteiligungsunternehmens zu beeinflussen (IFRS 10.B3c-e). Schließlich hat der Investor die Beschaffenheit seiner Beziehung zu Dritten zu berücksichtigen (IFRS 10.B4). Im einfachsten Fall beherrscht derjenige Investor, der die Mehrheit der Stimmrechte besitzt, das Beteiligungsunternehmen, sofern keine anderen Faktoren zutreffen (IFRS 10.B6). Demnach ist die Möglichkeit zur Beherrschung widerlegbar (IFRS 10.B35). So liegt eine Beherrschung trotz einer Mehrheitsbeteiligung nicht vor, wenn ein Investor nicht über die Entscheidungsmacht verfügt oder nicht in der Lage ist, die maßgeblichen Aktivitäten eines Unternehmens zu lenken und daraus wirtschaftlichen Erfolg zu ziehen (IFRS 10.B36f). Andererseits kann ein Investor auch dann ein anderes Unternehmen beherrschen, wenn er weniger als die Hälfte der Stimmrechte innehat (IFRS 10.B38). So liegt eine faktische Möglichkeit zur Einflussnahme vor, wenn z. B. eine vertragliche Vereinbarung mit anderen Stimmberechtigen eine Stimmrechtsmehrheit sichert oder der Investor eine Präsenzmehrheit auf der Hauptversammlung besitzt (IFRS 10.B38). Darüber hinaus ist zu beachten, dass nur ein Investor das Beteiligungsunternehmen beherrschen kann. Die Beherrschung ist somit unteilbar (IFRS 10.BC69). Bei der Beurteilung der Beherrschung nach den Kriterien des IFRS 10 sind sämtliche Umstände und Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. Böckem/Stibi/Zoeger 2011, S. 399 ff.; Zülch/Erdmann/Popp 2011b, S. 593; Baetge/Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 64). Nach IFRS ist darauf abzustellen, ob das M über Entscheidungsmacht bzw. ein Recht auf die variablen wirtschaftlichen Erfolge des T verfügt. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob dieser Einfluss auch tatsächlich ausgeübt wird. Für die Abgrenzung des Konsolidierungskreises gilt das sog. Weltabschlussprinzip, d. h., sämtliche Tochterunternehmen sind unabhängig von ihrem Sitzland in den konsolidierten Abschluss aufzunehmen (z. B. Pellens et al. 2021, S. 137). Während das HGB dem Konzern explizite Einbeziehungswahlrechte einräumt (§ 296 HGB), sieht IFRS 10 keinerlei Wahlrechte für die Einbeziehung von T in den Konzernabschluss vor. Anders als im HGB existiert keine Einschränkung zur Einbeziehungspflicht für ein T bei dauerhafter Beschränkung der Gesellschafterrechte aufgrund juristischer oder politischer Restriktion. Allerdings ist in derartigen Fällen kritisch zu überprüfen, ob überhaupt die Möglichkeit zur Ausübung geschäftspolitischer
654
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Befugnisse gegeben ist. Sind die Verfügungsbeschränkungen entsprechend gravierend, so heben sie die Mutter-Tochter-Beziehung auf, was wiederum eine Einbeziehung verbietet (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 131; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 32, Rn. 108). Der Stufenkonzeption folgend ist nunmehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einbeziehung als gemeinschaftliche Vereinbarung (IFRS 11) oder assoziiertes Unternehmen (IAS 28) erfüllt werden. Ansonsten erfolgt eine Bilanzierung als Finanzinstrument nach IFRS 9. Für Tochterunternehmen mit abweichender Tätigkeit existiert keine Ausnahme von der Vollkonsolidierung. Hier stellte IAS 27.16 f. explizit fest, dass spezielle Geschäftszwecke oder für den Konzern außergewöhnliche geschäftliche Aktivitäten kein Grund sind, auf eine Einbeziehung zu verzichten (vgl. Baetge/Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 204). Vor dem Hintergrund einer am Investor orientierten Berichterstattung ist dies unmittelbar plausibel, da mit bestimmten Aktivitäten ganz spezifische Risiken einhergehen können; dies sind Informationen, die für die wirtschaftlichen Entscheidungen von Investoren von hoher Relevanz sind. Beispiel Einbeziehungsentscheidung Ein Chemiekonzern, der bisher in den Geschäftsfeldern »Düngemittel«, »Haushaltschemie« und »Bauchemie« operierte, erwirbt zum 31.12. des Geschäftsjahres ein Biotech-Startup, welches auf die Erforschung chemischer und biologischer Kampfstoffe spezialisiert ist und dem Chemiekonzern langfristig den Einstieg ins lukrative Rüstungsgeschäft ermöglichen soll. Obwohl dieses neue T in den nächsten Jahren nicht zum Ergebnis des Konzerns beitragen wird und darüber hinaus losgelöst vom sonstigen Produktportfolio des Konzerns arbeitet, ist sie als T voll zu konsolidieren. Die mit der Waffenforschung verbundenen enormen Risiken, z. B. Haftungsrisiken bei Unfällen, Geschäftsrisiken durch nationale und internationale Rechtsentwicklung oder die öffentliche Meinung, stellen für die Investoren eine wesentliche Information dar.
Im Gegensatz zum HGB (§ 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB) sind nach IFRS auch solche T zwingend zu konsolidieren, die weiterveräußert werden sollen. Um die Auswirkungen von Unternehmensveräußerungen oder -aufgaben auf den Konzernabschluss zu zeigen, sind die Regelungen des IFRS 5 anzuwenden (IFRS 5.30). Obwohl IFRS 10 selbst keine Einbeziehungswahlrechte definiert, kann unter Rückgriff auf das IASB conceptual framework dennoch auf eine Konsolidierung einzelner Tochterunternehmen verzichtet werden, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: y Die Einbeziehung der betroffenen Tochterunternehmen hat keinen wesentlichen Einfluss (zu quantitativen und qualitativen Wesentlichkeits-Überlegungen (materiality) s. Kap. II.4.4.3.6) auf die wirtschaftlichen Entscheidungen der Investoren (IASB F.2.11). y Die Einbeziehung verursacht im Verhältnis zum Nutzen der vermittelten Informationen unverhältnismäßig hohe Kosten (IASB F.2.39). y Die Einbeziehung führt zur unverhältnismäßigen Verzögerung der Konzernabschlusserstellung, sodass die dann vermittelten Informationen keinen Nutzen für die Entscheidungen der Investoren mehr haben (IASB F.2.33). Exkurs Kosten-Nutzen-Abwägung und zeitliche Verzögerung Einen Verzicht auf die Einbeziehung von Tochterunternehmen in den Konzernabschluss mit KostenNutzen-Abwägungen oder unverhältnismäßiger Zeitverzögerung zu begründen, wird nur im Ausnahmefall und nur vorübergehend möglich sein. Insbesondere wäre es erforderlich, den Informations-
4 Konzernrechnungslegungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises
655
nutzen auf Seiten der Investoren zu bestimmen und diesen dann mit den Kosten der Einbeziehung zu vergleichen oder abzuwägen, ob der Informationsnutzen eines verzögerten, aber vollständigen Konzernabschlusses größer ist als der eines termingerechten, aber unvollständigen Abschlusses (vgl. Baetge/Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 219 ff.).
Wenn ein Konzern unter Rückgriff auf das Rahmenkonzept auf die Einbeziehung einzelner Tochterunternehmen verzichten kann, stellt sich die Frage, wie diese T konzernbilanziell zu behandeln sind. Eine Einbeziehung als assoziiertes Unternehmen ist nicht mit IAS 28 vereinbar, da T gem. IAS 28.1 f. vom Anwendungsbereich dieses Standards ausgeschlossen sind. Solche T sind folglich auch im Konzernabschluss als Beteiligungen nach dem noch gültigen nach IFRS 9 abzubilden. Diese Regelung unterscheidet sich von den handelsrechtlichen Bestimmungen, wonach bei Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses für alle Tochterunternehmen, die aufgrund eines Einbeziehungswahlrechts nicht voll zu konsolidieren sind, zu prüfen ist, ob eine Einbeziehung als assoziiertes Unternehmen in Betracht kommt (s. Kap. IV.5.4.2). Beispiel Konsolidierungskreis Die Mahlwerk AG verfügt am 31.12.t1 über folgende Beteiligungen an anderen Unternehmen (die angegebenen Anteilsquoten entsprechen Stimmrechtsanteilen): y Ihr gehören 90 % der Anteile am Werkzeugbauer DeWa GmbH. y Die DeWa GmbH besitzt 45 % der Anteile an der Walzwerk AG. Über diese Anteile hinaus, kann die Mahlwerk AG aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung auch über die Stimmrechte verfügen, die auf den Anteilsbesitz der Familie N. entfallen. Diese hält 10 % an der Walzwerk AG. y Sie besitzt 60 % der Anteile an der Lager GmbH. Dieses Unternehmen ist ein kleiner Zulieferbetrieb von Standardkomponenten für die Hauptproduktion der Mahlwerk AG. Sein Beitrag zum Konzernergebnis und zum Konzernvermögen ist annahmegemäß unwesentlich. y Außerdem gehört ihr eine 30%ige Beteiligung an der Spritzguss KGaA. y Sie verfügt über 10 % der Anteile am alteingesessenen Konstruktionsbüro Meier & Co. GmbH. Außerdem hat die Mahlwerk AG mit dem Mehrheitsgesellschafter der Meier & Co. GmbH im Austausch für eigene Anteile einen Beherrschungsvertrag geschlossen. Auf Basis dieser Informationen stellt sich der Vollkonsolidierungskreis der Mahlwerk AG wie folgt dar: Mahlwerk AG
DeWa GmbH
Meier & Co. GmbH
Lager GmbH
Spritzguss KGaA
Walzwerk AG Vollkonsolidierungskreis
Konsolidierungskreis Mahlwerk AG Verzichtet die Mahlwerk AG unter Hinweis auf Wesentlichkeitsüberlegungen (vgl. IASB F.2.11) auf die Einbeziehung der Lager GmbH, entfällt diese aus dem Vollkonsolidierungskreis (zu einem weiteren Beispiel vgl. Küting/Weber 2018, S. 240 ff.).
656
5 Erstellung von Konzernabschlüssen 5.1 Idealtypischer Ablauf Sofern die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gegeben und der Kreis der voll zu konsolidierenden Unternehmen bestimmt ist, folgt die Erstellung des Konzernabschlusses verschiedenen Schritten. Aus methodischer Sicht besteht das Wesensmerkmal der Konsolidierung darin, dass die Einzelabschlüsse der rechtlich selbstständigen Unternehmen als Ausgangspunkt der Konzernabschlusserstellung dienen (Handelsbilanzen I, HB I5). Die sich daran anschließenden Maßnahmen lassen sich in konsolidierungsvorbereitende Maßnahmen und die eigentliche Konsolidierung systematisieren. Des Weiteren sind die für den Konzernabschluss erforderlichen Anhangangaben zu beachten. Diese Konzernanhangangaben sind in dem Standard IFRS 12 (Angaben zu den Anteilen an anderen Unternehmen) gebündelt (vgl. hierzu z. B. Zülch/Erdmann/Popp 2011a, S. 509 ff.; Martens/Oldenwurtel/Kümpel 2013, S. 41 ff.; Dietrich/Stoek 2014, S. 487 ff.). Die konsolidierungsvorbereitenden Maßnahmen und die auf dem Weg zum Konzernabschluss zu erstellenden Bilanzen werden nachstehend einführend beschrieben (vgl. hierzu z. B. Ruhnke 1995, S. 65 ff.; Küting/Weber 2018, S. 104 ff.). Die konsolidierungsvorbereitenden Maßnahmen (s. Kap. IV.5.2) umfassen eine Anpassung der Handelsbilanzen I der zu konsolidierenden T hinsichtlich Bilanzstichtag, Bilanzgliederung und ‑ansatz, Bewertung und Recheneinheit (Währungsumrechnung) an die konzerneinheitlichen Vorgaben; dabei sind ggf. auch latente Steuern (s. Kap. III.2.2) zu berücksichtigen. Dies erfolgt mittels einer Ergänzungsrechnung (Handelsbilanz II, HB II). Zudem sind Anpassungen im Hinblick auf das im Konzernabschluss anzuwendende Normensystem vorzunehmen: Sind z. B. HGB-Einzelabschlüsse in einen IFRS-Konzernabschluss einzubeziehen, ist neben den zuvor angesprochenen Vereinheitlichungen auch eine Anpassung der Einzelabschlüsse an die IFRS vorzunehmen, sofern die handelsrechtlichen Vorschriften zwingend von den konzerneinheitlichen IFRS-Vorgaben abweichen (z. B. kennen die handelsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich keine Wertminderung gem. IAS 36 unter Rückgriff auf einen Nutzungswert; s. Kap. II.5.3.6.2). Ergebnis dieser Vereinheitlichungen ist die IFRSHandelsbilanz II. Ist die Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode (acquisition-method) gem. IFRS 3.4 durchzuführen, erfolgt aufbauend auf der Handelsbilanz II zunächst eine Neubewertung der Vermögenswerte und Schulden der T in der sog. Handelsbilanz III (HB III). Beispielsweise sind in einer IFRS-Handelsbilanz III auch weitere immaterielle Posten, wie z. B. Markenrechte, Markenzeichen und rechtlich abgesicherte Auftragsbestände, anzusetzen (vgl. IFRS 3.B31). In Höhe der aufgedeckten stillen Reserven und Lasten (bzw. zusätzlich angesetzter Aktiv- oder Passivposten) ist eine Neubewertungsdifferenz zu erfassen. Die Addition der Handelsbilanzen III führt zur Summenbilanz. Erst auf dieser Grundlage ist mittels Aufrechnung der innerkonzernlichen Verbindungen (Konsolidierung) der Konzernabschluss zu erstellen (s. Kap. IV.5.3). Eine zentrale Maßnahme der Vollkonsolidierung ist die Kapitalkonsolidierung (s. Kap. IV.5.3.1). Hierbei wird der Beteiligungsbuchwert aus der Bilanz (des Mutterunternehmens) mit dem konsolidierungspflichtigen Eigenkapital (des Tochterunternehmens auf Basis der Handelsbilanz III einschließlich der Neubewertungs-
5
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die bilanzielle Betrachtung; ggf. ist auch zu berücksichtigen, dass ergebniswirksame konsolidierungsvorbereitende Maßnahmen Einfluss auf die Konzern-GuV nehmen.
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
657
rücklage) verrechnet. Ist der Beteiligungsbuchwert z. B. größer als das konsolidierungspflichtige Kapital, ist im Konzernabschluss ein Geschäfts- oder Firmenwert, ein sog. goodwill, (s. Kap. III.3.2.6.1) auszuweisen und in den Folgeperioden fortzuführen; im umgekehrten Fall ist ggf. ein negativer Unterschiedsbetrag auf der Passivseite (badwill) zu zeigen. Als weitere zentrale Konsolidierungsmaßnahmen sind die Schuldenkonsolidierung, die Zwischenergebniseliminierung sowie die Aufwands- und Ertragskonsolidierung zu nennen; dabei sind ggf. auch latente Steuern zu berücksichtigen (s. Kap. IV.5.3.2 bis IV.5.3.4). Nach Durchführung dieser Maßnahmen ergibt sich der Konzernabschluss. Erfolgt keine Vollkonsolidierung, so ist ein Unternehmen ggf. anteilmäßig oder mittels der equity-Methode in den Konzernabschluss einzubeziehen (s. Kap. IV.5.4). Der zuvor skizzierte Ablauf der Konsolidierung lässt sich am Beispiel der Überführung einer HGB-Handelsbilanz I oder IFRS-Handelsbilanz I in einen IFRS-Konzernabschluss vereinfacht wie in Abbildung IV.5./1 darstellen (vgl. z. B. Ruhnke 1995; Küting/Scheren 2010, S. 1894 f.; Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 858). Da die Erstellung eines Konzernabschlusses für einen Dritten nachvollziehbar sein muss, findet in diesem Zusammenhang oftmals der Begriff Konzernbuchführung Verwendung (vgl. z. B. Deubert/Lewe 2020a). Insofern ist § 238 HGB analog in Bezug auf den Konzernabschluss anzuwenden (s. Kap. I.3.2.2.1). Auch international ergibt sich faktisch eine Konzernbuchführungspflicht, nicht zuletzt, weil ein Konzernabschluss ohne eine zugrunde liegende Buchführung nicht durch einen Abschlussprüfer geprüft werden kann.
HGB-/IFRS Handelsbilanzen I (Einzelabschlüsse) Konsolidierungsvorbereitende Maßnahmen IFRS-Handelsbilanzen II (Einzelabschlüsse) Neubewertung IFRS-Handelsbilanzen III (Neubewertungsabschlüsse) Addition Summenabschluss Konsolidierung IFRS-Konzernabschluss Abb. IV.5./1 Ablauf der Konsolidierung
Die nachstehenden Ausführungen beschreiben den zuvor skizzierten Ablauf grundsätzlich auf Basis der IFRS. Da nicht kapitalmarktorientierte deutsche Konzerne, die das Wahl-
658
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
recht zur Erstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses in § 315e Abs. 3 HGB nicht wahrnehmen, unverändert einen HGB-Konzernabschluss erstellen müssen, wird nachstehend teilweise ergänzend auch auf die handelsrechtlichen Regelungen Bezug genommen, sofern diese wesentlichen Unterschiede zu den IFRS aufweisen. Bei Erstellung eines solchen Abschlusses wird vermutet, dass die vom DRSC (s. Kap. I.5.2.2.2) herausgegebenen DRS auf Ebene eines HGB-Konzernabschlusses GoB-Charakter besitzen (§ 342 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Weiterhin können einschlägige Rechnungslegungsstandards und -hinweise des IDW Hilfestellungen geben (vgl. z. B. IDW RS HFA 44, IDW RH HFA 1.018, 1.019). Ein Vergleich der IFRS mit den konzernabschlussspezifischen Regelungen im HGB findet sich in Hayn/Graf Waldersee, 2014, S. 290 ff. sowie Merkt/Probst/Fink 2017, S. 1203 ff. Die deutschen GoB auf Konzernebene werden in der Literatur auch als GoK (Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung) bezeichnet. Der Konzeption dieses Lehrbuchs folgend handelt es sich demnach um Rahmennormen auf Konzernebene (zu den Rahmennormen auf Einzelabschlussebene s. Kap. II.4. und II.5.). Da die IFRS nicht explizit zwischen Einzel- und Konzernabschluss unterscheiden, werden GoK auch nicht gesondert herausgearbeitet, obgleich eine solche Notwendigkeit nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen ist. Sachgerecht erscheint es, ein System von GoK zu entwickeln, und die einzelnen GoB z. B. entlang der zuvor dargelegten Schritte der Aufstellung eines Konzernabschlusses zu orientieren (ausführlich hierzu z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 70 ff.; zu den GoK siehe auch Ruhnke 1993, S. 753 ff.). Im Folgenden wird die Herausarbeitung von GoK nicht explizit verfolgt, sondern zentrale Grundsätze im Rahmen der nachstehenden Ausführungen mit angesprochen.
5.2 Konsolidierungsvorbereitende Maßnahmen Dem Wortlaut des IFRS 10.Appendix A folgend bilden konsolidierte Abschlüsse den Konzern als ökonomische Einheit ab. Grundlage für den Konzernabschluss sind die Einzelabschlüsse der einbezogenen Tochterunternehmen. Insbesondere aufgrund des Weltabschlussprinzips sind im Konzernabschluss potenziell Einzelabschlüsse zusammenzuführen, die auf Basis unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen erstellt oder in denen Ansatz- und Bewertungswahlrechte verschieden ausgeübt wurden. Nach IFRS 10.19 müssen Anpassungen der einzubeziehenden Einzelabschlüsse an die konzerneinheitlichen Bilanzierungsregeln erfolgen. Diese Anpassungen umfassen sowohl formelle als auch materielle Maßnahmen. Zu den formellen Maßnahmen (s. Kap. IV.5.2.1) zählen die Vereinheitlichung der Bilanzgliederung und die Vereinheitlichung der Bilanzstichtage. Die materielle Vereinheitlichung (s. Kap. IV.5.2.2) betrifft die einheitliche Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten. Die Währungsumrechnung als Vereinheitlichung der Berichtswährung gehört sowohl zu den formellen als auch, aufgrund von Bewertungskonsequenzen bei der Zeitbezugsmethode, zu den materiellen Maßnahmen. Die auf konzerneinheitliche Bilanzierungsregeln (uniform accounting policies) angepassten und umgerechneten Abschlüsse der Konzernunternehmen werden als HB II bezeichnet (vgl. z. B. Küting/Weber 2018, S. 277 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 135 ff.).
5.2.1 Formelle Einheitlichkeit Als erster Schritt sind die Stichtage aller Abschlüsse, die zum Konzernabschluss zusammengefasst werden, zu vereinheitlichen. Diese Pflicht zur Vereinheitlichung der Bilanzstichtage
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
659
ergibt sich aus IFRS 10.B92 f. Demzufolge sind die Einzelabschlüsse der T grundsätzlich auf den Bilanzstichtag des M aufzustellen. Stellen einzelne T ihre Abschlüsse zu abweichenden Bilanzstichtagen auf, sind i. d. R. Zwischenabschlüsse zu erstellen, zumindest bedarf es aber einer Anpassung für Vorgänge von wesentlicher Bedeutung (vgl. Baetge/Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 236 ff.). Abbildung IV.5./2 skizziert die Vorschrift:
– 3 Monate
Bilanzstichtag MU
+ 3 Monate Zeit
Zwischenabschluss notwendig
– Kein Zwischenabschluss notwendig – Anpassungen für wesentliche Vorgänge
Zwischenabschluss notwendig
Abb. IV.5./2 Vereinheitlichung der Bilanzstichtage
Für HGB-Konzernabschlüsse sind die Vorschriften zur Vereinheitlichung der Stichtage in § 299 Abs. 2 HGB insofern strenger geregelt, als ein Verzicht auf einen Zwischenabschluss nur dann möglich ist, wenn der Abschlussstichtag des T nicht mehr als drei Monate vor dem Konzernabschlussstichtag liegt (vgl. Störk/Deubert 2020, § 299 HGB, Rn. 25). Die Vereinheitlichung der Bilanzgliederung ist in IFRS 10 nicht explizit verankert, sie folgt aber aus IFRS 10.B86. Dort wird die Erstellung des Summenabschlusses zur Vorbereitung der eigentlichen Konsolidierungsmaßnahmen geregelt, nach der dieser durch Addition gleichartiger Positionen aller einzubeziehenden Tochterunternehmen erstellt wird. Auch nach deutschen GoB ist von einer einheitlichen Gliederung auszugehen.
5.2.2 Materielle Einheitlichkeit Die materielle Einheitlichkeit bezieht sich vor allem auf den Bilanzansatz und die Bewertung. Nach IFRS 10.19 sind für ähnliche Geschäftsvorfälle unter gleichen Umständen einheitliche Rechnungslegungsmethoden (d. h. Ansatz- und Bewertungsmethoden) anzuwenden. Etwaige Wahlrechte auf Einzelabschlussebene können auf Konzernabschlussebene neu ausgeübt werden; allerdings ist bei gleichartigen Sachverhalten konzerneinheitlich vorzugehen. Verwendet ein Unternehmen bei der Aufstellung des Einzelabschlusses (HB I) andere Rechnungslegungsmethoden (z. B. HGB), so muss dieses Unternehmen geeignete Anpassungen an die konzerneinheitlichen Bilanzansatz- und Bewertungsmethoden vornehmen (HB II). Gleiches gilt gem. § 308 HGB auch für HGB-Konzernabschlüsse. In der Praxis wird zur Reduktion des Anpassungsbedarfs häufig eine interne Bilanzierungsrichtlinie verwendet. 5.2.3 Währungsumrechnung Aufgrund des Weltabschlussprinzips sind grundsätzlich auch sämtliche ausländischen T eines Konzerns in den Konzernabschluss einzubeziehen. Deren Einzelabschlüsse werden in der Regel in ihrer nationalen Währung aufgestellt und müssen nunmehr in die abweichende Währung, in der der Konzernabschluss veröffentlicht wird (Darstellungswährung des Kon-
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Kapitel IV Konzernrechnungslegung
zernabschlusses), umgerechnet werden. Da die Umrechnungskurse im Zeitablauf schwanken, stellen sich zwei Fragen: y Sind historische Kurse, Stichtagskurse oder Durchschnittskurse für die Umrechnung eines umzurechnenden Abschlusspostens heranzuziehen? y Sind ggf. entstehende Umrechnungsdifferenzen ergebniswirksam oder ergebnisneutral zu verrechnen? Die Währungsumrechnung ist in IAS 21 geregelt und folgt dem Konzept der funktionalen Währung. »Die funktionale Währung ist die Währung des primären Wirtschaftsumfelds, in dem das Unternehmen tätig ist« (IAS 21.8). Die Festlegung der funktionalen Währung entscheidet wiederum über die anzuwendende Methode der Währungsumrechnung. y Ist das ausländische T integraler Bestandteil des M, dann kommt die Zeitbezugsmethode zur Anwendung. y Dagegen gelangt die modifizierte Stichtagskursmethode zur Anwendung, wenn das T eher als selbstständig operierende Einheit anzusehen ist. Im Gegensatz dazu findet seit der Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) bei HGB-Konzernabschlüssen nur die modifizierte Stichtagskursmethode Anwendung (§ 308a HGB; vgl. Kliem/Deubert 2018). Gleiches gilt für die Umrechnung von Vermögensgegenständen und Schulden im Einzelabschluss (vgl. Roß 2012). Die Bestimmung der funktionalen Währung obliegt dem berichtenden Konzern. IAS 21.9 ff. konkretisiert den Begriff des primären wirtschaftlichen Umfelds dahingehend, dass es von der Währung bestimmt wird, in der ein Unternehmen normalerweise Zahlungsströme realisiert. So ist als funktionale Währung diejenige Währung anzunehmen, die das operative Geschäft und die Finanzierung des Tochterunternehmens dominiert (IAS 21.9-10). Darüber hinaus soll berücksichtigt werden, wie stark das operative Geschäft und die Finanzierung bzw. die Liquidität des Tochterunternehmens vom berichtenden Konzern abhängen (IAS 21.11), d. h., ob das Tochterunternehmen weitgehend selbstständig operiert oder von dem Mutterunternehmen wie eine integrierte Teileinheit geführt wird. Deuten die Indikatoren auf verschiedene funktionale Währungen hin, muss das Konzernmanagement die funktionale Währung wählen, welche die tatsächlichen Verhältnisse am besten widerspiegelt (IAS 21.12). Beispiel Funktionale Währung Die deutsche Milchreis AG hält eine Mehrheit am amerikanischen Unternehmen Porridge Corp. Dieses ist in den USA Marktführer für tiefgekühlte Milchspeisen und erzielt 95 % seines Umsatzes auf dem US-amerikanischen Markt. Die komplette Produktion ist auf zwei Standorte im Bundesstaat Wisconsin verteilt, wo überwiegend einheimische Milch und Getreideprodukte verarbeitet werden. Wie alle Tochterunternehmen der Milchreis AG ist auch die Porridge Corp. in das konzernweite cash-management-System eingebunden. Das heißt, dass sie bis auf einen operativen Grundstock sämtliche Liquiditätsreserven an die Mutter abführen und bei Liquiditätsbedarf, z. B. für Investitionen, von dieser Mittel anfordern muss. Im Zuge der Konzernbilanzerstellung stellt sich die Frage, welches die funktionale Währung der Porridge Corp. ist. Grundsätzlich kommen hier zwei Währungen in Frage: US-Dollar und Euro. Für den US-Dollar spricht gem. IAS 21.9a-b, dass das operative Geschäft überwiegend in US-Dollar abgewickelt wird. Sowohl Umsätze als auch Aufwendungen fallen fast ausschließlich in Dollar an. Für den Euro spricht die enge Einbindung der Porridge Corp. in das Liquiditätsmanagement des Konzerns. Eigenständige
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
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Investitionsentscheidungen sind ihr nicht möglich und auch einen unerwarteten Liquiditätsbedarf aus dem operativen Geschäft kann sie ohne Zustimmung der Milchreis AG nicht befriedigen. Je nachdem, wie restriktiv die Milchreis AG mit der Zuteilung liquider Mittel vorgeht und wie häufig außerordentliche operative Vorgänge auftreten, könnten sowohl der US-Dollar als auch der Euro als funktionale Währung der Porridge Corp. gelten.
