Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde: Lieferung 1 Aal – Duodezimalsystem [2., verm. u. umgearb. Aufl., Reprint 2022] 9783112694428


245 61 72MB

German Pages 208 [212] Year 1918

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Ankündigung
A
B
C
D
Recommend Papers

Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde: Lieferung 1 Aal – Duodezimalsystem [2., verm. u. umgearb. Aufl., Reprint 2022]
 9783112694428

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

ffiealletikcm Der UnDogecmaniscben MtertumskunDe VON

O. SCHRÄDER

ORD. PROFESSOR AM DER UNIVERSITÄT BRESLAU DR. JUR. H. C.

ZWEITE VERMEHRTE UND UMGEARBEITETE AUFLAGE ERSTE

LIEFERUNG

AAL—DUODEZIMALSYSTEM MIT 21 TAFELN UND 19 ABBILDUNGEN IM T E X T

Stcaßburg VERLAG V O N K A R L J. T R Ü B N E R 1917

©

Ankündigung. A b g e s e h e n von dem seit 1 9 0 1 h i n z u g e k o m m e n e n u m f a n g r e i c h e n sprachlichen u n d sachlichen Stoff ist die z w e i t e A u f l a g e des Reallexikons der i n d o g e r m a n i s c h e n A l t e r t u m s k u n d e durch die N e u a u f n a h m e ethnographisch-anthropologischer

Dar-

stellungen der altindogermanischen Völker und ihrer Nachbarstämme, s o w i e durch ein reiches Abbildungsmaterial mehrt worden.

archäologisch-kulturhistorischen

Charakters

ver-

A u c h wurden, u m das W e r k weiteren Kreisen zugänglicher z u

machen, die g r i e c h i s c h e n Zitate, außer i m Urtext, noch in deutscher Ü b e r s e t z u n g gegeben. Auf

diese W e i s e hat sich

vieler H i n s i c h t n e u e n B u c h e

die 2. A u f l a g e d e s R e a l l e x i k o n s zu e i n e m

ausgewachsen,

das in 4 L i e f e r u n g e n

in

ausgegeben

w e r d e n soll.

Aus den Urteilen der Presse über die erste Auflage des Reallexikons der indogermanischen Altertumskunde. „Angesichts dieser so weitgehenden Skepsis muß man es als ein ebenso mutiges wie dankenswertes Unternehmen begrüßen, daß 0 . Schräder jetzt abermals unser gesamtes Wissen von der Kultur der vorgeschichtlichen Indogermanen in seinem großangelegten Werk, dem Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde, zusammengefaßt hat. Dieses Werk ist eine glänzende Widerlegung aller jener, welche der indogermanischen Altertumskunde das Leben abgesprochen haben. So sehr sich auch gegen einzelne Aufstellungen Schräders Einwendungen erheben lassen, so wenig sein Buch als abschließend gelten kann, so sicher wird es doch die G r u n d l a g e für alle weiteren Forschungen auf dem Gebiete der indogermanischen Kultur bilden müssen. Für den Laien aber (und das Buch ist keineswegs bloß für Gelehrte geschrieben) enthält es vorläufig und bis auf weiteres die beste Antwort auf die Frage: „Was wissen wir von den Indogermanen" ? In diesem Werke hat Schräder allen Zweifeln und Bedenken gegenüber den Ergebnissen der indogermanischen Altertumskunde dadurch die Spitze abgebrochen, daß er sich damit bescheidet, die einzelnen Kulturerscheinungen auf ihre frühsten Wurzeln in vorgeschichtlicher indogermanischer Zeit zurückzuführen, ohne ein zusammenhängendes Bild der Kultur der Urzeit zu entrollen. Gerade die bescheidne Form eines Reallexikons eignete sich am besten zur Darstellung unseres noch so vielfach der Ergänzung und des Ausbaues bedürfenden Wissens von der Entwicklung der indogermanischen Kultur". M. Winternitz, Beilage zur Allgemeinen Zeitungl903 Nr. 246 S. 194. „Ein Gelehrter, dessen Name mit der Entwicklung der indogermanischen Altertumskunde schon aufs engste verknüpft ist, tritt uns hier mit einem neuen bedeutenden Werke entgegen, das sich sowohl durch seine innere Gediegenheit als auch durch seine glückliche Form zahlreiche Freunde verschaffen, ja einem weiten Kreise bald zu einem unentbehrlichen Hilfsbuch werden wird. Fortsetzung auf Seile 3 des Umschlags.

A. Aal (Anguilla fluviatilis). § I. Die europäischen Namen dieses Fisches: griech. s-f^eXu? (daneben tfißr(pts' zyye>.Ui. M/(i)u;xvatoi Hes.), lat. anguilla, lit. ungurys (*angurias, woraus finn. ankerias), altpr. angurgis, russ. ugori haben sichere, aber im einzelnen noch nicht bestimmbare Beziehungen zu den idg. Wörtern für Schlange: griech. zyiz = scrt. dhi- und lat. anguis = lit. angis, slav. *onzi, poln. wq,z, russ. uzü (s. weiteres u. S c h l a n g e ) , so daß schwer zu entscheiden ist, ob schon in der Ursprache neben den Wörtern für Schlange ein besonderer Ausdruck für den Aal bestand. Sicher ist ir. esc-ung, eigentl. 'Sumpfschlange' (-ung = lat. anguis), dann 'Aal', und, wenn (bei Stokes Urkeltischer Sprachschatz S. 319) aus kymr. y-slywen, slowen 'Aal' und bret. stlaonenn 'petite anguille' ein urkeltisches *slangio 'Aal' mit Recht erschlossen wird, so dürfte auch dies nicht von ahd. slango, altn. slange getrennt werden können. Das gemeingerm. ahd. äl {*ela-z; Vermutungen darüber bei Hirt I. F. X X I I , 68, Uhlenbeck P.Br.Beitr. XXXV, 162, Feist Kultur der I. S. 187), sowie korn. selli, arem. sili (Zeuß Gr. Celt.3 S. 1074) sind dunkel. § 2. Bemerkenswert ist, daß bei Homer die Aale sichtlich noch nicht zu den Fischen gerechnet werden, wie der Ausdruck i^yßXosi T£ xal fydos; (II. XXI, 203) zeigt. Dieser Auffassung begegnet man noch heute im nördlichen Rußland, wo dem Verfasser versichert wurde, daß die Bauern von Aalen dort nichts wissen wollen, d a sie d i e s e l b e n f ü r S c h l a n g e n h a l t e n . „Aale", sagt man auch an anderen Orten Rußlands, „darf man erst dann essen, wenn man in sieben Städten keinen Fisch finden kann" (vgl. A. Jermolov Die landwirtschaftliche Volksweisheit, russ. III, 365). Auch ist bekannt, daß die Aale oft aus dem Wasser O. S c h r ä d e r , Reallexikon.

2. A.

herauskriechen und, ganz wie die Schlangen, weite Strecken im feuchten Grase dahinschleichen. Alles dies läßt vom sachlichen Standpunkt eine frühe sprachliche Unterscheidung zwischen Aal und Schlange nicht erwarten. Im Gegensatz zu dem slavischen ist dagegen im germanischen Norden, besonders in England, der Fisch frühzeitig beachtet und geschätzt worden (vgl. Hoops R.L. I, 3). § 3. Als von Wichtigkeit ist die Frage, ob der Aal schon in der Urzeit bekannt gewesen sei, für die Bestimmung der U r h e i m a t d e r I n d o g e r m a n e n (s. d.) deswegen angesehen worden, weil der Fisch in den Stromgebieten des Kaspischen und des Schwarzen Meeres nach Brehms Tierleben Fische 3 S. 399 nicht vorkommen soll. Diese Anschauung ist aber nach neueren zoologischen Untersuchungen (vgl. darüber Vf. Sprchvgl. u. Urg. 113,147) für die Gegenwart sicher, für die Vergangenheit höchst wahrscheinlich falsch. Auch versteht man nicht, wie, w e n n der Aal in den Gewässern des südlichen Rußland von alters her gefehlt hätte, der urslavische Name des Fisches (russ. ugori, poln. w^gorz, cech. ühor usw.) sich auch im Kleinrussischen (uhor) hätte e r h a l t e n können. Die kleinrussischen Fischer kennen aber den Fisch unter seinem alten Namen sehr wohl, und gerade die ruthenische Bevölkerung (vgl. Jermolov aaO.) zeigt sich aufs innigste mit seinen Lebensgewohnheiten vertraut. § 4. Somit steht also die Sache so, daß, selbst w e n n aus Gleichungen wie griech. ijX&küi = lat. anguilla oder griech. fjxßirjpic = lit. ungurys fertige, urverwandte Wörter zu folgern sein sollten, und selbst w e n n für diese nicht die Bedeutung 'Schlange', sondern die von 'Aal' angenommen werden müßte, dies alles für die Urheimatsfrage aus den genannten tiergeographischen

2

ABEND—ABGABEN

Gründen gleichgültig wäre. — S. u. F i s c h , Fischfang. Abend. § I. In der Benennung des Abends gehen die idg. Sprachen in Gruppen auseinander. Es decken sich scrt. doshä 'Abend, Dunkel' und aw. daosa- (vgl. griech. Suofiat 'gehe unter', 8u, lat. arare, ir. airim, got. arjan, agls. erian, altsl. orati, lit. drti. P f l u g : griech. opotpov, lat. aratrum, ir. arathar, altn. arär — armen. araur\ altsl. oralo, lit. ärklas. P f l u g s c h a r : griech. ¿cpvi?, lat. vSmis, ahd. waganso, altpr. Wagnis. E g g e : griech. (Hes.) ¿St'vij, lat. occa, occare, ahd. egjan, egida, lit. ake'ti, akeczios, altkorn. ocet. S ä e n : lat. sero, kymr. heu, ir. sil 'Same', got. saian, altsl. sijq,, lit. seti (vgl. tochar. A. säsäryu 'gesät' = Part. p. v. e. W. sär{y)). S a m e : lat. simen, ahd. sdmo, altsl. seme, altpr. semen, lit. semu. K o r n : lat. granum, ir. grdn, kymr. grawn, got. kaürn, altpr. syrne, altsl. zrüno. M ä h e n ( E r n t e ) : griech. djid«), ahd. md-

8

ACKERBAU

jan; griech. «tir^o; 'Ernte' = ahd. mäd vgl. auch lat. meto und ir. meithel methel 'a party of reapers', a l t k y m r medel id.; beachte ferner got. asans ahd. aran, altpr. assanis, altsl. jesen .Herbst': im Germanischen erhaltene Grundbedeutung 'Erntezeit' (got. asneis 'Tagelöhner'). S i c h e l : griech. aprcij, lat. sarpere, ir. serr (K. Z. X X X V , 264), altsl. srüpü, lett. sirpe. M a h l e n : griech. lat. molere, ir. melim, got. malan, altsl. meljq, lit. mdlti, alb. miel 'Mehl'. H a n d m ü h l e : got. qairnus, ir. br6, lit. glrna, altsl. zrünüvü — armen, erkan (scrt. grävan- 'Stein zum Auspressen des Sornas'). S i e b : lat. cribrum, ir. criathar, ahd. ritera. T e n n e : griech. aXa>;, ä\wri = a l t schwed. 16 (s. o. finn. luuva). D r e s c h e n : griech. Tpißto, got. priskan. W o r f e l n : griech. vetxXov• Xixvov Hes. = lit. neköju 'schwinge Getreide in einer Mulde'; lat. vannus = ahd. wanna. Ä h r e : (Spreu) griech. a/voti, lat. actis, got. ahs, ahana. H a l m : griech. xaXatjxo?, lat. culmus, ahd. halm, altsl. slama. F u r c h e : lat. porca, ahd. furuh, altbret. reo — armen. herk{}). F u r c h e : lat. sulcus 'Furche', agls. svlh 'Pflug'. B e e t : , lat. lira, lit. lyse, altsl. licha (mhd. leis 'Spur'). B r a c h l a n d : gall. olca (bei G r e g o r v . T o u r s nach W . Meyer-Lübke Rom. et. Wb.), agls. fealg, engl, fallow etc. (F.Kluge). Hierzu tritt noch eine ziemlich große Zahl übereinstimmender Benennungen von F e l d f r ü c h t e n , wenngleich bei dem zuweilen starken Auseinandergehen der Bedeutungen innerhalb der einzelnen Reihen die älteste und ursprüngliche festzustellen nicht immer möglich, und wenngleich gerade hierbei das alte E r b g u t v o n altem Lehngut abzusondern o f t schwierig ist. Es sind die folgenden: G e r s t e : griech. xpi, xpt&fy lat. hordeum, ahd. gersta (ob auch armen, gart und pehl. )urtak,Sbal. zurt hierhergehören, ist zweifelhaft). W e i z e n : griech. itupos, lit. pürai 'Winter -

weizen', lett. püri id. (aber altsl. pyro wird mit far, milium wiedergegeben, nsl. pira 'Spelz', russ pyrej 'Quecke', agls. fyrs id.; ob scrt. püra 'Kuchen' hierher zu stellen ist, bleibt zweifelhaft). H i r s e : griech. (isXivi), lat. milium, lit. malnos, letzteres 'Schwadengrütze'. ?: lat. far, farris aus *farsis 'Spelt', got. bariz-eins 'aus Gerste', altn. harr, agls. bere 'Gerste', altsl. brasino aus *borsino 'Speise'. H a f e r : lat. avena, altsl. ovtsü, lit. awizä, altpr. wyse. M o h n : griech. ¡jl^xojv, ahd. mago, altpr. moke, altsl. makü. Flachs: griech. Xivov, Xitt, Xtta, lat. linum, linteum, ir. lin, kymr. llin, ahd. U11 neben ahd. lina 'Leine', lit. linas, linat, altsl. linü (Urverwandtschaft und Entlehnung scheinen sich in dieser Sippe zu kreuzen). B o h n e : lat. faba, altsl. bobü, altpr. babo (alb. bai)s oder letzteres = griech. »otxof 'Linse'). E r b s e : lat. cicer 'Kichererbse', griech. xpioj id., altpr. keckers 'Erbse' (armen. sisern 'Erbse'?). Z w i e b e l (?): griech. xpofioov aus *xpo{jlouov, russ. ceremsd, lit. kermuzse, agls. hramsa (die letzteren drei bedeuten 'Bärenlauch' oder 'wilder Knoblauch', so daß an einen ursprünglichen A n b a u k a u m zu denken ist). R ü b e : lat. räpa, griech. poiitoi, alb. repe. altsl. ripa, lit. rope, ahd. ruoba (mit noch unaufgeklärten Lautverhältnissen). Eine

C u c u r b i t a c e e : griech. 31x0?, Genau«, aixoof 'Gurke' = altsl. tyky 'Kürbis' (*tvek- : tük-). Die weitaus meisten der hier genannten Kulturpflanzen lassen sich nach dem obigen bereits im steinzeitlichen Europa prähistorisch nachweisen. Ausnahmen machen der H a f e r , dessen Vorhandensein erst in der Bronze- und Eisenzeit zu belegen ist, sämtliche C u c u r b i t a c e e n a r t e n und die R ü b e , deren Kerne oder Samen bis jetzt überhaupt nicht gefunden sind. Hinsichtlich der Zwiebelgewächse (vgl. Hoops aaO. S. 330), die in der Regel durch Knollen, nicht durch Samen fortgepflanzt werden,

ACKERBAU ist eine prähistorische Bewahrung nicht zu erwarten. § 4. Alle im bisherigen genannten sprachlichen Gleichungen haben, wie schon bemerkt, miteinander gemein, daß sie sich auf die Europäer (bezüglich Europäer und die von diesen in vorhistorischer Zeit losgelösten A r m e n i e r s. d.) beschränken und selbst in den wenigen Fällen, wo sie zu den Ariern hinübergreifen (vgl. scrt. äjra- bei A c k e r , grävan- bei H a n d m ü h l e ) hier eine nicht agrarische Bedeutung zeigen. Immerhin fehlt es auch zwischen den europäischen und arischen Sprachen doch nicht ganz an Übereinstimmungen, welche sich auf Landbau und Feldfrüchte beziehen. Hierher gehören vor allem die beiden Reihen scrt. ydva- 'Getreide, Gerste', aw. yava- (npers. }6 'Gerste', osset. yeu, yan 'Hirse', Pamird. yogj 'Mehl'), griech. Ceot, lit. jawat 'Getreide', ir. eörna 'Gerste' und scrt. pish, griech. imaato, lat. pinso, eine Verbalwurzel, die in zahlreichen idg. Sprachen mit der Verarbeitung des Getreides in engstem Zusammenhang steht (aw. pistra'Zerstampfung des Getreides', npers. pist 'farina tosta tritica', altn. fis 'Spreu', altsl. piseno 'Mehl', altpr. som-pisinis 'grobes Brot'; s. auch u. M a h l e n , M ü h l e ) . Vgl. ferner scrt. lavi- = griech. XotTov, altn. le 'Sichel' und scrt. pal'ava- = lat. palea, lit. pelai, altpr. pelwo, altsl. ptiva 'Spreu'. Geringere geographische Verbreitung zeigen die Gleichungen lit. duna ' B r o t ' = scrt. dhänä im PI. 'Getreidekörner', äw. ddna(npers. ddne, Pamird. pinj-danä 'Hirse'); lit. dirwä 'Furche' (mittelndd. terwe, tarwe 'Weizen') = scrt. dü'rvä 'Hirse'; griech. tsX7riuv aqpc'tuv. iroXu 8s irXsiou; r(aotv -pvaixsc, 8aasiat "ois aiufxctat, as oi epftr(v££i sxaXouv ropiXXa?. 8iu>xovxs? 8s avopas ¡isv aoXXaßsTv oux ^Suvri^Tjasv, aXXa irävxe; iieou*pv xp^fj-voßaTai ovxs; xai xoi? 7tsxpoii dfibvousvot, "cuvaua; os xpsis, ai oa'xvouaai xs xai airapäxxouaat xou? a-pvx«? oux 7)i)sXov srsaöai. aTtoxxctvavxs? fisvxoi auxä? I£s8sipajisv xai xai 8opa? sx0p.i3au.sv st? Kap^ijSöva 1 ) (Müller Geogr. graeci min. I, 13 f.). § 3. Noch später als xr ( ßo; sind griech. ¡itjxiu, vielleicht mit Anlehnung an (xijieiailat aus npers. maimdn (oder u m g e k e h r t ? vgl. auch türk. majmun, alb. maimün, ebenso südslavisch und ngriech.), das wieder mit scrt. mayü- 'Affe' (Zimmer A l t i n d . Leben S. 85) irgendwie zusammenhängen könnte, xaXXtas, eigentl. „ S c h ö n c h e n " (vgl. C. Ulbricht D e animalium nominibus Aesopeis, Marburg 1908 S. 14 f.), und xspxoiciDijxo;, xspxuxp: xspxoc ' S c h w a n z ' bezeugt. In I t a l i e n finden wir bei H e s y c h ein etrurisches apip-o; mit wohl zufälligem A n k l a n g an lett. erms 'Affe', 'wunderliche Erscheinung', 'Possenreißer' (J. Endzelin Glotta III, 275) und das dunkle lat. clüra, clusa, cluna (vgl. G. Goetz Thes. Gl. s. v . dura). A n eine V e r s t ü m m l u n g aus griech. xoXoupo? ' s t u t z schwänzig' kann bei letzterem schon deshalb nicht wohl gedacht werden, weil clüra (vgl. G. Goetz aaO.) gerade der geschwänzte A f f e

') „Im Hintergrund der Bucht war eine Insel, jener ersteren ähnlich, mit einem See. Und in diesem war eine zweite Insel, voll von wilden Menschen. Viel zahlreicher waren die Weiber, zottig am ganzen Leib, welche die Einwohner Gorillas nannten. Die Männer konnten wir bei unserer Verfolgung nicht fangen, da sie auf abschüssige Orte liefen und sich mit Steinen verteidigten, wohl aber drei Weiber, die beißend und ihre Führer kratzend nicht folgen wollten. Wir töteten sie, zogen ihnen die Felle ab und brachten diese nach Karthago." O. S c h r ä d e r ,

Reallexikon.

S.A.

ist. L a t . simia endlich wäre nach K r e t s c h iner K . Z. X X X I I I , 563 identisch mit dem griechischen S k l a v e n n a m e n Sijitas (: griech. atjid?, lat. simus 'stumpfnasig') und ursprünglich ein volkstümlicher Scherzname des A f f e n (ähnliches s. u. H a h n , H u h n ) . Über die B e d e u t u n g des A f f e n bei Griechen und Römern vgl. Keller Tiere des kl. A l t e r tums S. 1 ff., Die antike Tierw. I, 3 ff. § 4. A u f verschiedenen W e g e n ist der A f f e z u d e n N o r d v ö l k e r n gelangt. H e s y c h bietet die Glosse dßpa'va?" KsXxoi xouc xspxoiriilVjxous. Liest man hierfür mit einer alten E m e n d a t i o n (Reinesius)^ *dßßotv a * d ß a ' v a j , so erhält man die germanische Grundform *apan-, altn. ape, ahd. affo. D i e Germanen würden demnach schon v o r der ersten L a u t v e r s c h i e b u n g den N a men des A f f e n v o n : d e n K e l t e n empfangen haben, welche das possierliche Tier frühzeitig e t w a v o n Massilia her kennen lernen konnten. E s m a g öfters v o r g e k o m m e n sein, w a s Cicero D e div. I, 34 v o m K ö n i g e der Molosser berichtet, daß B a r b a r e n h ä u p t linge sich einen A f f e n zur K u r z w e i l hielten. Eine weitere V e r k n ü p f u n g des keltischgermanischen S t a m m e s *aban-, *apan- ist bis j e t z t nicht möglich, man m ü ß t e denn auch hier unter A n n a h m e eines K o n s o n a n tenschwundes im A n l a u t an Z u s a m m e n hang mit scrt. kapi- usw. denken. Die Slaven haben das germanische W o r t (altruss. opica, altcech. opice), aber auch das altgriechische (altsl. pitikü) und dazu einen orientalischen A u s d r u c k : russ. obezijäna, lit. bezdzidne (volksetymologisch wohl durch bezdme 'der Hintere' beeinflußt; v g l . das oben § 1 angeführte zweite Fragment des Archilochus und vielleicht lat. cluna aus clüra: clünis 'Hinterer') aus türk.-pers. ebuzini, buzine entlehnt. Im Germanischen begegnen noch ein ahd. merikazza, mhd. merkatze (weil die Tiere übers Meer k a m e n ; v g l . scrt. mdrkata-, soghdisch makarä 'Affe'), ein mndl. simme, simminkel 'Affe' aus lat. simia (*simiuncula s. o.) und ein agls. sprinca aus lat. spinga (spingion, sphinx 'Affenarten'). Vgl. auch engl, monkey, oberd. muonaff aus ital. monna, mona 'Affe' (Madonna). Hauptsächlich Italiener sind es noch heute, die mit A f f e n und anderen merkwürdigen Tieren in den Städten und Dörfern des nördlichen E u r o p a umherziehen. 2

AHLE—AHNENKULTUS

18

A h l e . § i . Spitzige, ahlen- oder pfriemen artige W e r k z e u g e aus Horn, K n o c h e n oder Flint, vornehmlich wohl zum Durchbohren des Leders gebraucht, sind aus der neolithischen Periode (Fig. i) und schon aus früherer Zeit zahlreich an den T a g gekommen. Neben Dolch und Beil ist ferner der P f r i e m das älteste W e r k z e u g , das aus Metall ( K u p f e r und Bronze) hergestellt wurde (vgl. M. Much K u p f e r z e i t 2 S. 186 f.). § 2. Der i d g. N a m e desselben ist scrt. ärä 'Ahle', 'Pfriem' = ahd. äla (neben alansa, altn. alr), lit. yla, altpr. ylo, lett. ilens (die drei letzteren m i t auffallendem S t a m m v o k a l ) ; daneben lat. suFig. i bula = cech. si-dlo, poln. szy-dio, ^'s.'MÜHER, russ. silo: lat. suo, ahd. siula Nord. jAiter-. s u N a d e l . UnaufStraßburgf geklärt sind: griech. ¿-eos (vgl. 1897. 7. ¿ . ^ ' L o c h ' ? ) , mhd. pfrieme, agls. preon, altn. prjdnn (woraus ir. prin) und S. u. gemeinkeit. ir. menad (*minaveto-). Werkzeuge.

