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German Pages 393 [396] Year 2023
Mate Eichenseher „Die elenden Tagelöhner der Unterwelt“
Mate Eichenseher
„Die elenden Tagelöhner der Unterwelt“ Die kulturelle Herstellung sozialer Ordnungen in historischen Presseerzeugnissen
ISBN 978-3-11-122109-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-124711-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-124737-3 Library of Congress Control Number: 2023939768 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Collage aus Pécser und Budapester Zeitungstiteln, gestaltet von Aikaterini Filippidou Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Danksagung
IX
1
Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien
1
2
Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“ Perspektiven der Presse auf den Streik der Pécser Bergarbeiter. Eine einführende exemplarische Bildinterpretation 6
3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes 10 3.1 Die Eingrenzung des Feldes auf den Pécser Bergarbeiterstreik von 1893 10 12 3.2 Zeitungen als Kollektivakteure 3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen 14 4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise 24 4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische 24 Untersuchungen 4.2 Die Grounded Theory als Methode zur kulturwissenschaftlichen Untersuchung historischer Pressemedien 32 4.3 Der Modus Operandi bei der Bearbeitung der Zeitungstexte 35 38 4.4 Berichtsflauten und Berichtsfluten in der Pécser Lokalpresse 4.5 Die räumlichen Facetten meiner empirischen Forschung 43 4.6 Ergänzende Produkte der historisch-ethnographischen Presseforschung 48 5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft 52 5.1 Geschichtswissenschaftliche Forschungen über Arbeiter, Bergarbeiter und 53 über den Bergarbeiterstreik von Pécs 5.2 Arbeiter und Bergarbeiter in sozialwissenschaftlichen Forschungen, insbesondere in Ungarn 59 5.3 Das Bürgertum in der Geschichtswissenschaft 61 5.4 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen der Interaktion des Bürgertums mit der Arbeiterschaft 67 5.5 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Presseerzeugnissen, insbesondere der Pécser Zeitungen 69
VI
5.6 5.7 5.8
Inhalt
Sozialwissenschaftliche Untersuchungen von Medien und ihre 75 Potenziale Die Erforschung sozialer Ordnungen und Räume in den ethnographischen Sozialwissenschaften 78 Resümee 81
6
Historische Einbettung: Die Stadt Pécs, ihre Bergarbeiter und die 83 Lokalpresse 6.1 Die Stadt Pécs im Jahre 1893 83 6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft 94 7 7.1 7.2
7.3 7.4
8
8.1 8.2 8.3 8.4
9
„Befehlende und Gehorchende“. Die Analyse der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1893 125 Die „Befehlenden“. Die Behörden und ihre Vertreter in der 130 Streikberichterstattung der Fünfkirchner Zeitung Das multinationale Unternehmen und die Magyarisierung. Die Betrachtung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und ihrer Repräsentanten in der 142 Fünfkirchner Zeitung Die „Gehorchenden“. Die Bergarbeiter aus der Perspektive der Fünfkirchner Zeitung 149 Von „Befehlenden und Gehorchenden“. Die Gesellschaftskonstruktion der 161 Fünfkirchner Zeitung in ihrer Streikberichterstattung im Jahre 1893 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen in den Kolonien“. Die Berichterstattung der Pécsi Figyelő über den Bergarbeiterstreik von 1893 169 Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in der Pécsi Figyelő 172 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő 178 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő 199 Das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“. Die soziale ‚Topographie‘ in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő von 1893 212
Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“. Die Analyse der Berichterstattung der Pécsi Napló über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1893 218 9.1 „Der Streik der Bergarbeiter“ in der Tageszeitung Pécsi Napló 219
Inhalt
9.2 9.3
9.4 9.5
VII
Die Öffentlichkeit und die Behörden in den Berichten der Pécsi 223 Napló „Hier wie dort ist der deutsche Geist stark, man will den Ungarn nicht verstehen.“ Die Darstellung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und ihrer Repräsentanten in der Pécsi Napló 234 Einwanderer und Bergarbeiter in der Berichterstattung der Pécsi 238 Napló Von den „elenden Tagelöhnern der Unterwelt“ zur ungarischen Unterschicht. Die Berichterstattung der Pécsi Napló über den 249 Bergarbeiterstreik von 1893
10 Resümee: Die Praxis der kulturellen Positionierung der Bergarbeiter im sozialen Raum in der Streikberichterstattung der Pécser 253 Lokalpresse 10.1 Die historische Medienethnographie der Pécser Streikberichterstattung von 1893 253 254 10.2 Medien als Quellen der historisch-ethnographischen Forschung 10.3 Nähe und Ferne in der Stadt Pécs um 1893 255 10.4 Die feinen Unterschiede zwischen den Pécser Zeitungen 256 10.5 Den Streik im Raume lesen 257 261 10.6 Von den Protagonisten des Streiks zur Raum(re)konstruktion 10.7 Die kulturelle Herstellung von Raum: Die Konstruktion des sozialen Raumes mittels physischer Distanzen und Distanzierungen 264 10.8 Die drei räumlichen Ebenen des Quellenmaterials: Materielle Umwelt, 265 Perspektive der Berichterstattung, Symbole des Räumlichen 11 Fazit: Miners into magyars – Die kulturelle Herstellung sozialer Ordnungen durch räumliche Zuschreibungen 283 12 Anhang 286 12.1 Die ‚schlanke‘ Chronologie des Pécser Bergarbeiterstreiks Dezember 1892– Juli 1894 286 12.2 Die chronologische Verteilung von Zeitungsartikeln in der Lokal-, ausgewählter Landes- und ausländischer Presse über Bergarbeiter in Pécs im Zeitraum von März 1882–Oktober 1905 320 327 12.3 Karte der Bergbauregion von Pécs 12.4 Plan der freien königlichen Stadt Pécs im Jahre 1895 328 13 Quellenverzeichnis 329 13.1 Quellenverzeichnis: Fünfkirchner Zeitung
329
VIII
13.2 13.3 13.4
Inhalt
Quellenverzeichnis: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) 338 Quellenverzeichnis: Pécsi Napló Weitere Zeitungen 344
Literaturverzeichnis Illustrationsverzeichnis Register
361 377
378
Antiplagiatserklärung
384
333
Danksagung Ohne die Unterstützung zahlreicher Personen und Institutionen hätte meine Dissertation nicht realisiert werden können. Für die vielfältig erfahrene Hilfe möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Reinhard Johler und Professor Dr. Klaus Gestwa für das Vertrauen und die Unterstützung bei der Durchführung der gesamten Forschung. Außerdem möchte ich mich bei der Doktorandengruppe des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen für die produktiven Gespräche bedanken. Den Mitarbeitern des Komitatsarchivs von Baranya in Pécs und der Zeitschriftenabteilung der Ungarischen Nationalbibliothek Budapest danke ich für ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die sie mir während meiner Arbeit entgegenbrachten. Für die finanzielle Unterstützung, die ich im Rahmen eines Stipendiums genießen durfte, muss ich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Juniorprofessur „Kultur und Geschichte des östlichen Europa im 19. und 20. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt interethnische Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Minderheiten in Südosteuropa“ am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Universität Tübingen meinen Dank ausdrücken. Des Weiteren möchte ich Brigitte Mohn für die akribische Durchsicht meiner Arbeit ein großes Dankeschön aussprechen. Ein großer Dank geht an meine Eltern und Großeltern, die mir den Weg in die Wissenschaft gewiesen haben. Im Besonderen danke ich meinem Vater Dr. Zoltán Tóth, der die Entstehung meiner Dissertation leider nicht mehr erleben durfte. Nicht zuletzt und besonders herzlich danke ich meiner Frau Monika für ihre Empathie, ihre Zuversicht und ihre Geduld während des gesamten Studiums, insbesondere aber während der Arbeit an dieser Dissertation.
1 Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien Beim Anblick der ehemaligen Bergarbeiterdörfer vor den Toren von Pécs kommt der heutige Besucher kaum auf den Gedanken, dass dort vor knapp 130 Jahren Tausende eingewanderter Bergleute streikend die Straßen gefüllt haben könnten. Die Vermutung, dass die städtische Gesellschaft von Pécs sich mit diesem Ereignis befasst haben müsste, weckte meine wissenschaftliche Neugier. In meiner Studie gehe ich der Frage nach, wie sich diese urbane Gesellschaft in Ostmitteleuropa¹ mit der gesellschaftlichen Herausforderung der arbeitsmigrations-bedingten Multiethnizität am Ende des 19. Jahrhunderts kulturell arrangierte. Hierfür wählte ich die im Südwesten Ungarns liegende Stadt Pécs, mit deutschem Namen Fünfkirchen,² aus.³ Die Stadt und ihr Umland erlebten im Verlauf des 19. Jahrhunderts in hohem Maße Zuwanderung aus dem europäischen Ausland sowie aus anderen Regionen Ungarns.⁴ Hierbei stieg die Zahl der Personen, die unterschiedlichen ethnischen, nationalen, konfessionellen und sprachlichen Grup-
1 Unter Ostmitteleuropa verstehe ich eine nur vage definierbare Region, die sich auf mehr oder minder gemeinsame historische Erfahrungen ökonomischer, politischer, sozialer und kultureller Art sowohl von West- als auch von Osteuropa abgrenzen lässt, wobei die Bedeutung der Vernetzungen und der Abgrenzungen innerhalb sowie außerhalb dieser Region nicht außer Acht gelassen wird. Vgl. Joachim Bahlcke, Ostmitteleuropa, in: Harald Roth (Hg.), Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas, Köln 2009, S. 59 – 71. 2 Neben den ungarisch- und deutschsprachigen Bewohnern zählte man im Jahre 1881 eine größere Anzahl an slowakisch sowie kroatisch sprechenden Menschen in der Stadt und ihren Stadtteilen. Vgl. Anon, Volkszählungs-Resultate der k. Freistadt Fünfkirchen, Fünfkirchner Zeitung, 1881, Jhg. 12, Nr. 9, Sonntag, 30. Jänner, S. 3. Diese Gruppen gaben der Stadt ebenfalls eigene Namen: slowakisch Päťkostolie, kroatisch Pečuh. Vgl. hierzu auch: László Katus, Pécs népessége 1848 és 1920 között, in: József Vonyó (Hg.), Pécs népessége. 1543 – 1990. Az 1993. december 15-én rendezett konferencia elöadásai, Pécs 1995, S. 37– 95. 3 Die Wahl von Pécs als Ort meiner Untersuchung hing damit zusammen, dass zum einen bereits umfangreiche Forschungsarbeiten zu der multiethnischen, durch Einwanderung geprägten Stadt vorlagen. Außerdem kannte ich die Stadt persönlich, zudem pflegen die Universitäten von Pécs und Tübingen gute Beziehungen. Vgl. u. a.: Joachim Végh, Az 1893. évi pécskörnyéki bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310; Bácskai, Vera: Bevándorlás és befogadás a dunántúli városokban a 19. század első felében. A bevándorlók esélyei a polgárjog elnyerésére, in: Korall (2003), 11 – 12, S. 103 – 110. 4 Die Bevölkerung der Stadt und der sie umgebenden Ortschaften wuchs, wie der Historiker László Katus es anhand zeitgenössischer Erhebungen zeigt, von 15.821 Bewohnern im Jahre 1850, auf 34.067 in 1890 an. Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 60. https://doi.org/10.1515/9783111247113-001
2
1 Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien
pen angehörten, stark an.⁵ Die Einwanderung hing mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt, insbesondere mit der Expansion des Steinkohlebergbaus zusammen, den die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG) vorantrieb.⁶ Tausende von immigrierten Bergleuten lebten und arbeiteten seit Ende der 1870er Jahre mit ihren Angehörigen in den nahe der Stadt gelegenen Bergarbeitersiedlungen.⁷ Der Anwesenheit der unzähligen Bergleute war die städtische Gesellschaft gewahr. Dies belegen u. a. die Veröffentlichungen der Ergebnisse von Volkszählungen in der lokalen Presse.⁸ Es war daher davon auszugehen, dass die Pécser Gesellschaft sich über kurz oder lang mit den Bergarbeitern als gesellschaftlicher Gruppe kulturell auseinandersetzen würde. Um diese Annahme verifizieren, beschreiben und interpretieren zu können, sichtete ich zunächst zahllose Archivschachteln und endlose Mikrofilme in den Archiven und Bibliotheken von Pécs sowie Budapest nach geeignetem Quellenmaterial.
5 Vgl. Levente Pakot, Népszámlálások, nemzetiségi statisztikák és nemzetépítés Magyarországon, 1867/80 – 1918, in: Réka Albert/Gábor Czoch/Péter Erdősi (Hg.), Nemzeti látószögek a 19. századi Magyarországon. 19. századi magyar nemzetépítő diskurzusok, Budapest 2010, S. 335 – 376. 6 Vgl. Zoltán Huszár, Multiethnische Beziehungen im Bergbaurevier der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in der Umgebung von Pécs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Rudolf Wichard (Hg.), Kreuzwege. Kulturbegegnung im öffentlichen Raum. Dokumentation eines internationalen wissenschaftlichen Symposiums vom 11. bis 14. September 2009 in Krakau, Frankfurt a. M. 2010, S. 113 – 124; vgl. Zoltán Huszár, Multikulturális társadalom és oktatás a Dunagőzhajózási Társaság (DGT) pécsi története tükrében, in: Zsuzsa Koltai (Hg.), Kulturális valóságismeret és EKF 2010. 35 éves a pécsi kultúraközvetítő képzés. Tudományos konferencia és emlékülés, 2010. november 18 – 19. Pécs, Pécs 2011, S. 309 – 340; vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95; vgl. Andrea Vándor, Pécs – Fünfkirchen – Pečuh. Egy soknemzetiségű város tér (idő)képe; Ungarns Europäische Kulturhauptstadt; diverCity – curioCity – intenCity, Potsdam 2010; vgl. István Fehér, A soknemzetiségű Baranya a 20. Században, Pécs 1996. 7 In der zeitgenössischen Presse wechseln sich bei der Bezeichnung der Wohnorte der Bergarbeiter, die Begriffe “Colonie”, “Kolonie”, “colonia”, “kőszéntelep” [Steinkohlesiedlung], “kőszénbányatelep” [Steinkohlebergwerkssiedlung], “bányatelep” [Bergwerkssiedlung] und “bányász-község” [Bergmannsgemeinde] ab. Während in den deutschsprachigen Zeitungen die Bezeichnung “Kolonie” vorherrscht, verwenden die ungarischen Zeitungen überwiegend das Wort “bányatelep”. Sowohl das Wort Kolonie, als auch das ungarische Wort telep bezeichnen einen geographischen Ort, an dem sich Menschen dauerhaft niederlassen und Gebäude errichten. Zur historisch neutralen Bezeichnung der Wohnorte der Pécser Bergarbeiter verwende ich den Begriff Siedlung. 8 Vgl. Anon, Volkszählungs-Resultate der k. Freistadt Fünfkirchen, Fünfkirchner Zeitung, 1881, Jhg. 12, Nr. 9, Sonntag, 30. Januar, S. 3; vgl. Anon, o. T., [Leitartikel über die ethnisch vielfältige Nation] Pécs-Baranyai-Hírlap. 1882, Jhg. 1, Nr. 36, Samstag, 6. Mai, S. 1.
1 Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien
3
Als herausragende Objektivation kultureller Diskurse⁹ bot sich schließlich die Zeitungsberichterstattung über die ersten vier Streiks der Pécser Bergarbeiter für meine Untersuchung an, die zwischen 1882 und 1908 stattgefunden hatten. Über die Streiks berichteten sowohl die lokalen als auch überregionale Zeitungen jeglicher Couleur häufig und ausführlich.¹⁰ Der Einfluss von Zeitungen in dieser Epoche auf die Meinungsbildung sowie im globalen und lokalen Wissenstransfer kann kaum hoch genug geschätzt werden.¹¹ Als wichtigste Informationsmedien¹² ihrer Zeit verbreiteten sie Wissen, Normen und Meinungen, die von einer zuvor nie dagewesenen Menge an Lesern konsumiert werden konnten.¹³ Unzählige der von Natur aus kurzlebigen Nachrichten haben in gedruckter Form bis heute überdauert und können Einblicke in die damalige Alltagswelt gewähren. Die Inhalte von Zeitungen können als Relikte, als “Vertextungen”¹⁴ von Äußerungen und damit als erhalten gebliebene Handlungen ihrer Urheber betrachtet werden.¹⁵
9 Angelehnt an Peter Ullrich, verstehe ich unter Diskursen permanent erfolgende kulturelle Aushandlungspraktiken, die die Ordnungen des Alltags bestimmen: “Diskurse sind strukturierte (regelgeleitete) und strukturierende kommunikative Praxis.” Peter Ullrich, Diskursanalyse, Diskursforschung, Diskurstheorie. Ein- und Überblick, in: Ulrike Freikamp (Hg.), Kritik mit Methode? Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik, Berlin 2008, S. 19 – 31, hier S. 22. 10 Zeitungen sind regelmäßig erscheinende Presseerzeugnisse, die sich durch öffentliche Zugänglichkeit, Aktualität und inhaltliche Vielfalt kennzeichnen. Vgl. Joachim Weiß (Hg.), Die Zeit. Das Lexikon. Bd. 16, Wahn–Zz, Hamburg 2005, S. 5 – 596, hier S. 456. 11 Vgl. Anna Ananieva, Zirkulation von Nachrichten und Waren: Stadtleben, Medien und Konsum im 19. Jahrhundert, Tübingen 2016, S. 3. 12 Unter den Begriff Medien fasst man Kommunikationsmittel im Allgemeinen, die Informationen und Botschaften übertragen. Der Volkskundler Christoph Köck unterscheidet außerdem zwischen “Medien-Geräten”, die er als Träger jeglicher medialer Äußerung versteht, sowie Institutionen und Personen, die die Inhalte herstellen. Mediale Informationen sowie Botschaften jeglicher Art nennt Köck “Medientexte”. Vgl. Christoph Köck, Kulturanalyse popularer Medientexte, in: Silke Göttsch /Albrecht Lehmann (Hg.), Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der europäischen Ethnologie, Berlin 2007, S. 343 – 363, hier S. 343 f. 13 Bereits für das Deutschland des 18. Jahrhunderts postuliert der Medienhistoriker Peter Borscheid: “Aus einem Volk von Nicht-Zeitungslesern wurde innerhalb von zwei Generationen ein Volk von Zeitungslesern, zumal es die Zeitung war, die die Menschen mit dem Zeitgeist in Beziehung setzte – und nicht mehr die Kirche, nicht mehr die Gemeinde und nicht mehr der Beruf.” Peter Borscheid, Am Anfang war das Wort. Die Wirtschaftswerbung beginnt mit der Zeitungsannonce, in: Ders./Clemens Wischermann (Hg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Festschrift für Hans Jürgen Teuteberg, Stuttgart 1995, S. 20 – 43, hier S. 35. 14 “Quellen sind Vertextungen sozialer Ereignisse und kultureller Praktiken, sie entziehen sich der Beobachtung, d. h. sie sind immer nur vermittelt zu untersuchen.” Silke Göttsch, Archivalische Quellen und die Möglichkeiten ihrer Auswertung, in: Dies./Albrecht Lehmann (Hg.), Methoden der
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1 Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien
Die Menge und die Qualität der verfügbaren Zeitungsartikel macht diese zu einer äußerst ergiebigen Informationsquelle für eine historisch-ethnographische Analyse.¹⁶ All das prädestinierte die überlieferten Beiträge über Bergarbeiterstreiks für eine mikroperspektivische Untersuchung der Streikberichterstattung der Lokalpresse, sie sind gewissermaßen Buchstaben gewordene Stimmen¹⁷ aus der Pécser Gesellschaft. Die Zeitungen konnten daraufhin untersucht werden, wie sie die Arbeitsniederlegung als exemplarische Objektivation kultureller Aushandlungspraktiken um die einwanderungsbedingte Multiethnizität verhandelten. Zur methodischen Exploration der Berichterstattung wählte ich die quellenbasierte Herangehensweise der Grounded Theory. Die folgende Verschriftlichung meiner Forschung gliedert sich in elf Kapitel. Auf die Einleitung folgt die Beschreibung des einzigen bebilderten Zeitungsartikels über den Bergarbeiterstreik als Beispiel für die gesamte untersuchte Berichterstattung. Hierauf folgen meine theoretischen Grundüberlegungen, in denen ich zuerst die Eingrenzung des untersuchten Forschungsfeldes begründe, dann meine Auffassung von Zeitungen als Akteuren und meinen ethnographischen Informanten erkläre, und schließlich meine Perspektive auf Zeitungstexte als zu Buchstaben gewordenen Praktiken erläutere. Auf dieses Kapitel folgt die Darstellung meiner methodischen Vorgehensweise, in der ich zeige, auf welche Weise die Zeitungstexte in meiner historisch-ethnographischen Untersuchung fruchtbar gemacht und verwendet werden konnten. Anschließend bespreche ich jene historischen und kulturwissenschaftlichen Forschungen, die Berührungspunkte mit dem von mir untersuchten Forschungsfeld besitzen. Daran schließt sich die historische Einbettung des Forschungsfeldes an, in dem ich die Stadt Pécs, ihre Lokalpresse und
Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der europäischen Ethnologie, Berlin 2007, S. 15 – 32, hier S. 23. 15 Die Auffassung von Texten als Äußerungsweise und kulturelle Praxis wird im Späteren näher erläutert werden. 16 “A rationale for an ethnographic and reflexive approach to documents is similar to the rationale of ethnographic research in general. Sampling procedures are informed by theory while constant comparison and discovery are used to delineate specific categories as well as narrative description. Situations, settings, styles, images, meanings and nuances are key topics in the analysis of news documents. I have found that structured data collection based on a protocol combined with ethnographic field notes supports a theoretically informed account of media content.” David L. Altheide/Christopher J.Schneider, Qualitative Media Analysis, Los Angeles 2013, S. 74. Vgl. Sven Steinacker, Historische Ethnographie: Der Forscher im Staub der Aktendeckel, in: Friederike Heinzel et al. (Hg.), “Auf unsicherem Terrain”. Ethnographische Forschung im Kontext des Bildungs- und Sozialwesens, Wiesbaden 2010, S. 67– 81, hier S. 68. 17 Vgl. Gesa Ingendahl /Lioba Keller-Drescher, Historische Ethnografie. Das Archiv als Beispiel, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 106 (2010), 2, S. 241 – 263, hier S. 244.
1 Einleitung: Fünfkirchen, Migranten, Medien
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die Bergarbeiterstreiks im 19. Jahrhundert skizziere. Darauf folgen die drei zentralen Kapitel meiner Forschung, in denen ich die Berichterstattung der drei ausgewählten Zeitungen über den Pécser Bergarbeiterstreik von 1893 detailliert analysiere und interpretiere. Im zehnten Kapitel resümiere ich die beobachteten Phänomene, die daraus gewonnenen Kenntnisse und die interpretativen Erkenntnisse, um abschließend zum Fazit zu gelangen. Der Anhang beinhaltet neben dem Quellen-, dem Illustrations‐ und dem Literaturverzeichnis eine chronologische Darstellung der Pécser Bergarbeiterstreiks sowie eine Tabelle der chronologischen Verteilung der Zeitungsberichterstattung über Bergarbeiter.¹⁸
18 Die Mehrzahl der in der Untersuchung erscheinenden historischen Personen waren männlichen Geschlechts. Daher verwende ich zur besseren Lesbarkeit im gesamten Text das generische Maskulinum. Hierbei sind jedoch alle Geschlechter gemeint. Weibliche Personen benenne ich gegebenenfalls explizit.
2 Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“¹ Perspektiven der Presse auf den Streik der Pécser Bergarbeiter. Eine einführende exemplarische Bildinterpretation Die Budapester Zeitung Politisches Volksblatt veröffentlichte auf der Titelseite ihrer Ausgabe vom 11. Juni 1893 eine Illustration unter der Überschrift „Militär und Grubenarbeiter. – Zum Strike im Fünfkirchner Kohlengebiet.“² Die Illustration verdient ein wenig Aufmerksamkeit, wenn auch die Zeitung, in der sie erschien, nicht zum engeren Kreis der im Folgenden untersuchten Blätter zählt. – Immerhin ist dies die einzige bekannte bildliche Darstellung des Pécser Bergarbeiterstreiks. Das Bild präsentiert eine emblematische Perspektive der Presse auf die Bergarbeiter und ihre Arbeitsniederlegung im Jahre 1893. Militär und Grubenarbeiter. Zum Strike im Fünfkirchner Kohlengebiet. Die Schutzmaßregeln der Fünfkirchner Grubendirektion und Behörden haben gestern die ersten Früchte gezeitigt: die Bewohner der Ortschaft Szabolcs hatten den ersten Zusammenstoß mit dem dahingesandten Militär. Zum Glück floß kein Menschenblut; die Menge erschrak vor den gepflanzten Bajonneten und suchte das Weite. Es steht jedoch zu befürchten, daß die Ereignisse der folgenden Tage noch traurigere sein werden. Die Stimmung ist eine erregte, dazu vergrößert noch das Elend die Verzweiflung. Die Gemeinde Szabolcs, woselbst der Zusammenstoß stattfand, steht auf Seite der strikenden Arbeiter. Die Dorfbewohner gaben den Brodlosen Wohnung und halfen den Nothleidenden nach bestem Können. Doch die Grubendirektion beschloß, die Arbeiter auch von hier zu verdrängen und bestellte zu diesem Zwecke 200 Mann Militär nach Szabolcs. Natürlich hatte die Nachricht von der Ankunft des Militärs große Erregung zur Folge. Die Soldaten wurden mit Lärm und Scheltworten die Straßen entlang begleitet, kein einziger Bewohner wollte den Infanteristen Unterkunft bieten. Die Gemeindevorstehung erklärte, selbst das Schullokal nicht zur Verfügung stellen zu wollen, doch begann das Militär trotzdem im Schulgebäude einzuziehen. Die Menge schlug Lärm; es entstand ein riesiger Skandal, Rufe wurden laut: „Hinaus mit den Soldaten!“ Bauern, Grubenarbeiter kamen mit Hauer und Spaten daher, Weiber und Kinder begleiteten die Revoltierenden. Alles wies darauf hin, daß eine schreckliche Katastrophe folgen werde. Das Militär zog vom Leder, mit aufgepflanztem Bajonnet standen die Infanteristen den revoltierenden Bauern gegenüber, doch war die Furcht vor der schreckerregenden Mordwaffe eine große und das Volk zerstieb, als das Militär sich zum Angriff anschickte, nach allen Windrichtungen. Unser Zeichner hat die Szene festgehalten, wo die erregte Volksmenge den Bajonneten des Militärs gegenübersteht.³
1 Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1. 2 Ebd. 3 Ebd. https://doi.org/10.1515/9783111247113-002
2 Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“
Abb. 1: Anon: Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1.
7
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2 Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“
Die dazu veröffentlichte Lithographie zeigt eine dicht gedrängte Menschenansammlung auf einem Platz zwischen schlicht aussehenden Gebäuden. Die einstöckigen Häuser im Hintergrund sind mit Stroh gedeckt, davor steht ein Gémeskút,⁴ wodurch ein dörfliches Ambiente geschaffen wird. Im Vordergrund ist eine Ansammlung von unterschiedlich gekleideten Menschen mit allerlei Werkzeug in der Hand zu sehen.Viele von ihnen halten ihre Werkzeuge drohend empor. Diese stellen die streikenden Bergarbeiter und die mit ihnen solidarischen Bauern der Ortschaft Szabolcs dar. Die allermeisten der abgebildeten Streikenden stehen mit dem Rücken zum Betrachter. Die Menge ist somit einerseits sehr unterschiedlich, andererseits im wörtlichen Sinne gesichtslos. Die einzige Person in dieser Gruppe, die mit dem Betrachter in Blickkontakt zu stehen scheint, ist eine Frau am äußersten linken Bildrand, die mit besorgtem Gesichtsausdruck im Gedränge steht. Hinter den Bergarbeitern ist eine akkurate Reihe von uniformierten Infanteristen vom linken bis zum rechten Bildrand aufgestellt. Die Soldaten sind von der Brust aufwärts hinter den Bergarbeitern zu sehen. Sie tragen alle die gleichen Mützen, Schnurrbärte und Gewehre mit aufgepflanztem Bajonett. Ihre Reihe bildet eine leicht schräge Linie durch das Bild. Der einzige Soldat, der etwas aus der Reihe tritt, ist ein Offizier am linken Ende des Glieds. Er trägt eine andere Kopfbedeckung als die einfachen Soldaten und hält seinen Säbel kommandierend in die Höhe. In der dargestellten Szene steht die disziplinierte Exekutive des Staates der chaotischen Menge der Bergarbeiter und Bauern gegenüber. Der freie Platz im Vordergrund des Bildes erweckt den Eindruck, die Menge der Bergleute würde in Richtung des Militärkordons drängen, während vom rechten Bildrand her noch weitere Streikende hinzukommen. Der freie Raum im Vordergrund repräsentiert außerdem die Distanz des Zeichners zum Geschehen. Im rechten oberen Bereich der Illustration ist eine Ecke eines schindelgedeckten Hauses zu sehen, welches das im Artikel erwähnte „Schullokal“⁵ darstellen könnte. Demnach ist die Intention der abgebildeten Streikenden, das Militär davon abzuhalten, sich in dem Gebäude einzuquartieren. Die Soldaten wiederum versuchen, sich Zugang zu dem Gebäude zu verschaffen.⁶ Die Szene stellt jenes Ereignis dar, welches sich am Samstag, den 10. Juni 1893 vor dem „blutige[n] Montag“⁷ in der Ortschaft Szabolcs ereignet hatte. Die Zeitung Pécsi Közlöny betrachtete in ihrem Artikel über dieses Ereignis insbesondere die Infanterie, die gegen den starken Protest der Streikenden und der Bewohner von Szabolcs das dortige Schulgebäude 4 Der Gémeskút ist ein für das ungarische Flachland typischer Ziehbrunnen, der Schaduf. 5 Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1. 6 Vgl. ebd. 7 Die Fünfkirchner Zeitung prägte diese Bezeichnung für den Montag, den 12. Juni 1893: Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
2 Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“
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unter Androhung von Gewalt als Quartier einnahm.⁸ Die Besetzung des Schulgebäudes präsentierte die Fünfkirchner Zeitung wiederum aus einem etwas anderen Blickwinkel. Nachdem es im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung für nothwendig erschien, daß die in Szabolcs koncentrirten 300 Mann Infanterie im Dorfe selbst unterkunft [sic!] finden sollen, richtete der Stuhlrichter Dr. Karl Seh an die Gemeinde die Aufforderung 3 entsprechende Zimmer dem Militär zur Verfügung zu stellen. Der Gemeindevorstand, der mit den Strikenden hält, behauptete keine Räumlichkeiten zu haben. Hierauf wandte sich der Stuhlrichter an den Pfarrer Johann Hepp, der die Schule, in welcher der Unterricht ohnehin feiert, als geeignet bezeichnete, doch auch die Schule wollte der Gemeindevorstand nicht überlassen. Es rottete sich eine 300 Kopf starke Menschenmenge vor dem Schulhause an, mit Hacken und Knütteln bewaffnet, welche dem Militär den Eintritt in die Schule wehren wollte. Hauptmann Maggi kommandirte nun zum Bajonett, – und das jagte den Leuten Furcht ein, die sich fluchend und drohend vom Schulgebäude entfernten.⁹
Die Illustration des Politischen Volksblattes und die Berichte der anderen Zeitungen zeigen exemplarisch einige Perspektiven der Berichterstattung auf ein Ereignis im Verlauf des Bergarbeiterstreiks. Die Presse betrachtete in der Abbildung und in ihren Texten die streikenden Bergarbeiter aus zwar ähnlichen, aber dennoch fein voneinander abweichenden physischen wie auch ideellen Perspektiven. Während das Politische Volksblatt sich auf die Handlungen zwischen dem Militär und den Streikenden fokussierte, behielt die Pécsi Közlöny die Infanterie besonders im Auge. Die Fünfkirchner Zeitung wiederum hob die Aktivitäten des Stuhlrichters und anderer Amtspersonen hervor. Keine der Zeitungen wies jedoch darauf hin, dass sie für ihre Berichterstattung auch auf Auskünfte aus den Reihen der Bergarbeiter zurückgegriffen habe. Die Zeitungen hielten offenbar Distanz zu ihnen. Aus diesen Blickwinkeln konnten die Streikenden als eine gesichtslose Masse erscheinen, als eine anonyme Menge, die wegen ihres Aufbegehrens von der Presse auf die Bühne kultureller Aushandlungsprozesse um die sozialen Ordnungen der Pécser Gesellschaft gestellt wurde.
8 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 9 Anon, Die erste Revolte, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5.
3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes Zur Erläuterung meiner Grundannahmen, vor deren Hintergrund ich das historische Zeitungsmaterial untersucht habe, möchte ich das bereits skizzierte Erkenntnisinteresse noch einmal auf den Punkt bringen: In meiner historisch-ethnographischen Forschung folge ich in und zwischen den Zeilen dem kulturellen Tun der Lokalzeitungen als Akteuren in den Pécser Diskursen um die multiethnische Bergarbeiterschaft und ihrem Streik. ¹ Ich beobachte und beschreibe die textgewordenen Handlungsweisen der Zeitungen; ich suche mithilfe meiner Analysen sowie Interpretationen nach Erklärungen für deren kulturelle Praktiken, die diese im Umgang mit dem arbeitspolitischen und kulturellen Phänomen des Bergarbeiterstreiks anwandten, um den für sie dabei relevanten Dingen Sinn zu verleihen und diesen in ihre alltagsweltlichen Ordnungen zu integrieren. Um den Zeitungen als Akteuren im Streikgeschehen und als meinen Informanten angemessen folgen zu können, habe ich Überlegungen zur geeigneten Eingrenzung des zu erforschenden Feldes, über die Rolle der Zeitungen in meiner Forschung sowie über die theoretischen Prämissen, mit denen ich das Feld interpretativ erfassen kann, angestellt. Im Folgenden stelle ich diese Grundüberlegungen vor.
3.1 Die Eingrenzung des Feldes auf den Pécser Bergarbeiterstreik von 1893 In der praktischen Bearbeitung des gesammelten Quellenmaterials stellte sich alsbald heraus, dass das für mich kulturwissenschaftlich Wertvollste – wie die Steinkohle in der Tiefe der Erde – in den Tiefen der Quellen zu finden sein würde. Zunächst recherchierte ich die gesamte Berichterstattung über die Bergarbeiterstreiks von Pécs in den Jahren 1882, 1893, 1905 und 1908 in allen damals erscheinenden lokalen Zeitungen. Ich sichtete, digitalisierte und präparierte die Berichte für die nachfolgende Analyse. Das hierzu erstellte Quellenverzeichnis umfasste am Ende rund 600 Zeitungsartikel, die nun jahrgangsweise analysiert sowie interpretiert werden sollten. 1 Diese Reminiszenz an die Akteur-Netzwerk-Theorie soll Bruno Latours Ansatz Tribut zollen, eine Forschung möglichst aus vielen Perspektiven und bis in alle verwinkelten Verknüpfungen zu betreiben. Vgl. Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt a. M. 2010, S. 27 f. https://doi.org/10.1515/9783111247113-003
3.1 Die Eingrenzung des Feldes auf den Pécser Bergarbeiterstreik von 1893
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Für die tiefergehende mikroperspektivische Analyse wählte ich die Berichterstattung über den Streik vom Jahre 1893, da diese für mein Erkenntnisinteresse die reichhaltigsten Informationen bereitstellte. Der Streik von 1893 dauerte mit insgesamt drei Wochen bedeutend länger als die vorangegangene Arbeitsniederlegung und generierte nicht nur mehr Zeitungsbeiträge, sondern auch umfangreichere Texte, was für die kulturwissenschaftliche Interpretation aufgrund der ausführlichen Inhalte von großem Wert war. Hinzu kam, dass in Pécs im Jahre 1893 fünf Zeitungen erschienen, während es 1882 nur drei waren. Über den Streik von 1905 berichteten wiederum lediglich vier Blätter, wovon nur eines neu in der Pécser Presselandschaft war. Die Berichterstattung über den Streik von 1908 übernahmen nur noch drei lokale Zeitungen und auch die Anzahl der Beiträge sank unter die von 1893. Aus historischer Perspektive ist der allgemeine Bergarbeiterstreik von 1893 der eindrücklichste:² Er war der erste außergewöhnlich große Bergarbeiterstreik Ungarns, zudem war es der erste länger andauernde Streik in Pécs, der auch international am stärksten beachtet wurde. Hunderte von Zeitungsartikeln aus dem In‐ und Ausland zeugen vom Interesse der Medien am Streikgeschehen in Fünfkirchen.³ Dies alles prädestinierte den Bergarbeiterstreik vom Sommer 1893 als zentrales Feld meiner Untersuchung. Für die eingehende kulturwissenschaftliche Analyse habe ich die drei Zeitungen der Stadt ausgewählt, welche die meisten und ausführlichsten Artikel über diesen Bergarbeiterstreik veröffentlicht hatten. Meine Auswahl fiel auf die ungarischsprachige, bereits seit 20 Jahren etablierte oppositionelle Pécsi Figyelő; dann auf die deutschsprachige, ebenfalls altgediente regierungsfreundliche Fünfkirchner Zeitung; und schließlich auf den Neuling, die erste Tageszeitung der Pécser Presselandschaft, die Pécsi Napló. Die übrigen Zeitungen habe ich lediglich als Nebeninformanten genutzt, da dort nur wenige Artikel erschienen waren sowie aufgrund der beim ersten interpretativen Sampling gewonnenen Einsicht, dass diese nur einen geringen Erkenntnisgewinn generieren würden. So erwies sich die Zeitung Pécs in ihren Perspektiven jenen der Fünfkirchner Zeitung und der Pécsi Napló als allzu ähnlich, die detaillierte Auswertung ihrer Berichterstattung drohte daher
2 Auch der Wirtschaftshistoriker Zoltán Kaposi bewertet den Bergarbeiterstreik von 1893 als den „berühmtesten“. Vgl. Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 52. 3 Vgl. u. a.: Anon, Arbeiterbewegung, Wiener Zeitung, 1893, Jhg. o. J., Nr. 129, Donnerstag, 8. Juni, S. 9; Anon, Fünfkirchen, Allgemeine Zeitung, Abendblatt (München), 1893, Jhg. 95, Nr. 156, Mittwoch, 7. Juni, S. 3; Anon, Über den mit Gewalt niedergeworfenen Streik der Fünfkirchener Bergleute, Vorwärts, Berliner Volksblatt, 1893, Jhg. 10, Nr. 160, Dienstag, 11. Juli, S. 3. Anon, A sztrájkoló bányászok szétverése. Saját tudósítónk távirata, [Die Zerschlagung der streikenden Bergleute. Fernschreiben unseres Berichterstatters], Budpesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 161, Dienstag, 13. Juni, S. 4.
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
repetitiv zu werden.⁴ Die katholische Wochenzeitung Pécsi Közlöny veröffentlichte lediglich zwei Zeitungsartikel über den Streik und konnte somit als ergänzender Informationslieferant in die Gesamtuntersuchung einfließen. Berichte aus einzelnen Budapester, Berliner sowie anderen in‐ und ausländischen Zeitungen habe ich ebenfalls flankierend in die Untersuchung einbezogen. Bereits bei der kursorischen Sichtung der Jahrgänge am Anfang meiner Forschung zeigte es sich, dass es für die Ausarbeitung kulturwissenschaftlich bedeutsamer Aspekte am zielführendsten wäre, eine explorative, empirische interpretative Mikroanalyse durchzuführen, um die feinen kulturellen Unterschiede in der Presseberichterstattung über die Bergarbeiter aufzuzeigen. Während der intensiven Beschäftigung mit der Streikberichterstattung von 1893 trat ihre kulturwissenschaftliche Tiefe immer deutlicher hervor. Wie das „schwarze Gold“,⁵ welches die Bergleute förderten, lagen die Erkenntnisse über die Perspektiven der Zeitungen auf die Bergarbeiter in der Tiefe des Zeitungsmaterials verborgen.
3.2 Zeitungen als Kollektivakteure In meiner historisch-ethnographischen Untersuchung nutze ich die Berichterstattung der einschlägigen Pécser Presse über den Bergarbeiterstreik von 1893. Den Streik betrachte ich dabei als eine beobachtbare Objektivation kultureller Aushandlungsprozesse, in die die Zeitungen involviert waren. Die Bergarbeiter waren neben den Repräsentanten der Behörden, den Angestellten der Dampfschifffahrtsgesellschaft, den Offizieren der Exekutive und anderen Personen sowie Institutionen die Protagonisten in den Zeitungsberichten. Als die zentral Handelnden im Streikgeschehen sind die Bergarbeiter für mich als Forscher nur mittelbar über die Darstellungen der Zeitungen zugänglich.⁶ Für die Zeitungen wiederum war die
4 Die Zeitung Pécs war auch personell sehr eng mit den anderen beiden Blättern verflochten. 5 Anon, Munkás-zavarok Pécsett, [Arbeiterunruhen in Pécs], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1. 6 Auf die Problematik der Erforschung der Arbeiterschaft durch Quellen, die zumeist von Personen erstellt worden waren, die man dem Bürgertum zuordnen kann, wies der Arbeiterhistoriker Klaus Tenfelde hin. Er konstatiert, dass sowohl zeitgenössische Sozialkritiker und Arbeiterführer, als auch spätere Historiker die Arbeiterschaft mit nicht ganz angemessenen Maßstäben betrachtet hätten. Die Vorstellungen der Betrachter der Arbeiter hätten, so Tenfelde, häufig ihre eigenen bürgerlichen Normen an diese Angelegt.Vgl. Klaus Tenfelde, Arbeitergeschichte, in: Ders./Jürgen Kocka /Paul Nolte (Hg.), Arbeiter, Bürger, Städte. Zur Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2012, S. 19 – 139, hier S. 70 – 72. Hierzu auch: Walter Hartinger, Schlafgänger und Schnapstrinker. Bürgerliche Klischees vom Arbeiter und was dahinter steckt, in: Helge Gerndt/Georg R. Schroubek (Hg.),
3.2 Zeitungen als Kollektivakteure
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außergewöhnliche unmittelbare Erfahrung der Aktivitäten der Bergleute Anlass für ihre Berichterstattung. Die Texte der zeitgenössischen Zeitungsartikel betrachte ich in meiner Analyse als Träger subjektiver Äußerungen der sie herstellenden Denk-, Wissens-, Fühl‐ sowie Handlungskollektive⁷ und nicht als individuelle Leistung exponierter Einzelpersonen.⁸ Unter solch einem Handlungskollektiv verstehe ich eine Gruppierung, welche inner- und außerhalb der Redaktionsbüros der Zeitungen die Beiträge erarbeitete.⁹ Die Zeitungen des 19. Jahrhunderts veröffentlichten bei Ersterscheinung Stellungnahmen zu ihrer journalistischen Ausrichtung, einige von ihnen wiederholten dies regelmäßig zu Jahresbeginn. Darin beschrieben sie ihre politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und konfessionellen Grundsätze. Es kann also vorausgesetzt werden, dass die Beschäftigten der jeweiligen Zeitungen sich zumindest in groben Zügen über gemeinsame kulturelle Normen, Werte sowie Regeln einig waren und dass dies sich in den Produkten ihrer Arbeit niederschlug. Die Aussagen solcher Kollektive sind meiner Ansicht nach durch ihre jeweiligen kulturellen und sozialen Dispositionen vorstrukturiert.¹⁰ Somit kann eine Zeitung gemeinschaftlich als Subjekt bzw. als ein Akteur, der hinter den Zeitungsartikeln steht, betrachtet werden. Bei einer solchen Dezentrierung von Individuen für hermeneutische Zwecke rücken generelle kulturelle Schemata in den Vordergrund. Die Relevanz der sich äußernden Person wird reduziert, wodurch die individuellen Eigenschaften, Einstellungen und Biographien in den Hintergrund rücken und allgemeinere Züge von kulturellen Mustern in den Fokus treten.¹¹ Diese Fokussierung auf die kulturellen Schemata solcher Kollektive ergibt weder eine irgendwie geartete ‚Wahrheit‘ über die Ereignisse, über die sie berichten, noch eine Beliebigkeit ihrer Aussagen. Durch diese Herangehensweise gewinne ich für meine Arbeit substanzielle Perspektiven von Zeitgenossen auf die Aktivitäten der Bergleute, auf den kulturellen Umgang der
Stereotypvorstellungen im Alltagsleben. Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder-SelbstbilderIdentität. Festschrift für Georg R. Schroubek zum 65. Geburtstag, München 1988, S. 90 – 103. 7 Vgl. Frank Adloff, Kollektives Handeln und kollektive Akteure, in: Friedrich Jaeger/Jürgen Straub (Hg.), Handbuch der Kulturwissenschaften. Paradigmen und Disziplinen, Stuttgart 2011, S. 308 – 326. 8 In diesem Abschnitt geht es v. a. darum, die Zeitungen als Subjekte meiner Forschung, als meine Informanten zu definieren. Im Methodik-Kapitel (Kap. 4) werde ich Zeitungen als Akteurskollektive definieren, welche aktiv in die kulturellen Diskurse des Pécser Alltages involviert waren. 9 Vgl. Oliver Bidlo, „Da hören wir nicht auf zu piesacken“ Das Medium als Akteur – Einzelfallanalyse, in: Ders. et al. (Hg.), Tat-Ort Medien. Die Medien als Akteure und unterhaltsame Aktivierer, Wiesbaden 2012, S. 55 – 72, hier S. 55. 10 Vgl. Ronald Hitzler/Thomas S. Eberle, Phänomenologische Lebensweltanalyse, in: Uwe Flick/ Ernst von Kardoff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2012, S. 109 – 117. 11 Vgl. Ansgar Thiel, Soziale Konflikte, Bielefeld 2003, S. 42 f.
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
Lokalpresse mit der gesellschaftlichen Herausforderung des Streiks und damit Einblicke in die Alltagskultur der Gesellschaft von Pécs am Ende des 19. Jahrhunderts.
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen Zeitungen, aufgefasst als gesellschaftliche Kollektivakteure, äußern sich analog zu Individualakteuren charakteristisch, wenn auch nicht mit den spezifischen kulturellen Schemata von Einzelpersonen. Somit können ihre Beiträge als subjektive Äußerungen eines Akteurs in den Fokus einer Interpretation genommen werden. Die historischen Zeitungstexte können als Artefakte einer Kommunikation begriffen werden, die dieses Denk-, Wissens-, Fühl‐ und Handlungskollektiv hinterlassen hat.¹² Der Volkskundler Albrecht Lehmann präferiert sogar explizit die Analyse von Medien, um eine kulturwissenschaftliche Kollektivanalyse zu erstellen, da diese in geringerem Maße durch subjektive Wirklichkeitskonstruktionen individualisiert seien. Er postuliert, dass „[w]as im Erkenntnisprozeß als mutmaßlich ‚kollektives Bewusstsein‘ gefunden wird, ist in seinen Ursprüngen treffender durch die Analyse von Texten der Massenmedien zu erforschen als durch die Interpretation subjektiver Aussagen.“¹³ Durch die kulturwissenschaftliche Analyse von Massenmedien können demnach Denk-, Wissens-, Fühl‐ und Handlungsschemata von Kollektiven entdeckt werden. Durch diese Schemata geprägt, nehmen Medien an den diskursiven Konstruktionsprozessen gesellschaftlicher Wirklichkeiten und Ordnungen teil. Gesellschaftliche Ordnungen müssen ausgehandelt werden, und diese Diskurse hinterlassen Spuren der entsprechenden Kommunikation in den Medien. Gesellschaftliche Ordnungen sind kontingente, in permanenten Aushandlungspraktiken hergestellte Strukturen, die die Relationen ihrer Mitglieder strukturieren. Forschende des Sonderforschungsbereichs Bedrohte Ordnungen (SFB 923) entwickelten eine Definition der Philosophin Regine Kather weiter, die Ordnung „als ein ‚Gefüge von Elementen‘“ definiert,
12 Vgl. Göttsch, Archivalische Quellen, in: Dies./Lehmann (Hg.), Methoden der Volkskunde, 2007, S. 15 – 32, S. 23. 13 Albrecht Lehmann, Bewußtseinsanalyse, in: Silke Göttsch /Ders. (Hg.), Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der europäischen Ethnologie, Berlin 2007, S. 271 – 288, hier S. 275.
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen
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„die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen und soziale Gruppen oder ganze Gesellschaften strukturieren“. Die Ordnung wird im Handeln hervorgebracht, bestätigt und/ oder modifiziert. Sie besteht über eine gewisse Zeitdauer hinweg, kanalisiert daher Handlungsoptionen, stabilisiert Verhaltenserwartungen und etabliert Routinen. Eine Ordnung führt zu Grenzen zwischen sozialen Gruppen und Gesellschaften. Sie entsteht auf dem Boden einer bereits bestehenden Ordnung und wird entweder laufend modifiziert oder durch eine andere Ordnung abgelöst. Eine voraussetzungslose Ordnung gibt es nicht.¹⁴
Unter den Begriff der gesellschaftlichen Ordnung fallen auch die Imaginationen der Menschen über die Strukturierung ihrer Gesellschaft, ihrer sozialen Hierarchien sowie Positionierungen. Die gesellschaftliche Ordnung wird von den Menschen mehrdimensional vorgestellt, so der Soziologe Pierre Bourdieu.¹⁵ Menschen konstruieren gesellschaftliche Ordnungen mittels ihrer kulturellen Schemata. Die imaginierte mehrdimensionale soziale Ordnung wird, Bourdieu zufolge, von den Mitgliedern einer Gesellschaft auf den unterschiedlichen Feldern gesellschaftlicher Handlungsebenen, mittels der ihnen zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Menge und Arten von Kapital und ihres Habitus produziert.¹⁶ Um die Analyse des kulturellen Umgangs mit einem sozialen Phänomen sowie mit den dabei eingesetzten Sinnzuschreibungen und der Produktion alltagsweltlicher Ordnungen in den Zeitungstexten betreiben zu können, drängt sich als nächstes die Frage nach den anhand der Texte beobachtbaren Handlungen auf, die zur Herstellung dieser Ordnungen vollzogen werden müssen. Regine Kather postuliert, dass die Ordnungen des Alltags in kommunikativen Handlungen praktisch hergestellt werden.¹⁷ Zeitungsnachrichten beinhalten meiner Ansicht nach alle Facetten einer Kommunikation: Sie informieren über Sachthemen, sie offenbaren sich selbst, sie präsentieren explizit und implizit ihre Relation zur Leserschaft sowie zu den Protagonisten, über die sie berichten, und sie äußern sich auch zu den Zielen, die sie verfolgen.¹⁸ Zeitungsartikel verwenden bestimmte Kodes und Sym-
14 Regine Kather, Ordnung, philosophisch, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, 4. Aufl. Tübingen 2003, S. 632 – 633, hier S. 632. Hier: Ewald Frie /Mischa Meier, Bedrohte Ordnungen. Gesellschaften unter Stress im Vergleich, in: Dies. (Hg.), Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Tübingen 2014, S. 1 – 30, hier S. 2. (Hervorhebung M. E.) 15 Vgl. Pierre Bourdieu, Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1991, S. 32. 16 Vgl. ders.: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183 – 198. 17 Vgl. Kather, Ordnung, in: Betz (Hg.), Religion in Geschichte und Gegenwart, 1998, S. 632 – 633, hier S. 632. Hier: Frie/Meier, Bedrohte Ordnungen, in: Dies. (Hg.), Aufruhr-Katastrophe-KonkurrenzZerfall, 2014, S. 1 – 30, hier S. 2. 18 Vgl. Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden; 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation, Reinbek bei Hamburg 2017, S. 13.
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
bole, vor allem Sprachen, die von ihrer Leserschaft verstanden werden können;¹⁹ Schriftarten,²⁰ die die Lesekundigen entziffern können;²¹ und überdies teilen sie mit ihnen kulturelle Normen, Werte sowie Wissen.²² Um über diese kulturellen Eigenheiten der ausgewählten Zeitungen mehr zu erfahren, las, beschrieb, analysierte und interpretierte ich die ausgewählten Zeitungsartikel als textgewordene Kommunikation von Kollektivakteuren. Die Annahme, dass man gedruckte Texte nicht nur als Kommunikationsrelikte, sondern gleichzeitig als eine besondere Form der Objektivation von Handlungen auffassen kann, die eine soziale Funktion erfüllen, folgt der praxistheoretischen Grundposition von Andreas Reckwitz, der das Soziale immer in Verbindung mit Praktiken sieht.²³ Praktiken wiederum betrachtet er unter Rekurs auf Theodore Schatzki als „‚a temporally unfolding and spatially dispersed nexus of doings and sayings‘ […]. Sie ist eine sozial geregelte, typisierte, routinisierte Form des körper-
19 Die Fünfkirchner Zeitung stellte ihre Arbeit im März 1906 mit der Begründung ein, dass Pécs keine deutschsprachige Zeitung mehr benötige, da die allermeisten Bewohner zwischenzeitlich die ungarische Sprache beherrschen würden.Vgl. Lajos Lenkeis Leitartikel zum Abschied. Fünfkirchner Zeitung, 1906, Jhg. 37, Nr. x, Donnerstag, 22. März, S. 1. Deutsch fungierte in der polyphonen Stadt lange Zeit nicht nur als Verwaltungssprache, sondern auch als Lingua franca unter den Einwohnern.Vgl. Béla Szirtes, Emlékek a pécsi bányatelepek hétköznapjaiból, in: Pécsi Szemle (1999), Tavasz, S. 57– 68, hier S. 64. Obwohl in Pécs seit 1831 die offizielle Verwaltungssprache Ungarisch war, verwendeten die meisten Einwohner im Alltag noch lange Zeit die deutsche Sprache. Vgl. Dávid Zoltán Pap, A pécsi újságírás első évtizedei. (1832 – 1862), in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában. Dolgozatok a Csorba Győző Könyvtár Helyismereti Gyűjteményének műhelyéből, Pécs 2014, S. 39 – 48, hier S. 41. 20 In diesem Fall muss man von Schriftarten sprechen, da alle ungarischsprachigen Zeitungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Schriftart Antiqua gesetzt waren, während die deutschsprachigen in Fraktur zu lesen waren. Es ist vorstellbar, dass Personen mit einfacher Bildung je nach Sprachkenntnissen entweder nur die eine oder die andere Schriftart zu entziffern in der Lage waren. 21 Die Lesefähigkeit im Komitat Baranya soll um 1890 bei 60 bis 70 % der Bevölkerung gelegen haben. Im Stadtgebiet von Pécs zwischen 70 und 80 %. Vgl. Zoltán Huszár, A Dunagözhajózási Társaság elemi iskolái a pécsi bányavidéken (1868 – 1938/1944), in: Mediterrán Világ (2009), 11, S. 95 – 124, hier S. 96. 22 „Alles, was über die Welt gewußt, gedacht und gesagt werden kann, ist nur in Abhängigkeit von Medien wißbar, denkbar und sagbar, die dieses Wissen kommunizieren. […] Nicht die Sprache, in der wir denken, sondern die Medien, in denen wir kommunizieren, modellieren unsere Welt. Medienrevolutionen sind deshalb Sinnrevolutionen, sie remodellieren die Wirklichkeit und schaffen eine neue Welt.“ Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 2018 [1992], S. 2. 23 Vgl. Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. Basic Elements of a Theory of Social Practices, in: Zeitschrift für Soziologie 32 (2003), 4, S. 282 – 301, hier S. 289 – 297.
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen
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lichen Verhaltens (einschließlich des zeichenverwendenden Verhaltens) und umfasst darin spezifische Formen des impliziten Wissens, des Know-how, des Interpretierens, der Motivation und der Emotion.“²⁴ Es geht um das implizite Wissen, das „tacit knowledge“,²⁵ wie es Polányi nennt und mit der schieren Unmöglichkeit, das Fahrradfahren verbal zu erklären, eindrucksvoll exemplifiziert,²⁶ um das Know-how, welches für Bourdieu Bestandteil des Habitus²⁷ ist. Jene Interpretationsleistungen, Motivationen sowie Emotionen seien für die Sozialwissenschaft, so Reckwitz‘ praxistheoretischer Ansatz, nur indirekt über die beobachtbaren öffentlichen Handlungspraktiken zu erschließen, insbesondere die Kommunikation der Medien.²⁸ Aus diesem Grund ist es wichtig, erneut herauszustellen, dass Texte als materialgewordene Praktiken aufgefasst werden können. Demzufolge sind Zeitungsartikel textgewordene Handlungen von Kollektivakteuren, in denen kulturelle Figurationen, Sinnzuschreibungen und Ordnungsprozesse beobachtbar sind, mittels welchen diese ihre Alltagswelt strukturieren. Eine Kritik an der Nutzung von Zeitungen als Informanten könnte lauten, dass Medien sich im Allgemeinen nur in speziellen Momenten mit Ereignissen, mit Menschen und Dingen beschäftigen, wenn von diesen außergewöhnliche, schlagzeilenwürdige Vorgänge ausgelöst werden, und dass diese Ereignisse wie Katastrophen, Krisen oder Konflikte²⁹ wohl kaum die Normalität³⁰ der Alltagsordnungen
24 Ders.: Subjekt, Bielefeld 2010, S. 135. 25 Michael Polanyi, : Implizites Wissen, Frankfurt a. M. 1985; vgl. ders., Personal Knowledge. Towards a Post-Critical Philosophy, London 1962, S. 51. 26 „Wir wissen mehr, als wir zu sagen wissen“. Ebd.. 27 „[D]er Habitus ist Erzeugungsprinzip objektiv klassifizierbarer Formen von Praxis und Klassifikationssystem (principium divisionis) dieser Formen. In der Beziehung dieser beiden den Habitus definierenden Leistungen: der Hervorbringung klassifizierbarer Praxisformen und Werke zum einen, der Unterscheidung und Bewertung der Formen und Produkte (Geschmack) zum anderen, konstituiert sich die repräsentierte soziale Welt, mit anderen Worten der Raum der Lebensstile.“ Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a. M. 1987, S. 277 f. 28 Vgl. Andreas Reckwitz, Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms; mit einem Nachwort zur Studienausgabe 2006: Aktuelle Tendenzen der Kulturtheorien, Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1999. Weilerswist 2008 [2000], S. 593 – 616. 29 Der Begriff Konflikt ist nicht mit den Begriffen Krise oder Katastrophe synonym zu setzen. Während der Begriff Krise einen entscheidenden Wendepunt in einer schwierigen Lage bedeutet und der Begriff Katastrophe ein unerwartetes Ereignis beschreibt, welches eine Wendung zum Schlimmeren zur Folge hat, verweist Konflikt lediglich auf Interessengegensätze und Auseinandersetzungen zwischen Individuen oder (gesellschaftsinternen) Gruppen, insbesondere zwischen Schichten und Klassen, die sich jedoch nicht mit ‚herkömmlichen‘ Mitteln lösen lassen. Der Begriff Konflikt steht in Gegensatz zu dem der Konkurrenz, da es hierbei um das Durchsetzen von Inter-
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
widerspiegeln. Ausgehend von einem normativen Ordnungsverständnis, wonach die Teile einer Gemeinschaft üblicherweise durch legitimierte Konventionen geordnet konfliktfrei koexistieren, müsste diesem Einwand stattgegeben werden. Geht man allerdings von einer konstruktivistischen Perspektive auf Alltagsordnungen aus, so müssen Normalitäten und Ordnungen permanent hergestellt werden. „Die Wirklichkeit der Alltagswelt“, konstatieren die Soziologen Peter Berger und Thomas Luckmann, umfaßt problematische und unproblematische Ausschnitte, solange das, was als Problem auftaucht, nicht einer ganz anderen Wirklichkeit angehört (der der theoretischen Physik etwa oder der der Alpträume). […] Aber auch der unproblematische Teil der Alltagswelt-Wirklichkeit ist nur solange unproblematisch, wie man ihn nicht problematisiert, das heißt, solange seine Kontinuität nicht durch das Auftauchen eines Problems durchbrochen wird. Wenn das eintritt, macht die Alltagswelt zunächst Anstrengungen, den problematischen Teil in das, was unproblematisch ist, hereinzuholen. Das Alltagswelt-Wissen gibt eine Menge von Instruktionen, wie man das machen kann.³¹
Moderne Gesellschaften können sogar, auf Georg Simmel rekurrierend,³² als „Konfliktgesellschaften“³³ betrachtet werden, da ihre Akteure erst in Konfliktsituationen miteinander in Interaktion treten, in den Austausch kommen und Prozesse der Gesellschaftsbildung anstoßen. Auseinandersetzungen um soziale Gerechtigkeit, um Statusveränderung oder um knappe Ressourcen können als „Triebfedern sozialen Wandels“³⁴ angesehen werden.³⁵ Konflikte existieren gleichwohl nicht nur zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, Klassen oder Schichten,³⁶ sondern sie bilden und stärken auch die Identität der interagie-
essen gegenüber anderen geht. Vgl. u. a. Werner Fuchs-Heinritz (Hg.), Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden 2011, S. 337; 361 f; 364 f; 382 f. 30 Unter dem Begriff Normalität verstehe ich das Gewohnte, das Unreflektierte des Alltags. 31 Peter L. Berger/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 2010 [1969], S. 27. 32 Vgl. Georg Simmel, Der Streit, in: Ders. (Hg.), Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin 2013 [1908]. 33 Thilo Fehmel, Konflikttheorie und Gesellschaftsbildung. Europäische Integration durch soziale Konflikte, in: Serie Europa – Europe Series (2014), 1, S. 3 – 23, hier S. 4. 34 Ebd. 35 Vgl. ebd. 36 Die Bergriffe Gruppe, Klasse oder Schicht verwende ich in meiner Arbeit nicht als analytische oder sogar kategorische, sondern als rein deskriptive Ordnungsbegriffe mittels derer die in den Zeitungstexten beobachteten Zuschreibungspraktiken zur Strukturierung der sozialen Ordnung eingeordnet werden können. Unter den Begriffen verstehe ich soziale Kategorien für Gesellschaftsmitglieder, „die nach bestimmten sozialrelevanten Merkmalen eine annähernd gleiche soziale Position innerhalb eines sozialen Systems einnehmen.“ (Manfred Brusten, Schicht, soziale, in:
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen
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renden Akteure.³⁷ „Der Konflikt dient dazu, die Identität und die Grenzen von Gesellschaften und Gruppen zu schaffen und zu erhalten. Der Konflikt mit anderen Gruppen trägt zur Schaffung und zur Festigung der Gruppenidentität bei und erhält die Grenzen gegenüber der sozialen Umwelt.“³⁸ Betrachtet man also den Konflikt als eine durch beobachtbare Handlungen objektivierte soziale Praxis zur Herstellung von Identitäten und Ordnungen zwischen Individuen und Gruppen innerhalb von Gesellschaften sowie zur Abgrenzung dieser von anderen, so müssen in den Konflikthandlungen Wissensschemata, Know-hows und Habitus der Sinnzuschreibung beobachtbar sein, die auf Regeln, Normen und Werte der Akteure hinweisen, mit denen diese ihre Alltagswelt wahrnehmen, deuten und strukturieren. Bei einer praxisorientierten Vorstellung von der Alltagswelt wird davon ausgegangen, dass der Mensch keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit³⁹ hat. Die Erlebnisse, die er in seiner Alltagswelt sammelt, baut er basierend auf bereits vorhandene Erfahrungen, Wissen sowie Begriffe zu neuem Wissen und neuen Begriffen aus.⁴⁰ Das neue Wissen interpretiert, überprüft und deutet er im Folgenden weiter um. Anschließend wendet er das neue Wissen und seine Deutungen wiederum auf neue Phänomene in der Alltagswelt an. Hierbei geht ein permanenter Prozess der Beobachtung, Interpretation, Prüfung und Anwendung vor sich, der unaufhörlich neue Wirklichkeitskonstruktionen hervorbringt, kurz: ein hermeneutischer Zirkel der Ordnungskonstruktion. Die jeweilige Qualität einer Konstruktion erweist sich durch ihre „Viabilität“.⁴¹ Die Alltagswelt besteht demnach aus durch Sinnzuschreibungen konstruierten Wirklichkeiten, die als natürlich geordnet angenommen werden.
Werner Fuchs-Heinritz (Hg.), Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden 2011, S. 592.) Analog zu Bourdieus Klassenmodell, gehe ich davon aus, dass soziale Gruppen, Klassen oder Schichten sozial mehr oder minder durchlässige, vom Habitus, von den Kapitalformen und vom Geschmack ihrer Mitglieder abhängige, durch sie selbst hervorgebrachte Ordnungen sind, die den jeweiligen sozialen Raum strukturieren.Vgl. Pierre Bourdieu, Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1991, S. 9 – 15. 37 Vgl. Lewis A. Coser/Sebastian Herkommer, Theorie sozialer Konflikte, Wiesbaden 2009 [1959], S. 10. 38 Hierbei rekurrieren die Autoren ebenfalls auf Simmels Auffassung von der konstitutiven Funktion von Konflikten in Gesellschaften. Dies., S. 43. 39 Unter Wirklichkeit verstehe ich unsere Vorstellung von der Welt, von unserem Alltag, von den Dingen, von Ideen, von Menschen und von der Gesellschaft. 40 Vgl. Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, in: Zeitschrift für Soziologie 32, 4, S. 282 – 301, hier S. 292. 41 Uwe Flick, Konstruktivismus, in: Ders./Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2012, S. 150 – 163, hier S 154.
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
Die Praktikabilität der alltagsweltlichen Ordnung zeigt sich je nach dem Hintergrund der Denk-, Wahrnehmungs-, Normen‐ und Handlungsschemata der Akteure und deren Habitus.⁴² Der Habitus ist Bourdieu zufolge neben mehreren anderen Funktionen ein Instrument zur Herstellung eines Gefüges von Elementen einer Gesellschaft sowie den Verhältnissen zwischen Einzelnen, Gruppen, Schichten oder Klassen. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Schicht oder Klasse ist demnach u. a. vom Habitus abhängig:⁴³„[D]er Habitus ist Erzeugungsprinzip objektiv klassifizierbarer Formen von Praxis und Klassifikationssystem (principium divisionis) dieser Formen.“⁴⁴ Der Angehörige eines Teils einer Gesellschaft erzeugt Unterscheidungen mithilfe seines Habitus; gleichzeitig ist dieser sein Unterscheidungsmerkmal. Unterschiedliche Existenzbedingungen bringen unterschiedliche Formen des Habitus hervor. Er distinguiert die Lebensweise, die Gruppenzugehörigkeit, den Geschmack etc.⁴⁵ Der Habitus ist eine „strukturierte Struktur“,⁴⁶ er bildet „das Prinzip der Teilung in soziale Klassen.“⁴⁷ Er wird im Alltag erworben und dient zur Erkennung des Fremden und des Eigenen sowie zur Konstruktion der Alltagswirklichkeit. Bereits den Produzenten der Pécser Zeitungen scheint implizit bewusst gewesen zu sein, dass ihre Alltagswelt aus dem Gesagten und Getanen der Menschen selbst gemacht ist und dass auch Journalisten nichts weiter tun können als zu beobachten, was um sie herum gesprochen und getan wird. In einer der frühen Ausgaben der kurzlebigen, aber rührigen liberal eingestellten Zeitung des Komitats Baranya, der Pécs-Baranyai-Hírlap, ist im Schlussteil eines Leitartikels über den Gemeinschaftsgeist ein bemerkenswerter Absatz zu finden: Der Gemeinwille ist eine große Macht. Sie kann das ausführen, was der einzelne Mensch noch nicht einmal auszudenken wagt. Halten wir das vor Augen. Es ist in unserem Sinne, den Gemeinschaftssinn des Komitats wieder zu erwecken, in Gang zu bringen. Das ist unser aller Aufgabe, das hängt von uns allen ab. Er lebt durch uns, funktioniert durch uns, aber auch wir – als Angehörige des Komitats – leben in ihm und durch ihn. Dr. Kereki⁴⁸
42 Vgl. Reckwitz, Kulturtheorien. 2008, S. 320. 43 Vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede, S. 277. 44 Ebd. 45 Vgl. ebd., S. 278. 46 Ebd., S. 279. 47 Ebd. 48 Anon, A közszellem Baranyavármegyében, [Der Gemeinschaftsgeist im Komitat Baranya], PécsBaranyai-Hírlap [Probeausgabe], 1881, Jhg. 1, Nr. 1, Samstag, 17. Dezember, S. 1 – 2.
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen
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Dr. Mihály Kereki⁴⁹ erörtert in seinem langen Beitrag in der Samstagsausgabe den seiner Ansicht nach fehlenden Gemeinschaftssinn in der Gesellschaft des Komitats, der für das politische und soziale Wohlergehen der Region von großer Wichtigkeit sei. In seiner Analyse sieht Kereki den Grund für die Passivität gegenüber den Belangen des Komitats in der Gleichgültigkeit vieler Bürger.⁵⁰ Es sei jedoch nicht die Aufgabe der Gesellschaft oder der Presse, so Kereki, die Beschuldigten an den Pranger zu stellen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass der Gemeinschaftsgeist eine starke Kraft sei. Die Gesellschaft müsse sich nur dessen bewusst werden, dass nur sie selbst den Gemeinschaftsgeist hervorbringen könne. Der Gemeinschaftsgeist sei es, der die Gesellschaft im Gange halte; es müsse klargemacht werden, dass die Mitglieder der Gesellschaft erst durch den Gemeinschaftsgeist zu dem werden, was sie seien. Kerekis Gedanke, den Gemeinschaftsgeist als eine durch die Gesellschaft strukturierte und diese strukturierende Handlungsanleitung zu begreifen, erinnert an den Habitusbegriff Bourdieus: „Der Habitus als strukturierende und strukturierte Struktur aktiviert in den Praktiken und im Denken praktische Schemata, die aus der – über den Sozialisationsprozess ontogenetisch vermittelten – Inkorporierung von sozialen Strukturen hervorgegangen sind, die sich ihrerseits in der historischen Arbeit vieler Generationen […] gebildet haben.“⁵¹ Diese Betrachtungsweise der Gesellschaft als Hervorbringung des Gemeinschaftsgeistes durch den zeitgenössischen Journalisten ruft den heutigen Forscher regelrecht dazu auf, eine praxistheoretische Sichtweise auf das Feld der Streikberichterstattung der Pécser Lokalpresse anzuwenden. Daher betrachte ich Gesellschaften als Produkte permanenter Aushandlungsprozesse, in denen kontingente, aber häufig Dauerhaftigkeit suggerierende imaginierte Ordnungen hergestellt werden. Diese Ordnungen wirken auf unterschiedlichen sozialen Feldern – wie auf dem der Berichterstattung über einen Bergarbeiterstreik – unterschiedlich auf die involvierten Akteure. Diese Ordnungen
49 Dr. Mihály Kereki war ein lokalpatriotisch eingestellter Autor und zu der Zeit Mitarbeiter der Pécs-Baranyai-Hírlap. 50 Bei den Bezugnahmen der Zeitungen auf Bürger oder Bürgertum, ist nicht zwangsläufig von Personen auszugehen, die de jure das Bürgerrecht innehatten, sondern zumeist von der subjektiven Zuschreibung der Zeitung an die Person. Das juristische Bürgerrecht wurde in den freien königlichen Städten Ungarns je nach politischer Strategie der Stadtführung verliehen. Die Möglichkeit zur Erlangung des Bürgerrechts war für Einwanderer in eine solche Stadt im 19. Jahrhundert stark veränderlich. Vgl. Bácskai, Bevándorlás és befogadás, in: Korall, 11 – 12, S. 103 – 110, hier S. 105 f. 51 Pierre Bourdieu/Loïc Wacquant/Hella Beister, Reflexive Anthropologie, Frankfurt a. M. 2013, S. 173.
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3 Erste Überlegungen zur Eingrenzung des Forschungsfeldes
werden mit den je unterschiedlich gewichteten Formen von Kapital⁵² der Akteure strukturiert.⁵³ Die Akteure verhalten sich auf den sozialen Feldern mithilfe ihres jeweiligen Habitus mehr oder weniger sicher. Als inkorporierte Handlungsanleitung weist dieser ihnen den Weg auf den Feldern und im kontingenten mehrdimensionalen sozialen Raum.⁵⁴ Veränderungen gesellschaftlicher Ordnungen durch innere oder äußere Einflüsse veranlassen ihre Mitglieder zu Handlungen, in denen die Veränderung zunächst begutachtet, dann bewertet und Strategien für den weiteren Umgang mit ihnen entworfen werden. In diesen Handlungen wird dem Neuen Sinn, Wert sowie Prestige zugeschrieben. Das Neue wird im sozialen Raum positioniert. Die Praxis der Positionierung von Dingen und Menschen im sozialen Raum wird in kommunikativen Praktiken ausgehandelt.⁵⁵ Die Kommunikation kann dabei symbolisch, sprachlich oder physisch sowie mit Mischungen von alledem vor sich gehen. So können Texte Artefakte von Kommunikation einer praktischen Aushandlung gesellschaftlicher Ordnungen sein.⁵⁶ Aus diskursanalytischer Perspektive können Texte ebenfalls als Gegenstände betrachtet werden, die in solchen Aushandlungs-
52 Bourdieu zufolge ist „Kapital […] akkumulierte Arbeit, entweder in Form von Materie oder in verinnerlichter, ‚inkorporierter‘ Form. Wird Kapital von einzelnen Aktoren oder Gruppen privat und exklusiv angeeignet, so wird dadurch auch die Aneignung sozialer Energie in Form von verdinglichter oder lebendiger Arbeit möglich. Als vis insita ist Kapital eine Kraft, die den objektiven und subjektiven Strukturen innewohnt; gleichzeitig ist das Kapital – als lex insita – auch grundlegendes Prinzip der inneren Regelmäßigkeiten der sozialen Welt.“ Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183 – 198, hier, S. 183. Bourdieu unterscheidet drei wesentliche Kapitalarten, das ökonomische, das soziale und das kulturelle: 1) ökonomisches Kapital: Besitz und Vermögen (institutionalisiert im Eigentumsrecht); 2) soziales Kapital: (Netz aus) Beziehungen, Gruppenzugehörigkeit; 3) kulturelles Kapital: ‚Bildungskapital‘, das drei qualitativ unterschiedliche Erscheinungsformen hat: a) inkorporiertes kulturelles Kapital (Sozialisation); b) institutionalisiertes kulturelles Kapital (Titel und Auszeichnungen); c) objektiviertes kulturelles Kapital (materieller Erwerb; symbolischer Erwerb (Wissensaneignung über etwas). Vgl. Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183 – 198. 53 Vgl. ebd., S. 183 – 198. 54 Vgl. ders.: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Martin Wentz (Hg.), StadtRäume, Frankfurt a. M. 1991, S. 25 – 34. 55 Vgl. ders., Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1991, S. 17 f. 56 Vgl. Fabian Fechner et al., „We are gambling with our survival.“ Bedrohungskommunikation als Indikator für bedrohte Ordnungen, in: Ewald Frie/Mischa Meier (Hg.), Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Tübingen 2014, S. 141 – 174, hier S. 151.
3.3 Zeitungstexte als Relikte der kommunikativen Herstellung von Ordnungen
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prozessen und Diskursen erzeugt werden, als „machtbestimmte soziale Prozesse, die als materiell wirksam begriffen werden“.⁵⁷ Texte, deren Urheber nicht zweifelsfrei feststellbar sind wie im Fall der Streikberichterstattung, die allerdings aufgrund bestimmter gegebener Umstände wie der Zugehörigkeit der Mitarbeiter zu einem Presseorgan als Kollektivakteure gelten können, können als zu Buchstaben geronnene subjektive Äußerungen ihrer Produzenten und damit als kommunikative gesellschaftliche Praktik der Produktion der vorgestellten sozialen Ordnung ihrer Gesellschaft⁵⁸ betrachtet und kulturwissenschaftlich untersucht werden. In meiner Forschungsarbeit gehe ich den Fragen nach, mit welchen Sichtweisen und Praktiken die Akteure in den abgedruckten Diskursen um die Bergarbeiter ihre alltagsweltliche Ordnung deuteten und herstellten und worin deren temporäre, lokale und kulturelle Spezifik bestand.
57 Ullrich, Diskursanalyse, Diskursforschung, Diskurstheorie, in: Freikamp (Hg.), Kritik mit Methode? 2008, S. 19 – 32, hier S. 21. Ullrich rekurriert hier auf Michel Foucault, laut dem Diskurse „Praktiken [sind], die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“. Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1992, S. 74. 58 Der Begriff der „Imagined Communities“, der vorgestellten Gemeinschaften, geht auf den marxistischen Politikwissenschaftler Benedict Anderson zurück. Dieser entwickelte in seinem 1983 erschienenen Werk „Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism“ den Gedanken, dass die Vorstellung von einer Nation als kollektiver Identifikationskategorie ein Resultat historischer gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse sei. Anderson konstatiert, historisch gesehen sei die Idee von homogenen Nationen als einer eine Gesellschaft brüderlich vereinende Ideologie eine neue Erscheinung, obwohl sie den Nimbus des Schon-immer-Dagewesenen pflege. Diese hängt in seinen Augen mit den sich im 19. Jahrhundert mit der Ideologie des Nationalismus gleichzeitig und mit den sich parallel entwickelnden Wissenschaften zusammen, darunter die Soziologie. Vgl. Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the origin and spread of nationalism, London 2006 [1983].
4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise 4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische Untersuchungen Zeitungen und Zeitschriften waren, neben Plakaten sowie Flugblättern, die einschlägigen Massenmedien des 19. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des Zentenariums gab es kein anderes Medium, welches die Menschen so schnell, auf so große Distanzen und in so großer Menge mit Informationen versorgen konnte wie die Presse. Die Artefakte dieser Informationstransfers bewahren bis heute Unmengen vielfältigster Informationen über die damalige Welt.¹ Deshalb fiel meine Wahl auf die Nutzung dieses Mediums für meine historisch-ethnographische Forschung.² Die Bibliotheken von Budapest und Pécs bewahren in ihren Archiven einen großen und beinahe lückenlosen Bestand Pécser Zeitungen und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert auf. Darüber hinaus war ich mit dem Umgang mit historischen Presseerzeugnissen als kulturwissenschaftlichem Forschungsobjekt bereits vertraut. Bei der Sichtung der Pécser Zeitungen entstand der Eindruck, dass die Anwesenheit der in großer Zahl vor den Toren der Stadt Pécs lebenden Bergleute von der Lokalpresse lange Zeit kaum beachtet worden war. Diese Beobachtung untermauert ein Beitrag aus dem Jahre 1893 in der Pécsi Napló: Wer hat in den vergangenen langen Jahren – seit dem letzten Streik – über das Schicksal der Bergleute gesprochen? Wer kümmerte sich um sie? Weder die städtische Behörde, obwohl die Bergleute einen Großteil der städtischen Bewohner ausmachen; noch das Komitat, obwohl die Bergwerke hunderten von Familien das Auskommen sichern und schlussendlich auch die Gesellschaft, die sich zu fein ist, um sich mit einem solch niedrigen Volk zu befassen, kümmerten sich um die Bergleute. Erst jetzt, nachdem die Phylloxera³ unsere Gemeinden um ihr
1 Vgl. Mate Eichenseher, Was zeigen die Anzeigen? Ein kulturwissenschaftlicher Versuch über die Angebote der kommerziellen Anzeigen der Prager, Wiener und Ofner-Pesther Zeitung der 1830er Jahre, in: Anna Ananieva (Hg.), Zirkulation von Nachrichten und Waren. Stadtleben, Medien und Konsum im 19. Jahrhundert, Tübingen 2016, S. 81 – 86. 2 „Die Metapher ‚historische Ethnographie‘ drückt das Anliegen aus, Methoden und interpretative Grundannahmen der um Feldstudien herum organisierten gegenwartsbezogenen Kulturforschung auf historisches Material anzuwenden.“ Kaspar Maase, Das Archiv als Feld? Überlegungen zu einer historischen Ethnographie, in: Katharina Eisch-Angus/Marion Hamm (Hg.), Die Poesie des Feldes. Beiträge zur ethnographischen Kulturanalyse [Für Utz Jeggle zum 60. Geburtstag], Tübingen 2001, S 255 – 271, hier S. 256. 3 Die Phylloxera (Daktulosphaira vitifoliae) ist eine aus Nordamerika stammende Unterordnung der Pflanzenläuse, deren spezifisches Habitat Weinreben sind. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhttps://doi.org/10.1515/9783111247113-004
4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische Untersuchungen
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Einkommen gebracht hat, zeigen sie Teilnahme, indem sie verspätet und nachträglich weise Ratschläge verteilen. Und seien wir ehrlich, die lokale Presse hat bisher ebenfalls kaum Interesse für das hiesige Bergarbeitervolk gezeigt, deren Sache nicht nur lokale, sondern landesweite Bedeutung innehat.⁴
Abgesehen von einer technischen Beschreibung eines Lokalblattes, zeigte die Pécser Presse nur in seltenen und kurzen Nachrichten ihr Interesse für die Arbeiter der Bergwerke. Um die Stichhaltigkeit dieser Wahrnehmung zu validieren, sichtete ich alle im Zeitraum zwischen dem 1. Mai 1870⁵ und dem 28. Juli 1914⁶ erschienenen Zeitungen. Für dieses Unterfangen entwickelte ich eine speziell auf das Quellenmaterial zugeschnittene Suchmatrix, welche später näher beschrieben wird. Meine Beobachtungen und die Behauptung der Pécsi Napló konnten schließlich bestätigt werden. Beim Umgang mit Zeitungen muss berücksichtigt werden, dass Journalisten für ihre Beiträge aus den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen selektieren. Sie wählen die Themen aus, die sie für relevant halten. Hinzukommt, dass Zeitungen keine neutralen Institutionen sind, die nach feststehenden Kriterien berichten, sondern dass es sich bei ihnen um Dienstleister handelt, die aus unterschiedlich ausgerichteten spezifischen Perspektiven auf die Welt blicken und
hunderts verbreitete sich die Reblaus invasionsartig von Westeuropa ausgehend auf dem ganzen Kontinent. Die Phylloxera fügte auch dem ungarischen Weinbau große Schäden zu, die bis hin zur endgültigen Aufgabe des Weinbaus an einigen Orten führten. Durch die Plage stieg die Arbeitslosigkeit unter den in und um den Weinbau Beschäftigen stark an. Vgl. Melinda Égető, Filoxéra (lat. Phylloxera vastatrix), in: Gyula Ortutay (Hg.), Magyar néprajzi lexikon, Budapest 1979, Bd. II. F, S. 163 – 164; vgl. Zoltán Kaposi: Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 31. 4 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131 (159), Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 5 An diesem Tag erschien eine der wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen Ungarns und die bedeutendste Zeitung von Pécs, die Fünfkirchner Zeitung. Vgl. Zoltán Szendi, Die Fünfkirchner Zeitung. Ein Forschungsbericht über die wichtigste deutschsprachige Zeitschrift von Pécs/Fünfkirchen in der Zeit der Doppelmonarchie, in: Lukas Marcel Vosicky (Hg.), KulturÜbersetzung. Wissens- und Kulturtransfer im Netzwerk der Österreich-Bibliotheken im Rahmen des Südosteuropaprogramms der Auslandskultur „Culture for Stability“ Chancen kultureller Netzwerke II., Wien 2007, S. 43 – 50, hier S. 44. 6 Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien veränderte sich die Normalität des Alltags der Menschen in Europa und in Pécs grundlegend; zudem traten in Ungarn Ausnahmeregelungen für die Presse in Kraft, wodurch die Bedingungen der Zeitungsberichterstattung eine Zäsur erlebte. Vgl. Károly Edvi Illés, A Magyar Sajtótörvény zsebkönyve. Kiegészítve az életbeléptetési és végrehajtási rendelettel, Budapest 1914, § 63, S. 83. Nach Auffassung des englischen Historikers Eric John Hobsbawm endete das „lange 19. Jahrhundert“ (Eric J. Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter. 1875 – 1914, Frankfurt a. M. et al. 2008, S. 15 – 18.) in diesem Jahr. Dies bewog mich, die Recherche mit diesem Datum abzuschließen.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
gleichzeitig ihre spezifischen Zielgruppen adressieren. Dabei stehen sie in Konkurrenz um die Leserschaft mit anderen Medien. Daher mussten auch die Pécser Zeitungsredaktionen auswählen, was sie als berichtenswert und was sie als vernachlässigbar einschätzten. Zeitungen berichten in der Regel über jene Ereignisse, Phänomene und Tendenzen, welche einerseits ganz aktuell sind, andererseits aber auch über solche, die ihre jeweilige Zielgruppe interessieren könnten. Im Falle der Berichterstattung der Pécser Presse über die Bergarbeiterschaft waren dies, neben den Streiks, meist die ungewöhnlichen, spektakulären sowie nicht-alltäglichen Ereignisse, die zumeist in Form von Kurznachrichten wiedergegeben wurden: schwerere Unglücke in den Bergwerksgruben, Kneipenschlägereien unter Bergleuten, Feierlichkeiten am Tag der Heiligen Barbara am 4. Dezember⁷ und ab Mitte der 1890er Jahre auch die Feiern am Ersten Mai.⁸ Dagegen thematisierten die Zeitungen nur äußerst selten die Arbeitsbedingungen sowie die Lebensumstände der Bergarbeiter in ihren Bergarbeitersiedlungen, die schließlich zu Unzufriedenheit und zum Streik führten. Es scheint, als ob seitens der Zeitungen große Unwissenheit und geradezu Desinteresse gegenüber den Zuständen in den Bergarbeitersiedlungen herrschte. Bisweilen wurde die soziale Frage der Arbeiterschaft in den Zeitungsbeiträgen zu einer ökonomischen Frage des Geldmangels stilisiert: „Es gibt bei uns keine sozialen oder Arbeiterfragen, aber es gibt sehr wohl Arbeiterfragen, die aus dem Mangel an Arbeit, aus der Unzulänglichkeit der Industrie und des Handels herrühren, da zurzeit das Kapital am Schwinden ist.“⁹ Ein anderes Blatt argumentierte im Jahre 1886, dass, während die Arbeiter in Westeuropa schon nach staatlicher Macht strebten, unter den ungarischen Arbeitern noch nicht einmal das Bewusstsein für die anarchistische Idee vorhanden sei.¹⁰ Als sich im Jahre 1882 dann der erste allgemeine Bergarbeiterstreik von Pécs anbahnte und die Presse nicht umhinkam, sich mit den Bergleuten zu befassen, wunderte sich die Zeitung Pécsi Figyelő beispielsweise über die teuren und mickrigen Brötchen, die offenbar im Lebensmitteldepot der Donaudampfschiff-
7 Am 4. Dezember feiern die Bergleute ihre Schutzpatronin, die Heilige Barbara von Nikomedien. 8 Auf dem Kongress der Zweiten Internationale der Arbeiterbewegung 1889 beschloss man, ab dem 1. Mai 1890 den Tag als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ zu begehen.Vgl. Árpád von Klimó, Nation, Konfession, Geschichte. Zur nationalen Geschichtskultur Ungarns im europäischen Kontext (1860 – 1948). Zugl.: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr., 2001. München 2003, S. 158 – 171. 9 Anon, Munkásaink, [Unsere Arbeiter], Pécs-Baranyai-Hírlap, 1882, Jhg. 1, Nr. 43, Mittwoch, 31. Mai, S. 1 – 2. 10 Vgl. Anon, A munkás-kérdés veszélyei, [Die Gefahren der Arbeiterfrage], Pécs, 1886, Jhg. 5, Nr. 20, Samstag, 15. Mai, S. 1.
4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische Untersuchungen
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fahrtsgesellschaft¹¹ in der Bergarbeitersiedlung verkauft wurden.¹² Anhand dieses Falles lässt sich auf die Ferne, auf die Distanziertheit der Zeitungen zur Bergarbeiterschaft folgern, wenn man bedenkt, dass die Redaktion ein solches Brötchen als Anschauungsexemplar zugesandt bekommen hatte, anstatt es selbst vor Ort zu besorgen. Dies kann als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass Journalisten die Bergarbeitersiedlungen bis dahin nur selten aufgesucht hatten. Soweit anhand des überlieferten Materials feststellbar, wurden während des Streiks im Jahre 1893 erstmals überhaupt Reporter zu den Siedlungen entsandt.¹³ Erst im Jahre 1894 ist von einem persönlichen Gespräch zwischen einer für eine Zeitung arbeitenden Person und einem Bergarbeiter die Rede. Darin wird ein Gespräch von „einem Freund des Blattes“¹⁴ mit einem Streikenden in einem ca. 35 Kilometer von Pécs entfernt liegenden Bergwerk erwähnt. Im Zeitraum davor stammten die Informationen der Zeitungen üblicherweise aus Mitteilungen von Behörden und ihren Vertretern beziehungsweise von informellen Begegnungen der Journalisten mit als vertrauenswürdig eingestuften Mitarbeitern von Behörden, von Unternehmen sowie dem Militär. Während also die Bergleute außerhalb der Streikphasen von der Lokalpresse kaum beachtet worden waren, brach geradezu eine Flut von Zeitungsartikeln los, als in den Bergwerken der Stadt der Bergarbeiterstreik ausgerufen wurde. Während im Jahr vor dem ersten Streik, zwischen Mai 1881 und Mai 1882, insgesamt nur vier Artikel erschienen, die sich mit Bergarbeitern befassten, stieg ihre Zahl in der Regionalpresse während des Streiks ab der zweiten Maihälfte 1882 innerhalb von zwei Wochen auf rund 20 Artikel. Die überregionalen Zeitungen hingegen berichteten nur in wenigen Meldungen über das Ereignis. In den darauffolgenden Monaten und Jahren waren die Relationen ähnlich. Obwohl der erste Streik von 1882 den Behörden kurzerhand niedergeschlagen wurde und auf keine der Forderungen der
11 Die DDSG war seit den 1870er Jahren der Hauptarbeitgeber im Steinkohlebergbau in Pécs. Das Unternehmen versorgte ihre Arbeiter in den Bergarbeitersiedlungen mit Grundlebensmitteln in ihren eigenen Depots.Vgl. Zoltán Huszár, Pécs és a Dunagőzhajózási Társaság, in: Pécsi Szemle (1998), ősz–tél, S. 69 – 84, hier S. 82 f. 12 Vgl. Anon, A bányatelepi zsemlyék, [Die Brötchen aus der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 3. 13 „Ich habe mich unter das Volk gemischt, um unmittelbar aus seinem Munde Aufklärung über die Gründe für den Streik zu erhalten. Es gab manche, die bereit gewesen wären, mich aufzuklären, aber unter den drohenden und misstrauischen Blicken der sich um uns herum scharenden Bergleute ließen sie nach ein, zwei Fragen von ihrer Absicht wieder ab, da sie sich vor der Rache ihrer Kollegen fürchteten, die in ihnen Verräter ihrer Sache sehen.“ Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3. 14 Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
Bergarbeiter eingegangen worden war, schwieg die Presse in der Folgezeit über deren Lebens‐ und Arbeitssituation. Als elf Jahre später, am 6. Juni 1893 der zweite große Streik der Bergarbeiter ausbrach, häuften sich die Berichte erneut stark. Bis zum Ende des Streiks am 28. Juli erschienen in den einschlägigen regionalen deutsch- und ungarischsprachigen Zeitungen 75 Artikel über Bergarbeiter. Überregionale Blätter verfolgten die Ereignisse ebenfalls ausführlicher als elf Jahre zuvor. Ähnlich verhielt es sich in der Zeit zwischen dem zweiten und dem dritten allgemeinen Bergarbeiterstreik in Pécs: Zwischen 1893 und 1905 fanden die Bergleute kaum Erwähnung in der lokalen Berichterstattung. Den neunwöchigen Streik der Bergleute im Juli und August 1905 begleitete die Presse wiederum mit 129 Zeitungsartikeln. In dieser Zeit stach die sozialistische Zeitung Népszava aus Budapest mit 31 Beiträgen unter den überregionalen Blättern hervor. Beim Streik von Juli bis August 1908 gingen die Pécser Zeitungen teils schon im Juni auf die Bergarbeiter ein. Mit diesen sowie den während des Streiks erschienenen Berichten sind allerdings lediglich 74 Zeitungsartikel über Bergarbeiter zu zählen. Während der Umfang der Berichte während der Streikphasen sehr unterschiedlich sein konnte, hatten Artikel über Bergarbeiter in den dazwischen liegenden Monaten in der Regel lediglich Nachrichten-Länge.¹⁵ Die Regelhaftigkeit des Wechsels von Ignoranz zu eifriger Beachtung der Bergarbeiter durch die Medien geht aus der tabellarischen Darstellung der Verteilung der Zeitungsbeiträge zwischen März 1882-Oktober 1908 eindrucksvoll hervor.¹⁶ Dieses Wechselspiel zwischen Ignoranz und Interesse wurde auch von der Pécsi Napló bemerkt.¹⁷ Ob ausführlich oder knapp, die Texte der zeitgenössischen Presse eignen sich besonders, um Stimmen, Stimmungen, Normen, Werte sowie Praktiken der damaligen Zeit zu erfassen. So beispielsweise, wenn die Fünfkirchner Zeitung in einem kurzen Beitrag recht detailliert davon berichtet, wie ein Bergarbeiter, der beim örtlichen Notar um die Aushändigung seiner Ausweisdokumente bat und sich dabei, in den Augen des Notars, nicht angemessen benommen hatte, woraufhin er von diesem mit einer „wohlaplizirten Ohrfeige“¹⁸ zur Raison gebracht wurde. Der Zeitungsbeitrag zeigt plastisch den herabwürdigenden Umgang gesellschaftlich Hö-
15 Siehe hierzu die Tabelle zur chronologischen Verteilung der Zeitungsbeiträge im Anhang sowie die Tabelle der Größenzuordnungen von Zeitungsartikeln (Kap. 4.4). 16 Für die Untersuchung wurde zunächst die gesamte Zeitspanne zwischen 1870 und 1914 gesichtet. Im Anhang ist aus platzgründen nur der für den Streik von 1893 relevante Abschnitt dargestellt. 17 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131 (159), Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. Siehe oben. 18 Anon, Endlich hat er’s geglaubt, Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 6.
4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische Untersuchungen
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hergestellter mit Arbeitern und deren strukturelles Ausgeliefertsein sowie die Selbstpositionierung der Zeitung aufseiten des Notars.¹⁹ Die Autoren der meisten Zeitungsbeiträge dieser Zeit blieben anonym, da sie weder ihren Namen noch – wie später üblich – ein Kürzel unter ihre Artikel setzten. Es kann allerdings in den meisten Fällen davon ausgegangen werden, dass die längeren Artikel von den Chefredakteuren der in der Regel recht kleinen Presseunternehmen selbst verfasst wurden. Die Journalisten beschrieben die Ereignisse anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Informationsquellen, die der Nachwelt meistens ebenfalls verborgen blieben. Der Personenkreis, der die Pécser Zeitungen produzierte und konsumierte, war in dieser Zeit vor allem im urbanen bürgerlichen Milieu zu finden.²⁰ Eine sozialistische oder der Arbeiterschaft anderweitig zugewandte Zeitung erschien in Pécs im untersuchten Zeitraum noch nicht.²¹ Daher sind die von den Zeitungen vertretenen Normen, Werte und Wissen vor allem für städtische, die Presse konsumierende Kreise repräsentativ. Von den Journalisten kann angenommen werden, dass sie die Relevanz sowie die Glaubwürdigkeit ihrer Informanten und der von diesen gelieferten Informationen abgewogen haben.²² Trotz der mangelnden Zuordenbarkeit an konkrete Personen (Informanten/Autoren) sind die Zeitungstexte wertvolle Informationsquellen, die dem heutigen Forscher die subjektiven Sichtweisen, Wertungen, Deutungen und Zukunftsvisionen mitteilen, und zwar entsprechend der politischen, religiösen oder ideologischen Orientierung der Zeitung. Betrachtet man also die Artikel als subjektive Äußerungen der untersuchten Zeitungen, als Akteure des
19 Die körperliche Disziplinierung von Arbeitern durch Vorgesetzte war im 19. Jahrhundert im Königreich Ungarn laut dem Volkskundler Atilla Paládi-Kovács verbreitet. Vgl. Atilla Paládi-Kovács, Az ipari munkásság, in: Ders. (Hg.), Magyar néprajz. Nyolc kötetben, Budapest 2000, S. 239 – 308, hier S. 306. 20 In der Presseforschung über das 19. Jahrhundert wird darauf hingewiesen, dass der Rezipientenkreis der Zeitungen noch deutlich erweitert werden kann, wenn man die mitlesenden Beschäftigten der bürgerlichen Haushalte und die Analphabeten, denen teilweise auch gegen Bezahlung vorgelesen wurde, mit einkalkuliert. Vgl. u. a. Peter Stolze, Untersuchungen zur Sprache der Anzeigenwerbung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine Analyse ausgewählter Anzeigen in den Leipziger Zeitungen von 1741 – 1801, Bochum, Univ., Diss., 1982. Göppingen 1983, S. 12; vgl. Sylvia Bendel, Werbeanzeigen von 1622 – 1798. Entstehung und Entwicklung einer Textsorte, Zürich, Univ., Diss., 1997. Zürich 1998, S. 37. 21 Die erste Pécser Arbeiterzeitung die Munkás erschien im Mai 1898. Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 436, S. 223. 22 Zur redaktionellen Arbeit und zu Darstellungsformen in Zeitungen: Vgl. Eva Brand/Volker Schulze/Peter Brand (Hg.), Medienkundliches Handbuch. Die Zeitung, Braunschweig 1982.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
Forschungsfeldes, die man (fiktiv) in einem narrativen Interview²³ über die Ereignisse der Bergarbeiterstreiks, die sie miterlebt haben, befragen kann, erhält man wertvolle Informationen über die Wahrnehmungs-, Denk‐ und Handlungsschemata der damaligen Pécser Gesellschaft.²⁴ Die Pécser Zeitungen scheinen die Anwesenheit der seit den 1850er Jahren in großer Zahl eingewanderten Arbeiter bis zum ersten Streik 1882 wenig beachtet zu haben. Beim Ausbruch des Streiks wurden sie hingegen mit dreierlei Phänomenen konfrontiert: Erstens mit der Anwesenheit einer großen Gruppe von Fremden, zweitens mit einer neuen, zahlenmäßig bedeutenden gesellschaftlichen Personengruppe, den Arbeitern, und schließlich mit einer neuen Form arbeitspolitischer Aktivität, dem Streik: „Auf dass wir die Zivilisation ja nicht verpassen, hat man nun auch innerhalb der Grenzen der Stadt Arbeiterunruhen abgehalten, die wir uns überhaupt nicht gewünscht haben.“²⁵ Den Streik nahmen die Blätter als ein außergewöhnliches Ereignis wahr, über das gesprochen beziehungsweise geschrieben werden musste. Durch die Thematisierung dieses Ereignisses produzierten sie Wissen, welches Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit wurde. Ein solches Ereignis kann kommunikativ zu einem frohen Fest, zu einem großen Erfolg, einer schweren Katastrophe oder zur Krise²⁶ wie auch zu einer Bedrohung werden. Im Falle der Bergarbeiterstreiks von Pécs betrachteten die meisten der ausgewerteten Zeitungsartikel die Ereignisse als Grenzüberschreitung, als Konflikt. Die zeitgenössische Presse wurde durch ihre Berichterstattung zum Akteur in den kommunikativen Aushandlungsprozessen, die sich um den Streik drehten. Sie behandelte das zentrale Thema des vor sich gehenden Ereignisses sowie dessen Protagonisten dabei selten wertfrei, sondern reicherte die Texte mit weiteren Sujets an – etwa das angemessene Benehmen einer höhergestellten Persönlichkeit ge-
23 Vgl. Christel Hopf, Qualitative Interviews – ein Überblick, in: Uwe Flick/Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2012, S. 349 – 360, hier S. 355 – 357. 24 Die Einordnung von Medien als Kollektivakteure wurde weiter oben umrissen (vgl. Kap. 3.2). 25 Anon, Munkás-zavarok Pécsett, [Arbeiterunruhen in Pécs], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1. 26 Eine Krise entsteht dann, wenn die Normalität gestört und die berühmte Toleranzgrenze überschritten wird. Dabei wird die Grenzüberschreitung erst dann zur Krise, wenn die Störung der Normalität als übermäßig verunsichernd, aber noch nicht als bedrohlich empfunden wird. Krisen seien, so der Krisenforscher Ansgar Thießen, „deutungsabhängige Phänomene […] kommunikativ ausgehandelte[r] Irritationen in einem gesellschaftlich-organisationalen Ordnungsrahmen.“ Ansgar Thießen: Organisationskommunikation in Krisen. Reputationsmanagement durch situative, integrierte und strategische Krisenkommunikation, Wiesbaden 2011, S. 65.
4.1 Die Presse als Quelle für historisch-ethnographische Untersuchungen
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genüber²⁷ oder örtliche Bedingungen und Situationen –, wodurch die umfassenderen kulturellen Schemata der Zeitungen deutlich werden. Die Presse als Kommunikationsmedium ist eine besonders gut geeignete Quelle, um den kulturellen Umgang von Gruppen und Gesellschaften mit Konflikten, mit dem Neuen, dem Anderen und dem Fremden, den eingewanderten Bergleuten, in einer historischen Perspektive zu untersuchen wie in diesem Fall. Die Pressetexte sind weniger als Spiegel der ganzen Pécser Gesellschaft zu verstehen, sondern vielmehr als subjektive Stimmen und Stimmungen aus dem Kreis der Zeitungsmacher und ihrer Leserschaft. Die Zeitungen berichteten in ihren Artikeln von Auseinandersetzungen, Projekten und Ereignissen. In den Aussagen, die sie trafen, werden ihre Diskurspositionen sichtbar. Sie erklärten sich dazu auch selbst. Ihre Positionen waren liberal, nationalistisch, konservativ, katholisch etc. Noch interessanter als diese Positionen sind die Auffassungen der Zeitungsautoren über die Gegenstände ihrer Artikel. Sie entdeckten Veränderungen in ihrer Umwelt und versuchten, diese diskursiv zu integrieren; dabei konstruierten sie eine neue Form von Wirklichkeit, die den veränderten Faktoren zu entsprechen versprach. Hierzu nutzten sie ihr kulturelles Kapital und ihren Habitus:²⁸ Sie bewerteten den Erkenntnisgegenstand mit Normen und Wissen, die ihrem gesellschaftlichen Status, ihrem Bildungsstand, ihrer politischen Orientierung, ihrer Konfession, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Alters- und Geschlechtsgruppe etc. entsprachen. Im Falle der Diskurse um die eingewanderten Bergleute als den Fremden der Pécser Gesellschaft waren hierbei zwei Distinktionskategorien maßgeblich: das Eigene und das Andere.²⁹ Bei der Konstruktion des Anderen, des „othering“,³⁰ gibt es laut der Literaturwissenschaftlerin Gayatri Chakravorty Spivak drei Dimensionen: Zum einen die Konstatierung der eigenen Macht gegenüber den Subalternen,³¹ zum
27 Vgl. Anon, Endlich hat er’s geglaubt, Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 6. 28 Vgl. Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183 – 198, hier S 183. 29 Vgl. Andreas Ackermann: Das Eigene und das Fremde. Hybridität, Vielfalt und Kulturtransfers, in: Friedrich Jaeger/Jürgen Straub (Hg.), Handbuch der Kulturwissenschaften. Themen und Tendenzen, Stuttgart 2011, S. 139 – 154. 30 Gayatri Chakravorty Spivak, The Rani of Sirmur: An Essay in Reading the Archives, in: History and Theory 24 (1985), 3, S. 247– 272, hier S. 252. 31 „Der Begriff der Subalternen, auf den sich [Gayatri Chakravorty] Spivak […] bezieh[t] ist aus Gramscis Gefängnishefte[n] […] entliehen. Diese verfasste der italienische Marxist während Mussolinis faschistischem Regime in Kerkerhaft. ‚Subalterne‘ sind bei ihm diejenigen, die keiner hegemonialen Klasse angehören, die politisch unorganisiert sind und über kein allgemeines Klassenbewusstsein verfügen.“ María do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan : Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld 2005, S. 69.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
zweiten kann die Herabwürdigung des anderen als unzivilisiert, wild oder exotisch erfolgen. Und schließlich die Überordnung über den anderen durch die Haltung, selbst über die bessere Technologie sowie Wissen zu verfügen als die anderen.³² Die den Unterschieden zugeschriebenen Qualitäten sind zeitlich wandelbar und unterliegen permanenten Aushandlungsprozessen.³³ Gesellschaften und gesellschaftliche Gruppen definieren sich anderen gegenüber durch Distinktion. Die Zuschreibungen in Zeitungstexten sind daher nicht zufällig. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Autoren dezidiert Gedanken über geeignete Formulierungen über jene Personen oder Gruppen machten, über die sie schrieben. Somit kann angenommen werden, dass die Journalisten in ihren Äußerungen die kulturellen Werte, Normen und Haltungen ihrer Zeit sowie ihres gesellschaftlichen Milieus repräsentieren. In meiner Untersuchung der Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge geht es nicht darum, die Wahrheit über Ereignisse, Handlungen und Personen zu ergründen, sondern vielmehr darum, eben jene kollektiven Normen, Auffassungen und Wertvorstellungen der Zeitungen zu erfassen. Es geht darum, zu erkunden, wie die Zeitungen mit der Bergarbeiterschaft kulturell umgegangen sind, aus welchen Perspektiven sie diese betrachtet haben und mit welchen kulturellen Praktiken und Schemata sie die Bergleute dargestellt haben. Hierzu sind historische Zeitungsbeiträge bestens geeignet.
4.2 Die Grounded Theory als Methode zur kulturwissenschaftlichen Untersuchung historischer Pressemedien Für die adäquate methodische Bearbeitung des ausgewählten historischen Quellenmaterials fiel meine Wahl auf den Forschungsansatz der Grounded Theory. Sie ist eine ergebnisoffene, vorwiegend mit qualitativen Daten arbeitende Forschungsmethode, die darauf abzielt, die im erhobenen Material vorgefundenen Phänomene mit einer auf diese zugeschnittenen Theorie zu erklären. Die Grounded Theory bezweckt die „Entdeckung von Theorien auf der Grundlage von Daten“ mittels „komparativer Analyse“.³⁴ Die Generierung der Theorie betrachten die
32 Vgl. Spivak, The Rani of Sirmur, in: History and Theory (1985), 3, S. 247– 272, hier S. 252 – 257. 33 Vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede, S. 281. 34 Barney G. Glaser/Anselm L. Strauss, Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung, Bern 2010, S. 19.
4.2 Die Grounded Theory als Methode
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Hauptvertreter des Ansatzes, die Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss, als einen Entwicklungsprozess. Ob die Daten mit qualitativen oder quantitativen Methoden erhoben werden, sei dabei gleichgültig. Wesentlich sei, dass die neue Theorie aus diesen Daten heraus generiert werde, anstatt bereits vorhandene Theorien mithilfe der Daten zu verifizieren.³⁵ Da Vergleiche stets hinken, so Glaser und Strauss, präferieren sie den quellenimmanenten Vergleich. Eigene Daten sollten daher mit eigenen statt mit fremden Daten verglichen werden, um eine vertretbare Kommensurabilität zu erreichen. Hierzu werden zunächst Phänomene, in den Worten der Grounded Theory „Tatsachen“,³⁶ gesucht. Aufgrund der ersten „Tatsachen“ wird ein Konzept entworfen, dann werden weitere Tatsachen gesucht, um das Konzept zu erhärten. Lässt sich ein solches Konzept an anderen Daten nicht verifizieren, wird dieses verändert oder notfalls verworfen. Dieses Verfahren des Entwerfens von Konzepten, deren Überprüfung an neuem Material und die zunehmende Optimierung der Konzepte ist das typisch abduktive Verfahren der Grounded Theory. Aus einem bewährten Konzept wird eine „konzeptuelle Kategorie“, aus den Tatsachen „Belege“ zur Illustration des Konzepts:³⁷ „Eine Grounded Theory wird aus den Daten gewonnen und nicht aus logischen Annahmen abgeleitet.“³⁸ Die Grounded Theory arbeitet und denkt dabei empirisch, prozessual und theorieplural. Glaser und Strauss nehmen an, dass die aus den Daten generierten Theorien „nichts anderes [sind] als ein Ausdruck der in [den] Daten verborgenen Ordnung.“³⁹ Grundlegend bei der Grounded Theory ist das Theoretische Sampling. Beim Theoretischen Sampling verlaufen Erhebung, Kodierung und Analyse sowie die Entscheidung über die noch zu erhebenden Daten synchron.⁴⁰ Dieser Prozess wird begleitet und kontrolliert durch die dabei entstehenden materialen oder formalen Theorien, die im Idealfall aufeinander aufbauen. Das Hauptinteresse der Grounded Theory ist es, Theorien zu generieren, nicht aber Fakten zu verifizieren.⁴¹ Die zu erhebenden Daten sollten nach ihrer„theoretischen Relevanz“⁴² ausgewählt und dem theoretischen Konzept entsprechend breit oder tief erhoben werden. Die Grounded Theory analysiert mit der Methode des stän-
35 Vgl. ebd; vgl. Jörg Strübing, Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung eines pragmatistischen Forschungsstils, Wiesbaden 2014; vgl. Uwe Flick, Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung, Reinbek bei Hamburg 2010, S. 386 – 388. 36 Glaser/Strauss, Grounded Theory, 2010, S. 41. 37 Ebd. 38 Ebd., S. 47. 39 Ebd., S. 58. 40 Vgl. ebd., S. 115. 41 Vgl. ebd., S. 60 f. 42 Ebd., S. 76.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
digen Vergleichs. Die mithilfe dieser „komparativen Analyse“⁴³ entstehenden Kategorien und die daneben generierten Theorien werden permanent miteinander abgeglichen, angepasst und optimiert. Dieser ständige Vergleich verläuft in vier Stufen:“(1) Vorkommnisse für jede Kategorie vergleichen; (2) Integration der Kategorien und ihrer Eigenschaften; (3) Begrenzung der Theorie; (4) Abfassen der Theorie.“⁴⁴ Die Grounded Theory wird vor allem bei qualitativen Forschungen angewandt. Allerdings ist für die Grounded Theory auch die Verwendung quantitativer Daten (sowie ihre Mischung mit qualitativ erhobenen Daten) zielführend. Auch die „Lockerung der Regeln“⁴⁵ im Umgang mit quantitativen Daten wird befürwortet, wenn diese die Analyse fördern und solange die Gründe für ihre Verwendung plausibilisiert werden.⁴⁶ Trotz der Forderung der Grounded Theory, eigene Theorien zu entwickeln, wendet sich der Ansatz nicht kategorisch gegen die Anwendung vorhandener Theorien. Da kein Forscher als Tabula rasa an ein neues Feld herangehen könne, sei das theoretische Vorwissen in neuen Forschungssituationen weder hinderlich noch müsse es verdrängt werden. Es sei vielmehr sinnvoll, Ideen aus vorhandenen Theorien zu schöpfen, sofern diese den Kriterien der Anwendbarkeit im Sinne der Grounded Theory entsprechen: „Als Quelle von Einsichten ist Theorie durchaus hoch zu schätzen, auch wenn dieser Rückgriff nicht auf Kosten solcher Einfälle gehen sollte, die mittels qualitativer Forschung zustande kommen, welche sich näher an den Daten bewegt. Eine Kombination beider Strategien ist ohne Frage wünschenswert.“⁴⁷ Für den Soziologen Jörg Strübing hat die Grounded Theory etwas Aufklärerisches, denn sie versuche, einen Weg aus der selbstverschuldeten Theorieunmündigkeit des Forschers zu weisen. ⁴⁸ Die methodische Vorgehensweise ermöglicht es, im ausgewählten Forschungsfeld jene Themen zu analysieren, die für die Akteure dieses Feldes besonders bedeutsam zu sein scheinen. Dieses Ernstnehmen des Untersuchungsfeldes führt dazu, dass nicht nur die Probleme und Themen ans Tageslicht gelangen, die das Forschungsfeld beschäftigen, sondern dass diese auch quellenimmanent interpretiert und dementsprechend theoretisch untermauert werden. Vor dem Hintergrund dieser methodischen Eigenschaften, ihres Fokus auf Quellennähe, ihrer Explorativität sowie Theorieoffenheit eignet sich die Grounded Theory meines Erachtens auf besondere Weise zur Untersuchung historischer Texte.
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Ebd., S. 115. Ebd., S. 119. Ebd., S. 222. Vgl. ebd., S. 222. Ebd., S. 265. Vgl. Strübing, Grounded Theory, 2014.