Wenn das T weitestgehend selbstständig von der Konzernmutter agiert und seine Berichtswährung als funktionale Währung identifiziert wird, erfolgt eine Umrechnung des Einzelabschlusses in die Darstellungswährung nach der modifizierten Stichtagskursmethode. Im obigen Beispiel wäre dies der Fall, wenn die Indikatoren bezüglich des selbstständigen Geschäftsbetriebs bedeutsamer einzustufen sind als die Abhängigkeit vom Mutterunternehmen im Rahmen der Liquiditätsplanung. Nach der reinen Stichtagskursmethode werden alle Aktiva und Passiva zum Stichtagskurs umgerechnet, d. h. dem geltenden Wechselkurs zum Bilanzstichtag. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass durch die lineare Transformation der Bilanzwerte sämtliche Bilanzrelationen erhalten bleiben und außerdem keinerlei Umrechnungsdifferenzen auftreten. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass das ausländische T in geschlossenen Teilmärkten mit eigenen Rechts- und Währungskreisen operiert und die Ertragskraft demnach weitgehend unabhängig von Wechselkursänderungen ist. Deshalb soll die Struktur des ausländischen Abschlusses in den Konzernabschluss übernommen werden (vgl. Baetge/Kirsch/ Thiele 2021c, S. 159 f.). Allerdings schwanken dadurch die Wertansätze der einzelnen Vermögenswerte in der Konzernbilanz mit den Wechselkursen. Betrachtet man z. B. Grundstücke, die abgesehen von außerplanmäßigen Wertminderungen keinen bilanziellen Wertänderungen unterliegen, so sind die über die Jahre auftretenden Wertschwankungen aufgrund von Wechselkursänderungen ökonomisch nicht sinnvoll interpretierbar. Um zumindest für das Eigenkapital solche wechselkursbedingten Wertschwankungen zu vermeiden, verlangt IAS 21 die Anwendung der modifizierten Stichtagskursmethode. Dabei kommen folgende Umrechnungskurse für die einzelnen Abschlussposten zur Anwendung (IAS 21.39 ff.): y Alle Vermögenswerte und Schulden werden zum aktuellen Stichtagskurs umgerechnet. y Sämtliche Positionen des Eigenkapitals werden zu historischen Kursen umgerechnet, d. h., es kommt jeweils der Wechselkurs zur Anwendung, der im Zeitpunkt der Entstehung der jeweiligen Eigenkapitalposition galt. Somit bestehen die Gewinnrücklagen praktisch aus einer Vielzahl von Gewinntöpfen unterschiedlicher Jahre, von denen jeder mit seinem eigenen historischen Wechselkurs umgerechnet wird. y Aufwendungen und Erträge in der GuV sind zum Wechselkurs am Tag des Geschäftsvorfalls umzurechnen; aus praktischen Erwägungen kommen auch Durchschnittskurse in Betracht. y Die durch die Verwendung unterschiedlicher Wechselkurse auf Aktiv- und Passivseite entstehenden Umrechnungsdifferenzen sind ergebnisneutral gesondert im Eigenkapital zu zeigen. Nachfolgendes Beispiel veranschaulicht die Umrechnung eines in Fremdwährung aufgestellten Abschlusses nach der modifizierten Stichtagskursmethode (vgl. für ein weiteres Beispiel v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 289 ff.; Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Rn. 113).
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Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Beispiel Modifizierte Stichtagskursmethode Der Einzelabschluss der amerikanischen Porridge Corp. zum 31.12.t1 weist folgende Bilanz und GuV in US-Dollar (US-$) auf: statement of financial position Porridge Corp. 12/31/t1 in Mio. US-$
statement of profit and loss Porridge Corp. 12/31/t1 in Mio. US-$
Assets Liabilities and Equity Property, Plant, equipment 100 Issued Capital 60 Intangible Assets 90 Reserves 100 Inventory 120 Net Income 3 Accounts Receivable 60 Provisions 90 Cash 30 Other Liabilities 120 Advances Received 27 Total 400 Total 400 y y y y y y
Expenses Depreciation Material Personnel Other Expenses Net Income
Revenues 4 Sales 182 56 112 7 3
Total
182 Total
182
Das Sachanlagevermögen, das immaterielle Vermögen, das gezeichnete Kapital und die Rücklagen haben einen Einstandskurs von 1 €:1,50 US-$ (historischer Kurs). Alle anderen Bilanzpositionen sind zu einem Kurs von 1 €:1,20 US-$ entstanden. Am Bilanzstichtag liegt der Wechselkurs bei 1 €:1 US-$ (Stichtagskurs). Der gewichtete Durchschnittskurs über das vergangene Geschäftsjahr liegt bei 1 €:1,40 US-$. Der Zeitwert der Vorräte, der nach IAS 2 jährlich zu ermitteln ist, beträgt am Bilanzstichtag 132 US-$. Der Einzelabschluss ist im Sinne der formellen Einheitlichkeit in die Sprache der Konzernmutter zu übersetzen. Im Sinne der Klarheit wird die Reihenfolge der Positionen beibehalten.
Da eventuell auftretende Umrechnungsdifferenzen bei der modifizierten Stichtagskursmethode ergebnisneutral zu erfassen sind, werden zunächst Aufwendungen und Erträge mit dem Durchschnittskurs umgerechnet und daraus der Jahresüberschuss in € ermittelt. Dieser wird in die umgerechnete Bilanz übernommen und die weiteren Aktiv- und Passivposten der Bilanz werden mit dem relevanten Kurs umgerechnet. Die sich ergebende Differenz ist ergebnisneutral im Eigenkapital auszuweisen: Bilanz Porridge Corp. zum 31.12.t1 in Mio. € Aktiva Sachanlagen Immaterielles Anlagevermögen Vorräte
GuV Porridge Corp. zum 31.12.t1 in Mio. € Passiva
100 Gezeichnetes Kapital 90 Rücklagen
40
Abschreibung
Erträge 2,86 Umsätze
66,67
Materialaufwand
40
120 Jahresergebnis
2,14
Personalaufwand
80
Währungsumrechnungsdifferenz
54,19
Forderungen
60 Rückstellungen
90
Liquide Mittel
30 Sonstige Schulden
120
Erhaltene Anzahlungen Summe
Aufwendungen
400 Summe
Sonstiger Aufwand Jahresergebnis
130
5
2,14
27 400
Summe
130 Summe
130
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
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In der Bilanz wurden bis auf issued capital und reserves alle Positionen mit dem Stichtagskurs umgerechnet, die beiden genannten mit ihrem historischen Kurs. In der Gewinn- und Verlustrechnung wurden alle Positionen mit dem Durchschnittskurs von 1,40 US-$ umgerechnet. Als Umrechnungsdifferenz ergibt sich in der Bilanz als Residualgröße eine Kapitalrücklage von 54,19 Mio. €.
Wird als funktionale Währung des T hingegen die Berichtswährung der Konzernmutter ermittelt, so muss der Einzelabschluss der Tochter mittels Zeitbezugsmethode umgerechnet werden. Im oben aufgeführten Beispiel wäre das gegeben, wenn das konzernweite cash-management-System dem Tochterunternehmen selbstständige Entscheidungen weitestgehend verböte. Die Grundidee der Zeitbezugsmethode besteht darin, den Abschluss zu generieren, der sich ergeben hätte, wären die darin abgebildeten Geschäftsvorfälle unmittelbar in der Darstellungswährung des Konzerns (zumeist €) gebucht worden. Der Abschluss soll ein Bild vermitteln, als ob das M die Transaktionen im Ausland selbst ausgeführt hätte. Verfolgt wird demnach die Vorstellung eines Tochterunternehmens als integrierte und unselbstständige Teileinheit, wie es durch die Indikatoren angezeigt wurde. Die dazu notwendige parallele Führung zweier Abschlusskreise beim T (ein Abschlusskreis aus Sicht des T und ein Kreis aus Sicht des M) ist indes wenig praktikabel. Deswegen greift die Zeitbezugsmethode nur für nichtmonetäre Bilanzpositionen auf den historischen Wechselkurs zurück. Das ist in der Regel der Einstandskurs oder, bei Vermögenswerten zum beizulegenden Zeitwert, der Kurs zum Zeitpunkt der letzten Neubewertung. Monetäre Bilanzpositionen, als solche gelten nach IAS 21.16 sämtliche Positionen, die das Recht, einen bestimmbaren Geldbetrag zu empfangen oder die Verpflichtung einen solchen Geldbetrag zu zahlen, repräsentieren, sind zum Stichtagskurs umzurechnen. Aufwendungen und Erträge sind grundsätzlich zum Transaktionskurs, vereinfachend auch zum Jahresdurchschnittskurs umzurechnen. Abschreibungen werden mit dem gleichen Kurs umgerechnet, wie der zugrundeliegende Vermögensgegenstand in der Abschreibungsperiode. Bei Anwendung der Zeitbezugsmethode auf obiges Beispiel ergibt sich folgende Umrechnung (vgl. für ein weiteres Beispiel v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 297 ff.; Holzwarth/Wendlandt 2021, IAS 21, Rn. 96 ff.). Beispiel Zeitbezugsmethode Eventuell auftretende Umrechnungsdifferenzen sind bei der Zeitbezugsmethode ergebniswirksam zu erfassen. Dazu wird zunächst die Bilanz umgerechnet, mit Ausnahme des bilanziellen Jahresüberschusses, welcher als Residualgröße bilanzielle Umrechnungsdifferenzen auffängt. Das so ermittelte Jahresergebnis wird dann in die Gewinn- und Verlustrechnung übernommen, wo durch Gegenüberstellung dieser Residualgröße mit den einzeln umgerechneten Aufwendungen und Erträgen die gesamte Umrechnungsdifferenz ermittelt und ergebniswirksam erfasst wird:
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Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Aktiva Sachanlagen
Bilanz Porridge Corp. zum 31.12.t1 in Mio. €
Immaterielles Anlagevermögen Vorräte Forderungen Liquide Mittel
Summe
66,67 Gezeichnetes Kapital 60 Rücklagen
Passiva 40 66,67
100 Jahresergebnis –22,5 60 Rückstellungen 90 30 Sonstige Schul120 den Erhaltene Anzahlungen 316,67 Summe
22,5 316,67
GuV Porridge Corp. zum 31.12.t1 in Mio. € Aufwendungen Abschreibung 2,67 Umsätze Materialaufwand
40 Jahres ergebnis
Erträge 130 22,5
Personalaufwand 80 Sonstiger Aufwand 5 24,83 Währungsumrechnungsdifferenzen Summe
152,5 Summe
152,5
In der Bilanz wurden für die nichtmonetären Positionen die historischen Kurse angewendet, d. h. 1 €:1,50 US-$ für property, plant and equipment, intangible assets, issued capital und reserves, sowie 1 €:1,20 US-$ für advances received, da mit dieser Position eine (Sach-)leistungsverpflichtung einhergeht und keine monetäre Verpflichtung. Alle anderen Positionen wurden mit dem Stichtagskurs umgerechnet. Das inventory wurde gem. IAS 21.25 mit dem niedrigeren Betrag aus Buchwert (hist. Kurs) und Stichtagskurs (Zeitwert) bilanziert. In der Gewinn- und Verlustrechnung wurden alle Positionen mit dem Durchschnittskurs umgerechnet. Eine Ausnahme bilden insofern die depreciation, die mit dem historischen Kurs der Sachanlagen umzurechnen sind. Als Umrechnungsdifferenz ergibt sich in der GuV als Residualgröße eine Ergebnisbelastung von 24,83 Mio. €.
Das Beispiel zeigt, dass die verschiedenen Umrechnungsverfahren zu signifikant unterschiedlichen umgerechneten Abschlüssen führen können. Der Grund dafür liegt in der bilanziellen Berücksichtigung von wechselkursbedingten Wertänderungen des Vermögens. Führen bei der Zeitbezugsmethode Wertzuwächse durch steigende Kurse während der Konzernzugehörigkeit zum Aufbau stiller Reserven, weist im Gegensatz dazu die modifizierte Stichtagskursmethode diese Wertzuwächse unmittelbar aus. Bei einer in der Regel überwiegend aus monetären Posten bestehenden Passivseite der Bilanz kann dieser Unterschied zu einem deutlichen Auseinanderfallen der jeweiligen Umrechnungsdifferenzen führen. Diskussionsfrage IV.5.-1 Die Anwendung der Stichtagskursmethode beruht im Konzept der funktionalen Währung auf der Vorstellung eines Tochterunternehmens als selbstständiger wirtschaftlicher Einheit. Diskutieren Sie diese Sichtweise vor dem Hintergrund, dass ein Mutterunternehmen ein Tochterunternehmen beherrscht.
5.2.4 Berücksichtigung latenter Steuern Wie im Einzelabschluss sind auch bei der Erstellung der Konzernbilanz latente Steuern zu berücksichtigen, wenn der Konzernbilanzwert einzelner Bilanzpositionen vom Wertansatz in der Steuerbilanz abweicht (IAS 12.38 ff.). Die Ursache für solche Differenzen kann einerseits auf Unterschieden zwischen steuerlichen Wertansätzen und den Wertansätzen in der HB I (s. Kap. III.2.2) bzw. auf Maßnahmen zur Erstellung der HB II beruhen, oder andererseits aus Konsolidierungsmaßnahmen (§ 306 HGB) resultieren (ausführlich z. B. Baetge/Kirsch/Thiele
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2021c, S. 505 ff. und Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 32 Rn. 188 ff.). Im Rahmen der hier relevanten konsolidierungsvorbereitenden Maßnahmen führen insbesondere Bewertungsanpassungen aufgrund konzerneinheitlicher Bilanzierungsregeln und der Währungsumrechnung zu latenten Steuern (§ 298 Abs. 1 i. V. m. § 274 HGB).
5.3 Maßnahmen der Vollkonsolidierung 5.3.1 Kapitalkonsolidierung 5.3.1.1 Erwerbsmethode Die Vollkonsolidierung nach IFRS 3.4 ff. i. V. m. IFRS 10.B86 bzw. §§ 301 ff. HGB erfolgt nach der Erwerbsmethode (acquisition method). Die Anwendung dieser Methode erfordert die folgenden Schritte: y die Identifikation des Erwerbers (s. Kap. IV.5.3.1.2), y die Bestimmung des Erwerbszeitpunktes (s. Kap. IV.5.3.1.3) und der Anschaffungskosten des Erwerbs (s. Kap. IV.5.3.1.4), y den Ansatz und die Bewertung der erworbenen identifizierten Vermögenswerte und der übernommenen Schulden (sog. Kaufpreisallokation; s. Kap. IV.5.3.1.5) sowie y die Durchführung der eigentlichen Konsolidierung, welche u. a. auch die Bestimmung der nicht kontrollierten Anteile, die Bilanzierung des Geschäfts- oder Firmenwertes oder die ergebniswirksame Behandlung eines Gewinns aus dem Erwerb umfasst (s. Kap. IV.5.3.1.6). Demnach liegt der Erwerbsmethode die Einzelerwerbsfiktion (vgl. v. Wysocki/Wohlgemuth/ Brösel 2014, S. 114; Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 96) zu Grunde, wonach das M nicht die Anteile an dem T erworben hat, sondern die dahinterstehenden einzeln identifizierbaren Vermögenswerte und Schuldposten. Obwohl es sich aus Sicht des M um einen share-deal (s. Kap. IV.1) handelt, wird demnach für die Zwecke einer informativen Darstellung im Konzernabschluss ein asset-deal fingiert (IFRS 3.BC25). In IFRS 10.B86a wird als erster Schritt der Konsolidierung vorgeschrieben, dass die aus Konzernsicht vereinheitlichten Einzelabschlüsse des M und aller T durch Addition gleicher Positionen in einen Summenabschluss zu überführen sind. Dieser Summenabschluss ist dann gem. IFRS 10.B86b durch die Verrechnung der einzelnen Beteiligungsbuchwerte mit dem durch sie repräsentierten Eigenkapital der T in einen konsolidierten Abschluss zu überführen. Im Regelfall übersteigt der Gesamtkaufpreis für ein T die beizulegenden Werte des identifizierten Nettovermögens, sodass aus der Kapitalkonsolidierung ein goodwill entsteht; dies ist immer dann der Fall, wenn der Erwerber (M) mit der Beteiligung Vorteile erwirbt, die beim T nicht bilanzierungsfähig sind. Aktuelles Unternehmenspraxis – Übernahmeangebot Im April 2020 gab die Telekom-Tochter T-Mobile USA Inc. den Abschluss der Fusion mit dem US-Wettbewerber Sprint bekannt. T-Mobile US übernahm alle Anteile des amerikanischen Konkurrenzunternehmens für 40,8 Mrd. US-Dollar (vgl. T-Mobile US (2021), Geschäftsbericht 2020, S. 80 ff.). Im Rahmen des Aktientauschs erhielten Sprint-Aktionäre 0,10256 T-Mobile Stammaktien pro Sprint-Stammaktie. Der Buchwert des Eigenkapitals lag im Dezember 2019 lediglich bei 25,8 Mrd. US-Dollar. Die T-Mobile USA plante mit der Akquisition insbesondere ihre Stellung im amerikanischen Markt gegenüber den beiden größten Wettbewerbern AT&T und Verizon auszubauen. Offensichtlich versprach sich die T-Mobile US aus der Übernahme Vorteile, welche nicht in den Einzelabschlüssen erfasst waren.
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5.3.1.2 Identifikation des Erwerbers IFRS 3.6 legt fest, dass bei jedem Unternehmenszusammenschluss eine der Vertragsparteien als Erwerber zu identifizieren ist. Dieser ist definiert als das Unternehmen, das durch den Erwerbsvorgang die Beherrschung an einem anderen Unternehmen erlangt (vgl. Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 105 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 2). Zum Tatbestand der Beherrschung verweist IFRS 3.7 auf IFRS 10. Nach IFRS 10.Appendix A liegt Beherrschung vor, wenn ein Investor aufgrund seiner Beziehung zum Beteiligungsunternehmen variablen wirtschaftlichen Erfolgen ausgesetzt ist oder Rechte an diesen Erfolgen hat und in der Lage ist, die wirtschaftlichen Erfolge durch seine Entscheidungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen zu beeinflussen. Für Fälle, in denen ein Erwerber anhand dieser Kriterien nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann, sind im Anhang zu IFRS 3 zusätzliche Indikatoren für Beherrschungsverhältnisse aufgeführt. Demnach ist typischerweise dasjenige Unternehmen der Erwerber, welches y im Austausch für erworbene Anteile Zahlungsmittel hingibt oder Schulden übernimmt (IFRS 3.B14), y im Austausch für erworbene Anteile eigene Anteile ausgibt (IFRS 3.B15) oder y der größere Transaktionspartner ist, z. B. gemessen an Bilanzsumme oder Umsatz (IFRS 3.B16). Dabei ist immer eine Gesamtschau aller vorliegenden Umstände vorzunehmen, um den wirtschaftlichen Erwerber zu bestimmen. Die Bestimmung des Erwerbers in einem Unternehmenszusammenschluss ist immer dann vergleichsweise unproblematisch, wenn Anteile an anderen Unternehmen durch den Austausch von Zahlungsmitteln und anderen Vermögenswerten oder durch die Übernahme von Schulden erworben werden. Mit den Anteilen geben die Alteigentümer auch die Teilhabe an den Chancen und Risiken des Beteiligungsunternehmens ab (vgl. Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 109). Schwieriger zu beurteilen sind dagegen Zusammenschlüsse, bei denen Anteile durch den Austausch von Eigenkapitalinstrumenten erworben werden. In diesen Fällen wird ein Teil der wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Beteiligungsunternehmens durch die erhaltenen Anteile am Erwerber an die Alteigentümer zurückgegeben. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang ein umgekehrter Unternehmenserwerb (reverse acquisition), der in IFRS 3.B19 ff. beschrieben wird (vgl. Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 360 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 3). Oftmals versucht ein großes nichtbörsennotiertes Unternehmen über den Erwerb eines kleinen börsennotierten Unternehmens eine Börsennotierung zu erlangen. Obwohl das kleinere Unternehmen der rechtliche Erwerber ist, erlangt das größere Unternehmen über die hohe Anzahl der zur Bezahlung des Erwerbs ausgegebenen Aktien des kleinen Unternehmens die Kontrolle über das kleinere Unternehmen (IFRS 3.B19). Demnach weichen in diesem Fall rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer voneinander ab. Beispiel Unternehmenspraxis – Umgekehrter Unternehmenserwerb Am 25.4.2014 gab die Colexon Energy AG (Colexon) eine Übereinkunft mit den Aktionären der 7C Solarparken NV (7C Solarparken) bekannt. Colexon, ein deutsches Unternehmen aus der Energiewirtschaft mit Sitz in Hamburg, übernahm 100 % der Anteile der 7C Solarparken. Als Gegenleistung erhielten die Eigner der 7C Solarparken 24,7 Mio. neu emittierte Stammaktien der Colexon. Als Folge hielten nun die Aktionäre der 7C Solarparken 73,6 % am Grundkapital von Colexon. Die Eigentümer der 7C Solarparken waren also nach Abschluss der Transaktion Mehrheitsaktionäre
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von Colexon. Das heißt, obwohl rein rechtlich ein Erwerb von 7C Solarparken durch Colexon stattfand, ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass Colexon von 7C Solarparken erworben wurde.
Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses liegt in jedem Fall beim rechtlichen Erwerber (IFRS 3.B21). In diesem Konzernabschluss ist der Erwerbsvorgang jedoch entsprechend seines wirtschaftlichen Gehalts abzubilden. Es ist die Sichtweise des wirtschaftlichen Erwerbers einzunehmen, d. h. die Vermögenswerte und Schulden des rechtlichen M werden mit ihren beizulegenden Zeitwerten angesetzt, während es beim rechtlichen T (d. h. dem wirtschaftlichen Erwerber) zu einer Buchwertfortführung kommt (vgl. für ein ausführliches Beispiel Zwirner 2009, oder Löw/Kleinhans 2018). Im Unterschied zu den IFRS-Vorschriften gibt es im HGB keine gesonderte Berücksichtigung umgekehrter Unternehmenserwerbe. Der Konzernabschluss wird hier immer aus Sicht des rechtlichen Erwerbers aufgestellt (vgl. Pawelzik 2010, S. 2569). Bestimmung des Erwerbszeitpunkts 5.3.1.3 Die genaue Bestimmung des Erwerbszeitpunkts ist ein wesentlicher Schritt zur Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen über den Unternehmenszusammenschluss. Entsprechend der im IASB F.1.12 geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise definiert IFRS 3.8 den Erwerbszeitpunkt als den Zeitpunkt, zu dem die Beherrschung des erworbenen Unternehmens auf den Erwerber übergeht. Diese Definition macht den Erwerbszeitpunkt weitgehend unabhängig von vertraglichen oder rechtlichen Einschränkungen und fordert vom berichtenden Unternehmen eine Einzelfallbetrachtung jedes Zusammenschlusses (vgl. Ernst & Young 2021, S. 665). Auch bei Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses erfolgt die Kapitalkonsolidierung auf den Zeitpunkt, »zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist« (§ 301 Abs. 2 S. 1 HGB; vgl. Oser/Orth/Wirtz 2015, S. 1736; Störk/Deubert 2020, § 301 HGB, Rn. 126); demnach ist auch nach deutschen Normen regelmäßig auf den Zeitpunkt, zu dem der Erwerber die Beherrschung erlangt, abzustellen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist deswegen wesentlich für die Vermittlung relevanter Informationen, weil mit der Beherrschung die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des erworbenen Unternehmens auf den Erwerber übergehen. Diese spiegeln sich im beizulegenden Zeitwert der erworbenen Vermögenswerte und übernommenen Schulden wider. Sie werden, wie in den folgenden Abschnitten gezeigt werden wird, dementsprechend auch zu diesem Zeitpunkt neu bewertet (IFRS 3.32b). Das Gleiche gilt für die hingegebenen Werte (s. Kap. IV.5.3.1.4; Bestimmung der Anschaffungskosten). Ebenso grenzt der Erwerbszeitpunkt erworbene Gewinne von solchen Gewinnen ab, die nach dem Zeitpunkt der erstmaligen Einbeziehung im Konzernverbund erwirtschaftet wurden. Während erstere üblicherweise einen Ausschüttungsanspruch repräsentieren, der den Alteigentümern abgekauft wurde, sind letztere zum Erwerbszeitpunkt lediglich Erwartungen. Der Erwerbszeitpunkt wird in der Regel der Tag der Vertragserfüllung sein (closing date), also der Tag, an dem der Kaufpreis gezahlt und die Verfügungsmacht über das erworbene Unternehmen übergeben wird (IFRS 3.9). Bei vielen Zusammenschlüssen fällt dieser Tag mit dem Datum der Vertragsschließung zusammen. Es kann aber auch Erwerbsvorgänge geben, in denen der wirtschaftliche Übergang vor oder nach dem Tag der Vertragserfüllung liegt (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 15 ff.). Dazu zählen insbesondere solche Unternehmenszusammenschlüsse, die unter Genehmigungsvorbehalt, z. B. durch die Hauptversammlung oder durch Aufsichtsbehörden, stehen. Ob die erforderliche Zustimmung eine aufschiebende Wirkung hat, hängt davon ab, ob die Zustimmung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann,
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z. B. wegen eindeutiger Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung (vgl. Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 124). Neben eventuellen Zustimmungsvorbehalten können auch vertragliche Absprachen vorliegen, die einen Übergang von Chancen und Risiken vor dem eigentlichen Verfügungsgeschäft begründen könnten, z. B. wenn der Zusammenschluss (um wenige Tage) auf den Beginn des aktuellen Monats oder auf den Beginn des Geschäftsjahres zurückverlegt wird, um die Aufstellung eines Zwischenabschluss zu vermeiden (vgl. Ernst & Young 2021, S. 665). Beispiel Bestimmung des Erwerbszeitpunkts Nach langen Verhandlungen der Vorstände schließen die nordrhein-westfälische Eisen AG, ein metallverarbeitendes Unternehmen, und die Nickel GmbH aus dem Thüringer Vogtland, eine Bergbaugesellschaft, am 10.10.t1 einen Vertrag, der die sofortige Übernahme von 55 % der Geschäftsanteile der Nickel GmbH durch die Eisen AG vorsieht. Die Eisen AG übereignet den veräußernden Gesellschaftern im Gegenzug eigene Aktien im Umfang von 2,5 % des Eisen-Grundkapitals. Die Einigung erfolgte auf Basis des letzten Quartalsabschlusses der Nickel GmbH. Aus diesem Grund wird der Kaufvertrag rückwirkend auf den 1. Oktober geschlossen. Da die Satzung der Nickel GmbH vorsieht, dass ein Verkauf von Mehrheitsanteilen mit mindestens 75 %-Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bestätigt werden muss, wurde für den 1.11.t1 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung anberaumt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Unternehmensführung formal in den Händen der bisherigen Geschäftsführung. Diese darf wesentliche Entscheidungen jedoch nur noch nach Rücksprache mit dem Vorstand der Eisen AG treffen. Zur Erstellung der Konzernbilanz am 31.12.t1 sind zunächst zwei grundlegende Fragen zu beantworten: y Ist die Eisen AG der Erwerber nach IFRS 3? y Welches ist nach wirtschaftlicher Gesichtsweise der Erwerbszeitpunkt? Nach der Übernahme wird die Eisen AG über mehr als die Hälfte der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Nickel GmbH verfügen. Da keine Hinweise darauf hindeuten, dass die Beherrschung der Nickel GmbH trotz dieser Stimmrechtsmehrheit nicht möglich ist, wird die Eisen AG als Erwerber identifiziert. Die Bezahlung mittels eigener Aktien, welche den Alteigentümern der Nickel GmbH Stimmrechte im Eisen-Konzern gibt, konstituiert keine Einschränkung der Beherrschung, da der Stimmrechtsanteil von 2,5 % keine maßgeblichen Einflussmöglichkeiten eröffnet. Die Einzelheiten des betrachteten Zusammenschlusses lassen drei mögliche Erwerbszeitpunkte erkennen: y Für den 10.10. spricht, dass der Vertrag an diesem Tag geschlossen wurde und die Eisen AG ab diesem Zeitpunkt Trägerin der wirtschaftlichen Chancen und Risiken der erworbenen Anteile ist. y Gegen den 10.10. spricht der Zustimmungsvorbehalt durch die Gesellschafterversammlung. In der Regel kann bei einer solchen bedingten Übernahme nicht davon ausgegangen werden, dass der Erwerber tatsächlich alle Chancen und Risiken übernommen hat. Wenn die Zustimmung durch die Altgesellschafter der Nickel GmbH mehr als eine reine Formsache ist, darf folglich frühestens der 1.11. als Erwerbszeitpunkt gelten. y Vom Zustimmungsvorbehalt abgesehen kommt auch der 1.10. als Erwerbszeitpunkt in Frage, sofern zwischen dem 1.10. und 10.10. keine Umstände von wesentlicher Bedeutung mehr eingetreten sind, also Umstände, die den Wert der übertragenen Vermögenswerte und Schulden wesentlich beeinflussen (vgl. IFRS 3.BC110). Angesichts dieser Möglichkeiten ist zu betonen, dass sich daraus kein Wahlrecht zur Bestimmung des Erwerbszeitpunkts ableitet. Der Zeitpunkt, zu dem bei einem sorgfältigen Abwägen aller relevanten Umstände die wirtschaftliche Beherrschung auf den Erwerber übergegangen ist, ist zwangsläufig der Erwerbszeitpunkt.