Ahnenkultus. I. Ü b e r s i c h t der Q u e l l e n §

1— 6.

II. Über-

e i n s t i m m u n g e n der G r u n d g e d a n k e n u n d B r ä u c h e . A . B e z e i c h n u n g u n d A u f f a s s u n g d e r A h n e n § 7. B.

Ihre A u f n a h m e

V o r f a h r e n § 8.

in

die Z a h l

u n d H a u s s c h l a n g e n § 9. und Totenfeste, Plätze

§

11.

D.

§

geehrten

Erinnerungsmahle

a) D i e Z e i t e n § c)

Das

Ritual.

u n d E n t l a s s u n g der S e e l e n § 12. wirtung

der

C . D i e V o r f a h r e n als H a u s g ö t t e r

13.

7)

Die

10. a)

b)

Die

Einladung ß) Ihre B e -

Totenspeisen

§

14.

8) D i e S t i m m u n g der T e i l n e h m e r § 1 5 .

s) S p e i -

s u n g v o n Bettlern § 1 6 . Q B ä d e r § 1 7 .

III. Reli-

gionsgeschichtliche Ahnenkultus.

u n d soziale B e d e u t u n g

A . Geister § 1 8 .

des

B. Götter § 19.

C . V e r w a n d t e n k r e i s e § 20.

§ i . Bei allen Indogermanen findet sich, wie auf anderen Völkergebieten, die Vorstellung, daß die Seelen der Verstorbenen in ihren Gräbern oder außerhalb derselben seitens ihrer Angehörigen wiederholter Labung durch Speise und T r a n k bedürften. Insofern diese L a b u n g v o n den Mitgliedern der einzelnen Familienverbände den Seelen der A b g e schiedenen der eigenen Sippe oder der eigenen Hausgemeinschaft dargebracht wird, ist statt v o n einem S e e l e n k u l t u s

v o n einem A h n e n d i e n s t zu reden, der sich dann wieder, wenn er sich auf einzelne durch ihre T a t e n besonders berühmte und darum als Schutzgeister jener Familienverbände, später des Landes, welches sie bewohnen, verehrte Vorfahren bezieht, zu einem nur auf höheren Stufen bezeugten H e r o e n k u l t u s erhebt. Bei der A u f zählung der Zeugnisse für diese A n s c h a u ungen wird es g u t sein, mit den n ö r d l i c h e n Indogermanen zu beginnen, bei denen die ursprünglichen Verhältnisse sich naturgemäß ungetrübter als bei den arischen und südeuropäischen Völkern erhalten haben. § 2. ( B a l t e n u n d S l a v e n . ) Ihre hierher gehörigen Bräuche f a ß t Johan. Lasicius D e diis Samagitarum, Basileae 1615 (ed. W . Mannhardt, R i g a 1868), Cap. 57 f. (dieser Teil ist ein f a s t wörtlicher A b d r u c k der Schrift des J a n Malecki, alias Joannes Menecius D e Sacrifìciis et Idolatria v e t e r u m Borussorum, L i v o n u m aliarumque vicin a r u m gentium, Scriptores Rer. L i v o n . II, 389 ff.) folgendermaßen z u s a m m e n : Qui funus mortuo jaciunt, nummos proiciunt in sepulcrum, futurum, mortui viaticum. pattern quoque et lagenam cervisiae plenam ad caput cadaveris in sepulcrum illati, ne anima vel sitiat vel esuriat, collocant. uxor vero tarn oriente quam occidente sole super extincti coniugis sepulcrum sedens vel iacens lamentatur diebus triginta. caeterum cognati celebrant convivia die a funere tertio, sexto, nono et quadragesimo. ad quae animam de fune ti invitant precantes ante ianuam. ubi tacite assident mensae, tamquam muti, nec utuntur cultris ministrantibus duabus mulieribus, sed absque cultris, eibumque hospitibus apponentibus. singuli vero de unoquoque ferculo aliquid infra mensam abiciunt, quo animam pasci credunt eique effundunt. Si quid forte decidat in terram de mensa, id non tollunt, sed desertis, ut ipsi loquuntur, animis, quae nullos habent vel cognatos vel amicos vivos, a quibus excipiantur convivio, relinquunt manducandum. peracto prandio surgit a mensa sacri ficulus et scopis domum verrens animas mortuorum cum pulvere, tamquam pulices, haec dicens eicit : Edistis, inquit, bibistis, animae, ite foras, ite foras. posthaec ineipiunt convivae inter se colloqui et certare poculis,

AHNENKULTUS mulieribus viris praebibentibus et viris vicissim Ulis seque invicem osculantibus. In den nicht von Menecius herrührenden Teilen der genannten Schrift nennt Lasicius (Cap. 48) dann noch einen Gott der Seelen Vielona (s. u.) : Cui tum oblatio offertur, cum mortui pascuntur. dari autem illi soient frixae placentulae quattuor locis sibi oppositis paullulum discissae. eae Sikies Vielonia pemixlos nominantur („Fladen, die dem V. wohlgefällig sind", vgl. Usener-Solmsen Götternamen S.104) und (Cap.5i)einezweiteTotengottheit Ezagulis (wörtl. 'der auf dem Feldrain liegende' d. h. der Tote), von dem es heißt: Skierstuwes (lit. skerstùwês 'Schlachtschmaus') festum est farciminum, ad quod deum Ezagulis ita vocant : Vielona vélos atteik musmup und stala. Veni, inquit, cum mortuis farcimina manducaturus (wörtlich ,,V. im Totenreich, komm' zu uns an den Tisch", vgl. Usener-Solmsen S. 90 und v. Grienberger Archiv f. slav. Phil. X V I I I , 43 f.). Auch alte und vornehme litauische Familien kannte Lasicius (Cap. 47), die besondere Familiengötter verehrten (vgl. v. Grienberger aaO. S. 28 f.). Auf w e s t - s l a v i s c h e m Boden enthalten polnische Zeugnisse (polnisch-lateinische Predigten des X V . Jahrh., vgl. A. Brückner Archiv f. slav. Phil. X I V , 183 ff.) wichtige Angaben über den Kult der Toten. So wird von dem TJbose (altsl. ubozije 'das arme Männchen', entsprechend den deutschen Wichten und Kobolden), das direkt den lat. mânes 'Geister der Verstorbenen' gleichgesetzt wird, berichtet: Daemonibus sacrificia offerunt, quae dicuntur vbosthye, remanentes seu derelinquentes eis residuitates ciborum quinta feria post cenam, ferner : (einige waschen die Schüsseln am Charfreitag nach der Mahlzeit nicht ab) ad pascendum animas vel alias, quae dicuntur vbosthe usw. Eine andere Nachricht erzählt von Feuern, an denen sich die Ahnenseelen wärmen sollen: Cremare focos ardentes feria quarta magna secundum riturn paganorum in commemorationem animarum suarum cariorum. Wichtiger aber als derartige vereinzelte literarische Bemerkungen sind die von P. V. Sejn (Sbornik L I Nr. 3) aus dem heutigen Volksleben gesammelten Materialien zur Kenntnis des Lebens und

19

der Sprache der russischen Bevölkerung Weißrußlands, in denen I, 2, 2 von den „Begräbnis- und Gedächtnisbräuchen, Leichenklagen und Klagegesängen über Verstorbene" gehandelt wird. Auf ihre kulturhistorische Bedeutung ist zuerst von dem Vf. in der Encyclopaedia of Religion and Ethics von J. Hastings II s. v. Aryan Religion (1909) ausführlich hingewiesen worden. Weitere wichtige Beobachtungen wurden dann von M. Murko in einem Aufsatz Das Grab als Tisch (W. u. S. II, 1910 S. 79 ff.) hinsichtlich aller slavischen Völker gemacht. §3. In D e u t s c h l a n d wirdim Indiculus superstitionum et paganiarum ( X X V : de eo quod sibi sanctos fingunt quoslibet mortuos) das sacrilegium ad sepülcra mortuorum verboten (der dafür gebrauchte Ausdruck dadsisas ist noch nicht erklärt; ein neuerer Versuch bei G. Graber Z. f. ö. Gymn. L X I I I , 493), und noch ums Jahr 1000 eifert Burchard von Worms (bei J. Grimm D. Myth. III 4 , 407) gegen die oblationes, quae in quibusdam locis ad sepulcra mortuorum fiunt. Von g ö t t l i c h e r Verehrung der Ahnenseelen wissen Jordanis Cap. 13: Iam proceres suos, quorurn quasi fortuna vincebant, non puros homines, sed semideos, id est anses (s. u. § 19), vocaverunt und der schon gen. Indiculus: De eo quod sibi sanctos fingunt quoslibet mortuos zu berichten (vgl. weiteres bei Golther Handbuch der germanischen Mythologie S. 90 ff. und E. Mogk Mythologie in Pauls Grundriß III 2 , 249 ff., sowie bei demselben inHoops 1 R. L. Is.v. Ahnenkult). Noch heute setzt man, namentlich in Tirol, „den armen Seelen, die an Allerheiligen aus dem Fegefeuer geläutert werden, in ihrer Heimat Krapfen und Milch auf den Tisch, was dann morgens Arme wegholen, wärmt ihnen die Stube und bietet ihnen in Lämpchen linderndes Öl für ihre Brandwunden" (vgl. E. H. Meyer Deutsche Volkskunde S. 275, wo weiteres). § 4. Wendet man sich zu Ariern und Südeuropäern, so werden in I n d i e n die Vorfahren (pitdras) mit ihren auf der Erde zurückgebliebenen Verwandten, den näheren (sapinda-) und ferneren (samanddaka-)i durch einen streng geregelten Totendienst verbunden, der z w e i Arten religiöser Handlungen aufweist, das pindapitfyajna- 'das 2*

20

AHNENKULTUS

Klößeväteropfer'(/>iWa- ' K l o ß ' , daher sapin da- 'der mit anderen K l ö ß e darbringt', 'Verwandter', ' A g n a t ' ; vgl. oben § 2 die litauischen dem Vielona angenehmen Fladen und u. § 14) und die gräddha-, ebenfalls Totenmahle, in gläubiger Gesinnung (graddhä) dargebracht, bei denen einem oder mehreren Verstorbenen zu Gefallen Brahmanen gespeist werden, und nach denen den Manen Wasser, Pinda's, Salbe, Kleidung und wieder Wasser (daher samanddaka- aus samana- 'zu sammen' und udaka- 'Wasser') dargebracht w i r d " (vgl. W . Caland Über Totenverehrung bei einigen der idg. Völker, Amsterdam 1888, derselbe Altindischer Ahnenkult, Leiden 1893, Hillebrandt Ritual-Literatur, Grundriß der ind.-ar. Phil. III, 2; 87 ff.). Die Bedeutung der ganzen Institution ist eine außerordentliche und hängt, wie sich noch weiter zeigen wird, aufs innigste mit dem altindischen Ehe- und Erbrecht zusammen. Die Anschauungen, auf denen dieser Unsterblichkeitsglaube und Totendienst beruht, sind sowohl was den A u f enthalt der Seelen (nämlich im Himmel) wie auch die Formen der ihnen gespendeten Opfer anbetrifft, schon in vedischer Zeit geläuterte. Doch fehlt es nicht an Spuren eines älteren, mit dem oben geschilderten altbaltischen usw. nahezu auf einer Stufe stehenden Seelenglaubens, wie sie namentlich in der Schilderung der Totenopfer bei Gobhila in den Grhyasütras hervortreten. „ N i c h t s " , sagt Oldenberg Die Religion des V e d a S. 553, „ d e u t e t hier auf himmlische Wohnungen, der Seelen; die Gaben für sie werden nicht durch das Opferfeuer nach oben gesandt. Sie werden in die Erde gelegt: in der Erdtiefe oder auch auf der Erde, in der Nähe der menschlichen Wohnung haust die Seele und wartet, daß die Lebenden ihren Hunger stillen und sie kleiden. Sie k o m m t zum Mahle heran, setzt sich an den Platz, den man für sie zugerichtet hat, oder schlüpft in das Wassergefäß; v o n der Speise, die man ihr gibt, genießt sie die Hitze und läßt die erkaltete Substanz liegen. H a t sie ihr Teil empfangen, so achtet man darauf, daß der unheimliche Gast nicht länger v e r w e i l t . " 5. Nicht zurück an Bedeutung hinter dem indischen.steht der r ö m i s c h e Totendienst mit seinen dei pafentum, :mane'ß

{Mania 'Mutter der Laren'), petidtes, lemüres, larvae, läres. V o n diesen nicht immer scharf geschiedenen Namen bezeichnet mânes (: altlat. mânus 'gut', mâne 'zu guter Stunde'; schwerlich mit Ehrlich K . Z. X L I , 294: griech. [ir,vi; 'Zorn'; vgl. auch griech. ypr^zoi, ¡1dxape; usw., mhd. die guoten, holden) im allgemeinen die verklärten Geister der Verstorbenen, denen eine Bestattung zuteil geworden war, „während die lemures und larvae eher für die Seelen derjenigen galten, welche infolge eines gewaltsamen Todes oder begangener Sünden unstät umherirrten". Die läres im besonderen sind die guten Schutzgeister der Familie (lâr familiaris), denen bei jeder Gelegenheit Speise und T r a n k in kleinen Schüsselchen auf dem Herde dargebracht wurden. Diese Scheidung in gute und böse Geister der Verstorbenen kann aber k a u m etwas Ursprüngliches sein, da läres (läses) und larva (*ldsua) offenbar auf A b l a u t beruhen und aus demselben Stamm *läs- (vgl. auch Lârentalia s. u. § 10) hervorgegangen sind. A u c h fehlt es nicht an Stellen, an denen die Laren noch als böse und gierige Geister der Unterwelt aufgefaßt sind, zu denen man betet, daß sie das Lebendige verschonen und sich an Bildern des Lebendigen genügen lassen möchten. Vgl. Festus ed. M. S. 237 (nach wahrscheinlicher Ergänzung) : Pilae effigies viriles et muliebres ex lana Compitalibus in compitis suspenduntur, quod hunc diem festum esse deorutn inferorum putant, eorum, quos vocant Lares, quibus tot pilae suspenduntur, quot capita sunt servorum, tot effigies, quot sunt liberi homines in familia, collocantur, ut vi vi s parcant, pilis et simuLacris contenti. Anders, aber nicht überzeugend über die ursprüngliche Bedeutung der Laren urteilt Wissowa in Roschers Ausf. Lexikon der griech. und röm. Mythologie Und in Religion und K u l t u s der Römer S. 148 ff. (*i66), wo im Gegensatz zu der Auffassung des klassischen Altertums, z. B . der des Verrius Flaccus bei Festus Pauli S. 121 : Lares animae esse putabantur hominum redactae in numerum. deorum, die Laren vielmehr als Flur- und Ortsgeister gedeutet werden; doch haben die meisten Neueren (vgl. z. B. Samter Familienfeste S. 115, Walde Lat. .et. W b , 2 ' s . , v o n lâr und larva, W. F. Otto

AHNENKULTUS Römische Sagen III, Wiener Stud. XXXV) an der oben gegebenen Erklärung mit Recht festgehalten. § 6. Sehr merkwürdig haben sich schließ r lieh die g r i e c h i s c h e n Verhältnisse entwickelt, die bis auf ihre Behandlung durch E. Rohde in seinem Buche Psyche, Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Freiburg i. B. 1890 (2. Aufl. 1898) die Annahme eines ursprünglichen Ahnenkultes bei den idg. Völkern erschwerten. Nach der homerischen Anschauung führen die Seelen der Entschlafenen im Hades ein derOberwelt •ganz und gar entrücktes, schattenhaftes, körper- und bewußtseinloses Dasein, so daß für den Lebenden keine Veranlassung und keine Möglichkeit vorliegt, ihnen mit Spenden und Opfern zu nahen. Trotzdem ragen auch in die homerische Zeit, .wie Rohde gezeigt hat, die Überreste eines einst stark ausgeprägten griechischen Seelenglaubens hinein. Das einleuchtendste Beispiel hierfür ist das Leichenbegängnis des Patroklos (IL X X I I I , 164 ff.), das stattfindet, nachdem in der vorhergehenden Nacht die Psyche des noch unbestattet liegenden Freundes den Achilleus an die schleunige Erfüllung seiner Bestattungspflicht gemahnt hat. In der Tat kann nach den Ausführungen Rohdes ein Zweifel darüber nicht bestehen, daß wir es hier mit der dem homerischen Griechen selbst nur noch halb verständlichen Schilderung eines regelrechten Totendienstes zu tun haben, durch den die Seele des heimgegangenen Freundes mit Speise und Trank, aber auch mit Blut von Tieren und Menschen erquickt werden soll. Nicht weniger birgt das Totenopfer, das der Dichter der Hadesfahrt des Odysseus diesen in der Unterwelt darbringen läßt, die Erinnerung an eine Zeit, in der man derartige Spenden, wie sie hier geschildert werden (Weiheguß in die Grube aus Milch, Honig, Wein, Wasser, Blut des Widders und Schafes usw.), den Seelen zur Labung auf der Oberwelt darbrachte (Rohde 5 S. 49-ff.). Abgesehen von diesen und einigen anderen, minder bedeutsamen Zügen ist der einstige Seelenkult den homerischen Griechen, also der kleinasiatischen Kulturwelt fremd geworden. Aber im Mutterland, im festländischen Griechenland, muß jener Glaube a n ein bewußtes und für die Menschen be-

21

deutsames Weiterleben der Psyche fortgewucher-t haben. Auf ihn gehen (in der von Rohde näher geschilderten Weise) die Vorstellung Hesiods von Menschen der Vorzeit, deren Seelen nach dem Tode als „Dämonen" (Sat'fiovs?) weiterleben, auf ihn der schon in der Gesetzgebung Drakons (Rohde 2 S. 146) als Väterbrauch bezeichnete Kult der Heroen (r)pu)c 'der geehrte' : got. swers 'geehrt' ?), auf ihn endlich jener allgemeine sakrale Totendienst (ta voutxat fieva, evoqiisiv) zurück, der noch in der späten Ausbildung, in der er uns vorliegt, mancherlei Berührung mit dem oben (§ 2—5) charakterisierten indischen, römischen, litauischen usw. Ritual zeigt. Nachdem wir so einen Überblick über die wichtigsten Q u e l l e n des Ahnenkultes bei den idg. Völkern gegeben haben, wenden wir uns dazu, die Ü b e r e i n s t i m m u n g e n derselben i m e i n z e l n e n festzustellen. II. Ü b e r e i n s t i m m u n g e n d e r B r ä u c h e . A. § 7. B e z e i c h n u n g u n d A u f f a s s u n g der geehrten Vorfahren. Der weißrussische Bauer bezeichnet diejenigen, denen sein Totendienst gewidmet ist, als dzjady (russ. düdü) 'Großväter', während die Großrussen den Ausdruck roditeli, d. h. 'Eltern', gebrauchen. Beide Bezeichnungen, besonders aber das großruss. roditeli, roditeli haben jetzt eine so allgemeine Meinung angenommen, daß sie auf jeden Toten, selbst auf Kinder angewendet werden können (vgl. Sejn S. 594 Anm. 1, Murko S. 94). Dem großrussischen Ausdruck entsprechen das griech. -foveii und lat. parentes (parentalia, parentatio), während die technische Bezeichnung der verehrten Vorfahren im Sanskrit, pitdras, wörtlich 'die Väter' bezeichnet. Noch eine weitere Stufe in der Aszendenz als das weißruss. dzjädy stellt das griech. tpitoira'topei (auch tpiiratope?) 'Urgroßväter' dar, an die man sich in Attika bei der Hochzeit um Kindersegen wendet (s. u.). So erhalten wir die Bezeichnungen „Väter" („Eltern"), „Großväter" und „Urgroßväter", und es ist nicht zufällig, daß ih dem indischen Ritual die Darbringung von Klößen und Wasser nür" d i e s e n drei Vorfahren gewidmet ist: „Für dreie ist das Wasser zu spenden, bei dreien ist der pinda