4.3 Der Modus Operandi bei der Bearbeitung der Zeitungstexte
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4.3 Der Modus Operandi bei der Bearbeitung der Zeitungstexte Um das Material im Verlauf der Untersuchung möglichst quellennah, ergebnisoffen und dennoch bewältigbar handhaben zu können, mussten weitere Überlegungen angestellt werden. Einige Vertreter der Soziologie sowie der Kulturwissenschaften plädieren dafür, gesellschaftliche Phänomene als Produkte und Objektivierungen gesellschaftsspezifischer Denk-, Wahrnehmungs-, Handlungs‐ und Emotionspraktiken zu betrachten und diese anhand der Äußerungen jener Objektivierungen zu analysieren und zu interpretieren.⁴⁹ Für diese Herangehensweise erweist sich die Methode der Grounded Theory abermals als besonders geeignet. Beim Theoretischen Sampling betritt der Forscher das Feld mit ersten Vermutungen, Konzepten sowie Ambitionen. Das eigentliche Problem, so Glaser und Strauss, solle sich allerdings erst im Forschungsverlauf „herauskristallisieren“.⁵⁰ Während der Datenerhebung werden Themen, Handlungen, Äußerungen und Ereignisse gesammelt. Diese werden archiviert, sortiert und bei Bedarf handhabbar gemacht.⁵¹ Die so vorbereiteten Datenkonvolute werden anschließend kodiert und analysiert, wobei immer neue Hypothesen entstehen, die wiederum anhand der bereits vorhandenen Daten auf ihre Belastbarkeit hin überprüft werden. Die in diesem Prozedere entwickelten Hypothesen und die späteren Theorien werden am Feld orientiert prozessual und flexibel entwickelt.⁵² Somit versucht die Methode, die Top-down-Anwendung von vorhandenen Theorien zur Erklärung neuer Probleme zu vermeiden, sie fördert stattdessen die „Serendipität“,⁵³ die kontrollierte und kreative Entwicklung von maßgeschneiderten Theorien durch den Dialog zwischen Forschendem und Feld. Wie weiter oben bereits dargelegt, waren die Erwartungen an das Feld in Pécs vielversprechend, denn es existieren vielfältige Hinweise, Belege und Quellen über kulturelle Prozesse innerhalb der etablierten multiethnischen Gesellschaft sowie
49 Vgl. Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. Basic Elements of a Theory of Social Practices, in: Zeitschrift für Soziologie 32 (2003), 4, S. 282 – 301; vgl. Fechner et. al. (Hg.), „We are gambling with our survival.“, in: Frie/Meier (Hg.), Aufruhr-Katastrophe-Konkurrenz-Zerfall, 2014, S. 141 – 174, hier S. 149. 50 Glaser/Strauss, Grounded Theory, 2010, S. 61. 51 Dieser Teil der Arbeitsvorbereitung bezieht sich v. a. auf die Bearbeitung der Daten und ihrer Träger hinsichtlich ihrer digitalen Formate und Kompatibilitäten zueinander sowie zu Datenverarbeitungsprogrammen. 52 Vgl. Glaser/Strauss, Grounded Theory, 2010, S. 61 – 65. 53 Die wissenschaftssoziologische Bezeichnung für den glücklichen Zufall bei der Erkenntnisgenerierung in der Forschung nach R. K. Merton. Vgl. Rolf Klima, Serendipität, in: Werner FuchsHeinritz (Hg.), Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden 2011, S. 609.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
zwischen Gruppierungen dieser und der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingewanderten Arbeitsmigranten. Während die historische Forschung mit Verwaltungsmaterial, Statistiken und Pressequellen gut arbeiten kann, benötigt eine ethnographische Studie vor allem beobachtbare Handlungen und Erzählungen. Bei der anfänglichen Recherche fiel mein Augenmerk auf die Lokalpresse von Pécs. Im Laufe der Sichtung, die der Mutmaßung nachging, in der Presse Hinweise auf interethnische Diskurse, einschlägige Ereignisse und bedeutende Persönlichkeiten zu finden, zeigte sich, dass die erhofften kulturellen Prozesse wohl eher auf einer Metaebene stattfanden, nämlich als kaum reflektierte Bedingung für die Auseinandersetzungen zwischen Bergarbeitern, Arbeitgebern und Behörden während der Bergarbeiterstreiks, also auf der Ebene der Imaginationen über die gesellschaftliche Ordnung. Anhand der historischen Daten der Streiks sowie der Daten weiterer Ereignisse im Jahresverlauf ⁵⁴ sichtete ich lokale wie auch überregionale Zeitungen hinsichtlich der Berichterstattung über die Pécser Bergarbeiter. Um möglichst viele Beiträge der Pécser Presse über diese Ereignisse zu finden und um herauszufinden, ob es weitere Themen gab, die die Lokalpresse ähnlich stark beschäftigten wie die Streiks der Bergleute, entwickelte ich eine Matrix zur strukturierten Recherche nach in Frage kommendem Pressematerial. Dazu griff ich auf ein Rechercheschema zurück, welches bei einem studentischen Projekt zur Verwendbarkeit von Traueranzeigen für sozialwissenschaftliche Forschungen erarbeitet worden war und sich bewährt hatte. Karl-Wilhelm Grümers Projektgruppe am Institut für angewandte Sozialforschung der Universität zu Köln untersuchte in den 1980er Jahren historische Zeitschriften im Rahmen einer „mehrstufigen Zufallsauswahl“.⁵⁵ Die Matrix dieser Recherchemethode ermöglicht es, eine übergroße Datenmenge kursorisch durchzusehen und aufgrund der daraus abgeleiteten Regeln aussagekräftige Ergebnisse zu liefern. Die Auswertungsstruktur zur Prüfung des auf ersten Beobachtungen beruhenden Konzepts, wonach die lokale Presseberichterstattung sich überwiegend während der Streiks den Bergarbeitern widmete, basiert auf der Suchmatrix von Grümers Projektgruppe. Dabei standen folgende Fragen im Fokus: Gab es ein anderes Thema, das genauso oft oder häufiger in der Berichterstattung vorkam als die Bergarbeiterstreiks? Erschienen außerhalb der Streikphasen tatsächlich kaum Berichte über die Bergleute, wie es sich bei der stichprobenartigen Durchsicht gezeigt hatte? Hierzu wählte ich zunächst alle Jahrgänge zwischen 1870, dem Erschei54 Hierzu zählen der Tag der hl. Barbara am 4. Dezember, der 1. Mai und andere Ereignisse wie die Feierlichkeiten zum tausendjährigen Bestehen Ungarns im Jahre 1896. 55 Karl-Wilhelm Grümer/Robert Helmrich, Die Todesanzeige: Viel gelesen, jedoch wenig bekannt: Deskription eines wenig erschlossenen Forschungsmaterials, in: Historical Social Research 19 (1994), 1, S. 60 – 108, hier S. 62.
4.3 Der Modus Operandi bei der Bearbeitung der Zeitungstexte
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nungsjahr der ersten in Betracht kommenden Pécser Zeitung, beziehungsweise bei den später erscheinenden Blättern ab der Erstausgabe, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges aus. Ab der Erstausgabe untersuchte ich in diesen Jahrgängen jeden fünften Monat. Im ersten dieser Monate kam immer die erste Kalenderwoche (KW) an die Reihe, im fünften Monat die zweite KW, im zehnten Monat die dritte KW und im 15. Monat der zu untersuchenden Zeitspanne die vierte KW.⁵⁶ In den nun feststehenden zu sichtenden Kalenderwochen verfuhr ich ähnlich, allerdings auf Grundlage der Wochentage. Da die meisten Zeitungen von Pécs als Wochenzeitschriften ein bis drei Mal wöchentlich erschienen, ließ ich diesen Schritt i. d. R. aus und sichtete alle erschienen Ausgaben. Die Tageszeitung Pécsi Napló sichtete ich an je zwei Tagen in der von der Matrix festgelegten Kalenderwoche. Bei fehlendem Quellenmaterial untersuchte ich die jeweils nächste verfügbare Ausgabe der betreffenden Zeitung. Ich recherchierte außerdem in allen Blättern in den Ausgaben um den 4. Dezember, dem Tag der Heiligen Barbara sowie ab 1890 um den 1. Mai nach Berichten anlässlich der Feierlichkeiten an diesen Festtagen. Manchen Ereignissen ging ich aufgrund von Hinweisen aus der historischen Forschung oder aus Zeitungsartikeln selbst separat nach. Die Suchmatrix übersprang die Streikphasen, da die Zeitungen in diesen Zeiträumen ohnehin lückenlos untersucht wurden. Mithilfe dieser Matrix entstand eine kalendarische Verschiebung, die für eine gleichmäßige Verteilung der Stichproben innerhalb der zu untersuchenden Zeitspanne sorgte. Die Anzahl der zu prüfenden Ausgaben der Pécser Lokalpresse belief sich auf 250 Exemplare, zuzüglich der Erst- und Januarausgaben, der Ausgaben an einschlägigen Daten und während der Arbeitsniederlegungen.⁵⁷ Die auszuwertenden Zeitungsausgaben waren somit auf eine überschaubare Menge begrenzt, ohne dabei an qualitativer Repräsentativität einzubüßen. Es zeigte sich, dass wie bereits vermutet die Aktivitäten der Bergarbeiter und ihrer Familien sowie die Ereignisse in den Bergarbeitersiedlungen und den Bergwerken selbst vergleichsweise selten in den Blick der Presse gerieten. Mit Ausbruch eines Streiks schlug sich die Aufmerksamkeit der Zeitungen hingegen in einer großen Menge an Berichten nieder.
56 Am Anfang der Quellenverzeichnisse der untersuchten Zeitungen ist eine tabellarische Darstellung der Recherchematrix zu finden. 57 Die Anzahl der rein nach der Zufallsmatrix genau zu sichtenden Ausgaben der Fünfkirchner Zeitung beliefen sich auf 72, die der Zeitung Pécs auf 22, die der Pécs-Baranyai-Hírlap auf 8, die der Pécsi Figyelő auf 48, die der Pécsi Közlöny auf 21 und die der Pécsi Napló auf 80 Exemplare. Überregionale und ausländische Zeitungen sichtete ich nur um die Daten einschlägiger Ereignisse. Das detaillierte Schema der Suchmatrix ist jeweils am Beginn der Quellenverzeichnisse der Zeitungen im Anhang zu finden.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
4.4 Berichtsflauten und Berichtsfluten in der Pécser Lokalpresse Ferner habe ich die auszuwertenden Zeitungsartikel in einer sowohl dem zu untersuchenden Feld als auch der angewendeten Methode angemessenen Weise aufbereitet. Ein zentraler Aspekt war dabei, aus den Quellen möglichst umfangreiche, kulturwissenschaftlich interessante Informationen zu gewinnen und diesen gleichzeitig ausreichend narrativen Raum zu geben, um die diesen inhärenten Deutungen, Wertungen und Gewichtungen zu erhalten. Das Quellenmaterial habe ich hierzu präpariert, systematisiert, mithilfe einer Software analysierbar gemacht und interpretiert. Um die in den Zeitungsarchiven gefundene Menge von Artikeln zu organisieren, entwickelte ich ein System, welches neben der Systematisierung des Quellenmaterials auch Informationen für die Analyse bereitstellt. Da die Digitalisate der Zeitungen zunächst aus vollständigen Seiten bestanden, formatierte ich die einzelnen Zeitungsartikel für die Analyse zu je einer Datei. Dieser Zwischenschritt brachte die Zeitungsbeiträge in eine übersichtliche und für die spätere Kodierung gut handhabbare Form, auch was die Dateibenennungen betrifft. Während die Dateien der digitalisierten Zeitungsseiten nur das Kürzel des Zeitungsnamens, des Erscheinungsdatums und der Seitenzahl als Dateinamen enthalten, wurden die Digitalisate der Zeitungsartikel zusätzlich mit einer Größenangabe, eine Art Konfektionsgröße versehen. Diese Größenklassen orientierten sich an der Zeilenzahl des jeweiligen Zeitungsartikels. Dies erlaubt es, nicht nur die Daten des Artikels und seine Position innerhalb der Ausgabe am Dateinamen ablesen zu können, sondern auch den Umfang.⁵⁸ Die Größenklassen sowie die Seitenzahlen der Zeitungsartikel lieferten Anhaltspunkte zu Ausmaß und Gewichtung der Berichterstattung über die Bergleute in den einzelnen Zeitungen. Neben der Anzahl der erschienenen Zeitungsartikel pro Zeitung und Streik war auch deren jeweiliger Umfang nicht unerheblich. So konnte eine Zeitung viele kurze Nachrichten über die Streiks veröffentlichen, während ein anderes Blatt zwar weniger Artikel verfasste, die jedoch wesentlich ausführlicher waren. Daher erhielten die Digitalisate Größenbezeichnungen, die diese Relationen gut wiedergeben:
58 Dateiname: FZ_1893_06_11_05_L: Anon, Die Strikenden beim Minister, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. Der Artikel über den Besuch der Bergarbeiterdeputation beim Innenminister in Budapest befindet sich auf der fünften Seite der Ausgabe, hat die Größe L und ist demzufolge etwa 45 – 90 Zeilen lang.
4.4 Berichtsflauten und Berichtsfluten in der Pécser Lokalpresse
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Größenklassen der Zeitungsartikel Artikel unter fünf Zeilen (Kurznachricht) bis zu ca. 20 Zeilen (Nachricht) ca. 20 – 45 Zeilen (lange Nachrichten, kurze Berichte, Kommentare) ca. 45 – 90 Zeilen (1/2 – 1 Spalte = Berichte, Kommentare) ca. 90 – ca. 150 Zeilen (1 – 2 Spalten = Berichte, Kommentare) mehr als 150 Zeilen (mehrere Seiten = Berichte, Reportagen) ab 250 Zeilen (mehrere Seiten = Berichte, Reportagen)
XS S M L XL XXL XXXL
Die Seite innerhalb der Ausgabe, auf der ein Artikel von der Redaktion positioniert worden war, sowie ihr Umfang flossen in die weitere Untersuchung mit ein. Die Aufbereitung der Digitalisate erbrachte somit, neben der praktischen Handhabbarmachung und Organisation des Materials, auch für die Analyse nützliche Informationen. Die Digitalisierung und die Digitalisierbarkeit historischer Texte eröffnen neue Möglichkeiten für die qualitative Forschung. Durch unterschiedliche Techniken sowie Programme lassen sich immer größere Datenmengen erfassen und untersuchen, außerdem sind Forschungen mit zunehmend mikroperspektivischerem Fokus möglich.⁵⁹ Vor dem Hintergrund der großen Zahl der Quellen und dem Vorhaben, die Zeitungstexte sehr feingliedrig zu untersuchen, bot sich die Verwendung des Softwareprogramms MAXQDA an, welches für solche Daten- und Textanalysen entwickelt wurde.⁶⁰ Bei dieser Software können unterschiedlichste Dateiformate importiert, organisiert und analysiert werden, wobei dem Forscher im Prozess der Entwicklung seiner Interpretationen eine Vielzahl an Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Auf den Import und die Organisation der Dateien im Computerprogram folgten die Kodierung und die Kategorisierung sowie weitere strukturierende, analysierende und visualisierende Operationen. Die Kodes habe ich sortiert, gruppiert und dann mit Memos versehen, die Erläuterungen zur Begründung der Gruppierung enthielten. Diese Einordnungen habe ich, analog zur Entwicklung der Konzepte entsprechend der Grounded Theory, im Verlauf der Untersuchung immer wieder verändert, ergänzt und z. T. gänzlich verworfen, wenn sie sich nicht bewährten.⁶¹ Die Software erlaubte es, unterschiedliche Strukturierungen sowie Veranschauli59 Vgl. Bob Nicholson: The Digital Turn. Exploring the methodological possibilities of digital newspaper archives, in: Media History 19 (2013), 1, S. 59 – 73, hier S. 59. 60 Vgl. VERBI Software. Consult. Sozialforschung. GmbH: MAXQDA. The Art of Data Analysis. Berlin 2015. Online: http: //www.maxqda.de/ (letzter Zugriff 11.12. 2020). 61 Vgl. Glaser/Strauss, Grounded Theory, 2010, S. 41.
40
4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
chungen des Materials vorzunehmen. So kann man die Kodes linear in Mappen, aber auch zweidimensional auf einer Fläche anzeigen lassen. Je mehr Daten eingepflegt werden, desto klarer lassen sich bei der Kodierung und Kategorisierung bestimmte Tendenzen erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, unterschiedliche Ideen, Hypothesen und Interpretationen auszuprobieren, ohne dass dabei Daten verloren gehen können. Die Software erwies sich darüber hinaus bei der Organisation der großen Datenmenge und der Kleinteiligkeit der Analyse als sehr hilfreich. Um herauszufinden, wie sich die Berichterstattung über die Bergleute während der Streiks entwickelte, ist es interessant, auf die erschienenen Artikel sowohl während als auch außerhalb des Streikzeitraums zu achten. Zwischen dem 8. Dezember 1881⁶² bis zum Beginn des ersten allgemeinen Streiks der Pécser Bergarbeiter am 15. Mai 1882 erschienen in allen drei in Pécs existierenden Zeitungen insgesamt drei Nachrichten, die die Bergarbeiter thematisierten. Nach dem Beginn des Bergarbeiterstreiks bis zu dessen Ende sowie kurz danach erschienen dagegen in diesen Zeitungen 31 Beiträge über die Arbeitsniederlegung. In der darauffolgenden Dekade waren wieder kaum entsprechende Beiträge zu finden. Die einzige Zeitung, die regelmäßig über den Ersten Mai beziehungsweise über die Festlichkeiten am Barbaratag berichtete, war die Zeitung Pécs. Zwischen dem ersten Streik 1882 und der zweiten Arbeitsniederlegung 1893 erschienen in der Pécser Presse insgesamt 20 Zeitungsartikel, die allesamt sehr kurz gehalten waren (v. a. Größe XS und S).⁶³ Mit dem Beginn des zweiten allgemeinen Streiks der Bergarbeiter in der Geschichte der Stadt nahm die Berichterstattung erneut stark zu. Bereits im Vorfeld der Streiks, als die Arbeiter begannen sich zu organisieren, um ihren Unmut kundzutun, und dann vom 6. Juni an bis Ende Juli sowie teilweise noch bis Anfang August 1893 erschienen in 15 regionalen und überregionalen Zeitungen fast 150 Beiträge zu diesem Thema. Unter diesen waren viele ausführliche mehrspaltige Artikel. In den darauffolgenden Jahren bis zum nächsten Streik 1905 ging die Berichterstattung über Bergarbeiter wieder merklich zurück. Da in dieser Phase mehr Zeitungen existierten als zuvor und diese sich noch dazu mit neuen Technologien (Telefon, Telegraphie, moderne Druckmaschinen) einfacher Informationen beschaffen und produzieren konnten, beliefen sich die Artikel dieser Zeitspanne auf etwa 30 Stück.⁶⁴
62 Der erste bekannte Artikel über Bergarbeiter in Pécs erschien am 8. Dezember 1881 und hatte das Fest zu Ehren der Heiligen Barbara zum Thema; vgl. Anon, Das Barbara Fest, Fünfkirchner Zeitung, 1881, Jhg. 12, Nr. 98, Donnerstag, 8. Dezember, S. 2. 63 Siehe Tabelle zur chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel im Anhang. 64 Siehe Tabelle zur chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel im Anhang.
4.4 Berichtsflauten und Berichtsfluten in der Pécser Lokalpresse
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Da zu Beginn der Untersuchung das Ausmaß und der Erkenntnisgewinn aus den Quellen nicht genau einzuschätzen war, wurden zunächst alle Zeitungsartikel im Zeitraum der vier allgemeinen Streiks der Pécser Bergleute vor dem Ersten Weltkrieg recherchiert. Hunderte von Zeitungsartikeln wurden digitalisiert, in Quellenverzeichnissen erfasst und für die Analyse aufbereitet. Die Erfassung sowie Visualisierung des gesamten Quellenbestandes ließ auf gewisse Tendenzen der Zeitungen im Umgang mit der Bergarbeiterschaft schließen und half, die Berichterstattung des Jahres 1893 als exemplarisches Feld der zentralen Analyse der Forschung festzulegen. Vor der weiteren Bearbeitung des Materials mussten einige grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden. Diese betrafen den Umgang mit den ungarischsprachigen Zeitungsartikeln und den Personennamen, die in diesen genannt wurden. Um einheitlich vorzugehen, beschloss ich, in der Verschriftlichung meiner Forschung die wörtlichen Zitate aus ungarischsprachigen Zeitungen in der von mir ins Deutsche übertragenen Form zu verwenden. Bei der Übersetzung⁶⁵ der Texte habe ich insbesondere darauf geachtet, dass neben dem Inhalt sowohl die Schattierungen und Zwischentöne der Sprache, aber auch die Schreibweisen und deren von mir subjektiv wahrgenommene Qualität in meine Analyse einflossen. Hierbei fielen vor allem die Schreibweise bestimmter Begriffe wie Streik ins Auge, die in den Zeitungen unterschiedlichen Orthographien folgten. Die einzelnen Zeitungen gaben beispielsweise Personennamen unterschiedlich an. Generell verwendeten die deutschsprachigen Zeitungen von Pécs deutsche Vornamen und Amtsbezeichnungen, während ungarische Zeitungen in der Regel die ungarischen Entsprechungen der jeweiligen Vornamen verwendeten. Beispielsweise nannte die deutschsprachige Fünfkirchner Zeitung den Vizegespan des Komitats Baranya Ladislaus von Szily; die Pécsi Napló verzichtete auf das Adelsprädikat und verwendete die ungarische Entsprechung des Vornamens László. Ich habe mich entschieden, die Bezeichnungen der jeweiligen Zeitungen beizubehalten, zumal dadurch die Möglichkeit bestand, eine atypische Namensnennung sowie Schreibweise gegebenenfalls als eine Andeutung der Zeitung, als Interpretament und damit als ein kulturelles Zeichen bei der Interpretation berücksichtigen zu können. Um inhaltlich möglichst dicht an die Perspektiven der Zeitgenossen heranzukommen, wurden die einzelnen Zeitungsartikel Sinneinheit für Sinneinheit mit Kodes versehen. Die Kodes bestanden aus einer knappen Paraphrase des zentralen Momentes der jeweiligen Sinneinheit. Sie gaben charakteristische Begriffe und
65 Übersetzungen aus dem Ungarischen sind ausnahmslos vom Autor erstellt und werden daher in den Quellenbelegen nicht explizit gekennzeichnet.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
Formulierungen des Abschnitts wieder. Diese waren dem Duktus der jeweiligen Zeitung entlehnt. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass den Ausdrucksweisen und Formulierungen jeweils das zeitungsspezifisch implizite Wissen und kulturelle Eigenheiten inhärent sind.⁶⁶ Diese „In-vivo-Codes“⁶⁷ hatten den Vorteil, dass sie während des Selektionsprozesses zwar vom Forscher formuliert wurden, während gleichzeitig dessen Sprache, Wissen, Konnotationen sowie Implikationen bis zu einem gewissen Grad vermieden werden konnten. Die Kodes wurden im weiteren Verlauf der Forschung aufgrund von hermeneutischen Gemeinsamkeiten zu Kodegruppen zusammengefasst und kategorisiert. Diese Kategorien waren nicht endgültig, Kodes konnten mehreren dieser Gruppen zugeordnet sein oder für sich alleine stehen. Die Kodegruppen erhielten ebenfalls Bezeichnungen, die möglichst dem Sprach- und Begriffsfundus des Feldes entlehnt waren, teils allerdings auch schon Bezeichnungen, die aus ersten interpretativen Ansätzen während des Lesens, Kodierens und Kategorisierens entstanden waren. Diese Kodegruppen dienten der zunehmenden Verdichtung sowie Gewichtung des Materials. Neben dieser feinen Zergliederung und Kategorisierung des Textmaterials entstanden Notizen, sogenannte Memos. Diese sind mit Einträgen im Feldtagebuch des Ethnologen zu vergleichen, in dem allerlei Beobachtungen, Einfälle, Nebensächlichkeiten und Informationen erfasst werden. Darüber hinaus enthielten die Memos Inhaltsangaben, Übersetzungen aus dem Ungarischen und erste Interpretationen des jeweiligen Textes. Durch das Hinzufügen von Kodes, Kodegruppen und Memos nahm das bis dahin ausschließlich aus Zeitungstexten bestehende Material an Umfang beträchtlich zu und wurde anschließend anhand von unterschiedlichen Aspekten zu Oberkategorien gebündelt. Dem Grounded Theory-Ansatz folgend, wurden erste Konzepte erdacht, die dann beim Immer-wieder-Zurückkehren zum ursprünglichen Material validiert oder gegebenenfalls angepasst wurden. Nach verschiedenen Versuchen, die Kodes zu sinnvollen, interpretativ nutzbaren Gruppen zusammenzufassen, entstand die Einsicht, diese am besten nach den in den Zeitungen auftretenden Protagonisten zu kategorisieren. Die Aussagen der Zeitungen über Personen, Gruppen, Institutionen und Dinge wurden unter deren jeweiligem Namen eingruppiert. Dabei entstanden Sammlungen von Aussagen, die einen Überblick über Wahrnehmung, Denken, Meinen und Wissen der Zeitungen über diese Protagonisten ermöglichten.
66 Vgl. Andreas Böhm, Theoretisches Kodieren: Textanalyse in der Grounded Theory, in: Uwe Flick/ Ernst von Kardoff/Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2012, S. 475 – 485, hier S. 478. 67 Ebd.
4.5 Die räumlichen Facetten meiner empirischen Forschung
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Die in diesen Kodegruppen gebündelten Aspekte bildeten die Basis der weiteren Analyse. Im Folgenden wurden die Kodegruppen Zeitung für Zeitung daraufhin untersucht, welche Akteure sie auf welche Weise wahrnahmen, darstellten und bewerteten. Bei dieser Analyse traten die für die einzelnen Zeitungen spezifischen kulturellen Figurationen allmählich in Erscheinung. Die dabei entstandenen Abhandlungen bilden das Kernstück der vorliegenden Arbeit. Waren schließlich alle Zeitungen eines Jahrgangs auf diese Weise untersucht und Interpretationen erstellt, war ein Fazit möglich. Am Ende wurden die Ergebnisse der untersuchten Zeitungen untereinander verglichen, so konnten deren jeweilige Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit den Bergarbeitern und ihrem Streik herausgearbeitet werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse bilden das im Fazit der Arbeit diskutierte Ergebnis meiner Untersuchung. Mithilfe dieser sehr dicht an den Textquellen orientierten Analyse konnte die Spezifik der Pécser Presse im Umgang mit den Bergarbeitern dargestellt und interpretiert werden.
4.5 Die räumlichen Facetten meiner empirischen Forschung Meine Forschungsarbeit besteht aus drei voneinander unabhängigen, gleichwohl miteinander in enger Beziehung stehenden räumlichen Facetten. In den folgenden Abschnitten stelle ich diese vor, beginnend mit der plastischsten und gegenwartsnächsten Facette, mit dem Erkunden des historischen Terrains durch den Forscher. Anschließend erläutere ich die textualisierte Topologie des Untersuchungsfeldes, die auf räumlichen Selbstauskünften der Quellen basiert. Schließlich stelle ich den zentralen Teil meiner Forschung vor, die Topologie der in den untersuchten Zeitungsberichten hergestellten sozialen Ordnung und inwiefern räumliche Mittel zur Konstruktion einer imaginierten gesellschaftlichen Wirklichkeit beitragen. Neben den Schriftquellen gibt es eine Facette meiner (prinzipiell) historischethnographischen Forschung, aus der die – expressis verbis – Erfahrung des Forschers in die Untersuchungsergebnisse einfloss: Die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen am Ort des historischen Geschehens. Dies mag bei einer quellenbasierten Forschungsarbeit zunächst abseitig erscheinen, kann aber durchaus interessante Erkenntnisse generieren. Bereits Kulturwissenschaftler wie Marc Augé⁶⁸ und Roland Girtler haben das Fahrrad als Hilfsmittel der Feldforschung gelobt.⁶⁹
68 Vgl. Marc Augé, Lob des Fahrrads, München 2016. 69 „Als Tourenfahrer ohne genaues Ziel bin ich in derselben Situation wie ein guter Forscher – ein Soziologe, Volkskundler oder Völkerkundler. Der gute Forscher im Feld, der Kontakte zu Menschen
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
Gerade bei meinem Forschungsthema, bei dem nur statische, zweidimensionale Presseerzeugnisse aus Archiven die Informanten sind, war es daher lohnend, die Gegend, in der die von der Presse thematisierten Ereignisse vor beinahe 130 Jahren stattfanden, „[v]om Fahrrad aus“⁷⁰ zu erkunden. Die Bewältigung der Strecke von Pécs in die ehemaligen Bergarbeitersiedlungen sowie die geographischen und infrastrukturellen Gegebenheiten vermittelten ein räumliches Gefühl für das Forschungsfeld. Die während der Exkursionen nach Pécs, in die Bergarbeitersiedlungen und in ihrer Umgebung gesammelten Eindrücke, Erfahrungen und Beobachtungen, flossen an mehreren Stellen in die Forschungsarbeit ein. Mithilfe dieser Erfahrungen, diesem Wissen, Materialien und Praktiken entstand meine historisch-ethnographische Medienanalyse (siehe Abb. 2). Ein Großteil der historischen Darstellungen über die ausgewerteten Zeitungen⁷¹ entstand anhand der Angaben, die in diesen selbst zu finden waren. Dabei waren unter anderem die Titelseiten einschließlich der Zeitungsköpfe wichtige Informationsquellen. Aus ihnen waren der Sitz der Redaktion, die beauftragte Druckerei sowie Orte in Erfahrung zu bringen, an denen die Zeitungen abonniert und käuflich zu erwerben waren. Bei dieser Arbeit wurden u. a. Landkarten des Habsburgerreiches, des Komitats Baranya sowie zeitgenössische Stadtpläne der Stadt Pécs zu Hilfe genommen. So entstand in den Texten über die Zeitungen auch eine textförmige Kartierung ihrer Vernetzungen und ihrer räumlichen Lage, die in Beziehung zu den Protagonisten des Geschehens gesetzt werden konnte. Die Fünfkirchner Zeitung war beispielsweise auch in Hamburg zu abonnieren, während keine der Zeitungen in einer der Bergarbeitersiedlungen vertrieben wurde. Die Pécsi Napló wiederum versuchte, sich bewusst von den Budapester Zeitungen abzusetzen, da sie deren Berichterstattung über Pécs als fehlerhaft betrachtete. Darüber hinaus erfuhren die Leser aus den Zeitungsberichten hin und wieder auch, auf welche Weise die jeweilige Zeitung sich ihre Informationen beschaffte. Hierbei spielte der Ort der Informationsbeschaffung eine elementare Rolle. Die Fünfkirchner Zeitung zum Beispiel betrachtete die Streikereignisse an der Seite der Behörden und der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, sie hatte Zugang zu deren
sucht und wissen will, wie Menschen leben und wie ihre Rituale aussehen, darf sich nicht durch einen exakten Forschungsplan leiten lassen. Ein solcher Plan […] ist für die Erforschung menschlichen Handelns eher hinderlich.“ Roland Girtler, Vom Fahrrad aus. Kulturwissenschaftliche Gedanken und Betrachtungen, 2011, S. 14 f. 70 Ebd. 71 Vgl. Die Pécser Zeitungslandschaft (Kap. 6.2.).
4.5 Die räumlichen Facetten meiner empirischen Forschung
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Abb. 2: Die Bergarbeitersiedlungen vom Fahrrad aus: Pécs (Fünfkirchen), Pécsbánya, Szabolcs, Somogy (Schomodei), Vasas, Meszes, Pécs (Eigene Aufnahme, M. E.)
Repräsentanten, keinen jedoch zu den Streikenden selbst.⁷² Ihre Nähe zur Machtelite sowie ihre Distanz zu den Bergleuten zeigten sich gleichwohl in ihren Formulierungen.⁷³ Ein Journalist der Pécsi Közlöny unternahm dagegen sogar den
72 Die Zeitung berief sich auf Informationen, die „offiziell nach Fünfkirchen gemeldet“ wurden.Vgl. Anon, Strike in den Kohlenrevieren der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 40, Donnerstag, 18. Mai, S. 4. 73 Formulierungen der Zeitung lesen sich teilweise wie die Paraphrase eines Berichtes der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Vgl. Dunagőzhajózási Társulat, Az I. Cs. K. Szab. Dunagőzhajózási
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
Versuch, vor Ort mit streikenden Bergarbeitern zu sprechen, welche ihn jedoch prompt zurückwiesen.⁷⁴ Die Zeitung berichtete dann zwar aus einer gewissen Distanz zu den Streikenden, gleichwohl aber aus eigener Beobachtung, was von einer anderen Herangehensweise des Journalisten und der Zeitung als Kollektivakteur zeugt. Die Reportagen der Pécsi Napló wiederum, die explizit als direkt aus dem Streikgebiet stammend deklariert waren, wurden mitten im Streik eingestellt.⁷⁵ Das Ende dieser telefonisch übermittelten Vor-Ort-Berichterstattung kann mit dem Ausscheiden eines Redakteurs der Zeitung in Zusammenhang gebracht werden.⁷⁶ Das erste bekannte überlieferte Gespräch mit einem Bergarbeiter fand 1894 im 35 Kilometer von Pécs entfernten Szászvár statt.⁷⁷ Die Pécsi Figyelő wiederum betrachtete den Streik gewissermaßen von der Pécser Stadtmitte aus, ihre Mitarbeiter scheinen sich kaum im Streikgebiet aufgehalten zu haben. Die Zeitung fokussierte stattdessen auf Ereignisse im Stadtgebiet, wie die Gerichtsverhandlung am Ende des Streiks. Dort zeigten sich die Bergleute ihrem Arbeitgeber und den staatlichen Amtsträgern ausgeliefert. In den Augen der Pécsi Figyelő konnten sie ihre Bürgerrechte nur durch ihren gebildeten bürgerlichen Rechtsbeistand wahren. Das hierbei an den Tag gelegte Interesse der Zeitung am Streik sowie an den Bergleuten offenbart wieder eine andere Einstellung diesen und den anderen Protagonisten gegenüber. In solchen Darstellungen zeigen sich bereits ordnende Zuschreibungen, mittels derer die Zeitungen die Protagonisten positionierten. Die Illustration des Politischen Volksblattes, die im einführenden Teil der Arbeit vorgestellt wurde, zeigt bildhaft die imaginierte Positionierung der Protagonisten des Streiks im physischen und sozialen Raum aus der Perspektive dieser Zeitung.⁷⁸ Menschen bewegen sich in Räumen, sie denken ihre Umwelt sowie ihre Gesellschaft auf unterschiedliche Weise räumlich und sie stellen diese durch kulturelle Praktiken in der Kommunikation selbst her. Die entsprechenden Praktiken haben sich bei der Analyse des Quellenmaterials als zentrale Aspekte der Streikberichterstattung erweisen. Auf topologische Aspekte konzentriert sich der dritte und wesentliche Teil der Untersuchung. Hierzu die Soziologin Martina Löw: Társulat Pécs melletti kőszénbányái. A Magyar Orvosok és Természetvizsgálók XXVII.Vándorgyűlése tagjainak felajánlja a Társulat, Pécs 1894, S. 45. 74 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 75 Vgl. u. a. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 76 Vgl. hierzu die kurze Historiographie der Pécsi Napló (Kap. 6.2). 77 Vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2. 78 Vgl. Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1. (vgl. Kap. 2).
4.5 Die räumlichen Facetten meiner empirischen Forschung
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Raum ist eine relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an Orten. Der Begriff ‚soziale Güter‘ meint hier primär materielle, da nur diese plazierbar sind. Zu Räumen verknüpfbar sind soziale Güter durch ihre materiellen Eigenschaften, auf ihrer Basis entfalten sie eine symbolische Wirkung. Menschen sind in die Konstitution von Raum in zweifacher Hinsicht einbezogen. Zum einen können sie ein Bestandteil der zu Räumen verknüpften Elemente sein, zum zweiten ist die Verknüpfung selbst an menschliche Aktivität gebunden. Wie Menschen können auch andere Lebewesen in die Verbündelung zu Räumen einbezogen werden. Um etwas plazieren zu können, muß es einen Ort geben, an dem es plaziert wird. Ein Ort bezeichnet einen Platz, eine Stelle, konkret benennbar, meist geographisch markiert. Orte werden durch die Plazierung sozialer Güter oder Menschen kenntlich gemacht, verschwinden aber nicht mit den Gütern/Menschen, sondern stehen dann für andere Besetzungen zur Verfügung. Der Ort ist somit Ziel und Resultat der Plazierung und nicht wie Güter/Menschen selbst plaziertes Element. Orte können allerdings als Ensemble sozialer Güter in Synthesen eingehen. Die Konstitution von Raum bringt systematisch Orte hervor, so wie Orte die Entstehung von Raum erst möglich machen.⁷⁹
Die Pécser Zeitungen berichteten in erster Linie von Handlungen und Ereignissen, bei denen Personen sowie Personengruppen die Protagonisten waren. Diese agierten gleichwohl in Räumen, die in den Artikeln Erwähnung fanden. Die Beobachtung legt nahe, dass Räume und Orte in den Texten nicht nur illustrierendes Beiwerk waren. Vielmehr kann hier die These gebildet werden, wonach Räume und Orte in den Artikeln kulturelle Bedeutungen besaßen. Durch die Nutzung räumlicher Zuschreibungen kartierten die Zeitungen einen sozialen Raum. Die Bergarbeiter wurden darin zum einen in Relation zu den anderen Protagonisten gesetzt, zum anderen positionierten sich die Zeitungen selbst zu diesen beiden Gruppierungen, wodurch die Pécser Gesellschaft einen in einem andauernden kulturellen Aushandlungsprozess hergestellten mehrdimensionalen sozialen Stadtplan erhielt. Die Zeitungen als Kollektivakteure nahmen den Streik als soziales Aushandlungsfeld mit ihren eigenen Wahrnehmungsschemata und Denkformen wahr.⁸⁰ Sie handelten, indem sie sich mit ihren Darstellungen, Bewertungen und Formulierungsweisen selbst sowie die Protagonisten im sozialen Raum positionierten. Dieses „Spacing“⁸¹ und die dazugehörige „Syntheseleistung“,⁸² wie Löw diese bezeichnet,
79 Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2019, S. 224. (Kursivschreibung im Original). 80 Nachdem im einleitenden Kapitel Zeitungen als Subjekte historisch-ethnographischer Forschung eingeordnet wurden, richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf die alltagskulturelle Wirksamkeit ihrer Äußerungen. 81 „[D]as Plazieren sozialer Güter oder Lebewesen bzw. das Sich-Plazieren derselben, das Bauen, Errichten oder Vermessen, auch das Positionieren primär symbolischer Markierungen, um Ensembles von Gütern und Menschen als solche kenntlich zu machen, das Plazieren von Informationen werden als Spacing bezeichnet.“ Löw, Raumsoziologie, 2019, S. 225 (Kursivschreibung im Original).
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
waren an der Konstruktion, Verwandlung und Verhandlung gesellschaftlicher Wirklichkeiten beteiligt, indem sie von einer Vielzahl von Lesern reflektiert und deren subjektiven Denkweisen hinzugefügt wurden. Die dabei entstandenen neuen Denkweisen, Haltungen, Wahrnehmungs‐ sowie Handlungsweisen trugen zu den sich fortsetzenden gesellschaftlichen Diskursen zur Herstellung und Aufrechterhaltung des sozialen Raumes bei.⁸³ Die Analyse und Darstellung der zeit-, orts‐ und zeitungsspezifischen Praktiken, mit denen dieser soziale Raum als Teil der imaginierten sozialen Ordnung konstruiert wurde, ist das Kernstück meiner Forschung.
4.6 Ergänzende Produkte der historisch-ethnographischen Presseforschung Vor dem Hintergrund erster Eindrücke von der Berichterstattung über den Pécser Bergarbeiterstreik, wie sie die Illustration auf der Titelseite des Politischen Volksblattes lieferte,⁸⁴ beschäftigte ich mich zunächst eingehend mit dem vorgefundenen Quellenmaterial. Diese Arbeit erbrachte, neben dem Hauptgegenstand meiner Untersuchung, der Analyse der Streikberichterstattung, drei weitere Erzeugnisse: Das erste ist eine Chronologie der Streikereignisse, das zweite eine tabellarische Übersicht der chronologischen Verteilung der Zeitungsberichte, und als drittes Produkt entstanden kurze Historiographien der untersuchten Pécser Zeitungen. Diese Ergebnisse der Quellenarbeit sind für das Verständnis der historischen Situation sowie für die Rahmung meines Forschungsfeldes unerlässlich. Das erste Produkt meiner methodisch-praktischen Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial ist eine detailreiche Chronologie der Ereignisse um den Pécser Bergarbeiterstreik von 1893.⁸⁵ Diese chronologische mikrohistorische Darstellung
82 „Die Syntheseleistung ermöglicht es, Ensembles sozialer Güter und Menschen wie ein Element zusammenzufassen. Ein Aspekt jeder Konstitution von Raum ist die Synthese sozialer Güter, ggf. auch von Menschen, zu Räumen. Räume sind nicht natürlich vorhanden, sondern müssen aktiv durch Syntheseleistung (re)produziert werden. Über Vorstellungs-, Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozesse werden soziale Güter und Lebewesen zu Räumen zusammengefaßt. Diese Verknüpfungsleistung ist gesellschaftlich durch Raumvorstellungen, institutionalisierte Raumkonstruktionen und den klassen-, geschlechts- und kulturspezifischen Habitus vorstrukturiert.“ Ebd., S. 224 f. (Kursivschreibung im Original). 83 Vgl. ebd., S. 159 f. 84 Vgl. Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“ Perspektiven der Presse auf den Streik der Pécser Bergarbeiter. Eine einführende exemplarische Bildinterpretation. (Kap. 2.) 85 Die schlanke Chronologie deckt ursprünglich die Zeitspanne zwischen dem Erscheinen der Fünfkirchner Zeitung (1. Mai 1870) und der Einstellung der Pécsi Napló (16. April 1944) ab.Vgl. Miklós
4.6 Ergänzende Produkte der historisch-ethnographischen Presseforschung
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der Ereignisse und Handlungen habe ich während der Beschäftigung mit den Zeitungsartikeln und auf ihren Aussagen basierend peu à peu erweitert und zu einer Überblicksdarstellung ausgebaut. Diese zunächst lediglich als Hilfestellung angelegte „dünne Beschreibung“⁸⁶ erweiterte und bereicherte die gesamte Untersuchung. Ursprünglich sollte diese ‚schlanke Chronologie‘ nur dabei behilflich sein, die Aussagen in den Artikeln der unterschiedlichen Zeitungen zeitlich einordnen und vergleichen zu können. Zunächst habe ich hierzu die Ereignisse aus der einschlägigen Forschungsliteratur chronologisch zusammengestellt.⁸⁷ Durch die ständige Ergänzung dieser Auflistung mit Angaben aus dem Quellenmaterial entwickelte sie sich indessen zu einer interessanten mikroperspektivischen Korpus. Die ursprünglichen Informationen aus der Forschungsliteratur habe ich nach und nach in die Fußnoten verlagert, um nur noch den authentischen Stimmen sowie Stimmungen aus den Zeitungsartikeln Raum zu geben. Diese kleinteilige Chronologie erhebt keinen Anspruch auf historische Richtigkeit oder Vollständigkeit, sondern ist als subjektive Darstellung der Ereignisse, als die eigene Wirklichkeit der Zeitungen zu betrachten – zumal sie hie und da vom Forschungsstand abweicht. In dieser Chronologie werden ebenfalls häufig Orte genannt, beispielsweise wenn eine Zeitung Bergarbeiter von der Anschuldigung einer anderen Zeitung entlastet, indem sie nachweist, dass diese sich zum Zeitpunkt des Ereignisses ganz woanders aufhielten.⁸⁸ Diese zeitlich strukturierte Darstellung von Handlungen und Ereignissen
Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 218, S. 119; vgl. ebd., Nr. 567, S. 288. Im Anhang ist der für die vorliegende Untersuchung relevante Abschnitt zu finden. 86 Clifford Geertz nennt, an Gilbert Ryle angeleht, die reine Beobachtung und genaue Beschreibung kultureller Handlungen, die anschließend durch ihre ethnographische Interpretation zur dichten Beschreibung werden, dünne Beschreibung. „Wichtig jedoch ist, daß zwischen Ryles ‚dünner Beschreibung‘ dessen, was der Probende […] tut […], und der ‚dichten Beschreibung‘ dieser Tätigkeit […] der Gegenstand der Ethnographie angesiedelt ist“. Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. 1987, S. 11 f. 87 Vgl. Kun, Bányamunkásviszonyok, in: Faller et al. (Hg.), A magyar bányászat, 1996, S. 369 – 373; vgl. Ernő Gergely, Szakszervezeti mozgalom, in: Gusztáv Faller et al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996–, S. 373 – 377; vgl. László Szita/Béla Dénes/Ferenc Gungl (Hg.), A baranyaipécsi munkásmozgalom története. Első Kötet, 1867– 1921, Pécs 1985; vgl. László Szita, Újabb dokumentumok az 1882. évi első általános pécsi bányamunkássztrájkhoz, in: Borsodi Művelődés (BMűv.) (1977), III., S. 115 – 126; vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310; vgl. József Szekeres, Kenyérért és szabadságért. Az 1905. évi pécsi bányászsztrájk, Budapest 1955; vgl. László Szita, Dokumentumok az 1918. május 20-i pécsi katona-bányász felkelés történetéhez, in: Baranya Megyei Levéltár (Hg.), Baranyai helytörténetírás. A Baranya Megyei Levéltár évkönyve 1977. Várostörténeti tanulmányok 19 – 20 század. Pécs 1979, S. 489 – 578. 88 Vgl. Anon, Szunyogból [sic!] elefánt, [Aus einer Mücke einen Elefanten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4.
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4 Darstellung der methodischen Vorgehensweise
bildet den ergänzenden Kontrapost zur auf die Ordnungsdiskurse fokussierenden Analyse der Zeitungsartikel. Das zweite Nebenprodukt, welches bei der Aufbereitung des Pressematerials entstand, und das für den Leser dieser Arbeit weitere Informationen bietet, ist die tabellarische Übersicht der chronologischen Verteilung der Pressebeiträge über die Bergarbeiter von Pécs zwischen März 1882 und Oktober 1905.⁸⁹ Diese Übersicht veranschaulicht die Zeitabschnitte und die Dichte der Zeitungsberichterstattung über Bergarbeiter. Sie entstand bereits am Anfang der Untersuchung und enthält daher auch ausländische und Budapester Zeitungen, die im Späteren als Referenzmaterial dienten. Die Tabelle erfasst auf einer monatlich skalierten Zeitleiste die Daten, an denen Zeitungsberichte über Bergarbeiter gefunden wurden und an denen die Suchmatrix⁹⁰ befolgend nach diesen gesucht wurde. Die Zeitungsartikel werden darin nach Beiträgen mit und ohne Streikbezug unterschieden, ihr Umfang wird mit den hierfür eigens entwickelten Größenbezeichnungen⁹¹ angegeben. Die Tabelle gibt einen Überblick über die zeitliche Verteilung der Zeitungsberichterstattung über die Bergarbeiter. Sie bestätigt eindrücklich die anfängliche Beobachtung, wonach die Lokalpresse vorwiegend dann über die Bergarbeiter berichtete, als diese im urbanen Alltag auffielen und die gewohnte Ordnung der Stadt molestierten. Das dritte Produkt meiner Arbeit mit den Zeitungen besteht aus kurzen Historiographien der bisher kaum untersuchten Lokalzeitungen von Pécs. Aufgrund der Desiderate in der Erforschung mancher der in die Streikberichterstattung involvierten Zeitungen habe ich diese in Beschreibungen historisch erschlossen. Diese Arbeit geschah den Anforderungen der vorliegenden Arbeit entsprechend umfangreich. Es konnten Charakterisierungen der Zeitungen erstellt werden, sodass diese als Akteure im Streikgeschehen anschaulich vorgestellt werden können. Die gewonnenen Eckdaten über die Lokalpresse von Pécs flossen einerseits ebenfalls in die Chronologie der Ereignisse ein, sie bilden gleichzeitig die Grundlage der histo-
89 Die Chronologische Verteilung der Berichterstattung über Bergarbeiter wurde während der Forschung zwischen der Ersterscheinung der Fünfkirchner Zeitung (Vgl. Anon, Unser Bekenntnis, Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 11, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1 – 2.) und dem letzten gefundenen Zeitungsbeitrag über Bergarbeiter vor dem Ersten Weltkrieg (Anon, A bányamérnök ur [sic!] kirugással [sic!] fenyegeti a munkást, [Der Herr Bergbauingenieur droht dem Arbeiter mit Rauswurf ], Munkás, 1913, Jhg. 16, Nr. 307, Sonntag, 16. November, S. 5.) erfasst. Aus platzgründen beschränkt sich die im Anhang befindliche Tabelle auf die für die vorliegende Analyse wesentliche Zeitspanne. 90 Vgl. Der Modus Operandi der Bearbeitung der Zeitungstexte (Kap. 4.3.). 91 Vgl. Die Aufbereitung der Zeitungsartikel (Kap. 4.4.1.).
4.6 Ergänzende Produkte der historisch-ethnographischen Presseforschung
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rischen Darstellungen der drei untersuchten Zeitungen⁹² und dienen der ausführlicheren Kenntnis und dem Verständnis des Erforschten.
92 Vgl. Die Pécser Zeitungslandschaft (Kap. 6.2.).
5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft In einem Text, in dem ein Forscher den Stand der Wissenschaft im Kontext seines eigenen Forschungsfeldes darstellt, ist es eine Art räumliche Praxis, bei der der Autor in einem riesigen Regal voller Bücher nach einem Platz für sein Werk sucht. Der richtige Ort für das Werk ist idealerweise dort, wo im Bücherregal noch eine leere Stelle klafft. Viele Forscher suchen ihr Forschungsfeld ausgehend von den Lücken im Bücherregal, andere müssen nach getaner Arbeit einen passenden Platz für ihr Werk finden. So verhält es sich auch im Falle meiner Arbeit. Obwohl dieser Abschnitt über den Forschungsstand unter den einführenden Kapiteln platziert ist, ist er eine retrospektive Schau der zahlreichen Publikationen, die mir während meiner Forschungen begegneten und die bis zum Abschluss meiner Arbeit relevant blieben. Aufgrund der von mir gewählten historisch-ethnographischen, explorativen, hermeneutischen und an die Grounded Theory angelehnten Vorgehensweise, bei der die Interpretationen und Erklärungen aus dem Quellenmaterial heraus entwickelt werden, woraus dann entweder eigene Theorien erwachsen oder wozu dann untermauernde Theorien gesucht werden können, dient der folgende Forschungsstand weniger dazu, das Desiderat aufzuzeigen, welches meine Forschung zu schließen versucht. Vielmehr geht es darum, die Ergebnisse meiner Arbeit zu ergänzen, zu erläutern, zu untermauern und zu zeigen, dass ich auf eine Lücke im großen Regal der Wissenschaft gestoßen bin. Im Rahmen der Forschungsarbeit recherchierte ich jeweils entsprechend der aktuellen hermeneutischen Idee von einer möglichen Interpretation der im Feld beobachteten Phänomene immer wieder unterschiedliche theoretische Konzepte, historische Quellen, geschichtswissenschaftliche Darstellungen und Publikationen empirischer Forschungen. Ähnlich einem Staubsauger sammelte ich im Verlauf meiner Recherchen alle Veröffentlichungen, die auf den ersten – manchmal auch erst auf den zweiten – Blick potenzielle methodische, regionale, historische oder theoretische Berührungspunkte mit meiner Arbeit aufwiesen. Schließlich konnte ich auf einen umfangreichen Fundus an Publikationen und interessanten Forschungen blicken, die sich thematisch, methodisch, historisch beziehungsweise theoretisch mit meinem Ansatz decken oder sogar Kombinationen dieser Kategorien mit meiner Forschung aufweisen. Im Folgenden stelle ich Forschungsarbeiten vor, die mindestens zwei der vier wichtigsten Bereiche meiner Untersuchung tangieren oder die im Kontext meiner Forschung unbedingt erwähnenswert erschienen sind. Diese vier Themenbereiche meiner Arbeit sind die Arbeiter, insbesondere die Bergarbeiter, das Bürgertum, Presseerzeugnisse und schließlich die kulturellen Praktiken, die in den Zeilen der https://doi.org/10.1515/9783111247113-005
5.1 Geschichtswissenschaftliche Forschungen
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Zeitungsartikel zutage treten. Die Arbeiterschaft, die Bergarbeiter und speziell die Bergarbeiter von Pécs im 19. Jahrhundert bilden das Apropos für die Berichterstattung der Zeitungen.¹ Die Presseerzeugnisse produzierten zu dieser Zeit, insbesondere in Pécs, Angehörige des Bürgertums, deren Erforschung ebenfalls zu berücksichtigen war. Untersuchungen zu Periodika als die wichtigsten Informationsmedien des 19. Jahrhunderts, deren Äußerungen ich als das zu Buchstaben geronnene Wort der Zeitgenossen betrachte, müssen an dieser Stelle auch betrachtet werden. Aus pragmatischen Gründen gehe ich auf den Forschungsstand über die Pécser Zeitungen im folgenden Kapitel (Kap. 6) näher ein. Zu berücksichtigen sind auch Untersuchungen, die sich theoretisch oder empirisch mit ähnlichen Bereichen wie die von mir hermeneutisch erarbeiteten Erklärungsansätze für die beobachteten kulturellen Praktiken in den Äußerungen der Akteure befassen. Auf dieses Themenfeld werde ich aus dramaturgischen Gründen allerdings erst im elften resümierenden Kapitel meiner Arbeit näher eingehen.
5.1 Geschichtswissenschaftliche Forschungen über Arbeiter, Bergarbeiter und über den Bergarbeiterstreik von Pécs Eine der ältesten Publikationen, die hier erwähnt werden muss, ist ein ausführlicher Zeitschriftenbeitrag des ungarischen Historikers Joachim Végh aus dem Jahr 1949. Der Beitrag mit dem Titel „Die Bergarbeiterbewegung in der Pécser Region im Jahre 1893“² erschien in der renommierten Zeitschrift der Ungarischen Historischen Gesellschaft (Magyar Történelmi Társulat) Századok.Véghs Aufsatz ist der erste und einzige nachweisbare Forschungsbeitrag, der sich explizit und ausführlich mit dem Pécser Bergarbeiterstreik des Jahres 1893 befasst. Aufgrund seines Entstehungszusammenhangs ist der Text kritisch zu lesen. Der Text ist gespickt mit Formulierungen, Zitaten und Bewertungen, die für die Schriften der frühen kommunistischen Ära Ungarns nach 1945 kennzeichnend waren. Marx- und Lenin-Zitate sowie Hinweise auf Aussagen Stalins und des ‚Genossen‘ Mátyás Rákosi, der zu dieser Zeit Generalsekretär der Partei der Ungarischen Werktätigen war, fehlen nicht. Dennoch liefert der Autor einen äußerst wertvollen Überblick über den Ablauf der Streikereignisse im Sommer 1893 in den Bergwerken bei Pécs. Végh orientierte sich bei seinen Ausführungen nicht nur in den Fußnoten nachvollziehbar an Originaldokumenten der in den Streik involvierten Behördenvertreter, er veröffentlichte im 1 Soweit Forschungen über die Arbeiterschaft im Allgemeinen keine Berührungspunkte mit den zentralen Themenbereichen meiner Forschung aufweisen, beschränke ich mich auf die Darstellung von Untersuchungen zu Bergarbeitern. 2 Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Anhang seiner Arbeit neun dieser Quellen in ihrer Gesamtlänge, teils auch in ungarischer Übersetzung.Végh verwendet für seine Arbeit auch einige zeitgenössische Zeitungsberichte über den Bergarbeiterstreik. Hierbei nahm er jedoch außer der Fünfkirchner Zeitung vor allem die Budapester Blätter Pesti Napló, Népszava, Egyetértés, Budapesti Hírlap und A Mi Zászlónk zu Hilfe. Die Auswahl der Zeitungen weist eine ausgeglichene Mischung unterschiedlicher publizistischer Ausrichtungen auf, unter ihnen sind alle zeitgenössischen politischen Richtungen Ungarns zu finden. Weitere Pécser Zeitungen scheint Végh jedoch nicht konsultiert zu haben, obwohl diese zu seiner Zeit bereits in der Ungarischen Széchenyi-Nationalbibliothek gut zugänglich waren. Végh bewertet den ersten großen Bergarbeiterstreik Ungarns, der zwar im Großen und Ganzen gescheitert sei, als einen Kampf der Arbeiter, bei der bei den Bergarbeitern das Bewusstsein, Teil der ungarischen Arbeiterklasse zu sein, erwacht sei.³ Véghs detaillierte, mit zahlreichen Quellen genau belegte Darstellung des Streiks war insbesondere zum Verständnis der historischen Situiertheit des Pécser Bergarbeiterstreiks und bei der Suche nach Schlüsselereignissen hilfreich, die bei der Durchsicht des Quellenkorpus besondere Beachtung zu erhalten hatten. Der Bergarbeiterstreik des Jahres 1893 fand in anderen Arbeiten nur am Rande Erwähnung, wobei häufig auf den Aufsatz von Joachim Végh verwiesen wurde.⁴ Ein weiteres geschichtswissenschaftliches Werk, auf das hier hingewiesen werden muss, ist die 1952 entstandene umfangreiche Monographie von András Babics über die Geschichte des Steinkohlebergbaus in der Region Pécs.⁵ Der Historiker behandelt darin den professionellen Bergbau in der Region im Zeitraum zwischen 1808 und 1944 detailreich.⁶ Auch bei der Lektüre dieses Werks gilt es, den kommunistischen Duktus der Rákosi-Ära zu berücksichtigen. Babics‘ offenbar gründlich recherchierte, fundierte und mit Quellenmaterial dicht ausgestattete Ereignisgeschichte diente bis in die jüngste Vergangenheit einigen historischen Forschungsarbeiten zur Stadtgeschichte von Pécs als ergiebige Sekundärquelle.⁷
3 Vgl. ebd., S. 301. 4 Vgl. András Babics, A pécsvidéki köszénbányászat története, Budapest 1952; vgl. Gyula Szab bürgerliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa ó, A pécsvidéki bányászok élete és szerepe a magyar munkásmozgalomban, a kezdettől a felszabadulásig, in: László Papp (Hg.), Janus Pannonius Múzeum Évkönyve 1962, Pécs 1963, S. 223 – 248. 5 Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat. 6 Der Kohleabbau im privaten, neben- und kleingewerblichen Rahmen war in Pécs auch vor 1808 gang und gäbe. Der professionelle Steinkohlebergbau setzte jedoch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 17– 19. 7 Vgl. Szabó, A pécsvidéki bányászok élete és szerepe a magyar munkásmozgalomban, in: Papp (Hg.), Janus Pannonius Múzeum Évkönyve, 1963, S. 223 – 248; vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95; vgl. Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése a dualizmus
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In den 1950er und 60er Jahren beschäftigten sich einige Historiker und Historikerinnen wie József Szekeres, Gyula Szabó, László Szita und Klára Mérey mit Arbeiter- und Bergarbeitergeschichte im Komitat Baranya und im gesamten transdanubischen Raum.⁸ Die geschichtswissenschaftlichen Schriften, die ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zum Pécser Bergbau erschienen, befassen sich häufiger aus wirtschafts- und sozialhistorischer Perspektive mit dem Leben und Arbeiten von Handwerkern und Bergarbeitern sowie mit dem Wirken der DDSG und ihren prominenten Direktoren.⁹ Auch deren Autoren griffen häufig auf András Babics‘ Grundlagenforschung zurück. Aus ethnographischer Perspektive ist ein Zeitschriftenbeitrag eines ehemaligen Ingenieurs der Pécser Steinkohlebergwerke am interessantesten. Béla Szirtes schildert subjektiv anhand seiner eigenen Erfahrungen und seiner Familienhistorie das Leben und Arbeiten in den Bergarbeitersiedlungen von Pécs. Der Titel des Aufsatzes lautet „Erinnerungen aus dem Alltag der Pécser Bergarbeitersiedlungen“.¹⁰ Die zeitliche Spanne von Szirtes‘ Erzählung lässt sich nicht genau eingrenzen, anhand seiner Lebensdaten kann jedoch angenommen werden, dass er die Jahrzehnte ab den 1930er Jahren behandelt. Der Autor schildert die innere Vielschichtigkeit der Bergarbeiterschaft, die seiner Ansicht nach in der Wissenschaft zu wenig berücksichtigt wird, dabei verweist er auf die Darstellung Zoltán Huszárs.¹¹ Andererseits konstatiert Szirtes auch, dass die „Welt der Kolonien in jeder Hinsicht
korában, in: Mediterrán Világ (2009), 11, S. 27– 36; vgl. Mónika Pilkhoffer: Bányászat és építészet Pécsett a 10 – 20. Században, Pécs 2008. 8 Vgl. Szekeres, Kenyérért és szabadságért, 1955; vgl. Szabó, A pécsvidéki bányászok élete és szerepe a magyar munkásmozgalomban, in: Papp (Hg.), Janus Pannonius Múzeum Évkönyve, 1963, S. 223 – 248; vgl. Klára Mérey T., Agrárszocialista mozgalmak Déldunántúlon 1905-ben, in: Századok 87 (1953), 4, S. 565 – 604; vgl. Szita, Újabb dokumentumok, in: Baranyai Művelődés (1977), III, S. 115 – 126; vgl. Szita, Dokumentumok az 1918. május 20-i pécsi katona-bányász felkelés történetéhez, in, Baranya Megyei Levéltár (Hg.), Baranyai helytörténetírás. 1979, S. 489 – 578; vgl. László Szita (Hg.), A Baranyai, pécsi munkásmozgalom története, Pécs 1985. 9 Vgl. Béla Kun: Az Országos Magyar Bányászati és Kohászati Egyesület (OMBKE), valamint a Bányászati és Kohászati Lapok, in: Gusztáv Faller et. al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996, S. 367– 369; vgl. Gábor Szirtes: „Örök emléket állított magának itteni működésével“: Wiesner Raymar (1843 – 1900), in: Bányászat (1998), 4, S. 341 – 344; vgl. Gábor Szirtes/Dezső Vargha (Hg.), Iparosok és bányászok a Mecsekalján. Gazdaságtörténeti tanulmányok, Pécs 2002; vgl. Huszár, Multikulturális társadalom és oktatás, in: Koltai (Hg.), Kulturális valóságismeret, Pécs 2011, S. 309 – 340. 10 Vgl. Szirtes, Emlékek a pécsi bányatelepek hétköznapjaiból, in, Pécsi Szemle (1999), Tavasz, S. 57– 68. 11 Vgl. ebd., S. 57. Szirtes verweist auf: Huszár, Pécs és a Dunagőzhajózási Társaság, in: Pécsi Szemle, ősz–tél, S. 69 – 84.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
geschlossen [war], sowohl physisch als auch im übertragenen Sinne.“¹² Szirtes berichtet auch von der alltäglichen Normalität für die Bewohner der Bergarbeitersiedlungen, lange Strecken zu Fuß zurückzulegen.¹³ Dieser Hinweis half bei meinen Überlegungen, inwiefern die Bergarbeiter aus den Siedlungen tatsächlich Zugang zur Stadt und zu den vorwiegend dort vertriebenen Zeitungen hatten. Geschichtswissenschaftliche Forschungsarbeiten über den Bergbau in Transdanubien und insbesondere über die Pécser Bergwerke, Bergarbeitersiedlungen und die dort lebenden Menschen sind breit gefächert und informativ. Sie enthalten nicht nur historische Informationen, sondern bieten auch vielfältige Mikroeinblicke in den Alltag der zeitgenössischen Bewohner der Region. Die Geschichtswissenschaft in Westeuropa befasste sich bereits in den 1960er Jahren mit der Bergarbeiterschaft.¹⁴ Der Bochumer Industrialisierungshistoriker Wolfgang Köllmann publizierte im Jahre 1969 seine Monographie, in der er einen der folgenreichsten Bergarbeiterstreiks des späten 19. Jahrhunderts anhand zeitgenössischer Dokumente nachzeichnete.¹⁵ Hierbei verwendete er Zeitungsberichte der Gelsenkirchener Zeitung, der National Zeitung und der Bergarbeiterzeitung. Der Bergarbeiterstreik von 1889 erstreckte sich fast auf das gesamte Ruhrgebiet und führte zur Gründung eines der ersten großen Bergarbeitergewerkschaften Deutschlands, des „Verbandes zur Wahrung und Förderung bergmännischer Interessen (Alter Verband)“. Neben der zeitlichen Nähe zum Pécser Bergarbeiterstreik und der Auswertung zeitgenössischer Presseberichte ist diese Arbeit aus einem weiteren Grunde erwähnenswert: Die akkurate Nachzeichnung der Ursachen und des weiteren Verlaufs des Streiks sowie vor allem der Aktionen und Reaktionen der Akteure im Streikgeschehen mithilfe der Zeitungsberichterstattung. Mit der Bergarbeiterschaft des Ruhrgebiets im 19. Jahrhundert beschäftigte sich auch der Sozialhistoriker Klaus Tenfelde am Ende der 1970er Jahre.¹⁶ Tenfelde zeigt die Entwicklungen des Bergbaus und die damit einhergehenden Veränderungen für
12 Szirtes, Emlékek a pécsi bányatelepek hétköznapjaiból, in, Pécsi Szemle (1999), Tavasz, S. 57– 68, hier S. 57. 13 Ebd., S. 61. 14 Aus Platzgründen beschränke ich die Darstellung des Forschungsstandes auch hier auf Publikationen, die sich mit der Bergarbeiterschaft beschäftigen. Eine der zentralen Arbeiten ist das 1964 erstmals erschienene Monumentalwerk des marxistischen Historikers Eric J. Hobsbawm mit dem Titel „Labouring men. Studies in the history of labour.“ Hobsbawm beschreibt darin Leben, Arbeit und soziale Gegebenheiten unter der Arbeiterschaft, die zu gesellschaftlichen Spannungen, Streiks und Gewalt führen können und die zu verbessern seien. Vgl. Eric J. Hobsbawm, Labouring men. Studies in the history of labour, London 1986 [1964]. 15 Wolfgang Köllmann, Der Bergarbeiterstreik von 1889 und die Gründung des „Alten Verbandes“ in ausgewählten Dokumenten der Zeit, Bochum 1969. 16 Vgl. Tenfelde, Arbeitergeschichte, in: ders. et. al. (Hg.), Arbeiter, Bürger, Städte, 2012, S. 19 – 139.
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die Bergarbeiterschaft. Er weist darin auf die unterschiedlichen Einstellungen unter den Bergarbeitern hin, welche sich zwischen reaktionären Haltungen und fortschrittlichen Ansätzen bewegten. Diese Diversität war dann auch in den unterschiedlich ausgerichteten Gewerkschaften zu finden, die mit den eingewanderten Bergarbeitern unterschiedlich gut zurechtkamen. Tenfelde schildert auch materialreich die Modernisierung und die Veränderung der Protestformen, die die Bergleute in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten. Die Handlungen und Reaktionen der Bergarbeiter in Konfliktsituationen ähneln den von der Pécser Presse beschriebenen Situationen in verblüffender Weise. Hinsichtlich der historischen Einwanderung von Bergarbeitern in das Ruhrgebiet ist meiner Kenntnis nach Christoph Kleßmanns Arbeit über polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet zwischen 1870 und 1945 die erste sozialhistorische Untersuchung von Arbeitsmigration.¹⁷ Kleßmann beschreibt darin auch mithilfe von Zeitungsdokumenten die Einwanderung, die sozialen und politischen Gegebenheiten im preußischen Bergwerksrevier sowie die Fort- und Rückschritte der polnischen Bergleute bei der Sozialintegration, die er – wie es auch zeitgenössische Politiker, Lehrer, Priester und Journalisten als unvermeidbar ansahen – in der Germanisierung und der Assimilierung der Arbeitsmigranten sah. Eine anregende Forschungsarbeit über die Integrationsprozesse der polnischen Bergarbeiter im Ruhrgebiet als erste große moderne Arbeitsmigration in das Deutsche Reich veröffentlichten Signe-Lou Johnson und Andrea Czepek 1992.¹⁸ In ihrem Zeitschriftenbeitrag beschäftigen sich die Forscherinnen mit der Geschichte der gesellschaftlichen Teilhabe der polnischen Bergarbeiter im Ruhrgebiet. Neben der Mitwirkung in eigenen Organisationen engagierten sich die Einwanderer demnach auch an gesellschaftlichen Institutionen der Aufnahmegesellschaft und trieben so die spezifische Form der Integration der sogenannten Ruhrpolen voran. Ihre Integration war den Autorinnen zufolge durch eine ganze Reihe teilweise gegensätzlicher Bestrebungen in der zeitgenössischen Gesellschaft gekennzeichnet. Einerseits sollten sich die Polen germanisieren, andererseits wurden sie auf vielen Ebenen diskriminiert und daran gehindert. Die beteiligten Akteure waren Vertreter des polnischen Nationalismus, des preußischen Staates und der Kirchen, aber auch von Gewerkschaften und Vereinen. Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass die Integration der polnischen Bergarbeiter in Preußen mittels deren Mitwirkung in der Arbeiterbewegung ihren (zögerlichen) Weg fand. Sie weisen darauf hin, dass
17 Vgl. Christoph Kleßmann, Polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet 1870 – 1945. Soziale Integration und nationale Subkultur einer Minderheit in der deutschen Industriegesellschaft, Göttingen 1978. 18 Vgl. Signe-Lou Johnson/Andrea Czepek, Die Ruhrpolen – als Arbeitskräfte gebraucht, als Menschen mit kulturellem Eigensinn nicht gewollt, in: Mitbestimmung 38 (1992), 8/9, S. 45 – 48.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Widerstände, Skepsis und Diskriminierung sowohl auf der polnischen als auch auf der deutschen Seite die Integration hemmten.¹⁹ Für den Beitrag werteten die Autorinnen die zeitgenössische Presse als Quelle für die sozialhistorische Integrationsgeschichte aus, insbesondere die lokale, der Zentrums-Partei nahestehende polnische Zeitung Wiarus Polski. In einem jüngeren mikrohistorischen Aufsatz über den Einfluss von Migration auf Entwicklung und Strukturen von Gesellschaften weist Anne Friedrichs darauf hin, dass die vorangegangenen Forschungen über die ‚Ruhrpolen‘ den Eindruck erweckt haben könnten, dass die Gesellschaft des Ruhrgebiets eine homogene nationale Aufnahmegesellschaft gewesen sei.²⁰ Die Historikerin zeigt anhand der „Diskussionen über die ‚Polenseelsorge‘“²¹ in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts, wie unterschiedliche Institutionen und ihre Repräsentanten den Umgang mit der vielfältigen Gruppierung, die man auch damals schon unter dem Begriff ‚Ruhrpolen‘ subsumierte, aushandelten.²² Auch Friedrichs weist darauf hin, dass sich die Einwanderer vor dem Hintergrund der sich verstärkenden Ausgrenzung durch die Aufnahmegesellschaft in eine „Parallelgesellschaft“²³ zurückgezogen hätten, betont aber auch, dass die dennoch erfolgte Integration der Eingewanderten zu einer „plurale[n] Gesellschaft in der Ruhrregion“²⁴ geführt habe. Friedrichs Mikrostudie untersucht die Diskurse zum Umgang mit den polnischen Arbeitern am Beispiel der kirchlichen Institutionen. Sie zeigt, dass die Vertreter dieser Institutionen – polnische wie deutsche, katholische wie evangelische, nationalistische wie liberale – ihre Interessen und Bestrebungen in diesen Diskurs einbrachten und dass man darin die Diversität der Aufnahmegesellschaft erkennen könne. Die Autorin weist darauf hin, dass weder die Geschichte der Eingewanderten noch die Geschichte der Autochthonen getrennt voneinander untersucht werden kann und dass in solch einer kontingenz- und diversitätsorientierten Erforschung von Gesellschaften noch viel Potenzial stecke.²⁵ Die Fokussierung ihrer Arbeit auf die Repräsentanten kirchlicher Institutionen als exemplarischen Akteuren innerhalb ei-
19 Vgl. ebd., S. 48. 20 Vgl. Anne Friedrichs, Migration und Vergesellschaftung jenseits des nationalen Paradigmas. Neue Perspektiven auf die Geschichte der‚Ruhrpolen‘, in: Jochen Oltmer (Hg.), Migrationsregime vor Ort und lokales Aushandeln von Migration, Wiesbaden 2018, S. 39 – 68, hier S. 40. 21 Ebd., S. 41. 22 Friedrichs weist auf die Multiethnizität dieser Einwanderergruppe hin, die aus Kaschubien, Masuren, Posen, Oberschlesien, Ostpreußen, Westpreußen, Galizien und Wolhynien stammte. Vgl. ebd., S. 41. 23 Ebd. 24 Ebd. 25 Vgl. ebd., S. 63.
5.2 Arbeiter und Bergarbeiter in sozialwissenschaftlichen Forschungen
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ner Einwanderergruppe zeigt, dass die Erforschung bestimmter gesellschaftlicher und sozialer Schichten noch Desiderate und Potenziale aufweist.
5.2 Arbeiter und Bergarbeiter in sozialwissenschaftlichen Forschungen, insbesondere in Ungarn Unterschiedliche Disziplinen der Sozial- und Kulturwissenschaften beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls eingehend mit der zeitgenössischen Arbeiterschaft und Bergarbeiterschaft. Einheimische und Eingewanderte kamen dabei gleichermaßen in den Blick.²⁶ Die ungarische Volkskunde orientierte sich unter der frühen kommunistischen Diktatur neu. Neben ersten Wegweisern zur sozialistisch-volkskundlichen Erforschung der ungarischen Arbeiterklasse²⁷ erschienen auch Untersuchungen, die sich konkret mit der Kultur der Bergarbeiter in Ungarn beschäftigen.²⁸ Karl Vargha untersuchte 1975 überblicksartig die kulturellen Traditionen der ungarischen und ungarndeutschen Bergarbeiter im Pécser Bergbaurevier.²⁹ Dezső Nagy ging in einem seiner Aufsätze auf die spezifische Form der Volksdichtung der Bergarbeiter näher ein. Er stellte fest, dass die Bergarbeiterschaft aufgrund ihrer sozialen und oft auch räumlichen Abgeschiedenheit vom Bürgertum, von den Bauern und der übrigen Arbeiterschaft eine ganz eigene Kultur mit Liedern, Formen des Aberglaubens, Bräuchen et cetera entwickelte. In diesen spiegeln sich laut Nagy nicht nur ihre spezifische Arbeits- und Lebensweise sowie Alltagswahrnehmung, sondern auch der internationale Einfluss der durch Einwanderung gekennzeichneten
26 Vgl. Klaus Tenfelde, Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft an der Ruhr im 19. Jahrhundert, Bonn 1977; vgl. Gerhard Heilfurth , Der Bergbau und seine Kultur. Eine Welt zwischen Dunkel und Licht, Zürich 1983; vgl. Franz-Josef Brüggemeier, Leben vor Ort. Ruhrbergleute und Ruhrbergbau, 1889 – 1919, Essen, Gesamthochsch., Diss., 1982, München 1984; vgl. Reinhard Johler , Mir parlen italiano und spreggen Dütsch piano: italienische Arbeiter in Vorarlberg 1870 – 1914, Feldkirch 1987; vgl. Patricia Latorre Pallares, Der Kumpel – „Held der Arbeit“ und „geborener Rebell“? Kultureller Machtkampf um die Arbeit im asturischen Kohlerevier, Frankfurt a. M. 2001. 27 Vgl. Linda Dégh, Ùtmutató a munkásosztály néprajzi vizsgálatához, Budapest 1953. 28 Vgl. Dezső Nagy, Sztrájkdalok, rigmusok, in: Ethnographia – a Magyar Néprajzi Társaság folyóirata 91. (1980), 3 – 4, S. 432 – 442; vgl. Atilla Paládi-Kovács , Régi bányászélet Gömörben, in: Ethnographia – a Magyar Néprajzi Társaság folyóirata 96 (1985), 2 – 3, 297– 232. 29 Vgl. Karl Vargha: Die Überlieferungen der ungarischen und ungarndeutschen Bergleute in der Umgebung von Fünfkirchen (Pécs), in: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1 (1975), S. 213 – 217.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Bergarbeitergesellschaft.³⁰ Die jüngste volkskundliche Sammlung zur Bergarbeiterkultur in der Pécser Region erschien im Jahre 2000. Darin zeigen die Autoren und Autorinnen zeitgenössische Erinnerungen von Zeitzeugen vom historischen Bergarbeiterleben in der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Vasas nordöstlich der Stadt Pécs. Der Sammelband vereint Aufsätze, die einerseits die Geschichte des Bergbaus in der Pécser Region nachzeichnen und vertiefen, sowie Beiträge, die sich in der Tradition klassisch volkskundlicher Forschung mit dem Bergarbeiteralltag, Gesangsvereinen oder dem Barbarakult beschäftigen.³¹ Die westeuropäischen Kulturwissenschaften publizierten in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts unzählige vielfältige und richtungsweisende Forschungen über die Arbeiterschaft im weitesten Sinne. Eine der seit den 1960er Jahren einflussreichsten Institutionen war das im englischen Birmingham ansässige Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS), zu dessen Kernkompetenzen neben der Erforschung popularer Kulturen, Subkulturen und Medien auch die Untersuchung der Arbeiterkultur gehörte.³² Aufseiten der deutschsprachigen Forschung über die Arbeiterschaft sind seit den 1960er Jahren zahlreiche Untersuchungen der Volkskunde und der Kulturgeschichtsschreibung erschienen. Zur volkskundlichen Untersuchung der Bergarbeiterschaft im Besonderen ist Klaus Tenfelde zu nennen. Tenfelde publizierte 1979 einen umfassenden Überblick zur Entwicklung der Bergarbeiterkulturforschung von ihren Anfängen bis zum damaligen Stand, zu den Fragestellungen und Themen der Forschung sowie einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung der Bergarbeiterschaft, welche Tenfelde zufolge insbesondere im Ruhrgebiet bereits in den 1880er Jahren allmählich ihre Spezifität verloren habe und in der (allgemeinen) Arbeiterkultur aufgegangen sei.³³ Anfang der 1980er Jahre veröffentlichte der Volkskundler Gerhard Heilfurth eine Reihe von Publikationen zur Kultur der Bergarbeiter,³⁴ Tenfelde publizierte eine Monographie zur Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft des Ruhrgebiets im 19. Jahrhundert, und
30 Vgl. Dezső Nagy, Munkásfolklór, in: Lajos Vargyas (Hg.), Népköltészet, Budapest 1988, S. 749 – 772, hier S. 766. 31 Vgl. Göndöcsné Rozi Bátai/Béla Szirtes/Gábor Szirtes (Hg.), Nem szól már a klopacska…: Vasasi bányászemlékek, Pécs 2000. 32 Vgl. Richard Hoggart , The uses of literacy. Aspects of working-class life, London 2009 [1957]; vgl. Stuart Hall, Cultural Studies. Ein politisches Theorieprojekt, Hamburg 2002; vgl. E. P. Thompson, The making of the English working class, New York 1971. 33 Vgl. Klaus Tenfelde, Bergarbeiterkultur in Deutschland. Ein Überblick, in: Geschichte und Gesellschaft 5 (1979), 1, S. 12 – 53, hier S. 52 f. 34 Vgl. Heilfurth, Der Bergbau und seine Kultur, 1983; vgl. ders., Bergbaukultur in Südtirol, Bozen 1984; vgl. ders., Einzelzüge im geschichtlich-kulturellen Antlitz des Erzgebirges mit Ausblicken auf sein Umfeld. Beiträge zur Erkundung einer regionalen Lebenswelt im ostmitteleuropäischen Grenzbereich, Marburg 1989.
5.3 Das Bürgertum in der Geschichtswissenschaft
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Franz-Josef Brüggemeier promovierte über das Alltagsleben der Bergarbeiter im Ruhrgebiet.³⁵ Die kaum überschaubare Menge an Publikationen und Forschungsarbeiten über die Bergarbeiterschaft in den Sozial- und Kulturwissenschaften – von den Untersuchungen der Arbeiterschaft im Allgemeinen ganz abgesehen – kann an dieser Stelle kaum abgehandelt werden. Das Interesse an der Arbeiterschaft scheint jedoch um die Jahrtausendwende nachgelassen zu haben, die Forschenden, sofern die Arbeiterschaft thematisiert wurde, nahmen andere Perspektiven als deren traditionelle Kultur in den Blick. Neuere Forschungen sind weniger klassisch volkskundlich oder sozialhistorisch ausgerichtet. In ihnen geht es stärker um Transformationsprozesse der Arbeit, Kooperationsformen beim Wohnen oder um die kulturellen Auswirkungen der Beschäftigung von Menschen im Bergbau im Globalen Süden.³⁶ Arbeiter und Bergarbeiter wurden zunehmend zu einer Hintergrundfolie bei der wissenschaftlichen Erkundung übergeordneter Erkenntnisinteressen.
5.3 Das Bürgertum in der Geschichtswissenschaft Die vorhandenen Forschungsarbeiten zur Geschichte des Bürgertums lassen sich kaum überblicken. Die Erforschung dieser gesellschaftlichen Gruppe aus unterschiedlichsten geschichtswissenschaftlichen Fachbereichen im deutschsprachigen Raum scheint in den 1980er und 90er Jahren zu kumulieren.³⁷ Die Ansätze der verschiedenen Untersuchungen reichen von mikrohistorischen bis hin zu statistisch demographisch-historischen Forschungen und ihren Variationen. Dieser Trend zeigt sich zeitgleich in der ungarischen Geschichtsforschung, deren Arbeiten auch in deutschsprachigen Sammel- und Konferenzschriften publiziert sind.³⁸ Einige
35 Vgl. Tenfelde, Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft, 1977; vgl. Brüggemeier, Leben vor Ort, 1984. 36 Vgl. Lukasz Nieradzik, Der Wiener Schlachthof St. Marx. Transformation einer Arbeitswelt zwischen 1851 und 1914, Wien 2017; vgl. Matthias Möller, Leben in Kooperation. Genossenschaftlicher Alltag in der Mustersiedlung Freidorf bei Basel (1919 – 1969). Tübingen, Univ., Diss., 2012, Frankfurt a. M. 2015; vgl. Alex Golub, Mining, in: University of Cambridge (Hg.), Cambridge Encyclopedia of Anthropology, Cambridge 01.10. 2019. Online: https: //www.anthroencyclopedia.com/entry/mining (letzter Zugriff 06.09. 2021). 37 Vgl. Jürgen Kocka (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, München 1988; vgl. Lothar Gall (Hg.), Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert, München 1990; vgl.Reinhart Koselleck (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Bd. 2. Bildungsgüter und Bildungswissen, Stuttgart 1990; vgl. Rebekka Habermas, Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750 – 1850). Bielefeld, Univ., Habil.-Schr., 1997, Göttingen 2000. 38 Vgl. Vera Bácskai (Hg.), Bürgertum und bürgerliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa, Budapest 1986; vgl. Zoltán Tóth, Transformation und Abstieg der alten städtischen Kleinbürger. Ein
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Schriften beschäftigen sich auch mit der Beziehung zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft, in ihnen werden – häufig aus bildungsbürgerlicher Perspektive – die sich historisch verändernden Beziehungen, die Beschäftigung des Bürgertums mit der Arbeiterschaft und die Binnenvielfalt dieser beiden gesellschaftlichen Gruppen in den Blick genommen.³⁹ Für eine der jüngeren Arbeiten hierzu wurden Presseerzeugnisse des 19. Jahrhunderts als Quelle ausgewertet, weshalb sie hier näher vorgestellt wird. Die 1990 erschienene Dissertation von Rolf Bäker untersucht die Perspektive des Bürgertums auf die Arbeiterschaft anhand zeitgenössischer Zeitschriftenbeiträge.⁴⁰ Der Autor zeigt in seiner historisch-politikwissenschaftlichen Medienanalyse die bürgerliche Sicht auf die Arbeiterschaft in der Zeitspanne vor den Revolutionen in den 1840er Jahren und den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts. Er beschreibt die Sichtweisen der neun von ihm untersuchten Zeitungen: die Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft, Politik und Kulturgeschichte, die Zeitschrift Volkswirtschaftliche Zeitfragen, den Arbeiterfreund, das Arbeiterwohl, die Zeitschrift für Versicherungs-Recht und Wissenschaft, die Berufsgenossenschaft, die Arbeiterversorgung, das Socialpolitische Centralblatt und das Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik. Darin zeigt Bäker, dass die bürgerliche Presse bereits in den frühen 1840er Jahren das „Massenelend“⁴¹ der Arbeiterschaft diagnostizierte. In der Berichterstattung dieser Jahre sei die Furcht vor einer Revolution erkennbar gewesen. Diese Furcht sei jedoch bis in die 1880er Jahre abgeklungen. Die Zeitungen hätten während dieser Dekaden Handlungsvorschläge zur gesellschaftlichen Integration der Arbeiterschaft vorgebracht. Die dabei auftauchenden Hauptideologien stellt der Autor im fünften Kapitel näher dar. Dabei spielten, so Bäker, wirtschaftsliberale Vorstellungen, die bei der Lösung der Probleme helfen sollten, und die Bildung der Arbeiterschaft eine zentrale Rolle. Die von Bäker vorgestellten Standpunkte, Argumente und Vorschläge der untersuchten Zeitschriften ähneln sehr den Inhalten der von mir untersuchten Pécser Zeitungen. Die Betrachtungsweise der Arbeiterschaft als einer gesellschaftlichen und sozialen Gruppe, die anzuleiten und auszubilden sei, fällt hier wie dort auf. Bäker beschreibt die Sichtweisen der politischen, ökonomischen, konfessionellen und sozial orientierten
Beispiel aus Buda gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in: Ernst Bruckmüller (Hg.), Bürgertum in der Habsburgermonarchie, Wien/Köln/Weimar 1990, S. 105 – 113. 39 Vgl. Jürgen Kocka (Hg.), Arbeiter und Bürger im 19. Jahrhundert.Varianten ihres Verhältnisses im europäischen Vergleich, München 1986. 40 Vgl. Rolf Bäker, Bürgertum und Arbeiterfrage im 19. Jahrhundert. Analysen zu sozialpolitischen Zeitschriftenbeiträgen in der Phase der Hochindustrialisierung Deutschlands. Giessen, Univ., Diss., 1989, Bern et al. 1990. 41 Ebd., S. 45.
5.3 Das Bürgertum in der Geschichtswissenschaft
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Presse auf die Arbeiterschaft. Er betrachtet die Texte seiner Quellen als Äußerungen politischer und ideologischer Akteure und deren Entwicklungen. Leider ist über die als Quellen genutzten Zeitungen nur wenig zu erfahren. Auch die kulturwissenschaftliche Frage, wie die Arbeiterschaft als gesellschaftliche und soziale Schicht in den untersuchten Zeitschriften repräsentiert und hergestellt wird, muss der Leser selbst beantworten. Bäkers Arbeit wird leider selten rezipiert, obwohl er die Sichtweisen, Ideologien und Lösungsvorschläge der bürgerlichen Gesellschaft durch die Brille der zeitgenössischen Medien präzise darstellt. Das Werk zeigt sehr gut, wie historische Medien in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen fruchtbar gemacht werden können. In der ungarischen Geschichtsschreibung sind die Arbeiten von György Ránki, Gyula Benda, László Katus und Zsuzsanna Gerner näher zu betrachten. Der sich der Entwicklung des ungarischen Bürgertums von wirtschaftshistorischer Seite nähernde Text des Historikers György Ránkis skizziert holzschnittartig, aber mit interessanten Informationen die zunehmende Partizipation einer am Ende des 18. Jahrhunderts noch unbedeutenden gesellschaftlichen Gruppe in Ungarn.⁴² Das ungarische Bürgertum habe sich, so Ránki, vor allem durch die Zuwanderung von Juden und Deutschen in die ungarischen Städte entwickelt. Die Einwanderer hätten den einheimischen über das Bürgerrecht verfügenden Patriziern eine andere, eine moderne Form bürgerlichen Lebens entgegengestellt. Zunächst sei das ungarische Bürgertum der Aristokratie wirtschaftlich und politisch unterlegen gewesen. Durch die neuen Wirtschaftsweisen des eingewanderten Bürgertums beschleunigte sich die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsweise, sodass das Bürgertum zumindest in den Bereichen des modernen Handels und der Kapitalwirtschaft erstarkte. Das Vermögen vieler zu Wohlstand gekommener Großbürger stammte aus dem Exporthandel mit Agrarprodukten, später aus der Weiterverarbeitung und dem Handel mit diesen Erzeugnissen sowie aus der Beteiligung am zunehmend global agierenden Finanzsektor. Das Großbürgertum orientierte sich mit Vorliebe an der Lebensweise, an Repräsentationsformen und Habitus des ungarischen Adels, was Ránki als Feudalisierung des Bürgertums bezeichnet:⁴³ Die Spitzen dieses Bürgertums [des neuen Wirtschaftsbürgertums; M. E.] bildeten gemeinsam mit dem Adel eine neue plutokratische Führungsschicht, die einen ausgeprägt aristokratischen Habitus pflegte. Die reichen Familien der ungarischen Großbourgeoisie waren mit der Groß-
42 Vgl. György Ránki: Die Entwicklung des ungarischen Bürgertums vom späten 18. zum frühen 20. Jahrhundert, in: Jürgen Kocka (Hg.), Einheit und Vielfalt Europas, Göttingen 1995, S. 230 – 248. 43 Vgl. ebd., S. 238.
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grundbesitzerklasse auf dreifache Weise verbunden: durch Heirat, durch den Kauf von Grundbesitz und durch den Erwerb von Wappen und Titeln.⁴⁴
Diese Orientierung vor allem des Großbürgertums an der Aristokratie hängt auch mit dessen politischer Situierung im ungarischen Staat zusammen. Mit der Administration des ungarischen Staatswesens waren Angehörige des Adels und insbesondere der Gentry betraut. Dies führte dazu, dass die im Staatsdienst beschäftigten Aristokraten einen starken Einfluss auf politische und wirtschaftspolitische Entscheidungen und Ausrichtungen hatten, die sich an den Interessen ihrer gesellschaftlichen Gruppe orientierten. Zudem war für Außenstehende an öffentliche Ämter nicht leicht heranzukommen, wurden diese doch, wie Ránki formuliert, vom Adel wie „Lehngüter“⁴⁵ behandelt. Aufgaben in der Komitatsverwaltung wurden beispielsweise durch den größten Grundbesitzer aufgrund von besonderen Leistungen vergeben, und viele der Komitatsämter wurden innerhalb von nur wenigen adligen Familien eines Komitats vererbt.⁴⁶ Die Annäherung des Bürgertums an die Aristokratie kann somit als eine Annäherung an die Schaltstellen des Staates angesehen werden. Die Anforderungen der modernen Wirtschaft, der Industrialisierung, der Administration und nicht zuletzt der Wissenschaften ermöglichten es vielen Angehörigen des verarmenden Adels, aber vor allem des städtischen Bürgertums, durch Bildung, Studium und das Einschlagen entsprechender beruflicher Laufbahnen wirtschaftliche, politische und kulturelle Macht zu entfalten. Ránki konstatiert, dass das Königreich Preußen um 1867 ein fortschrittlicherer Industriestaat gewesen sei als Ungarn um 1900.⁴⁷ Ránkis Ausführungen bestätigen Beobachtungen in der Berichterstattung der Pécser Zeitungen vor allem in Bezug auf den Komitatsadel. Vor der Betrachtung der Gesellschaft Ungarns im Allgemeinen möchte ich eine vor nicht allzu langer Zeit publizierte Untersuchung einer urbanen Gesellschaft erwähnen. Der Historiker Gyula Benda analysierte in seiner posthum veröffentlichten Arbeit die Praktiken sozialer Veränderungen in einer transdanubischen Kleinstadt aus mikrohistorischer Perspektive.⁴⁸ Benda beschäftigte sich bereits in den 1970er Jahren als Mitarbeiter des ungarischen Volkskundemuseums mit der Sozialgeschichte der am Westende des Balatons liegenden Stadt Keszthely. Unter dem Einfluss der Anales-Schule versuchte er, gesellschaftliche Prozesse darzustellen
44 Ebd., S. 237. 45 Ebd., S. 242. 46 Vgl. ebd., S. 242 f. 47 Vgl. ebd., S. 248. 48 Vgl. Gyula Benda, Zsellérből polgár. Társadalmi változás egy dunántúli kisvárosban; Keszthely társadalma 1740 – 1849, Budapest 2008.
5.3 Das Bürgertum in der Geschichtswissenschaft
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und zu deuten. Im Sinne einer Longue Durée identifiziert Benda die Phasen eines ökonomischen Auf- und Abschwungs in der Geschichte der Kleinstadt. Diese habe sich ungefähr zwischen den Jahren 1740 und 1849 vollzogen. Benda betrachtet die ungarische Gesellschaft im Gegensatz zu Ránki auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Er untersucht den Aufstieg einfacher Leute in das Bürgertum, dabei analysiert er ihren Aufstieg nicht aus den unbewussten „Tiefenstrukturen“⁴⁹ der Gesellschaft heraus, sondern basierend auf den Interaktionen und Beziehungen der Mitglieder der Gesellschaft untereinander. Zur Untersuchung der Gesellschaft der Kleinstadt analysiert Benda unter anderem insbesondere die Heiratsverzeichnisse von Handwerkern, um die Modi gesellschaftlicher Mobilität zu entschlüsseln. Der Ehe schreibt der Historiker dabei eine besondere Bedeutung zu: Die Ehe stellt nicht nur zwischen zwei Personen, sondern zwischen zwei Familien, oder noch weiter betrachtet, zwischen zwei Verwandtschaftsgruppen einen Kontakt her. Sowohl die Sozialgeschichtsschreibung und die Soziologie als auch die Volkskunde sind sich darin einig, dass die durch die Ehe hergestellte Verbindung ein Grundelement bei der Organisation einer Gesellschaft darstellt. In der Regel wird die Homogenität der angehenden Ehepartner betont. Einerseits bedingt durch die bewussten Entscheidungen der Eltern, die eine Ehe vorbereiten, andererseits steht die gesellschaftliche Ähnlichkeit auch bei der spontanen gegenseitigen Attraktion (Liebe) der Ehepartner auf der kulturellen und gesellschaftlichen Ebene im Hintergrund.⁵⁰
Laut Benda ist die Eheschließung ein Zeichen für den gemeinsamen gesellschaftlichen Status, nicht für die oberflächliche ökonomische oder professionelle Gemeinsamkeit. Die Eheschließung ist das Zeichen für kulturelle und gesellschaftliche Zusammengehörigkeit, die allerdings auch strategisch zum Aufstieg und zur Statuserhaltung genutzt werden kann. Auf die Offenheit einer gesellschaftlichen Gruppe für strategische Statusveränderungen ihrer Mitglieder schließt Benda anhand der Heiratsverzeichnisse. Diese wurden zwar nicht immer konsequent geführt, sie geben aber dennoch interessante Hinweise darauf, ob statusgleiche oder statusunterschiedliche Personen heirateten, und ob Personen aus der Stadt, der Region oder aus größerer Entfernung miteinander die Ehe eingingen. Die Heiratsstrategien unterschieden sich demnach danach, ob die Personen männlich oder weiblich waren, ob einheimisch oder eingewandert. Männliche Handwerker aus einheimischen Familien heirateten bevorzugt Grund- oder Weinbergeigentümerinnen. Junge Frauen aus ortsansässigen Handwerkerfamilien ehelichten eher eingewanderte Handwerkergesellen. Die einen versuchten ihren Stand aufzuwerten, indem sie Grundeigentum dem vorhandenen Besitz zufügten, die anderen 49 Ebd., S. 273. 50 Ebd., S. 274.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
versuchten sich als Handwerker zu etablieren und die Konkurrenz zu schwächen. Adelstitel hatten in der untersuchten Kleinstadt an sich keine Bedeutung, so Benda, da die Adligen in erster Linie ebenfalls nach Partnern suchten, die der eigenen beruflichen Gruppe entsprachen beziehungsweise dem sozialen Aufstieg dienten.⁵¹ Benda geht in diesem Zusammenhang auch auf die soziale Rolle der Patenschaft ein, bei der die Eltern des Täuflings auf den gesellschaftlich höheren Status des Paten achteten, der als eine Art Patron des Kindes fungieren sollte.⁵² Die bei der statistischen Auswertung von Daten durch Demographen als Störfaktor wahrgenommenen Ein- und Auswanderungsbewegungen in Gesellschaften wertet Benda als einen zentralen Anzeiger zur Untersuchung sozialer Strategien innerhalb gesellschaftlicher Gruppen. Mobilität ist für Benda ein Zeichen für eine offene Gesellschaft, deren Mitglieder im Falle der Handwerker versuchen, im sozialen Raum der Stadt Keszthely vom „Leibeigenen zum Bürger“⁵³ zu werden. Pécs, der Ort meiner Untersuchung, liegt nur etwa 150 Kilometer südlich der Stadt Keszthely. Mit der Geschichtsschreibung des Pécser Bürgertums, mit den Pécser Vereinen, Persönlichkeiten, Unternehmen und Unternehmern sowie mit der Urbanisierung der Stadt haben sich etliche Wissenschaftler beschäftigt. Mehrere Zeitschriften befassten und befassen sich mit den Belangen der Stadtgeschichte. Hierbei sind die Zeitschriften Pécsi Szemle (bis 2012), Pécsi Hét und die Sammelbandreihe der Regionalhistorischen Abteilung der Pécser Zentralbibliothek, der Csorba-Győző-Könyvtár zu nennen. In diesen und weiteren Publikationen sind in den vergangenen Dekaden einige umfangreiche Beiträge erschienen, die sich mit bedeutenden Bürgern der Stadt Pécs wie Bergwerksdirektor Rajmund Wiesner,⁵⁴ der Rolle der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in der Stadt⁵⁵ sowie mit der Multiethnizität der Einwohner auseinandersetzen.⁵⁶ Auch die Germanistin Zsuzsanna Gerner befasste sich in mehreren Beiträgen mit der Sprache der Einwohner der Stadt, vor allem mit der Sprache und Sprachkompetenz der deutschsprachigen
51 Vgl. ebd., S. 274 – 292. 52 Vgl. ebd., S. 294. 53 Ebd. 54 Vgl. János Raýman , Wiesner Rajmár emlékezete, in: Pécsi Hét 10, (2000), 20, S. 10. 55 Vgl. Mónika Pilkhoffer, A Dunagőzhajózási Társaság pécsi kolóniáinak kiépülése a dualizmus korában, in: Attila, Márffy (Hg.), Utcák, terek, épületek Pécsett, Pécs 2010, S. 135 – 164; vgl. Richárd Bércesi, A Pécsi Bányavasutak története. (1854 – 2004), in: István Gyánti/Zoltán Kiss (Hg.), Történetek Baranyából. Dolgozatok a Csorba Győző Könyvtár Helyismereti Gyűjteményének műhelyéből, Pécs 2016, S. 220 – 243; vgl. Ferenc Romváry (Hg.), Újabb emléklapok a pécsi bányászat történetéből. Különnyomat a Pécsi Szemle 2004 – 2008. közötti számaiból. Pécs 2008. 56 Vgl. Huszár, Multikulturális társadalom és oktatás, in: Koltai (Hg.), Kulturális valóságismeret, Pécs 2011, S. 309 – 340.
5.4 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen der Interaktion des Bürgertums
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Bürger Pécs‘.⁵⁷ Sie nutzte für ihre Untersuchungen die deutschsprachige Presse der Stadt als Quelle, insbesondere die Fünfkirchner Zeitung. Gerner verwendet für ihre Arbeiten ebenfalls Daten aus zeitgenössischen Volkszählungen und anderen demographischen Listen sowie deren historische Auswertungen. Anhand sprachlicher Veränderungen in der Presse sowie anhand der Einwohnerstatistiken beschreibt sie die Verwandlung Pécs‘ von einer multilingualen und multiethnischen Stadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts hin zu einer überwiegend ungarischen Stadt um die Wende zum 20. Jahrhundert.⁵⁸ Viele der Autorinnen und Autoren der unterschiedlich ausgerichteten Forschungen über das Pécser Bürgertum verweisen auf das demographische Datenmaterial, welche der Historiker László Katus über Pécs und die Region aufbereitet hat.⁵⁹ Katus hat als erster Historiker anhand von Volkszählungsergebnissen, Kirchenverzeichnissen, Lohnlisten, statistischen Erhebungen und den in der Presse publizierten Listen die Pécser Gesellschaft in der zweiten Hälfte des langen 19. Jahrhunderts als Einwanderergesellschaft dargestellt.⁶⁰ Eine historische Betrachtung der Einwanderergesellschaft, der Bergarbeiter und Bürger von Pécs basierend auf den Äußerungen der Lokalpresse, wie es Rolf Bäker unternahm, fehlt dagegen bislang.
5.4 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen der Interaktion des Bürgertums mit der Arbeiterschaft Historisch-ethnographische Untersuchungen kultureller Praktiken im transdanubischen Raum, mit denen gesellschaftliche Akteure wie das Bürgertum soziale Ordnungen herstellen, sind ein Desiderat. Eine neuere Arbeit, die diese Richtung einschlug, ist die 2009 an der Humboldt-Universität zu Berlin abgeschlossene Dis-
57 Zsuzsanna Gerner, Zur Sprache der Anzeigenwerbung in der Fünfkirchner Zeitung des Jahrganges 1878, in: Dies. (Hg.), Gesprochene und geschriebene deutsche Stadtsprachen in Südosteuropa und ihr Einfluss auf die regionalen deutschen Dialekte. Internationale Tagung in Pécs, 30.3.–2.4. 2000, Wien 2002, S. 171 – 189; vgl. Zsuzsanna Gerner, Sprachkompetenz der Bürgerschaft von Fünfkirchen/Pecuh/Pecuj/Pecs – Wandlungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Christoph Mauerer (Hg.), Mehrsprachigkeit in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Gewachsene historische Vielfalt oder belastendes Erbe der Vergangenheit: Beiträge zur 1. Jahrestagung des Forschungszentrums Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, Regensburg, 2.–4. Oktober 2014, Regensburg 2017, S. 78 – 107. 58 Vgl. Gerner, Sprachkompetenz der Bürgerschaft von Fünfkirchen, in: Mauerer (Hg.), Mehrsprachigkeit in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. 2017, S. 78 – 107. 59 Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95. 60 Vgl. ebd., S. 39.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
sertation des historischen Ethnographen Jens Wietschorke über die soziale Mission der Arbeitsgemeinschaft der „Arbeiterfreunde“ zwischen 1911 und 1933.⁶¹ Schon die Titelseite der 2013 publizierten Arbeit verweist auf räumliche Aspekte. Dort sieht man einen wie von einem opaken Schleier bedeckten historischen Stadtplan Berlins und einen klar sichtbaren Kartenausschnitt von der Umgebung des Schlesischen Bahnhofes. Die Arbeiterfreunde, genauer: die Soziale Arbeitsgemeinschaft BerlinOst (SAG), war eine von dem charismatischen evangelischen Theologen Friedrich Siegmund Schultze (1889 – 1969) gegründete Organisation. Sie hatte das Ziel, der um den Schlesischen Bahnhof im Osten Berlins lebenden Arbeiterschaft, die ihrer Ansicht nach Schmutz, Schund und dem Sozialismus ausgeliefert war, (evangelische) bürgerliche Ideale näherzubringen, um die geographischen und sozialen Grenzen der Stadt aufzubrechen. Die Arbeiterfreunde versuchten die Kluft zwischen diesem „dunklen Berlin“⁶² mit seinen Mietskasernen, Kneipen und Kinos und dem bürgerlichen Berlin durch die Vermittlung von bürgerlichen Normen, Wissen und Kultur an die zu ‚rettende‘ Arbeiterschaft zu überwinden. Wietschorke zeigt neben der detaillierten und quellenreichen Darstellung der historischen Lage Berlins zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht die Situation der Arbeiterschaft am und um den Schlesischen Bahnhof, sondern fokussiert darauf, welche Normen, Werte und Wissen die aus evangelischen bürgerlichen Kreisen stammenden Arbeiterfreunde auf die Arbeiterschaft projizierten beziehungsweise wie sich ihre Perspektiven in den Repräsentationen ihrer Klientel widerspiegelten und veränderten. Der Autor verweist darauf, dass viele dieser Arbeiterfreunde sozial engagierte Bildungsbürger waren, die bei der Beschäftigung mit den Arbeitern auch das „wirkliche Leben“⁶³ kennenlernen wollten, das sie sich vorstellten. Manche nutzten die Beschäftigung mit den Arbeitern als eine Möglichkeit für ihre eigenen Selbstfindungsprozesse. Wietschorke konstatiert, dass das Selbstverständnis der SAGMitglieder, die der Autor in drei Generationen einteilt, sich durch deren Interaktion mit den Arbeitern kaum veränderte, sondern eine Art imaginierte Identität blieb. Auch ihr Elitedenken blieb erhalten, lediglich die Form der Anleitung der Arbeiter veränderte sich aufgrund historisch-gesellschaftlicher Veränderungen, die sich jedoch außerhalb des Projektes vollzogen. Die Ideologie der ersten Generation der SAG-Mitglieder hatte, so Wietschorke, eine starke räumliche Vorstellung von der sozialen Struktur der wilhelminischen Gesellschaft, welche der Verfasser mit „Unten/Draußen/Osten/Dunkel“⁶⁴ charakterisiert. Hinter dieser Schlagwortreihe 61 Vgl. Jens Wietschorke, Arbeiterfreunde. Soziale Mission im dunklen Berlin 1911 – 1933, Frankfurt a. M. 2013. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 159. 64 Ebd., S. 386.
5.5 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Presseerzeugnissen
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scheint sich, worauf auch das Buchcover hindeutet, der imaginierte soziale Raum, den die bürgerlichen Arbeiterfreunde habitualisiert hatten, zu verbergen. Wietschorke entschlüsselt in seiner Arbeit die bildungsbürgerlichen Kapitalformen, indem er den kulturellen Schemata der Akteure bei ihrem exemplarisch untersuchten sozialen Engagement nachgeht. Die detailreiche mikrohistorisch-ethnographische Studie betrachtet somit die Bürger, wie sie sich in den von ihnen selbst hergestellten Quellen im Umgang mit den von ihnen protegierten Arbeitern selbst repräsentieren. Diese Betrachtungsweise zeigt, dass die historisch-ethnographische Untersuchung anhand von Quellenmaterial, welches den Umgang des Bürgertums mit der Arbeiterschaft oder anderen gesellschaftlichen oder sozialen Gruppen zeigt, zu wertvollen neuen historisch-ethnographischen Erkenntnissen über das Bürgertum führen kann.
5.5 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Presseerzeugnissen, insbesondere der Pécser Zeitungen Die historische Erforschung von Periodika hat sowohl im deutschsprachigen als auch im ungarischsprachigen Raum eine lange Tradition. Mihály Haas publizierte bereits 1845 eine Monographie über die Anfänge der Zeitschrift Baranya. ⁶⁵ Caesar Dietrich von Witzleben erinnerte 1860 an das zweihundertjährige Bestehen der Leipziger Zeitung. ⁶⁶ Im Rahmen der Millenniumsfeiern Ungarns erschein 1896 eine Festschrift, in der die Presseerzeugnisse Ungarns beschrieben wurden.⁶⁷ In diesem Band erschienen historische Darstellungen zu gleich zwei Pécser Zeitungen, zur Pécsi Közlöny und zur Pécsi Napló. ⁶⁸ Der Eifer der Historiker, sich mit der Presse zu befassen, hat seither europaweit kaum nachgelassen. An dieser Stelle sollen lediglich eine Handvoll Arbeiten erwähnt werden, die eine besondere thematische oder geographische Nähe zum in dieser Arbeit untersuchten Feld aufweisen. Die im Folgenden historisch-ethnographisch untersuchten Zeitungen selbst sowie der
65 Vgl. Mihály Haas: Baranya. A hetilap megindulásáról, Pécs 1845. 66 Vgl. Caesar Dietrich von Witzleben, Geschichte der Leipziger Zeitung. Zur Erinnerung an das zweihundertjährige Bestehen der Zeitung, Leipzig 1860. 67 Vgl. o. A. (Hg.), Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája. Készült az 1896-iki ezredéves országos kiállítás sajtókiállítása számára, Budapest 1896. 68 Vgl. o. A.: Pécsi Közlöny, in: o A. (Hg.), Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája. Készült az 1896-iki ezredéves országos kiállítás sajtókiállítása számára, Budapest 1896, S. 1 – 3; vgl. Ferenc Várady, A „Pécsi Napló“ politikai napilap rövid története, in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája. Készült az 1896-iki ezredéves országos kiállítás sajtókiállítása számára, Budapest 1896, S. 1 – 4.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
entsprechende Forschungsstand werden im Abschnitt über die Pécser Zeitungslandschaft (Kap. 6.2.) näher vorgestellt. An dieser Stelle gebe ich lediglich einen Überblick zum Forschungsstand über die Zeitungen unter besonderer Berücksichtigung von Pécs. Der Literatur- und Pressehistoriker Károly Máté veröffentlichte 1934 einen Beitrag zur modernen geschichtswissenschaftlichen Erforschung der Presse im Komitat Baranya.⁶⁹ In seinem „Die Geschichte der Presse in Pécs und Baranya“⁷⁰ liefert der Autor einen Überblick über das Erscheinen und Verschwinden der frühen Zeitungen des Komitats ab 1832. Zwei Jahre zuvor bereits promovierte die Philologin Emilia Kardos mit einer Arbeit über die Geschichte der deutschsprachigen Presse und des Theaters von Pécs.⁷¹ Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Presse der Stadt fand zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und des darauffolgenden sozialistischen Regimes in Ungarn kaum Beachtung. Aus dem Jahr 1992 stammt ein wichtiges Werk zur Presse des Komitats Baranya.⁷² Die von Miklós Surján herausgegebene umfang- und detailreiche Pressebibliographie des Komitats ist für die Erforschung der Presselandschaft von Pécs unverzichtbar. Nach der Jahrtausendwende häuften sich Publikationen zur Geschichte der Presse in Pécs und Umgebung erneut. Die Germanistin Zsuzsanna Gerner von der Universität Pécs beschäftigte sich unter anderem mit der Sprache der Reklame in der Fünfkirchner Zeitung im Jahre 1878.⁷³ Die Historikerin Mária Anna Móró veröffentlichte 2002 eine kurze Geschichte der Zeitung Fünfkirchner Bergmandl, einer Vorläuferin der Fünfkirchner Zeitung. ⁷⁴ In den folgenden Jahren mehrten sich die Publikationen über die Pécser Presse. Unter der Ägide des Literaturwissenschaftlers Zoltán Szendi und von ihm selbst erschien eine ganze Reihe von Beiträgen.⁷⁵ Szendi beschäftigte sich in meh-
69 Vgl. Károly Máté, A sajtó története Pécsett és Baranyában, in: László Kalotai (Hg.), Pécs-Baranyai Ismertető, Pécs 1934, S. 41 – 49. 70 Ebd. 71 Vgl. Emilia Kardos, A pécsi német sajtó és színészet története, Pécs 1932. 72 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992. 73 Vgl. Gerner, Zur Sprache der Anzeigenwerbung in der Fünfkirchner Zeitung, in: Dies. (Hg.), Gesprochene und geschriebene deutsche Stadtsprachen in Südosteuropa, 2002, S. 171 – 189. 74 Vgl. Mária Anna Móró: A Fünfkirchner Bergmandl és Lichtenstein József, az első pécsi újságíró, in: István Lengvári (Hg.), Népek együttélése Dél-Pannóniában. Tanulmányok Szita László 70. Születésnapjára, Pécs 2003, S. 245 – 258. 75 Vgl. Zoltán Szendi: Das kulturelle Bild der Stadt Pécs und das literarische Angebot in der Fünfkirchner Zeitung am Ende des 19. Jahrhunderts, in: Mira Miladinović Zalaznik (Hg.), Benachrichtigen und vermitteln. Deutschsprachige Presse und Literatur in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert, München 2007, S. 395 – 408; vgl. Zoltán Szendi, Deutschsprachige Presse in Braunau, in: Vlado Obad (Hg.), Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur, Wien 2007, S. 249 – 283; vgl. Szendi, Die Fünfkirchner Zeitung, in: Vosicky (Hg.), KulturÜbersetzung, 2007, S. 43 – 50; vgl.
5.5 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Presseerzeugnissen
71
reren Aufsätzen mit der deutschsprachigen Fünfkirchner Zeitung, ihrer Geschichte, ihrer Leserschaft und mit ihrer publizistischen Rolle im Vorfeld des Ersten Weltkrieges. Auch die Münchener Historikerin Juliane Brandt beschäftigte sich eingehend mit der Fünfkirchner Zeitung. Sie beschrieb in ihren Aufsätzen nicht nur den historischen Werdegang des Blattes, sondern auch die Themen, mit denen es sich beschäftigte, und mit der Repräsentation der Stadt, welche die Zeitung vermittelte.⁷⁶ 2013 veröffentlichte der Literaturwissenschaftler Imre Nagy einen Beitrag über die Pécser Presse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.⁷⁷ In seinem Aufsatz arbeitet er anhand von Inhaltsanalysen von Zeitungsartikeln die für die Pécser Bürger typische Mentalität, Werteordnung und Identität heraus, die er in der Metapher, Pécs sei die „südliche Bastion Ungarns“,⁷⁸ gut zusammengefasst sieht.⁷⁹ Der Pécser Lokalhistoriker Dávid Zoltán Pap beschäftigte sich in einem Aufsatz ausschließlich mit der frühen Phase des Pécser Journalismus.⁸⁰ Obwohl die Verwaltungssprache in Pécs seit 1831 Ungarisch war, waren die meisten Bewohner der Stadt deutschsprachig, daher, so Pap, erschien es naheliegend, dass die ersten Zeitungen auf Deutsch erscheinen.⁸¹ Der Regionalhistoriker István Gyánti verfasste die aktuellste und fundierteste pressehistorische Darstellung der Zeitung Pécsi Napló. ⁸² Quellenreich, umsichtig und dicht präsentiert er darin den Werdegang der ersten Pécser Tageszeitung, in der im Laufe der Jahre unter anderem die Fünfkirchner Zeitung aufging und die sich als eine der langlebigsten Zeitungen der Stadt behaupten konnte.⁸³ Trotz der geographischen Distanz zur hier untersuchten Zeitungslandschaft verdient eine der neueren Forschungsarbeiten Erwähnung, die deutschsprachige
Zoltán Szendi (Hg.), Medialisierung des Zerfalls der Doppelmonarchie in deutschsprachigen Regionalperiodika zwischen 1880 und 1914, Wien et. al. 2014. 76 Vgl. Juliane Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung. Die Fünfkirchner Zeitung, in: Dies. (Hg.), Eine Reise in das alte Fünfkirchen. Die europäische Kulturhauptstadt Pécs in deutschen Quellen, München 2010, S. 321 – 335. 77 Vgl. Imre Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in: Ders. et. al. (Hg.), Öttorony. A pécsi irodalmi műveltség a kezdetektől a huszadik századig, Pécs 2013, S. 281 – 300. 78 Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in, Nagy et. al. (Hg.), Öttorony, 2013, S. 281 – 300, S. 300. Der Sammelbandbeitrag kommt gänzlich ohne Quellenangaben aus. Das Zitat erschien in der Ankündigungsausgabe im November 1892.Vgl. Anon, Pécsi Napló, Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November [Ankündigungsausgabe]. 79 Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in, Nagy et. al. (Hg.), Öttorony, 2013, S. 281 – 300. 80 Vgl. Pap, A pécsi újságírás első évtizedei, in, Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 39 – 48. 81 Vgl. ebd., S. 41. 82 Vgl. István Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja. A Pécsi Napló indulása és fejlődése a századfordulóig. (1892 – 1902), in: Kerekes, Imre (Hg.), Öttorony vonzásában. Dolgozatok a Csorba Győző Könyvtár Helyismereti Gyűjteményének műhelyéből, Pécs 2014, S. 58 – 75. 83 Vgl. ebd., S. 75.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Zeitungen auf dem Gebiet der heutigen Slowakischen Republik als Quellen fruchtbar gemacht hat. „Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei“⁸⁴ lautet der Titel von Andreas Schriefers Dissertation aus dem Jahr 2007. Schriefer untersucht in seiner Dokumentation⁸⁵, wie deutschsprachige Zeitungen am Ende des 18. Jahrhunderts die auf dem Gebiet des damaligen Oberungarns, der heutigen Slowakei lebenden anderssprachigen Gruppen (Slowaken und Ungarn), darstellten. Schriefer sucht in der Zeitungsberichterstattung nach Hinweisen auf Solidaritäts- und Loyalitätsbekundungen sowie Zugehörigkeitsäußerungen, die sich im Laufe des ausgehenden 18. Jahrhunderts allmählich in ethnischen und nationalen Identitätskonzepten niederschlugen. Dem Autor geht es darum, wie die zeitgenössische Presse die Entwicklung von Nations- und Nationalismuskonzepten wahrnahm und darauf reagiere. Schriefer verortet seine Arbeit innerhalb der Sozialgeschichtsschreibung in der Tradition von Reinhard Kosellecks historischer Begriffs- und Diskursgeschichte. Er untersucht die Zeitspanne zwischen den 1780er Jahren bis zum ÖsterreichischUngarischen Ausgleich 1867. Diese Zeitspanne begründet er mit dem Beginn des Erscheinens (deutschsprachiger) Zeitungen in Oberungarn ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, mit den mutmaßlich erst später aufkommenden Zugehörigkeitsdiskursen und mit der erst nach dem Tode Maria Theresias erfolgten Herrschaftsübernahme des österreichischen Kaisers Josephs II. 1780, der für die Ethnien und Medien seines Landes tiefgreifende Reformen in Gang setzte. Das Enddatum seiner Untersuchung legt Schriefer im Jahre 1867 fest, da sich durch den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich sowohl die wirtschaftlichen und ethnischen als auch die medialen Umstände grundlegend gewandelt hätten. Schriefer betrachtet Zeitungen als Zeitzeugen, die wie in einem „Selbstgespräch“⁸⁶ oder wie Tagebucheinträge subjektiv von Begebenheiten berichten und diese zeitgenössisch bewerten. Urheber der medialen Äußerungen sind für ihn dabei die Autoren der Zeitungsbeiträge, deren Persönlichkeiten in Schriefers Analyse jedoch nicht beleuchtet werden. Die Auswahl deutschsprachiger Zeitungen begründet der Autor mit der Begründbarkeit der Einhegung des Forschungsfeldes durch die Fokussierung auf die Perspektive der deutschsprachigen Bevölkerung.⁸⁷ Bei Schriefers Sichtung der Zeitungen kristallisierten sich sechs Presseerzeugnisse
84 Andreas Schriefer, Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei, Komárno 2007. Die Arbeit erschien in der Publikationsreihe des Fórum Instituts für Minderheitenforschung am Forschungszentrum für Europäische Ethnologie in Komárno. 85 Ebd., S. 9. 86 Ebd., S. 11. 87 Vgl. ebd., S. 12.