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5.3.1.4 Ermittlung der Anschaffungskosten Die Bestimmung der Anschaffungskosten ist in IFRS 3.5 nicht als eigenständiger Schritt der Erwerbsmethode aufgeführt, sondern wird als integraler Bestandteil der Ermittlung des mit der Beteiligung erworbenen goodwills verstanden. Dieser bestimmt sich sinngemäß als Differenz zwischen den im Tausch für die erworbenen Anteile hingegebenen Werten und dem im Gegenzug erhaltenen identifizierbaren und somit einzeln bilanzierungsfähigen Nettovermögen. Entscheidend für die Notwendigkeit einer gesonderten Bestimmung der Anschaffungskosten ist, dass nicht automatisch der Beteiligungsbuchwert aus dem Einzelabschluss angesetzt werden darf. Dieser bestimmt sich auf Basis des § 255 HGB oder, falls der Einzelabschluss bereits auf IFRS-Basis erstellt wurde, nach IFRS 9.5.1.1 und umfasst auch direkt zurechenbare Anschaffungsnebenkosten (s. Kap. II.5.3.7.1; vgl. Knop/Küting/Knop 2016, § 255 HGB, Rn. 35). Im Gegensatz dazu legt IFRS 3.37 fest, dass für Zwecke der Kaufpreisallokation die Anschaffungskosten nur die beizulegenden Zeitwerte der hingegebenen Vermögenswerte und Eigenkapitalinstrumente, abzüglich der beizulegenden Zeitwerte der übernommenen Schulden umfassen. Sämtliche Anschaffungsnebenkosten, wie z. B. Anwaltskosten oder die Kosten einer mit der due diligence (vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2020, S. 1021 ff.) beauftragten Unternehmensberatung sind unmittelbar als Aufwand zu erfassen (IFRS 3.BC365 ff.). Hat der Erwerber in der Einzelbilanz Anschaffungsnebenkosten angesetzt, so sind diese im Rahmen der Erstkonsolidierung ergebniswirksam zu korrigieren. Eine Ausnahme gilt gem. IFRS 3.53 für Kosten der Kapitalausgabe, wie sie entstehen können, wenn die erworbenen Anteile mittels neu ausgegebener Eigen- oder Fremdkapitalin strumente bezahlt werden. Diese sind direkt vom Eigenkapital abzuziehen (vgl. Lüdenbach/ Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 28). Hier gelten für HGB-Konzernabschlüsse abweichende Vorschriften. Die Anschaffungskosten werden hier nach den allgemeinen Prinzipien des § 255 HGB bestimmt und umfassen sowohl Anschaffungsnebenkosten sowie direkt dem Erwerb zurechenbare sonstige Kosten abzüglich Anschaffungspreisminderungen (vgl. Störk/Deubert 2020, § 301 HGB, Rn. 20). In HGB-Abschlüssen fallen die zu verrechnenden Anschaffungskosten folglich tendenziell höher aus, was ceteris paribus geringere bilanzielle goodwills zur Folge hat. Die Anschaffungskosten sind grundsätzlich zum Erwerbszeitpunkt zu bestimmen (IFRS 3.37). Werden die Anteile an einem T z. B. durch Anteilstausch erworben, bedeutet dies, dass der Kurs der hingegebenen eigenen Anteile zum Erwerbszeitpunkt die Anschaffungskosten bestimmt. Im Zusammenhang mit solchen Unternehmensübernahmen sind Fälle möglich, in denen der beizulegende Zeitwert der hingegebenen Anteile nicht so verlässlich bestimmt werden kann wie der Wert der erworbenen Anteile. In solchen Fällen ergibt sich der Wert der erworbenen Anteile zur Bestimmung der Anschaffungskosten aus IFRS 3.33. Beispiel Bestimmung der Anschaffungskosten Im Zuge der Übernahme der 55%igen Beteiligung an der Nickel GmbH hat die Eisen AG, deren Marktkapitalisierung 112,2 Mio. € beträgt, eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer due diligence-Prüfung beauftragt, um die Chancen und Risiken der Übernahme in ihrer Gesamtheit beurteilen zu können. Der im Rahmen dieser due diligence-Prüfung ermittelte Unternehmenswert der Nickel GmbH in Höhe von 5,1 Mio. € diente auch als Grundlage für die Festlegung des Tauschverhältnisses zwischen GmbH-Anteilen und Aktien der Eisen AG (55 % zu 2,5 %). Von den insgesamt ausgegebenen 65 Mio. Aktien wird die Eisen AG den Gesellschaftern der Nickel GmbH folglich 1,625 Mio. Aktien übertragen.
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Diese notierten am 1.10.t1 bei 1,809 € und stiegen in Erwartung der bevorstehenden Übernahme bis zum 10.10.t1 leicht auf 1,846 €. Infolge der endgültigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung am 1.11.t1 stieg der Kurs noch einmal leicht auf 1,877 €. Für die due diligence wurden der Eisen AG 35.000 € in Rechnung gestellt. Daneben sind im Zuge der Übernahme Notarkosten in Höhe von 20.000 € und sonstige Kosten für die Organisation der Verhandlungen von 28.640 € angefallen. Die Bestimmung der Anschaffungskosten im vorliegenden Beispiel hängt wesentlich von der Bestimmung des Erwerbszeitpunkts ab, da eine feste Anzahl eigener Aktien als Gegenleistung übertragen wird, deren Kurs im Zeitablauf schwankt. Der beizulegende Zeitwert der übertragenen Gegenleistung bestimmt sich im vorliegenden Beispiel als Kurs zum Erwerbszeitpunkt multipliziert mit der Anzahl der hingegebenen Aktien. Es sei angenommen, dass hier die Zustimmung der Gesellschafterversammlung tatsächlich eine reine Formsache darstellt. Als Erwerbszeitpunkt ist also der 10.10.t1 anzunehmen. Der 1.10. kommt trotz der Rückdatierung des Vertrags nicht in Frage, da der Aktienkurs, und damit der Wert der übertragenen Gegenleistung, im betreffenden Zeitraum um 1,02 % gestiegen ist. Dies ist als wesentliche Änderung anzusehen. Die Anschaffungskosten betragen folglich: 1,625 Mio. Aktien × 1,846 € = 2.999.750 € Die sonstigen angefallenen Kosten für den Notar, die due diligence und die Organisation der Verhandlungen sind im Konzernabschluss nicht als Anschaffungskosten zu betrachten und ergebniswirksam zu erfassen. Im Einzelabschluss muss die Eisen AG dagegen der Transaktion zurechenbare Einzelkosten mit aktivieren. Dazu zählen zumindest Beraterhonorare und Gebühren. Die GmbHAnteile werden in der Einzelbilanz der Eisen AG folglich mit einem Wert von 2.999.750 € + 55.000 € = 3.054.750 € angesetzt. Für einen HGB-konformen Konzernabschluss müssten dem Wert der hingegebenen Anteile sämtliche im Zusammenhang mit dem Erwerb stehenden direkt zurechenbaren Kosten hinzugefügt werden, sodass die Anschaffungskosten hier auch für Zwecke der Konsolidierung dem Ansatz in der Einzelbilanz entsprechen.
Auf zwei Besonderheiten im Zusammenhang mit der Bestimmung der Anschaffungskosten sei hingewiesen: Zum Ersten können Unternehmensübernahmen Klauseln über bedingte Anschaffungskosten (sog. earn-out-Klauseln) beinhalten. Diese in der Unternehmenspraxis teilweise vereinbarten Klauseln (Ewelt-Knauer/Knauer/Pex 2011 stellen z. B. solche Klauseln in 617 von 10.670 untersuchten Transaktionen fest) könnten beispielsweise die Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises verlangen, wenn das erworbene Unternehmen nach der Übernahme unter einem bestimmten Gewinnniveau bleibt. Ebenso denkbar sind Nachzahlungen, wenn es ein bestimmtes Gewinnniveau überschreitet. Solche Klauseln sind ebenfalls mit ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt zu bewerten (IFRS 3.39 f., vgl. Ernst & Young 2021, S. 698 ff.; Hayn/Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 399 ff.). Der beizulegende Zeitwert solcher bedingten Kaufpreisbestandteile ist in der Regel über ein Bewertungsverfahren zu ermitteln, z. B. eine Erwartungswertbildung (zu einem Beispiel siehe Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 50). Etwaige Änderungen im beizulegenden Zeitwert in den Folgeperioden sind ergebniswirksam zu erfassen (IFRS 3.58b(i)). Eine Ausnahme besteht indes für Änderungen des beizulegenden Zeitwerts binnen 12 Monaten nach Erwerb. Diese führen zu einer nachträglichen Korrektur der Anschaffungskosten und ggf. auch des bilanzierten Unterschiedsbetrags (IFRS 3.49 ff., ähnlich § 301 Abs. 2 HGB). Zum Zweiten stellt sich die Frage, wie die Anschaffungskosten zu ermitteln sind, wenn eine Unternehmensübernahme in mehreren Erwerbsschritten als sukzessiver Erwerb erfolgt. In der Unternehmenspraxis erlangt M die Beherrschung über ein T oftmals nicht in
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einem einzigen Erwerbsvorgang. Denkbar ist es z. B., eine bestehende einfache Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen im Zuge der Neuausrichtung der Konzernstrategie sukzessive auf über 50 % aufzustocken, um die Konzernaktivitäten im betreffenden Sitzland zielgenau steuern zu können. In solchen Fällen verlangt IFRS 3.42, dass die Altanteile zum Erwerbszeitpunkt, also dem Zeitpunkt, ab dem der Erwerber eine beherrschende Stellung innehat, mit ihrem beizulegenden Zeitwert anzusetzen sind. Insofern kommt es zu einer Neubewertung der Altanteile bei Erlangung eines beherrschenden Einflusses. Mögliche Differenzen zum Buchwert der Altanteile sind ergebniswirksam zu erfassen. Es kommt laut IFRS 3 auch bei stufenweisem Erwerb demnach nicht auf die einzelnen Transaktionszeitpunkte an. Vielmehr fingiert IFRS 3.42 einen Tausch »alter« gegen »neue« Aktien. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Vorschrift: Beispiel Stufenweiser Unternehmenserwerb In Abwandlung des oben aufgeführten Beispiels sei angenommen, dass die Eisen AG bereits im Jahr t0 Gesellschaftsanteile der Nickel GmbH in Höhe von 10 % erworben hatte und diesen Anteil jetzt auf 55 % aufstockt. Die Anschaffungskosten der ursprünglichen Beteiligung betrugen 400.000 €, die zum damaligen Zeitpunkt bar beglichen wurden. Anschaffungsnebenkosten fielen nicht an. Für die zusätzlichen 45 % überträgt die Eisen AG den Gesellschaftern der Nickel GmbH eigene Aktien im Umfang von 2,055 % der ausgegebenen Anteile. Alle anderen Daten bleiben unverändert. Die ursprünglichen Anteile in Höhe von 10 % sind zum Erwerbszeitpunkt (10.10.t1, Kontrollerwerb) mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Dazu kann man auf den im Rahmen der due diligence ermittelten Unternehmenswert zurückgreifen. Der beizulegende Zeitwert der Altanteile beträgt folglich: 10 % × 5,1 Mio. € = 510.000 €. Diese Änderung des beizulegenden Zeitwertes wird im Rahmen der Konsolidierung durch eine ergebniswirksame Wertsteigerung der ursprünglichen 10%igen Beteiligung um 110.000 € berücksichtigt. Dazu kommt der Wert der hingegebenen eigenen Anteile in Höhe von: 2,055 % × 65 Mio. × 1,846 € = 2.465.794,50 €. Die gesamten Anschaffungskosten der 55%igen Beteiligung an der Nickel GmbH belaufen sich damit auf 2.975.794,50 €. Die Differenz zu den Anschaffungskosten bei einstufigem Erwerb aus dem Grundbeispiel liegt in der Zahlung mittels Eigenkapitalinstrumenten begründet. Der im Aktienkurs der eigenen Aktien enthaltene Kontrollaufschlag (vgl. IFRS 3.B45) fällt bei diesem zweistufigen Erwerb in absoluten Zahlen geringer aus, da eine geringere Anzahl von Aktien übergeben wird.
5.3.1.5 Kaufpreisallokation Um den Investoren der Muttergesellschaft bzw. allen interessierten Kapitalmarktteilnehmern den wirtschaftlichen Gehalt der Unternehmensübernahme zu vermitteln, ist es notwendig, die im Gegenzug zu den geleisteten Anschaffungskosten erhaltenen Vermögenswerte und übernommenen Schulden möglichst detailliert darzustellen. Dazu müssen die Anschaffungskosten so weit wie möglich den erworbenen Vermögenswerten und übernommenen Schulden zugerechnet werden. Der verbleibende Rest wird als goodwill bezeichnet. Dieser soll nur noch solche Vermögenswerte umfassen, die nicht vom Unternehmen als Ganzem zu trennen sind. Im Hinblick auf den Ansatz gilt Folgendes: IFRS 3.10 legt entsprechend fest, dass sämtliche im Rahmen des Unternehmenserwerbs übernommenen Schulden und alle mit dem
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Unternehmen erworbenen Vermögenswerte in der Summenbilanz anzusetzen sind, sofern sie einzeln identifizierbar sind. Die Identifizierbarkeit stützt sich lediglich auf die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit (s. Kap. II.5.3.5), die im IASB conceptual framework definiert wird. Konkrete Ansatzbeschränkungen, z. B. für bestimmte selbsterstellte immaterielle Vermögensposten gelten dagegen nicht, da aufgrund der Einzelerwerbsfiktion jeder einzelne Vermögensposten als entgeltlich erworben angesehen wird (IFRS 3.13). y Beispielsweise sind Forschungsaufwendungen und solche Entwicklungsaufwendungen, die im Einzelabschluss des T nicht aktivierungsfähig waren, im Rahmen der Kaufpreisallokation als Vermögenswerte anzusetzen, sofern sie einzeln identifizierbar sind (vgl. ausführlich Brönner et al. 2016, S. 1142 ff.). y Die in IAS 38 für den Ansatz immaterieller Posten zusätzlich festgelegten Kriterien, betreffend die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Zuflüsse und die verlässliche Messbarkeit der Kosten, spielen für die Ansatzentscheidung im Rahmen der Kaufpreisallokation keine Rolle. Hier reicht es für das Erfordernis der einzelnen Identifizierbarkeit aus, wenn der immaterielle Vermögenswert separierbar oder durch vertragliche oder andere Rechte entstanden ist (IFRS 3.B31 ff.). y Ebenso sind bedingte Verbindlichkeiten (s. Kap. III.3.7.1) im Konzernabschluss gem. IFRS 3.22 ff. als übernommene Schuld anzusetzen, obwohl IAS 37.27 dies für den Einzelabschluss verbietet. Diese sind zu passivieren, sofern es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis handelt und eine verlässliche Bewertbarkeit gegeben ist. Insofern wird die Unsicherheit bezüglich des Zuflusses zukünftiger wirtschaftlicher Vorteile bzw. des Eintretens wirtschaftlicher Belastungen für Zwecke der Konzernbilanzierung von der Ansatzentscheidung getrennt und beeinflusst nur noch die Bewertung (vgl. Ernst & Young 2021, S. 666 ff.). Die in der HB II angesetzten Vermögenswerte und Schulden sind folglich um solche zu ergänzen, die erst durch den Erwerb im Rahmen der Unternehmensübernahme ansatzfähig werden. Die Aufnahme dieser Posten führt zur HB III (s. Kap. IV.5.1). Diese Vorgehensweise gilt auch bei der Erstellung von HGB-Konzernabschlüssen (vgl. § 301 Abs. 1 S. 2 und 3 HGB sowie Störk/Deubert 2020, § 301 HGB, Rn. 60 ff.); allerdings bleiben hier auch im Konzernabschluss bedingte Verbindlichkeiten nicht passivierungsfähig. Empirie Unternehmenspraxis – Kaufpreisallokation bei Unternehmenszusammenschluss Wie wird der Kaufpreis bei Transaktionen auf Vermögenswerte und goodwill verteilt? Um diese Frage zu beantworten, untersucht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kontinuierlich Transaktionsdaten aus Unternehmenszusammenschlüssen in Deutschland seit 2008. Die Analyse von mehr als 700 Transaktionen zeigt, dass der bei Unternehmenszusammenschlüssen erfasste goodwill durchschnittlich bei knapp 50 % liegt, während sonstige immaterielle Vermögensgegenstände zusätzlich mehr als 30 % des Unternehmensgesamtwerts ausmachen vgl. KPMG 2020, S. 3 f. Zudem kann bei der fair value-Ermittlung der erworbenen immateriellen Vermögensposten (z. B. bei einer fair value-Ermittlung eines Markennamens mittels einer Lizenzpreisanalogie) häufig ein der Höhe nach bedeutsamer abschreibungsbedingter Steuervorteil auftreten (tax amortization benefit, TAB). Ist dieser bei einer tatsächlich gegebenen steuerrechtlichen Abschreibungsmöglichkeit zu berücksichtigen, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Kaufpreisallokation und den Ausweis eines goodwills. Ein aktivierter TAB führt c.p. zu einem geringeren goodwill (vgl. Ruhnke/ Müller/Idà 2017).
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Der bilanzierte goodwill ist von erheblicher Bedeutung. Beispielsweise betrug der kumulierte Betrag des bilanzierten goodwills der Konzerne des ehemaligen DAX 30 aus dem Jahr 2017 ca. 258 Mrd. €, was ca. 32 % des insgesamt bilanzierten Eigenkapitals dieser Unternehmen entspricht (vgl. Kümpel/Kleinewegen 2018). Dieser Betrag ist für das Geschäftsjahr 2019 sogar auf 317 Mrd. € angewachsen (vgl. z. B. Reim/Beißer 2020).
Hinsichtlich der Bewertung ist festzustellen, dass alle im Konzernabschluss angesetzten Vermögensposten und Schulden mit ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt zu bewerten sind (IFRS 3.18). Im IFRS 3 gibt es keine allgemeine Vorschrift zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts (acquisition-date fair value). Vielmehr folgt die Bestimmung der Richtlinie in IFRS 13. Gibt es für Vermögenswerte oder Schulden idealerweise einen Markt, so sind die dort beobachtbaren Marktpreise oder die Preise auf Märkten mit ähnlichen Gütern die besten verfügbaren Indikatoren für deren beizulegende Zeitwerte. Ist dies nicht der Fall ist das Vorgehen nach IFRS 13 zur Bestimmung eines Bewertungsmaßstabes einschlägig (ausführlich hierzu s. Kap. II.5.3.6.3). Weil die Kaufpreisallokation wesentlich über die Höhe des bilanziellen goodwills entscheidet, kommt ihr eine herausragende Bedeutung zu. Ein genauerer Blick auf die Übernahme der Nickel GmbH durch die Eisen AG verdeutlicht die Bewertungsproblematik: Beispiel Summenbilanz und Kaufpreisallokation Nach der Übernahme der Nickel GmbH am 10.10.t1 muss die kapitalmarktorientierte Eisen AG zum 31.12.t1 erstmals eine Konzernbilanz erstellen. Nachdem der Erwerbszeitpunkt und die Anschaffungskosten bereits ermittelt wurden, geht es in diesem Schritt darum, eine Summenbilanz zu erstellen, die die Werte aller erworbenen Vermögensposten und übernommenen Schulden enthält. Die an konzerneinheitliche Vorschriften angepassten Handelsbilanzen (IFRS HB II) der beiden Konzernunternehmen zum 31.12.t1 zeigen folgendes Bild: Aktiva IFRS HB II Eisen AG zum 31.12.t1 in T€ Immaterielle Vermögenswerte 5.500 Gezeichnetes Kapital Beteiligungen 8.470 Rücklagen Sachanlagen 320.000 Jahresüberschuss Vorräte 80.000 Rückstellungen Forderungen 23.000 Verbindlichkeiten Liquide Mittel 3.030 Summe 440.000 Summe Aktiva Sachanlagen Finanzanlagen Vorräte Forderungen Liquide Mittel Summe
IFRS HB II Nickel GmbH zum 31.12.t1 in T€ 1.800 Gezeichnetes Kapital 300 Rücklagen 1.000 Jahresüberschuss 900 Rückstellungen 500 Verbindlichkeiten 4.500 Summe
Passiva 30.000 85.000 5.000 120.000 200.000 440.000 Passiva 300 1.120 80 1.800 1.200 4.500
Neben den Bilanzdaten zieht die Eisen AG auch die Ergebnisse der zur Übernahme vorgenommenen due diligence-Prüfung zu Rate. Daraus gehen folgende Informationen hervor: y Die Nickel GmbH entwickelt eine besondere Abbautechnik für ihr Hauptnickelvorkommen, die im Jahresabschluss der Nickel GmbH bisher nicht aktivierungsfähig ist. Von der Abbautech-
674
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
y y
y
y
nik verspricht man sich für mindestens 3 Jahre die Kostenführerschaft im Bereich hochreiner Nickelbasis-Legierungen. Die Entwicklungskosten betrugen bisher ca. 900 T€ und bis zur Anwendungsreife im 2. Quartal t2 werden weitere Entwicklungskosten von ca. 100 T€ erwartet. Den Kapitalwert der Kostenvorteile schätzt die Nickel GmbH konservativ auf 3,375 Mio. €. Die Nickel GmbH besitzt seit zehn Jahren ein Betriebsgrundstück in der Stadt Gera mit bilanzierten Anschaffungskosten von 70 T€. Der Marktwert vergleichbarer Grundstücke in der Nachbarschaft ist in den letzten Jahren um 100 % gestiegen. Für Renaturierungsverpflichtungen hat die Nickel GmbH Rückstellungen gebildet. Kurz vor der Übernahme hat die Nickel GmbH einen mündlichen Vorvertrag mit dem Land Thüringen getroffen. Dieses wird Mitte des Jahres t2 eine dann erschöpfte Nickelzeche von der Nickel GmbH übernehmen und in den alten Stollen einen Untertage-Erlebnis-Park einrichten. Dadurch wird die Nickel GmbH Renaturierungskosten von ca. 180 T€ einsparen. In der Einzelbilanz wurde diese Information noch nicht berücksichtigt, da dies gegen den Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte verstoßen würde. Nach der Klage eines Naturschutzvereins gegen eine Zeche der Nickel GmbH liegt eine Verurteilung zu deren Schließung vor. Da ähnliche Entscheidungen in 19 von 20 Fällen zu Gunsten der Zechenbetreiber lauteten, wurde gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Berufung wurde stattgegeben und die Durchsetzung der Schließung bis zum letztinstanzlichen Urteil ausgesetzt. Sollte die Schließung bestätigt werden, müsste die Nickel GmbH diese Zeche aufgeben und Rückbau- und Sicherungsmaßnahmen im Umfang von 500 T€ durchführen. Der Jahresüberschuss im Quartalsbericht der Nickel GmbH zum 3. Quartal t1 betrug 60 T€.
Wie wirken sich diese Informationen auf den Ansatz des erworbenen Nettovermögens aus? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Informationen bei der Kaufpreisverhandlung berücksichtigt wurden, d. h. erwartete Zahlungsmittelzuflüsse wirkten sich kaufpreiserhöhend aus und erwartete Zahlungsmittelabflüsse kaufpreismindernd. Diese wirtschaftliche Überlegung im Rahmen der Verhandlungen ist unabhängig von der einzelbilanziellen Erfassung der jeweiligen Sachverhalte. Da die HB III den beizulegenden Zeitwert des übernommenen Nettovermögens möglichst genau ausweisen soll, sind die beschriebenen Informationen bilanziell folgendermaßen zu berücksichtigen: y Das Abbauverfahren ist als immaterieller Vermögensgegenstand anzusetzen und mit dem Kapitalwert der zukünftig erwarteten Nettozahlungsüberschüsse zu bewerten, das sind 3,275 Mio. €. Da das Abbauverfahren einen einzigartigen Vermögensposten darstellt, für den kein Marktpreis ermittelt werden kann, ist der Kapitalwert der erwarteten Zahlungsüberschüsse als beizulegender Zeitwert gem. IFRS 3.18 anzusetzen. Von den hiermit verbundenen Bewertungsschwierigkeiten (vgl. IDW S 5; s. Kap. III.3.2.2) wird an dieser Stelle aus Vereinfachungsgründen abstrahiert. y Die Bewertung des Grundstücks zum beizulegenden Marktwert erfordert eine Zuschreibung um 70 T€. y Die Rückstellungen der Nickel GmbH sind aus Sicht der Eisen AG zu hoch bewertet, was auf die mündliche Zusage des Landes Thüringen zurückzuführen ist. Sie müssen um 180 T€ verringert werden. y Die möglichen Folgen einer erfolgreichen Klage stellen eine bedingte Verbindlichkeit (vgl. IAS 37.10) dar, die im Einzelabschluss der Nickel GmbH nicht angesetzt werden darf. Da im Konzernabschluss die Wahrscheinlichkeit des Zahlungsmittelabflusses bei der Beurteilung von Verpflichtungen nicht die Ansatzentscheidung beeinflusst, sondern bei der Bewertung berücksichtigt wird, ist in der HB III eine bedingte Verbindlichkeit zu bilanzieren, die mit dem Erwartungswert von 500 T€/20 = 25 T€ bewertet wird (Zahlungseintritt wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/20 erwartet). y Die Information zum Jahresüberschuss hat keine Bewertungskonsequenzen. Bei der Verrechnung der Anschaffungskosten mit dem erworbenen Nettovermögen wird sie aber notwendig.
Die notwendigen Wertkorrekturen und Nachaktivierungen bzw. Nachpassivierungen werden als Aufdeckung stiller Reserven bzw. stiller Lasten bezeichnet. Diese erfolgt grundsätzlich ergebnisneutral, da auch bei Unternehmensübernahmen, wie bei allen Anschaffungsvor-
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
675
gängen, eine Ausgeglichenheit der getauschten Werte unterstellt wird. Buchungstechnisch werden die Wertkorrekturen direkt gegen das Eigenkapital, genauer gegen die Neubewertungsdifferenz, vorgenommen. Die Buchungssätze lauten: Stille Reserven Neubewertungsdifferenz
an an
Neubewertungsdifferenz Stille Lasten
Die Fortführung des Beispiels verdeutlicht die Vorgehensweise und geht auch auf notwendige Korrekturen des bilanzierten Beteiligungsbuchwertes ein. Beispiel Summenbilanz und Kaufpreisallokation II Üblicherweise wird die Kapitalkonsolidierung in Form einer Konsolidierungstabelle dargestellt. Diese enthält zunächst die HB II der einbezogenen Unternehmen, die HB III der Nickel GmbH sowie die sich durch Queraddition ergebende Summenbilanz. Im weiteren Verlauf kommen noch Konsolidierungsspalten, sowie eine Ergebnisspalte mit der Konzernbilanz hinzu: in T€
Eisen AG IFRS HB II
Immaterielle Vermögenswerte
5.500
Beteiligungen
8.470
Finanzanlagen Sachanlagen
Nickel GmbH IFRS HB II
Soll
Haben
3.275
Nickel GmbH IFRS HB III
Summenbilanz
3.275
8.775 8.470
300
300
300 321.870
1.800
Vorräte
80.000
1.000
1.000
81.000
Forderungen
23.000
900
900
23.900
Liquide Mittel Aktiva
70
1.870
320.000
3.030
500
500
3.530
440.000
4.500
7.845
447.845
Gez. Kapital
30.000
300
300
30.300
Rücklagen
85.000
1.120
1.120
86.120
3.500
3.500
Neubewertungsdifferenz Jahresüberschuss
3.500 5.000
80
Rückstellungen
120.000
1.800
Verbindlichkeiten
200.000
1.200
Passiva
440.000
4.500
80
5.080
1.620
121.620
25
1.225
201.225
3.525
7.845
447.845
180 3.525
Die Buchung deckt die identifizierten stillen Reserven und Lasten im bilanzierten Nettovermögen der Nickel GmbH auf.
