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German Pages 170 Year 2015
Wulf D. Hund Rassismus
Die Beiträge der Reihe Einsichten werden durch Materialien im Internet ergänzt, die Sie unter www.transcript-verlag.de abrufen können. Das zu den einzelnen Titeln bereitgestellte Leserforum bietet die Möglichkeit, Kommentare und Anregungen zu veröffentlichen. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2007 transcript Verlag, Bielefeld Lektorat: Kai Reinhardt, Bielefeld Herstellung: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-310-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.
Inhalt
I. Einleitung II. 1. 2. 3. 4.
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Grundlagen 9 Rasse, Kultur, Herrschaft 10 Geschlecht, Klasse, Nation 15 Konstruktion, Inklusion, Exklusion 20 Rassismus als soziales Verhältnis 27
III. Formen 34 1. Kultivierte und Barbaren 36 2. Reine und Unreine 43 3. Erwählte und Teufel 53 4. Zivilisierte und Wilde 61 5. Weiße und Farbige 68 6. Wertvolle und Minderwertige 74 IV. Methoden 82 1. Desozialisation, Entfremdung 83 2. Differenzierung, Inferiorisierung 91 3. Stigmatisierung, Verkörperung 99 4. Assimilation, Segregation 109 V. Einsichten
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Anmerkungen
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Literatur
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I. Einleitung »Today racism operates in societies and institutions that explicitly condemn prejudice and discrimination.« Howard Winant (2001: 307) Rassismus ist weltweit verrufen und dauert überall an. Dabei dürfte es ihn – zumindest, wenn man die offiziellen Zeichen seines institutionellen Niedergangs deutet – eigentlich kaum mehr geben. Als wissenschaftliches System befand er sich schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Rückzug (Barkan 1992). Als politisches System wurde er durch den Nationalsozialismus völlig diskreditiert (Burleigh/Wippermann 1991) und verlor nach dem Ende der Apartheid seine letzte staatliche Bastion (Maylam 2001). Als soziales System erschütterte der offizielle Übergang von der weißen Vorherrschaft zur Rassendemokratie in Brasilien (Telles 2004), zum Multikulturalismus in Australien (Lopez 2000) oder zur positiven Diskriminierung in den USA (Wise 2005) nachhaltig seine Geltung. Trotzdem fiel die Bilanz der Weltkonferenz gegen Rassismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts pessimistisch aus. Sie stellte fest, dass wesentliche Ziele bei der Bekämpfung des Rassismus durch die internationale Gemeinschaft bislang nicht verwirklicht wurden (Weltkonferenz 2001: 1). Ein Grund dafür liegt in der komplexen Struktur und den vielfältigen Erscheinungsformen des Rassismus. Darauf deutete bereits die kategoriale Fassung von »racial discrimination« durch die Vereinten Nationen aus dem Jahr 1965 hin. Sie umfasste »any distinction, exclusion, restriction or preference based on race, colour, descent, or national or ethnic origin«, durch die jemand bei der Ausübung der Menschenrechte eingeschränkt werden könnte (Banton 2002: 47). In Form eines diplomatischen Kompromisses waren hier Bezeichnungen kumuliert, die von »Rasse« bis »Ethnizität« reichen und dadurch auf einen Zusammenhang verwiesen, der biologische, soziale, politische und kulturelle Elemente umfasst. Diese haben sich auch in der wissenschaftlichen Diskussion niedergeschlagen: »Rassismus« wird unterschiedlich definiert. 5
In jedem Fall ist die Bezeichnung jünger als das Bezeichnete und der Rassismus älter als die seine Namensgebung bestimmenden Rassen. In Deutschland ließ sich der »Brockhaus« bis 1972 Zeit, um den Begriff anzuführen. Der »Duden« nahm ihn 1966 zunächst nur ins Fremdwörterbuch auf und wies ihn erst ab 1973 im Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache nach. Das hatte seinen Grund nicht zuletzt in der engen Verbindung des Wortes mit der deutschen Geschichte. In Frankreich erklärte der »Larousse« 1932 Rassismus zur Doktrin der Nationalsozialisten (Taguieff 2000: 104). Auch im englischen Sprachbereich diente der Begriff in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts der Kritik deutscher Zustände (Fredrickson 2002: 5). Als Ruth Benedict 1940 eine der ersten Definitionen formulierte, zählte sie Rassismus ebenfalls zu den »Hauptgrundlagen der deutschen Politik« (1947: 132). Gleichzeitig verdeutlichte bereits ihre Version zentrale Probleme, die sich bis heute in den unterschiedlichsten Begriffsbestimmungen finden. Benedict setzte Rassismus in Beziehung zur Rasse. Während diese als natürliche Gegebenheit und legitimes »wissenschaftliches Forschungsgebiet« gesehen wurde, galt jener als »Aberglaube« und »Dogma« von der »Minderwertigkeit« und »Überlegenheit« der Rassen (ebd.: 131f.). Gleichzeitig räumte Benedict verschiedene Entstehungsetappen des Rassismus ein, der im Zusammenhang des europäischen Kolonialismus begonnen und sich anschließend in innereuropäischen Klassenkonflikten und schließlich in nationalen Auseinandersetzungen entfaltet hätte (ebd.: 149). Außerdem war ihr klar, dass insbesondere der deutsche Rassismus auf Konzepte setzte, die Rasse voluntaristisch verstehen und ihre naturwissenschaftlichen Dimensionen für »völlig irrelevant« (ebd.: 177) halten. Schon zum Zeitpunkt ihrer ersten Fixierung enthielt die Definition des Rassismus eine Reihe ungelöster begrifflicher Probleme. Er sollte sich zunächst auf distinkte natürliche Einheiten beziehen, die sich anthropometrisch und genetisch unterscheiden ließen (wie das der in den Wissenschaften damals noch sehr viel massiver als heute verteidigte Rassenbegriff unterstellte). Gleichwohl herrschte Rassismus ersichtlich nicht nur zwischen den Rassen, sondern äußerte sich auch innerhalb zu solchen erklärter Gruppen (wie die rassistische Diskriminierung unterer 6
Klassen und anderer Nationen zeigte). Der Rassismusbegriff sollte ferner die ideologische Herabminderung anderer Rassen bezeichnen (wie sie Mitte des 20. Jahrhunderts noch allgemein gegenüber sogenannten Farbigen betrieben wurde). Trotzdem diente der Rassismus offensichtlich auch dazu, andere selbst gegen den Augenschein zu Rassen zu erklären (wie es die deutschen Faschisten und ihre antisemitischen Vordenker mit den Juden gemacht hatten).1 Von Anfang an kombinierte der Begriff des Rassismus natürliche und kulturelle Faktoren. Hinsichtlich ihres Legitimationszusammenhanges sind erstere als Grundlage letzterer gedacht – die angeblich verschiedene Natur der Rassen wird für ihr unterschiedliches Kulturniveau verantwortlich gemacht. Doch ist der Begründungszusammenhang dieser Argumentation tatsächlich genau umgekehrt aufgebaut – essentialistisch konzipierte kulturelle Differenzen sollen sich tendenziell in körperlichen Merkmalen ausdrücken. Deshalb tut es der rassistischen Argumentation keinen Abbruch, wenn sich die körperlichen Zeichen ihrer angeblich rassischen Andersartigkeit an einzelnen oder ganzen Gruppen nicht nachweisen lassen. Die Geschichte des Rassismus belegt zur Genüge, dass dessen Beweisführung sein phänomenologisches Glacis im Zweifelsfall ohne Zögern räumt und sich in die ontologische Bastion kulturalistischer Gewissheit zurückzieht. Das gilt auch für den Rassenrassismus. Auch er betreibt die biologistische Verhüllung seines herrschaftlich geprägten kulturellen Kerns. Zwar versucht er, im Begriff der Rasse die Geschichte rassistischer Gewalt und Unterdrückung wie die Verteidigung daraus erwachsener Vorteile hinter Hautfarben, Schädelgrößen und schließlich Genen verschwinden zu lassen. Doch zeigen seine Diskriminierungsmaßnahmen von der one-drop-rule bis zum Judenstern, dass auch er sich nicht auf die Kumpanei der Natur verlassen kann, sondern den Mystizismus des Blutes mit dem Dezisionismus der Macht durchsetzen muss. Die Verbreitung des modernen Rassismus durch den europäischen Kolonialismus und Imperialismus sowie seine Legitimation durch die sozialphilosophische Fortschrittstheorie und die biologische Evolutionstheorie haben freilich dazu geführt, dass seine Bezugskategorie Rasse heute nicht nur häufig als zentrales 7
Definitionskriterium des Rassismus angeführt, sondern auch zur Grundlage weiter reichender analytischer Perspektiven gemacht wird. Sowohl die grundlegende Studie zum Rassismus der Antike von Benjamin Isaac (2004) als auch die Perspektive eines globalen Vergleiches bei Yasuko Takezawa (2005) versuchen, die Kategorie Rasse nutzbar zu machen, indem sie sie über ihren semantischen Horizont hinaus ausdehnen. Ihre Überlegungen gehen davon aus, dass die zentralen Elemente der Rassenidee auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten zur Begründung rassistischer Diskriminierung herangezogen worden sind. Auch wenn das zweifellos für unterschiedliche Bestandteile des Rassenkonzeptes gilt, ist das keine hinreichende Begründung für dessen Ausweitung. Dadurch wird nicht nur der Blick auf andere Begründungszusammenhänge des Rassismus verstellt, sondern auch die notwendige Dekonstruktion des Begriffs Rasse erschwert. Die Erfindung der Rassen zeigt, dass es sich bei ihnen um eine soziale Kategorie handelt, welche unter spezifischen Umständen zur Grundlage einer Politik rassistischer Herabminderung entwickelt worden ist, die sich unter verschiedenen Bedingungen verschiedener Legitimationsmuster bedient hat. Die Grundlagen dieser Vorgehens werden in Kapitel II behandelt. Kapitel III untersucht die verschiedenen Formen, die rassistische Diskriminierung entsprechend der Vielfalt herrschaftlicher Verhältnisse und kultureller Traditionen angenommen hat. Kapitel IV beschäftigt sich mit den dabei entwickelten Methoden. Kapitel V fasst die im Verlauf der Argumentation gewonnenen Einsichten zusammen. Dabei werden systematische Überlegungen am historischen Material entwickelt, das deswegen häufiger aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird und sich erst im Verlauf der Lektüre zu eigenen Themenblöcken zusammenfügen lässt. Die entsprechenden Zusammenhänge werden durch Querverweise deutlich gemacht. Da ferner in der Rassismusforschung nach wie vor keine Einigkeit über zahlreiche elementare Fragen besteht, kann eine vorgezogene Lektüre des Schlusskapitels »Einsichten« sowohl als Vorbereitung auf den Gang der Argumentation dienen, als auch zu deren kritischer Überprüfung beitragen.
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II. Grundlagen »[A] sociology of racism […] has everything to gain from jettisoning the notion of race as a category of analysis. But it has much to lose by moving away from the study of relations.« Michel Wieviorka (1995: 25) »Racial Theories« gehört zu den Standardwerken zum Thema Rasse und Rassismus. Es ist vielfach aufgelegt und nach gut zehn Jahren in der zweiten Auflage um ein neues Kapitel erweitert worden (Banton 1998 [1987]). Unter der Überschrift »Race as social construct« würdigt es eine rasante theoretische Entwicklung. Galt Rasse zuvor als ein Produkt der Natur und Rassismus als dessen interessierte und vorurteilsbeladene Verfälschung und illegitime ideologische und politische Verwendung, so setzte sich schließlich die Vorstellung durch, »Rasse« wäre eine soziale Konstruktion und deswegen nicht Grundlage, sondern »Produkt des Rassismus« (Solomos 2002: 160).2 Schon deswegen ist Rassismus als interessierte Herabminderung von Rassen unzureichend gefasst. Deren herrschaftlichen Elemente sind in die Kategorie Rasse selbst eingeflossen. Der Umstand, dass es vor ihrer Entwicklung und nach ihrer Diskreditierung Rassismus ohne Rassen gab und gibt, verweist darauf, dass dessen Diskriminierungspotenzial einen kulturellen Kern hat, der sich auch im Rassenbegriff wiederfindet (vgl. Kap. II/1). Dessen konkreten Filiationen machen deutlich, dass der mit ihm operierende Rassismus sich nie mit dem Entwurf einer Rassenhierarchie begnügte, sondern das darin enthaltene Element des Mangels und der Unvollkommenheit auch auf die Beziehungen der Geschlechter, Klassen und Nationen bezog. Der Vergleich der als niedrig eingestuften Rassen mit Frauen und Unterklassen ist nicht allein symbolisch zu verstehen. Er zeugt von der Komplexität des Rassismus und der vielfältigen Umsetzung seiner Strategien der Benachteiligung und Unterdrückung wie von seiner Bedeutung für die Stabilisierung herrschaftlich geprägter sozialer Verhältnisse (vgl. Kap. II/2), deren Konstitution durch ein
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kompliziertes Geflecht von Einschließungen und Ausschließungen vermittelt wird. Der in diesem Zusammenhang in der Rassismusdiskussion benutzte Begriff der Rassenkonstruktion darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei um einen gesellschaftlichen Prozess handelt, der nicht nur strukturelle und ideologische Dimensionen hat, sondern durch soziales Handeln immer wieder neu hergestellt werden muss (vgl. Kap. II/3). Seine Bedingungen sind den rassistisch diskriminierten Anderen zwar in der Regel gewaltsam vorgeschrieben und in seinem Verlauf sind ihre Handlungsmöglichkeiten häufig extrem eingeschränkt. Trotzdem sind sie nicht nur passive Opfer rassistischer Zuschreibungen und Misshandlungen, sondern entwickeln im Umgang damit unterschiedliche Strategien der Verweigerung, des Ertragens und des Widerstands. Schon deswegen muss Rassismus als soziales Verhältnis begriffen und diskutiert werden. Das ist aber auch nicht zuletzt deswegen unerlässlich, weil sich letztlich nur so der von allem Rassismus verbreitete Schein zerstören lässt, er richte sich auf und gegen von Natur aus Andere (vgl. Kap. II/4).
1. Rasse, Kultur, Herrschaft »Racisms appeal ex hypothesi to the concept of race as the basis for discriminations«, schreibt David Theo Goldberg (1993: 122) und drückt damit eine weit verbreitete Auffassung aus, die häufig apodiktisch erklärt: »Discussion of racism implies a definition of race« (Tuplin 1999: 47). Dies führt aber zu zwei elementaren Erklärungsnotständen. Der eine resultiert aus der historischen Entwicklung des Rassenbegriffs, der andere aus der Diagnose eines Rassismus ohne Rassen. Die Geschichte des Rassenbegriffs zeigt, dass er aus Anstrengungen zur Legitimation sozialer Ungleichheit erwuchs. Bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verwandte ihn Alfonso Martinez de Toledo ganz im Sinne der modernen »nature/nurture«-Debatte und schlug vor, die Söhne eines Bauern und eines Ritters fernab der Zivilisation gemeinsam aufziehen zu lassen. Er prophezeite, dass der eine sich trotzdem für Ackerbau und 10
Viehzucht, der andere für Reiterspiele und Waffengänge interessieren würde – denn es läge in der Absicht der Natur, dass sich die gute und die gemeine Abkunft (»buena rraça«, »vil rraça«) in ihren Trägern durchsetzte (Hering-Torres 2003: 28). Im 16. Jahrhundert diente die Kategorie Rasse der Bezeichnung biologisch-kulturell begriffener Klassenzugehörigkeit, sodass sie umstandslos bei der Übersetzung von Torquato Tassos Überlegungen zur Herkunft des Adels (»la noblesse est une vertu de lignage ou de race«) benutzt werden konnte (Conze/Sommer 1984: 138). Im 17. Jahrhunderts wandte Richard Rowlands den Rassenbegriff schließlich auf die Herkunft und Verwandtschaft von Völkern an (»Englishmen are decended of German race«) und leitete damit seinen modernen Gebrauch ein, wie er sich 1684 bei der anthropologischen Differenzierung der Menschheit in distinkte natürliche Gruppen (»espèces ou races«) durch François Bernier zeigte (Hannaford 1996: 180, 203). Der »Rassismus ohne Rassen« (Balibar/Wallerstein 1990: 28) meint einen »differentialistischen Rassismus mit kulturalistischer Grundlage« (Taguieff 2000: 21). Er wird als Versuch interpretiert, die Diskreditierung des Rassenbegriffs dadurch zu unterlaufen, dass er durch Vorstellungen von Kultur ersetzt wird (vgl. Kap. IV/2), die deren Bedeutung verballhornen, indem sie Entwicklung, Lernen und Verständigung als wichtige ihrer Charakteristika ignorieren. Doch auch wenn Kultur auf diese Weise gleichsam naturalisiert und zu einem dem biologischen Gefängnis des Rassenkörpers vergleichbaren Raum vorsozialer Unmittelbarkeit gemacht wird, aus dem es kein Entrinnen geben soll, verzichtet diese Spielart des Rassismus nicht nur stillschweigend auf den Rassenbegriff, sondern erklärt ihn sogar offensiv für obsolet. Die »Encyclopedia of Race and Ethnic Studies« folgert daraus zu Recht: »Racism […] does not necessarily involve the concept of race« (Cashmore 2004: 96). Sie vergisst allerdings zu klären, was das für eine allgemeine Definition des Rassismus bedeutet. Wenn der Begriff der Rasse keine conditio sine qua non rassistischer Diskriminierung ist und sich außerdem aus soziokulturellen Anfängen heraus zu einer biologisch-anthropologischen Kategorie entwickelt hat, dann muss gefragt werden, ob es nicht 11
auch vor deren Verwendung einen kulturalistischen Rassismus gegeben hat und inwieweit sie nicht auch selbst immer kulturalistisch unterlegt war. Einer der Schauplätze, auf dem diese Frage konkret debattiert wird, ist die Antike. Der häufig geäußerten Überzeugung, dass es dort keinen Rassismus gegeben haben kann, weil das Altertum keinen Rassenbegriff gekannt hat, widersprechen Auffassungen, die auf den kulturalistischen Rassismus hinweisen, der sich am Gegensatz zwischen hellenischen und barbarischen Verhältnissen orientierte (vgl. Kap. III/1). Sie verdeutlichen, dass der antike Rassismus weit reichende Parallelen mit dem der Moderne aufwies (Isaac 2004), in der aristotelischen Konzeption des Barbaren eine theoretische Grundlegung fand (Delacampagne 2005) und dabei das Argument mangelhaften Menschseins ins Zentrum rückte (Hund 2006). Die elementare Verbindung von Rassismus und Kultur zeigt sich auch bei der Untersuchung außereuropäischer Verhältnisse. Noch ehe sich etwa entsprechende Diskriminierungen in Indien, China oder Japan ab dem 19. Jahrhundert des Rassenbegriffs bedienten, waren dort eigenständige Ideologien und Strategien rassistischer Diskriminierung entwickelt worden. Wie in Europa nutzten sie einerseits kulturelle Muster, die auf Barbarisierung ausgerichtet und in China (Dikötter 1992) oder Japan (Siddle 1996) gegen äußere Andere gerichtet waren. Andererseits zielten sie in Japan (Neary 1997) oder Indien (Oomen 2004) auch auf innere Andere, die sie für unrein erklärten und im Extrem zu Unberührbaren machten (vgl. Kap. III/2). Schon lange ehe er mit dem Rassenbegriff operierte, hatte Rassismus das ihm zugrunde liegende ideologische Konzept entwickelt. Es postuliert unterschiedliche Grade des Menschseins, die sich an einer verabsolutierten kulturellen Skala ablesen lassen sollen und für die natürliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen verantwortlich gemacht werden. Diese müssen deswegen einerseits ihr minderes Menschsein verkörpern, was sich andererseits ihren Körpern in der Regel nicht ohne Weiteres ansehen lässt (vgl. Kap. IV/3). Von der Antike bis in die Moderne versuchte rassistische Diskriminierung, dieses Dilemma dadurch zu umgehen, dass sie 12
gegenüber Äußerlichkeiten mentale und verhaltensbezogene Faktoren betonte. Diese Tradition reichte von der antiken Unterstellung, allen Barbaren mangelte es an Vernunft, bis zu selbst heute noch kompilierten Vorurteilen über das Verhältnis von Sexualität, Hirnvolumen und Intelligenz der Schwarzen. Mit dem Begriff der Rasse behauptete der europäische Rassismus, solcher Kalamitäten Herr geworden zu sein und ein valides Konzept zum Nachweis der natürlichen Ungleichheit körperlich unterscheidbarer Menschengruppen gefunden zu haben.3 Die Entwicklung dieses Konzepts ist in die Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus eingelassen. In ihr wurden die sozialen Grundlagen für die Begriffssysteme des Rassenrassismus gelegt. Auch ohne seine zentrale Kategorie entstand dabei die Vorstellung eines hierarchischen Gegensatzes von Europäern und Afrikanern. James H. Sweet (1997: 165) schließt daraus, dass »the treatment of black Africans from the Middle Ages to the early modern period appears to be racism without race«. Hintergrund dieser Entwicklung war die schnell nach Süden fortschreitende Erschließung der afrikanischen Küste und die Eroberung der Kanarischen Inseln durch die iberischen Staaten. Weil zur selben Zeit der Handel mit europäischen Sklaven nach der Eroberung Konstantinopels und durch die Schließung der Dardanellen durch die Türken weitgehend zum Erliegen kam, trat an seine Stelle die verstärkte Nachfrage nach afrikanischen Sklaven. Zu ihrer Legitimation wurden nicht nur religiöse Argumente wie der Mythos von Ham (vgl. Kap. III/3), sondern auch ästhetische und kulturelle Vorurteile eingesetzt und schließlich mit der Hautfarbe der Sklaven amalgamiert (ebd.: 158ff.). Die Geschichte des Rassenbegriffs (Banton 1998; Conze/ Sommer 1984; Hannaford 1996) lässt sich in zwei Phasen einteilen. In der ersten Phase diente er nach der Krise des Feudalismus und der Ausbreitung der Geldwirtschaft und des sie repräsentierenden Bürgertums der klassistischen Abgrenzung des Adels als erblich bedingter, höhergestellter Gesellschaftsschicht. Er gab aus Besitz und Macht erwachsene Positionen als naturbedingte Folge edleren Blutes aus. In der zweiten Phase wurde er nach den Erfolgen des europäischen Kolonialismus und seiner globalen Ausdehnung anthropologisiert und zur Einteilung der 13
Weltbevölkerung in unterschiedlich entwickelte Gruppierungen benutzt (vgl. Kap. III/4 und 5). Er erklärte aus Eroberung und Gewalt entspringende Verhältnisse zum Ausdruck natürlicher Ungleichwertigkeit. Der anthropologische Rassenbegriff durchlief selbst wiederum drei Etappen. In der ersten Etappe entwarf die Aufklärung das auf Hautfarben setzende Schema unterschiedlich zum Fortschritt begabter Rassen (Valls 2005). Dabei nahm sie einerseits an, dass Teile der niederen Rassen den Anforderungen der Zivilisation nicht gewachsen sein und untergehen könnten, hielt es andererseits aber auch nicht für ausgeschlossen, dass andere Teile mit Hilfe der Weißen den Weg zum vollwertigen Menschsein vielleicht doch noch zurückzulegen vermöchten. In der zweiten Etappe schrieb der Sozialdarwinismus die postulierten Entwicklungsunterschiede in Schädeln und Knochen fest (Gondermann 2007). Zwar galt jetzt die Menschheit insgesamt als Produkt eines naturgeschichtlichen Prozesses, doch ihre verschiedenen Rassen waren durch gewaltige evolutionsgeschichtliche Zeitspannen so voneinander getrennt worden, dass ihre primitiven Vertreter mit den Vorfahren der entwickelten weißen Rasse gleichgestellt und damit nachgerade zu lebenden Fossilen erklärt wurden. Organ der Entwicklung solcher Differenz sollte das Gehirn sein, dessen Volumen sich zum Maßstab von Kultur erhoben fand. In der dritten Etappe wurden die Rassenunterschiede in die Gene verlegt (Alland 2002). Dabei wehrten sich noch Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Genetiker gegen den Versuch der UNESCO, den Rassenbegriff international zu diskreditieren – mit der Behauptung, ihn wissenschaftlich zu benötigen. Obwohl bis zum Ende des Jahrhunderts immer mehr Naturwissenschaftler die Rassenkategorie als wissenschaftlich unergiebig und unseriös einschätzten, verteidigt sie ein Teil der Profession noch immer und popularisiert sie in Bereichen wie der Ethnomedizin durch sogenannte rassenspezifische Medikamente. Kern ihres rassistischen Diskriminierungspotenzials ist der Intelligenzquotient, eine Größe, die von Kultur und Bildung der Probanden ebenso abhängig ist wie vom Testverfahren, von ultrakonservativen Wissenschaftlern aber zu interkulturellen Pseudoverglei-
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chen benutzt wird, bei denen sie von ihnen unverdrossen Negride genannte Menschen durchweg erheblich schlechter abschneiden lassen als Weiße (Brace 2005: 240ff.; Jackson, Jr./Weidman 2006: 219ff.). Alle Entwicklungsstufen des Rassenbegriffs belegen, dass er versucht, natürliche Elemente wie Blut, Hautfarbe, Haar, Knochenmaße, Gene etc. zur ideologischen Verhüllung seines herrschaftlich geprägten kulturellen Kerns zu benutzen. Er amalgamiert soziale mit natürlichen Elementen. Dabei sind erstere dauerhaft und präzise bestimmbar, letztere veränderlich und unklar. Sozial drückt Rasse den weißen Anspruch aus, die am weitesten entwickelten Möglichkeiten des Menschseins zu verkörpern und begründet damit den Herrschaftsanspruch der Europäer (Kaukasier, Weißen) über den Rest der Menschheit. Biologisch gesehen scheiterten freilich sämtliche Versuche, verlässliche Einteilungskriterien zu finden, weil diese insgesamt umstritten blieben, häufig korrigiert und ersetzt werden mussten und sich trotz aller Bemühungen nicht exakt festlegen ließen. Wie Rassismus überhaupt, argumentiert auch der Rassenrassismus kulturalistisch. Sein zentrales Argument besteht nicht darin, dass Menschen sich aufgrund körperlicher Merkmale in Rassen einteilen ließen. Vielmehr behauptet er, in den Rassen endlich den sichtbaren Beweis für die Verbindung klassifizierbarer erblicher biologischer Besonderheiten mit Unterschieden des kulturellen Vermögens gefunden zu haben. Kulturell neutrale Rassentheorien gibt es nicht. Der Rassenbegriff dient bis heute der Legitimation von Herrschaft.
2. Geschlecht, Klasse, Nation Rassistische Ideologie begnügt sich nicht mit der Konstruktion kultureller Hierarchien und diese angeblich repräsentierenden Rassen. Sie operiert auch mit anderen Kategorien gesellschaftlicher Einschließung und Ausschließung. Dass dabei »the Big Three of race, class, and gender« (Cashmore 2004: 307) eng miteinander verbunden sind, gehört ebenso zum Inventar der Ras-
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sismusforschung wie der Zusammenhang von »Rasse, Klasse, Nation« (Balibar/Wallerstein 1990) oder »Race, Nation, Gender« (Anthias/Yuval-Davis 1992). Ihr Verhältnis ist nicht summativ, sondern durch vielfache Überlagerungen und Vermischungen gekennzeichnet. Deren Entstehungszusammenhang macht deutlich, dass die geschlechtsspezifische und die klassenzentrierte der rassenbezogenen und nationalistischen rassistischen Diskriminierung historisch vorangegangen sind. Tatsächlich hat der Begriff Rasse selbst eine klassenspezifische Wurzel. Und die Behauptung, dass Afrikaner emotional wären, Chinesen einen Zopf trügen und Indianer keinen Bartwuchs hätten, gehörte im 19. Jahrhundert ins Repertoire des alltäglichen wie des wissenschaftlichen Rassismus. Beiden schien es auch selbstverständlich, den Rassenbegriff zu nationalisieren und die Einheit von Rasse und Nation zu propagieren. Die Kategorien Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse sind vielfach verknüpft und die Logik ihrer Verbindung funktioniert jeweils in beide Richtungen. Die Feminisierung von Rassen soll deren Unterlegenheit unterstreichen. Die Rassisierung von Frauen dient als Drohmittel und Ausgrenzungsstrategie. Die Klassisierung von Rassen unterstützt die imperialistische Konzeption einer globalen sozialen Hierarchie. Die Rassisierung von Klassen differenziert die Unterschichten und schafft mit dem angeblichen Residuum der Asozialen und Degenerierten einen ideologischen Ort zur Abschiebung sozial unerwünschter oder politisch gefährlicher Teile der Bevölkerung. Die Rassisierung von Nationen bietet den respektablen Teilen der Unterschichten eine ideologische Heimat. Die Nationalisierung der Rassen erlaubt deren innere Differenzierung und eine damit einhergehende völkische Identitätsbildung. Der »Klassenrassismus« (Bourdieu 1982: 292) hat historisch unterschiedliche Formen angenommen. Sein soziales Drohpotenzial entspringt aber jeweils aus einer in die Klassenbeziehungen eingezogenen Sollbruchstelle, die es erlaubt, sich sozial missliebiger Individuen und Gruppen ideologisch, politisch oder physisch zu entledigen. Zu diesem Zweck schaffen Gesellschaften extrasoziale Orte, an denen klassenbedingte Besonderungen ungültig und gesellschaftliche Rollen entwertet werden. Diese 16
Desozialisierung (vgl. Kap. IV/1) kann mental oder physisch Kranke treffen, die in Irrenhäuser oder Leprakolonien abgeschoben werden. Sie kann gegenüber Straffälligen eingesetzt werden, die man im Zweifelsfall als heimische Wilde zu den fremden Wilden in den Strafkolonien verschifft. Sie kann Opfer von Ausbeutung und Klassenherrschaft als degeneriert einstufen und über ihre eugenische Behandlung nachsinnen. Sie kann schließlich auch Theorien wie das Malthus’sche Bevölkerungsgesetz entwickeln, dem gemäß große Teile der Unterklassen in regelmäßigen Abständen verhungern müssten (vgl. Kap. III/6). Der Tod der angeblich überschüssigen Teile der Unterschichten ist die letzte Konsequenz des Übergangs von der klassistischen zur rassistischen Diskriminierung. Die Argumentation, mit der ihn Malthus begründete, folgte der Logik des Rassismus. Sie erklärte die Unterklassen für dumm, faul und geil, sah sie nur unter dem Zwang unmittelbarer Not arbeiten, gleichzeitig aber zahlreiche Kinder zeugen, ohne ökonomische Vorsorge zu treffen oder Familienplanung zu betreiben. Hungersnöte müssten deshalb diese minderwertige Menschenklasse in regelmäßigen Abständen dezimieren (Bowler 1976). Ein Jahrhundert später modifizierte die Eugenik diese pauschale Rassisierung durch die Differenzierung in einen respektablen, fleißigen Teil der Arbeiterklasse und in ein asoziales, lumpenproletarisches Residuum. Dabei wurden »the poor at home« denselben ideologischen Operationen unterworfen wie die »natives around the globe« und in Kategorien der Rassenforschung beschrieben (Barkan 1992: 22). Während man die äußeren Wilden im Kampf ums Dasein unterliegen sah, betrachtete man die inneren Wilden als reale Gefahr, weil sie der Gesellschaft auf der Tasche lägen, ihre schlechten Erbanlagen zügellos vermehrten und so die Volksgesundheit gefährdeten. Um die Degeneration der eigenen Gesellschaft zu verhindern, müssten deren angeblich minderwertigen Elemente deswegen an der Fortpflanzung gehindert und minderwertige Erbanlagen insgesamt ausgemerzt werden (Kevles 1995: 96ff.). In diesem Programm wurde Frauen eine besondere Bedeutung beigemessen. Selbst Theoretiker mit sozialistischem Selbstverständnis erklärten Mutterschaft zum Beruf im Staatsdienst 17
und forderten, dass sie im Interesse der Rassenwohlfahrt ausgeübt werden müsste (Niemann-Findeisen 2004: 152ff.). Der Rassenrassismus zeigt sich mit Klassenrassismus, Geschlechterrassismus und Nationalrassismus eng verknüpft. Der Geschlechterrassismus, in dem sich Rassisierung der Geschlechter und Sexualisierung der Rassen überlagern (Nagel 2003: 55), hat eine weit zurück reichende Tradition der Kontrolle und Unterdrückung von Frauen. In der Antike erklärte sie die große Philosophie zu Missgeburten (Delacampagne 2005: 48ff.). Im Mittelalter stützte sich der patriarchalische Sexismus auf eine von den Kirchenvätern sanktionierte rassistische Verachtung der Frauen. In der frühen Neuzeit entwickelte sich daraus die Jahrhunderte lang diskutierte Frage, »[o]b die Weiber Menschen seyn, oder nicht?« – und in der Renaissance richtete sich die Hexenverfolgung überwiegend gegen Frauen (Hund 2006: 96f.). In der Moderne verbanden sich Rassenrassismus und Geschlechterrassismus zu einem Phantasma, das Schwarze zu »Frauen der Rassen« und Frauen zu Wesen erklärte, die energetisch mehr vom Uterus als vom Gehirn gesteuert würden (Becker 2005: 346, 306). Alle diese Operationen liefen unter anderem darauf hinaus, die Frauen zu Mängelwesen zu erklären. Unter diesen Umständen sollten die sozialen Zumutungen weiblicher Rollenzuweisungen als erstrebenswertes Ziel erscheinen. Es ließ sich schon klassenspezifisch verfehlen, weil zahlreiche Elemente des Frauseins an einen gehobenen sozialen Status gebunden und demgegenüber Sklavinnen oder Frauen aus Unterschichten desozialisiert wurden. Geschlechtsspezifisch demonstrierten zahlreiche Gesellschaften durch martialische Rituale, die von der Beschneidung über die klösterliche Wegsperrung bis zur Steinigung für Ehebruch und Witwenverbrennung reichten, den in ihnen lebenden Frauen die Fragilität ihre sozialen Akzeptanz. Nicht selten war diese schon vor jeder Sozialisation aufgekündigt, wie das Aussetzen neugeborener Mädchen zeigte. In der Antike hatte es unmittelbar rassistische Folgen, weil sie entweder starben oder zu Sklavinnen und häufig zu Prostituierten gemacht wurden (Keuls 1993: 146f.). Zwar unterlag auch die Prostitution einem historischen Formwandel und es wird heute dafür
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plädiert, bei ihr Gewerbe und Sklaverei zu unterscheiden (Mitrovic´ 2006). Der mit ihr häufig verbundene offene Zwangscharakter ist gleichwohl unumstritten. Während sich Deutschland unter dem Motto »Die Welt zu Gast bei Freunden« auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 vorbereitete, protestierte die Coalition Against Trafficking in Women gegen den in diesem Zusammenhang erwarteten Anstieg der Zwangsprostitution und kritisierte den sexuellen Sklavenmarkt (Emma 4, 2006). Rassistische Frauendiskriminierung kulminiert im Gynozid, der gewaltsamen Zerstörung weiblicher Rollen und Leben durch genozidale Tötung weiblicher Föten und Kinder sowie massenhafte Vergewaltigungen und Sexualmorde (Jones 2002). Die selbst sexistisch bestimmten sozialen Möglichkeiten des Frauseins werden hier außer Kraft gesetzt oder überhaupt nicht erst zugelassen. Die lange historische Tradition dieser Form des Rassismus (Warren 1985) ist bis heute nicht abgerissen. Am 21.7. 2005 erwähnte die »Frankfurter Allgemeine« die Untersuchungen zweier Bevölkerungsforscher zur chinesischen Ein-Kind-Politik, die prognostiziert haben, dass ab etwa 2015 auf Grund der selektiven Abtreibungspraxis rund 25 Millionen Chinesen keine Frauen finden werden. Am 9.1.2006 berichtete »BBC-News« über Ergebnisse einer Studie in Indien, denen zufolge seit langer Zeit jedes Jahr aufgrund pränataler Selektion und selektiver Abtreibung 500.000 Mädchen nicht geboren werden. Der Nationalrassismus dient sowohl ethnischer Homogenisierung wie rassischer Differenzierung. Beide können, wie eine Reihe von Beispielen aus der Zeit um 1900 zeigt, als der moderne Rassismus nicht nur das europäische Denken dominierte, sondern auch zu einem erfolgreichen Exportartikel geworden war, gleichzeitig zur Abgrenzung nach außen wie zur inneren Konsolidierung genutzt werden. In China diente die Erfindung der Han-Rasse der ideologischen Koordination des Kampfes gegen Kaisertum und Imperialismus. In der Türkei sollte die Schaffung einer Staatsrasse die nationale Identität stärken, aber auch die Zugehörigkeit zur weißen Rasse dokumentieren (vgl. Kap. II/3). In Australien wurde der Rassismus zum Ferment der Staatsgründung, diente der Mobilisierung weißer Solidarität ge-
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genüber der gelben Gefahr sowie der Unterscheidung erwünschter und unerwünschter Einwanderer (vgl. Kap. III/5). Die Propagierung der Han-Rasse in China verfolgte ein doppeltes Ziel. Sie differenzierte die gelbe Rasse, der man sich so einerseits zurechnen, von deren anderen Bestandteilen man sich aber auch abgrenzen konnte. Die Zurechnung unterstützte die Agitation gegen die Weißen und ihre annexionistische Kolonialpolitik. Deren weltweiter Erfolg zwang zwar zu ihrer Anerkennung als intelligenter Rasse. Die europäische Rassennomenklatur wurde aber dadurch unterlaufen, dass man die Weißen den Gelben gegenüber als unkultiviert einstufte. Außerdem ließ sich auf diese Weise ein historischer Bogen von den Eroberungszügen Dschingis Khans bis zum Sieg der Japaner über Russland bei Tsushima spannen, der vergangene Überlegenheit mit der Perspektive zukünftiger Größe verband. Die Abgrenzung erlaubte nicht nur die Kritik und den Vorranganspruch Chinas gegenüber dem gelehrigen Schüler Japan, sondern vor allem auch die Unterstützung des inneren Kampfes gegen die Mandschu-Dynastie. Sun Yatsen und andere erklärten die Chinesen zu Angehörigen einer eigenen chinesischen Rasse, die auf den legendären ›Gelben Kaiser‹ als Ahnherrn aller Han-Chinesen zurückgeführt wurde (Dikötter 1992: 123ff.). Die staatliche Gewalt indessen wäre seit Mitte des 17. Jahrhunderts von der fremden Rasse der Mandschu okkupiert. Ihre Fremdherrschaft dürfe legitim beseitigt werden. Der Weg dazu wurde durch den »Han ›racism‹« unterschiedlich beschrieben – die Fremden sollten in die Mandschurei zurückkehren oder alle getötet werden (Chow 1997: 50, 43).