5.5 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Presseerzeugnissen
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als zentraler Quellenfundus heraus. Zum methodischen Vorgehen bei der Selektion, zur Strategie bei Sichtung und Analyse der Zeitungen macht der Autor kaum Angaben. Er untersuchte die Zeitungsberichterstattung anhand drei Analysekategorien: Er suchte nach Hinweisen zur Loyalität und Solidarität, nach Äußerungen des Selbstbewusstseins der ethnischen Gruppen und schließlich nach dem Grad von Stereotypisierungen, die in den Texten zu finden waren. Die theoretische Grundlage von Schriefers Arbeit bilden die drei großen Theorien zu den Sujets Nation und Nationalismus: Primordialisten, Modernisten sowie Ethnosymbolisten. Er präsentiert diese drei Denkrichtungen in Bezug auf den entstehenden ungarischen Nationalismus und den Nationalismen der anderen in Oberungarn einheimischen Volksgruppen. Die Geschichte, die diese Arbeit näher beleuchten will, ist eine Geschichte der Zeitungen, die sie behandelt, eine der Menschen, die diese Zeitungen lasen und gestalteten, eine Geschichte auch der Revolution von 1848, ihrer Erfolge und Misserfolge sowie ihrer Auswirkungen. Nicht zuletzt ist es die Geschichte eines Ringens um das rechte Zusammenleben, um Freiheit, Krieg und Frieden. Mit seinen vielen Zitaten möchte der Text nah am Geschehen bleiben, an der Lebenswelt, aus der er erzählt.⁸⁸
Nach einer kurzen methodischen und analytischen Einführung erläutert Schriefer die „Entwicklung Ungarns und seiner Bevölkerung innerhalb des Habsburgerreiches“⁸⁹ zuerst allgemein und dann im Hinblick auf die deutschen und slowakischen Bevölkerungsgruppen Oberungarns. Hierauf liefert der Autor eine historische Einbettung des Zeitungswesens in der für die Untersuchung relevanten Zeitspanne. Anschließend stellt Schriefer die untersuchten Zeitungen näher vor, die Preßburger Zeitung, das Ungarische Magazin, den Zipser Anzeiger, das Kaschauer Kundschaftsblatt und den Boten von und für Ungarn. Im zentralen Teil seiner Forschung untersucht Schriefer die Verwendung der von ihm gewählten Schlüsselbegriffe, die Art der Auseinandersetzungen um Sprachen, die in den Texten zu beobachtenden Stereotypisierungen beziehungsweise Darstellungsweisen der ethnischen Gruppen, darunter auch die der Juden, in sechs ausgewählten Themenbereichen. Diese Themenbereiche folgen den chronologischen Entwicklungen. Zunächst betrachtet der Autor die Anwendung und Wirkung seiner Schlüsselbegriffe in der oberungarischen deutschsprachigen Presse am Ende des 18. Jahrhunderts, anschließend im Kontext der Restauration und der ersten ungarischen Reformansätze, zur Zeit des Vormärz und der Revolution, dann während der Periode des ungarischen Neoab-
88 Ebd., S. 14. 89 Ebd., S. 29.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
solutismus und schließlich in der Zeit zwischen dem Oktoberdiplom von 1860 bis zum Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867. Schriefer kommt bei seiner Analyse der deutschsprachigen Zeitungsberichterstattung zu dem Schluss, dass die nicht-ungarischen Ethnien unter dem starken Magyarisierungsdruck zwar eigene ethnische Identitäten entwickelten, welche zu stärkeren Sympathie- und Antipathiebekundungen zwischen den Gruppierungen führten, dass diese jedoch nicht das Ausmaß eines eigenen Nationalbewusstseins annahmen. Gleichzeitig existierten bei diesen Gruppierungen aber auch situativ wechselnde Mehrfachloyalitäten, die schließlich im Bestreben nach Gleichberechtigung aller Ethnien im Vielvölkerkönigreich Ungarn kumulierten. Im Gegensatz zum ethnischen Selbstbewusstsein der Deutschen und der Slowaken in Oberungarn dominierte unter den Ungarn der ungarische „Sprachnationalismus“.⁹⁰ Eine der Schwierigkeiten bei Schriefers Analyse ist, dass in den Quellen „die Begriffe nicht einheitlich verwendet wurden und Nation etwa allzu oft mit Volk (in seinen verschiedenen Bedeutungsvarianten) gleichgesetzt wurde.“⁹¹ Schriefers Problem weckt die Neugierde des historisch arbeitenden Ethnographen, um herauszufinden, wie die Zeitungen diese Begriffe verwenden, welches Wissen, welche Normen, Meinungen, Emotionen und Praktiken mit ihnen verbunden wurden. Die historische Diskursanalyse Schriefers hat eine Reihe von Berührungspunkten mit der Erforschung der Medienberichterstattung über den Bergarbeiterstreik von Pécs. Andreas Schriefer untersucht ebenfalls historische Presseerzeugnisse, um authentische Äußerungen von Zeitgenossen auswerten zu können: Er betrachtet die Berichterstattung ebenfalls als subjektive Äußerungen von Zeitgenossen und untersucht ein multiethnisches Gebiet im Königreich Ungarn. Seine Diskursgeschichte geht allerdings methodisch anders an das Quellenmaterial heran, denn Schriefer fokussiert von vorne herein auf Äußerungen der deutschsprachigen Zeitungen, welche auf das Vorhandensein und die Entwicklung eines ethnischen, nationalen oder nationalistischen Bewusstseins und Bestrebungen hindeuten. Hinweise auf sein methodisches Vorgehen bei der Auswahl und Sichtung sowie zur Strukturierung des umfangreichen Quellenmaterials wären interessant gewesen. Obwohl offenbleibt, in welcher Verbindung Schriefers klassisch sozialhistorische Forschung mit dem publizierenden Forschungszentrum für Europäische Ethnologie in Komárno steht, bietet seine Publikation eine erkenntnisreiche Lektüre, denn sie liefert tiefe Einblicke in die medialen Auseinandersetzungen der Zeitungsmacher um die Bedeutungen und Bewertungen sowie die Funktionen von Ethnie, Nation und den dazugehörigen Sprachen.
90 Ebd., S. 252. 91 Ebd., S. 251.
5.6 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen von Medien und ihre Potenziale
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Die historische Erforschung von Periodika hat eine lange Tradition. Die publizierten Arbeiten lassen sich in zwei Kategorien gliedern. Die historischen Werke, die sich mit Zeitungen befassen, sind zum einen Untersuchungen zur Geschichte einer oder mehrerer Zeitungen, zum anderen versuchen die Forscher, anhand der Zeitungsberichterstattung an historische Fakten zu gelangen, oder sie suchen nach interpretierbaren Informationen, um historische Theorien bilden zu können. Für den historischen Ethnographen liefern diese Untersuchungen wertvolle Hinweise zu Zeitungen, Journalisten, Städten und Ereignissen, die zur historischen Einordung des ethnographisch untersuchten Feldes notwendig sind.
5.6 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen von Medien und ihre Potenziale Auch in den Sozialwissenschaften haben sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schon häufig mit Themen um den Journalismus auseinandergesetzt. An dieser Stelle möchte ich angesichts der kaum überschaubaren Menge an Publikationen, die unter diversen Varianten des Überbegriffs Medienanalyse erschienen sind, lediglich auf einige aktuellere Arbeiten näher eingehen, die meinem Forschungsfeld am nächsten stehen.⁹² So untersuchte der Kommunikationswissenschaftler Oliver Bidlo in seiner Studie Zeitungsredaktionen als „korporierte Akteure“⁹³ in Interaktion mit der Polizei. Die Redaktionen betrachtete er dabei nicht als Kollektivakteure, deren Produkte als Äußerungen eines Einzelsubjekts aufgefasst werden können, sondern als Akteurskollektive, die aus einer Gruppe von Subjekten bestehen und die daher je individuell an gesellschaftlichen Diskursen partizipieren. Dabei interviewte Bidlo Mitarbeiter der ausgewählten Zeitungen aus dem Ruhrgebiet, um herauszufinden, wie die Redaktionen Informationen beschaffen, verarbeiten und publizieren. Bidlos Medienethnographie ist mit einer
92 Vgl. Hermann Bausinger, Medienforschung am Ludwig-Uhland-Institut. Ein Rückblick, in: Tübinger Korrespondenzblatt (1996), 46, S. 6 – 11; vgl. Cora Bender/Martin Zillinger (Hg.), Handbuch der Medienethnographie, Berlin 2015; vgl. Vince Paál (Hg.), A sajtó kultúraközvetítő szerepe, 1867– 1945. Tanulmányok, Budapest 2014; vgl. Hedvig Ujvári, Deutschsprachige Presse in der östlichen Hälfte der Habsburgermonarchie. Deutschsprachige Medien und ihre Rolle als Literaturvermittler in Ungarn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Herne 2012; vgl. Tilmann Sutter, Medienanalyse und Medienkritik. Forschungsfelder einer konstruktivistischen Soziologie der Medien, Wiesbaden 2010; vgl. Andreas Hepp, Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung, Wiesbaden 2010; vgl. Ulla Wischermann/Tanja Thomas (Hg.), Medien – Diversität – Ungleichheit. Zur medialen Konstruktion sozialer Differenz, Wiesbaden 2008. 93 Bidlo, „Da hören wir nicht auf zu piesacken“, in: Bidlo/Englert/Reichertz (Hg.), Tat-Ort Medien, S. 55 – 72, hier S. 55.
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Unternehmensethnographie vergleichbar, da er weniger die Inhalte der Zeitungsartikel als vielmehr die Äußerungen und Praktiken der interviewten Zeitungsjournalisten und -journalistinnen als Feld untersuchte. Nichtsdestotrotz ist seine Arbeit insofern für die vorliegende Forschung von Bedeutung, als Bidlo die Zeitungsredaktionen als Akteure in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen betrachtet. Die historisch arbeitende Ethnographin Christine Schwab analysiert in ihrem Zeitschriftenbeitrag „Sketches of Manners, Esquisses des Moeurs. Die journalistische Gesellschaftsskizze [1830 – 1860] als ethnographisches Wissensformat“,⁹⁴ wie historische Zeitungen und die darin gezeigten Gesellschaftsskizzen ethnographisch genutzt werden können. Anhand der Repräsentation des Bergmannes (Le Mineur) in einer französischen Zeitschrift aus dem Jahre 1841 zeigt sie, dass solche medialen Darstellungen sozialer Typen sowohl gesellschaftliches Wissen repräsentierten als auch konstruierten. Noch näher an der Erforschung von Periodika als Kollektivakteure bei der Produktion von sozialem Raumwissen bewegt sich der Sammelbandbeitrag von Łukasz Stanek. Stanek studierte Architektur und Philosophie an den Universitäten Kraków, Weimar, Münster und Zürich. Nach seiner Promotion beschäftigte sich Stanek mit Fragen der Urbanisierung, Architektur und der Anwendung der Raumtheorie Henri Lefebvres zur Interpretation des Umgangs, der Strategien und der Deutungsweisen von Menschen bezüglich ihrer Umgebung.⁹⁵ Neben seinen theoretischen Arbeiten sticht Staneks Text „Die Produktion des städtischen Raums durch massenmediale Erzählpraktiken: Der Fall Nowa Huta“⁹⁶ hervor. Darin analysiert Stanek die Repräsentationen der polnischen sozialistischen Modellstadt Nowa Huta in der Nähe Krakóws in Presseerzeugnissen. Für sein Vorhaben erläutert Stanek zunächst seine Auffassung der Raumtheorie Lefebvres: Die meisten Interpreten Lefebvres versuchen sich an einer Rekonstruktion von dessen Dialektik, doch sind diese Versuche weder philosophisch überzeugend noch direkt anwendbar auf die städtische Realität. Statt über die Prinzipien der Dialektik zu spekulieren schlägt dieser Aufsatz eine alternative Interpretation vor, die auf dem für Lefebvres Philosophie grundle-
94 Christiane Schwab: Sketches of Manners, Esquisses des Moeurs. Die journalistische Gesellschaftsskizze [1830 – 1860] als ethnographisches Wissensformat, in: Zeitschrift für Volkskunde 112 (2016), 1, S. 37– 56. 95 Zur Raumtheorie Lefebvres siehe die Anmerkungen im Abschnitt 11.8. Die drei räumlichen Ebenen des Quellenmaterials: Umwelt, Warte, Symbole. 96 Łukasz Stanek, Die Produktion des städtischen Raums durch massenmediale Erzählpraktiken: Der Fall Nowa Huta, in: Christoph Bernhardt/Heinz Reif (Hg.), Sozialistische Städte zwischen Herrschaft und Selbstbehauptung. Kommunalpolitik, Stadtplanung und Alltag in der DDR, Stuttgart 2009, S. 275 – 298.
5.6 Sozialwissenschaftliche Untersuchungen von Medien und ihre Potenziale
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genden Konzept der Praxis beruht. Danach werden Produkte bestimmter Praktiken der Raumproduktion von anderen solchen Praktiken als Werkzeuge benutzt. In dem hier diskutierten Fall bekommen die medial produzierten Repräsentationen des Raums sowohl verschiedene instrumentelle Rollen in anderen Repräsentationen des Raumes als auch in Praktiken seiner physischen Transformation sowie in Alltagspraktiken der Aneignung von Räumen. Ein solcher Ansatz erlaubt es [sic!] Zusammenhänge zu analysieren, die in den vorhandenen Analysen über Nowa Huta übersehen oder vernachlässigt wurden.⁹⁷
Anschließend stellt Stanek die Geschichte der vom sozialistischen Regime aus dem Boden gestampfte Trabantenstadt Nowa Huta dar, deren propagandistische, mediale und subjektive Darstellungen, Wahrnehmungen und praktische Nutzungen immer in Kontrast zur alten Nachbarstadt Kraków standen. Anschließend analysiert Stanek die Berichterstattung unterschiedlicher Magazine sowie lokaler und überregionaler Zeitungen vor und nach der Wendezeit von 1989. Dabei arbeitet er fünf zentrale Themenbereiche der Berichterstattung heraus: „Die sozialistische/ antisozialistische Stadt, die religiöse Stadt, die ländlich/städtische Gemeinde, die grüne Stadt und die konflikthafte Beziehung zu Kraków“.⁹⁸ Er analysiert exemplarisch die Repräsentationsweisen eines Ortes in Nowa Huta, einer platzartigen Ausweitung der Aleja Róż (Rosenallee) zwischen zwei zentralen Plätzen der Stadt, welchen die Einwohner als „Platz nach Lenin“⁹⁹ bezeichnen, obwohl der Platz keine reguläre Bezeichnung besitzt, da dort bis zur Wende eine Statue des Revolutionsführers stand. Stanek postuliert, dass die mediale Repräsentation dieses Ortes nach dem Ende des Sozialismus vielfältiger geworden sei und dass die Hegemonie über die räumlichen Repräsentationen den politischen Akteuren entglitt. Der ehemalige Zweikampf zwischen dem sozialistischen Regime und der Opposition, welche die Stadt und ihre Teile für ihre Narrative instrumentalisierten, habe sich in einen Mehrkampf zwischen unterschiedlichsten Interessengruppen etwa ökonomischer, politischer und kultureller Art sowie zwischen Gruppierungen der Bewohner verwandelt. Schließlich resümiert Stanek: Vielleicht kann die Zurückweisung der politischen Repräsentationen der Rosenallee, die in dem Gegensatz zwischen Sozialismus und Antisozialismus gefangen waren, als Ausdruck eines Verlangens verstanden werden, den städtischen Alltag in Nowa Huta für eine neue Vielfalt von Bedeutungen zu öffnen.¹⁰⁰
97 Ebd., S. 290. 98 Ebd., S. 283. 99 Ebd., S. 292. 100 Ebd., S. 298.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
Der Philosoph, Stadtforscher und Spezialist für sozialistische Bauten untersucht in seinem Beitrag über die südpolnische Arbeitertrabantenstadt die überlieferten Diskurse anhand zeitgenössischer Presseerzeugnisse. Łukasz Stanek analysiert das Quellenmaterial gezielt auf seine Forschungsfrage nach den massenmedialen Narrativen über Nowa Huta hin und wendet Henri Lefebvres theoretischen Überlegungen zur Produktion des Raumes an. Die Erkenntnis seiner Analyse, die Diversifizierung der Wahrnehmung, des Wissens, der Meinungen, der Repräsentationen und der Nutzung des exemplarischen Platzes, zeigt die Möglichkeiten, Medien als Akteure in räumlichen Praktiken sozialwissenschaftlich zu untersuchen. Durch Staneks zielgerichtete Recherche nach Praktiken zur Produktion des urbanen Raums könnten ihm allerdings ganz unerwartete Aspekte kultureller Praktiken der untersuchten Medien entgangen sein, die bei einer ergebnisoffenen, explorativen Medienanalyse mehr Beachtung gefunden hätten. Die drei hier näher skizzierten Forschungsbeiträge zeigen, wie vielfältig und zugleich aufschlussreich historische und zeitgenössische Medien als Akteure in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen, im Wissenstransfer und bei der Herstellung von Ordnungen analysiert werden können. Eine Forschungsarbeit mit Fokus auf die eine historische multiethnische Gesellschaft in Ostmitteleuropa ist meines Wissens ein Desiderat.
5.7 Die Erforschung sozialer Ordnungen und Räume in den ethnographischen Sozialwissenschaften Um ein weiteres Feld von Forschungen, die Berührungspunkte mit der vorliegenden Arbeit aufweisen, nicht außen vor zu lassen, gehe ich im Folgenden auf einige aktuellere sozialwissenschaftliche Publikationen ein, die teils gegenwartsbezogen, teils historisch und im weitesten Sinne ethnographischer Natur sind. Neben dem ethnographischen Forschungsansatz richten die folgenden Arbeiten ihre Perspektive auch auf soziale Ordnungen und auf deren räumlichen Aspekte. So untersuchte Silke Steets die Kreativszene der Stadt Leipzig am Beispiel der Künstlergruppe niko.31, deren Mitglied sie selbst war. Die Stadtsoziologin beschritt dabei sowohl methodisch als auch theoretisch einen sehr ähnlichen Weg wie die vorliegende Arbeit. Ihre Perspektive ging von der Annahme eines Akteurskollektivs aus, mit deren Hilfe sie die Alltagswirklichkeit sozialer Gruppen ethnographisch erforschte. Sie untersuchte ihre Projektgruppe durch teilnehmende Beobachtung und Experteninterviews und wertete neben Zeitungsartikeln auch Fotos und Flyer aus. Zur Analyse und Interpretation ihrer Notizen von teilnehmender Beobachtung, Interviews und Zeitungsartikeln griff sie auf die Grounded Theory zurück. Ihr Erkenntnisinteresse war, zu erfahren, mit welchen kulturellen Praktiken, mit welchen
5.7 Die Erforschung sozialer Ordnungen und Räume
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Wissens-, Deutungs- und Meinungsschemata die Akteure ihren Alltag organisieren. Ihre Frage lautete: Wie stellen die Akteure in ihren alltäglichen Interaktionen, die als Auseinandersetzung mit der sie umgebenden gebauten Materialität und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Praxis gelesen werden sollen, Räume her und welche Deutungsschemata – in Form sinnhafter Wirklichkeitskonstruktionen, lokaler Wissensbestände sowie kollektiver Wertesysteme – spielen dabei eine Rolle?¹⁰¹
Steets kommt zu dem Schluss, dass die untersuchte Leipziger Kreativszene nach der Wende eine spezifische imaginierte Vorstellung von der Stadt konstruierte und reproduzierte, wonach Leipzig ein Raum mit unerkanntem und ungenutztem Potenzial an Kreativität sei, was die Stadt besonders lebenswert, attraktiv und lebendig mache sowie das Potenzial habe, eines der großen kulturellen Zentren Europas zu werden. Interessant ist die Herangehensweise der Wissenschaftlerin, ein Kollektiv als Akteur ethnographisch zu untersuchen und dessen Handlungsweisen bei der Herstellung einer imaginierten räumlichen Ordnung zu analysieren. Tatiana Golova wiederum ging in ihrer Dissertation der Frage nach, wie das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer sozialen Bewegung produziert und wie dadurch Handlungsfähigkeit hergestellt wird. Hierzu untersuchte die Politik- und Raumsoziologin die Praktiken, mit denen die Mitglieder der Berliner „linken Szene“¹⁰² Demonstrationsorte, besetzte Häuser, Straßen oder Kneipen mit emotionalkörperlichen Zuschreibungen belegen und räumliche Anordnungen schaffen, die für die Identität und Handlungsfähigkeit der Akteure unerlässlich sind. Golova stellt zunächst ausführlich ihr konstruktivistisches Raumkonzept vor, welches sie anschließend im Rahmen ihrer kurzen ethnographischen Feldforschung validiert. In ihren raumtheoretischen Ausführungen beruft sich die Soziologin auf Konzepte Pierre Bourdieus, Henri Lefebvres und Martina Löws. Ihre Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Akteure durch gemeinsame Erlebnisse an Orten, durch den Wissenstransfer über Orte und das Teilen von Bedeutungszuschreibungen ihre kollektive Identität herstellen. Golovas Arbeit zeigt, dass Räume identitäts- und ordnungsstiftend kulturell gehandhabt werden können. Dabei werden Räume des ‚Wir‘ und Räume der ‚Anderen‘ konstruiert, wodurch sinngebende und handlungsorientierende Ordnungen für die Alltagspraxis sowie hierarchiestrukturierte soziale Räume geschaffen werden.
101 Silke Steets, Wir sind die Stadt! Kulturelle Netzwerke und die Konstitution städtischer Räume in Leipzig. Darmstadt, Univ., Diss., 2007, Frankfurt a. M. 2008, S. 18. 102 Tatiana Golova, Räume kollektiver Identität. Raumproduktion in der „linken Szene“ in Berlin, Bielefeld 2011.
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5 Die Platzierung der Arbeit im Bücherregal der Wissenschaft
In seiner historisch-ethnographischen Arbeit untersuchte Lukasz Nieradzik den Wandel räumlicher Ordnungen exemplarisch am Wiener Schlachthof St. Marx in der zweiten Hälfte des langen 19. Jahrhunderts.¹⁰³ Der Autor verwendete für seine Untersuchung historische Quellen und analysierte diese ethnographisch-interpretativ. Die Verschärfung von Hygienebestimmungen, die Veränderung ethischer Grundsätze in Bezug auf Tiere und deren Schlachtung sowie die gleichzeitige Industrialisierung des Schlachthofbetriebs brachten die Abschottung des Schlachtvorgangs vor der Öffentlichkeit mit sich und ließen innerhalb der für die Schlachtung erstellten Gebäude Räume mit neuen, dem aktuellen medizinischen Wissen angepassten Funktionen entstehen. Nieradzik zeigt, wie gesellschaftliche Transformationen die Arbeitswelt und auch deren räumliche Bedingungen verändern und wie die involvierten Akteure damit umgehen können. Neben dem Aspekt der räumlichen Ordnungsproduktion zeigt die Untersuchung, wie hinsichtlich der aktuellen Diskurse um Tierhaltung, -transport und -schlachtung historisch-ethnographische Forschung auch die Hintergründe gegenwärtiger Auseinandersetzungen beleuchten kann. Mehr dem Zusammenhang von sozialer Ordnung und Raum widmen sich die Forscherinnen der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster Daniela Hunold, Eva Brauer und Tamara Dangelmaier. In ihrem Zeitschriftenbeitrag „Soziale Ordnung und Raum – Aspekte polizeilicher Raumkonstruktion“¹⁰⁴ präsentieren die Sozialwissenschaftlerinnen des von der DFG geförderten Forschungsprojekts „die Konstruktion von Räumen im Kontext von Sicherheit – Raumwissen bei der Polizei“ (KORSIT) ihre ethnographische Feldforschung, bei der sie der Frage nachgehen, wie „die Polizei an einer wirkmächtigen Konstruktion der Stadtgesellschaft beteiligt ist.“¹⁰⁵ Die Forscherinnen beobachteten und interviewten dazu Polizisten und Polizistinnen in zwei Revieren. Ihre Interviewaufzeichnungen, Beobachtungs- und Feldnotizen flossen in die sozialwissenschaftlich interpretative Analyse ein, die sich an die Grounded Theory anlehnt. Die Forscherinnen stützen sich vor allem auf die durch Pierre Bourdieu und Martina Löw geprägte Raumtheorie, wonach der „Raum als ‚relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen“¹⁰⁶ zu betrachten sei. Bei ihrer Analyse des ethnographischen Quellenmaterials kommen die Forscherinnen zu der Erkenntnis, dass die Polizisten und Polizistinnen innerhalb ihrer Reviere und ihrer Kollegenkreise untereinander vorwiegend verbal vermittelte Narrationen
103 Nieradzik, Der Wiener Schlachthof St. Marx, 2017. 104 Daniela Hunold/Eva Brauer/Tamara Dangelmaier, Soziale Ordnung und Raum – Aspekte polizeilicher Raumkonstruktion, in: Soziale Probleme (2020), S. 1 – 26. 105 Ebd., S. 1. 106 Ebd., S. 6.
5.8 Resümee
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und Narrative imaginierter Räume schaffen, die durch soziale Ordnungen strukturiert sind: Durch ihre Handlungspraktiken sowie die daran angelehnten Verdachtskonstruktionen (re‐) strukturieren [die Polizisten und Polizistinnen] auch soziale Ordnung im Raum, denn was hierdurch existent oder etabliert wird, „ist ein sozialer Raum, ein Raum von Unterschieden, in denen die Klassen gewissermaßen virtuell existieren, unterschwellig, nicht als gegebene, sondern als herzustellende“. Der Raum besitzt folglich eine gesellschaftliche Topologie: „Einige Menschen stehen ,oben‘, andere ,unten‘, noch andere ,in der Mitte‘“.¹⁰⁷
Die ethnographische Forschung der Projektmitarbeiterinnen zeigt, dass der Raum, in dem Polizisten und Polizistinnen ihre Arbeit verrichten, nicht nur als topographischer Behälter von Menschen existiert, dass die soziale Ordnung der in den Stadtteilen lebenden Menschen nicht a priori gegeben und konstant vorhanden ist, sondern dass die Räume und die sozialen Ordnungen durch die streifefahrenden Polizeikräfte in kulturellen Praktiken hergestellt, modifiziert und weitergegeben werden. Nicht nur bestimmte Orte in den Revieren sind mit bestimmten kulturellen Attributen versehen, sondern diese Attribute konstituieren auch den von den Beamten und Beamtinnen imaginierten sozialen Raum, in dem diese ihren Arbeitsalltag verbringen. Die vorgestellten gegenwartsbezogenen sowie historisch-sozialwissenschaftlichen Forschungen zeigen, wie vielfältig mit ethnographischer Feldforschung und häufig mithilfe der Grounded Theory die kulturellen Praktiken zur Herstellung sozialer Ordnungen und die Bedeutung räumlicher Implikationen fruchtbar gemacht werden kann. Vergleichbare Untersuchungen zu Ungarn, zur Stadt Pécs oder gar zu historischen Bergarbeiterstreiks sind bisher jedoch ein Desiderat.
5.8 Resümee Die Auswahl der hier vorgestellten Arbeiten zeigt die Vielzahl und die Vielfalt der Forschungen, die allein zu diesem eng begrenzten Bereich existieren. Diesen Bereich habe ich für dieses Kapitel durch die thematischen Eckpfeiler Arbeiter/Bergarbeiter, Bürgerschaft, Presse sowie kulturelle Praktiken der Konstruktion sozialer Ordnungen eingegrenzt. Bei den angeführten Forschungsarbeiten wurde auf deren Nähe zu meiner Forschung, auf deren wissenschaftshistorische Bedeutung sowie Aktualität geachtet. Die Ausführlicher dargestellten Forschungen weisen aus meiner Sicht eine besondere Nähe zum Thema auf. Die getroffene Auswahl mag mög-
107 Ebd., S. 23.
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licherweise willkürlich oder unvollständig erscheinen; diese Selektion spiegelt jedoch in gewisser Weise die gewundenen Wege meiner explorativ-interpretativen Forschungsarbeit. Bei der Übersicht zum Forschungsstand auch jener Publikationen, die hier keine Erwähnung fanden, ist festzustellen, dass manche Forschungsbereiche zu bestimmten Zeiten von einzelnen Forschungsdisziplinen verstärkt bearbeitet wurden. So beschäftigte sich die Geschichtswissenschaft mit der Arbeiterschaft und Bergarbeiterschaft Ungarns bereits Ende der 1940er Jahre, während sich die damalige Volkskunde mit der Arbeiterkultur als volkskundlichem Forschungsfeld noch schwertat. Die Erforschung des Bürgertums erlebte in den 1980er und 90er Jahren sowohl in Ungarn als auch in Westeuropa eine Renaissance, auch Kooperationen und Zusammenkünfte von Forschern aus West und Ost nahmen zu. Die Erforschung der Presse erlebte in den 1970er Jahren einen Höhepunkt, bevor dieser Forschungszweig allmählich in der Medienwissenschaft aufging. Die Nutzung der Presse für Forschungen aller Couleur erlebte in den vergangenen Jahren sogar einen Aufschwung, da die Auswertung historischer Zeitungsbestände durch Digitalisierung, Datenbanken und Volltextsuche zunehmend komfortabler wurde.¹⁰⁸ Zur Erforschung der Lokalpresse von Pécs existieren allerdings bislang nur wenige Untersuchungen. Aus diesem Grunde ist der Forschungsstand über die Pécser Lokalpresse in einem eigenen Kapitel dargestellt. Die Volkskunde verwandelte sich in den vergangenen Dekaden nicht nur in ein Vielnamenfach, sondern auch in ein Multiperspektivenfach, indem vielerlei divergierende Forschungsansätze gewählt werden können, um die feinsten Unterschiede in den Alltagskulturen in der Mikroperspektive zu ergründen. Allerdings sind Untersuchungen zu historischen Periodika mit explorativen, interpretativen ethnographischen Methoden weiterhin rar. Das große Regal der Wissenschaft, in welches ich meine Forschung platzieren möchte, ist zwar bereits gut gefüllt. Die Lücke, in welche meine Arbeit hineinpasst, bietet jedoch noch viel Raum für weitere Untersuchungen themen- und quellenbezogener methodischer sowie theoretischer Art. Die mikroperspektivische, interpretative und ergebnisoffene Erforschung von Periodika birgt meiner Ansicht nach ein großes Potenzial, um das Wissen über Denk-, Wahrnehmungs-, Wissens- und Handlungsweisen von historischen Gesellschaften weiter zu ergründen.
108 Vgl. Nicholson, The Digital Turn, in: Media History 19, 1, S. 59 – 73.
6 Historische Einbettung: Die Stadt Pécs, ihre Bergarbeiter und die Lokalpresse Meine Arbeit ist stellenweise gespickt mit geschichtlichen Erläuterungen. Es hat sich als hilfreich erwiesen, einzelne Informationen an der Stelle im Text zu platzieren, an der sie zum Verständnis der dort diskutierten Gegebenheiten direkt zugänglich sind. Um jedoch unnötige Wiederholungen zu vermeiden, verzichte ich im folgenden historischen Abriss auf jene Hinweise, die an anderer Stelle besser platziert sind. Zur Erweiterung der historischen Perspektive ist im Anhang unter anderem eine detaillierte Darstellung der Streikereignisse und weiterer mikrohistorischer Gegebenheiten zu finden, welche vor allem aus den Ereignisdarstellungen der untersuchten Lokalpresse zusammengestellt wurden. Darüber hinaus ist dort auch eine Tabelle mit der chronologischen Verteilung der Erscheinungsdauer und der Berichterstattung der untersuchten Zeitungen anhängig. Im Folgenden gebe ich einen kurzen Überblick über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Vorbedingungen, Entwicklungen und Begebenheiten, die sich meines Erachtens besonders auf die Situation der Bergarbeiter in Pécs in den 1890er Jahren auswirkten. In den anschließenden Unterkapiteln stelle ich die drei von mir ethnographisch untersuchten Zeitungen historisch dar. Die Ausführlichkeit dieser drei Kapitel ergibt sich aus dem Desiderat kompakter Deskriptionen der hier untersuchten Zeitungen.
6.1 Die Stadt Pécs im Jahre 1893 In einer der ersten Vitrinen des Pécser Bergbaumuseums ist eine große Landkarte mit bunten Pfeilen und Figuren wandernder Bergleute zu sehen. Die farbigen Pfeile zeigen die Regionen an, aus denen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Menschen nach Pécs kamen, um im Bergbau zu arbeiten. Unter den aufgeführten Herkunftsregionen sind die Zahlen der Personen verzeichnet, die aus diesen Gegenden zwischen 1853 und 1925 einwanderten. Als Hintergrund verwendeten die Ausstellungsmacher eine Schwarz-Weiß-Kopie der „Völkerkarte von ÖsterreichUngarn“¹ aus dem Jahr 1887. Die Territorien, auf denen die unterschiedlichen Ethnien des Vielvölkerstaates lebten, zeigt die Originalausgabe der Karte farbig ge-
1 Im Original: O. A.: Völkerkarte von Österreich-Ungarn. 1: 4.000.000, in: Richard Andree (Hg.), Richard Andrees allgemeiner Handatlas in hundertzwanzig Kartenseiten und zwei Ergänzungskarten, nebst alphabetischem Namensverzeichnis, Bielefeld et al. 1887, S. 45. https://doi.org/10.1515/9783111247113-006
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6 Historische Einbettung: Die Stadt Pécs, ihre Bergarbeiter und die Lokalpresse
kennzeichnet. Darauf ist zu sehen, dass die Stadt Pécs in den 1880er Jahren in einem von Ungarn bewohnten Gebiet lag, welches von zwei großen deutschsprachig geprägten Siedlungsgebieten im Osten und Westen umgeben war, südlich von Pécs lag eine von Kroaten bewohnte Region. Dies verweist bereits auf die ethnische Vielfalt des Komitats Baranya und die Gegend um Pécs.² Die auf der Landkarte in der Museumsvitrine angebrachten farbigen Pfeile, die an die Darstellungen von Völkerwanderungen und Feldzügen in historischen Atlanten erinnern, heben die Mobilität und die Vielfalt des gesamten Karpatenbeckens und seiner Umgebung im 19. Jahrhundert hervor. Die Stadt Pécs, Pecuj, Pecs, Pečuh oder auch Fünfkirchen war seit dem Rückzug des Osmanischen Reiches Anziehungspunkt für Einwanderer aus der näheren Region, aus verschiedenen Gegenden Österreich-Ungarns, dem Deutschen Reich und auch darüber hinaus.³ Die kulturelle Vielfalt, die unterschiedlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen der Einwohner trugen zur Entwicklung der Stadt bei. Im 18. Jahrhundert dominierten Handwerker, Händler, Fuhrunternehmer sowie Obst- und Weinbauern die Stadt. Es entwickelte sich eine für die Stadt spezifische Lebensweise, die des sogenannten Pécser Tüke.⁴ Die Lebensweise des Tüke ist durch dessen saisonales Pendeln zwischen Stadt und Weinberg sowie zwischen den Professionen Handwerker, Händler und Winzer gekennzeichnet. Nach der Weinlese zog dieses Pécser Original vom Weinberg in die Stadt und betrieb dort Handel und Handwerk. Im Frühjahr siedelte er wieder um in den Weinberg und widmete sich dem Wein- und Obstanbau.⁵ Manche Handwerker in der Stadt wie Schmiede und Töpfer verwendeten schon vor der Industrialisierung Kohle, um ihre Essen und Brennöfen zu befeuern. Die
2 Die ethnographische Karte Karl von Czoernigs aus dem Jahr 1855 zeigt eine noch größere ethnische Vielfalt insbesondere im Komitat Baranya.Vgl. Karl von Czoernig, Ethnographische Karte der oesterreichischen Monarchie. 1: 864 000, Wien 1855. Pécs sei vor 1848, so der Historiker László Katus, eine von Deutschen und Südslawen bewohnte Stadt gewesen, die von durch Ungarn bewohnten Siedlungen umgeben war. Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 53. 3 Im Jahre 1780 erhielt Pécs die Privilegien einer freien königlichen Stadt, was bereits zu einem starken Pull-Effekt führte. Vgl. Mária Anna Móró/Imre Ódor, A felszabadult város. 1686 – 1867, in: Attila Márfi (Hg.), Pécs ezer éve. Szemelvények és források a város történetéből (1009 – 1962). Történelmi olvasókönyv, Pécs 1996, S. 109 – 156, hier S. 134 – 140. 4 Die Stadt Pécs verleiht seit dem Jahr 2003 den Tüke-Preis an Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung der Stadt besonders verdient gemacht haben. Unter den 23 bisher ausgezeichneten Persönlichkeiten befinden sich drei Wissenschaftler, die die historische Erforschung der Geschichte von Pécs vorangebracht haben und deren Forschungen auch für meine Arbeit grundlegend waren: Béla Szirtes (2012), Ferenc Romváry (2013) und Imre Nagy (2016). 5 Vgl. Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 46.
6.1 Die Stadt Pécs im Jahre 1893
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Abb. 3: Szirtes, Lajos: Die Herkunftsverteilung der Bergarbeiterschaft der Pécser Region zwischen 1853 und 1925. Farbige Illustration der Einwanderung auf einer Landkarte von Österreich-Ungarn. Pécs, o. J. (Eigene Aufnahme M. E.)
zum Teil nahe der Erdoberfläche lagernde Steinkohle sammelten die Handwerker teils selbst in der näheren Umgebung der Stadt, teils beschäftigten sich Kleinunternehmer mit dem Abbau des Brennstoffes. Das erste professionell betriebene Kohlebergwerk eröffnete im Jahre 1798 seine Stollen.⁶ Die für das 19. Jahrhundert typische allgemeine Modernisierung und Industrialisierung zeigte sich in Pécs erst nach der Revolution von 1848/49 in Form von einzelnen Manufakturen, die zunächst nur wenige Arbeiter beschäftigten.⁷ Auch die ersten Zeitungen der Stadt erschienen in diesen Jahren. Unter ihnen waren die ab April 1848 veröffentlichten deutschsprachigen Pressfreien Flugblätter, die bis zu ihrer Einstellung im Oktober desselben Jahres zwei- bis dreimal in der Woche erschienen.⁸ Dieses Organ wird als der zweite
6 Vgl. ebd., S. 25. 7 Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 37. 8 Vgl. Pap, A pécsi újságírás első évtizedei, in, Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 39 – 48, hier S. 40; vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 628, S. 321.
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Anlauf zur Fünfkirchner Zeitung betrachtet.⁹ Darüber hinaus erblickte eine ebenfalls deutschsprachige Zeitung, das Fünfkirchner Bergmandl, für kurze Zeit das Licht der Pécser Presselandschaft.¹⁰ Die Pécser Wirtschaft erhielt einen Schub, als 1853 die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG) begann, sich für die Steinkohlevorkommen in der Region zu interessieren. Um die Kohlevorkommen zu prüfen und seine Dampfschiffe auf der Donau zwischen Belgrad und Budapest mit Brennmaterial versorgen zu können, pachtete das Unternehmen den Andreas-Schacht vor den Toren von Pécs. Das neue Bergbaugesetz von 1854 regelte die Rechte und Pflichten von Bergwerksunternehmen verbindlich, sodass die DDSG rechtlich und wirtschaftlich Planungssicherheit erhielt.¹¹ Dies ermöglichte die allmähliche Erweiterung der Bergbauaktivitäten des Unternehmens im Pécser Kohlebecken östlich der Stadt. Der am 8. Juni 1867, nach Jahren der Verhandlungen zustande gekommene politische Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn löste eine Reihe unterschiedlicher Entwicklungen aus. Nationalistische Strömungen unterschiedlicher Couleur erstarkten und strebten auf unterschiedlicher Weise auf Selbstbestimmung.¹² Die Ideen von Nation, waren dabei territorial, kulturell oder sprachlich konstituiert, wodurch Nationalistische Bestrebungen, wie die der Magyarisierung, auf unterschiedlicher Weise auf Selbstbestimmung der vorgestellten Nation drangen.¹³ Der Ausgleich brachte aber auch einen weiteren wirtschaftlichen Auf-
9 Als erster Anlauf wird der Versuch zur Gründung des Fünfkirchner Intelligenz Wochenblatts angesehen, welches dem derzeitigen Stand der Forschung zufolge mangels einer ausreichenden Anzahl von Abonnenten zwar angekündigt, aber nie erschienen war. Vgl. Pap, A pécsi újságírás első évtizedei, in, Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 39 – 48, hier S. 39 f. 10 Vgl. Móró, A Fünfkirchner Bergmandl, in, Lengvári (Hg.), Népek együttélése Dél-Pannóniában, 2003, S. 245 – 258, hier S. 246. 11 Vgl. Béla Kun, Bányamunkásviszonyok, in: Gusztáv Faller et. al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996, S. 369 – 372, hier S. 369. 12 Vgl. Dietmar Müller/Ulrich Büchsenschütz, Südosteuropa, in: Harald Roth (Hg.), Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas, Köln 2009, S. 80 – 95, hier S. 86. 13 Vgl. János Gyurgyák: Ezzé lett magyar hazátok. A magyar nemzeteszme és nacionalizmus története, Budapest 2007, S. 55 – 90. Die Anthropologin Réka Albrecht beschreibt in einem Aufsatz über die Landschaft der Nation die kulturelle Herstellung des als typisch ungarisch empfundenen Heimatbildes, der typischen Landschaft und damit auch die Erfindung einer Fiktion von der ungarischen Nation im 19. Jahrhundert. Die Autorin konstatiert, dass diese Imaginationen nicht von der ungarischen Nation erschaffen wurden, sondern von inländischen und ausländischen Autoren, deren literarische und rhetorische Repräsentationen sich im kollektiven Gedächtnis verankert haben (vgl. S. 186). Im 19. Jahrhundert begann die bürgerliche Kultur, so die Autorin, das Schöne zu entdecken und mit eigenen Vorstellungen aufzuladen. Hierbei fiel das Augenmerk des Bürgertums auf die ungarische Tiefebene, die Puszta, welche zur Imagination von der charakteristisch ungarischen Landschaft wurde. Viele der Traditionen der unterschiedlichen dort lebenden Ethnien wurden auf das ganze
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schwung. Die durch diese verfassungsrechtlichen Vereinbarungen entstandenen stabilen staatlichen und politischen Rahmenbedingungen boten der Wirtschaft in der gesamten Doppelmonarchie günstige Perspektiven. Die Unternehmensfreiheit im gesamten Land eröffnete den Unternehmern einen Markt mit bis zu 50 Millionen Konsumenten. Dementsprechend erhöhte sich auch die Mobilität innerhalb der Monarchie, die durch den beschleunigten Ausbau der Eisenbahn noch gefördert wurde. Parallel dazu entstanden in beiden Ländern immer mehr Industriebetriebe, die Zahl der Arbeiter stieg an und die Städte wuchsen. So wurden auch in Pécs namhafte Unternehmen gegründet wie die Keramik- und spätere Porzellanfabrik von Vilmos Zsolnay (1852), die Brauerei von Antal Scholz (1853), die Sektfabrik József Littkes (1859), die Handschuhfabrik János Hamerlis (1865) oder auch die Orgelfabrik von József Angster (1867) und viele mehr.¹⁴ Durch den wirtschaftlichen Aufschwung und die zunehmende Mechanisierung der Agrarproduktion erlebte die ungarische Landwirtschaft ebenfalls in dieser Zeit ihre „goldene Ära“,¹⁵ bis die „Agrardepression“ in den 1880er Jahren zusammen mit der Phylloxera-Epidemie den Höhenflug ausbremste. Nichtsdestotrotz veränderten sich in dieser Zeit nicht nur die wirtschaftliche Struktur Ungarns, sondern auch Einkommensverhältnisse, Lebensweisen und Lebensumstände großer Teile der Gesellschaft.¹⁶ In diesen Jahren begann sich auch Pécs zu verwandeln. Die Urbanisierung der Stadt schritt voran, was sich in modernen klassizistischen Bauten wie dem Nationaltheater, dem Kasino oder dem Hotel Nádor widerspiegelt.¹⁷ Ein Schwimmbad wurde errichtet, Wasserleitungen¹⁸ verlegt, es gab teilweise gasbetriebene und elektrische Straßenbeleuchtung und die
Volk ausgeweitet und zum Nationalen gemacht. „So verbindet sich der nationale Charakter mit der nationalen Landschaft. In der Bezugnahme hierauf werden die Vorstellungen und Stereotypen verallgemeinert und können von der ganzen Nation verinnerlicht werden.“ (S. 207 f.). Im Verlauf dieser Aushandlungsprozesse stand den Akteuren eine Vielzahl von Imaginationen zur Verfügung, aus denen die spezifische Vorstellung von der eigenen Nation, von der Heimat und von der nationalen Landschaft hergestellt werden konnte. Vgl. Réka Albert, A nemzet tájképe. Történeti-antropológiai elemzés, in: Dies./Gábor Czoch/Péter Erdősi (Hg.), Nemzeti látószögek a 19. századi Magyarországon. 19. századi magyar nemzetépítő diskurzusok, Budapest 2010, S. 179 – 213. 14 Vgl. Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 43; vgl. Éva Gál: Iparosodás és városfejlödés kapcsolata Pécsett a dualizmus idején, 04.05. 2012. Online: http: //www.sulinet.hu/ oroksegtar/data/muzeumok/mamutt_evkonyv_11/pages/012_iparosodas.htm (letzter Zugriff 31.05. 2021). 15 Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése 1867– 2000, Pécs 2006, S. 31. 16 Vgl. ebd. 17 Vgl. ebd., S. 16. 18 Hierbei handelte es sich um die Frischwasserleitungen. Der Ausbau eines Abwassersystems folgte in den Dekaden nach dem Ersten Weltkrieg. Vgl. ebd., S. 122 – 125.
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Wege in der Innenstadt wurden befestigt.¹⁹ Es wird angenommen, dass die wichtigsten Landstraßen aus Richtung Osten, Süden und Westen auf einer Strecke von 30 bis 60 Kilometern Länge bis Pécs relativ gut ausgebaut waren.²⁰ Bei Regen allerdings verwandelten sich die Landstraßen in eine Schlammlandschaft, was anfangs den Transport der abgebauten Steinkohle durch Fuhrunternehmer nach Mohács für die DDSG zeitweise stark behinderte.²¹ Die Anbindung der Stadt an Waren, Wissen und Menschenströme verbesserte sich durch den Anschluss an das Eisenbahnnetz 1854. Zunächst diente die Eisenbahnverbindung der DDSG von Pécs nach Mohács ausschließlich dem Kohletransport, auf Drängen der städtischen Bevölkerung jedoch ermöglichte das Unternehmen ab 1858 auch Privatpersonen die Reise mit der Bahn.²² Die Eisenbahn verkürzte die Fahrt nach Budapest erheblich und ermöglichte es einem wohlhabenderen Teil der Bevölkerung, engere Kontakte in die Hauptstadt zu pflegen.²³ Die Bevölkerung von Pécs nahm nicht nur zu, ihre Struktur erlaubte nun auch das wirtschaftliche Überleben mehrerer Zeitungen gleichzeitig.²⁴ Zwischen den beiden großen Bergarbeiterstreiks 1882 und 1893 stieg die Zahl der etablierten Zeitungen in Pécs von drei auf fünf. So erschienen nun die Pécsi Figyelő, die Pécsi Napló, die Pécsi Közlöny, die Pécs und die Fünfkirchner Zeitung. Die erste Zeitung die sich an die Arbeiterschaft wendete, die Zeitung Munkás (und sporadisch sogar eine deutschsprachige Beilage mit dem Titel Bergarbeiter publizierte), kam erst 1898 auf den Markt.²⁵ Durch die neu entwickelte Rotationsdruckmaschine konnten die Zeitungsausgaben schneller in großer Stückzahl gedruckt und unter die Leser gebracht werden.²⁶ Das ungarische Volksschulgesetz von 1868, wonach alle Personen zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr eine Schule zu besuchen hatten, erhöhte den Anteil der Bevölkerung, der lesen und schreiben konnte stark.²⁷ In Pécs kam ein ungewöhnlich hoher Anteil an höher gebildeten Personen hinzu, die Zei-
19 Vgl. Timót Géza Ágh, Emléklapok Pécs sz. kir. város multjából és jelenéből. Az orvosok és természetvizsgálók XXVII. vándorgyűlése tagjainak felajánlja Pécsváros közönsége, Pécs 1894, S. 243. 20 Vgl. Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése, 2006, S. 16. 21 Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 50. 22 Vgl. ebd. 23 Vgl. Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése, 2006, S. 16. 24 Vgl. Klára T. Mérey, Pécs a századfordulón, in: Tér és Társadalom 1 (1987), 2, S. 81 – 93, hier S. 88. 25 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 436, S. 223. 26 Vgl. Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése, 2006, S. 91 f. 27 Neben der allgemeinen Schulpflicht regelte das Gesetz (XXXVIII.) auch die Verwendung von Sprachen im Unterricht. Die Unterrichtssprache einer Schule hatte sich demnach an der in der Gemeinde im Allgemeinen verwendeten Sprache zu orientieren beziehungsweise der Unterricht solle in einer der in der Gemeinde benutzten Sprachen erfolgen. Vgl. Huszár, A Dunagözhajózási Társaság elemi iskolái, in: Mediterrán Világ, 11, S. 95 – 124, hier S. 97.
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tungen konsumieren konnten. Die große Zahl an gebildeten Personen in Pécs beruhte auf der Vielzahl von Bildungs- und Verwaltungsinstitutionen in der Stadt. Hinzu kamen mehrere Volks- und unterschiedliche weiterführende Schulen, die Diözese, die Stadt- und die Komitatsadministration, aber auch die Angestellten und Ingenieure der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft.²⁸ Letztere benötigte die DDSG, die in Pécs als Bergbaugesellschafft agierte, um Professionalisierung, Modernisierung, Technisierung und ökonomische Optimierung des Steinkohlebergbaus im Pécser Kohlebecken voranzutreiben.²⁹ Da die Bevölkerung von Pécs die benötigte Expertise und Menge an Arbeitskräften nicht stellen konnte, warb die DDSG Ingenieure, Facharbeiter und Arbeiter aus dem gesamten Gebiet Österreich-Ungarns und auch aus weiter entfernt gelegenen Regionen an, was die Illustration im Bergbaumuseum gut visualisiert³⁰ und was auch in der zeitgenössischen Presse zum Ausdruck kam: Die Dampfschifffahrtsgesellschaft hat mehr als viertausend Arbeiter aus Tschechien, Mähren, Preußen und anderen weit entfernten Ländern für die Bergwerke von Pécsbányatelep und Szabolcs zusammengetrommelt; vor zwanzig Jahren, als diese sich ansiedelten, bezahlte sie ihnen anständige Löhne, sie haben Brennholz und andere Zulagen in Form von Naturalien erhalten. Diese Arbeiter haben fleißig und gewissenhaft gearbeitet, da sie nach der Menge der abgebauten Kohle ihre Bezahlung erhielten.³¹
In den Anfangsjahren bot das Unternehmen seinen Beschäftigten gute Bezahlung und zeitgemäße Unterkünfte in der direkten Nachbarschaft zu den Bergwerken.³² In den Gärten der ihnen zur Verfügung gestellten Häuser konnten sie Gemüse anpflanzen und auch kleinere Nutztiere halten.³³ Die Arbeiter in diesen teils eigens 28 Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 39. 29 Die Technisierung und Industrialisierung des Bergbaus brachte auch innerhalb der Arbeiterschaft der Bergwerke eine Professionalisierung und Spezialisierung mit sich. Es entstanden spezifische Berufsbilder wie Hauer, Hauergehilfe, Kehrer, Schlepper, Hilfsschlepper, Kohlewäscher, Erzvorbereiter, Kohlevorbereiter, Klassifizierer, Transporteur und andere. Vgl. Béla Kun, Bányamunkásviszonyok, in: Gusztáv Faller et. al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996, S. 369 – 372, hier S. 370. 30 Auf die große Bedeutung von transnationalen Wanderungen hochqualifizierter Arbeiter, Unternehmer, Kaufleute und Angehöriger der technischen Intelligenz auf die ökonomischen und sozialen Strukturen von Gesellschaften im späten 19. Jahrhundert weist Klaus Bade hin. Vgl. Klaus J. Bade, Wanderungen im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Arbeitswanderungen und Unternehmerreisen, in: Historische Sozialforschung (2018), Supplement 30, Historische Migrationsforschung. Eine autobiografische Perspektive, S. 266 – 292. 31 Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap. 1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 1. 32 Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 80 f. 33 Vgl. Dunagőzhajózási Társulat, Az I. Cs. K. Szab. Dunagőzhajózási Társulat Pécs melletti kőszénbányái, Pécs 1894, S. 41.
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errichteten Bergarbeitersiedlungen versorgte das Unternehmen aus einem eigenen Lebensmittelmagazin mit Grundnahrungsmitteln zu günstigen Preisen. Es wurde aber auch an Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, Friedhöfe und Kneipen für die Bergarbeiter gedacht.³⁴ Die Kosten für die Grundnahrungsmittel, die Miete für die Bergarbeiterwohnung, den Beitrag des Bergarbeiters zur Bruderlade und Abzüge für zu hohe Gesteinsanteile in der geförderten Kohle zog das Unternehmen am wöchentlichen Zahltag vom Lohn des Arbeiters unmittelbar ab.³⁵ Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Bezahlung der Arbeiterschaft in den Bergwerken von Pécs scheinen zumindest bis zum Bankenkrach im Mai 1873 angemessen gewesen zu sein. Die Bedingungen, die die DDSG ihren Beschäftigten bot, waren attraktiv genug, um Tausende von Bergarbeitern teilweise mitsamt ihren Familien aus entfernt liegenden Gegenden anzulocken. Die Arbeitsmigration nach Pécs, vor allem aber in die östlich der Stadt gelegenen Ortschaften und in die neuen Bergarbeitersiedlungen veränderte die Einwohnerschaft grundlegend. Während die Industrialisierung in Pécs vor allem Arbeiter aus der ungarischsprachigen Umgebung anlockte, wanderten in die bis dahin überwiegend von Ungarn bewohnten Dörfer Szabolcs, Somogy und Vasas viele Bergarbeiter unterschiedlicher Ethnien und Sprachen ein. Deutsch wurde zur Alltagssprache in den Dörfern und in den Bergarbeitersiedlungen.³⁶ Die Arbeitsmigration trug maßgeblich dazu bei, dass die Bevölkerung von Pécs und in der Region stark wuchs. So wird die Stadtbevölkerung für das Jahr 1850 noch auf 15.821 Personen beziffert. Bis zum Jahr 1880 wuchs die Bevölkerung auf 29.672 Personen, bis 1890 auf 35.449 Personen und bis 1900 schon auf 43.982 Bewohner an.³⁷ Die durch den Bankenkrach ausgelöste Wirtschaftskrise, die Konkurrenz auf dem europäischen Kohlemarkt und das Auslaufen der Wirtschaftsförderung des ungarischen Staates führten dazu, dass die DDSG zunehmend sparsam und effizient wirtschaften musste. Die dazu eingeführten Maßnahmen bekamen die Bergarbeiter massiv zu spüren, denn sie waren aufgrund ihres Berufes und ihrer Wohnsituation von ihrem Arbeitgeber besonders abhängig. Sie
34 Vgl. ebd; vgl. Zoltán Kaposi, Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 56. 35 Vgl. Béla Kun, Bányamunkásviszonyok, in: Gusztáv Faller et. al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996, S. 369 – 372, hier S. 372. 36 Der Historiker László Katus konstatiert, dass die Einwanderung in dieser Zeit die ethnische Bevölkerungsstruktur der Region umgekehrt habe. Das vor der Industrialisierung deutsch geprägte Pécs wurde zu einer ungarischen Stadt, während die vormals ungarischen Dörfer der Umgebung durch die Arbeitsmigration der Bergarbeiter zu deutschsprachig dominierten Ortschaften geworden seien. Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 53. 37 Vgl. ebd., S. 60.
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beklagten sich vor allem über niedrige Löhne, unbezahlte Mehrarbeit, hohe Strafabzüge und zu lange Arbeitstage.³⁸ Die Unzufriedenheit der Bergarbeiter im Pécser Kohlerevier mündete im Jahre 1882 in einen ersten Streik, an dem sich die meisten Bergleute der Region beteiligten. Diesen Streik beendete das Unternehmen mithilfe der Behörden, der Gendarmerie und des Militärs, ohne Zugeständnisse an die Bergarbeiter zu machen.³⁹ In den darauffolgenden elf Jahren gab es weder grundlegende Änderungen an der Lage der DDSG noch an der ihrer Bergarbeiter. Im Mai 1893 begannen sich die Bergarbeiter der Pécser Bergwerksregion erneut zu organisieren. Sie hielten Versammlungen ab, wählten ein Komitee von zehn Bergarbeitern, die ihre Interessen vertreten sollten, und fassten ihre Beschwerden und Forderungen in einer Niederschrift mit 13 Punkten zusammen.⁴⁰ Der zweite allgemeine Bergarbeiterstreik der Pécser Bergbauregion begann schließlich am frühen Morgen des 6. Juni 1893.⁴¹ Die streikenden Bergarbeiter hielten sich zuerst in den Bergarbeitersiedlungen auf oder zogen von Bergwerk zu Bergwerk, um auch die letzten Arbeitswilligen zum Streiken zu bewegen. Die DDSG, die Berghauptmannschaft und die Exekutivorgane des Staates reagierten auf die Ereignisse schnell und beorderten Polizei, Gendarmerie und auch Militäreinheiten zu den Bergwerken und in die Bergarbeitersiedlungen. Diese hatten zunächst die Aufgabe, die Bergwerkseinrichtungen vor Beschädigung zu schützen, die Streikenden vom Herumziehen abzuhalten und die allgemeine Ordnung aufrechtzuerhalten. Die streikenden Bergleute kamen schließlich in der Ortschaft Szabolcs zusammen mit dem Ziel, sich nicht durch die Behörden voneinander trennen zu lassen. Die Einwohner von Szabolcs, darunter auch Bauern, nahmen die Bergarbeiter aus Pécsbányatelep, Somogy und Vasas als Gäste bei sich auf. Die Frauen der Bergleute versorgten ihre Angehörigen dort mit Lebensmitteln. Kneipen wurden behördlich geschlossen und Versammlungen verboten. Die Repräsentanten der Behörden und der DDSG, der Vizegespan des Komitats Baranya Szily, Berghauptmann Kaufmann und Bergwerksdirektor Wiesner, riefen die Bergarbeiter mehrmals dazu auf, den Streik zu beenden. Die Unterredungen zwischen den Repräsentanten des Unternehmens und des Staates mit den Bergarbeitern brachten diese allerdings nicht dazu, die Arbeit wieder aufzunehmen. Im Laufe der Tage stieg die Zahl der Streikenden auf über 2.000. Nach mehreren Aufforderungen und nach dem Ablauf eines Ultimatums räumten die Be-
38 Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 164 f. 39 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 80 – 87. 40 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 302 – 304. 41 Ein detaillierter Ablauf des Streiks aus der Perspektive der Pécser Lokalpresse ist in der Chronologie der Bergarbeiterstreiks im Anhang dargestellt.
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hörden schließlich am Montag, den 12. Juni 1893 um 14 Uhr die Ortschaft Szabolcs.⁴² Die Nachricht über die Entfernung der nicht ortsansässigen Streikenden durch Gendarmerie, Infanterie und insbesondere die dabei eingesetzten Husaren erregte die Gemüter in der Stadt und sogar europaweit: „Das städtische Publikum schaut den Ereignissen mit großer Erregung entgegen. Auf Schritt und Tritt, in den Gaststätten, in den Kaffeehäusern wird über die blutigen Ereignisse des Tages diskutiert. Die Redaktion unseres Blattes wird vom neugierigen Publikum scharenweise aufgesucht.“⁴³ Vom 15. auf den 16. Juni kehrten die meisten Bergarbeiter, die sich teilweise tagelang in den Wäldern versteckt gehalten hatten, wieder an ihre Wohnorte und schließlich auch an ihre Arbeit zurück. In den darauffolgenden Tagen und Wochen fanden mehrere Verhandlungen zwischen der DDSG, Repräsentanten des ungarischen Staates und dem zehnköpfigen Komitee der Bergarbeiter statt. Am Ende der Verhandlungen standen Zugeständnisse der DDSG an die Bergarbeiter. Diese beinhalteten unter anderem die Einführung des Acht-Stunden-Tages und die Genehmigung, den Tag der Arbeit am Ersten Mai feiern zu dürfen. Die Bergarbeiter mussten allerdings hinnehmen, dass die von ihnen zentral geforderten Lohnerhöhungen auch mithilfe ihres Anwalts nicht durchgesetzt werden konnten. Den symbolischen Abschluss des allgemeinen Pécser Bergarbeiterstreiks von 1893 bildete die Bekanntmachung der DDSG in der Pécsi Figyelő, in der sämtliche Vereinbarungen wortgetreu abgedruckt waren.⁴⁴ Die große Aufmerksamkeit, die der Streik der Bergarbeiter im Jahre 1893 erhielt, beruhte nicht nur auf der großen Zahl der teilnehmenden Bergarbeiter, auf dessen langer Dauer und der blutigen Niederschlagung, sondern auch auf den veränderten Möglichkeiten der Presse. Informationen gelangten durch die Telegraphie schneller und weiter in die Welt hinaus, und die gestiegene Zahl der Einwohner von Pécs sowie deren hohes Bildungsniveau ermöglichten es, dass sich mehrere Presseorgane etablieren. Seit Ende 1892 erschien in Pécs sogar eine Tageszeitung, die Pécsi Napló. Die Zeitungen waren zu dieser Zeit vornehmlich in der Hand von Unternehmern die zumeist auch als Chefredakteure ihrer Blätter fungierten. Sie beschäftigten in der Regel eine Handvoll Journalisten, unter denen eine große Fluktuation herrschte. Diese wechselten teils zwischen den Zeitungen von Pécs, teils gingen sie von Pécs aus in andere Städte Ungarns, vor allem nach Budapest, um sich als Journalisten, Wissenschaftler und Autoren zu betätigen. Die 42 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 309. 43 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 44 Vgl. Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4.
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Zeitungsbesitzer waren als Unternehmer oft auch Buchhändler oder Inhaber von Druckereien und druckten neben ihren eigenen auch andere Zeitungen. Die Druckereien befanden sich in den Seitenstraßen von Pécs, aber die Zeitungsredaktionen residierten 1893 bereits alle in unmittelbarer Nähe des mondänen Stadtzentrums. Der Autor und Regionalhistoriker Gábor Szirtes charakterisiert Pécs um 1900 als eine Stadt mit „hundertsechsundzwanzig Straßen, mehr als fünftausend Wohnhäusern, siebenunddreißig-, achtunddreißigtausend Einwohnern; mittlerweile zur Mehrheit gewordene Ungarn, mit ihren Sprachen sich vermischende Deutsche und Kroaten; kultivierte, europäische Innenstadt, zurückgebliebenere Vorstadt, dörfliche Umgebung – das ist Pécs um das Millennium in der Nussschale. Genauer, das auch.“⁴⁵ Diese Beschreibung dürfte auch für die im Jahre 1893 bereits aufstrebende Stadt nicht ganz verfehlt sein.
Abb. 4: Stadtplan Pécs, wie sie im großen Pallas Lexikon von 1897 publiziert wurde. Bergarbeitersiedlungen sind nicht verzeichnet. Pécs, Stadtplan, in: Pallas (Hg.), A Pallas nagy lexikona. 1:18.000, Budapest 1897 (Beilage).
Eines der wesentlichen Charakteristika fortschrittlicher europäischer Städte in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts war der Ausbau der lokalen Presselandschaft,
45 Gábor Szirtes, A millenniumi Pécs, Pécs 1996, S. 10.
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die die Bürger einer Stadt regelmäßig mit allerlei Informationen aus nah und fern versorgte, ihnen eine Stimme gab und somit einen öffentlichen Raum schuf.⁴⁶ Die Veränderungen in Pécs, an denen auch die Lokalpresse beteiligt war, charakterisiert der Literaturhistoriker Imre Nagy pointiert so: Die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend am südlichen Rand des ungarischen kulturellen Raums positionierende lokale Gesinnung [der Pécser; M. E.] hat sich bezüglich ihrer sprachlichen Basis und Denkweisen deutlich gewandelt. Zur Ausformung der bürgerlichen Mentalität, Identität und Werteordnungen der Stadt als „die südliche Bastion“ – um die Metapher aus dem Pränumerationsaufruf der Pécsi Napló mit einer leichten Abwandlung zu entlehnen – trug die Lokalpresse mit ihren eigenen Mitteln […] wirkmächtig bei.⁴⁷
Im Folgenden stelle ich die drei Zeitungen von Pécs näher vor, deren Anteil an den Diskursen im Kontext des Bergarbeiterstreiks von 1893 als zeitgenössische Akteure am größten erschien und deren Streikberichterstattung ich historisch-kulturwissenschaftlich untersucht habe.
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft 6.2.1 Der „Fackelträger der Baranyaer Unabhängigkeitspartei und insbesondere des wahren Christentums“:⁴⁸ die Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) ⁴⁹ Wir kennen kein Eigeninteresse und verachten das wiederwertige Handwerk der Jagd nach Profit (Revolverjournalismus), wir greifen mit reinen Händen und offenem Visier ausschließlich für das Gemeinwohl zu den Waffen; jawohl, für das Gemeinwohl, welches drei Grundvoraussetzungen hat: Patriotismus, Glaube und gutes Wirtschaften schwebt uns vor
46 Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2011, S. 63. 47 Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in, Nagy et. al. (Hg.), Öttorony, 2013, S. 281 – 300, hier S. 300. „Das Hauptziel der Pécsi Napló ist, am Rande der ungarischen Grenze hinter den südwestlichen Bastionen, in einer der Hauptfestungen Ungarns: in Pécs, den ungarischen Staatsgeist, die Bildung, den nationalen Geist, den patriotischen Sinn und die Nationalsprache zu entfalten sowie der Sache der Gesellschaft mit ehrlichem Eifer und Gewissen zu dienen.“ Anon, Pécsi Napló, Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November [Ankündigungsausgabe]. 48 Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 49 Ins Deutsche übersetzt etwa: Pécser Beobachter (Pécser Nachrichtenblatt).
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft
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Augen. Mit der gründlichen und fleißigen Berücksichtigung dieser Prinzipien bemühen wir uns aus ganzer Kraft und in alle Richtungen zu wirken.⁵⁰
Die Pécsi Figyelő war eine, wie sie sich selbst nannte, oppositionelle Zeitung,⁵¹ die zwischen September 1873 und April 1902 in Pécs erschien. Sie befasste vor allem mit Themen, die für die Region von politischem und ökonomischem Belang waren. Sie war eine der wichtigsten Lokalzeitungen der Stadt vor der Jahrhundertwende. Die Gestaltung der Pécsi Figyelő lässt auf geschulte Journalisten schließen, die das Blatt mit Inhalten gefüllt haben. Die Zeitung selbst verortete ihre Zielgruppe in der gebildeten Bürgerschaft von Pécs und im Komitat Baranya. Durch ihre politische Orientierung, bei der sie die damals oppositionelle Unabhängigkeits- und die 48er-Partei präferierte, bietet die Pécsi Figyelő eine andere Sicht auf die Bergarbeiterstreiks als die beiden liberalen Zeitungen Pécsi Napló und Fünfkirchner Zeitung. ⁵² Die Pécsi Figyelő war neben der Fünfkirchner Zeitung die zweite Pécser Zeitung, die sowohl während des Generalstreiks der Bergarbeiter im Jahre 1882 als auch 1893 erschien. Im Laufe dieser beiden Streiks veröffentlichte die Pécsi Figyelő 27 Zeitungsartikel über den Streik und war damit die produktivere Zeitung während dieser beiden Bergarbeiterstreiks. Die Pécsi Figyelő wird somit zu einer der interessantesten Presseorgane für die historisch- kulturwissenschaftliche Untersuchung der Pécser Streikberichterstattung im Jahr 1893. Gesichert ist, dass die Pécsi Figyelő spätestens am Samstag, den 27. September 1873 zum ersten Mal erschien.⁵³ Bis zum 2. April 1890 kam sie wöchentlich samstags 50 Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg.11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 51 Vgl. ebd. 52 Die Anhänger der ungarischen 48er-Partei befürworteten die Forderungen der Aprilgesetze des Revolutionsjahres 1848, in denen die volle Souveränität Ungarns gefordert wurde. 1867 erwirkte Ferenc Deák nach jahrelangen Verhandlungen Zugeständnisse Österreichs an die Eigenständigkeit Ungarns, wobei einige Forderungen von 1848 aufgegeben werden mussten. Die Befürworter dieser Autonomievereinbarung nannte man 67er, sie gehörten der Liberalen Partei Ungarns an, die zwischen 1869 und 1905 die Regierung stellte.Vgl. László Csorba, A dualizmus rendszerének kiépülése és konszolidált időszaka (1867– 1890), in: András Gergely/László Csorba (Hg.), Magyarország története a 19. Században, Budapest 2005, S. 360 – 384, hier S. 367– 379. 53 In der Publikation Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája wird die Ersterscheinung auf den 9. August 1873 datiert. Da in den Archiven jedoch erst die achte Ausgabe des Blattes vorliegt, datiert Surján in seiner Pressebibliographie die Ersterscheinung auf das Datum der ersten überlieferten Ausgabe. Vgl. o. A. (Hg.), Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája. Készült az 1896-iki ezredéves országos kiállítás sajtókiállítása számára, Budapest 1896; vgl. Pécsi Figyelő, in: Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263 – 265, hier S. 263.
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heraus, von da an bis zum 2. Dezember 1893 wöchentlich zweimal, mittwochs und samstags.Von da an bis zum 16. Dezember 1894 erschien die Pécsi Figyelő dienstags, donnerstags und samstags. Anschließend wurde die Pécsi Figyelő kurzzeitig zur Tageszeitung und verpasste es damit nur knapp, während des Streiks von 1893 als Tageszeitung mit der Pécsi Napló zu konkurrieren. In den letzten zwei Wochen ihrer Existenz konnte die Pécsi Figyelő aus wirtschaftlichen Gründen nur noch zweimal in der Woche herausgegeben werden.⁵⁴ Am 19. April 1902 stellte die Zeitung ihr Erscheinen ein. Die Ausgaben der Zeitung sind auf gängiges, ca. 50 – 60 g/m² schweres und großformatiges Zeitungspapier gedruckt.⁵⁵ Das Papier der mir ausgehändigten Exemplare war zwar vergilbt und leicht porös, aber noch weitgehend gut erhalten. Nutzungsspuren verrieten, dass die Ausgaben aktiv gelesen worden waren. Andere Spuren wie ein Stempelabdruck zeigen, dass die im Archiv aufbewahrten Exemplare für Mikrofilmaufnahmen als Vorlagen gedient hatten. Die Pécsi Figyelő wurde von Anfang an in einer Antiqua-Schrift gesetzt. Die Überschriften der Titelseite sowie die Bezeichnungen der Rubriken auf den folgenden Seiten waren größer und in Fettdruck hervorgehoben. Die Überschriften der weiteren Beiträge waren in den Textverlauf integriert, in runde Klammern gesetzt und fett gedruckt. Das Layout war auf den ersten beiden Seiten übersichtlich und großzügig gestaltet, auf den hinteren Seiten jedoch dichter gedrängt und daher weniger komfortabel zu lesen. Dies deutet auf einen gewissen Kostendruck hin, wobei man auf den repräsentativen Seiten mit großzügiger Gestaltung glänzen wollte, was auf den hinteren Seiten durch dichteren Satz kompensiert werden musste, um im angestrebten Preissegment bleiben zu können. Artikel und Berichte über den Streik sind zumeist auf der dritten bis fünften Seite der Ausgaben zu finden. Die Texte erschienen in klarer Sprache und einheitlicher Orthographie.⁵⁶ Dies ist besonders deshalb auffällig, da bei anderen zeitgenössischen Zeitungen unterschiedliche Qualitäten festzustellen sind. Die Orthographie war in Ungarn in den 1880er Jahren bereits systematisiert und durch Handbücher reglementiert. Sie
54 Vgl. Pécsi Figyelő, in: Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263 – 265, hier S. 263. 55 Aufgrund von Zuschnitten bei der Bindung und bei Konservierungsbemühungen der Archivare lässt sich die genaue Originalgröße der Zeitung nur schätzen. Im Falle der Pécsi Figyelő ca. 35x50 cm. 56 Die Festlegung der Rechtschreibung durch die Ungarische Akademie der Wissenschaften erfolgte bereits 1832 unter dem Titel Magyar helyesirás és szóragasztás főbb szabályai. Vgl. J. M. Petrózai Trattner/István Károlyi (Hg.), Magyar helyesírás és szóragasztás főbb szabályai. A Magyar Tudós Társaság különös használatára, Pest 1832; vgl.Ferenc Kiefer (Hg.), A magyar nyelv kézikönyve, Budapest 2003.
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wurde jedoch offenbar von neuen gesellschaftlichen Phänomenen herausgefordert, die eigener neuer Begriffe bedurften. So ist, wie auch in den anderen untersuchten Presseerzeugnissen, die Etablierung des Begriffes für die Arbeitsniederlegung aus der englischen Sprache zu beobachten. Während in den anderen zeitgenössischen Blättern sowohl deutscher als auch ungarischer Sprache zunächst die englische Schreibweise des Wortes ‚strike‘ abgedruckt wurde, verwendete die Pécsi Figyelő die an die deutsche Orthographie angelehnte Form ‚streik‘. Die Autoren deklinierten das Wort jedoch entsprechend den Regeln der ungarischen Sprache.⁵⁷ In der Berichterstattung über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1882 schrieb die Pécsi Figyelő noch von ‚streik‘. Elf Jahre später, im Kontext des zweiten großen Streiks findet man aber schon die ungarisierte Orthographie des Wortes ‚sztrájk‘.⁵⁸ Solche Entwicklungen in der Sprache und in der Schreibweise neuer Begriffe können meines Erachtens einerseits als Hinweise auf internationale Wissenstransfers aufgefasst werden, ebenso aber als Zeichen der allgemeinen Ungarisierung der Stadt Pécs. Der Zeitungskopf der frühen Ausgaben der Pécsi Figyelő ist durch horizontale Linien in drei Segmente unterteilt. Darin sind zuoberst der Jahrgang, das Erscheinungsdatum und die Nummer der Ausgabe zu finden. In der zweiten Ebene prangt in der Mitte der Zeitungsname Pécsi Figyelő in schlichter Blockschrift. Links und rechts vom Zeitungsnamen befinden sich die Preise für die Einzelausgaben und für Abonnements sowie die Adressen für die Annahme von Zeitungsanzeigen. Die unterste Ebene des Zeitungskopfes nennt die Adressen von Druckerei und Redaktion. In der Mitte des unteren Teils sind die Bedingungen und der Umgang der Redaktion mit eingereichten Manuskripten erklärt. Die Seiten sind, bis auf die Titelseite, paginiert. Die Titelseite unter dem Zeitungskopf ist ungefähr im Verhältnis von zwei Drittel zu einem Drittel eingeteilt. Im oberen, größeren Teil befindet sich, wie auch heute üblich, der oder die Leitartikel. Die hier begonnenen Leitartikel erstrecken sich bisweilen bis auf die zweite Seite. Im unteren Drittel der Titelseite befindet sich die Rubrik Feuilleton, „A ‚Pécsi Figyelő‘ tárczája“, in welcher kurze Erzählungen publiziert werden, und die häufig im unteren Drittel der zweiten Seite fortgesetzt wird.⁵⁹ Die Seiten sind durch senkrechte Linien in Spalten unterteilt. Die Anzahl der
57 Bei der Genitivkonstruktion fiel die Uneinheitlichkeit der ungarischen Suffixe auf, teils verwendete die Zeitung den Suffix -je, teils -ja. 58 Die ungarischen Zeitungsartikel, die die Überschrift „Sztrájk“ tragen, wurden in den Quellenangaben der Einfachheit halber nicht übersetzt. 59 Das Feuilletonteil aller drei Zeitungen beinhalteten Kurzerzählungen, die nur selten Fortsetzungen hatten.
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Spalten wechselt im Erscheinungszeitraum der Zeitung zwischen drei und fünf. Die einzelnen Rubriken sind durch feine horizontale Linien voneinander getrennt. Die zweite Seite beinhaltet nach dem Schlussteil eines Leitartikels die Rubriken Nationalversammlung und Nachrichten. Die Rubrik Nachrichten erstreckt sich häufig bis auf die dritte Seite, wo meist auch die Berichte über die Bergarbeiterstreiks zu finden sind. Diese Beiträge haben überwiegend Nachrichtenlänge, selten überschreiten die Texte 20 Zeilen oder mehr.⁶⁰
Abb. 5: Gebundene Ausgaben der Pécsi Figyelő an einem Arbeitsplatz in der Zeitschriftenabteilung der Ungarischen Nationalbibliothek (OSzK). (Eigene Aufnahme M. E.)
Auf Seite drei sind Nachrichten aus nah und fern zu finden, sie kann aber auch Rubriken wie Rechtsprechung, Kunst und Literatur, Getreidepreise und Nachrichten der Redaktion an die Leserschaft enthalten. Die folgenden beiden Seiten sind längeren Beiträgen der vorangegangenen Rubriken vorbehalten. So kann es vorkommen, dass Werbeanzeigen sowie die Rubriken Vermischtes, Wirtschaft und
60 Vgl. die Größenklassen der Zeitungsartikel in Kap. 4.4.1.
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ähnliche Sparten erst auf Seite sechs abgedruckt werden.⁶¹ Die Ausgaben der Pécsi Figyelő umfassten in der Regel sechs bis acht Seiten. Daneben erschienen gelegentlich Sonderausgaben, die besondere Großereignisse thematisierten, etwa den Besuch von König Franz Josef I. in Pécs 1880, den Tod Lajos Kossuths 1894 oder Otto von Bismarcks 1898. Artikel über einen der beiden Bergarbeiterstreiks schafften es nur je einmal auf die Titelseite der Zeitung. Die meisten Artikel über die Arbeitsniederlegungen sind auf der dritten Seite zu finden. Die Pécsi Figyelő kostete die Leser in den 1880er Jahren im Jahresabonnement 5 Forint (Ft), halbjährlich 2 Ft, 50 Krajcár (Kr), ein Vierteljahresabonnement belief sich auf 1 Ft, 25 Kr. Einzelausgaben waren für 10 Kr erhältlich. Die Leser mussten in den 1890er Jahren für ein ganzes Jahr 6 Ft, für ein halbes Jahr 3 Ft, vierteljährlich 1 Ft, 50 Kr, monatlich 50 Kr und für Einzelausgaben 8 Kr ausgeben.⁶² Damit stiegen die Preise für Abonnements an, während der Preis für Einzelausgaben gesenkt wurde. Ob der günstigere Einzelpreis die Zeitung für einen Bergarbeiter erschwinglich gemacht hat, kann nur vermutet werden, da Angaben und Schätzungen der Tageslöhne der Bergleute eine weite Spanne aufweisen.⁶³ Der Historiker László Halkovics erstellte Hochrechnungen zur ungefähren Höhe von Löhnen für Männer, Frauen und Kinder Anfang der 1890er Jahre. Er gibt für 1892 für einen Bergmann einen Tageslohn zwischen 0,70 und 3,60 Ft, für Frauen zwischen 0,40 und 1,60 Ft und für Kinder zwischen 0,20 und 1,36 Ft an. Eine Einzelausgabe der Zeitung kostete 8 Kr. Es kann daher vermutet werden, dass durchschnittliche Bergarbeiter selten in der Lage waren, die Zeitung regelmäßig zu erwerben. Vergleicht man den Preis eines Jahresabonnements von 6 Ft mit dem ungefähren Jahreslohn eines ungarischen Bergarbeiters im Jahre 1892 von ca. 325 Ft,⁶⁴ so erscheint der Abschluss eines Jahresabonnements nur in den seltensten Fällen vorstellbar. Der Erwerb einzelner Ausgaben oder die gemeinschaftliche Nutzung einer Zeitung ist dagegen denkbar. Darüber hinaus ist es möglich, dass die Praxis des Vorlesens im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts noch immer verbreitet war, obwohl das Analphabetentum damals bereits stark zurückgedrängt war. Hierbei konnte man sich für geringes Entgelt aus 61 Die Anzahl kommerzieller Anzeigen war in der Pécser Lokalpresse noch in den 1890er Jahren sehr gering und die Auswahl der beworbenen Produkte klein, verglichen mit den Zeitungen der Großstädte des Habsburgerreiches in den 1830er Jahren. Vgl. Mate Eichenseher, Die Individualisierung im Spiegel kommerzieller Anzeigen der Prager-, Wiener- und Ofner-Pesther Zeitung im Zeitraum 1830 – 1839. Eine kulturwissenschaftliche Inhaltsanalyse. M. A. Abschlussarbeit, Tübingen 2015. 62 Zwischen 1857 und 1892 galt im ungarischen Reichsteil der Habsburger-Monarchie der Forint (Ft) als Währung. Ein Forint wurde mit 100 Krajcár (Kr) (zeitgenöss. Krajczár, dt. Kreuzer) gewechselt. Vgl. György Kövér, Piaci hullámzások és gazdasági növekedés, in: András Gergely/László Csorba (Hg.), Magyarország története a 19. Században, Budapest 2005, S. 337 f. 63 Vgl. László Halkovics, A Magyar bányászat történeti statisztikai adattára, Budapest 2003. 64 Vgl. ebd., S. 58.
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einer Zeitung vorlesen lassen. Das Vorlesen war zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch weit verbreitet.⁶⁵ Der unter dem Zeitungskopf platzierte Absatz erläutert, dass Korrespondenz an die Redaktion sowie Inserate an das Büro des Herausgebers zu senden seien. Im Weiteren sind hier Stellen genannt, an denen Interessierte die Zeitung abonnieren konnten.⁶⁶ Die Redaktion befand sich demnach in den 1880er Jahren in der Ferencziek-Straße Nr. 44 im ersten Stock. Als Büro des Herausgebers gibt die Zeitung die Räume des Agenten C. F. Böhm gegenüber der Franziskanerkirche an. Abonnements der Pécsi Figyelő konnten beim Herausgeber abgeschlossen werden, laut der Bibliographie von Miklós Surján war dieser von 1873 bis 1894 Ferencz Nagy.⁶⁷ Abonnements konnten außerdem bei Antal Blauhorn im Rathaus, in der Handlung von C. F. Böhm in der Szigeter Vorstadt und bei János Lill in der Budaer Vorstadt sowie in den 1880er Jahren auch in jedem Postamt auf dem Lande abgeschlossen werden.⁶⁸ Einzelausgaben der Pécsi Figyelő waren in den 1880er Jahren beim Buchhändler N. Weidinger am Széchenyi-Platz zu bekommen. Die Budaer Vorstadt, der östlichste Stadtbezirk von Pécs, liegt den Bergarbeitersiedlungen, insbesondere Pécsbányatelep, am nächsten.⁶⁹ Letztere liegt etwa fünf Kilometer entfernt. In der Handlung von János Lill sowie später in der Papier- und Buchhandlung von Manó Böhm in der Fő-Straße hätten die Bergarbeiter den nächsten belegbaren Zugang zu Ausgaben der Pécsi Figyelő gehabt.⁷⁰ Die Erschwinglichkeit und die physische Möglichkeit, Zeitungen zu erwerben und damit an Wissen und Informationen zu gelangen, können gesellschaftliche Inklusions-, aber auch Exklusionsfaktoren sein. Als einzige Monographie ist das Buch A „Pécsi Figyelő“ története⁷¹ in den 1890er Jahren in der Reihe Hírlaptörténetek⁷² erschienen.⁷³ Die Publikation, deren genaues Erscheinungsjahr nicht genannt ist, ist lediglich in der Ungarischen Nationalbibliothek verzeichnet, das dortige Exemplar ist jedoch nicht auffindbar. Eine weitere zeitgenössische Quelle, in der die Pécsi Figyelő behandelt wird, ist ein Sammelband über die Zeitschriftenlandschaft Ungarns in den 1890er Jahren. Der inzwischen
65 Vgl. Stolze, Untersuchungen zur Sprache der Anzeigenwerbung, 1983, S. 12. 66 Vgl. Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1; vgl. Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 67 Vgl. Pécsi Figyelő, in: Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263 – 265, hier S. 263. 68 Vgl. Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1; vgl. Pécsi Figyelő. 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 69 Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895. 70 Vgl. ebd. 71 Auf Deutsch: Die Geschichte der Pécsi Figyelő. 72 Auf Deutsch: Nachrichtenblattgeschichten. 73 O. A., A „Pécsi Figyelő“ története, Budapest o. J. [1890er Jahre].
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online verfügbare Band entstand als Festschrift zu den Millenniumsfeierlichkeiten Ungarns im Jahre 1896.⁷⁴ Weiterführende Hinweise aus jüngerer Zeit sind einem Aufsatz des Historikers István Gyánti aus dem Jahr 2014 zu entnehmen, der die Geschichte der Pécsi Napló sehr detailreich schildert und dabei auch die Verbindungen zwischen vielen Protagonisten der Pécser Lokalpresse skizziert.⁷⁵ Eine weitere wichtige Quelle bildet die Pressebibliographie des Komitats Baranya von Miklos Surján, in der die wichtigsten Fakten über die Pécsi Figyelő zusammengetragen wurden.⁷⁶ Wiederholte Recherchen erbrachten keine weitere Sekundärliteratur zu diesem Blatt. So müssen die Informationen genügen, die die oben erwähnte Literatur, die Sammlungen der Regionalbibliothek und die Archive von Pécs sowie der Nationalbibliothek in Budapest bereithalten. Die Ausgaben der Zeitung erwiesen sich ebenso als probate Informanten in eigener Sache. Die Informationen, die in den Zeitungsköpfen im Verlauf der Erscheinungsjahre zu finden sind, zeigen die Veränderungen, welche die Zeitung durchlebte. Die Blätter präsentieren sich bei ihrer Ersterscheinung, vor Jahresende und häufig am Ende oder am Anfang eines Kalenderjahres. Sie beschreiben dabei ihre Erfolge, ihre Ziele und stellen ihre publizistischen Einstellungen vor. Zwischen der Ersterscheinung im Jahre 1882 und 1893 veränderte sich bei der Pécsi Figyelő manches, und am 19. April 1902 verabschiedete sie sich endgültig von ihrer Leserschaft. Für die vorliegende Untersuchung ist die erste verfügbare Ausgabe gesichtet worden. In dieser und in ihren Dezember-Ausgaben sprach die Zeitung ihre Leser direkt in eigener Sache an und präsentierte sich selbst. Derartige Beiträge helfen dabei, das Selbstverständnis der Pécsi Figyelő einzuschätzen. Des Weiteren wurden die Ausgaben zwischen Dezember 1873 und April 1902 mit einer auf die Zeitung zugeschnittenen Matrix auf die eventuelle Thematisierung von Bergarbeitern hin durchsucht. Dabei stellte sich heraus, dass in der Pécsi Figyelő kaum Artikel über Bergarbeiter erschienen, so lange diese nicht auf die eine oder andere Weise auf sich aufmerksam machten. Die Zeitung berichtete nur sehr knapp über die Feste der Bergleute am Tag der heiligen Barbara sowie später über den Feiertag am Ersten Mai.
74 Vgl. o. A. (Hg.), Hírlapjaink: A magyarországi hírlapok monográfiája. Készült az 1896-iki ezredéves országos kiállítás sajtókiállítása számára, Budapest 1896. Online: http: //sajtomuzeum.oszk.hu/forrasok/hirlapjaink/index.htm (letzter Zugriff 31.07. 2019). 75 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75. 76 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263 – 265.
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Die Pécsi Figyelő erschien im Jahre 1882 jeden Samstag. Das Büro der Redaktion befand sich zu dieser Zeit noch in der Ferencziek-Straße⁷⁷ 44 in unmittelbarer Nähe der katholischen Franziskus-Kirche. Das Büro der Redaktion war im ersten Stock des Hauses in der Agentur von C. F. Böhm untergebracht. Die Ferencziek-Straße ist bis heute einer der belebtesten Orte der Innenstadt. Von ein- bis zweistöckigen Häusern und kleinen Geschäften gesäumt, führt sie vom zentralen Széchenyi-Platz westwärts in Richtung Szigeter Vorstadt. Die verantwortlichen Redakteure der Pécsi Figyelő der 1880er Jahre waren Emil Haksch (17. Juni 1876 – 5. Juli 1884), gefolgt von József Kiss (6. Juli 1884 – 29. Juni 1888) und Ferenc Várady (30. Juni 1888 – 2. April 1890).⁷⁸ Kurz vor Jahresende 1883 richtete sich die Redaktion der Pécsi Figyelő in einem interessanten Resümee an ihre Leser, um sich für deren Treue zu bedanken und einen Rückblick auf die elf Jahre ihres Erscheinens zu tun.⁷⁹ Im Zuge der Danksagung umriss das Blatt seine Position als Zeitung in der Region, präsentierte seine Prämissen und Erfolge. Laut diesem Beitrag hatte es sich die Zeitung zur Aufgabe gemacht, nicht nur der„Fackelträger“⁸⁰ der Unabhängigkeitspartei Ungarns zu sein, sondern im ganzen Komitat Baranya „das Licht mit der Helligkeit des Geistes und der Wissenschaft zu verbreiten, das keine Nacht kennt, welches ist und sein wird, weil es von Gott stammt!“⁸¹ Die Zeitung konstatiert, dass sie während ihrer elf Jahre stets und in allem für wahre Überzeugungen, stolze Grundsätze und erhabene Ideologien geworben habe, und dass sie die unbeugsame Fürsprecherin der heiligen Wahrheit gewesen sei. Der auch im Folgenden pathetisch formulierte Beitrag weist die Geschäftspraktiken des „Revolverjournalismus“⁸² zurück, der nur aus Eigeninteresse und Profitgier arbeite, wogegen die Pécsi Figyelő nur für das Allgemeinwohl zu den Waffen gegriffen habe und furchtlos mit offenem Visier kämpfe. Die Redaktion der Pécsi Figyelő definiert drei Grundbedingungen, um im Kampf für das Allgemeinwohl siegreich zu sein: Patriotismus, Glaube und richtiges Wirtschaften. Nach diesen Grundsätzen versuche die Zeitung, so der Artikel, in jede Richtung zu wirken. Die Pécsi Figyelő schreibt es sich als ihren eigenen Erfolg zu, dass die zu dieser Zeit in Ungarn oppositionelle Partei der Unabhängigkeitsbefürworter im Komitat Baranya die Mehrzahl an Abgeordneten in der Nationalversammlung stellte. Sieben der acht Abgeordneten aus Baranya gehörten der Unabhängigkeits-
77 Zeitgenössische Schreibweise von Ferenciek, dt. Franziskaner. 78 Vgl. Pécsi Figyelő, in: Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 519, S. 263 – 265. 79 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 80 Ebd. 81 Ebd. 82 „revolver-zsurnalisztika“. Ebd.
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partei an, nur einer den Liberalen. Darüber hinaus reklamierte die Zeitung auch ihren großen Einfluss auf gesellschaftlicher, religiöser, verwaltungstechnischer, kultureller, sozialmoralischer und sozioökonomischer Ebene. Die Redakteure der Pécsi Figyelő betrachteten die „prächtige Namensliste der Abonnenten, die das Pantheon der höheren Intellektuellen und Selbständigen der Stadt und des Komitats abbildet, die allesamt entschlossene Patrioten sind, ungeachtet der Parteizugehörigkeiten“.⁸³ Unter der Leserschaft befänden sich auch Leute, die nicht alle Ansichten der Zeitung teilten und die dennoch mit der Zeitung fühlten und dächten. Diese Beliebtheit macht die Pécsi Figyelő dafür verantwortlich, dass andere Zeitungen ihr nur wenige Abonnenten abwerben konnten, „woraus in den Herzen der Bösen der Neid und die Verlogenheit zu Unterstellung und Hetze gegen die Pécsi Figyelő entstanden“⁸⁴ seien. Dies würde, so die Redaktion, die Pécsi Figyelő nicht von seinem Weg abbringen, denn sie wisse, dass sie am Ende siegreich sein werde.⁸⁵ In dieser Selbstdarstellung beweist die Zeitung ein starkes Selbstbewusstsein und präsentiert auch die Zielgruppe, die sie als Leserschaft ansprechen möchte: das gebildete Bürgertum der Stadt. Dieses erhielt im Jahre 1882 acht Beiträge über die Ereignisse im Bergbaugebiet zu lesen. Von den 1880er bis in die 1890er Jahre hinein veränderte sich so manches bei der Pécsi Figyelő. Vom 2. April 1890 bis zum 25. Dezember 1894 firmierte das Blatt unter dem Doppelnamen Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). ⁸⁶ Dies hing offenbar mit einem Besitzerwechsel des Blattes zusammen.⁸⁷ Der Inhaber der Zeitung, Ferenc Várady, habe das Publikationsrecht am 2. April 1890 an den Besitzer der Pécsi Hírlap, ⁸⁸ József Taizs übergeben, der die Zeitung zunächst unter dem Doppelnamen herausgab.⁸⁹ Diese Information bestätigt sich insoweit, als der Doppelname mit dem Wechsel der beiden Personen an der Spitze der Zeitung in Zusammenhang steht.
83 Ebd. 84 Mit dem Hinweis auf andere Zeitungen, die Abonnenten abwerben könnten, spielt die Pécsi Figyelő wahrscheinlich die Pécs-Baranyai-Hírlap an, die sich seit Anfang 1882 auf dem Pécser Zeitungsmarkt befand. Vgl. ebd. 85 Vgl. ebd. 86 Vgl. Pécsi Figyelő, in: Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 519, S. 263 – 265, hier S. 265. 87 Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4. 88 Die Ausgaben der Pécsi Hírlap selbst erwiesen sich für die vorliegende Untersuchung als zu wenig informativ, vor allem da das Blatt lediglich zwischen den beiden großen Streiks 1882 und 1893 erschien. Die Pécsi Hírlap kam ab dem 19. Dezember 1886 (Probeausgabe)/2. Januar 1887 bis zum 30. März 1890 unter der Redaktion von L. Haksch unter die Leserschaft. Vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 530, S. 270. 89 Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4, hier S. 3.
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Den Quellen sowie der Bibliographie der Presse des Komitats Baranya⁹⁰ zufolge verließ jedoch Várady die Pécsi Figyelő als verantwortlicher Redakteur und wurde durch den erfahrenen Lajos Haksch ersetzt. Várady wechselte als Redakteur zur Pécsi Napló. Haksch, bis dahin Herausgeber der Pécsi Hírlap, redigierte die Pécsi Figyelő vom 2. April 1890 bis zum 2. April 1893.⁹¹ Haksch vereinte die beiden Zeitungen, wobei er den Namen des renommierteren Organs an die erste Stelle setzte.⁹² In seinem ersten Beitrag an die Leserschaft richtete sich der neue Redakteur der fusionierten Blätter, Lajos Haksch, an die Leserschaft beider Zeitungen. Er verabschiedete freundschaftlich den bisherigen Redakteur Ferencz Várady und stellte sich als zurückgekehrter Mitarbeiter der Pécsi Figyelő vor, der in der Zwischenzeit die Pécsi Hírlap mit Erfolg redigiert habe: Von meinen alten Lesern, die in den kurzen drei Jahren der ‚Pécsi Hírlap‘ richtig gute Freunde geworden sind, die mit liebenswürdiger Herzlichkeit meine Arbeit unterstützten und – ich würde sagen – eine väterliche Beziehung zu meinem Blatt geführt haben, wünsche ich: behalten Sie mich in Ihrer herzlichen Gutmütigkeit, fremdeln Sie nicht mit dem neuen Titel, denn der Titel des Blattes hat sich zwar geändert, ich aber bin der alte geblieben, Ihr treuer Fahnenträger, Lajos Haksch, Redakteur.⁹³
Der Zeitungskopf der Pécsi Figyelő blieb in den 1890er Jahren durch horizontale Linien strukturiert, lediglich die Rahmungen der Informationskästen wurden weggelassen. Die bis zum 2. April 1890 wöchentlich erscheinende Zeitung kam nun mittwochs und samstags heraus. Vom 2. Dezember 1893 bis zum 16. Dezember 1894 war die Pécsi Figyelő schon dienstags, donnerstags und samstags zu haben. Die Zeitung lag im unteren Preissegment der zeitgenössischen Konkurrenz.⁹⁴ Zur Zeit des Streiks im Jahre 1893 erschien die Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) mittwochs und samstags. Der Verlag residierte bereits am mondänen Széchenyi-Platz, dem bis
90 Vgl. Pécsi Figyelő, in: Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 519, S. 263 – 265. 91 Haksch publizierte auch in der Satirezeitschrift Veréb Jankó, die von Várady herausgegeben wurde, unter dem Pseudonym Dr. Muki.Vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 801, S. 396. 92 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 60. 93 Lajos Haksch, T. olvasóimhoz, [An meine geehrten Leser], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 1. 94 Ein Jahresabonnement der Tageszeitung Pécsi Napló kostete zu dieser Zeit 12 Ft, die Fünfkirchner Zeitung und die Zeitung Pécs 8 Ft. Nur die Pécsi Közlöny lag preislich darunter, allerdings erhielt man für ein Jahresabonnement von 4 Forint lediglich eine Ausgabe in der Woche. Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 62.
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft
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heute zentralen Platz der Stadt,⁹⁵ im am nördlichen Ende des Platzes gelegenen Gebäude mit der Nummer 12.⁹⁶ Die Redaktion befand sich zu der Zeit im selben Gebäude. Die Ausgaben der Zeitung waren in der Stadt bei diversen Händlern zu erwerben. Eine konkrete Vertriebsstelle in den Bergarbeitersiedlungen erwähnt die Pécsi Figyelő nicht, es kann jedoch vermutet werden, dass das Postamt in Szabolcs die Zeitung anbot. In den 1890er Jahren beschäftigte sich die Zeitung in einzelnen Artikeln mit der Bedeutung des Sozialismus für die ungarische Gesellschaft, mit der Rolle des Staates in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie mit dem angemessenen Umgang mit der multiethnischen Gesellschaft in den Bergarbeitersiedlungen von Pécs. Die Pécsi Figyelő betrachtete den Sozialismus als eine „gesellschaftlichen Krankheit“,⁹⁷ die in Ungarn keine Existenzberechtigung habe, sondern von Agitatoren aus Westeuropa eingeschleppt worden sei. Die Abwehr des Problems sah die Pécsi Figyelő in der Bildung der Arbeiterschaft, in der Ermöglichung politischer Teilhabe und in der ernsthaften Beschäftigung der Politik mit ihren Problemen, anstelle weiter auf Ignoranz und Gewalt zu setzen.⁹⁸ In einem weiteren Beitrag ließ die Pécsi Figyelő ihre Ideen von der Integration der Bergarbeiter in die Pécser Gesellschaft durchscheinen. Der Unterricht in ungarischer Sprache in den Schulen der Bergarbeitersiedlungen sollte die multiethnische Gesellschaft der Siedlungen dem Land näherbringen, in dem die Menschen leben und arbeiten. Hierbei spielten die – hier namentlich genannten – Lehrer die wichtigste Rolle.⁹⁹ An anderer Stelle positionierte sich die Zeitung gegen staatliche Einmischungen in Belange zwischen Arbeiterschaft und Arbeitgeber. Die meist gewaltsamen Interventionen des Staates bei Streiks betrachtete das Blatt dabei als falsch, da Arbeitszeiten, Bezahlung und andere Konditionen der Beschäftigung eine Sache zwischen den beiden involvierten Parteien seien. Die gewaltsame Niederschlagung der Streiks werde die ungebildeten Arbeiter ohne Not in die Arme der Sozialisten treiben, hob die Zeitung hervor.¹⁰⁰ Die Pécsi Figyelő plädierte zumeist für eine Zurückhaltung des Staates und seiner Repräsentanten aus dem öffentlichen Leben
95 Siehe: Hochrein, Pécs 1895, 1895. 96 Es wird vermutet, dass es sich dabei um den Landtagsabgeordneten des Bezirks Szigetvár handelte, den Gutsherrn Nádosy Elek. 97 Anon, Május elseje, [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 98 Vgl. ebd. 99 Vgl. Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolákban, [Ungarische Sprache in den Schulen der Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6. 100 Vgl. Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2.
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und für die Ermächtigung der unteren gesellschaftlichen Schichten durch Bildung, ebenso solle die gebildete Bürgerschaft Fürsorge für die unteren Schichten leisten. Während des Streiks im Juni 1893 konnte sich die Leserschaft der Pécsi Figyelő durch 19 Berichte über die Arbeitsniederlegung informieren. Die Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) war eine gestalterisch wie inhaltlich professionell erstellte Zeitung, deren Anspruch es war, entsprechend journalistischer Maßstäbe und der eigenen ideologischen Überzeugung zu berichten. Der Redaktionssitz, die übersichtliche Aufmachung, die verständliche Sprache und die zumeist korrekte Orthographie weisen darauf hin, dass das Blatt professionell erstellt wurde. Die Pécsi Figyelő orientierte sich in Strukturierung, Layout und Sprache an den Standards der Zeitungen der Hauptstadt und entspricht auch für den heutigen Leser noch den Erwartungen an eine Zeitung. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung bietet die Pécsi Figyelő eine wichtige journalistische Perspektive auf die Bergarbeiterstreiks in den Jahren 1882 und 1893. Die sich der damaligen Opposition zurechnende Zeitung zielte auf Sympathisanten der Unabhängigkeits- und der 48er-Partei Ungarns.¹⁰¹ Die von der Pécsi Figyelő anvisierte Leserschaft war die gebildete bürgerliche Schicht der Stadt und der Region: „Die zierreiche Liste unserer Abonnenten, die die höhere Intelligenzija unseres Komitats und der Stadt sowie das Pantheon der Selbständigen und der selbstbestimmten Patrioten aufweist, und das ohne parteiliche Differenzen zu kennen“.¹⁰² Die Zeitung wurde im Stadtzentrum von Pécs hergestellt und vertrieben. Obwohl sich der Redaktionssitz immer in mutmaßlich teurer zentraler Lage befand, lag der Preis des Blattes im unteren Preissegment unter den Pécser Zeitungen. Es kann dennoch vermutet werden, dass durchschnittliche Bergarbeiter selten in der Lage waren, die Zeitung regelmäßig zu erwerben. Obwohl die Berichte über die Streiks selten auf der ersten Seite der Zeitung abgedruckt wurden, spiegelt die Häufigkeit der Artikel über die Ereignisse ein starkes Interesse der Redaktion am Streik. Und es ist schließlich auch die Pécsi Figyelő, die 1894 erstmals die direkte Befragung eines Bergarbeiters bei einem kleineren Streik in Szászvár durch einen Journalisten erwähnen wird.¹⁰³ Die Untersuchung der Pécsi Figyelő bietet somit wichtige Aspekte zum Bergarbeiterstreik von 1893 aus der Sicht der Pécser Lokalpresse.
101 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 60. 102 Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 103 Vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2.
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft
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6.2.2 Die einzige in Transdanubien erscheinende Tageszeitung: die Pécsi Napló Euer Wohlgeboren! Bei Ertheilung Ihrer geehrten Aufträge auf Inserate in den grösseren Provinzblättern bitten wir das Fünfkirchner politische Tagblatt ‚PÉCSI NAPLÓ‘ nicht ausser Acht zu lassen. Dasselbe wird als das einzige in Transdanubien erscheinende Tagblatt mit grossem Interesse gelesen und erfreut sich in Budapest, in der ungarischen Provinz, wie auch in den durch Ungarn bewohnten Gegenden Slavoniens einer grossen Anzahl von Abonnenten. Hochachtungsvoll, die Administration der ‚PÉCSI NAPLÓ.‘¹⁰⁴
Die Pécsi Napló – übersetzt Pécser Journal – wird in Abhandlungen zur ungarischen Pressegeschichte als erste Tageszeitung Transdanubiens gefeiert.¹⁰⁵ In ihrem Probeexemplar pries sich das Blatt selbst als die günstigste Zeitung der ganzen Region.¹⁰⁶ Während des Streiks von 1893 veröffentlichte die Pécsi Napló als damals einzige Tageszeitung von Pécs zahlreiche umfangreiche Beiträge über die Ereignisse in den Bergwerksgebieten. Die Pécsi Napló wurde, neben der Fünfkirchner Zeitung, zu einem der langlebigsten Medien der Stadt. Die Pécsi Napló erschien zwischen dem 16. November 1892 und dem 16. April 1944. Das Gebäude, in dem sich einst der Redaktionssitz befand, ist heute noch erhalten. Die große Menge und der Umfang der Zeitungsartikel, die in den drei Wochen der täglichen Berichterstattung über den Streik von 1893 erschienen, machen die Pécsi Napló neben der Pécsi Figyelő und der Fünfkirchner Zeitung zu einer aussagekräftigen Quelle für meine Untersuchung. Die bisherige wissenschaftliche Aufarbeitung der Zeitung ist sehr überschaubar. Zudem sind bisweilen Publikationen, die in Bibliothekskatalogen verzeichnet sind, in den Beständen nicht auffindbar.¹⁰⁷ Die Quellenlage zur Pécsi Napló ist laut dem Pécser Regionalhistoriker István Gyánti ebenso dürftig.Von Gyánti stammt die bisher gründlichste historische Aufarbeitung der Zeitung. Einiges an Archivmaterial sei, so der Forscher, im Laufe der Jahre abhandengekommen; die Erinnerungsschriften der damaligen Akteure seien zu unzuverlässig. Lediglich von zwei ehemaligen Redakteuren der Zeitung, Lajos Lenkei und Ferenc Várady, existieren Schriften. Ersterer hat zum 20-jährigen und später zum 40-jährigen Jubiläum der Zeitung historische Darstellungen verfasst. Ferenc Várady schrieb bereits aus An-
104 Inserierungsaufruf in deutscher Sprache, in, Pécsi Napló, Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November, S. 1 [Ankündigungsausgabe]. 105 Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4; vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75. 106 Vgl. Anon, Pécsi Napló, Pécsi Napló. 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November, S. 2 [Ankündigungsausgabe]. 107 Beispielsweise: István Fenyő, Tudományos és ismeretterjesztő folyóiratok, Budapest 1979.
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lass der Millenniumsfeierlichkeiten im Jahre 1896 einen Abriss zur Geschichte der Pécsi Napló. ¹⁰⁸ In fast identischer Form wurde dieser Text außerdem in einer weiteren Publikation veröffentlicht.¹⁰⁹ Einzelne Episoden aus der Geschichte der Pécsi Napló lassen sich den Biographien bekannter Autoren entnehmen, die zeitweise für die Pécsi Napló gearbeitet hatten. Eine wichtige Quelle zur Geschichte der Tageszeitung ist die Bibliographie des Komitats Baranya von Miklós Surján.¹¹⁰ In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschien eine Handvoll Beiträge über die Pécsi Napló, bei deren Begutachtung Gyánti ebenfalls zu dem Schluss kam, dass bereits diese und auch spätere Aufsätze über die Pécsi Napló sich aus heute nicht mehr zugänglichen Quellen gespeist haben müssen.¹¹¹ Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 stieg die Zahl der in Ungarn erscheinenden Zeitungen sprunghaft an. Die politischen, technischen und strukturellen Voraussetzungen waren günstig. So auch in Pécs in der Schwäbischen Türkei,¹¹² einer „wiederbegründeten Stadt“.¹¹³ Gyánti konstatiert, dass in den 1870er Jahren die Pécser Pressewelt lebendig geworden sei. Neben kurzlebigen Blättern erschienen auch überlebensfähige Zeitungen.¹¹⁴ Der Gründer der Pécsi Napló, Lajos Engel, zählte Gyánti zufolge zu jener Kategorie von Zeitungsgründern, die aus unternehmerischen Erwägungen Zeitungen herausgaben. Andere, so zeigt Gyánti, zielten mit ihren Zeitungsgründungen vor allem auf die Verbreitung bestimmter politischer, gesellschaftlicher, volkswirtschaftlicher oder anderer Ansichten. Aus einer renommierten Szegediner Händlerfamilie stammend, kam Engel¹¹⁵ als Leiter der Pécser Niederlassung der Buchhandlung Traub und Partner in die Stadt. Er wurde 1887 Inhaber dieses Unternehmens und kaufte außerdem kurz darauf die Ramazatter’sche Druckerei in
108 Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4. 109 Vgl. Ferenc Várady, Baranya multja és jelenje, térképpel, arczképekkel és képekkel, Pécs 1896. 110 Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 567, S. 288. 111 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 58 f. So auch eine neuere Übersichtsdarstellung der Presselandschaft von Pécs im 19. Jahrhundert von Imre Nagy: Imre Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in: Pécsi Szemle (Öttorony XX.) 14 (2011), 4, S. 41 – 43. 112 Bezeichnung für die nach dem Rückzug des Osmanischen Reiches aus dem Südwesten Ungarns von vielen sogenannten Donauschwaben besiedelte Region. 113 Vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 323. 114 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 60. 115 Lajos Engel: 11. Juli 1860 Szeged–20. November 1912 Budapest. Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 61.
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft
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Pécs von ihrem damaligen Besitzer Lipót Koller.¹¹⁶ In der Druckerei wurden zu dieser Zeit die Blätter Pécsi Figyelő, Fünfkirchner Zeitung und zunächst auch die Zeitung Pécs gedruckt. Aufgrund seiner früheren Erfahrungen mit der Presse, die er noch in Szeged gesammelt hatte, wollte Engel die vorhandenen Produktionskapazitäten seiner Druckerei durch die Herausgabe einer eigenen Zeitung besser ausnutzen.¹¹⁷ Gyánti zufolge wählte Engel den erfahrenen, literarisch begabten Ferenc Várady zum Chefredakteur der Zeitung, der sich in Pécs gut auskannte.¹¹⁸ Várady arbeitete bereits zwischen 1885 und 1892 bei der Pécsi Figyelő und gab selbst die landesweit erfolgreiche Satirezeitschrift Veréb Jankó heraus.¹¹⁹ Várady war neben seiner journalistischen Tätigkeit auch politisch aktiv. Er war bereits Ende der 1880er Jahre Mitglied des Gemeinderates und des Komitatsrates, zu dessen Archivar er 1890 ernannt wurde. Somit verfügte Várady über beste Verbindungen in der Stadt und im ganzen Komitat Baranya. Daneben erwarb er im Laufe seines Lebens einige Anerkennung dank seiner literarischen und ortshistorischen Leistungen.¹²⁰ Am 8. November 1892 ließ Engel in ganz Pécs Ankündigungen an Hauswände kleben, in denen er die Erscheinung der ersten Tageszeitung der Stadt bekanntgab. Die Werbeaktion erweckte einiges Aufsehen in der Stadt, erinnert sich Lajos Lenkei, einer der späteren Redakteure der Pécsi Napló in seinen Memoiren.¹²¹ Die Plakate wurden in ungarischer und deutscher Sprache gedruckt.¹²² Darin wurde neben anderen Informationen auch die journalistische Ausrichtung des Blattes erwähnt:
116 Koller war der Großneffe des Druckereibesitzers Károly Ramazatter. Ramazatter betrieb zwischen 1862 und 1880 die Lyceum-Druckerei in der Perczel-Str. 42 und hatte daneben auch eine eigene Druckerei im Reinfeld’schen Haus in der Boltív-Gasse im Zentrum der Stadt. Als Nachfolger von Mihály Taizs druckte er dort die Pécsi Napló, die Fünfkirchner Zeitung und die Pécsi Figyelő. Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 61. 117 Vgl. ebd., S. 61. 118 Ferenc Várady: 14. November 1864 Pécs–29. Dezember 1933 Pécs.Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 61. 119 Die Satirezeitschrift erschien vom 1. April 1885 bis Dezember 1892. Dabei war das Blatt vom 1. Januar 1892 bis zu seiner Einstellung als kostenlose Beilage der Pécsi Figyelő erhältlich. In der Ausgabe vom 9. März 1890 veröffentlichte Várady ein spöttisches Gedicht über die Schwierigkeiten, in der Provinz Journalist zu sein.Vgl. Jankó, A publikum, in: Veréb Jankó, 1890, Jhg. 6, Nr. 10, Sonntag, 9. März, S. 1; vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 801, S. 396. 120 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 61; vgl. Várady, Baranya multja és jelenje, 1896. 121 Vgl. Lajos Lenkei, XX. A Pécsi Napló története [XX. Die Geschichte der Pécsi Napló], Pécsi Napló, 1910, Jhg. 19, Nr. o. Nr., Sonntag, 25. Dezember, S. 30 – 32, hier S. 30. 122 Vgl. Anon, Pécsi Napló, Pécsi Napló. 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November [Ankündigungsausgabe].
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Das Hauptziel der Pécsi Napló ist, am Rande der ungarischen Grenze hinter den südwestlichen Bastionen, in einer der Hauptfestungen Ungarns: in Pécs, den ungarischen Staatsgeist, die Bildung, den nationalen Geist, den patriotischen Sinn und die Nationalsprache zu entfalten sowie der Sache der Gesellschaft mit ehrlichem Eifer und Gewissen zu dienen; daneben soll das sich lebhaft für alles interessierende Publikum, das bislang lediglich zweimal wöchentlich ein lokales Blatt erhielt, nun täglich schnell und ausführlich informiert werden.¹²³
Ihre Affinität für die Magyarisierung bekundete die Zeitung auch später immer wieder. Als nächstes erschienen Einführungsexemplare der geplanten Tageszeitung. Am 16. November 1892 kam das erste Exemplar mit der außergewöhnlich hohen Seitenzahl von 24 Seiten heraus, das laut Eigenwerbung in einer Auflage von 15.000 Exemplaren in der Stadt, im Komitat und darüber hinaus verbreitet wurde.¹²⁴ Noch vor Beginn der regulären Erscheinungsweise brachte die Pécsi Napló am 21. November 1892 eine weitere Extraausgabe heraus. Grund dafür war die programmatische Rede des neuen ungarischen Ministerpräsidenten Sándor Weckerle, ein Thema, das sich die Zeitung wohl nicht entgehen lassen wollte. Die erste reguläre Ausgabe erschien schließlich am 1. Dezember 1892. Die Zeitung war immer bereits ab den frühen Morgenstunden verfügbar. Sie umfasste an Wochentagen acht, an Sonn- und Feiertagen 16 bis 32 Seiten. Der Zeitungskopf erscheint auf dem etwa 35x50 cm großen Papierbogen verhältnismäßig raumfüllend. Die Ränder der Ausgaben im Archiv des Pécser CsorbaGyőző-Bibliothek sind für eine Zeitung relativ schmal, wobei das an Restaurationsbemühungen der Archivare liegen könnte. Das Papier ist den anderen Pécser Zeitungen vergleichbar gebräunt und leicht porös, aber noch blätterbar. Das Antiqua-Schriftbild variiert wenig, selten wird für Überschriften eine serifenlose Antiqua-Schrift (Grotesk-Schrift) verwendet. Auch Fettdruck kommt lediglich in den Überschriften vor. Hervorhebungen durch kursiven Satz findet man in der gesamten Ausgabe. Im Gegensatz zu anderen Pécser Zeitungen schreibt die Pécsi Napló das Wort Streik von Anfang an konsequent in der ungarischen Orthographie: sztrájk. Die Leitartikel sind in derselben Schriftgröße gesetzt wie die anderen Beiträge.¹²⁵ Die Struktur der Zeitung folgt dem klassischen Schema: Leitar-
123 Ebd. 124 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 1 – 2 [Erst- u. Musterausgabe]. Várady erinnert sich lediglich an 10.000 Exemplare. Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4, hier S. 2. Die Auflagenhöhe der Zeitungen wurde vor dem Ersten Weltkrieg in Pécs nicht erfasst, daher ist die Zahl der gedruckten Exemplare kaum zu bestimmen. Vgl. Kálmánné Huber, Pécsi humorisztikus lapok (1872 – 1921), in: László Szita (Hg.), Baranyai Helytörténetírás 1983 – 1984, Pécs 1985, S. 277– 329, hier S. 281. 125 Feldtagebuch des Verfassers. Äußere Deskription der Zeitung Pécsi Napló. 30. Mai 2018.