5.3.1.6 Erstkonsolidierung Die Summenbilanz zeigt nun sämtliche Vermögenswerte und Schulden des übernommenen Unternehmens, einschließlich aufgedeckter Bewertungsreserven. Noch immer vermittelt sie jedoch ein verzerrtes Bild des Konzerns, da sie weiterhin konzerninterne Kapitalbeziehun-
676
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
gen enthält. Diese werden einerseits durch das Eigenkapital des T und andererseits durch den Buchwert der Beteiligung des M repräsentiert. Im nächsten und zentralen Schritt der Konzernabschlusserstellung müssen diese Kapitalverflechtungen aus der Summenbilanz eliminiert werden; ein Vorgang, der als Kapitalkonsolidierung bezeichnet wird. Buchungstechnisch erfolgt er (bei einer 100 % Beteiligung) durch eine Konsolidierungsbuchung der folgenden Form: Anteiliges Eigenkapital T Goodwill
an
Beteiligungsbuchwert
Damit wird gleichzeitig die Kapitalverflechtung aus der Summenbilanz eliminiert und der auf die Mehrheitsbeteiligung entfallende und durch die Kaufpreiszahlung objektivierte goodwill bzw. passive Unterschiedsbetrag bilanziell erfasst. Der goodwill bzw. der passive Unterschiedsbetrag stellen folglich Residualgrößen dar. Zum anteiligen Eigenkapital des Tochterunternehmens zählt neben den einzelbilanziell zum Erwerbszeitpunkt ausgewiesenen Positionen insbesondere auch die Neubewertungsdifferenz, denn letztere verkörpert gerade solche Werte, die einzelbilanziell nicht erfasst waren – stille Reserven oder stille Lasten. Die Konsolidierungsbuchung rechnet folglich das anteilige identifizierbare Nettovermögen (s. Kap. IV.2) gegen den gezahlten Kaufpreis auf. Eine positive Differenz besteht aus nicht einzeln identifizierbaren Nettovermögenswerten und wird in der Sammelposition goodwill erfasst. Entsteht eine negative Differenz, muss das M zunächst einmal den Ansatz und die Bewertung der identifizierten Vermögenswerte und Schulden erneut überprüfen (reassessment). Erst ein danach verbleibender negativer Restbetrag ist unmittelbar ergebniserhöhend zu vereinnahmen (IFRS 3.34-36). Ein solches Vorgehen lässt sich dahingehend rechtfertigen, dass bei einer Abbildung aller möglichen künftigen Verluste im Jahresabschluss (einschließlich bedingter Verbindlichkeiten) der passive Unterschiedsbetrag den Charakter eines luckybuy besitzt. Gründe hierfür können sein, dass das T vom Veräußerer unter Zeitdruck verkauft werden musste oder dass das M eine starke Verhandlungsposition innehatte. Aus diesem Grunde spricht IFRS 3 hier auch von einem bargain-purchase, d. h. einem günstigen Erwerb. Bei Beteiligungsquoten unter 100 % bleibt ein Teil des Eigenkapitals des Tochterunternehmens in der Summenbilanz stehen. Dies ist der Teil, der auf Minderheitsgesellschafter (nichtbeherrschende Gesellschafter, non-controlling interest) entfällt. Üblicherweise werden diese in eine gleichermaßen benannte Bilanzposition umgebucht. Zusätzlich kann der auf die Minderheiten entfallende Anteil am goodwill in diesen Minderheitenanteilen ausgewiesen werden (IFRS 3.19). Im Gegensatz zu den Konzernanteilen fehlt dem berichtenden M für die Minderheitenanteile der Kaufpreis als Anhaltspunkt für die goodwill-Bestimmung, da diese Anteile gerade nicht übereignet wurden. Eine einfache Hochrechnung des erworbenen auf die Mehrheiten entfallenden goodwills auf 100 % wäre rechnerisch möglich. Da letzterer eventuell eine Kontrollprämie enthält, ist dies jedoch problematisch (IFRS 3.B45; vgl. Hayn/ Ströher 2021, IFRS 3, Rn. 254); in diesem Fall würde der Buchwert der nichtbeherrschenden Gesellschafter über dem beizulegenden Zeitwert ihrer Anteile liegen. IFRS 3.19 vermeidet dieses Problem, indem es vorschreibt, die nichtbeherrschenden Anteile entweder als Anteil am beizulegenden Zeitwert der Tochtergesellschaft (full goodwill-Ansatz) oder als Anteil am identifizierbaren Nettovermögen (purchased goodwill-Ansatz) auszuweisen (vgl. Bolin/ Lietz/Verhofen 2019, für eine ausführliche Gegenüberstellung dieser beiden Verfahren). Der full goodwill-Ansatz erfordert folglich eine Bewertung der von den Minderheitsgesellschaftern gehaltenen Anteile. Sind diese börsengehandelt, wird regelmäßig der Marktpreis zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes dieser Anteile dienen. Andernfalls ist entweder eine separate Bewertung notwendig, oder es sind die Ergebnisse der im Rahmen
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
677
der Käufer-due diligence ohnehin durchgeführten Unternehmensbewertung (vgl. IDW S 1) zum Erwerbszeitpunkt heranzuziehen. Allerdings ist der zuletzt angesprochene Fall dahingehend problematisch, als Unternehmensbewertungen annahmeabhängig und stets subjektiv sind und derartig ermittelte goodwills über Unternehmensgrenzen hinweg kaum vergleichbar sein dürften (vgl. Küting/Weber/Wirth 2008). In HGB-Konzernabschlüssen (s. Kap. I.2.2.4) ist ausschließlich die Erwerbsmethode in der Ausprägungsform der Neubewertungsmethode gem. § 301 i. V. m. § 307 HGB zulässig (zur Kapitalkonsolidierung siehe auch DRS 23; vgl. für eine ausführliche Fallstudie zu Unterschieden in der Kapitalkonsolidierung nach IFRS und HGB Kirsch 2020c, oder zu den Ermessensspielräumen im Rahmen der Kapitalkonsolidierung Müller/Potthast 2020). Dieses Vorgehen folgt grundsätzlich dem purchased goodwill-Ansatz. Buchungstechnisch erfolgt der Ausweis der Anteile anderer Gesellschafter in jedem Fall per Anteiliges Eigenkapital T Goodwill
an
nicht-beherrschende Anteile
Auch hier erfolgt die Bestimmung des goodwill als Residualgröße. Damit wird für die Minderheitenanteile kein goodwill ermittelt, wenn der purchased goodwill-Ansatz angewendet wird. Zusammen ergeben die beiden Erstkonsolidierungsbuchungen einen Gesamt-goodwill, der der Vorschrift in IFRS 3.32 entspricht:
– + =
Kaufpreis (beizulegender Zeitwert der übertragenen Gegenleistung zum Erwerbszeitpunkt gem. IFRS 3.37 f.) identifizierbare Vermögenswerte und übernommene Schulden zum beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt (IFRS 3.18) nichtbeherrschende Anteile [a) oder b)] (IFRS 3.19) a) Full goodwill-Ansatz: zum beizulegenden Zeitwert (IFRS 3.B44 f.) b) Purchased goodwill-Ansatz: zum Wert des anteiligen identifizierbaren Nettovermögens goodwill
Wendet man beispielhaft die in Abschnitt IV.3 aufgeführten Daten an (s. Kap. IV.3, Abb. IV.3./1), so ergeben sich für die beiden zulässigen Methoden folgende Werte (in T€): Kaufpreis
Anteile anderer Gesellschafter
identifizierbares Nettovermögen
bilanzieller goodwill
full goodwillAnsatz
75 (A + C + E)
100 × 25 % = 25 (B + D + F)
70 (A + B + C + D)
30 (E + F)
purchased goodwill-Ansatz
75 (A + C + E)
70 × 25 % = 17,5 (B + D)
70 (A + B + C + D)
22,5 (E)
Tab. IV.5./1 goodwill-Ermittlung nach IFRS 3 im Vergleich
Der full goodwill-Ansatz ist folglich als Ausprägung des entity-Konzepts zu sehen und der purchased goodwill-Ansatz als Ausprägung des parent-company-extension-Konzepts (s. Kap. IV.3). Die Vorschrift zur goodwill-Ermittlung verdeutlicht auch die Wichtigkeit einer richtigen Bestimmung des Kaufpreises und einer richtigen Kaufpreisallokation, denn der goodwill wird nach IAS 36 nicht planmäßig abgeschrieben, sondern nur außerplanmäßig wertgemindert (impairment-only-approach; s. Kap. II.5.3.8.2). Dies wird im Folgenden gezeigt (s. Kap. IV.5.3.1.7). Eine ungenaue oder bewusst verzerrte Kaufpreisermittlung/-allokation ist allerdings geeignet, Abschreibungspotenzial zwischen planmäßig abzuschreibenden
678
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Vermögenswerten und dem goodwill zu verschieben und so zukünftige Konzernergebnisse zu beeinflussen (vgl. Ebert/Simons 2009). Dies widerspräche der Funktion des Konzernabschlusses als investorenorientiertem Informationsinstrument (vgl. IASB F.1.2). Beispiel Kapitalkonsolidierung und Minderheitenanteile In Fortführung des mit Abschnitt IV.5.3.1.3 eingeführten Beispiels zur Vollkonsolidierung ist nun zunächst die Kapitalkonsolidierung vorzunehmen. Da der Erwerb der Nickel GmbH (55 % der Anteile) unterjährig erfolgte, muss zwischen erworbenem und während der Konzernzugehörigkeit erwirtschaftetem Eigenkapital unterschieden werden. Annahmegemäß waren vom einzelbilanziellen Jahresüberschuss im Übernahmezeitpunkt am 10.10.t1 bereits 60 T€ erwirtschaftet. Nur dieser Teil ist bei der Kapitalkonsolidierung zu berücksichtigen. Der Einfachheit halber sei weiterhin angenommen, dass die Anschaffungskosten der Beteiligung 3 Mio. € betragen. Bei Anwendung des purchased goodwill-Ansatzes ergibt sich folgende Erstkonsolidierung: purchased goodwillAnsatz 31.12.t1 in T€
Immaterielle Vermögenswerte
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB II
5.500
IFRS HB III 3.275
Summenbilanz
Soll
Haben
8.775
8.470
Finanzanlagen
Konzernbilanz
8.775 2611
Geschäftswert Beteiligungen
Kapitalkonsolidierung
261 3.0001
8.470
5.470
300
300
300
300
Sachanlagen
320.000
1.800
1.870
321.870
321.870
Vorräte
80.000
1.000
1.000
81.000
81.000
Forderungen
23.000
900
900
23.900
23.900
Liquide Mittel
3.030
500
500
3.530
3.530
440.000
4.500
7.845
447.845
445.106
Gezeichnetes Kapital
30.000
300
300
30.300
1651 1352
30.000
Rücklagen
85.000
1.120
1.120
86.120
616 5042
1
85.000
Jahresergebnis
5.000
80
80
5.080
33 272 93
5.011
3.500
3.500
1.9251 1.5752
0
Aktiva
Neubewertungsdifferenz
1
2
nichtbeherrschende Anteile Rückstellungen
2.241 93 120.000
1.800
1.620
121.620
sonst. Schulden
200.000
1.200
1.225
201.225
Passiva
440.000
4.500
7.845
447.845
2.250 121.620 201.225
5.250
5.250
445.106
Buchung 1 verrechnet das auf die Eisen AG entfallende anteilige Eigenkapital der Nickel GmbH zum Erwerbszeitpunkt (jeweils 55 % der zu konsolidierenden Eigenkapitalpositionen) mit dem Beteiligungsbuchwert von 3 Mio. €. Buchung 2 weist den Anteil der nichtbeherrschenden Anteilseigner am neubewerteten Nettovermögen der Nickel GmbH aus. Buchung 1 und 2 sind in Bezug auf das
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
679
Jahresergebnis auf den Betrag zu beziehen, der bereits vor der Konzernzugehörigkeit erwirtschaftet wurde (60 T€). Buchung 3 weist den Minderheitsgesellschaftern ihren Anteil am Jahresergebnis zu, welcher bereits während der Konzernzugehörigkeit erwirtschaftet wurde (20 T€ × 0,45 = 9 T€), der verbleibende Rest (11 T€) erhöht das Konzernjahresergebnis. full goodwill-Ansatz 31.12.t1 in T€
Immaterielle Vermögenswerte
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB II
5.500
IFRS HB III 3.275
Summenbilanz
Soll
Haben
8.775
8.470
Finanzanlagen
8.470 300
Konzernbilanz
8.775 2611 542
Geschäftswert Beteiligungen
Kapitalkonsolidierung
315 3.000
1
5.470
300
300
300
Sachanlagen
320.000
1.800
1.870
321.870
321.870
Vorräte
80.000
1.000
1.000
81.000
81.000
Forderungen
23.000
900
900
23.900
23.900
Liquide Mittel
3.030
500
500
3.530
3.530
440.000
4.500
7.845
447.845
Gezeichnetes Kapital
Aktiva
30.000
300
300
30.300
1651 2 135
30.000
Rücklagen
85.000
1.120
1.120
86.120
616 2 504
1
85.000
Jahresergebnis
5.000
80
80
5.080
33 272 93
3.500
3.500
1.9251 1.5752
Neubewertungsdifferenz
445.160
1
5.011
2.2952 3 9
nichtbeherrschende Anteile
2.304
Rückstellungen
120.000
1.800
1.620
121.620
121.620
sonst. Schulden
200.000
1.200
1.225
201.225
201.225
Passiva
440.000
4.500
7.845
447.845
5.304
5.304
445.160
Buchung 1 bleibt im Vergleich zum purchased goodwill-Ansatz unverändert. Im Gegensatz dazu werden die nichtbeherrschenden Anteile nun mit ihrem beizulegenden Zeitwert bewertet (45 % von 5,1 Mio. €). Dadurch entsteht auch aus Buchung 2 ein bilanzieller goodwill. Buchung 3 ist inhaltlich im Vergleich zum vorigen Beispiel unverändert.
5.3.1.7 Folgekonsolidierung Ein Wesensmerkmal der Konsolidierung ist, dass der Konzernabschluss aus den Einzelabschlüssen und nicht – wie der Einzelabschluss – aus einer Eröffnungsbilanz abgeleitet wird. Für den Konzernabschluss besteht demnach keine Wertansatzidentität, d. h. der Zusammenhang »Schlussbilanz des Vorjahres = Eröffnungsbilanz des Folgejahres« ist zunächst einmal nicht gegeben. Da die zu konsolidierenden Einzelbilanzen (hier annahmegemäß die
680
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
HB II) die Kapitalkonsolidierungsmaßnahmen der Vorperioden nicht enthalten, sind in jeder Folgeperiode die Kapitalkonsolidierungsmaßnahmen der vorherigen Perioden erneut (ggf. kumuliert) in einer Nebenrechnung (als Bestandteil einer Konzernbuchführung) nachzuholen, bevor die eigentliche Folgekonsolidierung der aktuellen Periode beginnen kann. Der erste Schritt im Zuge der Folgekonsolidierung ist demnach, den Zustand einer Art »Konzerneröffnungsbilanz« herzustellen, indem man sämtliche Buchungen der Erstkonsolidierung wiederholt. Da die Wiederholung der Erstkonsolidierung auf den Werten zum Erwerbszeitpunkt beruht, bildet sie Wertänderungen des Nettovermögens eines Tochterunternehmens während der Konzernzugehörigkeit nur insoweit ab, als diese Berücksichtigung in den jeweiligen HB II des Tochterunternehmens finden. Veränderungen der stillen Reserven oder Lasten sowie Wertänderungen des goodwill werden dort jedoch nicht abgebildet und müssen durch Anpassungsbuchungen in der Konzernbilanz erfasst werden. Die Gesamtheit aus Wiederholung der Erstkonsolidierung und diesen Korrekturbuchungen wird als Folgekonsolidierung bezeichnet. Die aufgedeckten stillen Reserven und stillen Lasten werden dabei in der gleichen Weise fortgeführt, wie die zugrundeliegenden Bilanzposten bzw., wenn es sich um einzelbilanziell nicht ansatzfähige Positionen handelt, nach Maßgabe der relevanten Standards. Beispielsweise bedeutet dies in Bezug auf einen IFRS-Konzernabschluss, dass stille Reserven aus der Neubewertung eines abnutzbaren Vermögenswerts über die verbleibende Nutzungsdauer planmäßig abzuschreiben sind (s. Kap. II.5.3.8). Ein im Rahmen der Neubewertung aktivierter immaterieller Vermögenswert mit unbestimmter Nutzungsdauer dagegen wäre regelmäßig auf Wertminderung zu prüfen sowie darauf, ob die Nutzungsdauer durch neue Informationen bestimmbar geworden ist (s. Kap. III.3.2.3.2). Eine Besonderheit der Konzernbilanz stellt der aktivierte goodwill dar, der residual ermittelt wurde. Dieser verkörpert die Gesamtheit all jener vermögenswerter (Netto-)Vorteile des erworbenen Unternehmens, die nicht vom Unternehmen als Ganzem separierbar sind und dennoch vom Erwerber vergütet wurden6 oder, im Fall des full goodwill-Ansatzes, von einem potenziellen Erwerber vergütet würden. Die im goodwill zusammengefassten wirtschaftlichen Vorteile können folglich eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensdauern aufweisen. Die Standardsetzer haben unterschiedliche Wege gewählt, diesem Problem zu begegnen. Nach IFRS 3 i. V. m. IAS 36 ist der goodwill nicht planmäßig abzuschreiben, sondern regelmäßig einem Werthaltigkeitstest zu unterziehen (impairment only approach; s. Kap. III.3.2.6.1). Da der Wert des goodwill aufgrund seiner mangelnden Identifizierbarkeit nicht individuell bestimmt werden kann, erfolgt der Werthaltigkeitstest auf Basis zahlungsmittelgenerierender Einheiten (cash generating units – CGU, vgl. IAS 36.90). Diese CGUs müssen jedoch nicht mit den erworbenen Ts identisch sein. Der bilanzielle goodwill wird zum Erwerbszeitpunkt den CGU zugeordnet, denen die im goodwill repräsentierten wirtschaftlichen Vorteile voraussichtlich zugutekommen (IAS 36.80; s. Kap. II.5.3.8). Bei Vorliegen von Indikatoren, die einen Wertverlust des goodwill nahelegen, mindestens jedoch jährlich, ist in den Folgeperioden ein Werthaltigkeitstest durchzuführen. Dazu wird der Buchwert der goodwill tragenden CGU jeweils mit ihrem erzielbaren Betrag verglichen. Dieser bestimmt sich als Maximum aus Nettoveräußerungswert und Nutzungswert. Übersteigt der Buchwert den erzielbaren Betrag, besteht ein Wertberichtigungsbedarf. Dabei ist zunächst der der CGU zugeordnete goodwill im Wert zu mindern. Reicht dieser
6
Zu dem Problem der Interpretation des goodwill bei Unternehmensübernahmen, die sich durch eine asymmetrische Verhandlungsmacht der Transaktionspartner auszeichnen, vgl. Simons/Ebert 2008.
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
681
nicht aus, um den kompletten Wertminderungsbedarf aufzunehmen, werden ggf. die weiteren Vermögenswerte abgeschrieben (IAS 36.104 f.; vgl. hierzu Hahn 2007, S. 408 ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 11, Rn. 190 ff.). Eine Wertaufholung kommt analog zu den handelsrechtlichen Normen (§ 253 Abs. 5 HGB) bei einem Geschäfts- oder Firmenwert nicht in Betracht (IAS 36.124). Die Wertberichtigung ist für den Mehrheitenanteil ergebniswirksam. Wird der full goodwill-Ansatz angewendet, so geht die Abschreibung des Minderheitenanteils am goodwill zulasten der nichtbeherrschenden Anteile in der Konzernbilanz. Der impairment only approach birgt allerdings die Gefahr der schleichenden Substitution des erworbenen goodwills durch originären goodwill (vgl. Küting/Pfitzer/Weber 2013, S. 212 f.), sodass es im Zeitablauf faktisch zu einem Ansatz originären goodwills in der Konzernbilanz kommt. Damit sind die Vorschriften in IFRS 3 und IAS 38 inkonsistent. Für die bilanzierenden Unternehmen ist dieses praktische Problem jedoch in vielfacher Hinsicht interessant, da ihnen Ermessensspielräume eingeräumt werden (s. Kap. III.3.2.6.1). Aufgrund dieser Ermessenspielräume ist die Folgebewertung des goodwill nach IFRS zunehmend in die Kritik geraten (vgl. IDW 2012; Albersmann/Quick/Walle 2017, S. 32 ff.; Velte/ Lazar 2017, S. 59 ff.). In Deutschland wird in diesem Zusammenhang vor allem auf die Wesentlichkeit des Postens innerhalb der Bilanz der Unternehmen verwiesen (vgl. Schwarz/Radde 2015, S. 589). Eine mögliche Abwertung des goodwill könnte dabei gravierende Konsequenzen für die Unternehmen haben (vgl. Gundel/Möhlmann-Mahlau/Sündermann 2014, S. 130; Kümpel/Klopper 2014, S. 177 ff.). Zusätzlich führen Kritiker des aktuell praktizierten impairment only approach an, dass potenzielle Wertminderungen des goodwill zu spät, d. h. lange nach Eintritt des für die Abschreibung verantwortlichen Sachverhalts, verbucht würden (vgl. Müller/Reinke 2020, S. 281). Infolgedessen erwog das IASB eine Rückkehr zu einer planmäßigen Abschreibung des goodwill in Verbindung mit einem regelmäßigen Werthaltigkeitstest (vgl. Schürmann 2015). Dennoch wies das IASB eine Rückkehr zu einer planmäßigen Abschreibung des goodwill nach eingehender Analyse in einem aktuellen Diskussionspapier zurück (IASB 2020, S. 6 f.). Demnach stehe ein möglicher Nutzen der Wiedereinführung planmäßiger Abschreibungen nicht im Verhältnis zu den hiermit verbundenen Kosten (IASB 2020, S. 15 f.). Insgesamt sieht das IASB zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte, dass ein impairment only approach strukturelle Informationsdefizite kreiere und durch ein effizienteres Abschreibungsverfahren ersetzt werden könne (IASB 2020, S. 6 f.). In einem HGB-Konzernabschluss dagegen ist der goodwill nicht nur außerplanmäßig, sondern grundsätzlich auch planmäßig über die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreiben (§ 309 Abs. 1 HGB i. V. m. § 253 Abs. 3 HGB). Das Problem der schleichenden goodwill-Substitution ist dabei zwar geringer, die Bestimmung der Nutzungsdauer aber bleibt in hohem Maße ermessensbehaftet (vgl. Störk/Hoffmann 2020, § 309 HGB, Rn. 10-12). Die Fortführung des Beispiels verdeutlicht die Vorgehensweise bei der Folgekonsolidierung. Beispiel Folgekonsolidierung Zum 31.12.t2 muss die Eisen AG wiederum einen Konzernabschluss erstellen, der einerseits den Erwerbsvorgang vom 10.10.t1 richtig abbildet (Wiederholung der Erstkonsolidierung) und andererseits Veränderungen der aufgedeckten stillen Reserven und Lasten berücksichtigt (Folgekonsolidierung). Im Jahr t2 sind folgende Umstände eingetreten, die die aufgedeckten stillen Reserven und Lasten der Nickel GmbH betreffen und im Rahmen der Folgekonsolidierung berücksichtigt werden müssen:
682
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
y
y
Auf einer bedeutenden Industriemesse hat ein Konkurrent der Nickel GmbH seinerseits Fortschritte bei der Entwicklung neuer Abbauverfahren präsentiert. Die dort präsentierten Daten lassen erwarten, dass die Kostenführerschaft früher als erwartet wieder verloren gehen könnte. Der Kapitalwert der erwarteten Nettokostenvorteile beträgt damit nur noch 2,89 Mio. €. Das Urteil über die Schließung einer Zeche wurde im Berufungsverfahren tatsachenbezogen aufgehoben. Der Naturschutzverein verzichtet auf weitere juristische Mittel.
Beide Informationen beziehen sich auf Bilanzpositionen, die im Einzelabschluss und der IFRS HB IIBilanz nicht ansatzfähig waren. Damit sind auch die Wertänderungen in der IFRS HB II-Bilanz nicht enthalten und müssen vollumfänglich in der Konzernbilanz erfasst werden. Zusätzlich muss den anderen Gesellschaftern auch ihr Anteil am erwirtschafteten Jahresüberschuss in t2 zugerechnet werden. Ein Werthaltigkeitstest des bilanzierten goodwills ergibt keinen Abwertungsbedarf. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass das in t1 erwirtschaftete Jahresergebnis der Eisen AG und der Nickel AG thesauriert wurde, d. h. dieses Ergebnis ist in t2 nunmehr Bestandteil der Rücklagen (HB II-Ebene). Die vollständige Kapitalkonsolidierung in t2 umfasst damit folgende Buchungen: purchased goodwill-Ansatz 31.12.t2 in T€
Immaterielle Vermögenswerte
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB II
5.000
IFRS HB III 3.275
Summenbilanz
Haben
7.890
3.0001
5.700
1
8.700
Finanzanlagen 315.000
Vorräte
70.000
Forderungen
27.000
Konzernbilanz
3854
261
261
Sachanlagen
Liquide Mittel
Soll
8.275
Geschäftswert Beteiligungen
Kapitalkonsolidierung
8.700 350
350
350
350
1.700
1.770
316.770
316.770
900
900
70.900
70.900
1.100
1.100
28.100
28.100
2.500
600
600
3.100
3.100
428.200
4.650
7.995
436.195
433.071
Gezeichnetes Kapital
30.000
300
300
30.300
1651 1352
30.000
Rücklagen
90.000
1.200
1.200
91.200
649 5312 93
1
90.011
800
70
70
870
3604
Aktiva
Jahresergebnis Neubewertungsdifferenz
3.500
3.500
640,5
2.2412 93
2.119,5
1
1.925 1.5752 130,55
nicht-beherrschende Anteile
130,55
Rückstellungen
120.000
1.880
1.700
121.700
sonst. Schulden
187.400
1.200
1.225
188.625
254
121.700
Passiva
428.200
4.650
7.995
436.195
5.765,5
188.600 5.765,5
433.071
Die Buchungen 1 bis 3 holen die Buchungen der Erstkonsolidierung nach (vgl. hierzu s. Kap. IV.5.3.1.6). Durch diese Nebenrechnung (als Bestandteil einer Konzernbuchführung) wird die Wertansatzidentität auf Konzernebene hergestellt. Wichtig ist, dass die in t1 durchgeführte
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
683
Konsolidierung in Bezug auf das Jahresergebnis nunmehr gegen die Rücklagen vorzunehmen ist, da das in t1 erwirtschaftete Jahresergebnis annahmegemäß in die Rücklagen eingestellt wurde. Dadurch werden in Buchung 1 insgesamt 649 T€ (616 T€ + 33 T€) aus den Rücklagen der Nickel GmbH verrechnet. In Buchung 2 werden entsprechend 531 T€ (504 T€ + 27 T€) verrechnet. Zusätzlich wird den nichtbeherrschenden Anteilen in Buchung 3 der anteilige Gewinn aus der Konzernzugehörigkeit in t1 verrechnet, der in t2 annahmegemäß ebenfalls in die Rücklagen eingestellt wurde. Buchung 4 berücksichtigt die Auflösung der bedingten Verbindlichkeit von 25 T€, sowie die Abschreibung des als immateriellen Vermögenswert angesetzten Abbauverfahrens auf den beizulegenden Zeitwert (3,275 Mio. € – 2,89 Mio. € = 385 T€). Daraus ergibt sich eine Ergebnisbelastung von 360 T€. Da einzelbilanziell in t2 ein Gewinn von 70 T€ erwirtschaftet wurde, beträgt der Verlust der Nickel GmbH in t2 aus Konzernsicht insgesamt 290 T€. Davon sind 45 % den nichtbeherrschenden Anteilen zuzurechnen. Dies erfolgt durch Buchung 5 (290 T€ × 45 % = 130,5 T€). Sieht man zunächst von einer eventuell notwendigen Schuldenkonsolidierung oder Zwischenergebniseliminierung ab, so ergibt sich die vorläufige Konzernbilanz der Eisen AG zum 31.12.t2 bei Anwendung des purchased goodwill-Ansatzes wie in der letzten Spalte dargestellt. Bei Anwendung des full goodwill-Ansatzes ergäben sich im vorliegenden Beispiel keine Unterschiede in den Buchungen zur Folgekonsolidierung, sodass die Herleitung der entsprechenden vorläufigen Konzernbilanz dem Leser überlassen wird. Wäre die Eisen AG im vorliegenden Beispiel zur Aufstellung eines HGB-Konzernabschlusses verpflichtet, so bestünde der wesentliche Unterschied darin, dass der aktivierte goodwill aus dem Erwerb der Nickel GmbH planmäßig über die voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden müsste.
5.3.1.8 Konsolidierungen bei Veränderung der Anteilsquote Verändert sich im Laufe der Konzernzugehörigkeit eines Tochterunternehmens die Beteiligungsquote, z. B. durch Zu- oder Verkauf von Anteilen, so hat diese Veränderung unter Umständen Auswirkungen auf die Kapitalkonsolidierung. Zu unterscheiden sind insbesondere zwei Fälle: y Anteilsveränderungen ohne Statusänderung, d. h. die Aufstockung einer Mehrheitsbeteiligung oder deren Verringerung, ohne dass die Mehrheit verloren geht. y Anteilsveränderungen mit Statusänderung, d. h. der Verlust der Kontrolle durch Anteilsveräußerung oder Kontrollerlangung durch Anteilszukauf. Eine Anteilsveränderung ohne Statusänderung wird nach IFRS 10.23 und IFRS 10.B96 als reine Eigenkapitaltransaktionen abgebildet. Es handelt sich in solchen Fällen also nicht um einen Erwerbsvorgang im Sinne des IFRS 3, sondern um eine Verschiebung von Anteilen zwischen Eigentümern. Im Fall einer Anteilserhöhung kauft der Konzern den anderen Gesellschaftern mithin weitere Anteile ab. Eine eventuelle Differenz zwischen dem für die zusätzlichen Anteile entrichteten Kaufpreis und dem Buchwert der erworbenen Anteile wird ergebnisneutral in den Rücklagen erfasst (vgl. Ebert/Simons 2009, für ein ausführliches Beispiel). Ein Ausweis der Differenz als goodwill kommt nicht in Frage, da dieser einen Erwerbsvorgang im Sinne des IFRS 3 suggerieren würde, d. h. den Erwerb einer beherrschenden Position. Da diese bereits vorher gegeben war, verbietet sich ein zusätzlicher goodwill-Ausweis. Eine Sonderform der Anteilserhöhung ohne Statusänderung bildet der sog. squeezeout, bei dem ein Mehrheitsgesellschafter nach § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG ab einer Beteiligungsschwelle von 95 % berechtigt ist, die Übertragung der übrigen stimmberechtigen Aktien zu erzwingen. Die Bestimmung einer hierzu im Gesetz geforderten angemessenen Abfindung zum aktuellen Börsenkurs wird kontrovers diskutiert (vgl. Rapp 2020; Rapp/Follert/Maas 2020; Schwetzler 2020).