3. Konstruktion, Inklusion, Exklusion Wie die enge Verflechtung der Kategorien Geschlecht, Klasse, Nation, Kultur und Rasse zeigt, kann Rassismus nicht einfach als Ausschließungspraxis begriffen werden. Die rassistische Konstruktion der Anderen wird vielmehr durch die vielfältige Überlagerung und Verknüpfung von Inklusion und Exklusion charak-
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terisiert. Alle drei Begriffe sind in der aktuellen Rassismusdebatte einerseits weit verbreitet und werden andererseits keineswegs einheitlich verwandt. Das liegt nur zum Teil an der Soziologisierung des Rassenbegriffs. Sie steht in Zusammenhang mit der Delegitimierung der Kategorie Rasse, die sich auch in den Naturwissenschaften ausbreitet (Banton 1998: 7ff.; Morning 2004), der Denaturalisierung des Begriffs Geschlecht durch die feministische Wissenschaft und dem Cultural Turn in den Sozialwissenschaften. Statt von »Rasse« als natürlicher Essenz wird vom sozialen Prozess der »racial formation« (Omi/Winant 1994: 53ff.), der »racialisation« (Miles 1991: 99), der »race creation« (Goldberg 1993: 83) oder der »fabrication of race« (Jacobson 1998: 1ff.) gesprochen. Das Problem dabei ist nicht, dass soziale Tatbestände von Menschen gemacht werden, sondern wie das geschieht und welchen Charakter sie haben. Dabei geht es vor allem um das Verhältnis materieller und ideeller Elemente sozialer Konstruktionen, die nicht selten in Debatten darüber zum Ausdruck kommen, wie fiktiv oder real Rassen sind. Sie werden dadurch nicht einfacher, dass entschiedene Kritiker des Rassismus gegensätzliche Optionen für den Umgang mit dem Rassenbegriff formulieren und entweder seine Unverzichtbarkeit für die Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse (Winant 2001) oder die Notwendigkeit seiner Abschaffung als immer latent biologistischer Kategorie (Gilroy 2000) betonen. Wie es bei sozialen Fragen oft der Fall ist, trägt auch hier die historische Perspektive zur Klärung bei. Rassismus hat sich nicht nur auf die Konstruktion von Rassen gestützt. Seinen verschiedenen Argumentationsweisen liegen unterschiedliche Gegensatzpaare zugrunde (vgl. Kap. III). Sie machen in ihrer großen Mehrheit keinen Hehl aus ihrer sozialen Verfasstheit – auch wenn sie übereinstimmend behaupten, extrasoziale Gegensätze zum Ausdruck zu bringen. Ihre Einbeziehung in die Klärung des Prozesses rassistischer Konstruktion verdeutlicht, dass es sich dabei um eine Verquickung sozialökonomischer, machtpolitischer und ideologischer Elemente handelt. Der historische Blick zeigt die Wechselwirkungen ihrer Verknüpfungen und macht
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klar, welche Elemente im Prozess rassistischer Konstruktion warum, wie und wo verbaut worden sind. Der Begriff Rasse, der im Zentrum des modernen Rassismus steht, hat nicht nur eine von dessen späterer Systematik unabhängige Geschichte als Kategorie klassenbezogener Differenzierung (vgl. Kap. II/1), sondern es dauerte auch vergleichsweise lange, bis er zur Herausbildung von Erklärungen und Legitimationen für den Erfolg des europäischen Kolonialismus herangezogen und zur Systematisierung der damit verbundenen Erfahrungen und Wissensbestände benutzt wurde. Als François Bernier 1684 vorschlug, den Begriff der Rasse für eine neue Einteilung der Welt und der sie bewohnenden Menschen zu verwenden (Stuurmann 2000), waren bedeutsame Ereignisse für das Zustandekommen dieses Vorschlags bereits Geschichte. Trotzdem sollte es noch einmal 50 Jahre dauern, bis Carolus Linnaeus 1735 ein hierarchisches System für die Einteilung der Menschheit in Europäer, Asiaten, Amerikaner und Afrikaner entwickelte (Brace 2005: 24ff.). Und erst 100 Jahre danach legte Immanuel Kant 1785 im Kontext »of a virulent and theoretically based racism« eine Theorie der Menschenrassen vor (Bernasconi 2002a: 145). In den beiden einschlägigen Lexika deutscher Zunge schlug sich diese Entwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts eindrucksvoll nieder. Zedlers »Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste«, das zwischen 1732 und 1754 erschien, verzeichnete in Band 30 zum Lemma nur den Kurzeintrag »Rasse (Herren von)«, der den Rassenbegriff noch klassistisch interpretierte und auf den Adel bezog. Als hingegen 1800 Band 4 des »Conversationslexikons mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten«, der spätere »Brockhaus«, ausgeliefert wurde, enthielt er einen umfangreichen Artikel »Racen der Menschen«, der ausführlich auf das Kant’sche Rassenkonzept einging. Zur Herausbildung und Durchsetzung dieser theoretischen Konzeption hatte es einer Reihe einschlägiger Entwicklungen bedurft. In ihrem Zentrum stand die europäisch organisierte Sklaverei in Amerika, die die gewaltsame, ökonomisch motivierte und staatlich sanktionierte Verschleppung von ungefähr zwölf 22
Millionen Afrikanerinnen und Afrikanern einschloss (Wirz 1984: 14). Deren ideologische Herabminderung entsprang nicht etwa der Wahrnehmung und Bewertung körperlicher Differenz, sondern ganz allein ihrem sozialen Status als Sklaven. Dafür liefern sowohl die zeitgenössischen großen Erzählungen wie die profanen Geschäfte genügend Belege. Europäische Herrscher imaginierten nicht nur lange Zeit christliche Herrscher in Afrika, mit denen sich Allianzen gegen den Islam schmieden lassen könnten, sondern machten auch diplomatische Anstrengungen, die 1428 beinahe zu einer königlichen äthiopisch-spanischen Doppelhochzeit geführt hätten. Und europäische Sklavenhändler segelten nicht etwa in ein unzivilisiertes Afrika, sondern zu mächtigen Handelspartnern, deren Forderung und Gepflogenheiten sie sich anpassen mussten und denen gegenüber sie sich im wörtlichen Sinne keinen Rassismus leisten konnten (Thornton 1998: 25, 38 u. passim). Unabhängig davon schafften Sklavenhandel und Sklaverei materielle Strukturen der Ausplünderung und Entmenschlichung, in denen die Ohnmacht der einen mit dem Machtmissbrauch der anderen korrelierte. Zur Legitimation dieser Situation standen ideologische Muster bereit, die auf die antike und mittelalterliche Abwertung der Barbaren und Heiden zurückgriffen und durch das sich gerade entwickelnde Muster der Wilden ergänzt wurden (vgl. Kap. III/1, III/2 und III/4). In sie ließen sich zwar Unterschiede der Hautfarben einbauen – die Vorstellung eines Rassenkonzepts wurde dabei aber zunächst noch nicht entwickelt. Dessen Begründung erschien unter anderem deswegen problematisch, weil die Erfahrungen der Europäer in anderen Weltteilen ganz anders gelagert waren. Die schon lange andauernden Kontakte nach Asien wurden unter risikobehafteten Bedingungen von Einzelnen geknüpft, die ihrer prekären Lage wegen dazu neigten, die Anderen nach ihnen gewohnten Mustern zu betrachten, auf diese Weise ihre Fremdheit zu entschärfen und sich selbst damit zumindest mentale Sicherheit zu vermitteln. Als sie in Japan in größerer Zahl auftauchten, intensiv missionierten und sich in lokale Belange einmischten, wurden sie ausgewiesen und machten die Erfahrung, dass die Macht auf der anderen Sei23
te lag. Während Bernier vorschlug, die Menschen in Rassen einzuteilen, war der Zugang der Europäer nach Japan eng begrenzt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hielt sich der Arzt Engelbert Kaempfer aus Lemgo dort auf und bekam eine Audienz am Hof des Shôgun. In seinem später veröffentlichten Reisebericht beschrieb er, wie er zu allerlei Kunststücken aufgefordert wurde und »allerlei Affenpossen auszuüben« hatte (zit. in Takahashi 2006: 216). Zu einem Zeitpunkt, als die Europäer damit begonnen hatten, das Verhältnis von Affe und Mensch zu diskutieren (Schiebinger 2004: 75ff.), und Stimmen laut wurden, die die Nähe, wenn nicht sogar den sexuellen Verkehr und die Verwandtschaft zwischen Affen und Afrikanern ventilierten (Martin 1993: 205ff.), fühlte sich in Asien ein Repräsentant der zukünftigen weißen Rasse selbst zum Affen gemacht. Die dafür verantwortlichen Machtverhältnisse sind ein zentrales Element rassistischer Konstruktionen. Der Prozess des europäischen Kolonialismus zeigte einen engen Zusammenhang zwischen ihnen und ihrer schließlich entwickelten rassenwissenschaftlichen Version. Die Rassenhierarchie Kants reichte von den Roten über die Schwarzen und Gelben bis zu den Weißen (vgl. Kap. III/5). Die Verortung der roten Rasse am Ende der Skala war ein Widerschein der genozidalen Aneignung Amerikas. Die Folgen gewaltsamer Eroberung wurden als Ausdruck innerer Schwäche interpretiert, die schon bald zum völligen Verschwinden der Indianer führen könnte. Die anschließende Positionierung der schwarzen Rasse reflektierte, obwohl der Urheber dieser Konstruktion entschiedener Gegner der Sklaverei war, die entmenschlichende Gewalt des Sklavenhandels und die ökonomischen Interessen an der Ausbeutung von Sklavenarbeit. Schwarze galten Kant als stark, aber faul und auf die Führung durch Herren angewiesen. Die Einfügung der gelben Rasse zwischen sie und die Weißen war gleichzeitig Ausdruck eines methodischen Dilemmas wie des Mutes zum Methodenwechsel und zur Inkaufnahme von Erklärungsdefiziten. Sie konnte nur bedingt auf die kolonialen Erfolge in Indien setzen, bei denen noch nicht einmal ausgemacht war, ob diejenigen, denen gegenüber sie errungen wurden, nicht einer eigenen braunen Rasse angehörten. Für China und Japan 24
ließ sie sich nur als Perspektive formulieren, die sich aus der geforderten Suprematie gegenüber Roten und Schwarzen und dem daraus abgeleiteten Überlegenheitsanspruch speiste, dem zufolge jede andere Rasse der weißen nachgeordnet sein musste, auch wenn ihre Geschichte und gegenwärtige Verfassung dafür keine rechten Anhaltspunkte lieferten. Kant versuchte, diese Misslichkeit dadurch zu umgehen, dass er von der gelben Rasse sprach, sie aber vorsichtshalber als »Indianer« oder »Hindus« auftreten ließ. Seine Erklärung ihrer nachgeordneten Position fiel angesichts der historischen Fakten trotzdem kläglich aus und wurde erst durch Georg Wilhelm Friedrich Hegel korrigiert. Während Kant sich angesichts der auch von ihm zugegebenen Kultur und Talente der Gelben nur zu retten wusste, indem er sie zu unkreativen ewigen Schülern erklärte, ließ Hegel den Weltgeist entschlossen von Osten nach Westen ziehen. Das Debakel mit den (gelben) Schülern, die sich früher als ihre (weißen) Meister gelehrig zeigten, war damit umgangen. Der Osten konnte getrost eine ältere Kultur als der Westen haben, denn sie verdankte sich der noch unentwickelten Frühzeit des Geistes und sollte deswegen mittlerweile zum Stillstand gekommen sein (Hund 2006: 57f.). Dass in diesem orientalistischen Erklärungsversuch das ideologische dem machtpolitischen Element vorauszugehen vermochte (Said 2003: 39), lag daran, dass sich der Geltungsanspruch des gesamten Modells auf Politiken der Ausrottung und Ausbeutung stützte, die als weltweite Erfolge interpretiert wurden.4 Das schließlich das Gefälle zwischen den neu konstruierten Rassen symbolisierende N-Wort (Kennedy 2003) spiegelte die von ihm reflektierten Machtverhältnisse semantisch wider. Nicht umsonst war es vom aus den hispanischen Sprachen entlehnten »negro« abgeleitet, in das zur Zeit seiner Übernahme ins Englische die Gewaltsamkeit der transatlantischen Sklaverei bereits eingeschrieben war und das von den nordamerikanischen Sklavenhaltern deswegen gegenüber »black« bevorzugt wurde (Jordan 1968: 60f.). Als diese Farbe in die moderne Rassenkonstruktion Aufnahme fand, bezeichnete sie ein Konglomerat aus Ausbeutung, Entrechtung und Unterdrückung, das in ästhetische, moralische und wissenschaftliche Urteile gefasst wurde, in die zahlrei25
che Versatzstücke älterer Rechtfertigungsideologien rassistischer Unterdrückung eingegangen waren und das selbst wieder Bestandteil eines alltäglichen Systems diskriminierender Stereotypisierung wurde. Die gewaltsam durchgesetzte und ideologisch legitimierte Rassisierung war einerseits zwar ein ungleichgewichtiger, aber trotzdem wechselseitiger Prozess, in dem die einen den anderen deren angeblich natürlichen Eigenschaften aufherrschten. Dadurch definierten sie ihre eigene relationale Position aber immer auch mit, und schon deswegen ist Rassismus von der »Dialektik der Ein- und Ausgrenzung« (Miles 1991: 53) geprägt – ›Weißer‹ war einer nur, weil er andere zu ›Schwarzen‹ gemacht hatte. Da dieser Prozess von einem Kraftfeld von Interessen bestimmt wurde, gab er den sozialen Ort derer, die er ausgegrenzte, damit noch nicht unbedingt vor. Rassistische Diskriminierung konnte sich ihnen gegenüber als »racism of inclusion« und »racism of exclusion« äußern (Fredrickson 2002: 9). Das schlug sich einerseits in Alternativen wie der Vorstellung von Thomas Jefferson nieder, ›Schwarze‹ müssten in den USA Sklaven sein und dürften nur freigelassen werden, wenn ihre Rückführung nach Afrika oder wenigstens ihre Verbringung außer Landes gewährleistet wäre (Feagin 2006: 99f.). Andererseits kam sie in alltäglichen sozialen Beziehungen durch eine Vielzahl komplexer Vermittlungen zum Ausdruck, die von unterschiedlichen Ausprägungen der Sklaverei abhängig waren und von der Überlagerung rassistischer mit anderen Formen der Diskriminierung oder von der Entwicklung und Zuteilung unterschiedlicher, rassistisch geprägter Charaktere bestimmt wurden. Dadurch entschied sich unter anderem, ob Kinder, die Sklavinnen von Sklavenhaltern bekamen, wie in Südamerika eine Chance auf Freilassung hatten oder wie in Nordamerika von ihren Vätern als Sklaven gehalten und verkauft wurden (Smedley 1999: 138). Davon hing ab, ob schwarze und weiße Amerikaner heiraten konnten, wie 1681 eine Bedienstete und ein Sklave, die Irish Nell und Negro Charles genannt wurden (Hodes 1997: 20) – oder 1741 die von ihrer Herrin zur Hochzeit freigelassene Mary Jorga und der aus England stammende James Elsworth (Hodges: 1999: 64). Dadurch bestimmte sich auch, ob sexuelle Beziehun26
gen von Schwarzen und Weißen brutal geahndet wurden, wie 1880 bei Arthur Jordan, der mit Elvira Corder, der Tochter seines Arbeitgebers, durchbrannte, und den weiße Nachbarn des Vaters anschließend lynchten (Hodes 1997: 182), oder bei Ike Fitzgerald, der der Vergewaltigung einer jungen Frau angeklagt und, als die Jury sich nicht auf einen Schuldspruch einigen konnte, von einem weißen Mob aus dem Gerichtssaal geschleppt und auf der Straße aufgehängt wurde (Tolnay/Beck 1995: 62).
4. Rassismus als soziales Verhältnis Rassismusdefinitionen entfalten ein breites Spektrum von Bestimmungen, die vom Vorurteil über die Ideologie, den bösen Willen, die Struktur und die Konstruktion bis zum sozialen Verhältnis reichen. Damit nicht genug, legen sie diese Bestimmungen häufig auch noch unterschiedlich aus. Der Blick auf die hinter den dabei entwickelten Kategorien stehenden Argumentationen zeigt indessen, dass sie weniger hermetisch sind, als ihre idealtypischen Fassungen vorgeben. Auch wenn sich die Hypothese der engen Beziehungen eines von Vorurteilen geleiteten autoritären Charakters zu rassistischen Verhaltensweisen nicht verifizieren ließ (Rommelspacher 1997: 157ff.), gilt Vorurteilsforschung nach wie vor als eine wichtige Methode der Rassismusanalyse (Cashmore 2004: 329f.). Auch wenn zahlreiche Definitionen Rassismus als Ideologie fassen, setzen sie ihn doch alle in enge Beziehungen mit sozialen Strukturen und Verhältnissen – unabhängig davon, ob sie ihn als »Denksystem«, in dem »Realität durch Mythos« ersetzt wird (Mosse 1990: 7, 24), oder als »Diskurs« begreifen, der gesellschaftliche Beziehungen »in einer verzerrten und irreführenden Art und Weise darstellt« (Miles 1991: 58), beziehungsweise als »Rechtfertigungsideologie« (Geiss 1988: 15) verstehen, die eine »Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers« betreibt (Memmi 1992: 164). Auch wenn die volitionale Bestimmung des Rassismus als »ill will« darauf besteht, ihn »in the hearts of individuals« zu verankern (Garcia 2004: 43f.), bestreitet sie dessen 27
Einbettung in ideologische und materielle soziale Strukturen nicht. Auch wenn sich Versuche als zu eng erwiesen haben, Rassismus in solchen Strukturen zu verorten oder aus ihnen herzuleiten und als unmittelbaren Ausdruck kapitalistischer Verhältnisse oder institutionalisierter Benachteiligung zu bestimmen (San Juan Jr. 2001; Rex 1999), zweifelt die überwältigende Mehrheit rassismuskritischer Beiträge nicht daran, dass Kolonialismus und Imperialismus entscheidend zur Prägung des modernen Rassismus beigetragen haben und er durch ökonomische, soziale, politische, juristische und kulturelle Institutionen nachhaltig bestimmt und umgesetzt worden ist und wird. Um deutlich zu machen, dass rassistische Vergesellschaftung ein umfassender und alle sozialen Beziehungen und Verhältnisse durchdringender Prozess ist, schlägt Joe R. Feagin (2006) vor, Rassismus als »systemisch« anzusehen. Schon Robert Friedman (1975: 387) hat mit seiner Unterscheidung von »structural racism«, »procedural racism«, »systemic racism« und »ideological racism« ein ähnliches Ziel verfolgt. Phil Cohen (2002: 185) verwendet die Kategorie zur Charakterisierung der Position Frantz Fanons und dessen Kritik am »systemic racism through which colonialism attempts to reduce its subjects to subhuman status«. Gemäß solcher Überlegungen sollte – unabhängig davon, von welcher methodischen Position aus Rassismus untersucht wird – im Auge behalten werden, dass es dabei um ein soziales Verhältnis aus Mustern struktureller Beziehungen, herrschaftlicher Abhängigkeiten, kultureller Werte, ideologischer Rechtfertigungen und wechselseitigen Handels geht. Die in Einführungen in die Soziologie bis heute als die großen Kontrahenten strukturorientierter und handlungsbezogener Gesellschaftsanalyse präsentierten Karl Marx und Max Weber haben beide die Notwendigkeit der Vermittlung dieser Dimensionen für die Untersuchung sozialer Erscheinungen betont. Was Marx in diesem Zusammenhang für die Sklaverei formuliert hat, lässt sich für die Rassismusanalyse verallgemeinern: »Sklav sein und citizen sein, sind gesellschaftliche Bestimmungen, Beziehungen der Menschen A und B. Der Mensch A ist als solcher nicht Sklav. Sklav ist er in der und durch die Gesellschaft« (1983: 189). Diese Bestimmung gilt mutatis mutandis für alle Formen rassistischer 28
Vergesellschaftung. Weder barbarisch, noch unrein, teuflisch, wild, farbig oder minderwertig ist jemand von Natur aus, sondern innerhalb und vermittels gesellschaftlicher Verhältnisse (vgl. Kap. III). Von daher muss auch die zentrale Kategorie des Rassenrassismus, »race«, als »experience, lived through interactions« (Cashmore 2004: 60), begriffen werden. Nicht minder wichtig bleibt dabei allerdings die Berücksichtigung des auf diese Weise realisierten ideologischen Verkehrungszusammenhangs und seiner strukturellen herrschaftlichen Grundlagen. Im »field of ›race relations‹« kommt es auf die Frage nach dem »precise interplay between social structures and individual perfomances, between material conditions and the complex sphere of subjectivity« (San Juan Jr. 2001: 45) an. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Produzenten, sondern auch die Analytiker der Kategorie Rasse und über sie vermittelten sozialen Beziehungen. Am Beispiel der Verfassung der Vereinigten Staaten verweist Barbara Jeanne Fields (1990: 99f.) auf eine häufig auftretende Unschärferelation. Darüber, nach welchem Schlüssel die Bevölkerung der einzelnen Bundesstaaten bei der Anzahl der Abgeordneten und bei den direkten Steuern berücksichtigt werden sollte, hieß es dort ursprünglich, die Anzahl der Bürger »shall be determined by adding to the whole Number of free Persons […] three fifth of all other Persons«. Ein viel benutztes Geschichtsbuch, zu dessen Herausgebern auch Winthrop D. Jordan, einer der Pioniere der nordamerikanischen Rassismusforschung, gehörte, bemerkte dazu: »For both direct taxes and representation, five blacks were to be counted as equivalent to three whites.« Tatsächlich war aber im Gesetzestext weder von »Schwarzen« noch von »Weißen«, sondern wörtlich von »Freien« und indirekt von »Unfreien« die Rede. Dass soziale Unfreiheit und dunkle Hautfarbe zunächst einmal verschmolzen werden mussten und dadurch Rassen allererst hergestellt wurden, geriet auf diese Weise aus dem Blick. Die mangelhafte Unterscheidung struktureller Verhältnisse und ideologischer Rechtfertigungen verwischte die Beziehungen der verschiedenen Elemente im Prozess der Rassenkonstruktion. Tatsächlich entwickelten sich Sklaverei und Rassenrassismus 29
in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Audrey Smedley (1999) hebt hervor, dass die nordamerikanischen Kolonisten, »[a]s they were creating the institutional and behavioral aspects of slavery, […] were simultaneously structuring the ideological components of race« (ebd.: 111). Am Beispiel Thomas Jeffersons zeigt sie, dass die Rassentheorien nicht zuletzt dem intellektuellen und moralischen Dilemma entsprangen, das aus der Verbindung von Aufklärung und Emanzipation mit Kolonialismus und Sklaverei erwuchs. Weil die alten religiösen Legitimationen unglaubwürdig und die neuen kulturellen Rechtfertigungen unzureichend waren, setzte Jefferson auf das gerade entstehende Rassenkonzept und »was ready and willing to accept the argument that blacks were a separate and permanently inferior ›race‹ because this assertion provided an intellectual, seemingly rational, defense of slavery and the way of life to which he was deeply committed« (ebd.: 194). Grundlage dieser ideologischen Operation war ein sozialökonomisches Gewaltverhältnis, das durch die individuelle Willkür der Peitsche und die staatliche Willkür von Rassengesetzen abgesichert wurde. Es begründete einen Ausbeutungszusammenhang, in dem die Sklaven die materiellen Bedingungen der Sklaverei reproduzieren mussten. Im Umgang mit den Sklavenhaltern entstanden Beziehungen, die von äußerster Verachtung bis zu erzwungener Intimität reichten.5 Ihre Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse der Sklaven waren restriktiv und machten sie unsicher. Gleichzeitig wurde von ihnen Loyalität und Unterwürfigkeit erwartet. Die Rechtfertigung dieser Verhältnisse entwickelte sich von den überkommenen Mustern der Barbaren und Heiden zum Rassenkonzept. Zunächst spiegelte sich in den »references to blacks […] little clear evidence of a uniform or widespread social antipathy on account of their color« (ebd.: 97). Die Durchsetzung des Rassenrassismus verkehrte dieses Bild. Seine Auswirkungen zeigten sich nicht zuletzt in der Veränderung der Lage der freien Afroamerikaner. Ihnen gegenüber begründete ihr jetzt rassisch interpretiertes Schwarzsein zahlreiche Einschränkungen. Je nach Kolonien bzw. Staat mussten sie Bescheinigungen ihres sozialen Status mitführen, bekamen sie weiße Vormünder zugeteilt, entzog 30
man ihnen das Wahlrecht, durften sie vor Gericht nicht gegen Weiße aussagen, wurde ihnen schulische Bildung untersagt, verbot man ihnen Erwerb und Haltung von Sklaven und erschwerten neue Gesetze die Freilassung von Sklaven oder zwangen Freigelassene, das Land zu verlassen (Genovese 1976: 398ff.). Vor dem Hintergrund der Sklaverei war aus der Hautfarbe ein soziales Zeichen gemacht worden, das natürliche Minderwertigkeit signalisieren sollte und unabhängig von ihrem sozialen Status gegenüber allen geltend gemacht wurde, die sich irgendwie als Neger stigmatisieren ließen. Häufig legte man ihnen nahe, sich doch am besten freiwillig zurück in die Sklaverei zu begeben. Im Zusammenhang mit der Sklaverei nennt Orlando Patterson (1982: 38) entsprechende gesellschaftliche Operationen »social death«. Theodore W. Allen (1994: 32) nimmt diese Bezeichnung auf und bezieht sie als »social death of racial oppression« auf alle Formen von Rassendiskriminierung. Sie soll im Kern in der Reduktion aller »members of the oppressed group to one undifferential social status« bestehen, »a status beneath that of any member of any social class« innerhalb des Systems der Unterdrücker. Diese Charakterisierung lässt sich auf rassistische Diskriminierung insgesamt beziehen (Hund 2006: 122). Der soziale Tod ereilt einen nicht, sondern wird einem zugefügt. Er bedeutet nicht das Ende sozialer Beziehungen (die auch Sklaven mit ihren Sklavenhaltern, staatlichen und religiösen Institutionen usw. eingehen müssen und selbstverständlich auch untereinander aufbauen). Vielmehr besteht er zunächst vor allem in der Zweiteilung sozialer Sphären. In der einen existieren entsprechend der historischen Verhältnisse verschieden ausgestaltete und differenzierte Positionen, die sich nach Alter, Geschlecht, Klasse usw. unterscheiden und zueinander in herrschaftlich differenzierten komplexen Abhängigkeitsverhältnissen stehen. In der anderen Sphäre sind diese Positionen tendenziell aufgehoben und existieren nur prekär, das heißt, sie werden entweder faktisch zerstört oder als unangemessen abqualifiziert und als einseitig aufkündbar betrachtet. Die kulturellen Muster und sozialen Verhaltensweisen derjenigen, die in sie verwiesen worden sind, werden herabgemindert und missachtet. Ihre Anpassung 31
führt zu instabilen Beziehungen, auf die kein Verlass ist. Ihre Autonomie gilt als Zeichen mangelnder Entwicklungsfähigkeit oder prinzipieller Andersartigkeit. Undifferenziert werden sie vorrangig als Mitglieder der für sie konstruierten Kategorie der Ausgrenzung angesehen und müssen damit rechnen, dass ihre soziale Identität hinter deren Zuschreibungen zurücktritt und nicht zur Kenntnis genommen wird (vgl. Kap. IV/1). Weil Rassismus soziale Empathie außer Kraft setzt, verbinden sich bei seiner Definition häufig Hinweise auf die Verbindung von Vorteilsnahme (Memmi 1992: 64ff., 103, 164) und Hass (Delacampagne 2005: 271). Die Vorteilsnahme kann direkt (durch Ausplünderung, Enteignung usw.) oder vermittelt (durch Beteiligung an den aus gewaltsamer Bereicherung resultierenden sozialökonomischen Entwicklungen) erfolgen. Sie kann aber auch nur in der von Platon bis Freud thematisierten Berechtigung zur Verachtung Anderer bestehen, die unteren sozialen Gruppen die Zurechnung zu als höher stehend ausgegebenen Gesellschaften erlaubt. Wichtig daran ist also letztlich nicht ein irgendwie geartetes Interesse, sondern die aus dieser Beziehung resultierende Rückwirkung und ihre Funktion im Prozess der Vergesellschaftung. Weber (1964: 303, 309) hat sie als »rein negativ« bezeichnet und diese Bestimmung am Beispiel der »ethnischen Ehre« erläutert, die er als »Massenehre« begriff, weil sie unabhängig vom sozialen Status allen zugänglich ist, die sich durch entsprechende Abgrenzungen einer »geglaubten Abstammungsgemeinschaft« zurechnen können – wie z.B. die armen Weißen im Süden der Vereinigten Staaten, deren »soziale ›Ehre‹ schlechthin an der sozialen Deklassierung der Schwarzen hing«. Dieser Zusammenhang zieht sich nicht nur durch die Geschichte der abendländischen Klassengesellschaften, für die schon in der Antike galt, dass »[t]he presence of substantial numbers of slaves in Roman society defined free citizens, even if they were poor, as superior« (Hopkins 1978: 112). Der mit solch negativer Vergesellschaftung verbundene Hass kann Ausdruck der Wut (auf die einem selbst auferlegte Herrschaft), der Frustration (über eigene depravierte Lebensverhältnisse) oder der Sehnsucht (nach in den stereotypen Bildern der 32
Anderen enthaltenen Elementen angeblich unentfremdeten Lebens) sein. Seine Beschreibung als »social alexithymia« (Feagin 2006: 28) versucht dem Umstand gerecht zu werden, dass rassistische Diskriminierung nicht nur strukturelle Ungleichheiten erzeugt und legitimiert, sondern auch in vielfältigen Formen sozialen Handelns umgesetzt werden muss, in denen die Integrität der anderen außer Acht gelassen wird. Obwohl das allen Spielarten der Perversität und des Sadismus Vorschub leistet, handelt es sich dabei nicht um ein individuelles Krankheitssymptom, sondern um ein soziales Verhältnis. In ihm können die Anderen wie Tiere behandelt oder ausgerottet werden, aber auch in parallelen gesellschaftlichen Strukturen existieren, die scheinbar Normalität vermitteln, tatsächlich aber unter dem Vorbehalt des gewaltsamen Übergriffes und der Zerstörung stehen. Der sozialen Gefühllosigkeit öffnet sich so ein breites Spektrum von Verhaltensweisen. Es reicht von der »Meuterei im Ferienflieger«, bei der von den Fluggästen erzwungen wurde, dass »zwei asiatisch anmutende, wahrscheinlich Arabisch sprechende Mitpassagiere« das Flugzeug wieder verlassen mussten (Spiegel online, 20.8.2006), über die Angewohnheit von Sklavenhaltern, die Kinder ihrer Sklaven zusammen mit ihren Hunden aus denselben Trögen zu füttern oder Sklavinnen und Sklaven nach Gesichtspunkten der Tierzucht zur Paarung zu zwingen, um kräftigen Nachwuchs zu erhalten (Bay 2000: 127, 130), bis zu der mit kalter Grausamkeit praktizierten Entmenschlichung in den Konzentrationslagern, bei der mit juristischen und politischen Mitteln »menschliche Wesen so vollständig ihrer Rechte und Eigenschaften haben beraubt werden können, bis es keine Handlung mehr gab, die an ihnen zu vollziehen noch als Verbrechen erschienen wäre« (Agamben 2002: 180).
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III. Formen Es genügt nicht, »den Rassismus […] anzuprangern. Man muss […] seine verschiedenen Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte nachvollziehen, erkennen, wie viele Gestalten sozialer und kultureller Art er annahm.« Christian Delacampagne (2005: 15) Historische und soziale Ausdehnung des Rassismus sind umstritten. Seine Bestimmungen reichen von der primordialen Verankerung in einer Biologie des Nepotismus (van den Berghe 1999) bis zur historischen Verortung in der Geschichte des Kolonialismus und der Sklaverei (Fields 1990), in den reaktionären Abwehrkämpfen gegen die Moderne (Priester 2003), im Zusammentreffen der Erklärung allgemeiner Menschenrechte und anwachsender depravierter Unterklassen (Malik 1996) oder im irrationalen Angriff auf die Vernunft im Zeitalter des Imperialismus (Lukács 1954). Dass sich schon die Vertreter der Auffassung, Rassismus sei ein Phänomen der Moderne, auf keine gemeinsame Position verständigen können, ist für den vorparadigmatischen Stand der Rassismusforschung durchaus charakteristisch. Das Plädoyer, den Begriff grundsätzlich im Plural zu verwenden und von Rassismen zu sprechen (Goldberg 1993: 97ff.; Hall 2000: 11; Rattansi 1998: 89), hilft freilich nur weiter, wenn dies zu verstärkter vergleichender Analyse Anlass gibt, die ihre Fragestellungen weder von der Reichweite des Rassenbegriffs noch von der vorschnellen Verallgemeinerung von Ergebnissen aus Untersuchungen mit historisch begrenzter Reichweite bestimmen lässt. Auf die mangelnde Eignung soziobiologischer Überlegungen wurde in diesem Zusammenhang häufiger verwiesen (Goldberg 1993; Gould 1988).6 Abgesehen von ihren legitimatorischen Tendenzen versagt ihr transhistorisches Konzept nicht nur bei der Analyse der unterschiedlichen Formen des Rassismus, sondern vor allem auch angesichts seiner weit gefächerten Methoden. Statt der Vorstellung, es dabei mit primordialen Gegebenheiten wie Bevorzugung des Eigenen, Beargwöhnung des Frem34
den, Furcht vor dem Anderen, Hang zur Unterdrückung und anderem mehr zu tun zu haben, sind hier historisch differenzierte und soziologisch fundierte Analysen gefragt, die untersuchen, wie Rassismus tatsächlich jener soziale Konstruktionsprozess angeblich natürlicher Ungleichheit ist, als den ihn zahlreiche seiner heutigen Definitionen bestimmen. Sie müssen dessen kulturelle Fassung nicht nur als aktuellen Reflex auf die Diskreditierung des Rassenbegriffs verstehen, sondern als Kern rassistischer Diskriminierung begreifen und gleichzeitig fragen, warum Rassismus unter bestimmten Bedingungen radikal ausschließend und mörderisch wirkt, während er unter anderen Voraussetzungen Einzelnen sogar den legitimen Wechsel ihrer angeblich natürlichen Gruppenzugehörigkeit erlaubt; oder wie Rassismus mit den sehr unterschiedlichen Anforderungen der Legitimation des Ausschlusses von Anderen umgeht, welche auf einer Skala imaginiert werden, die von Minderwertigkeit und Schwäche bis zu Schläue und Übermächtigkeit reicht und absolute Berührungstabus und Reinheitsforderungen ebenso kennt wie Spekulationen über mögliche Vorteile der Hybridisierung. Wenn mit der zunehmend erhobenen Forderung, Rassismusanalyse als Analyse von Rassismen zu betreiben, wirklich Ernst gemacht wird, schließt das die Berücksichtigung synchroner wie diachroner Perspektiven ein. In den in den folgenden Abschnitten vorgestellten Gegensatzpaaren werden beide vermittelt. Das macht gleichzeitig deutlich, welch unterschiedliche Formen der Rassismus im Verlauf seiner Entwicklung angenommen hat und dass diese keine in sich geschlossenen Epochen darstellen, sondern durch verschiedene Legitimationsmuster geprägt werden. Diese werden zwar einerseits charakteristisch gefasst. Ihre Elemente sind jedoch andererseits flexibel und kombinierbar und traten im Verlauf der Geschichte in voneinander abweichenden Konstellationen auf, in denen sich ihre jeweilige Dominanz wie ihr wechselseitiges Verhältnis in zahlreichen Varianten dargestellt hat.7
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1. Kultivierte und Barbaren Die Kategorie Barbar zeigt diese Flexibilität in besonderem Maße. Ihre Verwendungsweise lässt sich weltweit nachweisen und reicht von der Antike bis in die Gegenwart. Ihr europäisches Verständnis ist von den Griechen geprägt und von Aristoteles begrifflich gefasst und systematisch mit der Vorstellung menschlicher Minderwertigkeit verbunden worden – eine Konnotation, die sie bis heute nicht verloren hat. Der konservative Alarm wegen der angeblichen Überfremdung der Vereinigten Staaten verwendet sie ganz bewusst, wenn er die illegale Migration in die USA aus Mexiko oder nach Europa aus Afrika mit der Invasion des römischen Imperiums durch Barbaren vergleicht (Buchanan 2006). Hinsichtlich der europäischen Antike vermittelt Benjamin Isaac (2004) ein umfassendes Bild der auf dem Gegensatz von Kultivierten und Barbaren beruhenden rassistischen Diskriminierungsmuster und ihrer Umsetzung im Rahmen der griechischen und römischen imperialen Politik. Zu ihrer Legitimation sollen »the environmental theory« und »[t]he emphasis on pure blood« (ebd.: 46) entscheidend beigetragen haben. Die Konzeption der Umwelttheorie lief auf die Prägung kollektiver Charaktere durch unterschiedliche äußere Bedingungen hinaus. Die für die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten besten geographischen und klimatischen Verhältnisse waren dabei die, unter denen die Produzenten dieser Vorstellungen selbst lebten, und denen sie bescheinigten, zur Philosophie wie zur Herrschaft befähigte Menschen hervorzubringen. Weil ihnen durch eine missgünstige Natur angeblich benachteiligt ausgestattete Andere gegenübergestellt wurden, waren Idee und Rechtfertigung des Imperialismus in diese Theorie eingelassen. Weil die als stabil betrachteten Ergebnisse dieses Prozesses als vererbbar begriffen wurden, war die dialektische Dynamik der Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer Umwelt zugunsten einer dauerhaften Hierarchie von Superiorität und Unterlegenheit außer Kraft gesetzt. Das führte nicht zuletzt zu weit reichenden eugenischen Gedanken, die unter anderem auf eine Kritik am Ammenwesen hinausliefen, weil dabei Kinder gehobener Herkunft durch 36
die Milch von Frauen niederer Abkunft geschädigt werden könnten (ebd.: 56-109). Die Argumentation der Blutstheorie zeigte sich auf diese Weise mit der Umweltkonzeption verbunden. Als Lehre von der guten Herkunft umfasste sie nicht nur bis zur Euthanasie reichende Forderungen nach gesunden Nachkommen. Sie enthielt auch bevölkerungspolitische Vorstellungen, die die eigene biologischkulturelle Sonderstellung auf die Reinheit und Unvermischtheit von Erblinien zurückführten. Sie dienten der rassistischen Abgrenzung nach außen und waren zudem sexistisch und klassistisch geprägt. Das zeigte sich nicht erst an Aristoteles’ Theorie der Zeugung und seiner Diskreditierung weiblicher Kinder, sondern schon in der mythologischen Vorstellung der athenischen Männer, sie wären Nachkommen einer ohne Frauen zustande gekommenen Urzeugung. Das zeigte sich weiter in Platons auf soziale Mischehen gemünzten Warnungen vor Degeneration (ebd.: 109-148). Christian Delacampagnes (2005) Auseinandersetzung mit den philosophischen Grundlagen des antiken Rassismus kommt zu dem Ergebnis, dass die Unterscheidungen zwischen Griechen und Barbaren sowie die zwischen freien Männern und Frauen und Sklaven »Einteilungen ›rassistischer‹ Natur« und »die aristotelische Theorie der Sklaverei« zweifellos »rassistisch« gewesen sind (ebd.: 21, 57). Aristoteles bettete sie in ein umfassendes Konzept der Herrschaft ein, das kulturalistisch um das Zentrum der Vernunft aufgebaut war: Im Bereich der Seele regiert sie die Gefühle, bei den Einzelnen wird der Leib von der Seele regiert, in der Familie das Weibliche vom Männlichen, im Haus werden die Sklaven von ihren Herren und im Staat am besten fleißige Arme von tugendhaften Reichen regiert. Dabei waren die sozialen Differenzierungen von Männern und Frauen wie von Herren und Sklaven Bestandteil einer »biologischen Weltsicht« (ebd.: 51), die Frauen und Sklaven zu unvollkommenen Wesen machten, denen es von Natur aus an Vernunft mangeln sollte. Die Sklaverei war freilich eine schon lange extensiv praktizierte Realität, ehe Aristoteles sie durch die Behauptung der natürlichen Minderwertigkeit der Barbaren zu legitimieren trachtete (Flaig 2001). Doch selbst in seine Konstruktion der Barbaren als 37
Sklaven von Natur ging das Wissen um soziale Gewalt als des Mittels zur Durchsetzung angeblich natürlicher Verhältnisse ein. Ganz offen rechnete er die Kriegskunst zur Erwerbskunst, soweit sie dazu diente, diejenigen zu unterdrücken, die zwar die Natur zu Sklaven bestimmt hätte, ohne dass sie es aber sein wollten, weswegen sie gewaltsam dazu gezwungen werden müssten (Isaac 2004: 178f.). Neben dieser sozialökonomischen Dimension hatte die Gleichsetzung von Sklaven und Barbaren aber auch noch eine doppelte politische Funktion. Sie unterstützte die Vorstellung einer hellenischen Identität und öffnete die Perspektive für den makedonischen Imperialismus. Die Perser, die noch Herodot als achtenswerte Gegner beschrieben hatte, wurden von den Zeitgenossen des Aristoteles orientalistisch zu effeminierten, korrupten, unmoralischen, unterwürfigen und verweichlichten Barbaren gemacht und ideologisch sturmreif geschossen, ehe Alexander über sie herfiel. Wenn hier die ideologische der politischen Dimension vorausging, so konnte sie das nur mit einer Vorstellung von Barbarei, die vor dem Hintergrund der sozialökonomischen Strukturen der Sklaverei entworfen worden war. Die rassistische Überlegenheitsvorstellung und daraus resultierende Ansprüche sind Ausdruck herrschaftlich verfasster sozialer Beziehungen (und nicht natürlicher Abneigungen oder Ängste). Ihre Legitimation wird kulturell begründet und verlässt sich nicht auf inkonsistente Merkmale. Wenn vor dem Zeitalter der transatlantischen Sklaverei gelegentlich die Hautfarbe bei der Preisbildung auf unterschiedlichen Sklavenmärkten eine Rolle spielte, konnte die Kombination sexistischer und ästhetischer Kriterien hohe Kosten für ›weiße‹ Sklavinnen im Osmanischen Reich oder ›schwarze‹ Sklavinnen im imperialen China verursachen (Patterson 1982: 178). Die Degradierung der Sklavinnen und Sklaven hingegen wurde durch das ihnen zugeschriebene mangelhafte Menschsein begründet. Bei Aristoteles rückte an die Stelle von sichtbaren Merkmalen der Differenz die Unterstellung eines Mangels an Vernunft. Die Herabminderung der Anderen stützte sich auf die Behauptung, dass ihnen etwas fehlte. Der kulturelle Begründungszusammenhang des antiken Rassismus setzte auf die Skalierung des Menschseins und die angeblichen 38
Unterschiede zwischen nicht vollendeten und vollkommenen Menschen, zwischen Mensch und Untermensch (Hund 2006: 20ff.). Auch wenn die nicht versklavten Barbaren allen diesen Bestimmungen nur der Möglichkeit nach unterlagen, erfüllten sie als Gegenbild der Zivilisierten eine zentrale Funktion im rassistischen Weltbild. Ihre Barbarisierung ermöglichte allen herrschaftlich verbundenen und sozial geschichteten Gruppierungen der Gesellschaft der Zivilisierten die Ausbildung eines Bewusstseins der Höherwertigkeit und der Zusammengehörigkeit. Die positiven Parameter der Ethnizität (wie Sprache, Ursprungsmythen, moralische Regeln, Sitten usw.) sind für die Befriedung von sozialen Binnenkonflikten herrschaftlich organisierter Gesellschaften ungenügend. Das zeigen unter anderem die Vermittlungsversuche interner und externer Elemente der Bestimmung von ›uns‹ und ›ihnen‹ (Jenkins 2003) oder die das Stichwort »Ethnizität« regelmäßig begleitenden Lemmata »Ethnic Conflict« und »Ethnic Cleansing« (Cashmore 2004). Barbarisierung ist zur Abgrenzung besonders gut geeignet, weil sie die eigenen Normen und Werte zum Maßstab von Kultur machen und die der Anderen damit abwerten kann. Die Skalierung der dabei entwickelten Differenz reicht von der Vertierung (Paul 2004) bis zur Verkindlichung (Nederveen-Pieterse 1992: 89) und versetzt die Anderen als Kinder in das Stadium unentwickelter oder als Tiere in das Stadium fehlender Menschlichkeit. Indikator dafür kann alles sein, was sich zur Behauptung von Differenz eignet – die Behandlung der Frauen, das Essen, die Ausübung der Religion, die Arbeitsethik und anderes mehr. Deswegen ist das aristotelische Modell des Barbaren weder eine europäische Besonderheit noch auf die Antike begrenzt. Das chinesische Reich der Mitte wusste sich von früh an von Barbaren umgeben (Müller 1980: 43ff.). Die Japaner betrachteten die Bewohner Hokkaidos als Barbaren (Siddle 1996: 19). Arabische Autoren legitimierten gegen Ende des 1. Jahrtausends die Versklavung von Afrikanern mit der aristotelischen Gleichsetzung von Barbaren und Sklaven (Lewis 1990: 55), die in der Disputation von Valladolid noch gute 500 Jahre später als akzeptables 39
Argument für die Unterjochung der Indianer durch die Spanier galt (Todorov 1985: 183ff.). Bei ihrer frühen Rechtfertigung des europäischen Kolonialismus stützte sich die Schule von Salamanca auf den Begriff des Barbaren (Pagden 1995: 46ff.), auf den selbst das Zeitalter der Aufklärung nicht verzichtete (Osterhammel 1998: 242). Die frühe Anthropologie und Ethnologie gaben trotz des mittlerweile entwickelten Konzepts der Menschenrassen die Kategorie Barbar nicht auf, auch wenn sie diese jetzt mit der des Wilden kombinierten und – wie Lewis Henry Morgan – die Entwicklung der menschlichen Kultur die drei Stadien der Wildheit, der Barbarei und der Zivilisation durchlaufen ließen (Baker 1998: 43ff.). Wenn in Rassentheorien und Sozialdarwinismus Barbaren hinter Primitive und Wilde zurücktraten, verschwanden sie doch nicht aus den Begriffsarsenalen der Herabminderung. Die Bezeichnung weitete sich vielmehr einerseits, wie »Meyers Konversations-Lexikon« von 1888 unter dem Stichwort »Barbar« vermeldete, zur allgemeinen »Bedeutung von Roheit und Grausamkeit«, ohne dass andererseits ihre Fähigkeit zur gruppenbezogenen Abwertung verlorenging. Motiviert durch den deutsch-französischen Krieg, kombinierte Armand de Quatrefages Barbarenmythos und Rassenideologie, um die Deutschen als »Halbbarbaren« slawo-finnischer Abstammung zu charakterisieren, die nimmermehr Arier sein könnten, sondern Abkömmlinge »vorgeschichtliche[r] Menschen« sein müssten (zit. in Poliakov 1993: 294). In Großbritannien wurde während des Zweiten Weltkrieges zur Charakterisierung der Deutschen als eines barbarischen Volkes das Hunnenstereotyp benutzt – es fand anschließend in der politischen Rhetorik, den Massenmedien und Propagandafilmen wie »Once a Hun, always a Hun« (Wittek 2005: 375) weite Verbreitung. Umgekehrt versuchte Deutschland im »Diskurs von ›Zivilisation und Barbarei‹« sowohl Großbritannien als auch Frankreich wegen ihrer Verwendung von Kolonialtruppen auf europäischen Kriegsschauplätzen zu barbarisieren (Geulen 2004: 362ff.). Die ›braune Barbarei‹ während des Nationalsozialismus ist zu einem weit verbreiteten Stichwort geworden, das auch in den Wissenschaften Verwendung findet. Die Umsetzung der rassistischen Ideologien von »barbarous utopias« 40
durch den »racial state« nennen Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann (1991: 23, 44) »barbarism institutionalised«. Im Übrigen findet der Begriff bis heute Verwendung. Unter der Überschrift »Die Barbaren kommen« behandelt »Le Monde diplomatique« vom 10.9.2004 die von westlichen Medien und Politikern zum »Kampf der Kulturen zwischen dem Westen und dem Islam« und vom Präsidenten der USA zum »Krieg der ›Zivilisation‹ gegen die ›Barbarei‹« erklärten internationalen Konflikte.8 Harold Pinter (2005: 10f.) hat diese Rhetorik in seiner Nobelpreisrede karikiert und für George Bush eine Ansprache entworfen, in der er ihn mehrfach beteuern lässt: »I am not a barbarian.« Auch wenn die Beschwörung des Gegensatzes von Barbarei und Zivilisation häufig metaphorisch erfolgt, so verweist ihre lange Geschichte doch auf einen ideologischen Kern, der sie für rassistische Ausgrenzungsoperationen prädestiniert. Eine aufschlussreiche argumentative Lücke in Donald L. Horowitz’ Studie über »The Deadly Ethnic Riot« (2001: 47f.) lässt das besonders deutlich werden. Über Ethnizität heißt es dort, sie sei »a powerful affiliation, both because similarity is valued and because genetic (or putatively genetic) origins and early socialization are potent sources of similarity or, in any case, of cues that signal similarity: appearance, customs, gestures, language, clothing, tastes, and habits«. Diese Merkmale sollen die Einzelnen dazu bringen, »to submerge their own identities in the collective identity, to favor ingroup members and make sacrifices for them. One sees oneself, so to speak, in other group members.« Das Problem dieser Beweisführung ergibt sich daraus, dass die aufgeführten Indikatoren des Zusammenhalts zunächst einmal Kennzeichen der Differenz sind. Es gibt keine herrschaftlich geschichteten Gesellschaften, deren Mitglieder in Erscheinung, Sitten, Attitüden, Sprache, Kleidung, Geschmack und Gewohnheiten gleich wären. Vielmehr unterscheiden sie sich gerade nach diesen Kriterien. Die so begründeten Eigenarten sind nicht akzidentiell, sondern habituell, und haben in der sozialen Position der Einzelnen ihre sozialökonomischen und kulturellen Grundlagen. Vor ihre Ähnlichkeit setzt die soziale Gliederung Gegensatz und Konflikt. Von der Antike bis in die Moderne wer41
den diese von den herrschenden Klassen als durchaus fundamental betrachtet und oft mit denselben Kategorien beschrieben, in denen sich auch rassistische Überlegenheitsansprüche ausdrücken. Aristoteles sah – bis auf den Unterschied, dass die einen frei sind und die anderen nicht – starke Gemeinsamkeiten zwischen Unterschichten und Sklaven. Die Eugeniker des ausgehenden 19. Jahrhunderts zögerten nicht, große Teile der Unterklassen ihrer eigenen Gesellschaft mit eben den Begriffen zu beschreiben, die sie auch für niedere Rassen anwandten (vgl. Kap. III/6). Und kein Mitglied der herrschenden Klassen aller Länder ist je auf den Gedanken gekommen, seine eigene Identität in den Anderen aus den Unterschichten zu suchen und sich sozusagen in ihnen zu sehen. Es geht also weniger um die Frage, ob Gemeinsamkeiten der Lebensweise zu kollektiven Identitäten führen, sondern vielmehr darum, wie diese trotz erheblicher Differenzen der sozialen Stellung und aller damit verbundenen individuellen Entfaltungsmöglichkeiten zustande kommen. Einen bedeutenden Anteil daran haben zunächst einmal Zwangselemente, die bestimmte Gesellschaften als offenes Gewaltverhältnis, andere als strukturelle Abhängigkeit ausprägen, die sich nachhaltig geltend machen und Anpassung und Unterordnung erzwingen. Zweifellos bietet auch der Umstand, dass die Unterschichten in der Regel den wesentlichen materiellen Beitrag zur Reproduktion der Gesellschaft leisten, nicht nur die Möglichkeit zur Bildung von Selbstbewusstsein, sondern auch zur Identifikation mit dem sozialen Ganzen, an dessen Erfolg, Glanz und Reichtum sie freilich nicht, wenig oder nur unproportional beteiligt werden. Zur Entwicklung von Geschmack oder verfeinerten Sitten, zur Aneignung gepflegter Sprache oder gehobener Gewohnheiten fehlen ihnen in der Regel Gelegenheit und Mittel. Ihre Beziehung zur Kultur der Gesellschaft ist entsprechend gespannt. Die Gegenüberstellung von Zivilisierten und Barbaren bietet demgegenüber zwar nur ein Surrogat an Teilhabe. Trotzdem erlaubt auch die negative Beziehung auf die Anderen die Imagination von Gemeinschaft. Die Konstruktion rassistischer Differenzen stabilisiert so den fragilen Zusammenhalt der häufig nicht besonders feinen Unterschiede hierarchischer Vergesellschaf42
tung. Für diejenigen, die durch sie benachteiligt werden, produziert sie gleichzeitig die Möglichkeit ideologischer Selbstaufwertung. Die Zurechnung zu einer höheren Kultur und darüber vermittelte Absetzung von Barbaren ist dafür insofern ein einfaches Mittel, als es Flexibilität mit Praktikabilität vereinbart. Flexibel ist es, weil es auf keine realen Merkmale der Anderen Rücksicht nehmen muss, sondern sie mit Hilfe der zum Maßstab erhobenen eigenen normativen Vorstellungen diskriminiert. Praktikabel ist es, weil diejenigen, die mit Hilfe dieser Vorstellungen im Inneren der Gesellschaft selbst abgewertet werden, sich gerade durch die Absetzung von Anderen dem ideell zugehörig fühlen können, was ihnen materiell in nicht unerheblichem Maße vorenthalten wird. Die rassistische Umkehrung des selbst erfahrenen Diskriminierungspotenzials verstärkt zudem dessen Virulenz.