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Abb. 6: Ausgabe der Pécsi Napló vom 8. Juni 1893. Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2.
tikel, Feuilleton, Auszüge aus den Sitzungen des Landtages sowie anderer politischer Instanzen. Darauf folgen Mitteilungen der Stadt- und der Komitatsverwaltung. In der Rubrik Nachrichten berichteten die Mitarbeiter der Zeitung über Ereignisse in der Stadt und der Region, unter Diverses folgten Nachrichten aus dem ganzen Land und aus dem Ausland. Die Sparte „Original Depesche“ übermittelte die neuesten telegraphisch eingetroffenen Presseagenturmeldungen. Es folgten unterschiedliche Fachrubriken, die sich mit Schulwesen, Literatur, Kunst, Gerichts- und Wirtschaftsbelangen beschäftigten. In der Rubrik Öffentlichkeit wurden private und persönliche Mitteilungen veröffentlicht. Die Romanecke bot Fortsetzungsromane. Bald erschienen auch Sportnachrichten und ab 1897 sogar eine Rubrik Fahrradsport, in der über die Pécser Radrennen berichtet wurde.¹²⁶ Nach der Gründung der Zeitung befasste sich der Eigentümer Lajos Engel vor allem mit der Verbreitung und Popularisierung des Blattes, also mit dem Marketing.
126 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 61.
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Hierbei waren ihm József Blancz und Zsigmond Wolf behilflich. Das Büro des Herausgebers war zunächst in den Räumen von Engels Buchhandlung in der Boltív Gasse Nr. 2 in einer der schmalen, aber zentral gelegenen Seitenstraßen von Pécs untergebracht.¹²⁷ Gyánti konstatiert, dass Engel und sein Chefredakteur Várady bemüht waren, junge, aber dennoch erfahrene und talentierte Journalisten in ihre Redaktion aufzunehmen. So kamen und gingen zunächst einige vielversprechende Talente.¹²⁸ Zoltán Thury,¹²⁹ später ein bekannter ungarischer Novellenautor, schrieb Leitartikel, Feuilletonbeiträge und Beiträge für die Literatur- und Kunstrubrik der Pécsi Napló. Er verließ Pécs im Januar 1893 kurz vor dem Bergarbeiterstreik. Gyula Kéry,¹³⁰ laut Gyánti ebenfalls ein talentierter Journalist, war ebenfalls nur kurze Zeit, von Januar bis Juli 1893, für die Pécsi Napló tätig, hinterließ jedoch Spuren in der Streikberichterstattung. Laut Gyánti war Kéry von der Redaktion der Pécsi Napló in die Bergarbeitersiedlungen entsandt worden, da er aufgrund seiner früheren journalistischen Tätigkeit für die Pécsi Figyelő (1890 – 1892) die lokalen Verhältnisse dort am besten kannte. Nach Thurys Weggang wurde Kéry zum Redakteursgehilfen befördert, im Juli 1893 wechselte er dann zur Budapesti Hírlap. ¹³¹ Nach Kérys Ausscheiden verschwanden Berichte über den Streik aus der Pécsi Napló mit dem Vermerk, dass sie von einem eigenen entsandten Berichterstatter vor Ort stammten. Zwischen Streikbeginn bis kurz vor seinem Ende erschienen sechs Beiträge mit einem entsprechenden Hinweis in der Pécsi Napló. ¹³² Nach dem Weggang der beiden Redakteure folgten Sándor Ballier und Jenő Hegyi aus Budapest. Beide hatten neben anderen Tätigkeiten in der Hauptstadt reichlich Erfahrung mit der redaktionellen Arbeit erworben. Ballier schrieb nun für
127 Vgl. ebd., S. 63. 128 Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4, hier S. 2. 129 Zoltán Thury (7. März 1870, Klausenburg–27. August 1906, Budapest) gilt als einer der Vertreter des ungarischen kritischen Realismus. In seinen Werken setzte er sich häufig mit unterdrückten Klassen auseinander. Vgl. Ágnes Kenyeres (Hg.), Magyar életrajzi lexikon. 1000 – 1990. Javított, átdolgozott kiadás, Budapest 2003. Online: https: //mek.oszk.hu/00300/00355/html/index.html (letzter Zugriff: 05.10. 2021). 130 Gyula Kéry (3. August 1896, Buda–22. Februar, Budapest) machte sich neben seiner journalistischen Tätigkeit auch als Autor und Komponist einen Namen. Er sammelte Hinterlassenschaften des Dichters Sándor Petőfi und publizierte auch über diesen. Seine Operette M. Pipiske war ein großer Erfolg. Vgl. Kenyeres (Hg.), Magyar életrajzi lexikon, 2003. 131 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 63. 132 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3.
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die Pécsi Napló Leitartikel und führte die politische Rubrik. Hegyi verfasste als Redakteursgehilfe vor allem Texte für das Feuilleton sowie Leitartikel. Die Pécsi Napló wurde mit Nachrichten aus Budapest durch den Feuilletonredakteur der Budapesti Hírlap versorgt. Da die Zeitung laut Eigenwerbung Nachrichten aus der Hauptstadt schneller bringen wollte als die Konkurrenz, wurden diese Berichte mit dem modernen Telegrafen oder per Eilpost nach Pécs übermittelt. Die Nachrichtensparte der Pécsi Napló redigierten László Mierth, Gyula Ivános und Géza Altmann. Nachrichten aus der Provinz stammten von Korrespondenten.¹³³ Die Redaktion befand sich ab dem 1. Mai 1893 im Heindlhoffer’schen Haus, direkt neben dem Rathaus, in der zentral gelegenen Király-Straße Nr. 2.¹³⁴ Die etablierten Pécser Zeitungen verhielten sich anfangs unterschiedlich zur neuen Konkurrenz auf dem lokalen Zeitungsmarkt. Während die Pécsi Figyelő am 23. November 1892 wortkarg das baldige Erscheinen der Pécsi Napló erwähnte, reagierte die Zeitung Pécs kritischer. Deren Redaktion fühlte sich von der Feststellung der Pécsi Napló provoziert, dass es in Pécs einen höheren geistigen, intellektuellen und ökonomischen Anspruch unter der Leserschaft gäbe als das, was die vorhandenen Zeitungen befriedigen könnten.¹³⁵ Die Pécs reagierte prompt, indem sie die Unabhängigkeit des neuen Blattes infrage stellte. Vor allem die Unabhängigkeit des Redakteurs Ferenc Várady wurde angezweifelt, da dieser, neben seiner Tätigkeit bei der Pécsi Napló, für die Stadtverwaltung tätig war und sogar für die Unabhängigkeitspartei bei den Landtagswahlen kandidierte. Die Scharmützel zwischen der Pécs und der Pécsi Napló setzten sich später auf unterschiedlichen Ebenen fort. Laut Gyánti trat dabei Mihály Feiler,¹³⁶ der verantwortliche Redakteur der Zeitung Pécs, am aktivsten auf. Geplante öffentliche Veranstaltungen der Pécsi Napló wurden torpediert, es gab Verleumdungsklagen und sogar eine Forderung zur Satisfaktion. Dagegen beschloss der Pécser Athleten-Klub, die neue Zeitung zu seinem offiziellen Blatt zu erklären. Diese Entscheidung wurde mit der schnelleren Berichterstattung über sportliche Ereignisse in der Tageszeitung begründet. Die Rivalitäten zwischen der Pécsi Napló und den Pécser Wochenzeitungen beruhigten sich mit der Zeit, der Konkurrenzkampf verschärfte sich allerdings im Bereich des Tageszeitungsgeschäfts. Mit der Herausgabe einer zweiten Tageszeitung, die aus der
133 Vgl. Várady, A „Pécsi Napló“ in: o. A. (Hg.), Hírlapjaink, 1896, S. 1 – 4, hier S. 2. 134 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 63 f; vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895. 135 Vgl. Anon, Van-e Pécsett szükség napilapra? [Ist in Pécs ein Tagblatt notwendig?] Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 34, 25. Dezember, S. 2. 136 Mihály Feiler, ab 1903 Földváry (4. Oktober 1858, Nagykőrös–[?] 1944, Auschwitz). Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 65.
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Wochenzeitung Pécs unter der Ägide von Mihály Feiler hervorging, kämpften kurzzeitig zwei Tageszeitungen um die Gunst der Leserschaft.¹³⁷ Die Pécsi Újság Feilers erschien vom 16. Dezember 1893 bis zu ihrer Fusion mit der Pécsi Napló im Juli 1894.¹³⁸ Die vereinigte Zeitung erschien dann zunächst unter dem Doppelnamen Pécsi Napló (Pécsi Újság), ab dem 1. Januar 1896 schließlich erneut als Pécsi Napló. Die Beibehaltung des Namens beruhte auf der Erwägung der Inhaber, den etablierteren Titel weiter zu verwenden, während die Redaktionsmitglieder fast alle von der Pécsi Újság stammten. Diesen Wechsel diskutierte die übrige lokale Presse von Pécs lebhaft. Es wurde unter anderem beanstandet, dass mit der Vereinigung einer oppositionellen mit einer freiheitlichen Zeitung nun ein regierungsfreundliches, freiheitlich eingestelltes Blatt entstanden sei.¹³⁹ Die Pécsi Napló wies diese Behauptung der Pécsi Figyelő entschieden zurück, jemals eine oppositionelle Zeitung gewesen zu sein. Die Pécsi Napló erschien bis zu ihrer Schließung im April 1944.¹⁴⁰
6.2.3 Das „Organ für Politik-, Kultur- und volkswirthschaftliche Interessen“¹⁴¹: die Fünfkirchner Zeitung Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte sich dem Lesepublikum von Pécs seit dem 1. Mai 1870 mit ihrem journalistischen „Glaubensbekenntnis“¹⁴² als ein „Organ für Politik-, Kultur- und volkswirthschaftliche Interessen“.¹⁴³ Neben der Pécsi Napló und der Pécsi Figyelő war die Fünfkirchner Zeitung, eine der wenigen langlebigen Blätter in Pécs, und die am längsten vollständig in deutscher Sprache erscheinende Zeitung im ganzen Komitat Baranya. Sie erschien seit dem 1. Mai 1870 bis zum 22. März 1906 durchgängig zweimal in der Woche und ist damit eine der wenigen Zeitungen neben der Pécsi Napló und der Pécsi Közlöny, die gleich drei der vier allgemeinen Bergarbeiterstreiks von Pécs vor dem Ersten
137 Vgl. ebd., S. 64 – 66. 138 Die Pécsi Újság selbst ging aus der Zeitung Pécs (15. November 1882 – 10. Juli 1894) hervor. Aus ihrer Redaktion stammen einige Akteure der Lokalpresse, die man in den Redaktionen der anderen Zeitungen wiederfindet. Vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 567, S. 288. 139 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 68. 140 Gyánti nennt im Zusammenhang mit der Schließung der Zeitung, die Besetzung Ungarns durch das nationalsozialistische Deutschland. Vgl. ebd., S. 58. 141 Vgl. u. a. Kopfteil der Zeitung. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1. 142 Anon, Unser Bekenntnis, Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 1, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1 – 2. 143 Vgl. u. a. Kopfteil der Zeitung. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1; vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 218, S. 119.
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Weltkrieg mit ihrer Berichterstattung abdecken.¹⁴⁴ Die Fünfkirchner Zeitung gilt als Nachfolgerin einer ganzen Reihe von Zeitungen, des Fünfkirchner Intelligenz-Wochenblatts,¹⁴⁵ der Pressfreien Flugblätter¹⁴⁶ und einer kurzlebigen Zeitung gleichen Namens. Die Fünfkirchner Zeitung wurde von mehreren aufeinanderfolgenden Redakteuren und Inhabern herausgegeben. Die bedeutendsten unter ihnen waren der aus Mähren stammende Joachim Gutmann (1881 – 1886), ein jüdischer Französischlehrer sowie dessen Sohn Ludwig, der seinen Namen Gutmann später in Lenkei magyarisieren ließ (1886 – 1888/1900). Ludwig gründete ferner die ungarischsprachige Pécsi Újság 1893,¹⁴⁷ die später in Pécsi Napló umbenannt wurde, und in der schließlich auch die Fünfkirchner Zeitung aufging.¹⁴⁸ Die genaue Erforschung der Fünfkirchner Zeitung reicht zurück in die 1960er Jahre, als einzelne Aufsätze über die historische Presse der deutschsprachigen Minderheit in Ungarn erschienen.¹⁴⁹ Drei Dekaden später wurde die Beschäftigung mit dem Sujet wieder aufgenommen. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends erschienen erneut vereinzelte Beiträge in Sammelwerken, in denen die Fünfkirchner Zeitung eine prominente Rolle spielte.¹⁵⁰ Im Jahre 2007 berichtete der ungarische Literaturwissenschaftler Zoltán Szendi über den Stand seiner Bemü-
144 Eine Übersicht über die zeitliche Verteilung der Zeitungen im 19. Jahrhundert ist im Anhang zu finden. 145 Die Zeitung wurde von den Behörden genehmigt, erschien aber vermutlich nie.Vgl. Pap, A pécsi újságírás első évtizedei, in, Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 39 – 48, hier S. 39 f. 146 Die Zeitung hieß vom 6. April bis 14. Juni so. Ab dem 15. Juni erschien sie bereits unter dem Titel Fünfkirchner Zeitung, musste allerdings Ende September 1848 wegen der politischen Veränderungen im Zuge der Revolution ihr Erscheinen einstellen. Vgl. Szendi, Die Fünfkirchner Zeitung, in: Vosicky (Hg.), KulturÜbersetzung, 2007, S. 43 – 50, hier S. 46. 147 Die wörtliche Übersetzung des Namens Fünfkirchner Zeitung – Pécsi Újság kann als Hinweis auf diesen Zusammenhang angesehen werden. Vgl. Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája, 1992, Nr. 567, S. 288. 148 Vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 324. 149 Zusammenfassende Darstellungen zur ungarischen Pressegeschichte, die auch die Fünfkirchner Zeitung erwähnen, erschienen bereits in den 1930er Jahren.Vgl. Máté, A sajtó története Pécsett és Baranyában, in, Kalotai (Hg.), Pécs-Baranyai Ismertető, 1934, S. 41 – 49; vgl. Kardos, A pécsi német sajtó, 1932; vgl. Ernst Siptár, Beiträge zur Geschichte der deutschsprachigen Presse in Ungarn im 19. Jahrhundert, in: Zoltán Kálmánchey et. al. (Hg.), A Pécsi Pedagógiai Főiskola évkönyve 1960 – 1961. I. Tanulmányok a társadalomtudományok köréből, Pécs 1961, S. 275 – 290; vgl. Elisabeth Bárdos, Die „Fünfkirchner Zeitung“ im Dienste des Deutschtums von Süd-Transdanubien. Staatsexamensarbeit, Pécs 1968. 150 Vgl. Gerner, Zur Sprache der Anzeigenwerbung in der Fünfkirchner Zeitung, in: Dies. (Hg.), Gesprochene und geschriebene deutsche Stadtsprachen in Südosteuropa, 2002, S. 171 – 189.; vgl. Móró, A Fünfkirchner Bergmandl, in, Lengvári (Hg.), Népek együttélése Dél-Pannóniában, 2003, S. 245 – 258.
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6 Historische Einbettung: Die Stadt Pécs, ihre Bergarbeiter und die Lokalpresse
hungen zur wissenschaftlichen Nutzung der Fünfkirchner Zeitung als historisch-literaturwissenschaftliche Quelle. Dabei betonte er das Desiderat einer umfassenden Monographie über die, wie Szendi schreibt, wichtigste Zeitung von Pécs: Einerseits wurde das kulturelle Leben Fünfkirchens im Spiegel der Fünfkirchner Zeitung zwischen 1885 und 1895 überblicksweise erforscht (Bettina Bodor), andererseits wurden die literarischen Gattungen und das Pécser Theaterleben aufgrund der Zeitungsmaterialien näher in den Blick genommen (Dr. Takács-Bakró, Andrea Horváth, Kriszta Juhász). Obwohl diese ersten Arbeiten von mir eher als Sondierungen vorgestellt wurden, zeigten die Ergebnisse jetzt schon ein ziemlich zuverlässiges Bild von bestimmten Teilen des Blattes. Es fehlt aber noch gänzlich die Aufarbeitung nicht nur der ersten Jahrzehnte der Geschichte der Zeitung [sic!] sondern auch so wichtiger Bereiche wie z. B. Leitartikel, überhaupt Bereiche über das politische Leben der damaligen Zeit sowie „Tagesneuigkeiten“, die sogar für den heutigen Leser eine sehr unterhaltsame Lektüre bieten.¹⁵¹
In den folgenden Jahren erscheinen erfreulicherweise etliche Publikationen, in denen die Fünfkirchner Zeitung eine zentrale Quelle war, vor allem Beiträge in Sammelbänden, aber auch wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten.¹⁵² Die Germanistin Zsuzsanna Gerner publizierte bereits 2002 ihre Forschungsergebnisse „Zur Sprache der Anzeigenwerbung in der Fünfkirchner Zeitung des Jahrganges 1878“.¹⁵³ Die Münchner Osteuropahistorikerin Juliane Brandt beleuchtete vor allem das Bild, welches die Fünfkirchner Zeitung von der zeitgenössischen Stadt Pécs im historischen Kontext vermittelt.¹⁵⁴ Zoltán Szendi publizierte zwischen 2007 und 2014 eine ganze Reihe von Sammelbandbeiträgen, in denen er Inhalte der Zeitung aus unterschiedlichen Perspektiven heraus literaturwissenschaftlich beleuchtete.¹⁵⁵
151 Szendi, Die Fünfkirchner Zeitung, in: Vosicky (Hg.), KulturÜbersetzung, 2007, S. 43 – 50, hier S. 45. 152 Vgl. Angéla Korb: Die Fünfkirchner Zeitung und die Presselandschaft der Branau/Baranya im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Diplomarbeit, Pécs 2008; vgl. Judit Klein , Die Geschichte und Funktion der deutschsprachigen Minderheitenmedien in Ungarn im Sozialismus. Dissertation, Budapest 2015. 153 Vgl. Zsuzsanna Gerner, Zur Sprache der Anzeigenwerbung in der Fünfkirchner Zeitung des Jahrganges 1878, in: Dies. (Hg.), Gesprochene und geschriebene deutsche Stadtsprachen in Südosteuropa und ihr Einfluss auf die regionalen deutschen Dialekte. Internationale Tagung in Pécs, 30.3.– 2.4. 2000, Wien 2002, S. 171 – 189; vgl. Gerner, Sprachkompetenz der Bürgerschaft von Fünfkirchen, in: Mauerer (Hg.), Mehrsprachigkeit in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. 2017, S. 78 – 107. 154 Vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335. 155 Vgl. Szendi, Das kulturelle Bild der Stadt Pécs, in: Miladinović Zalaznik (Hg.), Benachrichtigen und vermitteln, 2007, S. 395 – 408; vgl. Szendi, Deutschsprachige Presse in Braunau, in: Obad (Hg.), Regionalpresse Österreich-Ungarns, 2007, S. 249 – 283; vgl. Szendi, Die Fünfkirchner Zeitung, in: Vosicky (Hg.), KulturÜbersetzung, 2007, S. 43 – 50; vgl. Zoltán Szendi, Wandlung und Verwandlung der
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Abb. 7: Titelseite der Erstausgabe der Fünfkirchner Zeitung. Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 11, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1.
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Die Beiträge lassen sich summarisch vier verschiedenen Forschungsrichtungen zuordnen. Gerners Arbeiten fokussieren auf die linguistischen Aspekte der deutschsprachigen Minderheit in den Texten der Fünfkirchner Zeitung. Eine zweite Herangehensweise ist die Einordnung und Darstellung der Fünfkirchner Zeitung als Akteurin in der Pressegeschichte Südosteuropas beziehungsweise des Komitats Baranya oder der Stadt Pécs‘. Zur dritten Gruppe zählen Beiträge, die sich der Rolle der deutschsprachigen Presse Ungarns als Wissensvermittler zwischen dem Ausland und Ungarn widmen und dabei die Fünfkirchner Zeitung auswerten. Schließlich wird die Fünfkirchner Zeitung auch als Quelle für Darstellungen in historischen deutschsprachigen Quellen der Stadt Pécs verwendet. Eine Untersuchung, die die Fünfkirchner Zeitung als ethnographisch-kulturwissenschaftliche Quelle nutzt, existiert bisher nicht. Auffällig ist, dass die über die Fünfkirchner Zeitung verfassten Texte zwar überwiegend von ungarischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verfasst, aber auf Deutsch publiziert sind. Die einzige Arbeit, die sich auf Ungarisch mit der Fünfkirchner Zeitung befasst, ist ein Aufsatz von Emilia Kardos über die Geschichte der Pécser deutschen Presse und des Theaters. Sie wertete jedoch den Vorläufer der Fünfkirchner Zeitung gleichen Namens aus, der im Jahre 1848 erschien.¹⁵⁶ Ein weiterer Zeitschriftenbeitrag, der als Beitrag über die Fünfkirchner Zeitung ankündigt war, erwies sich lediglich als Zusammenfassung von Juliane Brandts Forschungsergebnissen in ungarischer Sprache, ohne weitere Impulse zu liefern.¹⁵⁷ Als Quelle sind die Ausgaben der Fünfkirchner Zeitung bislang nur von wenigen Forschenden ausgewertet worden. Die Sekundärliteratur ist als Informationsquelle bereits sehr ergiebig, lässt jedoch aufgrund der geringen Aufmerksamkeit, die das Blatt außerhalb dieser Forschergruppe bislang erhielt, noch Forschungsaspekte offen. Hierunter zählt etwa die internationale Verflechtung und der Wissenstransfer, in die die Zeitung involviert war, was Szendi bereits angesprochen hat. Die Fünfkirchner Zeitung war das deutschsprachige Nachrichtenblatt der Freiheitlichen Partei Ungarns (Szabadelvű Párt) in Pécs, auch wenn die Zeitung
Kultur in der und durch die Presse im Spiegel der Fünfkirchner Zeitung, in: Matjaž Birk (Hg.), Zwischenräume. Kulturelle Transfers in deutschsprachigen Regionalperiodika des Habsburgerreichs (1850 – 1918), Wien, Berlin, Münster 2009, S. 39 – 49; vgl. Zoltán Szendi, Medialisierung der Spannungsfaktoren der Vorkriegszeit in der Fünfkirchner Zeitung, in: Ders. (Hg.), Medialisierung des Zerfalls der Doppelmonarchie in deutschsprachigen Regionalperiodika zwischen 1880 und 1914, Wien et. al. 2014, S. 25 – 39; vgl. Zoltán Szendi (Hg.), Medialisierung des Zerfalls der Doppelmonarchie in deutschsprachigen Regionalperiodika zwischen 1880 und 1914, Wien et. al. 2014. 156 Vgl. Kardos, A pécsi német sajtó, 1932. 157 Vgl. Sándor Komáromi, A pécsi német sajtó múltjából: Fünfkirchner Zeitung (1870 – 1906), in: Kisebbség kutatás 20 (2011), 3, S. 469 – 472.
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selbst ihre Offenheit für alle Meinungen und Ideologien anpries. Die Freiheitliche Partei ging aus dem politischen Kreis um den Politiker Ferenc Deák hervor und gehörte zu den Befürwortern des Österreich-Ungarischen Ausgleichs, der 1867 in Kraft trat.¹⁵⁸ Man verlangt von einem neuen Blatte, daß es bei seinem Erscheinen ein Glaubensbekenntnis ablege. Man will die Prinzipien kennen, die es vertreten wird. Bei uns zu Lande begnügt man sich aber hiermit nicht. Man will auch wissen, welcher Partei das Organ angehört. Denn es gilt bei uns nicht so sehr das Prinzip, als der Parteistandpunkt. Je nach Fähigkeiten, Gefühlen, oder Interessen schließt man sich an eine der politischen Hauptparteien an, und akzeptirt sodann deren Prinzipien. […] Dies sind die Ansichten der Deákpartei […]. Und wir bekennen uns zu dieser Partei.¹⁵⁹
Die Anhänger dieser freiheitlichen, liberalen Partei befürworteten die Beibehaltung des Wahlrechts nur für privilegierte Gruppen und die Bevorzugung der‚ethnischen‘ Ungarn im Vielvölkerstaat. Die Liberale Partei befand sich in Ungarn zwischen 1875 und 1905 durchgängig in Regierungsverantwortung. Wie die Anhänger der Partei, so waren auch die Leser der Fünfkirchner Zeitung in den Kreisen der deutschsprachigen Bürger zu finden – darunter auch viele jüdischen Glaubens, des niederen Adels und der Unternehmer.¹⁶⁰ Die Fünfkirchner Zeitung erschien zweimal wöchentlich donnerstags und sonntags. Hierdurch kam es vor, dass ihre Berichterstattung den Ereignissen hin und wieder etwas hinterherhinkte. Einige Beiträge über den Streik fassen daher Geschehnisse mehrerer Tage zusammen. Ein außergewöhnliches Beispiel hierfür ist der dreiseitige Bericht vom 15. Juni 1893 mit dem Titel „Strike Bouilletins“¹⁶¹ [sic!], der in sieben Kapiteln fünf Streiktage nachvollzieht und kommentiert.¹⁶² Wie auch die konkurrierenden Zeitungen kommt die Fünfkirchner Zeitung für den heutigen Zeitungsleser – wie auch die anderen beiden Zeitungen – großformatig daher. Das Papier lässt sich trotz des Alters noch erstaunlich gut blättern und fühlt sich noch nicht allzu porös an, was für eine gute Papierqualität spricht. Das
158 Vgl. Csorba, A dualizmus rendszerének kiépülése és konszolidált időszaka. in, Gergely/Csorba (Hg.), Magyarország története a 19. Században, 2005, S. 360 – 384, hier S. 367; vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 326. 159 Anon, Unser Bekenntnis, Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 1, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1 – 2. 160 Vgl. Gábor Pajkossy, A reformkor (1830 – 1848), in: András Gergely/László Csorba (Hg.), Magyarország története a 19. Században, Budapest 2005, S. 191 – 235, hier S. 206; vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 324. 161 Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 162 Vgl. ebd.
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Blatt wirkt mit seinem Format, seiner Strukturierung und seinem Schriftbild sehr übersichtlich.¹⁶³ Die Schriftart der Zeitung ist durchgängig eine Variante der Fraktur-Schriftarten – im Gegensatz zu den ungarischsprachigen Blättern, die in Antiqua-Schriften gesetzt sind. Auffällig ist, dass die Fünfkirchner Zeitung sich, mit wenigen Ausnahmen, an die englische Orthographie des Wortes Streik, „Strike“, hält.¹⁶⁴ Grafiken und Illustrationen konnten bei der Sichtung der Ausgaben erst im Jahr 1905 gefunden werden. Diese vermittelten Eindrücke aus dem Russisch-Japanischen Krieg.¹⁶⁵ Die einzelnen Seiten sind, wie bei Zeitungen gängig, in drei Spalten unterteilt und mit Trennlinien voneinander getrennt. Vereinzelt sind Artikel mit kleineren Typen gesetzt – vermutlich, um sie auf der Seite der Zeitung noch unterbringen zu können. Der Text in den Spalten ist in Blocksatz gesetzt. Längere Artikel sind in einzelne Absätze gegliedert, die den Inhalt strukturieren. Die Titelseite ist meistens einem Hauptthema gewidmet. Dieses erscheint alleine, oder teilt die Seite mit einem zweiten Artikel, der auf der zweiten Seite fortgesetzt werden kann. Die zweite Seite widmet sich der Rubrik Tagesneuigkeiten und dem Feuilleton, wobei unter den Tagesmeldungen teils noch Meldungen aus anderen Rubriken enthalten sein können. Manche Beiträge, die auf der zweiten Seite beginnen, erstrecken sich bis auf die dritte Seite, wodurch sich das Feuilleton gelegentlich bis auf die vierte Seite ausdehnt. Die Seiten drei und vier sind üblicherweise für die Lokalnachrichten reserviert. Ab der fünften Seite ist die Themenstruktur weniger einheitlich, hier findet man häufig weitere Lokalnachrichten und Tagesneuigkeiten sowie die Rubriken Neuestes, Wirtschaftliches, Telegramme, Literarisches oder Theater. Die Ausgaben schließen meist mit einer Spalte Werbung und Stellenanzeigen, die unter der Rubrik Offener Sprechsaal zusammengefasst, aber untereinander nicht getrennt sind. Stellenanzeigen sind erst ab den 1890er Jahren zu finden. Diese Anzeigen sind bisweilen auch in ungarischer Sprache ohne deutsche Übersetzung abgedruckt, was auf die Mehrsprachigkeit der Leserschaft hindeutet. Die Fünfkirchner Zeitung ist die einzige Zeitung unter den Pécser Blättern, in der ab 1905 auch Stellenanzeigen der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zu finden waren.¹⁶⁶
163 Das Format ähnelt dem großformatiger Zeitungen wie der heutigen Wochenzeitung Die Zeit. 164 Demgegenüber scheint in der Redaktion Uneinigkeit geherrscht zu haben, wie das Wort Bergarbeiterstreik geschrieben werden sollte: Bergarbeiterstrike, Bergarbeiter-Strike oder Bergarbeiter Strike. 165 Diese Beobachtung trifft auch auf die Pécsi Napló zu. 166 Die Stellenangebote der DDSG befinden sich ungewöhnlicher Weise auf der ersten Seite und sind stets gleichlautend: „Bergarbeiter, Häuer – insbesondere kräftige Laufer, nicht über 40 Jahre alt, mit den erforderlichen Documenten versehen und gesund, finden sofort dauernde Arbeit auf den Steinkohlengruben bei Pécs (Fünfkirchen). Die Bergwerksdirection der l.k.k.priv. Donau-Dampf-
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Das Blatt publizierte hin und wieder auch sogenannte Beilagen. Diese hatten die Funktion, die Ausgabe um eine oder zwei Seiten zu erweitern, wenn gerade eine größere Menge an Informationen kommuniziert werden sollte. Diese Möglichkeit nutzte die Zeitung im Kontext der untersuchten Bergarbeiterstreiks jedoch nicht. Die „Pränumerations-Preise“¹⁶⁷ der Fünfkirchner Zeitung betrugen für ein Jahresabonnement 8 Forint (Ft), halbjährlich 4 Ft und vierteljährlich 2 Ft. Sie liegt damit im mittleren Preissegment unter den Pécser Zeitungen. Interessant ist die Information, dass Inserate auch im Ausland aufgegeben werden konnten, etwa in Wien, Budapest, Frankfurt a. M. und Hamburg.¹⁶⁸ Die Fünfkirchner Zeitung hatte ihren Redaktionssitz bei Erscheinungsbeginn am östlichen Ende in der Király-Straße Nr. 45, der Pécser Hauptstraße. Von hier zogen Redaktion und Verwaltung in den 1880er Jahren in das Weidinger’sche Haus in der etwas südlicher gelegenen Oberen Müllergasse Nr. 14.¹⁶⁹ 1893 verlegte die Fünfkirchner Zeitung ihren Redaktionssitz von dort in das zentraler gelegene moderne Gebäude an der Kreuzung der Kazinczy-Gasse mit der Király-Straße.¹⁷⁰ Abonnementbestellungen wurden auch in Bonyhád und Pécsvár, zeitweise auch in Mohács und in der „Kolonie“¹⁷¹ (Pécsbányatelep) entgegengenommen. Ob Ausgaben der Fünfkirchner Zeitung direkt in Pécsbányatelep erhältlich waren, ließ sich nicht klären. Die Fünfkirchner Zeitung wurde im Rahmen der vorliegenden Untersuchung mithilfe der eigens entwickelten Kontrollmatrix während ihrer gesamten Erscheinungsdauer durchgesehen.¹⁷² Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und ab 1891 zum Ersten Mai gesichtet. schiffahrts-Gesellschaft in Pécs (Fünfkirchen.)“ Stellenanzeige der DDSG. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 60, Donnerstag, 27. Juli, S. 1. 167 Vgl. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1. 168 „Inserenten-Aufnahme für das Ausland und die Provinzen: durch A. Oppelik. Heinrich Schalek. Haasenstein & Bogler, Rudolf Moste in Wien. A.B. Goldberger, Budapest. G. L. Daube & Co. in Frankfurt a. M./Haasenstein & Bogler A. Steiner in Hamburg.“ Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1. 169 Felsőmalom utca. 170 Kazinzcy utca – Király utca. Die Redaktion befand sich zuvor ein paar Häuser weiter in Richtung Széchenyi-Platz in der Király-Straße 2. Siehe hierzu: Hochrein, Pécs 1895, 1895; Komitatskarte Baranya. 1:3.850.000. Vallás és közöktatásügyi m. kir. Minisztérium, Pécs 1910. 171 „Redaktion u. Administration: Fünfkirchen, obere Müllergasse 14, Weidinger’sches Haus, woselbst alle Aufträge entgegen genommen werden. – Ferner nehmen Pränummerationen entgegen: in Loco Herr Spitzer, Haupttrafikant; in Bonyhad die Firma ‚Hermann P. Engel und Söhne‘; in Pecsvar Herr J. Steinberger, in der Kolonie Herr Franz Bayer.“ Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1. 172 Die genaue Struktur der Matrix zur Fünfkirchner Zeitung kann im Quellenverzeichnis nachgesehen werden.
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6 Historische Einbettung: Die Stadt Pécs, ihre Bergarbeiter und die Lokalpresse
Während das Blatt über die Festlichkeiten am Barbaratag regelmäßig kleine Nachrichten brachte, sind über die Bergleute ansonsten auch in dieser Zeitung kaum Beiträge zu finden. Eine interessante Ausnahme hiervon macht ein Beitrag am Vorabend des Bergarbeiterstreiks von 1893: Abweichend von unserem bisherigen Vorgehen, welches wir alljährlich beim Abhalten des schönen Bergmannsfestes, des Festes der h. Barbara vor Augen hielten, erachten wir es im Interesse unserer Commune für wichtig, unsere Behörde und Mitbürger auf die in unsere [sic!] Kreisen herrschenden Abneigung und Vorurtheile, welche dem Bergmannstand heut noch entgegengebracht werden, hinzuweisen.¹⁷³
In diesem Beitrag postuliert die Fünfkirchner Zeitung, dass während die Bergleute der nordungarischen und siebenbürgischen Bergbaugegenden als nationale Legenden gehandelt würden, die Pécser hinten anstünden. Es sei an der Zeit, den Bergbau in Pécs, der der Stadt großen Profit einbringe, stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken. Im Vergleich zu anderen Beiträgen zum Tag der heiligen Barbara fällt der Beitrag durch seine Länge und seine bewusst von der gewohnten Berichterstattung zum Barbaratag abweichende Form auf, ebenso durch seine bildungsbürgerliche Attitüde. Obwohl im Text die Festlichkeiten überhaupt nicht erwähnt werden, widmet dieser Artikel dem Bergbau viel mehr Aufmerksamkeit als üblich. Hin und wieder erschienen in der Fünfkirchner Zeitung auch Kurznachrichten, die von größeren oder kleineren Vorfällen mit Bergarbeitern berichteten. Erst nach der Jahrhundertwende aber erwähnte die Zeitung gelegentlich Probleme in den Bergarbeitersiedlungen. Dagegen veröffentlichte das Blatt zahlreiche Artikel, sobald die Bergarbeiter die Arbeit niederlegten, und zwar vier ausführliche Beiträge zum Streik im Jahre 1882 und 20 Beiträge während der Arbeitsniederlegung 1893. Acht dieser Texte allerdings erschienen in der Hochphase des Streiks in einer einzigen Ausgabe und diskutierten die Lage aus unterschiedlichen Perspektiven. 1905 befassen sich nur noch 15 Artikel mit den damaligen Streikereignissen. Auch in der Fünfkirchner Zeitung ist die Diskrepanz bei der Beobachtung der Bergleute zwischen ‚Friedenszeiten‘ und während der Streiks sehr groß. Während die Fünfkirchner Zeitung in den streikfreien Zeiträumen kaum über die Bergleute schrieb, waren die Menge und die Qualität der Beiträge, die während der verschiedenen Streiks erschienen, ethnographisch gesehen enorm erkenntnisbringend. Die Fünfkirchner Zeitung verstand die Presse und damit sich selbst als ein Organ, „das der natürliche Träger und Verbreiter von Ideen und Prinzipien ist“.¹⁷⁴
173 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. 174 Anon, Unser Bekenntnis, Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 1, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1 – 2.
6.2 Die Pécser Zeitungslandschaft
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In diesen beiden Punkten stellt sich die Fünfkirchner Zeitung strikt gegen die oppositionelle und die sozialistische Presse.¹⁷⁵ Erstere, so die Fünfkirchner Zeitung, berichtete unrichtig über die Streiks.¹⁷⁶ Letztere hetze die Arbeiter zum Streik geradezu auf und stifte Unruhe unter den Arbeitern, indem sie diese vom rechten Weg abbringe: „‚Das größte Unglück, ja der Fluch der Arbeiter ist ist [sic!] die Zufriedenheit!‘ predigen laut und ungescheut die Arbeiterverführer und Hetzblätter“.¹⁷⁷ Demgegenüber schätze die Fünfkirchner Zeitung ihrer Ansicht nach die negative ökonomische, gesellschaftliche und moralische Tragweite der Begierden der Bergleute korrekt ein.¹⁷⁸ Die eigene Berichterstattung über das Streikgeschehen ist in den Augen der Zeitung absolut vertrauenswürdig, da ihre Informationen aus offiziellen Quellen und aus gut unterrichteten Kreisen stammten beziehungsweise beim Streik im Jahre 1893 von einem eigenen Berichterstatter aus Szabolcs herrührten. Der Reporter der Fünfkirchner Zeitung, Béla S., schrieb unter anderem mit dem Anspruch authentischer Berichterstattung „über die aufregende Scene der Attaque: Die Schlacht von Szabolcs.“¹⁷⁹ Die Fünfkirchner Zeitung präsentiert sich über Jahrzehnte hinweg als kritischer Beobachter der Pécser Gesellschaft und damit auch der Bergarbeiter. Sie hat eine eigene und klare Haltung den Dingen gegenüber und bereichert damit die Untersuchung der kulturellen Aspekte des medialen Umgangs mit der gesellschaftlichen Gruppe der Bergleute und ihres Umfelds. Anschließend an die historischen Darstellungen der drei ausgewählten auflagenstärksten lokalen Zeitungen zeige ich, welche Bilder die Blätter in ihrer Berichterstattung über den Streik im Jahre 1893 zeichneten, der Anlass war für die mediale Auseinandersetzung mit den eingewanderten Bergarbeitern. Dabei betrachte ich die Perspektiven und Positionen der Zeitungen auf den Streik sowie auf die darin involvierten Personen und Institutionen. Auf welche gesellschaftlichen und sozialen Ordnungsvorstellungen der Zeitungen lässt sich aufgrund der Zeitungsartikel schließen? Des Weiteren beobachte ich die Stimmen und die Stimmungen der Zeitungen, ihre spezifischen kulturellen Wissens-, Denk‐ sowie Hand-
175 Während die Pécsi Figyelő die oppositionelle Zeitung in Pécs war, gab es bis 1898 keine Zeitung in der Stadt, die sozialistischen Idealen folgte. Mit der sozialistischen Presse war vor allem die Budapester Zeitung Népszava gemeint. 176 Vgl. Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, 18. Juni, Sonntag, S. 2 – 3. 177 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 178 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 179 Ebd.
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lungsweisen, die sie bei der Darstellung der Bergarbeiter offenbaren. Zu guter Letzt übertrage ich mithilfe theoretischer Modelle meine Erkenntnisse auf eine allgemeinere Deutungsebene. Hierzu stütze ich meine Arbeit, wie einleitend bereits dargestellt, auf drei theoretisch-methodische Pfeiler: Zum einen auf die historische Einbettung des Forschungsfeldes, auf die textimmanente Analyse und Interpretation der Zeitungsartikel, und schließlich auf sozial- sowie kulturwissenschaftliche Theorien zur Erörterung der beschriebenen Phänomene. Eine meiner grundlegenden theoretischen Annahmen ist, dass die Wahrnehmungs-, Denk‐ und Handlungsweisen von Menschen und Gesellschaften vor allem dann sichtbar werden, wenn ihre alltägliche Normalität herausgefordert, wenn das Unhinterfragte zur Disposition gestellt wird. Dies war im Juni 1893 der Fall, als in der wenige Kilometer von Pécs entfernten Ortschaft Szabolcs tausende eingewanderter Bergleute ihre Arbeit niederlegten.
7 „Befehlende und Gehorchende“.¹ Die Analyse der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1893 Die deutschsprachige Fünfkirchner Zeitung erlebte im Sommer 1893 bereits zum zweiten Mal seit ihrem Bestehen eine allgemeine Arbeitsniederlegung der Bergleute in den Pécser Bergwerken der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG). Nach dem Ende des Streiks resümierte sie, dass der erste Streik im Sommer 1882 eine „noch größere Aufregung verursacht [habe] als der eben beendete“.² Trotz dieser Feststellung veröffentlichte die Fünfkirchner Zeitung im Jahre 1893 erheblich mehr Beiträge als elf Jahre zuvor. Während sie sich während des Streiks im Jahre 1882 noch mit vier Zeitungsbeiträgen über den gesamten Bergarbeiterstreik begnügt hatte, belief sich ihre Berichterstattung 1893 schon auf rund 20 Artikel, die sich ausschließlich mit dem Streik befassten. Hinzu kamen drei weitere Beiträge, die Bergleute im Allgemeinen thematisierten. Zwischen den beiden Streiks von 1882 und 1893 schenkte die Fünfkirchner Zeitung den Bergarbeitern allerdings kaum Beachtung.³ Häufig entfielen in den Jahren zwischen den Streiks sogar die Kurznachrichten über die Feiern am Tag der heiligen Barbara und auch über Ereignisse am Ersten Mai sind kaum Beiträge in den Ausgaben zu finden gewesen. Die Artikel der Fünfkirchner Zeitung über Bergarbeiter im Jahr 1893 waren häufiger von großem Umfang (Gr. M, XL, XXL) und zumeist auf der dritten oder vierten Seite der jeweiligen Ausgabe platziert. Der einzige Leitartikel mit dem Titel „Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken“⁴ befasste sich besonders tiefgehend mit der Arbeitsniederlegung in Pécs. Ein zweiter langer Beitrag auf der Titelseite behandelte den Bergarbeiterstreik chronologisch in Form von Kurzberichten über die Ereignisse, wobei die Wochentage als Zwischenüberschriften fungieren.⁵
1 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 2 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, Sonntag, 18. Juni, S. 2 – 3. 3 Das Ergebnis der Recherchematrix, mit deren Hilfe der gesamte Bestand der Fünfkirchner Zeitung durchsucht worden war, ist in der Tabelle zur chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel zu sehen. 4 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 5 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. https://doi.org/10.1515/9783111247113-007
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7 „Befehlende und Gehorchende“
Zur umfangreichen Berichterstattung über den Streik von 1893 und zu den allgemeinen Beiträgen über Bergarbeiter gehören auch zwei lange Artikel, die bereits Anfang Dezember 1892 herauskamen und die den „Bergmannsstand“⁶ zum Thema hatten. Diese erschienen ein halbes Jahr vor dem Streik und befassten sich auf außergewöhnliche Weise mit den Bergleuten. Der erste Artikel mit dem Titel „Bergmannsfest“⁷ war ein langer Aufsatz, den die Fünfkirchner Zeitung, wie sie selbst unterstrich, bewusst nicht mit der üblichen Berichterstattung über die Festlichkeiten am Barbaratag füllte, sondern der gesellschaftlichen Rolle der Bergleute und der sozioökonomischen Situation von Pécs vor dem Hintergrund der Bedeutung des Kohlebergbaus widmete: Abweichend von unserem bisherigen Vorgehen, welches wir alljährlich beim Abhalten des schönen Bergmannsfestes, des Festes der h. Barbara vor Augen hielten, erachten wir es im Interesse unserer Commune für wichtig, unsere Behörde und Mitbürger auf die in unsere [sic!] Kreisen herrschenden [sic!] Abneigung und Vorurtheile, welche dem Bergmannstand heut noch entgegengebracht werden, hinzuweisen.⁸
Dieser auf den ersten Blick sachlich geschriebene Beitrag wurde von seinem Autor mit literarischem Beiwerk garniert: Gedichtzitate über den „Bergknappen“⁹ lockerten die Lektüre auf. Die Poesie ergänzte allerdings meiner Ansicht nach auch die rhetorische Strategie des Textes, den Bergarbeiter zu idealisieren.¹⁰ Der zweite Beitrag mit dem Titel „Bergmann‘s Liese.“¹¹ erschien im Feuilleton derselben Ausgabe und schilderte die Liebesgeschichte eines Bergmanns und seiner Angebeteten Liese.¹² Beide Zeitungsbeiträge enthalten Zuschreibungen, die auf die Vorstellungen der Fünfkirchner Zeitung über den idealen ungarischen Bergarbeiter verweisen: Im ungarischen Erzgebirge wohnen Slovaken und Deutsche seit Jahrhunderten friedlich nebeneinander und betreiben mit zäher Ausdauer Gewerbe, Acker- und Bergbau. Jeder Bergmann bestellt selbst sein Feld, ist sein eigener Baumeister und hat er sein Anwesen in Ordnung gebracht, so meldet er sich bei seinem Schichtmeister mit herzlichem „Glück auf!“ und steigt in
6 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1. 7 Ebd. 8 Ebd. 9 Ebd. 10 Vgl. ebd. 11 Alois Csermelni, Bergmann‘s Liese, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, Beilage, S. 1 – 2 (unpaginiert). 12 Vgl. ebd.
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den Schacht, um aus dem harten Gestein das die [sic!] Menschheit unentbehrliche Erz zu hauen und zu Tage zu fördern.¹³
Im gesamten Zeitraum zwischen 1870 und 1906 dagegen fand die Fünfkirchner Zeitung scheinbar keinen Anlass, derart positiv und romantisch über die Bergarbeiter zu schreiben und dies, obwohl sie – im Gegensatz zur Pécsi Napló – während der gesamten Dauer der Arbeitsniederlegung 1893 Berichte über die Bergleute veröffentlichte.¹⁴ Sie begann ihre Streikberichterstattung mit dem Artikel zur „Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken“¹⁵ am Sonntag, den 28. Mai, und beendete diese erst am Donnerstag, den 6. Juli.¹⁶ Da der aktive Streik erst am 6. Juni ausbrach und am 28. Juni endete, nahm die Fünfkirchner Zeitung die sich anbahnende Aktion der Bergleute früh wahr und verfolgte sie auch noch über deren offizielles Ende hinaus, welches an der Verkündung des 12-Punkte-Plans der DDSG mit Reformen für die Bergarbeiter¹⁷ festgemacht werden kann. In ihrer Streikberichterstattung thematisierte die Fünfkirchner Zeitung neben den Situationsanalysen, Handlungsbeschreibungen und Wertungen der Bergleute auch andere Protagonisten des Geschehens. Betrachtet man die Anzahl der Nennungen und die Umfänge der Thematisierungen in den Zeitungsartikeln, kristallisieren sich einige Institutionen sowie diese repräsentierende Persönlichkeiten heraus, denen die Zeitung im Verlauf des Streiks besondere Aufmerksamkeit widmete. So konzentrierte sich die Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung stark auf den Arbeitgeber der Bergleute, auf die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Dabei stand der Direktor der Pécser Dependance des Unternehmens, Raimund Wiesner, im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Eine weitere Gruppierung im Fokus der Fünfkirchner Zeitung waren die städtischen Behörden und deren Repräsentanten. Die Handlungen des Bürgermeisters Johann Aidinger, des Polizeioberstadthauptmanns und des Vizestadthauptmanns von Pécs wurden in den Zeitungsbeiträgen häufig erwähnt. Die dritte Gruppe der von der Fünfkirchner Zeitung in besonderem Maße beachteten Protagonisten des Streiks waren die Behörden des Komitats Baranya. 13 Ebd. 14 Die Pécsi Napló berichtete zwar auch schon im Vorfeld des Streiks, am 31. Mai 1893, beendete aber ihre Berichterstattung schon am 20. Juni. Die Pécsi Figyelő observierte ebenfalls die gesamte Dauer des Streiks und brachte beachtliche 14 Beiträge zum Streik und noch einmal so viele über Bergarbeiter im Allgemeinen. Die Zeitung Pécs folgte mit acht Artikeln im Juni 1893, die auch auf die gesamte Streikdauer verteilt waren. 15 Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43, Sonntag, 28. Mai, S. 3. 16 Vgl. Anon, Zum Strike der Bergarbeiter, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 54, Donnerstag, 6. Juli, S. 3. 17 Vgl. ebd.
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Hierunter fielen der Obergespan, der Vizegespan, der Oberstuhlrichter und der Stuhlrichter sowie die Offiziere der Gendarmerie. Die Einheiten der Gendarmerie, eine Art Bundespolizei des Königreichs Ungarn, spielten in den Augen der Fünfkirchner Zeitung ebenfalls eine Hauptrolle. Die Zeitung verfolgte die Aktivitäten des Militärs mit sehr großer Aufmerksamkeit. Hierbei standen die Offiziere im Zentrum ihres Interesses. Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte die Aktivitäten der Infanterie und bewunderte insbesondere die Husaren. Schließlich ist noch Berghauptmann Kamill Kaufmann zu erwähnen, der als Verantwortlicher im Budapester Bezirk der staatlichen Berghauptmannschaft¹⁸ auf direktes Geheiß des Ministerpräsidenten Sándor Weckerle die Pécser Streikenden besuchte, um die Lage zu eruieren und Lösungen zu entwickeln.¹⁹ Die Menge und die Art der Informationen, über die die Fünfkirchner Zeitung verfügte, hing eng mit ihrer Informationsbeschaffungspraxis und ihrer Nähe zu bestimmten Akteuren zusammen. Die meisten Informationen der Fünfkirchner Zeitung stammten auch in diesem Streikjahr aus offiziellen Quellen, also von Repräsentanten der DDSG und der Behörden.Von ihnen erhielten die Journalisten der Fünfkirchner Zeitung wohl die Auskünfte, die sie für relevant und vertrauenswürdig erachteten. Neben den Darstellungen der zentralen Protagonisten sind im Kontext des Streiks hin und wieder auch Äußerungen der Fünfkirchner Zeitung über andere Presseorgane zu finden. Besondere Beachtung schenkte das Blatt sozialistischen und seiner Ansicht nach anarchistischen „Hetzblättern“²⁰ wie der Budapester Zeitung Népszava. Auch andere der politischen Opposition zugeordnete Zeitungen aus Budapest bezichtigte man hie und da der unrichtigen Berichterstattung über die Pécser Ereignisse. Dementgegen scheint die Fünfkirchner Zeitung der Pécsi Napló so nahe gestanden zu haben, dass beide hie und da sogar journalistische Inhalte miteinander teilten. So erschien am 11. Juni in der Pécsi Napló ein Beitragsteil, der offenbar die ungarische Übersetzung eines Textes aus der Fünfkirchner Zeitung vom selben Tag war.²¹ Die Fünfkirchner Zeitung beobachtete nicht nur die Presse anderer politischer Lager in Ungarn, sie konsumierte auch ausländische Zeitungen. Am 25. Juni 1893 erschien beispielsweise im Feuilleton ein Bericht über Streiks der Apotheker und
18 Vgl. Károly Déry, Magyar Bánya-Kalauz. Ungarisches Montanhandbuch, Wien 1892, S. 2. 19 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4. 20 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 21 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3;vgl. Anon, Die Strikenden beim Minister, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5.
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Rechtsanwälte in Spanien, in dem auch über die wirtschaftliche Lage Spaniens und die angeblich üblicherweise geringe Streikneigung der Spanier berichtet wurde. Der Beitrag entstand laut den Angaben in Madrid, wurde in dieser Fassung zuerst im Berliner Tageblatt veröffentlicht und dann von der Fünfkirchner Zeitung übernommen.²² Die internationale Vernetzung der Fünfkirchner Zeitung wird auch aus ihren Angaben im Kopfteil ihrer Ausgaben ersichtlich, in denen angegeben ist, wo Interessierte die Zeitung erwerben, abonnieren oder Anzeigen aufgeben konnten: Wien, Frankfurt am Main, Hamburg. Das Blatt hielt sich in seinen Texten über die Arbeitsniederlegung 1893, wie schon 1882, an die englische Orthographie des Wortes „Strike“.²³ Es kann festgehalten werden, dass die Fünfkirchner Zeitung in die Informationstransfernetzwerke der damaligen Medienlandschaft offenbar gut eingebunden war. Den Darstellungen der Fünfkirchner Zeitung zufolge war das Blatt der Diversität der Bergarbeiter wie auch der Vielfalt der übrigen Gesellschaft der Stadt gewahr. Die Unterscheidungen, die die Zeitung machte, spiegeln die kulturellen Differenzierungskategorien der Zeitung wider, die sie von der Pécser Gesellschaft vor Augen hatte und an deren Ordnungsdiskursen sie selbst aktiv partizipierte. In den folgenden Abschnitten untersuche ich mikroperspektivisch den kulturellen Umgang der Fünfkirchner Zeitung mit den Bergarbeitern und den anderen einschlägigen Protagonisten des Streiks. Dabei arbeite ich die spezifischen kulturellen medial kommunikativen Praktiken der Zeitung heraus und interpretiere die darin zutage tretenden gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen des Blattes.
22 Vgl. Anon, Spanische Strikes, Fünfkirchner Zeitung, Feuilleton. 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 2 – 3; vgl. Anon, Spanische Streiks, Berliner Tageblatt und Handelszeitung, 1893, Jhg. 22, Nr. 309, Dienstag, 20. Juni, S. 1. 23 Der im Berliner Tageblatt erschienene Artikel „Spanische Streiks“ verwendete die heute noch im Deutschen übliche Schreibweise. Die Fünfkirchner Zeitung änderte die Schreibweise in „Strike“, obwohl sie den gesamten restlichen Wortlaut, bis auf wenige gestrichene Passagen, vollständig übernahm. Vgl. Anon, Spanische Strikes, Fünfkirchner Zeitung, Feuilleton. 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 2 – 3; vgl. Anon, Spanische Streiks, Berliner Tageblatt und Handelszeitung, 1893, Jhg. 22, Nr. 309, Dienstag, 20. Juni, S. 1.
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7.1 Die „Befehlenden“.²⁴ Die Behörden und ihre Vertreter in der Streikberichterstattung der Fünfkirchner Zeitung Dank der Civil- und Militärbehörde, die die Arbeiter strengstens überwacht, jede Massenansammlung derselben verhindert, herrscht auf dem Gebiete, wie unser Specialberichterstatter vor Schluß des Blattes meldet Ruhe. […] Im gesellschaftlichen Gasthause in der Colonie hat sich die dahin requirierte 1/3 Compagnie einlogirt, und gleicht das Gasthaus einer Caserne, von welcher die eventuell vorkommende Unruhen im Keime erstickt werden können. Bürgermeister kön. Rath Johann Aidinger, Oberstadthauptmann-Stellvertreter Julius Vaßary und Bergwerksdirektor Raimund Wiesner bemühen sich mit Herrn Lutz gemeinschaftlich die aufgeregten Gemüther der durch fremde Elemente gereizten Arbeiter zu beruhigen, und wurden die Arbeiter mittels Trommelschlags aufgefordert, um 2 Uhr Nachmittag die Arbeit wie gewöhnlich aufzunehmen, welche Aufforderung voraussichtlich vom günstigen Erfolge begleitet sein dürfte. Sollte die Arbeit nicht aufgenommen werden, wird morgen eine energischere Aufforderung erfolgen, daß, nachdem die Arbeiter Kontractbrüchig [sic!] wurden, sämmtliche Strikende aus dem Städtischen Territorium abgeschoben werden.²⁵
In den Berichten der Fünfkirchner Zeitung, in denen Behörden und Vertreter von Institutionen auftraten, sticht deren Darstellung als gut organisierte, zuverlässige und professionell handelnde Protagonisten hervor. Auffällig ist die beinahe als Personenkult zu interpretierende Praxis, den die Zeitung gegenüber gesellschaftlich hochgestellten Persönlichkeiten wie den Repräsentanten der Behörden pflegte. Sie legte in ihren Berichten besonderen Wert darauf, die einzelnen an den Handlungen beteiligten Honoratioren immer mit vollständigem Namen und Titel zu nennen. Die Hauptvertreter dieser Protagonistengruppe in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung waren die Angehörigen der Stadtverwaltung, die Repräsentanten der Komitatsverwaltung, des Militärs und der Berghauptmannschaft sowie weitere gesellschaftlich hochgestellte Persönlichkeiten. Demgegenüber traten in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung über den Bergarbeiterstreik von 1893 Repräsentanten der Kirchen, Lehrer, Ärzte und Vertreter ähnlicher Institutionen kaum in Erscheinung.²⁶ Bei der Betrachtung der Fünfkirchner Zeitung lässt sich eine Art SympathieSkala für die Protagonisten erstellen, die anhand der interpretativen Größen von Macht und Ohnmacht sowie Eigen (nah) und Fremd (fern) strukturiert werden kann. Die Texte der Fünfkirchner Zeitung sympathisierten mit hochgestellten Per-
24 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 25 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 26 Als einzigen nennt die Fünfkirchner Zeitung den Regimentsarzt Dr. Mandl, der einem durch einen Bajonettstich verletzten Bergmann einen Verband anlegte. Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!]. Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
7.1 Die „Befehlenden“
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sonen, das Blatt bevorzugte dabei alteingesessene Pécser Personen vor neu Eingewanderten oder Budapestern. Im Folgenden stelle ich die Darstellungsweise dieser Protagonistengruppe in der Streikberichterstattung der Fünfkirchner Zeitung ausführlich dar.
7.1.1 Die Stadtverwaltung Die für die Überwachung, Sicherung und schließlich auch für die Auflösung des Streiks zuständigen Behörden und Personen, die die Fünfkirchner Zeitung vornehmlich präsentierte, lassen sich in vier Gruppen einordnen. Die erste dieser Gruppen bildet die Stadtverwaltung, deren Behörden für die Stadt Pécs und die Bergbausiedlung Pécsbányatelep zuständig waren. An ihrer Spitze stand der Bürgermeister, der königliche Rat Johann Aidinger, der von zwei Polizeibeamten, dem Pécser Vizestadthauptmann und Polizeichef der Bergarbeitersiedlung Stefan Lutz sowie vom stellvertretenden Polizeioberstadthauptmann Julius Vaßary unterstützt wurde. Diese Gruppe war vor allem auf dem städtischen Territorium inklusive der Bergarbeitersiedlung Pécsbányatelep zuständig. Daher waren sie in das Geschehen im Zentrum des Streikgeschehens in der Gemeinde Szabolcs in geringerem Maße involviert. Die Fünfkirchner Zeitung zeigte diese Vertreter der Stadtverwaltung als eine Protagonistengruppe, die „gemeinschaftlich die aufgeregten Gemüther“²⁷ zu beruhigen versuchte. Dabei erscheinen sie dem Leser als besonnene, den Arbeitern zugewandte und mit den Bergleuten geduldig umgehende Persönlichkeiten. Die drei hielten sich lange Zeit in Pécsbányatelep auf und bemühten sich, die Bergleute zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen.²⁸ Sie hatten zwar, wie man der Fünfkirchner Zeitung entnehmen kann, das Militär in der Siedlung einquartiert, dessen Einsatz schienen sie jedoch zunächst vermeiden zu wollen. Die Vertreter der Stadt standen allem Anschein nach unter den Repräsentanten aller Institutionen der Fünfkirchner Zeitung am nächsten. Ihre Darstellungen in der Fünfkirchner Zeitung fielen zwar knapp, aber positiv aus.
7.1.2 Die Komitatsorgane Die Gemeinden Somogy, Szabolcs und Vasas, in denen sich das Streikgeschehen hauptsächlich abspielte, lagen nahe der Stadtgrenze von Pécs auf dem Territorium
27 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 28 Vgl. Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung.1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4.
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des Komitats Baranya, wodurch für sie die Komitatsverwaltung zuständig war. Deren Angehörige bildeten die zweite Gruppe unter den in die Streikereignisse involvierten Institutionen. In diesen Gemeinden spielte in der Darstellung der Fünfkirchner Zeitung die Gendarmerie²⁹ eine bedeutendere Rolle als die Polizei, ihr kam jedoch eine deutlich geringere Rolle zu als dem Militär, wie weiter unten gezeigt wird. Die Zeitung ließ auch hier keine Gelegenheit aus, die Repräsentanten der Behörden ausführlich namentlich zu nennen. In der Gendarmerie waren Oberleutnant Ladislaus Körner und Gendarmeriehauptmann von Kosztka die verantwortlichen Offiziere. Repräsentanten der Komitatsverwaltung waren Obergespan Koloman von Kardos und Vizegespan Ladislaus von Szily. Die zuständigen Komitatsrichter waren Oberstuhlrichter Ivan von Forray und Stuhlrichter Dr. Karl Seh. Den Aktivitäten der Gendarmen widmete die Fünfkirchner Zeitung vergleichsweise wenig Beachtung. Die Zeitung erwähnte, dass die Präsenz der Gendarmen im Streikgebiet verstärkt wurde, dass die Gendarmen bei der Räumung von Szabolcs mit dem Militär kooperierten; sie sammelten Beweismaterial gegen mutmaßliche sozialistische oder anarchistische Aktivisten und sie nahmen Verdächtige fest. Ihre Bedeutung schien für die Fünfkirchner Zeitung jedoch hinter der der Husaren zu-
29 Die königlich ungarische Gendarmerie (Magyar Királyi Csendőrség) war ein Exekutivorgan des ungarischen Staates. Sie erfüllte vor allem polizeiliche Aufgaben. Die ungarische Gendarmerie war vor dem Hintergrund des Erstarkens von Wegelagerei, Diebstählen und Überfällen auf Dörfer und Bauernhöfe durch die Betyaren in der Zeit nach der Revolution von 1848/49 gegründet worden. Ab 1881/82 war die Gendarmerie dienstlich dem ungarischen Innenministerium unterstellt. Disziplinarisch gehörte die Gendarmerie in den Wirkungskreis des Verteidigungsministeriums und war quasi militärisch organisiert. Die Gendarmeriezuständigkeit in Ungarn war, ähnlich anderen Ländern, in Gendarmeriedistrikte eingeteilt. Die Dienstgrade in der Gendarmerie folgten den Rangbezeichnungen des Militärs: Den Stab bilden Oberste, Oberleutnants oder Majore; den Schwadronen waren Rittmeister vorgesetzt; die Einheiten innerhalb der Schwadronen waren in Züge unterteilt, in denen Leutnants oder Fähnriche befehligten. Die Gendarmerie patrouillierte, beobachtete, schützte und fahndete. Die Hauptwirkung, die der ungarischen Gendarmerie zugeschrieben wurde, war ihre Unberechenbarkeit und der Überraschungseffekt. Da die Gendarmen auf ihren Patrouillen häufig Nebenstraßen und Schleichwege benutzten sowie immer wechselnde Zeiten und Routen verwendeten, musste man immer und überall mit ihrem Erscheinen rechnen. Das Ansehen der Gendarmen in der ungarischen Gesellschaft war zeitweise hoch, da der Staat den Gendarmen eine gute Ausbildung und gute Entlohnung bot. Diese beiden Faktoren und ihre angesehene gesellschaftliche Stellung, die zu verlieren schwerwiegend gewesen wäre, waren auch Gründe dafür, dass diese als weitgehend immun gegen Bestechung galten. Die Gendarmerie spielte in der Herstellung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in ländlichen Gegenden Ungarns eine zentrale Rolle. Vgl. József Parádi: A Magyar Királyi Csendőrség. Az első magyar polgári, központosított, közbiztonsági őrtestület 1881 – 1945, Budapest 2012, S. 26 – 39.
7.1 Die „Befehlenden“
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rückzutreten: „Hinter den Hußaren kamen die Gendarmen mit dem Gewehrkolben in die Menge hineinschlagend, daß alle Mann Hiebe und Püffe bekamen.“³⁰ Die Zeitung teilte der Leserschaft zwar mit, dass die Gendarmen von Gendarmeriehauptmann von Kosztka kommandiert wurde, beließ es jedoch ohne jede weitere Wertung oder Kommentation bei dieser Information. So erschien die Gendarmerie als ein zuverlässig funktionierendes Exekutivorgan des Staates. Die Gendarmen gingen bei ihrem Einsatz mit den Bergleuten offenbar so um, wie es die Fünfkirchner Zeitung von ihnen erwartete. Etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte die Zeitung dem Vizegespan des Komitats, Ladislaus von Szily. Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte von Szily im Umgang mit den streikenden Bergleuten als eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit. Er ergänzte die Proklamation des Bergwerksdirektors vom 11. Juni 1893 um den sogenannten „Aufwiegler-Paragraphen“³¹ des Bergbaugesetzes, wodurch der Aufruf auf die Bergleute nachdrücklicher gewirkt haben dürfte. Von Szily war es auch, der den streikenden Arbeitern, die die Ortschaft Szabolcs nicht wie verlangt verlassen wollten, als erster mit der Anwendung von „Brachialgewalt“³² drohte. Als (freiwilliger) Vorsitzender bei der Verhandlung zwischen der DDSG und den Bergleuten am Ende der Arbeitsniederlegung bezeichnete von Szily die Lohnforderungen der Bergleute als unannehmbar. Er und der Bergwerksdirektor blieben selbst dann noch bei dieser Haltung, als die Arbeiter mit ihrem Anwalt Koloman Bolgar an der Seite ihre Lohnforderungen zum zweiten Mal heruntersetzten. Diese sture Haltung von Szilys scheint schließlich sogar der Fünfkirchner Zeitung missfallen zu haben, was jedoch lediglich zwischen den Zeilen des Artikels herauszulesen ist. Die Fünfkirchner Zeitung enthielt sich in der Regel jeglicher Kritik an Autoritäten. In diesem Fall jedoch präsentierte sie das Verhalten der Arbeiter, auf Anraten ihres Anwalts kompromissbereit zu sein, als lösungsorientiert und zwischen den Zeilen schimmerte sogar ein gewisses Bedauern durch, als sie schrieb, Schon bei Beginn der Verhandlung gab es bei dem 1. Punkte, der von den Löhnen handelt, Schwierigkeiten und zerschlug sich der Ausgleich, obwohl der Vertreter der Arbeiter, Advokat Koloman Bolgar ihnen rieth, von ihrer Forderung eines Minimallohns von 2 und 3 Gulden abzugehen, und die Arbeiter ihre Forderung auf 1. fl. 10 kr. resp. 1. fl 80 kr. herabsetzten.³³ Der
30 Anon, Strike Bouilletins [sic!]. Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 31 Ebd. Laut § 177 des Bergbaugesetzes, schrieb die Fünfkirchner Zeitung, wurden „Bergarbeiter, die ihre Kollegen an der Arbeit behindern, als Aufwiegler betrachtet“. 32 Ebd. 33 Die Fünfkirchner Zeitung verwendete die Bezeichnung der Währung in der österreichischen Form. Ein fl. (Gulden/lat. Floren) entsprach einem ungarischen Forint. Nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn im Jahre 1867 gab das Königreich Ungarn ein eigenes Zahlungsmittel
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7 „Befehlende und Gehorchende“
anwesende Direktor, der Berghauptmann sowie der Vicegespan erklärten die Forderungen für unannehmbar, ja als die Arbeiter anstatt eines Minimallohnes eine Stipulation im Accord verlangten, nach welcher der nominale Verdienst 1 fl. betragen soll, wurde ihnen auch das abgeschlagen, womit die Besprechung resultatlos schloß, da die Arbeiter erklärten, unter diesen Umständen nicht weiter zu verhandeln.³⁴
Diese Unerbittlichkeit des Vizegespans könnte die Fünfkirchner Zeitung etwas zu mildern versucht haben, indem sie seinen Einsatz zugunsten der Einführung der Feier am Tag der Arbeit für die Bergarbeiter erwähnte. Wie sich an anderer Stelle zeigen wird, war damit jedoch nur die Erlaubnis zu feiern am Ersten Mai gemeint und kein Feiertag für die Arbeiter.³⁵ Vizegespan Ladislaus von Szily erschien im Umgang mit den Bergarbeitern als eine gesellschaftlich hochgestellte, strenge und machtbewusste Person. Er stand in Kontrast zum Bürgermeister, der sich „fortwährend in der Colonie aufhält“³⁶ und sich bemühte, „die aufgeregten Gemüther […] zu beruhigen“.³⁷ Ladislaus von Szily besaß nach Ansicht der Fünfkirchner Zeitung keine weitere Facette und kann daher als symbolische Verkörperung der Komitatsadministration betrachtet werden. Als Vizegespan des Komitats Baranya gehörte Ladislaus von Szily nicht zur städtischen Prominenz und scheint daher auf der Sympathieskala der Fünfkirchner Zeitung nicht allzu weit oben rangiert zu haben. Demgegenüber zeigte die Fünfkirchner Zeitung mehr Empathie für den, als schlichte Amtsperson dargestellten Oberstuhlrichter Ivan von Forray. Dieser sei zu bedauern, schrieb die Zeitung, da er wegen des Streiks tagtäglich „über diese fast unfahrbare Gemeindestraße fahren muß, um nachzusehen, was es Neues gebe. Im Dorfe selbst muß man bis zu den Knien im Kothe waten“.³⁸ Die Zeitung zeigte von Forray als eine Person, die mit anderen Amtspersonen kollegial zusammenarbeitete. Er hielt sich gemeinsam mit Kamill Kaufmann und dem Bergverwalter Otto Werner in Szabolcs auf, um mit den Arbeiterführern zu verhandeln.³⁹ Er telefonierte unverzüglich mit der Polizeihauptmannschaft in Pécs, um diese zu warnen, als ihm zugetragen worden war, dass die Bergarbeiter drohten, über Schleichwege
heraus. Diese nannte man, wie heute noch, Forint. Ein Forint (ft.) bestand aus 100 Kreuzern (kr.) (krajczár/krajcár).Vgl. Kövér, Piaci hullámzások, in: Gergely/Csorba (Hg.), Magyarország története, 2005, S. 327– 359, hier S. 337 f. 34 Anon, Zur Strike der Bergleute, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 52, Donnerstag, 29. Juni, S. 4. 35 Vgl. Anon, Május elseje és a főkapitány, [Erster Mai und der Polizeipräsident], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 2. 36 Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 37 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 38 Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 39 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5.
7.1 Die „Befehlenden“
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in die Stadt zu gehen, um dort die Bruderlade⁴⁰ an sich zu nehmen.⁴¹ In der Fünfkirchner Zeitung wurde die Kooperationsbereitschaft von Forrays häufiger erwähnt. Auch andere Behördenvertreter gesellten sich zu Oberstuhlrichter von Forray, um mit ihm Absprachen zu treffen und daraufhin Maßnahmen zu ergreifen.⁴² In den Darstellungen der Fünfkirchner Zeitung fällt seine Distanz zu den Bergarbeitern auf. Dies und seine Kollegialität zeigen das Bild eines versierten, professionell arbeitenden Beamten, der zur gesellschaftlichen Gruppe der Bergleute Abstand hält. Als eine hochgestellte Persönlichkeit der Stadt zeigt ihn die Fünfkirchner Zeitung in einem positiven Licht.
7.1.3 Das Militär Die dritte Gruppe unter den in das Streikgeschehen involvierten Institutionen, die in der Fünfkirchner Zeitung besondere Beachtung fand, bildet das Militär. Es wurde laut der Zeitung von den Polizeibehörden und vom Bürgermeister um Hilfe beim Umgang mit dem Bergarbeiterstreik gebeten. Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte das Militär mit großem Respekt. Insbesondere die Offiziere erhielten in den Artikeln einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich deutlich darin, dass die Fünfkirchner Zeitung ungewöhnlich häufig ihre vollständigen Namen und Ränge der Leserschaft mitteilte. Die Aktivitäten der Militärangehörigen beschrieb die Zeitung oft außerordentlich detailliert: Die Gruben und Kanzleien werden vom Militär bewacht. In der Kolonie selbst sind 4 Kompanien Infanterie und zwar mit voller Munition ausgerüstet, im Dienst, und im Gasthause des Herrn Kernreuter befindet sich das militärische Quartier, woselbst sich die Soldaten im großen Speise und Tanzsalon Stroh gebettet haben, auf welchem sie sich nach gethanem Dienst und bei erfolgter Ablösung ausruhen. Oberstlieutenant Johann Schemua trifft seine Anordnungen im Einvernehmen mit der civilen Behörde, […]⁴³
Der Leser erfuhr aus der Fünfkirchner Zeitung en passant die genaue Rang-Hierarchie der am Einsatz beteiligten Offiziere. Husarengeneral Bartholomäus von
40 Die Bruderlade war eine frühe Form einer Sozialkasse, in die die Bergarbeiter einbezahlten, um im Falle von Krankheit, Arbeitsunfähigkeit oder Tod die Betroffenen und ihre Familien abzusichern. Vgl. Béla Kun: Bányamunkásviszonyok, in: Gusztáv Faller et al. (Hg.), A magyar bányászat évezredes története, Budapest 1996, S. 369 – 372, hier S. 372. 41 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!]. Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 42 Vgl. ebd. 43 Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4.
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7 „Befehlende und Gehorchende“
Rozsa, Befehlshaber der Garnison von Pécs, entsandte das 3. Bataillon des 52. Hausregiments Erzherzog Friedrichs unter dem Kommando von Oberstleutnant Johann Schemua und Major Paul Vogl nach Szabolcs. Unter dem Kommando von Major Vogl diente Hauptmann Maggi, der die Infanterie befehligte. Unter ihnen kommandierte Husaren-Oberleutnant Koloman von Geczy die Husaren beim Einsatz gegen die Streikenden. Das Ansehen dieser Offiziere scheint für die Fünfkirchner Zeitung stellenweise so hoch gewesen zu sein, dass der Leser beinah den Eindruck gewinnen konnte, sie hätten die Bergleute eigenhändig aus Szabolcs vertrieben: „Major Vogl kommandirte die Attaque; an der Spitze der Hußaren stand Oberlieutenant Koloman von Geczy, die Gendarmen kommandirte Rittmeister von Kosztka, die Infanterie Hauptmann Maggi.“⁴⁴ Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte das Militär bei seinem Einsatz beim Bergarbeiterstreik als eine präzise und effiziente Maschinerie: Die Hußaren zogen vom Säbel, mit einem Sprung setzten sie über den Graben. Da wurde Halt kommandirt, und plötzlich blieben die Hußaren stehen. Vom militärischen Standpunkte war dies eine hochinteressante, treffliche Schulung verrathende Leistung. Die Menge rührte sich nicht! „Los“ kommandirte hierauf wieder der Major, und mit blankem Säbel sprengten die Hußaren in die Menge hinein, die nun entsetzt auseinanderstiebte, fluchend, die Verwundeten heulend, und Drohungen ausstoßend.⁴⁵
Die Fünfkirchner Zeitung war von der Leistung der Husaren sichtlich beeindruckt. Auch in den weiteren Ausführungen der Zeitung, in denen es um die Rolle des Militärs beim Umgang mit den streikenden Bergleuten ging, erschien diese dienstbeflissen und jederzeit einsatzbereit. Das Militär bewachte, sicherte, griff durch und kehrte anschließend geordnet wieder in seine Unterkunft zurück. Neben den Husaren scheinen Soldaten im Allgemeinen für die Fünfkirchner Zeitung den zuverlässigen, mutigen, disziplinierten, nüchtern professionell handelnden und gehorsamen guten Untergebenen zu repräsentieren – ein Bild, welchem die Bergleute in keiner Weise zu entsprechen vermochten. Die Kasernen und Übungsplätze der Armee lagen im südlichen dritten Bezirk der Stadt, wodurch die Soldaten Teil des alltäglichen Stadtbildes von Pécs waren.⁴⁶ Es kann angenommen werden, dass das Militär durch seine Anwesenheit in der Stadt den Journalisten der Fünfkirchner Zeitung vertraut und bekannt war.
44 Anon, Strike Bouilletins [sic!]. Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 45 Ebd. 46 Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895.
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7.1.4 Die Berghauptmannschaft Schließlich war auch die staatliche Bergbauaufsicht des Königreichs Ungarn, die königliche Berghauptmannschaft⁴⁷ mit Sitz in Budapest an der Lösung des Konflikts zwischen der DDSG und den Bergarbeitern beteiligt. Diese Behörde vertraten Oberbergrat Ricker und Berghauptmann Kamill Kaufmann. Den Einsatz des Berghauptmanns schilderte die Fünfkirchner Zeitung als eine Intervention, die direkt auf Anweisung des ungarischen Ministerpräsidenten Sándor Weckerle durchgeführt wurde. Der Ministerpräsident entsandte der Zeitung zufolge den Berghauptmann, „um die Arbeiter zu beschwichtigen und ihre Klagen anzuhören“.⁴⁸ Daher reiste Kamill Kaufmann nach Pécs, um sich ein Bild von der Lage der Bergarbeiter zu machen, schrieb die Zeitung. „Sonntag verhörte er dieselben bei dem Bezirks-Oberstuhlrichter Herrn Ivan von Forray“.⁴⁹ Anschließend fuhr Kamill Kaufmann zurück nach Budapest, um dem Ministerpräsidenten persönlich zu berichten. Hierauf ernannte ihn Innenminister Hieronymi zu einem der Mitglieder der Kommission, die mit dem Komitee der Bergleute verhandeln sollte, schrieb die Fünfkirchner Zeitung. Die Kommission bestand, neben Berghauptmann Kaufmann und Bergwerksdirektor Wiesner, aus weiteren hochgestellten Amtspersonen wie Vizegespan von Szily und Oberstuhlrichter von Forray. In der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung stechen die ausführlichen Wiedergaben von Äußerungen des Berghauptmanns hervor. Nachdem die Regierungskommission bei der Verhandlung mit den Bergleuten ihre Zuständigkeit für die Entlohnung der Arbeiter kategorisch zurückwies, da dies ausschließlich eine Sache zwischen Arbeitgeber und den Bergarbeitern sei, mischte sich Berghauptmann Kaufmann kühl belehrend ein: Zur Orientirung der Arbeiter theilte aber Berghauptmann Kaufmann mit, daß er die Lohnverhältnisse sämmtlicher Bergwerke der Monarchie kenne, und behaupten kann, daß dieselben nirgends besser entlohnt werden als hier. Nachdem jedoch die anwesende Deputation erklärte, daß sie kaum voraussetzt, daß ihre Kollegen ohne fixe Bezüge werden arbeiten
47 Die Berghauptmannschaft war eine Behörde, die die staatliche Aufsicht über die Bergwerke Ungarns führte. Ihre gesetzliche Grundlage war das Berggesetz, ihr oberster Beamter war der Berghauptmann. Im Königreich Ungarn gab es in mehreren Bergbauregionen Außenstellen der Berghauptmannschaften. 1893 unterstanden die Pécser Bergwerke noch der Aufsicht der Berghauptmannschaft Budapest. Nach langen Diskussionen wurde 1922 eine Berghauptmannschaft in Pécs angesiedelt. Vgl. Walter Bischoff (Hg.), Das kleine Bergbaulexikon, Essen 1998; vgl. Déry, Budapesti bányakapitányság, in: Ders.: Magyar Bánya-Kalauz, 1892, S. 20 – 35.; vgl. Károly Déry, Berghauptmannschaft Budapest, in: Ders.: Magyar Bánya-Kalauz. Ungarisches Montanhandbuch, Wien 1896, S. 23 – 45. 48 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 49 Ebd.
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wollen, erklärte Herr Berghauptmann wem der Verdienst zu gering ist, möge auf 14 Tage kündigen, und seiner Entfernung werde kein Hinderniß in den Weg gelegt werden.⁵⁰
In der Darstellung der Fünfkirchner Zeitung erscheint Berghauptmann Kaufmann als jemand, der sich den Bergleuten gegenüber mit großer professioneller, aber überheblich wirkender Distanziertheit verhielt. Er schien es nicht nötig zu haben, direkt in das Streikgebiet zu fahren, um sich dort ein Bild von der Lage der Arbeiter zu machen. Es genügte ihm, die Abgesandten der Bergleute beim Bezirks-Oberstuhlrichter in der Stadt anzuhören und anschließend wieder nach Budapest abzureisen, um dem Ministerpräsidenten Bericht zu erstatten. In der Verhandlung zwischen der Regierungskommission mit den Vertretern der Bergleute belehrte Kaufmann diese, was die Fünfkirchner Zeitung detailliert wiedergab. Kaufmann war die einzige Person, die während des Streiks in direktem Austausch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten stand. Damit dürften sein Rang und sein Ansehen unter den beteiligten Protagonisten in der Hierarchie der Fünfkirchner Zeitung am höchsten gewesen sein, ebenso jedoch seine soziale Distanz zu ihnen und vor allem zur Bergarbeiterschaft. Da in der Fünfkirchner Zeitung nur diese professionelle Distanziertheit des Berghauptmanns als Vertreter der Budapester Administration deutlich wird, kann auch die Haltung des Blattes ihm gegenüber als respektvoll distanziert bezeichnet werden.
7.1.5 Vertreter anderer Institutionen Am Rande des Streikgeschehens erschienen einige wenige gesellschaftlich hochgestellte Persönlichkeiten, die von der Fünfkirchner Zeitung trotz ihrer marginalen Rolle namentlich erwähnt wurden. Hierunter fielen Oberstaatsanwaltssubstitut Georg Zsolnay und Untersuchungsrichter Koloman Kerese, welche den Streik im Nachhinein juristisch aufarbeiten sollten. Beide nannte die Zeitung mit vollständigem Namen und Aufgabe, obwohl sie in der Gesamtheit der konkreten Ereignisse vor Ort im Narrativ der Fünfkirchner Zeitung kaum eine Rolle spielten. Sie gehörten jedoch der lokalen und überregionalen Oberschicht an, weshalb das Blatt sie wohl aus Respekt erwähnte. Zsolnay und Kerese begaben sich nach Szabolcs, um die Untersuchung am Ort des Geschehens aufzunehmen, anschließend beabsichtigten sie, die Verhöre bei den verhafteten Bergleuten fortzusetzen, berichtete die Fünfkirchner Zeitung. Die Zeitung setzte dabei stark darauf, dass diese Untersuchung
50 Anon, Die Unterhandlungen mit den Bergarbeitern, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 3.
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durch Zsolnay und Kerese zeigen würde, dass „der Ursprung des Strikes socialistischer Natur ist“.⁵¹ Dieses Ergebnis hätte, so kann interpretiert werden, die Bergleute als Mitglieder der Pécser Gesellschaft rehabilitiert und die beiden Juristen als den einfachen Leuten zuhörende gute Herren in ein positives Licht gerückt. Anders Staatssekretär Graf Julius Andrássy und Handelsminister Béla Lukács: Beide Politiker empfingen jeweils die Delegation der Pécser Bergarbeiter unter der Leitung von Josef Bernath und Valentin Ruttrecht⁵² in Budapest. Die Politiker hörten ihnen zunächst zu und nahmen die Liste ihrer Forderungen entgegen. Während Staatssekretär Andrássy den Arbeitern scheinbar wohlwollend und ruhig zuhörte sowie ein Vorgehen in deren Sinne in Aussicht stellte, verlief die dreiviertelstündige Audienz beim Handelsminister laut der Fünfkirchner Zeitung weniger harmonisch. Minister Lukács unterstellte den Arbeitern, bei der Verfassung ihrer Forderungen Hilfe von sozialdemokratischer Seite erhalten zu haben: „Der Minister frug die Arbeiter, wer denn das Schriftstück verfaßte. Es habe den Anschein als ob die Arbeiter von Ausländischen Agitatoren beeinflußt werden würden, denn in den Forderungen sei auch die Freigabe am 1. Mai enthalten, was doch mit den Lohnverhältnissen nichts gemein hat.“⁵³ Die Arbeiterdelegation beteuerte, dass kein solcher ausländischer Einfluss im Spiel gewesen sei und bat den Minister, sich für die Bergarbeiter einzusetzen. Dieser jedoch verteidigte die Haltung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, Bergleute, die die Arbeit verweigerten, in ihre Herkunftsorte abschieben zu lassen, denn nur arbeitende Bergarbeiter hätten das Recht, in der Stadt bleiben zu dürfen. Wer also streike, so die unausgesprochene Folgerung, werde als arbeitsloser Herumtreiber klassifiziert und könne aus Pécs ausgewiesen werden. Beide Politiker wiesen die Arbeiterdelegation darauf hin, dass die Streikenden die arbeitswilligen Arbeiter nicht an der Arbeitsaufnahme hindern dürften, da dies Konsequenzen haben könne. Lukács versprach den Arbeitern ebenfalls, „die Angelegenheit zu prüfen“,⁵⁴ und sagte zu, mit der Direktion der DDSG über die
51 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, Sonntag, 18. Juni, S. 2 – 3. 52 Die Vornamen der beiden Arbeiterdeputierten erwähnte die Fünfkirchner Zeitung in einem anderen Beitrag.Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 53 Anon, Die Strikenden beim Minister, (Telegramme) Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. (Hervorhebung im Original). Der Inhalt des Artikels stimmt mit dem ungarischsprachigen Beitrag der Pécsi Napló vom selben Tag fast wörtlich überein, der Text ist dort in einen längeren Beitrag eingebettet. Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 54 Anon, Die Strikenden beim Minister, (Telegramme) Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5.
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Lohnerhöhung zu sprechen, mahnte aber gleichzeitig, „doch werde diese Lohnerhöhung nicht derart sein, wie dieselbe die Strikenden fordern“.⁵⁵ Sowohl der Staatssekretär als auch der Handelsminister gewährten den Bergarbeitern eine Audienz in der Hauptstadt, beide hörten ihnen zu und versprachen, dem Problem auf den Grund zu gehen. In dem Bericht der Fünfkirchner Zeitung über die Begegnungen verhielten sich beide Politiker den Bergleuten gegenüber distanziert und in der Sache zurückhaltend. Diese Distanzierung erzeugte die Fünfkirchner Zeitung, indem sie das Verständnis der Politiker für die Haltung der DDSG stärker betonte als deren Interesse für die Probleme der Bergleute. Beide Politiker versprachen, sich der Sache anzunehmen, Handelsminister Lukács mahnte aber die Bergarbeiterdelegation implizit, sich keine allzu großen Hoffnungen auf die unmittelbare Umsetzung ihrer Wünsche zu machen Die Zeitung stellte weiter klar, dass beide Politiker die Streikenden dazu aufforderten, die Fortführung des Streiks zu überdenken, da fortgesetzter Ungehorsam negative Folgen haben könne. Die Reserviertheit der Politiker gegenüber den Bergarbeitern und deren Sache betonte die Fünfkirchner Zeitung, indem sie unter den Aussagen, die sie an die Leserschaft weitergab, jene hervorhob, die darauf gerichtet waren, die Bergarbeiter von ihrem Streik abzubringen. Die Fünfkirchner Zeitung hielt sich mit direktem Lob oder Kritik an Andrássy oder Lukács zurück. Sie veröffentlichte weder Formulierungen, die die Budapester Politiker in einem explizit negativen noch in einem besonders positiven Licht erscheinen ließen. Durch die konsequente Nennung der beiden Politiker mit vollem Namen und Titel als Staatssekretär Graf Julius Andrássy und Handelsminister Béla Lukács und die knappe Bezeichnung der beiden Arbeiterdeputierten als „Arbeiter Ruttrecht“ und „Arbeiter Bernath“⁵⁶ erzeugte die Fünfkirchner Zeitung eine soziale Hierarchie zwischen Oben und Unten, wobei die Bergarbeiter als gesellschaftlich untergeordnete Gruppe erschienen. Durch die Darstellungsweise von Politikern, Beamten, Offizieren und Soldaten in den Ausführungen der Fünfkirchner Zeitung erscheinen diese im Umgang mit den Bergarbeitern während des Streiks als korrekte, zuverlässige, disziplinierte, energische, reservierte und gehorsame Protagonisten. Sie bildeten gemeinsam den Gegenpol zu den habituell schwächer beleumdeten Bergleuten. Die Fünfkirchner Zeitung transportierte in ihren Darstellungen und Beschreibungen Normen, in denen das gesellschaftlich höhergestellte Individuum höher geachtet wurde, was unter anderem im Namen- und Titelkult der Zeitung zu beobachten ist. Politiker, Beamte und Militärs genossen hohes Ansehen und Autorität, sie galten als nüchterne,
55 Ebd. 56 Ebd.
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emotionslose und rational handelnde Persönlichkeiten. Den Ausführungen der Fünfkirchner Zeitung lässt sich eine auf die Stadt Pécs zentrierte lokalpatriotische Haltung entnehmen. Diese zeigt sich darin, dass die Zeitung Persönlichkeiten aus Pécs denen der Hauptstadt vorzog und diese mit positiveren Zuschreibungen versah. Das Militär, welches neben der Polizei in der Stadt kaserniert war, genoss Respekt und Aufmerksamkeit der Fünfkirchner Zeitung. Dessen Gehorsam, Präzision und Disziplin steht im Kontrast zu den als disziplinlos, affektgeleitet und ungebildet dargestellten Untertanen in Gestalt der Bergleute. Die Vorstellungen von den gesellschaftlichen und ideellen Unterschieden, die die Fünfkirchner Zeitung vor Augen hatte, werden auch in der Topographie des von ihr textuell gezeichneten sozialen Raumes ersichtlich. Die habituelle Nähe und die Sympathie der Zeitung zu bestimmten Protagonisten ist auch in ihrer von der Zeitung selbst konstruierten physischen Nähe begründet. Emblematisch steht hierfür der beschwerliche Gang des Oberstuhlrichters nach Szabolcs.⁵⁷ Durch die dramatische Darstellung der prekären Infrastruktur, die der Richter überwinden musste, wurde die Bergarbeitersiedlung auf der imaginierten Landkarte der Zeitungsleser weiter auf Distanz gerückt als dies der physischen Wirklichkeit entsprach. Die Zeitung betrachtete die mächtigen Honoratioren der Stadt, die „Befehlenden“,⁵⁸ darunter auch das Militär, häufiger genauer und mit größerer Achtung, während weiter entfernte Protagonisten wie die Minister eher holzschnittartig präsentiert wurden und unliebsame Protagonisten sogar, wie die angenommenen „Ausländischen Agitatoren“,⁵⁹ in weiter Ferne positioniert wurden. Die von der Fünfkirchner Zeitung präferierten Protagonisten aus der Gruppe der Behördenvertreter waren auf ihrem imaginierten sozialen Stadtplan im Zentrum zu finden, während die meisten anderen in unterschiedlicher Entfernung außerhalb davon positioniert waren.⁶⁰
57 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 58 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 59 Anon, Die Strikenden beim Minister, (Telegramme) Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. 60 Der Stadtplan der freien königlichen Stadt Pécs von 1895 von Otto Hochrein verbildlicht den imaginären sozialen Stadtplan der Fünfkirchner Zeitung. Die Karte umfasst die gesamte Stadtfläche mit Straßen, Gebäuden, Bächen, Eisenbahnstrecken usw., jedoch ohne geographische Geländestrukturen. Die Stadtteile sind farbig gekennzeichnet. Hinzu kommen zwei Ausschnitte in der linken und rechten oberen Ecke, in denen die etwas außerhalb der Planfläche liegenden Ortschaften Ráczváros und Bányatelep (Colonia) abgebildet sind. Das Umland erscheint als weiße Fläche, als Terra incognita. Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895.
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7.2 Das multinationale Unternehmen und die Magyarisierung. Die Betrachtung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und ihrer Repräsentanten in der Fünfkirchner Zeitung 7.2.1 Die k. k. Donaudampfschifffahrtsgesellschaft Unter sehr schwierigen Verhältnissen, mit großen Geldopfern hatte die Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft ihre gegenwärtigen Fünfkirchner Kolonien gegründet, und dabei auch für die culturellen Angelegenheiten ihrer Arbeiter die größte Sorgfalt an den Tag gelegt.⁶¹
Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in ihren Artikeln als eines der wichtigsten Wirtschaftsunternehmen in der Stadt Pécs. Dessen ökonomische und soziale Errungenschaften sowie Bemühungen, so die Zeitung, seien in der Wahrnehmung der städtischen Gesellschaft zu wenig gewürdigt worden. Vor dem Hintergrund dieser positiven Bewertung des Unternehmens ist es kaum verwunderlich, dass das Blatt sich zu Beginn des Streiks über die Unzufriedenheit der Bergleute erstaunt zeigte und deren Forderungen zurückwies. Die Zeilen, in denen die Fünfkirchner Zeitung die Rolle des Unternehmens als Arbeitgeber der streikenden Bergleute thematisierte, zeugen von einer gewissen Überraschung des Blattes über Ausbruch und Ausmaß des Streiks, da die DDSG nach Ansicht der Zeitung alles Mögliche unternahm, um das Leben der Bergleute zu verbessern: „Da die Bergwerksdirektion den gerechten Beschwerden der Arbeitern [sic!] stets ein williges Ohr leiht und sich nur gegen manche überspannte Forderungen derselben ablehnend verhält, dürfte voraussichtlich der von einigen unzufriedenen Elementen inscenirte Stricke ein baldiges Ende finden.“⁶² Den Umgang der DDSG mit ihren Arbeitern präsentierte die Fünfkirchner Zeitung in erster Linie als den Bergleuten zugewandt. Die Entlassung einzelner und die Lohnkürzungen bei den verbliebenen Arbeitern dienten, in den Augen der Fünfkirchner Zeitung, dem Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze in einer für das Unternehmen ungünstigen Phase.⁶³ Nichtsdestotrotz habe die DDSG wegen des Arbeitsausfalls durch den Streik wirtschaftlich nichts zu befürchten, konstatierte die Fünfkirchner Zeitung, da das Unternehmen zu dieser Zeit in Mohács an der Donau einen großen Vorrat an Steinkohle angehäuft habe, aus dem es seine Lieferverpflichtungen erfüllen könne.⁶⁴ 61 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. 62 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 5. 63 Vgl. ebd., S. 4 – 5. 64 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
7.2 Das multinationale Unternehmen und die Magyarisierung
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Auch die Verwalter des Unternehmens, die die geförderte Kohle auf Verunreinigungen durch Gestein wie Schiefer untersuchten und auf Grundlage des Verunreinigungsgrads den Bergleuten Lohnabzüge festlegen konnten, stellte die Zeitung als wohlgesonnen gegenüber den Bergleuten dar. Sie schöpften, wie die Fünfkirchner Zeitung konstatierte, nie die ganze Höhe der möglichen Strafabzüge aus.⁶⁵ Das Blatt berichtete am Ende des Streiks, dass die DDSG die angeordnete Räumung der unternehmenseigenen Wohnungen der Bergleute, die von der Gendarmerie festgenommenen worden waren, gestoppt habe und sich sogar bereit zeige, diese wieder in den Dienst zu nehmen: „Die Direktion richtete das Ansuchen an die politische Behörde, von der Delogirung der Arbeiterwohnungen Abstand zu nehmen, da voraussichtlich alle Arbeiter nunmehr die Arbeit sukzessive aufnehmen werden, und die Direktion allen Strikenden, die zur Arbeit zurückehren [sic!], willig Aufnahme gewähren will.“⁶⁶ Die Fünfkirchner Zeitung stellte zu Beginn der Arbeitsniederlegung fest, dass sich vor allem ungarische Arbeiter über die Entlassung anderer ungarischer Arbeiter beschwert hätten. Dabei habe die DDSG, um anderen die Arbeitsplätze zu erhalten und ungesehen der Nationalität „aus rein humanitären Gründen“,⁶⁷ nur schwächere und jüngere Arbeiter entlassen. Die Fünfkirchner Zeitung, die üblicherweise die Nationalisierung der Wirtschaft, also auch die Bevorzugung ungarischer vor ausländischen Arbeitern befürwortete, nahm die Beschäftigungspolitik der DDSG, Ausländer einzustellen, an dieser Stelle in Schutz. Die Zeitung hielt den offenbar häufig vorgebrachten Vorwurf, die DDSG würde zu viele Bergleute aus dem Ausland anwerben, für unangebracht.⁶⁸ Es fänden sich zu wenige ungarische, geschweige denn Pécser Arbeitskräfte, um den Betrieb nur mit ihnen aufrechterhalten zu können, analysierte das Blatt. Das Ansehen der Dampfschifffahrtsgesellschaft unter der Pécser Bevölkerung sei zu schlecht, um sich beruflich in Richtung Bergbau zu orientieren, stellte die Fünfkirchner Zeitung fest.⁶⁹ Demnach entließ das Unternehmen Arbeiter nicht wegen deren Nationalität, sondern aufgrund anderer Erwägungen. Die Fünfkirchner Zeitung scheint sich in ein normatives Dilemma laviert zu haben. Sie befürwortete die Beschäftigungspolitik der Dampfschifffahrtsgesellschaft, mit der die Einwanderung forciert wurde, weil das Unternehmen der Stadt große Gewinne
65 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 66 Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 67 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 68 Vgl. Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. 69 Vgl. ebd.
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einbrachte; gleichzeitig machte sie sich für die Nationalisierung der Gesellschaft stark. Die Modernisierung der Industrie ging in den Augen des Blattes mit der Internationalisierung der Arbeitswelt einher, während die Magyarisierung die Stärkung der landeseigenen Potenziale vorantreiben sollte. Die Veränderungen in den gesellschaftlichen wie auch den betrieblichen Strukturen durch die Mobilität der Menschen verlange andere Umgangs- und Kommunikationsformen als gewohnt, behauptete die Fünfkirchner Zeitung. Die DDSG habe hierbei Fehler begangen und die Arbeiter verunsichert, woraufhin diese falsch reagiert hätten.⁷⁰ Die DDSG habe laut der Zeitung ihre angeblich ungünstige ökonomische Lage und ihre darauf folgende Strategie in der Beschäftigungspolitik nicht kommuniziert. Die Entlassungen erfolgten für die Bergleute daher nach scheinbar nicht nachvollziehbaren Regeln. Dass die Bergarbeiter sich bereits bei anderer Gelegenheit über die fehlende Kommunikation des Unternehmens beklagt hatten, erwähnte die Zeitung, als es um die Frage der Lohnerhöhungen ging: „Ob dieser fixe Lohn nun 2, 3, oder 1 fl. 20 kr. sein wird, darüber würden ja die Arbeiter gerne mit sich reden lassen, doch sie beklagen sich eben darüber, daß man ihnen weder einen bejahenden noch einen abweislichen Bescheid gab.“⁷¹ Die Probleme der Kommunikation, von denen die Fünfkirchner Zeitung berichtete, beruhten auf der Auflösung gewohnter Strukturen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Veränderungen der Ökonomie im Allgemeinen, die damit einhergehende größere Fluktuation unter den Bergleuten in den Gruben, aber auch unter den höhergestellten Rängen des Bergbaus, schwächte das bisherige Vertrauensverhältnis zwischen Vorarbeiter und Bergmann: Der stete Wechsel zwischen Beamten und Arbeiter [sic!], die Dienstkündigungen, Pensionirungen, und Transferirungen derselben, welche in den letzten Jahren oft nicht nur aus Rücksichten einer besseren Verwaltung vorgenommen wurden, zerriß dies familienartige Verhältniß vollständig. Die vorgenommenen Veränderungen, Neuerungen und Einführungen, welche nicht genügend durchdacht, überlegt, in Folge dessen sich als unrichtig, zweckwidrig erwiesen, und deßhalb wieder rückgängig gemacht wurden, schnitten tief in Altgewohntes ein und brachten bei Vielen das Rechtsbewußtsein zum Schwanken. Der gewohnheitsmäßige Rechtsbegriff der urtheilslosen Menge mußte durch das [sic!] die alltäglich mehr in Vordergrund tretende Unentschiedenheit ins Schwanken kommen, daß sie oft nicht wissen, was rechts und links sei, und dadurch vom Wege des Gesetzes und der Ordnung in die Dornen und Nesseln der Willkür gerathen.⁷²
70 Vgl. Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 71 Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 72 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2.
7.2 Das multinationale Unternehmen und die Magyarisierung
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Im Verlauf ihrer Berichterstattung über den Streik revidierte die Fünfkirchner Zeitung – mutmaßlich unbewusst – ihre ursprünglich positive Sicht auf die DDSG und präsentierte ein Unternehmen, in dem die bislang positiv bewerteten tradierten Hierarchiestrukturen in Auflösung begriffen waren. An die Stelle der von der Fünfkirchner Zeitung präferierten unmittelbaren Vertrauensbeziehung zwischen Bergmann und Vorgesetztem trat eine distanzierte institutionalisierte Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Arbeiter. Anstelle des väterlich sorgenden „alten Schichtmeister[s]“⁷³ etablierte sich eine verbindliche Top-downKommunikation zwischen der rational bürokratisch organisierten Unternehmensleitung und den Bergarbeitern.⁷⁴ Die Arbeiter bemängelten, so die Fünfkirchner Zeitung, nicht nur die fehlende Kommunikation mit ihren Vorgesetzten, sondern auch die fehlende persönliche Fürsorge der Vorgesetzten vor Ort: „Die Arbeiter beklagten sich auch darüber, daß sie von den Gewerksbeamten nur den Verwalter Herrn Franz Hoffmann zu Gesichte bekamen, der sich in der Szabolcser Grube großer Popularität erfreut, und ein anderer Beamter im Strike Gebiet bis Freitag nicht gezeigt habe.“⁷⁵ Die neue Beziehungsstruktur zwischen den leitenden Angestellten der DDSG und den Bergarbeitern wird auch aus dem Bericht der Fünfkirchner Zeitung ersichtlich, in dem der Bergverwalter Otto Werner zu dem bereits im Streikgebiet weilenden Berghauptmann Kamill Kaufmann sowie Bezirksoberstuhlrichter Ivan von Forray stieß, um mit den „Arbeiterführern“⁷⁶ zu verhandeln. In der Darstellung der Fünfkirchner Zeitung suchte der Bergverwalter der DDSG nicht die Bergarbeiter auf, sondern er gesellte sich zu den Vertretern der staatlichen Organe. Dadurch wurde der Bergverwalter gesellschaftlich und räumlich in Opposition zu den Bergleuten positioniert.⁷⁷ Die Zeitung folgerte, dass die strukturellen Veränderungen in der DDSG die Bergleute verunsichert haben könnten und dass dies ein Grund für deren Devianz sein könnte, als was die Zeitung den Streik ansah.⁷⁸ Die Fünfkirchner Zeitung erzeugte in ihrer Berichterstattung über den Bergarbeiterstreik einen Widerspruch zwischen der Unterstützung der wirtschaftlichen 73 Ebd. 74 Max Weber beschrieb die bürokratisch rationale Verwaltungsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eine moderne Form der Administration und als eine Form der „legale[n] Herrschaft mit bürokratischem Verwaltungsstab.“ Max Weber/Johannes Winckelmann, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, in: Dies.: Teil III. Kap. 2, § 3. 4. Legale Herrschaft: Reiner Typus mittels bürokratischen Verwaltungsstabes, Tübingen 1980, S. 124 – 130. 75 Anon, Was wird geschehen? Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4. 76 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2.
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Aktivität des transnationalen Unternehmens in Pécs und der gleichzeitigen Befürwortung der Magyarisierung der Gesellschaft. Diesen Widerspruch hob die Zeitung auf, indem sie die sich verändernde Unternehmensstruktur und die dabei misslingende Kommunikation zwischen beiden Streikparteien als Manko darstellte. Aus dem früheren unmittelbaren, patriarchalen Verhältnis zu den Vorgesetzten sowie aus der entstandenen sozialen Distanzierung der DDSG und ihrer Angestellten zu den Bergarbeitern schloss die Fünfkirchner Zeitung auf den Unmut der Bergleute. Der mangelnde persönliche Kontakt der Arbeiter zu ihrem Arbeitgeber entfremdete diese in den Augen der Zeitung voneinander. Dabei übertrug die Zeitung das Ideal der romantisch aufgeladenen Fürsorgefunktion des früheren „Schichtmeisters“⁷⁹ auf den obersten Angestellten der DDSG, auf Bergwerksdirektor Wiesner.
7.2.2 Bergwerksdirektor Raimund Wiesner Seit der Bergwerksdirektor Raimund Wiesner an der Spitze der Verwaltung steht, forcirte er es, daß je mehr Ungarn in den Bergwerken Beschäftigung erlangen, denn einerseits eröffnet sich dadurch den Bewohnern dieses Theiles der Baranya, welche bisher die verwüsteten Weingärten bearbeiteten, ein Erwerbsgebiet, und dann sind dieselben auch gute Arbeiter und an die Heimatscholle gefesselt. Die ungarischen Arbeiter protestirten nun in erster Reihe dagegen, daß auch Ungarn entlassen wurden, zweitens forderten dieselben, daß noch mehr fremde Arbeiter entlassen werden sollen, damit die übrig bleibenden Arbeiter mehr Arbeit, dementsprechend auch einen größeren Verdienst haben sollen.⁸⁰
Die Fünfkirchner Zeitung betrachtete Bergwerksdirektor Raimund Wiesner als einen Verbündeten in ihrem Bestreben, die Stadt Pécs ungarischer zu machen.⁸¹ Er setze sich laut dem Blatt nicht nur für die Einstellung ungarischer Arbeiter in seinen Bergwerken ein, sondern auch für die Gründung einer Schule in der Bergbausiedlung, damit die dort lebenden, unterschiedliche Sprachen sprechenden Kinder früh die ungarische Sprache erlernen könnten.
79 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 80 Ebd. 81 Aus der Zeitung Pécs erfuhr man, dass Wiesner aufgrund seiner Bemühungen um die Ungarisierung von der Gemeinde Ajka (Komitat Veszprém) zum Ehrenbürger ernannt worden war. Vgl. Anon, A magyarosodás a DGH-társaság pécsi bányaterületén, [Die Ungarisierung im Pécser Bergbaugebiet der DDSG], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 4.
7.2 Das multinationale Unternehmen und die Magyarisierung
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Zwischen den Zeilen war der Fünfkirchner Zeitung zu entnehmen, dass diese Wiesner als den neuen fürsorglichen „Schichtmeister“⁸² aller Bergleute betrachtete. Dies zeigte sich unter anderem in dem Hinweis der Zeitung, wonach Direktor Wiesner trotz einer Erkrankung ins Streikgebiet gegangen sei, um mit den Bergarbeitern verhandeln zu können. Obwohl er, wie zuvor verlautete, mit Streikenden prinzipiell nicht zu verhandeln bereit gewesen sei, habe er mit diesen gesprochen, konstatierte die Fünfkirchner Zeitung: „So lange die Arbeiter nun ihrem Berufe nachgiengen, hörte der Direktor, Herr Raimund Wiesner ihre Klagen stets willig an, doch mit Strikenden wollte er nicht unterhandeln. Freitag Vormittags wollte Direktor Wiesner denn doch noch einen letzten Versuch machen, indem er sich inmitten unter die Arbeiter begab.“⁸³ Einen Großteil der 13 Forderungen der Bergarbeiter sei Bergwerksdirektor Wiesner zu erfüllen bereit gewesen, berichtete die Fünfkirchner Zeitung. ⁸⁴ Doch bei der Frage nach der Lohnerhöhung habe er keine Zugeständnisse machen können. Der Bergwerksdirektor erläuterte den streikenden Bergleuten laut dem Blatt sogar, weshalb die Lohnerhöhung in seinen Augen unmöglich sei, denn es sei zu dieser Zeit für die Gesellschaft teurer, Kohle zu fördern, als sie als Erlös dafür erhalte.⁸⁵ Die Fünfkirchner Zeitung berichtete, dass Bergwerksdirektor Wiesner als Vorschlag zur Güte die Option für die Bergleute ins Spiel gebracht habe, so viele Überstunden zu machen wie sie wollten, „weiter konnte das Entgegenkommen nicht gehen“, so das Blatt.⁸⁶ Die Fünfkirchner Zeitung präsentierte Raimund Wiesner nicht nur als einen hilfsbereiten und fürsorglichen Bergwerksdirektor, sondern auch als einen verbindlichen Angestellten der Dampfschifffahrtsgesellschaft. Wiesner verlangte von den Streikenden, ihre Forderungen schriftlich zu stellen.⁸⁷ Mit diesem Vorgehen entsprach er der Bürokratisierung des 19. Jahrhunderts, bei der versucht wurde, alle Geschäftsvorgänge schriftlich zu fixieren und zu archivieren, wodurch mündliche Vereinbarungen und persönliche Verbindlichkeitsnormen zurückgedrängt wurden.⁸⁸ Zwölf der 13 schriftlich eingereichten Forderungen der Bergarbeiter würden in Abstimmung mit der DDSG-Direktion in Budapest „im Interesse der Lage der
82 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 83 Anon, Was wird geschehen? Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4. 84 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 85 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893 Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 86 Ebd. 87 Vgl. Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43, Sonntag, 28. Mai, S. 3. 88 Vgl. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, 2011, S. 868 – 870.
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Arbeiter“⁸⁹ erfüllt werden, berichtete die Fünfkirchner Zeitung. Das Blatt war dabei hinsichtlich des Angebots, das Wiesner aus Budapest mitbrachte, überzeugt, dass dieses die Lage der Arbeiter deutlich verbessern würde, sodass diese keinen Streik mehr anfangen würden. Die Fünfkirchner Zeitung betrachtete in ihrer Streikberichterstattung den Bergwerksdirektor als einen Mitstreiter bei der Ungarisierung und präsentierte ihn als einen seinen Untergebenen zugewandten, aber auch seinem Unternehmen gegenüber loyalen hohen Beamten. In den Darstellungen der Fünfkirchner Zeitung erscheint Bergwerksdirektor Wiesner als ausgleichendes Element zwischen dem fernen, fremden und daher für die patriotische Zeitung problematischen DDSG und dem den Bergleuten zugewandten, mit ihnen in direktem Kontakt stehenden, die ungarische Sache vorantreibenden, neuartigen Form des Schichtmeisters. Die Kombination des obersten Vertreters der ausländischen DDSG und des engagierten – im Übrigen deutschsprachigen – Magyarisierers ist eine der spezifischen Ordnungskonstruktionen der Fünfkirchner Zeitung. Insbesondere bei der Behandlung der Dampfschifffahrtsgesellschaft war die Fünfkirchner Zeitung mit der Ambivalenz konfrontiert, die der multiethnischen und polyphonen Pécser Gesellschaft inhärent war. Sie betrachtete die DDSG einerseits als eine Macht, die vom fernen Wien beziehungsweise Budapest aus in die Geschicke der Stadt Pécs eingriff; andererseits empfand sie die Aktivität des Unternehmens als bereichernd für die Ökonomie der Stadt. Die Fünfkirchner Zeitung musste aus ökonomischer Perspektive das Anwerben ausländischer Arbeitnehmer durch die DDSG notgedrungen gutheißen, denn wie sie selbst feststellte, waren die Pécser Bürger nicht geneigt, Berufe im Bergbau zu ergreifen. Die Bergbaugesellschaft aber benötigte zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte, um modernisieren und gewinnbringend wirtschaften zu können. Die durch die Einwanderung nach Pécs entstandene Multiethnizität und Polyphonie unter den Bergarbeitern sowie die dabei importierten Ideologien irritieren jedoch das Bestreben der Fünfkirchner Zeitung. Die so entstandene Diskrepanz zwischen der gewünschten Nationalisierung von Pécs und der gleichzeitigen Akzeptanz der Diversifizierung aufgrund der ökonomischen Entwicklungen konnte im Narrativ der Zeitung durch die Figur des Bergwerksdirektors entlastet werden. Den eingewanderten, selbst deutschsprachigen Raimund Wiesner präsentierte die Fünfkirchner Zeitung als einen engagierten Magyarisierer und einen für die Bergleute sorgenden Bergwerksdirektor. Als ranghöchster Angestellter der DDSG in Pécs stellte der Bergwerksdirektor zwischen dem problematischen fernen Großkonzern und den verunsicherten
89 Vgl. Anon, Zum Strike der Bergarbeiter, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 54, Donnerstag, 6. Juli, S. 3.
7.3 Die „Gehorchenden“
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Bergarbeitern eine Verbindung her, indem er als deren moderner fürsorglicher Vorgesetzter auftrat. Als fleißiger Magyarisierer verband er auch die Pécser Stadtbevölkerung mit der polyphonen Bergarbeiterschaft vor den Toren der Stadt. Die Hochachtung der Zeitung für Wiesner scheint aus dessen sozialer Position in einem imaginierten multiplen Raum zu resultieren, in dem er mittels seines Status, Ansehens und Engagements vor Ort die negativen Einflüsse aus der Ferne miteinander zu versöhnen in der Lage war. Während der Bergwerksdirektor in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung als schillernde Persönlichkeit der urbanen Bürgerschaft von Pécs hervorstach, blieb die DDSG, obwohl sie ein wichtiger Protagonist im Streikgeschehen war, schemenhaft in der Ferne.
7.3 Die „Gehorchenden“.⁹⁰ Die Bergarbeiter aus der Perspektive der Fünfkirchner Zeitung 7.3.1 „Bergmannsfest.“⁹¹ Mit „Bergmannsfest“⁹² betitelte die Fünfkirchner Zeitung ihren Leitartikel, den sie am 4. Dezember des Jahres 1892, am Tag der heiligen Barbara, veröffentlichte. Der Beitrag ist aus mehreren Gründen besonderer Aufmerksamkeit wert. Es handelte sich um einen der wenigen Zeitungsartikel überhaupt, der jenseits der Streikberichterstattung Bergleute zum Thema hatte; für einen Artikel anlässlich des Feiertags der Schutzheiligen der Bergleute war er äußerst lang⁹³ und ausnahmsweise auf der ersten und zweiten Seite der Ausgabe zu finden. Der Bericht ging außerdem explizit nicht wie gewohnt nur auf das Fest der Bergarbeiter ein, sondern thematisierte auch die sozioökonomische Lage von Pécs im Kontext des Kohlebergbaus; schließlich war die Abhandlung – für die Zeitungsartikel der Fünfkirchner Zeitung ebenfalls ungewohnt – durch zwei lyrische Zitate gerahmt. Diese Rahmung mit Strophen aus zwei Gedichten Theodor Körners, in denen Bergleute besungen
90 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 91 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1. 92 Ebd. 93 Bereits im darauffolgenden Jahr war die Nachricht über den „Barbara Tag“ wie üblich in ca. zehn Zeilen und auf der vierten Seite zu finden. Darin wurde v. a. vom Bankett der DDSG unter Teilnahme der höheren Bergwerksbeamten, mehrerer Domherren und Bergwerksdirektor Wiesner berichtet.Vgl. Anon, Barbara Tag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 99, Donnerstag, 7. Dezember, S. 4.