684
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Folgende Variationen des oben eingeführten Beispiels zeigen die grundsätzliche Vorgehensweise für den purchased goodwill-Ansatz: Beispiel Anteilserhöhung ohne Statusänderung In Erweiterung des obigen Beispiels zur Folgekonsolidierung sei zusätzlich angenommen, dass die Eisen AG zum 31.12.t2 den nichtbeherrschenden Gesellschaftern weitere 40 % der Nickel-Anteile zu einem Preis von 1.900 T€ abkauft und ihre Beteiligung so auf 95 % aufstockt. Da sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändert, bleibt davon sowohl die Wiederholung der Erstkonsolidierung als auch die Folgekonsolidierung für t2 unbeeinflusst. Die Veränderung des Anteilsbesitzes spiegelt sich lediglich in einer zusätzlichen Buchung wider, die den einzelbilanziell neu hinzugekommenen Beteiligungsbuchwert von 1.900 T€ mit den nichtbeherrschenden Anteilen verrechnet. purchased goodwill- Eisen AG IFRS Ansatz HB II (Anteilserhöhung) 31.12.t2 in T€ Immaterielle Vermögenswerte
Nickel GmbH IFRS HB II
5.000
IFRS HB III 3.275
Summenbilanz
10.600
Finanzanlagen 315.000
Vorräte
70.000
Forderungen
27.000
Konzernbilanz
Haben 3854
7.890
2611
Sachanlagen
Liquide Mittel
Soll
8.275
Geschäftswert Beteiligungen
Kapitalkonsolidierung
261 1
10.600
3.000 1.9006
5.700
350
350
350
350
1.700
1.770
316.770
316.770
900
900
70.900
70.900
1.100
1.100
28.100
28.100
600
600
600
1.200
1.200
428.200
4.650
7.995
436.195
431.171
Gezeichnetes Kapital
30.000
300
300
30.300
165 1352
1
30.000
Rücklagen
90.000
1.200
1.200
91.200
6491 5312 93 166
89.995
800
70
70
870
360
Aktiva
Jahresergebnis Neubewertungsdifferenz
3.500
3.500
120.000
1.880
1.700
130,55
640,5
2.2412 93
235,5
1
1.925 1.5752 130,55 1.8846
nicht-beherrschende Anteile Rückstellungen
4
121.700
121.700 4
sonst. Schulden
187.400
1.200
1.225
188.625
25
Passiva
428.200
4.650
7.995
436.195
5.765,5
188.600 5.765,5
431.171
Einzelbilanziell weist die Eisen AG durch den Anteilszukauf einen um 1.900 T€ höheren Beteiligungsbuchwert und einen entsprechend verminderten Bestand an liquiden Mitteln aus. Buchung 6 bildet den Anteilserwerb ab. Die nicht-beherrschenden Anteilseigner geben 8/9 ihrer Anteile ab (40 % der Gesamtanteile). Deren Buchwert beträgt 8/9 × 2.119,5 T€ = 1.884 T€. Dafür zahlt die Eisen AG einen Betrag von 1.900 €. Die Differenz von 16 T€ wird gegen die Konzernrücklagen gebucht.
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
685
Bei den Anteilsveränderungen mit Statusänderung wurde auf den sukzessiven Anteilserwerb, also den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung in mehreren Schritten, bereits eingegangen. Beim gegenteiligen Fall, dem Verlust der Kontrolle durch Anteilsveräußerung, ist eine sog. Entkonsolidierung vorzunehmen. Diese ist notwendig, um den kompletten Veräußerungserfolg zu bestimmen. Dieser ergibt sich nämlich nur zum Teil aus dem einzelbilanziell erfassten Veräußerungserfolg. Dort wird lediglich die Differenz zwischen dem Buchwert der veräußerten Anteile und der erhaltenen Gegenleistung ergebniswirksam erfasst. Wie die Ausführungen zur Kapitalkonsolidierung gezeigt haben, erfasst der Beteiligungsbuchwert aber nicht sämtliche Wertkomponenten der Beteiligung, insbesondere keine stillen Reserven oder kumulierten Eigenkapitalveränderungen während der Konzernzugehörigkeit. Ob die Anteile mit Gewinn oder Verlust veräußert wurden, kann letztlich nur eine Gegenüberstellung der veräußerten Zeitwerte mit der erhaltenen Gegenleistung zeigen. Dies wird durch die Entkonsolidierung ermöglicht. Dabei werden in der Konzernbilanz die anteiligen Vermögensposten und Schulden des zu entkonsolidierenden Tochterunternehmens mit dem auszubuchenden Beteiligungsbuchwert verrechnet. Die dabei verbleibende Differenz wird als Entkonsolidierungserfolg bezeichnet. Sie ergibt in Summe mit dem einzelbilanziellen Veräußerungserfolg den Gesamtveräußerungserfolg. Folgende Variation des oben eingeführten Beispiels zur Folgekonsolidierung verdeutlicht die grundsätzliche Vorgehensweise der Entkonsolidierung für den purchased goodwillAnsatz: Beispiel Entkonsolidierung In Erweiterung des obigen Beispiels zur Folgekonsolidierung sei zusätzlich angenommen, dass sich die Eisen AG zum 31.12.t2 von ihrer Beteiligung an der Nickel GmbH trennt. Für den Verkauf ihrer Anteile erhält sie 3.200 T€, d. h., dass sie im Einzelabschluss einen Veräußerungsgewinn von 200 T€ verbucht. Im Konzernabschluss muss die Nickel GmbH entkonsolidiert werden. Dazu werden zunächst sämtliche Buchungen zur Wiederholung der Erstkonsolidierung (Buchungen 1, 2, 3) und zur Folgekonsolidierung (Buchungen 4 und 5) unverändert vorgenommen, um die Wertverhältnisse im Konzern zum Veräußerungszeitpunkt korrekt abzubilden. Danach werden die der Nickel GmbH zugehörigen Vermögens- und Verbindlichkeitsposten gegen die Beteiligung bzw. die nichtbeherrschenden Anteile ausgebucht. purchased goodwillAnsatz (Entkonsolidierung) 31.12.t2 in T€
Eisen AG IFRS HB II
Immaterielle Vermögenswerte
5.000
Nickel GmbH IFRS HB II
IFRS HB III 3.275
Summenbilanz
Soll
Haben 3854 1.589,56 1.300,57
8.275
2611
Geschäftswert Beteiligungen
Kapitalkonsolidierung
5.700
Finanzanlagen
5.700
3.000
Konzernbilanz
5.000
2616 6
3.0001
5.700
6
350
350
350
192,5 157,57
Sachanlagen
315.000
1.700
1.770
316.770
973,56 796,57
Vorräte
70.000
900
900
70.900
495 4057
6
315.000 70.000
686
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
purchased goodwillAnsatz (Entkonsolidierung) 31.12.t2 in T€
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB II
IFRS HB III
Summenbilanz
Kapitalkonsolidierung Soll
Haben
Forderungen
27.000
1.100
1.100
28.100
6056 4957
Liquide Mittel
5.700
600
600
6.100
330 7 270
428.400
4.650
7.995
436.395
Aktiva
Konzernbilanz
27.000
6
5.500 428.200
1
Gezeichnetes Kapital
30.000
300
300
30.300
165 1352
30.000
Rücklagen
90.000
1.200
1.200
91.200
649 5312 93
1
90.011
Jahresergebnis
1.000
70
70
1.070
3604
3.500
3.500
1.925 2 1.575
Neubewertungsdifferenz
5
130,5 148,56 1
130,55 2.119,57
nichtbeherrschende Anteile
989
Rückstellungen
120.000
1.880
1.700
121.700
9356 7657
sonst. Schulden
187.400
1.200
1.225
188.625
25 6 660 5407
Passiva
428.400
4.650
7.995
436.395
13.785
2.2412 93 120.000
4
187.400
13.785
428.400
Buchung 6 zeigt, dass die der Eisen AG zuzurechnenden anteiligen Vermögens- und Schuldposten der Nickel GmbH, inklusive goodwill, einen um 148,5 T€ geringeren Wert als der zugehörige Beteiligungsansatz hatten. Demnach ist der tatsächliche Veräußerungsgewinn höher als es der Einzelabschluss der Eisen AG suggeriert. Tatsächlich hat die Eisen AG Nettovermögen im Wert von 2.851,5 T€ (Summe der anteiligen Vermögens- und Schuldposten der Nickel GmbH) zum Preis von 3.200 T€ veräußert. Der Gesamtveräußerungsgewinn ergibt sich folglich als Summe aus dem einzelbilanziellen Veräußerungsgewinn (200 T€) und dem in Buchungssatz 6 als Residualgröße erfassten Entkonsolidierungserfolg (148,5 T€), d. h. der Konzerngesamtveräußerungsgewinn beträgt demnach 348,5 T€. Buchung 7 eliminiert lediglich die nichtbeherrschenden Anteile an der Nickel GmbH aus dem Konzernabschluss. Bei Anwendung des full goodwill-Ansatzes müsste Buchung 7 auch der Minderheitenanteil am goodwill berücksichtigen.
Weitere ausführliche Beschreibungen und Beispiele zur Bilanzierung von Anteilsveränderungen nach den purchased und full goodwill-Ansätzen finden sich beispielsweise in Baetge/ Kirsch/Thiele 2021c, S. 461 ff. oder Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 31, Rn. 168 ff.
5.3.2 Schuldenkonsolidierung Die Kapitalkonsolidierung dient der Eliminierung konzerninterner Eigenkapitalverflechtungen. Daneben können zwischen Konzernunternehmen aber auch schuldrechtliche Beziehungen bestehen. Dazu gehören beispielsweise Verbindlichkeiten und Forderungen aus
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
687
Lieferungen und Leistungen oder langfristige Darlehn zwischen Mutter- und Tochterunternehmen.7 Da der Konzernabschluss unter der Fiktion der wirtschaftlichen Einheit erstellt wird, sind solche Fremdkapitalbeziehungen als »unternehmensinterne« Schuldverhältnisse zu betrachten und folglich aus dem Abschluss zu eliminieren (IFRS 10.B86c und § 303 HGB). Bei der Vorgehensweise gibt es keine systematischen Unterschiede zwischen den IFRS- und den HGB-Vorschriften. Durch die Eliminierung innerkonzernlicher Schuldbeziehungen wird vor allem die Vermögenslage des Konzerns besser dargestellt. Die Schuldenkonsolidierung berührt ausschließlich die Konzernbilanz. Etwaige Ergebniswirkungen sind gegen den Bilanzposten Konzernergebnis zu buchen; in diesem Fall sind auch Korrekturen in der Gewinn- und Verlustrechnung durchzuführen (diese müssen naturgemäß saldiert der Korrektur des Konzernbilanzergebnisses im Rahmen der Schuldenkonsolidierung entsprechen), die allerdings Gegenstand der Aufwands- und Ertragskonsolidierung sind. Bei vollkonsolidierten Konzernunternehmen erfolgt die gegenseitige Aufrechnung der zu konsolidierenden Positionen jeweils zu 100 %, unabhängig von der tatsächlichen Beteiligungsquote (vgl. Baetge/Hayn/ Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 257). Diese als Schuldenkonsolidierung bezeichnete Aufrechnung ist immer dann unproblematisch, wenn sich die Aktiv- und Passivposten der in einer Schuldbeziehung stehenden Konzerngesellschaften wertmäßig entsprechen. Die Konsolidierung ist dann ergebnisneutral und die einfache Aufrechnung der sich wertgleich gegenüberstehenden Posten führt lediglich zu einer Bilanzverkürzung. Weitaus häufiger jedoch entsprechen sich die bilanzierten Aktiv- und Passivpositionen wertmäßig nicht. Ein wesentlicher Grund dafür sind Ansatz- und Bewertungswahlrechte (s. Kap. II.4.4.6; II.5.3.5; II.5.3.6), die auch in den HB II für Forderungen und Verbindlichkeiten unterschiedlich ausgeübt werden können. Des Weiteren sehen sowohl IFRS als auch HGB eine imparitätische Bewertung von Schulden und Vermögensposten vor (vgl. Pellens et al. 2021, S. 857), wenn auch in unterschiedlich starkem Maß. Dadurch kommt es bei der Schuldenkonsolidierung zu Aufrechnungsdifferenzen. Genau wie die eigentliche Schuldbeziehung müssen auch diese Aufrechnungsdifferenzen aus dem Konzernabschluss eliminiert werden, um der Einheitsfiktion gerecht zu werden. Zu unterscheiden sind unechte und echte Aufrechnungsdifferenzen. Unechte Aufrechnungsdifferenzen können sein: buchungstechnische Unzulänglichkeiten (falsche Buchungen) oder zeitliche Differenzen bei der Verarbeitung des Sachverhaltes. Diese Differenzen sind bereits im Zuge der konsolidierungsvorbereitenden Maßnahmen (HB II-Erstellung) zu korrigieren. Hat das M beispielsweise eine Verbindlichkeit gegenüber dem T kurz vor dem Bilanzstichtag bereits beglichen, ist die Gutschrift auf dem Konto des T aber noch nicht erfolgt, so zeigt das T noch eine Forderung gegen ein verbundenes Unternehmen. Im Zuge der Schuldenkonsolidierung ist dann diese Forderung ergebnisneutral in den Aktivposten Bankguthaben umzubuchen, da aus Konzernsicht dem Grunde nach am Bilanzstichtag ein Bankguthaben besteht. Dagegen ergeben sich echte Aufrechnungsdifferenzen immer dann, wenn sich die Wertansätze der zu konsolidierenden Forderungen und Verbindlichkeiten aufgrund von abweichenden Ansatz- und Bewertungsvorschriften in unterschiedlicher Höhe gegenüberstehen
7
Für eine ausführliche Auflistung zu berücksichtigender Bilanzpositionen siehe v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 260 ff.; Küting/Weber 2018, S. 501 ff.
688
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
und wenn sich diese auch bei Anwendung konzerneinheitlicher Bilanzierungsvorschriften (HB II-Erstellung) nicht vermeiden lassen. Beispiele hierfür sind: y Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, Gewährleistungen oder Drohverluste gegenüber einem anderen Konzernunternehmen. Sie führen nicht zu einem entsprechenden Aktivposten bei diesem Unternehmen, sodass der Rückstellung in der Summenbilanz kein Aktivposten gegenübersteht. Die Aufrechnungsdifferenz umfasst die gesamte Rückstellungssumme. y Darlehn, die mit einem Auszahlungsabschlag gewährt werden (Disagio), können von Gläubiger und Schuldner in unterschiedlicher Höhe bilanziert werden, je nachdem wie das Disagio bilanziell behandelt wird (§ 250 Abs. 2 und 3 HGB). Eine Aufrechnungsdifferenz würde dann aus der unterschiedlichen Behandlung des Disagios resultieren. y Forderungen gegenüber einem anderen Konzernunternehmen können wertgemindert sein, z. B. durch Einzelwertberichtigungen. Der zum Rückzahlungsbetrag anzusetzenden Verbindlichkeit des einen Konzernunternehmens steht dann eine wertberichtigte Forderung der anderen Konzerngesellschaft gegenüber. Die Korrektur echter Aufrechnungsdifferenzen erfolgt gegen das Eigenkapital des Konzerns. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Ursache der Aufrechnungsdifferenz im Berichtsjahr ergebniswirksam war oder nicht. Handelt es sich um eine ergebniswirksame Differenz, erfolgt die Korrektur im Entstehungsjahr immer gegen das Jahresergebnis (bilanziell). Die korrespondierende Korrektur der Aufwands- und Ertragsposten erfolgt im Rahmen der Aufwands- und Ertragskonsolidierung. War die Aufrechnungsdifferenz im Berichtsjahr nicht ergebniswirksam, z. B. weil sie durch eine direkt im Eigenkapital erfasste Neubewertung einer finanziellen Forderung entstanden ist (s. Kap. III.3.4), erfolgt die Korrektur ergebnisneutral gegen die entsprechende Eigenkapitalposition. Damit soll der Konzern, der Einheitsfiktion folgend, insgesamt so dargestellt werden, als wäre diese konzerninterne Schuldbeziehung nie bilanzwirksam geworden. Ein Beispiel verdeutlicht das Vorgehen: Beispiel Schuldenkonsolidierung Am 31.12.t2 ist die Nickel GmbH bereits seit über einem Jahr Bestandteil des Eisen-Konzerns. In dieser Zeit ist die Eisen AG zu einem der wichtigsten Abnehmer der Nickel GmbH geworden. Im Zuge der Konzernbilanzerstellung für t2 fallen die folgenden Sachverhalte auf: (1) Eine Lieferung Nickelerz an die Eisen AG zur Herstellung korrosionsbeständiger Nickel-EisenLegierungen erfolgte am 23.12.t2 mit Zahlungsziel 23.1.t3. Die Eisen AG schöpft das Zahlungsziel vollständig aus. Der zu zahlende Betrag lautet auf 75 T€. (2) Neben unverarbeitetem Nickelerz lieferte die Nickel GmbH auch bereits verhüttetes hochreines Nickel im Wert von 2 Mio. € an die Eisen AG. Da die Verhüttung sehr schwierig zu steuern ist, kalkuliert die Nickel GmbH mit etwa 1 % Beanstandungen wegen Verunreinigungen und passiviert eine entsprechende Rückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen. (3) Ein unverzinsliches Darlehn der Eisen AG an die Nickel GmbH vom 1.1.t2 über 1.800 T€ wurde für die Dauer von 3 Jahren gewährt und mit einem Abschlag von 1 % ausgezahlt. Sowohl die Eisen AG als auch die Nickel GmbH bilanzieren das Darlehn gem. IFRS 9 per Effektivzinsmethode. Der Effektivzinssatz ist 0,336 %. Damit beträgt der Bilanzansatz am 31.12.t2 jeweils 1.787,99 T€.
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
689
Diese drei Geschäftsvorfälle haben sich folgendermaßen auf die Einzelabschlüsse der Eisen AG und Nickel GmbH zum 31.12.t2 ausgewirkt: Eisen AG
Nickel GmbH
Aufrechnungsdifferenz
(1)
Verbindlichkeit: 75 T€
Forderung: 75 T€
(2)
–
Rückstellung: 20 T€
0
(3)
Forderung: 1.787,99 T€
Verbindlichkeit: 1.787,99 T€
20 T€ 0
Betrachtet man den Eisen-Konzern als fiktive rechtliche Einheit, stellen alle drei Sachverhalte Innenbeziehungen dar, die nicht bilanziell erfasst werden dürfen. Die Buchungen zur Schuldenkonsolidierung am 31.12.t2 lauten: Schuldenkonsolidierung 31.12.t2 in T€
Eisen AG IFRS HB II
Forderungen aus LuL gegen verbundene Unternehmen. sonstige Forderungen gegen verbundene Unternehmen
Nickel GmbH IFRS HB II 75
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
75
1.787,99
1.787,99
75
75
Konzernbilanz
75 1
0
3
0
1.787,99
… … … Verbindlichkeiten aus LuL gegen verbundene Unternehmen sonstige Verbindlichkeiten gegen verbundene Unternehmen Rückstellungen Jahresergebnis (bilanziell)
1.787,99 20
75 1
0
3
0
1.787,99 1.787,99 20
20
2
0 202
20
… … … Die Buchungen 1 und 3 sind ergebnisneutral, da die entsprechenden Positionen in den IFRS HB II keine Differenzen aufweisen. Buchung 2 ist ergebniswirksam, da der volle Rückstellungsbetrag als Aufrechnungsdifferenz verbleibt. Allerdings wird im Rahmen der Schuldenkonsolidierung nur gegen das bilanzielle Jahresergebnis gebucht; die entsprechenden Korrekturen der GuV werden im Rahmen der Aufwands- und Ertragskonsolidierung vollzogen (s. Kap. IV.5.3.4). Dies ist notwendig, weil das bilanzielle Konzernergebnis nicht aus der Konzern-GuV übernommen wird, sondern die beiden Ergebnisgrößen (in der Konzernbilanz und der Konzern-GuV) durch Korrektur der Ergebnisgrößen in der Summenbilanz ermittelt werden. Weiterhin ist die Veränderung des Jahresergebnisses noch den Minderheitsgesellschaftern anteilig zuzuweisen. Hier wäre also noch eine Korrekturbuchung notwendig, die den Minderheiten 45 % der Ergebnisveränderung zuweist, das sind 9.000 €. Variante: In einer HGB-Konzernbilanz würde Geschäftsvorfall 3 in den Einzelabschlüssen anders bilanziert. Die Forderung der Eisen AG bliebe zu Anschaffungskosten von 1.782 T€ bilanziert. Verbindlichkeiten sind nach HGB zum Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Das Disagio wäre dementsprechend zu aktivieren. Die Nickel GmbH würde am 31.12.t2 folglich eine Verbindlichkeit von
690
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
1.800 T€ sowie einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) von 12 T€ ausweisen. Daraus ergäbe sich eine Aufrechnungsdifferenz von 6 T€, die in Buchungssatz 3 folgendermaßen zu korrigieren ist: (3) Sonst. Verbindlichkeiten gegen verb. Unternehmen
1.800
an
Sonst. Forderungen gegen verb. Unternehmen ARAP Jahresergebnis (bilanziell)
1.782 12 6
Die ergebniswirksame Korrektur der Aufrechnungsdifferenzen stellt sicher, dass nicht nur der Bilanzansatz von Forderungen und Schulden dem Einheitsgrundsatz folgt, sondern auch der Konzernjahresüberschuss. Da der Konzernabschluss in jedem Jahr erneut aus den zu konsolidierenden Einzelabschlüssen erstellt wird (fehlende Konzernbilanzidentität), ist auch bei unverändert bleibenden konzerninternen Schuldverhältnissen im Folgejahr erneut eine Schuldenkonsolidierung vorzunehmen. Eine Aufrechnungsdifferenz darf jedoch nur in der Periode, in der diese entstanden ist, das Jahresergebnis beeinflussen. Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass derselbe Betrag nicht in jeder Periode das Konzernergebnis beeinflusst. Demnach muss eine im Entstehungsjahr das Jahresergebnis beeinflussende Differenz in den Folgejahren so verrechnet werden, dass das Jahresergebnis nicht beeinflusst wird. Die Korrektur erfolgt i. d. R. gegen den Ergebnisvortrag, die Gewinnrücklagen oder einen Sonderposten als separaten Bestandteil der Gewinnrücklagen, etwa unter der Bezeichnung »Aufrechnungsdifferenz aus der Schuldenkonsolidierung nach dem Stand am Ende des Vorjahres«. Letztere Vorgehensweise dürfte der Aussagefähigkeit des Konzernabschlusses am besten entsprechen, da diese Position für einen Bilanzleser eindeutig erkennbar ist. Die Einfügung eines solchen Postens entspricht IAS 1.55 sowie § 298 Abs. 1 HGB i. V. m. § 266 Abs. 3 HGB. Auf die Schuldenkonsolidierung kann verzichtet werden, wenn diese von untergeordneter Bedeutung ist (IASB F.2.11, IAS 8.8; § 303 Abs. 2 HGB); insofern greift auch hier der Grundsatz der Wesentlichkeit. Diskussionsfrage IV.5.–2 Diskutieren Sie die Behandlung der Differenzen in den Folgejahren alternativ zu der zuvor vorgeschlagenen Verrechnung in einem Sonderposten auch im Jahresergebnis, den Kapitalrücklagen oder den Gewinnrücklagen. Berücksichtigen Sie hierbei die in IAS 8.7 ff. dargestellte Problemlösungsmethodik (s. Kap. II.6.1). Welcher Posten ist nach Ihrer Ansicht vorzuziehen?
5.3.3 Zwischenergebniseliminierung Einer der Gründe für die Bildung von Konzernen ist die Internalisierung von Leistungsbeziehungen, wenn die hierarchische Organisation solcher Beziehungen ökonomische Vorteile gegenüber Markttransaktionen hat. Beispielsweise könnte die Abstimmung zeitlich eng verzahnter Produktionsprozesse innerhalb eines Konzerns leichter und mit weniger Unsicherheiten verbunden sein als zwischen unabhängigen Marktteilnehmern (vgl. Schildbach/Feldhoff 2018, S. 7 ff.). In solchen Strukturen werden vielfältige Dienstleistungen und Produkte zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften gehandelt. Für die einzelnen, rechtlich selbstständigen Konzernunternehmen besteht einzelbilanziell kein Unterschied zwischen Umsätzen, die sie mit Konzernfremden, und solchen, die sie mit verbundenen Unternehmen machen. Dadurch enthalten die verbuchten Umsätze für konzernintern gelieferte Waren Gewinnaufschläge, ebenso wie die bilanzierten Anschaffungskosten des belieferten Unternehmens.
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
691
Aus Konzernsicht (Einheitsfiktion) sind Umsätze zwischen konsolidierten Konzerngesellschaften aber als innerbetriebliche Lieferungen oder Leistungen anzusehen, die nicht dem Realisationsprinzip genügen (s. Kap. II.4.4.5.1), zumindest solange die gelieferten Vermögensgegenstände am Abschlussstichtag noch bei einem Konzernunternehmen lagern. Demnach verschiebt sich der Realisationszeitpunkt aus Konzernsicht so weit nach hinten, bis konzernintern gelieferte Güter oder Leistungen an konzernfremde Dritte veräußert werden. Für die Aktivierung von Vermögenswerten gilt sowohl nach IFRS als auch nach HGB, dass diese im Zugangszeitpunkt höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) bewertet werden dürfen (IAS 2.11; IAS 16.15; § 255 Abs. 2 HGB). Damit sind für die Aktivierung von Vermögenswerten im Konzernabschluss die Konzernherstellungskosten (KHK) bzw. Konzernanschaffungskosten (KAK) relevant. Bei Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen können die KHK bzw. KAK von den bilanzierten AHK in den HB II abweichen. Dies ist z. B. bei Gütern der Fall, die von einem Konzernunternehmen hergestellt und mit Gewinn an ein anderes Konzernunternehmen veräußert wurden. Das belieferte Unternehmen hat diese Güter vorschriftsmäßig mit seinen Anschaffungskosten, also inklusive des Gewinnaufschlags, aktiviert. Sind diese Güter zum Konzernbilanzstichtag noch auf Lager, so sind sie folglich aus Konzernsicht mindestens um den Gewinnaufschlag zu hoch bewertet. Stellt man sich den Konzern als fiktive rechtliche Einheit vor, so dürfen diese halbfertigen Erzeugnisse im Konzernabschluss nur mit den konzernweit angefallenen Herstellungskosten bewertet werden. Gewinne oder Verluste, die zwischen Konzernunternehmen entstanden und einzelbilanziell die Anschaffungskosten beeinflusst haben, sog. Zwischenergebnisse, sind gem. IFRS 10.B86c aus dem Konzernabschluss voll zu eliminieren (Baetge/ Hayn/Ströher 2021, IFRS 10, Rn. 281). Für HGB-Konzernabschlüsse folgt Entsprechendes aus § 304 Abs. 1 HGB (vgl. Störk/Schellhorn 2020, § 304 HGB, Rn. 1). Obwohl eine Eliminierung von konzerninternen Schuldübertragungen im Gegensatz zu konzerninternen Lieferungen und Leistungen nicht explizit im Gesetz aufgeführt ist, ist diese unter Rückgriff auf die Einheitstheorie zu rechtfertigen (vgl. Kucher 2020). Die Vorgehensweise unterscheidet sich dabei zwischen IFRS- und HGB-Konzernabschlüssen nicht systematisch. Die Eliminierung von Zwischenergebnissen ist demnach notwendig, weil diese Ergebnisse aus Sicht des Konzerns als noch nicht realisiert gelten. Ein besonderes Problem liegt vor, wenn die Konzernmutter aufgrund der gegebenen Beherrschungsmöglichkeit konzerninterne Verrechnungspreise vorgibt, um auf diese Weise gezielt das Konzernergebnis zu beeinflussen. Lieferungen, die von in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen über andere konzernfremde Unternehmen wieder an Unternehmen des Konsolidierungskreises gelangt sind (sog. Dreiecksgeschäfte), gelten indes als Fremdlieferungen und unterliegen nicht der Zwischenergebniseliminierung, es sei denn, es sollen auf diese Weise bewusst die Regeln zur Eliminierung von Zwischenergebnissen umgangen werden. Zwischenergebnisse sind in der Unternehmenspraxis zweifelsfrei bedeutsam: Geschäftsbericht Unternehmenspraxis – Umfang der Zwischenergebnisse Zwischenergebnisse können einen beträchtlichen Teil der konzernweit erzielten Umsätze ausmachen. Der thyssenkrupp-Konzern weist in seinem Konzernbericht für das Geschäftsjahr 2019/2020 konzerninterne Umsätze in Höhe von fast 1,15 Mrd. € aus, das sind über 3,2 % des Gesamtumsatzes laut Summenabschluss. Der Umfang der eliminierten Zwischenergebnisse wird nicht explizit benannt, er lässt sich aber näherungsweise an gleicher Stelle am durch die Konsolidierung bereinigten EBIT abschätzen. Dementsprechend wurden Zwischenergebnisse von mindestens 53 Mio. € eliminiert (vgl. thyssenkrupp AG (2020), Geschäftsbericht 2019/2020, S. 231).
692
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Zwischenergebnisse beeinflussen bei der erstmaligen Eliminierung das Jahresergebnis. In den Folgejahren nimmt die Eliminierung (unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen) analog zur Vorgehensweise bei der Schuldenkonsolidierung (s. Kap. IV.5.3.2) keinen Einfluss auf das Jahresergebnis. Auch hier sollte die sich ergebende Differenz wieder über einen Sonderposten im Eigenkapital verrechnet werden; dieser kann ggf. mit dem Sonderposten aus der Schuldenkonsolidierung zusammengefasst werden. Buchungstechnisch erfolgt die Zwischenergebniseliminierung im Fall aktivierter Gewinne bei der erstmaligen Eliminierung durch eine Korrekturbuchung innerhalb der Bilanz: Jahresergebnis (bilanziell)
an
Aktiva
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen (zu einem weiteren Beispiel s. Rogler 2015). Beispiel Zwischenergebniseliminierung Im Beispiel zur Schuldenkonsolidierung hatte die Nickel GmbH der Eisen AG am 23.12.t2 Erz im Wert von 75 T€ einschließlich eines Gewinnaufschlags von 5 T€ geliefert. Diese hat die Lieferung unter »Vorräte« zu Anschaffungskosten in ihrem Einzelabschluss aktiviert. Am Bilanzstichtag (31.12.t2) liegt das Erz noch unverarbeitet bei der Eisen AG auf Lager. Die Zwischenergebniseliminierung korrigiert den Bilanzansatz der Vorräte auf die Konzernherstellungskosten von 70 T€ und eliminiert den aus Sicht der Nickel GmbH realisierten, aber aus Konzernsicht noch nicht realisierten Jahresüberschuss von 5 T€, der über die HB II der Nickel GmbH Eingang in die Summenbilanz gefunden hat. Zwischenergebniseliminierung 31.12.t2 in T€ Vorräte
Summenbilanz
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB II
75.000
0
75.000
5.000
5.000
Konsolidierung Soll
Haben 5.0001
Konzernbilanz 70.000
… … … Jahresergebnis (bilanziell)
5.0001
0
… … … Nähme man an, das Erz läge am 31.12.t3 immer noch unverarbeitet bei der Eisen AG auf Lager, müsste die Zwischenergebniseliminierung dann statt gegen das Jahresergebnis gegen einen geeigneten Posten im Eigenkapital (z. B. Sonderposten) erfolgen, da der in den Vorräten aktivierte Zwischengewinn nicht den Jahresüberschuss des Jahres t3 erhöht hat, d. h. das Jahresergebnis der Nickel GmbH wurde in t3 durch die Transaktion in t2 nicht berührt und insofern ist die Ergebnisgröße auch nicht korrekturbedürftig.