2. Reine und Unreine Im Unterschied zum Barbarenstereotyp ist der Unreinheitsverdacht gestaffelt und reicht von sozialen Mustern der Kontamination (durch Krankheit, Blutung usw.), die als zeitlich begrenzt gelten oder sich durch rituelle Formen der Reinigung beheben lassen, bis zu entsozialisierender Unreinheit, die als dauerhaft und sogar als vererbbar vorgestellt wird und nicht abgedungen werden kann. Sein Ausgrenzungspotenzial ist deswegen nicht etwa geringer, sondern die Einübung alltäglicher Rituale der Reinigung verstärkt die Zuweisung nicht behebbarer Unreinheit eher noch. Außerdem trägt die Körperbezogenheit von Unreinheit dazu bei, dass deren dauerhafte Formen als Gefährdung eines organisch begriffenen Gemeinwesens ausgegeben werden können, der gegenüber rigide Grenzen gezogen werden müssen. In Kastengesellschaften zeigt sich das besonders deutlich. Die Delegierten einer internationalen Konferenz gegen Rassismus und Kastendiskriminierung vertraten in Delhi die Auffassung, »that caste as a basis for the segregation and oppression of peoples in terms of their descent and occupation is a form of apartheid and a distinct form of racism« (Final Declaration 43
2001). Teesta Setalvad (2004: 136) schrieb im inhaltlichen Zusammenhang damit: »To argue that caste-based discrimination – through exclusion, dehumanisation, segregation, violent atrocities and practices – is a distinct form of racism is […] to emphasise that […] a fifth of the population in South Asia has to endure bitter prejudice […] legitimised by a tradition of superior and inferior, pure and impure.« Die auf der Grundlage des Gegensatzes von Reinheit und Unreinheit betriebene Entmenschlichung betrifft in der Kastengesellschaft vor allem jene, die als unberührbar gelten. In der vedischen Tradition der Varnas haben die Unberührbaren keinen Platz. Brian K. Smith (1994: 324) entziffert das System der Varnas als Ordnung des Kosmos im brahmanischen Klasseninteresse. Unter den Priestern (Brahmanen) und Kriegern (Kshatriyas) stehen die Händler und Bauern (Vaishyas) und Diener sowie Knechte (Shudras). Ihre angebliche Abkunft aus den Körperteilen des mythologischen Urmenschen Purusha verweist auf das sozialintegrative Bild vom Gesellschaftskörper, das auch andere Klassengesellschaften strapaziert haben (vgl. Kap. IV/2). Dass dabei die oberste Kaste aus dem Kopf und die unterste aus den Füßen entstanden sein soll, versteht sich von selbst. Die Unberührbaren kommen in dieser Hierarchie überhaupt nicht vor. Sie sind aus der kosmischen Ordnung der Varnas ausgeschlossen und insofern ideologisch radikal desozialisiert. Unabhängig davon, ob diese Ordnung als symbolisch oder als Ausdruck sozialökonomischer Verhältnisse begriffen wird, hat sie sich frühzeitig zu einem komplizierten System von Tausenden von Untergruppen entwickelt. Diese Jatis bilden die materiale Kastengesellschaft, organisieren ihre ideologische Verortung indessen weiter mit Hilfe des Schemas der Varnas. So sind die Unberührbaren zwar in Hunderte von Jatis gegliedert, die häufig untereinander um eine höhere oder niedrigere soziale Stellung konkurrieren (Omvedt 1994: 49), aus der Ordnung der Varnas aber gleichwohl ausgeschlossen bleiben. Historisch heißt das, dass sie an von den übrigen Kasten getrennten Orten leben mussten, dass sie keinen Zugang zu öffentlichen Wasserstellen und Badeplätzen hatten, dass sie zu entehrenden schmutzigen Arbeiten gezwungen wurden, dass sie sich 44
durch Zeichen ihrer Statuslosigkeit kenntlich und mit Glockenläuten auf ihr Kommen aufmerksam machen mussten, dass sie in Teestuben und Lokalen nur eigenes Geschirr benutzen durften, dass sie der möglichen Kontaminierung der Scheren und Kämme wegen nicht zum Frisör gehen konnten, dass sie auf der Straße einen Spucknapf mitführen mussten, um ja keine Verunreinigungen zu hinterlassen. In ihrer Lage verbanden sich andauernde Unreinheit mit ökonomischer Ausbeutung und politischer Rechtlosigkeit. Frauen aus unberührbaren Kasten mussten gleichzeitig jederzeit mit gewaltsamen sexuellen Übergriffen rechnen. Die ihnen zugeschriebene Unreinheit war ein einseitig definiertes soziales Verhältnis (Mendelsohn/Vicziany 1998: 11). Unberührbarkeit führt zum Entzug sozialer Möglichkeiten der Bewegung und Entfaltung, schützt aber nicht vor Angriffen und Verletzung. Auch wenn die Diskriminierung der Unberührbaren im öffentlichen Bereich erheblich zurückgegangen ist, weist die politische Bewegung der Dalits darauf hin, dass sie im sozialen Leben fortbesteht. Die Gründe dafür macht sie begrifflich und programmatisch kenntlich. Die Selbstbezeichung »Dalit« stammt aus dem Marathi und bedeutet ›zerstörter Mensch‹ (Visvanathan 2004: 252f.). Unberührbarkeit ist kein natürlicher Makel, sondern ein sozialer Skandal. In der Doppelmoral der Kastengesellschaft, die hierarchisierende Einschließung mit perennierender Ausschließung verbindet, hat diese Zerstörung des Menschseins ideologischen Niederschlag gefunden. Nach Auffassung der Dalits ist sie deswegen »not only comparable but in fact tamtamount to racial disrimination« (Reddy 2005: 558). Die ungelösten Probleme der Rassismusanalyse machen sich hier in der aktuellen politischen Diskussion geltend. In einem Beitrag von Gail Omvedt (2004) zur Debatte über das Verhältnis von Rasse, Kaste und Rassismus wird das besonders deutlich. Einerseits schreibt sie zu Recht: »[W]hile caste has nothing to do with ›race‹, the justifications of caste discrimination have a lot to do with the social phenomenon of ›racism‹« (ebd.: 190f.). Andererseits bleibt ihr Vorschlag für die Operationalisierung dieses Zusammenhangs analytisch unzureichend: »[C]aste is not based on race; but the theories justifying caste, or caste as an ideological 45
construct, were similar enough to racism to allow a racial interpretation of caste« (ebd.: 193).9 Die rassistische Diskriminierung der Dalits entspringt keinem wie metaphorisch auch immer gemeinten Parallelismus von Kaste und Rasse. Sie wird durch die Doppelstruktur des Kastensystems begründet, das Jatis enthält, die von der Zuordnung zu Varnas ausgeschlossen sind, und damit soziale Gruppen konstituiert, die nicht zum Gesellschaftskörper gehören. Aus unterstellter Unreinheit resultierende Unberührbarkeit ist Ausdruck solch prekärer Vergesellschaftung. Wie Unreinheit gemacht wird, demonstrierte die Erfindung der limpieza de sangre im Spanien der Reconquista. Sie entwickelte sich binnen kurzer Zeit zu einem System rassistischer Diskriminierung, in dem schließlich ein Adliger von »edlem Geblüt« mit der Argumentation auf den Scheiterhaufen geschickt werden konnte, er sei als Kleinkind von einer Amme gestillt worden, die »infiziertes Blut« hatte (Yerushalmi 1993: 62). Sie war Nachkommin getaufter Juden gewesen, von denen in Spanien und Portugal behauptet wurde, sie wären »impuros (›Unreine‹) oder maculados (›Befleckte‹), weil sie einen ›Makel‹ (mácula) im Blut haben« (ebd.: 61). Hintergrund dieser Idiosynkrasie ist die lange Geschichte des Antisemitismus auf der iberischen Halbinsel. Schon im gotischen Spanien erzwangen Gesetze die Taufe, gab es Ämterverbote, wurde Kontaktsperre zu ehemaligen Glaubensgenossen verhängt, sollten Mischehen getrennt werden, kam es zur Wegnahme von Kindern und deren christlicher Zwangserziehung, lancierte man Verschwörungstheorien und verdächtigte Konvertierte des heimlichen Judaisierens (Schreckenberg 1999: 436, 462f.). Aus der Perspektive rassistischer Diskriminierung war das Leben im islamischen al-Andalus ein keineswegs repressionsfreies Interregnum. Als die Reconquista im 12. Jahrhundert Kreuzzugscharakter annahm, wuchsen die Anfeindungen gegenüber Juden und Moslems. Nachdem die Alternative ›Auswanderung oder Taufe‹ immer drängender wurde, entschlossen sich viele Jüdinnen und Juden zur Konversion. Zweifellos gab es unter diesen Neuchristen auch Kryptojuden, die heimlich an ihrem alten Glauben festhielten. Zahlreiche Conversos indessen 46
bekannten sich tatsächlich zum Christentum und lebten »thoroughly assimilated Roman Catholic lives« (Friedman 1987: 9).10 Im 15. Jahrhundert kulminierte der spanische Antisemitismus in der Politik der Blutsreinheit, die anschließend auch in Portugal institutionalisiert wurde. Die Gründe dafür waren vielfältig und lagen sowohl in den sozialen Spannungen zwischen Königtum, Hochadel und Stadtbürgern als auch in der durch die Reconquista beschleunigten Nationalstaatsbildung und der damit verbundenen Dynamik von Inklusion und Exklusion. Dass zumindest einem Teil der Conversos in diesen Verhältnissen ein sichtbarer sozialer Aufstieg gelang, der bis zu Beraterfunktionen am Hof oder Bischofswürden führte, reichte, zumal die meisten von ihnen »arm« waren »oder einfache Berufe« hatten (Yerushalmi 1993: 57), als Anknüpfungspunkt für Legenden über eine konzertierte Aktion, mit der die Juden angeblich planten, den Staat zu unterwandern und zu übernehmen (ebd.: 58), nicht aus. Denn die Conversos galten nach zeitgenössischem Verständnis zunächst einmal als Christen und verhielten sich überwiegend auch so. Sie mussten deswegen zu Juden gemacht werden. Das geschah unter Bedingungen eines verbreiteten Judenhasses, dem durch Pogrome, Auswanderung, Zwangstaufen und Übertritte zum Christentum die Objekte seiner Aggression abhanden kamen. Léon Poliakov leitet den Band seiner »Geschichte des Antisemitismus« (1977-88, 4), der das Schicksal der Conversos behandelt, mit einer Zusammenfassung der antijüdischen Ausschreitungen, Hetzreden und Übergriffe im Verlauf der Reconquista ein. Unter Hinweis auf die spätere Geschichtsschreibung stellt er dazu fest: »Ein Historiker unserer Tage wird in diesen Ereignissen ›der gemeinschaftlichen Gefühle der Spanier […] für die Einheit des spanischen Volkes‹ gewahr. Eine solche Bewusstwerdung findet also […] zugunsten des Hasses gegen die Juden statt.« (Ebd.: 13) Die Pogrome von 1391 und die Disputation von Tortosa 1412 sind Symbole einer Politik, die eine »Epidemie der Übertritte« (ebd.: 14) zur Folge hatte, welche die jüdischen Wohnviertel entvölkerten und zur Umwandlung zahlreicher Synagogen in Kirchen führten, sodass schließlich der Chronist Ibn Verga ausgerufen haben soll, vom »Stamm der Juden« wäre »nicht mehr einer übrig« (ebd.: 23). 47
1449 kam es in Toledo zu einer Attacke auf die Conversos, die mit einem »mob« begann und sich zu einem »actual war« entwickelte (Roth 1995: 89). Zu ihren Ergebnissen gehörte ein Statut, das den Conversos öffentliche Ämter verbot, um so »old Christians of pure lineage« (ebd.: 91) zu schützen. Teile der Bevölkerung waren dazu übergegangen, an die Stelle der immer kleiner werdenden Gruppe sichtbarer Juden bekehrte Christen zu setzen und sie als heimliche Juden zu verdächtigen. Zwar wurde, um deren Jüdischsein sichtbar zu machen, eine intensive Suche nach verlässlichen Zeichen betrieben. Doch solche Fahndungen führten erstens häufig nicht zum Ziel und betrafen im Übrigen immer nur individuelle Einzelfälle. Zur Identifikation eines Gruppenstatus eigneten sie sich nicht. Genau diese Funktion erfüllte aber die Ideologie der limpieza de sangre, die den Gegensatz von reinem und unreinem Blut an die Stelle der Konfrontation christlichen und jüdischen Glaubens setzte. Trotzdem hatten die verschiedenen Versuche zur Bestimmung der Blutsreinheit eine komplizierte Aufgaben zu lösen, deren Bewältigung gleich mehrere Einsichten in die rassistische Konstruktion der Anderen vermittelt. Zunächst ging es um die Definition des Tatbestands, die klärte, ab wann Blut als kontaminiert gelten sollte. Diese Aufgabe wurde mit Hilfe von Bruchrechnungen gelöst, deren Nenner im Verlauf der Zeit immer größer wurden. Im 17. Jahrhundert stellte die Inquisition fest, dass heimliches Judaisieren noch bei Conversos des 21. Verwandtschaftsgrades vorkommen könne (Yerushalmi 1993: 62), und ein Großinquisitor meinte, Kontamination durch jüdisches Blut wirke bis zur entferntesten Abstammung (Friedman 1987: 16). Schließlich wurde das Medium Blut selbst transzendiert und die Milch einer neuchristlichen Amme als infektiös für altchristliche Säuglinge angesehen – eine Überzeugung, die offenbar noch das nationalsozialistische Justizministerium leitete, als es erklärte, dass »die Muttermilch einer Jüdin nicht als Nahrung für deutsche Kinder gelten kann« (zit. in Edwards 1996: 630f.). Ferner musste die Möglichkeit der Säuberung diskutiert und überlegt werden, ob und wie die Verunreinigung des Blutes verhindert oder behoben werden könnte. Dazu schien es erforder48
lich, jeden öffentlichen Einfluss der Conversos zu unterbinden und sie aus entsprechenden Ämtern und Funktionen zu entfernen. Darüber hinaus war zunächst strittig, ob verunreinigtes Blut sich regenerieren lässt oder noch in undenklicher Verdünnung infektiös wirkt. Entsprechend gab es Überlegungen zur Blutwäsche, die sich in Anordnungen wie jenen des Ordens von Santiago im Jahr 1480 niederschlugen, Conversos und ihre Nachkommen sollten mindestens bis zur vierten Generation keine Conversos, sondern Altchristen heiraten und auf diese Weise ihr Blut reinigen (Roth 1995: 231). Letzten Endes setzte sich aber die Position durch, die schon den berüchtigten ›einen Tropfen‹ für bedenklich hielt. Sie kam in der Überzeugung zum Ausdruck, die Fray Prudencio de Sandoval 1604 formulierte, wenn er erklärte, Juden wären von schlechter Rasse (mala raza) und vererbten ihre üblen Neigungen wie die Schwarzen (negros) ihre Farbe, sodass sie bei den Conversos erhalten blieben (Walz 1995: 740). Schließlich bedurfte die Feststellung des Sachverhalts einer mit Autorität ausgestatteten Instanz, die verbindlich festlegte, ob jemand reinen oder unreinen Blutes war. Das besorgte die Inquisition. Sie wurde zu einer machtvollen Agentur ausgebaut, die sich wohlgemerkt nicht gegen Juden, die einer anderen Religion angehörten, sondern gegen vermeintlich Abtrünnige in den eigenen Reihen richtete. Ihre Aufgabe war nicht die Verfolgung Andersgläubiger, sondern die Reinhaltung und Säuberung des eigenen Glaubens (Roth 1995: 203ff.), den sie aus einer Frage des Bekenntnisses und der Lebensweise zu einer der Abstammung und des Blutes machte. Ihr Totalitätsanspruch kam nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass sie auch Tote vor Gericht zitierte und ihre Gebeine exhumierte und verbrannte (Poliakov 1977-88, 4: 49). Weil die großen Entscheidungen alltäglicher Umsetzung bedürfen, bildete sich neben der Inquisition ein System zur genealogischen Nachforschung aus, das immer dann in Aktion trat, wenn sich jemand um öffentliche Ämter bewarb, in einen Orden einzutreten wünschte oder auch nur ein Gymnasium besuchen wollte (Hering Torres 2006: 82ff.). Bei der Charakterisierung dieser Politik zeigen sich ähnliche Inkonsequenzen wie bei der Behandlung der rassistischen Diskriminierung der Unberührbaren. Selbst Forschungen, die auf 49
dem Zusammenhang von Rassismus und Rassen bestehen, kommen zu dem Ergebnis, dass »the Spanish doctrine of purity of blood was undoubtedly racist« (Fredrickson 2002: 33). Solche Überlegungen werden häufig durch eine problematische Überdehnung des Rassenbegriffs gestützt, nach der die Conversos aufgrund ihres »Jewish racial origin« (Roth 1995: 315) als »die ersten Opfer rassischer Verfolgung« (Mosse 1990: 27) und von »rassischer Diskriminierung« (Poliakov 1977-88, 4: 81) gelten könnten, die mit Hilfe einer »Rasselehre« (Walz 1995: 741) legitimiert worden wäre. Obwohl seine Analyse zu anderen Ergebnissen kommt, will auch Max Sebastián Hering Torres (2006: 248) auf das »Oxymoron« vom »rassischen Antijudaismus« nicht verzichten. Tatsächlich zeigt er jedoch, dass »Rasse« und »limpieza« »eine semantische wie auch ideologische Symbiose« gebildet haben, in der »Rasse […] noch kein Kriterium zur Klassifizierung der Menschheit« gewesen ist, sondern »der Bezeichnung des ›Unreinen‹« gedient hat (2003: 31f.). Seine Überlegung, »dass ›Rassismen‹ unter inhaltlicher Variabilität (Diskontinuität) eine homogene Absicht verfolgen: Ausgrenzung (Kontinuität)« (2006: 261), legt nahe, rassistische Diskriminierung auch dort zu diagnostizieren, wo es keine Rassen gibt. Die Ideologie von der Reinheit des Blutes ist rassistisch, aber sie dient keinem Rassenrassismus, sondern einem Rassismus der Kontamination. Auch wenn das eine eigene Form rassistischer Diskriminierung begründet, sind deren zentralen Elemente nicht auf sie begrenzt.11 Der Gegensatz von Reinheit und Unreinheit hat eine weit zurück reichende Geschichte und seine Wirkungsweise reicht bis in die Gegenwart. Die Begriffe »Rassenhygiene« und »ethnische Säuberung« machen zur Genüge deutlich, dass sich der Fanatismus der Reinheit leicht mit anderen Formen rassistischer Abwertung verbinden lässt. Im Zusammenhang mit der Geschichte des Rassenrassismus zeigt sich das besonders drastisch an jenen Fragen, die im Nationalsozialismus unter dem Stichwort »Rassenschande« diskutiert worden sind. Sexueller Kontakt und sogenannte gemischte Beziehungen sind regelmäßig Gegenstand der Phantasmagorien über Reinheit und Verunreinigung gewesen. Auch sie haben sich historisch 50
entwickelt und geben so Auskunft über die Gesellschaftlichkeit wie den Wandel rassistischer Diskriminierung. In bestimmten Gegenden der nordamerikanischen Kolonien hatten in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein Viertel bis ein Drittel der unehelichen Kinder weißer Mütter schwarze Väter (Davis 2006: 131). Da die Frauen überwiegend den unteren sozialen Schichten angehörten, scheint das zunächst nicht sonderlich skandalisiert worden zu sein. Unter klassenspezifischen Vorzeichen wurde der Umgang afrikanischer und europäischer Partner nicht als Kontamination eines noch gar nicht imaginierten Volkskörpers begriffen. Das erste Gesetz gegen Mischehen verbot 1661 in Maryland die Verbindung schwarzer Männer mit weißen Frauen nicht aus rassischen Gründen, die noch überhaupt nicht voll entwickelt waren, sondern aufgrund sozialökonomischer Überlegungen, denn das Kind einer weißen Frau erbte deren Status und war frei (Johnson 2003: 11). Gut 100 Jahre danach gab es in allen südlichen und auch in zwei nördlichen Kolonien Gesetze gegen Rassenmischung. Zur Strafbewehrung sexueller Übergriffe schwarzer Männer auf weiße Frauen gehörten Kastrationsgesetze (Jordan 1968: 139, 154ff.). Weitere 100 Jahre später, nach Bürgerkrieg und Sklavenbefreiung, herrschte vor allem in den Südstaaten eine sexualrassistische Kontaminationshysterie, die den Obersten Gerichtshof von Alabama Familien zu »nurseries of States« erklären ließ und den Obersten Gerichtshof von Tennessee zu der Auffassung brachte, dass »[t]he laws of civilization demand that the races be kept apart« (zit. in Bardaglio 1999: 125, 123). Der gesetzlich verfügte und bürokratisch überwachte Schutz des deutschen Blutes stand in diesem Zusammenhang nach eigener Einschätzung vor einer schwierigeren Aufgabe. Ihre Lösung führte in der faschistischen Hochburg des Rassenrassismus zum Eingeständnis seiner sozialen Fundierung. Nach Auffassung des Reichsjustizministers musste hier auf den gegenüber der Rasse »gröbere[n] Begriff« des »Stammbaum[s]« zurückgegriffen werden. Während der Diskussion der Nürnberger Gesetze meinte er sogar, »daß der Aufspaltungsgedanke der Menschheit in Rassen nach rassebiologischen Gesichtspunkten hier nicht die Richtschnur sein kann«. Deswegen war es sein »Wunschbild«, dass »der fremdrassige Mann […] einen sichtba51
ren Stempel auf der Stirn zu tragen hat« (zit. in Przyrembel 2003: 140). Das rassistische Reinheitskonzept wurde unabhängig von den Schwierigkeiten der Rassenidentifikation umgesetzt. Es war in den Debatten über koloniale Mischehen (Essner 1997) und die sogenannte schwarze Schmach der Rheinlandbesetzung durch französische Kolonialtruppen (Wigger 2007) ebenso vorbereitet worden wie durch antisemitische Attacken auf christlich-jüdische Mischehen. Obwohl dabei gesetzlich auf die Bestrafung des Beischlafs als Gefährdung deutscher Blutsreinheit abgestellt wurde, zeigte der gerichtliche Umgang mit diesem Vergehen, dass sich seine Beurteilung von einem wie auch immer begründeten Rassevergehen löste und von verallgemeinerten Vorstellungen möglicher Verunreinigung durchzogen wurde. Nach der gewaltsamen Einverleibung fremder Staaten belangte man auch deren ehemalige Bürger, indem Blutsschutz als Reichsschutz ausgelegt wurde (Przyrembel 2003: 367). Umgekehrt konnte im Ausland begangene Rassenschande bestraft werden, weil das deutsche Blut unabhängig von politischen Grenzen im imaginierten Volkskörper zirkulierte (ebd.: 379). Gleichzeitig sollten bloße geschlechtliche Berührungen ausreichen, um den Tatbestand der Rassenschande zu erfüllen (ebd.: 447). Schließlich erklärte das Reichgericht: »Daß es zu keiner Berührung des Körpers […] gekommen ist, schließt die Annahme eines Geschlechtsverkehrs nicht aus« (zit. in ebd.: 376). Der kontaminatorische Rassismus bezog ein breites Spektrum körperbezogener Vorstellungen in seine pornographischen Phantasien ein. Therapeutische Massage durch eine arische Masseurin führte zur heimlichen Befriedigung des jüdischen Geschlechtstriebes, die wegen Rassenschande mit Zuchthaus bestraft wurde. Jüdische Medizinalassistenten durften keine gynäkologischen Untersuchungen bei deutschblütigen Frauen vornehmen. Der »arische Abscheu beim Anblick des jüdischen Körpers« hatte den Ausschluss von Juden aus öffentlichen Badeanstalten zur Folge (Friedländer 1998: 178f., 138). Das hinter solchen Vorstellungen stehende Konzept der Blutsreinheit hatte vor allem zwei Dimensionen, die es für Operationen rassistischer Einschließung und Ausschließung besonders 52
geeignet machten. Es wurde durch die mit ihm verbundene Körpermetaphorik der Gesellschaft bestimmt. Das religiös, rassisch oder anders reine Blut floss durch die verschiedenen Glieder des Körpers und verband sie dadurch zu einer natürlichen Einheit. Deren Gefährdung durch minderwertiges, artfremdes, krankes oder ähnlich verunreinigendes Blut bedrohte mit dem gesamten Körper auch alle seine Glieder. Klaus Holz (2001: 405, 419) zeigt am Beispiel des Hitler’schen Antisemitismus, wie stark dessen Vernichtungsparolen von der Vorstellung einer Erkrankung des Volkskörpers durch Blutszersetzung und Befall mit Krankheitserregern geprägt waren. Léon Poliakov (1977-88, 4: 87) verdeutlicht am Beispiel der spanischen Blutreinheitsgesetze, wie sie die soziale Differenzen übergreifende Imagination von Gemeinschaft zu Lasten Anderer erlaubten. Dabei kamen sie nicht zuletzt den »niederen Schicht[en]« entgegen. Weil sie angesichts der sozialen Aufstiegsorientierung der Conversos in der Regel keine Adressaten möglicher familiärer Verbindungen waren, konnten sie sich gegenüber Adel und Großbürgertum als besonders rein empfinden. Eine Denkschrift aus der Zeit um 1600 behauptete entsprechend, in Spanien gäbe es »zwei Arten von Adel, nämlich einen höheren – das ist die Hidalguerie – und einen niederen – das ist die limpieza«, und ein »Bürgerliche[r] mit reinem Blut« würde mehr geachtet, als ein »Hidalgo mit nicht reinem Blut«.