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wurden, verleiht dem Text ein besonderes Pathos.⁹⁴ Die Beschäftigung des Zeitungsartikels mit dem „Bergmannsstand“⁹⁵ liefert eine Vielzahl kulturwissenschaftlich interessanter Äußerungen der Fünfkirchner Zeitung. In dem Beitrag forderte die Zeitung, es sei an der Zeit, den Bergbau in Pécs, der der Stadt großen Profit einbringe, in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken. Der Grund für das dabei konstatierte öffentliche Desinteresse am Bergbau lag für das Blatt darin, dass zu wenige der alteingesessenen Bewohner der Stadt den Beruf des Bergmannes ergreifen würden. Die Kinder einfacher Pécser Bürger, so die Zeitung, würden wenig Neigung zeigen, den Bergbau zu erlernen. Demgegenüber würden die Nachkommen der Beamten, der zumeist zugezogenen höheren Angestellten der DDSG, die im Laufe der Jahre bereits zu vollwertigen Mitgliedern der Stadt geworden seien, gerne in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und Stellen im höheren Dienst im Bergbau annehmen. Diesen Missstand, so die Fünfkirchner Zeitung, versuche Bergwerksdirektor Raimund Wiesner abzuhelfen, indem er anstrebe, in Pécs eine Bergschule zu errichten mit dem Ziel in dieser Kinder von Pécser Bürgern zu Bergleuten ausbilden zu können. Die Zeitung ging hier noch einen Schritt weiter und propagierte die Gründung einer ungarischen Bergwerksakademie in Pécs. Die Stadt, so das Blatt, stehe vor schwierigen Zeiten, da sie wegen ihrer geografischen Lage, Infrastruktur und Industrie nicht mit großem wirtschaftlichem Erfolg rechnen könne, wenn die Kohleindustrie und ihre Nebenzweige keine größere Aufmerksamkeit erhielten. In diesem Beitrag brachte die Fünfkirchner Zeitung ihren Wunsch zum Ausdruck, den Bergbau von Pécs in die Hände der einheimischen Bevölkerung zu legen. Neben diesen ökonomischen Betrachtungen zeichnete der Leitartikel ein romantisches Ideal vom ungarischen Bergmann. Der Beitrag schloss, wie er begonnen hatte, mit einem Gedichtzitat, dem ersten Teil der letzten Worte des Steigers aus Theodor Körners „Kampf der Geister mit den Bergknappen“.⁹⁶ Mittels der Gedichtzitate am Anfang und am Ende des Beitrags evozierte der Artikel ein prometheisches Klischee vom Bergmann. Im Text präsentierte die Zeitung die selbstlose Aufopferung der „Knappen unter Anführung ihrer Beamten“⁹⁷ in den nordungarischen Bergstädten und Siebenbürgens während der Revolution in den Jahren 1848/ 49 als hervorragendes patriotisches Verhalten. Die Bergmänner dieser Städte stellte
94 Vgl. Theodor Körner: Nr. 2. Bergmannsleben, in: Ders. (Hg.), Theodor Körners Werke. Teil 1., Knospen [u. a.], Stuttgart 1890, S. 6; vgl. ders.: Nr. 8. Der Kampf der Geister mit den Bergknappen, in: Ders. (Hg.), Theodor Körners Werke. Teil 1., Knospen [u. a.], Stuttgart 1890, S. 19. Hier: Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. 95 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. 96 Vgl. ebd., S. 2; vgl. Körner: Nr. 2, in: ders.: Theodor Körners Werke. Teil 1, 1890, S. 19. 97 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2.
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sie darüber hinaus als hochdisziplinierte und ihren Vorgesetzten in Liebe ergebene Arbeiter dar: „Der Bergmann unserer Bergstädte, gewohnt an stramme Disziplin, hängt mit fanatischer Liebe an seinen Vorgesetzten und deren Familien.“⁹⁸ Nach diesem mythologisierenden Rundumschlag verglich der Beitrag dieses Ideal mit der Pécser Realität, wie sie die Zeitung wahrnahm.⁹⁹ Zu Beginn der Industrialisierung des Pécser Bergbaus, erläuterte die Fünfkirchner Zeitung, musste die DDSG ausländische Spezialisten und Arbeiter anheuern, da diese in der Stadt nicht zu finden gewesen seien. Doch selbst nach vier Jahrzehnten sei der Beruf des Bergmanns für die Pécser Bevölkerung noch immer nicht attraktiv genug. Etliche der jungen Leute würden immer noch lieber Winzer werden, obwohl die Reblaus einen Großteil der Weingärten ruiniert habe. Die Zeitung plädierte daher dafür, die in der Bevölkerung vorhandenen Vorurteile diesem Berufszweig gegenüber abzubauen, da der Bergbau der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt sei. Die vierzig Jahren zuvor eingewanderten Ausländer und ihre Kinder seien dagegen bereits gut in der Stadt integriert: „Mit einem Worte: die Beamten und Arbeiterschaft der Kohlenwerke der 1.k.k.pr.¹⁰⁰ DonauDampfschiffahrths-Gesellschaft sind ein patriotischer Faktor unseres Gemeinwesens, stehen mit unserer Bevölkerung und unseren Behörden auf gutem Fuße, allerdings politisirt sie nicht, weil sie für derlei Dinge keine Zeit hat, dafür aber schafft sie in stiller Weise den kostbaren Schatz unserer Mutter Erde: die Kohle unter tausenderlei Gefahren rastlos zu Tage, deren materieller Nutzen zum großen Theile uns Fünfkirchnern zu Gute Kommt!“¹⁰¹
Die Fünfkirchner Zeitung zeigte bereits in diesem Artikel exemplarisch charakteristische Züge ihrer Perspektive auf die Bergarbeiter. Diese Charakteristika traten in ihrer Streikberichterstattung ein halbes Jahr später noch deutlicher hervor.
7.3.2 Die Pécser Bergarbeiter in den Augen der Fünfkirchner Zeitung Die Fünfkirchner Zeitung stellte die Handlungen und Eigenschaften der Bergarbeiter zumeist als die eines Kollektivs oder eines Kollektivteiles dar. Daher kann gefolgert werden, dass die Zeitung die Bergarbeiter während des Streiks 1893 zumeist aus der Distanz beobachtete. Aus der Streikberichterstattung im Jahre 1882 konnte in Er-
98 Ebd. 99 Das romantische Bild vom Bergknappen vertieft dieselbe Ausgabe der Fünfkirchner Zeitung in ihrem Feuilleton. Vgl. Alois Csermelni, Bergmann‘s Liese, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, Beilage, S. 1 – 2 (unpaginiert). 100 Abkürzung für: Erste kaiserliche und königliche private Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft. 101 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2.
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fahrung gebracht werden, dass die Fünfkirchner Zeitung ihre Informationen über den Streik vor allem aus offiziellen Quellen bezog.¹⁰² Diese Praxis kann für die Berichterstattung während des Streiks von 1893 ebenfalls angenommen werden. Es gibt lediglich zwei Hinweise, dass das Blatt telefonisch übermittelte Berichte eines „Specialberichterstatter[s]“¹⁰³ aus dem Streikgebiet erhielt Nähere Hinweise darauf, woher oder wie häufig dieser Korrespondent berichtete, fehlen allerdings. Ob der Berichterstatter mit den Bergleuten in persönlichem Kontakt gestanden hat, ließ sich den Quellen nicht entnehmen. Persönliche Äußerungen, Erzählungen, Wissen oder Meinungen von Bergarbeitern selbst waren in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung nicht zu finden. Vereinzelt erwähnte die Fünfkirchner Zeitung Beobachtungen über einzelne Personen aus der Arbeiterschaft, die zumeist als jämmerliche Gestalten dargestellt wurden. So listete sie die Arbeiter, die beim Militäreinsatz gegen die Streikenden verletzt worden waren, mit Namen und der Art ihrer Verletzungen auf.¹⁰⁴ Siegfried Johann Magyary, einen der Wortführer der Streikenden, präsentierte die Zeitung kurz vor dessen Verhaftung mit einem ironischen Unterton: „Die kühnen Wortführer, ihnen voran Siegfried Johann Magyary, das Schneiderlein aus Galizien, der schon Alles war, nur kein Grubenarbeiter, dafür aber die fanatisierenden Reden in ungarischer, deutscher und böhmischer Sprache an seine ‚Schicksalsgenossen‘ richtete, hatte eine deutsche Militärmütze am Kopfe. Er ahnte das Schicksal, das seiner harrt.“¹⁰⁵ Ähnlich formuliert war auch ein Abschnitt über die Verhaftung Venczel Szabós, Mitglied des von den Bergarbeitern gewählten Arbeiterkomitees: „Die zu Verhaftenden wiedersetzten sich nicht. Nur ein kleines Zwerg-Männlein, in der Größe eines zehnjährigen Knaben, einer der gefährlichen Aufwiegler schrie und bat man soll ihn gleich ermorden. 20 Schritte entfernt stand sein Weib und Kinder. Wehklagend eilt sie zum Pfarrer“.¹⁰⁶ Den Frauen der Bergarbeiter kam in solchen lebhaft dargestellten Szenarien in der Fünfkirchner Zeitung immer eine besondere Rolle zu. In den Narrativen der
102 In der Anfangsphase der Untersuchung habe ich die Streikberichterstattung der Fünfkirchner Zeitung über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1882 noch näher in die Forschung einbezogen und im Rahmen des interpretativen Samplings teilweise bearbeitet, sodass für einige Phänomene hilfreiche Vergleichsmomente entstanden sind. 103 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5; vgl. Anon, Die Schlacht in Szabolcs, Strike Bouilletins [sic!]. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 104 Vgl. ebd. 105 Ebd. 106 Ebd.
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Zeitungsartikel repräsentieren sie und ihre Kinder die emotionale Seite der Bergarbeitergesellschaft. Diese Darstellungen können so gedeutet werden, dass durch sie die Emotionen der Bergarbeitergesellschaft zum Ausdruck gebracht wurden. Durch sie schien die Zeitung Sorgen, Angst und Reue in der Bergarbeiterschaft darstellen zu können: Nur die Frauen der Grubenarbeiter bewohnen die Arbeitshäuser mit ihren Kindern, in den Gassen trotz strömenden Regens Gruppen bildend, und das Tagesereigniß besprechend. Angst und Sorge wiederspiegeln sich auf ihrem Antlitze, und Muthlosigkeit beherrscht ihr Gemüth. Sie fühlen es, und wissen es, daß dieser gewaltsame Schritt ihrer Männer keinen guten Erfolg haben kann, und es machen sich auch die Gewissensbisse geltend, denn wie stets haben auch jetzt die Frauen mit dazu beigetragen, daß sich ihre Männer dem Strike angeschlossen haben.¹⁰⁷
Die Frauen befanden sich in den Narrativen der Zeitung immer am Rande des Geschehens, dennoch waren sie mit den Bergarbeitern untrennbar verbunden. Sie repräsentierten die emotionale Facette der Bergarbeiterschaft. Da die Mitarbeiter der Fünfkirchner Zeitung mit den Streikenden mutmaßlich nicht in persönlichem Kontakt gestanden haben, dürften die Behauptungen über das seelische Befinden der Frauen und Kinder sowie indirekt auch über das der Männer lediglich auf Beobachtungen aus der Distanz beruht haben. Die Darstellungen der Menschen in den Bergbaurevieren erscheinen in den Artikeln der Fünfkirchner Zeitung relativ holzschnittartig. Dennoch wurden Differenzierungen getroffen, die dem imaginierten idealen Gesellschaftsbild der Zeitung zu entsprechen scheinen. Die übergeordnete Unterscheidung der Fünfkirchner Zeitung beruhte auf den Kategorien Eigen und Fremd. Beide Kategorien lassen sich des Weiteren in Pécser und Ausländer aufteilen. Die Fünfkirchner Zeitung unterschied bei der Zugehörigkeitszuschreibung weniger zwischen ethnischen Ungarn und Ausländern; vielmehr scheint die Differenzierung in der Dauer des Aufenthaltes der Betreffenden in Pécs sowie in der Relation dieser mit dem gesellschaftlichen Umfeld der Zeitung begründet gewesen zu sein. So wurden jene Einwanderer und ihre Nachkommen, die zu Beginn der Modernisierung des Bergbaus etwa vier Dekaden zuvor nach Pécs gekommen waren, zwar als Ausländer identifiziert, jedoch auch als gut in die städtische Gesellschaft integriert angesehen.¹⁰⁸ Die Fünfkirchner Zeitung postulierte, viele der Kinder der 107 Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3. 108 Hierzu gehört allerdings offenbar auch der erst 1891 als Bergwerksdirektor nach Pécs gezogene Raimund Wiesner, der unter anderem die Gründung der Bergarbeiterschule forcierte. Vgl. Anon, A bányamunkások, [Die Bergarbeiter], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 80, Samstag, 5. Dezember, S. 4; vgl. Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2.
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frühen Einwanderer seien in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten und hätten im Bergbau „geachtete Stellungen“¹⁰⁹ eingenommen, sie seien bereits integriert, also „ein patriotischer Faktor [des] Gemeinwesens“.¹¹⁰ Diesen bereits scheinbar wohl integrierten Einwanderern standen, nach Ansicht der Zeitung, Böhmen, Krainer und Deutsche gegenüber, die erst zwei oder drei Jahre zuvor zum Arbeiten in die Pécser Bergwerke gekommen waren.¹¹¹ Diese „in größeren Massen“¹¹² eingewanderten Arbeiter, so die Zeitung, würden sowohl den neu zugezogenen Ungarn als auch den einheimischen Ungarn Beschäftigungsmöglichkeiten streitig machen.¹¹³ Die Fünfkirchner Zeitung differenzierte also auch innerhalb der ungarischen Bergarbeiterschaft mittels deren Aufenthaltsdauer in Pécs. Sie unterschied dabei zwischen neu zugezogenen und alteingesessenen Pécser Ungarn. Zu ihnen rechnete das Blatt die Arbeiter eines der älteren Pécser Bergwerke namens Zwangschacht. Dieses Bergwerk lag nordwestlich von Pécsbányatelep im Istenáldás völgy,¹¹⁴ sehr nahe der Stadt. Viele der dortigen Arbeiter, die schon beim früheren Besitzer des Bergwerks Ferenc Koch Arbeit gefunden hatten, dürften aus Pécs gestammt haben oder waren schon vor längerer Zeit eingewandert.¹¹⁵ Nur die Ventilatoren der Gruben und die Wasserwerke functioniren, vom Militär strenge bewacht, und in der ehemals Prick’sche Grube, Zwangschacht genannt, welche die D. D. Sch. G. erst vor wenigen Monaten vom Herrn Koch übernahm, arbeiten ohne Unterbrechung abwechselnd die 150 Leute, die nicht dem Gros der Arbeiter angehören, sondern friedliebende Fünfkirchner Inwohner sind, und mit den anderen Arbeitern nie gemeinsame Sache machten. Ihnen ist ein geringerer Verdienst lieber, als gar kein Verdienst, und sorgt das Militär dafür, daß diesen Arbeitern nichts geschehe.¹¹⁶
Die Fünfkirchner Zeitung behauptete an anderer Stelle, die neu zugezogenen ungarischen Arbeiter hätten die Arbeitsniederlegung organisiert, und diese hätten sich schon in den Wochen zuvor für die Entlassung der ausländischen Arbeiter
109 Ebd. 110 Ebd. 111 Vgl. Anon, Keine sozialistische Bewegung, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4 – 5. 112 Ebd. 113 Vgl. ebd. 114 Auf Deutsch: Gottes Segen-Tal. 115 Ferenc Koch besaß die Bergwerke in diesem Tal von 1875 bis 1886, bis er mit der DDSG nicht länger konkurrieren konnte. Vgl. Attila Pálfy, Pécsbánya, in: József Biró/Árpád Sallay/Béla Szirtes (Hg.), Bányász Útikalaúz. Pécs és környéke, Pécs 2010, S. 33 – 66, hier S. 54. 116 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3.
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eingesetzt:¹¹⁷ „Den Strike haben ausschließlich die ungarischen Arbeiter inscenirt, welche erst seit 2 – 3 Jahren in größeren Massen in die Gruben gefahren sind, die Arbeiterführer sind Ungarn, ebenso die Arbeiterverführer, die aber ohne Unterschied durch das Arbeitern [sic!] mit den Böhmen und Krainern auch die deutsche Sprache vollauf beherrschen.“¹¹⁸ Die Beobachtung jedoch, die die Fünfkirchner Zeitung dann in Szabolcs machte, brachte das bislang gepflegte Narrativ offenbar ins Wanken. Denn dort hatten sich streikende Bergleute aller Ethnien versammelt und harrten gemeinsam der Dinge: Mit seltener Einmüthigkeit stehen nun die einheimischen und fremden Arbeiter nebeneinander, und während vor wenigen Wochen der Wunsch der ungarischen Arbeiter dahin gieng, daß die fremden Arbeiter entlassen werden sollen, damit die ungarischen Arbeiter mehr Arbeit bekommen, gewähren nun die ungarischen Arbeiter, die in Szabolcs, Vasas und Somogy auch Grund und Boden haben, den Böhmen, Krainern Gastfreundschaft.¹¹⁹
Angesichts dieses Zusammenhalts zwischen Ungarn und den anderen Ethnien mutmaßte die Fünfkirchner Zeitung, dass es möglicherweise einen Plan der ungarischen Arbeiter gäbe, die ausländischen Arbeiter zum Streik zu verleiten, damit die Behörden diese ausländischen Arbeiter aus Pécs ausweisen. Hierdurch würden, spekulierte das Blatt, die freigewordenen Arbeitsplätze den übriggebliebenen Ungarn offenstehen.¹²⁰ Die Fünfkirchner Zeitung präferierte dabei die Konstellation, wonach die ungarischen Arbeiter, ganz gleich ob alteingesessen oder neu in Pécs, Herren des Geschehens seien. Dagegen lehnte das Blatt die Möglichkeit ab, dass sozialistische Aktivisten den Streik organisiert haben könnten, und berief sich dabei auf die angenommene patriotische Grundhaltung der ungarischen Arbeiter: „Die Koloniearbeiter sagen sich los vom Socialismus, mit welchem sie nicht unter eine Decke gebracht werden wollen. […] Von einer socialistischen Strömung kann nicht gesprochen werden.“¹²¹ Die Zeitung versuchte, die ungarischen Arbeiter von der am stärksten negativ konnotierten Zuschreibung, dem Sozialismus nahezustehen, fernzuhalten, indem sie deren Haltung Eigennutz unterstellte: Seit der Bergwerksdirektor Raimund Wiesner an der Spitze der Verwaltung steht, forcirte er es, daß je mehr Ungarn in den Bergwerken Beschäftigung erlangen, denn einerseits eröffnet
117 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 118 Anon, Keine sozialistische Bewegung, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4 – 5. 119 Ebd., S. 5. 120 Vgl. ebd., S. 4 – 5. 121 Ebd., S. 5.
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sich dadurch den Bewohnern dieses Theiles der Baranya, welche bisher die verwüsteten Weingärten bearbeiteten, ein Erwerbsgebiet, und dann sind dieselben auch gute Arbeiter und an die Heimatscholle gefesselt. Die ungarischen Arbeiter protestirten nun in erster Reihe dagegen, daß auch Ungarn entlassen wurden, zweitens forderten dieselben, daß noch mehr fremde Arbeiter entlassen werden sollen, damit die übrig bleibenden Arbeiter mehr Arbeit, dementsprechend auch einen größeren Verdienst haben sollen.¹²²
Laut der Fünfkirchner Zeitung hatten die ungarischen Bergleute von Pécs das Ziel, Angehörigen der eigenen ethnischen Gruppe Arbeitsplätze zu verschaffen, was die Zeitung goutierte. Der ungewöhnliche Zusammenhalt unter allen streikenden Bergleuten könnte jedoch durch die Aufwiegelung durch sozialistische Aktivisten begründet gewesen sein, die ihnen große Versprechungen machten, bemerkte die Zeitung: Eine weitere Ursache unserer Arbeiterunruhen ist: gewissenlose Verhetzer und ihre Wühlreden haben vielen Arbeitern die Freude an der Arbeit, die Zufriedenheit mit ihrem Lohn, den Glauben an Gott und das Vertrauen zu den Menschen aus der Seele gestohlen, ihr Herz mit Neid und Haß gegen die Glücklicheren der Erde und mit Bitterkeit über ihr Schicksal als das von „Enterbten“ erfüllt. „Das größte Unglück, ja der Fluch der Arbeiter ist ist [sic!] die Zufriedenheit!“ predigen laut und ungescheut die Arbeiterverführer und Hetzblätter. Wie Scheidewasser sind ihre Lehren in die Massen gegossen, wilde Gährung ist erzeugt, der Krieg Aller gegen Alle gepredigt Gott im Himmel, König, Regierung und alle Obrigkeit im Lande,Vater und Brotherr im Hause, Beamte im Dienste sollen nicht mehr geehrt werden, statt Gehorsam, und Entsagung wird Freiheit und Genußsucht gepredigt und hoher Lohn in Aussicht gestellt. Wenig Arbeit und viel Lohn – das ist das Losungswort.¹²³
Die Fünfkirchner Zeitung kritisierte, dass die Arbeiterbewegung, die das Blatt in Gestalt der „Arbeiterverführer“¹²⁴ und der „Hetzblätter“¹²⁵ zu erblicken meinte, die Zufriedenheit der Arbeiter erschütterte, diese aufwiegelte und aus der gesellschaftlichen, ja sogar aus der gottgewollten Ordnung herauszuführen suchten. Diese Rhetorik erinnert an den biblischen Sündenfall, in dem die beiden Bewohner des Paradieses die Gunst Gottes verspielten. Gehorsam scheint die zentrale Tugend zu sein, die die Fünfkirchner Zeitung von den Bergleuten erwartete. Genügsamkeit und Gehorsam kennzeichnete das aus der Distanz projizierte Klischee der Zeitung des seine Arbeit und seine Vorgesetzten liebenden Bergarbeiters. Diesen arkadischen Zustand hob die Zeitung immer wieder hervor: 122 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 123 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 124 Ebd. 125 Ebd.
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Ehemals standen Arbeiter viele Jahre hindurch unter denselben Beamten. Erstere sahen in Letzteren ihre Berater und Beschützer. Die gegenseitige Abhängigkeit war feste Lebensgewohnheit. Die Gewohnheit aber ist der stärkste Riese. Auf dem Boden langjähriger, friedlicher Arbeitsgemeinschaft war auch eine Interessen- und Lebensgemeinschaft erwachsen. Der Beamte, welcher die Leistungsfähigkeit und das Verhalten aller seiner langjährigen Arbeiter kannte, bekümmerte sich um das leibliche und geistige Ergehen seiner Arbeiter, die als liebe Angehörige angesehen wurden, und die Arbeiter liebten ihren alten Schichtenmeister, ihre guten Bergmeister und ihren entschiedenen, strengen, aber gerechten Bergwerksdirektor, sahen neidlos auf deren größeres Einkommen, ja hingen mit Liebe an den Werksbeamten. Kein Wort der Klage über grobe Behandlung verlautbarte.¹²⁶
Das hier skizzierte Verhältnis zwischen fürsorgenden Vorgesetzten und zufriedenen Untergebenen erinnert an die Struktur des Vasallentums, in dem der Untergebene seinem Lehensherren Dienste zu erweisen hatte und im Gegenzug dessen Schutz und Fürsorge genoss. Die Fünfkirchner Zeitung offenbarte in zahlreichen Passagen, in denen es um die Bergarbeiter ging, solche damals bereits obsoleten ständischen Normen,¹²⁷ laut denen diese sich lediglich der Struktur zu beugen hätten, um Fürsorge und Zufriedenheit zu erlangen: Wackere Knappschaft! Höret nicht allein auf das, was den Augen gefällt und den Sinnen schmeichelt, was dem Fleisch, und seiner Lust die Stricke löst und der Genußsucht die Tische deckt, was die Autoritäten bemäkelt und in den Staub zieht und die Unzufriedenheit anreizt: bedenket und haltet stets vor Augen, daß nur Gesetzlichleit [sic!], Rechtssinn, Rechtsbewußtsein, Arbeitsliebe, Fleiß, Gehorsam im Dienste, Treue zum Brotherrn, Sparsamkeit und Gottesvertrauen die alleinigen Mittel zur Besserung Eurer Lage sind. Lasset Euch von egoistischen Hetzern nicht irreführen; denn unter dem Deckmantel von Freiheit und Recht feiern oft Bosheit und Sinneslust ihre Feste! Wenn die Sozialdemokraten und Internationalen einen blutigen Thron bedürfen, so sollen sie diesen wenigstens nicht auf Rechnung der friedlichen und braven Arbeiter, also ganz ohne Eure Mithilfe erbauen.¹²⁸
Die Fünfkirchner Zeitung vertritt damit die Ansicht, die Bergarbeiter seien Untergebene der Bergbaugesellschaft, sie seien unselbstständige und ungebildete „Gehorchende […]“, um die sich der „Befehlende […]“¹²⁹ zu kümmern habe: „Wer es wohl meint mit Kapital und Arbeit, mit Befehlenden und Gehorchenden, mit Arbeitsgebern [sic!] und Arbeitnehmern, insbesonders aber mit dem Arbeiter und
126 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. [Hervorhebung M. E.] 127 Vgl. Zoltán Tóth, A rendi norma és a „keresztyén polgárisodás“. Társadalomtörténeti esszé, in: Századvég (1991), 2/3, S. 75 – 130, hier S. 80. 128 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 129 Ebd., S. 1.
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seiner Zukunft, der muß vor der Gefahr warnen, jede Aufreizung abwehren, die rechten Ziele zeigen, die Wege zur Heilung von Uebelständen und Schäden suchen helfen.“¹³⁰ Die Fünfkirchner Zeitung sah den Anlass, der schließlich auch zum Streik führte, im vermehrten Wechsel, im Kommen und Gehen von Vorgesetzten sowie in Veränderungen der Betriebsstruktur, die die Bergarbeiter nicht zu überblicken vermochten. Die Arbeiter wurden in den Augen der Zeitung auf die neuen Verhältnisse nicht vorbereitet und erfuhren dadurch eine Ungewissheit, die sie für allerlei ideologische Verlockungen anfällig machte.¹³¹ Die Fünfkirchner Zeitung verweist in ihrer Streikberichterstattung über die Bergarbeiter auf eine für das Blatt charakteristische gesellschaftliche Ordnungsvorstellung, die auf einem ständischen Gefüge basierte. Die teils arkadisch anmutende Ordnungsvorstellung des Blattes wurde von modernen Phänomenen der gesellschaftlichen und geographischen Mobilität, deren Hauptakteure hier die Bergarbeiter waren, tangiert, ja die Konfliktsituation des Streiks löste die Bewusstwerdung und die Äußerung dieser Ordnungsvorstellungen erst aus. In ihren Beiträgen beschrieb und analysierte die Zeitung diese Vorgänge. Dabei versuchte sie, das eigene Ideal mit dem Beobachteten in Einklang zu bringen und dabei eine imaginäre gesellschaftliche Ordnung (wieder)herzustellen. Die Fünfkirchner Zeitung wünschte der DDSG brave, fleißige, gehorsame und patriotische Bergarbeiter. Deren Streik störte jedoch die vermeintliche Ruhe und Ordnung, die zuvor bei den Bergleuten geherrscht zu haben schien. Um diese Störung zu erklären und einzuordnen, beobachtete und interpretierte die Zeitung die Bergarbeiter und deren Handlungen. Die Zeitung sortierte die Bergarbeiter entsprechend ihrer Kategorien in Gute beziehungsweise weniger Gute, oder besser: in Eigene und Fremde. Diese Kategorien entsprachen im Großen und Ganzen der zugesprochenen Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zur Pécser Gesellschaft. Zu Beginn machte die Fünfkirchner Zeitung die ungarischen Bergarbeiter der DDSG für die Organisation des Streiks verantwortlich. Diese agierten dabei in den Augen der Zeitung richtig, da sie sich gewissermaßen patriotisch verhielten, indem sie ihre ausländischen Kollegen auszubooten versuchten. Nachdem dieser Analyseansatz allerdings nicht aufzugehen schien, identifizierte die Zeitung stattdessen fremde Aufrührer als Verursacher des Streiks. Ausländische Sozialisten sollen demnach die braven ungarischen Bergarbeiter verblendet und aufgewiegelt haben.¹³² 130 Ebd. 131 Vgl. ebd. 132 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!], Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
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In beiden analytischen Ansätzen präsentierte die Fünfkirchner Zeitung die einheimischen Arbeiter als eine Menschengruppe schlichten Schlags. Im ersten Szenario gelang der Plan nicht, den das Blatt hinter den Handlungen der ungarischen Bergleute vermutete, wonach nur die ausländischen Arbeiter abgeschoben werden sollten. Denn wie die Fünfkirchner Zeitung an anderer Stelle erklärte, konnten gar nicht so viele ausländische Bergleute wie erforderlich abgeschoben werden, um alle Arbeitsplätze in den Pécser Bergwerken durch Ungarn zu besetzen, da die Behörden keinen Unterschied zwischen ungarischen und nichtungarischen Streikenden machen durften. Im anderen Fall erschienen die Bergarbeiter als Opfer fremder sozialistischer Aufrührer, die sich in ihrer Einfalt zum Streik hatten überreden lassen. Beide Erklärungsansätze der Fünfkirchner Zeitung beruhen auf der Annahme, dass die Bergleute in der Pécser Gesellschaft die Rolle der „Gehorchenden“¹³³ einzunehmen hätten. Sie müssten sich lediglich auf die Fürsorge ihrer Vorgesetzten und der politisch Verantwortlichen verlassen und diesen gehorchen. Nach Meinung der Zeitung hätten diese die Gesamtsituation im Blick und könnten daher rationale Entscheidungen treffen, die schließlich den Bergleuten zum Wohl gereichten. Die Bergarbeiter dagegen seien zu einfältig und zu wenig gebildet, um jenseits ihres Arbeitshorizonts vernünftig entscheiden und handeln zu können. Die Fünfkirchner Zeitung lehnte dabei die Bildung der Bergarbeiter nicht prinzipiell ab. Im Gegenteil, sie wurde nicht müde, die Bestrebungen des Bergwerksdirektors, eine Bergarbeiterschule in der Bergarbeitersiedlung einzurichten, zu bewerben: Zu dem Bunde der Wohlmeinenden, der Seher und Helfer im Arbeiterrathe muß die Feder (Presse), das Katheder (Schule), und das Leder (Bergbeamte und Bergarbeiter) gehören; dem wahren Wohle der Bergarbeiter muß die Thätigkeit dieses Triumvirates gewidmet sein. […] Die Presse, die Schul- und Volkserziehung und die Um- und Einsicht der Bergwerksbeamten muß Schutzdämme bauen helfen, um die hereinbrechende Flut aufzuhalten.¹³⁴
Die Fünfkirchner Zeitung plädierte dafür, die Kinder der Bergleute so zu unterrichten, dass diese mit ihrem erworbenen Wissen ihre gesellschaftliche Rolle am besten einnehmen könnten.¹³⁵ Die Ethnien in Pécs und in den umliegenden Bergarbeiterdörfern betrachtete die Fünfkirchner Zeitung als eine Kategorie zur Bestimmung der Zugehörigkeit. Diese Distinktion scheint jedoch im Hinblick auf die große ethnische Pluralität in 133 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 134 Ebd. 135 Vgl. ebd.
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der gesamten Gesellschaft der Stadt zur endgültigen Legitimierung einer Zugehörigkeit nicht wirkmächtig genug gewesen zu sein. Das Schema der Fünfkirchner Zeitung zur Bestimmung der Zugehörigkeit zur Pécser Gesellschaft, war geprägt durch den zugeschriebenen gesellschaftlichen Status sowie durch die Aufenthaltsdauer der Arbeiter. Darüber hinaus können auch räumliche Entfernungen zwischen Stadtzentrum und Bergarbeitersiedlungen und die damit einhergehende Fremdheit oder Vertrautheit bei der Festlegung der Zugehörigkeit von Teilen der Bergarbeiterschaft eine Rolle gespielt haben. Die gesellschaftliche Rolle, die die Fünfkirchner Zeitung den Bergarbeitern zuschrieb, blieb dabei die der „Gehorchenden“.¹³⁶ Diese normative Verortung der Bergarbeiter und ihrer Angehörigen im sozialen Gefüge von Pécs aus der Sicht der Fünfkirchner Zeitung kann auf die Formel gebracht werden: nur ein gehorchender, braver, lokalpatriotischer und in Pécs bereits verwurzelter Bergmann – ob eingewandert oder nicht – kann ein legitimer „Faktor des Gemeinwesens“¹³⁷ der Stadt sein. Das Blatt betrachtete die Bergarbeiterschaft bei einer Streikberichterstattung stets aus gebührender Distanz und zumeist aus der Vogelperspektive, aus der sich romantische Bilder von braven, tapferen und disziplinierten Bergarbeitern zeichnen ließen. Die Fünfkirchner Zeitung zoomte an die Bergarbeiterschaft nur dann näher heran, wenn es ihr darum ging, negativ konnotierte Einzelpersonen in deren Reihen darzustellen. Solchen Nahaufnahmen von der Verhaftung der mutmaßlichen Anführer der Streikenden zeigten geradezu lächerliche Gestalten, die beim Leser Antipathie wecken sollten. Mithilfe der Beschreibung der verzweifelten Frauen der Bergmänner, die sich trotz Regens auf den ansonsten ausgestorbenen Straßen der Bergarbeitersiedlung versammelten, evozierte die Zeitung ein Bild der Vergeblichkeit der Arbeitsniederlegung. Nach Ansicht der Fünfkirchner Zeitung stand der Streik dem ungarischen beziehungsweise dem Pécser Bergarbeiter nicht gut zu Gesicht. Der Streik wie auch der damit eng verknüpfte Sozialismus waren fremde, aus der Ferne eingeschleppte Ideen, die dem den ungarischen und im Besonderen den Pécser Bergarbeitern zugeschriebenen Naturell nicht entsprachen. Während die Fünfkirchner Zeitung das positive Bild vom Bergarbeiter an den braven, vernünftigen und gut integrierten Bergarbeitern der stadtnahen Siedlung Pécsbányatelep verortete, wurde das negative Bild des aufsässigen sozialistisch beeinflussten Bergarbeiters expatriiert. Das Blatt erblickte die Lösung der Probleme in der Fokussierung auf das Lokale. Statt einer Förderung der Einwanderung sollten mehr Pécser, die ohnehin durch ihren Landbesitz in der Stadt verwurzelt waren, zu Bergarbeitern werden und in einer Bergarbeiterschule oder sogar Akademie lokal ausgebildet werden. Der Inkorporierung lokalen kultu-
136 Ebd. 137 Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2.
7.4 Von „Befehlenden und Gehorchenden“
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rellen Kapitals maß die Fünfkirchner Zeitung damit eine starke integrative Kraft bei, mit deren Hilfe die Bergarbeiter ihren Platz in der Gesellschaft als „Gehorchende“¹³⁸ künftig einnehmen konnten.
7.4 Von „Befehlenden und Gehorchenden“.¹³⁹ Die Gesellschaftskonstruktion der Fünfkirchner Zeitung in ihrer Streikberichterstattung im Jahre 1893 Die Fünfkirchner Zeitung beobachtete das Streikgeschehen im Sommer 1893, wie schon 1882, offenbar an der Seite der Behörden. In ihren Beiträgen berichtete sie detailreich über die Aktivitäten der in das Streikgeschehen involvierten Protagonisten. In der Berichterstattung über den Streik von 1893 wurden, im Gegensatz zur vorangegangenen Arbeitsniederlegung, auch Handlungen einzelner Bergarbeiter erwähnt und diese teils namentlich genannt; Bergarbeiter selbst kamen jedoch nicht zu Wort. Die Fünfkirchner Zeitung zeigte in ihren Beiträgen über den Bergarbeiterstreik von 1893 eine stark hierarchisch strukturierte lokalpatriotische Gesellschaftsvorstellung, die an feudalistische und ständische Normstrukturen erinnert. Im Vorfeld des Streiks erschienen mehrere Beiträge, die eine romantisch-mythologische Vorstellung von Bergleuten zeichnete. Die Vision der Fünfkirchner Zeitung war demzufolge ein fleißiger, starker, treuer, braver und sich unterordnender sowie patriotischer Pécser Bergmann. In der von der Zeitung imaginierten gesellschaftlichen Ordnung sollten die Bergarbeiter „gehorchende“¹⁴⁰ sein. Diese Haltung der Fünfkirchner Zeitung war in den seit dem letzten Streik vergangenen elf Jahren unverändert geblieben. Im Unterschied zur Berichterstattung des Jahres 1882 wurde 1893 das Vorhandensein unterschiedlicher Ethnien unter den Bergleuten in Pécs und in Ungarn im Allgemeinen immer wieder erwähnt. Die Zeitung sprach die Koexistenz von Bergarbeitern unterschiedlicher Herkunft und Sprache an. Deren Zusammenleben stellte sie dabei einmal als harmonisches Nebeneinander dar, mal deutete sie auch Spannungen an. Im Kontext des Streiks war dem Blatt die ethnische Vielfalt zwar bewusst, diese bildete jedoch scheinbar eine nur schwache distinktive Kategorie. Den Migrationshintergrund der bereits vor längerer Zeit eingewanderten, von der Fünfkirchner Zeitung als gut in-
138 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 139 Ebd. 140 Ebd.
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tegriert eingestuften Personen erwähnte die Zeitung zwar, ihre ethnische Zugehörigkeit spielte jedoch in der weiteren Darstellung keine Rolle. Die Fünfkirchner Zeitung betrachtete sie als zur städtischen Gesellschaft von Pécs zugehörig. Hierzu gehörten die Bergarbeiter der im Stadtgebiet liegenden Bergwerke und diverse Angestellte der Bergwerksgesellschaft. Diese angestellten Verwalter, Ingenieure und deren Kinder zählten aus der Sicht der Fünfkirchner Zeitung bereits zur etablierten urbanen Gesellschaft von Pécs. Dies galt auch für die Bergleute von Pécsbányatelep. Sie lebten in der unmittelbar nordöstlich der Stadt gelegenen Bergbausiedlung, in der „Colonie“,¹⁴¹ und arbeiteten in den um die Siedlung herum angelegten Bergwerken. Sie hatten sich, so die Zeitung, größtenteils in der Stadt eingegliedert und Besitz erworben, wodurch sie ebenfalls zur städtischen Gesellschaft gerechnet werden konnten – zumal, wie die Fünfkirchner Zeitung beklagte, zu wenige der übrigen Pécser Einwohner bereit wären, in den Bergbau zu gehen. Bei der Bewertung der Zugehörigkeit scheint für das Blatt die geringe räumliche Distanz zur Stadt und der in den Augen der Zeitung gesellschaftskonforme Habitus sowie das ökonomische Kapital maßgeblicher gewesen zu sein als die Ethnie oder die Aufenthaltsdauer in Pécs.
7.4.1 Bergarbeiter Im Vergleich zur Streikberichterstattung von 1882 differenzierte die Fünfkirchner Zeitung die Bergarbeiterschaft in der Berichterstattung stärker aus. Während 1882 die Bergarbeiter als eine den Journalisten weitestgehend unbekannte Gruppe präsentiert wurden, kristallisierten sich 1893 in den Zeitungsartikeln Unterscheidungen heraus. Neben den bereits erwähnten, schon seit Dekaden in Pécsbányatelep lebenden Bergleuten identifizierte das Blatt die erst kürzlich eingewanderten Bergleute unterschiedlicher Ethnien. Eine stärkere Differenzierungslinie zog die Fünfkirchner Zeitung zwischen den ihrer Ansicht nach gut integrierten braven ungarischen Bergleuten und dem Teil der Bergarbeiterschaft, der der Arbeiterbewegung zugeneigt schien. Den Sozialismus betrachtete die Fünfkirchner Zeitung als die größte Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung überhaupt. Das Blatt beschrieb die dominierenden Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung in unterschiedlichen Situationen mit negativen Attributen. Die jüngst Eingewanderten sowie die als Sozialisten eingestuften Bergleute präsentierte die Fünfkirchner Zeitung als unpatriotische, aufrührerische und gefährliche, aber auch lächerliche Personen. Die als Böhmen, Krainer und Deutsche bezeichneten Einwanderer stellte das Blatt
141 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5.
7.4 Von „Befehlenden und Gehorchenden“
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mit großer Distanziertheit als eine konturlose Gruppierung dar. Als Gegenbild skizzierte die Zeitung eine Imagination des treuen, guten, gehorsamen ungarischen Bergmannes. Das von der Fünfkirchner Zeitung gezeichnete Bild der Bergleute reichte von einem rechtschaffenen ungarischen Bergmann bis hin zum sozialistisch beeinflussten ausländischen Arbeiter. In der sozialen Hierarchievorstellung der Zeitung wurden die Herkunftsorte und die Ethnien der Eigenwanderten lediglich erwähnt, als etwas bedeutenderer Differenzierungsaspekt galt die Aufenthaltsdauer der Menschen in Pécs. Die Differenzierungsmacht der physischen Nähe der Bergleute zur Stadt scheint jedoch noch größer gewesen zu sein. Je geringer die räumliche Distanz der Bergleute zur urbanen Bevölkerung, desto näher schien die Fünfkirchner Zeitung ihnen zu stehen.
7.4.2 Weibliche Mitglieder der Bergarbeiterschaft Eine besondere Rolle in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung über die Bergarbeiter spielten die weiblichen Mitglieder der Bergarbeiterschaft. Aus der Situation des Streiks heraus erscheint es nicht ungewöhnlich, dass ausschließlich die weiblichen Angehörigen der Bergleute in der Berichterstattung erwähnt werden, während Familienmitglieder der anderen Protagonisten keine Rolle spielen. Der Streik ereignete sich vor allem in den Bergarbeitersiedlungen, in denen auch die Angehörigen der Bergleute lebten. Familienmitglieder der anderen Protagonisten werden in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung nicht erwähnt, da die Repräsentanten der DDSG, der Stadt und des Komitats sich ausschließlich dienstlich im Streikgebiet aufhielten. Die Darstellung der Frauen der Bergarbeiter in der Fünfkirchner Zeitung kann dagegen als Verkörperung der von dem Blatt angenommenen emotionalen Facette der Bergarbeiterschaft betrachtet werden. In den Berichten der Zeitung kümmerten sich die weiblichen Angehörigen der Bergarbeiter um die Streikenden, sie sorgten sich um die Streikenden und machten sich Sorgen um das Schicksal ihrer Kinder. Diese fürsorgliche und emotionale Seite, die zur Rolle der streikenden männlichen Bergleuten in der Ordnungsvorstellung der Zeitung möglicherweise nicht gepasst hätte, wurde offenbar durch den weiblichen Teil des Bergarbeitermilieus repräsentiert. Hierbei kann das emotionale Handeln die Frauen wie auch die entsprechende Zuschreibung durch die Medien als Form kultureller Praxis verstanden werden, die als Opus operatum, als soziales Produkt von den Akteuren inkorporiert war und zur Herstellung sozialer Ordnungen praktisch eingesetzt wurde.¹⁴²
142 Vgl. Monique Scheer , Die tätige Seite des Gefühls. Eine Erkundung der impliziten Emotions-
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Die Protagonisten besaßen ein implizites Wissen darüber, wie sie sich in bestimmten Situationen zu verhalten hatten;¹⁴³ dieses Wissen war Teil ihres Habitus geworden.¹⁴⁴ In ihren Habitus war auch ihre soziale Lage inkorporiert, wodurch sie sich ihrer Position als gesellschaftlich höher beziehungsweise tiefer Gestellte bewusst waren und das entsprechende Handlungsrepertoire implizit anwenden konnten. Die Äußerung einer auf diese Weise legitimierten Emotion, die einer Frau aus dem Bergarbeitermilieu – buchstäblich – zu Gesicht stand, konnte von einem beobachtenden Zeit(ungs)genossen entsprechend eingeordnet werden. Die durch Mimik und andere kommunikative Äußerungen dargebrachten Emotionen konnten erkannt, verstanden und auch in eine soziale Struktur eingeordnet werden.¹⁴⁵
7.4.3 Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft als Arbeitgeber der Bergarbeiter in den Bergwerken der Pécser Region präsentierte die Fünfkirchner Zeitung widersprüchlich. Das Dilemma der Zeitung bestand offenbar darin, dass sie die Aktivitäten der DDSG, des wichtigsten Arbeitgebers der Stadt, aus ökonomischer Sicht begrüßen musste, während sie andererseits den Umgang des Unternehmens mit den Bergleuten kritisch betrachtete. Das aus den fernen Hauptstädten Wien und Budapest gelenkte internationale Unternehmen hätte aus der lokalpatriotischen Perspektive der Fünfkirchner Zeitung die ungarischen Arbeiter bevorzugt behandeln müssen. Die mehrere Dekaden zuvor erfolgte Einstellung vieler ausländischer Arbeitskräfte akzeptierte die Fünfkirchner Zeitung, da diese für die Modernisierung und Ausweitung der Bergwerke notwendig gewesen waren. Die sich dadurch verwandelnde soziale Struktur innerhalb des Bergwerks von einer auf persönlichen Vertrauensbeziehungen beruhenden Kooperation hin zu einem bürokratisch und nach ökonomischen Erwägungen geführten Unternehmen nahm das Blatt mit seinem romantischen Wunschbild von einem ungarischen Bergmann wehmütig hin. theorie im Werk Bourdieus, in: Markus Rieger-Ladich/Christian Grabau (Hg.), Pierre Bourdieu: Pädagogische Lektüren, Wiesbaden 2017, S. 255 – 267, hier S. 263. 143 Vgl. Erving Goffman/Ralf Dahrendorf, Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München, Berlin, Zürich 2017. 144 Vgl. Pierre Bourdieu, Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt a. M. 2001, S. 217; vgl. Scheer, Die tätige Seite des Gefühls, in: Rieger-Ladich/Grabau (Hg.), Pierre Bourdieu, 2017, S. 255 – 267, hier S. 264. 145 Diese These belegen zeitgenössische bildliche Darstellungen von Streiks, in denen Frauen abgebildet sind, vgl. Mihály Munkácsy, Sztrájk, Budapest 1895; vgl. Robert Köhler, Der Streik, München 1886; vgl. Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1.
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Die Zeitung kritisierte die mangelhafte Kommunikation zwischen der DDSG und den Bergarbeitern. Die Gesellschaft würde den Bergleuten ihre Entscheidungen über Veränderungen nur unzureichend oder gar nicht mitteilen, sodass die Neuerungen für diese intransparent blieben. Hierzu zählten auch die Entlassungen, die die Zeitung als Grund für den Ausbruch des Streiks betrachtete. Die Beschäftigungspolitik der Bergwerksgesellschaft verunsicherte aus Sicht der Zeitung die Arbeiter. Die Entlassungen ungesehen der Nationalität der Bergleute betrachtete die Fünfkirchner Zeitung kritisch, da hierbei auch Ungarn entlassen wurden. Nach Ansicht des Blattes hätte es vielmehr das Ziel sein müssen, möglichst viele Ungarn in den Bergbau zu holen, um diesen wichtigen Wirtschaftszweig zu nationalisieren. Die DDSG als internationales Unternehmen agierte aber entgegen dem Magyarisierungsideal der Fünfkirchner Zeitung und wurde daher von ihr als notwendiges, aber einflussreiches Übel in der Stadt hingenommen.
7.4.4 Bergwerksdirektor Raimund Wiesner Raimund Wiesner, den Bergwerksdirektor der Pécser DDSG-Niederlassung, präsentierte die Fünfkirchner Zeitung als das normativ ausgleichende Bindeglied zwischen dem international aufgestellten Unternehmen und der (imaginierten) ungarischen Gesellschaft von Pécs einerseits sowie zwischen der DDSG und der Bergarbeiterschaft andererseits. Wiesner agierte in den Darstellungen der Fünfkirchner Zeitung immer als aktiver Gestalter, der bemüht war, die Bergwerke der Pécser Gesellschaft näherzubringen. Sein Ansinnen, in Pécs eine Bergarbeiterschule zu errichten, traf bei der Fünfkirchner Zeitung auf einhellige Zustimmung. Sowohl die Zeitung als auch Wiesner schienen der Meinung zu sein, dass man die Pécser Gesellschaft durch Bildung verbessern, ungarisieren und dem Beruf des Bergarbeiters näherbringen könne. Die Zeitung stellte Wiesner als achtbaren Magyarisierer dar. Die positive Einstellung des Blatts gegenüber dem Bergwerksdirektor erstreckte sich auch auf dessen Verhältnis zu den Bergarbeitern. Die Fünfkirchner Zeitung betrachtete Wiesner als den neuen Schichtmeister in der Nachfolge des alten Meisters, den die Bergleute im Zuge der Unternehmensumstrukturierung bei der DDSG verloren hatten. Die Sympathie für und der Respekt der Fünfkirchner Zeitung vor dem Bergwerksdirektor zeigte sich in ihren Ausführungen, in denen es um scheinbar belanglose Informationen ging. So erwähnte das Blatt, dass der Bergwerksdirektor trotz einer Erkrankung zu den streikenden Bergarbeitern gefahren sei, um mit diesen zu reden. Die Zeitung unterstrich dadurch den Fleiß und die Zugewandtheit des Direktors gegenüber den Bergarbeitern. Die durchweg positive Meinung der Fünfkirchner Zeitung Raimund Wiesner gegenüber konnte dieser als redlicher Pécser Bürger integriert werden.
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7.4.5 Repräsentanten von Behörden Während die Fünfkirchner Zeitung dem Bergwerksdirektor viel Sympathie und großen Respekt entgegenbrachte und ihn als Hoffnungsträger betrachtete, verhielt sich die Zeitung anderen Autoritäten gegenüber zurückhaltend und distanziert. Die Repräsentanten der Stadt, der Komitatsadministration und der Berghauptmannschaft sowie die in das Streikgeschehen involvierten Minister wurden zwar, wie hochgestellte Persönlichkeiten im Allgemeinen, inflationär mit vollem Namen und Titel genannt, jedoch präsentierte die Fünfkirchner Zeitung sie als Personen, die den Bergarbeitern mit professioneller Distanziertheit, nüchterner Rationalität sowie scheinbar entsprechend Recht und Gesetz begegneten. Die Zeitung erwähnte wiederholt deren Nachsicht und Geduld mit den Arbeitern, eine Geduld, die als die Gelassenheit des Mächtigeren gedeutet werden kann. Manche Verhaltensweise der Politiker und des Berghauptmanns den Bergleuten gegenüber kann als herablassend betrachtet werden. Die Absicht dieser Protagonisten war es in der Darstellung der Fünfkirchner Zeitung, Ruhe und Ordnung in den Bergarbeitersiedlungen wiederherzustellen. Eine für die DDSG und die Bergarbeiter gleichermaßen akzeptable Lösung der Probleme schien, so wie die Fünfkirchner Zeitung die Begegnungen schilderte, nicht ernsthaft erwogen worden zu sein. Das Blatt schilderte die Autoritäten, von denen einige auch nach Pécs reisten, eindimensional als Personifizierungen der Exekutivorgane, sie erscheinen in den Texten als Repräsentanten der Macht mit kühler Professionalität. Diese Personengruppe kann aufgrund dieser starken Distanzierung in den Texten auf der höchsten Ebene des gesellschaftlichen Koordinatensystems der Fünfkirchner Zeitung angesiedelt werden; ohne jedoch die lokalpatriotische Sympathie des Blattes zu genießen.
7.4.6 Bürgermeister Johann Aidinger In Bezug auf die Belange der Stadt war der Bürgermeister die ranghöchste Persönlichkeit. Der amtierende Bürgermeister von Pécs, königlicher Rat Johann Aidinger, wurde in der Berichterstattung der Fünfkirchner Zeitung jedoch – wie auch die Analyse der Pécsi Napló zeigen wird – nur am Rande erwähnt. Er schien sich zwar längere Zeit im Streikgebiet aufgehalten zu haben, seine Rolle bei der Bewältigung der Probleme betrachtete die Fünfkirchner Zeitung jedoch offenbar als marginal. Der Bürgermeister scheint für die Zeitung zur städtischen Oberschicht gezählt zu haben, er wurde mit dem entsprechenden Respekt behandelt, aber im Großen und Ganzen wurde er journalistisch vernachlässigt.
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7.4.7 Die Exekutive Umso mehr Beachtung und Bewunderung durch die Fünfkirchner Zeitung erhielten die Organe der Exekutive bei der Überwachung und Auflösung des Streiks. Während die Polizei nur eine Nebenrolle spielte, präsentierte das Blatt die Gendarmerie als ein präzise und zuverlässig funktionierendes Exekutivorgan. Bewunderung und Respekt der Fünfkirchner Zeitung sind dabei kaum zu übersehen. Die Gendarmerie behandelte die widerspenstigen Bergarbeiter so, wie es das Blatt erwartete: „daß alle Mann Hiebe und Püffe bekamen.“¹⁴⁶ Insbesondere die Offiziere des Militärs genossen in den Artikeln der Fünfkirchner Zeitung hohes Ansehen. Ihre Professionalität und Fertigkeiten lobte die Zeitung besonders. Die Fünfkirchner Zeitung stellte das Militär im Umgang mit den streikenden Bergarbeitern als eine verlässliche, mutige, disziplinierte, professionell handelnde und den Autoritäten gehorchende Mannschaft dar. Die einfachen Soldaten können dabei als Pendant zu den undisziplinierten, devianten Bergarbeitern aufgefasst werden. Vom Vorgehen der Husaren gegen die Streikenden war die Fünfkirchner Zeitung besonders beeindruckt. Die Sympathie und Bewunderung der Zeitung gegenüber den Militärangehörigen dürfte durch deren Bekanntheit aufgrund ihrer Präsenz in der Stadt verstärkt worden sein. Die Kasernen und Übungsplätze des Militärs befanden sich am südlichen Stadtrand von Pécs, wodurch die Anwesenheit von Soldaten in der Stadt zum Alltag gehörte. Der persönliche Umgang mit Offizieren in Einrichtungen, in denen auch das Pécser Bürgertum verkehrte, muss den Mitarbeitern des Blatts durchaus vertraut gewesen sein. Durch diese Nähe und die Sympathie der Fünfkirchner Zeitung sowie aufgrund ihrer hervorgehobenen Professionalität zählte das Militär in der sozialen Ordnungsvorstellung der Zeitung zu einer geachteten Pécser Gesellschaftsschicht. Die Analyse der Fünfkirchner Zeitung zeigt, dass die Bewertung von Personen und Gruppen durch das Blatt maßgeblich von drei Faktoren beeinflusst war. In ihrem Normensystem präferierte die Zeitung Personen und Gruppierungen, deren Status und Zugehörigkeit zu Pécs sowie deren Haltung zur Magyarisierung sie positiv bewertete. Diese Akteure lud die Fünfkirchner Zeitung mit für sie typischen Zuschreibungen auf und erzeugte damit eine spezifische imaginierte Pécser Gesellschaftsordnung. Die Fünfkirchner Zeitung imaginierte das Idealbild eines fleißigen, starken, treuen, braven und sich unterordnenden ungarischen Bergmanns. In der Gesell-
146 Anon, Strike Bouilletins [sic!], Der blutige Montag. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
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schaftsvorstellung des Blatts sollten die Bergarbeiter „gehorchende“¹⁴⁷ sein. Die von der Fünfkirchner Zeitung imaginierte Pécser Gesellschaft gestaltete und ordnete die Zeitung mit ihren kulturellen Eigenschaften mit. Dabei positionierte sie die Bergarbeiter im sozialen Raum dieser Gesellschaft am unteren Rand. Die Arbeitsniederlegung der Bergleute war die Hintergrundfolie, vor der die Ordnungsvorstellungen des Blatts sichtbar wurden. Das Normensystem der Fünfkirchner Zeitung lässt sich auch in ihrer räumlichen Positionierungspraxis erkennen. Die Zeitung skizzierte einen sozialen Raum, in den sie wohlgelittene Personen als legitime Mitglieder des städtischen Gemeinwesens hereinnahm und diese hervorhob beziehungsweise indem sie Angehörige der städtischen Oberschicht im oberen Bereich des mehrdimensionalen sozialen Raums positionierte. Dementgegen expatriierte die Fünfkirchner Zeitung unerwünschte Akteure, Ideologien und Macht und platzierte diese außerhalb der Stadtgrenzen. Die Darstellungen von Nähe und Ferne korrespondieren mit den normativen Eigen- und Fremdzuschreibungen der Zeitung, oder wie es Pierre Bourdieu formuliert, „es ist der Habitus, der das Habitat macht“.¹⁴⁸ Das Eigene konzentrierte sich dabei im imaginären Raum der Fünfkirchner Zeitung im Pécser Stadtzentrum mitsamt der diesem eigenen Diversität. Fremdes wie auch Illegitimes nahm stadtauswärts über Pécsbányatelep und die übrigen Bergarbeitersiedlungen Szabolcs, Somogy und Vasas sowie über Budapest und Wien bis hin nach Deutschland immer weiter zu.
147 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 148 Bourdieu, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Wentz (Hg.), Stadt-Räume, 1991, S. 25 – 34, hier S. 32.
8 Zwischen den „Paschas“¹ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen in den Kolonien“.² Die Berichterstattung der Pécsi Figyelő über den Bergarbeiterstreik von 1893 Die 1890er Jahre waren für die Pécsi Figyelő turbulent. Die Redaktion war in dieser Dekade an den damals modern ausgebauten Széchenyi-Platz im Pécser Zentrum umgezogen, wo sie mit dem Büro des Herausgebers zusammengelegt wurde. Der bisherige Redakteur der Zeitung Ferenc Várady wechselte zur Pécsi Napló und sein Nachfolger Lajos Haksch, der bis dahin die Pécsi Hírlap redigiert hatte, führte die beiden Zeitungen unter dem Doppelnamen Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) zusammen.³ Dieses Bäumchen-wechsle-dich der Redakteure verweist beispielhaft auf die Verbindungstrukturen in den Pécser Journalistenkreisen im späten 19. Jahrhundert. Die Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap)⁴ erschien von April 1890 an wöchentlich zweimal, ab Dezember 1893 sogar dreimal.⁵ In seinem Begrüßungsartikel versuchte der neue Redakteur Haksch, sowohl die Leser der Pécsi Figyelő als auch seine ihm „zu Freunden“⁶ gewordenen Leser der Pécsi Hírlap der neuen Konstellation der Zeitung gewogen zu machen.⁷ Einen neuen Leserkreis wie etwa die Arbeiterschaft hatte das sich an die oppositionell denkende gebildete Bürgerschaft wendende⁸ Blatt zu dieser Zeit wahrscheinlich nicht im Blick. Allerdings war laut den Angaben im Kopfteil einer jeden Ausgabe die Zeitung auf dem Land in jedem Postamt erhältlich und demnach vielleicht auch in einer der Bergarbeitersiedlungen. Die Bezugsmöglichkeiten für Einzelausgaben innerhalb der Stadt hatten sich in den 1890er
1 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Der mit Gewalt niedergerungene Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 2 Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 3 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 60. 4 Im Folgenden nenne ich im Text der Einfachheit halber nur den ersten Namen der Zeitung Pécsi Figyelő ohne den Zusatz (Pécsi Hírlap). 5 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263. 6 Lajos Haksch, T. olvasóimhoz, [An meine geehrten Leser], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 1. 7 Vgl. ebd. 8 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. https://doi.org/10.1515/9783111247113-008
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8 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen …“
Jahren erweitert; nun wurde die Zeitung nicht nur am Széchenyi-Platz, sondern auch an drei weiteren Orten in Pécs verkauft.⁹ Wie auch bei den anderen hier untersuchten Pécser Zeitungen konzentrierte sich die Beschäftigung der Pécsi Figyelő mit den Bergarbeitern auf die Wochen und Tage, in denen diese die Arbeit niederlegten und dadurch die gewohnte Ordnung der Stadt und ihrer Umgebung molestierten. Zwischen dem 10. Mai und dem 8. Juli 1893 erschienen in der Pécsi Figyelő in neun Ausgaben 18 Zeitungsartikel, wovon sich während der zwei Wochen der Arbeitsniederlegung in drei Ausgaben bis zu drei Artikel unterschiedlichen Umfangs fanden. Die meisten Artikel über den Streik waren auf der dritten Seite der Ausgaben zu finden. Viele der Beiträge hatten lediglich Nachrichten- (S) oder Kurznachrichtenlänge (XS). In der Pécsi Figyelő erschien 1893 dagegen lediglich ein einziger ausführlicher Leitartikel über den Streik.¹⁰ Bergarbeiter gerieten erst wieder ins Visier der Zeitung, als sie im Februar 1894 im etwa 35 Kilometer östlich gelegenen Szászvár die Arbeit niederlegten.¹¹ Die Pécsi Figyelő berichtete von 1892 bis 1894 stets von den Feierlichkeiten am Tag der heiligen Barbara in Form von Kurznachrichten. In den Jahren davor und danach waren Nachrichten über diese Feste nur unregelmäßig zu finden.¹² Den in den 1890er Jahren neu hinzugekommenen Festtag der Arbeiter, den Ersten Mai, nutzte die Zeitung, um zur Frage der Arbeiterschaft im Allgemeinen Stellung zu beziehen, etwa in einem langen Beitrag mit dem Titel „Arbeiter und Arbeitgeber“¹³ im Mai 1893. Die Überschriften der Zeitungsartikel über den Bergarbeiterstreik 1893 waren in der Regel sprechend und enthielten häufig eine Anspielung auf die Meinung der Zeitung. Die Artikel über den Streik von 1894 in Szászvár waren dagegen seriell und rein deskriptiv. Doch von diesem Streik stammt die erste publizierte Äußerung eines Bergarbeiters. Ein „Freund der Zeitung“¹⁴ habe, so die Pécsi Figyelő, mit einem der streikenden Bergmänner gesprochen und dessen Erzählung an das Blatt weitergeleitet. Wer der Bergmann, wer der Freund der Zeitung gewesen sein könnten, ist
9 Vgl. Lajos Haksch, T. olvasóimhoz, [An meine geehrten Leser], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 1. 10 Vgl. Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 11 Die Berichterstattung der Pécsi Figyelő über den Streik der Szászvárer Bergarbeiter der DDSG im Februar 1894 habe ich in die Untersuchung miteinbezogen, da sie eine Art Fortsetzung des Pécser Streikes gewesen zu sein scheint und die Perspektive der Zeitung auf Bergarbeiter erweitern konnte. 12 Siehe hierzu die Tabelle der chronologischen Verteilung der Berichterstattung in der Pécser Presse. 13 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 14 Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2.
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nicht nachvollziehbar.¹⁵ Auch die übrigen Quellen, Autoren und Informanten der Pécsi Figyelő waren im Kontext der Streikberichterstattung nicht identifizierbar. In ihren Beiträgen zum Streik machte die Zeitung keine Andeutungen, woher ihre Informationen stammten, und es ließ sich kein Hinweis darauf finden, dass sich ein Korrespondent im Streikgebiet aufhielt – was in den anderen Blättern teils explizit hervorgehoben wurde. Möglicherweise aufgrund ihrer personellen Vernetzung in den Journalistenkreisen der Stadt hielt sich die Pécsi Figyelő mit Seitenhieben und Kritik an der lokalen Konkurrenz zurück. Auch Andeutungen über die Missbilligung der Arbeitsweise hauptstädtischer Zeitungen, welche bei Konkurrenzblättern üblich waren, blieben Ausnahmen. Die Pécsi Figyelő scheint sich auch in dieser Hinsicht ganz auf das Lokale und Regionale fokussiert zu haben. Je lokaler das Ereignis, desto besser, könnte man sagen, denn die Pécsi Figyelő stellte Vorgänge, die sich in der Nähe des Redaktionssitzes ereigneten, wie bei einer Nahaufnahme mit besonderer Präzision dar. Die Bergarbeitersiedlungen lagen offenbar am Rande dieser Zone. Anstelle genauer Beschreibungen von Vorgängen im Streikgebiet analysierte die Zeitung das Verhalten der Protagonisten im Stadtzentrum und ihre Probleme wesentlich detaillierter. Diese Unterschiede von Nähe und Distanz lassen sich auch in der Pécsi Figyelő feststellen. Das Fehlverhalten von Persönlichkeiten, die der Zeitung unsympathisch waren, schilderte sie wie unter einem Brennglas oftmals sehr genau. Um ihre Antipathie zu unterstreichen, verwendete die Pécsi Figyelő zum Teil starke Metaphern wie die des Paschas. Sympathische Personen blieben dagegen häufig unterbelichtet, so auch die Bergarbeiter. In ihrer Berichterstattung über den Streik musste die Pécsi Figyelő nolens volens über bestimmte Schlüsselfiguren der Ereignisse berichten. Auffällig ist, dass die Zeitung hierbei die vor allem in der Fünfkirchner Zeitung stark hervorgehobenen Ränge und Titel der Protagonisten aus der Oberschicht kaum nannte. Die Pécsi Figyelő präsentierte durch ihre Berichterstattung über den Bergarbeiterstreik von 1893 eine weitere Perspektive der Lokalpresse auf die Bergleute, auf die Pécser Gesellschaft und auf deren Diskurse. Die Differenzen in ihrer Repräsentation der Streikprotagonisten erweitern und vertiefen die Kenntnisse über die Art und Weise der Hervorbringung gesellschaftlicher Ordnungen in der Stadt Pécs auf den Seiten der Zeitungen. In den folgenden Abschnitten analysiere ich die Darstellungsweisen der zentralen Protagonisten der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő und interpretiere die beobachtbaren kulturellen Praktiken dieser kommunikativen Äußerungen. Meine Betrachtung beginne ich mit dem Arbeitgeber der Bergleute, der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, darauf folgen die Analysen
15 Vgl. ebd.
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der Darstellungsweisen von Repräsentanten des ungarischen Staates, des Komitats und der Stadt Pécs, um schließlich die Äußerungen der Zeitung über die Bergarbeiter genauer zu untersuchen.
8.1 Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in der Pécsi Figyelő Wenn diese Ankündigung wahr ist, so wirft das ein sehr seltsames Licht auf die sogenannten ‚guten Absichten‘ der Gesellschaft.¹⁶
Um die Einstellung der Pécsi Figyelő gegenüber den Bergarbeitern gut erfassen zu können, kann ihr Arbeitgeber, die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, und deren Pécser Direktor Raimund Wiesner nicht außer Acht gelassen werden. Die DDSG war der Arbeitgeber der vielen tausend vorwiegend eingewanderten Bergleute im nahen Umland von Pécs. Daher war das Unternehmen auch der Adressat ihrer Beschwerden im Streik. Als größtes Unternehmen der Stadt war die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft aber für die gesamte Pécser Gesellschaft und darüber hinaus für ganz Ungarn von Belang.¹⁷ Die Pécsi Figyelő widmete der Schifffahrtsgesellschaft während des Streiks 1893 dementsprechend einige Aufmerksamkeit. Hierin werden das Wissen, Meinen und die Normvorstellungen der Zeitung über das Unternehmen, ihre Meinung über die Beziehung des Unternehmens zu den Bergarbeitern sowie die eigene Positionierung der Zeitung zu diesen beiden Protagonisten für eine kulturwissenschaftliche Betrachtung sichtbar. Die allgemeine Analyse der wirtschaftlichen Lage der DDSG fiel in der Beurteilung der Pécsi Figyelő relativ schlecht aus. Die Zeitung hielt fest: „Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft befindet sich derzeit nicht in der brillantesten Lage.“¹⁸ Das Blatt begründete dies mit dem Raubbau, den das Unternehmen in den vorangegangenen Jahren betrieben habe, mit der der DDSG gegenüber zunehmend fordernd auftretenden ungarischen Regierung, mit der schlechten Wirtschaftsführung des Unternehmens, die manche Stammabnehmer der Kohle zur Konkurrenz habe abwandern lassen, und schließlich mit den daraus resultierenden riesigen
16 Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 17 Vgl. Zoltán Huszár, A szénbányászat szerepe Pécs város fejlődésében, in: Gábor Szirtes/Dezső Vargha (Hg.), Mozaikok Pécs és Baranya gazdaságtörténetéből. Tanulmányok, Pécs 2005, S. 186 – 206, hier S. 186. 18 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
8.1 Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in der Pécsi Figyelő
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Kohlevorräten, die in Mohács angehäuft und dort dem Verderb ausgeliefert seien.¹⁹ Die Pécsi Figyelő bescheinigte der DDSG, nicht nur kaufmännisch schlecht zu wirtschaften. Die DDSG habe, wohl um ihr Renommee zu schützen, ihre schlechte Situation fälschlicherweise vor den eigenen Arbeitern verschwiegen und sei daher auch ein schlechter Kommunikator.²⁰ Aufgrund dieser ungünstigen wirtschaftlichen Lage war es für die Zeitung nicht verwunderlich, dass die DDSG die Forderungen der Arbeiter nur zurückweisen konnte.²¹ Die Pécsi Figyelő kritisierte an mehreren Stellen die ungenügende Kommunikation des Unternehmens mit seinen Arbeitern und konstatierte, dass es nicht verwunderlich sei, dass die Arbeiter die Ablehnung ihrer Lohnwünsche als Erpressung betrachteten, denn die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft sei „in ihrer Richtung noch nie ganz ehrlich gewesen“.²² Um das Beziehungsgeflecht der Pécsi Figyelő mit der Dampfschifffahrtsgesellschaft und der Pécser Gesellschaft sowie zwischen ihr und den Bergarbeitern zu untersuchen, erwiesen sich zwei Sorten von Zeitungsartikeln als besonders ergiebig: Zum einen die kurzen alljährlichen Nachrichten über die Feiern zu Ehren der heiligen Barbara Anfang Dezember, zum anderen die Berichte über die Streikverhandlungen zwischen den beiden Protagonistengruppen nach der Beendigung des Streiks Ende Juni 1893. Es scheint, als ob die Zeitung die Bergarbeiter und ihren Arbeitgeber lediglich bei diesen Gelegenheiten in einem (fast) direkten Kontakt miteinander beobachtet habe. Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft war über ihre Beziehung mit den Bergarbeitern hinaus in weitere relevante gesellschaftliche Netzwerke involviert. Diese Vernetzungen wurden bei der Lektüre der Zeitungsartikel offensichtlich und sind zum Verständnis der Perspektive der Pécsi Figyelő unerlässlich. Die Position der Dampfschifffahrtsgesellschaft auf der gesellschaftlichen Landkarte von Pécs lässt sich in den Zeilen des Blatts zwischen vier wesentlichen Protagonisten und Protagonistengruppen verorten: der ungarische Staat als ein eher abstrakter Protagonist im Kontext des Streiks, die Pécser Bürger mit ihrem Bürgermeister Johann Aidinger, die staatliche Berghauptmannschaft, vertreten durch Berghauptmann Kamill Kaufmann, und schließlich die Bergarbeiter selbst. Die Pécsi Figyelő bewertete die Beziehung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zum ungarischen Staat und vice versa als problematisch. Die Zeitung zeigt in ihren Darstellungen immer wieder die Nähe des Unternehmens zu staatlichen Organen. An einer Stelle postuliert das Blatt allerdings auch, dass die zunehmend 19 20 21 22
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd.
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rigoros gestellten Forderungen der Regierung die Lage des Unternehmens verschärften.²³ Dennoch berichtete die Zeitung des Öfteren über Ereignisse, in denen die Verbundenheit und Nähe der Angestellten der DDSG zur städtischen Oberschicht sichtbar wurde. So beschrieb die Pécsi Figyelő eine Szene, in der der Bergwerksdirektor einen Toast auf den König als obersten Bergherrn ausbrachte.²⁴ János Kosztela, ein Bergbauingenieur der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, toastete demnach auf demselben Bankett auf Bürgermeister Aidinger und auf Obergespan Kardos.²⁵ Auch wenn solche Ehrerbietungspraktiken zu den Alltagspraktiken der Zeit gehörten, ihre Erwähnung in der Zeitung verweist einerseits auf die soziale Nähe des Unternehmens zu dominanten gesellschaftlichen Gruppierungen des Landes, andererseits auf ihre Relevanz für die Zeitung, die darüber berichtete. An einer Stelle kritisierte die Pécsi Figyelő wiederum die eigenmächtige Einmischung der Behörden in die Angelegenheit zwischen Bergarbeitern und ihrem Arbeitgeber ungewöhnlich stark: „Der einfache Arbeiter […] folgert daraus, dass die Behörde mit seinem Gegner an einem Strang zieht. Das Arbeitervolk hatte nun tatsächlich Recht darin, das zu vermuten. Die Behörde hat schlicht Partei ergriffen […] Bis hierhin meine Herren, nicht weiter!“²⁶ Die hier kritisierte vertraute Kooperation zwischen der DDSG und den Behörden zeigte sich nach Ansicht der Pécsi Figyelő an anderer Stelle darin, dass die Direktion der Bergbaugesellschaft bei der Ausrufung des Streiks sofort die Hilfe der „politischen Behörden“²⁷ angefordert habe.²⁸ Die Pécsi Figyelő konstatierte, dass sowohl den Komitatsbehörden als auch der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft das Bewusstsein für ihre gesellschaftliche Aufgabe abhandengekommen sei und dass die Behörden als Repräsentanten des Staates in Konflikten wie dem Streik die Pflicht hätten, unparteiisch aufzutreten.²⁹ Einige Maßnahmen des Bergwerkdirektors Raimund Wiesner schienen nach Ansicht der Pécsi Figyelő ebenfalls eher den Vorstellungen der Behörden entsprochen zu haben als denen der Bergarbeiter. So habe sich Direktor Wiesner in der 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2. 25 Vgl. ebd. 26 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 27 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepeken, [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5.
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Verhandlung mit den Arbeitern bereitwillig der Meinung des Berghauptmannes angeschlossen: „Die Anhebung der Grundlöhne auf 2 – 3 Forint bezeichnete der Berghauptmann sofort als ein Absurdum“,³⁰ woraufhin Direktor Wiesner, wie die Pécsi Figyelő festhielt, die Lohnforderungen der Bergleute kategorisch ablehnte. Der Bergwerksdirektor akzeptierte, so die Zeitung, lediglich jene Forderungen der Bergarbeiter, die auch der Vertreter des staatlichen Kontrollorgans als annehmbar bezeichnet hatte. Der Bergwerksdirektor, so die Pécsi Figyelő, versprach lediglich eine Gefahrenzulage, die Herausgabe der Bergpolizeiordnung auf Deutsch und nun auch auf Ungarisch sowie die Reduzierung der Mieten für Werkswohnungen auf Selbstkostenniveau. Außerdem sollte den Bergmannsfamilien Grubenholz als Brennmaterial zu Verfügung gestellt werden, Strafabzüge sollten künftig in die Bruderlade fließen und zur Erfassung der korrekten Arbeitsleistung sollten Arbeitsbücher herausgegeben werden. Schließlich erkannte Wiesner auch den Ersten Mai als Feiertag an – der allerdings, wie sich herausstellen sollte, nicht mit einem arbeitsfreien Tag für die Bergarbeiter gleichzusetzen war.³¹ Im Gegensatz zur Nähe und Verbundenheit der Direktion der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zur Oberschicht des Landes ist die Distanz und die Fremdheit der Direktion zu den Pécser Bergarbeitern der Berichterstattung der Pécsi Figyelő zu entnehmen. Die Distanz und Fremdheit des Bergbaudirektors zu den Bergleuten zeigt sich in den Zeilen der Pécsi Figyelő beispielsweise in dessen offensichtlicher Überraschung, als ihm bei der Verhandlung am Ende des Streiks Lohnlisten der Bergleute vorgelegt wurden, die von den Aufsehern der DDSG zugunsten des Unternehmens manipuliert gewesen sein sollen: „Die Enthüllung tangierte den Bergwerksdirektor sichtlich unangenehm, woraufhin er sagte, warum sind sie nicht zu ihm gekommen, sich zu beschweren? Er wolle den Bergarbeitern nicht schaden.“³² Diese unangenehme Überraschung des Bergwerksdirektors kann dem fehlenden Kontakt mit den Arbeitern aufgrund seiner Distanziertheit ihnen gegenüber und der daraus resultierenden Unkenntnis ihrer Lebenswelt zugeschrieben werden. Dass Bergwerksdirektor Wiesner bei seiner Ankunft in Szabolcs von den Streikenden mit großem Applaus empfangen wurde, könnte als eine ironische Reaktion der Bergleute auf das Verhalten des Direktors ihnen gegenüber gedeutet
30 Anon, Bányászok ügyének tárgyalása, [Die Verhandlung der Sache der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. 31 Vgl. ebd. 32 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5.
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werden. „Bergwerksdirektor Maas [sic!] und Emil [sic!] Kaufmann ,³³ der entsandte Berghauptmann, gingen am Freitagmorgen zu den Arbeitern, die sie mit großen Ovationen empfingen.“³⁴ Hierbei konnte beim Leser des Artikels der Eindruck entstehen, als ob die Bergleute vom Besuch des Direktors und des Berghauptmanns nicht allzu viel erwartet hätten. Die Ovationen der Bergleute können auch als eine ironische Geste gedeutet werden, mit der die Besonderheit, dass die beiden Verantwortlichen sich zu den Bergarbeitern außerhalb der Stadt begaben, goutiert wurde. Einen weiteren Schauplatz der Distanzierung und Ausgrenzung der Bergarbeiter präsentierte die Berichterstattung der Pécsi Figyelő im Rahmen alljährlichen Festlichkeiten zu Ehren der heiligen Barbara. Die Feierlichkeiten fanden der Zeitung zufolge zwar in derselben Pécser Kirche statt, allerdings in separaten Gottesdiensten, die bisweilen sogar an unterschiedlichen Wochentagen stattfanden.³⁵ Zuerst hielt ein Pfarrer einen Gottesdienst eigens für die Bergarbeiterschaft ab, später zelebrierte der Bischof eine Messe für die Schutzheilige der Bergleute, an der Bergwerksdirektor Wiesner, die höheren Angestellten der DDSG und Mitglieder der Pécser Bürgerschaft teilnahmen: Morgens um neun Uhr hielt Pfarrer József Kristóf die Predigt für die Bergleute, an deren Ende er ermutigende Worte an diese richtete. Um zehn Uhr zog die Bergbaubeamtenschaft mit Rajmár Wiesner an der Spitze in die Kirche ein, wo Bischof Ferenc Troll mit einer hervorragenden Unterstützung eine feierliche große Messe abgehalten hat, zu welcher der Bergarbeiterchor mit schönem Gesang beigetragen hat. Nach beendigter Messe begleitete die Bergarbeiterkapelle die Priesterschaft zur Pfarrei, während die Beamtenschaft zur Direktion der Gesellschaft gezogen ist, wo sie die Gäste erwarteten und diese bei ihrer Ankunft mit nicht endenden Ovationen empfingen. Das Festessen begann um 1 Uhr im großen Saal des Kasinos. […] Am Abend fand ein Ball statt, auf dem bis zum Schluss ungezwungene Fröhlichkeit herrschte. Die Arbeiter der Koch’schen Bergwerke amüsierten sich in der Scholz’schen Bierhalle.³⁶
33 In diesem Beitrag scheint der Pécsi Figyelő ein Lapsus unterlaufen zu sein: Bergwerksdirektor war zu dieser Zeit bereits Raimund Wiesner und nicht Maas, wie hier abgedruckt. Die Verwendung des Vornamens Emil für den Berghauptmann könnte auf einem Missverständnis beruhen. Der Berghauptmann hieß anderen Quellen zufolge mit Vornamen Kamill beziehungsweise Camillo. Vgl. Déry, Magyar Bánya-Kalauz, 1896, S. 2. 34 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 35 Anhand von Hinweisen kann angenommen werden, dass zu dieser Zeit die Gottesdienste zu Ehren der heiligen Barbara im der Szent Ágoston Templom [Sankt Augustinus Kirche] abgehalten wurden.Vgl. Anon, Borbála napja, [Der Barbara Tag], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 98, Mittwoch, 7. Dezember S. 3; vgl. László Boros, Az Ágoston-rendiek pécsi temploma, in: Pécsi Szemle 11 (2008), ősz, S. 20 – 43, hier S.31. 36 Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2.
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Die räumliche Trennung der gesellschaftlichen Gruppen setzte sich in den Zeilen der Pécsi Figyelő nach dem Gottesdienst fort. Während die Bergarbeiter aus Pécsbányatelep den Tag ihrer Schutzheiligen im Scholz’schen Gasthaus in der Budaer Vorstadt von Pécs³⁷ bei Bier und Wein verbrachten,³⁸ feierten die Bergwerksangestellten den „Barbaraball“³⁹ im zentral gelegenen Kasino mit einem Festessen, woran im Späteren auch die städtische Jugendteilnahm.⁴⁰ Die Pécsi Figyelő betonte die ungünstige ökonomische Situation der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft um das Jahr 1893, in der ihr die finanziellen Spielräume fehlten, um den Bergarbeitern umfassende Zugeständnisse machen zu können. Die Zeitung schloss daraus, dass die DDSG schlecht gewirtschaftet habe. Das Blatt beklagte außerdem, dass das Unternehmen mit seinen Arbeitern schlecht kommuniziert habe, wodurch es in deren Augen seine Glaubwürdigkeit verloren habe. Die Nähe des Unternehmens und seiner Repräsentanten zur ungarischen Oberschicht betrachtete die Zeitung explizit negativ. Unproblematisch dagegen war nach Ansicht der Pécsi Figyelő das Zusammenleben der Angestellten mit der städtischen Pécser Gesellschaft. Der zeitgenössische Leser der Pécsi Figyelő konnte die DDSG als einen mächtigen Faktor innerhalb der Stadt wahrnehmen, der allerdings nicht ganz unproblematisch war. Die kritisierte große Distanziertheit der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft gegenüber ihren Bergarbeitern lässt sich in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő anhand zweier unterschiedlicher Ereignisse besonders gut beobachten: die Berichterstattung über die Festlichkeiten am Barbaratag und über die Streikverhandlungen. Die Art der Darstellung der jeweiligen Situation lässt auf eine unterschichtende Ausgrenzung⁴¹ der Bergarbeiter durch die höheren Angestellten der DDSG schließen.
37 Die Scholz’sche Bierhalle befand sich im Osten der Stadt, in der Sörház utca 8 (heute Dr. Majorossy Imre u. 8). Sie war die Brauereigaststätte der Brauerei von Antal Scholz. Vgl. Ágost Trebbin, Azok a régi szép idők… Kalandozások a régi Pécs városában – 9, in: Hetedhéthatár, 09. Dezember 2011. Online: http: //hetedhethatar.hu/hethatar/?p=16692 (letzt. Zugr. 05.12. 2019). Die Koch’schen Bergwerke, die sich zu der Zeit bereits in Besitz der DDSG befanden, lagen nordöstlich von Pécs, sodass die Arbeiter keinen weiten Weg zu der Gaststätte hatten. 38 Vgl. Anon, A bányatelepi munkások ünnepe, [Feier der Arbeiter der Bergarbeitersiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 75, Mittwoch, 5. Dezember, S. 3 – 4. 39 Anon, Borbála napja, [Der Barbara Tag], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 98, Mittwoch, 7. Dezember S. 3. 40 Vgl. ebd. 41 „Wir nennen eine Einwanderung unterschichtend, wenn die Einwanderer zum überwiegenden Teil in die untersten Positionen des sozialen Schichtsystems eintreten und eine neue soziale Schicht unter der Schichtstruktur des Einwanderungskontextes bilden.“ Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny,
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Die Pécsi Figyelő selbst verhielt sich zur Donaudampfschifffahrtsgesellschaft ebenfalls kritisch und distanziert. Bei der Analyse der Zeitung entstand der Eindruck, die Pécsi Figyelő habe sich auf ihrer imaginierten gesellschaftlichen Landkarte zwischen dem mächtigen Unternehmen und den in ihren Augen machtlosen Bergarbeitern positioniert.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő Die Repräsentanten der Stadt, des Komitats und des ungarischen Staates ließ die Pécsi Figyelő in ihrer Berichterstattung über den Bergarbeiterstreik 1893 großteils in einem sehr schlechten Licht erscheinen. Starke Kritik, moralische Verurteilung und die damit einhergehende soziale Distanzierung der Zeitung von der Oberschicht zeigte sich bereits in der Berichterstattung über den Streik von 1882 auf vergleichbare Weise.⁴² Die Pécsi Figyelő musste sich mit den in das Streikgeschehen involvierten Institutionen und ihren Vertretern auch während des Streiks von 1893 zwangsläufig auseinandersetzen. Diese behandelte die Zeitung mit spezifischen Gewichtungen und Sichtweisen, weshalb sich die Prägung der sozialen Ordnungsvorstellung der Pécsi Figyelő an ihrer Berichterstattung ablesen lässt. Die Beschreibungen, Beurteilungen und Kritiken über die Oberschicht des Landes in den Zeitungsartikeln erweitern, verfeinern und diversifizieren das Bild der Gesellschaftsvorstellung der Pécsi Figyelő. Fünf Tage nach der Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks 1893 veröffentlichte die Pécsi Figyelő einen ungewöhnlich langen Leitartikel, in dem es um den Umgang der Behörden mit dem Streik ging. Bereits die Überschrift dokumentiert die Meinung der Zeitung: „Mit Gewalt niedergerungener Streik“.⁴³ Die Pécsi Figyelő stellte darin den Behördenvertretern der Stadt Pécs und des Komitats ein schlechtes Zeugnis für deren Krisenmanagement aus. „Und daraus wird nur dieses evident,
Soziologie des Fremdarbeiterproblems. Eine theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweiz, Stuttgart 1973, S. 2. 42 In der Anfangsphase der Untersuchung habe ich die Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő über den Bergarbeiterstreik 1882 noch näher in die Forschung einbezogen und im Rahmen des interpretativen Samplings teilweise bearbeitet, sodass für einige Phänomene hilfreiche Vergleichsmomente entstanden sind. 43 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten
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dass der intervenierende Potentat kein so besonders talentierter Administrator, daneben ein schlechter Jurist und insbesondere ein sehr schlechter Polizist ist.“⁴⁴ Die Pécsi Figyelő übte starke Kritik am Vorgehen der Behörden und an den Amtsträgern während des Bergarbeiterstreiks. Sie kritisierte allgemein, dass die Behörden sich zu Unrecht und allzu parteiisch in die Angelegenheit zwischen den Bergarbeitern und ihrem Arbeitgeber eingemischt hätten. Der Militäreinsatz sei in der gegebenen Situation unnötig gewesen, da die Streikenden sich ruhig verhalten hätten.⁴⁵ Der Einsatz sei, so die Pécsi Figyelő weiter, nicht nur unrechtmäßig gewesen, sondern habe sich sogar gegen die Weisung des Innenministeriums gerichtet.⁴⁶ Darüber hinaus sei der Einsatz der Soldaten nicht nur übertrieben gewaltsam gewesen, sondern sei von den Behörden selbst provoziert worden. Nach Ansicht der Zeitung hätte sich die Exekutive lediglich präventiv am Ort des Streiks aufhalten müssen, um bei einer möglichen Eskalation einzugreifen. Die Pécsi Figyelő bemängelte bei all diesen Vorwürfen den Habitus der lokalen Amtsträger. Die Zeitung bezeichnete diese als „beschränkte kleine Götter von Baranya“⁴⁷ beziehungsweise als „Potentaten“⁴⁸ und bescheinigte ihnen Paternalismus und Paschaallüren. Insbesondere László Szily, den Vizegespan des Komitats, präsentierte die Pécsi Figyelő als eine parteiische, arrogante und den Bergarbeitern gegenüber überhebliche Person. Die Pécsi Figyelő bemängelte in ihren Beiträgen wiederholt, dass die Behörden nicht mit der gebotenen Neutralität an die „Arbeiterklasse“⁴⁹ herantraten. Während des Streiks forderte die Zeitung mehrmals, dass die Behörden im Streikgebiet lediglich Präsenz zeigen sollen. Der Staat habe sich nicht in die Angelegenheiten zwischen den Bergarbeitern und ihrem Arbeitgeber einzumischen, solange die Verhandlungen zwischen diesen liefen; in den Verhandlungen habe der Staat nichts zu suchen und die Behörden sollten erst dann eingreifen, wenn Ausschreitungen die allgemeine Ordnung gefährdeten.⁵⁰ Die Pécsi Figyelő befand, dass die Behördenvertreter durch ihre Einmischung sowie durch ihre Versprechungen und Dro-
44 Ebd. 45 Die Zeitung meint die Räumung der Ortschaft Szabolcs durch das Militär, die Gendarmerie und die Polizei am Nachmittag des 12. Juni 1893. Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepeken, [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5. 46 Vgl. ebd. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Anon, Május elseje, [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 50 Vgl. Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
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hungen die Situation verschlimmert hätten: „Zuerst verdarb unbefugter Paternalismus die Sache, dann illegales Pascha-Verhalten.“⁵¹ Das Vorgehen der Exekutive beschrieb die Zeitung mit drastischen Worten: Die Masse, die die Behörde mit Waffengewalt niedertrampeln, mit Bajonetten stechen, mit Säbelflanken verprügeln ließ, war ein zwar herumschreiender, aber unbewaffneter und keine rohe Gewalt anwenden wollender Menschenhaufen, welcher weder Bomben in den Häusern versteckt hielt noch vorhatte solche, auf die Bergwerksgebäude zu werfen, noch hat er Waffen gegen die Behörden gerichtet; selbst zuletzt griff nur der eine oder andere Arbeiter zur Selbstverteidigung zu etwas, was in seine Hände fiel.⁵²
Durch die Kritik, die teilweise ironische Züge trug, distanzierte sich die Pécsi Figyelő gegenüber den mächtigen Repräsentanten der Behörden. Dabei hob die Zeitung bestimmte Protagonistengruppen und Personen hervor, andere blieben von ihr unbeachtet.
8.2.1 Die Exekutivorgane: Militär, Polizei und Gendarmerie Die Darstellung des Militärs im Kontext des Streiks war in der Pécsi Figyelő auffallend martialisch. Die Zeitung scheint bemüht gewesen zu sein, die Auftritte von Infanterie und Kavallerie mit drastischen Worten zu beschreiben. Als die Armee in die Bergarbeitersiedlungen zog, um dort Polizeiaufgaben zu übernehmen, stellte die Pécsi Figyelő dies als ein militärisches Manöver dar. Stakkatoartig lesen sich die Beschreibungen vom Einrücken der Hundertschaften des Militärs in die Bergarbeiterdörfer und vom Eintreffen der Verstärkung, bis schließlich „Pécsbányatelep, die Luftkolonie, Szabolcs (das gegenwärtige Zentrum des Streiks) alle von Militär besetzt sind.“⁵³ Die Zeitung bezeichnete die Lage in den Bergarbeitersiedlungen in mehreren Überschriften als „Belagerungszustand“⁵⁴ und verstärkte die kriegsähnliche Atmosphäre, indem sie beispielsweise erwähnte, dass schon das erste Bataillon mit Kriegsausrüstung und scharfer Munition nach Szabolcs ausgerückt sei.⁵⁵ Es sei nicht verwunderlich, dass diese massive Machtdemonstration des Militärs die
51 Ebd. 52 Ebd. 53 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 54 Ebd. 55 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya-telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten
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Bergarbeiter „stiller“⁵⁶ werden ließ, folgerte die Pécsi Figyelő. Das Blatt distanzierte sich jedoch von diesem Vorgehen, indem es betonte, die Armee hätte nur im Falle von gewaltsamen Ausschreitungen einzugreifen, wofür in den Augen der Pécsi Figyelő bei diesem Streik kein Anlass gegeben sei. Die Zeitung stellte dazu fest: „Die Sache war also noch nicht entschieden; und sie nahm vor allem keine solche Wendung, dass man zur Militärmacht hätte greifen müssen.“⁵⁷ Das Vorgehen der Husaren gegen die Streikenden in Szabolcs beschrieb die Pécsi Figyelő mit nur wenigen Worten; das Ergebnis dieses Einsatzes bewertete die Zeitung aber als „haarsträubend“,⁵⁸ denn keiner von den mehreren hundert Menschen habe die Attacke mit heiler Haut überstanden und neun Bergarbeiter seien sogar mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden.⁵⁹ Die habituelle und soziale Nähe des Militärs zur Oberschicht des Komitats und zur Direktion der Dampfschifffahrtsgesellschaft zeigte und erzeugte die Pécsi Figyelő, indem sie beispielsweise in ihrer Berichterstattung über besondere Anlässe die musikalische Begleitung durch Militärkapellen immer wieder hervorhob: „Das Orchester des 44. kais. u. königl. Infanterieregiments, das während des Mittagessens gespielt hat, begrüßte die Gäste mit dem Ungarischen Marsch und nach der Ehrung des Königs stimmte es die Hymne an.“⁶⁰ Demgegenüber positionierte sich die Pécsi Figyelő in ihrer Streikberichterstattung immer mit deutlicher Distanz zum Militär, indem sie dessen Einsatz nicht verherrlichte, sondern nur in knapper Form darstellte, diesen als unnötig gewaltsam kritisierte und dessen Nähe zur Oberschicht deutlich unterstrich. Das Militär und seine Angehörigen fanden in der Pécsi Figyelő nur wenig Beachtung und erscheinen als die praktisch ausführenden Untergebenen der kritisierten Oberschicht. In der Berichterstattung der Pécsi Figyelő über die Vorgänge beim Bergarbeiterstreik 1893 kamen der Gendarmerie und der Pécser Polizei nur eine marginale Rolle zu. Die Gendarmerie wird fast nur in den Berichten über die Räumung von Szabolcs erwähnt. In den Beiträgen des Blattes erscheinen Gendarmerie und Polizei meist lediglich als Präsenz zeigende, bewachende Ordnungskraft. Die Gendarmerie
56 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 57 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 58 Anon, Ostromállapot a bánya telepeken, [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5. 59 Vgl. ebd. 60 Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2.
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sei bei Ausbruch des Streiks von Oberstuhlrichter Forray nach Pécsbányatelep beordert worden, berichtete die Pécsi Figyelő. Sie sollte den Dynamitturm, die teuren Maschinen und die Bergwerksgrubeneingänge sichern, falls streikende Bergarbeiter versuchen sollten, die noch untertage Arbeitenden zu belästigen.⁶¹ Die Gendarmerie erscheint in dieser Darstellung lediglich als die für die Wahrung der Ordnung eingesetzte Exekutive, die zwar den Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge leistete, aber darüber hinaus keine besondere Rolle spielte. Die Gendarmerie erhielt weder besonderes Lob noch Tadel, sie erschien in der Pécsi Figyelő auch in anderen Zusammenhägen als neutraler, als mit der Komitatsoberschicht weniger eng verbunden und damit im Ansehen der Zeitung höher angesiedelt als beispielsweise das Militär. Eine ähnliche Rolle kam in den Darstellungen der Pécsi Figyelő der Polizei zu. Auch diese beobachtete gemeinsam mit der Gendarmerie und dem Militär die Ereignisse des Streiks, wie die Pécsi Figyelő schrieb, „mit gesteigerter Aufmerksamkeit“.⁶² Das Blatt schrieb der Polizei keine negativen Eigenschaften zu oder hob unrühmliche Handlungen hervor wie etwa im Falle des Militärs. Die Polizei erschien jedoch immer wieder als das wachsame Auge des Gesetzes, wenn es darum ging, mutmaßliche sozialistische Aktivitäten innerhalb der Arbeiterschaft zu entdecken und diese zu unterbinden. Die Pécsi Figyelő scheint mit dieser Vorgehensweise einverstanden gewesen zu sein. Als die Bergarbeiter beispielsweise einmal bei der Polizei um Erlaubnis fragten, um eine Versammlung zur Gründung eines Arbeitervereins abhalten zu dürfen, wurde ihnen dies verwehrt, da man hinter der Versammlung „eher eine Gelegenheit zur Agitation“⁶³ vermutete, berichtete die Zeitung.⁶⁴ Auch die Polizei – die an manchen Stellen wohl eher spöttisch mit dem deutschen Wort „policzei“⁶⁵ bezeichnet wurde – bekam in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő keine schärferen Konturen. Sie erscheint wie auch die Gendarmerie in dem Blatt vor allem als ein Organ, welches für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständig war. Auch die Polizeibeamten folgten den Anweisungen ihrer Vorgesetzten, sie dürften damit von der Pécsi Figyelő zunächst als Helfer der lokalen Oberschicht betrachtet und im sozialen Raum an deren Seite positioniert gewesen sein. Die Funktion der Polizei als wachsames Auge des Gesetzes sozialis-
61 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 62 Ebd. 63 Anon, Betiltott munkásgyűlés, [Verbotene Arbeiterversammlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 5. 64 Vgl. ebd. 65 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
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tischen Aktivitäten gegenüber goutierte die Pécsi Figyelő wiederum wie folgt: „Die Polizei hatte nicht nur einmal das Glück, es mit dem einen oder anderen Sozialdemokraten zu tun zu haben, der mit seinen Kumpanen die gefährlichen Lehren entweder dort aufgesogen oder dort verbreitet hatte.“⁶⁶ Als die städtische Polizei damit begann, die von der Zeitung als Brutstätte der schädlichen und fremdartigen Sozialdemokratie eingestufte Erste Pécser Arbeiterkrankenkasse zu beobachten, rückte sie in der Gunst der Pécsi Figyelő, die die Sozialdemokratie als eine gefährliche und dem ungarischen Volk fremde Ideologie betrachtete, noch ein Stück höher.
8.2.2 Repräsentanten der Komitats- und der Stadtverwaltung Der zwischenzeitlich unternommene Versöhnungsversuch hat nichts genutzt, da manche dennoch in die Gruben hinabgelangten und die Arbeiter von dort nach oben scheuchten; der Vizegespan, der zusammen mit Bürgermeister Aidinger, Polizeipräsident Vaszary und Oberstuhlrichter Forray bei den Arbeitern war, um sie zu Frieden zu ermahnen, wandte sich an das Militär.⁶⁷
Die Handlungen einzelner Behördenvertreter beschrieb die Pécsi Figyelő häufig in langen Sätzen mit knappem Inhalt. In der Regel nannte die Zeitung die Funktion und den Nachnamen des Amtsträgers, oft lediglich seinen Nachnamen; Vornamen erwähnte die Zeitung selten und auf Adelsprädikate verzichtete sie ganz. Der Leser der Pécsi Figyelő erfuhr aus den Zeitungsberichten nichts Persönliches über jene Amtspersonen, die im Streikgeschehen als Verantwortliche handelten. Die Behördenangestellten, die die Pécsi Figyelő in ihrer Berichterstattung über das Streikgeschehen am häufigsten erwähnte, waren Bürgermeister János Aidinger, Oberstuhlrichter Iván Forray, Obergespan Kálmán Kardos, Polizeihauptmann István Lutz, Vizegespan László Szily und Polizeipräsident Gyula Vaszary.⁶⁸ Sie erschienen in den Zeilen der Zeitung zwar in unterschiedlicher Häufigkeit und Anschaulichkeit, aber insgesamt eminent genug, um diese im Folgenden näher zu analysieren. Über die Aktivitäten des Obergespans des Komitats Baranya Kálmán Kardos während des Bergarbeiterstreiks erfuhr der Leser der Pécsi Figyelő nur wenig.
66 Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet, [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 14. Juni, S. 3. 67 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 68 Die Namen der Amtsträger sind an dieser Stelle und am Anfang der folgenden Abschnitte der Vollständigkeit halber anhand des gesamten Quellenbestandes vollständig aufgeführt.
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8 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen …“
Lediglich am Vorabend der Arbeitsniederlegung wird Kardos in einem Bericht erwähnt, in dem es um die Genehmigung einer Arbeiterversammlung zur Gründung eines Arbeitervereins in einer Pécser Fabrik ging, die der Obergespan, wie auch die Polizei, allerdings untersagte, da er sozialistische Aktivisten hinter der Organisation vermutete. Es scheint, als ob die Pécsi Figyelő hier vor dem Hintergrund ihrer eigenen Furcht vor dem Sozialismus ihre sonstige Distanziertheit und kritische Haltung diesem Komitatsrepräsentanten gegenüber überwunden habe.⁶⁹ Eine zweite Gelegenheit, bei der die Pécsi Figyelő Kardos erwähnte, war das Bankett für die leitenden Angestellten der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zum Fest der heiligen Barbara 1894. Nachdem die Hymne verklungen war, brachte Obergespan Kardos den ersten Toast auf den ungarischen König aus, den er darin „den gütigen Vater seines Volkes“⁷⁰ genannt haben soll. Die Pécsi Figyelő hielt sich in ihrer gesamten Streikberichterstattung mit Darstellungen des Obergespans zurück, sie hob lediglich dessen vorsorgliches Vorgehen gegen mutmaßliche sozialistische Aktivitäten hervor und präsentierte Kardos als einen königstreuen Staatsdiener. Die Zurückhaltung und Distanziertheit der Pécsi Figyelő scheint auch im Falle der Berichterstattung über Obergespan Kardos geringer geworden zu sein, wenn sich dieser gegen die Bedrohung durch den Sozialismus und für den ungarischen Staat einsetzte. Da der Obergespan während des Streiks in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő kaum in Erscheinung trat und damit in den Zeilen der Zeitung mit den Bergarbeitern nicht in Berührung kam, dürfte er in der Wahrnehmung der Leser als makelloses Oberhaupt des Komitats erschienen sein. Die Zurückhaltung der Zeitung bei der Darstellung des Gespans kann diesen in den oberen Sphären des sozialen Raumes der Stadt positioniert haben, ohne dass die Pécsi Figyelő ihn explizit normativ bewertete. Die Pécsi Figyelő widmete dem Vizegespan des Komitats Baranya László Szily in ihren Artikeln einige Aufmerksamkeit. Szily war, so die Zeitung, in der Gruppe jener Behördenrepräsentanten, die sich gleich zu Beginn des Streiks am Morgen des 7. Juni 1893 in die Bergarbeitersiedlungen begaben, um die Streikenden „zu Frieden zu ermahnen“.⁷¹ Der Vizegespan übernahm schließlich den Vorsitz bei der ersten, von der Zeitung viel beachteten Verhandlung zwischen der Dampfschifffahrtsgesellschaft, vertreten durch Bergwerksdirektor Rajmár Wiesner, und den Repräsentanten der Bergarbeiter am 22. Juni 1893. In dem sehr langen Artikel über das
69 Vgl. Anon, Betiltott munkásgyűlés, [Verbotene Arbeiterversammlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 5. 70 Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2. 71 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten
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Einigungsgespräch bezeichnete die Pécsi Figyelő Vizegespan Szily als freiwilligen Vorsitzenden der Verhandlung. Nachdem die Bergleute über die Ergebnisse der ersten Verhandlung beraten hatten, fand drei Tage später im Komitatshaus erneut eine Unterhandlung zwischen den Konfliktparteien statt. Die Streikenden vertrat diesmal deren Anwalt Kálmán Bolgár. In dem umfangreichen Bericht stellte die Pécsi Figyelő den Vizegespan, der erneut die vermittelnde Rolle des Verhandlungsvorsitzenden übernommen hatte, als eine Person dar, die nur ungern mit Anwälten verhandelte und die sich dem Rechtsvertreter der Bergleute gegenüber „eine spöttische Aufwallung erlaubte“.⁷² Als die Verhandlungen nicht entsprechend den Vorstellungen des Vizegespans zu laufen schienen, beendete Szily diese „mit deftigen Worten“⁷³ eigenmächtig, wie das Blatt schrieb. Die Pécsi Figyelő schilderte in diesem Beitrag ungewöhnlich detailliert das Verhalten des Vizegespans und unterstrich damit ihr Missfallen am paternalistischen Verhalten des Amtsträgers. Ihre Verärgerung über dessen Verhalten betonte die Zeitung, indem sie die Irritation der Bergarbeiter hervorhob, die „das bisherige seltsame Verhalten der Behörden sehend, beschlossen, mit diesen nicht mehr zu verhandeln, sondern sich geradewegs an die Direktion der Gesellschaft nach Wien zu wenden.“⁷⁴ Vizegespan Szily, so scheint es, war in den Augen der Pécsi Figyelő einer der selbstherrlichen Mächtigen des Komitats, die die Zeitung wiederholt wegen ihres paternalistischen Verhaltens kritisierte. Um die genauen Details über diesen Protagonisten darstellen zu können, musste der Verfasser des Zeitungsartikels nah am Geschehen gewesen sein. Die Zeitung ‚zoomte‘ nahe an diese kritisch betrachtete Person heran und schilderte deren Fehlverhalten mit plastischen Beispielen. So gelang es der Pécsi Figyelő, sich von den durch Vizegespan Szily repräsentierten Komitatsoberen zu distanzieren und sich als Fürsprecher der Bergarbeiter zu repräsentieren. Die Zeitung positionierte den Vizegespan im sozialen Raum oben, gleichzeitig aber habituell außerhalb von Pécs. Hierzu nutzte die Zeitung die Nähe des Handlungsortes im Komitatshaus in der Mitte der Stadt. Als eine der eminentesten Persönlichkeiten des Komitats Baranya erwähnte die Pécsi Figyelő Oberstuhlrichter Iván Forray zumindest im Rahmen der Streikberichterstattung kaum. Er war laut der Zeitung Mitglied der Delegation von Behördenvertretern, die zu Anfang des Streiks in die Bergarbeitersiedlungen gingen, um für Ruhe unter den Bergarbeitern zu sorgen,⁷⁵ und er befand sich auch unter den
72 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
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Gästen auf dem Bankett der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft am Barbaratag im Dezember 1894.⁷⁶ Die Pécsi Figyelő erwähnte als Forrays einzige Handlung während des Streiks, dass dieser die Gendarmerie zu den Bergwerken beorderte, um die Grubeneingänge, den Dynamitturm und wertvolle Maschinen vor möglichen Beschädigungen durch Streikende schützen zu lassen.⁷⁷ Der Leser der Pécsi Figyelő erhielt kaum Informationen über die Aktivitäten des obersten Amtsträgers des Komitats während des Streiks. Die Zeitung übte sich, so scheint es, auch bei Forrays Darstellung in distanzierter Zurückhaltung. Von den Aktivitäten des Pécser Bürgermeisters János Aidinger erfuhr der Leser der Pécsi Figyelő im Kontext des Streiks und im Kontext des Bergbaus ebenfalls äußerst wenig. Die Zeitung berichtete knapp, dass der Bürgermeister kurz nach Beginn der Arbeitsniederlegung zusammen mit drei weiteren Autoritäten die streikenden Bergarbeiter aufgesucht habe.⁷⁸ Weitere Informationen über dessen Verhalten während des Streiks waren in der Pécsi Figyelő nicht zu finden. Erst anderthalb Jahre später war einem Bericht über die Feierlichkeiten zu Ehren der heiligen Barbara im Dezember 1894 zu entnehmen, dass Bürgermeister Aidinger am Bankett teilgenommen habe, dass er dort ein Grußwort gesprochen und dass ein Bergwerksingenieur der DDSG einen Toast auf ihn ausgebracht habe.⁷⁹ Damit erfuhr die Leserschaft der Pécsi Figyelő über den Bürgermeister lediglich, dass dieser während des Streiks den Konflikt mit den Bergarbeitern im Blick hatte und dass er unter den höheren Angestellten der Dampfschifffahrtsgesellschaft offenbar gut angesehen war. Die Pécsi Figyelő scheint sich über das Verhältnis des Bürgermeisters zu den Bergarbeitern nicht geäußert zu haben. Dies mag auf die Unkenntnis der Zeitung über Begegnungen zurückzuführen sein oder aber auf die Distanziertheit des Bürgermeisters zu den Bergarbeitern, möglicherweise auch auf die Distanziertheit der Zeitung gegenüber beiden. Der Pécser Polizeipräsident Gyula Vaszary war der vierte in der Gruppe jener Amtsträger, über die die Pécsi Figyelő berichtete, dass diese am 7. Juni gemeinsam in die Bergarbeitersiedlungen gegangen seien, um die Arbeiter zu ermahnen.⁸⁰ Vas-
76 Vgl. Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2. 77 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2. 80 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten
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zary „eilte“⁸¹ allerdings schon am Abend des ersten Streiktages, am 6. Juni nach Pécsbányatelep, um nach dem Rechten zu sehen, so die Zeitung.⁸² Der Polizeipräsident erscheint in den Zeilen der Pécsi Figyelő als engagierte Persönlichkeit, die hinter den Versammlungs- und Selbstorganisationsaktivitäten der Arbeiter immer die von der Zeitung stark missbilligte sozialistische Arbeiterbewegung witterte und diese daher zu unterbinden suchte. Über weitere Aktivitäten des Polizeipräsidenten berichtete die Pécsi Figyelő während des Streiks nicht. Betrachtet man jedoch die Berichterstattung, in der Vaszary eine Rolle spielt, in den Monaten vor und nach dem Bergarbeiterstreik, erscheint der Pécser Polizeipräsident als strenger Wächter der öffentlichen Ordnung, wenn es um Aktivitäten der Arbeiterschaft ging. So untersagte er eine Versammlung, die die Arbeiter einer lokalen Fabrik beantragten, um einen Arbeiterverein zu gründen. Als die Arbeiter ihre Versammlung trotz des Verbots abzuhalten versuchten, löste die Polizei diese auf Vaszarys Geheiß auf und ließ nach den Mitgliedern der „30er Komitees“,⁸³ welches für die Organisation der Versammlung verantwortlich zeichnete, suchen, berichtete die Zeitung.⁸⁴ Auch am Ersten Mai 1894 untersagte Polizeipräsident Vaszary jegliche Versammlung der Arbeiterschaft. Den entsprechenden Aufruf veröffentlichte die Pécsi Figyelő im Wortlaut. Darin hieß es, es sei Vaszary zu Ohren gekommen, dass in Arbeiterkreisen Aufwiegler die Nachricht verbreiteten, der Erste Mai sei ein behördlich anerkannter arbeitsfreier Tag, und dass diese planten, die friedlichen und arbeitswilligen Arbeiter von ihrer Tätigkeit durch Einschüchterung abzuhalten. Hinsichtlich dieser„Scheinnachrichten“,⁸⁵ fuhr Vaszary in seiner Proklamation fort, halte er es für seine Aufgabe, öffentlich zu machen, dass der Erste Mai kein staatlicher Feiertag sei. Alle, die Wohnungsumzüge vorhätten, seien verpflichtet, mit dem Umzug zu beginnen.⁸⁶ Gegen alle, die friedliche arbeitswillige Arbeiter durch Störung oder Drohung von ihrer Beschäftigung abzuhalten versuchten, werde strafrechtlich vorgegangen. Schließlich hob Vaszary noch hervor, dass die Ver-
81 Anon, Ostromállapot a bánya-telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 82 Vgl. ebd. 83 Anon, Betiltott munkásgyűlés, [Verbotene Arbeiterversammlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 5. 84 Vgl. ebd. 85 Anon, Május elseje és a főkapitány, [Der erste Mai und der Polizeipräsident], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 2. 86 Der Erste Mai scheint ein Stichtag für Wohnungsumzüge gewesen zu sein.
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sammlung zum Ersten Mai nicht genehmigt sei, damit sei auch jede Art von Zusammenkunft, Massenaufmarsch oder sonstige Demonstration verboten.⁸⁷ Polizeipräsident Vaszary wird in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő ebenfalls als Gast auf dem Bankett der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft am Tag der heiligen Barbara im Dezember 1894 erwähnt, dort brachte auch er einen Toast aus, womit er nach Ansicht der Zeitung wohl zur lokalen Oberschicht gerechnet werden konnte. Durch die ohnehin karge Berichterstattung der Pécsi Figyelő über die Ereignisse im weiter entfernt gelegenen Streikzentrum Szabolcs blieb die Rolle des Polizeipräsidenten im Streikgeschehen im Dunkeln. Damit erschien er für den Zeitungleser als makelloser Hüter der Ordnung, der die Arbeiterschaft vor dem negativen Einfluss sozialistischer Agitatoren bewahrte. Die Beziehung des Polizeipräsidenten zu den Arbeitern scheint aus der Perspektive der Zeitung die eines überwachenden Beamten gewesen zu sein. Die Pécsi Figyelő gab Äußerungen Vaszarys unkommentiert wieder. Da dieser seiner Aufgabe im städtischen Bereich nachging und dabei bemüht war, die von der Zeitung missbilligte Arbeiterbewegung von den Bergleuten fernzuhalten, positionierte ihn die Pécsi Figyelő nicht unter den viel kritisierten Paschas und Potentaten der ungarischen Gesellschaft. Eine der Persönlichkeiten, die die Pécsi Figyelő während des Streiks häufiger erwähnte, war Polizeihauptmann István Lutz. Der damalige Polizeichef von Pécsbányatelep schien nach Darstellung der Zeitung um die ausreichende Präsenz der staatlichen Exekutive in seinem Zuständigkeitsbereich besorgt gewesen zu sein. Schon am ersten Tag des Streiks, so die Pécsi Figyelő, als aufgehetzte Bergarbeiter bedrohlich geworden seien sollen, habe Lutz militärische Hilfe angefordert.⁸⁸ Kurze Zeit darauf habe er mit der Polizeihauptmannschaft in Pécs telefoniert, um nach Verstärkung für die Polizeieinheiten in Pécsbányatelep zu fragen. Die Pécsi Figyelő unterstrich, dass Lutz dies bereits unternahm, als die Stimmung in Pécsbányatelep noch vergleichsweise ruhig gewesen sei.⁸⁹ Die näher bei der Stadt liegende Siedlung Pécsbányatelep scheint laut den Berichten der Zeitung eine der ruhigeren Ortschaften während des Streiks gewesen zu sein. Das Zentrum des Geschehens war die weiter östlich von Pécsbányatelep gelegene Ortschaft Szabolcs. Die Pécsi Figyelő könnte es für geboten gehalten haben, über die Handlungen des Polizeihauptmanns zu berichten, um zu zeigen, dass die Polizei in der Pécs am nächsten gelegenen Bergarbeitersiedlung gut für Ruhe und Ordnung sorgte und
87 Vgl. Anon, Május elseje és a főkapitány, [Der erste Mai und der Polizeipräsident], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 2. 88 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya-telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 89 Vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
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dass damit für die städtische Bevölkerung keine Bedrohung bestünde. Die Pécsi Figyelő präsentierte Polizeihauptmann Lutz als eine verantwortungsbewusste Person, die ihre Aufgabe zuverlässig erledigte und damit einem Übergreifen des Aufruhrs auf die Stadt zuvorkam. Lutz‘ Aktivitäten scheint die Pécsi Figyelő dabei genauer betrachtet zu haben. Die Zeitung scheint der Person des Polizeihauptmanns habituell näher gestanden zu haben als den weiter oben dargestellten Amtspersonen.