Wie für die Schuldenkonsolidierung gilt auch für die Zwischenergebniseliminierung, dass auf sie verzichtet werden kann, wenn sie von untergeordneter Bedeutung (§ 304 Abs. 2 HGB) oder unwesentlich ist (IASB F.2.11; IAS 8.8).
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
693
5.3.4 Aufwands- und Ertragskonsolidierung Während die Kapitalkonsolidierung, die Zwischenergebniseliminierung und die Schuldenkonsolidierung die Konzernbilanz betreffen, bezieht sich die Aufwands- und Ertragskonsolidierung auf die Konzern-GuV. Im Sinne der Einheitstheorie ist die Ertragslage in der KonzernGuV so darzustellen, wie diese sich aus Sicht der wirtschaftlichen Einheit bzw. einer fingierten rechtlichen Einheit des Konzerns ergibt. Demnach sind z. B. konzerninterne Umsätze zu eliminieren und in der Konzern-GuV nur die mit konzernfremden Dritten realisierten Außenumsatzerlöse zu zeigen. Auch konzerninterne Zinserträge sind mit konzerninternen Zinsaufwendungen sowie konzerninterne Mieterträge gegen konzerninterne Mietaufwendungen zu verrechnen. Die Verpflichtung zur Aufwands- und Ertragskonsolidierung ergibt sich aus IFRS 10.B86c und § 305 HGB. Die Vorgehensweise ist nach beiden Regelwerken identisch. Buchungstechnisch wurde die Erstellung des Konzernabschlusses bisher primär aus dem Blickwinkel der Herleitung der Konzernbilanz aus den Einzelbilanzen beleuchtet (s. Kap. IV.5.1). In Bezug auf die Konzern-GuV gilt, dass in einem ersten Schritt die GuV auf Ebene des Einzelabschlusses (GuV I) zunächst einmal zu vereinheitlichen sind (GuV II); auch die Wirkungen einer Neubewertung sind in der GuV abzubilden (GuV III). Die zeilenweise Addition der GuV III führt dann zur Summen-GuV, auf deren Basis die eigentliche Konsolidierung der konzerninternen Aufwendungen und Erträge vorgenommen wird. Das Ergebnis ist die Konzern-GuV. Die Aufwands- und Ertragskonsolidierung bezeichnet alle Buchungen, die erforderlich sind, um die Summen GuV in die Konzern-GuV überzuleiten. Diese umfassen naturgemäß auch etwaige Ergebniskorrekturen, die aus der Zwischenergebniseliminierung und der Schuldenkonsolidierung resultieren. Das folgende einfache Beispiel (ohne Berücksichtigung von Vorund Umsatzsteuer) dient der Verdeutlichung (zu weiteren Beispielen z. B. Rogler 2015; Brönner et al. 2016, S. 1261 ff.; Küting/Weber 2018, S. 591 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 334 ff.). Beispiel Aufwands- und Ertragskonsolidierung In Fortführung der Beispiele zur Schuldenkonsolidierung und Zwischenergebniseliminierung zeigt die folgende Aufstellung in den ersten Spalten die Wirkungen der beschriebenen Geschäftsvorfälle auf die HB II/III und GuV II/III der Eisen AG und Nickel GmbH. Dabei sind nur die Geschäftsvorfälle zwischen den beiden Verbundunternehmen (V) berücksichtigt, die eine Ergebniswirkung hatten und damit eine Aufwands- und Ertragskonsolidierung notwendig machen. Im Einzelnen sind das die Lieferung von Nickelerz für 75 T€ auf Ziel und die Rückstellung für Gewährleistungen in Höhe von 20 T€. Erstere bewirkte einzelbilanziell den Ansatz einer Forderung und die Erfassung von Umsatzerlösen in Höhe von 75 T€, sowie die Erfassung von Aufwand in Höhe von 70 T€ bei der Nickel GmbH. Die Eisen AG bilanzierte dementsprechend sowohl Vorräte als auch eine Verbindlichkeit in Höhe von 75 T€. Die Rückstellungsbuchung erfolgte einzelbilanziell ergebniswirksam gegen den sonstigen Aufwand in Höhe von 20 T€ bei der Nickel GmbH. Bilanzen 31.12.t2 in T€
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB III
Summenbilanz
Konsolidierung
75
75
751
75
5
Soll
Haben
Konzernbilanz
… … … Forderungen aus LuL gegen V Vorräte
75
4
0 70
694
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Bilanzen 31.12.t2 in T€
Eisen AG IFRS HB II
Nickel GmbH IFRS HB III
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
Konzernbilanz
75
751
20
20
-15
-15
4
5
20
0
Nickel GmbH IFRS GuV III
SummenGuV
Soll
Haben
KonzernGuV
Umsatzerlöse
75
75
755
Materialaufwand
70
70
705
0
3
0
Verbindlichkeiten aus LuL gegen V
75
Rückstellungen
20
Jahresergebnis
0
2
0 2
… … … GuV (Aufwands- und Ertragskonsolidierung)
Eisen AG IFRS GuV II
Sonstiger Aufwand
20
20
… … … Jahresergebnis
-15
-15
0 20
203
55
0
… … … Die Buchungen 1 und 2 zeigen nochmals die Buchungen zur Schuldenkonsolidierung. Buchung 1 ist nicht ergebniswirksam und erfordert daher keine Aufwands- und Ertragskonsolidierung. Die Korrektur der Rückstellung in Buchung 2 erfordert eine entsprechende Anpassung in der GuV. Diese erfolgt durch Buchung 3, dort wird der aus Konzernsicht zu hohe Aufwand gegen das Jahresergebnis korrigiert. Die Zwischenergebniseliminierung in den Vorräten (Buchung 4) findet ihre Entsprechung in der GuV in Buchung 5. Dabei werden die aus Konzernsicht unrealisierten Umsatzerlöse und der zugehörige Materialaufwand gegen das Jahresergebnis eliminiert.
Auch auf die Aufwands- und Ertragskonsolidierung kann verzichtet werden, wenn sie für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens‑, Finanz- und Ertragslage des Konzerns von untergeordneter Bedeutung (§ 305 Abs. 2 HGB) oder unwesentlich ist (IASB F.2.11; IAS 8.8); insofern greift auch hier, wie schon bei der Schuldenkonsolidierung und Zwischenergebniseliminierung, der Grundsatz der Wesentlichkeit.
5.3.5 Latente Steuern Neben den in Abschnitt IV.5.2.4 bereits angesprochenen latenten Steuern aus Anpassungsmaßnahmen im Zuge der IFRS HB II-Erstellung, können bei der Vollkonsolidierung zusätzliche Unterschiede zur Steuerbilanz auftreten (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg 2021, § 32, Rn. 188 ff.). Auch diese Differenzen führen gem. IAS 12 bzw. § 306 HGB zu ansatzpflichtigen Steuerlatenzen (allgemein zu den latenten Steuern s. Kap. III.2.2), sofern sich diese Differenzen voraussichtlich im Zeitablauf abbauen (temporary differences). Die auf diesen beiden Stufen auftretenden Bewertungsdifferenzen werden als inside basis differences bezeichnet. Solche temporären Bewertungsdifferenzen können grundsätzlich aus allen Konsolidie-
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
695
rungsmaßnahmen, die die Bilanz betreffen, resultieren. Die Differenzen können ergebnisneutral oder ergebniswirksam entstanden sein. Dabei führen ergebnisneutral entstandene Bewertungsdifferenzen zu einer ergebnisneutralen Erfassung aktiver oder passiver latenter Steuern. Ergebniswirksam entstehende Differenzen ziehen ergebniswirksame latente Steuern nach sich. Exemplarisch sei die Aufdeckung stiller Reserven im Zuge der Kapitalkonsolidierung betrachtet. Geht man vereinfachend davon aus, dass der IFRS HB II-Wert des Nettovermögens dem Steuerbilanzwert entspricht, so führt die Aufdeckung stiller Reserven im Rahmen der Kapitalkonsolidierung zu einer Ansatz-/Bewertungsdifferenz, die sich in zukünftigen Perioden aufgrund höherer Abschreibungen wieder ausgleicht. Wirtschaftlich betrachtet bedeutet die Existenz stiller Reserven, dass der Steuerbilanzwert des Nettovermögens die zukünftig zu erwartenden Rückflüsse und damit die zukünftigen Steuerzahlungen unterschätzt. Die Aufdeckung der stillen Reserven in der Konzernbilanz korrigiert die Erwartung über die zukünftigen Rückflüsse. Dementsprechend ist eine passive latente Steuer zu erfassen, die auch die Erwartungen über den zukünftigen Steueraufwand anpasst. Da die Erstkonsolidierung grundsätzlich ergebnisneutral erfolgt, wird hier auch die passive latente Steuer ergebnisneutral erfasst (zu weiteren Beispielen siehe Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 506 ff.). Neben den inside-basis-differences können Wertdifferenzen aus einer unterschiedlichen Bewertung einer Beteiligung (am T) in der Steuerbilanz des Anteilseigners (M) und dem dadurch repräsentierten Nettovermögen bzw. equity-Ansatz resultieren (vgl. Küting/Weber 2018, S. 268). Diese sog. outside basis differences sind nur in einem IFRS Konzernabschluss anzusetzen; § 306 S. 4 HGB verbietet einen entsprechenden Ansatz im HGB Konzernabschluss. Diskussionsfrage IV.5.–3 Sind auf einen im Rahmen der Kapitalkonsolidierung entstehenden goodwill latente Steuern zu bilden? Gehen Sie sowohl auf den HGB- als auch den IFRS-Konzernabschluss ein. Kann Sie die in den Normen vorgegebene Behandlungsweise überzeugen?
5.4 Weitere Maßnahmen außerhalb der Vollkonsolidierung Der Stufenkonzeption (s. Kap. IV.4) folgend können Unternehmenszusammenschlüsse unterschiedliche Intensitäten besitzen. Weniger intensiv als eine Beherrschungsmöglichkeit und der damit einhergehenden grundsätzlichen Verpflichtung zur Vollkonsolidierung (s. Kap. IV.5.3) ist die gemeinsame Vereinbarung (joint arrangement). Ein solches Unternehmen ist entweder anteilsmäßig zu konsolidieren (s. Kap. IV.5.4.1) oder nach der equityMethode (auch Bilanzierung at equity, s. Kap. IV.5.4.2) in den Konzernabschluss einzubeziehen. Noch abgeschwächter ist ein nur maßgeblicher Einfluss, der ebenfalls zur Anwendung der equity-Methode führt. Die geringste Bindungsintensität zeigt eine einfache Beteiligung, die dann als Finanzinstrument gem. IAS 39 bzw. IFRS 9 (s. Kap. III.3.4) in den Konzernabschluss einzubeziehen ist.
5.4.1 Anteilmäßige Konsolidierung International wurden die Vorschriften der Quotenkonsolidierung mit der Einführung von IFRS 11 reformiert. Vorrausetzung zur Anwendung des IFRS 11 ist das Vorliegen einer gemeinsamen Vereinbarung (joint arrangement). Diese liegt regelmäßig dann vor, wenn die Parteien durch eine vertragliche Vereinbarung gebunden sind, die eine gemeinschaftliche Beherr-
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Kapitel IV Konzernrechnungslegung
schung vorsieht (IFRS 11.5). IFRS 11.6 differenziert zwischen Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures) und gemeinschaftlichen Tätigkeiten (joint operations). Gemeinschaftsunternehmen müssen nach IFRS 11.24 zwingend at equity gem. IAS 28 bilanziert werden. Gemeinschaftliche Tätigkeiten werden anteilsbasiert in die Konzernbilanz einbezogen (IFRS 11.20). Die anteilsbasierte Konsolidierung ist dabei an die Quotenkonsolidierung des ersetzten IAS 31 angelehnt (vgl. Küting/Seel 2011, S. 349). Insgesamt spielt die anteilsbasierte Konsolidierung in den IFRS demnach nur eine untergeordnete Rolle. Handelsrechtlich kann die anteilmäßige Konsolidierung nach § 310 HGB für Gemeinschaftsunternehmen zur Anwendung kommen. Hierbei umfasst die Bezeichnung nach HGB gemeinschaftliche Tätigkeiten und Gemeinschaftsunternehmen. Daraus resultiert ein größerer Anwendungsbereich der anteilmäßigen Konsolidierung nach HGB als nach IFRS. Das HGB sieht nach § 310 Abs. 1 ein Wahlrecht zwischen quotaler Konsolidierung und der Bewertung at equity vor. Dieses Wahlrecht ist für alle Gemeinschaftsunternehmen einheitlich auszuüben (§ 297 Abs. 3 S. 2 HGB). Buchungstechnisch gibt es keine wesentlichen Unterschiede zur Regelung nach IFRS. Bei einer anteilmäßigen Konsolidierung sind Vermögenswerte, Schulden sowie Aufwendungen und Erträgen beteiligungsproportional im Konzernabschluss zu erfassen (IFRS 11.20, § 310 Abs. 2 HGB). Genau wie bei der Vollkonsolidierung wird auch hier der Beteiligungsbuchwert der Investition mit dem anteiligen Eigenkapital verrechnet. Da sämtliche Bilanzpositionen nur anteilig in den Summenabschluss übernommen wurden, erübrigt sich ein anschließender Ausweis von Anteilen anderer Gesellschafter. Die anteilmäßige Konsolidierung folgt damit dem proprietary concept (s. Kap. IV.3.2.1), indem sie nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht am Beteiligungsunternehmen zeigt, sondern lediglich den Anteil an dessen Nettovermögen. Methodisch unterscheidet sich die anteilmäßige Konsolidierung von der Vollkonsolidierung nur durch die quotale anstelle der vollständigen Übernahme der Bilanz- und GuVPosten. Das heißt, auch die Abschlüsse der Beteiligungsunternehmen müssen zunächst an die konzerneinheitlichen Bilanzierungsregeln angepasst und ggf. in die Konzernberichtswährung umgerechnet werden. Dann werden die IFRS HB II-Abschlüsse beteiligungsproportional in den Summenabschluss übernommen und im Zuge der Kapitalkonsolidierung, Schuldenkonsolidierung, Zwischenergebniseliminierung sowie Aufwands- und Ertragskonsolidierung um konzerninterne Kapital- und Leistungsverflechtungen bereinigt. Alle Konsolidierungsschritte sind nur anteilig durchzuführen. Ein solches Vorgehen ist mit der Fiktion der rechtlichen Einheit des Konzerns nicht vereinbar (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 375; s. Kap. IV.3.1). Vielmehr werden durch die anteilmäßige Konsolidierung unterschiedliche Interessenlagen abgebildet, sodass die anteilmäßige Konsolidierung grundsätzlich interessentheoretisch (s. Kap. IV.3.2) motiviert ist. Eine Besonderheit der anteilmäßigen Einbeziehung gegenüber der Vollkonsolidierung besteht darin, dass in Bezug auf die Zwischenergebniseliminierung bei Transaktionen zwischen dem beteiligten Unternehmen (M oder voll zu konsolidierendes T) und dem Beteiligungsunternehmen zwischen downstream- und upstream-Lieferungen zu unterscheiden ist (ausführlich z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 372 ff.). Beispiel Zwischenergebniseliminierung Zur Illustration betrachte man folgenden Fall: Unterstellt sei, dass das M zu 50 % an einem Gemeinschaftsunternehmen (G) beteiligt sei. Bei einer Lieferung eines Vermögenspostens (120 T€) vom M, oder einem voll zu konsolidierenden Unternehmen (T), an das G (downstream-Lieferung), entsteht
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
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ein Zwischengewinn (20 T€) beim M. Dieser ist in der Summenbilanz in voller Höhe enthalten und im Rahmen der Zwischenergebniseliminierung anteilig zu eliminieren. Die an das G gelieferten Vermögensposten sind indes in der Summenbilanz nur anteilig enthalten (60 T€). Der Zwischengewinn ist folglich anteilig zu eliminieren: Jahresergebnis (bilanziell) 10 T€
an
Vermögensposten 10 T€
Es verbleibt ein Zwischengewinn in Höhe von 10 T€, der als mit Dritten, den konzernfremden Gesellschaftern des G, realisiert gilt (siehe auch IFRS 11.B34-35), d. h. der Vermögensposten findet sich in der Konzernbilanz in Höhe von 50 T€. Bei einer Lieferung von einem Gemeinschaftsunternehmen an das M (upstream-Lieferung) geht der Gewinn (20 T€) bedingt durch die quotale Konsolidierung nur zu 10 T€ in die Summenbilanz ein (Erhöhung des bilanziellen Jahresergebnisses).
5.4.2 Equity-Methode a. Einordnung und Anwendungsbereich Die equity-Methode ist nach der anteilmäßigen Konsolidierung die nächstschwächere Form der Abbildung im Konzernabschluss. Diese Methode verzichtet auf eine Einbeziehung der einzelnen Vermögensposten und Schulden des Beteiligungsunternehmens in den Konzernabschluss. Stattdessen bleibt der Beteiligungsbuchwert stehen. Er wird aber um Veränderungen im anteiligen Eigenkapital (equity) fortgeschrieben, wodurch sich der Name dieser Methode erklärt. Etwaige Fortschreibungen können sich z. B. daraus ergeben, dass das Beteiligungsunternehmen im Zeitablauf Jahresüberschüsse erzielt, an denen der Anteilseigner anteilig partizipiert. Der Ansatz at equity unterscheidet sich damit wesentlich von einer reinen Beteiligungsbilanzierung zu Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert. Letztere würde bei aussagefähigen Marktpreisen oder Bewertungsverfahren zwar zum gleichen Wertansatz kommen wie eine equity-Bilanzierung. Wie bereits in Abschnitt IV.2 (s. Tab. IV.2./2 und IV.2./3) gezeigt, vermittelt eine reine Beteiligungsbilanzierung allerdings keinerlei Informationen über den Grad der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Beteiligtem und Beteiligungsunternehmen (vgl. Baetge/Graupe/Höbener 2021, IAS 28, Rn. 3). Nach IAS 28 ist die Bewertung at equity für assoziierte Unternehmen (IAS 28.1) und nach IFRS 11 für Gemeinschaftsunternehmen (IFRS 11.24) anzuwenden. Assoziierte Unternehmen werden in IAS 28.3 als Unternehmen definiert, auf die der Konzern einen maßgeblichen Einfluss (significant influence) ausüben kann. Maßgeblicher Einfluss ist dabei die Möglichkeit, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen des Unternehmens mitzuwirken, nicht aber die Beherrschung oder die gemeinschaftliche Führung der Entscheidungsprozesse. Dabei wird nicht auf die faktische Einflussnahme, sondern auf die Möglichkeit der Einflussnahme abgestellt. Diese Bestimmung verdeutlicht auch, wie in einem IFRS-Konzernabschluss solche T zu bilanzieren sind, die z. B. wegen unverhältnismäßig hoher Kosten nicht vollkonsolidiert werden (s. Kap. IV.4). Da T vom Anwendungsbereich des IAS 28 explizit ausgeschlossen sind, müssen Letztere als Beteiligung gem. IFRS 9 bilanziert werden. Auch im HGB-Konzernabschluss ist der Beteiligungsansatz at equity für assoziierte Unternehmen vorgeschrieben und für Gemeinschaftsunternehmen erlaubt (§ 311 HGB). Zur Bestimmung des Status als Gemeinschaftsunternehmen ist DRS 27 maßgebend (vgl. Gehrs/ Wörmann/Peters 2019). Darüber hinaus ist für alle Tochterunternehmen, die aufgrund eines Wahlrechts in § 296 HGB nicht voll konsolidiert werden, zu prüfen, ob eine Einbeziehung at equity in Frage kommt. Falls ja, sind sie entsprechend zu bewerten, es sei denn, sie sind für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von untergeordneter Bedeutung (§ 311 Abs. 2 HGB). Der Kreis
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Kapitel IV Konzernrechnungslegung
der at equity einbezogenen Unternehmen ist in einem HGB-Konzernabschluss folglich größer als in einem IFRS-Abschluss. Dabei werden die Unternehmen, die aufgrund eines vorliegenden maßgeblichen Einflusses at equity bilanziert werden, als typische assoziierte Unternehmen bezeichnet. Tochterunternehmen und Gemeinschaftsunternehmen, die aufgrund der Wahlrechte in § 296 HGB und § 311 HGB at equity bilanziert werden, bezeichnet man als untypische assoziierte Unternehmen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2021c, S. 392 ff.). Ergänzend zu den Regelungen in den §§ 311 f. HGB ist bei Anwendung der equity-Methode auch DRS 26 zu beachten, der einige im Gesetz nicht behandelte Spezialfragen diskutiert (vgl. Roß/von Behr 2018 und Deubert/Lewe 2020b). Entscheidend für die Abgrenzung assoziierter Unternehmen ist der Begriff des maßgeblichen Einflusses. Dieser wird in IAS 28.3 definiert als Einfluss auf die Finanz- und Geschäftspolitik. Weiterhin legt IAS 28.5 fest, dass bei einer Beteiligungsquote von 20 % oder mehr ein maßgeblicher Einfluss vermutet wird und das Beteiligungsunternehmen als assoziiertes Unternehmen zu bilanzieren ist. Sowohl die Vermutung eines maßgeblichen Einflusses aufgrund einer Beteiligung von mindestens 20 % als auch die Vermutung, dass bei einer geringeren Beteiligung kein maßgeblicher Einfluss vorliegt (umgekehrte Assoziationsvermutung, vgl. Baetge/Graupe/Höbener 2021, IAS 28, Rn. 24), kann vom bilanzierenden Konzern widerlegt werden. Zur Unterstützung dieser Entscheidung führt IAS 28.6 in einer nicht abschließenden Auflistung Anhaltspunkte auf, die helfen können, einen maßgeblichen Einfluss festzustellen. Dazu gehören z. B. Funktionen im Aufsichtsorgan des Beteiligungsunternehmens oder auch das Vorhandensein von Geschäftsbeziehungen mit dem Konzern, die für das Beteiligungsunternehmen von wesentlicher Bedeutung sind. Die Bilanzierung at equity ist nach IAS 28.17 ff. bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände nicht zulässig, obwohl ein maßgeblicher Einfluss vorliegt. Wenn von einem maßgeblichen Einfluss ausgegangen werden kann und kein Ausnahmetatbestand gilt, z. B. wegen Unwesentlichkeit oder Veräußerungsabsicht (vgl. Baetge/ Graupe/Höbener 2021, IAS 28, Rn. 46), erfolgt die Bilanzierung der Beteiligung im Konzernabschluss in Form der sog. one line consolidation. Anders als bei der Voll- oder anteilmäßigen Konsolidierung wird der Beteiligungsbuchwert hierbei nicht durch die Vermögensposten und Schulden des assoziierten Unternehmens ersetzt. Vielmehr verbleibt der Beteiligungsbuchwert, der einen Anteil am Eigenkapital repräsentiert, im Konzernabschluss erhalten und wird um anteilige Eigenkapitalveränderungen fortgeschrieben. Die equity-Methode ist ab dem Zeitpunkt anzuwenden, ab dem das Beteiligungsunternehmen ein assoziiertes Unternehmen ist (IAS 28.32). b. Zugangsbewertung Im Anschaffungszeitpunkt erfolgt der equity-Ansatz zu Anschaffungskosten, d. h. der Beteiligungsbuchwert aus dem Einzelabschluss wird lediglich übernommen. Da IAS 28.32 auch für Beteiligungen an assoziierten Unternehmen eine goodwill-Fortschreibung fordert, muss dieser zunächst in einer außerbilanziellen Nebenrechnung (als Bestandteil einer Konzernbuchführung) ermittelt werden. Die Ermittlung erfolgt dabei rechnerisch analog zur goodwill-Bestimmung bei Tochterunternehmen, ohne dass jedoch eine Buchung vorgenommen wird. Der goodwill bestimmt sich als Differenz aus Anschaffungskosten der Beteiligung und anteiligem identifizierbarem Nettovermögen des assoziierten Unternehmens. Dabei sollen nach IAS 28.35 die konzerneinheitlichen Bewertungsregeln auch für das Nettovermögen des assoziierten Unternehmens angewendet werden. Im Unterschied dazu gibt § 312 Abs. 5 S. 1 HGB diesbezüglich ein Wahlrecht vor. Der Unterschied ist jedoch nicht von materieller
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Bedeutung, da es sich bei IAS 28.35 lediglich um eine Soll-Vorschrift handelt, die dem bilanzierenden Konzern faktisch das gleiche Wahlrecht einräumt wie § 312 Abs. 5 S. 1 HGB. Beispiel Equity-Ansatz Am 1.1.t1 beteiligt sich die Eisen AG gegen Bareinlage von 34 Mio. € mit 25 % an einem kleinen Walzwerk im Umland von Erfurt, der Blech GmbH. Die Eröffnungsbilanz der Blech GmbH für das Geschäftsjahr t1 weist folgende Positionen auf: Aktiva Sachanlagen Vorräte Forderungen Liquide Mittel Summe
Blech GmbH, 1.1.t1 in Mio. € 150 Gezeichnetes Kapital 20 Rücklagen 20 Verbindlichkeiten 10 200 Summe
Passiva 30 70 100 200
Das Sachanlagevermögen ist aufgrund steigender Marktpreise für Walzanlagen um 20 Mio. € unterbewertet. Am 1.1.t1 weisen die Sachanlagen eine durchschnittliche Restnutzungsdauer von 5 Jahren auf. Das anteilige identifizierbare Nettovermögen der Blech GmbH bestimmt sich, wie bei Tochterunternehmen auch, aus dem anteiligen Buchwert des Eigenkapitals (100 Mio. € × 0,25) zuzüglich anteiliger stiller Reserven und Lasten (20 Mio. € × 0,25). Der außerbilanziell zu erfassende goodwill beträgt folglich:
– =
Beteiligungsbuchwert (Anschaffungskosten) anteiliges identifizierbares Nettovermögen goodwill
34 Mio. € –30 Mio. € 4 Mio. €
Aus Sicht der Eisen AG repräsentiert der erworbene goodwill einen mindestens zweijährigen Technologievorsprung durch das besondere Know-How der Blech GmbH in der Verarbeitung spezieller Metalllegierungen.
In Fällen, in denen das anteilige identifizierbare Nettovermögen die Anschaffungskosten übersteigt, geht IAS 28.32b von einem günstigen Erwerb aus und erlaubt die sofortige Erfassung eines Ertrags in Höhe des Unterschiedsbetrags. Beispiel Equity-Ansatz II In Abwandlung des obigen Beispiels betragen die Anschaffungskosten der Beteiligung nun lediglich 28 Mio. €. Daraus folgt ein negativer (passiver) Unterschiedsbetrag in Höhe von 2 Mio. €, der sofort als Erfolg vereinnahmt werden darf. Die Beteiligung an der Blech GmbH muss in der Konzernbilanz in Höhe des anteiligen identifizierbaren Nettovermögens (30 Mio. €) angesetzt werden und nicht, wie im Einzelabschluss, mit Anschaffungskosten (28 Mio. €). Die ergebniswirksame Zuschreibung ist bilanziell wie folgt zu erfassen: Beteiligung
2
an
Jahresüberschuss (bilanziell)
2
Die Einbeziehung assoziierter Unternehmen (i. w. S.) erfolgt auch nach dem HGB in Form einer one line consolidation. Im Gegensatz zur IFRS-Vorschrift müssen der Unterschiedsbetrag sowie ein darin enthaltener goodwill im Anhang oder als »davon«-Größe angegeben
700
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
werden. Unterschiede gibt es darüber hinaus in der außerbilanziellen Ermittlung des Unterschiedsbetrags. Während nach IAS 28, eine zum purchased goodwill-Ansatz vergleichbare Neubewertungsmethode zur Anwendung kommt, sieht § 312 Abs. 2 HGB die Anwendung der Buchwertmethode vor. Hierbei wird zunächst der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten (Beteiligungsbuchwert aus der Einzelbilanz) und dem Buchwert des anteiligen Eigenkapitals ermittelt. Anteilige stille Reserven werden anschließend nicht vollständig aufgedeckt, sondern maximal bis zur Höhe dieses vorläufigen Unterschiedsbetrags. Als goodwill wird nur der verbleibende Unterschiedsbetrag nach Aufdeckung der stillen Reserven betrachtet. Die Aufdeckung stiller Reserven kann damit nicht zur Entstehung eines negativen Unterschiedsbetrags führen (vgl. Pellens et al. 2021, S. 819 f.). c. Folgebewertung An allen folgenden Bilanzstichtagen wird der Beteiligungsbuchwert in der Konzernbilanz um Eigenkapitalveränderungen fortgeschrieben. Dazu gehören regelmäßige Vorgänge, wie die planmäßige Abschreibung der stillen Reserven oder die Berücksichtigung erzielter Jahresüberschüsse, ebenso wie außerplanmäßige Vorgänge, wie Wertminderungen der Beteiligung (s. Kap. III.3.4) oder Kapitalerhöhungen. Tabelle IV.5./2 fasst die wesentlichen Fortschreibungsgründe zusammen (vgl. hierzu z. B. Küting/Weber 2018, S. 657 ff.; Baetge/Kirsch/ Thiele 2021c, S. 398 ff.). Beteiligungsbuchwert im Jahr t Regelmäßige Fortschreibung des equity-Wertes bei der equity-Methode
Unregelmäßige Fortschreibungen des equity-Wertes bei der equity-Methode
+ / –
Anteiliger Jahresüberschuss (– anteiliger Jahresfehlbetrag) des Beteiligungsunternehmens
–
Erhaltene Dividendenzahlungen vom Beteiligungsunternehmen
–
Auflösung/Abschreibung der anteiligen stillen Reserven
+
Auflösung/Verminderung der anteiligen stillen Lasten
–/+
Eliminierung von Zwischenergebnissen
–
Außerplanmäßige Abschreibungen (Wertminderungen, insbes. goodwill)
+
Wertaufholungen
+
Kapitaleinzahlungen / Zugänge
–
Kapitalrückzahlungen / Abgänge
=
Beteiligungsbuchwert im Jahr t + 1
Tab. IV.5./2 Fortschreibung des equity-Werts in der Konzernbilanz
Die Eigenkapitalveränderungen sind im Jahr ihrer Entstehung in der Regel ergebniswirksam zu erfassen, in Folgejahren ergebnisneutral (vgl. Küting/Weber 2018, S. 656 f.). Durch diese Form der Folgebewertung wird der Informationsvorteil eines equity-Ansatzes gegenüber einer ausschließlich an den Anschaffungskosten orientierten Bilanzierung als Finanzanlage deutlich. Während bei letzterer die Konzernbilanzleser nur dann Informationen über den Erfolg der Beteiligung erhalten, wenn diese zu Ausschüttungen an den Konzern geführt haben, spiegelt die Bewertung at equity auch thesaurierte Erfolge wider. Selbst bei regelmäßiger Vollausschüttung bietet der Ansatz at equity noch einen Informationsvorteil, da durch die Fortführung der stillen Reserven auch der Ressourcenverbrauch des assoziierten Unternehmens zur Erzielung des ausgeschütteten Jahresüberschusses besser wiedergegeben wird.