3. Erwählte und Teufel Am Samstag, den 14.2.1349, brachten die Straßburger ihre jüdischen Mitbürger, die der Meinung waren, ausgewiesen zu werden, aus der Stadt. Unterwegs zwang man sie, sich auszuziehen und durchsuchte ihre Kleider nach Wertsachen. Dann wurden sie in ein eigens auf dem Judenfriedhof errichtetes Holzhaus getrieben, das man anschließend ansteckte. Wer von ihnen den Flammen entkam, wurde getötet (Graus 1994: 183f.). Hintergrund dieser Mordaktion war die Pestepidemie des ›schwarzen Todes‹ und das in ihrem Verlauf verbreitete Gerücht von der Brunnenvergiftung. Schon vor Ausbruch der Pest hatte 53
es in Frankreich die Form einer Verschwörung von Muslimen, Juden und Aussätzigen gegen die Christen angenommen. Demnach sollten sich die nach Weltherrschaft und Zerstörung der Christenheit strebenden Moslems der Juden als Mittelsmänner bedienen, die die Aussätzigen dafür bezahlten, dass sie die Brunnen der Christen vergifteten. Den unreinen Leprösen hatte man bei der Konstruktion dieser unheiligen Koalition gleich zwei angeblich mit dem Teufel verbündete Gegner zugesellt (ebd.: 302f.). Solche Zuschreibung war nicht metaphorisch gemeint. Im »Zeitalter der Verteufelung« (Poliakov 1977-88, 2) ergoss sich eine »Flutwelle des Satanismus« (Delumeau 1985: 359) über Europa. Der Dualismus von Gut und Böse, der schon zuvor konkrete Gestalt angenommen hatte, entwickelte sich zu einem dämonologischen Weltbild, das Satan und seine Teufel überall ihre verderblichen Pläne realisieren sah. Dabei sollten sie ein beachtliches Heer von Verbündeten rekrutieren: Häretiker, Muslime, Juden, Zigeuner, Hexen, später auch Amerikaner, Afrikaner und andere. Der dämonologische Rassismus ist im doppelten Sinne des Wortes ein phantastisches Instrument der Diskriminierung. Seine Konstruktion muss auf keinerlei Fakten Rücksicht nehmen und trotzt angesichts der Wandlungsfähigkeit des Teufels jedem Augenschein. Seine Anwendung ist deswegen flexibel und kann Menschen der unterschiedlichsten sozialen Kategorien betreffen. Seine Überzeugungskraft vermag angesichts zahlreicher dualistischer religiöser Systeme von deren Glaubwürdigkeit zu zehren. Seine Argumentation lässt sich problemlos an die zwischen Gut und Böse gespannten moralischen Überzeugungen vieler Zeitalter und Kulturen anpassen. Seine Ausübung darf daher als gute Tat verbucht werden, stärkt das Erwähltheitsbewusstsein und wirkt gemeinschaftsbildend. Die Straßburger Mordaktion verweist allerdings einerseits darauf, dass die angeblichen Teufelsdiener irdischen Phantasien entsprungen und mit höchst weltlichen Interessen verbunden waren. Nachdem Nachrichten über die Pest und Gerüchte über Brunnenvergiftungen in der Stadt eintrafen, setzte der Rat der Stadt eine Untersuchungskommission ein, die keine Anhalts54
punkte für eine Schuld der Juden fand. Im Unterschied zu den Zünften wollten aber Patriziat, Ritter und Bischof die Gelegenheit zum Vorgehen gegen die Juden nutzen, bei denen sie zum Teil hoch verschuldet waren. Auf der Suche nach Verbündeten unter den Bürgern wurden sie mit den Fleischern einig, die sich der Konkurrenz durch preiswerte Waren aus koscherer Schlachtung zu entledigen hofften. Gerüchte wurden gestreut, es kam zu Tumulten, Gesellen aus anderen Zünften gingen zur Partei der Antisemiten über, schließlich musste der Bürgermeister fliehen und der Rat wurde abgesetzt. Anschließend entledigte sich die Stadt ihrer Juden und annullierte sämtliche bei diesen anstehenden Schulden. Erst nach dem Tod der angeblichen Brunnenvergifter kam die Pest nach Straßburg (Graus 1994: 174ff.). Der größte Teil der an dieser Mordaktion beteiligten oder ihr beiwohnenden Menschen war andererseits freilich viel zu arm und einflusslos, um irgendwo nennenswert verschuldet gewesen sein oder sich von der Vernichtung anderer konkrete materielle Vorteile versprochen haben zu können. Auch wenn ihre Motive durch ihre missliche soziale Lage geprägt wurden, setzten sie sie doch nicht durch den Versuch konkreter gesellschaftlicher Veränderungen um, sondern richteten ihre Wut auf jene, die ihnen durch Passionsspiele und Hasspredigten, Ritualmordlegenden und Verschwörungstheorien als Feinde einer Gemeinschaft vorgestellt wurden, welcher sie sich nicht zuletzt durch deren Verfolgung zurechnen konnten. Die dabei angewandten ideologischen Muster der Verschmelzung der Figuren von Juden und Teufeln reichten, wie Joshua Trachtenberg (1943) gezeigt hat, bis in die Zeiten der Kirchenväter zurück. Das christliche Mittelalter machte daraus ein diabolisches Panoptikum, wo die Teufel Judenflecke trugen und die Juden einen teuflischen Geruch verströmten, in dem der Antichrist als Sohn Satans und einer jüdischen Hure geboren wurde, wo Juden zum Teufel beteten und mit seiner Hilfe magische Praktiken ausübten. Als Brunnenvergifter sollten sich die Juden betätigt haben, um mit Hilfe von Mixturen aus Christenherzen, Spinnen, Fröschen, Hostien und anderen Zutaten (ebd.: 104) die Christenheit auszulöschen – ein weiterer Beweis dafür, »that the Jew was not human«, sondern »the devil’s creature« (ebd.: 18). 55
Neben den Juden waren die Hexen eine weitere Opfergruppe des dämonologischen Rassismus in Europa. Ihre Diskriminierung konnte sich auf einen weit zurück reichenden Sexismus im Allgemeinen und einen christlichen Antifeminismus im Besonderen stützen. Dessen Durchsetzung machte deutlich, dass es sich hier keineswegs um eine ununterbrochen in tiefste Urzeiten zurück reichende und immer wieder neu konturierte Ausdrucksform ewiger Geschlechterfeindschaft, sondern um ein gezielt entwickeltes Instrument patriarchalischer Herrschaft handelte. Die scheute sich nicht, ihren eigenen Gott in den Zeugenstand zu rufen und ihn Eva und ihren Töchtern gegenüber klarstellen zu lassen, dass die Männer über sie herrschen sollten. Weil es bei dieser Unterordnung gleichwohl um ein intimes und gelegentlich gefühlvolles soziales Verhältnis ging, war die Erbsünde gleichzeitig Verlockung und Verführung. Die Frau galt deswegen wie im 12. Jahrhundert bei Alvaro Pelayo als »Waffe des Teufels« oder im 11. Jahrhundert bei Bernard de Morlas als »Thronsessel Satans« (Delumeau 1985: 474, 478). Von einschüchternden Verdächtigungen, die legitimierten, dass Frauen aus bestimmten sozialen Räumen ausgeschlossen, in andere dafür mehr oder weniger eingeschlossen gehörten, bis zu ihrer Verwandlung in Hexen, die durch den Umgang mit dem personifizierten Bösen jede Berechtigung der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und damit ihren menschlichen Status selbst eingebüßt hatten, war es gleichwohl ein großer Schritt. Er bezeichnet den Unterschied zwischen sozialer und desozialisierender Herabminderung, gesellschaftlicher Diskriminierung und rassistischer Entmenschlichung. Wie keine andere Form des Rassismus macht er außerdem deutlich, dass seine Ursachen nicht in vermeintlich äußeren Gefährdungen, sondern in inneren Spannungen und Verwerfungen der Gesellschaft liegen, die nicht dadurch entschärft werden, dass sie sich auf Menschen richten, die anders aussehen, eigene Gebräuche pflegen oder eine fremde Sprache sprechen, sondern dadurch, dass ihre Opfer entfremdet und zu Anderen gemacht werden. Brian Levack (1999: 151ff.) hat das nachdrücklich betont. Er verweist auf die gestörte Integration einer Gesellschaft, die durch die Durchsetzung der Ware-Geld-Wirtschaft, durch soziale Pro56
teste ländlicher wie städtischer Unterschichten und durch die schließlich zur endgültigen Spaltung führende wachsende Kritik an der Kirche destabilisiert war. Deren politische Instanzen brauchten zur Eindämmung »gefahrenträchtige[r] Spaltungen« einen »gemeinsamen Feind« und sicherten durch dessen Verfolgung »die Homogenität und möglicherweise auch die Harmonie in ihren Gemeinden«. Die von den »Hexenmachern« (Briggs 1998) erzeugten Hexen erwiesen sich dazu aus mehreren Gründen als besonders geeignet. Zunächst wurde nach Opfern gesucht, die traditionell verdächtig waren, den Versuchungen des Teufels nicht den nötigen Widerstand entgegenzusetzen. Außerdem boten die patriarchalischen Herrschaftsverhältnisse die Gewähr, dass bei deren Verfolgung breite Unterstützung gefunden wird. Weiter konnte an volkstümliche Vorstellungen alltäglicher Magie, böser Blicke, Schadenszaubereien und Ähnliches mehr angeknüpft werden. Ferner war die Verdächtigung nicht davon abhängig, dass die Betroffenen anders aussahen, eigene Gebräuche pflegten oder als fremd galten. Zudem waren die Beschuldigungen flexibel genug, um jederzeit auf alle möglichen Opfer ausgedehnt werden zu können und wirkten entsprechend disziplinierend. Schließlich ließ der den Hexen unterstellte Satanismus ihre Verfolgung nicht nur als geboten, sondern auch als existenzielle Abwehr einer fundamentalen Bedrohung erscheinen. Gerade weil ihre Verursacherinnen sich nicht durch besondere Kennzeichen verrieten, konnte diese Bedrohung als umso massiver dargestellt werden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts veranschlagte der Dämonologe Henri Boguet die Zahl der europäischen Hexen auf 1,8 Millionen. Sie wurden nach der Rechnung des Theologen Alfonso de Spina von über 133 Millionen unter Satans Kommando stehenden Teufeln unterstützt (Levack 1999: 36, 41). Im Zentrum ihrer Vergehen stand der Teufelspakt, der sie zu Mitgliedern einer Gegengesellschaft macht, die beim Hexensabbat ihre kannibalischen und sexuellen Obsessionen zelebrierten, deren Einzelheiten beim mit misogyner und pornographischer Akribie geführten peinlichen Verhör eingestanden werden mussten (Quaife 1987: 79ff., 97ff.). Zur Erklärung diente eine Sammlung sexistischer Verunglimpfungen, die sich aus 57
Quellen von der Antike bis in die Neuzeit speiste und zu der neben verbohrten Inquisitoren auch zeitgenössische Intellektuelle beitrugen, indem sie den Frauen einen minderen Status des Menschseins bescheinigten. Heinrich Kramer befand in seinem »Hexenhammer«, sie wären ein »Fehler der Natur« und »in allen Kräften, der Seele wie des Körpers, mangelhaft«. Jean Bodin erklärte in seiner »Demonomanie«, ihr Charakter ähnele eher Tieren als Menschen (zit. in Hund 2006: 96). Zwischen Gut und Böse ist nicht nur Platz für Teufel, sondern auch für Sünder. Eine wirkungsmächtige Variante des mit dauerhafter Verdammnis als Strafe für sündiges Verhalten argumentierenden Rassismus war der vom Islam wie vom Christentum entwickelte Mythos von Ham. Er benutzte die ersttestamentarische Erzählung von Noahs Fluch, mit dem dieser, nachdem er erfuhr, dass sein Sohn Ham ihn nackt gesehen hatte, dessen Sohn Kanaan zur Knechtschaft verurteilte. Diese Geschichte patriarchalischer Herrschaft und gewaltsamer Unterwerfung wurde schon früh zur Legitimation der Sklaverei herangezogen. Weil Ham in der genealogischen Geschichte des neuen Bundes als Stammvater von Kanaan, Mizrajim, Kush und Put galt, fand dabei, obwohl die Schrift keine Hautfarben erwähnt und Kanaan als Stammvater der Kanaaniter mutmaßlich der hellhäutigste unter Hams Söhnen gewesen sein dürfte, eine Verbindung der dunkleren Hautfarben Mizrajims (als Stammvater der Ägypter) und Kushs (als Stammvater der Menschen in Oberägypten und Nubien) mit dem Status der Sklaverei statt. Zudem wurde der Fluch direkt auf Ham bezogen, sodass der Mythos schließlich lehrte, Noah habe Ham und seine Nachkommen zu ewiger Sklaverei verurteilt, der daraufhin samt seiner Nachkommen von Gott schwarz gemacht worden wäre (Goldenberg 2003: 141ff.). Die Ursachen dieses Wandels liegen auf der Hand. Er wurde ab dem 7. Jahrhundert durch die islamische Eroberung Afrikas und den arabischen Sklavenhandel bedingt, der sich der Legende der Verfluchung und Schwarzwerdung Hams als Legitimation bediente (Lewis 1990: 55). Der christliche Sklavenhandel der Neuzeit griff diesen Mythos auf und machte ihn in Amerika zum »ideological cornerstone for the justification of Black slavery« (Goldenberg 2003: 175). Noch 1861 schrieb Samuel Cartwright 58
über »Negro Freedom« als »Impossibility Under Nature’s Laws« und erklärte, diese bestimmten »the negro to be a slave of man or the slave of the serpent […] known as Satan or the devil« (Smedley 1999: 238). Deutlicher können die Verknüpfung materieller gesellschaftlicher Verhältnisse und ideologischer Muster ihrer Rechtfertigung sowie die Modulation ihrer Beziehungen im Verlauf der Geschichte kaum zutage treten. Sie machen klar, dass es sich bei rassistischer Farbgebung um keine Laune der Natur, sondern eine interessierte soziale Konstruktion handelt (vgl. Kap. III/5). Außerdem zeigen sie, dass diese selbst unter Verwendung verallgemeinerter Farbbezeichnungen nicht in ein Rassenschema münden muss, um Verhältnisse der Degradierung und Unterordnung legitimieren zu können. Die Schwarzen der Ham-Legende sind keine Rasse, sondern Stigmatisierte, deren Verworfenheit als Erbsünde gilt und mit göttlicher Zustimmung bis zum Jüngsten Tag gebüßt werden muss. Ist hier das Böse gewissermaßen eingehegt (und nutzbar gemacht), so zeigt es sich in anderen Fällen entgrenzt (und als Bedrohung). Im europäischen Bild der Osmanen spielte der Teufel aus gutem Grund eine prominente Rolle. Ihre Machtentfaltung und Sittenstrenge ließen sich schwer mit der Vorstellung von Sündern oder Barbaren vereinbaren. Sie als Blendwerk des Teufels auszugeben, erwies sich hingegen als gelungener ideologischer Schachzug. Georg von Ungarn, der 20 Jahre lang von ihnen versklavt worden war, sah sich gezwungen, die Kultiviertheit der Türken anzuerkennen. Ihre Herrschaft erschien gut organisiert, viele ihrer Gebräuche hielt er für nachahmenswert und sie waren (nicht zuletzt gegenüber ihren zahlreichen Frauen) ganze Kerle. Tatsächlich wäre das aber alles bloßer Schein einer teuflischen Täuschung. In Wirklichkeit würde es den Türken wie den Tieren an Vernunft fehlen. Ihre Errungenschaften seien Blendwerk des Teufels, der sich ihrer als Werkzeuge bedient und auf diese Weise die Christen auf seinen Leim locken will (Hund 2006: 112ff.). Der Einzugsbereich des dämonologischen Rassismus reicht vom armen Sünder über den auf ewig Verdammten bis zum teuflischen Erzfeind. Das macht ihn sowohl vielseitig einsetzbar 59
als auch zu einer besonders aggressiven Spielart des Rassismus. Wo er mit dem Gegensatz von Erwählten und Teufeln argumentiert, scheint am ideologischen Horizont stets das Inferno einer eschatologischen Entscheidungsschlacht auf. Die Theoretisierung dieser Form des Rassismus ist unterbelichtet.12 Peter Martin (1993) beschreibt zwar die unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster, mit der Afrikaner gleichzeitig als »schwarze Teufel« und »edle Mohren« eingestuft werden konnten, verbindet seine Darstellung aber nicht mit rassismusanalytischen Überlegungen. Robert Miles (1991: 29) weist zwar darauf hin, dass »[z]u einer Zeit, da die materielle Welt und die zwischenmenschlichen Beziehungen auf religiöse Weise erklärt und strukturiert wurden, […] auch die europäischen Darstellungsformen außereuropäischer Bevölkerungen religiös motiviert« waren. Doch schon seine Beschränkung auf die Außenperspektive macht deutlich, dass hier kein theoretisches Programm entwickelt wird.13 Wolfgang Wippermann (2005) versucht, einen Zusammenhang von »Rassenwahn und Teufelsglaube« herzustellen. Er befasst sich allerdings weder mit allen Bezugsgruppen dieser Diskriminierungen, noch betreibt er die analytische Vermittlung beider Bereiche.14 Für ihn sind sie »Wahnvorstellungen […] bzw. Ideologien«, die »strukturelle Gemeinsamkeiten« aufweisen und zwischen denen es »genetische Bezüge« gibt, weil die »ursprünglich diabolisch motivierten Vorurteile gegenüber Afrikanern, Sinti und Roma und Juden […] rassisiert« worden seien. Rassismus könne deswegen »als säkularisierter Teufelsglauben bezeichnet werden« (ebd.: 141f.). Diese Ausführungen sind doppelt problematisch. Der Vergleich von Rassentheorien und Teufelsglauben verschleiert zentrale Differenzen zwischen beiden Formen rassistischer Diskriminierung und verzichtet gleichzeitig auf die notwendige Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Anspruch und Auftreten des Rassenrassismus. Vor allem aber fächert er den Begriff des Rassismus nicht analytisch auf und reduziert ihn auf ein Wahnsystem, statt nach den unterschiedlichen sozialen Bedingungen seiner verschiedenen Formen zu fragen. Die daraus abgeleitete Prognose, der gemäß »das 21. Jahrhun60
dert zu einem Zeitalter fundamentalistischer Glaubenskämpfe zwischen den vermeintlich ›Guten‹ und ›Bösen‹ zu werden« drohe (ebd.: 143), ist deswegen nicht nur gleichzeitig zu eingeengt (was die Variationsmöglichkeiten des Rassismus betrifft) und zu weit reichend (als Jahrhundertprognose), sondern auch nicht präzise genug. Allerdings zeigt die »axis of evil«, von der der Präsident der Vereinigten Staaten im Januar 2002 in seiner Rede zur Lage der Nation im Hinblick auf Kuba, Venezuela, Libyen, Syrien, Irak, Iran und Nordkorea gesprochen hat, dass sich die manichäische Zweiteilung der Welt nicht nur flexibel zur Verteufelung unterschiedlicher Gegner einsetzen lässt, sondern auch in der Lage ist, Bündnisse zu organisieren und auf der Basis bloßer Verdächtigungen Kreuzzüge zu initiieren.
4. Zivilisierte und Wilde Der Gegensatz von Wilden und Zivilisierten ist komplex, weil er deren Beziehung sowohl skaliert als auch verschränkt. Damit bezeichnet er einerseits die Ungleichzeitigkeit und Unverhältnismäßigkeit, mit der seine Konstrukteure einzelne Gruppen der Menschheit deren allgemeine Entwicklung vollziehen sehen. Andererseits dient er zur Bilanzierung der dazu notwendigen Anstrengungen und macht das Wildenstereotyp dadurch ambivalent. Zur Ungleichzeitigkeit der Entwicklung gehört ein verbindlicher Maßstab, wie ihn etwa Adam Ferguson annahm, wenn er erklärte: »Not only the individuum advances von infancy to manhood, but the species itself from rudeness to civilization« (zit. in Fisch 1992: 721). Zivilisation war hier eine Bezeichnung für den Weg der Menschheit, den nicht alle ihre Angehörigen gleichermaßen und bis zur selben Wegmarke beschritten haben sollten. Deswegen konnten einerseits von den Zivilisierten die Wilden abgegrenzt werden, die sich andererseits gleichwohl nach diversen Graden der Wildheit ordnen ließen. Nach der Eroberung Südamerikas unterschieden die Spanier zahlreiche Abstufungen von Zivilisiertheit. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gliederte Miguel Lastarria die Bevölkerung in 15 Kategorien, deren oberste für die Spa61
nier reserviert war und deswegen die generelle Differenzierung von Zivilisation und Wildheit erlaubte. Gleichzeitig konnte letztere mit der Vorstellung des Fortschritts unterlegt werden und ermöglichte so mit der Diagnose wachsender Nähe zu den Spaniern und ihrer Kultur die Zuschreibung zunehmender Zivilisiertheit. Dass diese nicht als autonome Entwicklung begriffen wurde, zeigte die Einordnung jener, die sich zwar hatten taufen lassen, dann die Nähe der Missionen aber wieder verließen, als ›wilde Christen‹ (Weber 2005: 15). Gleichzeitig machte die spanische Unterscheidung von indios domésticos und indios bárbaros bzw. gentiles oder salvajes (ebd.: 13ff.) deutlich, dass deren Bezeichnung einerseits aus ihrer Stellung im kolonialen Abhängigkeitsverhältnis resultierte, andererseits aber zunächst durchaus uneinheitlich war und sich mit Barbarei, Heidentum und Wildheit auf verschiedene tradierte Bezugspunkte der Ausgrenzung bezog. Im Übrigen konnten sich die Bilder der Wilden auch mit denen der Juden verbinden, was zu zahlreichen Spekulationen über die Abkunft der Indianer von den verlorenen Stämmen Israels führte (Eilberg-Schwartz 1990: 37ff.). Außerdem traten sie das Erbe der wilden Menschen des Mittelalters an, denen durch die Krise des Feudalismus schon lange vor der Entdeckung der neuen Welt ein Doppelcharakter zugeschrieben worden war, durch den sie ebenso in den Weiten unkultivierter Wälder hausen wie im goldenen Zeitalter leben konnten (Bernsheimer 1952: 144f.). Dass Kolumbus die Wilden nicht in Amerika antraf, sondern sie aus Europa importierte, wurde schon dadurch deutlich, dass er dort auch auf die seit der Antike unter diesem Stichwort kursierenden Fabelwesen mit einem Auge oder Hundenasen zu treffen glaubte (Robe 1972: 44). Weil er außerdem gleichzeitig einfache nackte Menschen vorfand und auf die entwickelten Zivilisationen Chinas und Japans zu stoßen hoffte, verbanden sich die mitgeschleppten Erzählungen Marco Polos von reichen Handelspartnern und die seit Herodot kolportierten Gerüchte über barbarische Anthropophagen zu einem folgenreichen Missverständnis. Aus ihm unverständlichen Mitteilungen der Indianer meinte er herauszuhören, dass es unter ihnen Menschenfresser gäbe, deren Namen er als »Caniba« deutete, weil er vermutete, 62
dass es sich bei ihnen um »la gente del Gran Can«, das Volk des Großkhans handeln müsste (Hulme 1992: 22). Kolumbus hielt die Indianer deswegen zunächst dem ihnen zugeschriebenen Zustand entsprechend für naiv und die Menschenfresserei für eine Legende, mit der sie den Umstand zu erklären versuchten, dass die Leute des Khans unter ihnen Gefangene machten, die nicht zurückkehrten, während er, der selbst daran dachte, die Indianer zu versklaven, dafür eine viel plausiblere Erklärung zur Hand hatte. In dem Maße jedoch, in dem es zu Konflikten zwischen den goldgierigen Reisenden und ihren freigiebigen Gastgebern kam, wurden diese aus dem Zustand der Unschuld vertrieben und aus edlen zu unedlen Wilden gemacht. In der Überlagerung der sie betreffenden Schilderungen erschienen sie als Chimären. Deswegen konnte der Chronist des spanischen Hofes, Pietro Martire d’Anghiera, berichten, die Indianer lebten »in einem Goldenen Zeitalter« und wären »zufrieden mit den Gaben der Natur« (zit. in Gewecke 1986: 116), und sie gleichzeitig der Menschenfresserei bezichtigen (Menninger 1995: 91ff.). Der moderne Kannibalenmythos war geboren. Er breitete sich über Flugschriften und Holzschnitte schnell in Europa aus und diente fortan als ideologisches Gegengewicht zum goldenen Zeitalter.15 Schließlich ermöglichte das ambivalente Wildenstereotyp der Aufklärung ein zweideutiges Angebot. Die von vielen ihrer Vertreter bekundete Bereitschaft, die Wilden als prinzipiell zivilisierbar zu betrachten, wurde von einem Kannibalismusverdacht flankiert, den diese nur dadurch ausräumen konnten, dass sie sich bedingungslos dem kolonialen Curriculum anvertrauten. Denn den Weg der Zivilisation hatten nach der Vorstellung der Europäer nur sie selbst erfolgreich zurückgelegt. Alle anderen Menschen bedurften ihrer Hilfe und mussten sich daran messen lassen, wie sie sich ihrer würdig erwiesen. Schon im ausgehenden 16. Jahrhundert hatte Richard Hakluyt erklärt: »For the posterity no greater glory can be handed down than to conquer the barbarian, to recall the savage and the pagan to civility, to draw the ignorant within the orbit of reason« (zit. in Pagden 1995: 64). Zwei Jahrhunderte später sah der Marquis de Condorcet die Fortschritte des menschlichen Geistes immer 63
noch von den Europäern vermittelt, die »unsere Aufklärung« mit Hilfe des Kolonialismus in aller Welt verbreiteten. Die wilden Völker hätten die Wahl, deren »Schüler« zu werden und »in ihnen aufzugehen« oder aber »unmerklich zu verschwinden« (zit. in Hund 2002: 21). Ihr Untergang war damit einkalkuliert und konnte auf ihrem Konto als Schuld verbucht werden. Thomas Jefferson, der die Muße zum Ersinnen großer Gedanken durch die Aneignung von Sklavenarbeit finanzierte, fasste das in das Bild einer philosophischen Reise durch Nordamerika, die er bei den »Wilden in den Rockey Mountains« beginnen ließ, wo sich für ihn Menschen »im frühesten Stadium des gesellschaftlichen Zusammenlebens beobachten« ließen, um sie über die Siedlungsgebiete, wo die »halb-barbarischen Bürger« als »Pioniere des Fortschritts« wirkten, bis zur »Vervollkommnung des Menschen« an der Ostküste, also zu sich, fortzusetzen (zit. in Hund 1999: 49f.). Seine Landsleute waren anschließend praktisch genug, diese Form des Geschichtstourismus auf den populären Weltausstellungen nachzubauen. In Buffalo etwa betraten Besucher das Gelände durch einen Park im »state of nature, and proceeded to climb the rungs of civilization until they reached its climax in the exposition’s Electric Tower« (Rydell 1999: 143). Freilich galt den Aufklärern, die dieses Konzept systematisiert hatten, der in ihm beschworene Fortschritt nicht nur als Gunst der Natur, sondern wurde auch als Resultat eigener Anstrengung begriffen. Er war den Zivilisierten nicht zugefallen, sondern von ihnen bewerkstelligt worden. Deswegen ließ sich ihr Abstand von den Wilden sowohl in den begrifflichen Gegensätzen von Fleiß und Faulheit wie von Mühe und Müßiggang ausdrücken. Auch wenn die dadurch mit Zivilisation verbundenen Anstrengungen und Entbehrungen klassenspezifisch verteilt waren, behaupteten deren Propagandisten im Begriff der Selbstbeherrschung, dass nicht die Unterklassen, sondern sie selbst die meisten Opfer brächten und den größten Verzicht leisteten. Die damit verbundene Unzufriedenheit wurde als Traum vom Paradies gleichzeitig als verständlich eingestuft und denunziert. Zur Bilanzierung des Zivilisationsprozesses gehört die Ahnung von der Dialektik der Aufklärung. Sie schlägt sich im Konzept der Entfremdung (vgl. Kap. IV/1) nieder, das Herrschaft zur Be64
dingung des Fortschritts erklärt. Niemand hat die damit verbundene Anthropologie stimmiger entwickelt als Immanuel Kant. Jean-Jacques Rousseaus Perfektibilität und Adam Smiths Arbeitswertlehre wurden dabei mit Georges-Louis Leclerc de Buffons Fortpflanzungskonzept und Carl von Linnés Rassennomenklatur zu einer geschichtsphilosophisch unterlegten Rassentheorie verarbeitet (vgl. Kap. III/5). Sie stellte die Weißen nicht nur an die Spitze einer hierarchischen Ordnung, sondern machte sie auch zu Repräsentanten des Menschengeschlechts. Denn die philosophische Rede davon, dass der Mensch ein Wesen wäre, das sich selbst »aus der Rohigkeit zur Kultur« entwickeln müsste, wurde politisch dahingehend konkretisiert, dass »[v]iele Völker« sich daran nicht beteiligten, sondern der »Fortschritt […] zur Vollkommenheit« allein vom »[O]ccident« ausginge und von dort aus »seine Verbreitung auf der Erde« fände: »Aus Europa muß es kommen.« Gleichzeitig wurde eingeräumt, dass der Mensch die Mühen der Zivilisierung durchaus »haßt« und deswegen häufiger den »Wunsch nach einem Paradiese« hegt. Dieser Traum vom »goldenen Zeitalter«, in dem sich in »Genügsamkeit« und »Gleichheit« friedlich leben ließe, galt einerseits als Ausdruck des menschlichen »Hang[s] zur Faulheit«, den die Stimme der Vernunft immer wieder zu überwinden hätte. Andererseits wurde er nicht nur als »leere Sehnsucht« abgetan, sondern auch geographisch in der Südsee verortet. Dort herrschte immer noch »der zwecklose Zustand der Wilden«, den die Europäer schon längst überwunden hätten. Mit ihrem »Trieb, sich zu perfectionieren«, hielten sie deswegen »ein Volk, was […] blos genießt«, für »überflüssig«, und glaubten, »die Welt würde nichts verlieren«, wenn Tahiti »unterginge« (zit. in Hund 1999: 119ff.; 2003: 16f.; 2006: 24f., 42, 57). In diesen Überlegungen existiert Wildheit in verschiedenen Aggregatzuständen und erfüllt unterschiedliche Aufgaben. Zunächst ist sie Ausgangspunkt für die Geschichte der Zivilisation und von daher ein theoretischer Zustand, in dem sich ursprünglich die gesamte Menschheit befunden haben soll. Insofern ist sie vor allem durch deren Fähigkeit zur Selbstentwicklung gekennzeichnet. Ferner ist sie ein pathologischer Zustand, der in 65
einem Hang zur Faulheit zum Ausdruck kommt, der immer wieder durch die Vernunft überwunden werden muss. Insofern ist »Wildheit« klassenspezifisch unterlegt und unterstellt, dass die Faulen und die Vernünftigen nicht identisch sind und Erstere zu ihrem eigenen Besten von Letzteren beherrscht werden müssen. Darüber hinaus ist sie eine psychische Disposition, die sich in der Sehnsucht nach dem goldenen Zeitalter niederschlägt – und damit ein Ventil, das die Mühen der Zivilisation durch den Traum vom Paradies erträglich macht. Schließlich ist sie ein sozialer Zustand, in dem rezente Wilde ihr überflüssiges Leben führen. Insofern handelt es sich um eine rassistische Konstruktion, die einerseits die überseeischen Wilden vor die Wahl zwischen Kolonisierung oder Untergang stellt und andererseits als stete Mahnung für die heimischen Faulen dient, ihren Traum vom Paradies im Zaum zu halten, wenn sie das Schicksal der Wilden nicht teilen wollen. Von daher zeigt der Gegensatz von Wilden und Zivilisierten nachdrücklich, dass die mit Rassismus verbundene Projektion vergiftet ist. Deswegen trägt sie nicht zur Entlastung derjenigen bei, auf die sie sich richtet, sondern erhöht die Wut der Zivilisierten auf deren angeblich faule Unmittelbarkeit. Rassistische Einfühlung ist, wie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (1947) am Beispiel des Antisemitismus gezeigt haben, »falsche Projektion« (ebd.: 220). Zwar bringt sie darin auch zum Ausdruck, »wonach alle süchtig sind«. Doch weil in ihr »die Beherrschten selber das Ersehnte zum Verhaßten machen«, werden ihre »tabuierten, der Arbeit in ihrer herrschenden Ordnung zuwiderlaufenden Regungen in konformierende Idiosynkrasien umgesetzt« (ebd.: 16, 234, 218). Zumindest die rassisierten Anderen der Neuzeit wurden deswegen nicht nur als blutdürstige Indianer, faule Neger, verschlagene Chinesen, diebische Zigeuner oder schachernde Juden konstruiert, sondern ihre Stereotype enthielten immer auch ein romantisches Element vermeintlich unentfremdeten Lebens, in dem die Indianer ungebunden sein, die Neger tanzen, die Chinesen Opium rauchen, die Zigeuner musizieren und die Juden sexuell aktiv sein durften. Weit davon entfernt, Empathie zu erlauben oder Sympathie auszulösen, verstärkten solche Zuschrei66
bungen den Eindruck vom skandalösen Dasein der Anderen, die sich den Anstrengungen der Zivilisation versagten, um den Freuden des Paradieses zu frönen. Das von Kant ungerührt dem Untergang preisgegebene Tahiti ist ein Musterbeispiel der Verquickung der ambivalenten Elemente des Wildenstereotyps. Seine ersten europäischen Entdecker hatten das Lob seiner Bewohner so nachhaltig verbreitet, dass sich unter anderem Johann Wolfgang von Goethe wünschte, »auf einer der Südseeinseln als sogenannter Wilder geboren zu sein« (zit. in Küchler Williams 2006: 302). Das lag daran, dass sie in den Reiseberichten zum Garten Eden erklärt worden waren. Von den Tahitianern notierte James Cook, es könnte »scarcely […] be said that they earn their bread with the sweat of their brow« (zit. in Smith 1989: 44). Stattdessen sollen sie ungehemmt ihren Vergnügungen nachgegangen sein. Louis-Antoine de Bougainville und sein Begleiter Philibert Commerson übertrafen sich in Berichten über schöne Frauen, die »ungeniert ihre Kleider fallen ließen«, und Männer, die den Fremden »junge Mädchen« anboten, und bei der Beschreibung der »Tahitianer«, die »unaufhörlich genieß[en] – entweder das Gefühl […] [ihrer] eigenen Wonnen oder das Schauspiel der Sinneslust der anderen« (Kohl 1986: 213f., 224). Gleichzeitig wurden die pornographischen Schilderungen durch eine Debatte über die Lustseuche begleitet. Franzosen und Engländer, die kurz nacheinander Tahiti besucht hatten, beschuldigten sich gegenseitig, dort die Syphilis verbreitet zu haben. Die Krankheit der Anderen, die in England »französische Krankheit«, in Frankreich »italienische«, in Schottland »englische«, in Holland »spanische« und in Polen »deutsche Krankheit« hieß, habe nicht nur das Paradies verseucht, sondern auch seine Besucher infiziert. Doch schon während sich Engländer und Franzosen wechselseitig als Verursacher beschuldigten, spekulierte de Bougainville, ob das Leiden nicht von selbst entstehen könnte, wenn man eine »gesunde Frau« mit vier »gesunden starken Männern einschlösse und sich mit ihnen vermischen ließe«. Georg Forster, der die Cook’sche Reise mitgemacht hatte, fragte sich ebenfalls, ob man nicht besser annehmen sollte, »daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe irgend67
ein Europäer dorthin kam«. Dies schien ihm schon deswegen nicht abwegig, weil er das ausschweifende Sexualleben der Tahitianerinnen für so krankhaft hielt, dass er glaubte, sie würden »durch die häufigen und frühen Ausschweifungen« schließlich »zu kleinen, zwergigen Gestalten ausarten« (zit. in Kubsova 2007).16
5. Weisse und Farbige Weiß ist keine Farbe der Natur. Wie die Rassen, so sind auch deren Hautfarben eine soziale Konstruktion. Das zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel der weißen Rasse. Ihre soziale Realität und Relevanz demonstriert die Entwicklung weißer Suprematie vom Kolonialismus über den Imperialismus bis zur Globalisierung. Gleichzeitig verdeutlicht sie Weißheit als soziales Verhältnis. Weiß ist jemand nicht von Natur aus, sondern wird es innerhalb gesellschaftlicher Beziehungen. Zahlreiche Beispiele belegen das auch dann noch, als die weiße Rasse schon lange konstituiert ist, aber immer wieder Gruppen in sie übergehen können. Zu ihnen gehören die Iren, die Finnen, die Süditaliener und die Türken in Europa, die Iren, Juden und Latinos in Nordamerika oder die Südeuropäer in Australien. Dabei war die white Australia policy, die der Nationwerdung der ehemaligen Kolonien zugrunde lag, zunächst massiv gegen asiatische Einwanderer gerichtet. Dass sie dabei entscheidend von der Arbeiterbewegung und ihren Organisationen vorgetragen und unterstützt wurde, machte die Funktion rassistischer Exklusion Anderer für die Konstitution einer gemeinsamen Identität in der Klassengesellschaft nachhaltig deutlich. Sie wurde durch die Propagierung von Rassenreinheit gefördert, die die unterschiedlichen sozialen Gruppen zur Gemeinschaft der Weißen zusammenfasste. »We stand together, we whites, shopkeepers and merchants, artisans, labourers and farmers«, erklärte der sozialistische Agitator William Lane 1888 und fügte hinzu: »if one falls the other follow« (zit. in Matthäus 1993: 166). Vor diesem Hintergrund war es kein Zufall, dass das 1901 zur Nation zusammengeschlossene Australien noch im selben Jahr einen Im68
migration Restriction Act erließ. Zu seiner Begründung erklärte die Labor Party, es ginge weniger um ökonomische als rassische Fragen. Sie hatte schon bei ihrer Gründung die »total exclusion of coloured and undesirable races« zum Programm gemacht (Tavan 2005: 18). Wie die Kampagne gegen ›schwarzen‹ Zucker zeigte, war die Bevölkerung bereit, zur Umsetzung dieser Rassenpolitik auch ökonomische Opfer zu bringen. Die Kanaken genannten billigen Arbeitskräfte der Zuckerplantagen Queenslands, die zu einem großen Teil von den Inseln des Pazifiks stammten, sollten ausgewiesen werden, damit ›weißer‹ Zucker durch ›weiße‹ Arbeit produziert werden konnte. Um diese Politik umzusetzen, wurde nicht nur ein Deportationsgesetz für Melanesier erlassen, sondern Zucker gleichzeitig auch mit hohen Einfuhrzöllen und Verbrauchssteuern belegt, die der staatlichen Subventionierung der Zuckerproduzenten dienen sollten. Natürlich kamen diese Mittel nicht automatisch der schnell wachsenden Zahl weißer Arbeiter auf den Plantagen zugute. Die Gewerkschaften agitierten verstärkt gegen die Bedingungen der ehemaligen »nigger’s work« und die Unterbringung der Arbeiter in den leeren »Kanaka Barracks«. Als die Unternehmer versuchten, einen Streik der Zuckerarbeiter durch die Anwerbung italienischer Arbeitskräfte zu brechen, wandte sich die Gewerkschaftspresse gegen diesen »Mediterranean scum« (Saunders 1978: 99f., 106). Der »Worker« vom 12.1.1911 forderte, »that we must keep our stock pure, and keep out not only the coloured people of Africa, Asia etc., but all other mongrel races from Eastern Europe and the Mediterranes« (zit. in Matthäus 1993: 453). Weißheit mussten sich die als »non-white« oder »not-whiteenough« (Nicolacopoulos/Vassilacopoulos 2004: 32) geltenden europäischen Einwanderer erst verdienen. Dazu gehörte in Australien wie in anderen Siedlergesellschaften ihre Bereitschaft, sich den dort herrschenden rassistischen Verhältnissen anzupassen. Die »dialectics of whiteness« (Roediger 2005: 145) machten sich dabei in der Herstellung von Zugehörigkeit durch Diskriminierung deutlich und verwiesen darauf, dass auch der Farbrassismus ein soziales Verhältnis ist.17 Die ökonomische Grundlage und das politische Gerüst der 69
Weißheit bildeten Kapitalismus und Kolonialismus. Das ideologische Substrat für die Begründung der Weißheit lieferte die Rassentheorie der Aufklärung (Hentges 1999; Valls 2005). Kant fasste ihre auf Hautfarben setzende Version prominent zusammen (Bernasconi 2002a; Hund 1999). Ihr gemäß ließ sich die Menschheit in verschiedene Rassen einteilen, die durch ihre Hautfarbe gekennzeichnet wurden und sich in ihren kulturellen Kapazitäten unterscheiden sollten sollten (vgl. Kap. II/3). Diese Konstruktion der Menschenrassen trug die Anweisungen zu ihrer Dekonstruktion gleich in sich. Sie stützte sich auf einen Begriff, dessen Ursprünge in der klassenbezogenen Legitimation sozialer Hierarchien lagen (vgl. Kap. II/2). Die Zahl der Rassen bildete die Geschichte des europäischen Kolonialismus ab und verdichtete sie zu einem Modell weißer Vorherrschaft, das den Genozid an den Indianern, die Versklavung und Unterwerfung der Afrikaner, die Marginalisierung der Asiaten und die Zivilisierungsmission der Europäer als notwendige Konsequenzen eines welthistorischen Entwicklungsprozesses ausgab (vgl. Kap. II/3). Das daraus resultierende Schema weißer und farbiger Rassen musste kategorial überhaupt erst hergestellt werden und schrieb den Sinnen im Nachhinein vor, was sie angeblich unbefangen wahrgenommen haben wollten (vgl. Kap. II/1). Paradoxerweise konnte sich der Farbrassismus deswegen nur mit Vorbehalt auf die Natur verlassen und diese trotzdem als Ursache der Konstruktion ungleichwertiger Menschenrassen ausgeben. Die Gründe dafür lagen in den durch transatlantische Sklaverei und europäischen Kolonialismus begründeten Machtverhältnissen. Nicht die angebliche Evidenz des Augenscheins, sondern herrschaftlich strukturierte soziale Beziehungen schufen jenes Klima, das es wissenschaftlichen Operationen erlaubte, die ideologische Ordnung der Rassen zu entwickeln und als Schablone für die sinnliche Wahrnehmung bereitzustellen. Weil die historische Dimension ihrer Problemstellung von der Rassismusforschung häufig vernachlässigt wird, sind allerdings Begriffsbestimmungen wie die von Christoph Butterwegge (1996: 125) nach wie vor häufig. Demnach wäre »Rassismus« ein »eng mit der Moderne verbundenes Phänomen«. Seine »Geburtsstunde« hätte »1492« geschlagen, als Juden und Muslime 70
»als ›fremde Eindringlinge‹ aus Spanien vertrieben« wurden. Außerdem wäre »mit der Entdeckung/Eroberung Amerikas […] nicht nur die Durchsetzung einer neuen […] Weltordnung verbunden, sondern auch die Notwendigkeit, brutale Formen der Ausbeutung, Versklavung und Ausrottung fremder Völker zu rechtfertigen. Was lag da näher, als Indios und ›Neger‹, die sich durch ihre Hautfarbe deutlich von den weißen Kolonialherren unterschieden, für minderwertig gegenüber diesen ›Herrenmenschen‹ zu erklären?!« Die entschlossene Interpunktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Charakterisierung mehrfach problematisch ist. Zunächst stellt sie auf die Vertreibung und Unterwerfung Anderer ab und signalisiert dabei einen Zusammenhang von Fremdheit und Unterlegenheit. Beides traf nicht zu. Zwar vertrieb das christliche Spanien auch seine jüdischen und muslimischen Bürger. Vor allem aber entwickelte es eine Politik der Blutsreinheit, die sich nicht gegen ›Fremde‹ richtete, sondern diese erst konstruieren musste und sich dazu des Unreinheitsstereotyps bediente (vgl. Kap. III/2). Ferner unterschlägt die Betonung der Vertreibung in Verbindung mit dem Datum 1492 die abendländische Beschwörung einer Türkengefahr und deren Hysterisierung nach dem Fall von Konstantinopel 1453. Rassistische Diskriminierung musste sich angesichts eines mächtigen und kultivierten Gegners anderer Argumente bedienen und setzte intensiv auf das Teufelsstereotyp (vgl. Kap. III/3). Außerdem blendet die Zusammenfassung von ›Indios‹ und ›Negern‹ die Herausbildung jener ›Weltordnung‹, die schließlich auch das Rassenstereotyp hervorbrachte, samt dessen Entwicklungsgeschichte aus und ersetzt sie durch jenen angeblich nahe liegenden Pragmatismus, der in der Ideologiekritik häufig behauptet wird, aber selten anzutreffen ist. Tatsächlich wurden die Indianer zunächst nicht als ›Rasse‹ begriffen, sondern mit dem Wildenstereotyp herabgemindert (vgl. Kap. III/4), und die Afrikaner, die zuerst die neue Welt erreichten, galten nicht als minderwertig, sondern waren hispanisierte Begleiter der Entdecker und Eroberer (Smedley 1999: 131f.). Schließlich kommt die Konstatierung »deutlich« erkennbarer Unterschiede der »Hautfarben« auch noch der rassistischen Unterstellung entgegen, mit der Benen71
nung farbiger Menschenrassen lediglich mit Hilfe des Augenscheins den Maßgaben der Natur zu folgen. In Wirklichkeit wurden die Menschenrassen aber gegen den Augenschein konstruiert. Dies zeigt sich nirgends deutlicher als in den zahlreichen Berichten von Asienreisenden über ihre kulturellen Kontakte in China. Walter Demel (1992) hat darauf hingewiesen, dass dabei Jahrhunderte lang der Eindruck kolportiert wurde, dessen Bewohner ähnelten bezüglich ihrer Hautfarbe den Europäern. Marco Polo bescheinigte den chinesischen Frauen schon im ausgehenden 13. Jahrhundert »weißes schönes Fleisch«. Mehr als anderthalb Jahrhunderte später galten sie Gaspar da Cruz immer noch als »weiße und anmutige Frauen«. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts verglich Gonzáles de Mendoza die Hautfarbe der Chinesen mit der der Deutschen. Und noch um 1700 beschrieb sie Giovanni Careri als weiß. Weniger sicher, aber im Grundsatz nicht anders, äußerten sich die Berichte der europäischen Entdecker und Siedler in Amerika. Alden T. Vaughan (1982) hat darauf hingewiesen, dass sie unterschiedliche Schattierungen von braun aufgeführt und häufig behauptet hätten, die Indianer wären von Natur aus weiß, bekämen aber entweder durch ihre Vorliebe, ihre Haut zu bemalen, oder dadurch, dass sie sich das ganze Jahr über weitgehend nackt im Freien aufhielten, einen dunkleren Teint. Nancy Shoemaker (1997) hat das Auftauchen der Farbe Rot unter anderem dadurch erklärt, dass die Indianer damit auf den im Selbstverständnis der Europäer schon vorhandenen Gegensatz von Schwarz und Weiß reagiert und ihre Einordnung in dieses von ihnen politisch verstandene Farbschema versucht hätten. Sie verweist damit auf den Wandel des Bildes, das sich Europäer seit der Antike von Afrikanern machten. In ihm spielte die Hautfarbe insofern eine Rolle, als man sie als Differenz der Erscheinung wahrnahm. Allerdings wurde sie ursprünglich zu keinem Zeichen essentieller Unterschiede gemacht. Die Äthiopier galten den alten Griechen als sonnenverbrannt, aber nicht als minderwertig (Snowden jr. 1983). Gegenüber Ägyptern und Karthagern entwickelten die Römer unterschiedliche Vorurteile, aber keine Rassennomenklatur (Isaac 2004: 324ff., 352ff.). Das jüdi72
sche und frühchristliche Afrikanerbild unterschied zwar Hautfarben, aber verband sie nicht mit kulturellen Qualitäten (Goldenberg 2003). Mittelalterliche und frühneuzeitliche Konzeptionen verbreiteten unterschiedliche Vorstellungen der Afrikaner, die aber zwischen heidnischen oder feindlichen Schwarzen und ritterlichen oder gar heiligen Schwarzen schwankten (Hund 1999: 27ff.). Zu einer ideologischen und semantischen Verbindung dunkler Hautfarbe und ideologischer Bewertungen kam es erst mit der Entwicklung und Ausprägung der transatlantischen Sklaverei im Zuge des europäischen Kolonialismus. Hier zeigte sich die rassistische Legitimation zunächst über religiöse Argumente organisiert und dann um kulturelle Begründungen angereichert, deren Kombination mit Hautfarben erst nach und nach stattfand (vgl. Kap. II/4). In solch noch weitgehend amorpher und narrativer Form wurden diese Vorstellungen schließlich von der Aufklärung zu einem hierarchischen System angeblich farblich erkennbarer Grade unterschiedlichen Menschseins verarbeitet und mit dem bis dahin im sozialen Bereich entwickelten Rassenbegriff verbunden (vgl. Kap. II/1). Die anschließende Geschichte der Herausbildung der modernen Rassenwissenschaft findet sich in allen Darstellungen des Rassismus. Dabei werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt, die wissenschaftliche und politische Aspekte unterschiedlich betonen. Kein Zweifel besteht dabei daran, dass die Entwicklung des Rassenbegriffs vor dem Hintergrund des europäischen Kolonialismus erfolgte und dessen Ausbreitung kategorial reflektierte, dass die Wissenschaften an der Begründung und Systematisierung des Rassenrassismus wesentlich beteiligt waren, dass dieser dabei neben äußerer Abgrenzung auch innerer Differenzierung diente, dass sich mit ihm unterschiedliche politische Interessen und Optionen verbanden und dass er auf die Begründung, Durchsetzung und Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft abstellte. Dabei stand schließlich selbst die Einheit der Menschheit zur Debatte. In den Kreisen der Aufklärer wurde von Henry Home oder Voltaire offen über die von den Zivilisierten verschiedene Abstammung der Wilden spekuliert. Sie setzten damit eine Tradition fort, die Paracelsus schon kurz nach der 73
Entdeckung der Amerikaner begründet hatte, als er einen zweiten Adam als deren Stammvater annahm, und die im 19. Jahrhundert in den Polygenismus mündete, der die unterschiedliche Herkunft der Menschenrassen behauptete. Obwohl die Hautfarben bei der Entwicklung des wissenschaftlichen Rassedenkens schnell hinter andere Maßeinheiten zurücktraten, entwickelten sie sich zu einer bis heute weit verbreiteten und virulenten Matrix des Alltagsrassismus. Der zerbricht sich nach wie vor nicht darüber den Kopf, dass sich schon zu Beginn des Rassendenkens Linné von Buffon vorwerfen lassen musste, den nominellen Charakter der wissenschaftlichen Einteilungskriterien realistisch misszuverstehen (Brace 2005: 31), oder dass Kant im Streit mit Forster den für die Bildung des Rassenbegriffs wesentlichen Vorrang der ordnenden Vernunft gegenüber der Blindheit bloßer Anschauung betonte (Hund 2006: 24). Auch deren Versagen im Mutterland des Farbrassismus ficht ihn nicht an, wo die Rassenzugehörigkeit nach der one-drop-rule bestimmt und in Gerichtsverfahren mit willkürlichen und wechselnden Begründungen durchgesetzt wurde (Haney López 1996) und der langjährige Leiter der National Association for the Advancement of Colored People, Walter Francis White, der sich in seiner Autobiographie als blond, blauäugig und hellhäutig beschrieb, auf den kulturellen Charakter der rassistischen Farbgebung hinwies: »I was a Negro, a human being with an invisible pigmentation which marked me a person to be hunted, hanged, abused, discriminated against, kept in poverty and ignorance« (zit. in Lewis 1997: 131).