8.2.3 Repräsentanten des ungarischen Staates Bereits vier Wochen vor dem Ausbruch des Pécser Bergarbeiterstreiks erörterte die Pécsi Figyelő die damals in ganz Ungarn aufkommenden Streiks, „die reichlich Material für die Untersuchung ihrer Gründe bieten“.⁹⁰ Darin thematisierte das Blatt auch die Rolle des Staates in der Beziehung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Beide Parteien, stellte die Pécsi Figyelő dabei fest, besäßen das verbriefte Recht, die Konditionen ihrer Beziehung, bestehend aus Arbeitszeit, Leistungsumfang und Bezahlung, frei auszuhandeln und festzulegen. Danach hätten die Vertragspartner das Vereinbarte in gegenseitiger Rücksichtnahme einzuhalten: „Dieses ist also ein Recht, welches jeder Bürger besitzt, sei er Fabrikant, Kapitalist oder Arbeiter, und es ist die offene Pflicht des Staates, sie bei der Wahrnehmung dieser Rechte zu beschützen.“⁹¹ Ein Jahr später nahm die Pécsi Figyelő den Ersten Mai erneut zum Anlass, vor dem Hintergrund der Gefahr des sich, in den Augen der Zeitung, in Ungarn verbreitenden Sozialismus, in einem langen Leitartikel zum politischen Umgang mit der Arbeiterschaft Stellung zu nehmen.⁹² Um die Perspektive der Pécsi Figyelő auf den ungarischen Staat im Kontext der Arbeiterschaft zu untersuchen, lohnt sich die nähere Betrachtung eines ihrer längeren Beiträge anlässlich des Ersten Mais 1894. Der Artikel erinnerte den Leser zunächst geradezu nostalgisch an frühere Zeiten, in denen der Erste Mai für die Menschen ein Freudenfest gewesen sei, an dem man „die Erneuerung der Natur“⁹³ gefeiert habe. „Das durch die unwirtliche Kälte des Winters zwischen dustere Wände gezwängte städtische Volk beeilte sich zu tau-
90 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 91 Ebd. 92 Vgl. Anon, Május elseje, [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 93 Ebd.
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senden, sich im freien Schoß der Natur zu erfrischen und sich des Lebens zu freuen.“⁹⁴ Die Zeitung schrieb über die verliebte Jugend im Mai und von fröhlicher Musik im Freien. Doch seit einigen Jahren, dramatisierte die Pécsi Figyelő anschließend, habe sich der Feiertag des dichterischsten Monats des Jahres von einem Festtag zufriedener Bürger zu einem Demonstrationstag der Sozialisten gewandelt. Statt grüner Maibäume seien rote Fahnen zu sehen; statt Liebesgeflüster seien fanatische Reden gegen die Macht des Kapitals zu hören. Das Fest des Gemütes sei vom Schrei hungriger Bäuche nach Sättigung abgelöst worden, malte die Pécsi Figyelő weiter aus.⁹⁵ Die Zeitung hob in ihrer Erörterung die großen Veränderungen des 19. Jahrhunderts mit ihren Erfindungen und gesellschaftlichen Veränderungen hervor, bei denen die Fundamente und die Struktur der alten gesellschaftlichen Ordnung angegriffen worden seien. Die einst undurchdringlichen Mauern zwischen den gesellschaftlichen Klassen seien eingestürzt, auch die untersten Schichten des Volkes hätten zu Selbstbewusstsein gefunden und forderten nun im Bewusstsein ihrer Menschenwürde einen angemessenen Platz in der Gesellschaft. Die Pécsi Figyelő deutete diese Entwicklungen als einen natürlichen Vorgang, der mit den veränderten Lebensumständen der Zeit in Zusammenhang stehe. Sie verglich die beschriebenen Veränderungen mit dem Ende der mittelalterlichen Privilegien im 18. Jahrhundert und mit einer Anspielung auf den aktuelleren „französischen Aufstand“.⁹⁶ Die Zeitung postulierte, dass die Sozialdemokratie sich unaufhaltsam verbreite und dass die Staatsgewalt dagegen machtlos sei, weshalb ihre Bestrebungen zu deren Unterdrückung wirkungslos bleiben würden. Die Pécsi Figyelő war der Meinung, dass die Unterdrückung auch falscher Ideologien, sei es mit Waffen oder mit anderer Gewalt, keinen Sinn ergebe, sie würde lediglich die Symptome übertünchen: Unterdrückung sei nur „Palliativmedizin“.⁹⁷ Dieses Vorgehen des Staates verschlimmere nur die Lage, schloss die Zeitung, denn das Verbotene und das Geheimnisvolle würde dadurch auf die weniger gebildeten Teile der Gesellschaft eine umso größere Anziehungskraft ausüben.⁹⁸ Man wolle damit nicht verlangen, der Staat solle die Hände in den Schoß legen und dem Treiben der „volksverdrehenden sozialistischen Apostel“⁹⁹ tatenlos zusehen,
94 Ebd. 95 Vgl. ebd. 96 Ebd. Es kann vermutet werden, dass die Zeitung bei dieser Anspielung die Pariser Kommune von 1871 im Sinne hatte. 97 Ebd. 98 Vgl. ebd. 99 Ebd.
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betonte die Pécsi Figyelő. Mit der Verfolgung und Bekämpfung der sozialistischen Bewegung sei die Aufgabe des Staates allerdings noch nicht erledigt. Der durch die Bewegung angegriffene Staat habe die Aufgabe, die Gründe für die Verbreitung der Ideologie herauszufinden und für die Lösung der Probleme zu sorgen. Es sei ein Irrglaube anzunehmen, argumentierte die Zeitung weiter, es genüge, sozialistische Druckschriften zu beschlagnahmen und den Protest allein sozialistischen Aktivisten in die Schuhe zu schieben. Die Arbeiterklasse, so das Blatt weiter, leide unter politischen wie gesellschaftlichen Problemen, die dringend zu lösen seien. Der Staat würde von dieser Klasse verlangen, sich sowohl monetär als auch mit „Blutzoll“¹⁰⁰ am Gemeinwohl zu beteiligen, ohne ihr jedoch dabei ein politisches Mitspracherecht einzuräumen. Der Staat ginge, kritisierte die Pécsi Figyelő weiter, in diesem „Brotkonflikt“¹⁰¹ nicht mit der von ihm zu erwartenden Neutralität vor, was unter den Arbeitern zu Unzufriedenheit führe. Auf diese Unzufriedenheit würden die „das Volk verblendenden Apostel“¹⁰² nur spekulieren, weil dadurch ihre „vergiftete Saat auf fruchtbaren Boden fallen“¹⁰³ könne. Das Blatt konstatierte anschließend, dass die Voraussetzungen für den Sozialismus in Ungarn in viel geringerem Maße gegeben seien als in westeuropäischen Ländern, und dass die Ausbreitung dieser „gesellschaftlichen Krankheit“¹⁰⁴ großteils auf die falsche Behandlung des Problems durch den Staat zurückzuführen sei. Dies habe man am Beispiel der jüngsten Unruhen in der ungarischen Tiefebene deutlich sehen können. Als die dortigen Streikenden ihre Beschwerden dem Minister in Budapest vorbringen wollten, „gewährte ihnen der gnädige Minister nicht einmal Audienz“.¹⁰⁵ Die Zeitung fragte sich, ob es nicht eine Sache der politischen Vernunft gewesen wäre, die Arbeiter anzuhören. Dabei sei es geradezu eine ungarische Spezialität, behauptete die Pécsi Figyelő polemisch, dass die Sozialisten sich an die Regierung wenden würden, um für die Lösung ihrer Probleme zu „betteln“.¹⁰⁶ Musste die Deputation der Streikenden nach dieser Erfahrung denn nicht mit noch größerer Verzweiflung zu ihren Leuten zurückgekehrt sein, fragte das Blatt und fuhr mit der Überlegung fort, ob es denn verwunderlich sei, wenn durch solche Erfahrungen sich unter der Arbeiterschaft die Überzeugung verfestige, dass in Ungarn die Schwächeren nie Recht hätten und dass ihre Beschwerden bei den
100 101 102 103 104 105 106
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.
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Behörden immer auf taube Ohren stoßen würden.¹⁰⁷ Der ausführliche Beitrag schloss mit einem Rat der Pécsi Figyelő an die Politik: Sie solle sich mit dem scheinbaren Erfolg nicht zufrieden geben, nachdem es gelungen war, die Arbeiteraufmärsche mit Waffengewalt zu verhindern, sondern sie solle das Übel bei den Wurzeln packen, damit die Arbeiterschaft freiwillig zur alten Tradition zurückkehre, bei der der Erste Mai nicht der Tag der Demonstrationen, sondern der Tag idyllischer Freudenfeste gewesen sei.¹⁰⁸ Die nostalgisch-retrospektive Beschreibung des einstigen schönen Feiertages im Mai unterstrich die Meinung der Pécsi Figyelő, dass in der ungarischen Gesellschaft einiges im Argen liege, aber auch, dass die Arbeiterschaft ein Teil dieser Gesellschaft geworden sei. Der Beitrag in der Pécsi Figyelő zeigt, dass die Zeitung die Aufgaben des Staates in der Gestaltung, Gewährleistung und Überwachung der Regeln sah. Nach Ansicht der Zeitung erfüllte die damalige Regierung diese Aufgabe jedoch nicht zufriedenstellend. Die Regierung gebe sich mit der Bekämpfung von Symptomen zufrieden und verhalte sich gegenüber den Arbeitern, die die Zeitung als eine zu Selbstbewusstsein gekommene neue gesellschaftliche Gruppe betrachtete, nicht unparteiisch. Die Zeitung positionierte sich gegenüber dem ungarischen Staat als Fürsprecherin der Arbeiterschaft, da sie es offenbar als ihre Aufgabe sah, Ungarn und die Arbeiterschaft vor dem Sozialismus zu bewahren. In der Ordnungsvorstellung der oppositionellen Pécsi Figyelő sollte der Staat die Rolle der ordnenden, vermittelnden und schützenden Institution einnehmen, eine Rolle, die dieser realiter nicht erfüllen konnte. Die Repräsentationsweisen der Pécsi Figyelő positionierten den ungarischen Saat, die damalige Regierung und deren Repräsentanten auf eine für das Blatt spezifische Weise, die im Folgenden genauer analysiert werden soll. In der dritten Woche des Streiks von 1893 publizierte die Pécsi Figyelő einen Beitrag, der sich ausschließlich mit der Audienz des Entsandten der Pécser Bergarbeiter beim ungarischen Innenminister Károly Hieronymi¹⁰⁹ in Budapest auseinandersetzte.¹¹⁰ Die Delegation der Bergleute habe der Anwalt und Landtagsabgeordnete Dr. Soma Visontai vor den Innenminister begleitet. Visontai habe dem Innenminister, wie die Pécsi Figyelő einer „Lithographie-Mitteilung“¹¹¹ zu entneh-
107 Vgl. ebd. 108 Vgl. ebd. 109 Károly Hieronymi (1. Oktober 1836 – 4. Mai 1911) war Innenminister Ungarns von 1892 – 1895 in der liberalen Regierung von Sándor Weckerle. Vgl. Lajos Gerő/József Bokor (Hg.), A Pallas nagy lexikona. Bd. 9, Hehezet – Kacor, Budapest 1893 – 1897, S. 195 f. 110 Vgl. Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. 111 Ebd.
8.2 Die Darstellung der Behörden und ihrer Repräsentanten
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men wusste, die Beschwerden der Streikenden „lebhaft“¹¹² geschildert. Anschließend soll Innenminister Hieronymi längere Zeit mit den Bergarbeitern persönlich gesprochen haben. Dabei habe er kaum fassen können, so die Pécsi Figyelő, dass das in den Budapester Zeitungen geschilderte Vorgehen der Behörden in Szabolcs tatsächlich der Wahrheit entsprochen habe.¹¹³ Die Pécsi Figyelő berichtete bereits vier Tage vor diesem Treffen, dass das Innenministerium die Ausweisung von streikenden Bergarbeitern aus Pécs für vermeidbar gehalten habe und dass es die Räumung von Szabolcs mit der Begründung abgelehnt habe, dass dies nicht in den Zuständigkeitsbereich der Landesbehörden falle.¹¹⁴ Im Gespräch mit der Bergarbeiterdelegation habe der Minister schließlich angekündigt, so die Zeitung weiter, dass die Behörden für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden würden. Er habe bestätigt, dass die Bergleute das Recht hätten, für die im Bergwerk gezahlten geringen Löhne nicht zu arbeiten, er könne den Arbeitgeber jedoch nicht zwingen, ihnen mehr zu bezahlen. Im Weiteren versprach Hieronymi den Bergleuten, so die Zeitung, es werde ihnen nichts geschehen, solange sie sich friedlich und ruhig verhielten. Er versicherte der Delegation seinen Willen zu helfen und bot seine Hilfe als Vermittler unter der Bedingung an, dass sowohl die Bergarbeiter als auch ihr Arbeitgeber sich seiner Entscheidung bedingungslos zu unterwerfen versprächen, so die Pécsi Figyelő. ¹¹⁵ Der Beitrag präsentierte einen den Bergleuten zugewandten, gerechten, aber mit Bedacht und Distanziertheit agierenden Amtsträger. Die Distanziertheit des Innenministers zeigte sich auch im Ablauf der detailliert beschriebenen Begegnung mit der Bergarbeiterdelegation. Sie wurde von dem Landtagsabgeordneten Visontai vor den Minister begleitet, der jedoch in der weiteren Berichterstattung mit der Angelegenheit der Bergarbeiter in keiner weiteren Beziehung gestanden zu haben scheint. Der Landtagsabgeordnete hatte wohl lediglich die Aufgabe, den Minister über das Anliegen zu informieren, bevor dieser entschied, mit den Fürbittern persönlich zu sprechen, was offenbar geschah, denn der Minister „unterhielt sich längere Zeit mit den Arbeitern“.¹¹⁶ Dabei zeigte die Pécsi Figyelő den Minister als 112 Ebd. 113 Vgl. ebd. Die Zeitungen der Hauptstadt thematisierten den Pécser Streik aus vielen Perspektiven, darunter auch die Satirezeitschrift Borsszem Jankó. Vgl. Anon, Bányászok sztrájka. – Pillantás a jövőbe, [Streik der Bergleute. – Blick in die Zukunft], Borsszem Jankó, 1893, Jhg. 26, Nr. 1327 (25.), Sonntag, 18. Juni, S. 6 – 7 (mit vier Illustrationen). 114 Vgl. Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 115 Vgl. Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. 116 Ebd.
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einen den Bergleuten zugewandten Amtsträger, der diese einzeln anhörte, sich ihre Lohnlisten¹¹⁷ zeigen ließ und ihnen zusagte, bei der Lösung des Problems im Rahmen seiner Befugnisse zu helfen. Mag dieses Vorgehen bei Audienzen bei einem Minister die übliche Vorgehensweise gewesen sein, die Thematisierung der Prozedur im Rahmen der limitierten Zeitungszeilen weist auf die Bedeutung hin, die die Zeitung der ministerialen Etikette zuschrieb. Die soziale Distanz zwischen Minister und Arbeitern musste auch in der Berichterstattung offenbar durch einen dazwischengeschalteten Protagonisten überbrückt werden. Erst nach dessen Vermittlung scheinen die beiden sozialen Ebenen miteinander ins Gespräch kommen zu können. Der Innenminister erscheint in der Pécsi Figyelő als ein verantwortungsvoller Staatsdiener im fernen Budapest, der bemüht war, den sozial niedrigstehenden Bergarbeitern zu ihrem Recht zu verhelfen. Er stand damit als Antagonist zu den von der Pécsi Figyelő viel kritisierten Baranyaer Amtsträgern, die sogar gegen die Weisung des Innenministeriums eigenmächtig gehandelt haben sollen. Die Darstellung des protokollarischen Vorgehens bei der Audienz der Bergarbeiter bei Innenminister Hieronymi sowie dessen Verhalten symbolisierte dessen soziale Positionierung oben, während die Bergarbeiter unten platziert wurden. Hierzu mag auch die räumliche Dichotomie des zentralen Budapest und den peripheren Bergarbeitersiedlungen bei Pécs beigetragen haben.¹¹⁸ Auf Geheiß des ungarischen Ministerpräsidenten Sándor Weckerle sei der oberste Repräsentant der staatlichen Bergbauaufsichtsbehörde Berghauptmann Kaufmann in Pécs erschienen, schrieb die Pécsi Figyelő: „als ob die Regierung auch ihn zum Schutze der Interessen der Gesellschaft geschickt hätte“.¹¹⁹ Sie widmete diesem in einem längeren Beitrag einige Aufmerksamkeit, wobei sie das Gebaren des Berghauptmanns ziemlich plastisch darstellte. Dabei nannte die Pécsi Figyelő Berghauptmann Kaufmann immer wieder mit dem Vornamen Emil, im Gegensatz zur übrigen Pécser Presse, in der er mit dem Vornamen Kamill erschien.¹²⁰ Es ist
117 Die Pécsi Figyelő verwendete an dieser Stelle den Begriff „‚Lohnlistá‘-kat“. Er zeugt von der Verbreitung deutscher Begriffe im ungarischen Bergbau im 19. Jahrhundert. Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. 118 Im Ungarischen drückt sich die höhere Wertzuschreibung der Hauptstadt auch in der adverbialen Bestimmung des Ortes aus: In Ungarn geht man von jedem Ort aus hoch (fel) nach Budapest. 119 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 120 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5; vgl. Anon, Bányászok ügyének tárgyalása, [Die Verhandlung der Sache der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3.
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unklar, ob die Zeitung Emil für die ungarische Form des Vornamens Kamill hielt oder ob sie lediglich falsch informiert war. Ob Nachlässigkeit oder Absicht: die abweichende Benennung des Berghauptmanns kann als eine Form der symbolischen Distanzierung der Zeitung ihm gegenüber gedeutet werden. Berghauptmann Kaufmann erschien laut der Berichterstattung der Pécsi Figyelő erstmals in Begleitung des Bergwerksdirektors – dessen Namen die Zeitung an dieser Stelle ebenfalls falsch angab¹²¹ – am dritten Streiktag in Szabolcs.¹²² Die beiden wurden dort, laut der Zeitung, von den Bergarbeitern mit „großen Ovationen empfangen“,¹²³ was in dieser Streikphase von den Bergarbeitern ironisch gemeint gewesen sein dürfte, da der Berghauptmann am selben Tag „riesige ungarisch- und deutschsprachige Aushänge plakatieren ließ“,¹²⁴ auf denen Proklamationen an die Streikenden abgedruckt waren. Die Plakate verkündeten, dass, nachdem alle wohlgemeinten Aufrufe nicht gefruchtet hätten, zum Schutze von Vermögen und der öffentlichen Ruhe entsprechend den Bergbaugesetzen alle Arbeiter, die sich bis Samstag, den 10. des laufenden Monats um zwei Uhr nicht zur Arbeit gemeldet hätten, sich als entlassen zu betrachten hätten. Sie hätten laut den Aushängen bis Montag 12 Uhr ihre Betriebswohnungen zu räumen. Des Weiteren hieß es auf den Aushängen, dass alle Streikenden, die nicht aus Pécs oder aus dem Komitat Baranya stammten und nicht nachweisen könnten, wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten, als Arbeitslose gelten würden und in ihre Herkunftsorte ausgewiesen würden.¹²⁵ Vor dem Hintergrund dieser Drohung ist der ironische Empfang des Berghauptmanns durch die Arbeiter durchaus verständlich. Durch die Darstellung dieser Ironie präsentierte die Pécsi Figyelő das Machtgefälle zwischen dem einflussreichen Repräsentanten der Bergbaubehörde und den verzweifelten Bergarbeitern. Die detaillierte Wiedergabe des Ereignisses weist auf die Praxis der Zeitung hin, stark kritisierte Personen genau unter die Lupe zu nehmen.
Während die übrigen Zeitungen Berghauptmann Kaufmann mit Vornamen Kamill nannten, wurde sein Vorname im Ungarischen Montanhandbuch sowohl im Jahre 1892 als auch 1896 als Camille angegeben. Vgl. Déry, Magyar Bánya-Kalauz, 1896, S. 2. 121 Die Pécsi Figyelő nannte hier den Namen des ehemaligen Bergwerksdirektors Bernhard Maas anstelle des tatsächlich amtierenden Raimund Wiesner. Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. Wiesner leitete die DDSG-Bergwerke von Pécs zwischen 1891 und 1900. Vgl. János Raýman , Wiesner Rajmár, in: Ferenc Romváry (Hg.), Pécs Lexikon. Elsö kötet, Pécs 2010, S. 406 f. 122 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 123 Ebd. 124 Ebd. 125 Vgl. ebd.
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In der weiteren Berichterstattung der Pécsi Figyelő wird Berghauptmann Kaufmann erst wieder am Ende des Streiks am 22. Juni bei der Untersuchung und Verhandlung der Forderungen der Bergarbeiter im Pécser Komitatshaus erwähnt. Unter dem Vorsitz von Vizegespan Szily nahmen an der Sitzung die Wortführer der Bergarbeiter, Bergwerksdirektor Wiesner und, als Repräsentant der staatlichen Berghauptmannschaft, Berghauptmann Kaufmann teil.¹²⁶ Die Zeitung berichtete, dass nach der Verlesung der Forderungen der Bergarbeiter der Berghauptmann einen Teil der Forderungen als unerfüllbar und manche Teile als vorschriftswidrig eingestuft habe. Jene Forderungen, die der Berghauptmann als erfüllbar bezeichnete, habe daraufhin auch der Bergwerksdirektor akzeptiert. Kaufmann habe, so die Pécsi Figyelő, die Lohnforderungen der Bergleute „sofort als absurd“¹²⁷ bewertet und behauptet, es werde in keinem der ungarischen Bergwerke mehr bezahlt als in Pécs. Es sei jedoch Sache zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, die Entlohnung auszuhandeln, so der Berghauptmann weiter, schrieb die Pécsi Figyelő. Wer unzufrieden sei, könne kündigen – woraufhin ein anwesender Bergmann at hoc gekündigt habe.¹²⁸ Berghauptmann Kaufmann habe die Bergwerksgesellschaft angewiesen, in Zukunft besser auf die gerechte Verteilung der Arbeit unter den Bergleuten zu achten. Die geforderte Beteiligung der Bergarbeiter an der Bestimmung der Höhe der Lohnabzüge habe Kaufmann mit der Begründung nicht erlaubt, dies sei gesetzwidrig.¹²⁹ „[Der] Berghauptmann fluchte in einem sehr rohen Ton, als ob ihn die Regierungsbehörden lediglich zum Schutze der Gesellschaftsinteressen¹³⁰ geschickt hätten; er verwendete Ausdrücke, als ob er nicht der indifferente Vermittler der Behörden wäre, der zwischen Arbeitgeber und Arbeitern eine unparteiische Position einnehmen müsste.“¹³¹ Aus der detaillierten Darstellung des Berghauptmanns in der Pécsi Figyelő wird ersichtlich, dass die Zeitung diesen als stark parteiisch ansah und ihm kritisch gegenüberstand. Die von Kaufmann genehmigten Zugeständnisse an die Arbeiter scheinen der Bergbaugesellschaft laut der Zeitung keinen besonderen Aufwand verursacht zu haben, das zentrale Anliegen der Arbeiter habe er jedoch geradewegs zurückgewiesen. Die Pécsi Figyelő betonte ihre kritische Haltung gegenüber dem Berghauptmann, indem sie die verzweifelte Äußerung der Bergarbeiter in der
126 Vgl. Anon, Bányászok ügyének tárgyalása, [Die Verhandlung der Sache der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. 127 Ebd. 128 Vgl. ebd. 129 Vgl. ebd. 130 Gemeint ist die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft als Arbeitgeber. 131 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5.
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Verhandlung wiedergab, die vom Vorgehen des Staatsrepräsentanten enttäuscht waren: „Die Bergarbeiter zeigten sich mit dem Vorgehen unzufrieden und sagten: ‚Also, da der Herr Berghauptmann derselben Ansicht ist wie die Gesellschaft, und uns sogar befiehlt, wir sollen es nicht wagen, noch mehr zu fordern; wir sollen uns damit abfinden!‘ Hierauf brachen alle Beschwerden aus den Bergarbeitern heraus.“¹³² Der aus Budapest angereiste Vertreter der staatlichen Bergbauaufsichtsbehörde nahm aus der Perspektive der Zeitung in der Verhandlung im Komitatshaus direkten Einfluss auf den Verlauf des Streiks, indem er am Ende Entscheidungen fällte, die die Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter und die Aufgaben der Bergbaugesellschaft betrafen. Die Pécsi Figyelő widmete diesen Verhandlungen zwischen Bergarbeitern und deren Arbeitgeber große Aufmerksamkeit. Der Darstellung der Zeitung zufolge scheinen die Verhandlungen in der Weise abgelaufen zu sein, dass zuerst die Bergarbeiter oder ihr Anwalt die Forderungen vortrugen. Daraufhin hätten die Repräsentanten, die sich eigentlich neutral verhalten sollten, darunter Berghauptmann Kaufmann, festgelegt, welche Forderungen erfüllbar und was abzulehnen sei. Der Bergwerksdirektor habe dann die von den Repräsentanten akzeptierten Forderungen übernommen und umgesetzt. Die Pécsi Figyelő illustriert ihre Distanziertheit – gewollt oder ungewollt – gegenüber Berghauptmann Kaufmann bereits mit der abweichenden Nennung seines Vornamens. Sie zeichnete ein ungewöhnlich detailreiches Bild des Berghauptmanns und präsentierte diesen als parteiische, den Bergleuten gegenüber überhebliche und machtbewusste Person. Obwohl er nicht zur Oberschicht des Komitats gehörte, sondern aus Budapest angereist kam, reihte die Pécsi Figyelő Berghauptmann Kaufmann in die Kategorie der Mächtigen ein, deren ‚Pascha-Allüren‘ das Blatt stark kritisierte.
8.2.4 Über „Potentaten“ und „schlechte Polizisten“.¹³³ Die Behörden und ihrer Repräsentanten in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő Die oben analysierten Perspektiven der Pécsi Figyelő auf Repräsentanten der kommunalen, der Komitats- und der staatlichen Behörden des Streikgeschehens zeigen die imaginierte soziale Ordnung der Zeitung. Die Pécsi Figyelő erkannte und benannte gesellschaftliche Veränderungen, die sie in den unteren gesellschaftlichen
132 Ebd. 133 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
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Schichten beobachtete. Sie verglich die Veränderungen mit den Umwälzungen in Frankreich und konstatierte, dass die gesellschaftlichen Schranken aufgehoben seien und auch die unteren Gesellschaftsschichten zu Selbstbewusstsein gelangt seien. Die Pécsi Figyelő sah die Aufgabe des Staates und seiner Behörden deshalb darin, für alle Bürger Rechtssicherheit herzustellen und zu gewährleisten. Daher forderte die Zeitung von den staatlichen Behörden und von deren Repräsentanten, dass diese nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung und entsprechend Recht und Gesetz zu handeln hätten. Demgegenüber seien Willkür, gewaltsame Niederschlagung und Unterdrückung von noch so unerwünschten Bewegungen und Ideologien kontraproduktiv. Die Aufgabe des Staates sah die Pécsi Figyelő in der Sicherung und Verbesserung der Situation der Arbeiterschaft, damit diese sich vor allem der unerwünschten Ideologie des Sozialismus nicht hingebe. Genau dies warf die Zeitung allerdings den lokalen Amtsträgern vor, denn für die Pécsi Figyelő verhielten sich die Vertreter der Stadt, des Komitats und auch des Staates im Umgang mit den streikenden Bergarbeitern eigenmächtig, selbstherrlich und gewalttätig. Mit dieser Kritik distanzierte sich die Pécsi Figyelő von der Oberschicht des Staates, des Komitats und der Stadt. Dabei ist zu beobachten, dass die Zeitung die Protagonisten unterschiedlich stark kritisierte. Je stärker eine Person des öffentlichen Lebens und des Streikgeschehens kritisiert werden sollte, umso näher‚zoomte‘ die Zeitung an bestimmte Handlungen und Aussagen dieser Person heran. Bei der eher holzschnittartigen Darstellung anderer Personen, die auch zum Kreis der viel Kritisierten gehört haben müssten und welche in der konkurrierenden Presse eine prominentere Rolle spielten, konnte jedoch der Eindruck entstehen, die Pécsi Figyelő habe einen blinden Fleck gehabt. Die Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő fand auf Distanz zu den Behörden und ihren Vertretern im Streikgebiet statt. Die Zeitung nannte Persönlichkeiten nur selten mit vollständigem Namen und Titel; Adelstitel ließ sie ganz unerwähnt, unrichtige Nennungen kamen wiederholt vor. Das Blatt stellte die staatliche Exekutive zwar als sehr militant dar; ihre konkreten Aktionen behandelte die Zeitung allerdings nur in knapper Form.¹³⁴ Das Vorgehen der Exekutivorgane während des Streiks hob die Zeitung nicht besonders hervor, kritisierte diese dafür aber ebenfalls massiv. Die durch die Berichterstattung der Pécsi Figyelő erzeugte Abgrenzung gegenüber der Oberschicht und den Bergarbeitern sowie die von ihr repräsentierte Distanziertheit dieser untereinander stützte sich auf den von der Zeitung diesen 134 Die einzige Stelle, in der die Pécsi Figyelő Gewalt gegen Bergarbeiter explizit erwähnte, war jener Bericht, in dem der Landtagsabgeordnete Visontai dem Innenminister die Räumung der Häuser in Szabolcs schilderte. Vgl. Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4.
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zugeschriebenen Habitus. Verhalten, Benehmen und Haltung der Mächtigen zeugten in den Augen der Zeitung von einer anachronistischen, wie es der ungarische Sozialhistoriker Zoltán Tóth nannte, „ständischen Norm“,¹³⁵ die ihrer Meinung nach der Gesellschaft schadete und den ungeliebten Sozialisten in die Hände spielte. Die Pécsi Figyelő positionierte die mächtigen, aber moralisch fragwürdigen Repräsentanten der Behörden mit teilweise plakativen Titulierungen auf großer Distanz zu sich selbst und ebenso zu den Bergarbeitern.
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő Das auf der untersten Stufe der Bildung stehende Arbeitervolk, insbesondere das Bergarbeitervolk, welches das noch primitivere Element der Gesellschaft ist, schnappt von den vielen oberstuhlrichterlichen und vizegespanlichen Diktionen schnell über¹³⁶
Verglichen mit der Menge der Beiträge über den Streik und deren Umfang widmete die Pécsi Figyelő in ihrer Streikberichterstattung ausgerechnet den Bergleuten, der zentralen Protagonistengruppe des Streiks, nur geringe Aufmerksamkeit. Dennoch verfolgte die Zeitung die Aktivitäten der Bergleute kontinuierlich während der gesamten Arbeitsniederlegung und sogar darüber hinaus. Bergleute wurden in der Pécsi Figyelő in Kurznachrichten erwähnt, in denen über die Feierlichkeiten am Tag der heiligen Barbara und ab 1893 auch anlässlich des Ersten Mais berichtet wurde. Die Beiträge über den Ersten Mai fielen bisweilen umfangreicher aus und nahmen allgemeine Fragen der Arbeiterschaft in den Blick. 1893 nahm ein Artikel der Pécsi Figyelő sogar die Probleme der bevorstehenden Arbeitsniederlegung vorweg. Er thematisierte die Diskurse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Als Anlass, sich mit diesen zu beschäftigen, nannte die Zeitung die sich zu dieser Zeit offenbar allgemein häufenden Konflikte zwischen Arbeitern und Arbeitgeber: „Das Studium der Beweggründe der zeitweise vorkommenden Arbeiterstreiks bieten reichlich Stoff dafür, dass wir uns damit ein wenig befassen.“¹³⁷
135 Tóth, A rendi norma és a „keresztyén polgárisodás“, in: Századvég (1991), 2/3, S. 75 – 130, hier S. 80 f. 136 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Der mit Gewalt niedergerungene Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 137 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2.
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Die Pécsi Figyelő, die sich als „Fackelträger der Baranyaer Unabhängigkeitspartei und insbesondere des wahren Christentums“¹³⁸ verstand, unterstrich dabei, dass sie sowohl die Perspektive der Arbeiterschaft als auch die Perspektive der Arbeitgeber in Betracht gezogen habe und bemüht sei, diese gleichwertig zu behandeln: Die meisten Arbeitsniederlegungen (strike) beruhen auf der Forderung von Lohnerhöhungen und nach Herabsetzung der Arbeitszeit. Niemand darf jenes Recht des Arbeiters in Zweifel ziehen, den Wert seiner Arbeit den Umständen und der Zeit entsprechend selbst bestimmen zu dürfen; aber genauso wenig darf niemand in Zweifel ziehen, dass auch der Arbeitgeber das volle Recht genießt, die Höhe der bezahlbaren Löhne im Verhältnis zum Wert und zur Lukrativität des herzustellenden Produktes festzustellen.¹³⁹
Die Thematisierung der Arbeiterfrage durch die Pécsi Figyelő erscheint an dieser Stelle noch einigermaßen abstrakt. In der Streikberichterstattung von Sommer 1893 wurde das Blatt bereits konkreter. Ihre vorwiegend theoretische und distanzierte Beschäftigung mit der Arbeiterschaft gab die Zeitung jedoch erst im Februar 1894 in ihrer Berichterstattung über einen Bergarbeiterstreik in der ca. 35 Kilometer von Pécs entfernt liegenden Ortschaft Szászvár zeitweilig auf. Darin ist erstmals in einer der untersuchten Zeitungen die Befragung eines Bergarbeiters durch einen Korrespondenten dokumentiert.¹⁴⁰ Die Pécsi Figyelő begann allerdings auch erst dann, sich mit den Pécser Bergarbeitern eingehender zu beschäftigen, als deren Konflikt mit der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft im Juni 1893 unübersehbar wurde. Der Anspruch der Zeitung, alle Bevölkerungsgruppen gleichwertig zu behandeln, scheiterte jedoch meines Erachtens an der spezifischen Distanzierung der Pécsi Figyelő gegenüber den Bergarbeitern in den außerhalb der Stadt gelegenen Bergarbeitersiedlungen Pécsbányatelep, Szabolcs, Somogy und Vasas. Die spezifische Art der Pécsi Figyelő, die Bergarbeiter zu beobachten, darzustellen und in der alltagsweltlichen Ordnung der Pécser Gesellschaft zu positionieren zeigt sich auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Zum einen in der Art der Berichterstattung über den Streik und die Bergarbeiter, zum anderen in den Aspekten der Berichterstattung über die Bergarbeiterschaft. Folgende Aspekte stechen darin analytisch besonders hervor: die Thematisierung von Ethnizität, die Dar-
138 Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 139 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 140 Vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2.
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő
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stellung der Bergleute als Kollektiv sowie die Repräsentation der Bergarbeiter als unterlegene, unselbstständige und einfältige soziale Schicht der Gesellschaft.
8.3.1 Distanz und Distinguierung als Unterschichtungsstrategie Die Pécsi Figyelő betrachtete die Bergarbeiter in ihren Darstellungen und Analysen immer aus großer physischer Distanz und mit gehöriger ideeller Distanziertheit. Die Streikberichterstattung des Blattes konzentrierte sich stärker auf die Erörterung von Situationen und Problemen als auf die Berichterstattung über die tatsächlichen Ereignisse in den Bergarbeitersiedlungen, wie es die konkurrierenden Zeitungen praktizierten. Hierbei entstand das spezifische Bild der Bergarbeiter der Pécsi Figyelő als einer relativ einheitlichen gesichtslosen Menschenmenge. Die Distanz, die die Zeitung zu den Bergarbeitern aufrechterhielt, war sowohl das methodische als auch das habituelle Schema der Zeitung. Durch ihre distanzierte und damit oberflächliche Betrachtung konnte die Zeitung die Bergleute als den „primitivsten“¹⁴¹ Teil der Gesellschaft wahrnehmen und darstellen. Gleichzeitig erlaubte es die in der Distanzierung begründete Oberflächlichkeit der Zeitung, sich den Bergleuten als gesellschaftlicher Gruppe überzuordnen und diese damit zu unterzuschichten. Diese spezifische Praxis der Pécsi Figyelő, mit der sie ihre Vorstellungen von der sozialen Ordnung der Stadt kommunikativ präsentierte und erzeugte, war sowohl räumlich als auch habituell begründet. Die räumliche Distanzbildung geschah mittels der Repräsentation der Bergarbeiter als einer Menschenmasse, die sich in großer Entfernung von Pécs aufgehalten habe und dadurch nicht vollständig der urbanen Bevölkerung zugehörig gewesen sei: „Wir können das mit unterdrückter Stimme murrende, unruhige, unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien mit Recht als einen im Ausbruch begriffenen feuerspeienden Krater bezeichnen.“¹⁴² Die damit hergestellte Entfernung der Pécsi Figyelő zu den Bergarbeitern verstärkte sich noch durch ihre oberflächliche Berichterstattung über diese und ihren Streik. Im Vergleich mit den anderen Zeitungen wird deutlich, wie knapp und geradezu holzschnittartig die Pécsi Figyelő das Verhalten der Bergarbeiter und die Streikereignisse darstellte. Drei der 20 Beiträge der Pécsi Figyelő trugen sogar dieselbe Überschrift. In den längeren Artikeln zum Streik stellte die Zeitung Eigenschaftsbeschreibungen und Situationsanalysen über die Bergleute in den Vorder141 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 142 Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4.
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grund. Andererseits behandelte die Zeitung die Bergarbeiter auch ausführlich, wenn diese in ihr direktes Blickfeld gerieten. Diese spotlightartigen Portraits blieben allerdings die Ausnahme. Eine dieser Gelegenheiten, die Bergarbeiter näher zu beleuchten, war der Festtag der heiligen Barbara Anfang Dezember 1894, an dem die Bergleute zum Gottesdienst in die Kirche nach Pécs gingen: Am Dienstag wurde, dem alten Brauch entsprechend, in der Pécser Bergarbeiterkolonie der Namenstag der Schutzheiligen der Bergleute Barbara gefeiert. Die ansonsten kohlenstaubbedeckten Bergarbeiter eilten festlich angezogen in die Kirche, um ihrer Schutzheiligen zu danken, dass sie im vergangenen Jahr die sie auf Schritt und Tritt bedrohenden Gefahren ihrer schweren Arbeit von ihnen abgehalten hat. Morgens um neun Uhr hielt Pfarrer József Kristóf die Predigt für die Bergleute, an deren Ende er ermutigende Worte an diese richtete.¹⁴³
Eine weitere Gelegenheit für die Zeitung, die Bergarbeiter genauer zu betrachten, waren die Festlichkeiten am Ersten Mai 1893, an dem die Bergleute ebenfalls ihre Siedlungen verließen und im nahe der Stadt gelegenen „Gesztenyés-Wäldchen ein Fest [abhielten] und Ballspiele [veranstalteten].“¹⁴⁴ Eine detaillierte Schilderung widmete die Pécsi Figyelő auch den Verhandlungen der Streikenden mit ihrem Arbeitgeber im Komitatshaus im Stadtzentrum von Pécs, zu welchen ebenfalls viele Bergarbeiter erschienen. Die Analyse der Berichterstattung der Pécsi Figyelő zeigt, dass, sobald Bergarbeiter in die Nähe der Stadt kamen, das Blatt diese ungewöhnlich detailliert präsentierte. Diese Beobachtung deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass die Pécsi Figyelő während des Streiks nur wenige Informationen und kaum eigene Beobachtungen aus Szabolcs, dem zentralen Ort des Streikgeschehens zur Verfügung gehabt haben dürfte. Im Gegensatz zu den anderen Zeitungen waren in den Beiträgen der Pécsi Figyelő keine Hinweise auf die Anwesenheit eines Beobachters oder Berichterstatters am Ort des Streiks zu finden gewesen. Die Darstellungen der Pécsi Figyelő, die die Bergarbeiter bei ihren Aktivitäten in der Stadt aus der Nähe zeigen, zeugen von einer grundlegend empathischen Haltung der Zeitung diesen gegenüber. In diesen Situationen präsentierte die Zeitung die Bergleute als „ansonsten kohlenstaubbedeckte“,¹⁴⁵ bedauernswerte Menschen, die vom Pfarrer oder von anderen Repräsentanten der gebildeten Bürgerschicht Pécs‘
143 Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2. 144 Anon, Szunyogból (sic!) elefánt, [Aus einer Mücke einen Elefanten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. Vgl. Planquadrat J 3, in: Hochrein, Pécs 1895, 1895. 145 Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2.
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő
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Zuspruch erhielten. Die Pécsi Figyelő scheint die Bergarbeiter als ein Kollektiv ermutigungsbedürftiger Lernender und zu Belehrender wahrgenommen zu haben: Im Übrigen würde ein strebsamer, fleißiger und für die menschliche Gesellschaft nützlicher Arbeiter niemals die schwierige oder durch vertragliche Bindungen erschwerte Lage seines Mitmenschen und Arbeitgebers zu seinen eigenen Vorteil ausbeuten, denn wer seine Mitmenschen so angreift, der begeht nicht nur ein Verbrechen gegen göttliche und menschliche Gesetze, sondern verwirkt damit auch den Respekt und die Wertschätzung der menschlichen Gesellschaft.¹⁴⁶
Die Zeitung postulierte, dass die Bergarbeiter weder von ihrem Arbeitgeber, der sie mit manipulierten Lohnlisten betrüge,¹⁴⁷ noch von der regionalen Oberschicht, die sie mit „unbefugtem Paternalismus“¹⁴⁸ und „illegalem Pascha-Verhalten“¹⁴⁹ unterdrücke, zu rechtschaffenen Mitmenschen erzogen werden könnten: Das auf der untersten Stufe der Bildung stehende Arbeitervolk, insbesondere das Bergarbeitervolk, welches das noch primitivere Element der Gesellschaft ist, schnappt von den vielen oberstuhlrichterlichen und vizegespanlichen Diktionen schnell über, über welche die Bergarbeiter selbst mit ihrem primitiven Urteilsvermögen, das Urteil aussprechen können, dass nämlich diese nicht nötig gewesen sind, weil sie auf unbefugte Weise ausgesprochen wurden.¹⁵⁰
Die Bergarbeiter hätten nach Ansicht der Pécsi Figyelő von Lehrern, Geistlichen und anderen Gebildeten an die ungarische Gesellschaft herangeführt werden sollen. Diese Arbeit sei allerdings, stellte die Zeitung fest, „eine harte Nuss“,¹⁵¹ denn man müsse „[d]en Sprossen der tschechischen, mährischen, krainischen, slowakischen und wer weiß welchen Nationen noch“¹⁵² erst einmal die ungarische Sprache beibringen.¹⁵³ Beim Besuch einer Journalistendelegation in der Schule der Bergarbeitersiedlung, berichtete die Pécsi Figyelő, seien die Besucher von den bereits erworbenen Ungarischkenntnissen der Schüler angetan gewesen und auch der
146 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 147 Vgl. Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 148 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 149 Ebd. 150 Ebd. 151 Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolában, [Ungarische Sprache in der Schule der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6. 152 Ebd. 153 Vgl. ebd.
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8 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen …“
Pfarrer habe den Kindern ermunternd zugesprochen.¹⁵⁴ Diese Szene ist eine der seltenen textgewordenen ‚Nahaufnahmen‘ der Pécsi Figyelő von der Bergarbeiterschaft in einer der Siedlungen. Die Kinder der Bergarbeiter erscheinen darin als die zukünftigen „strebsame[n], fleißige[n] und für die menschliche Gesellschaft nützliche[n] Arbeiter“,¹⁵⁵ deren sich Lehrer und Pfarrer verantwortungsvoll annehmen. Durch den Blick aus der Distanz und von einer sozial höheren Position aus stellte die Pécsi Figyelő die Bergarbeiter der Leserschaft als eine anleitungsbedürftige und untergeordnete gesellschaftliche Gruppe dar.
8.3.2 Ethnien und Magyarisierung im Kontext der Bergarbeiter Den Machern der Pécsi Figyelő war die ethnische und die damit einhergehende sprachliche Vielfalt unter den Bewohnern der Bergbausiedlungen bekannt. Die Zeitung problematisierte diese Multiethnizität jedoch kaum. Da dieses Thema aber in den anderen beiden Zeitungen ebenfalls zur Sprache kam, beziehe ich es im Kontext der Pécsi Figyelő ebenfalls in die Betrachtung ein. Selten brachte die Zeitung Formulierungen, die „das zahlreiche und aus unterschiedlichen unbekannten Elementen zusammengemischte Volk“¹⁵⁶ näher beschrieben oder die Disposition dieser Konstellation thematisierten. Informationen über die ethnische Zugehörigkeit, die unterschiedlichen Herkunftsorte und die unterschiedlichen Sprachen der Bergarbeiterschaft formulierte die Pécsi Figyelő zumeist mit einem Hinweis auf fehlende genaue Kenntnisse: „Den Sprossen der tschechischen, mährischen, krainischen, slowakischen und wer weiß welcher Nationen noch die ungarische Sprache beizubringen ist harte Arbeit.“¹⁵⁷ Der Zeitung war der Bedeutung des Erlernens der ungarischen Sprache bewusst, um den Bergarbeitern gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, obwohl, wie sie schrieb, der Ungarisch-Unterricht in der Schule der Bergarbeitersiedlung zunächst nur rudimentär sein sollte. Das Ziel sei zunächst nicht die Magyarisierung gewesen, sondern den in Ungarn lebenden ausländischen Arbeitern sollte Respekt dem Land gegenüber beigebracht werden, in dem sie arbeiteten: „[D]ie in Ungarn
154 Vgl. ebd. 155 Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 156 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 157 Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolában, [Ungarische Sprache in der Schule der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6.
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő
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tätigen Arbeiter [sollten] wenigstens dieses Land zu schätzen und seine Menschen zu lieben lernen, wenn sie schon das Brot dieses Landes mögen.“¹⁵⁸ Die Zeitung konstatierte, dass man diesen Arbeitern ein gewisses Maß an Ungarischkenntnissen durchaus abverlangen könne.¹⁵⁹ Es entsteht der Eindruck, Ziel der Bemühungen sei es gewesen, den Bergarbeitern Grundkenntnisse des Ungarischen beizubringen, um ihnen neben dem Respekt auch eine rudimentäre Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen und sie habituell ein wenig in die Gesellschaft zu integrieren.¹⁶⁰ Die deutschsprachige Personen behandelte die Pécsi Figyelő in ihren Beiträgen gesondert. Die Veröffentlichungen der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft erschienen zu dieser Zeit noch großteils ausschließlich auf Deutsch – die soll einer der Kritikpunkte der ungarischsprachigen Streikenden gewesen sein. Auch die Behörden veröffentlichten ihre Informationen an die Bevölkerung auf Deutsch. Zahlreiche Begriffe, die die Zeitung selbst in ihren ansonsten durchgängig ungarischen Texten verwendete, zeugen von der Verbreitung deutscher Begriffe im Pécser Alltag und insbesondere im Bergbau („schicht“,¹⁶¹ „privát policzia“,¹⁶² „lohnlista“¹⁶³).¹⁶⁴ Die deutsche Sprache war im Pécser Alltag zu dieser Zeit noch weit verbreitet.¹⁶⁵ Demgegenüber betrachtete die Pécsi Figyelő den von ihr verabscheuten Sozialismus
158 Ebd. 159 Vgl. ebd. 160 Ob zur Aneignung der ungarischen Sprache für die erwachsenen Einwanderer nach Pécs Unterstützung angeboten wurde, kommt aus den Beiträgen nicht hervor. Die Schule scheint sich lediglich um die Kinder der Bergleute gekümmert zu haben. Die Erwartung von erwachsenen Migranten, die Sprache des Aufnahmelandes zu erwerben, ohne ihnen Hilfestellung anzubieten kann immer wieder beobachtet werden. 161 Anon, Bányászok elégedetlensége, [Unzufriedenheit der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 2. 162 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 163 Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. 164 Mit der Integration fremdsprachiger Begriffe, insbesondere deutscher Wörter, in die Fachsprachen der Industriearbeiter Ungarns im 19. Jahrhundert hat sich der Ethnograph Attila PaládiKovács befasst, vgl. Paládi-Kovács, Az ipari munkásság, in, Ders. (Hg.), Magyar néprajz, 2000, S. 239 – 308, hier S. 300 f. 165 Zeitgenössischen Statistiken zufolge belief sich der Anteil der Deutschsprachigen in der Stadt Pécs im Jahr 1890 auf über 19 %. Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 80; ähnlich auch Brandt, vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 334.
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8 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen …“
als „ein deutsches Produkt“,¹⁶⁶ welches ihrer Ansicht nach zwar weniger bei den ungarischen als vielmehr bei den eingewanderten Arbeitern auf fruchtbaren Boden falle.¹⁶⁷ Die sich den Beiträgen zufolge unter die Bergarbeiter mischenden Sozialisten deklarierte die Zeitung zwar selten als Deutsche, diese Annahme schwang jedoch in ihren Formulierungen stets mit. Somit konnte die Zeitung den Sozialismus als einen Einfluss aus dem Ausland und als eine Ideologie der ausländischen Arbeiter verorten. Die Magyarisierung der Bergarbeiter könnte also, so mag man die Pécsi Figyelő verstehen, ein Teil deren kultureller Integration gewesen sein, womit gleichzeitig die Empfänglichkeit der Arbeiterschaft für unerwünschte Ideologien geschwächt werde. Die Aufgabe, den Bergarbeitern die ungarische Sprache näherzubringen, kam dabei in der Vorstellung der Zeitung der bürgerlich gebildeten Schicht Pécs‘ zu, welche durch die in den Bergarbeitersiedlungen tätigen Lehrer vertreten war.¹⁶⁸ Durch die Aufgabe, den Bergarbeitern die ungarische Sprache beizubringen, entstand zwischen diesen und der urbanen Mittelschicht ein hierarchisches Verhältnis, in dem die Bergarbeiter als Untergeordnete die Rolle der Lernenden einnahmen. Die Vermittlung der ungarischen Sprache an die multiethnische Gruppe der Bergarbeiter durch die Lehrerschaft kann daher gleichzeitig als eine Integrations-, Magyarisierungs- und Unterschichtungspraktik der Pécsi Figyelő interpretiert werden.
8.3.3 Die Kollektivität der Bergleute Trotzt vereinzelter genauerer Schilderungen des Aussehens, der Eigenschaften, von Situationen und (später auch) Aussagen von Bergarbeitern blieb die Perspektive der Pécsi Figyelő eine aus der Ferne beobachtende, die die Bergleute zumeist als Kollektiv wahrnahm und diese so der Leserschaft präsentierte. Für die praktische Herstellung des Kollektivs innerhalb der Bergarbeiterschaft waren den Darstellungen der Zeitung zufolge die Frauen der Bergleute zuständig – auch wenn diese nur sehr selten in Erscheinung traten. In den Berichten der Pécsi Figyelő versorgten die Frauen ihre Männer während der Arbeitsniederlegung nicht nur mit Lebensmitteln, die sie nach Szabolcs brachten, sondern sie sorgten auch rigoros dafür, dass sich alle Bergmänner am Streik beteiligten:
166 Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet, [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 14. Juni, S. 3. 167 Vgl. ebd. 168 Vgl. Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolában, [Ungarische Sprache in der Schule der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6.
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő
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In Szabolcs waren in den einzelnen Häusern 30 – 40 Arbeiter einquartiert, wohin ihnen ihre Gattinnen das Mittagessen und das Abendessen brachten. Die Gattinnen überprüften selbst am heldenhaftesten ihre Gatten, nicht dass einer zuhause bleibe. Es ist vorgefallen, dass ein Arbeiter versehentlich zu lange gebraucht hat, um sich nach Szabolcs zu begeben; diesen umzingelten acht oder zehn Frauen, sie prügelten ihn aus der Wohnung und begleiteten ihn unter Drohungen runter ins Tal nach Szabolcs zu seinen Gefährten.¹⁶⁹
Die Darstellung der Protagonistinnen als Stifterinnen der Gemeinschaft konnte den Eindruck einer kollektiven Einheit noch verstärken, die die Bergarbeiterschaft aus der Sicht der Pécsi Figyelő bildete. Die methodische und habituelle Distanz der Pécsi Figyelő zu den Bergarbeitern ging mit deren oberflächlicher Wahrnehmung einher und erzeugte deren Repräsentation als eine ethnisch und sprachlich heterogene, aber sozial homogene Menschenmenge. Statt der direkten Berichterstattung über die Ereignisse des Streiks vor Ort analysierte die Zeitung die Eigenschaften und die Situation der Bergarbeiter zumeist auf einer abstrakten Ebene, wodurch die Bergarbeiterschaft zu einem Kollektiv, zu einer grauen Masse in weiter Ferne verschmolz.
8.3.4 Die Unterlegenheit der Bergleute Die Pécsi Figyelő betonte immer wieder die de jure geltende Gleichberechtigung der Bürger des Landes vor dem Recht und vor dem Staat sowie vor dessen Repräsentanten. Sie prangerte jedoch wiederholt auch die realiter bestehende Ungleichheit der drei in den Streik involvierten Protagonistengruppen an: der politischen Entscheidungsträger, des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer. Die üblicherweise distanzierte, oberflächliche und daher kollektive Darstellung der Bergarbeiter in der Pécsi Figyelő wurde dann und wann durchbrochen, wenn es um die Repräsentation der Unterlegenheit, der Einfalt und der Hilfsbedürftigkeit der Bergarbeiter ging. Es kann allerdings vermutet werden, dass die Protagonisten, die dafür als Einzelpersonen in Erscheinung traten, lediglich pars pro toto für die Bergleute standen. So erscheinen in den Texten vereinzelt Bergarbeiter, die die Überlegenheit der von der Zeitung stark kritisierten Autoritäten zu spüren bekamen. Solch eine Ausnahme bildet die plastische Schilderung eines Zwischenfalls bei der Räumung der Häuser in Szabolcs durch Militär und Gendarmerie am 12. Juni 1893. Das Setting der Erzählung belegt erneut die Distanz, die die Pécsi Figyelő zu
169 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
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den Bergarbeitern und ihren Wohnorten stets beibehielt. Die Schilderung der gewaltsamen Entfernung eines alten Bergmannes aus einem der Häuser ging laut der Pécsi Figyelő auf die „lebhafte“¹⁷⁰ Schilderung des Abgeordneten Dr. Soma Visontai zurück, der die Bergarbeiterdelegation zum Innenminister begleitet hatte und der die ihm geschilderten Begebenheiten dem Minister vorgetragen haben soll: „Dennoch verjagten die Behörden die Streikenden aus ihren Wohnungen, und als diese zu ihren in ungarischen Dörfern lebenden Kollegen geflüchtet sind, haben sie dort regelrecht Treibjagd auf sie gemacht, und bei dieser Gelegenheit ereignete es sich, dass sie einen alten Arbeiter namens Kospatarits bei seinem Bart gepackt unter einem Bett hervorzerren wollten und ihm dabei die Barthaare lockenweise herausrissen.“¹⁷¹ Deutlich anders berichtete die Pécsi Figyelő über Ereignisse, die in der Stadt, in unmittelbarer Nähe der Zeitungsredaktion und damit gewissermaßen im direkten Blickfeld der Zeitung stattfanden und an denen Bergleute beteiligt waren. In der Regel handelte es sich dabei um Berichte über Zusammenkünfte der Bergarbeiter mit Repräsentanten der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und der Behörden zum Zwecke der Verhandlung im Anschluss an die Arbeitsniederlegung. Die Verhandlungen fanden im Komitatshaus unweit des Pécser Zentrums statt. Von der zu dieser Zeit schon am Széchenyi-Platz liegenden Redaktion der Pécsi Figyelő war das Komitatshaus zu Fuß gut erreichbar.¹⁷² Die Verhandlungen im Komitatshaus schilderte die Zeitung bisweilen recht detailliert: Die Bergarbeiter waren von dem Vorgehen entrüstet und sprachen: „Also, da der Herr Berghauptmann ebenfalls der Ansicht der Gesellschaft ist, und uns sogar befiehlt, wir sollen es nicht wagen, noch mehr zu fordern; wir sollen uns damit abfinden!“ Hierauf brachen alle Beschwerden aus den Bergarbeitern heraus. Sie arbeiten heute genauso wie zuvor, und dennoch ist der Verdienst von 1 Ft 50 Kr auf 65 Kr geschrumpft. 200 Lohnlisten haben sie vorgelegt, aus denen der Lohnverfall ersichtlich wurde. Ein Arbeiter zeigte sogar eine Liste, auf der Abzüge von über 10 Forint verzeichnet sind, für zwei Personen, die gar nicht in der betreffenden Gruppe gearbeitet hatten.¹⁷³
Die Dramaturgie solcher Schilderungen zeigte der Leserschaft häufig die Unterlegenheit der Bergarbeiter gegenüber den Repräsentanten der Stadt, des Komitats
170 Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. 171 Ebd. 172 Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895. 173 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5.
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oder des ungarischen Staates, die das Blatt damit in einem sehr schlechten Licht erscheinen ließ.
8.3.5 Die Unselbstständigkeit der Bergarbeiter Bei diesen Begegnungen der Bergleute mit der Oberschicht ließ die Pécsi Figyelő selten unerwähnt, dass diese als „ungebildete und halbgebildete Elemente“¹⁷⁴ oft durch einen bürgerlichen Helfer begleitet und protegiert wurden. Während der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber der Bergleute, schrieb die Zeitung, stand ihnen der Pécser Rechtsanwalt Kálmán Bolgár beratend und fürsprechend zur Seite:¹⁷⁵ „Die Arbeiter jedoch, die mit ihrem Anwalt Kálmán Bolgár zu dreißigst erschienen waren, bestanden auf jenem festgesetzten Grundlohn, den sie mit beachtlichen Abstrichen auf folgende Weise festgesetzt haben: […] Dies hat Rechtsanwalt Bolgár nach langwieriger Überzeugungsarbeit herausgehandelt.“¹⁷⁶ Im Gegensatz zu den holzschnittartigen Nachrichten aus dem Streikgebiet lieferte die Zeitung von den Begegnungen der Bergleute mit Vertretern der Behörden in der Stadt Pécs und Budapest detailreiche Stimmungsbilder, welche der ‚teilnehmenden Beobachtung‘ der Zeitung zu entstammen scheinen. Ausführlich schilderte die Zeitung die Audienz der Bergarbeiter bei Innenminister Károly Hieronymi in Budapest, bei der dieser den Bergleuten wohlwollend zugehört und ihnen seinen guten Willen zugesichert habe. Ebenso erwähnt die Pécsi Figyelő die positive Wirkung, die diese vertrauenswürdige und zugewandte Persönlichkeit auf die Bergarbeiter ausübte, wonach diese dann „beruhigt den Minister verließen“.¹⁷⁷ Die Bergleute hätten, so befürchtete die Pécsi Figyelő, in ihrer Unselbstständigkeit und Verführbarkeit durch schlechten Einfluss auf die schiefe Bahn geraten können. So seien die Bergarbeiter durch unbekannte Aufwiegler erst auf den Gedanken gebracht worden, dass ihre Lage schlecht sei, wie die Pécsi Figyelő mehr-
174 Anon, Május elseje, [Erster Mai] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 175 Kálmán Bolgár (10. April 1843 – 12. November 1910) war Jurist, Standesbeamter und in den 1870er Jahren selbst Redakteur bei der Zeitung Pécsi Lapok. Vgl. Tamás Miszler, Baranyai neves személyek. Online: https: //www.csgyk.hu/baranyai-neves-szemelyek-kereso/ (letzter Zugriff 08.11. 2018). 176 Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 177 Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4.
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mals betonte.¹⁷⁸ Es scheint, als traute die Zeitung der Pécser Bergarbeiterschaft nicht zu, selbst für ihre Rechte und Bedürfnisse einzutreten. Die Bergarbeiter bedurften nicht nur der Fürsprache und der Anleitung, wenn sie das Falsche zu tun schienen, sondern sie wurden von jemandem verführt oder angeführt: „Die Arbeiter haben alles strengstens geheim gehalten und halten es heute immer noch geheim; dass sie aber von jemandem angeführt werden, verraten Tatsachen, die auf die Arbeit von jemandem hinweisen, der mit den Gesetzen gänzlich vertraut ist.“¹⁷⁹ Diese Unselbstständigkeit, die die Pécsi Figyelő über die Bergarbeiter kolportierte, dürfte die Wahrnehmung der Bergleute als eine Gruppe besonders unselbstständiger Menschen verstärkt haben, die der Protektion durch ihnen zugewandte Personen oder Gruppen bedurfte. Die Zuschreibung dieses Habitus kann als eine weitere Facette zur Positionierung der Bergarbeiter im sozialen Raum von Pécs durch die Pécsi Figyelő betrachtet werden.
8.3.6 Die Einfalt der Bergleute Im Friedrich Kirchners Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe aus dem Jahr 1911 findet sich folgende Definition einer Eigenschaft, die die Auffassung der Pécsi Figyelő von den Bergarbeitern auf zeitgenössische Weise scharfzüngig umreißt: Einfalt […] bezeichnet 1. eine gewisse Begrenztheit des Verstandes und Geradheit des Urteils, und, da diese den Kindern eigen ist, die echte Kindlichkeit, 2. die Abwesenheit von Ziererei, falscher Rücksichtnahme, Verstellung und Unredlichkeit. […] Wer einfältigen Verstandes ist, kann nicht nach weitaussehenden und verwickelten Absichten handeln; wer einfältigen Herzens ist, will es nicht. Der Einfältige ist das Gegenteil vom Gewandten, Pfiffigen und Weltklugen. Sein Leben ist naturgemäß, ohne Luxus und Affektiertheit; seine Gesinnungen und Handlungen stehen, frei von allen Nebenabsichten, in Harmonie.¹⁸⁰
Ein plakatives Beispiel für das Bild von der Verführbarkeit und der beinah mystischen Einfalt des ungebildeten Bergarbeiters lieferte die Pécsi Figyelő in einem Bericht über den Streik in Szászvár im Frühjahr 1894. Im ersten und einzigen gefundenen, konkret einen Bergmann wiedergebenden Bericht, paraphrasierte die Zeitung dessen Antwort auf die Frage, warum die Streikenden sich so überraschend 178 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 179 Ebd. 180 Friedrich Kirchner, Einfalt, in: Ders. (Hg.), Kirchners Wörterbuch der philosophischen ︠ Leipzig 1911, S. 106. Grundbegriffe. 3. Neubearbeitung v. Carl Michalis,
8.3 Die Sicht auf die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő
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still und ruhig verhielten, wie folgt: „Ein Freund unseres Blattes sprach in der Streiksache mit einem Bergarbeiter, der sagte, dass die Anführer sie damit von der Arbeit zurückhalten, dass, wenn die Gesellschaft¹⁸¹ bis Sonntag ihren Wünschen nicht Genüge täte, dann der König das Bergwerk übernehmen würde und alle ihre Wünsche bedingungslos erfüllen würde.¹⁸² Deshalb verharren sie in solch stiller Erwartung.“¹⁸³ In den Artikeln der Pécsi Figyelő sind zahlreiche Darstellungen zu finden, in denen der Bergarbeiterschaft begrenzte Intelligenz, geringes Urteilsvermögen, Infantilität, Affektgeleitetheit und Wildheit zugeschrieben wurde: „Hinzu kommt die übermäßige Strenge mancher Beamter, durch die die Lage in den Augen der Arbeiter noch schlimmer wird, da sich diese zu Sklaven degradiert empfinden, obwohl der Grund dafür, dass die Bergbauexekutive mit ihnen mit der größtmöglichen Strenge umzugehen gezwungen ist, ihre angeborene Wildheit ist.“¹⁸⁴ Die von der Pécsi Figyelő so konstruierte Einfalt der Bergarbeiter entstand meines Erachtens abermals durch die Distanziertheit der Zeitung und ermöglichte gleichzeitig ihre Distinguierung gegenüber diesen. Sie wurden erneut zu einem Kollektiv aus schlichten Gemütern stilisiert, die aufgrund ihrer Unzulänglichkeit die Protektion von ihnen übergeordneten und zugewandten Personen benötigten. Es kann angenommen werden, dass die von der Pécsi Figyelő den Bergarbeitern zugeschriebene Einfalt einerseits aufgrund der Distanziertheit der Zeitung gegenüber ihnen entstand, und dass diese Einfalt andererseits gleichzeitig die Distanzierung der Zeitung ihnen gegenüber erzeugen konnte. Die Zuschreibung von Einfalt und Wildheit spiegelte und erzeugte gleichzeitig eine Vorstellung von den Bergarbeitern als einer gesellschaftlichen Gruppe von schlichtem Gemüt, die aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten der Protektion durch ihnen zugewandte und übergeordnete gesellschaftliche Gruppen bedurfte und die daher im imaginierten sozialen Raster unten angesiedelt war.
181 Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. 182 Die Erklärung des Bergarbeiters erinnert an ungarische Volksmärchen, in denen sich König Matthias als einfacher Mann verkleidet aus seinem Schloss schlich, sich unter das Volk mischte und sich für die einfachen Leute einsetzte. König Matthias, so die Idee dahinter, hätte sich gewiss unter die Bergleute gemischt, deren verzweifelte Lage erkannt und für Gerechtigkeit gesorgt. 183 Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2. 184 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
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8 Zwischen den „Paschas“ von Pécs und dem „Bergarbeitervolk da draußen …“
8.3.7 Die Bergarbeiter in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő Die Bergarbeiter „da draußen in den Kolonien“¹⁸⁵ erscheinen in den Berichten der Pécsi Figyelő auf mehrfache Weise in einer großen Entfernung zur Bevölkerung der Stadt. Die räumliche Entfernung der Pécsi Figyelő von den Bergarbeitersiedlungen, ihre knappe Berichterstattung über die Streikereignisse sowie die bevorzugte Behandlung von Eigenschaften und Situationsanalysen anstelle von Berichten über Ereignisse während des Streiks erzeugt eine für die Pécsi Figyelő spezifische Selbstpositionierung zu den Bergarbeitern. Die distanziert aus der Ferne betrachtete Bergarbeiterschaft erschien in der Zeitung holzschnittartig als eine homogene Gruppe, wenn auch die ihnen inhärente Diversität bekannt war und die Zeitung hie und da auch Empathie für die Bergleute zeigte. Der Blick der Zeitung aus dem Stadtzentrum in die fernen Bergarbeitersiedlungen sowie der Blick auf die Bergleute als eine zu protegierende gesellschaftliche Gruppe kann als eine unterschichtende kulturelle Praxis interpretiert werden, mit der die Zeitung die Bergarbeiter im sozialen Raum Pécs‘ positionierte.
8.4 Das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“.¹⁸⁶ Die soziale ‚Topographie‘ in der Streikberichterstattung der Pécsi Figyelő von 1893 Das auf der untersten Stufe der Bildung stehende Arbeitervolk, insbesondere das Bergarbeitervolk, welches das noch primitivere Element der Gesellschaft ist¹⁸⁷
Die Pécsi Figyelő observierte die Bergarbeiter in den 1890er Jahren aus einer gehörigen Entfernung. Die Distanziertheit der Zeitung war in ihrer Berichterstattung sowohl auf der räumlichen und ökonomischen als auch auf der habituellen Ebene zu finden. Die Pécsi Figyelő lieferte in ihren Beiträgen häufig Analysen von Akteuren und von Problemen anstelle bloßer Nachrichten über Ereignisse. Das Blatt folgte dabei der für Zeitungen typischen Eigenart, Menschen, Dinge und Handlungen dann ganz genau unter die Lupe zu nehmen, wenn diese sich konträr zur vorgestellten Normalität äußern oder verhalten. In solchen Situationen scheint die Pécsi Figyelő die Objekte ihrer Observation geradezu journalistisch ‚herangezoomt‘ 185 Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 186 Ebd. 187 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Der mit Gewalt niedergerungene Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
8.4 Das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“
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zu haben. Dementgegen schrieb sie häufig ungenau über Themen, die in der konkurrierenden Pécser Presse detailliert behandelt worden waren, etwa die Räumung der Ortschaft Szabolcs durch das Militär und die Gendarmerie im Juni 1893. Die Pécsi Figyelő erschien in den 1890er Jahren mittwochs und samstags. Aufgrund dieser Erscheinungsweise hinkte die Berichterstattung über Ereignisse, die zwischen zwei Erscheinungstagen stattfanden, oft um ein bis zwei Tage hinterher. In manchen ihrer Ausgaben waren daher bis zu drei Artikel hintereinander über die Arbeitsniederlegung abgedruckt. In diesen ließ die Pécsi Figyelő die Ereignisse der vergangenen Tage Revue passieren. Die Pécsi Figyelő thematisierte die Arbeiterfrage frühzeitig. 1893 und 1894 nutzte sie den Ersten Mai, um tiefergehend über die Arbeiterschaft allgemein nachzudenken. Die Pécsi Figyelő war auch die erste unter den untersuchten Zeitungen, die einen Bergarbeiter befragen und in einem Beitrag selbst zu Wort kommen ließ – wenn auch erst bei einem etwas späteren Streik Anfang 1894. Die Pécsi Figyelő hatte sich von ihrer Ersterscheinung an eine klare publizistische Ausrichtung gegeben. Sie hat sich vorgenommen, sich entgegen dem profitorientierten „Revolverjournalismus“ für das „Gemeinwohl“¹⁸⁸ einzusetzen. Das Gemeinwohl umriss das Blatt mit den Tugenden des Patriotismus, des Glaubens und des guten Wirtschaftens.¹⁸⁹ Die Zeitung bekannte dabei auch ihre politische Nähe zur Unabhängigkeitspartei des Komitats Baranya, die sich zu dieser Zeit im ungarischen Landtag in der Opposition befand. Aus dieser Perspektive scheint die Qualität der Zeitungsbeiträge ihren eigenen Ansprüchen durchaus gewachsen gewesen zu sein. Durch ihre journalistische Praxis konstruierte sich die Pécsi Figyelő eine eigene soziale Position, von der aus sie die wirtschaftliche und politische Oberschicht des Komitats Baranya von einer moralisch höheren Warte betrachten und bewerten konnte. Gleichzeitig konnte sie sich selbst und ihre Klientel mit ihrem Habitus und ihrem kulturellen Kapital als idealer Patron und Mentor der Bergarbeiter präsentieren. Die Zeitung zielte mit ihrer Arbeit auf das gebildete und oppositionell eingestellte Bürgertum der Stadt ab und rühmte sich, das „Pantheon“¹⁹⁰ dessen unter ihren Abonnenten zu verzeichnen. In den 1890er Jahren war die Redaktion der Pécsi Figyelő bereits an den mondänen zentralen Ort von Pécs, den Széchenyi-Platz umgezogen. Von dort aus verfolgte sie die Streikereignisse in den Bergarbeitersiedlungen. Bei der Betrachtung ihrer Berichterstattung fällt auf, dass sie neben gründlichen Problemanalysen vor allem über jene Menschen, Dinge und Ereignisse detailliert berichtete, die sich 188 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1. 189 Vgl. ebd. 190 Ebd.
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im näheren ‚Blickfeld‘ der Zeitungsredaktion befanden. So deutet die oberflächliche Berichterstattung über die eigentlichen Streikhandlungen in den Bergarbeitersiedlungen unter anderem darauf hin, dass die Mitarbeiter der Zeitung sich kaum im Streikgebiet aufgehalten haben dürften. Detailreiche Berichte lieferte die Pécsi Figyelő hingegen über die Verhandlungen zwischen Amtsträgern, Regierungsgesandten, Arbeitgeber und Bergarbeitern im zentrumsnah gelegenen Komitatshaus. Die Bergarbeiter präsentierte das Blatt in dieser Situation als der vereinten Macht ihres Arbeitgebers und den staatlichen Amtsträgern ausgeliefert. Ihre Bürgerrechte wurden nach Ansicht der Zeitung lediglich durch den Einsatz ihres bürgerlichen Rechtsbeistandes gewahrt. Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und die Amtsträger erschienen dabei als Verbündete, die sich vor allem durch ihr Fehlverhalten hervortaten. In der Darstellung der Zeitung verfügten diese zwar über mehr Macht und ökonomisches Kapital, moralisch waren sie allerdings dem bürgerlichen Milieu der Zeitung unterlegen. Trotz ihrer Kürze waren die Meldungen der Pécsi Figyelő über Feierlichkeiten, die in der Stadt stattfanden und an denen zahlreiche Bergarbeiter teilnahmen, sehr informativ. Die Berichte über den Ablauf der Festlichkeiten zu Ehren der heiligen Barbara lieferten interessante Details über die von der Zeitung imaginierte Relation der Bergleute zu ihren Vorgesetzten und zur städtischen Gesellschaft von Pécs. Hierbei stach die Distanzierung zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen hervor. Die Bergarbeiter, die Direktion der DDSG und ihre Angestellten sowie die städtische Bevölkerung zelebrierten die Gottesdienste am Barbaratag in derselben Kirche in Pécs.¹⁹¹ Der Gottesdienst der Bergarbeiter fand jedoch vor der Messe für die übrigen Gruppen statt und wurde von einem rangniedrigeren Geistlichen zelebriert. Die anschließenden Feiern fanden ebenfalls getrennt statt. Die DDSG veranstaltete ein Bankett in der Stadt, zu dem die höheren Angestellten und die Angehörige der städtischen sowie der Komitats-Oberschicht geladen waren; währenddessen zogen sich die Bergarbeiter nach dem Gottesdienst wieder in die Bergarbeitersiedlungen beziehungsweise in die Gaststätte am Stadtrand zurück, um „dem alten Brauch entsprechend“¹⁹² zu feiern. Die Bergarbeiter erhielten von der DDSG Feiertagszulagen, um sich die Feierlichkeiten leisten zu können, wie die Zeitung interpretierte. An den analysierenden, problematisierenden und kritisierenden Beiträgen der Pécsi Figyelő ist die Distanziertheit und die Distinguierung zwischen den gesellschaftlichen Schichten abzulesen. 191 Die Pécsi Figyelő nennt den Namen der Kirche nicht, aber den anderen Blättern ist zu entnehmen, dass die Gottesdienste am Tag der heiligen Barbara in der römisch-katholischen Sankt Augustinus Kirche (Szent Àgoston templom) gefeiert wurden. 192 Vgl. Anon, A bányászok ünnepe, [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2.
8.4 Das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“
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Die Pécsi Figyelő distanzierte sich aber auch ihrerseits von den Repräsentanten der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft sowie von den Vertretern der Behörden. Sie kritisierte diese nicht nur konkret wegen ihres Verhaltens den Bergarbeitern gegenüber scharf, sondern auch allgemein. Sie monierte das Verhalten der Angehörigen der Oberschicht, diese seien veralteten Normen verhaftete „kleine Götter“ und „Paschas“,¹⁹³ die die Bergarbeiter wie ihre Leibeigenen behandelten. Im Gegensatz zum deutschsprachigen Konkurrenzblatt, der Fünfkirchner Zeitung, verzichtete die Zeitung auf das ständige Wiederholen der vollständigen Namen, Titel und Ränge der Amtsträger. Auch aus dieser Praktik kann eine gewisse Distanzierung und damit die normative Selbstpositionierung des Blattes der imaginierten höheren gesellschaftlichen Schicht gegenüber abgelesen werden. Das Verhältnis der Pécsi Figyelő zu den Bergarbeitern kann ebenfalls als distanziert bezeichnet werden. Betrachtet man die Zugänglichkeit der Zeitung für Bergleute, so kann angenommen werden, dass nur wenige von ihnen die Zeitung regelmäßig erworben oder gar abonniert haben dürften. Der Preis für ein Jahresabonnement der Pécsi Figyelő im Jahre 1893 betrug 6 Forint, 3 Ft für ein halbes und 1 Ft 50 Kreuzer für ein Vierteljahr. Eine Einzelausgabe war für 8 Kreuzer zu haben. Der Tageslohn eines Bergarbeiters bewegte sich in dieser Zeit je nach Tätigkeit und Qualifikation zwischen 60 Kreuzern und 1 Ft 50 Kr am Tag. So hätte ein Jahresabonnement einen Bergarbeiter zwischen vier und zehn Tageslöhne gekostet. Der gelegentliche Erwerb einer Einzelausgabe für 8 Kreuzer erscheint für den Geldbeutel eines Bergmannes weniger belastend. Ob die Ausgaben der Zeitung in einer Postfiliale in einer der Bergarbeitersiedlungen, wie die Zeitung in ihrem Kopfteil angab, erhältlich waren, ließ sich nicht feststellen. Die den Bergarbeitersiedlungen am nächsten liegende Vertriebsstelle der Pécsi Figyelő war das Papier- und Buchgeschäft von Manó Böhm in der Fő-Straße¹⁹⁴ von Pécs in der Budaer Vorstadt. Um hierherzugelangen, hätte man aus Pécsbányatelep einen fünf, aus Szabolcs einen etwa sechseinhalb und aus dem entferntesten Bergarbeiterort Vasas einen zwölf Kilometer langen Weg auf sich nehmen müssen. Ein Bergarbeiter, der diese Kosten und Mühen auf sich nahm, um eine Ausgabe des Blatts zu kaufen, muss demnach ein einigermaßen ambitionierter Zeitungsleser gewesen sein. Ob es in den 1890er
193 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 194 Die Fő-Straße wurde bereits im Jahre 1864 als erster Abschnitt der Kossuth-Straße zugeschlagen und erscheint auf dem Stadtplan von Otto Hochrein auch unter diesem Namen. Weshalb die Pécsi Figyelő noch in den 1890er Jahren die Bezeichnung Fő-Straße verwendete, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895; vgl. Imre Gábor Nagy, Pécs város építéstörténetének forrásai a Baranya Megyei Levéltárban (1865 – 1950), in: Attila Márffy (Hg.), Utcák, terek, épületek Pécsett, Pécs 2010, S. 305 – 327, hier S. 316.
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Jahren einen Lesekreis oder die Dienstleistung eines Vorlesers in den Bergarbeitersiedlungen gegeben hat, ist leider nicht bekannt. Der Zugang zu Informationen und Wissen, die die Pécsi Figyelő auch den Bergarbeitern hätte liefern können, scheint durch räumliche, aber auch durch finanzielle Hürden erschwert, aber nicht unmöglich gewesen zu sein. Die Ausgrenzung der Bergarbeiter aus der Zirkulation von Informationen kann dennoch als eine Facette ihrer Unterschichtung¹⁹⁵ festgehalten werden. Diese Ausgrenzung zeigt sich allerdings bei allen hier untersuchten Zeitungen. Die patriotische Einstellung der Pécsi Figyelő ähnelte der Haltung der konkurrierenden Lokalpresse insofern, als dass diese alle gemeinsam die Verbreitung der ungarischen Sprache in der Bevölkerung für elementar hielten und in jeder Form begrüßten, um die Gesellschaft zu einer ungarischen Nation zu formen. Wie auch die beiden anderen untersuchten Zeitungen betrachtete die Pécsi Figyelő den Sozialismus als die größte Bedrohung für das gesellschaftliche, moralische und ökonomische Wohlergehen der Arbeiterschaft. Auch die Pécsi Figyelő verortete das Interesse und die Neigung, sich den Sozialisten oder Anarchisten anzuschließen, unter den von der Zeitung als Ausländer titulierten Arbeitern. Durch die Zuschreibung deren ausländischer Herkunft wurden Sympathisanten der Arbeiterbewegung exterritorialisiert, während die als originär ungarisch angesehene Arbeiterschaft imaginär als von diesen Ideologien unberührt erhalten werden konnte. Dabei war der Zeitung bekannt, dass die Pécser Bergarbeiterschaft eine ethnisch und sprachlich vielfältige Gruppe war. Bereits vor längerer Zeit eingewanderte Bergarbeiter mit Grundbesitz zählte die Zeitung dementsprechend zu den Pécser Bürgern, auch wenn diese die Landessprache noch nicht beherrschten. Der Glaube spielte in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő im Kontext des Bergarbeiterstreiks keine hervorgehobene Rolle. Die Zeitung konstatierte zwar, dass es zur angemessenen Lebensführung des Arbeiters gehöre, gläubig zu sein, weitere Ausführungen dazu waren allerdings nicht zu finden. Das religiöse Leben der Bergarbeiter fand lediglich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Kirchgänge am Tag der heiligen Barbara Erwähnung. Der Kirchenbesuch der Bergleute scheint somit den religiösen Ansprüchen der Pécsi Figyelő Genüge getan zu haben.¹⁹⁶ Die Betrachtungen der Bergarbeiter in der Pécsi Figyelő ließen diese größtenteils als eine homogene Gruppe erscheinen, obwohl ihre Vielfalt der Zeitung offenbar bewusst war. Die Homogenität der Bergarbeiterschaft wurde durch die diesen zugeschriebenen gemeinsamen Eigenschaften und Handlungen erzeugt und 195 Vgl. Hartmut Esser, Integration und ethnische Schichtung, Mannheim 2001, S. 35. 196 Der weit überwiegende Teil der Bewohner der Bergarbeitersiedlungen wie auch der Stadt selbst bekannte sich zur römisch-katholischen Konfession. Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 52 – 54.
8.4 Das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“
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unterstrichen. Für die praktische Herstellung der Kollektivität innerhalb der Bergarbeiterschaft waren in den Darstellungen der Zeitung die Frauen der Bergarbeiter zuständig. In den Texten der Pécsi Figyelő über den Bergarbeiterstreik zeigt sich eine imaginäre Dreiteilung der Pécser Gesellschaft. In dieser verliefen die stärksten Trennlinien zwischen Großunternehmern, Repräsentanten des Staates und des Komitats sowie des gebildeten Bürgertums zusammen mit den Kleinunternehmern wie auch stark zwischen diesen beiden Großgruppen und der Arbeiterbeziehungsweise der Bergarbeiterschaft. Um das Wesen der Bergarbeiter genauer zu zeigen, ging die Pécsi Figyelő hie und da näher ins Detail. Die Zeitung schrieb den Bergleuten auf vielfältige Weise Einfalt und Unselbstständigkeit zu. Durch diese Zuschreibungen repräsentierte und erzeugte sie deren Positionierung im sozialen Raum als untere Schicht der Pécser Gesellschaft. Hierbei verwendete die Zeitung vergleichbare Zuschreibungspraktiken wie die konkurrierende Presse von Pécs. Die für die Pécsi Figyelő spezifische Positionierungsweise war die Darstellung der Bergarbeiter als ‚gesellschaftlich Lernende‘ und als zu Unterrichtende, hierzu gehört auch die gleichzeitige Selbsternennung der Zeitung und ihrer Klientel, für die Protektion der Bergarbeiter vor allem mithilfe der Lehrer und Priester zu sorgen. Die medialen Observationen der Bergarbeiterschaft in den 1890er Jahren durch die Pécsi Figyelő zeigen eine gesellschaftliche ‚Topographie‘, in der Nähe und Distanz sowie Unten und Oben zentrale Rollen spielten. Die Bergarbeiter erscheinen darin als sozial marginalisierte gesellschaftliche Gruppe außerhalb der Stadt, die von der Zeitung aus der Ferne analysiert wird. Die Unterschichtung der Bergarbeiter im sozialen Raum von Pécs in der Pécsi Figyelő liegt in der von der Zeitung diesen gegenüber eingehaltenen räumlichen Distanz sowie im von der Zeitung diesen zugeschriebenen (geringen) ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapital. Gleichzeitig kann die Selbstpositionierung der Pécsi Figyelő zwischen der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, den Repräsentanten der Behörden und der Bergarbeiterschaft als deren bürgerlicher Patron und Lehrer konstatiert werden.
9 Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“.¹ Die Analyse der Berichterstattung der Pécsi Napló über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1893 Ein Dutzend ihrer Artikel über den Bergarbeiterstreik versah die Pécsi Napló mit dem Titelzusatz „von unserem Berichterstatter“² und weckte damit die Neugier ihrer Leser für das, was dieser in den unweit der Stadt gelegenen Bergwerken und Bergarbeitersiedlungen, erlebt haben könnte. Die Pécsi Napló war zu Beginn des Streiks, im Juni 1893, gerade einmal ein halbes Jahr auf dem Pécser Zeitungsmarkt erhältlich. Sie war die erste und damals einzige Tageszeitung der Stadt und vermochte ihre Leserschaft mit einer noch nicht dagewesenen Aktualität, mit einer Vielzahl an Beiträgen und mittels telefonisch übermittelten Berichten eines dadurch Authentizität suggerierenden Reporters aus dem Streikgebiet zu informieren. Im folgenden Kapitel stelle ich zunächst die Selbstrepräsentation der Pécsi Napló und ihre Beziehung zu den Bergarbeitern dar. Anschließend analysiere und interpretiere ich die Darstellungsweisen der in der Streikberichterstattung der Pécsi Napló besonders hervorgehobenen Protagonisten. Hierzu gehören die Bergarbeiter selbst, deren Repräsentation durch die Pécsi Napló in einem eigenen Kapitel behandelt wird. In diesen Kapiteln und im abschließenden Fazit werde ich untersuchen, welche spezifischen kulturellen Sichtweisen auf die Ereignisse, auf die Protagonisten und insbesondere auf die stark von Einwanderung geprägte Bergarbeiterschaft die Pécsi Napló charakterisieren. Wie präsentierte die Pécsi Napló die Protagonisten? Mit welchen Mitteln konstruierte das Blatt seine imaginierte gesellschaftliche Ordnung? Welche Position nahm die Pécsi Napló innerhalb ihres selbstgesponnenen sozialen Systems ein und wie positionierte sie sich darin zu den Bergarbeitern? Auch in diesem Kapitel werde ich das Quellenmaterial mikroperspektivisch beleuchten und vorwiegend aus sich selbst heraus interpretieren, um diese Facette der feinen Unterschiede in der Berichterstattung der Pécser Lokalpresse über die Bergarbeiter herausarbeiten zu können.
1 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 2 U. a. Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai, S. 2 – 3. https://doi.org/10.1515/9783111247113-009
9.1 „Der Streik der Bergarbeiter“ in der Tageszeitung Pécsi Napló
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9.1 „Der Streik der Bergarbeiter“³ in der Tageszeitung Pécsi Napló 9.1.1 Der Magyarisierer. Die Selbstrepräsentation der Pécsi Napló Schließlich sind wir Ungarn, wir fühlen ungarisch und denken ungarisch, das kann uns niemand verübeln.⁴
Die Pécsi Napló positionierte sich selbst in der Medienlandschaft als parteilose und unabhängige Zeitung.⁵ Interessanterweise stimmt jedoch der zentrale Teil des Beitrags über den Streik vom 11. Juni mit einem am selben Tag in der Fünfkirchner Zeitung erschienenen Beitrag überein.⁶ Diese Übereinstimmung lässt sich auf den Einfluss des damaligen Chefredakteurs Lajos Lenkei zurückführen, der vor und nach seiner Tätigkeit bei der Pécsi Napló für die Fünfkirchner Zeitung gearbeitet hat.⁷ Es ist anzunehmen, dass dieser durchgängig eine enge Verbindung zur Fünfkirchner Zeitung pflegte. Die Pécsi Napló präsentierte sich als einzige und daher schnellste Tageszeitung der Stadt.⁸ Sie beabsichtigte, mit ihren Nachrichtentelegrammen den Budapester Zeitungen, die sie immer wieder irreführender Falschnachrichten bezichtigte, zuvorzukommen.⁹ So beschuldigte die Pécsi Napló beispielsweise die Budapesti Hírlap, einen unrichtigen Bericht über die angebliche Hetzjagd des Militärs auf die streikenden Bergleute bei der Räumung der Ortschaft Szabolcs veröffentlicht zu haben.¹⁰ Sozialistisch ausgerichtete Zeitungen waren der patriotisch eingestellten Zeitung ebenfalls suspekt. So erfuhr der Leser der Pécsi Napló, dass sich unter den
3 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 4 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 5 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 1 – 2. [2. Erst- u. Musterausgabe]. 6 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3; vgl. Anon, Die Strikenden beim Minister, (Telegramme). Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. 7 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 228, S. 119 f. 8 Vgl. Anon, Pécsi Napló, Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November, S. 1 – 2. [Ankündigungsexemplar]. 9 Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 10 Vgl. ebd.
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9 Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“
Agitatoren, die die Bergleute zum Streik angestachelt haben sollen, ein als Arbeiter verkleideter Redakteur der sozialistischen Budapester Zeitung Népszava befunden haben soll.¹¹ Die Pécsi Napló setzte sich in ihren ersten programmatischen Beiträgen eine lange Liste von Zielen: Sie wollte sich dem Bestreben widmen, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen,¹² sie wollte sich für die ungarische Staatlichkeit, demokratische Gesinnung, politische sowie allgemeine Bildung, für die ungarische Sprache,¹³ für die Pflege des nationalen Geistes und nicht zuletzt für die Entwicklung patriotischer Emotionen einsetzen.¹⁴ Auch bei der Pécsi Napló waren die Autoren der Zeitungsbeiträge aus den Quellen selbst so gut wie nie namentlich identifizierbar.
9.1.2 Die Streikberichterstattung der Pécsi Napló Die Pécsi Napló beklagte, dass die übrige Pécser Presse sich kaum um die Belange der Bergleute kümmere, da nur selten und lediglich kurze Beiträge über Bergarbeiter abgedruckt würden.¹⁵ Demgegenüber habe das Blatt selbst den Bergarbeiterstreik vom ersten Moment an mit großer Aufmerksamkeit begleitet.¹⁶ Tatsächlich waren in der Pécsi Napló schon in den Tagen vor Streikbeginn zwei Berichte über Aktivitäten der Bergleute zu finden, die von einem eigenen in die Bergarbeiterkolonien entsandten Reporter stammen sollen. Das Blatt wurde nicht müde, die Artikelüberschriften mit dem Zusatz „von unserem Berichterstatter“¹⁷ zu versehen und damit seine journalistische Verlässlichkeit zu unterstreichen. 11 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 12 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 1 – 2. [Erst- u. Musterausgabe der Pécsi Napló]; vgl. A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 13 Die Pécsi Napló verwendete kaum Begriffe, die aus dem Deutschen oder Englischen stammen. Wenn dies doch einmal vorkam dann verwendete das Blatt die ungarische Schreibweise (statt der gängigen Orthographie strike oder Streik schrieb das Blatt: sztrájk). 14 Vgl. Anon, [Ohne Titel], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November, S. 1 – 2. [Ankündigungsausgabe]; vgl. Anon, A város ügyei, [Die städtischen Angelegenheiten], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3. [2. Erst- u. Musterausgabe]. 15 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 16 Vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 17 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai, S. 2 – 3.
9.1 „Der Streik der Bergarbeiter“ in der Tageszeitung Pécsi Napló
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Abb. 8: Die Gestaltung einer Titelseite der Pécsi Napló. Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 1.
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9 Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“
Diese Beiträge stammten mutmaßlich von Gyula Kéry, der zu dieser Zeit Mitarbeiter der Pécsi Napló war.¹⁸ Im Verlauf des Streiks erschienen 16 Zeitungsartikel im Blatt, die sich direkt mit der Arbeitsniederlegung der Bergleute befassten. Die meisten dieser Beiträge waren recht umfangreich; drei von ihnen erschienen sogar als Leitartikel. Zusätzlich erschienen im Juni drei lange Leitartikel über die sozialen Belange der Bergarbeiter. Daneben thematisierte die Zeitung in manchen ihrer Beiträge die Arbeiterfrage im Allgemeinen. Die Pécsi Napló beschäftigte sich im Jahr 1893 vom 31. Mai an bis zum 20. Juni mit dem Bergarbeiterstreik.¹⁹ Zwischen dem 7. und dem 20. Juni erschien fast jeden Tag ein Beitrag zum Thema, in manchen Ausgaben sogar zwei Beiträge. Die Berichterstattung brach jedoch noch vor dem Streikende ab, was wahrscheinlich mit Kérys Wechsel im Juli zur Budapesti Hírlap zu erklären ist.²⁰ Die wahrscheinlich von Kéry stammenden Berichte beschreiben die Situation und die Ereignisse in der Ortschaft Szabolcs. Offenbar beobachtete der Reporter dazu die Streikenden immer aus sicherer Distanz. Er näherte sich den Angehörigen der Staats- und Komitatsorgane und stellte einige Szenen, in denen das Militär eine zentrale Rolle spielte, detailliert dar. Den Arbeitern jedoch näherte sich der Journalist scheinbar nicht, zumindest sind keine Hinweise auf ein persönliches Gespräch mit ihnen zu finden. Die Informationen über die Bergarbeiter erhielt er offenbar aus seiner Beobachtung aus der Distanz und aus offiziellen Quellen. Die Pécsi Napló berichtete im Jahre 1893 weder über Aktivitäten der Arbeiter am Ersten Mai noch über die Feiern zu Ehren der heiligen Barbara im Dezember. Die Pécsi Napló bemühte sich, dem eigenen Ziel zu entsprechen, die Wahrheit über die Bergarbeiterstreiks darzustellen und Falschberichte zu entlarven. Gleichzeitig hatte es sich das Blatt zur Aufgabe gemacht, sich für den Patriotismus, für die Magyarisierung der Pécser Gesellschaft und insbesondere für die Verbreitung der ungarischen Sprache unter den polyphonen Bewohnern der Region einzusetzen.²¹ Die Pécsi Napló berichtete im Jahre 1893 intensiv über den Bergarbeiterstreik. Auffällig ist dabei die regelmäßige Verwendung identischer Titel für die Berichte
18 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 63 f. 19 Der Streik endete erst am Freitag, den 28. Juli 1893. 20 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, S. 63 f. 21 Vgl. Anon, Olvasóinkhoz, [An unsere Leser], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 1 – 2. [Erst- u. Musterausgabe]; vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2.
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(„A bányászok sztrájkja.“²²). Ob die Redakteure dabei den Wiedererkennungswert gleichlautender Titel oder die praktische Seite der Wiederholung vor Augen hatten, oder ob sie sich schlicht wenig Mühe gegeben haben, sich neue Formulierungen auszudenken, ist nicht zu beantworten. Die Anwesenheit des Reporters am Ort des Geschehens lieferte Beobachtungen aus direkter Nähe über die behördlichen Organe sowie aus der Distanz beobachtete Darstellungen über die streikenden Bergleute, denen der Reporter empathisch zugewandt war.
9.2 Die Öffentlichkeit und die Behörden in den Berichten der Pécsi Napló 9.2.1 Mit kritischer Distanz zur ‚kranken Menschheit‘.²³ Die Repräsentation der Pécser Öffentlichkeit in der Pécsi Napló Krank ist unser Jahrhundert, sehr krank. Irgendeine fiebrige, Nerven zersetzende Krankheit charakterisiert die Menschen, als ob das Leben nur von heute auf morgen gehen würde und als ob man dessen jede Minute, dessen jedes Atom ausnutzen müsste.²⁴
Die Pécsi Napló beschäftigte sich in ihren Beiträgen im Kontext des Bergarbeiterstreiks von 1893 und der allgemeinen Arbeiterfrage mehrere Male mit der eigenen Epoche, mit der Gesellschaft und mit „Angelegenheiten der Stadt“,²⁵ wobei sie das Verhältnis der Bürgerschaft zu den Arbeitern immer wieder thematisierte.²⁶ In deren Rolle als Teile der Pécser Gesellschaft nahm sie die konkurrierenden Zeitungen ebenfalls kritisch unter die Lupe. Die Pécsi Napló hatte eine spezifische Haltung zur urbanen Bürgerschaft von Pécs und Ungarns im Allgemeinen. Diese verhielten sich, so die Zeitung in mehreren ihrer Beiträge, abgesehen von Fragen der Landwirtschaft, Problemen gegenüber gleichgültig.²⁷ Die Gesellschaft sei zu schwächlich und sich zu fein, um sich mit den
22 [Der Streik der Bergarbeiter],Vgl. u. a. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 23 Vgl. Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2. 24 Ebd. 25 Anon, A város ügyei, [Die städtischen Angelegenheiten], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3. [2. Erst- u. Musterausgabe]. 26 Vgl. ebd. 27 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2.
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Bergleuten zu befassen oder um sich generell gegen die Ausbeutung der Arbeiter durch die Unternehmer zu stellen, beklagte das Blatt.²⁸ Wenn wir auch sehen können, wie die Gedanken hochkochen; wenn ab und an das Verlangen nach dem Handeln ausbricht. Und wenn auch einzelne mutig ihre Stimmen für die höheren Ansprüche eines echten städtischen Lebens erheben, wenn das listige System der wirtschaftlichen Ausbeutung hie und da scharf verurteilt wird – was zielloses Streben und leeres Gerede bleibt, da es keinen gesunden Gemeinschaftsgeist gibt, das sich entfachen und vor Begeisterung zu einem ernsthaften und gemeinschaftlichen Engagement führen würde – existiert die Gemeinschaft nicht, die dieses Bestreben unterstützen und seinen Verdiensten Anerkennung zollen würde. Dieses Problem haben mehrere Städte unserer Heimat gemeinsam. Der Ursprung der Misere liegt im geistigen und ökonomischen Verfall des städtischen Bürgertums. Das Ganze wird noch verstärkt dadurch, dass diese Klasse verbissen an ihrer Vorliebe für die Hegemonie festhält und immer noch bemüht ist, die typischen Missstände des sogenannten ‚Spießbürgertums‘ geltend zu machen. Wer würde es wagen, sich dem entgegenzusetzen?²⁹
In ihren Gesellschaftsanalysen befand die Zeitung des Öfteren, dass das Vermögen und die Einkünfte in der ungarischen Gesellschaft ungerecht verteilt seien. So manche gesellschaftliche Position würde lediglich ihren Inhaber bereichern, ohne dem Gemeinwohl zu dienen. Andere gesellschaftlich relevante Persönlichkeiten kämen wiederum gerade so über die Runden, kritisierte die Pécsi Napló. ³⁰ Als Beispiel hierfür führte sie einen Börsenspekulanten an, der an einem Tag 50.000 Forint Gewinn erzielt habe, während ein Schreiber mehrere Monate arbeiten müsse, um die gleiche Summe an Kreuzern als Lohn zu erhalten.³¹ Das urbane Bürgertum sei, so die Pécsi Napló, neben all dieser pathologischen Zustände auch fehlinformiert. Das Blatt verschonte dabei die eigene Zunft nicht mit Kritik an deren Haltung den Arbeitern und im Speziellen den Bergleuten gegenüber. Obwohl diese einen bedeutenden Teil der städtischen Bevölkerung bildeten, würden sich weder die Bürger oder die städtischen Behörden noch die Obrigkeiten des Komitats für sie interessieren, und auch die Presse würde sich mit ihnen nicht befassen.³² Das Blatt kritisierte dabei vor allem, dass die in der Hauptstadt er-
28 Vgl. ebd. 29 Anon, A város ügyei, [Die städtischen Angelegenheiten], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3. [2. Erst- u. Musterausgabe]. 30 Vgl. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. 31 Vgl. ebd. 32 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2.
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scheinenden Zeitungen, expressis verbis die Budapesti Hírlap, das Lesepublikum falsch informieren würden.³³ Die Pécsi Napló konstatierte, man habe lange geglaubt, das Arbeiterproblem sei in Ungarn ein noch fremdes Problem,³⁴ und nun, als der Bergarbeiterstreik ausbrach und mit Gewalt niedergeschlagen wurde, sei das Entsetzen über die unmenschliche barbarische Unterdrückung des armen Volkes in bürgerlichen Kreisen groß:³⁵ „Das städtische Publikum schaut den Ereignissen mit großer Erregung entgegen. Auf Schritt und Tritt, in den Gaststätten, in den Kaffeehäusern wird über die blutigen Ereignisse des Tages diskutiert. Die Redaktion unseres Blattes wird vom neugierigen Publikum scharenweise aufgesucht.“³⁶ Das Verhältnis der bürgerlichen Gesellschaft zur Arbeiterschaft schien für die Pécsi Napló von Ignoranz, Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Verachtung, Gewalt und Distanziertheit gekennzeichnet. Der städtischen Bürgerschaft fehle es an Gemeinschaftsgeist, Kraft und Wissen, beklagte die Zeitung. Dabei, so könnte der Wunsch der Zeitung gedeutet werden, sei es die Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft von Pécs, sich um das Wohlergehen der Bergarbeiter zu sorgen. Die Pécsi Napló versuchte gegenüber der Gesellschaft eine kritische Distanz einzunehmen, indem sie sich als Aufklärer, Vertreter der Gerechtigkeit und der Wahrheit darstellte. Trotz ihrer Kritik am „Spießbürgertum“³⁷ war die Perspektive ihrer Berichterstattung immer von derselben Warte aus auf die Arbeiter gerichtet. Ansichten der Arbeiterschaft über das Bürgertum wurden nicht erwähnt. Daher konnte die Diagnose der Pécsi Napló, das Säkulum sei „krank, sehr krank“,³⁸ eigentlich ausschließlich auf das eigene Pécser Milieu abgezielt haben.
33 Die Pécsi Napló zielte bei ihren Anschuldigungen offenbar auf einen Bericht der Budapesti Hírlap, welche sich selbst auf einen eigenen Reporter berief, vgl. Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól, [Der Pécser Bergarbeiterstreik.Von unserem Berichterstatter], Budapesti Hírlap. 1893, Jhg. 13, Nr. 162, Mittwoch, 14. Juni, S. 4; vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 34 Vgl. Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2; vgl. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. 35 Vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 36 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 37 Anon, A város ügyei, [Die städtischen Angelegenheiten], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3. [2. Erst- u. Musterausgabe]. 38 Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2.
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9.2.2 Pflichterfüllung und Fürsorge. Die Darstellung der Behörden und ihrer Vertreter in der Berichterstattung der Pécsi Napló Wie auch in der Berichterstattung der anderen zeitgenössischen Blätter von Pécs spielten die Interaktionen zwischen Bergarbeitern und Behörden in der Streikberichterstattung eine zentrale Rolle. Die Hauptrollen hatten in der Pécsi Napló die Gendarmerie, die Infanterie und die Husaren inne, die zur Sicherung der Bergwerke und der allgemeinen Sicherheit sowie für die Räumung der Ortschaft Szabolcs am 12. Juni mobilisiert worden waren. Neben den Aktivitäten der Einheiten der Organe lag in den Berichten der Fokus stark auf Personen der mittleren Ränge. Die am häufigsten erwähnten Persönlichkeiten waren Bezirksrichter Dr. Károly Seh, Infanteriemajor Paul Vogl, Oberstuhlrichter Ivan Forray, Gendarmerie-Hauptmann Kosztka, Vizegespan László Szily sowie Gendarmerie-Oberleutnant Lajos Körner. Drei wichtige und gesellschaftlich hochstehende Persönlichkeiten, Bergwerksdirektor Raimund Wiesner, Berghauptmann Kamill Kaufmann und der Pécser Bürgermeister Johann Aidinger, wurden in der Pécsi Napló nur am Rande erwähnt.
9.2.3 Die Einheiten der Behörden Die Gendarmen haben gut gearbeitet: die Gewehrkolben hatten zu tun, die Kavallerie prügelte mit ihren Säbelflächen; dennoch ist keiner zu Tode gekommen. Gewiss, die Szene war schrecklich, aber unter den gegebenen Umständen ging es nicht anders.³⁹
Die Handlungen der Sicherheitsorgane beschrieb die Pécsi Napló in sachlichem Tonfall und ohne einzelne Individuen aus den Reihen der einfachen Soldaten oder der Gendarmerie hervorzuheben. In der Schilderung des Militäreinmarschs in Szabolcs klang der Respekt der Zeitung vor der disziplinierten Effizienz des Militärs an: „Um halb acht am Abend ist das Militär eingetroffen. Es besetzte sofort die Bergbaukolonien. Es wurden Wachen aufgestellt, Patrouillen hinausgesandt. Die Mehrheit der Mannschaft hielt sich trotz des Regens unter freiem Himmel auf. Die Waffen standen zu Pyramiden zusammengestellt, die Soldaten standen hinter den Pyramiden.“⁴⁰ Im Weiteren beschrieb das Blatt die widrigen Umstände, unter denen die Militärangehörigen ihren Dienst taten, während sie das Bergwerksgelände sicherten.
39 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2. 40 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4.
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Die durchnässten Soldaten ruhten sich nach dem Einsatz in voller Montur auf dem Fußboden des provisorisch zur Kaserne umfunktionierten Gasthauses aus.⁴¹ „Der Dienst ist bei der außergewöhnlichen Nässe wegen des andauernden Regens besonders schwer und belastend“,⁴² unterstrich die Zeitung. Die Pécsi Napló legte Wert darauf, den Lesern von Zeit zu Zeit die genaue Anzahl der eingesetzten Ordnungskräfte mitzuteilen: „In Szabolcs und in den angrenzenden Bergwerken stehen unter dem Befehl von Major Vogl drei Hundertschaften Infanterie; insgesamt 840 Mann. Außer dem Militär sind unter dem Befehl von Oberleutnant Lajos Körner 35 Gendarmen vor Ort.“⁴³ In der ersten Phase des Militäreinsatzes suggerierte die Zeitung, dass die Behörden in der bestreikten Region die Lage im Griff hätten. Die Ordnung werde von ihnen trotz aller Widrigkeiten pflichtbewusst aufrechterhalten. Gemeinsam mit den Verantwortlichen hoffte die Zeitung offenbar, die Bergleute würden angesichts der Machtdemonstration der Behörden keinen Widerstand leisten.⁴⁴ Doch als die Stimmung bei den Streikenden hochzukochen begann, versetzte man auch in Pécs die dort stationierten Honvéds⁴⁵ in Bereitschaft⁴⁶ – die Behörden schienen der streikenden Menge alles zuzutrauen. Da die Bergarbeiter jedoch auch nach mehreren Angeboten, Aufforderungen und Drohungen Szabolcs nicht verlassen wollten, mussten die Behörden nach Ansicht der Pécsi Napló handeln – schon allein um glaubwürdig zu bleiben.⁴⁷ Die Pécsi Napló schilderte ihren Lesern sogar den strategischen Plan und nannte das geplante Datum der Räumung.⁴⁸ Das Blatt verdeutlichte damit im Gegensatz zu den planlosen Bergleuten, dass die Behörden über Pläne und Strategien verfügten, um die Situation unter Kontrolle zu halten.
41 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 45 Heimatschützer, Bezeichnung für die Landwehr im Königreich Ungarn. Neben dem Husaren ist der Honvéd eine ikonische Figur des ungarischen Militärs. Vgl. Tibor Ács, A reformkor hadikultúrájáról. A magyar hadügy és tudomány kérdéseiről, Piliscsaba 2005, S. 110. 46 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése, [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4. 47 Vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 48 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3.
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Das Vorgehen der ausführenden Organe bei der Räumung von Szabolcs schilderte die Pécsi Napló als eine koordinierte militärische Operation, bei der Säbel, Bajonette und Gewehrkolben eingesetzt wurden. Die streikenden Bergarbeiter seien aus den Häusern der lokalen Bauern gezerrt und über Stock und Stein aus der Ortschaft gejagt worden. Dabei zertrümmerten die Soldaten Fenster und Türen der Häuser, in die sie eindrangen. Die gefassten Streikenden wurden grün und blau geprügelt. Die rund ein Dutzend festgenommenen mutmaßlichen Anführer der Streikbewegung wurden in Eisen geschlagen von 25 Gendarmen abgeführt.⁴⁹ Die Überführung der in Szabolcs verhafteten Streikenden nach Pécs geschah in der Nacht. Die Pécsi Napló schilderte die Aktion detailliert als eine perfekt organisierte Operation der Behörden. Die Gefangenen wurden in einem Sonderzug, bestehend aus einer Lokomotive, einem Kohlewagen und einem Wagon der dritten Klasse, unter strenger Bewachung überführt.⁵⁰ Die Zeitung verlangte hierauf, dass die Schuldigen ihre Strafe erhalten sollen, die „wahren Gründe des Problems“⁵¹ sollten eruiert werden und den Beschwerden der Arbeiter sollte nachgegangen werden.⁵² Das allerdings liege nicht mehr in den Händen der Exekutive, hielt die Zeitung fest. Die Pécsi Napló empfand die Ordnungskräfte nicht nur als die ausführende und durchsetzende Gewalt des Staates, sie betrachtete die bewaffneten Kräfte auch als Beschützer der „verblendeten“⁵³ Streikenden, da sie rechtzeitig Maßnahmen ergriffen hätten, um die Bergleute von aggressiven und brutalen Taten abzuhalten, die sie in blinder Wut hätten begehen können.⁵⁴ Die Pécsi Napló präsentierte die Gendarmen, Soldaten und Husaren bei der Ausübung ihrer Aufgaben als mit großem Pflichtbewusstsein, Disziplin und Ordnung ausgestattete Gemeinschaften. Die Staatsorgane erschienen im Streikgeschehen als konsequente, effiziente und durchsetzungsfähige Protagonisten. In der Darstellung der Zeitung trugen die Mitglieder der eingesetzten Organe, wie auch die Masse der Bergleute, keine individuellen Züge. Die einzelnen Polizisten und Soldaten taten offenbar das, was ihnen ihre Vorgesetzten befahlen. Keiner scheint aus der Reihe getanzt zu sein, alle arbeiteten ordnungsgemäß. Die einfachen Uni-
49 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 50 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 51 Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 52 Vgl. ebd. 53 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 54 Vgl. ebd.
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formträger können in dieser Hinsicht als Antagonisten des streikenden Bergmannes gesehen werden, der sich, von unbekannten Agitatoren angestachelt, unberechenbar und affektgesteuert verhalten konnte. Trotz dieser scheinbaren Faszination von der erschreckenden Effizienz der Ordnungskräfte kritisierte die Pécsi Napló schon früh die militärische Unterdrückung der Arbeiterbewegung. Die Niederschlagung des Streiks wurde lediglich als Austilgung der Symptome, nicht als Behebung des eigentlichen Übels beanstandet. Dabei verwies die Pécsi Napló auf die Niederschlagung des Streiks im Jahre 1882.⁵⁵ Diese Kritik richtete sich nicht an die einfache Exekutive, sondern vielmehr an die obersten Entscheidungsträger in den Behörden. Die Pécsi Napló positionierte sich mittels ihrer Repräsentationsweisen nahe den einfachen Soldaten.
9.2.4 Der ungarische Staat, seine Regierungen und die Lage der Bergleute Der Staat habe sich, schrieb die Pécsi Napló, viel zu lange nicht um die Belange der Bergarbeiter gekümmert, obwohl ein Großteil der Pécser Bürger seine Einkünfte aus dem Bergbau bezogen habe, seit die Phylloxera ihnen den Weinbau als Erwerbsgrundlage geraubt hatte: Weder die städtische Behörde, obwohl die Bergleute einen Großteil der städtischen Bewohner ausmachen; noch das Komitat, obwohl die Bergwerke vielen hundert Familien das Auskommen sichern und schlussendlich die Gesellschaft, die sich zu fein ist, um sich mit einem solch niedrigen Volk zu befassen, kümmerten sich um die Bergleute. Erst jetzt, nachdem die Phylloxera unsere Gemeinden um ihr Einkommen gebracht hat, zeigen sie Teilnahme, indem sie verspätet und nachträglich weise Ratschläge verteilen.⁵⁶
Das geltende Bergbaugesetz stamme noch aus der Zeit des Deutschen Reiches, beanstandete die Pécsi Napló, es werde noch nicht einmal mehr in Österreich angewandt und enthalte kaum Verordnungen, die das Leben, die Gesundheit und die Beziehungen der Bergleute zum Arbeitgeber zeitgemäß ordneten. Nicht nur das Gesetz sei überholt, die Gesetzgebungsverfahren seien zudem zu langsam, um den Bergleuten in absehbarer Zeit helfen zu können. Den ungarischen Regierungen, die alle versprochen hatten, an der Misere etwas zu ändern, traute die Pécsi Napló nicht zu, ein neues gerechtes Bergbaugesetz zu erlassen. Als kurzfristige Hilfe schlug das Blatt daher eine Niederlassung der Berghauptmannschaft in Pécs vor, die vor Ort für
55 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 56 Anon, A bányamunkásokról, [Von den Bergarbeitern], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2.
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die Einhaltung der geltenden Vereinbarungen zwischen den Bergleuten, ihrem Arbeitgeber und dem Staat sorgen sollte.⁵⁷ Den Staat zeigte die Pécsi Napló in diesem Kontext als eine weit entfernte Macht, die für das Wohl dieses Teils der Pécser Bevölkerung nur unzulänglich Sorge tragen könne. Die Bergarbeiter, die mit ihrem Streik die Behörden aufgerüttelt haben, erscheinen dabei als fürsorgebedürftige Untertanen, um die man sich am besten vor Ort kümmern sollte.
9.2.5 Die Vertreter der Behörden Sobald die Pécsi Napló die Eigenschaften und Handlungen einzelner, höhergestellter Vertreter der Behörden näher darstellt, erscheinen diese in einem anderen Licht als die sie beschäftigenden Institutionen. Die Zeitung zeigte die oben genannten Personen entweder in Interaktion mit den Streikenden oder als Berichterstattende für ihre jeweiligen Behörden. Oberstuhlrichter Ivan Forray war eine der offiziellen Persönlichkeiten, die sich mit den Bergleuten schon früh auseinandersetzten. Er genehmigte eine zunächst untersagte Bergarbeiterversammlung zur Feier des Ersten Mai. Aus der Sicht der Pécsi Napló tat er dies allerdings mit dem Ziel, als Teilnehmer der Versammlung „das Verhalten der Bergleute beobachten zu können, ihre Wünsche und Ziele kennenlernen zu können.“⁵⁸ Diese Strategie kann als ein Hinweis auf seine Unkenntnis über einen Teil der in seine Zuständigkeit fallenden Bevölkerung gedeutet werden. Seine Haltung den Bergleuten gegenüber erscheint in den Spalten der Pécsi Napló als besonders distanziert bis anmaßend: Der Oberstuhlrichter fügte seinem Bericht auch ein Flugblatt bei. Der Titel des aufrührerischen Flugblatts lautet: „Was wollen die Sozialisten!“ Die Grundsätze der ungarischen sozialdemokratischen Partei sind direkt an die ungarischen Arbeiter gerichtet. Die Schwierigkeiten der Szabolcser, Somogyer, Vasaser und der ehemaligen Koch’schen Bergarbeiterkolonien sind – laut dem Bericht des Oberstuhlrichters – durch die Behörde nicht zur Kenntnis zu nehmen und nicht zu gestatten; vonseiten der Gesellschaft [Donaudampfschifffahrtsgesellschaft; M. E.] sind sie ebenfalls in keinem Punkt erfüllbar.⁵⁹
57 Vgl. Anon, Bányakapitányságot Pécsre, [Eine Berghauptmannschaft für Pécs], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 1 – 2. 58 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 59 Ebd.
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Der Oberstuhlrichter verhielt sich in den Augen der Pécsi Napló vorschriftsmäßig, akkurat und hielt professionelle Distanz zu den Arbeitern. Obwohl er in seinem Bericht an die Behörde und die DDSG eine Empfehlung aussprach, wie die Zeitung berichtete, betonte er an anderer Stelle gegenüber Bergleuten, dass er lediglich für die Wiederherstellung der Ordnung im Streikgebiet zuständig sei, in die Streikverhandlungen selbst könne er sich nicht einmischen.⁶⁰ Vizegespan László Szily war der Vorgesetzte Forrays, für den dieser seinen Bericht angefertigt hat. Szily wiederum leitete Forrays Bericht weiter an den Innenminister nach Budapest mit der Bitte, in den Bergarbeiterkolonien baldmöglichst einen Gendarmerieposten einzurichten, um die öffentliche Ordnung dort besser kontrollieren zu können. Im entsprechenden Beitrag der Pécsi Napló trat der Vizegespan energisch für eine Lösung des Problems mit den Bergarbeitern ein. Er forderte den Oberstuhlrichter auf, gemeinsam mit Berghauptmann Kamill Kaufmann die Beschwerden der Bergleute zu untersuchen. Würden diese nicht aktiv werden, erwäge er, die Bergleute selbst einzeln zu verhören. Die Pécsi Napló postulierte hierzu, Szilys einziges Bestreben sei es gewesen, die öffentliche Ordnung in den Bergbaukolonien aufrechtzuerhalten, die DDSG vor jedem Schaden zu bewahren und gleichzeitig den berechtigten Forderungen der Arbeiter nachzukommen.⁶¹ Szily wurde von der Pécsi Napló auch im Weiteren als ein sehr aktiver Protagonist im Streikgeschehen geschildert. So forderte er am 6. Juni bei General Bertalan Rózsa Husaren an und ließ noch weitere Einheiten der Exekutive in Szabolcs, Somogy und Vasas einmarschieren. Laut der Pécsi Napló drohte der Vizegespan den Arbeitern mit juristischen Konsequenzen, wenn diese weiterhin gegen arbeitswillige Bergleute und gegen ihren Arbeitgeber Gewalt anwenden sollten.⁶² Schließlich löste der Vizegespan sein Versprechen ein und ließ sich gemeinsam mit Gespan Kálmán Kardos nach Szabolcs fahren. Dort ließ er die Anführer des Streiks zu sich in den Pfarrhof kommen, um sie „mit schönen Worten und dem von ihm gewohnten Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, welche Konsequenzen ihre weitere Aufsässigkeit haben würde.“⁶³ Nachdem die Streikenden auch die letzte von Szily gesetzte Frist zum Verlassen der Ortschaft verstreichen ließen, hielt der Vizegespan Wort und ließ Szabolcs räumen. Mit der Räumung der Ortschaft, so
60 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter] Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 61 Vgl. Anon, Elégedetlenkedő bányászok, [Unzufriedene Bergleute], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 125 (152), Donnerstag, 1. Juni, S. 4. 62 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 63 Ebd.