22

AHNENKULTUS

E. Rohde Psyche I s , 246). Den römischen Laren hing man, wie wir oben sahen, an den Compitalia Puppen auf, ut vivis parcant, pilis et simulacris contenti. An diese himmlischen Wesen wendet man sich also in allen Nöten des menschlichen Lebens, vor allem aber mit der Bitte um reichen Kindersegen (s. u. K i n d e r r e i c h tum). So gibt in Indien beim pindapitpyajna- der Hausherr seinem Weibe den Kloß, der zwischen ihnen liegt, mit den Worten: „Gebt mir ein männliches Kind, ihr Väter", und das Weib erwidert: „Legt eine Frucht in mich, ihr Väter, einen lotusbekränzten Knaben". Es hat denselben Sinn, wenn in Attika das Mädchen bei der Hochzeit vor ihrem Abschied vom Elternhaus den Seelen der Vorfahren ein Opfer darbringt (vgl. Photius 604, 4 xpixoTtaxopes. Oavo5yj|xos 8e «prjaiv, oxi ¡iovot 'A&ijvaTot Ououat xat su^ovxat aöxoi? öirep fevs'aeu)? itaßtuv, oxav ^¡leiv |xsXXa)Qi'), dazu Samter Familienfeste S. 96), oder in Rußland die Braut bei gleichem Anlaß die Gräber der roditeli besucht. Vgl. auch Sartori Die Speisung der Toten, Gymnasialprogramm Dortmund 1903, S. 48 B. § 8. A u f n a h m e in die Z a h l d e r v e r e h r t e n V o r f a h r e n . Der Tote tritt nicht ohne weiteres in die Zahl der verehrten Vorfahren ein, sondern es bedarf gewisser Zeremonien, ihn zu diesem Rang zu erheben. In Weißrußland nimmt (nach der Heimkehr vom Friedhof) „eine alte Frau einen Schnitt Brot, wendet sich zur Tür und spricht, indem sie einen Kupfergroschen darin einklemmt, die folgenden Worte, m i t d e n e n sie d e n V e r s t o r b e n e n in die L i s t e i h r e r v e r s t o r b e n e n V e r w a n d t e n aufnimmt: „Großväter und Großmütter, Väterchen und Mütterchen, Onkel und Tanten, nehmt unsern verstorbenen Vater zu euch, lebt dort gut mit ihm, zankt euch nicht usw." (Sejn S- 535). Dabei glauben die Bauern, daß die Seele des Toten im Laufe von 6 Wochen alle 24 Stunden und gewöhnlich bei Nacht J ) „Vorfahren sind Mutter und Vater, Großvater in die Hütte des Bauern fliegt und Wasser und Großmutter sowie deren Mutter und Vater; aus einem Kessel trinkt, der zu diesem denn jene sind der Anfang des Geschlechts." J ) „Tpt7iaT0pe{ heißen bei den einen die Urahnen Zweck bis an den Rand gefüllt und in der

am Platz; der vierte (sc. Nachkomme) bringt die dreie (sc. pinda) dar; den fünften geht es nichts mehr an" (Manu IX, 186). Vgl. auch Isaeus VIII, 32: '(oveis etat ¡aijtyjp xat itaxTjp xat Tra'-rnro? xal t^öttj xoti TouTiov ¡x^tTjp xai Trar/jp. èxeìvot fàp àp/Y) xoò fsvou? elaiv1) und Bekker Anecdota I, 307, l6: TplTOÌTOpSS' OÌ (lèv TOÒ5 irpWTOO? otp/Tjféxaj, 01 Ss xpixou? dna xoù itaxpòs oitsp e3t1 itpoitairirou;2) sowie Festus p. 221 : parens vulgo pater et mater appellatur-, sed iuris prudentes avos et proavos, avias et proavias paretitum nomine appellati dicunt (vgl. Kaegi Die Neunzahl bei den Ostariern S. 6). Diese Vorfahren werden überall als mächtige, den Göttern ähnliche Wesen betrachtet, wie schon aus ihren Bezeichnungen als 9sol itaxptpot im Griechischen, als di parentes, Divi manes im Lateinischen, als svjaty dzjady 'heilige Großväter' im Weißrussischen hervorgeht. Zuweilen nennt man sie „gut" und „hilfreich" (vgl. oben § 5 lat. manesu. a.), wohl in euphemistischem Sinne. Gewöhnlich aber werden die Seelen der Vorfahren als streng und leicht zum Zorne geneigt angesehen. „Gott verhüte," so denkt man in Weißrußland, „daß (bei den Erinnerungsfeiern an einen Toten) irgendein Versehen vorkomme. Dann ist das Mahl, wie die Bauern sagen, kein Mahl. Das heißt das Andenken des geehrten Vorfahren nicht achten. Familienzwist, Fall des Viehes, Mißwachs werden zur Strafe für die Nichtachtung des Toten alsbald hereinbrechen, kurz Hügel und Berge werden über die Lebendigen herfallen" (Sejn S. 588). Dieselben Vorstellungen trifft man in Indien. „Tut uns nicht Böses, ihr Väter, wenn wir nach Menschenart gegen euch gesündigt haben", und bei dem Qràddha spricht der Opferer gleich nach Darbringung der Klöße die Worte: „Mögen die Väter nicht hart sein!" (vgl. Caland Ahnenkultus S. 176 ff.). Auch in Griechenland sagte man, daß die rjpwsi Sudop^xoi und Xa^eTtol xois ¿(iireXciCooai fifvovxat 3) (vgl.

des Geschlechts, bei den andern die dritten vom Vater an, was man sonst TtpdzomTtoi nennt." : 3) „reizbar und schwer zu behandeln für den Verehrer".

') „Ph. sagt, daß allein die Athener ihnen (den Ahnen) opfern und zu ihnen fUr die Erzeugung von Kindern beten, wenn sie heiraten wollen."

AHNENKULTUS Stube aufgestellt wird (S. 559). In dieser Zeit kann der Verstorbene in der Gestalt verschiedener Tiere (s. u. W o l f ) seinen Feinden allerhand Böses zufügen. A u c h in I n d i e n schweift der Verstorbene, ehe er in die W e l t der „ V ä t e r " eintritt, eine Zeitlang als Gespenst (sert, prêta-) umher, kehrt zu den Wohnungen der Verwandten zurück und wird mit Nahrung und „einem K r u g W a s s e r " bewirtet. A m Jahrestag des Todes oder früher befördert ihn eine bestimmte Zeremonie, Sapindikarana(„Sapinda-machung") genannt, in die Zahl der göttlich verehrten Vorfahren. Vgl. auch M. Höfler im Globus L X X X , 93. C. § 9. D i e V o r f a h r e n a l s H a u s g ö t t e r u n d H a u s s c h l a n g e n . Die Seelen der Vorfahren zeigen bei vielen idg. Völkern die Neigung, sich zu Hausgöttern zu entwickeln, die am Herd und Herdfeuer lokalisiert, die Erinnerung an jene graue Urzeit bewahren könnten, in der die Toten der Sage nach im Hause selbst begraben wurden ( s . u . F r i e d h o f ) . Hierhergehört der oqaöoi oat'jnuv der Griechen (Rohde Psyche I 2 , 255), die di penates („die drinnen", vgl. penitus, penetrare) und der lar familiaris (s. o. §5) der Römer, die germanischen, agis, cofgodas 'penates, lares', mhd. kobolt („der im Hause waltende", *kubawalda, vgl. altn. kofe, agis, cofa 'Gemach'; s. u. H a u s ) , der russische domovöj („der im Hause") u. a. In körperlicher Hinsicht f a ß t man diese Hausgeister überall gern als S c h l a n g e n auf, die durch ihr scheinbares Hervorkriechen aus dem Erdboden den in der Tiefe lebenden Seelen ähnelten. So entwickelt sich der Begriff der H a u s s c h l a n g e und ihr K u l t . V o n ihm berichtet J. Menecius aaO. S. 389 ff. (bei Lasicius Cap. 55): Praeterea Lituani et Samogitae in domibus sub fornace, vel in angulo vaporarii, ubi mensa stat, serpentes fovent, quos numinis instar colentes, certo anni tempore preeibus sacrificuli evocant ad mensam. Hi vero exeuntes per mundum linteolum conscendunt et supra mensam assident. Ubi postquam singula fercula delibarunt, rursus discedunt seque abdunt in cavernis. Serpentibus digressis homines laeti fercula illa praegustata comedunt ac sperant illo anno omnia prospéré sibi eventura. Quodsi ad praeces sacrificuli non exierant

23

serpentes, aut fercula super mensam posita non delibaverint, tum credunt se anno illo subituros magnam calamitatem. Vgl. auch Lasicius De diis Samagitarum Cap. 51: Nutriunt etiam quasi deos penates nigri coloris, obesos et quadrupedes (!) quosdam serpentes, Giuoitos (lit. gywate 'Schlange') vocatos (dazu Aeneas Silvius bei Usener-Solmsen Götternamen S. 9 1 : Serpentes colebant; pater familias suum quisque in angulo domus serpentem habuit, cui eibum dedit et sacrificium fecit in foeno iacenti). Aber auch bei den Hellenen erscheinen unterirdische Götter, Heroen, j a die Seelen Verstorbener selbst gern unter dem Bilde göttlich verehrter Schlangen (T. I, Fig. 1, 2), ein Kultus, der auch in Indien nicht fremd ist. V o r allem aber kehren die baltischen Verhältnisse in der Hausschlange der alten R ö m e r (vgl. Wissowa Religion und K u l t u s S. 155, »176) wieder, die dem Genius loci geheiligt, das zukünftige Geschick des Hauses durch ihr Erscheinen verkündigt. Dieser genius selbst ist sprachlich vielleicht nichts anderes als ein maskulinisiertes und dadurch personifiziertes *geniom ( = got. kuni, *gnn-io-tn) 'Geschlecht' (*g$-io-s 'Geschlechtsherr'), also die Gesamtheit der Vorfahren, so daß er dem altslavischen Rodü (eigentlich ,Geschlecht') entsprechen würde, das neben den rozanicy „ d e n M ü t t e r n " (s. u. S c h i c k s a l ) , dem Perun usw. in altrussischen Quellen o f t als heidnische Gottheit genannt wird.' Er ist der Schutzgeist des pater familias, der seinerseits wieder nach römischem Begriff die ganze lebende Familie verkörpert. Vor allem waltet er über dem Ehebett (lectus genialis), der Stätte der Fortpflanzung des Geschlechts. Bei den Wenden im Spreewald sollen noch heute in jedem Hause zwei Schlangen verehrt werden, v o n denen die eine „ H a u s h e r r " (göspodar), die andere „ H a u s h e r r i n " (gospoza) heißt, und die zu gleicher Zeit wie diese sterben (vgl. F. S. K r a u ß Sreca, Glück und Schicksal im Volksglauben der Südslaven, Wien 1886). D. § 10. E r i n n e r u n g s m a h l e und Totenfeste. a) D i e Z e i t e n . Die Übereinstimmung der idg. Völker auf dem Gebiet des Ahnenkultus zeigt sich auch hinsichtlich der Z e i t e n , an denen Gaben an Speise und

AHNENKULTUS T r a n k -den T o t e n noch n a c h dem eigentlichen Leichenmahle (s. u. B e s t a t t u n g s b r a u c h e ) dargebracht werden. Die Sitte der alten Weißrussen (s. q.), nach welcher die V e r w a n d t e n T o t e n m a h l e halten die a funere tertio, (sexto), nono {et quadragesimo) kehrt m den xpt'ra xai svaxa der Griechen, d. h. in den Mahlzeiten, die dem T o t e n a m 3. und 9. T a g e nach der B e s t a t t u n g an seinem Grabe a u f g e t r a g e n wurden, und in der römischen N o v e m d i a l feier wieder, w ä h r e n d die Inder eine i o t ä g i ge Impuritätsfrist unterscheiden, in deren Verlauf täglich oder am 3., 5., 7. und 9. T a g dem Verstorbenen Wasser mit Sesamkörnern dargeboten ward, und nach deren A b l a u f das erste frdddha- (s. o. § 4) s t a t t f a n d . Die 30 T a g e , w ä h r e n d deren die W i t w e an dem G r a b e des G a t t e n f r ü h und abends klagen m u ß , erinnern an die athenischen TpictxaSss, die sich an die tpii« xal evocza anschließen. V g l . auch J. B e k k e r A n e c d . Gr. 268, 19: x^ tpiotxia-^ r,|iepa toü äroöavovTO; ot Äpoo^xovte; auvsMovre? xotv-jj ¿OctltVOUV ETI TljJ (xrcoöavovxt X31 TOUTO XOlds8pa IxaXstto. r ; aav 8s x a ö e 0 p a 1 -rsaaape; r ) (Leichenmahl, 3., 9., 30. Tag). B e i den D e u t s c h e n erfahren wir v o n Gedächtnisfeiern Verstorbener, die a m 3., 7. und 30. T a g e und am J a h r e s t a g e des T o d e s s t a t t fanden. p s ging bei ihnen mit T r i n k e n und Singen wild her, und den Geistlichen w e r den strenge Vorschriften hinsichtlich ihres V e r h a l t e n s an diesen Festen gegeben (vgl. R . K ö g e l Gesch. d. d. Lit. I, 1, 55). N o c h in vollem L e b e n treten uns diese Erinnerungsmahle, pominki oder dzjady, also wie die V o r f a h r e n selbst benannt, wiederum bei den Weißrussen entgegen. „ S i e zerfallen in besondere (individuelle) und allgemeine. Die ersteren werden im Kreise der Familie oder nahen V e r w a n d t e n , besonders f ü r jeden Verstorbenen, im L a u f e allein des ersten Jahres, in bestimmten Zwischenräumen (natürlich nicht an demselben D a t u m ) , nämlich gerechnet v o m T a g des Begräbnisses a m 3., 6., 9., 20. und 40. T a g im ersten H a l b j a h r , dann periodisch bis z u m A b l a u f eines Jahres a m ') „Am 3osten Tag nach eingetretenem Tode kamen die Verwandten des Verstorbenen zu gemeinsamem Erinnerungsmahle zusammen. Dies hieß x«9i8pa. Es gab 4 xa&iopai."

T o d e s t a g (godovsclna) gefeiert. Diese E r innerungsmahle finden nicht selten o h n e T e i l n a h m e und Segen der K i r c h e statt, in ihnen herrscht altererbter, uralter, v o r c h r i s t l i c h e r ' B r a u c h " {Sejn S . 583). Eine lebendige Schilderung der großrussischen sorociny (sorokü = 40) gibt Melnikov In den W ä l d e r n (4 Teile, St. Petersb. Mosk., Ed. Wolf) III, Cap. 8. Weiteres bei M u r k o Cap. I I : Grabessen an individuellen T o t e n tagen bei den Slaven. Hingegen sind die a l l g e m e i n e n T o t e n feste frühzeitig v o n der K i r c h e übernommen w o r d e n : „ D i e zweiten, die gemeinsamen Erinnerungsfeste finden an ein und denselben T a g e n statt, seit alter Zeit v o n der orthodoxen K i r c h e eingerichtet. Sie werden niemals ohne ihre offizielle S a n k t i o n abgehalten. Diese Erinnerungsfeiern finden 4 — 6 mal im J a h r e statt, und z w a r bezüglich aller in näherer oder fernerer V e r g a n g e n h e i t verstorbenen V e r w a n d t e n . In ganz W e i ß rußland, wie auch im übrigen R u ß l a n d , werden diese Erinnerungsfeste Sonnabends abgehalten und heißen didy (dzjady, in G r o ß r u ß l a n d : roditeliskija subboty „ E l t e r n sonnabende") mit A u s n a h m e der radunica, die m a n größtenteils a m Dienstag der auf den 1. S o n n t a g nach Ostern folgenden W o c h e (Thomas-Woche) feiert und nicht überall didy nennt. M a n k a n n diese Erinnerungsfeste nach den vier Jahreszeiten in solche des Frühlings, Sommers, Herbstes und W i n t e r s einteilen" (Sejn aaO.). W e i teres bei Murko Cap. I I I : Grabessen an Allerseelentagen und A h n e n f e s t e der Slaven. Auch solche allgemeinen Totenfeste gehen bei den idg. V ö l k e r n in das fernste A l t e r t u m zurück. Zwei altlitauische Feste dieser A r t wurden schon oben (§2) genannt. V o n einem dritten berichtet L a s k o v s k i j bei Lasicius D e diis S a m a g i t a r u m Cap. 50: Iisdem feriis (anfangs November beim Fest des Flachsgottes W a i z g a u t h o s ) mortuos e tumulis ad balneum et epulas invitant: totidemque sedilia, mantilia, indusia, quot invitati fuerint, in tugurio eam ad rem praeparato ponunt\ mensarn eibo, potu, onerant. Dehinc in sua mapalia reversi triduum compotant; quo exaeto illa omnia in sepulcris potu perfusis relinquunt; tandem etiarn manibus valedicunt. Die Germanen scheinen in der J u l z e i t ihre T o t e n geehrt

Tafel I.

Ahnenkultus. Fig. i. Achilleus vor der Leiche des Hektor (Heros als Schlange). Aus E. Gerhard Auserlesene Griechische Vasenbilder C X C I X . Berlin 1840. — Fig. 2. Polyxena am Grabhügel des Achilleus (Erdschlange). Aus J . Overbeck Die Bildwerke zum Thebischen und Troischen Heldenkreis, Atlas in 33 lithogr. Tafeln. Stuttgart 1857. T. X X V I I , 17.

Schräder,

Reallexikon.

2. A.

Verlag von Karl J . Trübner in Straßburg;.

AHNENKULTUS zu haben (vgl. R. Kögel Geschichte der deutschen Literatur I, I, 55 und E. Mogk in Pauls Grundriß III 2 , 391). Über die indischen Ashtakäs vgl. Hillebrandt aaO. S. 92. In Griechenland fällt ein großes Totenfest auf das Ende des Anthesterienfestes ( t a ' AvÖEanjpta). Ein anderes athenisches Totenfest waren die Genesia, wie auch am Geburtstag jedes einzelnen Verstorbenen ein Erinnerungsmahl abgehalten wurde [Rohde* S. 235). In Rom sind die 9 Tage vom 13.—21. Februar dies parentales, deren letzter (im Allerseelentag der Katholiken weiter lebend) Ferälia (*dhvesalia*dhvesis 'derTote' s.u. § 19) heißt. Am 23. Dezember findet das große Staatsfest der Lärentalia (: lär, läris), am 9., 11. und 13. Mai das der Lemuria (: lemures 'larvae'; über das Wort Kretschmer Glotta I, 293) statt. Ein späteres, volkstümliches und weitgewandertes Totenfest sind die Rosalia 'Rosenfest', nach dem bei einem großen Teil der Slaven das Pfingstfest (rusalija) benannt worden ist. Aus dem griech.-lat. Namen der R o s e (s. d.) erklären sich denn auch die Benennungen zweier großer slavischer Totenfeste, des südsl. ruzicalo (druzicalo), indem serbokroat. ruza aus lat, rosa stammt, und des oben genannten russ. radunica, das am nächsten an griech. pooumot • SAXI ¡xsv 0 TWV p66u>v Xsifioiv (Suidas) anzuknüpfen ist (vgl. Murko S. 142 ff.). Über die bei diesen Toten- und Erinnerungsfeiern in den Fristbestimmungen vorherrschenden u n g e r a d e n Zahlen s. u. Zahlen. b) § 11. D i e P l ä t z e . Der nächstliegende Ort, an dem man den Verstorbenen mit Speise und Trank bewirtet, ist natürlich sein G r a b selbst. Bei den neuesten Ausgrabungen auf dem Forum Romanum wurde wiederholt die Tatsache konstatiert, daß sich in der Nähe der Gräber röhrenförmige Gruben finden, die teilweise bis zu dem Bestatteten hinabführten, und in denen sich die Überreste verbrannter Früchte und Milch gefunden haben sollen (vgl. Hülsen Mittig. d. deutsch. Arch. Inst. Rom. Abt. XX, 99). In Mykenae (T. II, Fig. 3) ist über der Mitte des IV. der auf der Burg gefundenen Schachtgräber ein runder und hohler Altar nachgewiesen worden, der

27

auch nach unten nicht abgeschlossen war und somit eine Röhre darstellte, durch die Trankopfer und das Blut der Opfertiere zu dem Toten gelangen konnten. Im Lande Daulia befand sich ein Heroenheiligtum, von dem Pausanias X, 4, 10 berichtet: e/ei 5' Guv (der Heros) ¡bei fjfispa xe nda-Q itfict'?, xai a-pvxe? ispsia oi i>tuxeis xo jasv aijxa Si' ¿ i r i j c e a / e o o c f t v i s xov ta'ipov*). In Thüringen sind aus steinzeitlicher Epoche Steingräber zutage getreten (T. II, Fig. 4), die an der einen Seite eine künstliche Öffnung zeigten, die, so scheint es, den Zweck hatte, in dauernde Verbindung mit dem Toten treten zu können (vgl. F. Klopfleisch Vorgesch. Altertümer der Provinz Sachsen I, 73). Jedenfalls versteht man solche Einrichtungen, wenn man die noch heute in Rußland herrschenden Bräuche bedenkt: „Nach Beendigung der Mahlzeit (im Hause) begeben sich alle auf den Friedhof (T. III, Fig. 5), indem sie Schnaps, bliny und Grütze mit sich nehmen. Dort betet jede Familie auf den Gräbern ihrer Verwandten für ihre Seelenruhe. Dann trinken und essen sie, g i e ß e n e t w a s W o d k a auf d a s G r a b a u s u n d w e r f e n e i n i g e B i s s e n v o n j e d e m Ger i c h t darauf" (Sejn S. 605). „Der erste Bissen jeder Speise wird unweigerlich auf das Grab für die Seele des Verstorbenen gelegt" (S. 617). Bei den Bulgaren gräbt am 40. Tag der Geistliche, der beim Grabe betet und es beräuchert, in dasselbe ein Loch und scharrt darin Wasser und etwas Speise ein (Murko S. 84). Ebenso wurden aber auch in Griechenland die tpixa xal evavx (s. o.), in Rom die solemnia mortis (vgl. Marquardt Römische Staatsverwaltung III, 298 ff.), bei den alten Deutschen die oblationes, quae in quibusdam locis ad sepulcra mortuorum fiunt (s. o. § 3) am Grabe selbst gefeiert, bezügl. dargebracht. In einem Beschlüsse des großen (III.) Konzils von Toledo (a. 589) heißt es ausdrücklich: super eorurn tumulos nec manducare nec bibere praesumant (weiteres bei Sartori S. 19). Bemerkenswert ist, daß solche Erinnerungsmahle auch bei Leichenbrand stattfanden, wie denn der Araber Ibn Dosta (um 900) •) „Der Heros hat Tag für Tag seine Ehren. Die Phozier bringen Schlachtvieh heran und gießen das Blut durch ein Loch ins Grab."