6. Wertvolle und Minderwertige Der Polygenetiker Robert Knox war nicht nur seiner Rassentheorie wegen bekannt, sondern auch auf Grund seiner Verwicklung in einen spektakulären Mordfall. Durch eine Erzählung von Robert Louis Stevenson und den später nach ihr mit Boris Karloff und Bela Lugosi gedrehten Film »The Body Snatcher« erlangte er deswegen anrüchige Berühmtheit. Allerdings verdeckte dabei dessen Nacherzählung als Horrorgeschichte die soziale Dimen74
sion des Skandals nahezu völlig. Er entstand, als 1828 ruchbar wurde, dass zwei Leichendiebe, die Knox für seine Anatomiekurse am Edinburgh Medical College regelmäßig die Körper Verstorbener geliefert hatten, den Mangel an Toten durch zahlreiche Morde behoben hatten. Der Mediziner wurde zwar anschließend von dem Verdacht entlastet, von den Verbrechen gewusst zu haben. Teile der Bevölkerung ließen sich dadurch freilich nicht davon abhalten, vor seinem Haus zu demonstrieren und ihn in effigie zu hängen. Die in der Literatur gelegentlich Mob genannten Volksmassen hatten dazu gute Gründe – wenn auch keine kriminalistischen, sondern soziale. Denn Knox hatte schon lange vor Bekanntwerden der Mordfälle gefordert, den Bedarf der Anatomie an sezierbaren Körpern durch »deceased persons in the lowest ranks of society« zu decken (Richardson 2000: 140). In den Vereinigten Staaten zeigte sich der rassistische Konnex des medizinischen Leichendiebstahls nicht etwa offener. Er war nur direkter mit dem Rassenbegriff verbunden, denn eine überproportionale Zahl der Sezierten war schwarz, indianisch oder irisch. Schon einige Jahrzehnte vor den schottischen Ereignissen hatte eine Petition afrikanisch-amerikanischer Bürger New Yorks die Stadtverwaltung aufgefordert, den Missbrauch der Leichen ihrer Verblichenen zu unterbinden (Sappol 2002: 5, 45). Während sich hier Klassenrassismus und Rassenrassismus überlagerten, wurden in England arme Weiße mit Tieren und Wilden verglichen. Als ein Mitglied der Westminster Medical Society im Vorfeld der Verabschiedung des Anatomy Acts von 1832, der die Versorgung der Wissenschaft mit Leichen in geordnete Bahnen lenken sollte und dabei allererst die Unterklassen als Lieferanten ins Auge fasste, anregte, die Sektion als Ehre zu bezeichnen und den Armen die Verwertung ihrer Leichen dadurch schmackhaft zu machen, gab es zustimmende Heiterkeit für die Bemerkung, derlei postume Auszeichnung würde die »natives« sicherlich erstaunen (Richardson 2000: 150). Die Gleichsetzung der eigenen Unterklassen mit Wilden oder Barbaren findet sich tendenziell in allen Rassismen. Schon Aristoteles tat sich bei der Unterscheidung zwischen armen Freien und sklavischen Barbaren schwer (vgl. Kap. III/1). Immerhin wä75
ren bis zu den demokratischen Staatsreformen die Armen Sklaven der Reichen gewesen und gliche die soziale Lage eines Handwerkers auch anschließend noch einer »begrenzten Sklaverei« (Hund 1999: 116f.). Auch in die Sozialstrukturen der Kastengesellschaften war der enge Zusammenhang rassistischer und klassistischer Diskriminierung eingeschrieben (Robb 1997). Sozial konkurrierende Jatis konnten sich innerhalb oder außerhalb der Großordnung der Varnas befinden (vgl. Kap. III/2). Schließlich verdankt sich der Rassenbegriff selbst sozialrassistischer Abgrenzungsbemühungen (vgl. Kap. II/1). In Frankreich interpretierte Henri de Boulainvilliers im 18. Jahrhundert die sozialen Auseinandersetzungen als Ausdruck von Rassengegensätzen zwischen Adel und Volk (Geiss 1988: 156). Nach der Revolution wurde diese Konzeption im 19. Jahrhundert teils zur Grundlage der Interpretation des Widerstands der Unterdrückten gemacht, teils in pessimistische Untergangsszenarien des entmachteten Adels gekleidet. François Guizot verstand die ganze französische Geschichte als Kampf, den »Franken und Gallier, Herren und Bauern, Adlige und Bürgerliche« gegeneinander ausgetragen hätten (zit. in Poliakov 1993: 47). Arthur de Gobineaus Versuch, Weltgeschichte als Rassengeschichte zu schreiben, parallelisierte leicht erkennbar Rassen und Klassen und verglich den Adel mit den Weißen, die Bourgeoisie mit den Gelben und die Unterschichten mit den Schwarzen (Mosse 1990: 77f.). Gustave Le Bon schließlich setzte für ihn als minderwertig geltende Andere, Schwarze, Frauen und Unterschichten einfach gleich. Die Distanz der Klassen glich für ihn der, die er zwischen Weißen und Schwarzen postulierte. Seinen männlichen Lesern gab er zusätzlich den Tipp, sie müssten sich zur Beobachtung primitiven Verhaltens nicht unbedingt in die Wohnquartiere des Proletariats begeben, sondern könnten auch einfach einen Blick in die häusliche Küche werfen (Todorov 1989: 161). Kenan Malik hat die Bedeutung dieses Zusammenhangs für die Herausbildung des Rassenrassismus betont: »The sense of racial superiority that European élite classes felt over non-European society cannot be understood outside of the sense of the inferiority imposed upon the masses at home« (1996: 82). In England bezeichnete die »Saturday Review« vom 16.1.1864 die Ar76
men gleichzeitig als »a caste apart« und als »a race of whom we know nothing«. Ein Journalist unterteilte die Bevölkerung in »two distinct […] races«. Ein Beamter aus London unterschied zwischen anständigen Mitgliedern der Unterklassen und denjenigen, die er als deren Ausschuss betrachtete und als »race lower than any yet known« bezeichnete. Der »Daily Telegraph« vom 21.8.1866 nannte diese Menschen einfach »negroes« (zit. in Malik 1996: 91ff.). Vor dem Hintergrund der Entwicklung von Kolonialismus und Kapitalismus entwarf Thomas Robert Malthus seine Bevölkerungstheorie im Rahmen eines Geschichtsbildes, das menschliche Vervollkommnungsfähigkeit für weiße Männer der herrschenden Klasse reservierte (vgl. Kap. II/2). Wilde und Arme galten dagegen gleichermaßen als unentwickelt. Erstere fanden sich in ein Ambiente versetzt, das die ihnen zugeschriebenen Tendenzen zur hemmungslosen Vermehrung immer wieder durch ihre primitiven Sitten wie Kannibalismus, Kindermord, Menschenopfer und Stammeskriege im Zaum hielt. Letztere sollten in einer von den Kulturschaffenden der oberen Schichten zivilisierten Gesellschaft leben (Brantlinger 2003: 33ff.). Wenn diese sich und ihren Wohlstand nicht gefährden wollte, dürfte sie dem durch intellektuelle Unfähigkeit zur Vorhersicht und durch moralische Unfähigkeit zur Enthaltsamkeit bedingten Elend der Unterschichten nicht durch Armengesetze und Sozialpolitik Vorschub leisten. Auf Grund der Verhaltensweisen der minderwertigen Armen wäre mit deren regelmäßiger Überhandnahme zu rechnen. Deswegen müssten sie dem Gesetz der Not, in die sie sich und ihre zu vielen Kinder selbst gebracht hätten, überlassen werden. Die Vorstellung vom Sieg der Tüchtigsten im Kampf ums Überleben war damit vorweggenommen (Hawkins 1997: 15f.). Unter den Vorzeichen der Evolutionstheorie wurde sie von der Eugenik fortgeschrieben. Victoria Woodhall fasste deren Konzeption 1891 in einem Buch mit dem Titel »The Rapid Multiplication of the Unfit« zusammen: »The best minds of today have accepted the fact that if superior people are desired, they must be bred; and if imbeciles, criminals, paupers, and [the] otherwise unfit are undesirable citizens they must not be bred« (zit. in 77
Kevles 1995: 85). Damit setzte sie eine Linie fort, deren europäischen Anfänge bis in die Antike zurück reichen. Damals hatte Platon es für vernünftig gehalten, Zuchtmethoden, die bei Pferden und anderen Tieren erfolgreich waren, auch beim Menschen anzuwenden. Wertvolle Männer müssten sich deswegen mit entsprechenden Frauen paaren. Minderwertige Kinder hingegen sollten nicht aufgezogen werden (Isaac 2004: 124). Zwar bezogen die Anhängerinnen und Anhänger der Eugenik ihre Vorstellungen von Höherwertigkeit und Minderwertigkeit auf die ganze Gesellschaft. Indem sie, wie etwa Herbert George Wells, die »menschlichen Erbanlagen« nicht zuletzt durch die »Sterilisierung von Gescheiterten« verbessern wollten (zit. in Niemann-Findeisen 2004: 167), machten allerdings selbst die politisch Fortschrittlichen unter ihnen deutlich, dass sie bereit waren, einen Teil der Unterklassen nicht nur für sozial benachteiligt zu halten, sondern auch unter den Verdacht der Minderwertigkeit zu stellen. Bei der Frage, wie mit ihnen umzugehen wäre, phantasierten nicht nur Literaten von Todeskammern. David Herbert Lawrence stellte sich eine »lethal chamber as big as the Crystal Palace« vor, in der er »all the sick, the halt and the maimed« bei sanfter Musik und der Vorführung schöner Bilder umbringen konnte (zit. in Malik 1996: 113). George Bernard Shaw hielt Todeskammern aus praktischen Gründen für erforderlich, weil »[a] great many people would have to be put out of existence simply because it wastes other people’s time to look after them« (zit. in Stone 2002: 128).18 Die nach innen wie außen gerichtete Logik der Eugenik machte sich neben dem Angriff auf die angeblich minderwertigen Teile der Unterschichten auch in massiven Bedenken gegen die Folgen von Migration und Rassenmischung geltend. Die International Federation of Eugenic Organizations richtete zu deren Erforschung eigens eine Kommission ein, deren Arbeit maßgeblich von Eugen Fischer, dem Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin, und Charles Davenport, dem Leiter des Cold Spring Harbor Laboratory bei New York, geprägt wurde. Während Fischer die »Bastardforschung« auch auf »jüdisch-christliche Mischlinge« in 78
Europa bezog, sorgte sich Davenport um die Folgen der Einwanderung für die Rassenreinheit Amerikas (Kühl 1997: 77ff.). Der nationalsozialistische deutsche Rassenstaat (Burleigh/ Wippermann 1991) entfaltete diese doppelte Logik bis zur Euthanasie und zum Genozid. Die von ihm propagierte Herstellung der Volksgemeinschaft sollte nicht ohne Reinigung des Volkskörpers möglich sein. Der Verdacht der Minderwertigkeit richtete sich gegen äußere und innere Andere. Bei deren Bestimmung verbanden sich anthropologische Phantasie, ideologische Willkür, wissenschaftliche Akribie, politisches Kalkül, eugenische Idiosynkrasie, bürokratischer Ordnungssinn und anderes mehr zu einem flexibel handhabbaren Konstrukt. Schon dessen Leitfigur, der ›Arier‹, ließ sich als weltweiter Wanderer imaginieren und auf seinen ›nordischen‹ Kern reduzieren. Das ermöglichte es, machtpolitische Zweckmäßigkeitsüberlegungen mit rassenkundlichen Spekulationen über ›arische‹ Einflüsse auf Japan und geopolitische Großmachtpläne mit der Überzeugung von der ›Entarisierung‹ der Russen oder der ›Vernegerung‹ der Franzosen zu verbinden und längerfristige Pläne zur ›Aufnordung‹ des eigenen Volkes und der Zurückdrängung seiner ›westischen‹ und ›ostischen‹ Rassenelemente zu schmieden. Gleichzeitig erlaubte die Gegenüberstellung von ›Ariern‹ und ›Juden‹ die rassische Version eines universellen Bedrohungsszenarios, in dem der Feind gleichzeitig innerhalb und außerhalb der Grenzen, über soziale und politische Schranken hinweg blutsmäßig verbunden und zudem körperlich getarnt vorgestellt wurde. Dem Antisemitismus fügte der Antiziganismus die Verbindung äußerer mit innerer Fremdheit hinzu, indem er als fahrende Fremde behandelte ›Zigeuner‹ und heimische ›Asoziale‹ zu rassisch verwandten Gruppierungen erklärte. In solche Pathologie des Volkskörpers fanden sich auch zur eugenischen Gefahr erklärte ›Erbkranke‹ und ›Perverse‹ einbezogen. Bei der Umsetzung dieses Programms zeigte sich die schon von Platon gehegte Vorstellung positiver und negativer Eugenik in ihrer ganzen Perversität. Die Forschungen des Mediziners Carl Clauberg demonstrierten sie in all ihren Facetten. Sie waren auf die Manipulation weiblicher Fruchtbarkeit gerichtet und können mit ihrem Beitrag zur späteren Entwicklung der Antiba79
bypille durchaus in Malthus’scher Tradition interpretiert werden (Rainer 2001: 352ff.). Wie der spätere Nobelpreisträger Adolf Butenandt arbeitete auch Clauberg eng mit der Firma Schering zusammen. Seine Forschungen galten gleichzeitig der »Herstellung bzw. Wiederherstellung der Fortpflanzungsfähigkeit« und der »Methode der operationslosen […] Sterilisierung« von Frauen. Sie realisierten den rassistischen Doppelcharakter eugenischer Menschenverachtung, indem sie einerseits auf einer »Stadt der Mütter« genannten Versuchsstation die Förderung der Empfängnisbereitschaft ›wertvoller‹ Frauen betrieben und umsetzten und andererseits in Auschwitz an jüdischen Frauen brutale Methoden der Massensterilisation erprobten, die nach dem Willen der Auftraggeber auch zur »Vernichtung des polnischen und tschechischen Volkes« dienen sollten (zit. in Wilking 2001). Obwohl staatlich organisierte eugenische Programme nach der Niederlage des deutschen Faschismus und der Diskussion seiner rassistisch motivierten Verbrechen in Misskredit gerieten, gab es nicht nur in Deutschland eine »Kontinuität eugenischen Denkens« (Weingart/Kroll/Bayertz 1992: 564). Sie wurde durch den Widerstand der Anthropologen gegen eine Ächtung des Rassenbegriffs, durch die Verbreitung soziobiologischen Denkens und durch die Erfolge der Genetik begünstigt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts machte sich der Nobelpreisträger James D. Watson über »sinnvolles Leben« Gedanken. Aus dessen Perspektive bezeichnete er »ein geistig behindertes Spastikerkind« oder einen Menschen »mit fortschreitendem Alzheimer« als »Nicht-Existenz«. Auf sie träfe die Vorstellung der Deutschen »von unwertem Leben« zu, da man Menschen schließlich nur lieben könnte, »weil sie menschlich sind« (zit. in Lemke 2003: 172f.). Schon zuvor hatte der Moralphilosoph Peter Singer den Fötus zur »Unperson« erklärt. Daraus leitete er ab, Neugeborene könnten erst als »Person« begriffen werden, wenn sie sich ab etwa dem 2. Lebensjahr als solche zu begreifen beginnen. Abtreibung und Tötung schwerbehinderter Säuglinge wäre deswegen legitim (Benzenhöfer 1999: 167ff.). Im Zusammenhang mit vererbbaren Krankheiten hatte Linus Pauling, dem während seiner wissenschaftlichen Karriere gleich zweimal der Nobelpreis verliehen worden war, bereits 1968 ein sichtbares Symbol für entspre80
chende Dispositionen gefordert. Es »should be tattooed on the forehead of every young person«, damit »two young people carrying the same seriously defective gene in single dose would recognize this situation at first sight, and would refrain from falling in love with one another« (zit. in Duster 2003: 48). Das in solchen Bemerkungen angesprochene Verhältnis von Liebe und Menschlichkeit verdeutlicht ihren rassistischen Gehalt. Wie die Konstruktion von Barbaren, Unreinen, Wilden und Farbigen begründet die von Minderwertigen eine entmenschlichende Form der Diskriminierung. Die von ihr Betroffenen finden sich aus dem Bereich sozial abgestuften Menschseins ausgeschlossen und ihr Lebensrecht grundsätzlich in Frage gestellt. Auf diese Weise wird eine rassistische Trennungslinie ins Innere der Gesellschaft eingelassen. Sie verläuft hauptsächlich durch die Unterschichten und setzt diese dadurch unter verstärkten Anpassungsdruck. Brutaler kann kaum demonstriert werden, dass das ideologische Angebot zur Imagination von Gemeinschaft auf Kosten Anderer nicht freibleibend ist, sondern dass sich die diesen gegenüber artikulierte und exekutierte Exklusion als Drohung auch ins Innere der Gesellschaft richtet. Die darin eingeschlossene Möglichkeit der Transgression stumpft das Instrument der Unterscheidung von Minderwertigen und Höherwertigen nicht etwa ab, sondern macht es für die Umsetzung negativer Vergesellschaftung umso geeigneter. Wenn auch Sprösslinge aus altem Adel bezichtigt werden können, unrein zu sein (weil sie von einer konvertierten Amme gesäugt worden sind), wenn sich Patrizier unter sozialen Druck setzen lassen (weil ihre Kinder von einer als Hexe verdächtigten Frau stammen), wenn weißen Honoratioren der Verlust ihrer sozialen Stellung droht (weil Informationen über eine farbige Großmutter auftauchen), oder wenn Großbürger um ihr Prestige fürchten müssen (weil ihr Sohn Alkoholiker ist oder als Homosexueller verdächtigt werden kann), dann lässt sich die Verfolgung der zu Minderwertigen erklärten Mitglieder der eigenen Gesellschaft zur klassenneutralen Sorge für das Volkswohl erklären. Als Instrument zur ideologischen Einschüchterung, moralischen Disziplinierung und sozialhygienischen Kontrolle der Unterschichten wird sie dabei umso effektiver. 81
IV. Methoden »[S]ocial death for the subjugated group as a whole […] is the hallmark of racial oppression.« Theodore W. Allen (1994: 35, 32) Rassismus sucht »für gesellschaftliche Unterschiede eine naturbedingte Rechtfertigung« (Delacampagne 2005: 60). Diese Strategie teilt er mit anderen Mustern sozialer Diskriminierung. Auch Sexismus und Klassismus beschuldigen die Natur, für die soziale Differenz zwischen Männern und Frauen oder Armen und Reichen verantwortlich zu sein. Im Unterschied zum Rassismus beschreiben sie damit allerdings jenen sozialen Zusammenhang, den dieser gerade aufzulösen trachtet. Er hat sich historisch häufig in organischen oder funktionalen Metaphern vom Gesellschaftskörper, gemeinsamen Haus oder Boot niedergeschlagen. Rassistisch diskriminierte Andere hingegen gehören weder zum sozialen Körper, noch zur Hausgemeinschaft, noch zur Schiffsmannschaft. Das heißt nicht, dass sie grundsätzlich als Eindringlinge, Fremde oder Schädlinge behandelt werden müssen. Sie sind vielmehr häufig als gewollter und konstitutiver Bestandteil in rassistische Gesellschaften integriert worden. Schon Aristoteles hat dafür eine paradoxe Erklärung geliefert und Sklaven als Glieder ihres Herrn bezeichnete, die für sich bestehen (Hund 1999: 117f.). Die Metapher vom nicht angewachsenen Glied ist keine contradictio in adjecto, sondern Ausdruck einer Logik der Entmenschlichung. Indem sie die Anderen des wesentlichen Gehaltes ihres Menschseins beraubt und sie aus dem selbst herrschaftlich organisierten Bereich des Sozialen ausschließt, der in vielfache ökonomisch, sozial, politisch und kulturell charakterisierte Gruppen gegliedert ist, kann sie sie funktional (als ›sprechende Werkzeuge‹) wie ontologisch (als subhumane ›Menschenfüßler‹) in ausgewählte gesellschaftliche Räume einweisen oder sich sogar (als ›Last des weißen Mannes‹) die Pflicht zur Ausdehnung ihres Geltungsbereiches auf deren Lebensverhältnisse zuschreiben. 82
Trotzdem bleibt rassistische Vergesellschaftung immer prekär und vom Vorbehalt ihrer jederzeitigen Aufkündbarkeit geprägt. Sie baut auf einem elementaren Prozess der Entmenschlichung auf, der sich als Desozialisation und Entfremdung äußert. Er wird durch die beiden unterschiedlichen ideologischen Strategien der Differenzierung und Inferiorisierung legitimiert und mit den Methoden der Stigmatisierung und Verkörperung visualisiert. Seine politische Umsetzung nimmt unterschiedliche Formen an, die zwischen Assimilation und Segregation oszillieren. In jedem Fall schließt er entgrenzte Gewalt ein, sodass zu Recht bemerkt worden ist, »Rassismus« sei »eine notwendige Voraussetzung für Genozid« (Barth 2006: 183) und der Holocaust ein »Triumph des Rassismus« (Mosse 1990: 264) gewesen.
1. Desozialisation, Entfremdung Desozialisation und Entfremdung begründen den umfassenden Prozess rassistischer Entmenschlichung. Durch ihn wird die Anpassung an soziale Diskriminierung nicht mit dem Versprechen der Integration gekoppelt, sondern unter den Vorbehalt einseitiger und willkürlicher Widerrufbarkeit gestellt. Entfremdung meint dabei sowohl den Vorgang des Fremdmachens als auch den der Fremdwerdung. Ihr sozialer Charakter ist umstritten, weil soziobiologisch oder psychoanalytisch orientierte Rassismustheorien behaupten, Fremde seien primordiale Figuren menschlicher Existenz oder Fremdheit ein universales Charakteristikum menschlichen Daseins. Und selbst soziologische Rassismustheorien unterstellen, soziale Identität sei grundsätzlich entfremdet. Gegenüber universalisierenden Erklärungsmustern des Rassismus ist betont worden, dass ihre Verallgemeinerung des »Fremden« undifferenziert wäre (Terkessidis 1998: 26) und seine Rückführung auf die menschliche Natur keine Erklärungen, sondern nur Alibis liefere (Hall 2002: 59). Birgit Rommelspacher (1997) hat auf die Grenzen psychologischer Erklärungsmuster des Rassismus hingewiesen. Die »psychoanalytische Grundthese«, die »die Fremdheit des anderen als Produkt der eigenen 83
Selbstentfremdung« interpretiert, kann letztlich rassistische Projektionen weder von anderen noch untereinander unterscheiden (ebd.: 155f.). Die »These eines universellen Ethnozentrismus« ignoriert sowohl, dass »Einstellungen zur Eigengruppe und zur Fremdgruppe […] relativ unabhängig voneinander« sind, als auch, dass sich rassistische Diskriminierung nicht zuletzt auch als »Sozialrassismus« in der Diskriminierung von als schwach oder unangepasst geltenden Mitgliedern der eigenen Gruppe äußert (ebd.: 162, 169). Probleme der Verallgemeinerung gibt es allerdings auch in soziologischen Rassismustheorien. David Theo Goldberg (1993: 59f.) hat Entfremdung als allgemeines Kennzeichen der Vergesellschaftung bezeichnet, weil die soziale Identität der Einzelnen im Verhältnis zu Anderen entstünde: »The recognition of the self in the other remains at root an alienated identity, an ›identity-inotherness‹.« Würden die Anderen in diesem Prozess rassisiert, so führte das zu ihrem sozialen Ausschluss und ihrer Konstitution als Feinde. Diese Auffassung ist einer gleichsam naiven Vorstellung von Entfremdung geschuldet, die die moderne Entwicklung dieser Kategorie ignoriert. Auf ähnliche Weise beklagte bereits JeanJacques Rousseau, dass der soziable Mensch immer nur durch andere erführe, wer er ist. Schon Adam Smith aber verband diese Vorstellung vom Spiegel der Gesellschaft, dessen die Einzelnen zur Erfahrung ihrer selbst bedürften, mit der Verfälschung und Verdinglichung sozialer Beziehungen durch Eigentum, Macht und Prestige. Georg Wilhelm Friedrich Hegel nahm ein solches Element der Herrschaft als Dialektik von Herr und Knecht in seine Konzeption der Entfremdung auf. Karl Marx schließlich versuchte, im Begriff des Doppelcharakters der Arbeit Naturbezug und Gesellschaftsform zu vermitteln und Entfremdung aus der herrschaftlichen Verfassung sozialer Beziehungen abzuleiten. Auf den Prozess rassistischer Entfremdung übertragen heißt das, ihn gerade nicht durch das Anderssein der Anderen zu begründen. Diesen wird jenes vom Rassismus vielmehr gerade bestritten. In rassistischen Beziehungen erfahren die Einzelnen nichts über ihre wechselseitigen Besonderheiten, sondern den 84
einen wird von den anderen ihre Unvollendetheit und ihr Unvermögen vorgehalten. Rassistische Vergesellschaftung setzt den Mangel an die Stelle der Differenz (vgl. Kap. IV/2). Statt zur Bedingung der eigenen Identität zu werden, könnte der rassistisch konstruierte Andere genauso gut auch nicht sein. In der Ära des wissenschaftlichen Rassismus schlug sich diese Auffassung in der zur Theorie erhobenen Vorstellung von den zum Aussterben verurteilten Rassen nieder (Brantlinger 2003). In die geschichtliche Vorzeit abgeschoben, wurden sie als lebende Fossile betrachtet, für die die Zivilisation nur noch im Naturkundemuseum Platz hatte. Dieser Zusammenhang zeigte sich bereits in Hegels Konzeption der Entfremdung, die er dem herrschaftlich bestimmten Prozess der Vergesellschaftung durch Arbeit entspringen ließ. Die durch ihre produktive Verausgabung bewirkte Vergegenständlichung galt Hegel als durch das Verhältnis von Herrn und Knecht erzwungene Entäußerung, durch die die Selbstverwirklichung der Menschheit vorangetrieben würde (Hund 1990: 5559). Gegenüber dieser sozialen Binnenperspektive entwarf die anthropologische Außenperspektive ein anderes Bild. Auf ihm wurde die Herausbildung des weißen Europas als Ziel der Weltgeschichte gezeichnet. Während der (weiße) Knecht im Klassenkampf bescheinigt bekam, mit seiner Arbeit den sozialen Fortschritt zu ermöglichen, blieb im Rassenkampf die nicht weiße Menschheit auf der Strecke: Asiaten kämen über kulturelle Anfänge nicht hinaus, Afrikaner verharrten fern aller Entwicklung in erkenntnisloser Finsternis, indigene Amerikaner schließlich wären so zurückgeblieben, dass sie durch den Kontakt mit der europäischen Zivilisation zugrunde gehen müssten (Hund 2006: 57f.). Im Unterschied zu den Europäern sollten alle anderen Menschen zu klassistischer Entfremdung nur bedingt oder überhaupt nicht fähig sein. Hegel sprach ihnen ab, den Weg zu Selbstentwicklung und Selbsterkenntnis durch Entäußerung beschreiten zu können. Der rassistisch entfremdete Andere galt nicht als jemand, der auf dem Weg zu sich selbst vorübergehend außer sich geraten ist, sondern als jemand, der diesen Weg der Menschwerdung gar nicht zu gehen vermag.19 Diese heimliche Inversion 85
machte rassistische Entfremdung zu einem Prozess der Produktion von Untermenschen. Während die einen fleißig dabei waren, sich zu entwickeln und ihre natürliche in eine kulturelle Umwelt zu verwandeln, stagnierten die anderen kulturlos in perspektivloser Natürlichkeit. Der Bedingungen und Möglichkeiten ihrer Menschwerdung ideologisch enteignet, konnten sie am Rande der Weltgeschichte angeblich nur so lange vegetieren, bis sich die weiße Rasse so weit entwickelt hatte, dass sie allein die Bedingungen vollendeten Menschseins repräsentierte. Für den modernen Rassismus entwarf die Aufklärung die Grundlagen dieses Untergangsszenarios, das die Evolutionstheorie anschließend derart erweiterte, dass ihre Parole vom ›survival of the fittest‹ Extinktion zur Bedingung von Evolution machte. In den rassentheoretischen Vorstellungen der Evolutionstheoretiker spielte der Untergang angeblich primitiver Rassen denn auch eine bedeutsame Rolle (Gondermann 2007): George Busk glaubte, die Afrikaner hätten sich im physischen Prozess der Menschwerdung so sehr erschöpft, dass ihnen die Kraft für jede weitere kulturelle Entwicklung fehlt. John Lubbock konnte bei von ihm als niedrig eingestuften Rassen kein Entwicklungspotenzial erkennen und hielt ihr Aussterben nahezu für ein Naturgesetz. Thomas Henry Huxley ordnete die Rassen nicht nur hierarchisch, sondern kalkulierte auch die Auslöschung ihrer zu Primitiven erklärten Vertreter durch den Prozess der Zivilisation ein. Herbert Spencer ließ das weiße Denkorgan durch unermüdliche intellektuelle Betätigung und Kulturarbeit gewaltig anwachsen und die großhirnigen Europäer über die niedriger eingestuften Rassen triumphieren, die dadurch zu Außenseitern der Evolution erklärt wurden. Die philosophischen Erwähltheitsphantasien der Aufklärung und die theoretischen Totschlagsargumente der Evolutionstheorie waren kulturell wirkmächtig genug, um auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Rassismus zu beeinflussen. Am drastischsten zeigte das Hannah Arendts Konzeption vom Ursprung des modernen Rassismus in Afrika. Sie führte ihn auf das Entsetzen der Europäer zurück, dort auf Wesen zu treffen, die Menschen zu sein schienen, obwohl sie der Natur keine menschliche Welt entgegengesetzt hatten, sondern ohne jede 86
Form von Kultur geschichtslos dahinlebten (Norton 1995: 253; Hund 2006: 55f.).20 Abgesehen von der kontinentalen Zusammenfassung der Menschen Afrikas zu unzivilisierten Eingeborenen und von der systematischen Ausblendung der afrikanischen Geschichte und der jahrhundertealten afrikanisch-europäischen Kulturkontakte zeigte sich hier das für den modernen Rassismus charakteristische Verfahren der Verschmelzung physischer und kultureller Elemente, die Charles W. Mills (2003: 47) »racial embodiment and alienation« genannt hat, weil sie alle Nichtweißen von ihren eigenen Körpern entfremdet. Diese Entfremdung konnte, wie die rassistische Leichenschändung von Anthropologen und Medizinern zeigte (vgl. Kap. III/6), über den Tod hinausreichen. Sie konnte, wie in seit der Aufklärung verbreiteten geschichtsphilosophischen Versuchen, die Körper der Anderen zu Gefängnissen erklären, die sie von der Beteiligung an der Entwicklung menschlicher Kultur fernhält. Sie konnte sich mit einem globalen Ästhetizismus verbinden, in dem wahres Menschsein weiß ist und Farbigkeit den Makel der Unterentwicklung signalisiert. Sie konnte die Stigmatisierten mit einem Universum von Waren und Werten umstellen, in dem sich die Suche nach alternativen Identitäten verläuft. In der Rassismusdiskussion hat die Auseinandersetzung mit diesem Prozess und seinen Auswirkungen vielfältigen Ausdruck gefunden, der von William Edward Burghardt Du Bois »Doppelbewusstsein« über Frantz Fanons »Epidermalisierung« bis zu Homi Bhabhas »Mimikry« reicht (Cashmore 2004: 112ff.; Cohen 2002). Dabei geht es nicht einfach, wie Goldberg unterstellt, um »alienated identity« als »identity-in-otherness«. Rassistische Entfremdung wird nicht durch den Spiegel der Anderen, sondern durch den weißen (oder, je entsprechend der Form rassistischer Diskriminierung, den kultivierten, reinen, erwählten, vollwertigen) Blick vermittelt. Die damit verbundene Problematik liegt nicht darin, dass er Normen setzt, sondern von deren Erfüllung ausschließt. Zwar hat Fanon »Entfremdung« unter anderem mit »Assimilation« übersetzt (1986: 142). Doch die führt für ihn gerade nicht zur gelungenen Entwicklung von Selbstbewusstsein, sondern im Gegenteil zur Selbsterniedrigung durch Übernahme rassistisch geprägter ästhetischer Vorlieben, historischer Erzäh87
lungen, normativer Einschätzungen und dergleichen mehr. Ihre Vergeblichkeit wird durch die allem Rassismus innewohnende Tendenz zur Desozialisation verbürgt. Desozialisation meint dabei sowohl die Infragestellung kultureller Eigenheit als auch die Verweigerung sozialer Besonderung. Das heißt nicht, dass beide nicht existierten oder wahrgenommen würden. In den Leitfäden zur Sklavenhaltung fand sich zu allen Zeiten der Ratschlag, doch besser Sklaven unterschiedlicher Herkunft zu erwerben, damit diejenigen, die man ideologisch zu unzivilisierten Geschöpfen macht, sich nicht praktisch auf der Grundlage gemeinsamer Kultur zusammentun können. Und die spiegelbildliche Verteilung der Geschlechter von zwei Drittel Frauen im orientalischen und zwei Drittel Männern im transatlantischen Sklavenhandel (Segal 2001: 61) machte deutlich, dass beide nicht nur unterschiedliche Märkte bedienten, sondern auch einer sozial bestimmten Nachfrage gerecht wurden, die Frauen als die besseren Hausbediensteten und Konkubinen, Männer als die stärkeren Plantagenarbeiter betrachtete. In allen Fällen aber wurden die Sklavinnen und Sklaven als »Menschen ohne soziale Persönlichkeit« behandelt, galten als »sozial tote Menschen« (Wirz 1984: 61). Die Konsequenzen des sozialen Todes bestehen zunächst darin, dass die Ausbildung sozialer Beziehungen und Charaktere unter Vorbehalt gestellt wird und unter unsicheren Bedingungen erfolgt, die einschließen, dass die soziale Existenz der Bedrohten jederzeit und unvermittelt auf die verschiedenen zu ihrer Herabminderung bereitstehenden Stereotype geschrumpft werden kann, die eine entsprechend rücksichtslose Behandlung möglich machen (vgl. Kap. II/4). Sein darüber hinaus gehendes Diskriminierungspotenzial verdeutlicht das Beispiel des Eunuchen, den Orlando Patterson (1982: 315) als »ultimate slave« bezeichnet hat. Er verlor einerseits seinen sozialen Status, weil er ›entmannt‹ und dadurch sowohl zum ewigen ›Jungen‹ gemacht als auch verweiblicht wurde. Andererseits war er als kastrierter Sklave genealogisch doppelt isoliert, insofern er den sozialen Beziehungen seiner Herkunft entrissen und daran gehindert war, sich fortzupflanzen (ebd.: 331). Diese Unterbrechung des von vielen Rassismen beschwore88
nen Flusses des Blutes durch die Zeit symbolisiert ein zentrales Element der Desozialisation. Sie muss freilich nicht notwendig durch physische Unfruchtbarmachung erfolgen, sondern ist häufig in Formen kultureller Auslöschungspolitik betrieben worden. Sterilisation und Kindswegnahme hatten dabei dieselbe soziale Funktion. Sterilisation war nicht nur ein gegen angeblich minderwertige Mitglieder der eigenen Gesellschaft gerichtetes sozialrassistisches Instrument (vgl. Kap. III/6), sondern wurde und wird auch rassenrassistisch eingesetzt. Sie betraf unter anderem in den Vereinigten Staaten indianische (Churchill 1997: 377) und afroamerikanische Frauen (Roberts 1999: 89ff.); und noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts musste die peruanische Regierung eingestehen, dass vor nicht allzu langer Zeit über 200.000 indigene Frauen zwangssterilisiert worden waren (Hund 2006: 11). Während des deutschen Faschismus wurden unter anderem Kinder aus Beziehungen deutscher Frauen mit französischen Kolonialsoldaten als Rheinlandbastarde bezeichnet und zur selbst unter den Bedingungen des Unrechtsstaats illegalen Sterilisation gezwungen (Wigger 2007: 154f.). Die »nationalsozialistische ›Lösung der Zigeunerfrage‹« richtete solche Politik unter anderem gegen sogenannte Zigeunermischlinge, die »mit der Alternative Auschwitz oder Sterilisation konfrontiert« wurden (Zimmermann 1996: 361). Im Hinblick auf die durch die Rassengesetzgebung geschaffene Kategorie der jüdischen Mischlinge wurde immer wieder die Forderung nach deren Sterilisation gestellt und Heinrich Himmler forderte noch für »Achtel- oder Sechzehnteljuden« deren rassische Überprüfung, weil sie »im Falle der rassischen Minderwertigkeit sterilisiert« werden sollten (zit. in Friedländer 2006: 369, 616). Im Zusammenhang mit dem wachsenden Arbeitskräftebedarf der Kriegswirtschaft wurde diskutiert, ob arbeitsfähige jüdische Frauen und Männer durch massenhafte Sterilisation an der Fortpflanzung gehindert und anschließend nicht direkt vernichtet, sondern zur Zwangsarbeit gebraucht werden könnten (ebd.: 431). Ähnliche Überlegungen richteten sich auch auf die Möglichkeit der Massensterilisation von Polen und Russen (Aly/Heim 1991: 421) oder jedenfalls auf die Abtreibung ›schlechtrassiger‹ Kinder von Ostarbeiterinnen. 89
Demgegenüber sollten ›gutrassige‹ Kinder zur Bewahrung ihres teilweise deutschen Blutes ausgetragen und anschließend als Deutsche erzogen werden (Herbert 1999: 288f.). Kindswegnahme war in diesem Programm zwar unmittelbar mit Rassendenken und Blutsmystik verbunden, verwies mit der Betonung der Erziehung aber gleichwohl auf den sozialkulturellen Vernichtungsaspekt dieser Form von Desozialisation. Im mittelalterlichen Spanien (vgl. Kap. III/2) richtete sie sich in Verbindung mit andauernden Konversionsforderungen, Heiratsverboten, Untersagung kultureller Handlungen wie Beschneidung oder Begehung des Sabbats und anderem mehr auf die getauften Kinder von Juden, die ihren Eltern weggenommen und als ›gute Christen‹ erzogen werden sollten (Roth 1994: 31). Im neuzeitlichen Irland, dessen Bevölkerung von den Engländern durch die Überlagerung der stereotypen Vorstellung von Barbaren, Heiden und Wilden charakterisiert wurde, war Kindswegnahme Bestandteil des antiirischen Rassismus und sollte gleichzeitig die Autorität der Eltern untergraben, die Familien destabilisieren und die Vermittlung irischer Traditionen unterbinden (Allen 1994: 87ff.). In Australien wurde die Politik der Kindswegnahme bis weit ins 20. Jahrhundert betrieben und erst an dessen Ende skandalisiert. Am 18.12.1997 schrieb »The Age«: »Australians cannot escape the uncomfortable truth that politics and practices of the past were inherently racist. ›Half-caste‹ children, and others, were taken from their families […]. [T]he aim was the destruction of a group of people – the Aboriginal people.« Kurz zuvor hatte ein Bericht der Human Rights Commission erklärt: »The policy of forcible removal of children from indigenous Australians […] for the purpose of raising them separately from and ignorant of their culture and people could properly be labeled ›genocidal‹« (zit. in Reynolds 2001: 164). Diese Auffassung wird durch enge wie weite Definitionen von Genozid gedeckt. Die Genozidkonvention der Vereinten Nationen fasst Genozid als Akt »committed with intent to destroy, in whole or in part, a national, ethnical, racial or religious group«, und zählt zu seinen Methoden unter anderem »[f]orcibly transferring children of the group to another group« (Jones 2006: 12f.). Eine sehr viel weiter reichende Auffassung vertritt etwa 90
George E. Tinker (1993: 4), der in seiner Untersuchung der Missionierung der nordamerikanischen Indianer zu dem Schluss kommt, dass auch »the best of intentions« zur »complicity in the destruction of […] cultures and […] social structures« führen können und deswegen als »cultural genocide« gewertet werden müssen. Im Fall der ›stolen generation‹ der australischen Aborigines trafen beide Intentionen zusammen. Fürsorge verband sich mit Auslöschungsphantasien und Verweißlichungsplänen (vgl. Kap. IV/4). Letztere betrafen insbesondere ›half-castes‹, bei denen nicht nur Cecil Cook, der Chief Protector der Aborigines im Northern Territory, »the white element« retten wollte, sondern sich davon auch »the total breeding out of colour« versprach (zit. in McGregor 1997: 152f.).21 Insgesamt gesehen kann Desozialisation daher in einem engeren und in einem weiteren Sinne verstanden werden. Als Verweigerung sozialer Besonderung zielt sie sowohl auf die Missachtung oder Zerstörung der im gesellschaftlichen Binnenverhältnis traditionell vorgesehenen Rollen wie auf die Aufhebung der Anerkennung und Respektierung von Status und Prestige. Über diese mit Desexualisierung, Deklassierung usw. verbundenen Diskriminierungen hinaus ist sie auf allgemeine Dekulturierung gerichtet. Diese kann sich in der Entwertung oder Leugnung der Kultur der Anderen äußern und deren Assimilation fordern oder ihre Schädlichkeit betonen.