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„schreckliche Arbeit er auch hat verrichten lassen“,⁶⁴ habe Szily nur seine Pflicht getan und die Ordnung wiederhergestellt. Szily habe, so die Pécsi Napló, dabei nichts weiter getan als den Wunsch der Szabolcser Bürger zu erfüllen, die Fremden aus der Ortschaft zu entfernen.⁶⁵ Die Pécsi Napló stellte das Vorgehen des Vizegespans in einer langen Textpassage über das Vorgehen der Behörden im Streik als äußerst korrekt dar. „Das haben wir im Interesse der Wiederherstellung der Wahrheit und der fehlgeleiteten öffentlichen Meinung wichtig gehalten zu erzählen“,⁶⁶ hielt die Zeitung dazu fest. Szily habe genau auf die Einhaltung der Zuständigkeiten geachtet. Er habe für Ruhe und Ordnung gesorgt, für die Lösung der Probleme der Arbeiter mit ihrem Arbeitgeber sei er nicht zuständig. Er habe mit den Bergarbeitern lange Geduld gehabt, keinen Druck auf diese ausgeübt, und auch sonst habe er nicht alle Möglichkeiten des Gesetzes ausgeschöpft, konstatierte die Zeitung.⁶⁷ Mit seiner geradezu erschreckend effizienten, distanzierten und korrekten Art erschien Vizegespan László Szily in der Pécsi Napló als eine Art gerechter Fürst, der das Volk zu Raison brachte, sich um dessen Probleme kümmerte und dabei die fremden Störenfriede aus der Gesellschaft entfernte. Aus der Perspektive der Pécsi Napló waren nicht nur die Bergarbeiter durch sozialistische Hetzer in die Irre geführt worden, auch die Pécser Öffentlichkeit war durch andere Medien fehlinformiert gewesen. Einerseits sei die Öffentlichkeit, der die Räumung von Szabolcs als übertrieben gewaltsam, unangemessen und unrechtmäßig dargestellt wurde, falsch informiert worden, andererseits seien die ungarischen Bergleute erst durch fremde Hetzer zu ihrem Fehlverhalten verführt worden. Vor diesem Hintergrund ordnete die Pécsi Napló den Vizegespan als einen verantwortungsbewusst handelnden Behördenvertreter ein, dem die Bergleute untergeordnet waren und um die er sich pflichtbewusst kümmerte. In der Berichterstattung der Pécsi Napló traten drei weitere Behördenvertreter als Protagonisten auf, die mit den Bergleuten unmittelbar Kontakt hatten: Bezirksrichter Dr. Károly Seh, Gendarmeriehauptmann I. Kosztka⁶⁸ und Infanteriemajor Paul Vogl. Diese drei bereiteten auf Geheiß des Vizegespans Szily die Räumung von Szabolcs vor Ort vor und führten diese auch durch. Laut der Pécsi Napló kamen Seh und Vogl in ihrem Bericht an Szily zu dem Schluss, dass die Räumung
64 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2. 65 Vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 66 Ebd. 67 Vgl. ebd. 68 Der Vorname Kosztkas ließ sich nicht eruieren.
9.2 Die Öffentlichkeit und die Behörden in den Berichten der Pécsi Napló
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ohne Blutvergießen kaum durchführbar sein werde, weil sich dort so viele Bergleute auf engstem Raum aufhielten und diese rasend vor Wut seien.⁶⁹ Bezirksrichter Seh sprach vor Ort direkt zu den angeblich 3.000 versammelten Streikenden, um diese dazu zu bewegen, nicht nur Szabolcs zu verlassen, sondern auch an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren, berichtete die Zeitung. Er versprach ihnen, wenn sie seinem Aufruf folgten, würden ihre rechtmäßigen Forderungen alsbald untersucht und die Probleme behoben werden. Er versprach den Streikenden, dass ihnen binnen acht Tagen das geforderte Regelwerk der DDSG in ungarischer Sprache ausgehändigt werde.⁷⁰ Der Bezirksrichter scheint schließlich jedoch vom Durcheinander des Streiks und der Ereignisse in Szabolcs so mitgenommen gewesen zu sein, dass er erkrankte und durch Bezirksrichter Béla Perczel ersetzt wurde, wie der Zeitung zu entnehmen war.⁷¹ Die Pécsi Napló thematisierte nicht nur das Auftreten Dr. Károly Sehs vor den Bergleuten und sein Eintreten für deren Belange sowie für die Magyarisierung, sondern auch seine Erkrankung. Aus diesen Informationen kann die Folgerung gezogen werden, dass der Bezirksrichter durch die Ereignisse emotional so belastet war, dass er erkrankte. Diese Information lässt aber auch auf die emotionale und soziale Nähe der Zeitung zu ihm schließen. Die beiden kommandierenden Offiziere bei der Räumung von Szabolcs, Infanteriemajor Paul Vogl und Gendarmeriehauptmann I. Kosztka, wurden in der Pécsi Napló ebenfalls als Personen mit Emotionen dargestellt. Das Blatt konstatierte, dass es dem humanen, ruhigen, einfühlsamen und besonnenen Vorgehen dieser beiden Offiziere zu verdanken sei, dass bei der Militäraktion keine Toten und nur wenige Verletzte zu verzeichnen gewesen seien.⁷² Nachdem der Streik ausgebrochen war, zeigte die Pécsi Napló die lokalen Obrigkeiten und höheren Dienstgrade der Exekutive als pflichtbewusste und effiziente, aber auch emotionale Personen, die den ungarischen Arbeitern zugewandt agierten. Ihre Zuwendung stellte die Zeitung als eine verantwortungsbewusste Fürsorge für Untergebene dar. Die Bergarbeiter erschienen somit in den Zeilen der Pécsi Napló als eine gesellschaftlich untergeordnete Gruppe, um die sich die Obrigkeit gegebenenfalls mit drastischen Mitteln und auch am Rande der eigenen
69 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 70 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 71 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 72 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2.
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Belastbarkeit kümmerte. Die Arbeiter sollten dabei von fremden Einflüssen wie dem Sozialismus, den Vorschriften des ihnen fremden ungarischen Staates und vor fremdsprachigen Vorschriften ihres Arbeitgebers aus dem fernen Wien befreit und ferngehalten werden. Durch die Darstellung dieser Fürsorge für die ungarischen Bergarbeiter skizzierte die Pécsi Napló eine imaginierte soziale Struktur, in der die Bergleute den behördlichen Funktionsträgern untergeordnet waren.
9.3 „Hier wie dort ist der deutsche Geist stark, man will den Ungarn nicht verstehen.“⁷³ Die Darstellung der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und ihrer Repräsentanten in der Pécsi Napló Selbst das Aufsichtspersonal ist tschechisch oder deutsch. Einige unter ihnen ausländische Deutsche, die sich nie bemüht haben, sich das ungarische Wort anzueignen, denen Gespür für die Gefühle des Ungarn, für dessen Interessen und Traditionen völlig fehlen.⁷⁴
Der Protest der Bergarbeiter im Pécser Revier richtete sich ausschließlich gegen die Bedingungen, die bei der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft herrschten, dem größten und fast einzigen Bergbauunternehmen der Region. In den Betrachtungen des Streiks durch die Pécsi Napló war die Thematisierung der DDSG und ihrer Repräsentanten sowie der wirtschaftlichen Bedingungen im Allgemeinen unumgänglich. Diese können drei Protagonistengruppen zugeordnet werden: Zum einen die in Wien und Budapest residierende Direktion der DDSG, zum zweiten die den Bergarbeitern vorgesetzten Angestellten und schließlich Bergwerksdirektor Raimund Wiesner. Die Pécsi Napló nutzte die Arbeitsniederlegung der Pécser Bergleute für allgemeine Betrachtungen über die ungarische Volkswirtschaft. Das Blatt postulierte, die ökonomische Lage sei nicht nur unter den Arbeitern schlecht, sondern auch die Mittelschicht würde leiden. Die wirtschaftliche Situation sei nur in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen beneidenswert.⁷⁵ Die Verdienst- und Vermögensunterschiede in der Gesellschaft seien enorm. Das Blatt beklagte dabei, dass manche der höheren Beschäftigten der DDSG ungerechtfertigt hohe Summen verdienen wür-
73 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 74 Anon, A bányamunkásokról, [Von den Bergarbeitern], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 75 Vgl. Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2.
9.3 „Hier wie dort ist der deutsche Geist stark, man will den Ungarn nicht verstehen.“
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den.⁷⁶ Ökonomisch seien „dunkle Wolken aufgezogen“,⁷⁷ weshalb jeder Arbeitsfähige arbeiten und vorsorgen müsse, vor allem aber die ungarische Industrie müsse sich mit voller Kraft der Modernisierung widmen. Dies hätten etliche Fabrikanten und andere „arbeitende Hände beschäftigende“⁷⁸ Unternehmer bereits mit enormer Kraft getan.⁷⁹ Hierbei seien, so die Pécsi Napló weiter, die bereits bestehenden, aber auch die noch nicht in Betrieb befindlichen Bergwerke in Pécs, Szabolcs, Somogy, Szászvár und die in Mányok im Nachbarkomitat Tolna gelegenen großen Bergwerke von entscheidender Bedeutung.⁸⁰ Das ungarische Unternehmertum sollte sich dabei zum Nationalen hin orientieren, forderte die Zeitung. Es könne beispielsweise nicht angehen, dass in Ungarn 27 Jahre nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit immer noch das bereits in Österreich als veraltet und unbrauchbar angesehene Bergbaugesetz des Deutschen Reiches in Kraft sei.⁸¹ Die Pécsi Napló hielt der DDSG vor, dass sie immer noch sämtliche Verordnungen, Hinweise, Regelungen und sogar die Statuten der Bruderlade nur in deutscher Sprache publizierte. Die ungarischen Arbeiter seien dadurch gezwungen im eigenen Land eine fremde Sprache zu verstehen.⁸² Die Pécsi Napló beklagte weiterhin, dass unter den leitenden Angestellten der DDSG nur sehr wenige die ungarische Sprache beherrschten, um sich ohne Dolmetscher mit ungarischen Bergleuten zu verständigen.⁸³ „Das große Problem ist, dass wir mit der kaiserlichen und königlichen freien Donaudampfschifffahrtsgesellschaft genauso dastehen wie mit der kaiserlichen und königlichen Armee: Hier wie dort ist der deutsche Geist stark, man will den Ungarn nicht verstehen.“⁸⁴ Die Direktion der Dampfschifffahrtsgesellschaft, so das Blatt, ignoriere nicht nur die aktuellen Beschwerden, Forderungen und Bedürfnisse der ungarischen
76 Vgl. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. 77 Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2. 78 Anon, A magyar munkások nyugdíjintézete, [Das ungarische Arbeiterpensionsinstitut], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 220 (1460), Mittwoch, 23. September, S. 1 – 2. 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. Anon, Bányakapitányságot Pécsre, [Eine Berghauptmannschaft für Pécs], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 1 – 2. 81 Vgl. ebd. 82 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 83 Vgl. ebd. 84 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1.
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Bergleute, sie verweigere ihnen auch jedes Entgegenkommen:⁸⁵ „Es ist nämlich heute ein Fernschreiben von der ungarischen Direktion der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft in Budapest eingetroffen, in dem gesagt wird, dass die Wünsche der Bergleute nicht erfüllbar sind; eine Lohnerhöhung ist auf keinen Fall zu gestatten. In keinem der Bergwerke des Landes sind die Arbeiter besser entlohnt als in diesen Bergwerken.“⁸⁶ Den miserablen Umgang der DDSG mit ihren Arbeitern bemängelte die Pécsi Napló bereits im Vorfeld des Streiks. Die Gesellschaft würde von diesen bei Bränden, Stolleneinstürzen und Wassereinbrüchen sowie bei Ausbesserungsarbeiten unbezahlte Arbeit verlangen. Der Gesteinsanteil der geförderten Kohlen werde den Arbeitstrupps in übertriebener Weise vom Lohn abgezogen, kritisierte die Zeitung.⁸⁷ Die Pécsi Napló kritisierte weiter, dass das größte Unternehmen in Pécs mit seinen tausenden von Arbeitern sich nicht nur seinen einfachen Beschäftigten gegenüber unredlich verhalte, sondern insgesamt außerordentlich unpatriotisch sei. Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft aus dem fernen Wien behandle die Bergarbeiter schlecht und bürde ihnen Zumutungen auf. Als sichtbares Zeichen ihrer Ignoranz kommuniziere das Unternehmen und seine Angestellten auf Deutsch mit den Bergarbeitern. Die Aufseher der DDSG seien, schrieb die Pécsi Napló, in der Regel Tschechen und „ausländische Deutsche“,⁸⁸ die keine Anstrengungen unternehmen würden, die ungarische Sprache zu lernen, geschweige denn sich für die Gefühle, Interessen und Gewohnheiten der ungarischen Bergleute zu interessieren.⁸⁹ Als Hoffnungsträger betrachtete die Pécsi Napló den erst 1891 als neuer Bergbaudirektor angetretenen, als freundlich und tüchtig geltenden Raimund Wiesner.⁹⁰ Ihn präsentierte die Zeitung als eine Person, die den Bergleuten zugewandt und eifrig bemüht war, in den Schulen der Bergarbeitersiedlungen die ungarische
85 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 86 Ebd. 87 Vgl. Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 88 Dieser Begriff erscheint hier das einzige Mal in der ganzen Berichterstattung, er wird nicht weiter behandelt. Damit sollen, so kann vermutet werden, die deutschsprachigen Ungarn aus der Kritik an der DDSG ausgenommen werden. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 89 Vgl. ebd. 90 Über den neuen Bergwerksdirektor erfuhr man in der Zeitung Pécs eher beiläufig. Vgl. Anon, A bányamunkások, [Die Bergarbeiter], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 80, Samstag, 5. Dezember, S. 4; siehe auch: János Raýman : Wiesner Rajmár, in: Ferenc Romváry (Hg.), Pécs Lexikon. Elsö kötet, Pécs 2010, 406 f.
9.3 „Hier wie dort ist der deutsche Geist stark, man will den Ungarn nicht verstehen.“
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Sprache einzuführen. Die Zeitung äußerte sogar die Hoffnung, „dass der eifrige und die Schulen magyarisierende Bergwerksdirektor anfangen wird, die überfällige Einstellung von Ungarn unter die Angestellten vorzunehmen – auch bei höheren Posten.“⁹¹ Bei aller Freundlichkeit, Tüchtigkeit, Eifer und Bemühungen um die Arbeiter blieb für die Pécsi Napló ein Wermutstropfen: Auch der deutschsprachige Wiesner konnte mit den ungarischsprachigen Arbeitern der Bergwerke nicht auf Ungarisch kommunizieren.⁹² In den Beiträgen der Pécsi Napló erscheint die Haltung und der Umgang der DDSG und ihrer Angestellten gegenüber den Bergleuten für die Leserschaft wie das Verhältnis zwischen Kolonisten und Kolonisierten auf einem fremden Kontinent. Der ungarische Arbeiter wurde in den Zeilen der Pécsi Napló zum Subalternen,⁹³ zum Opfer und Symbol für den falschen Umgang durch Fremde mit den Ungarn in Pécs und im ganzen Land. Für die Zeitung war die Beziehung zwischen dem ausländischen Arbeitgeber und den ungarischen Arbeitern symptomatisch für die Lage der ungarischen Volkswirtschaft, die dabei sei, Schritte in die richtige Richtung zu tun, aber dennoch immer noch zu sehr von der Macht „ausländischer Deutscher“⁹⁴ abhängig sei. Die Pécsi Napló präsentierte eine gesellschaftliche Struktur, in der die Macht der DDSG aus dem fernen Wien und Budapest das Los der einfachen ungarischen Arbeiter bestimmte. Die konkreten Ungerechtigkeiten, über die sich die Arbeiter beschwerten, seien nach dem Dafürhalten der Zeitung von namentlich nicht genau, aber deutsch dominierten Angestellten der DDSG begangen worden. Der prominenteste Vertreter der DDSG vor Ort, Bergwerksdirektor Wiesner, erschien in der Zeitung dennoch als Hoffnungsträger und facettenreiche Persönlichkeit. Er stand wohl aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung und seines Engagements der Pécsi Napló am nächsten, wobei persönliche Bekanntschaften zwischen ihm und Mitarbeitern der Zeitung nicht auszuschließen sind. Die Zeitung vermutete, dass Wiesner als Person mit seinen Untergebenen gerecht umzugehen bemüht sei; die Pécsi Napló goutierte sein Bestreben, die ungarische Sprache in seinem Unternehmen zu verbreiten. Es war der Zeitung aber auch klar, dass er lediglich der lokale Repräsentant der mächtigen fernen Donaudampfschifffahrtsgesellschaft war.
91 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 92 Vgl. ebd. 93 Vgl. Castro Varela/Dhawan, Postkoloniale Theorie, 2005, S. 69. 94 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2.
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Der moralisch tadellose und den Ungarn zugewandte, als Direktor der Pécser Dependance aber dem in Wien residierenden Unternehmen verpflichtete Raimund Wiesner bildete in der Gesellschaftskonstruktion der Pécsi Napló das Bindeglied zwischen der fernen fremden Macht und ihren hiesigen armen ungarischen Untergebenen. Hierbei positionierte die Zeitung den Direktor als in der sozialen Ordnung mit der für sich selbst reklamierten bürgerlichen Schicht ebenbürtig. Das Unternehmen konnte sowohl physisch als auch sozial außerhalb von Pécs verortet werden. Die dem Direktor unterstellten Angestellten des Unternehmens, die mit den Bergarbeitern ungerecht umgingen, präsentierte die Pécsi Napló dagegen als ignorante Fremde in Pécs.
9.4 Einwanderer und Bergarbeiter in der Berichterstattung der Pécsi Napló 9.4.1 Dahergelaufene Fremde als Träger der Phylloxera des Sozialismus. Die Position der Pécsi Napló gegenüber Einwanderern im Kontext des Streiks Jedes Jahr erreicht uns der Wind der sozialistischen Bewegungen und rüttelt an den friedlichen Gemütern. […] Und nirgendwo ist die Lage so gefährlich wie in den von unserer Stadt unweit gelegenen Bergarbeitergemeinden, Bergarbeitersiedlungen, wo die aus dem Ausland eingeströmten Sozialisten die Seelen der ungarischen Arbeiter verdarben.⁹⁵
In den Betrachtungen des Streiks im nahegelegenen Bergbaurevier durch die Pécsi Napló hingen die politische Ideologie des Sozialismus und die Auffassung von Fremdheit auf besondere Weise zusammen. Negative Eigenschaften projizierte die Zeitung auf mysteriöse Fremde, wodurch unerwünschte Dispositionen der ungarischen Bergleute, etwa eine eventuelle Sympathie für den Sozialismus, expatriiert werden konnten: „Bei uns waren Fremde die gefährlichen Jünger; unsere Arbeiterklasse kannte den Begriff des blutigen Mais lediglich vom Hörensagen; doch jetzt schlagen seine Wellen schon bis zu uns her, wovon wir uns beim hinter uns liegenden Bergarbeiterstreik bedauerlicherweise überzeugen mussten.“⁹⁶ Das Blatt identifizierte den Sozialismus als eine dem ungarischen Volk fremde, schädliche Gesinnung, deren Bestrebungen mit der ungarischen gesellschaftlichen Ordnung und mit dem ungarischen Wesen allgemein unvereinbar seien. Für die
95 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 96 Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2.
9.4 Einwanderer und Bergarbeiter in der Berichterstattung der Pécsi Napló
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Lösung des somit vom Eigenen zu isolierenden Phänomens wurde bisweilen ein erschreckend pragmatischer Lösungsvorschlag formuliert: „Die eingewanderten und mit dem Bakterium des Sozialismus vollen Arbeiter des Auslands müssen allmählich ausgemerzt, entfernt werden.“⁹⁷ Dabei fand die Pécsi Napló die Grundbestrebungen des Sozialismus sogar insofern richtig, als dass die Situation der Armen in Ungarn verbesserungsbedürftig sei. Das Blatt war jedoch mit den Lösungsvorschlägen des Sozialismus nicht einverstanden und befürchtete, dass der Sozialismus, der Kommunismus und der Nihilismus sich zum Ziel gesetzt hätten, das gegenwärtige gesellschaftliche System, den Fortschritt und das etablierte Rechtssystem zu vernichten.⁹⁸ Im Sinne dieser Befürchtung postulierte das Blatt, dass Bevölkerungen schon immer mächtig gewesen seien. Sie hätten schon öfter riesige Reiche gestürzt. Die Pécsi Napló nahm dabei das Römische Reich als Exempel, welches durch die frühsozialistische Bewegung des Christentums zugrunde gerichtet worden sei. Diesen Umbruch betrachtete das Blatt jedoch nicht als den Sieg des Christentums über Heiden und Invasoren oder über eine dekadente Gesellschaft, sondern als Zerstörung einer elaborierten Hochkultur.⁹⁹ Eine ähnliche Entwicklung befürchtend forderte die Pécsi Napló, dass die Gesellschaft mit „wahrem Humanismus und Gerechtigkeit“¹⁰⁰ gegen die Missstände in den armen Schichten der Gesellschaft vorgehen solle. Die Zeitung fand es empörend, dass „der Humanismus […] Tierschutzvereine gründet, während andererseits hunderttausende Arbeiter in roher Bildungslosigkeit gelassen werden, ohne dass sie oder ihre Kinder nur die Hoffnung hätten, aus dem Morast emporsteigen zu können.“¹⁰¹ Nach Ansicht der Pécsi Napló musste die ungarische Gesellschaft diesen Zustand ändern, damit die eingeschleppte „Phylloxera des Sozialismus“¹⁰² die bestehende Hochkultur nicht zerstören könne. Im Kontext des Sozialismus bemühte die Pécsi Napló – wie auch die anderen beiden untersuchten Zeitungen – immer wieder medizinische Metaphern. Träger
97 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 98 Vgl. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2; vgl. Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2. 99 Vgl. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. 100 Ebd. 101 Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2. 102 Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus, [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2.
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der „Seuche“¹⁰³ waren für sie in erster Linie Fremde, die mit dem „Bakterium“¹⁰⁴ des Sozialismus verseucht seien. Dies seien zum einen eingewanderte Arbeiter unterschiedlicher Ethnien, dann sozialistische Aktivisten, die speziell zur Verbreitung der Ideologie unterwegs seien und schließlich ebenfalls bereits „verdorbene Elemente“¹⁰⁵ aus der Hauptstadt. In ihnen personalisierte sich für die Pécsi Napló die gefährliche ‚Epidemie‘ des Streiks. Durch die Zuschreibung von Unzulänglichkeit und durch die Pathologisierung der Arbeiterbewegung versuchte die Pécsi Napló, deren Anhänger aus der Pécser Gesellschaft auszugrenzen. In dieser Protagonistengruppe spielten drei Kategorien eine wichtige Rolle: Eingewanderte, sozialistische Aktivisten und die Repräsentation des personifizierten Sozialdemokraten. Die eingewanderten Arbeiter hätten die Ideologie des Sozialismus bereits in sich getragen, als sie nach Ungarn gekommen seien, stellte die Pécsi Napló fest. Sie hätten sich zunächst ruhig verhalten, da sie fürchteten, weggejagt zu werden. Dann aber hätten sie, so die Zeitung, die Herzen mancher ungarischer Arbeiter auch verdorben und seien langsam übermütig geworden.¹⁰⁶ Gemeinsam seien sie zu allem bereit, nur nicht zum Arbeiten. Die mehrheitlich aus Eingewanderten bestehende streikende Menge sei bereit, zum Messer oder zu Dynamit zu greifen, ja sie sei sogar bereit gewesen zu töten, behauptete die Zeitung.¹⁰⁷ Es sei wichtig, postulierte die Pécsi Napló, diese Ausländer loszuwerden, da diesen entwurzelten Elementen alles gleichgültig sei, Hauptsache, ihr Verdienst würde steigen.¹⁰⁸ Aus der Sicht der Pécsi Napló waren es demnach nicht die eigenen ungarischen Arbeiter, die ihrer misslichen Situation mit ungeeigneten Methoden abzuhelfen versuchten, sondern vor allem die eingewanderten Anderen, die keine emotionale Bindung zu Ungarn hätten. Diese seien, so die Zeitung, recht einfach physisch zu entfernen. Das negative Verhalten, die falsche Ideologie und die unerwünschten Eigenschaften schrieb die Zeitung einer imaginierten Gruppe zu, die als nicht zugehörig definiert wurde und deshalb sowohl aus dem physischen als auch aus dem sozialen Raum entfernt werden sollte. Hierdurch versuchte die Pécsi Napló, die Reinheit der ungarischen Arbeiterschaft herzustellen und sie als gesellschaftliche Pécser Schicht zu legitimieren.
103 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 104 Ebd. 105 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 106 Vgl. ebd. 107 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 108 Vgl. ebd.
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Eine zweite Gruppe von Protagonisten, die aus der Sicht der Pécsi Napló eine negative Wirkung auf die ungarische Arbeiterschaft ausübte, waren die sozialistischen Aufwiegler, die mit Hetzreden, falschen Versprechungen und Flugblättern „die Seelen der ungarischen Arbeiter in Brand gesteckt haben“.¹⁰⁹ Diese Sozialisten hätten, so die Zeitung, nichts weniger geplant als eine Katastrophe hervorzurufen, indem sie die „unter der Asche glimmende Glut“ der Unzufriedenheit der Bergleute auf unverantwortliche Weise anfachten.¹¹⁰ Die Pécsi Napló identifizierte die agitierenden Sozialisten vor allem als eingereiste Deutsche (beziehungsweise Preußen) und Tschechen, wobei nie konkrete Personen namentlich benannt wurden:¹¹¹ „Auch hier waren ausländische Aufwiegler, zwei preußische und zwei tschechische Sozialisten. Diese schürten bis zum letzten Augenblick den Streik unter den Arbeitern. Nach der Räumung von Szabolcs verschwanden sie spurlos.“¹¹² Einer der ominösen Aufwiegler habe den Streikenden verkündet, so die Pécsi Napló, dass westfälische Arbeiter für sie 10.000 Forint Streikhilfe gesammelt und geschickt hätten. Bei dieser Nachricht seien die Streikenden in frenetischen Jubel ausgebrochen.¹¹³ Später erfuhr die Zeitung von Berghauptmann Kamill Kaufmann, der bei der Verteilung des Geldes anwesend gewesen sein soll, dass statt der versprochenen Summe lediglich 4.000 Forint unter den Streikenden verteilt worden seien.¹¹⁴ In der darauffolgenden Ausgabe berichtete die Pécsi Napló, dass in der Zwischenzeit sogar Bergleute dementiert hätten, überhaupt Streikhilfe erhalten zu haben.¹¹⁵ Die Geschichte des Streikgeldes brachte die Pécsi Napló in einem ihrer Beiträge im Jahre 1896 zu der Folgerung, dass es arbeitsscheue Taugenichtse gäbe, die von den Streikkassen lebten, deren Geldvorräte von den Arbeitern selbst angespart und gespendet worden seien.¹¹⁶ Hiermit konnte die Zeitung sozialistische
109 Ebd. 110 Vgl. Anon, Elégedetlenkedő bányászok, Saját tudósítónktól [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 111 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 112 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 113 Vgl. ebd. 114 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 115 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítonktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 2 – 3. 116 Vgl. Anon, A magyar munkások nyugdíjintézete, [Das ungarische Arbeiterpensionsinstitut], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 220 (1460), Mittwoch, 23. September, S. 1 – 2.
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Aktivisten als Schmarotzer der Arbeiterklasse darstellen.¹¹⁷ Die Wahrheit über das Streikgeld konnte anhand der vorliegenden Quellen und historischer Forschungen nicht geklärt werden. Die Pécsi Napló schrieb, dass sich während des Streiks neben den ausländischen Agitatoren ein als Arbeiter verkleideter Redakteur der Budapester sozialistischen Zeitung Népszava unter den Bergleuten aufgehalten haben soll. Auch er soll laut den verhafteten Streikenden die Unzufriedenheit unter den Arbeitern angeheizt haben.¹¹⁸ Die Pécsi Napló befand, dass in- und ausländische Agitatoren mit unlauteren Methoden und auf übertriebene Weise die Unzufriedenheit der Bergleute schürten. Sie verhielten sich unverantwortlich und lebten auf Kosten der Arbeiter, konstatierte die Zeitung in ihrem späteren Artikel.¹¹⁹ Die Aufwiegler wurden in den Zeitungsartikeln nie als konkrete Personen mit Rang und Namen genannt, auch für die Behörden waren sie offenbar nicht zu greifen. Sie bildeten eine Protagonistengruppe des Streikgeschehens, die in den Artikeln der Pécsi Napló immer obskur blieb. Das personifizierte Schreckgespenst des Sozialismus blieb nebulös, fremd und aus der Ferne stammend. Die Ideologie konnte nicht mit einer konkreten Person in Verbindung gebracht werden. Hiermit konnte der Sozialist von der Pécsi Napló als Repräsentant einer fremden äußeren Bedrohung betrachtet werden, vor dem die ungarischen Arbeiter geschützt werden mussten. Lediglich eine Person wurde in den Zeilen der Pécsi Napló näher dargestellt, dieser Mann sei von verhafteten Streikenden im Verhör durch die Pécser Polizei näher beschrieben worden. Der Beschreibung nach sei die Person der Polizei allerdings bereits bekannt gewesen. Sie habe sich am Tag der Räumung von Szabolcs im Hause von Josef Bernath, einem der lokalen Arbeiteranführer, aufgehalten und soll dort gespeist haben. Die genaue Identität dieser Person blieb freilich dennoch unbekannt. Die Zeitung beschrieb den Mann, der unter den sozialistischen Hetzern gewesen sein soll, wie folgt: „Laut den Verhörten war unter ihnen einer mit einem krummen Hals, rotem Schnurrbart und rotem Bart, den sie mit Namen nicht kennen, die Pécser Polizei jedoch kennt bereits den notorischen Sozialdemokraten.“¹²⁰
117 Eine Sammelaktion, deren Echtheit von der Pécsi Napló bezweifelt wurde und deren Ausgang nicht nachzuverfolgen war, konnte in der zeitgenössischen Berichterstattung der Berliner Zeitung Vorwärts (Berliner Volksblatt; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands) und in der Budapester Zeitung Népszava erwähnt gefunden werden. 118 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 119 Vgl. Anon, A magyar munkások nyugdíjintézete, [Das ungarische Arbeiterpensionsinstitut], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 220 (1460), Mittwoch, 23. September, S. 1 – 2. 120 Ebd.
9.4 Einwanderer und Bergarbeiter in der Berichterstattung der Pécsi Napló
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Diese Beschreibung des „notorischen Sozialdemokraten“ ¹²¹ war geeignet, beim Leser der Zeitung Antipathie und negative Stereotypen zu erzeugen.¹²² In der Berichterstattung der Pécsi Napló wurde die angenommene Bedrohung durch den Sozialismus direkt mit Eingewanderten und Fremden in Verbindung gebracht. Eingewanderte Arbeiter, wandernde sozialistische Agitatoren und einzelne bereits ebenfalls infizierte Ungarn drohten die ungarischen – und insbesondere die Pécser – Arbeiter auf unvernünftige und gefährliche Wege zu locken. Das Bild des hässlichen Sozialdemokraten personalisierte die Gefahr durch das Evozieren möglicher negativ besetzter Zuschreibungen. Durch die Übertragung negativer Eigenschaften, Handlungsweisen und illegitimer Weltanschauungen auf Eingewanderte, Fremde und Andersartige wurden Probleme und Unerwünschtes in gewisser Weise ausgegrenzt. Das Bild des unbescholtenen ungarischen Arbeiters als Teil der Pécser Gesellschaft konnte hiermit aufrechterhalten bleiben beziehungsweise erzeugt werden.
9.4.2 „Die elenden Tagelöhner der Unterwelt“.¹²³ Darstellungen der Bergleute in der Streikberichterstattung der Pécsi Napló Ein Großteil der während des Streiks in der Pécsi Napló publizierten Beiträge beruhte auf Berichten ihres Korrespondenten, der sich als Beobachter am Ort des Geschehens aufhielt. Von den insgesamt 16 Artikeln über den Streik veröffentlichte die Zeitung sechs in aufeinander folgenden Ausgaben mit identischem Titel, in dem sie den eigenen Korrespondenten explizit hervorhob. „Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter.“¹²⁴ lauteten die Überschriften der Zeitungsartikel. Dabei scheint es jedoch zwischen Korrespondent und Streikenden zu keinem persönlichen Kontakt gekommen zu sein.¹²⁵ Die Beiträge stellten die streikenden Bergleute, die zentrale Protagonistengruppe im Streikgeschehen, als eine
121 Ebd. 122 Vgl. Michaela Haibl, Zerrbild als Stereotyp.Visuelle Darstellungen von Juden zwischen 1850 und 1900, Berlin 2000, S. 237. 123 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 124 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 125 Ein solcher Versuch ist 1893 nur im Pécsi Közlöny einmal belegt. Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 1894 sprach ein Freund der Zeitung Pécsi Figyelő mit einem streikenden Bergmann im weiter entfernt gelegenen Szászvár, vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Streik von Szászvár], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2.
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Mischung aus einem Idealbild des ungarischen Arbeiters und einer aus der sicheren Distanz beobachteten Menschenmenge dar: Der andere Teil, der die überwiegende Mehrheit bildet, ist gutmütig und von friedlicher Natur. Auch sie beklagen ihr Elend, berichten von dem unwürdigen und ungerechten Umgang, den die unteren Beamten und Organe der Gesellschaft [der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft; M. E.], die Bergmeister, die Aufseher und Inspektoren ihnen gegenüber praktizieren; es platzt nur so aus ihnen heraus, sie drohen jedoch nicht und sind nicht gewalttätig; sie legen die Arbeit schlicht nieder und warten, dass ihre Situation verbessert wird. Sie nehmen an den Versammlungen teil, brummeln dort etwas vor sich hin, aber danach verziehen sie sich still in die Kneipen und blasen dort Trübsal.¹²⁶
Das Wesen des ungarischen Arbeiters erscheint in der Darstellung des Berichterstatters friedfertig, still, brav, nüchtern denkend, eher passiv und etwas melancholisch.¹²⁷ Das Blatt postulierte, dass es mit den ungarischen Arbeitern keinen Streik geben würde, und es gäbe genügend von ihnen, sodass die Fremden, die ohnehin nur das „Bakterium des Sozialismus“ einschleppen würden, gar nicht gebraucht würden.¹²⁸ Die Zeitung mutmaßte an einer Stelle, dass die ungarischen Arbeiter vom „blutigen Mai“¹²⁹ nur vom Hörensagen Kenntnis hätten, dass sie also vom Sozialismus noch gänzlich unbeleckt seien.¹³⁰ Als Initiatoren des Streiks machte das Blatt fremde Agitatoren, sozialdemokratische Flugblätter und Zeitungen sowie eingewanderte Bergleute aus Mähren und Böhmen aus,¹³¹ die allerdings ihrerseits verführt worden seien:¹³² „Und nirgendwo ist die Lage so gefährlich wie in den von unserer Stadt unweit gelegenen Bergarbeitergemeinden, Bergarbeitersiedlungen, wo die aus dem Ausland eingeströmten Sozialisten die Seelen der ungarischen Arbeiter verdarben. Jetzt befinden sich auch schon die ungarischen Bergarbeiter mit den eingewanderten Mährern und Tschechen in einem Lager.“¹³³ 126 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 127 Vgl. ebd; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2; vgl. Anon, Veliku pučku skupstinu [Eine große Versammlung, (serb./kroat.)] Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 222 (1462), Freitag, 25. September, S. 1 – 2. 128 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 129 Anon, Baljóslatu felhők, [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2. 130 Vgl. ebd. 131 Vgl. Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai, S. 2 – 3. 132 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 133 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai, S. 2 – 3.
9.4 Einwanderer und Bergarbeiter in der Berichterstattung der Pécsi Napló
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An diesem Punkt scheint das Blatt auf den Gedanken gekommen zu sein, dass die ungarischen Arbeiter von den Ideen des Sozialismus wohl doch bereits Wind bekommen haben könnten: „Es ist wahrlich traurig, dass es mit unserem anständigen, guten ungarischen Volk auch schon so weit gediehen ist, dass es dem hydraköpfigen Sozialismus Tür und Tor öffnet und ihn in die Arme schließt.“¹³⁴ Die Pécsi Napló widmete sich nach dem Streikbeginn am 6. Juni 1893 intensiv den Pécser Bergarbeitern. In den Schilderungen des Reporters zeigte sich vor allem eine bedrohliche und negative Seite der Bergleute. Sie verhielten sich nach Ansicht des Korrespondenten – bei allen berechtigten Forderungen, wie die Zeitung immer wieder unterstrich – bedrohlich, unkalkulierbar, wild, fast animalisch. Die Berichte über die Bergleute zu Beginn des Streiks erwähnten, dass diese geordnet Versammlungen abhielten, Delegierte wählten, eine Liste mit ihren Forderungen erstellten und sich damit auf legitimem Wege an die Behörden sowie an die Bergwerksdirektion wandten und dass sie sich auf Gottes Gerechtigkeit verlassen wollten.¹³⁵ Dieses legale, geordnete und brave Vorgehen wurde jedoch häufig von heimlichen Vorbereitungen sowie geheimen Plänen und Konspirationen konterkariert, welche schließlich zur unerwarteten Niederlegung der Arbeit führten, was die Zeitung als eine bedrohliche Unberechenbarkeit auffasste: „Aus der Natur der Dinge heraus kann eine durch seelenlose Hetzer aufgestachelte große Masse leicht in solch eine soziale Bewegung umschlagen, die nicht nur die öffentliche Ordnung gefährdet, sondern die die auf die falsche Bahn gelenkte Masse zu Resultaten verleiten kann, deren Tragweite unkalkulierbar ist.“¹³⁶ Die Textpassagen, die unmittelbare Beobachtungen des Korrespondenten wiedergaben, waren dominiert von Beschreibungen, in denen die Bergleute sich „gegenseitig terrorisieren“,¹³⁷ „den Arbeitswilligen mit dem Tod drohen“,¹³⁸ „revol-
134 Vgl. ebd. 135 Vgl. ebd; vgl. Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítonktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 2 – 3; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 136 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai, S. 2 – 3. 137 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 138 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése, [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4; Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute.
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tierende Gruppen sich gegenseitig anstacheln“,¹³⁹ „mit der Sprengung der Schächte drohen“¹⁴⁰ oder „vor Wut schäumend die Behörden beschimpfen“,¹⁴¹ Soldaten mit Steinen bewarfen¹⁴² und dass sie sich hemmungslos betranken.¹⁴³ Neben der gezeigten Aggression und Affektgeleitetheit spielte die Darstellung großer Menschengruppen sowie lautstarker Wut- und Verzweiflungsausbrüche eine auffallend große Rolle in der Berichterstattung der Pécsi Napló. Während die Bergleute durch ihren Streik und die damit einhergehende Beobachtung durch die Zeitung zunächst nur als eine große Gruppe sichtbar wurden, erschienen sie dem Berichterstatter der Pécsi Napló zunehmend als bedrohliche Menschenmasse. Am Anfang des Streiks schilderte die Zeitung, wie die Streikenden scheinbar unorganisiert von Schacht zu Schacht zogen, um die dort noch arbeitenden Bergleute ebenfalls zur Einstellung ihrer Tätigkeit zu bewegen. „Am Nachmittag ist eine große Masse, ein an die 200 Köpfe zählendes kohlenstaubschwarzes Arbeiterheer in Bányatelep angekommen.“¹⁴⁴ Nachdem der Streik in Gang gekommen war, so die Zeitung, wurde die Menge zum Durchhalten eingeschworen, bis die gestellten Forderungen vom Arbeitgeber erfüllt seien. Hierzu versammelten sich die Bergarbeiter beim Gasthaus Pipagyujtó csárda.¹⁴⁵ Den Schwur, bis zum Tode auszuharren, beschrieb das Blatt mit folgenden Worten: „Der Schwur war erschütternd! Eine unüberschaubare Masse, mehrere tausend Bergarbeiter und ihre Angehörigen schworen die Eintracht. – Wehe den Verrätern!“¹⁴⁶ Schilderungen von Lautstärke und von Geräuschen verstärkten noch zusätzlich das Unheimliche und Bedrohliche dieser Menschenmassen. Bei einer der Versammlungen erlebte der
Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 139 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 140 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 141 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 142 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése, [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4. 143 Vgl. ebd. 144 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 145 Auf Deutsch: Tscharda zum Pfeifenanzünder. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. Die Tscharda lag wohl nördlich von Szabolcs im Wald des Mecsek-Gebirges. Die genaue Lage der Gaststätte ließ sich leider nicht ermitteln. 146 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3.
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Berichterstatter eine Szene, die er wie den Ausbruch einer Naturgewalt beschrieb: „Es ist wie ein Donnern, wenn 2.000 Menschen mit der Stimme der Verzweiflung aufschreien.“¹⁴⁷ Auch im weiteren Verlauf der Ereignisse beschrieb der Reporter das lautstarke und lärmende Verhalten der Bergleute und ihrer Angehörigen. Diese Erlebnisse müssen ihn so beeindruckt haben, dass er seine Eindrücke der Öffentlichkeit auf keinen Fall vorenthalten wollte. In seiner Berichterstattung vom ereignisreichen 12. Juni beschrieb der Berichterstatter der Pécsi Napló auch das Verhalten von Frauen, die ihre Emotionen lautstark kundtaten: „Kaum war das erste Haus evakuiert, liefen die Frauen auf die Straße und kreischten schrecklich, rangen ihre Hände, rauften sich die Haare und beschimpften den Hauptstuhlrichter und die Herren mit abscheulichen Flüchen. Die vor der Pfarrei versammelte Masse wurde durch dieses Wehklagen angestachelt: – Fangt den Stuhlrichter! Erschlagt ihn! – Ein das Firmament erschütterndes Grölen brach aus.“¹⁴⁸ Die Zeitung erzeugte in ihren Zeilen einerseits ein Wunschbild des harmlosen ungarischen Bergmannes als eines guten Untergebenen. Andererseits schilderte sie die Streikenden als eine unberechenbare, bedrohlich wütende und affektgeleitete Menschenmenge. Die Pécsi Napló stimmte dabei mit dem Standpunkt der Arbeiter insofern überein, als dass diese von ihrem Arbeitgeber schlecht behandelt und bezahlt worden seien. Die Zeitung riet der Bergbaudirektion, den Streik nicht erneut niederschlagen zu lassen, sondern den Bergarbeitern entgegenzukommen.¹⁴⁹ Je länger die Vorgesetzten und die Aufseher der Bergleute diese schlecht behandelten, argumentierte die Pécsi Napló, desto stärker würden sich die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“¹⁵⁰ dem Sozialismus zuwenden, was schwerwiegende Folgen haben könne. Durch die Beobachtung der Bergarbeiter durch den Berichterstatter vor Ort scheint ein Widerspruch zwischen der Idealfigur des braven, nüchtern denkenden, einfältigen, stillen und bisweilen melancholischen ungarischen Bergmanns sowie der sich organisierenden, aufbegehrenden, schmutzigen, lärmenden, wütenden, aggressiven und verzweifelten Menge von Bergarbeitern zutage getreten zu sein. Diesen Kontrast versuchte die Zeitung jedoch aufzuheben, indem sie fremde Andere
147 Ebd. 148 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 149 Hierbei nahm das Blatt eindeutig Bezug auf den Ablauf des Streiks im Jahre 1882: „Das Aussenden des Militärs, die Gewalt, ist keine Medizin. Die Wirkung kann nur dieselbe sein wie damals. Die Glut wird unter Asche vergraben und man meint, das Feuer gelöscht zu haben.“ Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 150 Ebd.
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bemühte, die „das Herz unserer ungarischen Arbeiter entflammt haben“.¹⁵¹ Die Zeitung argumentierte, die braven ungarischen Bergmänner seien ihrer Natur nach von friedlichem und nüchternem Gemüt, mit ihnen würde es keinen Streik geben, da sie in Ruhe abwarten würden, bis man sich um sie kümmere.¹⁵² Der Berichterstatter der Pécsi Napló, der immerhin acht der 16 Berichte auf seine Beobachtungen vor Ort stützte, schuf ein Bild von den Bergarbeitern, das aus einer Mischung aus Stereotypen einerseits und Eindrücken aus der Beobachtung während seines Aufenthaltes an den Streikschauplätzen andererseits bestand. Die daraus resultierende Ambivalenz versucht er zu eliminieren, um das Bild des braven ungarischen Arbeiters aufrechterhalten zu können. Dies gelang, indem man ominöse ausländische Agenten und die eingewanderten Anderen für die Anstiftung zum Streik verantwortlich machte. Durch deren Ausweisung aus Pécs hätte nach Ansicht der Zeitung der Idealzustand sogar wiederhergestellt werden können. Dass auch die schon länger in Pécs wohnende Arbeiterschaft eine ethnisch heterogene Gruppe bildete, wurde von der Pécsi Napló nicht thematisiert und scheint damit nicht problematisch gewesen zu sein. Die nach Meinung der Zeitung schlechte Behandlung der Arbeiter durch den ebenfalls als fremd und ausländisch empfundenen Arbeitgeber und dessen Angestellte sollte durch eine lokale Behörde behoben und kontrolliert werden, wodurch auch der gesellschaftlichen Fürsorgepflicht genüge getan worden wäre. Dem Leser der Pécsi Napló musste sich bei der Lektüre der Berichterstattung das Bild einer schmutzigen, verführbaren, passiven, lärmenden, durch ihre schiere Masse bedrohlichen und vorwiegend aus der Distanz bekannten Bevölkerung der nahegelegenen Nachbargemeinden gebildet haben. Bergleute selbst kamen in der Streikberichterstattung der Pécsi Napló nicht persönlich zu Wort, wodurch auch eine soziale Distanz erzeugt werden konnte. Die dem Sozialismus abholden Bergarbeiter sollten, so scheint es in den Zeilen der Pécsi Figyelő, zu einer ungarischen Unterschicht innerhalb der Pécser Gesellschaft geformt werden.
151 Ebd. 152 Vgl. ebd.
9.5 Von den „elenden Tagelöhnern der Unterwelt“ zur ungarischen Unterschicht.
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9.5 Von den „elenden Tagelöhnern der Unterwelt“¹⁵³ zur ungarischen Unterschicht. Die Berichterstattung der Pécsi Napló über den Bergarbeiterstreik von 1893 Im obigen Abschnitt wurde die Streikberichterstattung der Pécsi Napló dargestellt und interpretiert. Die Pécsi Napló war bei Ausbruch des Bergarbeiterstreiks im Juni 1893 gerade ein halbes Jahr auf dem Pécser Zeitungsmarkt vertreten. Sie war zu diesem Zeitpunkt die erste und einzige Tageszeitung der Stadt. Die große Anzahl ihrer Artikel über den Streik erklärt sich mitunter durch das tägliche Erscheinen der Zeitung. Die Pécsi Napló war nicht nur die einzige Tageszeitung, sondern der eigenen Reklame nach auch die günstigste Zeitung in Pécs. Zur Auflagenhöhe, über die man auf die ungefähre Größe des Rezipientenkreises hätte folgern können, waren keine Informationen zu finden. Es liegen lediglich die Angaben zweier Mitarbeiter vor, die die Erstauflage auf 10.000 beziehungsweise auf 15.000 Exemplare bezifferten. Angesichts der Bevölkerungszahl von Pécs um 1890 von etwa 35.000 Einwohnern¹⁵⁴ könnte die Zeitung mit ihrer Auflagenhöhe einen großen Teil der Bevölkerung erreicht haben. Vor diesem Hintergrund kann auf eine erhebliche Leserschaft gefolgert werden. Eine weitere Besonderheit der Pécsi Napló war ihr eigens zur Berichterstattung in die bestreikten Bergbaureviere entsandter Reporter. Die große Anzahl der Beiträge, deren teils umfangreiche Texte, die wahrscheinlich große Leserschaft und die direkte Berichterstattung machte die Zeitung zu einer der interessantesten Quellen der Untersuchung. In den Beiträgen der Pécsi Napló, die vor, während und nach den Ereignissen des Sommers 1893 abgedruckt wurden, traten folgende Personen und Gruppen am stärksten in Erscheinung: die zeitgenössische Gesellschaft Ungarns allgemein, die Behörden als Institutionen und ihre Vertreter, die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und ihre Repräsentanten, diverse Ausländer und nicht zuletzt die Bergarbeiter selbst. Anders als in den anderen hier untersuchten Zeitungen der Stadt wurden in der Pécsi Napló einige hochgestellte Persönlichkeiten, die am Geschehen beteiligt waren, nur in geringem Umfang erwähnt. Demgegenüber hielt die Zeitung in ihren Formulierungen mit ihrer Meinung oft nicht hinterm Berg. Das Blatt zeigte sich in seinen Selbstrepräsentationen als ein der Ungarischen Liberalen Partei zugeneigtes, aber unabhängiges Organ. Die Pécsi Napló trat stark für die Magyarisierung und Nationalisierung Ungarns und vor allem Pécs‘ ein. Sie begrüßte alle Bestrebungen zur Verbreitung der ungarischen Sprache. Dieser Aspekt spielte bei ihrer Beurteilung der Situation zwischen der 153 Ebd. 154 Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 60.
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9 Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“
Bergarbeiterschaft, die großteils aus Einwanderern bestand, und anderen Protagonisten, die zum Teil ebenfalls keine Einheimische waren, eine große Rolle. Eingriffe von außen in die Angelegenheiten der Stadt betrachtete das Blatt zumeist ablehnend, egal ob es sich dabei um Eingriffe vonseiten ausländischer Gruppierungen wie sozialistischer Aktivisten oder seitens des Arbeitgebers der Bergleute mit Sitz in Wien und Budapest handelte oder um das in den Augen der Zeitung von Deutschen dominierte Militär. Demgegenüber betrachtete die Pécsi Napló den Bergwerksdirektor, der ebenjene Institution vertrat, dennoch als einen rechtschaffenen Bürger der Stadt, da dieser sich trotz seiner Deutschsprachigkeit für die Verbreitung der ungarischen Sprache unter den Bergarbeitern einsetzte. So simpel die Folgerung erscheinen mag, die Pécsi Napló stand allem, was von außerhalb von Ungarn stammte, skeptisch gegenüber und befürwortete das auf romantische Weise verklärte, imaginierte Eigene: das Magyarische. In der genaueren Betrachtung erzeugte diese Sichtweise der Pécsi Napló die für sie spezifische Ordnungsvorstellung der Pécser Gesellschaft mit ihrer Imagination von der Bergarbeiterschaft und ihrer Positionierung im sozialen Raum als einer braven ungarischen Unterschicht. Die Zeitung hatte im Jahre 1893 ihren Redaktionssitz im Herzen der Stadt, ihre Mitarbeiter gehörten, soweit dies in Erfahrung zu bringen war, dem gebildeten Bürgertum an. Dennoch betrachtete das Blatt die urbane Gesellschaft als ignorant, kränklich und zu schwach, um sich mit den Problemen der Bergleute zu befassen, geschweige denn, sich für eine Verbesserung von deren Lage einzusetzen. Die Pécser Gesellschaft lebte, wie die Pécsi Napló konstatierte, in gehöriger Distanz zu den Bergleuten „in den von der Stadt unweit gelegenen Bergarbeitergemeinden“.¹⁵⁵ Ganz anders zeigte die Pécsi Napló dagegen die beim Streik agierenden Repräsentanten der Behörden. Diese präsentierte sie als fürsorgliche und pflichtbewusste Obrigkeiten, die um die Bedürfnisse der Bergleute wussten und zu deren Wohl gegebenenfalls auch hart durchzugreifen in der Lage waren. Die Richter und die Offiziere standen in den Beschreibungen der Zeitung in direktem Kontakt mit den Bergleuten, welche diese als Untergebene behandelten. Diese Personen waren gleichzeitig Vertreter des ungarischen Staates, der sich wiederum, wie die Zeitung öfter kritisierte, kaum um die Belange der Bergarbeiter kümmerte. Der Staat erschien in der Pécsi Napló als eine von den Bergleuten und von Pécs weit entfernte, quasi naturgegebene Macht. Physisch und ideell noch weiter distanziert erschien in den Zeilen der Zeitung nur noch die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Nach Ansicht der Zeitung unterwarf das Unternehmen die ungarischen Bergleute vom fernen Wien aus mit ausbeuterischen Praktiken, veralteten deutschsprachigen
155 Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2.
9.5 Von den „elenden Tagelöhnern der Unterwelt“ zur ungarischen Unterschicht.
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Reglements und ignoranten ausländischen Angestellten. Die Pécsi Napló positionierte sich demgegenüber als Fürsprecher der ungarischen Bergarbeiter von Pécs. Als Lichtblick betrachtete die Zeitung Bergwerksdirektor Wiesner, den sie zwar ebenfalls als „ausländischen Deutschen“¹⁵⁶ identifizierte, gleichzeitig jedoch aufgrund seiner Begeisterung für die Magyarisierung positiv bewertete. Wiesner konnte somit nicht nur das Bindeglied zwischen der mächtigen DDSG und den Bergleuten fungieren, sondern ebenso als Brückenbauer zwischen dem Pécser Bürgertum und den Bergleuten. Die ausführlichen Darstellungen des krummhalsigen, rotbärtigen Sozialisten sowie eines als Arbeiter verkleideten sozialistischen Journalisten bildeten den Counterpart zum Pécser Bürgertum sowie zum Bergwerksdirektor. Während die Pécsi Napló letzteren als wohlwollenden Ungarisierer präsentierte, bezichtigte sie die Sozialisten, auf den Verderb der Arbeiter hinzuarbeiten. Anhänger dieser unerwünschten Ideologie waren in den Augen der Pécsi Napló vor allem die aus dem Ausland stammenden Arbeiter und eigens angereiste Agitatoren. Die fremden und sozialistisch beeinflussten Arbeiter stammten demnach aus Deutschland oder aus Mähren beziehungsweise Tschechien. Da es nach Ansicht der Pécsi Napló genügend ungarische Arbeiter gab, die die Arbeitsplätze dieser Fremden hätten einnehmen können, hätte man durch deren Ausweisung nicht nur diese, sondern auch den Sozialismus aus Pécs verbannen können. Der Sozialismus war in den Augen der Pécsi Napló die größte ideelle Bedrohung der Arbeiterschaft und der ganzen ungarischen Gesellschaft und die Arbeiter sollten vor ihm geschützt werden. Die den Ungarn fremde, nur in Westeuropa verankerte sozialistische Ideologie versuchte die Zeitung auszugrenzen, um so einen in ihre Imagination der Pécser Gesellschaft passenden ungarischen Bergarbeiter zu erhalten. Die Bergarbeiter erscheinen in den Artikeln der Pécsi Napló im Jahre 1893 einerseits als imaginierte Idealfigur des braven, harmlosen, melancholischen und anleitungsbedürftigen ungarischen Untergebenen, andererseits als schmutzige, ungebildete, lärmende Menge beziehungsweise, sofern sie sich in größeren Gruppen versammelten, als bedrohliche Naturgewalt. Die Pécsi Napló war in ihrer Berichterstattung über den Bergarbeiterstreik bemüht, die am Stadtrand lebenden und arbeitenden Bergleute in eine imaginierte städtische Gesellschaftsstruktur hereinzuholen, indem sie diese als brave ungarische Unterschicht präsentierte. Bergarbeiter selbst kamen aber in den Berichten der Pécsi Napló nicht zu Wort, sie blieben sowohl physisch als auch sozial eine gesichtslose Menge am Rande der Stadt und der Gesellschaft. Die Zeitung scheint jedoch eine Utopie von einer nationalen
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9 Die „elenden Tagelöhner der Unterwelt“
Harmonia Cælestis¹⁵⁷ vor Augen gehabt zu haben, in der auch die Bergleute ihren Platz erhielten. Diese Imagination der Pécsi Napló bezog sich zwar auf den gesamten nationalen Raum, sie kann jedoch aufgrund der lokalen Fokussierung der Zeitung und durch die lokalen ethnisch-gesellschaftlichen Spezifika als eine auf den Pécser Raum begrenzte Objektivation kultureller Produktionspraktiken des sozialen Raums betrachtet werden.¹⁵⁸
157 In Anlehnung an den gleichnamigen Roman Péter Esterházys, in dem die himmlische Ruhe, lediglich als eine Imagination verstanden werden kann. Péter Esterházy, Harmonia Cælestis, München 2017. 158 Vgl. Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt a. M. 1993, S. 16.
10 Resümee: Die Praxis der kulturellen Positionierung der Bergarbeiter im sozialen Raum in der Streikberichterstattung der Pécser Lokalpresse Die armen Arbeiter, die unter lebensgefährlichen Bedingungen mehrere Ellen in den Tiefen der Erde das abbauen, was die mittels Dampfkraft in Gang gehaltenen Teile der Geschäfts- und Verkehrswelt antreibt, bereichern mit ihrer Arbeit ihre Arbeitgeber, während sie vor der Außenwelt verborgen, aus ihrem Grab hervortretend, noch nicht einmal so viel Lohn erhalten, wie Feldarbeiter.¹
10.1 Die historische Medienethnographie der Pécser Streikberichterstattung von 1893 In den vorangegangenen Kapiteln meiner kulturwissenschaftlichen Presseschau untersuchte ich die Streikberichterstattung der Lokalpresse der multiethnischen Gesellschaft der südwestungarischen Stadt Pécs am Ende des 19. Jahrhunderts daraufhin, wie sie mit den größtenteils aus verschiedenen Regionen Europas eingewanderten Bergarbeitern, die einen bedeutenden Teil der Bevölkerung der Stadt und der nahen Umgebung bildeten, kulturell umging. Hierzu habe ich die Perspektiven und Positionen dreier ausgewählter Zeitungen zum Streik der Bergarbeiter und zu anderen darin involvierten Protagonisten näher betrachtet. Mithilfe textnaher Analyse und Interpretation der Zeitungsartikel habe ich kulturelle Repräsentationspraktiken herausgearbeitet, die die Zeitungen in ihrer Streikberichterstattung anwandten. Dabei habe ich nach Erklärungen für die Denkfiguren und Deutungsmustern gesucht, mit denen die Presse die Bergarbeiter präsentierte. Meine Herangehensweise war dabei kulturwissenschaftlich explorativ, qualitativ und interpretativ sowie ergebnisoffen. Die Nutzung von historischen Medien als Informationsquellen und deren Betrachtung als Kollektivakteure erwies sich hierbei als außerordentlich gewinnbringend. Es kann festgehalten werden, dass die historisch-ethnographische Untersuchung von Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medienerzeugnissen erkenntnisreiche Einblicke in die Alltagskultur der Gesellschaften Ostmitteleuropas, aber auch anderer historischer Gesellschaften eröffnen kann.
1 Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap, 1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 1 [Hervorhebung M. E.]. https://doi.org/10.1515/9783111247113-010
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10 Resümee
Auf den folgenden Seiten fasse ich die Ergebnisse meiner Forschung zusammen. Ich zeige resümierend die historischen, methodisch-theoretischen und die hermeneutischen Ergebnisse meiner Untersuchung, deren räumliche Implikationen zu meiner Schlussfolgerung führten. Mein Resümee spannt einen Bogen über die gesamte Arbeit, um schließlich im Fazit die kulturelle Herstellung sozialer Ordnungen durch räumliche Zuschreibungen zu erläutern.
10.2 Medien als Quellen der historisch-ethnographischen Forschung Von der Annahme ausgehend, dass die durch die Einwanderung entstandene sprachliche und ethnische Diversität in Pécs Diskurse ausgelöst haben müsste, die sich in kulturellen Objektivationen zeigen würden und eine weitere kulturwissenschaftliche Perspektive auf eine in der Hinsicht noch wenig beachtete Region Ostmitteleuropas eröffnen könnten, bot sich die Presseberichterstattung über den Bergarbeiterstreik im Jahre 1893 als eine ideale Objektivation solcher Prozesse an. Die historisch-ethnographische Untersuchung von Zeitungen vor allem in Ostmitteleuropa erwies sich bereits in der Vorbereitungsphase meiner Forschung als ein beachtliches Desiderat. Es zeigte sich, dass vor dem Hintergrund der vielfältigen weltweiten und lokalen Veränderungen des 19. Jahrhunderts die zeitgenössische Lokalpresse von Pécs in ihren Artikeln auf strukturelle Neuordnungsprozesse und auf die soziale Positionierung der in sich pluralen Bergarbeiterschaft innerhalb der Pécser Gesellschaft fokussierte. Für meine Untersuchung wählte ich die drei damals bedeutendsten Zeitungen der Pécser Presselandschaft. Weitere Lokalzeitungen sowie Blätter aus Budapest und dem europäischen Ausland zog ich hinzu, wenn dies angebracht und gewinnbringend erschien. Als zentraler Quellenfundus dienten rund 120 Zeitungsartikel der Fünfkirchner Zeitung, der Pécsi Napló und der Pécsi Figyelő. Diese Blätter lieferten die meisten und die umfangreichsten Berichte über die Arbeitsniederlegung der Bergarbeiter im Sommer 1893 und damit die größte Bandbreite an Wissen, Normen und Meinungen, die über die kulturellen Schemata der Zeitungen Auskunft geben konnten. Daneben lieferten zwei weitere Bergarbeiterstreiks in Pécs in den Jahren 1882 und 1905 sowie weitere Pécser Zeitungen (Pécs, Pécsi Közlöny, PécsBaranyai-Hírlap und Pécsi Hírlap) zusätzliche Informationen und Perspektiven, die die Interpretation des Hauptmaterials zu vertiefen halfen. Diese Zeitungen und Zeitungsartikel über Bergarbeiter, die im Lauf der Recherchen zusammenkamen, bildete die Quellenbasis für meine historisch-ethnographische Medienanalyse. Schon bei der Kodierung der Zeitungsbeiträge aus den dabei angefertigten Memos und bei der Kategorisierung sowie den damit einhergehenden Interpreta-
10.3 Nähe und Ferne in der Stadt Pécs um 1893
255
tionsansätzen stellte sich heraus, dass aus den Äußerungen über die Protagonisten des Streikgeschehens viel über die kulturellen Schemata der Zeitungen als Kollektivakteure zu erfahren ist. In meiner Untersuchung habe ich eine Zeitung jeweils als handelnden Akteur aufgefasst, der aus mehreren Personen bestand, und bezeichnete diesen als Kollektivakteur.² Alle Personen, die zumeist namentlich nicht genannt waren und in die Erstellung der Zeitungsartikel involviert waren, betrachtete ich als Mitglieder dieses Kollektivs mit mehr oder weniger gemeinsamen Einstellungen, als ein kulturell agierendes Subjekt, welches mir als Forscher Auskunft zu geben vermochte. Aus welcher Position – und zwar ideell und physisch – die jeweilige Zeitung über die handelnden Personen im Streikgeschehen berichtete, wie sie diese darstellte, wie sie deren Handlungen bewertete und welche Handlungsempfehlungen sie äußerte, gab Hinweise auf ihr Wissen, Meinen und Denken über die Bergarbeiter und ermöglichte es, am Ende meiner Forschung auf deren imaginierten Platz in der sozialen Ordnung der Stadt Pécs zu schließen. In Anlehnung an die Grounded Theory³ habe ich das Textmaterial vornehmlich textimmanent analysiert und gleichzeitig in einem abduktiven Prozess interpretiert und theoretisiert. Für die zeitliche und historische Verortung des Geschehens erstellte ich eine quellenbasierte Chronologie der Ereignisse sowie kurze Historiographien der untersuchten Zeitungen. Die herbei entstandene schlanke Chronologie⁴ beinhaltet die Darstellung der Streikereignisse anhand der Presseberichterstattung. Die Historiographien der Zeitungen schließen jene Lücken in der Erforschung der Pécser Lokalpresse, die für die historische Einbettung meiner kulturwissenschaftlichen Untersuchung erforderlich waren. Basierend auf diesen Interpretationen entwickelte ich Hypothesen, die ich am Quellenmaterial überprüft, (immer wieder) verworfen oder weiterentwickelt habe, bis ich schließlich zu einer Hypothese lokaler Tragweite gelangte. Diese habe ich durch sozial- und kulturwissenschaftliche Theorien flankiert.
10.3 Nähe und Ferne in der Stadt Pécs um 1893 Die multiethnische und polyphone Bergarbeiterschaft, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in mehreren Phasen nach Pécs einwanderte, traf dort auf eine ebenfalls kulturell diverse urbane Gesellschaft. Diese befand sich zu dieser Zeit in 2 Vgl. Adloff, Kollektives Handeln, in: Jaeger/Straub (Hg.), Handbuch der Kulturwissenschaften, S. 308 – 326. 3 Vgl. Glaser/Strauss, Grounded Theory, 2010. 4 In Anlehnung an die „dünne Beschreibung“ Clifford Geertz‘.Vgl. Geertz, Dichte Beschreibung, 1987, S. 11 f.
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10 Resümee
multiplen ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen der Industrialisierung, der Urbanisierung und der Entwicklung eines für die Stadt spezifischen Nationalbewusstseins.⁵ Inmitten dieser Vorgänge löste der Streik der Bergarbeiter eine verstärkte mediale Beschäftigung mit dieser gesellschaftlichen Gruppe aus. Die Lokalpresse zeigte sich überrascht von der Arbeitsniederlegung. Sie reagierte, wie auch schon auf den vorherigen Bergarbeiterstreik von 1882, erstaunt: „Auf dass wir die Zivilisation ja nicht verpassen, hat man nun auch innerhalb der Grenzen der Stadt Arbeiterunruhen abgehalten, die wir uns überhaupt nicht gewünscht haben.“⁶ Bei all den Modernisierungsbestrebungen und Hoffnungen, Pécs in eine florierende Stadt zu verwandeln, befanden sich die dafür notwendigen Arbeitskräfte, vor allem die Bergarbeiter, in der sozialen und auch in der physischen Lebenswelt der Stadtbevölkerung in der Peripherie. Eine organisierte Vertretung der Bergarbeiter, ob politisch oder journalistisch, gab es in Pécs im Jahre 1893 (noch) nicht. Die Wege in die Bergarbeitersiedlungen und in den Ortschaften waren umständlich und schlecht ausgebaut. Die Eisenbahn fungierte zwischen den Bergwerken und dem nahe Pécs gelegenen Umladebahnhof Üszög überwiegend als Transportmittel der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft.⁷ Die physische Distanz der Bergarbeitersiedlungen verstärkte sich noch zusätzlich durch die infrastrukturelle Rückständigkeit. Die Bergarbeiterschaft lebte und arbeitete topographisch zwar nahe, aber dennoch in großer Distanz zur Stadt und deren Bewohnern. Diese Diskrepanz zwischen dem zunehmend mondänen Stadtzentrum und den schlammbedeckten Straßen der Bergarbeiterdörfer begann die Lokalpresse mit Ausbruch der Arbeitsniederlegungen zu thematisieren und zu verhandeln.
10.4 Die feinen Unterschiede zwischen den Pécser Zeitungen Der Journalismus spielte im 19. Jahrhundert zunehmend eine zentrale Rolle bei Wissensakkumulierung, -transfer und Meinungsbildung sowie in den damit einhergehenden gesellschaftlichen Diskursen. Auch in Pécs wurden in dieser Zeit einige Zeitungen neu gegründet, nur wenige aber konnten sich dauerhaft etablieren.⁸
5 Vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 333 f. 6 Anon, Munkás-zavarok Pécsett, [Arbeiterunruhen in Pécs], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1. 7 Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 50 f. 8 Vgl. Brandt, Die Stadt auf den Seiten ihrer Zeitung, in: Dies. (Hg.): Eine Reise in das alte Fünfkirchen, S. 321 – 335, hier S. 323 f.
10.5 Den Streik im Raume lesen
257
Bei den hier behandelten Zeitungen gab es ebenfalls ein Kommen und Gehen sowie Fusionen. Unter den untersuchten Presseerzeugnissen befanden sich zwei etablierte Blätter, die Pécsi Figyelő und die deutschsprachige Fünfkirchner Zeitung, sowie ein Neuling, die Pécsi Napló, die erste Tageszeitung der Stadt. Die Zeitungen hatten teilweise gegensätzliche journalistische Ausrichtungen, die sich zwischen freiheitlich-regierungsfreundlich und bürgerlich oppositionell erstreckten. Ihre Perspektiven auf die Bergarbeiterschaft wichen jedoch nur graduell voneinander ab. Eine speziell an die Arbeiterschaft gerichtete sozialistische oder gar kommunistische Zeitung existierte in Pécs vor 1898 nicht. Die Redaktionsbüros der drei ausgewählten Lokalzeitungen befanden sich in den 1890er Jahren alle in engem Umkreis um das urban neugestaltete Zentrum der Stadt. Es kann angenommen werden, dass ihre Redakteure einander kannten, zumal die Zeitungausgaben in derselben Druckerei in der ebenfalls zentral gelegenen Boltív-Gasse gedruckt wurden. Dennoch zeigten sich interessante feine Unterschiede in den Meinungen der Blätter über die Gesellschaft, über soziale Verhältnisse sowie in ihren jeweiligen Vorstellungen, Haltungen und Bestrebungen. Diese Differenzen unter den Zeitungen wurden insbesondere beim Umgang mit den Bergarbeiterstreiks deutlich, bei denen sie sich mit diesem für sie offenbar neuartigen Phänomen der Moderne, mit der „Zivilisation“,⁹ wie sie es häufig nannten, befassten.
10.5 Den Streik im Raume lesen Zur historischen Rekonstruktion der Pécser Bergarbeiterstreiks wertete die Forschung bereits Zeitungen als informative Primärquelle aus. Dabei blieb es jedoch zumeist beim zeitlichen Nachvollzug historischer Vorgänge anhand der Angaben der Zeitungsartikel, so auch bei der Rekonstruktion der Streikereignisse des Sommers 1893. Als Kinder ihrer Zeit – die vorhandene Forschungsliteratur über den Streik trägt die Merkmale der Arbeiterforschung der sozialistischen Ära Ungarns¹⁰ – achteten die Autoren vor allem auf die in den Berichten erwähnten Ereignisse und fällten Werturteile über die Handlungen der darin geschilderten Protagonisten.¹¹ Ethnographisch-kulturwissenschaftlich betrachtet, tun sich in den Texten weitere interessante Facetten auf. In den Artikeln der Zeitungen war etwa ein 9 Anon, Munkás-zavarok Pécsett, [Arbeiterunruhen in Pécs], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1. 10 Vgl. Zoltán Kaposi: Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000, Pécs 2006, S. 9. 11 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310; vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 157– 163.
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10 Resümee
ständiges Kommen und Gehen der Protagonisten im Streikgebiet zu beobachten. Immer wieder wurden darin Auseinandersetzungen um die Hoheit über Räume und Plätze erwähnt. Die Herkunfts- und Aufenthaltsorte sowie die Bewegungen der Protagonisten im Raum spielten in den Darstellungen und Bewertungen der Zeitungen oft eine elementare Rolle.¹² Die Rührigkeit der Menschen zeigte sich auch im zeitlichen Ablauf der Ereignisse, den ich in einer chronologischen Beschreibung festgehalten habe.¹³ Die Protagonisten agierten in den Zeitungstexten in Zeit und Raum, wobei die zeitlichen Einordnungen in der Gesamtkommunikation der Zeitungen sogar vager ausfielen als die topographischen Angaben über die Ereignisse. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Informationen über den Streikverlauf aufgrund der Dauer des Informationstransfers, der darauffolgenden journalistischen Aufbereitung, der benötigten Zeit für den Druck und der Erscheinungsweisen der Zeitungen immer zeitlich verzögert bei den Lesern eintrafen. Ereignisse, die sich tatsächlich über mehrere aufeinanderfolgende Tage erstreckten, wurden öfters in einer einzigen Zeitungsausgabe geschildert, was die zeitliche Wahrnehmung der Leser verzerren konnte. Zeitangaben wie „gestern“ und „am Abend“ in den Zeitungsartikeln bezogen sich häufig auf den Entstehungstag des Berichtes, der mit dem Erscheinungstag der Zeitungsausgabe meist nicht übereinstimmte. Der Leser musste daher, um ein Ereignis zeitlich präziser einordnen zu können, das Entstehungsdatum des jeweiligen Artikels berücksichtigen. Die der üblichen sporadischen Berichterstattung entgegenstehende intensive und zeitlich nahe Beschäftigung der Zeitungen mit den Bergarbeitern während der Streiks machte die Leserschaft auf die Bergarbeiter aufmerksam. Die dichte Streikberichterstattung der Zeitungen können die Bergarbeiter in den Alltag der Pécser Gesellschaft ein stückweit kulturell integriert haben. Anders dürften die topographischen Angaben der Zeitungen auf die Leser gewirkt haben. Orte, Plätze, Wege und Distanzen, von denen die Zeitungen berichteten, sowie deren jeweilige physische Beschaffenheit waren den Zeitungsmachern und der ortskundigen Leserschaft gleichermaßen vertraut. Sie mussten mit gesellschaftlich geteilten Bedeutungen versehen gewesen sein. Im Folgenden stelle ich den Ablauf des Streiks anhand der Zeitungsberichterstattung in stark komprimierter Form und unter besonderer Berücksichtigung räumlicher Aspekte vor.
12 Was der Historiker Karl Schlögel für sein Fach bemerkte, „[d]er‚Raum‘ der Geschichtsschreibung steckt zwischen den Zeilen, in der Ausbildung des Blicks, in der Entfaltung der Register der Wahrnehmung und der Geschichtsschreibung“, das gilt auch für den Ethnographen. Es lohnt sich, den Raum und den Umgang der Menschen mit ihm in die Überlegungen einzubeziehen. Vgl. Karl Schlögel, ‚Spatial turn‘ als Steigerung von Aufmerksamkeit, in: Stephan Günzel (Hg.), Topologie. Zur Raumbeschreibung in den Kultur- und Medienwissenschaften, Bielefeld 2007, S. 33 – 52, hier S. 33. 13 Die ausführliche Chronologie des Streikverlaufs ist im Anhang der Arbeit zu finden.
10.5 Den Streik im Raume lesen
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Am Morgen des 6. Juni 1893 stellte der Bergmeister der Ortschaft Szabolcs überrascht fest, so die Pécsi Napló, dass die Eingänge der Bergwerke von Bergarbeitern besetzt waren. Damit begann der im Geheimen vorbereitete Streik.¹⁴ Ab diesem Tag nahm die Presse die Bergarbeitersiedlungen ganz genau in den Blick. Die Artikel berichteten beinahe wie bei einer ‚Liveübertragung‘ von den Ereignissen. In den Zeitungstexten begann ein lebhaftes virtuelles Kommen und Gehen zwischen der Stadt und den Bergarbeitersiedlungen. Die zuständigen Beamten, die die Lage eruierten und mit den Streikenden sprachen beziehungsweise ihnen Anweisungen geben wollten, kamen und gingen ebenfalls. Die Bergarbeiter ihrerseits brachen auf, um auch die Arbeiter der übrigen Bergwerke zur Arbeitsniederlegung zu überreden, und zogen hierzu in Gruppen von Ortschaft zu Ortschaft und von Schacht zu Schacht. Manche von ihnen trieben sich aber auch ziellos auf den Straßen herum oder trafen sich in Kneipen; darüber hinaus fanden große Versammlungen der Bergarbeiter statt. Über den Mittwoch, den 7. Juni berichtete die Presse, dass die politisch Verantwortlichen vor dem Hintergrund der Ansammlung von über 2.000 Bergarbeitern in Szabolcs, die sich anschickten, in Richtung Pécsbányatelep aufzubrechen, Gendarmen und Militär angefordert hätten, welches aus seinen Kasernen in der Stadt nach Pécsbányatelep ausrückte. Aus Budapest angereiste sozialistische Agitatoren, behaupteten manche Zeitungen, hielten flammende Reden an die Bergarbeiter und versprachen ihnen unter anderem Streikgeld aus Deutschland. In Berlin wurde laut der dortigen sozialistischen Zeitung tatsächlich für die Fünfkirchner Bergleute gesammelt.¹⁵ Die Fünfkirchner Zeitung ließ nicht unerwähnt, dass sogar der bettlägerige Bergwerksdirektor sein Krankenlager verließ, um im Streikgebiet nach dem Rechten zu sehen.¹⁶ Vom Freitag, den 9. Juni schrieb der Reporter der Zeitung Pécsi Közlöny über die leergefegten Straßen von Pécsbányatelep und die ängstlichen Blicke der dort zurückgebliebenen Frauen und Kinder.¹⁷ An anderer Stelle wurde von Frauen berichtet, die ihre Männer aus dem Haus jagten, damit diese sich dem Streik anschlossen; im Späteren waren es laut den Berichten erneut Frauen, die den Streikenden in Szabolcs Lebensmittel brachten. Zur gleichen Zeit wurden im öffentlichen Raum große Plakate mit einem Aufruf des Berghauptmanns zur Beendigung des Streiks angeschlagen, und parallel kehrte eine Deputation der Bergar-
14 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 15 Anon, Fünfkirchen, 7. Juni. Vorwärts, 1893, Jhg. 10, Nr. 132, Donnerstag, 8. Juni, S. 8. 16 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 17 Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4.
260
10 Resümee
beiter mit dem Zug unverrichteter Dinge von ihrer Mission aus Budapest nach Pécs zurück.¹⁸ Mit Bedauern schilderte die Fünfkirchner Zeitung am 10. Juni, unter welchen schlechten Straßenbedingungen der Oberstuhlrichter nach Szabolcs fahren musste, um sich über die dortige Lage zu informieren. Die Landstraße, die zur Ortschaft führe, sei durch den anhaltenden Regen der vergangenen Tage kaum befahrbar gewesen, und auch im Dorf selbst bestehe die Straße nur aus Schlamm.¹⁹ Gleichzeitig, so die Presse, riegelte das Militär die Bergarbeitersiedlungen ab, um die Streikenden am Umherziehen zu hindern. Die Infanterie quartierte sich in Pécsbányatelep im Schulgebäude und in Szabolcs in einem Gasthaus ein. Die Bergarbeiter wiederum verfolgten die Strategie, mutmaßte eine der Zeitungen, sich in Szabolcs als Gäste der dortigen Bewohner einzuquartieren, um nicht als Herumtreiber von der Gendarmerie verhaftet zu werden.²⁰ Über den „blutigen Montag“, den 12. Juni berichteten die Zeitungen in ihren „Strike Bouilletins“²¹ teilweise sogar im Stundentakt.²² Mittags ließen die Behörden die sich in Szabolcs aufhaltenden Streikenden durch Militär und Gendarmerie gewaltsam vertreiben. Den Einsatz schilderten die Blätter nicht nur zeitlich eng getaktet und bezogen dabei das unwirtliche Wetter atmosphärisch mit ein, detailreich beschrieben sie auch die Ereignisse im Ortskern von Szabolcs, wo Husaren und Bergarbeiter aufeinandertrafen. Viele der Streikenden flüchteten dabei in den nahegelegenen Wald des Mecsek-Gebirges, manche verabredeten sich auf der Flucht noch in einer Gaststätte außerhalb der Ortschaft, einige wurden als vermeintliche Anstifter des Streiks festgenommen und nachts in Eisenbahnwagons nach Pécs transportiert. Mehrere Bergleute mussten mit teils schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. In den Tagen nach der Räumung von Szabolcs und nach der Überstellung der Verhafteten nach Pécs versteckten sich viele der Bergleute aus Furcht vor den Behörden außerhalb des Stadtbezirks im Wald. Die Behörden durchsuchten derweil die Häuser der Bergarbeiter und beobachteten mit Argusaugen deren Bewegungen auf den Straßen – all dies unter den Blicken der lokalen Zeitungen.
18 Vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 19 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. 20 Vgl. ebd. 21 Anon, Strike Bouilletins, [sic!] Der blutige Montag. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 22 Die einzelnen Berichte erschienen nacheinander in einer Ausgabe der Zeitung.
10.6 Von den Protagonisten des Streiks zur Raum(re)konstruktion
261
Laut der Berichterstattung kehrten die Bergleute in den darauffolgenden Tagen in ihre Dörfer und allmählich auch an ihre Arbeit in den Bergwerken zurück. Von dieser Rückkehr zur (scheinbaren) Normalität berichteten die Zeitungen nur noch in knapper Form und mit einer gewissen Erleichterung. Ab dem 14. Juni konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Presse auf die Gerichtsverhandlung im Pécser Komitatshaus sowie auf die Begegnungen einer Bergarbeiterdelegation mit Handelsminister Lukács und Innenminister Hieronymi in Budapest. Militär und Gendarmerie kehrten als eine Art symbolischer Abschluss der Episode wieder in ihre Kasernen nach Pécs zurück. Am Mittwoch, den 28. Juni, erklärte die Pécsi Figyelő den Streik für beendet,²³ prophezeite aber später, dass das „unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien“²⁴ unausweichlich über kurz oder lang wieder auf die Barrikaden gehen werde. An diesem kurzen und selektiven Abriss des Streiks anhand der Presseberichterstattung, dem Eingangszitat dieses Kapitels und der im zweiten Kapitel beschriebenen Illustration wird bereits deutlich: Die Beschreibungen enthalten zahlreiche Darstellungen des physischen Raums, mit deren Hilfe die Ereignisse für den Leser verständlich, lesenswert und verortbar wurden. Wie Karl Schlögel in seinem Werk „Im Raume lesen wir die Zeit“²⁵ postuliert, ist der Raum für das Verstehen von Handlungen, Relationen und für das Nachempfinden ebenso elementar wie deren zeitliche Abfolge.²⁶ Die Benennung und Beschreibung von Räumen, Orten und Plätzen erfolgt jedoch meiner Ansicht nach nicht nur zur Orientierung der Leserschaft im Geschehen, sondern sie besitzt weitere Bedeutungsebenen, die auf kulturelle Normen, Werte, Denkweisen und Praktiken hinweisen.
10.6 Von den Protagonisten des Streiks zur Raum(re) konstruktion Auch die Menschen in Pécs lasen ihre Zeit im Raume.²⁷ Sie nahmen ihre Alltagswelt mit all ihren Ideen, Dingen und Menschen wahr; sie positionierten diese mittels
23 Vgl. Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 24 Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 25 Karl Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, Frankfurt a. M. 2011. 26 Vgl. ebd. 27 Vgl. ebd.
262
10 Resümee
ihrer kulturellen Fertigkeiten sowohl im physischen als auch im sozialen Raum. Für die Herstellung des sozialen Raums als Ort imaginierter gesellschaftlicher Ordnung nutzten sie primär sprachliche Narrative.²⁸ In den Narrativen der zeitgenössischen Zeitungen zeigen sich dementsprechend auch kulturelle Schemata solcher gesellschaftlicher Ordnungspraktiken. Wie die Journalisten in ihren Zeitungsberichten räumliche Gegebenheiten darstellten, kann kaum zufällig oder willkürlich gewesen sein, sondern muss von ihrem Habitus abhängig gewesen sein, den ihnen zur Verfügung stehenden Kapitalformen sowie dem Feld des Geschehens, welches ihre Perspektiven, ihre Wahrnehmungen und ihre Handlungsoptionen orientierte.²⁹ Die Positionierungen der Streikprotagonisten im sozialen und physischen Raum in den Narrativen der Artikel spiegeln die kulturellen Bedeutungszuschreibungsmuster der Zeitungen wider. Diese versahen in ihren Darstellungen die Protagonisten mit Zuschreibungen, positionierten und bewegten diese in ihren Texten zeitlich und räumlich. Um den dabei hergestellten gesellschaftlichen Ordnungen auf die Spur zu kommen, muss ein Forscher, mit Latour gesprochen, den Protagonisten des Streiks in den Zeilen der Zeitungsartikel folgen³⁰ – wenn es sein muss, sogar „mehrere Ellen“³¹ in die Tiefen der Erde. Selten werden die Bergarbeiter in der Pécser Lokalpresse so plakativ verortet wie im eingangs zitierten Abschnitt aus der Pécs-Baranyai-Hírlap. Bei genauer Betrachtung scheinen in den Beiträgen aber häufig räumliche Formulierungen wie oben und unten, nah und fern sowie bestimmte Zuschreibungen die physische und soziale Distanzen und Distanzierungen implizieren.³² Die in allen untersuchten Pécser Zeitungen festgestellten Distanzen, darunter die der Journalisten zu den Bergarbeitern und zu den anderen Protagonisten sowie die konkreten und normativ erscheinenden Entfernungen, Wege, Orte und Hindernisse wie auch deren lokale Bedeutungen weisen auf eine für die Pécser Lokalpresse spezifische Imagination der Position der Bergleute innerhalb ihrer Gesellschaft hin. Die Kommunikation durch Texte schafft demnach auch imaginäre Räume mit Bedeutungen, und Räume ermöglichen gleichzeitig die kulturelle Strukturierung von Bedeutungen. Diese Beobachtungen brachten mich dazu, in die Tiefe zu gehen, ein stärkeres
28 Vgl. Peter L. Berger/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 2010 [1969], S. 24 f. 29 Vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede, 1987. 30 Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2010, S. 27 f. 31 Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap, 1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 1. 32 Auch Bourdieu verweist auf die räumliche Topologie gesellschaftlicher Ordnungen, in denen die einen gesellschaftlich oben, die anderen unten und wieder andere in der Mitte positioniert werden. Vgl. Pierre Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg [1992] 2015, S. 15.
10.6 Von den Protagonisten des Streiks zur Raum(re)konstruktion
263
Augenmerk auf raumbezogene Formulierungen in der Streikberichterstattung zu richten, diese zu interpretieren und nach Erklärungen zu suchen. Bei der Bewertung der beobachteten Phänomene überzeugten mich die raumtheoretischen Überlegungen des französischen Soziologien Pierre Bourdieu. Dieser fasst den Raum nicht als eine a priori gegebene Konstante, sondern, wie auch Michel Foucault und Henri Lefebvre, als eine diskursiv hergestellte soziale Konstruktion auf.³³ Er differenziert dabei jedoch zwischen dem physikalischen und dem sozialen Raum.³⁴ Für Bourdieu ist nicht nur die Umgebung, die die Menschen um sich herum kennen, gesellschaftlich hergestellt und mit Bedeutungen aufgeladen, sondern sie stellen sich auch die soziale Ordnung ihrer Gesellschaft, den sozialen Raum, als ein multidimensionales ‚Koordinatensystem‘ räumlich vor. Die Sprache, mittels derer beide Sphären hergestellt werden, sei voller Metaphern aus dem Bereich der physikalischen Raumvorstellung:³⁵ „[Der] soziale Raum [ist] gleichsam prädestiniert […], in Form von Raumschemata visualisiert zu werden, und die üblicherweise dazu benutzte Sprache [ist] gespickt […] mit Metaphern aus dem Geltungsbereich des physischen Raums.“³⁶ Das Wissen, die Normen und die Handlungsoptionen im Zusammenhang mit physischen und sozialen Räumen sind dabei abhängig vom jeweiligen Habitus und den zur Verfügung stehenden Kapitalformen der Akteure.³⁷ Die im Kapitel eingangs angeführten Zitat konstatierte Armut der Bergarbeiter und die Erwähnung ihrer verborgenen unterirdischen Tätigkeit haben also in der Vorstellung der Zeitung etwas miteinander zu tun. Davon ausgehend, dass Zeitungen nicht ‚faselten‘,³⁸ können ihre Artikel meiner Ansicht nach so gedeutet werden, dass die verwendeten Formulierungen bestimmte kulturelle Bedeutungen und Funktionen innehaben. Der soziale Raum ist dabei, wie die Soziologin Martina Löw konstatiert, vom phy-
33 Vgl. u. a. Michel Foucault, Andere Räume, in: Martin Wentz (Hg.), Stadt-Räume, Frankfurt a. M. 1991, S. 65 – 72; vgl. Henri Lefebvre, Die Produktion des Raums [1974], in: Jörg Dünne/Hermann Doetsch (Hg.), Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2007, S. 330 – 342. 34 Die beiden Sphären sind meines Erachtens kaum voneinander zu separieren, da sie sich permanent gegenseitig bedingen und konstituieren. Daher ist die Trennung der beiden Sphären lediglich als theoretisch hilfreiche Abstraktion zu sehen, um trotz Komplexität den kulturellen Umgang mit dem Raum analysieren zu können. 35 Vgl. Bourdieu, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Wentz (Hg.), StadtRäume, 1991, S. 25 – 34, hier S. 28. 36 Ebd. 37 Vgl. ebd; vgl. Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183 – 198, hier S. 183. 38 Ich gehe davon aus, dass die Blätter nur das für sie Mitteilungswürdige im begrenzten Raum der Zeitungsspalten äußerten.
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10 Resümee
sischen Raum weder theoretisch gänzlich zu abstrahieren noch praktisch komplett unabhängig.³⁹ Bourdieu postuliert, dass man dem gesellschaftlichen Aufsteiger seine „Kletterei“⁴⁰ ansehe. Demzufolge sieht man ebenso dem Absteiger und dem Verharrenden ihre jeweilige Situation an. Die Metapher von den „aus ihrem Grab hervortretend[en]“⁴¹ Bergarbeitern beinhaltet auch eine Facette der Vorstellung der Pécs-Baranyai-Hírlap vom Bergarbeiter im sozialen Raum. Nach Ansicht der Zeitung hielten sich die Bergarbeiter also nicht nur an ihrem Arbeitsplatz „mehrere Ellen“⁴² tief unter der Erdoberfläche auf, sondern befanden sich auch auf der imaginären sozialen Leiter der Pécser Gesellschaft ganz unten. Sie arbeiteten unter Tage, wohnten in der Peripherie und fielen daher im Alltag der Stadt aufgrund ihrer räumlichen und sozialen Marginalisierung kaum auf.
10.7 Die kulturelle Herstellung von Raum: Die Konstruktion des sozialen Raumes mittels physischer Distanzen und Distanzierungen Die räumlichen Darstellungen in den Zeitungsartikeln sind textgewordene Praktiken, die auf kulturelle Schemata ihrer Autoren hindeuten. Die Beschreibung der Straße von der Stadt zur Bergarbeitersiedlung beispielsweise, die so schlecht sei, dass „man bis zu den Knien im Kothe waten“⁴³ müsse, und das Mitleid für den Oberstuhlrichter, der dieselbe täglich befahren müsse, um in der Bergarbeitersiedlung nach dem Rechten zu sehen, erzeugte eine symbolische Distanz zwischen den Bergarbeitern und dem Oberstuhlrichter. Die schlammige Landstraße distinguierte symbolisch zwischen gesellschaftlich oben und unten sowie zwischen dem ‚zivilisierten Bürgertum‘ und den ‚primitiven Bergleuten‘. Die Reihe ähnlicher Gegensätze ließe sich fortsetzen, doch es geht hier um die Herstellungsweisen solcher gesellschaftlicher Distanzierungen, Differenzierungen und Grenzziehungen. Die kulturell hergestellte Distanz zu den Bergarbeitern ließ sich auch in solchen Texten wiederfinden, die die Marginalisierung der Bergleute kritischer betrachteten. So wurde in einem Artikel der Pécsi Napló auf die räumliche Nähe der Bergarbeitersiedlungen zur Stadt Pécs hingewiesen und vor der Gefahr des sich dort ausbrei-
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Vgl. Löw, Raumsoziologie, 2019, S. 15. Pierre Bourdieu, Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1991, S. 13. Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap, 1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 1. Ebd. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4.
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tenden Sozialismus gewarnt.⁴⁴ Hierbei stellt der Artikel die vermeintlich sichere Distanz zu den Bergarbeitersiedlungen in Frage und weist auf die Gefahr der Verbreitung der gefürchteten Ideologie für die Stadt hin. Auch das ziellose Herumlaufen einzelner Streikender durch die Straßen von Pécs wurde von der Presse skeptisch thematisiert.⁴⁵ Es kann postuliert werden, dass die räumlichen Repräsentationen der Protagonisten in den Zeitungsartikeln die imaginierten sozialräumlichen Ordnungen der Zeitungen wiedergaben und gleichzeitig produzierten.
10.8 Die drei räumlichen Ebenen des Quellenmaterials: Materielle Umwelt, Perspektive der Berichterstattung, Symbole des Räumlichen Bei der detaillierten Untersuchung der Zeitungsartikel wurden Diskurse deutlich, die für die Pécser Medien offenbar besonders bedeutsam waren. Die Texte lenkten meine Aufmerksamkeit zunehmend auf das Ordnen von Räumen und auf räumliche Ordnungen, die in dem erhobenen Material allenthalben in Erscheinung traten. Diese räumlichen Phänomene im Quellenmaterial konnte ich schließlich drei Ebenen zuordnen: (1.) der gemeinsamen materiellen Umwelt der Zeitungen und der Protagonisten, (2.) die Perspektive der Zeitungen zum Geschehen und zu den Protagonisten sowie (3.) den Äußerungen in den Zeitungsartikeln zu Räumen und Distanzen.⁴⁶
44 Vgl. Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. 45 Vgl. Anon, Strike Bouilletins, [sic!] Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 46 Diese drei Ebenen kommen auf den ersten Blick den drei Ebenen des sozialen Raumes, wie sie von Henri Lefebvre vorgeschlagen wurden (räumliche Praxis – l’espace perçu, Repräsentation des Raumes – l’espace conçu, erlebter Raum – l’espace vécu), sehr nahe. Genauer betrachtet erscheinen mir seine Überlegungen allerdings abstrakter und theoretischer, während die von mir ausgearbeiteten Ebenen technischer oder zumindest (alltags‐)praktischer der angewendeten Grounded Theory angemessener erscheinen. Lefebvre konstatiert, dass der Mensch die physische Umwelt, die er selbst sozial hergestellt hat, auf diesen drei Ebenen wahrnimmt. In der vorliegenden Analyse sind die drei Ebenen vor allem empirischen Ursprungs. Vgl. Lefebvre, Die Produktion des Raums, in: Dünne/Günzel (Hg.), Raumtheorie, 2007 [1974], S. 330 – 342.
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10.8.1 Materielle Umwelt Die erste dieser räumlichen Ebenen des Quellenmaterials bildet die materielle Umwelt, in der sich die Akteure und Protagonisten des Streiks physisch aufhielten und bewegten. Zur gedanklichen Kartierung der Aufenthaltsorte der Zeitungsmacher, der Bergleute und anderer Protagonisten im Pécser Raum konnte ich auf eine Vielzahl von Quellenarten zurückgreifen: (a) Die Zeitungen machten hierzu Angaben im Impressum und in ihren Selbstdarstellungen, (b) in Untertiteln von Zeitungsartikeln und in diesen selbst. (c) Informationen zur physischen Lage von Gebäuden, Straßen und Plätzen konnte ich den Artikeln entnehmen, ebenso der vorhandenen (d) Sekundärliteratur, (e) zeitgenössischen Abhandlungen, (f ) Berichten, (g) Stadtplänen und (h) (militärischen) Landkarten.⁴⁷ Mithilfe dieser Informationen ließen sich die physischen Entfernungen zwischen den Aufenthaltsorten aller Akteure und Ereignisse, die Erreichbarkeit von anderen Orten und der Zugang zu den Medien für die Bergleute ausgezeichnet abschätzen. Außerdem konnte ich im Laufe meiner Recherchen die Stadt und das ehemalige Bergbaurevier auch persönlich erkunden, um einen Eindruck von der Lage der Orte und Schauplätze der historischen Ereignisse zu gewinnen.⁴⁸ Die persönliche Besichtigung der geographischen Gegebenheiten der Stadt, der ehemaligen Bergarbeiterdörfer und der sie verbindenden (heutigen) Infrastruktur vermittelte einen guten Eindruck von der Umwelt der Region⁴⁹ sowie vom physischen Hintergrund meines Forschungsfeldes.⁵⁰ Mithilfe dieser Erfahrungen konnte ich die faktisch existierenden und die in den Zeitungsberichten genannten Distanzen im wahrsten Sinne des
47 Zur Visualisierung der Topologie der Region ist ein Ausschnitt aus einer zeitgenössischen Militärkarte im Anhang zu finden. Vgl. Karte der Bergbauregion von Pécs. Ausschnitt aus: Militärgeographisches Institut Wien (Hg.), Topographische Generalkarte Mitteleuropa (1: 200.000) Teil: 3646, Wien, 1892. 48 Vgl. Die Bergarbeitersiedlungen vom Fahrrad aus: Pécs (Fünfkirchen), Pécsbánya, Szabolcs, Somogy (Schomodei), Vasas, Meszes, Pécs. (Eigene Aufnahme, M. E.). 49 Diese räumliche Ebene korrespondiert am ehesten mit der Ebene der Raumproduktion in Lefebvres Theorie, die er die räumliche Praxis nennt. Sie beinhaltet das Erleben und Erfahren der materiellen Umwelt, also von Straßen, Gebäuden, Entfernungen, Höhen und Begrenzungen. Vgl. Lefebvre, Die Produktion des Raums, in: Dünne/Günzel (Hg.), Raumtheorie, 2007 [1974], S. 330 – 342, hier S. 333. 50 Die Stadt habe ich zu Fuß erkundet, die Bergarbeitersiedlungen und ihre Umgebung kundschaftete ich mit einem Zweirad aus. Dadurch konnte ich Strecken schneller zurücklegen als zu Fuß, Orte, Wege und Pfade besser erfahren, als es mit einem Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich gewesen wäre. Vom Fahrradsattel aus ist die Wahrnehmung von Streckenverläufen, Distanzen, Höhenunterschieden und anderen Einzelheiten der Umgebung einprägsam.Vgl. Girtler,Vom Fahrrad aus, 2011.
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Wortes erfahren, nachempfinden und miteinander in Relation setzen. Sowohl die Zeitungen als auch die Protagonisten des Streiks mussten mit denselben in der Region Pécs vorhandenen materiellen Begebenheiten physisch, aber auch kulturell umgehen. Der materielle Raum ihrer Umgebung wirkte sich auf die Alltagswirklichkeit der Menschen, auf ihr Denken, Fühlen, Wissen und Handeln aus. Alle Pécser Zeitungsredaktionen hatten ihre Büros seit den 1880er Jahren vom Stadtrand in die Nähe des Zentrums verlegt. Hier befanden sich ebenfalls die im Streikgeschehen relevanten Gebäude der Komitatsverwaltung, der Direktion der DDSG und das Rathaus. Das Militär hatte seine Kasernen und Übungsplätze in den im Süden und Westen liegenden Vorstädten von Pécs, in der Siklóser und in der Szigeter Vorstadt. Die Polizeistation lag in der Kaszárnya-Straße 2 im westlichen Teil von Pécs, ebenfalls in der Szigeter Vorstadt. Den Beschäftigten dieser Institutionen standen daher kurze und gut ausgebaute Wege in die Pécser Innenstadt und zu deren Konsum- und Kultureinrichtungen zur Verfügung.⁵¹ Es liegt daher nahe, dass die Bürger von Pécs die Anwesenheit von Militärangehörigen, Gendarmen und Polizisten gewohnt waren, denn diese waren Teil des öffentlichen Lebens und des öffentlichen Raums in der Pécser Innenstadt. Über die vom Stadtzentrum aus in Richtung Osten führende, schnurgerade Király-Straße erreicht man schnell die Budaer Vorstadt. Von hier aus führt ein fünf Kilometer langer Weg hinaus nach Pécsbányatelep. Die zentrale Ortschaft des Streiks, Szabolcs, liegt von dort nur noch anderthalb Kilometer entfernt in nordöstlicher Richtung am Fuße des Mecsek-Gebirges. Die heutige Landstraße zu diesen beiden Ortschaften ist bereits auf der Militärkarte vom Ende der 1880er Jahre eingezeichnet.⁵² Szabolcs liegt bereits außerhalb der Stadtgrenze von Pécs auf dem Gebiet des Komitats Baranya. Die anderen beiden Bergarbeitersiedlungen Somogy und Vasas befinden sich von hier aus noch vier beziehungsweise fünf Kilometer weiter nordöstlich. Während Pécsbányatelep und Szabolcs über einen direkten Weg von Pécs aus erreichbar sind, verläuft die Hauptverbindung nach Somogy und Vasas etwas weiter südlich in der Ebene am Fuße des Gebirges in Richtung Pécsvárad.Von dieser Landstraße zweigen zwei Zufahrtsstraßen nordwärts zu den beiden Ortschaften ab. Die Eisenbahn der DDSG, die zur Zeit der Streiks vom Unternehmen vor allem zum Transport von Material und ihrer höheren Angestellten eingesetzt wurde, verlief damals großteils parallel neben diesen Zufahrtsstraßen zu den Bergwerken.⁵³ 51 Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895. 52 Vgl. Bergbauregion Pécs, Ausschnitt aus: Militärgeographisches Institut Wien (Hg.), Topographische Generalkarte Mitteleuropa, Teil: 3646, 1892. 53 Vgl. Lageplan der Kohlenreviere von Pécs um 1905, in: Szekeres, Kenyérért és szabadságért, 1955, S. 8.
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Abb. 9: Lageplan der Kohlenreviere von Pécs um 1905, in: Szekeres, Kenyérért és szabadságért, 1955, S. 8.
Zwischen allen vier Ortschaften verlaufen zahlreiche Feld- und Waldwege, die heute als Wanderwege genutzt werden. Somit liegen Pécsbányatelep und Szabolcs nicht nur geographisch, sondern auch infrastrukturell in mittlerer Entfernung von Pécs. Die anderen beiden Bergarbeiterdörfer liegen weiter nordöstlich, sie waren – und sind – infrastrukturell schwerer erreichbar.⁵⁴ Ein Bergarbeiter aus der entferntesten Ortschaft Vasas musste beispielsweise einen zwölf Kilometer langen Fußweg auf sich nehmen, um bei Kaufmann Manó Böhm in Pécs eine Zeitung zu kaufen oder sich ein Bier in der Scholz’schen Bierhalle⁵⁵ zu gönnen.⁵⁶ Letzteres wie
54 Vgl. Bergbauregion Pécs, Ausschnitt aus: Militärgeographisches Institut Wien (Hg.), Topographische Generalkarte Mitteleuropa, Teil: 3646, 1892. 55 Die Bierhalle befand sich in der Budaer Vorstadt in der Sörház-Straße 8. Sie war die Gaststätte der Brauerei von Antal Scholz. Vgl. Frontansicht der Scholz’schen Bierhalle in der Sörház-Straße 8 (heute Dr. Majorossy Imre u. 8) in Pécs. Lithographie 1887. In: Trebbin, Azok a régi szép idők, in: Hetedhéthatár, 9, Pécs, 2011.
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auch der Besuch in der St. Augustinus-Kirche unweit der Bierhalle waren üblich, beispielsweise um am Gottesdienst zu Ehren der heiligen Barbara teilzunehmen.⁵⁷ Die physischen Distanzen, die die Bergarbeiter überwinden mussten, um in die Stadt zu gelangen, erscheinen mir zu groß, um täglich zurückgelegt zu werden; allerdings sind sie aber nicht zu groß, als dass sie nicht wenigstens hin und wieder bewältigt worden sein dürften.⁵⁸ Die meisten Einrichtungen, die in den untersuchten Zeitungsberichten erwähnt wurden, liegen auf dem zeitgenössischen Stadtplan von Pécs am östlichen Stadtrand.⁵⁹ Somit verwundert es nicht, dass im Vergleich zu den anderen Protagonisten Bergarbeiter im Pécser Stadtzentrum weniger häufig zu sehen waren, da sie kaum Gründe hatten, regelmäßig dort hinzugehen. Die Distanz zwischen ihren Wohnorten und dem Stadtzentrum scheint mit ihrer Positionierung im medial präsentierten sozialen Raum zu korrelieren. Die Ansiedlung der Bergleute in direkter Nachbarschaft zu den Bergwerken beruhte gewiss auf praktischen Überlegungen; dies produzierte und spiegelte jedoch gleichzeitig implizit deren soziale Marginalisierung.⁶⁰ Meines Erachtens trug die geographisch marginale Positionierung der Bergarbeiter mit dazu bei, dass sie von der Pécser Gesellschaft als fremd, randständig und sozial untergeordnet wahrgenommen werden konnten. Nicht zu vernachlässigen sind die physischen Dimensionen der Zeitungsbeiträge über Bergarbeiter und deren Platzierung innerhalb der Ausgaben. Auch sie weisen auf die Bedeutung der Bergleute im Wertesystem der Zeitungen hin. Die Erfassung der Abmessungen der Zeitungen und ihrer äußeren Merkmale floss in die geschichtliche Darstellung der Zeitungen ein. Den Umfang der einzelnen Artikel habe ich bereits bei ihrer analysegerechten Aufbereitung erfasst. Artikel größeren Umfangs wie etwa Leitartikel zogen meine Aufmerksamkeit schon aufgrund ihres raumgreifenden Äußeren, ihrer größeren Ausführlichkeit und Informationsfülle sowie ihrer oft hervorstechenden Überschriften auf sich. Diese Merkmale und auch die Platzierung der Artikel auf bestimmten Seiten einer Zeitungsausgabe verweisen
56 Da die Bergarbeiter die allermeisten Strecken ihres Alltages zu Fuß bewältigten, „galt es nicht als besondere Leistung“ (Szirtes, Emlékek a pécsi bányatelepek hétköznapjaiból, in, Pécsi Szemle (1999), Tavasz, S. 57– 68, hier S. 61), diese Distanz zurückzulegen. Die Mühe und die aufzuwendende Zeit muss in der Erwägung, in die Stadt zu gehen, dennoch eine Rolle gespielt haben. 57 Boros, Az Ágoston-rendiek pécsi temploma, in, Pécsi Szemle 11, S. 20 – 43, hier S 31. 58 Diesen Eindruck bestätigt auch der Bergbauingenieur und Träger des Pécser Tüke-Preises Béla Szirtes in seinen Erinnerungen an das Leben in den Bergarbeitersiedlungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.Vgl. Szirtes, Emlékek a pécsi bányatelepek hétköznapjaiból, in, Pécsi Szemle (1999), Tavasz, S. 57– 68, hier S. 61. 59 Vgl. Hochrein, Pécs 1895, 1895. 60 Vgl. Bourdieu, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Wentz (Hg.), StadtRäume, 1991, S. 25 – 34, hier S. 26.
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meiner Ansicht nach auf die Bedeutungszuschreibungen der Zeitungen an die darin enthaltenen Informationen. In der Pécsi Figyelő befinden sich beispielsweise die allermeisten Streikberichte auf der dritten Seite. Der überwiegende Teil waren Kurznachrichten (Größe XS/S)⁶¹ und Nachrichten (Größe M). Die Fünfkirchner Zeitung platzierte den Großteil der Streikberichterstattung auf der dritten und vierten Seite. Die Artikel hatten hier ebenfalls vor allem Kurznachrichten- (Größe S) oder Nachrichtenlänge (Gr. M). Die Tageszeitung Pécsi Napló veröffentlichte die meisten ihrer Streikartikel auf der zweiten Seite. Während die anderen beiden Zeitungen während des gesamten Streikzeitraums 1893 jeweils nur einen Leitartikel dazu herausbrachten, waren es in der Pécsi Napló fünf. Hier erschienen auch die ausführlichsten Berichte über den Streik, die meisten ihrer Artikel waren lange Beiträge (Gr. XL). Kurznachrichten über den Streik waren in der Pécsi Napló im Gegensatz zu den anderen Blättern nicht zu finden. Obwohl die Erscheinungsweisen der drei ausgewerteten Zeitungen mit zweimal bis siebenmal wöchentlich stark voneinander abwichen, war die Anzahl der veröffentlichten Zeitungsartikel bei allen Blättern annähernd gleich hoch. Die Dimensionen, die Platzierungen und die Anzahl der Zeitungsartikel bildeten eine weitere räumliche Facette der materiellen Umwelt, in der der Bergarbeiterstreik verhandelt wurde. Die unterschiedlichen Dimensionen der Beiträge und ihre divergierende Positionierung innerhalb der Ausgaben verweisen wie auf einer Landkarte nicht nur auf die Bedeutung des Streiks für die Zeitungen, sondern gleichzeitig auch auf die Vorstellungen von der Positionierung der Bergarbeiter in den unteren Rängen der Gesellschaft. Die physischen Dimensionen im Layout der Zeitungen tragen meiner Ansicht nach ebenfalls Bedeutungen in sich, die als Bestandteile des gesamten komplexen kulturellen Aushandlungsprozesses Wirkung und Macht entfalten können. Die räumliche Strukturierung der Pécser Medienlandschaft und die gedruckten Seiten der Zeitungen bilden eine Facette der vielfältigen Objektivationen kultureller Konstruktionsprozesse, mit deren Hilfe die Menschen in Pécs ihre Alltagswelt strukturierten. Sie weisen auf den praktischen Beitrag der Zeitungsmacher hin, mit dem diese an den Diskursen bei der Herstellung der sozialen Ordnung der zeitgenössischen Pécser Gesellschaft partizipierten. Sie positionierten sich darin sowohl im physischen Raum als auch auf der zweidimensionalen Ebene des Zeitungspapiers selbst im Zentrum, wohingegen sie die Bergarbeiterschaft am Rande platzierten. Meiner Einsicht nach evozierten die Zeitungen mittels dieser Distanzierung
61 Zur Einteilung der Zeitungsartikel in Größenklassen siehe den Abschnitt zur Handhabung der Digitalisate und der Software (Kap. 4.4.2).
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zwischen Zentrum und Peripherie sowie zwischen eigen und fremd, die Imagination von den Bergarbeitern als einer gesellschaftlichen Randgruppe.
10.8.2 Die Perspektive der Berichterstattung Ein weiterer räumlicher Aspekt, der sich bei meiner Untersuchung herauskristallisierte, ist die Warte der Berichterstattung, also die jeweiligen Positionen, von denen aus die Zeitungen die Ereignisse sowohl physisch als auch ideologisch darstellten. Auskünfte hierüber gaben die Beiträge selbst. In den Texten ist hie und da angegeben, an welchem konkreten Ort ein Bericht entstand, welche Pressevertreter und Protagonisten dort zugegen waren beziehungsweise auf welche Weise die Informationen an die Redaktion übermittelt wurden: Um ¾ 2 Uhr von der Luft-Kolonie kommend waren bereits alle Zugänge durch das Militär besetzt und hatte ich bereits mit noch zwei Herren die Bahnlinie passirt, als uns ein Hußaren Korporal nachjagte und uns anschrie: vissza uraim, nem szabad bemenni.⁶² Auf meine Erwiederung daß ich Berichterstatter sei, forderte er meine Legitimation, der Zufall wollte es, daß ich mich legitimiren konnte, und passiren durfte. Der Anblick war ein herzerschütternder. Wie die weinenden Weiber mit ihren Kindern auf den Anhöhen herumlagen, Flüche derbster Art ausstießen – unsere Männer werden jetzt alle erschossen „gehen sie nicht hin“. Zurück konnten wir nicht mehr. Das Glück war, daß die Arbeiter auf der entgegengesetzten Richtung ihre Aufstellung genommen hatten.⁶³
Da das Blatt dieses Ereignis seinen Lesern so detailliert schilderte, ist davon auszugehen, dass die Redaktion darin eine besondere symbolische Bedeutungsebene sah.⁶⁴ Aus den erwähnten Orten, Wegen, Distanzen und den dort herrschenden Bedingungen lässt sich sowohl auf die physische als auch auf die ideelle Relation der Zeitung zu den dargestellten Protagonisten sowie auf ihre Selbstverortung im sozialen Raum schließen. Auch die Intensität, mit der die Zeitungen über Bergarbeiter berichteten, kann als eine Form der Selbstpositionierung der Blätter angesehen werden. Sowohl Quantität als auch Qualität der Berichterstattung über Ereignisse im Bergbaurevier wie Feiern, Unglücke oder der ganz normale Alltag der Bergar-
62 Zurück meine Herren, betreten verboten. 63 Anon, Die Schlacht in Szabolcs. Strike Bouilletins, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 64 Diese Ebene kommt der Raumproduktionsebene von Lefebvres Theorie, der Repräsentation des Raumes (l’espace conçu) am nächsten. Sie beinhaltet ihm zufolge das Geplante, das Gedachte, das konzeptionelle Modell vom Raum. Vgl. Lefebvre, Die Produktion des Raums, in: Dünne/Günzel (Hg.), Raumtheorie, 2007 [1974], S. 330 – 342, hier S. 334.
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beiter liefern ebenfalls Hinweise auf die Selbstpositionierung der Zeitungen im sozialen Raum der Pécser Gesellschaft. Im Folgenden vergleiche ich meine diesbezüglichen Beobachtungen in den Zeitungen. Die Journalisten der Fünfkirchner Zeitung berichteten außerhalb der Streikperioden praktisch überhaupt nicht über Bergleute. Der sprunghafte Anstieg entsprechender Beiträge mit Beginn der Arbeitsniederlegung verweist auf das Desinteresse und die Distanzierung gegenüber der Bergarbeiterschaft, solange diese die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten und ihrer gesellschaftlichen Rolle als „Gehorchende“⁶⁵ entsprachen. Die Fünfkirchner Zeitung zeigte sich in ihrer Streikberichterstattung zumeist an der Seite der politischen und ökonomischen Elite, insbesondere in der Nähe der Exekutive, der Gendarmen und Soldaten. Deren Äußerungen und Handlungen wurden häufiger, detaillierter und mit besonderem Respekt geschildert. Der Berichterstatter der Fünfkirchner Zeitung hielt sich an der Seite der Autoritäten vor Ort im Streikgebiet auf, gleichzeitig hielt er stets sichere Distanz zu den Streikenden. Aus seiner Position erschienen die Bergarbeiter als eine graue Masse, über die die Mächtigen und Verantwortlichen verfügten. Demgegenüber berichtete die Pécsi Figyelő bevorzugt von ihrem am SzéchenyiPlatz gelegenen Redaktionssitz aus. Ereignisse in der Nähe dieses Ortes schilderte die Zeitung wesentlich detailreicher als die Ereignisse der Arbeitsniederlegung jenseits der Stadtgrenze. So beschrieb die Pécsi Figyelő etwa sehr detailliert die Gerichtsverhandlung gegen die Bergleute, die im Komitatshaus in unmittelbarer Nähe des Redaktionssitzes stattfand. Das Blatt positionierte sich dabei aufseiten des bürgerlichen Rechtsanwalts der Bergleute, die seiner Ansicht nach ohne diesen der aristokratischen Willkür der Amtsträger ausgeliefert gewesen wären. Über Feierlichkeiten wie den Gottesdienst am Tag der heiligen Barbara in der St. AugustinusKirche brachte die Zeitung ebenfalls detaillierte Berichte. Die Pécsi Figyelő distanzierte sich von der gesellschaftlichen Oberschicht auch symbolisch, indem sie deren Namen, Titel und Ränge ihrer Repräsentanten kaum erwähnte. Bei keinem der Streikberichte der Pécsi Figyelő wird ein Berichterstatter im Streikgebiet benannt. Auch dadurch stellte das Blatt eine räumliche Distanzierung sowohl zur Bergarbeiterschaft als auch gegenüber der Oberschicht her. Die holzschnittartigen, aus der Ferne beschreibenden Darstellungen der Bergleute und die distanzierte Selbstpositionierung der Pécsi Figyelő zu ihnen ließ die Bergarbeiter als eine homogene, unbekannte, sozial unten verortete gesellschaftliche Gruppe erscheinen.