701
5 Erstellung von Konzernabschlüssen
Beispiel Equity-Ansatz III Während des Geschäftsjahres t1 erwirtschaftet die Blech GmbH einen Jahresüberschuss von 12 Mio. €, der zunächst thesauriert wird. Auf der Hauptversammlung Ende April t2 wird die Ausschüttung von 2/3 dieses Gewinns beschlossen. Im Geschäftsjahr t2 beträgt der Jahresüberschuss 16 Mio. €, der ebenfalls zunächst thesauriert wird. Darüber hinaus zeichnet sich Ende t2 ab, dass der technologische Vorsprung der Blech GmbH nicht mehr besteht. Eine Konkurrenzfirma aus dem Ruhrgebiet konnte mit einem neuen Walzverfahren beträchtliche Marktanteile gewinnen. Eine Bewertung der Beteiligung durch die Eisen AG ergibt zum 31.12.t2 einen beizulegenden Zeitwert von 33 Mio. €. Geschäftsjahr t1 Die Ermittlung des equity-Wertes erfolgt folgendermaßen (alle Angaben in Mio. €):
– + =
equity-Ansatz vom 1.1.t1 anteilige Abschreibung stiller Reserven (25 % von 20/5) anteiliger Jahresüberschuss (25 % von 12) equity-Ansatz zum 31.12.t1
34 –1 3 36
Der equity-Ansatz hat sich demnach erhöht, d. h. das Netto-Auszahlungspotenzial hat durch die thesaurierten Gewinne zugenommen. Dieser Wertzuwachs wird ergebniswirksam im Konzernabschluss erfasst. Für die Konzernbilanz t1 ist folgende Korrekturbuchung notwendig: Beteiligung
2
an
Jahresergebnis (bilanziell)
2
In der Konzern-GuV wird ein entsprechender Beteiligungsertrag von 2 Mio. € erfasst. Im Einzelabschluss bleibt es bei der Bilanzierung zu Anschaffungskosten von 34 Mio. €. Geschäftsjahr t2 Für t2 ist der equity-Wert folgendermaßen zu ermitteln:
– – + – =
equity-Ansatz vom 31.12.t1 anteilige Abschreibung stiller Reserven (25 % von 20/5) goodwill-Abschreibung anteiliger Jahresüberschuss (25 % von 16) anteilige Dividendenausschüttung (25 % von 8) equity-Ansatz zum 31.12.t2
36 –1 –4 4 –2 33
Da der im goodwill repräsentierte technologische Vorsprung verloren gegangen ist, muss im equityAnsatz eine entsprechende goodwill-Abschreibung berücksichtigt werden. Damit entspricht der in der Konzernbilanz auszuweisende dem außerplanmäßig abgeschriebenen Beteiligungsansatz im Einzelabschluss. Die Korrekturbuchung sorgt hier lediglich für eine korrekte Periodisierung der Wertänderungen. Jahresergebnis (bilanziell)
2
an
Rücklagen
2
Da im Summenabschluss aufgrund der fehlenden Bilanzidentität auf Konzernebene (s. Kap. IV.5.3.1.7) wieder nur der einzelbilanzielle Wert von jetzt 33 Mio. € steht, muss die Korrekturbuchung für t2 auch die Vorjahreskorrekturen berücksichtigen, allerdings ergebnisneutral.
Vergleicht man den Informationsgehalt des Beteiligungsansatzes der Blech GmbH aus den vorherigen Beispielen im Einzel- und im Konzernabschluss der Eisen AG wird der Informationsvorteil der Bilanzierung at equity unmittelbar deutlich, da die Wertentwicklung der Beteiligung deutlich besser abgebildet wird als bei einer Beteiligungsbilanzierung zu Anschaffungskosten.
702
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
beizulegender Zeitwert der Beteiligung
Buchwert Einzelbilanz
Wirkung auf Einzelgewinn
Buchwert Konzernbilanz
Wirkung auf Konzerngewinn
t1
36
34
–
36
+2
t2
33
33
–1
33
–2
Tab. IV.5./3 Vergleich Anschaffungskosten- und equity-Methode
In Bezug auf die Fortschreibung des Beteiligungsbuchwertes in der Konzernbilanz stellt sich die Frage wie mit negativen equity-Werten umzugehen ist. IAS 28.38 schreibt hierzu vor, dass die bilanzielle Fortschreibung des Beteiligungsbuchwertes in diesem Fall auszusetzen und in einer außerbilanziellen Nebenrechnung fortzuführen ist. Die Beteiligung am assoziierten Unternehmen erscheint solange nicht in der Konzernbilanz, oder lediglich als Erinnerungsposten mit einem Wert von null, wie der außerbilanziell fortgeführte equity-Ansatz einen negativen Wert aufweist (vgl. v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel 2014, S. 202; Küting/Weber 2018, S. 706 f.). In einer HGB-Konzernbilanz wird der equity-Wert nach dem erstmaligen Ansatz analog zum Vorgehen nach IFRS um Eigenkapitalveränderungen fortgeschrieben (vgl. Kirsch 2020b, für eine ausführliche Fallstudie zu konzeptionellen Unterschieden der Fortschreibung des equity-Buchwerts nach HGB und IFRS). Wesentliche Unterschiede ergeben sich lediglich aus einer anderen Behandlung eines goodwills oder negativen Unterschiedsbetrags. § 312 Abs. 2 HGB verweist für die Behandlung der Unterschiedsbeträge auf § 309 HGB. Dementsprechend ist ein goodwill planmäßig über die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreiben (analog zur Vollkonsolidierung nach HGB; s. Kap. IV.5.3.1.7), ein negativer Unterschiedsbetrag darf erst dann ergebniswirksam vereinnahmt werden, wenn feststeht, dass er einem realisierten Gewinn entspricht, bzw. wenn eine erwartete ungünstige Entwicklung eingetreten ist. d. Zwischenergebniseliminierung bei assoziierten Unternehmen IAS 28.28 schreibt auch für assoziierte Unternehmen die Eliminierung von Zwischenergebnissen vor. Dabei ist es unerheblich, ob upstream- oder downstream-Transaktionen vorliegen. Die erzielten Zwischenergebnisse sind anteilig in Höhe der Beteiligungsquote zu eliminieren. Problematisch kann unter Umständen die Behandlung von upstream-Transaktionen sein, da zur Ermittlung des Zwischenergebnisses Einblicke in die Kalkulation des assoziierten Unternehmens nötig sind. Diese sind mangels Beherrschung ggf. nicht möglich. Abstrahiert man von diesem Problem, so sind Zwischenergebnisse grundsätzlich gegen den Beteiligungsbuchwert zu eliminieren, bei upstream-Transaktionen alternativ auch gegen den gelieferten Vermögenswert (vgl. Küting/Weber 2012, S. 541). Im HGB-Abschluss ist die Zwischenergebniseliminierung gem. § 312 Abs. 5 S. 3 HGB nur dann verpflichtend, wenn die maßgeblichen Informationen verfügbar sind. Diskussionsfrage IV.5.–4 Diskutieren Sie, ob es sich bei der equity-Methode um eine Konsolidierungsmethode oder um eine Bewertungsmethode handelt!
e. Latente Steuern Die equity-Methode kommt, trotz ihrer Auslegung als one line consolidation, inhaltlich der Kapitalkonsolidierung nahe. Dementsprechend sind auch hier für temporäre Differenzen zwischen dem im equity-Wert repräsentierten Nettovermögen des Beteiligungsunternehmens
Kontrollfragen zu IV
703
und seinem Steuerbilanzwert latente Steuern anzusetzen, sofern die Umkehrung dieser Differenzen in der Zukunft wahrscheinlich ist und nicht vom Investor (in diesem Fall das M, welches die equity-Anteile hält) selbst gesteuert werden kann (IAS 12.39). Im HGB-Konzernabschluss dagegen besteht keine Pflicht zur Abgrenzung latenter Steuern aus der Anwendung der equityMethode (vgl. Küting/Weber 2018, S. 691 ff.; Baetge/Graupe/Höbener 2021, IAS 28, Rn. 173 ff.).
Kontrollfragen zu IV 1. Die X AG hält am 31.12.t1 folgende wesentlichen Beteiligungen. Entscheiden Sie, ob diese Beteiligungen als Tochterunternehmen voll zu konsolidieren sind: a) 48 % an der F GmbH. Darüber hinaus hält sie Wandelanleihen der F GmbH, die ihr bei Ausübung einen Anteil von weiteren 4 % am Grundkapital der F sichern würde. Die Anleihen sind vom 1.10.t1 bis 30.9.t2 jederzeit ausübbar. b) 60 % an der G AG. Am 1.12.t1 hat die G AG Konkurs angemeldet. Ein gerichtlich bestellter Konkursverwalter hat seine Arbeit am 5.12. aufgenommen. c) 47 % an der H AG. Für ein neu zu installierendes variables Vergütungssystem hat die H AG eigene Anteile im Umfang von 6,5 % aufgekauft. d) 82 % an der I AG. Diese Beteiligung wurde bereits mit der Absicht der baldigen Weiterveräußerung erworben. e) 72 % an der J AG. Diese Beteiligung wurde vor Jahren beim Kauf eines anderen Unternehmens mit erworben. Wegen der fehlenden branchenspezifischen Kenntnisse in diesem Bereich übt die X AG keinem Einfluss auf die J AG aus. Stattdessen betrachtet sie die Beteiligung als reine Finanzanlage. 2. Das Unternehmen M AG besitzt ein Tochterunternehmen T GmbH. Die M AG hat den 31.12.t1, die T GmbH den 29.12.t1 als Bilanzstichtag. Die M AG verkauft am 30.12.t1 hochspekulative Anleihen an die T GmbH. Sind diese hochspekulativen Anleihen im Konzernabschluss enthalten? Erläutern Sie hierfür die Vorschriften zu der Vereinheitlichung der Bilanzstichtage nach IFRS und HGB. 3. Zum MDAX-notierten XTec-Konzern gehört auch das amerikanische Tochterunternehmen X7 LLC. Diese wurde erst zu Beginn des abgelaufenen Geschäftsjahres erworben und wird erstmalig in den Konzernabschluss einbezogen. Der Erwerb erfolgte zum Zweck der vertikalen Integration der Wertschöpfungskette, da die X7 wesentliche Bauteile für den Konzern produziert und ohnehin über 90 % ihrer Produktion vom XTEC-Konzern abgenommen werden. Im Rahmen der Integration wurde die X7 in das konzernweite CashManagement-System und die zentrale Produktionssteuerung der XTec eingebunden. Da die X7 LLC ihren Einzelabschluss in lokaler Währung aufstellt (US-$), ist eine Umrechnung in die Berichtswährung des Konzerns (€) notwendig. Für Zwecke der Konzernbilanzerstellung sendet sie der Konzernmutter am 31.12.t1 folgenden umgerechneten Abschluss zu: Aktiva Immat. Anlagevermögen Sachanlagen Vorräte Forderungen Summe
HB II X7 LLC 31.12.t1 120 Gez. Kapital 400 Rücklagen 240 Jahresüberschuss 40 Verbindlichkeiten Differenz aus der Währungsumrechnung 800 Summe
Passiva 350 100 35 276 39 800
704
Kapitel IV Konzernrechnungslegung
Aufwendungen Materialaufwand Abschreibungen Personalaufwand Jahresüberschuss Summe
4.
5.
6.
7.
GuV II X7 LLCC 31.12.t1 14 Umsätze 40 44 35 133 Summe
Erträge 133
133
Wurde bei der Umrechnung der X7 LLC die korrekte Umrechnungsmethode angewendet? Begründen Sie Ihre Antwort kurz! A kauft 70 % der Anteile an B zu einem Preis von 759 T€. Zum Erwerbszeitpunkt weist die B ein bilanzielles Nettovermögen von 800 T€ auf. Darüber hinaus enthält das Anlagevermögen der B stille Reserven in Höhe von 150 T€. Wie hoch fallen goodwill und Anteile anderer Gesellschafter jeweils nach proprietary concept, parent-company concept, parent-company-extension concept und entity concept aus? A kauft 65 % der Anteile an der C zu einem Preis von 130 T€ und bezieht die C als Tochterunternehmen in seinen Konzernabschluss ein. Das identifizierbare Nettovermögen (inkl. stiller Reserven) der C betrug zum Erwerbszeitpunkt 180 T€ und ihr Unternehmenswert lag laut due diligence bei 200 T€. Welchen lt. IFRS 3 erlaubten Bilanzierungsansatz hat die A gewählt, wenn die Konzernbilanz für diese Beteiligung einen goodwill von 20 T€ ausweist? Am 31.12.t1 kaufte die M AG 100 % der Anteile an der T plc. mit Sitz in Irland zu einem Preis von 10,2 Mio. €. Im Kaufzeitpunkt betrug der Zeitwert des bilanziellen Nettovermögens der T plc. 12 Mio. € Die M AG stellt ihren Konzernabschluss nach IFRS auf und identifiziert die T plc. als Zahlungsmittel generierende Einheit (CGU), der der komplette goodwill aus dieser Transaktion zuzurechnen ist. Zum 31.12.t2 beträgt der Wert des bilanziellen Nettovermögens der T plc. nur noch 11 Mio. €. Eine Unternehmensbewertung der T plc. ergibt einen Nutzungswert von 10 Mio. € und einen Nettoveräußerungspreis von 11 Mio. €. Bestimmen Sie den bilanziellen goodwill zum 31.12.t1 unter Verwendung des purchased goodwill-Ansatzes. Unterziehen Sie den bilanziellen goodwill der T plc. zum 31.12.t2 einem Werthaltigkeitstest gemäß IAS 36. Die A AG stellt zum 31.12.t1 einen Konzernabschluss auf. Eines der Tochterunternehmen ist die B GmbH, an der die A AG 80 % der Anteile hält. Im Geschäftsjahr t1 sind u. a. folgende Geschäftsvorfälle aufgetreten: – Die A AG hat in ihrem Einzelabschluss t1 eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber der B GmbH in Höhe von 40 T€ gebildet. – Die B GmbH hat Verbindlichkeiten gegenüber der A AG in Höhe von 15 T€ für die Lieferung von Materialien. – Weiterhin hat die B GmbH 5 T€ Verbindlichkeiten bei der A AG, die diese aber schon wegen Uneinbringlichkeit aufgrund vertraglicher Gestaltungen im Einzelabschluss t1 abgeschrieben hat.
Nehmen Sie die Schuldenkonsolidierung für den Konzern zum 31.12.t1 vor. 8. Welches sind die wesentlichen Unterschiede zwischen HGB und IFRS in der Bilanzierung at equity? Gehen Sie insbesondere Kreis der betroffenen Unternehmen sowie die Bestimmung des equity-Wertes ein.
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Stichwortverzeichnis Symbole 12-Monats-ECL 492 A Abbildungsproblem 162 Abgrenzung – der Sache nach 213, 430 – der Zeit nach 214 Abgrenzungsposten – antizipative 401 – transitorische 402 Abschlussadressaten 226 Abschlussanalyse 374 Abschlussbuchungen – formale 169, 176 – GuV-bezogene 172 – materielle 169 – vorbereitende 176 Abschlussmanipulation 378 Abschlusspolitik 336, 374 – Ausgabekurshypothese 377 – big bath accounting 376 – Big bath-provisions 385 – Bonushypothese 377 – diskretionäre Periodenabgrenzungen 375 – empirische Messung 375 – Entscheidungsfeld 379 – Ergebnisglättung 383, 394 – Ermessensspielräume 390 – formelle 386 – Grenzen 395 – Konzernebene 393 – Kriterien für den Einsatz 394 – materielle 386 – reale 377 – Sachverhaltsgestaltungen 376, 377, 387, 395 – Simulationsrechnungen 381 – Transparenzhypothese 377 – unbestimmte Normbegriffe 390 – Verschuldungsgradhypothese 377 – Wahlrechte 388 – Wirkungsdauer 394
– Zielplan 379 – Zielsetzungen 376 abschlusspolitische Überlegungen 162 Abschlussposten 269 – Ansatzkriterien 272 – definitorische Voraussetzungen 272 – spezifische Bewertungsregeln 271 Abschreibung – -ausgangswert 310 – außerplanmäßige 167, 310, 312, 435 – -dauer 310, 434 – degressive 311 – direkte 309 – leistungsabhängige 311 – lineare 311 – -methode 434 – monatsgetreue 312 – -plan 434 – planmäßige 167, 310, 317 – progressive 311 – steuerrechtliche 311 – Teilwertabschreibung 315 – -verfahren 311 – Verteilungsabschreibung 311 – -volumen 434 accounting mismatch 284, 488 accounting policy 166 accrual basis 229 Acquisition-Method 665 Ad hoc-Publizität 78 – Emittentenbezug 81 – Katalog von Insiderinformationen 83 – Kursbeeinflussung 84 – Prüfung und Haftung 84 – Veröffentlichung 80 – Zweck 79 Adressatenschutz 30, 133 Advisory Council 140 Advisory Groups 140 agencytheoretischer Ansatz 101 Agenda-Entscheidungen 354 aging-Methode 491 Agio 522
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Stichwortverzeichnis
Aktiensplit 519 aktiver Markt 287, 454 Aktivierte Eigenleistungen 172 Aktivierung – -fähigkeit 215 – -grundsatz 215 – -verbot 215 – -wahlrecht 215 Aktivierungsfähigkeit – abstrakte 215 – konkrete 215 Aktivierungspflicht 460 Aktivierungsverbot 464 Aktivierungswahlrecht 450 Aktivitätsformat 591 allgemeine Bewertungsregeln 271 Alternative Leistungskennzahlen 262 amortisation 453 Amortisation 317 amortized costs 293 Analogieschluss 230, 362 Analysefähigkeit 50 Änderung des Jahresabschlusses 241 Angemessenheitsaspekt 306 Anhang 266, 269 – Funktionen 266 Anlagen im Bau 171 Anlagespiegel 441 Anlagevermögen – abnutzbares 310 Annahme der Unternehmensfortführung – deutsche Normen 182 – IFRS 229 – Wegfall der going concern-Annahme 202 Anreizverträglichkeit 50 Ansatz – Schulden 277 – Vermögenswerte 274, 277, 279 Ansatzentscheidung 269 Ansatzgrundsätze 214 Ansatzkriterien – allgemeine 272 Ansatzwahlrecht 413 Anschaffungskosten 167, 296, 468 – bedingte 670 – bei Unternehmenserwerb 669 Anschaffungskostenprinzip 217
Anschaffungsnebenkosten 297 Anschaffungspreis 297 Anschaffungspreisminderungen 297 Anteile anderer Gesellschafter 642 Anteilserwerb 459 Anwendersicht 161 Arbitrage 499 Asset backed securities 388 asset deal 459 Asset-Deal 636 asset-liability-Ansatz 189, 274 assoziierte Unternehmen 642, 652 – typische 698 – untypische 698 Asymmetrie 503 asymmetrische Informationsverteilung 100 audit committee 65 Aufbewahrungspflichten 212 aufhellende Ereignisse 229 Aufrechnungsdifferenzen 688 – echte 687, 688 – unechte 687 Aufsichtsrat 61 Aufwandsrückstellungen 548 Aufwendungen – zeitraumbezogene 214 Ausfallwahrscheinlichkeit 490 Auslegungsziel 361 Ausschüttungsbegrenzung 37 Ausschüttungsbemessungsfunktion – HGB-Einzelabschluss 35 – IFRS-Abschluss 44 Ausschüttungssperre 413 Ausschüttungssperrfunktion 520 Außenverpflichtung 216, 539, 543 außerplanmäßige Abschreibung 434, 435 außerplanmäßige Wertminderungen 454 Auswahlindizes 42 Auszahlung 164 B badwill 462 Bargain-Purchase 676 Basisobjekt 500 beachtenswerte Quellen (Normanwendung) 354 – Berücksichtigungsmöglichkeit 355 – Berücksichtigungspflicht 354
Stichwortverzeichnis
– Rechnungslegungsliteratur 356 begrenzte Rationalität 100 begründende Ereignisse 229 Beherrschung 447, 667 beizulegender Wert 314 – Absatzmarktorientierung 314 – Beschaffungsmarktorientierung 314 – retrograde Ermittlung 315 beizulegender Zeitwert 285, 673 – abzüglich Verkaufskosten 291, 320 beizulegende Zeitwert 282 bekennend-normativer Ansatz 380 belastender Vertrag 541 Belegfunktion 211 Bericht des Aufsichtsrates« 56 berichterstattende Einheit 227 Berichtigungsaktien 519 Bericht zu den Grundlagen des Konzerns 621 berücksichtigungspflichtige Ereignisse 345, 346, 475 berücksichtigungspflichtige Quellen 354 Beschaffungsmarkt 321 Beseitigungsverpflichtung 429, 434, 435, 552 Bestandserhöhung 172, 174 Bestandsgrößen 164, 165 Bestätigungsvermerk« 55 bestimmte Nutzungsdauer 453 Beta-Faktor 330 Beta-Faktor (WACC-Ansatz) 326 Beteiligungen 652 Beteiligungserwerb 459 Betriebsergebnis 256 – ordentliches 259 Bewertungsbasis 454 Bewertungseinheit 509 Bewertungsentscheidung 269 Bewertungsmaßstäbe 167, 280, 282 Bewertungsmethode – Erstbewertung 166, 296 – Folgebewertung 167 – Zugangsbewertung 166, 296 Bewertungsregeln 272 Bewertungsstetigkeit 207 Bewertungsunsicherheit 236 Bewertungsvereinfachungsverfahren 207 Bezugsrecht 517 big bath accounting 386
Bilanz 246 – Ansatzgrundsätze 214 – Bilanzansatzmethoden 166 – Formalinhalt 182 – Gliederung 246 – -identität 204 – Mindestposteninhalte 246 Bilanzauffassung – dynamische 183 – organische 187 – statische 182 Bilanzidentität 237, 238 Bilanzierungseinheit 270 Bilanzkommentare 366 Bilanzpositionen – monetäre 663 – nicht-monetäre 663 Bilanzrechtstheorie 97 BilMoG 221 board of directors 64 Bog Index 374 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse 42 Börsenpreis 313 Branchenpraktiken 359 Briefkurs 418 Bruttoprinzip 234 Buchführung 33 – Aufbewahrungspflichten 212 – spezielle Generalnorm 176 Buchung – -technik 168 Buchungstechnik 174 Buchwerterhöhung 339 Buchwertmethode 700 Buchwertminderung 339 Bundesanzeiger« 58 Business Judgement Rule 61 business transactions 168 C Capital Asset Pricing Modell 121 CAPM 324 Cashflow 164, 588 – aus Finanzierungstätigkeit 596 – aus Investitionstätigkeit 596 – aus laufender Geschäftstätigkeit 593
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Stichwortverzeichnis
cash flow hedge 503, 507 cash flow statement 587 cash generating unit 680 Chancen- und Risikobericht 624 changes in accounting estimates 238 changes in accounting policy 239, 368 clean price 486 clean surplus relation 204 Closing Date 667 completeness 234 comply or explain-Prinzip 64 compound financial instrument 523 consistency 237 constructive obligation 538 contingent liabilities 461 Control-Konzept 649 Controlling – Begriff 48 convertible bond 523 corporate assets 333 Corporate Governance 60 – Deutschland 62 cost-Modell 317, 341, 433, 453 cost of sales-method 173 costs of conversion 304 covenants 36, 105 COVID-19 79, 80, 220, 268, 312, 319, 323, 330, 347, 367, 498, 623, 624, 630 current value 282 customizing 177 D Damnum 403 decision usefulness 243 Deduktion 360 deduktive Methode 194 deduktives Element 225 Definitionsgrundsätze 212 depreciation 317 Derivat 499 – Angabepflichten 500 – eingebettetes 500 – Erstbewertung 500 – erstmaliger Ansatz 500 – Folgebewertung 500 Deutsche Rechnungslegungs Standards 152
Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee 152 Digitale Wirtschaftsgüter 312 dirty price 486 Disagio 389, 403, 497 Disclosure Initiative 329 Diskretionäre Periodenabgrenzungen 375 Diskussionsentwurf. 146 Diskussionspapier 146 Diversifikation 324 Dokumentation 35 Dokumentationsfunktion 34 Dokumentationsgrundsätze 211 doppelte Buchführung 168 Drohverlustrückstellung 409, 541, 545, 550 DRS 152 DRSC 152 DSR 370 Due Diligence 669 due process 225 Durchbuchungsmethode 510 Durchsetzungsinstrumente 99 dynamische Bilanz 188 dynamische Bilanzauffassung 182, 183, 184, 188, 191 dynamische Bilanztheorie 212 dynamischer Verweis 371 E earnings game (Abschlusspolitik) 60, 384 earnings guidance 60 Earn-out-Klauseln 670 E-Bilanz 177 economic income 187 Economic Value Added« 51 Effektivzinsmethode 403, 484, 497 eigene Aktien 529 – Erwerb 529 eigene Anteile – Veräußerung 531 Eigenfinanzierung 511 Eigenkapital 345, 511 – Aktienrechtsnovelle 514 – ausstehende Einlage 514 – Ausweis 513 – Funktionen 512
Stichwortverzeichnis
– Komponenten 514 – -kostensatz (WACC-Ansatz) 326 – -spiegel 265 Eigenkapitalbeschaffungsaufwendungen 464 Eigenkapitalinstrumente 512 Eigenkapitalkomponente – andere 529 Eigenkapitalrentabilität 529, 639 Eigenkapitalveränderungsrechnung – HGB 265 – IFRS 263 Eigenleistungen 171, 174 Eigentumsstruktur 137 Einbeziehungswahlrecht 653 Einfrierungsmethode 510 Einheitsbilanz 38 Einheitsfiktion 637, 691, 696 Einheitstheorie 644, 645, 693 Einkreissystem 50 Einzahlungen 164 Einzelabschluss 35, 199 – Generalnorm 193 Einzelbewertung 203 Einzeldifferenzenbetrachtung 414 Einzelerwerbsfiktion 665 einzelfallbezogene Auslegung 150 Einzelkosten 305 Einzelnormen 192 Einzelveräußerungspreis 574 Einzelwertberichtigung 497 Elektro- und Elektronikgeräte – Entsorgung 539 Emissionspublizität 85 – comfort letter 88 – Europäischer Pass für Emittenten 86 – Prospekthaftung 87 – Prüfung und Haftung 87 Enforcement 147 Enkelunternehmen 635 Entkonsolidierung 685 Entlastungsfunktion (Anhang, notes) 266 Entscheidungsfeld (Abschlusspolitik) 381 Entscheidungsfunktion 47 Entscheidungsmodelle (Abschlusspolitik) 379 Entscheidungsnützlichkeit 117, 242, 243, 246, 291, 340, 537
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entscheidungsorientierter Ansatz 379 Entscheidungsrelevanz 30, 117 Entsprechenserklärung 63 Entwicklung 451 Entwicklungskosten 306 – Ansatzmotive 389 equity capital 279 Equity-Methode 697 – one-line-consolidation 698 Ereignispublizität 78 Ereignisse nach Abschlussstichtag 341, 344, 345, 346 – IFRS 345 Ereignisstudien 122 Erfüllungsbetrag 282, 497 Ergänzungsaufgabe 615 Ergänzungsfunktion (Anhang, notes) 266 ergebniserhöhend 339 Ergebnis je Aktie 529 ergebnismindernd 339 ergebnisneutral 170, 297, 337, 339 Ergebnisspaltung 166, 256 – deutsche Normen 262 – IFRS 257 Ergebnisverwendung – teilweise 265 – vollständige 265 Ergebnisverwendungsrechnung 265, 513 ergebniswirksam 170, 337 erhaltene Anzahlungen 402, 468 Erhaltungsaufwand 298, 304 Erläuterungsfunktion (Anhang, notes) 266 Erlöse 280 Ermessensreserven 219 Ermessensspielräume 238, 390 Eröffnungsbilanzkonto 169 Eröffnungsbuchungen – formale 169, 176 Erträge – zeitraumbezogene 214 Ertragslage 622 Ertragswert 182, 315 Erweiterungsaufwendungen 464 Erwerb eigener Anteile 529 erzielbarer Betrag 293, 318 ESEF-Jahresfinanzberichte 245
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Stichwortverzeichnis