2. Differenzierung, Inferiorisierung Differenzierung und Inferiorisierung betreiben die ideologische Legitimation rassistischer Diskriminierung. Zwar handelt es sich bei ihnen um allgemeine Strategien herrschaftlicher Vergesellschaftung. Doch während diese auf Inklusion abstellen, sind sie im rassistischen Kontext auf Exklusion gerichtet. Als Inklusionskategorien stellen Differenzierung und Inferiorisierung darauf ab, dass die durch sie integrierten Einzelnen nicht nur hierarchisch geordneten sozialen Gruppierungen zugerechnet werden, sondern diese Einordnung auch als Ergebnis vorgängiger Eigenschaften der Betroffenen ausgegeben wird. Ge91
sellschaft behauptet damit, nur nachzuvollziehen, was Natur vorgesehen habe. Schon zu Beginn des abendländischen Rassismus hatte Platon sowohl den darin liegenden sozialen Rassismus wie das Potenzial seiner nach außen gerichteten Aufhebung verdeutlicht (Hund 1999: 113ff.). Beides schlug sich in einem Gleichnis nieder, mit dem der Philosoph den unteren Klassen gleichzeitig ihren minderen sozialen Status wie ihre Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft deutlich machen wollte. Demnach sollten die freien Bürger der Polis zwar als Freie politisch gleich, sozial aber trotzdem ungleich sein, weil die Götter ihrer gemeinsamen hellenischen Substanz je nach ihrer gesellschaftlichen Stellung Gold, Silber oder Eisen beigemischt hätten. Das war eine der vielen Umschreibungen der sozialen Körpermetaphorik, mit deren Hilfe unterschiedliche Klassengesellschaften ihren Unterklassen gleichzeitig ein Zurechungsangebot zum gesellschaftlichen Ganzen machten und sie anwiesen, ihre untergeordnete Stellung als nachgeordnete Glieder zu akzeptieren. Niederschlag fanden sie unter anderem in der Fabel, die Menenius Agrippa den römischen Plebejern erzählt haben soll, deren Rebellion er mit dem Aufstand der Glieder gegen den Magen verglich, den sie fauler Untätigkeit bezichtigten, bis sie merkten, dass sie alle von ihm mit Nahrung versorgt wurden – oder im Bild des Ständebaums, der Geistlichkeit, weltlichen Adel und Bauern als Beter, Krieger und Arbeiter zu funktional notwendigen Elementen des sozialen Ganzen erklärte, indem er gleichzeitig die Zusammengehörigkeit wie die hierarchische Ordnung von Wurzeln, Stamm und Krone symbolisierte. Als Exklusionskategorien bezeichnen Differenzierung und Inferiorisierung keine graduellen Abstufungen und Wertungen innerhalb eines durch reziproke Beziehungen geprägten sozialen Systems, sondern zielen auf die gegenseitige Abhängigkeit gerade negierende Separierung der rassistisch diskriminierten Anderen. Je nachdem, ob sie dabei stärker horizontal oder vertikal ausgerichtet werden, betonen sie entweder Differenz oder Inferiorität. Michel Wieviorka (1995) spricht zwar in diesem Zusammenhang von den »two logics of racism« (ebd.: 44), hebt
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aber gleichzeitig hervor, »that racism only unfolds in reality through a combination of the two, with a simultaneous reference […] to a difference and an inequality« (ebd.: 119f.). Beider Vermittlung erscheint ihm nachgerade als definitorisches Element von Rassismus: »[R]acism is a mode of management of two principles (inferiorization and differentiation)« (ebd.: 120). So zutreffend diese Zusammenschau ist, so problematisch bleibt die vorgängige Trennung. Sie beruht auf einem eingeengten Rassismusbegriff, der ideologische Operationen, die nach der Diskreditierung des Rassenbegriffs verstärkt auf die Kategorie Kultur fokussieren, als Neorassismus begreift, weil sie ohne Rassen auskämen und an die Stelle einer Hierarchie das Nebeneinander inkompatibler Lebensweisen setzten (vgl. Kap. II/1). Als »Charakteristik« dieses »Neorassismus« führte Pierre-André Taguieff (1998: 243) die »Verschiebung von der Rasse zur Kultur« und die »Verschiebung von der Ungleichheit zur Differenz« an. Er vergaß hinzuzufügen, dass sich der Rassenrassismus einerseits aus einem kulturell argumentierenden Rassismus der Differenz entwickelte und andererseits selbst nicht auf kulturalistische Argumente verzichtete. Rassistische Differenzierung und Inferiorisierung dienen nicht der Zurechnung, sondern der Absonderung. Ihr Zusammenspiel erlaubt vielfältige Kombinationsmöglichkeiten. Die von ihnen begründeten Unterschiede können auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein, behaupten aber stets, prinzipiell und unvereinbar zu sein. Die durch sie erfolgende Herabminderung kann verschiedene Grade der Abstufung vorsehen, besteht aber regelmäßig auf grundsätzlicher Überlegenheit. Im Fall des modernen Rassenrassismus führte das zu einer solchen Vielzahl von Konzepten, dass zeitgenössische Teilnehmer am Rassendiskurs wie Charles Darwin nicht ohne Ironie auf die verfahrene theoretische Situation hinwiesen: »Der Mensch wurde genauer als jedes andere Lebewesen studiert, und dennoch besteht die größtmögliche Unentschiedenheit unter den Gelehrten, ob er als eine Art oder Rasse zu klassifizieren sei oder als zwei (Virey), als drei (Jacquinot), als vier (Kant), fünf (Blumenbach), sechs (Buffon), sieben (Hunter), acht (Agassiz), elf
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(Pickering), fünfzehn (Bory St. Vincent), sechzehn (Desmoulins), zweiundzwanzig (Morton), sechzig (Crawfurd) oder als dreiundsechzig, wie Burke meint« (zit. in Gondermann 2007: 31). Die Vielzahl der Nomenklaturen war einerseits Ausdruck eines epistemologischen und methodischen Dilemmas: Obwohl »Rasse« beanspruchte, nur Resultate eines naturhistorischen Prozesses auf den Begriff zu bringen, ließ sie sich trotz aller wissenschaftlichen Anstrengung nicht außerhalb sozialer Beziehungen nachweisen. Andererseits waren sich alle diese Bemühungen darin einig, neben den von ihnen behaupteten Unterschieden in erster Linie auf die Befestigung einer prinzipiellen Trennungslinie zwischen Wilden und Zivilisierten, Weißen und Farbigen gerichtet zu sein. Jean-Paul Sartre reagierte darauf in seinem Vorwort zu Frantz Fanons Manifest des antikolonialen Kampfes »Die Verdammten dieser Erde« (1966: 7) mit der Bemerkung, es wäre »noch nicht lange her, da zählte die Erde zwei Milliarden Einwohner, das heißt 500 Millionen Menschen und eine Milliarde 500 Millionen Eingeborene«. Fanon selbst bezichtigte den »Kolonialismus«, er hätte »nicht differenziert«, sondern »kontinental« pauschalisiert und zum Beispiel in »Afrika« überall nur »Neger« gesehen (ebd.: 162). Differenzierung erweist sich unter diesen Vorzeichen als dehnbares Instrument, das durch Expansion und Kontraktion der Vielfalt sich verändernder Problemlagen angepasst werden kann, ohne seine zentrale Funktion ausschließender dichotomischer Gruppenbildung zu verlieren. In der Zeit der transatlantischen Sklaverei etwa entwickelte sich zum Beispiel auf Kuba eine aus Afrika stammende oder von Afrikanerinnen und Afrikanern abstammende Bevölkerung, deren Vielfalt Michael Zeuske (2004) ausführlich beschrieben hat. Vor dem Beginn der massenhaften Sklavenhaltung ab der Mitte des 18. Jahrhunderts umfasste sie einen erheblichen Anteil von Freien. Die selbst wieder unterschieden sich sowohl nach Schattierungen der Hautfarbe in dunklere Morenos und hellere Pardos – wobei Letztere durch sozialen Erfolg auch weiß werden konnten, wie Beispiele Einzelner belegen, die in den Kirchenbüchern nach ihrer Geburt als ›schwarz‹ eingetragen, bei ihrem Tod hingegen als ›weiß‹ verzeichnet wurden (ebd.: 127). Die Freien unterschieden sich so94
wohl nach ihrer sozialen Lage als afrokubanischer Mittelstand und bürgerliche Elite als auch nach ihrer Tradition durch alte und über Generationen bestehende oder neu erworbene Freiheit. Die Unterscheidung von auf der Insel geborenen Criollos der zweiten oder Rellollos der dritten Generation von aus Afrika importierten Bozales wurde auch zwischen und unter Sklavinnen und Sklaven gemacht. Sie wertete kulturell und verstand unter einem ›Bozal‹ einen »Neger«, der erst kurz auf der Insel lebt und »noch nicht die kastilische Sprache spricht«, bzw. eine »Bezeichnung, die man Afrikanern ohne Bildung gibt, die noch Wilde sind« (ebd.: 262f.). Diese wurden außerdem von den Sklavenhändlern nach ihrer Herkunft unterschieden, welche damit »Vorstellungen über den Wert der menschlichen ›Ware‹ und deren Qualität« als angeblich eher aufsässig oder fügsam, dumm oder gelehrig usw. verbanden (ebd.: 281), schlossen sich aber auch selbst als »Nación«, »das heißt auf der Basis tatsächlicher sprachlicher oder empfundener gemeinsamer ethnischer oder kultureller […] Gemeinsamkeiten« zusammen (ebd.: 266). Der Gegensatz von ›weiß‹ und ›farbig‹ indessen blieb unbeschadet von all diesen vielfältigen Abstufungen und Schattierungen (einschließlich gelegentlicher Fälle des Rassenwechsels) bestehen und schlug sich in zeitgenössischen Gesetzen ebenso nieder wie er in der rückblickenden Erinnerung an die Zeiten eines als unbestritten verklärten weißen Suprematismus erhalten blieb, in der es hieß: »Der Reichste der Neger und Mulatten musste dem Ärmsten und Ignorantesten der Weißen mit dem Sombrero in der Hand, als Zeichen des Respekts, den Gehweg freimachen« (ebd.: 129). Vergleichbar flexible Operationen zeigte der Antisemitismus unter anderem bei der »Konstruktion der Nation gegen die Juden« in Deutschland. Obwohl es dabei vordringlich um ein ideologisches Angebot zur nationalen Identifikation ging, das »das Eigene (Identische)« durch »das Fremde (Differente)« bestimmbar zu machen versprach (Alter/Bärsch/Berghoff 1999: 7), stellten sich Identifizierung und Differenzierung durchaus komplex dar, ohne indessen dabei den durch sie behaupteten grundsätzlichen Gegensatz unkenntlich zu machen. Die Komplexität des Judentums selbst (Meyer 1997, 3: 278ff.) war in diesem Zusam95
menhang nebensächlich. Sie diente aber dazu, den Anspruch assimilierter Juden auf eine deutsche Identität, wie ihn der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens schon durch seinen Namen dokumentierte, mit dem Hinweis auf Ostjuden oder Zionisten zu bestreiten. Dabei unterstellte die antisemitische Rhetorik ein jüdisches Wesen, das sich selbst durch die Taufe nicht ablegen ließe, während antisemitische Bilder versuchten, diesem in karikierten Stereotypen den Anschein physischer Erkennbarkeit zu geben und dabei die »Nase« so aggressiv und massiv zum angeblich typischen jüdischen Merkmal erklärten, dass sie nachgerade »zu einem ›genetischen‹ Zeichen« wurde (Haibl 2000: 213). Wenn sie sich im alltäglichen Leben nicht ausmachen ließ, galt dies nicht als Hinweis auf die Verlogenheit der Bilder, sondern der Abgebildeten, die es anscheinend sogar verstanden, ihre körperlichen Charakteristika zu verschleiern. Der renommierte Sozialökonom Werner Sombart lieferte dafür eine Erklärung, die einerseits zeigte, wie unverfroren sich auch Wissenschaftler im Schutz volkstümlicher rassistischer Diskriminierung zu hanebüchenen Äußerungen versteigen konnten, andererseits aber deren für allen Rassismus kennzeichnenden flexiblen Umgang mit Differenzen zum Ausdruck brachte. Seiner Meinung nach zeichneten sich jüdische Körper durch eine Veränderlichkeit aus, die ihre chamäleonartige Anpassung an unterschiedliche Wirtsvölker erlaubte (Hund 2006: 79). Selbst die von der Rassenideologie zum Prüfkriterium von Differenzierung gemachte Körperlichkeit ließ sich dahingehend auslegen, dass von ihr signalisierte Unterschiede ins Gegenteil verkehrt werden konnten (vgl. Kap. IV/3). Demnach wären sich die verschiedenen Körper der Juden gerade durch ihre Manipulierbarkeit gleich, unterschieden sich deswegen nicht wirklich untereinander, begründeten aber eine wesensmäßige Differenz zu allen Nichtjuden. Dem entsprach, dass die Differenz der Bedrohten auch politisch tendenziell aufgehoben und das unterstellte jüdische Streben nach Weltherrschaft – wie von Houston Stewart Chamberlain – als »Kampf Eines gegen Alle« ausgegeben werden konnte (zit. in Meyer 1997, 4: 224). Inferiorisierung ist dabei den Versuchen rassistischer Differenzierung, die soziale Besonderheiten der Diskriminierten ignorie96
ren, leugnen oder unterschlagen und stattdessen ein ihnen zugeschriebenes kollektives Andersseins betonen, grundsätzlich eingeschrieben. Rassismus parallelisiert nicht, sondern hierarchisiert. Rassistische Konstruktionen vorgeblich gleichberechtigter Lebenswelten gibt es nicht. Auch der differentialistische Rassismus ist im Kern kein Rassismus der sozialen Differenz, sondern besteht ja gerade auf deren Unvermittelbarkeit und macht damit deutlich, dass er sie nicht als dialektische Kategorie fasst. Die von ihm konstruierten Gruppen repräsentieren keine verschiedenen Möglichkeiten des Menschseins, weil sie nicht als gegenseitige Bedingung ihrer selbst entworfen sind. Stattdessen reproduzieren sie den Biologismus der Polygenetiker auf der Ebene der Kultur. Die Konfrontation von Barbarei und Kultur, Unrein und Rein, Böse und Gut, Wild und Zivilisiert, Farbig und Weiß, Minderwertig und Vollwertig (vgl. Kap. III) ordnet die von ihr jeweils behaupteten Gegensätze entlang einer aufsteigenden Achse, die Überlegenheit und Unterlegenheit zum Ausdruck bringt. Dabei argumentiert sie nicht funktional oder organismisch, sondern betont die fundamentale Unterschiedlichkeit der Elemente des als Antibeziehung gedachten rassistischen Verhältnisses. Sie ist mit diversen Optionen verbunden, die von Untergangsphantasien über Bedrohungsszenarien, vom vorgeblichen Desinteresse bis zur angeblichen Kulturmission reichen. Selbst letztere ist nicht als soziales Verhältnis konstruiert, denn sie beruht auf der Selbstverpflichtung der Zivilisierten. Völlig einseitig entworfen, billigt sie den vermeintlichen Wilden keinerlei Beteiligung zu – sie kann von ihnen weder diskutiert noch eingefordert, von den Zivilisierten aber jederzeit ausgesetzt, beendet oder aus der Mission in eine Strafaktion verwandelt werden. Die ganze Bandbreite dieser Strategie zeigte sich zum Beispiel im Verlauf der Kolonialdiskussion im deutschen Kaiserreich. Ihr standen alle Argumente des modernen Rassismus zur Verfügung, die dieser von der überkommenen großen Kette der Wesen (Lovejoy 1993) über die Entwicklungsstadien des Fortschritts (Meek 1976) bis zum Sozialdarwinismus entfaltet (Hawkins 1997) hatte. Gegenüber den ›Neger‹ genannten Menschen Afrikas ließen sich vor diesem Hintergrund Positionen einnehmen, 97
die von unterstellter Nutzlosigkeit über Ausbeutbarkeit und Erziehbarkeit bis zur Vernichtung reichten. Der Liberale Rudolf Virchow hielt die Beschäftigung mit Afrika und seinen »wilden Horden« für überflüssig, weil die zivilisierte Menschheit dort nichts zu gewinnen hätte und ihre Vertreter höchstens »aufgegessen« würden (zit. in Schubert 2003: 173). Der Rechtsanwalt, Diplomat und Kolonialhändler Wilhelm Hübbe-Schleiden betrachtete die Afrikaner als »neugeborene Kinder«, deren »Arbeitsunlust« nur durch »Zwang und Bevormundung« überwunden werden könne (zit. in ebd.: 114, 74f.). Der Schriftleiter der »Kolonialen Zeitschrift« Alfred Herfurth war der Meinung, sie wären »Tiermenschen, die nicht über ihr jetziges Niveau zu uns heraufsteigen könnten« (zit. in ebd.: 245). Zusätzlich zu solcher Degradierung konnte in diesem Zusammenhang, wie von der katholischen Mission, auf das ältere Muster religiöser rassistischer Diskriminierung zurückgegriffen werden, die es modifiziert auf die verdammten Kinder Hams (vgl. Kap. III/3) sowie die verteufelten Anhänger des Islams anwandte und dabei auch noch behauptete, Erstere vor der Versklavung durch Letztere zu retten (Schubert 2003: 146ff.). Zudem ließen sich rassenbezogene mit eugenischen Argumenten verbinden und entweder in die Forderung fassen, die eigenen ›missratenen Elemente‹ in überseeische Kolonien zu deportieren und sich auf diese Weise der ›Pest‹ des ›Sozialismus‹ zu entledigen, oder zu der Utopie verdichten, die verarmten Unterschichten dadurch dem Einfluss der Sozialdemokratie zu entziehen, dass ihnen durch Auswanderung und Siedlung das Angebot unterbreitet wurde, an der deutschen ›Kulturmission‹ teilzunehmen und dadurch zum ›wertvollen Glied‹ des ›höher stehenden Volkskörpers‹ zu werden (Gründer 1999: 71ff.).22 Die in solcher Verquickung von Rassenrassismus und Sozialrassismus zum Ausdruck kommende Dialektik von Differenzierung und Inferiorisierung zeigt sich auch in der Entwicklung des Antiislamismus. Dabei wird nicht zuletzt der heuristische Charakter der zu ihrer Analyse entwickelten typisierenden Ordnungsbemühungen deutlich. Denn die hier verwandte Argumentation verläuft im Schwerefeld der Trope vom ›Kampf der Kulturen‹ und hält sich dadurch die Option offen, zwischen Inklusion 98
und Exklusion schwankende Angebote und Ablehnungen formulieren zu können. Einerseits bezieht sie sich auf eine der großen monotheistischen Weltreligionen und die durch deren frühe Entfaltung geprägte Kultur, deren Assoziation mit Toleranz kaum je eindringlicher konstruiert wurde als in Gotthold Ephraim Lessings »Nathan der Weise«. Andererseits hat sie es mit einem vermeintlich säkularen Gegner und einer Auseinandersetzung zu tun, in der es seit Dschihad und Kreuzzügen um Sein oder Nichtsein gehen soll. Die Überlagerung von Differenzierung und Inferiorisierung bedient sich dabei vor allem zweier Motive. Das erste verzichtet auf intellektuelle Auseinandersetzung, ersetzt den kulturellen durch einen metaphysischen Gegensatz (vgl. Kap. III/3) und entwickelt eine ›devil theory‹ des Islams (Said 1996). Das zweite versucht, die islamische Kultur dadurch zu delegitimieren, als sie ihr zwar eine mehr oder minder ruhmreiche Vergangenheit zugesteht, heute aber auf verschiedene Varianten des »Steinzeitislamismus« (Wehler 2002) zurückgeworfen worden sieht, oder indem sie ihre Aggressivität und Politisierung betont, die das »freie […] Denken« erstickt und jede Modernisierung und Reform verhindert hätten (Flaig 2006).23
3. Stigmatisierung, Verkörperung Stigmatisierung und Verkörperung dienen der Visualisierung rassistischer Ideologien und der Kenntlichmachung rassistisch diskriminierter Anderer. Die Logik der Entmenschlichung schließt den Nachweis natürlicher Minderwertigkeit ein. Deren körperliche Repräsentation soll von unübersehbarer Hässlichkeit bis zu hinterhältiger Mimikry reichen. Zu ihrer Wahrnehmung bedarf es daher seit je nicht nur der traditionellen fünf Sinne, die darauf bestehen, dass die Anderen anders aussehen, anders riechen, anders klingen, anders schmecken und sich anders anfühlen. Rassistische Vergesellschaftung setzt zusätzlich auf jenen paranormalen Spürsinn, der die Andersartigkeit der Anderen durch jede Vermischung und Tarnung hindurch empfinden zu können behauptet. Er ist nichts weiter als das bigotte Eingeständnis des 99
herrschaftlichen Charakters eines Prozesses, der die soziale und ideologische Zurichtung der Körper als Werk der Natur auszugeben trachtet. Das gilt auch für den Rassenrassismus. Obwohl er im Begriff der Rasse die sichtbare Abweichung der Anderen von der körperlichen Norm der Weißheit unterstellt, hat er selbst in seinen extremsten Ausprägungen nicht auf die Offenlegung der Konstruktion solcher Differenz verzichten können und sie samt ihrer Willkür in Prozessen der Verrechtlichung eingestehen müssen. Dabei ist es regelmäßig zu charakteristischen Überlagerungen biologisch und kulturell geprägter Argumente gekommen. In den USA entwickelten die Gerichte ein flexibles Schema zur Beurteilung der Frage, ob jemand rechtlich als ›weiß‹ zu gelten hat. Dabei stützten sie sich wahlweise auf den gesunden Menschenverstand, wissenschaftliche Beweisführung, vermutete Intentionen des Gesetzgebers oder juristische Präzedenzfälle. Das erlaubte es den Richtern, die Frage, ob zum Beispiel Syrer weiß wären, unterschiedlich zu beantworten und verschieden zu begründen. Ein Richter konnte sich auf ein wissenschaftliches Werk stützen und die Frage mit dem Hinweis bejahen, dass sie völlig unabhängig von ihrer Hautfarbe zur kaukasischen Rasse gehören. Ein anderer konnte sich auf die Vorstellungen des Gesetzgebers berufen und die Frage mit der Begründung verneinen, zur Zeit seiner Entscheidung hätte es die Vorstellung einer kaukasischen Rasse noch nicht gegeben, weswegen nur hellhäutige Europäer gemeint sein können. In einem anderen Fall wurde ein Inder zunächst als weiß eingestuft, weil er der kaukasischen Rasse angehören würde, die, wissenschaftlich gesehen, Menschen heller wie dunkler Haut umfasste, und in der nächsten Instanz für nicht weiß erklärt, weil es dem gesunden Menschenverstand widerspräche, ihn trotz seiner dunklen Haut als weiß anzusehen (Haney López 1996: 63ff. u. 86ff.). Alle Fälle demonstrieren, dass Weißsein durch politisch-ideologische Überlegungen entschieden wurde. Noch drastischer zeigte sich das, als selbst eine Frau, die ihr ganzes Leben als Weiße verbrachte, also in zahlreichen sozialen Institutionen, ihrer Nachbarschaft und nicht zuletzt in intimen Beziehungen von weißen Partnern als weiß akzeptiert wurde, sich gerichtlich auf Grund eines Ge100
setzes zur Schwarzen erklärt sah, das ein Zweiunddreißigstel »Negerblut« dafür als ausreichend vorgab (Omi/Winant 1994: 53f.). In Südafrika schlug sich die soziale Dimension der Weißheit in zahlreichen Gesetzen nieder. Der Population Registration Act bestimmte 1950: »A white person is one who in appearance is, or who is generally accepted as, a white person, but does not include a person who, although in appearance obviously a white person, is generally accepted as a Coloured person.« Bei der bürokratischen Umsetzung dieser Richtlinie zur Einstufung der gesamten Bevölkerung in Weiße, Farbige und Eingeborene verdeutlichte die Politik der Apartheid nachhaltig die soziale Konstruktion von Rasse, indem sie nicht nur flexibel zwischen ›Anerkennung‹ und ›Erscheinung‹ lavierte, sondern letztere auch mit nachgiebigen Kriterien bestimmte. Helle Haut und blaue Augen reichten da unter Umständen noch nicht einmal dazu, als farbig zu gelten, weil die krausen Haare genutzt wurden, einen als eingeboren zu charakterisieren. Häufig wurde auch auf Kriterien wie feste oder weiche Ohrläppchen zurückgegriffen, die sich nur gefühlsmäßig überprüfen ließen. Lebte jemand in einem weißen Umfeld, ging aber als Kind auf eine farbige Schule, so musste er ebenso mit seiner Einstufung als Farbiger rechnen, wie einer mit überwiegend farbigen Freunden, jemand, der zum Rassentest in seiner Kellneruniform kam, oder eine, die zum Islam übergetreten war. Erschien man hingegen fraglos dunkelhäutig, so konnte es durchaus vom favorisierten Freizeitsport abhängig sein, dass der Fußballer, der einen Volkssport vorzog, als Eingeborener, der Rugbyspieler hingegen, seiner weißen Sportart wegen, als Farbiger kategorisiert wurde (Posel 2001: passim). In Deutschland setzte unmittelbar nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten eine massive rassistische Gesetzgebung ein. Sie hatte eine klare antisemitische Zielrichtung und konnte schon deswegen nicht mit der Kategorie ›weiß‹ operieren. Der Rassenforscher Fritz Lenz erklärte, daß die jüdischen Eigenarten stärker seelisch als körperlich in Erscheinung träten, weil sich die Juden durch »echte Mimikry« in einem gezielten Ausleseprozess sexueller Zuchtwahl körperlich dem »Typus ihres Wirtsvolkes« anpassen würden. Trotz des umfassenden bürokra101
tischen Erfassungsapparates, der massenmedial massiv verbreiteten antisemitischen Karikaturen und der Mobilisierung des alltäglichen Antisemitismus diskutierte man deswegen von Anfang an verschiedene Möglichkeiten der Sichtbarmachung, die zunächst durch die Kennzeichnung von Personalpapieren mit einem »J« und die Verordnung zur Führung jüdischer Vornamen und schließlich durch die Verpflichtung zum Tragen eines Judensterns umgesetzt wurden (Essner 2002: 53, 254ff., 270ff.). Die Schwierigkeiten des Rassenrassismus bei der Einweisung von Körpern in angeblich von der Natur begründete Kategorien deutet auf ein fundamentales Dilemma aller Rassismen hin. Es ist bereits von Aristoteles formuliert worden. Seine Argumentation zeigt, dass die biologistische Legitimation herrschaftlich bedingter sozialer Verhältnisse durch ihre innere Logik die Frage nach deren Verkörperung provoziert. Schon bei ihrer ersten theoretischen Beantwortung macht sie eine zentrale ideologische Operation und ein beträchtliches argumentatives Problem rassistischer Diskriminierung deutlich. Aristoteles (vgl. Kap. III/1) behauptete nämlich, dass die Natur danach strebe, Freie und Unfreie mit Körpern auszustatten, die ihren unterschiedlichen Berufungen angemessen sind. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass ihr das häufig misslänge, weswegen die Körper der Einzelnen keine verlässliche Auskunft über ihren Status lieferten (Hund 2006: 20f.). So wie die Unterstellung natürlicher Minderwertigkeit die Frage nach ihrer körperlichen Repräsentation einschließt, ruft deren mangelnde Sichtbarkeit Anstrengungen zur künstlichen Kenntlichmachung hervor. Ihre Möglichkeiten sind begrenzt und wurden allesamt bereits im Rahmen der antiken Sklaverei entwickelt. Dazu gehörte die unmittelbar körperliche Kennzeichnung durch Brandmarkung und Tätowierung oder das regelmäßige Scheren der Haare. Dazu gehörten Vorschriften über Kleider und Symbole. Dazu gehörte schließlich auch die Misshandlung des Körpers durch die Folter (Patterson 1982: 58ff.; Peters 1996: 11ff.). Vom Kulturrassismus der Antike als Instrument der Entmenschlichung eingesetzt, diente sie dem Erwähltheitsrassismus des Mittelalters dazu, die Kategorie der Hexen durch kör-
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perliche Tortur überhaupt erst herzustellen. Ihre Körper waren durch Streckbett, Daumenschrauben, Brandmale und Verstümmelung gekennzeichnet, wenn sie ihre Schandtaten eingestanden (Levack 1999: 82ff.). Das Repertoire der rassistischen Stigmatisierung war längst ausgearbeitet, als es im Prozess der Konstitution des Rassenrassismus auf Körper angewandt wurde, die die ihnen zugeschriebene Minderwertigkeit durch natürliche Eigenschaften anzuzeigen schienen. Bereits die eng mit der Durchsetzung der neuzeitlichen Sklaverei verbundene Skala der Hautfarben machte indessen deutlich, dass es sich bei ihr um eine instabile Konstruktion handelte (vgl. Kap. III/5). Sie musste zunächst ältere Wahrnehmungsmuster umschreiben und etwa die Hautfarbe der Chinesen aus Weiß in Gelb verwandeln. Dabei konnte keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob sich die Menschen Asiens damit erfassen ließen oder ob zusätzlich Bedarf an einer braunen Rasse bestand. Ferner blieb umstritten, ob die Amerikaner eine Unterabteilung der gelben oder eine eigene rote Rasse abgeben sollten. Schließlich galt selbst der augenfällige Gegensatz von Schwarz und Weiß als so unzuverlässig, dass auch philosophisch geschulte Rassenkonstrukteure sich nicht mit der Farbeinteilung begnügten, sondern den Beistand des ästhetisch und sozial geschulten Geruchssinns bemühten. Der schottische Moralphilosoph Henry Home (Lord Kames) behauptete, dass ihr »rank smell« die »Negroes« von jeder anderen Menschenrasse unterschiede; für den amerikanischen Revolutionär Thomas Jefferson hatten sie einen »very strong and disagreeable odour«; der deutsche Aufklärer Immanuel Kant fand, dass »alle Neger stinken« (zit. in Smith 2006: 14ff.; Hund 1999: 123f.). Die Einsetzung der Nase als Instrument der Rassenbestimmung war Ausdruck von sozialer Idiosynkrasie und ideologischem Pragmatismus. Im Antisemitismus wurde er von Anfang an verwendet. Schon die Kirchenväter gaben an, den üblen Geruch der Juden wahrnehmen zu können (Hund 2002: 26f.), der sich durch die antisemitischen Welten zieht und von Philosophen wie Arthur Schopenhauer (Rose 1999: 147) oder von einschlägigen Medien der Volksbildung wie »Meyers Konversa-
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tions-Lexikon« von 1888 verbreitet wurde, das seine Leser über den Genuss von Knoblauch als »Teil des bekannten foetor judaicus« (Bd. 10: 552) informierte. Wie die Nase, so sekundierte auch das Ohr der rassistischen Sehschwäche. An der »verborgenen Sprache der Andersartigkeit« (Gilman 1993: 271) sollten auch die noch kenntlich sein, denen es gelänge, ihr Aussehen listig zu tarnen. Die Unterstellung sprachlichen Unvermögens transportierte seit der Antike die Missachtung derer, denen als Barbaren oder Primitiven unterstellt wurde, sich nicht richtig ausdrücken zu können (Goldberg 1993: 71). Sie hatte nur vordergründig damit zu tun, dass von Zwangskontakt, Migration, Sklaverei usw. betroffene Andere eigene Sprachen entwickelt oder europäische Abenteurer und Kolonisatoren Probleme beim Verstehen fremder Sprachen hatten. Vom ›Bühnen-Jiddisch‹ des Barock und der Aufklärung bis zum ›darky dialect‹ der Minstrels wurden den Diskriminierten die Worte und der Tonfall, an denen man sie anschließend erkennen wollte, vielmehr in den Mund gelegt. Noch während der Produktion von »Amos ’n’ Andy«, der ersten in den USA nur von afrikanisch-amerikanischen Schauspielern präsentierten Fernsehserie, kam es zwischen ihnen und den weißen Autoren und Produzenten zu Auseinandersetzungen, weil nicht nur einer der Hauptdarsteller mit Schminke nachgedunkelt werden musste, um einen richtigen ›Schwarzen‹ abzugeben, sondern den Darstellern auch vorgeschrieben werden sollte, wie sie als ›Neger‹ zu agieren und zu sprechen hätten (Ely 1991: 206).24 Allein die Unterstützung des angeblich bloß empirischen Gesichtssinns durch die kulturell voreingenommenen Organe Nase und Ohr macht deutlich, dass die vom Rassenrassismus propagierten Farben der Körper keine unschuldigen Wahrnehmungen sind. Erst recht zeigt dessen Umgang mit seiner eigenen Schöpfung, dass es sich bei ihr um eine soziale Konstruktion und kein Produkt der Natur handelt. Der trügerische Umkehrschluss verdankt sich dem Umstand, dass Körper, wie Mary Douglas (1981) formuliert, immer doppelt, als natürliches Substrat und soziales Symbol, vorhanden sind und ihre soziale Dimension sich mit Michel Foucault als Diskurs oder mit Pierre Bourdieu als Habi-
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tus lesen lässt (Gugutzer 2004: 82ff., 74ff., 66ff.). Dass in der Rassismusdiskussion trotzdem betont wird, Rasse sei »not fully cultural«, sondern »refers to the human body« (Winant 2004: XVIII), verweist allerdings auf die Schwierigkeiten, den Doppelcharakter des rassisierten Körpers deutlich zu machen. Dazu muss gezeigt werden, warum wann welche Elemente in ihn verbaut wurden. Die Konstruktion farbiger Menschenrassen zeigt eine enge Verbindung der Desozialisierung der Körper, der Kategorisierung der Hautfarben, der Dekulturierung des Raumes, der Cranialisierung der Weißheit und der Karikierung der Farbigen. Die so erzeugten extremen Pole Schwarz und Weiß sind nur vordergründig visuell, setzen sich aber tatsächlich aus einer Vielzahl von Operationen zusammen. Sie symbolisieren ein ideologisches Konvolut und keine natürlichen Eigenschaften. Deswegen mussten schon zu Beginn dieses Prozesses die ihm unterworfenen Menschen nicht schwarz sein, um als Neger zu gelten, und konnte anschließend ein Tropfen Blut ausreichen, Einzelne gegen jeden Augenschein als Schwarze einzustufen. Die Desozialisierung der Körper zerstörte gewaltsam ihre soziale Besonderheit. Um als wesentlich schwarz ausgegeben werden zu können, mussten sie traditioneller Kleidung wie gesellschaftlicher Positionen beraubt werden. Wie die Erzeugung der mittelalterlichen Hexen kam auch die der neuzeitlichen Sklaven nicht ohne Folter aus. Fußeisen, Halseisen und Brandeisen zeigten den entmenschlichten Status der Sklaven an und prägten ihn ihren Körpern ein. Dabei müssen die Brandnarben im Kontext der Rassendiskussion gelesen werden. Marcus Wood (2000: 246ff.) hat die Misshandlung von Jonathan Walker als »a fascinating test case for seeing the different ways in which the torture of the bodies of free white and slave black were constructed in Western visual culture« beschrieben. Der Abolutionist war Teil der ›underground railway‹, die Sklaven auf ihrem Weg in den Norden der Vereinigten Staaten oder nach Kanada unterstützte. Er wurde gefasst und in Florida zu Geldstrafe, Pranger und Brandzeichnung verurteilt. Seiner Hand wurden zwei »s« als Zeichen für »slave steeler« eingebrannt. Anschließend zeigte sich, dass sein Stigma
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nicht schwarze Sklaverei, sondern weißes Martyrium signalisierte. Anstatt mit Stereotypen der Herabminderung, verband es sich mit christologischen Assoziationen. Die Kategorisierung der Farben verwischte individuelle, soziale und regionale Unterschiede, indem sie aus dem Kontinuum langsam ineinander übergehender Unterschiede eine klare Hierarchie mit fundamentalen Differenzen machte, deren extreme Pole sie zudem nicht etwa mit Begriffen der Wahrnehmung, sondern solchen der Ästhetik und der Moral bezeichnete. Ihre kontinentale Verortung verdeutlicht erst recht, dass dabei keine skrupulösen Empiriker, sondern philosophisch geschulte Produzenten von Etiketten am Werk waren. Von Buffon bis Kant wurde kein Geheimnis daraus gemacht, dass die in der Natur nicht vorkommen, sondern sich der ordnenden Vernunft verdanken (vgl. Kap. III/5). Sie stellt bei der Konstruktion farbiger Menschenrassen vor allem auf die Erzeugung von Typen ab. Die Chance, in Skandinavien und Zentralafrika Menschen finden zu können, die, nebeneinandergestellt, den lebenden Beweis solcher Theoriebildung zu liefern scheinen, täuscht darüber hinweg, dass sie gerade keine Repräsentanten ihrer jeweiligen Rassen sind, sondern deren Typus jeweils subsumiert werden. Wie der auf Beobachtung und Sezierung gestützte wissenschaftliche Zugriff dabei von philosophischen Spekulationen begleitet wurde und auf ein ganzes Reservoir von Vorurteilen zurückgreifen konnte, so griffen Literatur und Kunst das von ihm zur Verfügung gestellte Modell auf und bearbeiteten und verbreiteten es in zahlreichen Gattungen und Variationen (Benthien 1999). Die Dekulturierung des Raumes sorgte für die Möglichkeit der Synchronisation kolonialer Perspektiven und rassistischer Ordnungsmuster. Damit die künstlich erzeugte und gewaltsam zugeordnete schwarze Farbe der Haut als Zeichen minderen Menschseins gedeutet werden konnte, wurde ganz Afrika zum schwarzen Kontinent gemacht. Dazu bedurfte es neben der Ignorierung kultureller Artefakte und Traditionen der afrikanischen Völker vor allem der Entafrikanisierung der Ägypter. Napoleon ließ bei seinem Afrikafeldzug nicht umsonst eine große Anzahl von Mumien nach Europa schleppen. Sie waren für den Gebrauch der Wissenschaftler gedacht, die sie teils wie der Archäo106
loge Johann Winckelmann für mit den Chinesen oder wie der Professor der Weltweisheit Christoph Meiners für mit den Indern verwandt hielten, teils wie der Naturforscher Georges Cuvier zu Angehörigen der weißen Rasse erklärten (Schiebinger 2004: 186ff.). In jedem Fall war die Hautfarbe eher nebensächlich und es wurde an ihrer Stelle auf die Vermessung des Schädels und eine daraus abgeleitete Vorstellung der Übereinstimmung cerebraler und kultureller Kapazität gesetzt. Weiß sein konnten unter diesen Vorzeichen auch die, deren Haut zwar dunkel war, die aufgrund ihrer kulturellen Leistungen aber von den sich für weiß haltenden Konstrukteuren der Rassennomenklatur als Rassenverwandte adoptiert wurden. Die Cranialisierung der Weißheit war die logische Konsequenz rassistischer Farbgebung, die damit ihrer vorgeblichen Anschaulichkeit zum Trotz schließlich dort endete, wo schon Aristoteles begonnen hatte, und die jetzt rassisch genannten angeblichen Defizite der Anderen zentral in ihrer mangelnden Geisteskraft verortete, die mit den Maßen des Craniums belegt werden sollte. Sie entsprang dem Wissen über Unsicherheit und Willkürlichkeit der Farbwahrnehmung und machte sich in den Gesichtswinkeln Petrus Campers als Vermessung geltend, die aus gebleichten Knochen auf farbige Haut und intellektuelle Fähigkeiten schloss. Samuel Thomas Soemmering erklärte, dass sich die Rassenforschung, wenn sie Wissenschaft sein wollte, weder mit Spekulationen noch oberflächlichen Zeichen begnügen dürfe, sondern die Verschiedenheit der Rassen an handfesten Differenzen der Körper nachweisen müsse. Den kulturalistischen Prämissen des Rassismus folgend, suchte er sie dort, wo sie seit der Antike angesiedelt waren: im Schädel als Sitz des Gehirns, Organ des Verstandes und Quelle aller Kultur (Oehler-Klein 2001). Von der Aufklärung bis heute produzieren weiße Wissenschaftler Daten über die den ihren gegenüber angeblich kleineren oder weniger leistungsfähigeren schwarzen Gehirne. Standen sie am Anfang als evidenter Beweis für mangelnde kulturelle Kapazität, führen sie J. Philippe Rushton und andere mittlerweile als physischen Beweis ihrer Unterstellung rassenspezifischer Intelligenzquotienten an (Brace 2005: 259). Die Karikierung der Farbigen erfolgte in einem Universum all107
täglicher Stereotypisierung zwischen Verspottung und Verteufelung. Es reicht von den Flugschriften der Renaissance über amerikanische Kannibalen bis zu den obszön lustigen Figuren der Minstrelshows des 19. Jahrhunderts,25 von den rassistischen Klischees der Skalpjäger, Onkel Toms, schwarzen Mammies oder John Chinamans aus ideologischen Traumfabriken à la Hollywood bis zum Panoptikum rassisierter Reklamefiguren wie dem Sarotti-Mohren oder Uncle Ben, von Kinderliedern über »Zehn kleine Negerlein« oder »Drei Chinesen mit dem Kontrabass« bis zu Comicfiguren wie Tarzan oder Tim und Struppi im Kongo, von den Kochkesseln der Menschenfresserwitze bis zu den Werbeversprechungen für angebliches »Ethnic Food« einschließlich »Zigeunersoße«. Der mit Hautfarben argumentierende Rassismus setzt auf kein natürliches Merkmal unterschiedlicher Menschengruppen, sondern bedient sich eines komplexen ideologischen Musters als Stigma der Rassen. Was Hexenflug, Judenstern und Hautfarbe unterscheidet, ist nicht, dass sie nachgesagt, angeheftet und wahrgenommen werden. Sie sind allesamt künstlich erzeugte Zeichen, die körperliches Anderssein signalisieren sollen. Deswegen kann jemand im rassistischen Ernstfall genauso wenig dem Teufel abschwören oder vom Glauben abfallen wie aus seiner Haut schlüpfen. Was an der Hautfarbe wahrgenommen wird, ist ebenfalls angeheftet und nachgesagt. Frantz Fanon (1986: 25f.) fasst das als Relation, in der »der Farbige« unter »dem weißen Blick« Probleme mit der »Herausbildung seines Körperschemas« bekommt. Für ihn haben die gewaltsamen Beziehungen der Sklaverei und des Kolonialismus »[h]inter dem Körperschema […] ein historisch-rassisches Schema geschaffen«. Der weiße Blick ist nicht nur eine ideologische Sichtweise und ein Speicher rassistischen Wissens. Er wird auch aus einer Position der Dominanz auf die Anderen geworfen. Der soziale Ort, von dem er auf sie herabblickt, ist im Bau der Städte wie der Lage der Wohnung, der Art der Arbeit wie den Möglichkeiten zur Bildung, der Massenkommunikation wie der Rechtsprechung, den Essgewohnheiten wie den Ausdrucksweisen verankert. Als Bestandteil einer suprematistischen Struktur behaup-
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tet er als natürlich wahrzunehmen, was durch diese den Körpern der Anderen zugefügt und zugeschrieben worden ist.