28

AHNENKULTUS

bei K o t l j a r e v s k i j Sbornik X L I X , 55 von den Slaven berichtet, daß man am Jahrestage auf den Grabhügel, auf dem am Tage nach der Verbrennung des Toten eine Aschenurne aufgestellt worden war, 20 mit Met gefüllte K r ü g e brachte. A n die Stelle des Grabes tritt bei einigen idg. Völkern eine G r u b e oder F u r c h e , in die man die Gaben für die Unterirdischen ausschüttet. So ist es in Indien nach der Vorschrift des Göbhila (s. o. §4): „ D a n n w e r d e n drei Furchen ausgegraben, eine Spanne lang, vier Finger breit. Darauf streut man Darbhagras." Auf diesem werden dann unter mannigfachen Zeremonien die K l ö ß e für die drei Vorfahren Vater, Groß- und Urgroßvater niedergelegt (vgl. Oldenberg Die Religion des Veda S. 549). Auf die Grube, in die Odysseus opfert, wurde schön oben (§ 6) hingewiesen. In Rom entspricht der mundus, eine Grube, in der Mitte der Stadt gelegen und an gewissen Tagen für die A u f nahme der Totengabe geöffnet. Ein solcher mundus war wahrscheinlich auch das Grab der Larenta, in das man an den Ldrentalia opferte (vgl. Wissowa Religion und K u l t u s S. 187, *233, Samter Familienfeste S. 12). Ebenso der sogenannte Lacus Curtius (T. III, Fig. 6) auf dem Forum, in dem zukünftige Ausgrabungen gewiß noch die in den heiligen Erdschlund geworfenen Weihegaben oder Reste derselben entdecken werden. Bis jetzt ist nur der Überrest eines Skelettgrabes nachgewiesen worden. Außer am Grabe und an Gruben haben ohne Zweifel schon in der Urzeit Erinnerungsfeste an die Verstorbenen auch in den H ä u s e r n der Anverwandten stattgefunden. c) § 1 2 . D a s R i t u a l . Die Zeremonien, die bei solchen Totenerinnerungsfesten galten, lassen sich noch mit großer Sicherheit erschließen: a) E i n l a d u n g u n d E n t l a s s u n g d e r geehrten Vorfahren. Es ist zunächst Sitte, die Toten zur Mahlzeit sowohl im allgemeinen wie auch jeden einzelnen feierlich herbeizurufen. In Indien heißt es bezüglich des pindapitfyajna(s.o.): „ N a c h dem Niederlegen der Pipdas lasse er (der Opferer) den Spruch folgen: 'Ihr Pitaras, lasset es euch hier schmecken, genießet ein jeder seinen A n t e i l ' . " Bei den Weiß-

russen geht der Hauswirt vor die Tür und ladet die Geister der Vorfahren mit einem Gebet ein, das (Sejn S. 596) also lautet: „ I h r heiligen Großväter, wir rufen euch, Ihr heiligen Großväter, k o m m t zu uns! Hier gibt es alles, was Gott gegeben hat, W a s ich euch versprochen habe (?), Woran nur die H ü t t e reich ist. Ihr heiligen Großväter, wir bitten euch, K o m m t , flieget zu uns!" A u c h geht der Hausherr mit einer in einen Eierkuchen eingewickelten Kerze in der einen, einem Laib Brot in der andern Hand um einen auf einem Tisch aufgestellten Tierkopf (Schwein, Hammel, Huhn) dreimal herum, r u f t a l l e t o t e n V e r w a n d t e n und jeden, der als Herr des Hauses auf dem jeweiligen Grund und Boden gelebt hat, b e i N a m e n und ladet sie mit den Worten ein: „ K o m m t zum Mahle" (Sejn S. 602). Dieses Anrufen des Toten bei seinem vollen Namen, gewöhnlich dreimal (Od. I X , 65), ist überall Sitte, wo man sich an die Verstorbenen wendet oder sie zu irgend etwas einladet. „ 0 , K a g y a p i d e Devadatta, das ist für dich", sagt man z. B. in Indien, indem man eine Hand voll Wasser für den Verstorbenen ausgießt. Technische Ausdrücke dafür sind griech. ¿vojiocivco und ßoctaj, russl oklicka (vgl. K a e g i Neunzahl S. 4 " und K . F. Hermann Griech. Privata l t e r t . 3 ed. Blümner S. 370 3). Nach geschehener Bewirtung werden die Ahnenseelen in aller Form, manchmal aber sehr respektlos e n t l a s s e n . So fegt bei den alten Ruthenen (0. § 2) der sacrificulus die Seelen wie die Flöhe hinaus: „ E d i s t i s " , sagt er, bibistis, animae, ite foras, ite forasl" so bestand in G r i e c h e n l a n d das Sprichwort: SupaCe, K? f psi (alte Bezeichnung für "j^X^C, oüx st' ' Äv&eanqpta 1 ), so wurden in R o m an den Lemurien die Seelen hinausgetrieben mit den W o r t e n : Manes exite paterni (vgl. Rohde aaO. S. 239 1 ), so bestand auch bei den I n d e r n die Vorschrift des Ä g v a l ä y a n a für den pindapitfyajna(Caland Totenverehrung S. 6): „ D a r a u f entlasse er (der Priester) die Pitaras mit den W o r t e n : , Gehet hin, ihr lieblichen Pitaras, auf den ') „Hinaus, ihr Keren, vorbei."

die Anthesterien

sind

T a f e l II.

Ahnenkultus. Fig. 3.

Leichenaltar

Schliemann.

oberhalb

des IV. Schachtgrabes

in Mykenae.

Aus

Mykenae

Leipzig 1878. — Fig. 4. Steinkistengrab bei Allstedt (S.-Weimar). den Vorgeschichtlichen Altertümern der Provinz Sachsen.

S c h r ä d e r , Reallexikon.

2. A.

von

Heinrich

Nach Zeichnung aus

H. 1, S. 73.

Verlag Ton Karl J. Trübner in Strasburg.

Tafel III.

5

Ahnenkultus. Fig. 5. Totenmahl auf einem russischen Friedhof. Aus Vermehrte Moskowitische und Persianische Reisebeschreibung. Zum Andern mahl heraußgegeben durch Adam Olearius. Im Jahre 1666. — Fig. 6. Lacus Curtius. Aus Chr. Hülsen Das Forum Romanum 2 (bei Homer nur im Sinne von 9o}uau>) = lat. suffio 'lasse in Rauch aufgehen' (lat. thus s. u. W e i h r a u c h ) . Zu gleichem Zwecke werden Lorbeer, Myrte und Kypresse verwendet worden sein. Eine andere Frage ist, ob in homerischer Zeit auch den G ö t t e r n schon Rauch-, d.h. Wohlgeruchsopfer mit einheimischen Stoffen dargebracht wurden, was von v. Fritze Die Rauchopfer bei den Griechen (Berlin 1894) bejaht, von Stengel in seiner Besprechung dieses Buches (Berliner Phil. W. 1895 S. 118) verneint wird. § 2. Wie sich dies nun auch verhalten möge, sicher ist jedenfalls, daß das Wohlgeruchsopfer seine eigentliche Bedeutung erst geraume Zeit nach Homer erlangt hat, als durch gesteigerte Handelsbeziehungen und eine bessere Bekanntschaft mit den o r i e n t a l i s c h e n Kulten die kostbaren Wohlgerüche des Orients, allen voran Myrrhe, Weihrauch und Kassia, in Griechenland und dadurch im übrigen Europa bekannt wurden. Wie im Orient, loderten nun in Griechenland, wie der Astarte, so der Aphrodite ungeheure Massen der kostbaren Stoffe empor. § 3. Während ferner Alteuropa Haar und Leib mit stinkender B u t t e r (s.d.) s a l b t , eine barbarische Sitte, die in Griechenland schon in vorhomerischer Zeit die Gabe des Ö l b a u m s (s. d.) verdrängt hatte, ist es dem Orient gelungen, den flüchtigen Wohlgeruch der Pflanzenstoffe an Fette und Öle zu binden und süßduftende S a l b e n zu bereiten, von denen eine dunkle Kunde schon zu den homerischen Griechen gedrungen ist (vgl. V. Hehn Kulturpflanzen 8 S. 104). Und mögen nun in Griechenland Gesetzgeber wie Solon den Verkauf oder Verbrauch solcher Salben unter Strafe stellen (vgl. Athenaeus X V , p. 686 f.), oder mögen in Rom die Zensoren in gleichem Sinne Edikte erlassen (Plin. Hist. nat. X I I I , 24), bald ist im klassischen Süden, wenigstens in den höheren Ständen, die Anwendung wohlriechender Salben ein fast tägliches Bedürfnis. § 4. Der außerordentliche und kostspielige Verbrauch orientalischer Wohlgerüche lenkte mehr und mehr die Aufmerksamkeit

auch auf die im Süden nicht selten einh e i m i s c h e n P f l a n z e n a r t e n , welche zwar minder kostbare, aber auch um so viel billigere Produkte lieferten. So ist es gekommen, daß das Altertum über eine beträchtliche Anzahl von dpoifiorra (das Wort ist zuerst bei Xenophon und Theophrast überliefert und noch unerklärt) verfügte. Über die Geschichte derselben ist in besonderen Artikeln gehandelt worden: von Harzen u. W e i h r a u c h , M y r r h e , Balsam, Styrax, Bdellium, Galbanum, G u m m i , M a s t i x (s. u. T e r e b i n t h a c e e n ) , L a d a n u m , an Teilen von Pflanzen u. Zi mm et (und K a s s i a ) , N a r de, M a l a b a t h r o n , K o s t u s , K a l m u s , K y p e r b l u m e , A l o e , S a n t e l h o l z , Iris. S. auch u. R o s e , V e i l c h e n , S a f r a n und u. G e w ü r z e . Im allgemeinen vgl. R. Sigismund Die Aromata, Leipzig 1884. Arsenik. Dies im Altertum nur als Farbstoff bekannte Mineral wird zuerst von Aristoteles als apaevtxov, von Theophrast als dppevtxov, lat. (Plin.) arrhenicum genannt. Das Wort scheint unter volksetymologischer Anlehnung an apajjv aus syr. zarnikä, npers. -arab. zarnih, zarniq, zarni, zarna, armen, zafik Arsenik' verstümmelt zu sein. Zugrunde liegt aw. zaranya-, npers. zar 'Gold', 'goldig'. Russ. mysijäkü, weil man die Mäuse (myst) damit vergiftet. Arzt, Arznei, Zaubersprüche § 1—3. Pflanzenstoffe §4—9. Animalische Substanzen § 1 o. Chirurgie § 1 1 . Der Arzt im Süden, Norden und bei den Ariern § 1 2 — 1 4 . Der Priester § 15. Der Archiater § 16. Rußland § 17.

§ 1. Die Wissenschaft des Arztes ist in langer Entwicklung aus den Künsten der Zauberei und des Aberglaubens hervorgegangen, die in der Volksmedizin noch heute eine wichtige Rolle spielen. Im Rigveda, besonders aber im Atharvaveda werden zahlreiche Krankheiten aufgeführt, die außer durch Pflanzen und Amulette (scrt. mani-) durch die Hersagung von Z a u b e r s p r ü c h e n (scrt. mantra-) geheilt werden. Diese sollen die Dämonen verscheuchen und den feindlichen Zauber brechen, welche als die eigentlichen Urheber der Krankheiten gedacht sind (vgl. A. Hillebrandt Grundriß der indo-ar. Phil.

ARZT, ARZNEI III, 2; 181 ff.). Entsprechend wird im Awesta neben urvaró-baésaza- 'Heilung durch Pflanzen' und karetó-baésaza- 'Heilung durchs Messer' ausdrücklich ein mq&r ó-baésaza- 'Heilung durch Zaubersprüche' unterschieden, und noch bei Homer (Od. X I X , 457) wird das aus der Wunde des Odysseus strömende Blut durch Besprechung (éiraoiSií) gestillt. Ja, selbst Pindar (Pyth. III, 53: tob? |i.sv [laXaxot; i i t a o i S a i ? ajxv, tob? 8s Ttpoaavsa itívovxas, r¡ -/oíoij UEpáiuTü>v irávTO&ev (pápfjiaxa, Tous 8s xofiaí; lataaev áp9oús*) nennt neben Tränken, Kräuterumschlägen und Schneiden noch deutlich als Heilmittel die Beschwörung, und zwar an erster Stelle (vgl. weiteres bei Welcker Epoden oder das Besprechen Kl. Sehr. III, 64 ff.). Auch aus I t a l i e n haben wir reichliche Nachrichten über Zauberlieder im Dienste der Heilkunst. Die Marser verbrachten Wunder incentionibus herbarumque sucis medelarum (Gellius X V I , 11). Von den Römern berichtet Plinius Hist. nat. X X V I I I , 29: Carmina quidem exstant contra grandines contraque morborum genera, und derselbe Autor X X V I I I , 21 kennt ein carmen auxiliare des Cato (s. u.) luxatis membris und ein solches des M. Varro gegen das Podagra (vgl. Welcker aaO. S. 86 f.). Reich an Zeugnissen für das Bestehen derartiger Zauberlieder (altn. galdr, agls. gealdor, ahd. galdar : ahd. galan 'singen', bigalan 'beschwören', vgl. lat. incantatio : cantaré) gegen alle nur denkbaren Krankheiten erweist sich auch die a l t g e r m a n i s c h e Literatur (vgl. die Sammlung bei R. Kögel Geschichte d. d. Lit. I, 1; 82 ff.; dazu M. Müller Über die Stilform der altdeutschen Zaubersprüche bis 1300, Kiel Diss. 1901). Von ihrer Beschaffenheit gibt uns der eine der beiden Merseburger Heilsprüche gegen die Fußverrenkung eines Rosses, verglichen mit einem ganz ähnlichen des Atharvaveda (IV, 2), der sich jedoch auf Menschen bezieht, eine lebendige Vorstellung (vgl- A. Kuhn K. Z. XIII, 49 ff.). Der ') „ D i e einen brachte er hoch, mit sanften Zaubersprüchen sie behandelnd, die andern ließ er erquickende Heilmittel trinken oder umwand mit ihnen allseits die Glieder, die dritten heilte er mit der Schärfe des Messers."

59

erstere lautet mit epischer Einleitung: Phol und Wuodan fuhren zu Holze. Da ward dem Rosse Balders sein Fuß verrenkt. Da besprach es Sindgund und Sonne, ihre Schwester; da besprach es Wuodan, der sich wohl darauf verstand. Sei es Beinverrenkung, sei es Blutverrenkung, sei es Gliedverrenkung: ben zi bina, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin. In Indien lautet die entsprechende Formel: „Zusammen werde Mark mit Mark und auch zusammen Glied mit Glied, Was dir an Fleisch vergangen ist und auch der Knochen wachse dir. Mark mit Marke sei vereinigt, Haut und Haut erhebe sich!" Am tiefsten aber ragt, wie auf anderen Gebieten, in R u ß l a n d die Urzeit auch hier in die historischen Zeiten hinein. Der in den Händen der volchvy, carodiji, koldüny, zrdchari usw. (alles Namen für Zauberer u. dgl.) ruhende Zauberspruch (zagov&rü) wurde hier tatsächlich gegen a l l e Krankheiten angewendet und wird es z. T. noch. Vgl. N. Vinogradov Zaubersprüche und -formein, Heilbitten, nach alten Handschriften und zeitgenössischen Aufzeichnungen (russ.), 2ivaja Starina X V I u. ff. (vgl. dazu Mansikka Über russische Zauberformeln mit Berücksichtigung der Blutund Verrenkungssegen, Helsingfors 1909). Anderer Art sind Zaubersprüche, wie der schon oben genannte des Cato (De agricultura 160) gegen Luxation, in dem ganz unverständliche mystische Wörter wie daries dardaries asiadarides oder huat hauat huat ista pista sista usw. sinnlos nebeneinander gestellt sind. Es ist aber wahrscheinlich, daß in ihnen bereits Einflüsse ä g y p t i s c h e r und b a b y l o n i s c h e r Magik vorliegen (vgl. Welcker aaO. S/ 78 f.). § 2. Mitj dem ersten Aufkommen der S c h r i f t (s. u. S c h r e i b e n u n d L e s e n ) scheint man auch in der schriftlich festgehaltenen Formel einen wirksamen Gegenzauber gegen die Macht der Krankheit erblickt zu haben. So heißt es im Lied von Sigrdrifa (Gering):

60

ARZT,

„Astrunen lerne, willst A r z t du werden und wissen, wie Wunden man heilt, in die Borke schneid' sie dem B a u m des Waldes, der die Äste nach Osten neigt," und aus der griech. Überlieferung erfahren wir von einem epap^oixov, das auf „ T h r a k i schen Täfelchen" (Öp-^auat? 4v aavtatv) eingeritzt war (Welcker S. 66). § 3. Den mitgeteilten kulturhistorischen Tatsachen entspricht die s p r a c h l i c h e Entwicklung, die einen häufigen Bedeutungsübergang v o n 'sprechen, besprechen' z u 'heilen', v o n 'Beschwörer' zu 'Arzt' zeigt. Besonders deutlich tritt derselbe in der slavischen Sippe von ba- = griech. «pijju, lat. färi hervor. Vgl. altsl. bajati 'fabulari, incantare, mederi', balovanije ' m e d i c i n a ' , bulg. baja 'Zauberspruch', altsl. balistvo 'Heilmittel', balovati ' c u r a r e ' , baliji 'Arzt'. A u c h in russ. vraci ' A r z t ' : vrati 'faseln, lügen' (anders Sobolevskij Arch. f. slav. Phil. X X X I I , 610), in russ. dial. bachari 'Erzähler, Zauberer' und in griech. -(-orj? 'Zauberer' : -po; 'Geheul, Wehklagen' gehen die Bedeutungen 'Beschwörer', 'Zauberer', 'Arzt' durcheinander. A u c h griech. xijXsto (doch wohl: griech. xaXeu), XIXXT)IJXCD, lat. ccdare 'rufen' usw.) heißt 'Krankheiten durch Zauberformeln heilen' (jc/jXYjTijjpiov 'Liebeszaubermittel', Soph.). Über ir. liaig 'Arzt', eigentl. 'Besprecher' s. u. Vgl. auch Osthoff Bezz. Beitr. X X I V , 124. § 4. Das erste s a c h l i c h e Moment bringt in diese Beschwörungen und Zaubereien die daneben hergehende, allmählich immer mehr hervortretende, wenn auch immer noch v o n einer Wolke des Aberglaubens umgebene Verwendung p f l a n z l i c h e r Stoff e : cantus et sapores. Charakteristisch ist in dieser Beziehung die Bedeutungsentfaltung des griech. cpdpfiaxov, das (nach Osthoff aaO. S. 149) zu lit. buriü, bürti 'Besprechungen, Zauberei treiben', burta 'Zauber', bürtas 'Los' gehört, demnach zunächst 'Zaubermittel', dann 'Heilmittel' und 'Gift' bezeichnet; denn Giftpflanzen (scrt. vishd-, aw. Visa- = griech. 16?, lat. virus, ir. fi 'Gift') sind es besonders, von denen hergenommene Heilmittel sich eines frühen und großen Rufes erfreuen. Vgl. aw. viicidra'ein v o n einer Giftpflanze

ARZNEI stammendes Heilmittel', got. lubja-leisei ,«pap[jiaxsia', 'Gift', 'Zaubermittel' (lubja= altn. lyf 'Heilkraut', agls. lybb 'Zauberei, Gift', ahd. luppi 'Gift, Zauberei', ir. luib ' K r a u t , Strauch, Pflanze'). Vielleicht bedeutet auch griech. ido[iai (iaxpoi, fr)Ti)p) 'heilen' ursprünglich 'mit Gift-, d. h. Heiltränken (foc) versehen, dadurch 'heilen' (andere stellen das W o r t zu latvw 'erquicke' = scrt. ishanydti 'treibt an'; Bugge vergleicht altn. Eir aus *aisa 'dea medicinae'). § 5. Den ersten Anlaß zu einer genaueren Kenntnis und Unterscheidung der Pflanzen mit ihren nützlichen und schädlichen Wirkungen wird den Indogermanen als einem Volke von V i e h z ü c h t e r n (s. u . A c k e r b a u und u. V i e h z u c h t ) die Rücksicht auf ihre Herden gegeben haben, wie ja noch heute bei Schäfern und Hirten bessere botanische Kenntnisse als sonst im Volke sich finden. Allmählich aber wird sich bei g e w i s s e n P e r s o n e n ein besonderes Verständnis in der Unterscheidung und Zubereitung heilkräftiger Kräuter herausgebildet haben. Diese besondere 'Weisheit' im Hinblick auf die Heilkunde wird in drei idg. Sprachen übereinstimmend durch Bildungen von einer Wurzel med : mld (vgl. griech. fifjSoi 'Ratschlag', armen, mit 'Sinn' usw.) bezeichnet. Hierher gehört im Awesta vi-mädah- 'ärztliche Behandlung', vi-maday 'ärztliche B. lernen', im Lateinischen mtderi, mldicus, midicina, im Griechischen aber eine stattliche Reihe v o n Namen griechischer Gottheiten der Heilkunde, die mit [ii)8- gebildet sind: Mr,8o?, Mijöetoc, MrjSrj, 'Afafi^ST),- M^oeia, (XYJST)

U.

a.

(vgl.

Üsener

fiepi-

Götternamen

S. 160). § 6. Dabei ist es bemerkenswert, daß, wie auf griechischem, so auf germanischem Boden, wo die F r a u e n als Seherinnen (s. u. O r a k e l ) geschätzt werden, ihnen auch eine besondere Einsicht in das Wesen der Pflanzenkräfte zugeschrieben wird. Wie schon die Ilias X I , 740 eine 'Af«jj.r/8ij kennt, ij xoaoc cpapfiaxa ^oz) Saa xpstpei eupsia ^dtov

wie dann in der Medea der T y p u s der zauberischen und pflanzenkundigen Frau verkörpert erscheint (vgl. weiteres bei Welcker ') „Die soviel heilende Kräuter kannte, als die weite Erde nährt."