Eventualschulden 461, 559 executive directors 65 expected cash flow approach 322 expected loss model 490 expenses 164 Experimente 128 Exposure Draft 144 F Factoring 388 fair value 285 – aktiver Markt 287 – Bewertungstechniken 288 – deutsche GoB 292 – einkommensbasierter Ansatz 289 – Entscheidungsnützlichkeit 291 – fair value less costs to sell 318 – fair value-Modell 337, 341 – Finanzmarktkrise 287 – Hauptmarkt 286 – kostenbasierter Ansatz 288 – marktbasierter Ansatz 288 – Möglichkeiten der Datenbeschaffung 286 – -Stufenkonzeption 286 – vorteilhaftester Markt 286 fair value hedge 503, 506 fair value-Modell 440 fair value-Option 479, 487 faithful representation 233 faktische Ansatzwahlrechte 389 faktische Verpflichtung 538 fast close 178 Fehlerbegriff 359 Fehlerbekanntmachung 290 Fehlerfreiheit 236 fertige Erzeugnisse 467, 474 Fertigungsauftrag 580 Fertigungsbereich 305 Festbetragsbeteiligte 166 Festbewertung 428, 472 Feststellung 72 Fifo-Methode 471 Finanzergebnis 256 – ordentliches 259 finanzieller Vermögenswert 478 finanzielle Verbindlichkeit 479
Finanzierungsfunktion 512 Finanzierungskomponente 573 Finanzierungskosten 298, 305 – aktivierungspflichtige 299 – Zweckbezogenheit 299 Finanzinstrument 478 – Angabepflichten 495, 497 – Ausbuchung 482 – Erstbewertung 483 – Erstbewertung nach HGB 496 – erstmaliger Ansatz 482 – Klassifizierung 479 – Reklassifizierung 480 – Transaktionskosten 483 – variabel verzinst 484 – Wertminderung 490 – zusammengesetzt 500, 523 Finanzlage 587, 623 Finanzmittelfonds 590 Finanzmittelnachweis 592 Fog Index 373 Folgebewertung 309 – deutsche GoB 309 – IFRS 316 Folgebewertungsmodelle 316 Fondskonten 590 Fondsveränderungsrechnung 592 formelle Einheitlichkeit 658 formelles Verfahren 145, 225 Forschung 451 Forschungs- und Entwicklungskosten 448 fortgeführte Kosten 293 Forward 499 freiwillige Zusatzinformationen« 53 Fremdkapital 511 Fremdkapitalkostensatz (WACC-Ansatz) 327 Fremdwährungsposten – Erstbewertung 417 – Folgebewertung 418 Fremdwährungsumrechnung – Kapitalflussrechnung 597 full fair value accounting 503 Full Goodwill-Ansatz 676 FüPoG 621 Future 499
Stichwortverzeichnis
G Geldkurs 418 geleistete Anzahlungen 467 Gemeinkosten 305 gemeinschaftliche Vermögenswerte 333 Gemeinschaftsunternehmen 697 genehmigtes Kapital 518 general ledger 168 general ledger trial balance 176 General Standard 42 Geringwertige Wirtschaftsgüter 312 Gesamtdifferenzenbetrachtung 414 Gesamtergebnisrechnung 249 Gesamtkostenverfahren 171, 175 Gesamtlaufzeit-ECL 493 Geschäftsbericht« 54 Geschäftsmodell 479 Geschäftsmodellkriterium 479 Geschäfts- oder Firmenwert 458, 657 – derivativer 458 – deutsche GoB 463 – erworbener 458 – internationale Normen 458 – negativer 462 – originärer 460 – Steuerrecht 463 – zahlungsmittelgenerierende Einheiten 333 Geschäftsvorfälle 168 Gesetzgebungsverfahren 150 Gestaltungsinteresse 181 Gewinnabführungsvertrag 256 Gewinnbeteiligungsfunktion 512 Gewinnermittlung 166, 184 – asset-liability-Ansatz 189 – formal bilanzorientierte 182 – formal GuV-orientierte 183 – materielle 184 – revenue-expense-Ansatz 188 Gewinnrücklagen 525 Gewinn- und Verlustrechnung 164 gewogene Durchschnittsmethode 472 gezeichnetes Kapital 514 Gläubigerschutz 36, 276 – informationeller 36, 276 glaubwürdige Darstellung 233, 284, 598
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Global Reporting Initiative« 54 GoB 193 – deduktive Methode 194 – hermeneutische Methode 195 – induktive Methode 194 – System 199 GoB auf Konzernebene 658 going concern-Annahme 201, 229, 625 Goodwill 334, 341, 394, 458, 669 Großinspektion 432 Grundbuch 168 Grundgeschäft 501 Grundlagenforschung 306 Grundsätze 231 – Bilanzidentität 204 – glaubwürdige Darstellung 233 – Klarheit und Übersichtlichkeit 208 – materiality 211, 232 – ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung 658 – ordnungsmäßiger Lageberichterstattung 617 – Relevanz 232 – Richtigkeit 203 – Stetigkeit 204 – Vergleichbarkeit 204 – Vollständigkeit 208 – Vorsicht 218 – Wesentlichkeit 232 – Willkürfreiheit 204, 211, 232 – wirtschaftliche Betrachtungsweise 209 – Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit 210 Grundsatzsystem 228 Gründungsaufwendungen 464 H Haftungsfunktion 512 Haftungsverhältnisse 561 Handelsbilanz – Handelsbilanz II 656 – Handelsbilanz III 656 Handelsregister« 58 Handelswaren 467 hard close 178 Harmonisierung der Rechnungslegung 134
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Stichwortverzeichnis
Hauptabschlussübersicht 175 Hauptbuch 168 hermeneutische – Methode 195, 360 – Spirale 198 Herstellungsaufwand 304 Herstellungskosten 167, 317, 468 – nachträgliche 304 Herstellungskostenprinzip 473 hidden action 102 hidden characteristics 102 hidden information 102 historical cost 282 historische Anschaffungskosten 317 Historische Kosten 282 Hochschleusen (Kapitalkostensatz, Nutzungswertermittlung) 328 Höchstwertprinzip 312 I IASB 139 – IASB-Handbuch 144 IASB Conceptual Framework 141, 654 identifizierbares Nettovermögen 646 Identifizierbarkeit 446 IDW 155 – Hinweise zur Rechnungslegung 155 – Stellungnahmen zur Rechnungslegung 154 IFRS – Aufbau 144 – Durchsetzung 147 – Kommentierungen 357 – Normenentwicklung 145 IFRS-Modulvereinbarungen 356 IFRS-Modulverlautbarung 154 immaterielle Vermögenswerte 445 – Angabepflichten 455 – Ansatz 446 – Ansatzwahlrecht 450 – derivative 446 – Erstbewertung 452 – erstellte 452 – erworbene 446, 450, 452 – Folgebewertung 452 – originäre 446 – selbst geschaffene 446, 448 impairment 316, 317
impairment only-Ansatz 461 Impairment-Only-Ansatz 677 Imparitätsprinzip 218 implizite Kapitalkosten 126 income 164 Induktion 360 induktive Methode 194 induktives Element 225 Informationsfunktion 34, 35, 39, 276, 381, 615 – HGB-Einzelabschluss 37 – IFRS-Abschluss 43 informationsökonomische Ansätze 115 Ingangsetzungsaufwendungen 464 Inhaberaktie 516 Inkonsistenzen 488 Innenverpflichtung 544, 548 inside directors 65 Interessentheorie – Parent-Company Concept 646 – Parent-Company-Extension Concept 646 – Proprietary Concept 646 International Accounting Standards Board 139 internationale Rahmennormen 224 – Beurteilung 348 – Einordnung 224 – Elemente 226 – Ermittlung 225 International Federation of Accountants 140 interner Zinsfuß 484 internes Kontrollsystem (IKS) 212 Interpretations Committee 140 inventories 466 Investitionszulagen 303 Investitionszuschüsse 303 Investor Relations-Maßnahmen« 59 issued capital 514 Ist-Zustand 161 Iterative Berechnung (Kapitalkostensatz, Nutzungswertermittlung) 328 IT-gestützte Rechnungslegung 176, 198 J Jahresabschluss – Funktionen 199 Jahrespublizität – deutsche Ebene 68 – internationale Ebene 65
Stichwortverzeichnis
journal 168 Journalfunktion 212 K kalkulatorische Kosten 203 Kapitalerhaltungsgrundsätze 217 Kapitalerhaltungskonzepte 184, 347 – finanzwirtschaftliche Kapitalerhaltung 347 – leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltung 347 – Nominalkapitalerhaltung 184 – Realkapitalerhaltung 185 Kapitalerhöhung 516 – aus Gesellschaftsmitteln 519 – bedingte 518 – gegen Einlagen 516, 517 Kapitalflussrechnung 164, 587 – direkte Darstellung 594 – direkte Methode 592 – indirekte Darstellung 594 – indirekte Methode 592 Kapitalherabsetzung – ordentliche 519 – vereinfachte 520 Kapitalkonsolidierung 665 – Anschaffungskosten 669 – Bestimmung des Erwerbszeitpunkts 667 – Entkonsolidierung 685 – Erstkonsolidierung 675 – Erwerbsmethode 393, 665 – Folgekonsolidierung 679 – Identifikation des Erwerbers 666 – Kaufpreisallokation 671 – Summenbilanz 673 – Veränderung der Anteilsquote 683 – Veräußerungserfolg 685 Kapitalmarktstruktur 137 Kapitalrücklage 521 Kapitalstrukturrisiko (WACC-Ansatz) 327 Kapitalverwässerung 517 keine außerordentlichen Posten 258 Klarheit und Übersichtlichkeit 208 Komitologieverfahren 40, 136, 142, 155, 225, 351 Kommentare (Normanwendung) 356 Kommunikationsfähigkeit 50 Komponentenansatz 311, 431 Kongruenzprinzip 204, 239, 240, 340
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konkrete Aktivierungsfähigkeit 215 konkrete Passivierungsfähigkeit 217 Konsolidierung 656 – Aufwands- und Ertragskonsolidierung 693 – Quotenkonsolidierung 695 – Schuldenkonsolidierung 686 Konsultationsprozess 153 Konten – -funktion 212 – -plan 170 – -rahmen 170 Kontrollansatz 344 Kontrollfunktion 630 Konzern 635 – -strukturen 636 – Teilkonzern« 650 Konzernabschluss 651 – Aufstellungspflicht 649 – befreiender« 650 – größenabhängige Befreiungen« 650 – Vereinheitlichung der Bilanzstichtage« 658 – Währungsumrechnung 660 Konzernabschlusserstellung 659 Konzernanschaffungskosten 691 Konzernbuchführung 657 konzerneinheitliche Bewertung 208 konzerneinheitliche Bilanzierungsregeln« 658 Konzernherstellungskosten 691 konzerninterne Verrechnungspreise 691 Korrekturfunktion (Anhang, notes) 269 Korrekturposten 174 – bilanzielle 401 Kosten 170 Kostenarten 171 Kostenartenrechnung 305 Kostenmodell 317, 453 Kostenrechnung 208 Kostenstellen 173 Kostenstellenrechnung 305 Kreditvertragsklauseln 36, 235, 292, 377 Kulanzrückstellungen 548 L Lagebericht 614 – Funktion 615 langfristige Auftragsfertigung 390
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Stichwortverzeichnis
latente Steuern 276, 317, 340, 389, 407, 411, 412, 413, 417, 421, 438, 656, 664, 694, 702 – Angabepflichten 415 – Ansatz 409 – Ausweis 413 – Bewertung 414 – Inside Basis Differences 694 – Outside-Basis-Differences 695 – Temporary Differences 694 Leasing 387 Leerkosten 307 legal obligation 538 Leistungsverpflichtung – separate 571 – zeitpunktbezogen 576 – zeitraumbezogen 576 Lifo-Methode 471 Liquidationsstatus 202 Lobbying 155, 225 Lucky-Buy 676 M macro hedge 502 Management-Ansatz 262, 605 management approach 604, 605 Management approach 262 management buyout (Abschlusspolitik) 382 Management performance measures 262 market for lemons 108 Marktmodell 123 Marktpreis 285, 313 maßgeblicher Einfluss 697 Maßgeblichkeit 38, 297 – doppelte 314 – umgekehrte 38 matching-Prinzip 188, 213, 231 Materialbereich 305 materiality-Grundsatz 211 materielle Einheitlichkeit 659 measurement – after recognition 167 – at recognition 166 Mehrkomponentenvertrag 583 Mehrstimmrechtsaktien 516 mehrstufige Konzerne 635 mengenmäßige Berücksichtigung 208
Methodenwechsel 311 micro hedge 502 Minderheitenanteile 642 Minderheitsgesellschafter 676 Mindesthaftungsvermögen 35 Mindestposteninhalte 246 Mittelherkunft 166 Mittelkurs 418 Mittelverwendung 166 mixed measurement basis 284 Modell 624, 625 Möglichkeit zur Beherrschung 653 monetäre Posten 418, 419 Mutter-Tochter-Beziehungen 652 Mutterunternehmen 635 N Nachaktivierungsverbot 452 Nachhaltigkeit 256 Nachhaltigkeitsberichte 54 Nachprüfbarkeit 241, 598 nachträgliche Anschaffungskosten 298 nachträgliche Ausgaben 298, 433 Namensaktien 516 – vinkulierte 516 nature of expense method 170 Negativabgrenzung 246 negativer Unterschiedsbetrag 657 Nennbetrag 514 Nennbetragsaktien 515 net realisable value 292 Nettogeldvermögen 164 Nettoveräußerungswert 474 Nettovermögen 164 Neubewertungen 454 Neubewertungsbetrag 338 Neubewertungsdifferenz 436, 454, 675 Neubewertungsmethode 700 Neubewertungsmodell 338, 454 Neubewertungsrücklage 339, 521 Neue Institutionenökonomie 373 Neutralität 234 neutrality 234 nicht beherrschende Anteile 642 nicht berücksichtigungspflichtige Ereignisse 346 nicht-monetäre Posten 418, 420
Stichwortverzeichnis
Niederstwertprinzip 312 – gemildertes 312 – strenges 312 non-current assets 246 non-current liabilities 246 Normalbeschäftigung 307 normative research 97 Normenanwender 181 Normengeber 181 Normierung der Rechnungslegung 131 Normierungsinstitutionen 139 – Deutsche Ebene 149 – internationale Ebene 139 notes 266 – Checklisten 267 – deutsche Normen 269 – IFRS 267 Nutzkosten 307 Nutzungswert 282, 321, 392 – Kapitalkostensatzbestimmung 324 O Obergrenze 317 objektive Abbildung 204 objektiver Fehlerbegriff 359 Objektivierbarkeit 445 obligating event 538 Offenlegung 41, 42, 67, 72, 119, 127, 588, 603, 632 Offenlegung« 58 Offenlegungspflichten 495 Ohlson-Modell 124 ökonomischer Gewinn 184 one-voice-policy 60 operating segments 606 Operation 161 Operator 161 Option 499 Optionsprämie 499, 500 organische Bilanzauffassung 187 other comprehensive income 249, 264 Other comprehensive income 165 overriding principle – HGB 245 – IFRS 243
P Pagatorik 167, 203, 304 Parent-Company-Concept 647 Parent-Company-Extension-Concept 646 Passivierungs – -fähigkeit 216 – -grundsatz 216 – -verbot 217 – -wahlrecht 217 Passivierungsfähigkeit – abstrakte 216, 272 – konkrete 272 Passivierungspflicht 412 Patronatserklärung 562 Pauschalwertberichtigung 491, 497 percentage tests 134 Periodenabgrenzung 400, 536 – HGB 231 – IFRS 230 Periodisierungsprinzip 209 Pflichtpublizität 131 planmäßige Abschreibung 305, 433, 453 portfolio hedge 502 Positive Accounting Theory 96 positive research 97 praktisch-normativer Ansatz 380 preannouncements 60 Primärgrundsätze 236 Prime Standard 42 prinzipienbasierter Ansatz 134 Prioritätenregel 366 Problemlösungsmethodik 327, 351 – deutsche GoB 360 – IFRS 351 Prognose 83, 256 Prognosebericht 628 Prognoseeignungsstudien 127 Prognoseproblem 321 Proportionalitätsprinzip 612 Proprietary Concept 646 prospect theory 384 prospektive Anpassung 238 provision 538 Prozyklizität 462 Prüfungspflicht 71 Publizitätskosten 110
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Stichwortverzeichnis
Publizitätstheorie 107 Purchased Goodwill-Ansatz 676 Q qualifizierte Vermögenswerte 299 qualifying assets 299 qualitätsverbessernden Merkmale 284 Quartalsfinanzbericht 74 quasi permanenten Differenzen 410 Quotenkonsolidierung 695 R Rahmengrundsätze 203 Rahmennormen 192, 224 range of reasonably possible outcomes 267 Realisationsprinzip 188, 212 Realisationszeitpunkt 213 Rechenschaftsfunktion 35, 615 Rechnungsabgrenzungsposten 216, 400 Rechnungslegungsfehler 238 Rechnungslegungs Interpretations Committee 153 Rechnungslegungsliteratur 205, 366 Rechnungslegungsmethode 166 – Änderung 238 – Bewertungsmethode 166 – Bilanzansatzmethode 166 Rechnungslegungsnormen 192 Rechnungslegungssystem 94 Rechnungslegungstheorie 94 rechtliche Gegebenheiten 201 Rechtssysteme 135 recoverable amount 293 recycling 251 regelbasierter Ansatz 134 Regelpublizität 65 Regelungslücke 352, 364 – Vorgehensweise bei Vorliegen 364 Regulierungsperspektive 114 Rekalibrierung 505 Rekultivierungsverpflichtungen 429, 434, 435, 552, 556 Relevanz 232, 331 Reproduktionswert 314, 315 Residualbetragsbeteiligte 166 Residualergebnisgröße« 51 Residualgröße 279
Restbetragsbeteiligte 166 Restrukturierungsrückstellungen 541 Restwert 453 retail method 470 retained earnings 239, 339 retrograde Methode (Vorräte) 470 retrospektive Anpassung 238 revaluation-Modell 338, 341, 435, 454 revalued amount 338 Reverse Acquisition 666 RIC 153 Richtigkeit 203 Risiko – -analyse/-bewertung 627 – -früherkennungssystem 626 – -identifikation 626 – -kategorien 625 – -kommunikation 627 – -managementsystem 626 – -steuerung 627 – -überwachung 627 Risikoäquivalenz 330 Risikobericht 624, 626 Risiko-Chancen-Ansatz 344 Risikoprämie (WACC-Ansatz) 326 Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 467, 474 Rückgriffsansprüche 552, 555 Rückkauf eigener Aktien 529 Rücklagen 520 – andere Gewinnrücklagen 527 – Erträge aus Beteiligungen 528 – für eigene Anteile 526 – gesetzliche 525 – Gewinnrücklagen 525 – Kapitalrücklage 521 – Neubewertungsrücklage 521 – offene Rücklagen 520 – satzungsmäßige 526 – stille 521 Rückstellung 345 Rückstellungen 423, 536, 538 – Angabepflichten 557 – Ansammlungsrückstellung 555 – Ansatz 538 – Aufwandsrückstellung 548, 549, 563 – Außenverpflichtung 539 – Ausweis 550
Stichwortverzeichnis
– bestmögliche Schätzung 550 – Bewertung 550 – Bildung 537 – Drohverlustrückstellungen 541, 545 – Ermessensspielräume 391 – für drohende Verluste 545 – für Restrukturierungsmaßnahmen 389 – für ungewisse Verbindlichkeiten 544 – Kulanzrückstellungen 548 – Restrukturierungsrückstellungen 541 – Rückgriffsansprüche 552 – Rückstellungsarten 544 – Rückstellungsspiegel 557 – Sammelrückstellungen 555 – Schutzklausel 559 – Steuerrückstellungen 542 S S/4HANA 177 Sachanlagen 426 – Angabepflichten 441 – Ansatz 427 – Ausbuchung 440 – Ausweis 427 – Erstbewertung 428 – Folgebewertung 433 Sale and lease back 387 SAP 176 say on pay 631 Schätzänderung 238, 453 Schätzung 364, 390 Schätzunsicherheiten 267 – Methode des mehrwertigen Planens 268 Schlussbilanz – -konto 169 Schulden 247, 277 – sonstige 540 Schuldenkonsolidierung 686 Schutzklausel 133, 559 schwebendes Geschäft 496, 499, 545, 546 Segment – -ergebnis 607, 612 – -erlöse 607 – -schulden 612 – -umsätze 607 – -vermögen 607, 612
Segmentberichterstattung 67, 603 – Abgrenzung der Segmente 605 – Ablaufplan 608 – Geschäftssegmente 606 Selbstfinanzierung 511 selbstständige Verkehrsfähigkeit 215 Sensitivität der fortgeführten Buchwerte 267 Separate income statement 164 share deal 459 Share-Deal 636 Sicherungsbeziehung 501 – Angabepflichten 509, 510 – Effektivität 504 Sicherungsinstrument 501 Sicherungsquote 504 Soll-Zustand 161 sozialer Bereich 306 Spekulation 499 Spezialvorschriften 366 spieltheoretische Ansätze 105 Squeeze-out 683 Stammaktien 515 Standardkostenmethode 469 start-up activities 464 statement of changes in equity 263 statement of comprehensive income 250 Stellungnahmen 146 Stetigkeit 204, 237 – Ausweis- 205 – Bezeichnungs- 205 – Durchbrechung 207, 237 – formelle 204, 237 – Gliederungs- 205 – materielle 205, 237 – sachliche 237, 473 – sachliche Dimension 206 – zeitliche 237 – zeitliche Dimension 206 Stetigkeitsgrundsatz 380 Steuerabgrenzung 407 – aktive 409 – passive 409 Steuerbarwertminimierung 382 Steuerbemessungsfunktion 34, 38, 381 – IFRS-Abschluss 43 steuerliche Verlustvorträge 411 steuerrechtlichen Sofortabschreibung 312
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Stichwortverzeichnis
Steuerrückstellungen 542 Steuersystem 137 Stichtagsprinzip 208 stille Lasten 674 stille Reserven 219, 638, 674 Stillhalter 499 Stromgrößen 164 Stückaktien 515 Stückzinsen 486 Stufenkonzeption 286, 320, 652 stufenweiser Anteilserwerb 671 subjektiver Fehlerbegriff 359 Substanzerhaltungskonzepte 185 – relative (qualifizierte) 185 – reproduktive 185 sukzessiver Erwerb 670 – stufenweiser Unternehmenserwerb 671 Summenbilanz 673 Swap 499 Systemcharakter 193 System der Corporate Governance – USA 64 System der Unternehmensfinanzierung 136 Systemgrundsätze 201 T Tagesbeschaffungswert 187 Tageswert 283 tatsächliche Gegebenheiten 201 Tauschgeschäfte 301 Teilgewinnabführungsvertrag 256 Teilgewinnrealisierung – percentage of completion 580 Teilleistung 580 Teilwertvermutung 315 teleologische Auslegung 194 Teleologische Auslegung 196 temporary-Konzept 409 Termingeschäft 499, 506 Tertiärgrundsätze 237 timeliness 241 timing differences 410 Timing-Konzept 410 Tochterunternehmen 635, 697 traditional approach 322 Transaktionskostenansatz 113, 384 Transaktionspreis 573
Transformationsproblem 162 Transparenz-Level 42 triggering event 319 U Überleitungsrechnungen 613 Umfeldfaktoren 135 umgekehrte Assoziationsvermutung 698 umgekehrter Unternehmenserwerb 666 Umkehrschluss 66, 364, 418 Umlaufvermögen 313, 422 Umrechnungsdifferenz 416, 419 Umrechnungskurs 416 Umsatzerfassung – inputorientiert 576 – outputorientiert 577 Umsatzerlöse 250, 567 – Realisierung 569 Umsatzkostenverfahren 173, 175 Umsatzrealisierung 212 Umweltzustand 113 unbestimmte Nutzungsdauer 453 unbestimmter Rechtsbegriff 193 understandability 243 unfertige Erzeugnisse 474 unfertige Erzeugnisse und Leistungen 467 unit of account 270 universal journal 177 unraveling-Prinzip 109, 132 unterjährige Berichte 73 – Bestandteile 75 – Bilanzierung 75 – Prüfung und Haftung 77 Unternehmensbewertung 188, 321 Unternehmenskauf 459 Unternehmenspublizität 46, 65 – weitere Publizitätspflichten 88 Unternehmensrechnung – externe 46, 164 – interne 47, 164 Unternehmensregister« 58 Unternehmenssteuerung – interne 49 – wertorientierte« 50 Unternehmenszusammenschluss 635 Ursachenrechnung 592 Urteilsvermögen 351
Stichwortverzeichnis
V Veränderungsgrößen 164 Verbindlichkeiten 423 Verbrauchsfolgefiktionen 390 verbundene Unternehmen 642 Verdichtungsaufgabe 615 Vereinfachungsverfahren 469 Vergleichbarkeit 204, 237, 598 – zeitliche 237 – zwischenbetriebliche 237 Vergütungsbericht 631 verhaltensorientierte Studien 128 Verhaltenssteuerungsfunktion 47 verifiability 66 Verlustausgleichsfunktion 512 verlustfreie Bewertung 314 verlustfreie Veräußerung 474 Verlustvortrag 265, 411, 413, 522 Vermögensbilanz 182 Vermögenslage 623 Vermögenswerte 246, 274, 277, 279 – abnutzbare 341 – finanzielle 345 – kurzfristige 246 – langfristige 246 – nicht-abnutzbare 341 – nicht-finanzielle 345 – vertragliche 583 verpflichtendes Ereignis 538 Verständlichkeit 240, 243 Verteilungsabschreibung 435 Verträge mit Kunden 570 Vertragsverbindlichkeit 583 Vertriebskosten 306 Verwaltungsbereich 305 Verwaltungskosten – allgemeine 306 – technische 306 Vollständigkeit 208, 233, 234 Vorfragenkompetenz 151 Vorräte 466 – Angabepflichten 475 – Ansatz 467 – Ausweis 467 – Bewertungsvereinfachungsverfahren 470 – Erstbewertung 468 – Folgebewertung 473
Vorsichtsprinzip 218 – Vergleich HGB und IFRS 279 Vorstand 61 Vorzugsaktien 515 W WACC-Ansatz 324 Wahlrecht 293, 388 – Ansatz 389 – Bewertung 390 Wahrscheinlichkeit – subjektive 540 Wahrscheinlichkeitsbegriff 273 Währungsumrechnung 298, 416, 659 – Einzelabschlusserstellung 416 – Konzept der funktionalen Währung 660 – Konzernabschlusserstellung 659 – modifizierte Stichtagskursmethode 660 – reine Stichtagskursmethode 661 – Zeitbezugsmethode 660 Wandelschuldverschreibung 523 Weltabschlussprinzip 653 Wertansatzidentität 679 wertaufhellende Ereignisse 209, 346, 554 Wertaufholung 434, 461, 681 – deutsche GoB 343 – steuerrechtlich 344 Wertaufholungspflicht 343, 435, 475 wertbegründende Ereignisse 209 Werthaltigkeitstest 680 wertmäßige Berücksichtigung 208 Wertminderung 317, 434 – dauerhaft 312 – -test 318, 339 – vorübergehende 330 Wertrelevanzstudien 72, 98, 124 ff., 250, 291 Wesentlichkeit 211, 232, 598 – qualitative 211, 233 – quantitative 211, 232 Wiederbeschaffungskosten 293 Wiederbeschaffungsneuwert 314 – fortgeführter 315 Wiederbeschaffungszeitwert 315 Willkürfreiheit 204, 234 wirtschaftliche Betrachtung 209 wirtschaftliche Einheit 645 wirtschaftliches Eigentum 210
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Stichwortverzeichnis
wirtschaftliche Zugehörigkeit 230 Wirtschaftlichkeit 50 Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit 210 Wirtschaftsbericht 622 Wirtschaftsgut – negatives 217 – positives 216 X XBRL 177 Z Zahlungsmittel 590 Zahlungsmitteläquivalente 590 zahlungsmittelgenerierende Einheit 331, 680 Zahlungsstromkriterium 479 zeitlich begrenzte Differenzen 410 Zeitnähe 241 Zeitwerte 282 Zielkonflikte 382
Zielplan (Abschlusspolitik) 381 Zinsaufwand 171 Zuordnungstabelle (GuV) 173 Zurechenbarkeit der Anschaffungskosten 297 Zusatzkontierung 178 Zuverlässigkeit 331, 336 Zuwendungen der öffentlichen Hand 302 Zwangsreserven 219 Zwangsthesaurierung 37 Zweckbezogenheit der Anschaffungskosten 296 Zweckgesellschaft 650 Zweikreissystem 48 Zwischenergebniseliminierung 690, 691 – bei assoziierten Unternehmen 702 – downstream 696 – Dreiecksgeschäfte 691 – upstream 697 – Zwischengewinn 692