4. Assimilation, Segregation Assimilation und Segregation bezeichnen die Spannweite rassistischer Politik. Ihr Hintergrund wurde erst kürzlich exemplarisch ausgeleuchtet, als der türkische Forstminister anordnete, die wissenschaftliche Nomenklatur für einige unliebsame Tiernamen zu ändern. Wie die »Tageszeitung« vom 8.3.2005 berichtete, soll der Fuchs Vulpes vulpes kurdistanica in Zukunft ohne seine Herkunftsbezeichnung auskommen. Das Schaf Ovis armeniana wird gar in Ovis orientalis anatolicus umgetauft. Die Nationalisierung der Fauna wurzelt historisch in der Konstitution des türkischen Nationalstaates und der sie unterstützenden rassistischen Ideologie. Die von ihr legitimierte Praxis oszillierte zwischen dem Ethnozid an den Kurden (McDowall 2004) und dem Genozid an den Armeniern (Dadrian 2003). Der eine zielte auf Ausrottung, der andere auf die Zerstörung kultureller Identität. Beide gehörten zum Prozess der Schaffung eines einheitlichen Staatsvolkes. Er sollte unter anderem durch national-rassistische Initiativen wie die türkische Geschichtsthese und die Sonnensprachtheorie befördert werden (Laut 2000). Das schloss die Absetzung von allem Untürkischen ein. Sie reichte bis zur direkten und indirekten Vernichtung durch Völkermord und der Zwangstürkisierung und verdeutlichte die Möglichkeiten assimilatorischer und segregationistischer Praktiken des Rassismus jeweils im Extrem. Assimilation wurde von Zygmunt Bauman (1998: 38) als »Kriegserklärung an fremde Substanzen und Qualitäten« bezeichnet und in zwei Richtungen bestimmt. Sie diene der »ideologische[n] Vereinheitlichung der Bevölkerung« und der Erzeugung von »Druck zur Akkulturation« gegenüber vermeintlichen Fremden (ebd.: 41f.). Ihre zweifache Dimension erlaubt die Ausweitung rassistischer Diskriminierung auf als unangepasst geltende Gruppierungen der als ›eigenen‹ begriffenen Bevölkerung
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wie die Entwicklung einer perversen Anpassungslogik für als ›fremd‹ definierte Andere. In eben diesem Sinn bemerkte bereits Alexis de Tocqueville über die erfolgreichen Akkulturationsbemühungen der Cherokee, dass sie letztlich vergeblich bleiben müssten. Das von ihm dabei unter der Hand formulierte Gesetz der Uneinholbarkeit von Zivilisationsrückständen war freilich in Wirklichkeit nichts als eine Camouflage der durch rassistische Willkür geprägten Dialektik der Assimilation. Die Cherokee hatten sich zwar wesentlichen Elementen der euroamerikanischen Lebensweise angepasst. Ihr Ziel, sich dadurch als kulturell und politisch gleichberechtigtes Volk in die Vereinigten Staaten integrieren zu können, scheiterte indessen an den weißen Landnahmeinteressen, die sich zu ihrer Legitimation ungeniert weiter des auf die Indianer gemünzten Wildenstereotyps bedienten (Hund 1999: 52f.). Kultur zeigte sich in dieser Auseinandersetzung als Instrument rassistischer Diskriminierung, das es erlaubte, den ihr unterworfenen Anderen einerseits immer erneut Anstrengungen zur Assimilation abzuverlangen und dabei gleichzeitig andererseits deren Maßstab flexibel halten und immer wieder verschieben zu können. Es machte die Gewaltsamkeit der Politik der Assimilation deutlich, der gegenüber kein Verlass darauf ist, dass sie sich mit kultureller Selbstaufgabe begnügt. In Deutschland wurde sie bereits zu Beginn der die Juden betreffenden Emanzipationspolitik von der großen Philosophie mit brutaler Offenheit formuliert. Zwar dachten dabei weder Immanuel Kant noch Johann Gottlieb Fichte an Mord und Genozid. Doch Kant betonte mit seiner Forderung nach »Euthanasie des Judentums« den repressiven Aspekt von Emanzipationsangebot und Assimilationsforderung bis hin zur Erwartung kultureller Selbstauslöschung. Und Fichte machte mit seiner Formulierung, Juden könnten nur Bürgerrechte bekommen, nachdem ihnen allen die Köpfe abgeschnitten und durch neue ersetzt worden wären, »in denen auch nicht eine jüdische Idee sey«, deutlich, dass Assimilation darauf angelegt war, jederzeit in Dissimilation umschlagen zu können (Brumlik 2002: 73, 90). Im Kaiserreich nahm der Antisemitismus unterschiedliche Formen an (Zumbini 2003), die von Paul de Lagardes Charakte110
risierung der Juden als »wuchernde[s] Ungeziefer«, das »so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet« (zit. in Zumbini 2003: 358) werden müsse, über Theodor Fritschs Forderung nach der »Ausscheidung der jüdischen Rasse aus dem Völkerleben« (zit. in ebd.: 335) und Friedrich Nietzsches Behauptung, die »Juden« wären »das verhängnisvollste Volk der Weltgeschichte« (zit. in ebd.: 453) bis zu Heinrich von Treitschkes Ratschlag an die Juden reichte, »sie soll[t]en Deutsche werden« und ansonsten »in den Culturvölkern, deren Sprache sie reden, [aufgehen]« (zit. in ebd.: 186, 193). Tatsächlich wurde die »jüdische Teilhabe an der deutschen Kultur […] genau zu dem Zeitpunkt am bedeutendsten, als […] die antisemitische Ablehnung von Juden in der Kultur stärker wurde« (Meyer 1997, 3: 331). Die Antisemiten unterschiedlichster Couleur reagierten gerade nicht auf die von ihnen den Juden unterstellte Fremdheit, sondern auf deren erfolgreiche Akkulturation und kreative Teilhabe am kulturellen Leben. Indem diese als unzureichend, verlogen oder zersetzend eingestuft wurden, machte die Assimilationsforderung deutlich, dass sie nicht auf Angleichung und Teilhabe, sondern fortwährende Ausgrenzung gerichtet war. In der Weimarer Republik nahmen antisemitische Diskriminierung und Gewalt dramatisch zu. Während Thorstein Veblen 1919 unter besonderer Würdigung der deutschen Verhältnisse über »The Intellectual Pre-Eminence of the Jews in Modern Europe« schrieb (Meyer 1997, 4: 169), erging sich die antisemitische Polemik in Angriffen auf die angebliche Judenkultur: »Der ›verderbliche‹ Einfluss von Juden auf die deutsche Kultur war das meistverbreitete Thema des Antisemitismus von Weimar« (Friedländer 1998: 123). Schließlich konstatierte die »Jüdische Rundschau« eine »Welle von mittelalterlichem Judenhaß« und das »Israelitische Familienblatt« registrierte bei der jüdischen Bevölkerung eine wachsende »Furcht vor dem Ghetto« (zit. in Hecht 2003: 208, 286).26 Ähnlich komplex verlief die rassistische Herabminderung der australischen Aborigines. Standen sie zunächst im Spannungsfeld der Figuren des ›edlen‹ und des ›primitiven‹ Wilden (Yarwood/Knowling 1982: 25ff.), so wurden sie im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu kulturell und physisch zurückgebliebenen We111
sen gemacht. Die evolutionstheoretisch grundierte Anthropologie, die zwar den Polygenismus bekämpft hatte, fand es gleichwohl überzeugend, die Australier als überlebende menschliche Fossile anzusehen und mit europäischen Steinzeitmenschen zu vergleichen (Mulvaney 1990). Die ihnen zugeschriebene allseitige Zurückgebliebenheit kam in der Überzeugung zum Ausdruck, ihre Fähigkeiten wären zu dürftig zum Überleben, sodass sie binnen Kurzem aussterben müssten (Brantlinger 2003: 117ff.). Als nach der Jahrhundertwende bei William Ramsey Smith und anderen die Überzeugung wuchs, die Aborigines wären »of Caucasain stock, not negro or negrito«, entwickelte sich die Vorstellung, sie könnten durch eine über Rassenmischung und Kindswegnahme vermittelte »policy of ›breeding out the colour‹« im weißen Australien aufgehen. Ein Mitglied der Anthropological Society von New South Wales fasste das 1936 in die Überzeugung: »They can be made white. Better than all political rights is the right of absorption or assimilation in marriage« (zit. in McGregor 1997: 157, 161, 177). Assimilation wurde hier in einem organisch unterlegten Sinn als »absorption or incorporation« (Cashmore 2004: 44) verstanden. Ihre zentrale rassistische Konnotation lag in der Vorstellung einer vollständigen Auflösung der Anderen und ihrer Eigenheiten, die dadurch gleichsam verdaut und umgewandelt würden, sodass nichts von ihnen zurückbliebe. Rassistische Diskriminierung schwankte dabei aber nicht nur zwischen Phantasien physischer und kultureller Auslöschung. Sie hielt sich auch die Option der Apartheid offen und machte damit einmal mehr die sie kennzeichnende Flexibilität und Willkürlichkeit deutlich. An Stelle ihrer Verwandtschaft mit den Kaukasiern wurde dabei durch den Anthropologen Adolphus Peter Elkin erklärt, »the aboriginal race […] lacks the ›ethnic capacity‹ to become civilized«. Der Anatom Frederic Wood Jones zog daraus den Schluss, »[d]etribalization« wäre »the first step towards certain racial death« und könnte nur durch strikte Segregation der Aborigines in abgelegenen Reservaten aufgehalten werden (McGregor 1997: 199, 226). Segregation kann ebenso mit einer wie auch immer verlogenen Rhetorik der Rücksichtnahme einhergehen, die sich mit der Un112
terstellung von Verunreinigung oder Gefährdung als Selbstschutz vor Kontamination oder Unterwanderung ausgibt. Sie realisiert ein »law of non-interaction« (Takezawa 2005: 11), das sich als rassistisches Grundgesetz interpretieren lässt. Es besagt nicht, dass keine Beziehungen zwischen den Diskriminierenden und den Diskriminierten bestehen könnten (die nicht selten eine massive Vorteilsnahme der Täter zu Lasten der Opfer begründen und gelegentlich, wie in Sklavenhaltergesellschaften, das gesamte soziale System prägen und tragen), sondern meint deren mangelnde soziale Verankerung und einseitige Manipulierbarkeit. In der Neuzeit haben zahlreiche indigene Völker Segregation zunächst als gewaltsam erzwungenen Prozess der Trennung von ihren traditionellen Lebensbedingungen erfahren (Coates 2004). Ihre Abschiebung in Reservationen konnte, wie im Fall der australischen Aborigines, als Schutzmaßnahme vor einer ihnen angeblich unverständlichen Zivilisation ausgegeben werden. Sie konnte aber auch, wie bei den nordamerikanischen Indianern, Segregation als Vorstufe zur Assimilation begreifen. Die Betroffenen ließen sich dort angeblich leichter versorgen und mit den Regeln zivilisierten Lebens vertraut machen (Berkhofer, Jr. 1979: 166ff.). In beiden Fällen waren Reservationen Räume der Kontrolle, Desozialisation und Dekulturation. Ihre Verwaltung zielte auf Entmündigung und Zerstörung von Selbstverwaltungsstrukturen. Die sie häufig begleitende Mission widmete sich der Bekämpfung traditioneller kultureller Bindungen und Überzeugungen. Die Zuweisung und der Schutz von Siedlungsgebieten bedeutete demgegenüber nicht unbedingt eine Verbesserung. Die skandinavischen Sámi wurden lange als »rassisch minderwertiges Naturvolk« diskriminiert, anschließend einem verstärkten Assimilationsdruck ausgesetzt und konnten erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts einen auch rechtlich ausgestatteten Minderheitenstatus durchsetzen, zu dem aber keine Eigentumsansprüche auf Land und Wasser gehören (Bauer 1997: 68ff.). Die Yanomami und andere indigene Völker Brasiliens werden bis heute in ihrer Existenz bedroht. Ihre Lebensgebiete sind nach wie vor rechtlich wie politisch ungenügend geschützt (Kayser 2006). Das 113
rassistische Indianerbild des Landes unterstützt das mit einer ideologischen Falle, in der sie als Wilde »in a social limbo between a paradise of purity and a hell of savagery« angesiedelt wurden (Ramos 1998: 85). Die von den großen politischen Systemen des weißen Suprematismus rassisierten Anderen in den Vereinigten Staaten und Südafrika wurden dagegen in sich wandelnden Formen der Segregation diskriminiert, die schließlich in eine durch das verlogene Motto ›seperate but equal‹ geprägte Politik mündeten (Fredrickson 1981: 239ff.). Deren Vorgeschichte verweist neben unterschiedlichen Methoden rassistischer Segregation auch auf methodische Probleme ihrer Analyse. Die Politik der Apartheid in Südafrika soll nach dem Willen konservativer Interpreten schon von Beginn der weißen Landnahme und Besiedlung an existiert habe. Als Argument dafür gilt der Plan des ersten Verwalters der holländischen Kapkolonie, einen Zaun zwischen europäischen Siedlern und autochthoner Bevölkerung zu bauen (Maylam 2001: 32). So fadenscheinig das Vorhaben ist, der eigenen Rassenideologie einen ideologischen Stammbaum zu verschaffen, so kurz greift als Gegenargument der Hinweis, dass die Holländer sich nicht mit rassenbezogenen, sondern mit religiösen Argumenten von den Afrikanern abgegrenzt hätten (ebd.: 33). Die spanische Politik der Reinheit des Blutes richtete sich schließlich in einem religiösen Kontext selbst gegen Tote und ruhte nicht, bis sie deren sterblichen Überreste vernichtet und ihre Absonderung in alle Ewigkeit verlängert hatte (vgl. Kap. III/2). Auch der Umstand, dass es zwischen einheimischen Frauen und kolonisierenden Männern zu sexuellen Beziehungen gekommen wäre, ist kein überzeugendes Gegenargument (Maylam 2001: 40f.). Der europäische Kolonialismus war von Anfang an mit sexuellen Übergriffen verbunden, die häufig mit wachsender rassistischer Diskriminierung einhergingen. Und auch im Zeitalter der Rassenideologie gelang es der kolonialen Administration nicht, eine strikte Rassentrennung im Bereich der weit verbreiteten Prostitution durchzusetzen (Levine 2003). Gleichwohl bestand nicht nur für die Diskriminierten ein er-
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heblicher Unterschied zwischen den allgemeinen Segregationstendenzen des Rassismus und einer umfassenden politischen Durchsetzung der Rassentrennung, wie sie in Südafrika nach 1900 begann (Dubow 1989) und schließlich in die ›große‹ Apartheid mündete (Posel 1991) – während derer zunächst außereheliche, schließlich auch eheliche sexuelle Kontakte zwischen den Rassen durch den Immorality Act von 1927 und den Prohibition of Mixed Marriages Act von 1947 gesetzlich verboten waren. Entwickelt wurde diese Politik nach dem Burenkrieg und der Gründung der Südafrikanischen Union. Sie stand völlig unter den Vorzeichen des weißen Suprematismus, die der britische Hochkommissar zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Überzeugung fasste, »[a] political equality of white and black is impossible« (Maylam 2001: 144). Unter diesem Vorzeichen wurden zentrale gesellschaftliche Bereiche wie Landbesitz, Bewegungsfreiheit, politische Beteiligung und Arbeitsmöglichkeiten nach Prinzipien der Rassentrennung organisiert (ebd.: 143-178). Der Natives Land Act von 1913 war die Grundlage territorialer, der Native Affairs Act von 1920 brachte die Fixierung politischer Segregation. Der Natives Urban Areas Act von 1923 schuf die Voraussetzungen für die Bildung von Townships und die Umsetzung der Rassentrennung in den Städten, zahlreiche Arbeitsgesetze vom Industrial Conciliation Act von 1924 bis zum Native Service Contract Act von 1932 diskriminierten schwarze Arbeiterinnen und Arbeiter und unterwarfen sie extremen Abhängigkeitsformen. Auch andere gesellschaftliche Bereiche wurden nach und nach durch immer weiter reichende Mechanismen der Rassentrennung geprägt. Das bezog sich auf sämtliche Dimensionen der Freizeitgestaltung ebenso wie auf das Bildungssystem, zu dem ein Regierungsbericht ungeschminkt erklärte: »The education of the white child prepares him for life in a dominant society and the education of the black child for a subordinate society« (zit. in ebd.: 165). Nicht zuletzt prägte der Wille zur Segregation die sozialhygienischen Vorstellungen, die unter anderem im Public Health Act von 1919 zum Ausdruck kamen. Er stand stellvertretend für ein ganzes »sanitation syndrom«, in dem sich die
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»moral panic« und »racial hysteria« der weißen wegen der angeblich gesundheitlichen und moralischen Gefährdungen durch die schwarze Bevölkerung niederschlug (ebd.: 163). Schließlich realisierte die Politik der Apartheid ein umfassendes System rassistischer Segregation, dessen wesentliche Elemente sie schon weitgehend vorfand. Rassismus zeigte sich dabei als strukturell verankerte und alle sozialen Beziehungen prägende Praxis der Diskriminierung, die die Ausgeschlossenen zu in homelands abgeschobenen Fremden machte, ohne auf deren unter entwürdigenden und entrechtenden Bedingungen betriebene Ausbeutung zu verzichten. Die Jim-Crow-Politik in den USA versuchte, diese Verhältnisse unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Mitteln herzustellen. Nach dem Ende des Bürgerkriegs und der Rekonstruktionsperiode wurden in sämtlichen Einzelstaaten und auf Bundesebene Gesetze erlassen, die die Rechte der nicht als weiß geltenden Bürger einschränkten.27 Sie betrafen vor allem die als schwarz eingestufte Bevölkerung, beschnitten ihre Rechte und wiesen ihnen separierte Plätze und Räume für zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens zu. Auch dabei verbanden sich ökonomische Vorteilsnahme, politische Benachteiligung, soziale Idiosynkrasien und ideologische Herabminderung. Zwar wurde der Versuch einer Reihe von Städten, durch Erlasse getrennte Wohngebiete für Schwarze und Weiße einzurichten, vom Supreme Court für verfassungswidrig erklärt. Die rassistische Struktur staatlicher Fördermaßnahmen und des Wohnungsmarktes sowie nicht zuletzt die ›White flight‹ (Cashmore 2004: 44ff.) führten gleichwohl zu einer ›residential segregation‹ (Min 2005: 530ff.). Auf diese Weise entstanden als rassisch separiert begriffene städtische Areale, die mit dem Begriff Ghetto bezeichnet wurden. Die Geschichte des Ghettos ist älter als sein Name. Er leitet sich von einem geschlossenen Wohnbezirk her, in dem sich aus Spanien vertriebene Juden zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Venedig ansiedeln konnten und der in der Nähe der neuen Gießerei (getto nuovo) lag. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde diese Wohnform den Juden Roms durch päpstliche Bullen aufgezwungen. Sie umfassten neben der Zuweisung eines abgegrenz116
ten Wohnbereichs auch die Behauptung der ewigen Knechtschaft der Juden, den Zwang zu ihrer äußerlichen Kennzeichnung und eine Kontaktsperre für Christen (Battenberg 1990, 1: 13, 202f.). Zu diesem Zeitpunkt hatten alle diese Elemente des christlichen Antisemitismus eine zum Teil weit zurück reichende Tradition. Dabei bezweckte insbesondere die Kennzeichnungspflicht eine soziale Segregation der Juden, die durch sie gleichzeitig individuell stigmatisiert und als Angehörige einer verdammten Gruppe identifizierbar gemacht werden sollten. Die Sklaventracht der Antike, das Glöckchen der Unberührbaren, der mittelalterliche Judenhut, die Rassenkennzeichnung der Neuzeit und die Forderung einer Tätowierung für Erbkranke28 verweisen auf die desozialisierende Ausschließungsdynamik des Rassismus. Das Ghetto als »a way of incorporating those who would nevertheless continue to be treated as outsiders« (Bernasconi 2002b: 341), verdeutlicht, dass es Produkt eines gesellschaftlichen Prozesses ist, in dem diejenigen, die als angeblich unzugehörig abgesondert werden, für den Zusammenschluss derer, die dazugehören, eine entscheidende Rolle spielen, ohne sozial anerkannt zu werden. Das gilt nicht nur für die politisch-ideologischen Mechanismen der Identifikation durch Abgrenzung, sondern auch für die sozial-ökonomischen Strukturen der Ausbeutung. So wie die homelands Südafrikas der gleichzeitigen Abschiebung und Verfügbarmachung billiger Arbeitskräfte dienten, waren die jüdischen Ghettos Orte der Isolation und Quelle beachtlicher Einnahmen für fürstliche und städtische Finanzen. Den Bewohnern der Sklavensiedlungen der kolonialen Plantagen, die den Reichtum für die Konstruktion und den Unterhalt der Herrenhäuser erwirtschafteten, wurde ihre faktische Segregation durch Peitschen, Ketten, Fußfesseln, Brandeisen, Gesichtsmasken und andere Folterinstrumente für diejenigen demonstriert, die die unsichtbaren Mauern nicht respektierten. Die mit der Anwerbung und Verwendung chinesischer Arbeitskräfte entstehenden Chinatowns wurden ebenso als Quelle preisgünstiger Dienstleistungen wie als zu meidende Orte voller Ungeziefer und Verbrechen gesehen. Als 1906 beim großen Erdbeben in San Francisco das chine117
sische Wohnviertel durch Feuer vollständig zerstört wurde, zeigte die Diskussion um seinen Wiederaufbau die Ambivalenz des Ghettobildes. Es schwankte zwischen rassistischen Überzeugungen und ökonomischen Interessen. Die Frage, ob die Gunst der Stunde zur Umsiedlung der Chinesen genutzt werden sollte oder ob ihre Abwanderung wirtschaftliche Verluste für die Stadt mit sich brächten, wurde nicht zuletzt auf Grund der Intervention Chinas nach der Logik der Ökonomie entschieden. Die bemühte sich anschließend zudem, den Bezirk touristisch zu erschließen und aus einem verrufenen zu einem orientalischen Ort zu machen. Man könnte dort »wander in the midst of the Orient while still in the Occident«. Außerdem müsste sich dank des großen Feuers niemand mehr um seine Gesundheit sorgen, weil beim Neuaufbau auf Hygiene geachtet worden wäre (zit. in Takaki 1998: 247). Das nationalsozialistische Deutschland zeigte mit der sogenannten Chinesenaktion in Hamburg, dass sich die Bewohner eines Chinesenviertels nicht auf die Macht der Vernunft verlassen konnten (Amenda 2006: 258ff.). Vor allem aber machte seine antisemitische Rassenpolitik den abhängigen Charakter des Ghettos deutlich, das in der Vergangenheit zwar auch ein Ort des Rückzugs und Pflege eigener Kultur war, dabei aber von der Willkür derer abhing, die es erzwungenen hatten und duldeten. Sie konnten auch über sein Ende verfügen. Für die Politik der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden wurden Ghettos zu Durchgangslagern in den Tod. Bis zu ihrer Verschleppung in die Vernichtungslager mussten sie dort Sklavenarbeit leisten (Schwarz 1996: 126ff.). Howard Winant (2001) hat den Begriff Ghetto auf die durch Kolonialismus, Imperialismus und Globalisierung erzeugte Weltordnung und den sie legitimierenden Rassismus angewandt. Dabei betont er nachdrücklich dessen strukturellen Charakter, der mit seiner Kritik als Ideologie, seiner Aufklärung als Stereotyp, seiner Bekämpfung als Vorurteil und seiner Zurückweisung als Diskriminierung nicht verschwindet. Abgesehen davon, dass seine traditionellen Formen fortbestehen, hat sich Rassismus zu einem umfassenden Verkehrszusammenhang entwickelt: »[I]t is a nearly invisible, taken-for-granted, commonsense 118
[…] feature of everyday life and global social structure« (ebd.: 308). So wichtig allerdings der Hinweis auf die strukturelle Dimension des Rassismus ist, so wenig darf das zu deren Abkopplung von sozialem Handeln führen. Die Betonung der Strukturen verweist auf dessen Voraussetzungen, aber sie entlastet die Handelnden nicht.
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V. Einsichten »[T]here should be no essentialist illusions about anyone’s intrinsic ›racial‹ virtue. All peoples can fall into Whiteness […], we could have had a yellow, red, brown, or black Whiteness: Whiteness is not really a color at all, but a set of power relations.« Charles W. Mills (1997: 128f., 127) Der Rassismus ist älter als die Rassen. Trotzdem wird er definitorisch häufig immer noch an deren Kategorie gebunden. Wie problematisch das ist, verdeutlicht die Analyse von Rassen als sozialen Konstruktionen und die Auseinandersetzung mit neuen Formen kulturalistischer Rassismen. Wenn Rassen soziale Konstruktionen sind, dann sind sie Produkt, nicht Voraussetzung des Rassismus. Und wenn Rassismus sich kulturalistisch äußern kann, muss das für die Zeit vor der Etablierung des Rassenbegriffs ebenso untersucht werden wie für die Entwicklung nach seiner Diskreditierung. Selbst der moderne Rassismus bediente sich keineswegs überall der gleichen Version des Rassenparadigmas und kam in keiner seiner Varianten ohne kulturalistische Argumente aus. Außerdem war er von Elementen anderer Formen rassistischer Diskriminierung durchsetzt, die nicht selten die zentralen ideologischen Muster lieferten. Um sie zu erfassen, muss sich Rassismusforschung von der Fixierung auf die Kategorie Rasse lösen und sich damit auseinandersetzen, dass es unterschiedliche Muster rassistischer Diskriminierung gegeben hat und gibt. Ihnen ist ihre Funktion im Prozess klassenspezifischer Vergesellschaftung gemeinsam. Rassismus stiftet auf der einen Seite illusorische Gemeinschaftlichkeit und erzeugt auf der anderen Seite amorphe Identität. Die eigene Gemeinschaftlichkeit ist illusionär, weil sie auf keine reale Teilung von Ansehen und Macht abstellt, sondern die bestehenden sozialen Ungleichheitsrelationen nicht nur unangetastet lässt, sondern auch zusätzlich stabilisiert. Die Identität der Anderen bleibt notwendig amorph, weil sie eine Vielzahl unterschiedlicher sozialer Charaktere vereint 120
und gleichmacherisch einebnet. Sie werden einem Prozess der Entmenschlichung unterworfen, der am Beispiel der Sklaverei als ›sozialer Tod‹ beschrieben wurde, sich aber auf rassistische Diskriminierung überhaupt beziehen lässt. Deren Formen bezeichnen keine geschlossenen Epochen, sondern werden durch die Vorherrschaft verschiedener Legitimationsstrategien gekennzeichnet. Diese sind flexibel kombinierbar und häufig miteinander verknüpft. Trotzdem lassen sie sich gemäß der dabei aufgetretenen historischen Schwerpunkte in charakteristische Gegensatzpaare gliedern. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Gegenüberstellungen von Kultivierten und Barbaren, Reinen und Unreinen, Erwählten und Teufeln, Zivilisierten und Wilden, Weißen und Farbigen, Vollwertigen und Minderwertigen. Sie haben im Verlauf der Geschichte des Rassismus zur Entwicklung unterschiedlicher Stereotype der Entmenschlichung geführt. Das Barbarenstereotyp erlaubt sozial geschichteten Gruppen die Vorstellung der Höherwertigkeit und Zusammengehörigkeit. Durch den externen Vergleich wird die herrschaftliche Differenzierung des Zugangs zu ethnisch charakterisierten Gemeinsamkeiten entschärft. Sie können nach außen hin verallgemeinert und zum Maßstab von Kultur überhaupt werden. Diese wird so ideologisch auch für jene verfügbar gemacht, die materiell nicht oder nur bedingt an ihr teilhaben. Die Skalierung der dabei entwickelten Differenz zwischen Zivilisation und Barbarei reicht von der Verkindlichung bis zur Vertierung und versetzt die anderen in das Stadium unentwickelter oder fehlender Menschlichkeit. Das Unreinheitsstereotyp greift auf Verdächte zurück, die von Formen vorübergehender Kontamination bis zu entsozialisierender Unreinheit reichen, die als dauerhaft oder sogar als vererbbar gilt. Sein Ausgrenzungspotenzial ist deswegen nicht etwa geringer, sondern die Einübung alltäglicher Rituale der Reinigung verstärkt die Zuweisung nicht behebbarer Unreinheit eher noch. Außerdem trägt die Körperbezogenheit von Unreinheit dazu bei, dass sie als Gefährdung eines organisch begriffenen Gemeinwesens ausgegeben werden kann, der gegenüber rigide Grenzen gezogen werden müssen. 121
Das Teufelsstereotyp reicht vom armen Sünder über den auf ewig Verdammten bis zum Erzfeind. Indem es den Gegensatz von Erwählten und Verdammten an metaphysische Vorstellungen bindet, muss seine Konstruktion auf keinerlei Fakten Rücksicht nehmen. Seine Anwendung ist deswegen flexibel und kann Menschen der unterschiedlichsten sozialen Kategorien betreffen. Seine Überzeugungskraft zehrt von der Glaubwürdigkeit zahlreicher dualistischer religiöser Systeme. Seine Argumentation lässt sich problemlos an die zwischen Gut und Böse gespannten moralischen Überzeugungen vieler Zeitalter und Kulturen anpassen. Seine Ausübung darf daher als gute Tat verbucht werden, stärkt das Erwähltheitsbewusstsein und wirkt gemeinschaftsbildend. Das Wildenstereotyp siedelt Wilde und Zivilisierte auf derselben Zeitachse an. Dadurch gewinnt es einen Maßstab zur Bestimmung von Rückständigkeit und zur Prognose von Entwicklungsfähigkeit. Die Wilden sollen gegenüber den Zivilisierten zurückgeblieben sein. Wenn sie sich zur Übernahme ihrer Verhältnisse als unfähig oder unwillig erweisen, gilt das als Zeichen ihrer Primitivität und verurteilt sie zum Aussterben. Gleichzeitig eignet sich die ihnen unterstellte Ursprünglichkeit zur Konstruktion eines zwar rohen, aber noch unverdorbenen Gegenbildes der Zivilisation. Die dadurch ermöglichten Projektionen aus eigenen Versagungen entspringender Sehnsüchte machen diese Variante des Rassismus ebenso ambivalent wie aggressiv. Das Rassenstereotyp unterstellt der Natur, die Menschen gleichzeitig unterschiedlich befähigt und entsprechend gekennzeichnet zu haben. Das gilt nicht nur für die ihnen zugeschriebenen Hautfarben, sondern auch für die ihren Knochen und der Größe oder Kapazität ihres Gehirns angeblich innewohnende Entwicklungslosigkeit. Die sich daraus für den europäischen Kolonialismus und Imperialismus ergebende ideologische Funktionalität bestand darin, dass sich seine gewaltsame Expansion als natürlicher Prozess interpretieren ließ. Unterstützt durch die Kampfmetaphern und Selektionsszenarien der Evolutionstheorie, konnte die Vervollkommnung des Menschen als Ausleseprozess begriffen werden, dem unentwickelte Exemplare der Gattung naturnotwendig zum Oper fallen müssten. 122
Das Minderwertigkeitsstereotyp verbindet Klassenvorurteile und rassistische Diskriminierung mit eugenischen Phantasien. Es bringt den in allen Klassengesellschaften vorhandenen, nach innen gerichteten Rassismus zum Ausdruck, der es erlaubt, die Unterklassen ideologisch unter sozialen Bewährungsdruck zu setzen und gegebenenfalls als für das soziale Ganze belastende, untaugliche oder gefährliche Elemente abzusondern oder auszumerzen. Das macht es auch gegenüber angeblich Asozialen, Erbkranken oder Perversen aus anderen sozialen Schichten einsetzbar. So kann es für unterschiedliche eugenische Utopien und Politiken genutzt werden. In all diesen Varianten der Ausgrenzung zeigt sich das Grundmuster rassistischer Diskriminierung. Herrschaftlich organisierte Gesellschaften werden dadurch zusammengehalten, dass ihren benachteiligten oder unterdrückten Gruppen Angebote zur Imagination von Gemeinschaft gemacht werden. Elemente positiver Zugehörigkeit reichen dazu nicht aus, weil sie in der Regel selbst geschichtet und nur bedingt oder schwer zugänglich sind. Negative Vergesellschaftung hingegen erlaubt die Zusammenfassung der Ungleichen durch die Degradierung Anderer. Die Anderen müssen sich nicht unbedingt außerhalb, sondern können sich (als Unberührbare, Ungläubige, Sklaven oder ursprüngliche Bevölkerung) auch innerhalb der rassistischen Gesellschaft befinden. Deren Überlegenheitsanspruch muss nicht notwendigerweise auf realer Herrschaft beruhen und kann selbst von Bedrohungsszenarien (durch islamische Glaubenskrieger, die gelbe Gefahr oder die jüdische Weltherrschaft) begleitet werden. Die verschiedenen Formen des Rassismus haben eine große Zahl unterschiedlich strukturierter und legitimierter Verhältnisse ausgebildet. Ihnen gemeinsam ist die Umwandlung sozialen Konfliktpotenzials in rassistische Verachtung. Die rassistische Gesellschaft beschwört ihren Zusammenhalt nicht einfach durch die Ausgrenzung der Anderen, sondern dadurch, dass sie deren vollwertiges Menschsein bestreitet. Tendenzen zu solcher Herabminderung existieren auch in ihrem Inneren. Dort können ihnen die Beherrschten nur dadurch entgehen, dass sie gute Miene zur ihnen zugewiesenen untergeordneten Rolle machen und sich dafür an jenen schadlos halten, die 123
durch gewaltsame Unterdrückung, strukturelle Benachteiligung, tradierte Vorurteile, ideologische Herabminderung und politische Propaganda zur allgemeinen Entwürdigung und Verfolgung freigegeben sind. Die Möglichkeit der Verwandlung sozialer in rassistische Diskriminierung bleibt trotzdem bestehen. Sie kann sich mit deren zentralen Kategorien Geschlecht, Klasse, Nation und Kultur verbinden. Der Geschlechterrassismus entspringt an der ideologischen Sollbruchstelle zwischen sozialer Diskriminierung und rassistischer Desozialisierung. Während Sexismus Frauen in ausgewählte soziale Räume einweist und ihnen andere vorenthält, droht Geschlechterrassismus mit ihrem Ausschluss aus der Gesellschaft. Für den Fall der weiblichen Insubordination und Rollenverweigerung wird dadurch ein erhebliches ideologisches und politisches Drohpotenzial bereitgestellt. Bis heute macht es sich in sexueller Gewalt gegen Frauen, der Zerstörung weiblicher Identität und gynozidalen Reproduktionsstrategien geltend. Der Klassenrassismus erlaubt es, die Unterklassen insgesamt zu diskreditieren oder aufsässige und unproduktive Teile als gefährlich, krank oder nutzlos vom Gesellschaftskörper abzutrennen und aus der Volksgemeinschaft zu verweisen. Dabei handelt es sich nicht um bloße ideologische Drohungen. Bevölkerungspolitische wie eugenische Programme haben vielmehr gezeigt, dass Gesellschaften bereit und in der Lage sind, ihre angeblich überflüssigen Armen verhungern zu lassen oder zu deportieren und ihre als degeneriert eingestuften Unterschichten als sozialhygienisches Risiko einzustufen und Maßnahmen zu unterwerfen, die von der Sterilisation bis zur Vernichtung reichen. Der Nationalrassismus zeigte sich zwar dem Wortsinn von ›Abstammung‹ und ›Volk‹ nach bereits in der Antike. Die Betonung von Ethnizität entfaltete ihre ganze Virulenz allerdings erst mit der Herausbildung der modernen Nationalstaaten. Dabei wurde sie zu einem wichtigen Differenzierungskriterium des Rassenrassismus. Dessen – je nach begrifflichem Bezug auf ›arische‹ Sprache, ›weiße‹ Erscheinung oder ›europäische‹ Kultur – unterschiedliche Ausdehnung ließ sich auf diese Weise mit nationalstaatlichen Ambitionen vermitteln. Das führte bis zur Postulierung von Staatsrassen, die sowohl am ideologischen Prestige 124
der Rasse teilhaben, als auch gegen deren in anderen Staaten organisierten Teile in Anschlag gebracht werden konnten. Der Kulturrassismus ist zentraler Bestandteil aller Formen und Dimensionen rassistischer Diskriminierung. Die Dehnbarkeit und Selbstbezogenheit des Kulturbegriffes und seine Kombinierbarkeit mit anderen Mustern rassistischer Diskriminierung macht ihn zu einem besonders vielseitigen Instrument der Herabminderung. In der Antike wurde er von den Griechen mit Hilfe des Geschlechterrassismus gegen die Perser instrumentalisiert und erlaubte deren Barbarisierung, indem er ihre nicht zu leugnende Kultur als effeminiert und verweichlicht entwertete. Im Mittelalter kam er im Versuch der kulturellen Enteignung der Juden zum Ausdruck, deren Verteufelung den Transfer der ersttestamentarischen Auserwähltheit auf die Christenheit legitimieren sollte. In der Moderne erlaubte er dem modernen Nationalrassismus die rassistische Binnendifferenzierung der europäischen Kolonialmächte. Gegenwärtig hat er sich in der Konfrontation der Fundamentalismen zu einem mit dem Barbarenstereotyp und dem Teufelsstereotyp aufgeladenen ideologischen Kampfinstrument entwickelt. Alle diese Formen rassistischer Diskriminierung sind gesellschaftliche Konstruktionen. So wie Geschlechter, Klassen, Nationen und Kultur, werden auch Barbaren, Unreine, Teufel, Wilde, Farbige, Minderwertige und ihre jeweiligen Gegenspieler durch Prozesse sozialer Einschließung und Ausschließung und ideologischer Bewertung erzeugt. Die ihrer Verbreitung dienenden Stereotype reflektieren nicht die Angst vor Anderen oder die Bedrohung durch Fremde, sondern die Bereitschaft zur Stärkung der eigenen fragilen Gemeinschaft zu deren Lasten. Sowenig Teufel aus der Hölle kommen, sowenig brechen Wilde aus Dschungeln hervor. Sie sind, wie Unreine, Farbige oder Minderwertige, keine Figuren der Naturgeschichte, sondern soziale Zuschreibungen. Ihre Besonderheit gegenüber sozialen Rollen besteht darin, dass sie nicht zur Teilnahme berechtigen, sondern zum Ausschluss führen. Zwar entstehen auch diese aus einem komplexen Prozess gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion. Die Mitglieder herrschaftlich geschichteter Gesellschaften sind Virtuosen 125
sozialer Differenzierung und damit verbundener Zuweisung und Registrierung von Status und Prestige. Sie bewegen sich dabei aber in einem strukturell wie ideologisch geordneten Raum, der durch architektonische, funktionale oder organische Metaphern als Haus, Schiff oder Körper beschrieben werden kann und auch denen noch legitime Plätze anweist, die bei den diversen Veranstaltungen der Unterscheidung und Auszeichnung auf Grund ihrer sozialen Herkunft, beschränkter Mittel zum oder mangelnder Unterstützung beim Entfalten individueller Fähigkeiten und von Behinderungen von Erfolg und Fortkommen zu kurz kommen. Rassistische Abgrenzung hingegen stellt allen Gesellschaftsmitgliedern ideologisch sanktionierte und häufig mit religiöser oder wissenschaftlicher Legitimation versehene Mittel der Diskriminierung anderer zur Verfügung, die sich ohne Rücksicht auf soziale Differenzen selbst gegen Häuptlinge der Wilden und Priester des Teufels verwenden lassen. Sie ermöglicht so Abgrenzung, Aufwertung und Protest in einem und stabilisiert gleichzeitig die Verhältnisse, denen sich die Motivation für ihre Anwendung verdankt. Sie kann verschiedene Formen annehmen und von der Versklavung über die Vertreibung bis zur Vernichtung reichen. In jedem Fall bestreitet sie das Menschsein der Betroffenen und legitimiert dadurch deren Ausnutzung und Verfolgung gleichermaßen. Auf diese Weise stellt sie allen Mitgliedern der Gesellschaft ein Medium der Identitätsbildung zur Verfügung, das von deren realer Verfügung über soziale und kulturelle Ressourcen unabhängig ist. Im Unterschied zu binnengesellschaftlicher Abgrenzung entstehen dabei weder soziale Gruppen noch durch die Zugehörigkeit zu ihnen gekennzeichnete Individualität. Rassistische Diskriminierung verweigert den Ausgeschlossenen solche Besonderung und erklärt sie zu charakterlosen Repräsentanten minderen oder mangelnden Menschseins. Die Zusammengehörigkeit der Ungleichen erzeugt Untermenschen.