ARZT, Medea oder die Kräuterkunde bei den Frauen Kl. Sehr. III, 20 ff.), so werden die gleichen Eigenschaften bei den weisen Frauen der Germanen hervorgehoben, und schon Tacitus Germ. Cap. 7 konnte berichten: Ad matres, ad coniuges vulnera ferunt, nec illae numerare aut exigere piagas pavent. Noch in Gottfrids Tristan heißt es: IsSt, die künegin von Irlande, diu erkennet maneger hande würze und aller kriute kraft und arzätliche meisterschaft. Aber auch die russische Dorf -znacharka, wie sie z. B. Melnikov In den Wäldern III, Cap. 12 schildert, kann sich in dieser Beziehung mit Isot auf eine Stufe stellen. § 7. Sehr früh treten bei den einzelnen Völkern b e s t i m m t e P f l a n z e n hervor, die in besonders hohem Maße für heilkräftig gelten und daher als Panacee angesehen werden. So bei den Indern der küshfha(vgl. Webers Ind. Stud. IX, 423; s. u. K o s t u s ) , so bei Homer das fabelhafte jitoXo (vgl. V. Hehn Kulturpflanzen 8 S. 2 0 1 f.) n e b e n d e m tpappaxov v/jirevOej x

ofyoXov Te (Od. IV, 220f.), so bei den Kelten die alles heilende M i s t e l (s. d.) usw. Bald finden wir über Europa eine große Masse gemeinsamer Vorstellungen ausgebreitet, die sich auf die Verwendbarkeit bestimmter Pflanzen zur Heilung gewisser Krankheiten oder zur Erregung gewisser Kräfte, n a m e n t l i c h a p h r o d i s i s c h e r , beziehen, eine Übereinstimmung, die in den meisten Fällen aber nicht auf gemeinsamem Erbe der Urzeit, sondern auf früher Entlehnung des Nordens aus dem Süden beruht, wo Volksmedizin und wissenschaftliche Forschung zusammen ein dichtes Netz des auf die Heilkraft der Pflanzen bezüglichen Glaubens und Aberglaubens gesponnen hatten. Einige der älteren Heilpflanzen sind in den Artikeln A l a n t , A l r a u n , B a l d r i a n , Beifuß, Betonie, Bilsenkraut, Drachenwurz, Eberraute, Eibisch, Eisenkraut, Hauslauch, Klette, Liebs t ö c k e l , R a u t e , W e r m u t behandelt wordeh. Vgl. auch dieu. G a r t e n , G a r t e n b a u genannten Pflanzen. v xu)nß, nannt wird, aus dem man Erdpech, Salzöu-faxspa 8' ixTi'Ö7jai, x'äv -g itXoudtoi lauge und Erdöl schöpfte. Besonders reich an § 3. Aus dem ältesten R o m haben wir ihm war die Umgebung des Toten Meeres. Man deutet daher a|XEVü)V vetuxepov xpiexoOi, Erdöl' ist unbekannten Ursprungs. Vgl. rcXijv eixi fEvoiio ratioiov avÖTrrjpov 7) xepa? dazu griech. vtwpöa 'ein dickes Ol'. In eööut airö -pv^s " xauxa 8' oöx exwXoaev Europa kommt Asphalt namentlich in ixxidevai xob? fsiva[i.svous siriSeifavxoi irpoFrankreich und der französischen Schweiz xepov itevxe dvopaat xoT? IfT131® olxoüai2). erhellt also, daß vor Romulus vor. Es wurde schon in der Steinzeit zur Es geBefestigung der Feuersteinpfeile, -sägen, uneingeschränkte Kinderaussetzung -messer usw. in ihren Holzschäften benutzt. golten hat, die nun durch die Bestimmung eingeengt wurde, daß man Asyl, s. T e m p e l . Auerhahn, s. F a s a n . Auerochs, s. R i n d . Aufheben des Kindes, s. A u s s e t z u n g s recht. Aufzug, s. W e b s t u h l . Auge, s. K ö r p e r t e i l e . Auspizien, s. O r a k e l . O. S c h r ä d e r ,

Reallexikon.

2. A .

' ) »Den Sohn zieht mancher auf, auch wenn er arm ist, die Tochter setzt er aus, auch wenn er reich." *) „Er zwang die Einwohner, jede männliche Geburt aufzuziehn und von den Töchtern die erstgeborenen. Kein Kind aber solle man vor dem dritten Jahre töten, es sei denn, daß es ein Krüppel oder eine Mißgestalt von Geburt an wäre. Diese verbot er nicht den Eltern auszusetzen, wenn sie dieselben vorher 5 Nachbarn gezeigt hätten."

S

66

AUSSETZUNGSRECHT

erstens alle K n a b e n und die erstgeborene Tochter aufziehen müsse, zweitens aber auch die später geborenen Mädchen nicht vor d e m dritten Jahre töten dürfe, und drittens endlich die portenta und prodigia vor ihrer Tötung einem R a t e von 5 Nachbarn zu zeigen habe (vgl. M. Voigt Leges Regiae S. 576 ff.). Es scheint aber, daß diese zur Hebung der Bevölkerungsmenge des jungen Staates erlassenen Bestimmungen später wieder ihre K r a f t verloren haben; denn die X I I Taf., die die Beseitigung der Mißgeburten anordneten, haben wahrscheinlich keine Beschränkung der Aussetzung enthalten, und Neugeborene, K n a ben wie Mädchen, wurden während der Republik ungestraft ausgesetzt, bis die Jurisprudenz der mittleren Kaiserzeit endlich darin eine strafbare T a t erblickte (vgl. Brunnenmeister Tötungsverbrechen Seite 148). — Über die Sitte des liberos tollere, suscipere, recipere vgl. M. V o i g t aaO. Seite 577 46 Über Kinderaussetzungen auf k e l t i s c h e m Boden vgl. die Erzählung v o n Cairpre Cincaitt im Buche v o n Leinster (Revue celtique 1901 S. 135 f.). § 4. Voll v o n Zeugnissen für den Brauch der Kinderaussetzung ist das g e r m a n i s c h e Altertum (vgl. J. Grimm R.-A. 4 I, 627 f.). Die entgegenstehende Nachricht des Tacitus Germ. Cap. 19: Numerum liberorum flnire aut quemquam ex agnatis necare flagitium habetur ist nach dem Zusammenhang, in dem sie steht {plusque ibi boni mores valent quam alibi bonae leges), dahin aufzufassen, daß ein gesetzliches Verbot der Kinderaussetzung bei den Germanen nicht bestand. Aber auch für ein flagitium könnte sie höchstens bei den rheinischen fortgeschritteneren Germanen gehalten worden sein. Beschränkt wurde die Tötung der Neugeborenen durch die Sitte, jedes Kind, das irgendwelche Nahrung erhalten hatte, zu schonen und (wie bei Griechen und Römern) vorwiegend Mädchen auszusetzen (vgl. Weinhold Deutsche Frauen 1 2 , 91 ff.). Das Aufheben oder Aufhebenlassen des anerkannten Kindes durch den V a t e r ist auch auf germanischem Boden gut bezeugt (vgl. J. Grimm aaO.). § 5 . ' Es erübrigt, der alten P r e u ß e n zu gedenken, von denen Hartknoch Das

a. Pr. S. 178 erzählt: „ W a s die Kinder, die in wehrendem Ehestand ehrlich gezeuget waren, betrift, die konten die alten Preußen nach dem Gebrauch fast aller heydnischer Völcker, den auch der vortreffliche Philosophus Aristoteles selbst [Polit. IV, 16 § 10] etlicher massen approbiret, entweder aufferziehen oder wegwerffen" usw. D a ß man auch hier vorwiegend Mädchen „weggeworfen" haben wird, erhellt aus der großen Wertschätzung der K n a b e n bei den alten Preußen, die nach Hartknoch so weit ging, daß man eine verheiratete Frau so lange Jungfrau nannte, bis sie einen K n a b e n geboren hatte. § 6. A u s den bisherigen Ausführungen folgt, daß das R e c h t der Kinder-, vor allem der Mädchenaussetzung einmal auch auf a r i s c h e m Boden ausgeübt worden sein muß, und tatsächlich findet sich an mehreren vedischen Stellen, z B . TaittiriyaS a m h i t ä 6, 5, 10, 3 ein Satz, welcher lautet: tasmät striyam pardsyanti (vgl. oben bei Hartknoch den Ausdruck „wegwerfen"), ut pumansam haranti, und den man übersetzt h a t : „Deshalb setzt man ein Mädchen aus, einen K n a b e n hebt man auf (tollunt)." Hiergegen hat 0 . Böhtlingk Z. D. m. G. X L I V , 494 ff. (vgl. auch Berichte d. phil -hist. Klasse d. Kgl. sächs. Gesellschaft d. W . zu Leipzig v o m 15. Dez. 1900: Pflegten die Inder Töchter auszusetzen?) Einspruch erhoben: „ E i n e solche Barbarei", sagt er, „ d e n alten Indern zuzutrauen, fiel mir schwer, und dann dachte ich, daß die Sache an und für sich sehr unwahrscheinlich sei, da man ohne Mädchen das höchste Glück eines Inders, die Erzeugung eines Sohnes, nicht erreichen kann." E r übersetzt sodann: „ E i n e n Sohn hebt man bei seiner Geburt vor Freude in die Höhe, ein Mädchen legt man bei Seite (übergibt es sogleich der Wärterin)." Bedenkt man aber, daß noch in späterer Zeit in Indien dem V a t e r oder den Eltern das Recht zusteht, den Sohn wegzugeben, zu verkaufen oder zu verstoßen (vgl Vasishtha's Dharmagästra X V , 2: [Therefore] the father and the mother have power to give, to seil, and to abandon their son), bedenkt man ferner, daß das vedische Altertum die Anschauung durchzieht, daß der Besitz von Mädchen „ein J a m m e r " sei (auch nach

AUSSTELLUNG DER Böhtlingk deute der Ausdruck paräsyanti auf einen „Gestus bei der Geburt eines Mädchens", der als symbolische Verstoßung aufgefaßt werden könne), erwägt man weiter, daß die von Böhtlingk als Barbarei verabscheute Sitte der Kinderaussetzung sich bei Griechen und Römern bis tief in die historischen Zeiten erhalten hat, und daß es sich bei dieser Aussetzung selbstverständlich (mit wenigen, verkrüppelte Kinder betreffenden Ausnahmen) nur um ein k a n n , nicht um ein m u ß handelt, so dürfte es schwer werden, die ältere, sprachlich einwandfreie Übersetzung der angeführten Stelle aufzugeben § 7. Ohne Zweifel waren schon in der idg. Urzeit mannigfache Geschichten von ausgesetzten und dann wunderbar geretteten Kindern im Schwange, und die Übereinstimmung der von einer Wölfin gesäugten Gründer Roms mit dem von einer Hirtin Namens 2ua'xa oder Kuvco (Hündin) aufgezogenen Perserkönig ist eine so große, daß man gern an eine schon idg. Vorlage dieser Geschichte glauDen möchte. — S. u. R e c h t (Familienrecht) Ausstellung der Leiche, s. B e s t a t t u n g s bräuche. Aussteuer, s. M i t g i f t . Ausstoßung aus dem Stamme, s. S t r a f e . Auster. § 1 . An den nördlichen und östlichen Küsten Jütlands, auf Nord-Fünen und -Seeland haben sich aus den letzten Epochen der ä l t e r e n S t e i n z e i t die Spuren einer Bevölkerung erhalten, deren Dasein aufs engste mit der Verbreitung und dem Ge nuß der Auster verknüpft war. Ungeheure Muschelhaufen, aus den Schalen der Auster, aber auch aus M i e s m u s c h e l n (s. d.), Herzmuscheln, Strandschnecken usw. bestehend, und am "häufigsten mit dem dänischen Ausdruck Kjökkenmöddinger , K ü chenabfälle' bezeichnet, sind als Zeugen der Mahlzeiten jener prähistorischen Menschen noch heute vorhanden. Ähnliche Erscheinungen sind an französischen und portugiesischen Küsten und außerhalb Europas zutage getreten (vgl. S. Müller Nordische Altertumskunde I, 3 ff.). § 2. Dem gegenüber scheint es, daß die I n d o g e r m a n e n Europas erst spät und vom Mittelländischen Meere her auf den

67

LEICHE—AXT

Genuß des Tieres aufmerksam wurden und besondere Namen für dasselbe annahmen. § 3. Wie die Totengaben in den mykenischen Gräbern uns lehren (vgl Tsuntas 'E®r](j.. 'Ap^. 1891 S. 40), wurde die Auster in G r i e c h e n l a n d früh als Nahrung gebraucht, und auch in der Ilias ( X V I , 747) ist bereits von einem Taucher die Rede, der Austern, xijOsa ( : ö^aaoöat .saugen', weil sich die Tiere am Felsen festsaugen), fischt. Das gebräuchlichere Wort oaxpsov (: öatsov 'Knochen', 'Schalknochentier') tritt erst später auf und ist mit zahlreichen griechischen Ausdrücken des F i s c h f a n g s (s. d.) früh (seit Ennius) als ostrea, ostreum nach Italien gewandert, wo der kostbare Leckerbissen bald in besonderen Austern parks (ostrearum vivarium) gepflegt wurde. § 4. Wie aus der lateinischen, so sind auch aus den n o r d e u r o p ä i s c h e n Sprachen alte und einheimische Benennungen der Ostrea edulis nicht bekannt. Das Tier wird sich noch unter anderen Muscheltieren (vgl. altn. skel, agls. scyll, engl, shell, altsl. skolika 'Muschel'; ir. slice bei Zeuß Gr. Celt. 2 S. 215) verborgen gehalten haben. Erst der Handel mit den romanischen Völkern in christlicher Zeit wird die keltischen und germanischen Stämme auf den bis dahin kaum beachteten und ungehobenen Schatz ihrer eigenen Meere aufmerksam gemacht haben, ein Verkehr, aus dem erst besondere nordische Namen des Tieres wie agls. östre, ndl. Oester, korn. estren, arem. kistr, histrenn etc. (Zeuß Gr. Celt. 3 S. 1074), sämtlich aus ostrea etc. e n t l e h n t , hervorgegangen sind. Als Klosterspeise kommen Austern bereits im 11. Jahrh. vor, und als Mittel gegen Krebs werden Austernschalen schon um 800, im 2. Basler Rezept (Müllenhoff u. Scherer Denkm. I, 223) genannt. Avunculat, s. O h e i m (Mutterbruder), Axt. § I. Die Begriffe A x t und Beil lassen sich weder sachlich noch sprachlich scharf unterscheiden, so daß sie hier zusammen behandelt werden. Dieselben gehören, im Norden zumeist aus Flint, doch auch aus anderem Gestein, in den Schweizer Pfahlbauten zunächst aus Serpentin, Diorit und Saussurit, dann aus selteneren Gesteinen wie Nephrit und Jadeit hergestellt und zum Teil mit großer Kunst verfertigt, zu 5*

68

AXT

den häufigsten Waffen und Werkzeugen der neolithischen Periode (T. V I Fig. I, 2,3, 4, 5). Schon damals haben an verschiedenen Stellen, an denen sich geeignetes Gestein in ausreichender Menge vorfand, Massenwerkstätten für Steinsachen bestanden, deren Erzeugnisse durch den Handel oft in weite Ferne geführt wurden. In Deutschland z. B. müssen derartige Werkstätten für Feuersteinbeile etc. sich auf Rügen und in dessen Umgebung befunden haben (vgl. A. Götze Über neolithischen Handel in der Festschrift für Bastian S. 347 f.). Allmählich tritt an die Stelle des Steins das Metall, zuerst in gewissen Gegenden wie in den Pfahlbauten des Mondsees (vgl. M. Much Kunsthist. Atlas T. X V I I , F. 17) oder im südlichen Rußland (T. V I Fig. 6), das reine Kupfer, dann Bronze und Eisen, doch so, daß im Süden wie im Norden steinerne Artefakte noch in die Bronzezeit hereinragen (vgl. Heibig Die Italiker in der Poebene S. 18, Montelius Die Kultur Schwedens 2 S. 52). Noch in Rom wurde bei dem von Livius I, 24 geschilderten Friedensschluß zwischen Römern und Albanern ein Schwein feierlich saxo silice, d. h. doch wohl mit dem Feuersteinbeil, erschlagen. Als sicher darf angesehen werden, daß die meisten jener metallenen Ä x t e und Beile a u c h d i e s s e i t s der Alpen in loco h e r g e s t e l l t worden sind, also nicht auf Import vom Süden oder Osten beruhen, wie auch die besten Sachkenner darin übereinstimmen, daß gerade die ältesten metallenen Artefakte dieser Art in ihrer Form sich noch an die steinernen anschließen.

klärung noch nicht gefunden hat, am wahrscheinlichsten ein schon idg. Lehnwort aus mesopotamischem Kulturkreis erblicken müssen, und da nun auch ein idg. Wort für Kupfer: scrt. löhd-, pehl. rod, altsl. ruda, lat. raudns, altn. raudi im Sumerischen (urud 'Kupfer') wiederzukehren scheint, so liegt die Vermutung nahe, daß die Indogermanen oder Teile derselben schon in ihrer Urheimat d a s K u p f e r v o m E u p h r a t her z u e r s t am B e i l e k e n n e n l e r n t e n . An eine direkte Nachbarschaft idg. Sprachgebiets mit Mesopotamien braucht man deshalb nicht zu denken, da auch sonst A x t - und Beilnamen ungeheure Wanderungen zurückgelegt haben. So npers. teber, das außer in das Armenische (tapar), ins Slavische (russ. topörü), ins Angelsächsische (tapor), und weiter ins Finnische (tappara), Ceremissische, Ungarische usw. eingedrungen ist. S. weiteres u. K u p f e r .

Von sonstigen vorhistorischen Gleichungen für A x t und Beil beschränken sich auf E u r o p a : griech. aSiV/j, lat. ascia, got. aqizi (mit merkwürdigem Anklang an assyr. feasinu, hebr. ftäsin 'Beil'), griech. xoßrjXi? (irsXsxoi) = lit. kugilis ('Hammer', A. Fick K . Z. X L I I , 289) und lat. secüris, altsl. sekyra (neben sicivo\ lat. secivum 'libum est quod secespitä secatur', Paul. Fest), russ. sokera etc. (nach Schachmatov Archiv f. slav. Phil. X X X I I I , 95 aber im Slavischen entlehnt durch keltische Vermittlung?). Nur auf Wurzelverwandtschaft beruhen ahd. dehsala, altsl. tesla, ir. tal (doch s. u. S t a h l ) , scrt. takshayi-, aw. tasa- und § 2. Die Zahl der e t y m o l o g i s c h e n lit. teszlycziä zu scrt. taksh 'zimmern'. HinG l e i c h u n g e n auf dem Gebiet der idg. A x t - sichtlich des ahd. barta (: hart 'der Bart'; denn der Stein oder das Metall hängen vom und Beilnamen, durch welche die BekanntSchaft wie der Bart vom Kinn) und des schaft der i d g . U r z e i t mit diesen Waffen altsl. brady kann man zweifeln, ob Urverund Werkzeugen erhärtet wird, ist keine wandtschaft oder Entlehnung vorliegt. geringe. Die interessanteste unter ihnen ist Ahd. bihal, altn. bilda und ir. biail, kymr. die von scrt. paragü- (schon R. V.) = griech. bwyell sind noch nicht genügend aufgeireXexuc, vor allem deswegen, weil sie im klärt. Lit. kirwis 'Axt', das in weiter Ausbabylon.-assyr. pilakku und sumerischen bal[ag) wiederzukehren scheint (vgl. F. Hom- dehnung ins Finnische (kirves) entlehnt wurde (vgl. Thomsen Beröringer S. 189), mel Archiv f. Anthrop. X V , 1884, S. 164, scheint, ebenso wie altpr. hersie (*ker-t-slo-) J. Schmidt Urheimat S. 9, P. Kretschmer 'Axt', mit lit. ker-tü, kirsti 'hauen' verEinleitung S. 105 ff.). Ist dieses Verhältnis wandt zu sein. Auf Wurzelverwandtschaft nicht ein reiner Zufall, so würde man in könnte auch scrt. svädh-iti- und altpr. derö indisch-griechischen Wort, das im wedigo, lit. wedegä beruhen (*svedh-, vgl. Indogermanischen eine befriedigende Er-

Tafel VI.

Axt. Fig. i .

Feuersteinbeil.

Dänemark.

Gouvernement Kiew. Aus Sammlung Khanenko I. — Fig. 2.

Aus S. Müller Urgeschichte Europas. —

Fig. 3 und 5.

Steinerne Äxte.

Feuersteinbeil. Aus S. Müller

Nordische Altertumsk. — Fig. 4. Geschäftete Steinaxt aus G . und A . de Mortillet Musée Préhistorique, Pl. XL.VIII. — Fig. 6 a — c Kupferbeile aus der jüngeren Steinzeit des mittleren Dnepr. X I . arch. Kongresses in Kiew.

I.

T. X X I .

H. Schliemann Mykenae. — Fig. 8.

Schräder,

Reallexikon.

2. A .



Fig. 7.

Zweischneidige

Altslavische Streitaxt.

Axt von

Arbeiten des Bronze.

Nach

Sammlung Khanenko V, PI. III.

Verlag von Karl J. Trübner in Strafiburg.

70

AXT

auch lat. sudis 'spitzer Pfahl'?). A u s einer Umdeutung aus altgall. viduhium, viduvium '5ixsXXa' ( = altfrz. vouge) würde nach K l u g e in Pauls Grundriß I 1 , 346 agls. widubill ' A x t ' zu erklären sein. § 3. Als W a f f e n sind A x t und Beil bei den europäischen Indogermanen in historischer Zeit, wenigstens im Süden, gänzlich in den Hintergrund getreten. Während noch in Mykenae die bronzene zweischneidige Streitaxt (T. V I Fig. 7) eine wichtige Rolle spielte (vgl. Tsountas and Manatt The Mycenaean A g e p. 207), wird in der Ilias nur erwähnt, daß der Troer Peisandros eine Streitaxt unterhalb des Schildes trug ( X I I I , 611), und daß bei dem K a m p f um die Schiffe ( X V , 711) auch aSt'vai und TueXsxeis geschwungen wurden. Im Norden dagegen war die Streitaxt bei den germanischen Stämmen, bei Dänen und Norwegern (vgl. Vigfusson Dict. s. v. öx) und namentlich bei den Franken, wo sie nach diesem Volke francisca hieß, eine beliebte Waffe. Vgl. die verschiedenen Axtformen aus fränkisch-alamannischen Gräbern bei Lindenschmit Altertümer I, H. 2, T. 7 und über den Gebrauch der Streitaxt im

Walthari - Lied R. Kögel Gesch. d. d. Lit. I, 2 S. 314. Dazu zwei Tafeln mit der Entwicklungsgeschichte der A x t in den altgermanischen Ländern von M. Ebert bei Hoops R L . I, 148, 149. Merkwürdig ist dem gegenüber, daß in den K ä m p f e n der nordischen Barbaren mit den Römern, wie sie z. B. die Marcus- und Trajansäule darstellen, die Streitaxt nicht hervortritt, während sie doch auch bei den alten S l a v e n , nach zahlreichen Funden (T. V I Fig. 8) zu urteilen, zur regelmäßigen Bewaffnung des Kriegers gehörte. Man wird nicht irren, wenn man annimmt, daß hier der Einfluß römischer Kriegführung vorliegt. § 4. Wie in Europa, ist die Streitaxt endlich auch auf i n d i s c h - i r a n i s c h e m Völkergebiet eine beliebte Waffe des N a h kampfes gewesen. Ihre vedischen Bezeichnungen (svddhiti-, paragü-) haben wir schon kennen gelernt, der noch unerklärte skythische Ausdruck war adyapic (vgl. in § 2 die anklingenden lateinischen und slavischen Namen), den Herodot V I I , 64 als Waffe der Saken nennt (diivas aoqapapti si^ov). —S. u . W a f f e n und u. W e r k z e u g e .

B. Bach, s. F l u ß . Bachstelze, s.

Singvögel.

Backen, Backwerk, s. B r o t . Bäcker, s.

Gewerbe.

Backofen, s. O f e n . Backstein, s. Z i e g e l . Bad. Terminologie des Waschens und Badens § i. Bad bei Geburt, Hochzeit, Tod § 2. Das kalte Bad bei den Nordvölkern § 3. Kaltes und warmes Bad im Süden, Einflüsse auf den Norden § 4. Nordeuropäisches Badewesen; der Badequast § 5. Das Dampfbad § 6. Das russische Dampfbad § 7. Unterirdische warme Bäder § 8.

§ 1. Der Begriff des Waschens und Badens wird in dem europäisch-armenischen Teile des idg. Sprachgebiets durch die Wurzel lov, lu ausgedrückt: griech. Xouo>, lat. lavo, luo, armen, log-ana-m 'bade mich'. Aus dem Keltischen gehören hierher altgall. lautro 'balneo', ir. löthur 'Badewanne', aus dem Germanischen altn. laudr, agls. lia&or 'Seife' und vielleicht altn. laug 'warmes Bad', agls. leahs ahd. louga 'Lauge'. Neben dem verbalen Xnuu>-lavare scheint ein substantivisches *lavo- in ir. 16 'Wasser' zu liegen, ähnlich wie das gemeingerm. ahd. wascan 'waschen' aus *wat-ska- : got. wato 'Wasser' entstanden sein dürfte (vgl. auch Jacobsohn K. Z. X L I I , 161). Zu den Ariern hinüber reicht die Reihe griech. vi£a>, vhtho, ir. nigim, scrt. nij, doch wird das ' s i c h waschen' im Indischen durch die Wurzeln snä und plu (mit d) ausgedrückt, die in Europa 'schwimmen' (lat. ndre) und 'spülen' (griech. irXuvto) bedeuten. § 2. Wenn somit der Begriff des W a schens schon in dem Wortschatz der Urzeit

seine Ausbildung gefunden hatte, so fragt es sich doch, welchen Gebrauch das Urvolk von ihm mit Rücksicht auf den eigenen Körper machte. Nach allem, was wir wissen, haben wir kein Recht, der Urzeit ein besonders hochentwickeltes Reinlichkeitsbedürfnis zuzuschreiben, und das Bad bei der Geburt (s. N a m e , Nameng e b u n g ) , bei der H o c h z e i t (s. d.), beim Tode (s. u. B e s t a t t u n g s g e b r ä u c h e ) , bei zahlreichen Entsühnungsbräuchen (s. u. R e i n h e i t u n d U n r e i n h e i t ) usw. hätte niemals einen so bedeutsamen und feierlichen Charakter annehmen können, wenn es ein alltäglicher Gebrauch gewesen wäre. Charakteristisch ist in dieser Beziehung, was Rovinskij (Sbornik L X I I I , 319) von den Montenegrinern berichtet: „ D e r einmal bei der Taufe gebadete Montenegriner erfährt oft bis zu seinem Tode nicht, was baden oder den ganzen Körper mit Wasser waschen bedeutet. Manche empfinden davor einen gewissen horror. Die ganze Wäsche des Montenegriners besteht darin, daß er sich die Hände wäscht und mit der hohlen Hand sich das Gesicht beplätschert, besonders die Lippen, mit denen er dabei das Wasser anpustet" usw. Ähnlich wird von den illyrischen Dardanern berichtet, daß sie nur dreimal im Leben, bei der Geburt, Hochzeit und beim Tode mit Wasser in Berührung gekommen seien (Nikolaos von Dam. I i i ) , so daß man sprichwörtlich im Altertum sagte: ,,er wäscht sich dreimal im Leben wie ein Dardaner" (vgl. C. Schütt Unters, z. Gesch. d. alten Illyrier, Diss. Breslau 1910 S. 11). § 3. Ähnlich wird es in der Urzeit gewesen sein, so daß die Geschichte des Bades weniger an das Reinlichkeits-, als an das

BAD

72

E r f r i s c h u n g s b e d ü r f n i s des Menschen angeknüpft werden muß. Hierfür reichte zunächst das Baden in den Flüssen der Urheimat aus. So fanden es die klassischen Berichterstatter bei den europäischen N o r d v ö l k e r n , besonders bei den Germanen, und an den verweichlichenden Badeluxus des Südens gewöhnt, verfehlen sie nicht, den beobachteten Brauch als Zeichen der k ö r p e r l i c h e n A b h ä r t u n g

Fig. 4.

Aus

Steinen

Gouv. Mogilew.

tonen wird (von Plutarch Marius Cap. 19) ausdrücklich berichtet, daß sie sich vor der Schlacht bei Aquae Sextiae an den heißen Quellen dieser Gegend erfreuten. Aber Dio Cass. Fr. X C I V , 2 (Bekker) hebt ausdrücklich hervor, daß die Nordleute gerade deshalb in Italien verweichlicht seien, weil sie die einheimische Sitte des kalten Badens verlassen hätten. A u c h das russische Landvolk liebt noch heute trotz seiner Vorliebe

zusammengesetzter

Badeofen

mit Badegerüst.

Aus Sammlung der ethnograph. Abteilung des russ. Museums Kaiser Alexanders III.

des unverdorbenen Naturvolks hinzustellen. Vgl. Caesar De bell. Gall. IV, 1: Atque in eam se consuetudinem adduxerunt, ut locis frigidissimis lavarentur in fluminibus, V I , 21: In fluminibus perluuntur, Herodian V I I , 2 , 6 : Etat Ssxoti jrpoctö vij-fsaöai fSfujAvaajisvot a T e iiovo) XouTpa» x o i ? i t ' o - a i x o i ? Xptoiievoi1). Nach Dio Cass. L X X I , 20 weigern sich die Markomannen und Quaden auch deshalb in Städten zu wohnen, weil sie dann auf das ihnen gewohnte Baden verzichten müßten. Allerdings haben die Barbaren bald an den von den Römern entdeckten und gefaßten heißen Quellen v o n Wiesbaden (Aquae Mattiacae), B a d e n - B a d e n (Aquae calidae) usw. Gefallen gefunden, und über die Teu') „Sie sind auch sehr geübt im Schwimmen, da sie nur das Bad in den Flüssen kennen."

für heiße Dampfbäder (s. u.) das Baden in den Flüssen und Seen außerordentlich und betrachtet den 23. Juni, den T a g der „ B a d e r i n " (kupdlinica) Agraphena (Agrippina), als den offiziellen A n f a n g der Badezeit (vgl. darüber A . Y e r m o l o v Der landwirtschaftliche Volkskalender Leipzig 1905 S. 290). § 4. W i e bei den Nordvölkern, ist auch in h o m e r i s c h e r Zeit das kalte B a d e n im Fluß oder im Meere, xo ^u^poXou-c'siv, an dem die Spartaner immer festhielten, die oft belegbare Regel. Das warme fead in der Badewanne (äaafiivfto?; das W o r t ist gewiß nicht einheimisch und weist durch sein S u f f i x -v8o auf kleinasiatischen Ursprung hin) gilt noch mehr als außerordentliches Stärkungsmittel nach Anstrengungen aller A r t , Jagd, Reisen usw. Doch ist,

BAD zweifellos unter orientalischem Einfluß, ein Badezimmer schon in den Fürstenpalästen •der mykenischen Epoche vorhanden (vgl. I. v. Müller Privataltertümer * S. 16, 48, 133). In nachhomerischer Zeit tritt dann der Begriff der öffentlichen Badestube (ßaXavsiov, seit Aristoph.; wenn einheimisch, k a u m : scrt. jald-, 'Wasser', eher: d e m früh bezeugten ßoiXavos 'Zapfen, Riegel', also 'was mit einem ß. verschließbar') hervor, der zusammen mit seinem griechischen Namen zu den Römern (balneae, balneum, balineum) übergeht, die in frü herer Zeit seltener und nur zur Reinigung, nicht zum Vergnügen in der neben der K ü c h e gelegenen lavatrina gebadet hatten. Vgl. Seneca Epist. 86: Nam, vi aiunt, qui priscos mores Urbis tradiderunt, bracchia et crura cotidie abluebant, quae scilicet sordes opere conlegerant-, ceterum toti nundinis lavabantur. Wie dann überall, wo Römer, am Rhein und an der Donau, ihr Heim aufschlugen, die Anlage von Thermen und Bädern zur unabweisbaren Notwendigkeit wird (vgl. die Stellen bei A . Riese Das rheinische Germanien in der antiken Literatur, passim), ist bekannt, und die A n nahme, daß ein starker Einfluß des römischen auf das germanische Badewesen stattgefunden habe, liegt daher an sich sehr nahe. Ob ein solcher aber in größerem Maßstabe anzuerkennen ist, hängt im wesentlichen v o n der Erklärung der Wortreihe ahd. stuba, agls. altn. stofa, 'Badeofen', 'Badestube', 'Stube' ab, die nach weitverbreiteter, aber neuerdings wohl mit R e c h t bestrittener Meinung auf romanis c h e m Boden wurzeln soll. Näheres hierüber s. O f e n . Abgesehen hiervon weist auf römischen Einfluß die Entlehnung v o n ahd. labön 'waschen', dann 'erquicken, erfrischen', agls. gelafian aus lat. lavare 'waschen', v o n ahd. labil, agls. lebil aus lat. labrum, labellum 'Waschbecken', v o n ahd. bcskin 'Becken' aus spätlat. baccinum u. a. hin. A u c h der bei den Germanen (wie Slaven) durchweg herrschende Brauch, am S o n n a b e n d das wöchentliche Reinigungsoder Erquickungsbad zu nehmen (altn. laugadagr,fivdttdagr, e i g e n t l i c h ' B a d e t a g ' = Sonnabend) könnte für einen Nachhall des römischen Bades an den nundinae (s. 0.) gelten. W a s Tacitus Germ. Cap. 22: Statim

73

e somno, quem plerumque in dient extrahunt, lavantur, saepius calida eigentlich meint, ob schon das warme Baden in einer ordentlichen Badestube oder in einem einfachen K ü b e l oder nur ein Waschen einzelner Körperteile, z B . der Füße, wie dies auch Rovinskij aaO. bei den sonst so wasserscheuen Montenegrinern kennt, ist nicht sicher zu entscheiden (auch hierüber s. u. Ofen). § 5. Andere, und zwar die charakteristischsten Züge des nordischen Badewesens aber weisen viel eher nach dem O s t e n als nach dem Süden Europas. V o r allem ist hier auf die beiden, bei Germanen, Balten und Slaven im Mittelalter bezeugten Badegewohnheiten, des Gebrauches des B a d e q u a s t e s und des D a m p f b a d e s , einzugehen, die kein deutliches Vorbild in den römischen Badesitten haben. V o m Schlagen mit dem Badequast ist geradezu lit. pirtis, lett. pirts, altruss. pirti 'Badestube' benannt: lit. periü 'jem. baden', eigentlich 'schlagen' (altsl. perct 'schlage, wasche'); es ist auch ins Finnische und diesem verwandte Sprachen eingedrungen, wo es außer für Badestube auch für Rauchstube, Stube des Gesindes, Stube mit Ofen usw. gebraucht wird (vgl. W. Thomsen Beröringer S. 208), eine Bedeutungsentfaltung, die sich aus der v o n Bielenstein (Holzbauten I, n o f f . ) erwiesenen Tatsache (s. u. H a u s § 29) erklärt. daß die Letten in alten Zeiten die Badestube zugleich auch als W o h n u n g und zu andern Zwecken gebraucht haben. Im Altpreußischen heißt der Badequast twaxtan (twaxlan ?), v o n einem sonst nicht nachweisbaren Stamm, der in got. ßwahan 'waschen', ßwahl ' B a d ' usw. vorliegt, im Litauischen wdnta, das im Gotischen (wandus) noch ' R u t e ' bedeutet, im Lettischen slöta (lit. szlutas 'Besen'). Derartige altertümliche Spracherscheinungen fehlen auf germanischem Boden, wo a l t e Namen für den Badewedel nicht vorhanden sind. Erst im Mittelhochdeutschen begegnet quast. Liegt hier ein einheimisches W o r t mit einheimischer Bedeutungsentwicklung (vgl. ahd. questa 'Laubschürze') vor ? Oder fand eine Entlehnung aus oder Angleichung an das slavische chvostü 'Schwanz', russ. chvostdtl, den Terminus technicus für das

74

BAD

Schlagen mit dem Badequast, statt ? Oder ist quast, worauf die Entlehnung in das finn. vasta 'Badequast' hindeuten würde (vgl. Setälä Finn.-ugr. Forsch. X I I I , 127) erheblich älter auf germanischem Boden? Ja, man könnte auch hier die Benutzung des Badewedels für uralt halten, wenn die von Meringer (I. F. X V I ; 158) versuchte Ableitung des gemeingerm. ahd. bad, baddn v o n einer keltischen Wurzel bat 'schlagen' (kymr. bathu 'schlage') Bestand hätte; doch wird man der Verbindung der genannten germanischen Wörter mit dem ahd. bajan 'bähen' (vgl. K l u g e 8 ) den Vorzug geben müssen. § 6. Noch weiter östlich weist die Herkunft des russischen D a m p f b a d s (russ. pdra 'Dampf', päritisja 'baden'). Von den S k y t h e n erzählt Herodot IV, 75, nachdem er vorher des in Skythien und Thrakien wachsenden H a n f e s (s. d.) gedacht hat, folgendes: xautTj? ¿ v ot 2xu&ai ttj? x a v v rißt 0 s To aitsp(j.a ¿wsav Xoißaxjt, u7to8uvouai uuo tou? 1:1X00?, xat STtetTSv eirtßaXXooai tö airepjxa sTct t o u ; Stacpavsa» Xidoo? T(ö -upi • to 8s öuixtaxat luißotXXojxsvov xai dz\i&a iraps^eTat tooo? ix iropös 8ta®avsas iaßaXXaoat i ; tsxdyrp xstjjivujv iv FJIAQ) TÜ>V iuXtov TE xat ITI'Xtovx) ihre Dampfbäder genommen haben. Dann lernten sie (worüber ausführlich u. H a u s §28f.) von den Germanen die h ö l z e r n e n Badestuben unter dem Namen istüba (schon um 970 n. Chr. altruss. itba 'Badestube' bei dem Araber Ibrahim ibn Jakub), entlehnt aus dem oben genannten ahd stuba, kennen, und als dieses Wort, teilweise schon in urslavischer Zeit, zu einer Benennung der Bauernhütte (russ. izba) geworden war, traten neue Ausdrücke, entweder einheimische (Idznja) oder entlehnte (bänja) für den wichtigen Begriff ein. § 8. Schließlich ist noch auf eine andere A r t des Dampfbads im ältesten Europa zu verweisen, von der Suidas erzählt: "Ap'feXXa • o*xr((jia Meueoovtxov, o-sp ösppaivovxss Xouovrott 2). Ist dieses apfeXX« dasselbe wie apfiXXot, von dem Ephorus bei Strabo p. 244 berichtet: "E®opos os TOI? Ki(i^ept01c TTpoao'.xföv ®7)3i a&TOus iv xaxoqfeiois ot'xiots ot'xstv, a? xaXoüdt dp"]fiXXas3), so würde an unterirdische Badestuben zu denken sein (vgl. weiteres bei 0 . Hoffmann Die Makedonier S. 58), die auch in Rußland vorkommen und an einigen altnordischen Sagastellen (vgl. H. Falk bei Hoops R L . I, T 55) genannt werden. ') „Nachdem sie drei Stangen aufrecht aneinander gelehnt haben, umgeben sie diese mit wollenen Decken. Dann häufen sie glühend gemachte Steine in einen Trog, der sich in der Mitte jener Stangen und Decken befindet". J ) „"ApfsXXa ist ein makedonisches Häuschen, das man heizt, um sich darin zu baden." 3) „Ephorus, der in der Nähe der Kimmerier wohnt, sagt, daß sie in unterirdischen Häusern wohnen, die sie dpyiXXat nennen."

77

§ 9. Ob man aber nun kalt oder warm, in Flüssen, Baracken, Zelten, Stuben oder Gruben badete, bei allen altindogermanischen Völkern herrschte die Anschauung, daß eine Entblößung des Mannes vor dem Weibe und umgekehrt bei dieser Gelegenheit nichts Anstößiges in sich berge. Wie Odysseus (Od. VI, 210 ff.) von jungen Mädchen beim Baden bedient wird (vgl. weiteres bei K . Koch Zur Stellung der Frau bei Homer, Progr. Eisenach 1909 S. 11 ff.), so wurde in Livland auch dem Adam Olearius a. o. § 6 a. 0.) „ein Weib oder Dirne, umb abzubaden, zugegeben", was bekanntlich bei den schwedischen Bädern noch jetzt der Fall ist. Das gemeinsame Baden der beiden Geschlechter wird schon von Caesar De bell. Gall. V I , 21 (promiscue in fluminibus perluuntur) hinsichtlich der Germanen hervorgehoben, und dasselbe wird von allen Reisenden aus Rußland, sowohl was das Baden in den Flüssen wie das in den Badestuben betrifft, gemeldet (T. V I I F. 1). Noch heute baden, wie im deutschen Mittelalter, in vielen russischen Dörfern Bursche und Mädchen, Männer und Frauen gemeinsam. — S. a u c h u . H a u s , O f e n und S e i f e . Baldrian (Valerianeae). § 1 . Die hierher gehörigen Pflanzen galten schon im A l t e r t u m als sehr heilkräftig und wurden als Narden (griech.) va'pooc, lat. nardus), also mit dem indischen Namen der Nardus india oder Spica Nardi, des Rhizoms von Nardostachys Jatamansi (s. u. N a r d e ) , bezeichnet, das, durch den Handel eingeführt, die Aufmerksamkeit auf minder wertvolle Arten Vorderasiens und Europas lenken mochte. So kennt Dioskorides De mat. med. I Cap. 7 f. eine ¿peivi) vapSos in Cilicien und Syrien, eine dqpiat vapoo?, die am Pontus vorkam und wohl mit ihrem pontischen Namen ®o5 (vgl. Goetz Thes. u. fu) hieß, und eine KSXTIXT) vapSo; in Istrien und in den ligurischen Alpen, in der Landessprache actXioupca genannt (woraus die deutschen salunk, seling u. dgl.). § 2. Im M i t t e l a l t e r kommt dann für die durch den größten Teil des Nordens der alten Welt verbreitete Valeriana officinalis L. der den k l a s s i s c h e n S p r a c h e n n o c h f r e m d e Ausdruck Valeriana (neben

BALDRIAN—BALSAM

78

herba benedicta, vgl. G. Goetz Thes. s. v. benedicta) auf, kaum eine echte romanische Bildung (etwa von valere), sondern eher aus einer nordischen Namensform wie schwed. vandelrot, norw. vendelrod, dän. velandsurt verstümmelt und umgedeutet, die man als 'Wielandswurz' deuten möchte, da Schmiede wie Wieland von jeher auch als Arzte und Zauberer angesehen wurden. Ähnlich hat man versucht, mhd. baldriän, lit. baldrijöns aus dem Namen des gütigen Gottes Balder herzuleiten, der andern Pflanzennamen (zB. altn. baldrs-brd 'Balders Braue' = Kamille) sicher zugrunde liegt. Andere (wie Kluge 8 ) deuten wieder das deutsche Baldrian aus Valeriana (engl. välerian). Eine sichere Erklärung aller dieser Namen ist noch nicht gefunden. Die heilige Hildegard (um 1160) nennt die Pflanze denemarcha, ein Ausdruck, der auch sonst (vgl. E. Björkman Z. f. d. Wortf. III, 284) noch vorkommt. Namentlich kehrt er in der Schweiz wieder. In Graubünden heißt die Pflanze „ D a m m a r g a " und „Tammarken", im Entlibuch „ T a n n m a r k " usw. Eine Beziehung zu Dänemark enthält auch der Name „Dania maior" bei Tabernaemontanus; doch ist ganz zweifelhaft, ob sie von Haus aus in dem Worte liegt (vgl. C. Hartwich Über alte deutsche Heilpflanzen in der Schweiz. Wochenschrift für Chemie und Pharmazie). Im Slavischen bezeichnet *odolinü außer andern Pflanzen auch den Baldrian z B . im öech. odolen (rum. odolan). Poln. koztek, nach Rostafinski Symbola I, 313 nach dem bockartigen (altsl. koza 'Ziege') Geruch der Wurzel. Russ. maünü (vgl. darüber Berneker Slav. et. W b . II, 21). Vgl. Flückiger Pharmakognosie 3 S. 433 f. — Andere Heilpflanzen s. u. A r z t . Ballspiel, s.