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Anmerkungen 1
Die Definitionsprobleme des Rassismus ziehen sich bis in die neuere deutschsprachige Diskussion. Dabei gibt es neben Versuchen, die nach wie vor mit unterschiedlichen Varianten der Kategorie Rasse operieren, auch perspektivisch eingeschränkte Vorschläge, die sich politischen Optionen und spezifischen Fragestellungen verdanken, ohne auf allgemeine Formulierungen verzichten zu wollen. Susan Arndt (2005: 341) etwa begreift »Rassismus« als Strategie, mit der »Weiße aus einer weißen hegemonialen Position heraus Schwarze und People of Color« diskriminieren und ignoriert damit zentrale Dimensionen seiner Reichweite. Karin Priester (2003: 8), die ihn als »pseudowissenschaftliche Strategie zur Ablenkung von sozialen Konflikten und zur Legitimation von Vorherrschaft« versteht und »in Verbindung mit reaktionären, konservativen oder faschistischen Doktrinen, Organisationen und Programmen« bringt, muss anschließend von der Aufklärung bis zur Eugenik jeden ›universalistischen‹ oder ›linken‹ Beitrag zum Rassismus bestreiten oder unterschlagen. Wenn Imanuel Geiss (1988: 38) meint, »[z]um rassistischen Dogma [wäre] ›Rasse‹ durch die Korrelierung unterschiedlicher moralischer und geistiger Werte mit äußeren Merkmalen sowie durch ihre hierarchische Anordnung nach ›rassischen‹ Wertigkeiten« geworden, akzeptiert er nicht nur die Validität des Rassenbegriffs, sondern muss auch seine weit vor dessen Entwicklung zurück reichende Darstellung unter die nicht weiter diskutierte Kategorie »Proto-Rassismus« (ebd.: 49) subsumieren. Mark Terkessidis (2004: 98), der »Rassismus« durch »Rassifizierung«, »Ausgrenzungspraxis« und »differenzierende Macht« bestimmt, sieht sich anschließend gezwungen, Rasse zur »Urform der Naturalisierung von Unterschieden« zu erklären und dehnt so deren Bedeutungshorizont metaphorisch aus. 2 Die Einführungsliteratur zum Thema Rassismus und Rassismusforschung ist zwar umfangreich, aber analytisch häufig einseitig ausgerichtet und historisch begrenzt. Zwei umfassendere, wenn auch eurozentristisch angelegte geschichtliche Darstellungen sind Geiss (1988) und Delacampagne (2005). 127
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Mit Geschichte und Systematik des Rassenrassismus befassen sich kenntnisreich und aus unterschiedlichen Perspektiven Banton (1998) und Malik (1996); einen begrenzten Ausschnitt des Themas behandeln Mosse (1990) und Smedley (1999); immer noch lesenswert ist von zur Mühlen (1977). Wichtige Quellen versammeln Cashmore/Jennings (2001); einen vielseitig angelegten Reader haben Goldberg/Solomos (2002) vorgelegt. Unterschiedliche theoretische Ansätze werden in Harris (1999) und Back/Solomos (2000) dokumentiert. Verwiesen sei auch auf meinen eigenen Beitrag (Hund 2006), in dem ich versuche, Rassismus von seiner oft vorgenommenen einseitigen theoretischen Bindung an den Rassenbegriff zu lösen, auf seine weiter reichenden historischen Dimensionen zu verweisen und mit anderen Formen sozialer Diskriminierung, die mit Hilfe der Kategorien Geschlecht, Klasse, Nation und Kultur legitimiert werden, zu vermitteln. Wie erfolgreich er damit gewesen ist, zeigt nicht nur das zähe Festhalten einer nicht unbedeutenden Anzahl von Wissenschaftlern am biologischen Rassenbegriff, sondern auch dessen Virulenz in alltäglichen Debatten, wie sie z.B. die Diskussion zum Lemma Rassentheorien in der Internetenzyklopädie »Wikipedia« widerspiegelt. Dort konnte ein Benutzer mit dem Pseudonym »Hr. Philipp« über Wochen ultrarechte biologistische Positionen verbreiten, ehe er schließlich behauptete: »Schwarze scheinen […] leider die einzige Gruppe zu sein, die ohne Anweisung durch irgendwelche Kolonialherren nicht zu mehrheitlich zivilisiertem Verhalten befähigt ist, ein wenig wie Kinder die ja auch Anleitung durch Erwachsene brauchen. Sobald die Kolonialherren abziehen, ob nun aus Afrika oder Haiti, bricht im [N]u Chaos und Gewalt aus und Elend macht sich breit.« (http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Rassen theorien – Abschnitt 26.1, ›Sonstige Kommentare‹) Seine Mitarbeit wurde daraufhin gesperrt. Doch auch weniger rechtslastige Mitwirkende führten die Diskussion immer wieder mit dem Argument, das ein unter seinem Klarnamen »Dr. Meierhofer« schreibender Benutzer in den Satz fasste: »Rassismus bedeutet, dass die Angehörigen bestimmter Rassen wegen angeblicher Minderwertigkeit diskriminiert werden. Die An128
nahme von Rassen als solche ist gerade nicht rassistisch« (ebd., Abschnitt 4, ›Überarbeiten‹). Mit Hilfe der abstrusesten Beispiele wurde an vielen Stellen zu belegen versucht, dass die Existenz von Rassen schließlich für jedermann auf den ersten Blick sichtbar wäre und Rassentheorien deswegen einen biologischen Kern und ihre wissenschaftliche Berechtigung haben müssten. 4 Wenn eine im deutschsprachigen Raum verbreitete Einführung in die Rassismusanalyse erklärt, »daß der Begriff des Rassismus nur verwendet werden sollte, um das zu bezeichnen, was man im weitesten Sinne eine Ideologie nennen könnte«, greift sie deswegen genauso zu kurz, wie bei ihrer Gegenüberstellung von Ideologie und Wissenschaft (Miles 1991: 9, 58). In einer neu bearbeiteten Auflage der Originalausgabe dieser Studie setzt sich der Autor mit Kritik an dieser Position auseinander, an der er zwar letztlich festhält, dabei aber einen definitorischen Kompromiss anbietet: »Although Wieviorka (1995: 37) identifies three different ›types‹ of racism – a set of prejudices, opinions and attitudes that may be held by individuals or groups; a set of exclusionary practices, including exclusion from the labour market and subjection to violence; and a political programme or ideology – there is a potential consensus that racism is primarily an ideology […], but manifested in different ways.« (Miles/Brown 2003: 9, Hervorhebungen im Original) Dieses Entgegenkommen ist unzureichend. Zunächst muss das in vielen Ideologievorstellungen enthaltene Element der Falschheit (Eagleton 1993) auch als eines realer Verkehrungen begriffen werden, denen gegenüber Wissenschaft nicht einfach wahr ist, sondern ein soziales System umfasst, in dem die unterschiedlichen Formen rassistischer Diskriminierung jeweils auch von renommierten Wissenschaftlern (Philosophen, Theologen, Anthropologen usw.) theoretisch untermauert worden sind. Ferner ist die Frage nach dem Verhältnis von sozialstrukturellen und ideologischen Elementen des Rassismus nicht definitorisch zu lösen, sondern muss je historisch analysiert werden, weil häufig neue rassistische Strukturen mit überkommenen rassistischen Ideologien legitimiert werden, die ihrerseits teils modernisiert 129
und an die veränderten Verhältnisse angepasst oder ganz verworfen und durch andere ideologische Muster ersetzt werden (vgl. Kap. III). 5 Joe R. Feagin (2006: IX) hat sie am Beispiel der Washingtons, der ersten »first family«, erläutert. Zu ihr gehörten unter anderem auch Ann Dandrige und William Costin. Ann war die Halbschwester von Martha Washington, die deren Vater mit einer Sklavin gezeugt hatte, und wurde von dieser selbst als Sklavin gehalten. In dieser Zeit wurde Ann von Marthas Sohn aus erster Ehe vergewaltigt und gebar William Costin, der gleichzeitig Marthas Enkel und Neffe und ebenfalls Sklave war. Solche Beziehungen lassen sich auch für Jeffersons Familie zeigen. Es gilt heute als nahezu sicher, dass er mit seiner Sklavin Sally Hemings mehrere Kinder gehabt hat. Sie selbst ist wahrscheinlich die Tochter von John Wayles gewesen, die der von seiner Sklavin Elisabeth bekommen hat. Außerdem ist er der Vater von Martha Wayles, der Frau von Thomas Jefferson, der so mit seiner Frau und deren versklavter Halbschwester Kinder zeugt, von denen die einen dann Sklavendienste für die anderen leisten (vgl. u.a. www.monticello.org/plantation/ lives/sallyhemings.html). Es versteht sich von selbst, dass derartige Verhältnisse nicht auf ›Vorurteilen‹ beruhen, sondern in ihnen zugrunde liegenden ›Strukturen‹ der Herrschaft wurzeln. Diese bedürfen dringend der Rechtfertigung durch eine ›Ideologie‹, bei deren Durchsetzung und Tradierung ›Stereotype‹ eine vereinfachende und vermittelnde Rolle spielen. Dass diese die sie hervorrufenden Verhältnisse anschließend wieder stabilisieren, hat Nederveen Pieterse (1992: 11) den »vicious circle [of] stereotyping« genannt: »Social representation echoes social realities which are in turn modelled upon social representation.« 6 Wie wirkungsmächtig sie indessen auch innerhalb der Rassismusdiskussion sind, zeigt ein Gespräch zwischen Christoph Burgmer und Albert Memmi, in dem letzterer die Auffassung vertritt, dass »Rassismus« gleichzeitig »eine westliche Erfindung« und »Teil eines weit umfassenderen Mechanismus« sei, »der sowohl in der Welt der Menschen als auch der Tiere existiert« (Memmi 1999: 57). Er führe dazu, dass bei 130
Menschen wie Tieren »auf fast natürliche Weise […] das ausgegrenzt wird, was nicht zur Gruppe gehört«. Dieser Sachverhalt wird durch ein ihm offenbar einleuchtendes Beispiel illustriert: »Auch Löwen vertreiben alle Nicht-Löwen aus ihrer Gruppe« (ebd.: 51). Diese bislang weder von Ethologen noch Zoologen beobachtete Form der Gruppenbildung, bei der es entweder ursprünglich Nichtlöwen unter Löwen gibt oder Nichtlöwen in Löwenpopulationen einwandern und jedenfalls in beiden Fällen zur Ausbildung oder Wahrung einer Löwenidentität vertrieben werden müssen, verdeutlicht wider Willen die Wirkungsmächtigkeit und das Beharrungsvermögen der Argumentation des modernen Rassismus und seiner verschiedenen Varianten. Vor allem aber zeugt sie vom Gegenteil dessen, was ihr Erfinder klarmachen will. Rassismus ist eine Erscheinung der menschlichen Gesellschaft, die in deren herrschaftlicher Verfassung begründet liegt und sowohl herrschaftliche Verhältnisse wie daraus resultierende Spannungen und Verwerfungen erklären und legitimieren soll. Sie entspringt keinen wie auch immer gearteten Prozessen natürlicher Abgrenzung oder Bevorzugung. 7 Michel Wiewiorka (2002: 463) hat im Hinblick auf den gegenwärtigen Rassismus in Europa eine Strukturierung der »elementary forms of the phenomenon« vorgenommen, in der zahlreiche Elemente der im Folgenden (vgl. Kap. III und IV) entwickelten Kategorien in anderer Gewichtung auftauchen: »[O]ur first category includes prejudices, opinions, and stereotypes, as well as rumors, that is to say expressions which offer representations of the Other (and of oneself) which favor the ingroup at the expense of the outgroup […]. Our second category includes forms of racism expressed as segregation behavior. The latter is sometimes directly and explicitly racial, and sometimes the product of social and economic processes […]. Segregation is based on an attitude of differentiation; discrimination, which defines a third category of forms of racism, has more to do with hierarchization. Here we are not dealing with exclusion, but with less favorable forms of treatment of the victim group […]. A fourth category, which ranges from racial harassment to the barbarism of genocide, includes racial 131
violence […]. Finally, we would like to add two further categories or elementary forms of racism: first, political racism, that is, racism contained in the programs of political bodies […], and second, ideological and doctrinaire racism as it is theorized in writings whose main objective is using racist ideology in an explanation of the world.« Diese Typenbildung verzichtet nicht nur auf eine Reflexion historischer Erscheinungsformen des Rassismus und seiner Vermittlung mit anderen Formen sozialer Diskriminierung, sondern begibt sich damit auch einer Reihe bedeutsamer Kriterien für die Auseinandersetzung mit den aktuellen Formen des rassenbezogenen wie des kulturalistischen Rassismus. 8 Steven Salaita (2006: 5 u. passim) beschreibt die Flexibilität und Willkürlichkeit rassistischer Zuschreibungen, wenn er über Diskriminierungen berichtet, die ihm als Araber in den USA nicht nur in Form des antiarabischen Rassismus begegnet sind, sondern auch die Erfahrung einschließen, als Inder, Indianer, Schwarzer oder Mexikaner eingestuft und verunglimpft zu werden. Er weist außerdem auf die verschiedenen Dimensionen des antiarabischen Rassismus hin, der mit antifundamentalistischen, islamophobischen und kulturalistischen Argumenten Araber je nach Bedarf als Barbaren, Böse, sand nigger, Wilde u.Ä.m. konstruiert und dabei verschiedene Formen der bipolaren Logik des Rassismus kombiniert. 9 Eine ähnliche Interpretation findet sich bei Yasuko Takezawa für die Burakumin in Japan. Diese diskriminierte Kaste ist schon früher »Japan’s invisible race« genannt worden (Hund 2006: 52). Takezawa (2005: 11) macht deutlich, dass ihre Herabminderung nicht einfach auf Vorurteilen beruhte, sondern staatlich durch ein »law of non-interaction« erzwungen und den Burakumin dadurch »the status characteristics of the hinin […] (lit. non-human)« zugewiesen wurde. Sie verweist gleichzeitig darauf, dass den Burakumin keine äußeren Anzeichen möglicher Andersartigkeit anzusehen waren, sodass »visible differentiation by clothing was enforced due to the absence of physically distinguishable signs« (ebd.: 12). Trotzdem besteht sie darauf, die rassistische Entmenschlichung der Burakumin mit Hilfe des Rassenbegriffs fassen zu können, weil 132
»alien racial origin theory and institutionalized discrimination already existed in the pre-modern period in a society outside the west, namely Japan« (ebd.: 10). Offensichtlich operierte die Diskriminierung der Burakumin aber ursprünglich nicht mit behaupteten Unterschieden angenommener Rassen, sondern mit dem Gegensatz von Reinen und Unreinen. Dass der nach der Rezeption der europäischen Rassentheorien rassisiert werden konnte, spricht nicht für die Universalität der Rassenvorstellung, sondern belegt die Durchlässigkeit und Kompatibilität rassistischer Ausgrenzungsmuster. 10 Dieser Tatbestand wird in der Rassismusforschung häufiger ignoriert und dadurch eine zentrale analytische Perspektive verstellt. Wenn Imanuel Geiss (1988: 117) den »atemberaubenden Aufstieg« der Conversos beschreibt und schlussfolgert, die »Zwangstaufen« hätten insofern nichts genutzt, weil danach in »neuer Gestalt« wieder »›Juden‹« »weite Teile der spanischen Gesellschaft« »dominierten«, übertreibt er den Einfluss der Neuchristen und umgeht das Problem ihrer Bezeichnung, die sich nicht nur auf Konvertierte der ersten Generation, sondern auch auf deren Nachkommen bezog. Vor allem aber blendet er die Frage aus, wie aufrechte Christen mit Hilfe der Ideologie der Blutsreinheit und den Mitteln der Inquisition zu Abstammungsjuden gemacht wurden. Karin Priester (2003) schreibt diese Auffassung nicht nur fort, sondern gleitet auch noch in essentialistische Rhetorik ab. Für sie mussten die Conversos und ihre Nachkommen gar nicht erst zu Anderen gemacht werden, sondern sind es immer schon gewesen, weil sie angeblich in einer »riesigen Anzahl« nur formal dem Christentum beitraten, heimlich aber »ihrem alten Glauben treu« blieben. Tatsächlich zeigen, wie Norman Roth (1995: 115) in einer akribischen und minutiösen Studie herausgearbeitet hat, sowohl christliche als auch jüdische Quellen, »that the overwhelming majority of the conversos were quite sincere Christians«. Während es hier also zu erklären gilt, warum und wie tatsächliche Christen zu verkappten Juden gemacht wurden, heißt es bei Priester (2003: 31), der Adel hätte sich durch die Conversos »bedroht« gefühlt und allenthalben wäre »der Unmut über die misslie133
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bige jüdische Konkurrenz« gewachsen. Unter der Hand sind Conversos und ihre Nachkommen zu ›missliebigen Juden‹ geworden. Die Frage nach der rassistischen Konstruktion der Anderen mit Hilfe des Gegensatzes von ›rein‹ und ›unrein‹ taucht überhaupt nicht erst auf. In der abendländischen Kultur gibt es diesbezüglich eine weit zurück reichende Tradition Frauen betreffender sexistischer Unreinheitsbezichtigungen, deren Dimensionen (zum Beispiel bei der Auslegungen der Bestimmungen über Reinheit und Unreinheit im Buch Levitikus) bis heute kontrovers diskutiert werden (Bachmann 2003). Die dabei formulierten Regeln diskriminieren geschlechtsspezifisch – so soll etwa, wie es in Levitikus 12, 2 u. 5 heißt, eine Frau nach der Geburt eines Sohnes sieben Tage, nach der eines Mädchens hingegen zwei Wochen unrein sein. Damit verbinden sich Verdächtigungen, die keinesfalls längst überwunden sind. Jean Delumeau (1985: 457ff.) zum Beispiel, der meint, die »Feindschaft« zwischen den Geschlechtern sei triebhaft und »schon von jeher dagewesen«, berichtet nicht nur vom historischen »Abscheu vor dem ›anderen Geschlecht‹«, der »durch das Schauspiel eines Wesens verstärkt« worden sei, »das der Materie näher stand als der Mann und daher schneller und sichtbarer ›vergänglich‹ war als er, der den Geist zu verkörpern beanspruchte«, sondern fragt doch tatsächlich auch: »Bedeutete für die männliche Mentalität die Palette weiblicher Parfums nicht eine Vertuschung der verborgenen oder bereits sichtbaren Verwesung seiner Partnerin?« Jean Delumeau (1985) setzt sich ausführlich mit den »Agenten Satans« (ebd.: 387-510) auseinander. Dabei weist er zwar darauf hin, dass Amerika nach seiner Entdeckung als Herrschaftsbereich des Teufels galt und seine Bewohner gleichzeitig mit dem theoretischen Inventar der Antike von Juan Ginés des Sepúlveda als barbarische »Untermenschen« eingestuft wurden (ebd.: 388) oder dass Erasmus von Rotterdam die Türken als Strafe Gottes interpretierte, die wie weiland die Heuschrecken über Ägypten über die Christenheit gekommen seien, und diese Einschätzung mit Überlegungen verband, wie sich »die abscheuliche Türkenrasse vernichten« 134
ließe (ebd.: 409). Insgesamt fehlt aber jede rassismustheoretische Reflexion, sodass selbst Bezeichnungen aus dem Wortschatz des modernen Rassismus auf dem Umweg über französische Übersetzungen der Quellentexte in seine Zitate einwandern können. 13 In der zweiten Auflage (Miles/Brown 2003: 30ff.) ist zwar der ursprünglich vergessene Antisemitismus nachgetragen worden, ohne dass das allerdings zu weiter reichenden Überlegungen Anlass gegeben hätte. Stattdessen folgen die Autoren der häufiger gemachten Unterscheidung zwischen mittelalterlichem Antijudaismus und modernem Antisemitismus mit dem Argument, ersterer hätte es den Juden ja ermöglicht, zu konvertieren. 14 Dass seine Überlegungen außerdem eurozentristisch verkürzt sind, unterscheidet sie nicht von meinen eigenen Ausführungen. Das liegt nur bedingt an sprachlichen Kompetenzen und ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Rassismusforschung bislang intensiv vom Rassenbegriff hat leiten lassen und deswegen entweder die Vormoderne weltweit ignoriert oder aber bei außereuropäischen und historisch weiter zurück reichenden Analysen nach Entsprechungen für das spätere Rassenverständnis, nicht aber nach anderen Formen rassistischer Diskriminierung sucht. Zwar gibt es durchaus Hinweise darauf, dass zum Beispiel die Chinesen noch im 19. Jahrhundert von ihnen als Barbaren betrachtete Andere auch dämonisiert und als »›white devils‹ (baigui) and ›black devils‹ (heigui)« (Dikötter 1992: 38) bezeichnet haben oder etwa die Ainu von den Japanern ursprünglich für »barbarians« und »a variety of demon« (Siddle 1997: 19) gehalten worden sind. Selbst unter Titeln wie »›Barbaren‹ und ›Weiße Teufel‹« gibt es dazu keine Analyse, sondern nur den allgemeinen Hinweis, dass Europäer in Asien als »Barbaren«, »Ungläubige«, »Unreine« oder »weiße Teufel« bezeichnet worden sind (Auch/Förster 1997: 12). Hinsichtlich der abendländischen Geschichte ist unter anderem ebenfalls darauf verwiesen worden, dass die von den Kirchenvätern entwickelte »Christian metaphor of the Ethiopian as sinner, and as devil […], had a negative effect over time and did con135
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tribute toward a developing racism« (Goldenberg 2003: 50). Doch solche Überlegungen haben in der Regel nicht zu einer erweiterten Rassismusdiskussion geführt. Am Ende dieser Entwicklung transformierte Joseph Conrad den Kannibalenmythos in ein Zeichen für die angebliche Gefährdung der Zivilisation durch das Wilde im Menschen und verdichtete diese Vorstellung zu einer Erzählung, deren rassistischer Gehalt durch ihr literarisches Niveau nicht abgegolten werden kann. Denn um zu demonstrieren, dass das »Heart of Darkness« in uns allen schlüge, inszenierte er auf dem Kongo eine Schiffstour ins Innere Afrikas, die ihm zwar Gelegenheit bot, die Brutalität des belgischen und deutschen Imperialismus anzuprangern, dessen englische Variante damit aber stillschweigend in umso besseres Licht stellte. Und um den kurzen Weg des zivilisierten Europäers zurück zur mühsam überwundenen Wildheit zu verdeutlichen, gestaltete er die Fahrt als Zeitreise »to the earliest beginnings of the world«, die in »the night of first ages« zum »prehistoric man« führte, der in Gestalt afrikanischer Wilder dazu bestimmt war, den Europäern den Spiegel vorzuhalten. Um ferner plausibel zu machen, dass die »wilderness« den Zivilisierten Dinge zuflüsterte, die sich als »irresistibly fascinating« erwiesen, fügte er dem Trommeln und Tanzen die »wild and gorgeous apparation of a woman« hinzu. In inniger Verbindung von Rassismus und Sexismus schilderte er sie als »savage and superb, wild-eyed and magnificent« und erklärte sie zur Verkörperung der »immense wilderness«, indem er suggerierte, dass diese auf jene wie auf das »image of its own tenebrous and passionate soul« zu blicken schien. Im Manuskript schien ihm dieser Symbolismus noch nicht dick genug aufgetragen zu sein, sodass er den später gestrichenen Satz hinzufügte: »And we men looked at her – at any rate I looked at her.« Um schließlich zu symbolisieren, dass der weiße Herr Kurtz, der sich mit der wilden Frau eingelassen und sich dem Zauber der Wildnis ergeben hatte und dafür selbstverständlich von den Wilden so verehrt wurde, wie es den »whites« als »supernatural beings« gebührte, im Herz der Finsternis die »darkness of his heart« freigelassen hatte, 136
postierte er um dessen Hütte einige auf Pfosten steckende Totenschädel, die er »symbolic« nannte und auch hier im Manuskript noch meinte, deutlicher werden zu müssen, weshalb er zunächst schrieb: »symbolic of some cruel and forbidden knowledge«. Weil es in diesem Zusammenhang aber um die »gratification« der »various lusts« von Herrn Kurtz ging, konnte er auch ohne diesen Zusatz sicher sein, verstanden zu werden. Nicht umsonst hatte er seine vorsintflutlichen Afrikaner vorausschauend als »canibals« angelegt und mit der Lust auf Menschenfleisch ausgestattet … 16 Dass schließlich der berühmteste Propagandist der angeblichen Paradiese der Südsee, Paul Gauguin, dort an den Folgen einer aus Europa mitgebrachten Syphiliserkrankung starb, ist nicht die einzige notwendige Anmerkung zum Thema Syphilis und Rassismus. Ihr perfidester Zusammenhang zeigte sich im »Tuskegee Syphilis Experiment«, das von 1932 bis 1972 dauerte und nur abgebrochen wurde, weil die Presse darüber berichtete. Während dieser Zeit führte das United States Public Health Service ein als wissenschaftliche Studie verstandenes Menschenexperiment mit 600 Männern durch. 399 von ihnen hatten Syphilis, die anderen dienten als Kontrollgruppe. Sozial stammten die Kranken als sharecroppers aus der Unterschicht, dem nordamerikanischen Rassenverständnis nach waren sie Schwarze. Ihnen wurde erklärt, sie litten an »bad blood«. Gleichzeitig unterließen die Mediziner die Anwendung therapeutischer Mittel und taten alles, um eine gezielte Behandlung zu unterbinden. Sie unternahmen, wie es in der »New York Times« vom 26.7.1972 hieß, »the longest nontherapeutic experiment on human beings in medical history«. Sein Ziel war das Studium des Verlaufes der Syphilis in ihren verschiedenen Stadien. Dafür wurden die Kranken Leiden bis zum Tod ausgesetzt und man ließ zu, dass sich deren Frauen und Kinder infizierten (Jones 1993; Reverby 2000). 17 Der Erfolg der von Abgrenzungsbereitschaft flankierten Integrationsbemühungen europäischer Einwanderer wurde nicht nur ideologisch durch das Privileg der Weißheit belohnt. Er schlug sich auch wissenschaftlich nieder und zeigte 137
sich zum Beispiel in den Vereinigten Staaten in der analytischen Trennung von ›Rasse‹ und ›Ethnizität‹. Die Einstufung der Neuankömmlinge als kulturell Fremde eröffnete ihnen die Perspektive der Assimilation, während die Festschreibung der Afroamerikaner als rassisch andere die Naturalisierung sozialer Distanz und Diskriminierung fortsetzte (Bös 2005: 100ff.). Das bedeutete indessen nicht, dass die so erworbene und legitimierte Weißheit ein erbliches Privileg gewesen wäre. Als soziale Kategorie musste sie ohnehin durch gesellschaftliches Handeln immer wieder neu realisiert werden. Außerdem wurde sie durch andere Elemente sozialer Differenzierung beeinflusst. Die Kategorie des ›white trash‹ verdeutlicht, dass der Weißheit Grenzen gesetzt waren, die durch die Diagnose sozialen Fehlverhaltens und moralischen Versagens überschritten werden konnten, und zeigt, dass Weißheit als ein »flexible set of social and symbolic bounderies« begriffen werden muss (Wray 2006: 6). 18 Die Beziehung von Krankheit und Vernichtung wurde dabei nicht nur im Fall psychischer Auffälligkeit oder sozialer Unerwünschtheit diskutiert, sondern erhielt durch die Entwicklung der Bakteriologie weit reichende Dimensionen, die an schon existierende Schädlingsvorstellungen (Jansen 2003) anknüpften und durch die ideologisch motivierte Zusammenfassung von Erregern, Überträgern und Wirten zu rassistischen Politiken der Kontrolle und Vorbeugung führten. Paul Weindling (2000) hat am Beispiel des Fleckfiebers die Konstruktion einer Verbindung zwischen Bakterien, Läusen, Schmutz und Juden gezeigt, die im Verlauf des Ersten Weltkrieges von den Deutschen im besetzten Polen in eine rigide Desinfektionspolitik umgesetzt wurde. Philipp Sarasin (2007: 455f.) hat darauf verwiesen, dass die metaphorische Gleichsetzung von Bakterien und Infizierten dazu dienen konnte, das ›Undenkbare‹ sowohl zu formulieren als auch umzusetzen. So bezeichnete Robert Koch als »das einfachste Mittel, um die Tuberkulose rasch zu beseitigen«, das »nicht möglich[e]« Verfahren, »die gesamten Tuberkulösen zu isolieren und unschädlich zu machen«. An »diesen idealen Zustand« könnte man allerdings »nicht denken«. Gut 30 Jahre 138
später zeigten sich die Nationalsozialisten dazu in der Lage. Der Vorschlag, »im Warthegau die Fälle der offenen Tbc. innerhalb des polnischen Volkstums ausmerzen zu lassen«, zielte direkt auf Menschenvernichtung. 19 Diesen Zusammenhang übersieht z.B. Jürgen Osterhammel (2000: 40), der im Zusammenhang mit Überlegungen zur transatlantischen Geschichte der Sklaverei die »kostbaren Seiten über Herr und Knecht« bei Hegel unkritisch auf das neuzeitliche Verhältnis von Sklaven und Sklavenhalter bezieht. Orlando Patterson (1982: 97-101) hat in seinen Überlegungen zu »Hegel and the Dialectics of Slavery« gezeigt, dass dessen Überlegungen zum Kampf um Anerkennung ein entscheidendes Element ausblenden (das im Übrigen auch in der historischen Vorlage für sein Gleichnis, der antiken Sklavengesellschaft, diese wichtige Rolle spielte) – die armen Freien: »The poorest free person took pride in the fact that he was not a slave. By sharing in the collective honor of the master class, all free persons legitimized the principle of honor and thereby recognized the members of the master class as those most adorned with honor and glory« (ebd.: 99). Mit anderer Schwerpunktsetzung ist von Frantz Fanon (1980) im Abschnitt »Der Neger und Hegel« seiner Studie »Schwarze Haut, weiße Masken« erklärt worden, dass im Verhältnis der transatlantischen Sklaverei die »Gegenseitigkeit« der Anerkennung fehle (ebd.: 138). Zusätzlich hat er dabei auf den sexistisch geprägten Charakter des weißen Suprematismus hingewiesen und betont, »diese Erkenntnis« wäre von »Hegel nicht beschrieben« worden (ebd.: 44). 20 Hannah Arendt betrieb diese Dekulturierung Afrikas ganz bewusst, indem sie einmal das eigentliche Verbrechen des Rassismus dort sah, wo er auf die kultivierten Völker Asiens angewandt wurde, und indem sie zum Beleg für die prähistorischen Lebensverhältnisse der Menschen Afrikas die fiktionale Konfrontation der Weißen mit ihrem eigenen inneren Wildsein durch die Reise auf dem Kongo ins Innere Afrikas in Joseph Conrads Novelle »Heart of Darkness« zitierte. Richard J. Powell (1997: 28) hat am Beispiel anderer Literatur, des Gedichtes »The Congo: A Study of the Negro Race«, auf 139
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die stereotype Dimension und Wirkung solch mythologischer Bilder hingewiesen, die selbst in die Kunst des »New Negro Arts Movement« der »Harlem Renaissance« Eingang fanden und zur Verbreitung der Vorstellung eines »imagined ›dark continent‹« beitrugen. Er hätte hinzufügen müssen, dass der Kongo zur Zeit seiner ›Entdeckung‹ durch Europa ein afrikanisches Königreich war, mit dem Portugal 1489 in diplomatische Beziehungen trat und einen anschließenden Kulturaustausch organisierte, in dem, wie Albert Wirz (1984: 89) betont hat, »die Afrikaner […] als ebenbürtige Partner erlebt« wurden. Erst durch die Wirkungen des transatlantischen Sklavenhandels hätten die Europäer diese Zusammenhänge »vergessen« und stattdessen begonnen, »die Afrikaner oder Neger, wie man sich zu sagen angewöhnt hatte, als ›Kindervolk‹ (Hegel) und als eine ›minderwertige Rasse‹ zu betrachten«. Das Afrikabild Hannah Arendts steht in dieser Tradition. Demgegenüber begnügt sich Boris Barth (2006) mit der Feststellung, »die australischen Autoritäten« hätten angenommen, »daß sich die Lebenschancen dieser Kinder deutlich verbessern würden, wenn sie von Europäern und nicht von einer Jäger-Sammler Gesellschaft erzogen würden«. Schließlich wäre es »[a]uch in der demokratischen Welt […] in der Vergangenheit selbstverständlich« gewesen, »daß Kinder armen Müttern fortgenommen wurden, wenn die Lebenschancen bei einem finanziell gut gestellten weißen Vater besser waren« (ebd.: 31). Dieser Einwand wird zu der Feststellung verallgemeinert, »daß die Verschleppung von Kindern allein keinen Genozidverdacht auslösen kann«. Zu deren Begründung heißt es lapidar, »sonst stünde die gefestigte australische Demokratie am Pranger, weil dort die Kinder von Aborigines zwangsweise in Internate und Schulen eingewiesen, bzw. ihren Müttern weggenommen worden sind« (ebd.: 20f.). Diese Ausführungen verkennen die Zusammenhänge gleich mehrfach. Zunächst benutzen sie die Betonung des demokratischen Elements zur Unterstellung guter Absichten, mit denen eine auf rassistische Desozialisation und Auslöschung gerichtete Politik per se nicht vereinbar sein könnte. 140
Dabei unterschlagen sie, dass sich Australien in einem von rassistischer Propaganda begleiteten Prozess zur Nation konstituiert hat. Ferner blenden sie den Zusammenhang von Demokratie und Eugenik und die umfangreiche Diskussion über Armut und Degeneration aus, die für ›Kinder armer Mütter‹ häufig ganz andere Pläne hatte, als sie ›gut gestellten‹ Vätern zu übergeben. Schließlich übergehen sie die Differenzen zwischen einer klassistisch motivierten und auf Inklusion gerichteten Kindswegnahme innerhalb eines ›weißen‹ Sozialverbands und der rassistisch begründeten Wegnahme ›schwarzer‹ Kinder aus einer für primitiv gehaltenen Gesellschaft, deren als unvermeidlich angesehenes Aussterben auf diese Weise beschleunigt werden sollte. 22 Frank Oliver Sobich (2006) hat an diesem Beispiel die enge Verbindung von Klassenrassismus und Rassenrassismus gezeigt, die nicht nur auf eine lange Tradition bauen konnte, sondern sie in der Auseinandersetzung mit dem Widerstand von Afrikanern in den Kolonien und der Arbeiterbewegung im Reich auch aktualisierte. In die Charakterisierung der Lebensweise der eigenen Unterschichten flossen dabei zentrale Elemente des für die Kennzeichnung der Bevölkerung in den Kolonien entwickelten Wildenstereotyps ein: »Fast alle Elemente des Naturwesen-Schemas – übersteigerte Sexualität, kein Verständnis für die Bedeutung von Sauberkeit und Ordnung, Faulheit und Undiszipliniertheit, Unfähigkeit zu abstraktem Denken bei gleichzeitiger instrumenteller Intelligenz, um materielle Zwecke zu erreichen – lassen sich bei der Beschreibung der proletarischen Welt in den 1890er Jahren wiederfinden« (ebd.: 158). 23 Egon Flaig (2006) lobt aus dieser Perspektive die Kreuzzüge, bei denen es darum gegangen wäre, »bedrängten Christen zu Hilfe zu kommen«, und behauptet: »Wäre Konstantinopel schon 1100 gefallen, dann hätte die enorme militärische Kraft der türkischen Heere Mitteleuropa vierhundert Jahre früher heimgesucht. Dann wäre die vielfältige europäische Kultur wahrscheinlich nicht entstanden: keine freien städtischen Verfassungen, keine Verfassungsdebatten, keine Kathedralen, keine Renaissance, kein Aufschwung der Wis141
senschaften; denn im islamischen Raum entschwand das freie – griechische! – Denken eben in jener Epoche. Jacob Burckhardts Urteil – ›Ein Glück, daß Europa sich im ganzen des Islams erwehrte‹ – heißt eben auch, daß wir den Kreuzzügen ähnlich viel verdanken wie den griechischen Abwehrsiegen gegen die Perser.« 24 Zur Vorgeschichte der Fernsehserie gehört ihr Erfolg als Radiosendung, die zwei weiße Autoren und Interpreten ab 1928 mit einem aus ihrer Perspektive komischen schwarzen Slang bestritten. Sie standen damit in der Tradition der Minstrel-Shows und demonstrierten das zusätzlich dadurch, dass sie in einer 1930 unter dem Titel »Check and Double Check« verfilmten Version ihres Radioerfolgs als Schauspieler in blackface mit schwarz geschminkten Gesichtern, übertrieben hervorgehobenen Lippen und rollenden Augen auftraten. Für die Fernsehserie, die ab 1951 in über 70 Folgen ausgestrahlt wurde, verpflichtete man dann schwarze Schauspieler, die aber karikierte Charaktere darstellen und sich einer entsprechenden Sprache bedienen sollten. Einer der Autoren versuchte, den Schauspielern sprachliche Nachhilfe zu erteilen – »a white man teaching a negro how to act like a white man acting like a negro« (www.ferris.edu/jimcrow/question/oct 05/). Die National Association for the Advancement of Colored Peoples protestierte gegen die Sendungen und versuchte vergeblich, ihre Ausstrahlung gerichtlich zu verhindern. 25 Eine Vielzahl rassistischer Stereotype schwarzer Amerikaner – wie »Jim Crow«, »Brute«, »Tom«, »Picanniny«, »Jezebel«, »Mammy«, »Coon«, »Golliwog« – hat David Pilgrim für das Jim Crow Museum of Racist Memorabilia der Ferris State University beschrieben (www.ferris.edu/jimcrow/menu. htm). Über ihre mediale Repräsentation haben Marlon Riggs 1987 und Melvin van Peebles und Mark Daniels 1998 die Filmdokumentationen »Ethnic Notions« (eine Transkription ist unter www.newsreel.org/transcripts/ethnicno.htm zugänglich) und »Classified X« gedreht. Im Spielfilm ist die Thematik 2000 durch Spike Lee in »Bamboozled« behandelt worden. Eine Kritik alltäglicher Stereotypisierungen findet
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sich bei Nederveen Pieterse (1992), speziell mit Comics beschäftigt sich Strömberg (2003). 26 Im Verlauf dieser Entwicklung schrieb Franz Kafka die gültige Parabel rassistischer Ausgrenzung. »Die Verwandlung« handelt von Gregor Samsa, der so unermüdlich für seine Familie sorgt, dass seine Mutter überzeugt ist, er hätte »nichts im Kopf als das Geschäft« und der sich für einen Chef abmüht, der die Menschen in entweder »ganz gesunde« oder aber »arbeitsscheue« Exemplare einteilt. Weil in seinem Beruf nie ein »herzlich werdender menschlicher Verkehr« entsteht, wird er schließlich krank. Sein Scheitern an den gesellschaftlichen Ansprüchen erlebt er als Verwandlung aus einem Menschen in einen Käfer. Dass es sich dabei um ein Leiden an der Gesellschaft handelt, macht er sowohl zu Beginn als auch am Ende der Erzählung deutlich. In beiden Fällen läuft das darauf hinaus, dass er sich seinen Tierstatus von den anderen bestätigen lassen will. Anfangs zeigt er sich »begierig zu erfahren, was die anderen […] bei seinem Anblick sagen würden«. Am Schluss hört er von seiner Schwester die Überzeugung, das Insekt könnte unmöglich ihr Bruder sein: »Wenn es Gregor wäre, er hätte längst eingesehen, daß ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen.« In seiner theoretisch unter verschiedenen Gesichtspunkten für verschiedene Fälle rassistischer Diskriminierung als ›Selbsthass‹ beschriebenen Ohnmacht unterwirft er sich dieser Auffassung schließlich selbst: »Seine Meinung darüber, daß er verschwinden müsse, war womöglich noch entschiedener, als die seiner Schwester.« Zu dieser Zeit nennt ihn die Familie nur noch »Untier« und spricht davon, »es loszuwerden«. Nach seinem Tod verkündet die Zugehfrau, »es« sei »krepiert«. Die Verwandlung selbst realisiert zentrale körperlichkulturelle Topoi der Herabminderung. »Es« ist von »ekelhafter Gestalt« bzw. ein »unerträglich[er] […] Anblick«, kann nicht verständig sprechen, sondern hat eine »Tierstimme«, riecht schlecht und ernährt sich von Abfall. Darum muss »es« abgesondert werden. Sein Zimmer wird leergeräumt, in
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eine Rumpelkammer verwandelt und zu einem Reservat gemacht, dessen Verlassen als ›Ausbruch‹ gilt. Der aus einem Mitglied der eigenen Gruppe zum Tier gemachte Andere versinnbildlicht rassistische Entmenschlichung und durch sie legitimierte Exklusion und Vernichtung. 27 Einen Überblick zu den verschiedenen Seiten der Thematik gibt die Seite www.jimcrowhistory.org. Dort finden sich auch zwei Übersichten zu den verschiedenen Gesetzen in den Südstaaten (www.jimcrowhistory.org/geography/geography. htm) und den übrigen Staaten (www.jimcrowhistory.org/ geography/outside_south.htm) der USA. Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Frage beschäftigt sich Klarman (2004). Einen Abriss der Geschichte bietet Wormser (2003). Zum Hintergrund der Namensgebung, die auf eine populäre Figur aus den blackface minstrels zurückgeht, siehe auch www.ferris.edu/jimcrow/menu.htm. 28 Dieser Begriff steht seit seiner Verwendung im Rahmen eugenischer Ideologie und Politik im Wörterbuch des Rassismus. Auch gegenwärtig wird er nicht nur als vermeintlich neutrale Bezeichnung benutzt, wenn etwa der Koordinator der Arbeitsgruppe »Reproduktionsmedizin und Embryonenschutz« der Akademie für Ethik in der Medizin erklärt, »dass es mehrere tausend, meist sehr seltene, monogene Erbleiden gibt, und wohl jeder Mensch mit hoher Wahrscheinlichkeit mischerbiger Anlageträger für eine oder mehrere Erbkrankheiten ist, ohne es zu wissen« (www.uni-protokolle.de/nach richten/id/70398/). Auch das Alltagsbewusstsein hält an dem Begriff fest und hat ihn z.B. als Stichwort in der Internetenzyklopädie »Wikipedia« verankert, dessen Problematik schon bei seiner Definition beginnt, wonach »[u]nter dem Oberbegriff Erbkrankheit […] Erkrankungen und Besonderheiten zusammengefasst« würden, »die durch untypisch veränderte Erbanlagen ausgelöst werden oder zu bestimmen Erkrankungsdispositionen führen« (http://de.wikipedia.org/wiki/ Erbkrankheit). Neben der Einordnung der Disposition als Krankheit enthält der Artikel weitere problematische Eintragungen und Verweise. Beim als Erbkrankheit aufgelisteten Albinismus etwa wird nicht nur der Rassenbegriff (»Die 144
Haut und Haarfarbe von Menschen aus Rassen mit dunkler Haut ist immer heller als die ihrer nicht albinotischen Verwandten. Menschen aus Ländern mit heller Haut und Haarfarbe wie beispielsweise aus Skandinavien, sehen dagegen oft völlig normal aus«), sondern auch die Rhetorik des Normalismus unkritisch verwandt. Sie findet sich auch bei der Beschreibung der Auswirkungen (»Die geistige Entwicklung von Menschen mit Albinismus ist normal. Deshalb können sie meist, obwohl der Stoffwechseldefekt nicht therapiert werden kann, mit Hilfe von Sehhilfen, getönten Kontaktlinsen oder entsprechendem Hautschutz ein ganz normales Leben führen«), ohne zu einer Reflexion über das Verhältnis von ›Normalität‹ und ›Krankheit‹ zu führen (http://de.wikipedia. org/wiki/Albinismus).
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