Spiele.

Balsam (§ 1) (das Harz des Balsamodendron Gileadense). Der Baum wird von den Alten seit Theophrast (IX, 6) als in Syrien und Palästina, aber nur in angebautem Zustand (a'-fptov 8k oöösv eivai ßaXoafiov ouSctjioü ')), heimisch bezeichnet, dem erst Spätere, wie Strabo, das Land der Sa') „Wilden Balsam gibt es nicht."

bäer, oder wie Dioskorides, Ägypten hinzufügen, das später als das erste Balsamland galt; doch nennt der Periplus maris erythraei, der doch den Export aus beiden Ländern ausführlich schildert, den Balsam überhaupt nicht. — Nach neueren Reisenden (vgl. G. Schweinfurth Über Balsam und Myrrhe, Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft III, 218 ff.) liegt die eigentliche Heimat der Balsamstaude, die besser als Commiphora Opobalsamum Engl, bestimmt wird, in ungefähr denselben Gegenden wie die der Myrrhe und des Weihrauchs, nämlich in den Küstenstrichen des südlichen Arabiens und den ihnen gegenüberliegenden Strecken Afrikas. „ I c h fand den Balsamstrauch", sagt Schweinfurth S. 222, „den man unter Umständen vielleicht ein Bäumchen nennen könnte, im südlichen Nubien auch landeinwärts vom Roten Meere gen Westen weit verbreitet, bis 245 km von Suakin entfernt, am Gebil Kuur6b. Im tieferen Binnenland scheint er durchaus zu fehlen. Während Weihrauch und Myrrhenbäume die mittleren Berglandschaften zwischen 1000 und 1600 m bevorzugen, ist der Balsamstrauch in Arabien und Nubien nur auf die Küstenfläche, die Vorhügelregion und die unterste Gebirgsstufe bis 600 m Meereshöhe beschränkt. Nur im Somallande fand ihn Hildebrandt in Höhen von 1100 bis 1600 m. Der Strauch gedeiht nur auf steinigem oder felsig zerklüft'etem Boden, nicht auf Sand und noch weniger auf salzhaltigem Terrain des Küstenlandes, obwohl er sich auch auf Korallenfels vorfindet." Aus diesem Ursprungslande des Balsams muß also die Pflanze frühzeitig nach dem für ihre Kultur günstigen Jordantal versetzt worden sein. § 2. Was ihre N a m e n anbetrifft, so nimmt man an, daß hebr. bäs'äm = arab. basäm (im Hohenlied V, 1) den Balsamstrauch sicher bezeichne. Daneben findet sich bösem 'Balsamstaude, Wohlgeruch, wohlriechende Stoffe' und bes'em 'Wohlgeruch' (Exod. X X X , 23). Da nun Plinius Hist. nat. X I I , 117 erzählt: Alexandro Magno res ibi (in Judaea — aber wann ? — ) gerente toto die aestivo unam concham (balsami) impleri iusturn erat, und, wie gesagt, die Bekanntschaft mit dem Balsam im Abendland erst seit Theophrast auftaucht,

BALSAM—BALTEN wird man annehmen dürfen, daß erst infolge der Kriegszüge Alexanders der Balsam sowie nähere Kunde von ihm nach Europa kam. Daß giiech. ßciXaa[xov (auch ßaXaäp.ov) aus hebr. bäsäm entlehnt ist, wird man für wahrscheinlich ansehen müssen (vgl. auch K . Volleis Z. D. m. G. L, 295), obgleich der Einschub des X vor a lautgeschichtlich noch unerklärt ist. — Die Römer sahen den jüdischen Balsamstrauch durch die Triumphzüge des Pompejus und dann des Vespasian in natura (vgl. Plinius aaO.). Das Wort balsamum aus ßaXaafiov begegnet zuerst bei Vergil. Hauptsächlich durch die Kirche ist dann das griech.-lat. Wort, das bald sehr verschiedenartige aromatische Mischungen zu bezeichnen anfing, in die nördlichen Sprachen (altsl. balsümanü, ahd. balsamo usw.) übergegangen. Die Goten haben balsan, das in seinem Ausgang dem aus griech. ßa'Xaotij.ov rückentlehnten arab. balasan, armen, balasan näher als dem griech.-lat. Worte zu stehen scheint. Neben balasan, palasan hat das Armenische noch einen zweiten Ausdruck für Balsam aprsam, aprasam, der zu syrisch äpursmä, pursmä stimmt (vgl. Hübschmann Armen. Gr. I, 107). Ob eine Vermittlung dieser Wörter mit griech. ßaXaajiOV möglich sei, dürfte schwer zu entscheiden sein. — S. u. Aromata. Balten. § 1. Mit diesem Wort, das von Baltia (Plin. IV, 95) = Skandinavien hergenommen ist, faßt man die Skandinavien gegenüber an der Ostseeküste (mhd. beltemer) ostwärts von der Weichsel wohnenden, durch engste Sprachverwandtschaft verbundenen Völker der L i t a u e r , L e t t e n und der (mit dem X V I I . Jahrhundert sprachlich ausgestorbenen) P r e u ß e n zusammen (vgl. R. Trautmann Die altpreußischen Sprachdenkmäler, Göttingen 1910, Einleitung). Ein einheimischer Gesamtname für diese Völker ist nicht nachweisbar. § 2. Die Germanen (Tac. Germ. Cap. 45) benannten sie mit einem wahrscheinlich germanischen Wort Aestii = altn. Eistir, agls. (mit Anlehnung an ¿ast 'Osten') Este (vgl. z B . den Germanenkönig Aistomodius), eine Benennung, die später auf das finnische Volk der Esten überging, das allmählich

79

die Balten aus der Landschaft südlich des Finnischen Meerbusens verdrängte. Die Russen (zuerst Nestor II, 24) bezeichneten die Balten als Prusi (Pruzi, Pruteni wie Ruzi, Rutheni vgl. A. Brückner K . Z. X L I V , 335) nach einem einzelnen Stamm. Die heutigen Ausdrücke Litauen, Litauer und Letten: altruss. Litüva, lit. Lieiuwa, lett. Leischi, sing. Leitis werden mit Wahrscheinlichkeit von einem vorauszusetzenden baltischen, jetzt aber ausgestorbenen, dem lat. litus 'Küste' entsprechenden Worte oder auch von der idg. W. *lei'gießen (lit. liétas, 'gegossen'; vgl. L. v. Patrubány I. F. X X X I I , 327) abgeleitet, so daß lit. Lietuwä Küstenland oder Stromland bedeutete, wie sich denn die livischen Einwohner Kurlands ebenfalls einfach Rándalist, d. h. Strandbewohner nennen. Eine andere Auffassung s. u. § 4. § 3. Eigentümliche Namen begegnen bei den Balten für ihre westlichen Nachbarn, die D e u t s c h e n . Im A l t p r e u ß i s c h e n heißt mixkai 'auf deutsch'; „denn die Preußen haben die Deutschen also schimpfweise genennet und vor Ziegenböcke gescholten darum noch heutigen Tages die Nadraver einen erzürnten Bock mix [vgl. scrt. méshá- 'Schafbock'] heißen pflegen auch noch zur Zeit einen jungen Kerl, der unbesonnen auf jemand loßgehet, mixkas zu nennen" (Praetorius Deliciae S. 123). Früher hatte der Verf. (W. Beihefte des allg. d. Sprachvereins X , 25 f.) zur Erklärung von altpr. mixkai an lit. Mikas 'Michel' (vgl. „deutscher Michel") gedacht (ebenso A . Brückner Archiv f. slav. Phil. X X I X , 432); andere (vgl. F. Kluge I. F. X X I , 358, der aber ebenso wie Brückner fälschlich A . Leskien für die Deutung mixkai = „michelisch" verantwortlich macht) haben eine Verstümmlung aus poln. niemecki 'deutsch' angenommen. — Bei den L i t a u e r n heißt der Deutsche Wókiétis, bei den Letten Wazis = lit. *Wókis, noch unerklärt. Vielleicht darf man an den gerade im Ostgermanischen überaus häufigen Personen-, namentlich Fürstennamen Waeca, Waccis (vgl. Schönfeld Altgerm. Personen- und Völkernamen, Heidelberg 1911 S. 248) denken, nach dem ein ostgermanischer Stamm *Wókeis („Leute des W a c c a " ; vgl. Amali „Leute des Amalus") = lett.

8o

BALTEN—BANDKERAMIK

Wäzis hätte heißen können. Oder man könnte an das in baltischen Flußnamen häufige Element *väk- {Vaka 'linker Nebenfluß der Wilija', lit. Woke, altpr. Wake-, vgl. Kasimir Buga Rocznik Slaw. VI, 21) anknüpfen, so daß lit. * Wokis, lett. Wäzis der „Vaka - Anwohner" wäre, was auf eine frühere, weit östlich vorgeschobene Stellung der Germanen hinwiese (eine Vermutung in anderer Richtung bei F. Kluge Grundriß 13, Urgerm.. S. 130 Anm. 2). § 4. Nimmt man, wie oben geschehen, an, daß Litauer, Letten und Preußen zuerst als die Aestii des Tacitus in die Geschichte eintreten, so bleibt bei dem Bericht des genannten Schriftstellers auffallend, daß die Sprache dieses Volkes Britannicae propior, also einem Zweig des Keltischen ähnlich gewesen sein soll, was zweifellos nicht richtig ist. Dieser und andere Gesichtspunkte haben A. Schachmatov (Archiv f. slav. Phil. X X X I I I , 51 ff.) dahin geführt, die baltische Küste (in vorbaltischer Zeit) von einem keltischen Volk, nämlich von den von ihm für Kelten (statt für Slaven) gehaltenen Veneti bewohnt sein zu lassen. Sowohl in dem Gebiet der Weichsel wie der Memel und der Düna ließen sich vielfach geographische Namen keltischer Herkunft nachweisen, und das oben (§2) genannte Lietuwä 'Litauen' stelle nicht nur eine analoge, einheimische Bildung zu altkymr. Llydaw, mittelalterl. Letavia im Sinne von Bretagne, Armorica (Meeresufer) dar, sondern sei direkt das keltische Wort, übernommen aus dem Munde eben jener Veneti. Die Balten seien daher erst ganz spät zum Meere vorgedrungen. Doch wird ein Hauptargument Schachmatovs, daß nämlich Tacitus als Schwiegersohn des in Britannien ausgezeichnet bekannten Agricola in der Beurteilung der aistischen Sprache unmöglich habe irren können, wesentlich geschwächt dadurch, daß Tacitus uns als aistischen Namen des Bernsteins aaO. das doch sicher g e r m a n i s c h e glesum (s. u. B e r n s t e i n § 3) nennt. Andere Einwendungen gegen Schachmatov bei Kasimir Buga a. a. O. (,,Keltenspuren auf baltischem Gebiet?") und M. Vasmer (Kritisches zur neueren slav. Etymologie), Rocznik Slaw. VI, 17 2 ff.

§ 5. Ganz im Gegensatz zu Schachmatov vertritt A. Bezzenberger (Bemerkungen zu dem Werke von A. Bielenstein über die ethnologische Gestaltung des Lettenlandes, Bulletin de l'Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg 1895, X X X V I (IV nouv. série), 467 ff.; zuletzt K. Z. X L I V , 286 ff.) die Meinung, daß die heutigen Litauer und Letten schon seit neolithischer, ja seit postglazialer Zeit in ihrem heutigen Vaterlande wohnten. Er glaubt auf diese Weise am besten die Erscheinung erklären zu können, daß das idg. Wort für M e e r (s. d.), lat. mare etc. übereinstimmend in den baltischen Sprachen zur Bezeichnung des Kurischen Haffs (altpr. mary, lit. märe's) verwendet werde und für die Ostsee selbst ein neuer Ausdruck (altpr. iürin Acc., lit. jüre's, lett. jûra) aufgekommen sei. In jener uralten Zeit hätte nämlich das Kurische Haff noch nicht bestanden und *mare die ganze Ostsee bezeichnet. Je mehr nun im Laufe der Zeit das erstere hervorgeti eten sei, um so mehr habe sich das idg. Wort auf die Bezeichnung desselben beschränkt. Sicher ist, wie die im Königsberger Prussia-Museum gesammelten Funde zeigen, daß die baltische Küste schon in der jüngeren Steinzeit und früher ebenso wie in der Bronze- und Latènezeit besiedelt war. Von welchen Völkern freilich, bleibt, trotz Bezzenberger, hier wie anderwärts, vorläufig ungewiß. § 6. In k ö r p e r l i c h e r Hinsicht besitzen die heutigen Litauer vorwiegend helle Haare, indem sie eine Art Mittelstellung zwischen Weißrussen und Letten einnehmen. Blaue und graublaue Augenfarbe ist vorherrschend; doch steht der Litauer darin hinter dem Letten zurück. Seine Körpergröße ist eine mittlere, eher größere als kleinere. Die am häufigsten vorkommende Kopfform ist die brachykephale. Dolichokephale Formen kommen anscheinend nicht vor (vgl. Archiv f. Anthrop. N. F. II, 3 S. 220 nach J. O. Baronas Zur Anthrop. des litauischen Volksstammes). — Weiteres s. u. S l a v e n , wo auch über die Frage einer engeren b a l t i s c h - s l a v i s c h e n Verwandtschaft gehandelt worden ist. S. auch u. U r h e i m a t . Bandkeramik, s. G e f ä ß e .

8i

BANK—BÄR Bank. § i. Die älteste Form der Bank scheint eine einfache, aus Lehm hergestellte Erhebung des ursprünglich ungedielten Erdbodens gewesen zu sein, wie sie zB. in einem Wohnhaus des steinzeitlichen Dorfes Großgartach (s. u. H a u s § 22) tatsächlich nachgewiesen worden ist. Diese Lehmbänke wurden dann mit Brettern belegt und später ganz aus Holz hergestellt. In jedem Fall ist die an den Wänden der Wohnung hinlaufende und an ihnen befestigte Bank die Vorläuferin der beweglichen Bank und des Stuhls (vgl. R. Meringer Studien zur germanischen Volkskunde III Der Hausrat des oberdeutschen Hauses, Mtlg. der Wiener anthrop. Ges. X X V , 56 ff., Sb. d. Kais. Ak. d. W. in Wien, phil.-hist. Kl. CXLIV, 97 ff.). § 2. Es wird nicht zu kühn sein, auf das Bekanntwerden der b e w e g l i c h e n Bank die ungeheure Entlehnung zu beziehen, die aus lat. scamnum, scabellum, scamellum (vgl. scrt. skambhd- 'Stütze, Pfeiler') in die nordeuropäischen Sprachen stattgefunden hat: ir. scamun, altbret. scamon, korn. scavel, ahd. scamal, alts. fotscamel 'Fußbank', agls. sceomul, altsl. skomtnü (aüs mgriech. axafivo?), weißruss. skamlica (vgl. axa|xvi, PI. . xt(Xe fi lep^oucfi ^u^ai, ¿iStuXa xapovxcov, oö8e fie irtu ¡xiaYsaöai önep iroxctfioTo ¿cuatv, *) „Das aber ist das Los der Menschen, wenn sie gestorben sind; denn nicht mehr halten die Sehnen das Fleisch und die Knochen, sondern die bezwingt die gewaltige Kraft des lodernden Feuers, sobald das Leben die weißen Knochen verläßt. Die Seele aber ist wie ein Traumbild davongeflogen."

dXX' auxtoi dXotXi)(j,at av' supuTtuXs? "A'1'80? 85). xai ¡101 86? xijv /etp, ¿Xo ex' a3xi? viuojiai ' A i 8 a o , i7t73v fie 7copoc XeXaxiixe1). Ganz ähnliche Gedanken kehren bei den I n d e r n wieder. A u c h bei ihnen war Verbrennung der gewöhnliche W e g f ü r den Toten, die nächste W e l t zu erreichen. D e r fleischfressende Agni (kravyäd-) trägt den Verstorbenen in die andere Welt, zu den V ä t e r n und Göttern und führt ihn in das Reich der höchsten Unsterblichkeit ein (vgl. Macdonell Vedic Mythology, Grundriß der indo-ar. Phil. III, 1 A, 165). A b e r auch im N o r d e n E u r o p a s wird als Zweck des Leichenbrandes die gleiche Meinung ausgesprochen. So antwortet bei der v o n Ibn-Fadhlan geschilderten Leichenverbrennung (s. o. § 5) einer der Russen auf die erstaunte Frage des Arabers: „ I h r Araber seid wahrhaftig ein dummes V o l k : Ihr nehmt den liebsten und geehrtesten Mann und werft ihn in. die Erde, wo W ü r mer und kriechendes Getier sich v o n ihm nähren. W i r aber verbrennen ihn in einem Augenblick und unmittelbar geht er und unverzüglich ins Paradies ein." Es kann also keinem Zweifel unterliegen, wie dies zuerst E. Rohde Psyche I 2 , 31 ff. und S. Müller Nordische A . K . I, 363 ff. angenommen haben, daß der ursprüngliche Sinn der Feuerbestattung d e r war, die bis dahin auch nach dem Tode am K ö r p e r haftend gedachte Seele aus dieser H a f t zu befreien und sie, die, wie das griech. öufxo? 'Seele' ( = lat. fümus 'Rauch') zeigt, selbst als „ R a u c h " aufgefaßt wurde, durch die Flamme des Scheiterhaufens einem fernen T o t e n r e i c h e (s. d.) zuzuführen. Zu diesem Gedanken tritt ein zweiter, im Grunde mit dem ersten identischer, nämlich d e r , sich selbst durch das V e r *) „Begrabe mich sobald wie möglich, damit ich die Tore des Hades durchschreite. Fern halten mich die Seelen, die Bilder der Toten, und noch nicht wollen sie mich über den Strom zu sich lassen, sondern zwecklos schweife ich umher im weittorigen Hause des Hades. Gib mir die Hand, ich flehe dich an. Niemals will ich wieder aus dem Hades kommen, wenn ihr mich des Feuers teilhaftig werden laßt".

BESTATTUNG brennen der Leiche v o n dem T o t e n zu befreien. M a n m u ß zwischen solchen T o t e n unterscheiden, die durch feierliche Zeremonien (s. u. A h n e n k u l t u s § 8) in die Zahl der verehrten V o r f a h r e n a u f g e n o m m e n worden sind, und solchen, bei denen dies nicht oder noch nicht der F a l l gewesen ist, und die nun ruhelos u m die S t ä t t e des Grabes oder die frühere W o h n u n g umherschweifen und in mancherlei Gestalt, namentlich als W e r w ö l f e (s. u. W o l f ) und V a m p y r e die L e b e n d e n erschrecken. A u c h im A l p t r a u m (s. d.) erscheinen sie dem Menschen. E s ist im Grunde nur ein solcher, der den schlafenden Achilleus quält. V o n alledem befreit m a n sich, indem m a n den T o t e n v e r b r e n n t und ihn d a d u r c h a n der W i e d e r k e h r verhindert. Vielleicht ist es auch richtig, mit R . M u c h (Anzeiger f. d. A l t e r t u m X L V I I I , 315 ff.) den noch in späteren Zeiten üblichen F e u e r t o d v o n H e x e n und Zauberern aus diesem G e d a n kenkreis heraus zu erklären: sie k o m m e n nicht wieder, w e n n m a n sie v e r b r e n n t . V g l . über die G r u n d g e d a n k e n und Geschichte des L e i c h e n b r a n d e s g a n z neuerdings ( 1 9 1 6 ) noch H . S c h r e u e r D a s R e c h t der T o t e n Z. f. vergl. R w . X X X I I I , 3 9 6 f r . 4. § 1 1 . D i e hier geschilderten G r u n d g e d a n k e n des B e g r a b e n s und Verbrennens treten uns indessen selten in völliger R e i n heit entgegen. Häufiger als b e w u ß t e W a h l der einen oder anderen B e s t a t t u n g s a r t ist durch Überlieferung v o n den V ä t e r n auf die Söhne mehr oder weniger gedankenlos gewordene G e w o h n h e i t zu b e o b a c h t e n . V o r allem aber k a n n m a n die a n t i k e Feuerb e s t a t t u n g nicht verstehen, w e n n m a n sich nicht v e r g e g e n w ä r t i g t , d a ß der jüngere Leichenbrand überall die N e i g u n g zeigt, m i t den älteren G e d a n k e n und G e w o h n heiten des Begräbnisses der u n v e r b r a n n t e n Leiche zu verschmelzen. Niemals und nirgends ist wohl die F e u e r b e s t a t t u n g allein und bei allen herrschende S i t t e gewesen, obw o h l eine chronologische und geographische Darstellung ihrer V e r b r e i t u n g in E u r o p a noch nicht vorliegt, auch k a u m z u r z e i t m ö g lich ist. So liegen auf dem Gräberfeld v o n H a l l s t a t t aus im wesentlichen gleicher Zeit und aus im wesentlichen, wie die B e i g a b e n zeigen, gleichen Bevölkerungsschichten 455 B r a n d g r ä b e r und 525 Beerdigungen ( T . X I V O. S c h r ä d e r , Reallexikon,

s. A .

113

Fig. 12) friedlich nebeneinander. Kinder wurden, wie oben (§ 3 und 6) gezeigt ist, überh a u p t nicht v e r b r a n n t , sondern begraben, obgleich der Grund dieser Erscheinung schwer zu erraten ist. Gerade bei den ältesten F e u e r b e s t a t t u n g e n des Nordens, die teilweise bis in die Steinzeit reichen, geschieht es, d a ß die Leiche im G r a b e selbst v e r b r a n n t wird, so d a ß A s c h e und K n o c h e n an Ort und Stelle bleiben, eine Sitte, die auch in den sehr alten Gräbern aus Eleusis (§2) nachgewiesen w o r d e n ist, wie sie aus R o m längst b e k a n n t w a r (vgl. Festus ed. O. Müller p. 32: Bus tum proprie dicitur locus, in quo mortuus est combustus et sepultus; ubi vero combustus quis tantummodo, alibi vero est sepultus, is locus ab urendo ustrina vocatur, v g l . M a r q u a r d t P r i v a t leben I 368). Eine seltsame und noch u n erklärte V e r q u i c k u n g v o n B e g r a b e n u n d V e r b r e n n e n (vgl. d a z u C. Cichorius F e u e r tod m i t E i n g r a b e n im A l t e r t u m , Breslauer Festschrift 1911 S. 570 ff.) stellt ferner d i e namentlich auf dem H a i i s t a t t e r Friedhof mit Sicherheit nachgewiesene T a t s a c h e dar, d a ß der Verstorbene halbiert und die eine H ä l f t e begraben, die andere v e r b r a n n t w u r d e (T. X I V Fig. 13). Ä h n l i c h w u r d e in R o m wenigstens ein v o n der zu v e r b r e n n e n den Leiche abgeschnittener K n o c h e n (os resectum) besonders begraben. (Vgl. Marq u a r d t aaO. S. 363.) Die A s c h e n u r n e n erhalten ferner häufig ein hüttenartiges A u s sehen, als ob der obschon v e r b r a n n t e T o t e , wie in den oben geschilderten H ü t t e n bauten, noch in ihnen wohnen sollte (s. u. Dach). D a b e i wird in den H ü t t e n u r n e n sogar das den alten W o h n h ä u s e r n eigentümliche W a n d - oder Giebelloch (zum Hinausspazieren des R a u c h s und der Seele), der dusnikü der russischen izba, a n g e b r a c h t (Beispiele im Schles. Mus. f. K u n s t g e w e r b e u. A l t e r t ü m e r in Breslau und sonst). Schließlich dauern die bei dem L e i c h e n b r a n d theoretisch nutzlosen Totenbeig a b e n in praxi gleichwohl fort, j a steigern sich noch unter der W u c h t des Gedankens, d a ß sie dem T o t e n in seine neue H e i m a t folgten. 5. § 12. D a ß die Gewohnheit, die T o t e n zu verbrennen, s t a t t z u begraben, überall da, w o sie begegnet, neu entstanden sei, wird m a n nicht f ü r glaublich halten. V i e l 8

Tafel XIII.

Bestattungswesen d. Fig. 8.

Totengehäuse zu der T . X I I Fig. 7 dargestellten Hüttenbestattung (in dem Raum zwischen dem

Rand der Grube und dem Totengehäuse sind auf der ö. Seite niedergelegt: ein rotgefärbter Topf, ein Kuhschädel und ein Kuhfuß, auf den übrigen Seiten j e ein Kuhfuß). — Fig. 9. ausgegrabenen Kurgans, Station Kostroma, Bezirk Kuban. burg 1906. S c h r ä d e r , Reallexikon.

2. A .

S. 1 9 7 .

Grundriß eines

Aus Alibomu Risunkov (russ.) St. Peters-

Fig. 1 2 0 3 . Verlag von Karl J . Trübner in Strafiburg.

Tafel X I V .

Bestattungswesen e. Fig. 10. 1906.

Balkenhtitte aus einem russischen Kurgan.

S. 196.

S. 42. — laden.

Fig. 1201. —

Fig. 12.

Fig. I i .

Aus Alibomu Risunkov (russ.).

Grab bei Remedello.

St. Petersburg

Aus S. Müller Urgeschichte Europas.

Gemeinschaftliche Gräber einer bestatteten und einer verbrannten Leiche in Ton-

Aus y. Sacken

Das Grabfeld von Hallstatt. Kopfe verbrannt.

S c h r ä d e r , Reallexikon.

2.A.

T . III.



Fig. 13.

Oberkörper

samt

dem

Ibid. T . IV.

Verlag- yon K a r l J. T r ü b n e r in S t r a s b u r g .

8*

BESTATTUNG

117

•wahrscheinlicher ist es, daß wir es auch hier mit der weltweiten Kulturwandrung eines Brauches von Volk zu Volk zu tun haben, dessen Ausgangspunkt freilich mit Sicherheit zu bestimmen bis jetzt nicht gelungen ist. Doch ist auf folgendes hinzuweisen. Wir haben gesehen, daß der Leichenbrand in den Fußstapfen der ihm geraume Zeit voraufgegangenen B r o n z e auftritt, deren Ursprünge (s. u. Erz) aller Wahrscheinlichkeit nach in den Euphrat- und Tigrislandschaften zu suchen sind. Sollte nicht auch der Leichenbrand von hier seinen Ausgang genommen haben? Im Jahre 1887 sind in Babylonien die beiden Trümmerstätten Surghul und El Hibba im Lande der Chaldäer eingehend untersucht worden, wobei ungeheuere Nekropolen als gemeinsame Ruheplätze der Reste im Feuer verbrannter Leichen zutage getreten sind (vgl. R. Koldewey in der Zeitschrift für Assyriologie II, 403 ff. und R. Zehnpfund Babylonien in seinen wichtigsten Ruinenstätten, Leipzig 1910, Der alte Orient II, 2/3 S. 42 ff.). Es ist, als ob der Mensch hier eine Schule der Leichenverbrennung durchgemacht habe. Leichen finden sich, die gänzlich eingeäschert sind, Leichen, die nur zum Teil verkohlt sind, Leichen, die kaum eine Spur der Verbrennung tragen. Man kann „Leichengräber" und „Aschengräber" unterscheiden; bei den ersteren sind die Reste der Verbrennung auf ihrem Platze unberührt liegen geblieben, bei den letzteren in besondere Gefäße gesammelt worden.

Auch hat in der gesamten (auch sumerischen) L i t e r a t u r Babyloniens und Assyriens sich bis jetzt keine Anspielung irgendwelcher Art auf das Verbrennen oder Anbrennen der Toten finden lassen, so daß die ethnische Zugehörigkeit jener Feuer nekropolen ungewiß bleiben muß. III. Z u r T e r m i n o l o g i e d e s V e r b r e n n e n s u n d B e g r a b e n s . 1. §13. In dieser noch mannigfacher Aufklärung bedürftigen Geschichte des Verbrennens und Begrabens ist die Hilfe der Sprachwissenschaft leider von nebensächlicher Bedeutung; denn da auch die Urne mit dem Leichenbrand in den Erdboden versenkt zu werden pflegt, k ö n n e n „Begraben" und „Verbrennen" sprachlich in dem Begriff des „Grabens", „ Bergens", ,, Bewahrens" zusammenfließen und t u n es häufig (s. u.). Immerhin könnte man erwarten, daß, w e n n die älteste idg. Sitte das Verbrennen der Leichen gewesen wäre, hie und da Verba für „Brennen" den Sinn von Begraben angenommen hätten, wie dies J. Grimm aaO. S. 223 für griech. 9aiirca> (iwpoi) behauptet hat, das er irrtümlich mit scrt. tap, lat. tepeo, griech. xscppoc 'Asche' verglichen hat, oder wie er got. aürahi ,¡xvr,fj.a' aus lat. urceus 'Krug' ( = U r n e ) entlehnt sein ließ. In Wirklichkeit muß aber Oaitto», xacpoc zu ahd. tunc 'Grube, unterirdische Wohnung' (vgl. Kluge 8 s. v. Dung) oder (mit Lid6n Armen. Stud. S. 42) zu armen, damban 'Grab, Gruft, Grabmal' gestellt werden. Über got. aürahi s. u. § 14.

Auch Beigaben aller Art (Goldschmuck, aber auch feuersteinerne Äxte und Pfeilspitzen) finden sich, sowohl solche, die mit dem Toten verbrannt wurden, als auch solche, die nachher an dem Grabe oder in den Totenhäusern — denn auch solche sind nachgewiesen — niedergelegt wurden. Es scheint demnach wahrscheinlich, daß wir es in Surghul und El Hibba mit den Ruinen a l t b a b y l o n i s c h e r Feuernek r o p o l e n zu tun haben. Unzweifelhaft aber ist der Leichenbrand keine s e m i t i s c h e Erfindung. Altsemitischer Brauch ist vielmehr das Begräbnis der unverbrannten Toten, wie es sich bei Hebräern, Phöniziern und Arabern findet, die mit dem Babylonisch-Assyrischen auch das Wort hebr. qabar 'begraben' gemein haben.

Ein sicherer und weiter verbreiteter idg. Name des S c h e i t e r h a u f e n s ist bis jetzt nicht nachweisbar. Nur auf slavischgermanischem Boden begegnet eine vielleicht hierhergehörige Gleichung in altsl. krada, auch slov. und öech. • = mhd. rdz, räze (Berneker Slav. et. Wb. I 605; anders freilich über das germ. Wort Kluge 8, s. v. R o ß 2 ; aus fränk. rät nach W. MeyerLübke Rom. et. Wb.: altfrz. re). Im übrigen geht die Terminologie dieses Begriffes weit auseinander. Griech. irupa (: irup 'Feuer') bedarf keiner Erklärung. Lat. rogus (vgl. R. Meringer I. F. X V I I , 145, 185) kehrt zwar in griech. poyos (Sizilien und Großgriechenland) wieder, bedeutet hier aber den Getreideschober, ganz wie russ. kosteru 'Scheiterhaufen' mit

u8

BESTATTUNG—BESTATTUNGSBEIGABEN

klruss. koster 'Schober', öech. kostroun 'Gestell zum Trocknen von Klee' zusammenhängt, und lit. ddrdas 'Scheiterhaufen' eigentlich das Gestell ist, auf dem man Erbsen trocknet (Trautmann Altpr. Sprachdenkm. S. 418). Auch könnte das russische Wort seine Bedeutung 'Scheiterhaufen' aus dem altn. köstr id. erhalten haben, das selbst dunkel ist (vgl. Berneker aaO. I, 584). In den germanischen Sprachen gelten für Scheiterhaufen noch agls. dd ( = griech. aiöoi 'Brand', scrt. edhas- 'Brennholz'), altn. (neben köstr) hlaör (vgl. hlaSa 'Scheune', 'aufschichten') und bdl, agls. bcel, dunkel wie auch ahd. saccdri. Den Eindruck hoher Altertümlichkeit erhält man aus dieser ganzen Terminologie nicht. 2. § 14. Am weitesten geht die Übereinstimmung der idg. Sprachen in der Bezeichnung des Bestattens in der Reihe von altpr. kopts, enkopts 'begraben', kapurne, kapinnei (bei Praetorius) 'Grabhügel', lit. kapas 'Grabhügel', lett. kapit mäte 'Grabesgöttin' (Usener-Solmsen Götternamen S. 107), griech. X O T O T O C 'Grab' (II. X X I V , 795 ff.) 'Grube', lat. capulus 'Sarg'; doch bedeuten lit. kapöti, altsl. kopati nur 'hacken' oder 'graben' (begraben: lit. pakästi, Ididoti, russ. choroniti, eigentlich 'bewahren'). Sehr altertümlich ist lat. sepelio 'ich begrabe' (oben § 3), das mit scrt. sapary 'dienen, huldigen, verehren' und altp. hapariya- 'Ehrfurcht bezeugen' 7U vergleichen ist (so auch W. Schulze K . Z. X L I , 33s). Das Verbum hat offenbar seinen Ursprung im Totendienst, wie auch lat. fünus 'Leichenbegängnis', das man dem griech. &oiv7] 'Mahl, Opfermahr etymologisch gleichsetzen kann (anders Sommer I. F. X I V , 235 und Walde Lat. et Wb. 2 ), sich ursprünglich auf das so wichtige und charakteristische Totenmahl (silicernium) bezogen haben könnte. Nicht minder lehrreich ist aus den klassischen Sprachen noch das homerische xop^ueiv 'feierlich bestatten' (IL II, 453), wenn es (so zuletzt E. PfuW in den GGA. 1907, Sept.) identisch mit dem späteren rapi/eueiv 'dörren, einpökeln' ist. Es wäre alsdann ursprünglich auf die oben genannte mykenische Sitte einer Mumifizierung der Leichen durch Räucherung (s. 0. § 2 und u. M y k e n i e r ) zu beziehen. Im Gotischen wird griech. öa'itt(o

durch ganawiströn und filhan (gafilh., usfilk 'Begräbnis', ßigri 'Höhle'), ¡I.VT |AGI ('Grab') durch atirahi übersetzt. Von diesen schließt sich das erstere (vgl. auch naus, nawis 'der Tote') am nächsten an altsl. navi 'Toter', altpr. nowis 'Rumpf' an (s. u. Sarg), das zweite scheint von einer Grundbedeutung xpuircsiv (s. u. T o r f ) auszugehn, wie auch maked. xuäap • ta'v. OUTIOJ, Sjxtoai 8', a;'A)(tXsui Xr(ia toutwv a7rozXuij.axi ^ptüvxat, und das des Posidonius (aaO.): itotpa 8e xoTs uitoSesotspoic Cüöos Ttupivov (j.eta ¡jisXtxo? ¿a s- a u c h u. A p f e l b a u m ) . Das Wort (dor. o^va) könnte in Ablaut zu ey/o? 'Lanze' („aus dem Holz des wilden Birnbaums", s. u. Spieß) stehen, welches letztere wieder dem poln. wiqz 'Rüster' (*venzu) entsprechen könnte. Über die Pontusländer s. u. ' § 3. Nach dem n ö r d l i c h e n Europa ist die Kultur der Birne nach Ausweis Birnbaum (Pirus communis L.). §1. der Sprache von zwei Seiten vorgedrungen. Für diesen Baum sind in dem idg. Wort- Einmal vom römischen Süden her: lat. schatz zwei Gleichungen vorhanden: griech. pirus, das auch in den keltischen Sprachen a-^epSoc, d-ypd .schwelle'. Alb. ba&e 'Saubohne' wird entweder zu lat. faba oder zu griech. &' s x o x o v

ß o u ? Scüxev, eireita 81

y(Xi' omary, alyat ojxou xal ots, Tot oi aaireta notjiaivovro 1 ). § 2. Nicht weniger deutlich ist die K a u f e h e im O s t e n E u r o p a s , zunächst bei den alten T h r a k e r n bezeugt. Vgl. Herodot V , 6: lovsovxat ta? •yovaixai napa TWV •pvsiuv j(p7)|AotTu)V ¡isydkiov 3) und X e n o phon A n a b . V I I , 2, 38: 2ol 8e, u> EevotpZv (sagt der Thrakerfürst Seuthes), xal öufaxepa 8toaa> xal ei-tts aol l a u öu-ptTirjp, 1) „Denn die alten Sitten waren sehr einfach und barbarisch. Die Hellenen trugen nämlich Waffen und kauften ihre Weiber." *) „Zuerst gab er 100 Rinder, dann versprach er 1000, Ziegen zugleich und Schafe, die ihm in unsagbarer Menge weideten." 3) „Sie kaufen ihre Frauen von deren Eltern für große Schätze." 11

BRAUTKAUF

1Ö2 A>V^ 'beraube' und vielleicht lat. mustela aus *mus-ste-la 'Wiesel', eigentl. 'Mausedieb'); ferner: griech. xXeirca», lat. clepere, got. hlifan (altpr. aukliptas 'verborgen', ir. clüain 'Betrug') und griech. iptup 'Dieb' = lat. für (furtirn 'heimlich', Gegensatz: iij-iroo; -pißs[j.evai xpt X.EUXÒV lüxTijiiviß èv dXuvfl, pifxcpa xe Xsttt èyÉvovxo ßo&v óirò Tròno èpt[j.uxa>v *). Solche unbedeckte, aus behauenen Steinplatten wohlgefügte (¿öxtt|xsvo?), kreisrunde Tennen, in deren Mitte sich ein Pfahl befindet, um den herum die dreschen") „Wie wenn einer breitstirnige Stiere anschirrt, um in der wohlgefügten Tenne die weißliche Gerste zu dreschen und unter den Füßen der laut brüllenden Rinder die Spreu aufwirbelt. . ."

DRESCHFLEGEL

den Pferde getrieben werden, begegnen noch heute z. B. in montenegrinischen Siedelungen und werden gleichzeitig als Versammlungs- und Tanzplätze benutzt (Rovinskij Montenegro, Sbornik L X I I I 463). Aber auch im Norden kann diese Weise des Dreschens nicht unbekannt gewesen sein. Hierauf weist zunächst die Sprache mit Deutlichkeit hin. Das gemeingerm. got. priskan, agls. perscan, ahd. dreskan, das an sich über die altgermanische Dreschweise natürlich nichts aussagen würde, ist in die romanischen Sprachen entlehnt worden, wo es (vgl. ital. trescare, altfrz. treschier) die Bedeutung 'mit den Füßen trampeln', 'tanzen' angenommen hat. Offenbar läßt sich dieser Bedeutungsübergang nur erklären, wenn man von der trampelnden Bewegung des Viehs beim Dreschen, nicht aber von der ruhenden Stellung des mit dem Dreschflegel arbeitenden Mannes ausgeht. Wenn daher in L. Wisigoth. (W.) V I I I , 4, 10 die Bestimmung enthalten ist, daß man nicht eines anderen Vieh auf den Dreschplatz führen solle, so ist kein Grund vorhanden, dies mit Anton (Geschichte der deutschen Landw. I, 101) ohne weiteres als Ausfluß südlicher Sitte aufzufassen. Vielleicht läßt sich got. priskan, agls. perscan mit dem homerischen xpißto, mit dem es also sachlich identisch ist, auch etymologisch (*terzgworausperscan, priskan = griech. xpi"ßu> wie ahd. gersta = griech. xptd^) vereinigen, wodurch dann für dieses Zeitwort die Ansetzung einer ureuropäischen Bedeutung 'durchTreten das Getreide entkörnen' (vgl. W. Meyer-Lübke a. u. a. 0 . S. 215) möglich wird. Übrigens heißt auch im Babylonischen däsu 'treten' und 'dreschen'. § 3. Doch ist auch das A u s k l o p f e n des Getreides in Europa uralt, und hierzu dienende Stäbe (Fig. 19) sind in Robenhausen und Wangen wiederholt gefunden worden. Dieses Dreschen des Getreides mit S t ö c k e n oder K n ü t t e l n (lat. baculis excutere, fustibus tundere, perticis flagellare) wurde in Italien geübt, wenn es sich nur um die a b g e s c h n i t t e n e n Ä h r e n , n i c h t um das Getreide mit den Halmen handelte (vgl. Blümner Terminologie u. Techn. I, 7)Denselben Gebrauch hatte schon Pytheas

DRESCHEN,

DRESCHFLEGEL

nach S t r a b o bei den britischen K e l t e n v o r gefunden. E s ist in dieser unten S . 2 0 5 b m i t geteilten N a c h r i c h t ausdrücklich v o m xotttsiv 'schlagen' der ata^ue? ' Ä h r e n ' die R e d e und d a ß nur solche, nicht das Getreide mit dem H a l m gemeint sind, geht aus einer aus derselben Quelle fließenden N a c h richt des Diodorus (s. u.) mit Sicherheit hervor (vgl. Möllenhoff D. A . I, 393 f.). § 4. Der Gebrauch, das Getreide m i t dem H a l m in gleicher W e i s e zu b e handeln, ist in E u r o p a erst m i t der E r findung des heutigen D r e s c h f l e g e l s a u f gekommen. Die B e z e i c h n u n g desselben, lat. -flagellum, t r i t t in diesem Sinne zuerst bei St. H i e r o n y m u s Jesai. I X , 28 a u f : sed virga excutinetur et baculo quae vulgo flagella dicuntur. N a c h der V e r b r e i t u n g in den romanischen M u n d a r t e n zu urteilen,

Fig. 19. Stab zum Ausklopfen des Getreides.

205

slavisch ist sowohl altsl. mlatiti 'dreschen': mlatü ' H a m m e r ' wie auch russ. cipü (vgl. l a t . s c l p i o ' S t a b ' ? ) 'Dreschflegel', die beide schon im Slovo o p o l k y Igorja I X : „ N i c h t G a r b e n (snopu) breiten sie aus, sondern K ö p f e , sie dreschen mit stählernen Flegeln (,cipü); auf der T e n n e (tokü) legen sie d a s L e b e n hin und w o r f e l n (vijutü) die Seele aus dem K ö r p e r " e r w ä h n t werden. Ob damals freilich der Dreschstab (mhd. drischelstap) oder schon der heutige Dreschflegel g e b r a u c h t w u r d e , . l ä ß t sich n i c h t sagen. G e g e n w ä r t i g ist der letztere j e d e n falls sowohl im Süden, z. B . in Montenegro (vgl. R o v i n s k i j aaO. S. 596), w i e auch im Norden, z. B . im G o u v e r n e m e n t Olonetz (vgl. K u l i k o v s k i j D i a l e k t - W ö r t e r b u c h des G o u v . Olonetz, P e t e r s b u r g 1898 s. v . tipecü), gebräuchlich. V g l . noch altsl.

Robenhausen. Aus F. Keller Pfahlbautenberichte V, 10; 21.

ist dieses W o r t nicht v o n Italien, sondern eher v o n Nordgallien ausgegangen, und h a t auf dem W e g e der E n t l e h n u n g eine außerordentliche B e d e u t u n g im mittleren und nördlichen E u r o p a erlangt: ahd. flegil, agls-. fligel, ir. srogell, k y m r . frewyll. Freilich ist es noch nicht gelungen, auffallende, neben ahd. flegil liegende F o r m e n mit p und pf (ndd. plegel usw.) befriedigend z u erklären (vgl. M e y e r - L ü b k e S. 236). Auf jeden Fall ist der zweiteilige Dreschflegel allmählich das eigentliche D r e s c h w e r k z e u g Mitteleuropas geworden. E r wird die uralte B e n u t z u n g des V i e h s z u m A u s t r e t e n des Getreides mehr und mehr v e r d r ä n g t haben, und so ist es nicht verwunderlich, daß das ursprünglich nur diese bezeichnende germanische Z e i t w o r t allmählich auch die mit dem Dreschflegel ausgeübte T ä t i g k e i t bezeichnete (darum ahd. driscil 'flagellum', engl, thrash in der B e d e u t u n g 'prügeln'). § 5. A u c h bei den S l a v e n m u ß m a n sehr frühzeitig mit dem A u s k l o p f e n des Getreides b e k a n n t gewesen sein. Gemein-

vrüchci, vrlsti ebenfalls 'dreschen' (in Teilen des slavischen Gebietes auch v o m A u s treten des Getreides oder der Hülsenf r ü c h t e durch V i e h gebraucht) = lat. verro, ahd. wirru 'verwirre' (Fick Vergl. W . 14, 550) und lit. spragilas 'Dreschflegel' : spragü 'prassele' (kuliü 'dresche'). § 6. A u f das Vorhandensein eines für das Ausdreschen des Getreides bestimmten Platzes, also der T e n n e , schon in der europäischen U r z e i t weist die Gleichung altschwed. ld (finn. luuvä) = griech. * a-X