65 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2.
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Die Pécsi Napló hingegen hob in ihren Überschriften regelmäßig hervor, dass sie laufend aktuellste Berichte aus dem Streikgebiet erhalte.⁶⁶ Die Tageszeitung beschäftigte sich tatsächlich sehr umfassend mit dem Streik und den Bergarbeitern. Aus den Zeitungsberichten geht hervor, dass sich der Berichterstatter vorwiegend in der Nähe der Exekutive, der Gendarmen und der Infanterie aufhielt. Der Reporter beobachtete die Streikenden aus sicherer Entfernung, rückte aber dennoch so nahe an diese heran, dass er teils sehr genaue Beschreibungen der Ereignisse in den Bergarbeitersiedlungen liefern konnte. Die Pécsi Napló ging mit der städtischen Bürgerschaft von Pécs immer wieder kritisch um, gleichzeitig verortete sie sich im sozialen Raum habituell in dessen Nähe. Das Blatt prangerte auch das Desinteresse, die Gleichgültigkeit und die Nicht-Beschäftigung der übrigen Pécser Presse mit den Bergarbeitern an. Während es beim Pécser „Spießbürgertum“⁶⁷ lediglich Desinteresse und Schwäche konstatierte, bezichtigte die Pécsi Napló die ungarische Oberschicht, die Probleme der Bergleute zu ignorieren und diese mit Gewalt zu unterdrücken. Die Pécsi Napló berichtete aus einer Distanz, aus der sie die Bergarbeiter als eine wilde, gewalttätige und elende Masse wahrnahm. Dabei hatte das Blatt ein romantisches Idealbild vom braven ungarischen Bergmann vor Augen. Die Pécsi Napló wies mit Verve alle Einflussnahmen von außen, sei es durch Sozialisten, die DDSG oder durch die ungarische Machtelite, auf die Pécser Gesellschaft zurück. Ebenso vehement befürwortete sie alle Bestrebungen für deren Magyarisierung. Durch ihre Kritik und Zurückweisung der Elite wie auch der konkurrierenden Presse, durch ihre Fokussierung auf die Stadt sowie durch ihre spezifische Perspektive bei der Streikberichterstattung positionierte sich die Pécsi Napló an der Seite des städtischen Bürgertums, die sie als die maßgebliche gesellschaftliche Schicht in Pécs verstand. Von dieser Position aus blickte sie auf eine nahe, gleichzeitig aber auch weit entfernt existierende Bergarbeiterschaft. In ihren Textbeiträgen über die Bergarbeiterschaft, die übrige Gesellschaft von Pécs, Ungarns und der Welt nahmen die untersuchten Zeitungen voneinander abweichende Positionen ein. Sie berichteten über den Bergarbeiterstreik aus unterschiedlichen Perspektiven, und zwar sowohl physisch als auch ideell. Die konkreten Aufenthaltsorte ihrer Mitarbeiter während des Streiks, ihre Strategien der Informationsbeschaffung und ihre inhaltlichen Selbstpositionierungen ließen sich anhand ihrer Textbeiträge miteinander in Korrelation setzen. Meiner Beobachtung 66 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése, [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4. 67 Anon, A város ügyei, [Die städtischen Angelegenheiten], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3 [Erst- u. Musterausgabe].
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nach weisen die physischen sowie kulturellen Selbstpositionierungen der drei Zeitungen stets auf eine erhebliche Distanzierung hin sowie auf die Intention, die streikenden Bergarbeiter als eine zu magyarisierende Unterschicht in der Peripherie auf der sozialen Landkarte der Stadt zu positionieren.
10.8.3 Textimmanente symbolische Äußerungen des Räumlichen in der Streikberichterstattung Bei der Interpretation der Streikberichterstattung haben sich symbolische räumliche Darstellungen herauskristallisiert, in denen soziale Relationen repräsentiert sind:⁶⁸ „In Szabolcs versammelten sich auch die Arbeiter von Pécsbányatelep und Vasas. Mit Wein und Schnaps aus den Wohnungen feierten sie Orgien auf der Straße; betrunken lärmend bedrohten sie das Militär und bewarfen es immer wieder mit Steinen.“⁶⁹ Die Pécsi Napló bezog bei ihrer Darstellung der Bergarbeiter häufig den öffentlichen Raum sowie andere Räumlichkeiten mit ein. Die Arbeiter wurden geschildert, wenn sie sich grüppchenweise auf Plätzen und Straßen versammelten oder in der Gegend umherzogen. Die Pécsi Napló präsentierte die Bergarbeiterschaft dabei als eine gesichtslose Masse und flankierte diese Darstellungen mit Beschreibungen, die auf den Leser wild, bedrohlich und beinahe animalisch wirken konnten. Mit der starken Metapher der „elenden Tagelöhner der Unterwelt“⁷⁰ positionierte die Pécsi Napló die Bergarbeiter im sozialen Raum und sprach damit gleichzeitig deren prekäre Situation an.⁷¹ Die Einbeziehung der Bergarbeiter in die Pécser Gesellschaft versuchte die Zeitung zu bewerkstelligen, indem sie diese als die
68 Der Begriff des gelebten Raums (l’espace vécu) kommt meiner dritten räumlichen Ebene am nächsten. Dieser wird Lefebvre zufolge den Menschen durch Bilder und Zeichen zugänglich gemacht und bildet mit seinem Symbol- und Zeichensystem eine räumliche Wirklichkeit: „Es ist der beherrschte, also erlittene Raum, den die Einbildungskraft zu verändern und sich anzueignen sucht. Er legt sich über den physischen Raum und benutzt seine Objekte symbolisch.“ Lefebvre, Die Produktion des Raums, in: Dünne/Günzel (Hg.), Raumtheorie, 2007 [1974], S. 330 – 342, hier S. 336. 69 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése, [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4. 70 Anon, Sztrájk, Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 71 Bereits András Babics konstatierte, dass die Unterschätzung der Arbeit im Bergwerk im agrarisch geprägten Ungarn zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Geringschätzung der Bergarbeiter führte, wobei ihre Qualifikation auf dem Niveau von Tagelöhnern eingestuft wurde. Hiermit hing ihre geringe Bezahlung und das lange Ausbleiben von Ausbildungsmöglichkeiten von Bergbaufacharbeitern zusammen. Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 146.
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ungarische Unterschicht von Pécs in einer angemessenen Distanz zur Stadt in den Bergarbeitersiedlungen verortete. Dies geschah im Rahmen der Magyarisierungsund Nationalisierungsbemühungen der Zeitung, die sich jedoch aufgrund ihrer lokalen Denkweise in gewisser Weise auf den Pécser Raum beschränkte. Um den erwünschten ungarischen Bergmann konstruieren zu können, wies das Blatt die kategorisch abgelehnte Ideologie des Sozialismus den aus Mähren und Böhmen eingewanderten Bergarbeitern zu. Den Arbeitgeber der Bergleute, die DDSG, welcher sich aus Sicht der Pécsi Napló kaum um deren Belange kümmerte, verortete die Zeitung im fernen Wien. Der ungarische Staat, der sich nach Ansicht der Zeitung für die Bergarbeiter ebenso wenig interessierte, wurde vom 200 Kilometer entfernt liegenden Budapest aus regiert und war daher mit den lokalen Gegebenheiten der freien königlichen Stadt Pécs nicht vertraut, was ihn aus Sicht der Zeitung ebenfalls disqualifizierte. Das für die gewaltsame Auflösung des Streiks zuständige Militär war für die Pécsi Napló – zumindest auf der Offiziersebene – zu stark von Deutschen dominiert, daher war es ebenfalls eine den Pécser Verhältnissen gegenüber fremde Macht, die unnötig Gewalt gegen die Bergarbeiter ausgeübt habe. Die Pécsi Napló positionierte somit unerwünschte, den eigenen Vorstellungen nicht entsprechende Phänomene, Gruppierungen und Personen außerhalb von Pécs. Lediglich die Vertreter der örtlichen Behörden und der um die Magyarisierung bemühte Bergwerksdirektor Wiesner galten dem Blatt als pflichtbewusste und fürsorgliche Persönlichkeiten, die sich für das Wohlergehen der Bergarbeiter einsetzten. Bei der Beschreibung ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Nation selektierte die Pécsi Napló anhand des kulturellen Kapitals der jeweiligen Anwärter. Bemühungen, die Magyarisierung voranzutreiben, hatten bei dieser Zuschreibung einen hohen Stellenwert. So positionierte die Zeitung die positiv beleumundete und somit ehrenwerte Person Wiesners in der imaginierten eigenen gesellschaftlichen Gruppe und präsentierte ihn als ein legitimes Mitglied der Pécser Gesellschaft. Immerhin war in dieser Zeit ein großer Teil der Pécser Bürgerschaft wie auch Wiesner selbst noch deutschsprachig. Es stand in dieser Zeit in keinem allzu großen Widerspruch, den deutschsprachigen Bergwerksdirektor und Förderer der Magyarisierung als patriotischen Pécser zu betrachten. Auf die mögliche Gleichzeitigkeit von Deutschsprachigkeit und patriotischer Zugehörigkeit zur ungarischen Nation im 19. Jahrhundert hat bereits Claus-Jürgen Hutterer hingewiesen.⁷² Die Vision der Pécsi Napló von der Pécser Gesellschaft konstituierte sich meiner Ansicht nach in einer vorgestellten räumlichen Ordnung, die durch das lokale ge72 Vgl. Claus-Jürgen Hutterer, Die deutsche Volksgruppe in Ungarn, in: Ingeborg Weber-Kellermann (Hg.), Zur Interethnik. Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen und ihre Nachbarn, Frankfurt a. M. 1978, S. 290 – 294; vgl. auch Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Frankfurt a. M. 2005, S. 139 – 144.
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bildete Bürgertum dominiert sein sollte. Dieses moralisch und von seinem kulturellen Kapital als überlegen betrachtete, von der Zeitung bisweilen allerdings auch als schwächlich bezeichnete Bildungsbürgertum sollte sich der Bergarbeiter annehmen. Die Zeitung konstruierte die Utopie eines sozialen Raums, in dem die Bergarbeiter unter der Ägide des Bürgertums zu einem Teil einer friedlichen nationalen Gemeinschaft werden. Aus dieser Gemengelage entstand in den Zeilen der Pécsi Napló eine eigene Imagination von einer sozialen Ordnung nach Pécser Art. Einen ähnlich lokalpatriotischen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre der Fünfkirchner Zeitung. Die feinen Unterschiede gegenüber der Perspektive der Pécsi Napló entspringen der spezifischen Selbstverortung der Fünfkirchner Zeitung in der sozialen Welt von Pécs. Ihre Nähe zur Oberschicht zeigt sich ebenfalls in ihrer Art der kulturell-symbolischen Raumproduktion bezüglich der Streikprotagonisten. Der imaginierte soziale Raum, den die Fünfkirchner Zeitung in ihren Texten skizzierte, kann als von „Normen der ständischen Gesellschaftsauffassung“⁷³ geprägt charakterisiert werden.⁷⁴ Die sich als lokalpatriotisch, regierungstreu und bürgerlich bezeichnende deutschsprachige Zeitung präsentierte die Machtelite des Landes, des Komitats und der Stadt häufig mit ehrerbietiger Distanziertheit, welche diese im sozialen Raum weit oben positionierte. Die Offiziere der staatlichen Exekutive feierte die Fünfkirchner Zeitung beinahe euphorisch, mit detailreichen Beschreibungen und bekundete dabei ihre Verbundenheit mit diesen. Schwierigkeiten hatte das Blatt offenbar dabei, den Arbeitgeber der Bergleute und das größte Unternehmen der Stadt, die DDSG normativ zu positionieren. Ähnlich wie die Pécsi Napló betrachtete die Fünfkirchner Zeitung das Unternehmen als einen im fernen Wien wirkenden Konzern, der sich nicht ungarisch-patriotisch verhielt. Die Zeitung musste aber die ökonomische Bedeutung der DDSG für Pécs anerkennen und tolerierte diese daher. Aufgrund der ökonomischen Bedeutung der DDSG hielt sich die Fünfkirchner Zeitung mit offener Kritik an dem Unternehmen zurück und hob dafür die Bemühungen von dessen deutschsprachigem Direktor Raimund Wiesner hervor, den sie als lobenswerten Magyarisierer der Bergleute präsentierte. Hierdurch trat die DDSG in der Berichterstattung in den Hintergrund, während der bürgerliche, für die Arbeiter verantwortliche Direktor als positives Bindeglied zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft fungieren konnte.
73 Tóth, A rendi norma és a „keresztyén polgárisodás“, in: Századvég (1991), 2/3, S. 75 – 130, hier S. 80. 74 György Ránki wies auf die Feudalisierung des ungarischen Großbürgertums in der Mitte des 19. Jahrhunderts hin. Mitglieder dieser gesellschaftlichen Gruppe orientierten sich mit Vorliebe an Lebensweise, Repräsentationsformen und Habitus des ungarischen Adels. Vgl. Ránki, Die Entwicklung des ungarischen Bürgertums, in: Kocka (Hg.), Einheit und Vielfalt Europas, 1995, S. 230 – 248, hier S. 238.
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Die unterschiedlichen Herkunftsorte und -regionen der Bergarbeiterschaft waren der Zeitung bekannt. Die ethnische Vielfalt unter den Bergleuten beschrieb die Zeitung mal als harmonisch, mal als konfliktträchtig. Die Multiethnizität stellte meiner Einschätzung nach für die Fünfkirchner Zeitung jedoch keine allzu wirkmächtige Differenzierungskategorie dar. Viel stärker wirkte bei der Herstellung der Zugehörigkeit zu Pécs die (angenommene) Aufenthaltsdauer sowie der Wohnort der Personen. Während schon länger und näher bei der Stadt lebende eingewanderte Bergarbeiter und ihre Familien von der Fünfkirchner Zeitung teils schon zur städtischen Gesellschaft gezählt wurden, schloss das Blatt einen Großteil der erst seit Kurzem und in abgelegeneren Bergarbeitersiedlungen lebenden, aus unterschiedlichen Ländern stammenden Arbeiter davon aus. Diese Gruppe betrachtete die Fünfkirchner Zeitung nicht nur als ‚nicht ungarisch genug‘, sondern konstatierte außerdem, diese seien durch sozialistische Ideen aus Westeuropa verdorben. Das Blatt spekulierte während des Streiks immer wieder, ob die Behörden diese Einwanderer ausweisen würden. Die Fünfkirchner Zeitung hoffte, dadurch eine homogene ungarische Bergarbeiterschaft zu erhalten. Für die Fünfkirchner Zeitung war der Sozialismus eine die ungarische Nation bedrohende ausländische Ideologie. Die Zeitung pflegte ein Idealbild der ungarischen Bergarbeiter als einer gehorchenden, braven und patriotischen gesellschaftlichen Gruppe. Dieses Ideal entstammte einer romantisch-mythologischen Vorstellung, die mithilfe von Erzählungen über tapfere „Bergknappen“⁷⁵ im fernen ungarischen Erzgebirge und in den Bergbaustädten Siebenbürgens erzeugt wurden.⁷⁶ Die Utopie dieser Idealfiguren aus entfernten Regionen des damaligen Ungarns projizierte die Fünfkirchner Zeitung auf die Pécser Bergleute. Aus der Vogelperspektive, aus der die Fünfkirchner Zeitung die Bergarbeiter in ihrer Streikberichterstattung zumeist betrachtete, erscheinen diese als eine nahezu gesichtslose Masse, unselbständig, ungebildet und affektgesteuert. Individuelle Züge erhielten lediglich Bergleute, die als Negativbeispiele in der ‚Nahaufnahme‘ näher und dabei vor allem abstoßend beschrieben wurden. Die Frauen der Bergarbeiter fungierten bei diesen holzschnittartigen Betrachtungen als die klischeehaft emotionale Seite der Bergarbeiterschaft. Verzweifelt ob des Schicksals ihrer Männer standen die Frauen im strömenden Regen, wo sie der Berichterstatter der Fünfkirchner Zeitung aus sicherer Entfernung beobachten konnte.
75 Alois Csermelni, Bergmann‘s Liese, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, Beilage, S. 1 – 2 (unpaginiert). 76 Vgl. Anon, Bergmannsfest, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2; vgl. Alois Csermelni, Bergmann‘s Liese, Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, Beilage, S. 1 – 2 (unpaginiert).
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Die starke Orientierung der Fünfkirchner Zeitung an der Machtelite des Komitats und des ungarischen Staates bildet eine weitere Perspektive auf die Pécser Gesellschaft. Stärker als bei der Pécsi Napló zeigt sich in den Texten der Fünfkirchner Zeitung eine Imagination des gesellschaftlichen Oben und Unten, das als alltagsstrukturierende Ordnung begriffen wird. Die von der Fünfkirchner Zeitung skizzierte soziale Ordnung war mit dem von ihr imaginierten sozialen Raum kongruent. Menschen und Gruppen, die zur imaginierten Gesellschaft von Pécs dazugehören (sollten), verortete die Zeitung auf ihrem imaginären Stadtplan im Inneren. Die Bergarbeiter platzierte sie dagegen nicht nur sozial am Rande, auch deren Wohnorte positionierte sie an der Peripherie der Stadt, außerhalb dieses imaginären Stadtplans. Das Unerwünschte und Illegitime expatriierte die Fünfkirchner Zeitung imaginär, dagegen integrierte sie ihre eigene Utopie vom Habitus der Bergleute. Die ständischen Normvorstellungen und der Habitus der Fünfkirchner Zeitung spiegeln sich in den Habitatsrepräsentationen der Protagonisten: Die Befehlenden waren zentral und im sozialen Raum oben positioniert, die Gehorchenden platzierte man in der Peripherie, das Unwürdige sowie das Unwirkliche lagen in der Ferne weit außerhalb des vorgestellten eigenen Territoriums. Die Pécsi Figyelő verharrte, wie schon bei der Perspektive ihrer Berichterstattung deutlich wurde, bei ihrer Streikberichterstattung am Redaktionssitz am zentralen Széchenyi-Platz. Von dort aus analysierte das Blatt die Pécser Gesellschaft und entwarf dabei eine spezifisch imaginierte soziale Landkarte von Pécs. Die soziale Ordnung, die der Pécsi Figyelő vorschwebte, wich dabei von der der anderen beiden Zeitungen deutlich ab. Sie befasste sich weniger konkret mit den Ereignissen im Streikgeschehen oder einzelnen Aktivitäten der Protagonisten als vielmehr mit den dahintersteckenden Problemen und Schwierigkeiten, dabei kritisierte sie die Machthabenden mit starken Worten und teils ironischen Formulierungen. Die Pécsi Figyelő erzeugte in ihren Texten eine große moralische Distanz und Überlegenheit gegenüber der regionalen Machtelite des Komitats; die lokalen Amtsträger von Pécs und die eigene Klientel blieben dagegen zumeist unterbelichtet. Die Zeitung positionierte die Arbeiterschaft nicht nur auf der Ebene der Bildung, sondern auch in der sozialen Hierarchie der Stadt „auf der untersten Stufe“.⁷⁷ Die Klientel der Pécsi Figyelő, die gebildete Bürgerschaft und die Kleinunternehmer der Stadt, sollte die Bergarbeiter protegieren und zu mündigen ungarischen Bürgern im Rahmen ihrer sozialen Position erziehen. Die Repräsentanten der staatlichen und der Komitatsbehörden kritisierte die Pécsi Figyelő besonders, indem sie nicht nur deren ständischen Habitus mit For-
77 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Der mit Gewalt niedergerungene Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2.
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mulierungen wie „Paschas“⁷⁸ oder „kleine Götter“⁷⁹ versah, sondern auch durch detaillierte Darstellungen von deren Fehlverhalten. Sie warf den Behördenvertretern vor, diese würden durch die gewaltsame Unterdrückung des Streiks und indem sie die Arbeiter wie Leibeigne behandelten die Bergarbeiter geradewegs in die Arme der Sozialisten treiben.⁸⁰ Bei diesem unguten Treiben kam in den Augen der Zeitung der Armee eine Schlüsselrolle zu. Die Pécsi Figyelő lehnte Gewalt ab, was sich in kurz gehaltenen Nachrichten über Militäreinsätze während des Streiks widerspiegelte. Den Einmarsch der Infanterie in den Bergarbeitersiedlungen skizzierte die Zeitung wie einen Feldzug. Die Pécsi Figyelő verortete das Militär in der sozialen Ordnung als willfährigen und gewalttätigen Helfer der Obrigkeit. Im Gegensatz zu den beiden anderen Zeitungen positionierte die Pécsi Figyelő Bergwerksdirektor Wiesner im Rahmen ihrer vorgestellten Ordnung nicht als Vermittler zwischen der Pécser Gesellschaft, dem internationalen Konzern und den Bergarbeitern, sondern betrachtete ihn als Angestellten eines ausländischen Unternehmens und als Teil der kritisierten Komitatselite, deren Interessen er vertrat und umsetzte. Ein Aspekt der medialen Konstruktion sozialer Ordnung war – wie auch für die anderen beiden Blätter – der Sozialismus, „ein deutsches Produkt“,⁸¹ welches angeblich ausschließlich von den eingewanderten Bergarbeitern „konsumiert“⁸² werde. Die Pécsi Figyelő verortete den Ursprung des Sozialismus und die damit „infizierten“⁸³ eingewanderten Arbeiter auf ihrer sozialen Landkarte im Ausland, also weit außerhalb des imaginären Pécser Stadtplans. Streikprotagonisten, die die Zeitung weniger kritisch betrachtete, blieben in den Schilderungen unscharf, etwa die Pécser Polizei, deren Rolle im Streik die Pécsi Figyelő kaum thematisierte. Die Bedeutung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung sowie bei der Bekämpfung des Sozialismus allerdings erwähnte sie anerkennend. Die Pécsi Figyelő verortete sich selbst im Milieu des Bildungsbürgertums. Im Vergleich zur Fünfkirchner Zeitung und zur Pécsi Napló stellte die Pécsi
78 Ebd. 79 Ebd. 80 Ránki wies darauf hin, dass man in Ungarn noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffentliche Ämter wie „Lehngüter“ behandelte, diese wurden an die nächste Generation vererbt oder für besondere Leistungen vergeben, bestimmte adlige Familien teilten sich die Aufgaben in der Komitatsverwaltung, welche durch den größten Grundbesitzer des Komitats ernannt wurden. Vgl. Ránki, Die Entwicklung des ungarischen Bürgertums, in: Kocka (Hg.), Einheit und Vielfalt Europas, 1995, S. 230 – 248, hier S. 242 f. 81 Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet, [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 14. Juni, S. 3. 82 Vgl. ebd. 83 Vgl. Anon, Május elseje, [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1.
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Figyelő diese Gruppe, in der sie die Pfarrer, die Lehrer und andere Personen mit höherem Bildungskapital sowie die Pécser Kleinunternehmer einordnete, als legitime und qualifizierte Mentoren der Arbeiterschaft dar. Diese Gruppen seien auch in der Lage, das Magyarisierungsprojekt, welches das Blatt ebenfalls goutierte, durchzuführen. Auch dieser gesellschaftlichen Gruppe widmete die Pécsi Figyelő allerdings relativ wenig Aufmerksamkeit, ihre Mitglieder blieben vage im Hintergrund. Aus moralischer Sicht jedoch positionierte die Zeitung diese über der dekadenten, herrschsüchtigen Machtelite und stellte sie als die legitimen Lehrer der Arbeiterschaft dar: „Das auf der untersten Stufe der Bildung stehende Arbeitervolk, insbesondere das Bergarbeitervolk, welches das noch primitivere Element der Gesellschaft ist, schnappt von den vielen oberstuhlrichterlichen und vizegespanlichen Diktionen schnell über“.⁸⁴ Die Bergleute beobachtete die Pécsi Figyelő aus ihrer gewohnten großen Distanz. Sie erschienen in den Zeitungsberichten vor allem dann etwas konkreter, wenn sie sich in die Stadt, also in Sichtweite der Zeitungsredaktion begaben. Die Berichte der Pécsi Figyelő zeigen eine von der restlichen Gesellschaft von Pécs segregierte, unterdrückte, arme und ungebildete Bevölkerungsgruppe, deren Mitglieder durch Bildung zu patriotischen Mitgliedern der Pécser Gesellschaft geformt werden sollten.⁸⁵ Bei der Analyse wird deutlich, dass die Pécsi Figyelő die Pécser Gesellschaft gewissermaßen von ihrem Redaktionssitz aus wie durch ein Fernglas beobachtete. In seiner Streikberichterstattung zoomte das Blatt an bestimmte Protagonisten zur kritischen Betrachtung nah heran; andere dagegen blieben verschwommen im Hintergrund. Aufgrund dieser Observationsstrategie spielten in der Berichterstattung der Pécsi Figyelő physische Räume bei der Konstruktion einer imaginierten Pécser Gesellschaft eine geringere Rolle, stattdessen erfolgte umso stärker eine normative Positionierung der Protagonisten im sozialen Raum. Während das Blatt die Überlegenheit von Politikern, Behördenvertretern und der DDSG auf dem politischen und ökonomischen Feld unbestritten ließ, positionierte sich die Zeitung gemeinsam mit dem gebildeten Bürgertum der Stadt mitsamt dessen kulturellem Kapital im sozialen Raum höher und damit als legitimer Mentor der Bergarbeiterschaft.
84 Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk, [Der mit Gewalt niedergerungene Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. 85 Diskurse um die Bildung der Arbeiterschaft waren auch im Deutschen Reich virulent.Vgl. Rudolf Vierhaus, Bürgerliche Hegemonie oder proletarische Emanzipation: der Beitrag der Bildung, in: Jürgen Kocka (Hg.), Arbeiter und Bürger im 19. Jahrhundert. Varianten ihres Verhältnisses im europäischen Vergleich, München 1986, S. 53 – 64.
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In der hier detailliert untersuchten Textebene der Zeitungsartikel widmete ich meine Aufmerksamkeit den sprachlichen Spezifika der Berichterstattung. Hierbei ging es weniger darum, linguistisch präzise auf Substantive, Verben, Adjektive oder Adverbien zu achten, als vielmehr darum, Zeichen, Symbole, Metaphern und Syntax sowie die spezifischen Perspektiven der Darstellungsweisen der Zeitungen ethnographisch zu verstehen. Diese sprachlichen Repräsentationsweisen verstehe ich mit Kaspar Maase als kulturelle Praxis zur Herstellung von sinngebenden und handlungsorientierenden Ordnungen des Alltags, die die Lebenspraktiken der Menschen regulieren.⁸⁶ Das Ziel war, die in den Formulierungen verborgenen, für die zeitgenössische Pécser Gesellschaft spezifischen kulturellen Herstellungsweisen von solchen Ordnungen interpretativ zu ergründen. Es hat sich gezeigt, dass die Darstellungen der Streikereignisse in der Lokalpresse eine wahre Fülle von zu Texten gewordenen kulturellen Praktiken beinhalten. Dabei wurde deutlich, dass sich die drei Zeitungen in einigen Positionen sehr stark ähnelten und dass diese durch ähnliche Repräsentationsweisen hergestellt wurden. So befürworteten alle drei Zeitungen die Magyarisierung, während sie den Sozialismus und dessen Varianten allesamt kategorisch ablehnten. Vor allem aber betrachteten sie die Bergarbeiter als eine untere gesellschaftliche Gruppe, die erst noch zu einer ungarischen Arbeiterklasse geformt werden musste. Auf eine lakonische Formel gebracht, konstruierte die Pécser Lokalpresse in ihren Artikeln miners into magyars.⁸⁷ Die Blätter formten aus den eingewanderten Bergleuten mittels der symbolischen Nutzung räumlicher Kennzeichnungen als strukturierenden Repräsentationsformen einer imaginierten sozialen Ordnung eine homogene, für Pécs spezifische ungarische Arbeiterklasse. Allgemeiner formuliert: die drei Zeitungen bestimmten mittels ihrer unterschiedlichen kulturellen Normen, Werte und ihrem Wissen in ihren kommunikativen Praktiken des Publizierens ihre sozialen Relationen zu den Bergarbeitern und zu den anderen Protagonisten des Streiks. Hierbei standen die Positionen der Zeitungsmacher zu den Bergarbeitern zumeist umgekehrt proportional zu den anderen Streikprotagonisten. Je näher sich eine Zeitung selbst zur Machtelite des Landes, des Komitats und der Stadt positionierte, desto ferner positionierte sie sich gegenüber der Bergarbeiterschaft. Die dabei angewandten sozialen Distanzierungen und Distinguierungen stellten die Zeitungen mithilfe physischer und ideeller Reprä-
86 Vgl. Kaspar Maase, Vorwort zur vierten Auflage, in: Hermann Bausinger et al. (Hg.), Grundzüge der Volkskunde, Darmstadt 1999, S. VII–XXII, hier S. X. 87 In Anlehnung an eine Formulierung von Eugen Weber, der die Nationalisierung der vielfältigen bäuerlichen Bevölkerung Frankreichs im späten 19. Jahrhundert nachzeichnet. Vgl. Eugen Weber, Peasants into Frenchmen. The modernization of rural France 1870 – 1914. London 1979.
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sentationsweisen her, die der lokalen gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Spezifik ihrer Zeit entsprachen.
11 Fazit: Miners into magyars – Die kulturelle Herstellung sozialer Ordnungen durch räumliche Zuschreibungen Als Türöffner zur kulturellen Welt der Pécser Gesellschaft erwies sich der methodische Ansatz als aufschlussreich, den medialen Repräsentationen der in den Bergarbeiterstreik involvierten Protagonisten interpretativ zu folgen. Bei Analyse und Interpretation der Darstellung in den Zeitungsartikeln wurden die multiplen räumlichen Aspekte deutlich. In ihren Texten strukturierten die Zeitungen die Pécser Gesellschaft mit unterschiedlichen räumlichen Distanzierungen, Distinguierungen und Positionierungen. Damit spiegeln sich in diesen Texten die zeitgenössischen Vorstellungen vom sozialen Raum, von der imaginierten sozialen Ordnung der Stadt, an deren kulturellen Gestaltung die Blätter durch ihre Praxis des Berichtens selbst aktiv beteiligt waren. Im Zuge der politischen, ökonomischen und technologischen Veränderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwandelte sich die multiethnische Stadt Pécs sowie ihre unmittelbare Umgebung in eine durch Zuwanderung geprägte Industrieregion. Neben den vielen lokalen und teilweise weltweit erfolgreichen Unternehmen zog die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft Beschäftigte aus vielen Regionen Europas an.¹ Die personenmäßig größte Gruppe von Eingewanderten bildeten Tausende von Bergarbeitern, die bei der DDSG beschäftigt waren.² Die Bergarbeiter siedelten in unmittelbarer Nähe der Bergwerke in der Peripherie von Pécs. Von ihrem Arbeitgeber wurden sie mit Grundnahrungsmitteln versorgt.³ Neben dem Lebensmitteldepot der DDSG gab es in den Ortschaften Kirchen und Kneipen. Für darüber hinausgehende Konsumbedürfnisse mussten die Bergleute und ihre Angehörigen nach Pécs gehen, wo sich in der östlich des Stadtzentrums gelegenen Budaer Vorstadt einige Geschäfte, Gaststätten, Kirchen und der Marktplatz befanden. Dass sich Bergarbeiter regelmäßig in der Pécser Innenstadt aufhielten, ist eher unwahrscheinlich. Daher dürften die meisten Stadtbewohner Bergleuten im Alltag selten begegnet sein. Die Zeitungsredaktionen verlegten ihre Büros in den 1880er und 1890er Jahren in das Stadtzentrum. Diese geographische Distanz bedingte, verfestigte und symbolisierte die soziale Distanzierung der Stadtgesellschaft zu den Bergarbeitern. Die städtische Gesellschaft von Pécs wusste von den vielen Arbeitern in den Bergarbeitersiedlungen aufgrund der in den Zei-
1 Vgl. Zoltán Kaposi: Pécs gazdasági fejlődése. 1867– 2000. Pécs 2006, S. 51 f. 2 Vgl. Katus, Pécs népessége, in: Vonyó (Hg.), Pécs népessége, 1995, S. 37– 95, hier S. 38 f. 3 Vgl. Huszár, Pécs és a Dunagőzhajózási Társaság, in: Pécsi Szemle, ősz-tél, S. 69 – 84, hier S. 82 f. https://doi.org/10.1515/9783111247113-011
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11 Fazit
tungen veröffentlichen Volkszählungsergebnisse. Die geographische Randposition der Bergarbeiter trug mit dazu bei, dass die Pécser Gesellschaft sie als fremde, marginale und sozial untergeordnete gesichtslose Masse wahrnahm.⁴ Die physische Distanz ebenso wie die soziale Distanz entstanden dabei durch diskursiv ausgehandelte Entfernungen, die die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen im sozialen Raum zwischen oben und unten sowie als eigen beziehungsweise fremd positionierten. Die Aufmerksamkeit der Lokalpresse für die Bergarbeiter wurde in der untersuchten Zeitspanne immer dann geweckt, wenn diese ihre Arbeit niederlegten. Wie eines der Blätter selbstkritisch anmerkte, interessierte sich die Pécser Presse kaum für die Bergarbeiterschaft vor den Toren der Stadt.⁵ Während der Streiks jedoch beschäftigten sich die Zeitungen sehr intensiv mit den Bergleuten. Dies zeigt sich in der sprunghaften Zunahme der Zeitungsberichte während der jeweiligen Streikphasen.⁶ Der Umfang und die Platzierung der Artikel in den Zeitungsausgaben sind ebenfalls räumliche Objektivationen kultureller Positionierungspraxis. Die Platzierung der entsprechenden Artikel innerhalb der Zeitungsausgaben weist der Bergarbeiterschaft symbolisch einen Platz am Rande der Pécser Gesellschaft zu. Auch die Position, von der aus die Zeitungsberichte verfasst waren, die Art der Informationsbeschaffung und die Aufenthaltsorte der Journalisten zeugen von der Distanzierung und Distinguierung der Zeitungen gegenüber den Bergarbeitern, die dabei als die lokale Unterschicht am Rande der Stadt und des imaginierten sozialen Stadtplans positioniert wurde. Auf der Ebene der textimmanenten Äußerungen der Berichterstattung über die Bergarbeiterstreiks zeigt sich die Nutzung räumlicher Zuschreibungen ebenfalls als wirkmächtiges kulturelles Mittel zur Herstellung einer sozialen Ordnung. In ihren Texten positionierten sich die Zeitungen gegenüber den involvierten Protagonisten in unterschiedlicher Weise. Insbesondere durch die Verwendung räumlicher Repräsentationen in der Berichterstattung über die Streiks und über die Bergarbeiter konstruierte die Lokalpresse aus den eingewanderten Bergarbeitern eine imaginierte magyarische Arbeiterklasse spezifisch Pécser Art.⁷
4 Vgl. Exkurs: „Militär und Grubenarbeiter.“ Perspektiven der Presse auf den Streik der Pécser Bergarbeiter. Eine einführende exemplarische Bildinterpretation (Kap. 2.). 5 Vgl. Anon, A bányamunkásokról, [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. 6 Vgl. Tabelle der chronologischen Verteilung der Zeitungsberichterstattung über Bergarbeiter von Pécs. 7 Die Konstruktion einer homogenen ungarischen Bergarbeiterschaft durch die Lokalpresse korrespondiert mit der Analyse Imre Nagys von der Entwicklung eines spezifischen Selbstbildes des Pécser Bürgertums, die südlichste Bastion Ungarns zu sein. Vgl. Nagy, A pécsi sajtó a 19. század második felében és a századfordulón, in, Nagy et. al. (Hg.), Öttorony, 2013, S. 281 – 300, hier S. 300.
11 Fazit
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Das Räumliche, hier als räumlich-kulturelles Wissen, Meinen, Denken, Fühlen und Handeln aufgefasst, verwendete die Pécser Lokalpresse bei der Beschreibung der eingewanderten Bergarbeiter als ein Instrument zur Konstruktion eines sozialen Raums. Der soziale Raum konstituiert eine Facette der Wirklichkeit der Alltagswelt, deren Herstellungsweisen Berger und Luckmann in ihrer Theorie über die „gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit“⁸ erfasst haben. Der soziale Raum, der meiner Ansicht nach nur zu theoretischen Zwecken vom physikalischen Raum separierbar ist, ist eine imaginierte Ordnung, die in der Imagination der Mitglieder einer Gruppe oder einer Gesellschaft als ein mehrdimensionaler Raum vorgestellt wird. Dieser Raum ist vielschichtig, kontingent und jeweils von der Fremd- und Selbstwahrnehmung beziehungsweise -positionierung der Akteure abhängig. Diese soziale Ordnung befindet sich daher in permanenten Neuordnungsprozessen.⁹ Meine Analyse zeigt, dass die Pécser Zeitungen auf vielfältige Weise physische und ideelle Distanzen, Räume, Wege und die Darstellung der Handlungen der Protagonisten in diesen zur Konstruktion einer imaginierten Topologie einer urbanen Gesellschaft verwendeten, eines sozialen Raumes, in dem die Bergarbeiter als eine marginalisierte Gruppe verortet wurden. Die Zeitungen konstruierten damit keine neue Gesellschaft, vielmehr erweiterten sie die bestehende und passten diese damit an die von ihnen identifizierten Anforderungen ihrer Zeit an. Der hierdurch hergestellte soziale Raum konstituierte sich aus Oberen und Unteren, aus Einheimischen, schon länger in Pécs lebenden Einwanderern sowie aus erst kürzlich Zugezogenen, die zugleich zu legitimen Mitgliedern einer imaginierten ungarischen Nation werden sollten, kurz: von Bergarbeitern zu Magyaren. Die dabei imaginierte Ordnung war von den spezifischen kulturellen Schemata der – als Kollektivakteure verstandenen – Pécser Zeitungen und ihren Milieus geprägt. Meine Untersuchung der Presseberichterstattung über den Bergarbeiterstreik von 1893 als Objektivation kultureller Aushandlungsprozesse zeigt, dass Räume nicht nur von den Akteuren kulturell konstruiert und vorgestellt werden und dass Räume nicht nur Spiegel gesellschaftlicher Strukturen sind.¹⁰ Räumliche Zuschreibungen dienen mitunter auch als alltagspraktische kulturelle Mittel zur Herstellung sozialer Ordnungen.
8 Peter Berger/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 2010 [1969]. 9 Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2010, S. 17 f. 10 Vgl. Pierre Bourdieu, Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1991.
12 Anhang 12.1 Die ‚schlanke‘ Chronologie des Pécser Bergarbeiterstreiks Dezember 1892–Juli 1894 1. Dezember 1892, Donnerstag Die erste reguläre Ausgabe der Pécsi Napló verlässt die Druckerei.¹ 3. u. 4. Dezember 1892, Samstag u. Sonntag Die Pécsi Figyelő schreibt: „Der Tag der Barbara gehört den Pécser Kohlebergarbeitern.“² Die Zeitung berichtet, die Arbeit ruhe an diesen Tagen und die Arbeiter erhielten von der Bergbaugesellschaft pro Person je einen Forint geschenkt. Am Vorabend des Barbaratages, am Samstag, seien die Arbeiter mit Musikbegleitung zum Gottesdienst in die Stadt gezogen und am Abend hätten sie ein großes Fest veranstaltet. Am Sonntag, am Tag der Heiligen Barbara, hielten die Bergbaubeamten ihren traditionellen Barbara-Ball, woran auch zahlreiche Mädchen und junge Männer aus Pécs teilgenommen hätten.³ 1893 In der Ortschaft Vasas beginnt der Unterricht in der Werkseigenen Volksschule der DDSG. Die Fünfkirchner Zeitung verlegt ihren Redaktionssitz vom östlichen Stadtrand in die zentraler gelegene Király-Straße.⁴ 2. April 1893, Sonntag Lajos Haksch übergibt die Redaktion der Pécsi Figyelő an Ferenc Pleininger, der die Zeitung bis zu ihrer Einstellung führt.⁵ Mai 1893 Die Pécsi Napló bezieht ihre neuen Redaktionsräume in der Király-Straße 2, im
1 Vgl. Lenkei, XX. A Pécsi Napló története, Pécsi Napló, 1910, Jhg. 19, Nr. o. Nr., 25. Dezember, S. 30 – 32. 2 Anon, Borbála napja, [Der Barbara Tag], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 98, Mittwoch, 7. Dezember S. 3. 3 Vgl. ebd. 4 Vgl. u. a. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. 5 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263. https://doi.org/10.1515/9783111247113-012
12.1 ‚Schlanke‘ Chronologie des Streiks Dezember 1892–Juli 1894
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Heindlhoffer’schen Haus in unmittelbarer Nähe des Rathauses und des SzéchenyiPlatzes.⁶ 10. Mai 1893, Mittwoch Die Pécsi Figyelő veröffentlicht einen Leitartikel, in der sie ihre Vorstellungen über das richtige Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber vorstellt. Als Apropos nennt die Zeitung, die sich zu dieser Zeit häufenden Streiks. Die Regeln und Gesetze sollen dem Artikel zufolge durch den Staat und durch die Unternehmer zum Wohle aller festgelegt werden. Für die Arbeiterschaft würde, wenn sie sich dem unterwirft, gut gesorgt werden.⁷ 17. Mai 1893, Mittwoch Arbeiter einiger Pécser Fabriken beabsichtigen eine Versammlung in der Scholz’schen Gaststätte abzuhalten, berichtet die Pécsi Figyelő. Sie melden die Veranstaltung mit der Begründung, einen Arbeiterverein gründen zu wollen, an. Die Polizei verbietet die Zusammenkunft, da die Arbeiter das Ziel des Vereins nicht genannt hätten und da die Polizei sozialistische Agitatoren hinter den Organisatoren vermutete. Die Arbeiter entsenden eine dreißig-köpfige Kommission zum Obergespan des Komitats Baranya, von welchem sie jedoch ebenfalls eine Absage für ihr Vorhaben erhalten. Dennoch versuchen die Arbeiter ihre Versammlung abzuhalten, als jedoch die Polizei erscheint, zerstreuen sie sich in alle Winde. Die Polizei sucht anschließend die Mitglieder der Kommission, keiner der verhörten Arbeiter gibt seine Mitgliedschaft darin oder einen der Mitglieder preis, so die Pécsi Figyelő. ⁸ 20. Mai 1893, Samstag Die Zeitung Pécs berichtet über auffällige Aktivitäten unter den Bergarbeitern in der Stadt selbst und in den Ortschaften Vasas sowie Szabolcs, die auf die Agitation von fremden Aufrührern hindeuten. Es sei nicht zu erfahren, ob die Agitation auf einen Streik, oder auf „eine andere sträfliche Aktion“ hinausläuft. Die Polizei und die Gendarmerie beobachten die Entwicklungen mit Argusaugen, so das Blatt.⁹
6 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 63 f. 7 Vgl. Anon, Munkás és Munkaadó, [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. 8 Vgl. Anon, Betiltott munkásgyűlés, [Verbotene Arbeiterversammlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 5. 9 Anon, Munkásmozgalom, [Arbeiterbewegung], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 5.
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21. Mai 1893, Sonntag Die für diesen Tag geplante Versammlung Szabolcser Bergarbeiter wird von Oberstuhlrichter Ivan von Forray nicht genehmigt, teilt die Fünfkirchner Zeitung mit.¹⁰ 24. Mai 1893, Mittwoch Die Bergleute wählen ein zehnköpfiges Komitee. Sie erstellen ein Protokoll ihrer Beschwerden.¹¹ Laut der Fünfkirchner Zeitung findet die Versammlung um sieben Uhr am Morgen statt. Die Zeitung vertut sich jedoch mit dem Datum. Sie druckt „Mittwoch, den 26. dss. Morgens 7 Uhr“.¹² 26. Mai 1893, Freitag Das neue zehnköpfige Komitee übernimmt die Leitung der Streikbewegung in den Bergarbeiterkolonien, berichtet die Fünfkirchner Zeitung: „Eine 10-gliederige Arbeiterdeputation erschien Freitag Vormittags [sic!] aus der Szabolcser Grube beim Bergwerksdirektor Herrn Raimund Wieser, um demselben die Forderungen der Arbeiter vorzutragen, die hauptsächlich darin kulminirten, daß die Schichtgelder der Arbeiter, die bisher 1 bis fl. 1 ½ betrugen auf 1 ½ resp. 2fl. erhöht werden sollen.“¹³ 31. Mai 1893, Mittwoch Die Pécsi Napló berichtet über die Meldung des Oberstuhlrichters Ivan von Forray an den Vizegespan von Baranya Ladislaus Szily über die Unruhe unter den Arbeitern, der jener auch die Flugschrift der ungarischen sozialdemokratischen Partei beifügt.¹⁴ Das Flugblatt „Mit akarnak a szocziálisták!“¹⁵ [Was wollen die Sozialisten!] beinhaltet die Grundsätze der ungarischen sozialdemokratischen Partei und
10 Vgl. Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43 (2479), Sonntag, 28. Mai, S. 3. 11 Vgl. Originaltext des Versammlungsprotokolls der Bergarbeiterversammlung vom 24. Mai 1893 in Szabolcs, in: Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 302 f. 12 Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43 (2479), Sonntag, 28. Mai, S. 3. Joachim Végh veröffentlicht im Anhang seines Zeitschriftenbeitrags den Text des Forderungskataloges der Pécser Bergarbeiter; vgl.Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 302 – 304. 13 Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43 (2479), Sonntag, 28. Mai, S. 3. 14 Oberstuhlrichter Forray berichtete auch dem Berghauptmann Kamill Kaufmann; vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 302. 15 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól, [Unzufriedene Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3.
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„richtet sich direkt an die ungarischen Arbeiter“.¹⁶ Forray befindet in seinem Bericht die Beschwerden der Bergarbeiter nicht beachtenswert und von Seiten der Bergbaugesellschaft nicht zu genehmigen, schreibt die Zeitung:¹⁷ „Sich auf seine mehrjährige Erfahrung und Gewissenhaftigkeit berufend, bittet er [Forray] den Vizegespan, zur Vermeidung größeren Ungemachs, dahingehend Einfluss zu nehmen, dass der Minister in einem dieser Bergbausiedlungen ein ständiger Gendarmerieposten eingerichtet wird.“¹⁸ Laut Pécsi Napló, leitet der Vizegespan den Bericht des Oberstuhlrichters zusammen mit dem Flugblatt an das Innenministerium weiter.¹⁹ 3. Juni 1893, Samstag Am Samstagabend versorgen sich die Bergarbeiter mit Lebensmitteln aus dem „Vitualienmagazin“ [sic!]²⁰, berichtet die Fünfkirchner Zeitung. 4. u. 5. Juni 1893, Samstag, Sonntag Die Bergarbeiter beratschlagen über ihre weitere Vorgehensweise.²¹ 4. Juni 1893, Sonntag Bergbauhauptmann Kamill Kaufmann reist im Auftrag des Ministerpräsidenten Weckerle nach Pécs, um die Lage zu eruieren. Er trifft sich mit dem Oberstuhlrichter Ivan von Forray und in den darauf folgenden Tagen auch Bergwerksdirektor Wiesner, Polizeihauptmann Lutz, Polizeichef Vaszary, Gespan Kardos und Vizegespan Szily.²² Kaufmann „verhört“ Bergleute beim Bezirks-Oberstuhlrichter. Bergverwalter Otto Werner besucht das Streikgebiet, um mit den Arbeiterführern zu verhandeln. Auch von Forray inspiziert Szabolcs. In Szabolcs wird Gendarmerie stationiert. Die Arbeiter verhalten sich ruhig. 150 Mann Infanterie rückt im Streikgebiet ein.²³ 5. Juni 1893, Montag Die Pécsi Közlöny datiert den Beginn des Streiks auf diesen Montag.²⁴
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Ebd. Vgl. ebd. Ebd. Ebd. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 46. (2482), Donnerstag, 8. Juni 1893, S. 4 – 5. Ebd. Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 299. Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 46. (2482), Donnerstag, 8. Juni 1893, S. 4 – 5. Vgl. Sztrájk, Pécsi Közlöny, Jhg. 1, Nr. 11, 1893, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4.
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Der Berichterstatter der Pécsi Napló schreibt, die Arbeiter hätten Montagnacht den Beschluss gefasst, am kommenden Tag zu streiken. Die Entscheidung sei nur vertrauenswürdigen Personen anvertraut worden, sodass nichts nach außen sickern konnte.²⁵ 6. Juni – 28. Juni 1893: 2. allgemeiner Pécser Bergarbeiterstreik Dieser Streik wird als der zweite bedeutende Bergarbeiterstreik von Pécs betrachtet.²⁶ 6. Juni 1893, Dienstag Beginn des Streiks in Szabolcs, Somogy und Vasas.²⁷ Der Bergmeister von Szabolcs stellt am Dienstagmorgen überrascht fest, schreibt die Pécsi Napló, dass die Bergleute die Eingänge des Bergwerks besetzt halten. Die Bergarbeiter wiesen jeden, der arbeiten wolle zurück. Lediglich die Lüftung und die Wasserpumpen der Bergwerke bleiben in Betrieb.²⁸ Die Angestellten der DDSG sind von der Arbeitsniederlegung der Bergleute überrascht, berichtet die Pécsi Figyelő. Der Plan der Streikwilligen konnte so geheim gehalten werden, dass noch Minuten vor Ausbruch des Streiks keine Hinweise nach außen gedrungen waren. Die Pécsi Figyelő erwähnt, dass die DDSG einen eigenen Werkschutz („privát policzia“²⁹) unterhält, die die Bergleute eigentlich genau im Auge behalten sollte.³⁰ Selbst die Pécsi Figyelő scheint vom Streikbeginn überrascht worden zu sein, da sie noch in ihrer Ausgabe vom 7. Juni Berichte anderer Zeitungen, denen nach es in den Pécser Bergarbeitersiedlungen gewalttätige Streikaktivitäten stattfanden mit
25 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 26 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 294. Végh konstatiert, dies sei der erste ausgedehnte Bergarbeiterstreik Ungarns gewesen; vgl. ebd. S. 295; vgl. Anon, A pécsi és baranyai kőszénbányákról, [Über die Pécser und Baranyaer Steinkohlebergwerke], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 165, Donnerstag, 23. Juli, S. 3 – 4. (Kurze Pécser Streikgeschichte.) Vgl. Szekeres, Kenyérért és szabadságért, 1955, S. 11 f; vgl.Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310; vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 157 f. 27 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4; vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 28 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 29 Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 30 Vgl. ebd.
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der Bemerkung spöttisch zurückwies, die Bergarbeiter würden doch im nördlich von Pécsbányatelep gelegenen Wäldchen feiern und Ballspiele veranstalten:³¹ „Von der Herkunft dieser Dynamit-Bombe verbreiten diese Blätter [‚die‘ Pécser Tageszeitung u. hauptstädtische Blätter], dass in der Pécser Bergbausiedlung StreikZwistigkeiten stattfinden und dass die Arbeiter sich bereits der Ruchlosigkeit hingegeben haben, dass sie mit Dynamitbomben herumwerfen, während sie im Gesztenyés-Wäldchen ein Fest abhalten und Ballspiele veranstalten.“³² Die Bergleute, die Dienstagnacht Schicht gehabt hätten, schreibt die Pécsi Figyelő drei Tage später, riefen ihre Kollegen aus den Schächten herauf und gaben ihnen zu verstehen, dass der, der es wagt die Arbeit aufzunehmen, mit seinem Leben spielt. Die meisten Arbeiter seien nicht bereit zu streiken, konstatiert die Pécsi Figyelő, aber da sie „terrorisiert“³³ werden, seien sie gezwungen mit den Streikenden zu gehen. Da die Vorbereitungen des Streiks so geheim gehalten werden konnten, dass die Verwaltung der Gesellschaft bis Minuten vor dem Ausbruch des Streiks keinen Wind davon bekam, seien diese sehr verblüfft gewesen, als sie sahen, dass der Streik ausgebrochen war.³⁴ Die aufgeregten Streikenden gehen in kleineren und größeren Gruppen in den Bergbausiedlungen auf und ab.³⁵ Um halb acht gehen Oberstuhlrichter Iván Forray und der Bergbauhauptmann Kamill Kaufmann nach Szabolcs-Bányatelep, um die Beschwerden der Arbeiter, die sie von der 10er Kommission der Bergleute überreicht bekamen zu besprechen. Sie ‚verhören‘ einige Bergleute einzeln. Der Oberstuhlrichter verspricht, sich um die arbeitsrechtlichen Beschwerden der Arbeiter zu kümmern. Er unterstreicht jedoch, dass die Forderung der Bergleute, nach mehr Lohn, eine Sache zwischen ihnen und der DDSG sei, da könne er sich nicht einmischen. Es wird ein Protokoll aufgenommen und der Richter mahnt die Arbeiter zu Besonnenheit.³⁶ Auch Bergverwalter Otto Werner geht ins Streikgebiet nach Szabolcs, um mit den „Arbeiterführern“³⁷ zu verhandeln. Er geht jedoch nicht direkt auf die Arbeiter zu, ist der Fünfkirchner Zeitung zu entnehmen, sondern trifft in Szabolcs Ober-
31 Vgl. Anon, Szunyogból (sic!) elefánt, [Aus einer Mücke einen Elefanten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 32 Ebd. 33 Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 34 Vgl. ebd. 35 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 36 Vgl. ebd. 37 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5.
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stuhlrichter Iván Forray und Bergbauhauptmann Kamill Kaufmann, die bereits dabei sind Arbeiter zu befragen.³⁸ Die Arbeiter sind mit dem Ergebnis des Gesprächs mit Forray und Kaufmann unzufrieden und wütend. Sie beschließen, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, bis ihre Löhne nicht erhöht werden. Sie bezichtigen ihre Vertreter, die 10er Kommission, sich bestechen lassen zu haben. Diese versuchen, die Streikenden davon zu überzeugen, wieder an die Arbeit zu gehen, bis die DDSG und die Behörden eine Antwort auf ihre Forderungen liefern werden. Die Arbeiter drohen, die Stollen zu sprengen, schreibt die Pécsi Napló. ³⁹ Die Aufgewühlte Menge wird durch den Einsatz von 25 Gendarmen unter Oberleutnant Lajos Körner aufgelöst und der Dynamit-Turm sowie das Maschinenhaus wird unter Bewachung gestellt.⁴⁰ Der Polizeihauptmann von Bányatelep István Lutz bittet um Unterstützung aus der Stadt, worauf eine Abteilung Polzisten und auch Gendarmerie in Pécsbányatelep stationiert werden.⁴¹ Von Szabolcs ziehen die streikenden Bergarbeiter in Massen nach Somogy und Vasas, wo die Arbeit nach ihrer Ankunft eingestellt wird. „In den Nachmittagsstunden wiederum verboten sie auch den Arbeitern in Pécsbányatelep die Arbeit, nachdem sie sie aufgehetzt haben.“⁴² Die Formulierung der Pécsi Napló klingt der der Fünfkirchner Zeitung ähnlich, als ob die Bergleute von Pécsbányatelep (Zwangschacht) vom Streik nicht überzeugt gewesen wären. Laut der Fünfkirchner Zeitung ⁴³ beginnt der Streik am Dienstag, den 6. Juni, am frühen Morgen im Heinrich Stollen in Szabolcs. Den Arbeitern der Andreas und der Schroll-Schacht in der „Colonie“ wird der Zugang zur Grube verwehrt. Nach kurzer Überredung schließen sich diese ebenfalls den Streikenden an.⁴⁴ Am Nachmittag treffen etwa 200 Bergleute aus Szabolcs in Pécsbányatelep ein. Von dort begeben sie sich zum Koch’schen Bergwerk, wo sie die dortigen Arbeiter auf dem Vorplatz der Stahlfabrik erwarten. Nachdem sie diese auch vom Streik überzeugt haben, ziehen sie zur Andreas-Schacht weiter. Hier versuchen sie angeblich sogar in die Grube hinabzusteigen, was jedoch der Polizeihauptmann der
38 Vgl. ebd. 39 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 40 Vgl. ebd. 41 Vgl. ebd. 42 Ebd. 43 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3. 44 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, Jhg 24, Nr. 49, 1893, Sonntag, 18. Juni, S. 2 – 3.
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Bergarbeiterkolonie István Lutz verhindert habe. Von hier gehen die Bergleute in großer Aufregung zum Schroll-Schacht weiter, wo sie ebenso wenig reingelassen werden. Hierauf versucht die Menge wieder zum Andreas-Schacht zurückzukehren, wird aber durch ein Militärkordon daran gehindert. Nun wollen sie auf die Arbeiter von der Schroll-Schacht warten, die um zehn Uhr heraufkommen würden. Polizeihauptmann Gyula Vaszary spricht mehrmals zu den Bergleuten „mit schönen und freundlichen Worten“, um sie zu beschwichtigen. Dass bereits um halb 10 kaum noch Bergleute vor dem Schroll-Schacht warten, ist nur teils sein Verdienst, denn auch der Regen trägt dazu bei, dass einige sich zurückziehen, stellt die Pécsi Napló fest.⁴⁵ In den Mittagsstunden beordert Vizegespan László Szily Militärkräfte in die Bergarbeitersiedlungen. Stuhlrichter Dr. Károly Seh und Infanteriemajor Vogel ziehen mit zwei Hundertschaften nach Szabolcs und Somogy und treffen noch am selben Nachmittag die notwendigen Sicherungsmaßnahmen, so die Pécsi Napló. ⁴⁶ Die gegen sechs Uhr in Szabolcs erschienenen Infanteristen besetzen sensible Orte und patrouillieren in der Siedlung.⁴⁷ Laut der Pécsi Figyelő erscheint um halb sieben am Abend auch ein halbes Bataillon in Kriegsmontur und scharfer Munition in der Bergarbeitersiedlung.⁴⁸ Auch Vizepolizeihauptmann Gyula Vaszary erscheint am Schauplatz des Streiks.⁴⁹ Alle Kneipen werden vorsichtshalber behördlich geschlossen, damit „das Volk nicht an alkoholische Getränke herankommen kann.“⁵⁰ Versammlungen werden verboten. „Es herrscht tatsächlich Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen.“⁵¹ Die DDSG entlässt einige der ausländischen Arbeiter, mit der Begründung, diese würden am meisten agitieren. Den anderen setzt die Gesellschaft das Ultimatum, binnen 48 Stunden die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Ausländer und Arbeiter
45 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 46 Vgl. ebd. 47 Vgl. ebd. 48 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya-telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 49 Vgl. ebd. 50 Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 51 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4.
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von außerhalb des Komitats würden abgeschoben werden, wenn sie nach Ablauf des Ultimatums nicht zur Arbeit erscheinen.⁵² Zunächst nehmen lediglich etwa 700 der insgesamt etwa 2.700 Arbeiter am Streik Teil. Bis zum Abend erreicht die Zahl der Streikenden jedoch 1.500, schreibt die Fünfkirchner Zeitung. ⁵³ 7. Juni 1893, Mittwoch Die Zahl der Streikenden steigt auf etwa 2.000, laut Fünfkirchner Zeitung sogar auf 2.200. Streikende Arbeiter aus Szabolcs gehen in die „Colonie“, um die Arbeiter der Schroll- und der Andreas-Schacht zu zwingen auch in den Streik zu treten. Vizestadthauptmann Stefan Lutz und der stellvertretende Oberstadthauptmann Julius Vaßary verhindern das Eindringen der Streikenden in die Bergwerke. Die streikenden Arbeiter werden vom Militär in ein ‚Kordon genommen‘, um zu verhindern, dass sie die anderen Gruben ebenfalls zum Streik bewegen. Hauptredner der stattfindenden, teils offenen und teils geheimen, Treffen der Bergarbeiter ist Pál Magyary, der ihre missliche Lage kritisiert und schnelle Abhilfe fordert:⁵⁴ „In der Somogyer Grube hält ein Arbeiter Namens Magyary Brandreden an die Arbeiter, deren Elend und Noth mit den bekannten Schlagwörtern schildernd, welche auf die Armuth lebenden Arbeiter ihre Wirkung nie verfehlen.“⁵⁵ Die Arbeiter versammeln sich am Vormittag im „Pipagyujtó csárda“ [Pfeifenzünder Gasthaus], um zu schwören, sich wenn es sein muss bis zum Tode an die Beschlüsse zu halten. „Eine unüberschaubare Masse, mehrere tausend Bergarbeiter und ihre Angehörigen, schwören auf den Zusammenhalt – Wehe den Verrätern!“⁵⁶ Diese Versammlung findet in Szabolcs statt, da die Polizei die Arbeitermenge nach Pécsbányatelep nicht vorrücken lässt und sie sogar bis zur Stadtgemarkung zurückdrängt. Demnach liegt das erwähnte Gastahaus in der nächstgelegenen Ortschaft.⁵⁷ Von Szabolcs zieht die Menge am Nachmittag in die Csonka’sche Gaststätte um. Hier versammeln sich an die 3.000 Menschen. Auch Oberstuhlrichter Seh erscheint. Dieser versucht die Leute zu besänftigen und dazu zu bewegen, wieder an die Ar-
52 Vgl. ebd. 53 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 46. (2482), Donnerstag, 8. Juni 1893, S. 4 – 5. 54 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. 55 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 46. (2482), Donnerstag, 8. Juni 1893, S. 4 – 5. 56 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 8. Juni, Nr. 130 (158), Donnerstag, S. 2 f. 57 Vgl. ebd.
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beit zu gehen. Schließlich droht er ihnen, wenn sie nicht binnen 48 Stunden an die Arbeit gehen, abgeschoben zu werden.⁵⁸ Den größeren Beifall erhält allerdings die Ansage eines Redners, es seien deutsche Arbeiter eingetroffen und diese hätten 10.000 Forint Streikgeld dabei. Mithilfe dieses Geldes müssten die Bergarbeiter den Streik nicht vorzeitig abbrechen.⁵⁹ Der Behauptung des Redners, beziehungsweise der Fünfkirchner Zeitung, widerspricht ein Beitrag der Pécsi Napló vom 8. Juni, in dem es heißt die deutschen Sozialisten aus Westfalen hätten lediglich 4.000 Forint Streikhilfe mitgebracht. Diese Informationen stammen, laut der Pécsi Napló, von Bergbauhauptmann Kamill Kaufmann, der bei der Verteilung des Geldes zugegen gewesen sein soll.⁶⁰ Unter den Bergleuten taucht der Gedanke auf, lieber nach Amerika auszuwandern, als weiterhin „die Hunde der Gesellschaft“ zu sein.⁶¹ Lediglich in der ehemals Prick’schen Grube – inzwischen „Zwangsschacht“ genannt – wird noch gearbeitet. Die hier arbeitenden 150 Bergleute gehören, in den Augen der Fünfkirchner Zeitung, nicht zum „dem Gros der Arbeiter“ aus den anderen Bergwerken, „sondern [sind] friedliebende Fünfkirchner Inwohner […], [die] mit den anderen Arbeitern nie gemeinsame Sache machten.“⁶² Den streikenden Arbeitern gelingt es, trotz Militärpräsenz, die Bergleute in der „Colonie“ zum Streik zu bewegen.⁶³ Die Fünfkirchner Zeitung führt aus, dass Bergwerksdirektor Raimund Wiesner, obwohl er krank im Bett lag, aufgestanden sei, um mit den Bergarbeitern direkt verhandeln zu können.⁶⁴ Die Pécsi Figyelő schreibt, Raimund Wiesner habe mehrere Schlichtungsversuche unternommen. Er habe sogar den Vorschlag unterbreitet, da die Gesellschaft selbst niemanden entlassen und völlig brotlos lassen wolle, es sollen sich ungefähr 200 Bergleute melden, die bereit wäre freiwillig zu gehen, um sich woanders bessere Arbeit zu suchen, damit die Situation der Hiergebliebenen verbessert werden könne.⁶⁵ Laut der Pécsi Napló, lässt Bergwerksdirektor Wiesner am Nachmittag in Pécsbányatelep deutschsprachige Plakate anbringen, auf denen er die Arbeiter von
58 Vgl. ebd. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd. 61 Vgl. ebd. 62 Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3. 63 Vgl. Anon, Strike, Fünfkirchner Zeitung. 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5. 64 Vgl. ebd. 65 Vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5.
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Pécsbányatelep darüber informiert, dass er zu ihrem Schutz militärische Hilfe angefordert habe. Es würden, so die Zeitung das Plakat paraphrasierend, fremde Elemente, die dortigen Arbeiter von ihrer Tätigkeit abhalten. Zum Schutz der Arbeiter und um die Ordnung aufrecht zu erhalten sei das Militär hinbeordert, sie hätten also nichts zu befürchten, wenn sie alsbald zur Arbeit zurückkehren.⁶⁶ Die Pécsi Figyelő erläutert, dass vor allem die Bergarbeiter unzufrieden sind, die durch die Übernahme der Koch’schen Bergwerke in Szabolcs, Somogy und Vasas durch die DDSG nun in deren Lohn und Brot stehen.⁶⁷ Sie verlangen auch den AchtStunden-Tag, wie die Bergleute in Pécsbányatelep. Der Beitrag präsentiert den werdenden Streik als ein in aller Ruhe vorbereitete Handlung der Bergarbeiter. Sie seien zwar von „fremden Arbeiterführern“⁶⁸ zum Streiken angeregt worden, hätten sich jedoch darauf geeinigt zwar eisern an ihren Forderungen festzuhalten, im Notfall auch zu streiken, aber dennoch alles im legalen Rahmen zu halten.⁶⁹ Die Pécsi Figyelő dementiert einen Bericht, der in einer Pécser Tageszeitung (womit nur die Pécsi Napló gemeint sein konnte) und auch in Budapester Zeitungen erschienen sein soll. In ihm sei von einer Bombe berichtet worden, der in einem Kohlewagen aus dem Pécser Kohlerevier, in dem gerade Streik-Unruhen stattfinden, nach Mohács gelangt sei und dort großen Schaden verursacht und einen Bergarbeiter schwer verletzt habe. Die Berichtigung der Sachlage besagt, dass der verletzte Bergarbeiter eine Dynamitkapsel, „kapszli“, unerlaubter Weise nachhause genommen habe und diese sei dort explodiert. Die „Bombe“ sei also lediglich eine nicht explodierte Warnknallkapsel, die die Bergarbeiter nutzen, um sich gegenseitig bei Gefahren zu warnen.⁷⁰ 8. Juni 1893, Donnerstag Der stellvertretende Polizeioberstadthauptmann Gyula Vaszary⁷¹ gibt im Namen Bergbauhauptmann Kamill Kaufmanns einen ultimativen Aufruf an die Bergar-
66 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3; vgl.Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 309. 67 Die nah bei Pécsbányatelep gelegenen Bergwerke des Pécser Bergwerksunternehmers Ferenc Koch wurde in den Jahren zwischen 1886 und 1893 teils an die DDSG verpachtet, teils verkauft. Vgl. Pálfy, Pécsbánya, in: Biró/Sallay/Szirtes (Hg.), Bányász Útikalaúz, 2010, S. 33 – 66, hier S. 54. 68 Anon, Bányászok elégedetlensége, [Unzufriedenheit der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap),1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 2. 69 Vgl. ebd. 70 Vgl. Anon, Szunyogból elefánt, [Aus einer Mücke einen Elefanten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. 71 In der Pécsi Napló wird der Name Vaszary Gyula, in der Fünfkirchner Zeitung Julius Vaßary geschrieben.
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beiter heraus. Die Kundmachung ist die Reaktion auf die erfolglosen Aufforderung der DDSG vom Vortag. Vaszary fordert die Arbeiter auf, den Dienst bis zum 10. Juni um 14 Uhr wieder aufzunehmen. Bergbauhauptmann Camil Kaufmann⁷² beruft sich dabei auf die Paragraphen 200, 202 und 204 des Bergbaugesetzes. Wonach die Streikenden, die der Aufforderung nicht Folge leisten, als entlassen betrachtet werden und somit am 12. Juni aus den Wohnungen der DDSG ausquartiert werden würden. Während die Pécsi Napló den Text der Kundmachung auf Ungarisch am 9. Juni publiziert, erscheint sie in der Fünfkirchner Zeitung in deutscher Sprache ganz formell und dick hervorgehoben erst am 11. Juni.⁷³ Kundmachung. Nachdem der von der Bergwerks-Direktion erlassene wohlmeinende Aufruf den gewünschten Erfolg nicht erzielt hat, so halte ich es für meine Pflicht, auf Grund der vom Herrn Berghauptmann Kamill Kaufmann, welcher von Sr. Excellenz dem Herrn k. u. Ministerpräsidenten entsendet wurde, an mich gerichteten Aufforderung, zum Schutze der persönlichen Sicherheit und des Eigenthums, überhaupt zur Aufrechterhaltung der Ordnung folgendes zur allgemeinen Kenntniß zu bringen: Mit Rücksicht des auf Grund der im Berggesetze sub 202 und 204 enthaltenen Bestimmungen, ferner des §200 des obenerwähnten Berggesetzes herausgegebenen Dienstordnung §11. Punkt 10., wonach alle jene Arbeiter, welche am 10-ten des laufenden Monates, d. i. Samstag Nachmittags bis 2 Uhr sich nicht zur Arbeit melden, als entlassen betrachtet werden und als solche am 12 Juni d. J. d. i. Montag aus den gesellschaftlichen Wohnungen auszuziehen verpflichtet sind. Es wird demnach Jeder aufgefordert, dem Gesetze, beziehungsweise den auf Grund desselben erfolgten Anordnungen der Bergwerks-Direktion um so pünktlicher Folge leisten, da widrigenfalls die sich zur Arbeit nicht Meldenden, wenn dieselben nicht nach Fünfkirchen zuständig sind und nicht ausweisen können, daß sie eine ständige Beschäftigung haben, wovon sie sich erhalten, als beschäftigungslose nach ihrem Inständigkeitsort verwiesen werden. Julius Vaßary. St. Oberstadthauptmann.⁷⁴
72 Kaufmann wird in den Blättern mal Camill, mal Kamill geschrieben. 73 Vgl. Anon, Was wird geschehen? Fünfkirchner Zeitung. 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. – Saját kiküldött tudósítonktól, [Der Streik der Bergarbeiter. – Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 2 f; vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 309. 74 Anon, Was wird geschehen? Fünfkirchner Zeitung. 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4.
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Der Aufruf wurde laut der Pécsi Figyelő in Form riesiger ungarisch- und deutschsprachiger Aushänge angeklebt.⁷⁵ Das Gerücht, dass die Streikenden finanzielle Hilfe aus Deutschland erhalten haben sollen, wird inzwischen, laut der Pécsi Napló und der Fünfkirchner Zeitung, sogar von Bergleuten dementiert.⁷⁶ 9. Juni 1893, Freitag Noch am Freitagmorgen seien große Gruppen von Arbeitern aus Somogy und Vasas nach Szabolcs geströmt um sich auf dem Platz oberhalb der Kirche zu beraten, berichtet die Pécsi Figyelő. Was bei diesen Beratungen beschlossen wurde, sei nur zu erahnen, da – wie die Zeitung schon erwähnt habe – das Volk ungewöhnlich Verschwiegen sei.⁷⁷ Auch der Bergwerksdirektor und Berghauptmann Kaufmann begeben sich am Freitagmorgen unter die Bergleute und werden von diesen mit großem Applaus empfangen. Die Verständigeren hörten dem Direktor zu. Dieser verkündet, dass die Gesellschaft damit einverstanden sei, dass jene, die mehr arbeiten wollen als bisher die Schichteinteilungen es zuließen, es tun können und dass sie so auch mehr verdienen werden. Als die Anführer mit dem Direktor beinahe einig werden, bemerkt die Menge wie nachgiebig der Direktor ist und macht die gesamte Verhandlung mit großem Geschrei zunichte. Anschließend löst sich die Menge auf, ohne eine Vereinbarung zustande gebracht zu haben.⁷⁸ Die Pécsi Figyelő nennt an dieser Stelle fälschlicher Weise den ehemaligen Bergwerksdirektor Bernhard Maas und verwendet den Vornamen Emil für den Berghauptmann Kamil Kaufmann.⁷⁹ Die Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) berichtet, dass am Freitag die Stadt- und Komitatsbehörden im Namen des königlich ungarischen Bergbauhauptmann Emil Kaufmanns, riesige ungarisch- und deutschsprachige Aushänge ankleben ließen, auf denen Kund getan wird, dass nachdem alle wohlgemeinten Aufrufe nicht fruchteten, zum Schutze von Vermögen und der öffentlichen Ruhe, den diesbezüglichen Bergbaugesetzen entsprechend, alle Arbeiter, die bis Samstag den 10. des laufenden Monats zwei Uhr sich nicht zur Arbeit melden, sich als entlassen be-
75 Vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 76 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. – Saját kiküldött tudósítonktól, [Der Streik der Bergarbeiter. – Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131, Freitag, 9. Juni, S. 2 f; vgl. Anon, Keine sozialistische Bewegung, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4 – 5. 77 Anon, Ostromállapot a bánya telepen, [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd.
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trachten sollen. All diese hätten bis zum Montag um 12 Uhr ihre Wohnungen zu räumen. Des Weiteren werden alle Streikenden, die nicht aus Pécs oder Baranya stammen und nicht nachweisen können wie sie ohne Wohnung ihren Lebensunterhalt bestreiten, als Arbeitslose in ihre Herkunftsorte verwiesen werden.⁸⁰ Die Delegation der Streikenden, bestehend aus den Bergleuten József Bernát, Valentin Rudrecht und Mihály Horváth, trifft Politiker in Budapest: „Die Deputation der Strikenden wurde von Statssekretär Graf Julius Andrássy empfangen. […] Dieselbe Deputation spricht am Nachmittag auch bei Handelsminister Bela Lukacs vor.“⁸¹ Da sie aber im Sinne der Streikenden nicht erfolgreich war: „Der Streik dauert an.“⁸² Weiteres Militär erscheint in Pécs.⁸³ Der Berichterstatter mit dem Kürzel O. besucht das „Zentrum“ des Streiks Szabolcs, berührt auf seinem Weg auch Pécsbányatelep und gibt in seinem Bericht einen kurzen Einblick in die Atmosphäre der beiden Ortschaften:⁸⁴ „In Pécsbányatelep sind die Straßen leergefegt, es herrscht Stille überall. Die Frauen und Kinder beäugen mit ängstlichen Blicken die patrouillierenden Soldaten. Sie vermuten in den sich nach hierher verirrten Neugierigen und in den Reportern gleicher Weise Feinde.“⁸⁵ Berichterstatter O. versucht sich in Szabolcs unter das Volks zu mischen, um direkt aus seinem Munde die Gründe für den Streik zu erfahren. Leider schlägt der Versuch fehl, da die Streikenden dem Journalisten misstrauen und nur wenig preisgeben.⁸⁶ Die Fünfkirchner Zeitung beschreibt die verlassenen Bergarbeitersiedlungen als trostlose, verregnete Plätze, in denen die Frauen dennoch auf der Straße zusammenkommen: Nur die Frauen der Grubenarbeiter bewohnen die Arbeitshäuser mit ihren Kindern, in den Gassen trotz strömenden Regens Gruppen bildend, und das Tagesereigniß besprechend. Angst und Sorge wiederspiegeln sich auf ihrem Antlitze, und Muthlosigkeit beherrsch ihr Gemüth.
80 Vgl. ebd. 81 Anon, Die Streikenden beim Minister, (Telegramme) Fünfkirchner Zeitung. Jhg. 24, Nr. 47, 1893 Sonntag, 11. Juni, S. 5. 82 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. 83 Vgl. ebd. Laut Szita befanden sich am 9. Juni bereits zwei Militärbataillons (840 Soldaten), 35 Gendarmen und vier Polizeiabschnitte in Szabolcs und Umgebung.Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyaipécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 157. 84 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 85 Ebd. 86 Vgl. ebd.
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Sie fühlen es, und wissen es, daß dieser gewaltsamen Schritt ihrer Männer keinen guten Erfolg haben kann, und es machen sich auch die Gewissensbisse geltend, denn wie stets haben auch jetzt die Frauen mit dazu beigetragen, daß sich ihre Männer dem Strike angeschlossen haben.⁸⁷
Die Budapester Zeitung Népszava ruft die „Genossen“ auf, für die streikenden Pécser Bergleute zu spenden. „Genossen, auf zur Sammlung und zum Spenden! Schon die kleinste Spende lindert Elend, trocknet Tränen!“⁸⁸ Die Népszava veröffentlicht das Protokoll der Bergleute vom 24. Mai 1893 mit seinen 13 Forderungen im genauen Wortlaut. Der Text ist dem Leitartikel Mit dem Titel „3.000 Bergarbeiter in Streik“⁸⁹ anhängig. 10. Juni 1893, Samstag In Pécsbányatelep haben vier Kompanien Infanterie das Gasthaus des Herrn Kernreuter als Hauptquartier gewählt. Die Soldaten können sich dort nach getanem Dienst im großen Speise- und Tanzsaal auf Stroh ausruhen.⁹⁰ Die Fünfkirchner Zeitung bedauert den Oberstuhlrichter, der trotz des schlechten Wetters und der schlechten Straßenbedingungen nach Szabolcs gehen muss: Die Szabolcser Grube ist an der Manfaer Landstraße gelegen, doch zur Gemeinde selbst führt ein so miserabler Weg, daß der Oberstuhlrichter zu bedauern ist, der tagtäglich über diese fast unfahrbare Gemeindestraße fahren muß, um nachzusehen, was es Neues gebe. Im Dorfe selbst muß man bis zu den Knien im Kothe waten, und dennoch bevölkern die Straßen die vielenvielen Arbeiter, die den ankommenden Fremden unterthänigst begrüßen, von jedem Fremden Hilfe in der Noth erwartend, und nach jeder neuen Enttäuschung und große Niedergeschlagenheit zur Schau tragen.⁹¹
Das Militär bewacht elementare Einrichtungen der Bergwerke und versucht die Mobilität der Bergleute von Ortschaft zu Ortschaft zu kontrollieren. Die Streikenden versammeln sich in Szabolcs. Ihre in den anderen Kolonien zurückgebliebenen Frauen versammeln sich, um die Lage zu besprechen. Sie haben Angst vor der ei-
87 Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 88 Anon, Elvtársak! [Genossen!] Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 23, Freitag, 9. Juni, S. 1. Neben dem Aufruf erscheint auch ein langer Leitartikel mit dem Titel 3.000 Bergarbeiter in Streik; vgl. Anon, 3.000 bányász sztrájkban, [3.000 Bergarbeiter in Streik], Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 23, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 4. 89 Anon, 3.000 bányász sztrájkban, [3.000 Bergarbeiter in Streik], Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 23, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 4. 90 Vgl. Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 91 Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4.
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Abb. 10: Protokoll der Forderungen der Pécser Bergarbeiter im Wortlaut. In: Anon,: 3.000 bányász sztrájkban, [3.000 Bergarbeiter in Streik],Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 23, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 4, hier S. 2 – 4.
genen Courage, mit der sie ihre Männer ermuntert haben zu streiken, so die Fünfkirchner Zeitung. ⁹² Eine Hundertschaft der Infanterie nimmt sich mit vorgehaltenen Bajonetten das Schulgebäude in Szabolcs als Unterkunft.⁹³
92 Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 47, 1893 Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 93 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4; vgl. Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1.
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In Pécsbányatelep verkündet das städtische Polizeikommissariat, in Szabolcs, Vasas und Somogy das zuständige Oberstuhlgericht, das Ultimatum an die Streikenden, bis zum 12. Juni 14 Uhr an wieder an die Arbeit zu gehen.⁹⁴ Die streikenden Arbeiter haben sich bei Szabolcser Bewohnern einquartiert und werden von diesen als Gäste behandelt, damit sie nicht als Landstreicher aus dem Dorf ausgewiesen werden können. Sie versammeln sich bewusst an einem Ort, um von den Behörden und von der DDSG nicht manipuliert, auseinanderdividiert werden zu können, so die Fünfkirchner Zeitung. ⁹⁵ Die Frauen der Arbeiter seien streng darauf bedacht, berichtet die Pécsi Figyelő, nicht dass einer der Männer versehentlich zuhause bleibt. Einer, der sich verspätet hatte, hätten plötzlich einige Frauen umringt, trieben ihn aus seiner Wohnung und begleiteten ihn unter Drohungen ins Tal nach Szabolcs zu seinen Kameraden.⁹⁶ Im Csonka’schen Gasthaus in Szabolcs sind nicht nur Arbeiter und Arbeiterführer, wie Venzel Szabó versammelt, sondern auch Zeitungsberichterstatter, berichtet die Fünfkirchner Zeitung. ⁹⁷ Die Fünfkirchner Zeitung postuliert, die ungarischen Arbeiter könnten die Ausländer nach Szabolcs gelockt haben, damit diese von den Behörden abgeschoben werden, um so an deren Arbeitsplätze zu gelangen.⁹⁸ Die DDSG unternimmt einen Versuch, den Streik zu beenden, indem sie einen Lohnerhöhungsvorschlag von 1 Ft 75 Kr anbietet, mutmaßt die Pécsi Közlöny. ⁹⁹ Laut dem Berichterstatter der Pécsi Közlöny haben sich bereits 104 Arbeiter in Pécsbányatelep wieder bei ihrer Arbeitsstelle gemeldet.¹⁰⁰
94 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 95 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 47, 1893 Sonntag, 11. Juni S. 4. 96 Vgl. Anon, Ostromállapot a bányatelepen, [Belagerungszustand in der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. 97 Vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893 Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4. László Szita schreibt, dass am 10. Juni der Sekretär der Pécser Organisation József Szabó eine Sitzung der Parteiführung einberufen habe, um die Unterstützung des Bergarbeiterstreiks zu organisieren. Sie baten die Arbeiterkrankenkasse und andere Arbeitervereine, die Streikkasse der Bergarbeiter finanziell zu unterstützen. Laut Polizeiermittlungen kam dabei so viel Geld zusammen, dass ein einwöchiger Streik und eine weitere Reise der Arbeiterdelegation nach Wien zur Generaldirektion der DDSG finanziert werden konnte. Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 159. 98 Anon, Keine sozialistische Bewegung, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4 – 5 99 Vgl. Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. 100 Vgl. ebd.
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Die Pécsi Figyelő nennt fälschlicher Weise Bernhard Maas als Bergbaudirektor. Dieser wurde jedoch bereits im Jahre 1892 von Raimund Wiesner abgelöst.¹⁰¹ 11. Juni 1893, Sonntag Laut dem Bericht der Pécsi Napló vom 16. Juni, übergab eine Gruppe „hochgestellter Persönlichkeiten“ von Szabolcs dem Vizegespan Szily eine Bittschrift, worin sie ihre Sorge um die Sicherheit von Personen und Vermögen in ihrem Dorf ausdrücken und den Vizegespan bitten, Szabolcs von den „nicht einheimischen Bergleuten“ zu befreien. Das Blatt druckt die Bittschrift im Wortlaut, mit den Namen der Unterzeichnenden ab.¹⁰² Vizegespan Szily richtet einen Aufruf an die Bergarbeiter, in dem er diesen mit rechtlichen Konsequenzen droht, wenn sie Gewalt oder Drohung gegen andere anwenden.¹⁰³ Bergwerksdirektor Raimund Wiesner veröffentlicht eine Kundmachung an die Bergarbeiter, in denen er sie auffordert zur Arbeit zurückzukehren. Er verspricht darin, sich anschließend mit den Beschwerden der Arbeiter zu befassen.¹⁰⁴ Er kündigt an, die Mieten für die Arbeiter sofort herabzusetzen. Für die, die nicht wieder bei der Arbeit erscheinen, setzt er ein Ultimatum.¹⁰⁵ Die Kundmachung erscheint in deutscher Sprache in der Fünfkirchner Zeitung. Diese hebt den Text hervor, während die Pécsi Napló den ungarischen Text in den Beitrag einbettet.¹⁰⁶ Die Pécsi Figyelő gibt an, sichere Informationen darüber zu haben, dass an diesem Sonntag im Pécser Arbeiterkrankenversicherungsverein für die Streikenden Geld gesammelt wurde. Der Verein betrachtet die Zeitung als eine „Brutstätte des aus dem Ausland eingeschleppten Sozialismus“, dem vor allem die aus dem Ausland eingewanderten Arbeiter anhängen.¹⁰⁷ 12. Juni 1893, Montag Um 6 Uhr meldeten sich 150 Bergleute wieder zur Arbeit, so die Fünfkirchner Zei-
101 Vgl. Anon, A bányamunkások, [Die Bergarbeiter], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 80, Samstag, 5. Dezember, S. 4; vgl. Károly Déry, Magyar Bánya-Kalauz. Ungarisches Montanhandbuch, Wien 1888, S. 24. 102 Anon, A hatóság és sztrájk, [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. 103 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 310. 104 Vgl. ebd. S. 309. 105 Anon, Strike Bouilletins, [sic!] Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 106 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2. 107 Vgl. Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet, [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 3.
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tung. Diese seien, so die Zeitung, einzeln [heimlich] nach Pécsbányatelep gegangen.¹⁰⁸ Gegen 10 Uhr treffen Obergespan Koloman von Kardos, Vizegespan Ladislaus von Szily bei Oberstuhlrichter Ivan von Forray in Szabolcs ein, um sich über die Lage zu informieren und Vorbereitungen zu treffen, berichtet die Fünfkirchner Zeitung. ¹⁰⁹ 14 Uhr.¹¹⁰ Gewaltsame Räumung der Ortschaft Szabolcs. Husaren, Infanterie und Gendarmerie greifen die etwa 800-köpfige Menge der Streikenden im Ortskern mit großer Wucht an. Die Fünfkirchner Zeitung titelt einen der Unterkapitel ihres Langen Streik-Beitrags: „der blutige Montag“.¹¹¹ Die Räumung von Szabolcs findet im strömenden Regen statt.¹¹² Der Regen und die schlammigen Wege werden immer wieder erwähnt. Schlechtwetterphänomene verwenden die Zeitungen immer wieder als Metaphern: „Die Wetterwolken entladen sich, wenn die Arbeiterführer zu Arbeiterverführern werden, wenn die idealen Entwicklungsziele verdunkelt und die Wege zur Heilung und zum Heil verschüttet werden.“¹¹³ Der starke Regen während der Streiktage erzeugt eine düstere Atmosphäre.¹¹⁴ In diesen Jahren sind die Auswirkungen der sogenannten kleinen Eiszeit, insbesondere die Nachwirkungen der Eruption des Krakatau Vulkans von 1878 noch spürbar.¹¹⁵ Der „blutige Montag“¹¹⁶, an dem die Behörden in Szabolcs hart durchgriffen, schildern die Zeitungen auf unterschiedlichen Weisen:
108 Vgl. Anon, Strike Bouilletins [sic!] Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 109 Vgl. ebd. 110 Vgl. ebd. 111 Ebd. 112 Vgl. ebd. 113 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46 (2482), Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2. 114 Vgl. Anon, In der Colonie, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4; vgl. Anon, In Szabolcs, Fünfkirchner Zeitung, 1893 Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni S. 4; vgl. Anon, Strike Bouilletins. Der blutige Montag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4; vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. 115 Vgl. Brian Fagan, The Little Ice Age. How Climate Made History, 1300 – 1850, New York 2002; vgl. Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München 2015. 116 Anon, Strike Bouilletins, [sic!] Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 48, 1893, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3.
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Etwa 800 Mann Strikende hatten sich gegenüber dem Pfarrgebäude auf einem schmalen Wege in einem engen Winkel aufgestellt, welcher von der Fahrstraße durch einen Graben, und eine Baumreihe abgetrennt ist. Im Hintergrunde ist ein Zaum errichtet, hinter welchem auf einer beträchtlichen Anhöhe ein kleines Bauernhaus hingebaut ist. Die Strikenden vermeinten sich in einer Position zu befinden, zu welcher die Cavallerie nicht zu kann. Sie rechneten aber eben nicht mit der Geschicklichkeit unserer Hußaren, die kein Hinderniß kennen dürfen, wenn es sich darum handelt, die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen, oder aber den Feind zu bekämpfen.¹¹⁷
Die Pécsi Napló beschreibt die Situation vor dem Pfarrhaus auf andere Weise: Ein Teil der Arbeiter hat sich in die Häuser zurückgezogen, um sich in den Ställen, Kellern und auf dem Dachstuhl zu verstecken. Eine an die 600 Menschen große Menge stand auf dem Platz vor dem Pfarrhaus. Sie waren umgeben von Frauen und Kindern. Unter ihnen befanden sich auch die Mitglieder der 10er Kommission, an ihrer Spitze Venczel Szabó, der Streikanführer, der wie eine wildgewordene Bestie aus vollen Hals brüllte: Halten wir zusammen! Lassen wir uns nicht! Gehen wir lieber unter!¹¹⁸
Der Berichterstatter der Fünfkirchner Zeitung erzählt aus der Ich-Perspektive von seiner Ankunft im Streikgebiet und die dort herrschende Überwachung durch das Militär: Um ¾ 2 Uhr von der Luft-Kolonie kommend waren bereits alle Zugänge durch das Militär besetzt und hatte ich bereits mit noch zwei Herren die Bahnlinie passirt, als uns ein Hußaren Korporal nachjagte und uns anschrie: vissza uraim, men szabad bemenni. [Zurück meine Herren, man darf nicht hineingehen.] Auf meine Erwiederung [sic!] daß Berichterstatter sei, forderte er meine Legitimation, der Zufall wollte es, daß ich mich legitimiren konnte, und passiren durfte.¹¹⁹
Der Berichterstatter der Fünfkirchner Zeitung beschreibt die Atmosphäre während der Husarenattacke so: „Der Anblick war ein herzerschütternder. Wie die weinenden Weiber mit ihren Kindern auf den Anhöhen herumlagen, Flüche derbster Art ausstießen – unsere Männer werden jetzt alle erschossen ‚gehen sie nicht hin‘.“¹²⁰ Die Pécsi Napló berichtet detailliert über den „blutigen Montag“ – ohne jedoch diesen Begriff zu verwenden. Die Räumung erfolgt, laut Pécsi Napló, auf Wunsch
117 Ebd. 118 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 119 Anon, Die Schlacht in Szabolcs. Strike Bouilletins, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 120 Ebd.
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einer Gruppe Szabolcser Bürger, die diesbezüglich eine Petition an Vizegespan Szily gerichtet hätten.¹²¹Der Berichterstatter beschreibt mit plastischen und dramatischen Worten das Geschehen: Jedes Haus musste mit einem Sturmangriff genommen werden. Die Türen und Fenster wurden eingeschlagen. Die Keller, Dachböden, Scheunen, Ställe wurden durchsucht und die dort entdeckten fremden Arbeiter wurden herausgezerrt, die Widerständigen wurden kräftig grün und blau geschlagen. Auf der Straße wurden die Gefangenen von den Bajonetten der Infanterie abgeführt. Kaum war das erste Haus evakuiert, liefen die Frauen auf die Straße und kreischten schrecklich, rangen ihre Hände, rauften sich die Haare und beschimpften den Hauptstuhlrichter und die Herren mit abscheulichen Flüchen. Die vor der Pfarrei versammelte Masse wurde durch dieses Wehklagen angestachelt: – Fangt den Stuhlrichter! Erschlägt ihn! – Eine das Firmament erschütterndes Gegröle brach aus. Hierauf gingen die Gendarmen mit vorgehaltenen Bajonetten gegen die Menge vor und drängten sie in ein Haus. Unter dem Kommando von Husarenoberleutnant Kálmán Géchy machten auch die Reiter einen Vorstoß. Die Streikenden brachen die Latten aus dem, auf der anderen Seite des Wassers verlaufenden, Zaun heraus, flüchteten auf den Hügel, glaubend, dass die Reiter sie, wegen der sich neben dem Wasser wuchernden Gestrüpp, dorthin nicht verfolgen können. Das Ganze war lediglich das Werk eines Augenblicks. Die Husaren schnitten mit ihren blanken Schwertern die Zweige der Weiden ab, sprengten über den ruinierten Zaun und stürzten sich auf die Menge. Das verzweifelte Wehgeschrei, das markerschütternde Gebrüll war entsetzlich! Von oben her die Gendarmen mit ihren Gewehrkolben, von unten die Husaren mit ihren Säbelflanken drängten innerhalb von Augenblicken die erschrockene Menge aus dem Dorf. Vom großen Ungemach entsetzt, rettete sich jeder wohin er nur konnte. Das Kommando unter den Arbeitern lautete: Wir treffen uns bei der ‚Nefelejts‘-Tscharda!¹²²
Bei dem Einsatz der Behörden werden die Häuser, die für die Streikenden als Unterschlupf dienen, gestürmt; die Bergleute werden mit Gewehrkolben malträtiert, an den Haaren gezogen, mit Bajonetten bedroht, durch Stock und Stein gejagt und mit den Flanken der Husarensäbel geprügelt. Der Einsatz der Gendarmerie, der Infanterie und der Husaren fordert acht zum Teil schwer verletzte unter den Arbeitern.¹²³ Die Pécsi Figyelő erwähnt, dass die Husaren, die beim Einsatz in Szabolcs die Attacke gegen die Streikenden ritten, bereits am Samstag aus Mohács angefordert
121 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 122 Ebd. 123 Vgl. ebd. Joachim Végh berichtet, dass zwei der schwer verletzten Arbeiter im Karnkenhaus gestorben seien und ein toter Arbeiter im Wald gefunden worden sei. Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 300.
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worden seien. sie berichtet von neun schwer verletzten Bergleuten aber auch von leicht Verletzten unter den Gendarmen.¹²⁴ Im offiziellen Bericht des Berghauptmanns Kamill Kaufmann über den Streik, wird die Räumung von Szabolcs mit nur wenigen Worten abgehandelt: „Die Behörden haben bis etwa vier Uhr gewartet, ob sie sich die Sache überlegen, da dies aber nicht geschehen ist, wurde das ganze wütende und aufgeregte Arbeiterheer mit Waffengewalt aus der Gemeinde Szabolcs hinausgejagt.“¹²⁵ Nach einer Pause im Anschluss an die Räumung von Szabolcs, schreibt die Fünfkirchner Zeitung, wird die Hausdurchsuchung fortgesetzt. Als ein Hausbesitzer, Julius Szolya sich weigerte, die Soldaten einzulassen, traten diese die Türe seines Hauses kurzerhand ein.¹²⁶ Die Gendarmerie ergreift die sich in den Häusern versteckenden Bergleute und eskortiert diese bis zum Ortsrand von Szabolcs, berichtet die Pécsi Napló. ¹²⁷ Die Mitglieder der 10er Kommission werden gefangen genommen und auf dem Platz vor dem Pfarrhaus zweierweise in Eisen geschlagen. 26 Gendarmen geleiten die Gefangenen nach Pécs zur königlichen Staatsanwaltschaft. Der Zug wird von lautem Gejammer und Geschluchzte der Frauen und Kinder begleitet. Die Soldaten drängen den Menschenauflauf jedoch zurück.¹²⁸ Laut Pécsi Napló ist nachmittags um sechs Uhr im Dorf wieder Ruhe eingekehrt.¹²⁹ Das städtische Publikum diskutiert aufgeregt die Ereignisse und die die noch kommen mögen. Die Pécsi Napló schreibt: „Auf den Straßen, in den Gasthäusern und in den Kaffeehäusern unterhält man sich über die blutigen Ereignisse des Tages.“¹³⁰ 13. Juni 1893, Dienstag In der Nacht des 13. Juni überfallen streikende Bergarbeiter 150 Streikbrecher vor
124 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepeken, [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5. 125 Vgl. Bericht des Bergbauhauptmanns Kamill Kaufmann über den Bergarbeiterstreik von 1893, in: Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 306. 126 Vgl. Anon, Strike Bouilletins, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. 127 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergleute. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3. 128 Vgl. ebd. 129 Vgl. ebd. 130 Ebd.
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dem Prick’schen Bergwerk, welche dann von einer Husarenpatrouille gerettet werden.¹³¹ Kamill Kaufmann empfängt einzelne Bergarbeiter, mahnt sie, die Arbeit wieder aufzunehmen und stellt in Aussicht, dass die Bergwerksdirektion berechtigte Forderungen ihres Protokolls prüfen wird. Berghauptmann Kaufmann reist zurück nach Budapest.¹³² Amnestieversprechen der Behörden an die Arbeitgeber, bei Beendigung des Streiks. Beginn der Durchsuchungen der Häuser durch das Militär und Ende der Niederschlagung des Streiks.¹³³ Hunderte von Arbeitern flüchten nach der Auflösung des Streiks nach Mánfa.¹³⁴ Einige begeben sich auch in die Stadt Pécs, wo sie weiter unter polizeilicher Beobachtung stehen.¹³⁵ Laut Pécsi Napló kampieren an die 1.000 Bergleute im Wald von Mánfa unter freiem Himmel. An die 500 sind nach Pécs gegangen, wo sie sich ziellos herumtreiben. In Szabolcs, Somogy und Vasas ruht die Arbeit, während in Pécsbányatelep bereits einige sich wieder zur Arbeit gemeldet hätten.¹³⁶ Am Dienstagmorgen nehmen, anderen folgend, weitere 112 und am Nachmittag nochmal 248 Bergleute die Arbeit wieder auf.¹³⁷ Von ähnlichen Zahlen berichtet auch die Pécsi Figyelő, die auch hervorhebt, dass sogar Arbeiter der Schroll- und Andreasschacht, wo die Arbeit zuerst niedergelegt worden sei, wieder in den Dienst getreten seien.¹³⁸ 14. Juni 1893, Mittwoch Der Zusammenhalt unter den Bergarbeitern zerfällt, konstatiert die Pécsi Napló; etliche nehmen die Arbeit wieder auf.¹³⁹
131 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 160. 132 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 306. 133 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 159. 134 Die nördlich von Mecsekszabolcs liegende Städtchen Mánfa ist die nächstgelegene Ortschaft außerhalb des Pécser Gemeindebezirks aber noch innerhalb des Komitats Baranya. 135 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergarbeiter], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 4. 136 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2. 137 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 4. 138 Vgl. Anon, Ostromállapot a bánya telepeken, [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5. 139 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter.Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3.
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Die Gendarmerie nimmt den „Gewerkschufter“ Vinzenz Szabó fest. Er wurde bei der Verteilung anarchistischer Zeitungen und Flugblätter ertappt. Darüber hinaus beschimpfte er das Militär.¹⁴⁰ Im Verhör des Streikführers Venczel Szabó¹⁴¹ durch einen Gendarmen-Oberleutnant lüftet sich der „Schleier […] und allmählich treten die Figuren und Umstände in den Vordergrund, die den Streik angeleiert haben.“¹⁴² Es soll neben anderen ein „notorischer Sozialdemokrat“ unter den Agitatoren sein, dessen Namen die Pécsi Napló zwar nicht kennt, dafür aber angeblich die Polizei. Laut Beschreibung der verhörten Gefangenen, habe der Beschuldigte einen krummen Hals, roten Schnurrbart und einen roten Bart.¹⁴³ Bergwerksdirektor Wiesner schickt ein Fernschreiben an die Berghauptmannschaft Budapest, worin er die Lage in der Bergwerksregion als sich allmählich normalisierend beschreibt.¹⁴⁴ 15.–16. Juni 1893 Die Anführer der Bewegung sind endgültig geschwächt, Verhaftung weiterer Schlüsselfiguren.¹⁴⁵ 16. Juni 1893, Freitag Der Großteil der Bergarbeiter nimmt die Arbeit wieder auf.¹⁴⁶ 17. Juni 1893, Samstag Die Hälfte der Arbeiterschaft erscheint erneut nicht zur Arbeit.¹⁴⁷
140 Vgl. Anon, Anarchistische Broschuren. – Neue Verhaftungen, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 3. 141 Es scheint sich um dieselbe Person zu handeln, der in der Fünfkirchner Zeitung Vinzenz genannt wurde. 142 Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól, [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. 143 Vgl. ebd. 144 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 310. 145 Vgl. Anon, Anarchistische Broschuren. – Neue Verhaftungen, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 3. 146 Anon, A sztrájk vége, [Das Ende des Streiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 3; vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 160. 147 Anon, A sztrájk vége, [Das Ende des Streiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 3.
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Die 17 während des Streiks verhafteten Arbeiter werden von der Pécser königlichen Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt, schreibt die Pécsi Figyelő. Die Anklagen wegen Hausfriedensbruchs gegen sie bestehen weiter.¹⁴⁸ 18. Juni, 1893, Sonntag Die Pécsi Közlöny berichtet von fremden Agitatoren, die vor, oder während der Streiktage nach Szabolcs reisten, um die Bergarbeiter anzustacheln. Die Polizei, so die Zeitung, wusste von deren Ankunft, diese Stiegen jedoch in der Station von Szentlőrinc, statt in Pécs aus und entkamen so der Verhaftung.¹⁴⁹ Die Fünfkirchner Zeitung wirft den oppositionellen Zeitungen von Budapest falsch über den Streik in Pécs zu berichten. Die Fünfkirchner Zeitung nennt hierbei die Budapesti Hírlap, Magyar Hírlap, Budapester Tagblatt und hebt die Pesti Napló besonders hervor: Die Budapester oppositionellen Blätter widersprechen in ihren eigenen Leitartikeln den übereinstimmenden objektiven Berichten, welche sie über die Vorkommnisse gelegentlich des Strikes veröffentlichten, indem sie der Behörde den Vorwurf machen, daß sie die Arbeiter zur Aufnahme der Arbeit zwingen wollten. das ich einfach nicht wahr, und wenn die Budapester Blätter ‚Budapesti Hirlap‘, Magyar Hirlap, ‚Budapester Tagblatt‘ ihre eigenen Berichte lesen werden, dann werden sie es sehen, daß ihre Anklagepunkte aus der Luft gegriffen sind. Von den zumeist verdrehten, den Thatsachen nicht entsprechenden, übertriebenen Berichten der ‚Pesti Napló‘ wollen wir hier gar nicht reden.¹⁵⁰
Die verhafteten Bergleute werden freigelassen.¹⁵¹ Unternehmer und Händler aus Pécs lassen vier Wagenladungen Brot in die Bergarbeitersiedlungen liefern, um die Lage der Bewohner zu verbessern.¹⁵² 19. Juni 1893, Montag Auch die restlichen, in den Bergarbeitersiedlungen stationierten Soldaten ziehen sich nach Pécs zurück, schreibt die Pécsi Figyelő. ¹⁵³
148 Vgl. Anon, A bányász sztrájk vége, [Das Ende des Bergarbeiterstreiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 3. 149 Vgl. Anon, Bányászok sztrájkja, [Streik der Bergleute], Pécsi Közlöny, Jhg. 1, Nr. 12, 1893, Sonntag, 18. Juni, S. 4. 150 Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, Sonntag, 18. Juni, S. 2 – 3. 151 Vgl. ebd. 152 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 161. 153 Vgl. Anon, A bányász sztrájk vége, [Das Ende des Bergarbeiterstreiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 3.
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Zwischen dem 17 und dem 20. Juni 1893, Samstag bis Dienstag Wahl des ‚20er Komitees‘ durch die Bergarbeiter. Das Komitee verhandelt mit der Direktion in Pécs. Die Mitglieder des Komitees werden in Budapest vom Anwalt und Landtagsabgeordneten Dr. Soma Visontai zum Innenminister Károly Hieronymi geleitet. Die Beschwerden bringt Visontai vor und überreicht diese auch in schriftlicher Form (eine Lithographie) dem Innenminister. Die Delegation spricht nicht nur beim Innenminister vor, sondern gelangt bis zum Ministerpräsidenten.¹⁵⁴ In Preßburg findet eine Demonstration von Arbeitern gegen die Gewalt, die gegen die Pécser Arbeiter angewandt wurde, statt. Die Pécsi Figyelő berichtet, vier Redner hätten dabei die Regierung heftig kritisiert.¹⁵⁵ 22. Juni, 1893, Donnerstag Am Vormittag findet zwischen Behördenvertretern, dem Bergwerksdirektor Wiesner und dem Komitee der Bergarbeiter eine Verhandlung im Pécser Komitatshaus über die 15 Forderungen der Bergleute statt. Die Behördenvertreter sind:Vizegespan von Szily, Bergbauhauptmann Kamill Kaufmann, Komitatsoberfiskal Eugen Nagy, Oberstuhlrichter Ivan Forray und Vizenotar Kamill Koßits.¹⁵⁶ Die meisten der Forderungen der Arbeiter werden in der Verhandlung bewilligt. Die Mieten für die Werkswohnungen der DDSG sollen auf Selbstkostenniveau gesenkt werden, Qualitätskontrollen sollen zu gerechterer Verteilung der Löhne führen. Die Feier des ersten Maies wird, unter Fürsprache des Vizegespans, den Arbeitern zuerkannt. Der Wunsch nach einem Mindestlohn wird jedoch abgeschmettert.¹⁵⁷ Die Pécsi Figyelő schreibt zu dieser Verhandlung noch weiter, dass die Lohnabzüge der Bruderlade zugutekommen sollen. Die Mitbestimmung der Bergleute, bei der Erhebung der Abzüge wurde vom Berghauptmann abgelehnt. Die Arbeiter sollen ein Lohnbuch erhalten, damit ihre Leistung und ihre Bezahlung kontrollierbar und gerechter werden. Die allgemeinen Regeln des Betriebes sollen nun in Deutsch und Ungarisch herausgegeben werden.¹⁵⁸
154 Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél, [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. Szita datiert die Wahl und die Reise der Arbeiterdeputierten auf den 17. oder 18 Juni; vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 160 f. 155 Anon, Népgyűlés a pécsi munkások érdekében, [Volksversammlung für die Sache der Pécser Arbeiter], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. 156 Vgl. Anon, Die Unterhandlungen mit den Bergarbeitern, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 3. 157 Vgl. Ebd; vgl. Anon, Bányászok ügyének tárgyalása, [Verhandlung der Sache der Bergarbeiter], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. 158 Vgl. ebd; vgl. Anon, Zur Strike der Bergleute, [sic!] Fünfkirchner Zeitung. 1893, Jhg. 24, Nr. 52, Donnerstag, 29. Juni, S. 4.
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Die Bergleute werden während der Verhandlungen durch Rechtsanwalt Kálmán Bolgár beraten und vertreten.¹⁵⁹ An der ersten Verhandlungssitzung konnte dieser jedoch nicht anwesend sein, weshalb die Arbeiter zunächst um Zeit bis Sonntag für die Rücksprache mit ihm und den anderen Arbeitern baten.¹⁶⁰ 24. Juni, 1893, Samstag Die Pécsi Figyelő berichtet, „die Tage“¹⁶¹ sei eine Delegation von Journalisten in den Schulen der Bergarbeiterkolonien zu Besuch gewesen. Die Teilnehmer hätten sich über die überraschend guten Ungarisch Kenntnisse der Schüler gefreut. Der Dorfpfarrer hätte dabei ermunternde Worte an die Schüler gerichtet, „dass ihre Liebe zu Ungarn und ihrer Sprache nie aus ihren Herzen verloren gehen soll.“¹⁶² Die Dampfschifffahrtsgesellschaft habe, so der Bericht, schnell den Unterricht in ungarischer Sprache in den Schulen der Bergarbeitersiedlungen eingeführt, damit die dort lebenden Angehörigen unterschiedlicher Nationen, das Land, in dem sie leben wenigstens ein wenig kennenlernen. Der Beitrag listet Mährer, Krainer, Slowaken, Tschechen und andere Nationalitäten auf. In der Schule würden die Kinder ab der ersten Klasse auf Ungarisch lesen, schreiben und rechnen lernen.¹⁶³ 25. Juni, 1893, Sonntag Ein weiteres Treffen zwischen Behördenvertretern, Bergwerksdirektor und den Bergleuten findet statt. Die DDSG zeigt sich dabei erneut nicht bereit, höhere Löhne zu gewähren. Die Arbeiter bringen, neben dem Vorschlag des Minimallohns, auch eine Bezahlung nach Akkord ins Gespräch. Die Herren Vizegespan, der Direktor und der Berghauptmann „erklären die Forderungen für unannehmbar“.¹⁶⁴ Die Zeitung Pécs bedauert die sture Haltung des Arbeitgebers und der Behörden. Hätten diese sich auf die Kompromissvorschläge der Arbeiter eingelassen, hätte die Sache für alle zufriedenstellend geregelt werden können, schreibt die Zeitung.¹⁶⁵ Die Fünfkirchner Zeitung berichtet, „Die Feier des 1. Mai wurde den
159 Anon, A sztrájkról, [Vom Streik], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 3. 160 Vgl. Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 3 – 4. 161 Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolákban, [Ungarische Sprache in den Schulen der Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6. 162 Ebd. 163 Vgl. ebd. 164 Anon, Zur Strike der Bergleute, [sic!] Fünfkirchner Zeitung, Jhg. 24, Nr. 52, 1893, Donnerstag, 29. Juni, S. 4. 165 Anon, A bányászok sztrájkja, [Der Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 51, Mittwoch, 27. Juni, S. 3 – 4.
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Arbeitern, nachdem diesbezüglich Vizegespan Ladislaus v. Szily für die Arbeiter gesprochen hatte, bewilligt.“¹⁶⁶ Was aus den Bergleuten wird, fragt sich die Pécsi Figyelő. Das Blatt bemerkt, dass die Verhandlungen zwar zu Ende seinen, die Hauptforderungen der Arbeiter jedoch noch völlig offen stünden. Die Bergleute beauftragen darum ihren Anwalt, das Anliegen bei der Direktion der DDSG in Wien vorzubringen.¹⁶⁷ 28. Juni 1893, Mittwoch Die Pécsi Figyelő konstatiert über diesen Tag: der Streik sei zwar beendet, es sei jedoch zu befürchten, dass die von ihm angestoßene Bewegung jederzeit wieder in Gang kommen könnte.¹⁶⁸ Später bezeichnet die Zeitung die Lage in den Bergarbeitersiedlungen als einen auf den Ausbruch wartenden Vulkan:¹⁶⁹ „Wir können das mit unterdrückter Stimme murrende, unruhige, unzufriedene Bergarbeitervolk dort draußen in den Kolonien mit Recht als einen, sich im Ausbruch begriffenen feuerspeienden Krater bezeichnen. Die Bergleute bestehen auf ihre Forderungen wie am ersten Tag; und die Bergwerksgesellschaft ist genauso störrisch wie zu Anfang.“¹⁷⁰ Auch die Fünfkirchner Zeitung schreibt: „Unterrichtete Kreise halten […] die Wiederholung eines Strikes für unausbleiblich.“¹⁷¹ 4. Juli 1893, Dienstag Bergwerksdirektor Wiesner und Oberbergrat Ricker reisen mit dem Nachtzug nach Wien, bzw. nach Budapest, um mit der Direktion der DDSG die 12 Punkte der Bergleute abzustimmen.¹⁷² 5. Juli 1893, Freitag Wiesner und Oberbergrat Ricker kehren von ihrer Reise zur Generaldirektion in Wien nach Pécs zurück, und begeben sich sofort in die Bergarbeiterkolonie, um die
166 Anon, Die Unterhandlungen mit den Bergarbeitern, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 3. 167 Vgl. Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird aus den Bergleuten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 170 Ebd. 171 Anon, Zur Bewegung der Kohlenarbeiter, Fünfkirchner Zeitung. 1893, Jhg. 24, Nr. 53, Sonntag, 2. Juli, S. 5. 172 Vgl. Anon, Zum Strike der Bergarbeiter, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 54, Donnerstag, 6. Juli, S. 3.
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Differenzen zwischen den Bergleuten und der Direktion bezüglich der zukünftigen Regelungen der Arbeit zu glätten.¹⁷³ Die neuen Vorschläge der Beiden scheinen die Bergleute zu befriedigen. Die Fünfkirchner Zeitung befindet den Streik für beendet:¹⁷⁴ „Diese Abmachungen, […] werden nun in den Bergwerken am 7. dfs. den Arbeitern kundgemacht und nachdem dieselben geeignet sind, da Los der Arbeiter wesentlich zu verbessern, dürften die einsichtsvollen Elemente unter den Arbeitern diese Reformen freudig begrüßen, und von einer Wiederholung einer Arbeitseinstellung abzusehen umsomehr als ihnen die Direktion Gelegenheit giebt, durch ein Plus von Arbeiten einen Mehrverdienst zu erzielen.“¹⁷⁵ 6. Juli 1893, Dienstag Die Fünfkirchner Zeitung veröffentlicht in einer kurzen Nachricht die Zugeständnisse der DDSG an die Bergarbeiter.¹⁷⁶ 8. Juli 1893, Samstag Die Pécsi Figyelő veröffentlicht eine Bekanntmachung der DDSG, deren Beschluss auf den 4. Juli 1893 datiert ist, im genauen Wortlaut. Die Erklärung beinhaltet vier Punkte und ist vom Bergwerksdirektor gezeichnet. Dieser verweist auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen Behörden und den Bergarbeitern, woraufhin die in Wien sitzende Generaldirektion der DDSG Beschlüsse gefasst habe. Diese sind laut der Pécsi Figyelő: 1. Jeder Bergarbeiter erhält ein Lohnbuch. 2. Mieten für gesellschaftliche Wohnungen werden reduziert. (Laut Fünfkirchner Zeitung um 50 %.¹⁷⁷) 3. Alle verheiratete Bergleute erhalten 30 m. m. [métermázsa = 100 kg. könnte aber auch nur Zentner bedeuten] Steinkohle. Diese müssen jedoch von der Abraumhalde selbst zusammengeklaubt werden. Das gebrauchte Grubenholz wird den Arbeitern kostenfrei zur Verfügung gestellt. 4. Die neuen Regeln für die Bruderlade werden im Sinne der geäußerten Wünsche überarbeitet, wie auch die neue Dienstordnung und Strafordnung. Diese werden, sobald sie von den Behörden freigegeben wurden, in Kraft treten.
173 Vgl. Zur Bewegung der Kohlenarbeiter, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 53, Sonntag, 2. Juli, S. 5. 174 Vgl. Anon, Zum Strike der Bergarbeiter, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 54, Donnerstag, 6. Juli, S. 3. 175 Ebd. 176 Vgl. ebd. 177 Vgl. ebd.
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Diese Neuerungen werden sowohl in Ungarisch als auch in Deutsch veröffentlicht. Die Erfüllung der Forderung der Bergleute, dass die Gesellschaft sie sowohl auf Deutsch, als auch auf Ungarisch informiert, wird in der Pécsi Figyelő nicht als separater Punkt der Bekanntmachung gelistet, ist aber offenbar eine der Forderungen der Bergleute. Der Punkt, den Ersten Mai zu einem Feiertag zu erklären, erscheint in dieser Bekanntmachung ebenfalls nicht.¹⁷⁸ 27. Juli 1893, Donnersag Berghauptmann Kamill Kaufmann reicht seinen detaillierten Bericht über seinen Aufenthalt in Pécs zwischen dem 4. Juni und 13 Juni beim Finanzministerium ein.¹⁷⁹ 4. Dezember 1893, Montag Tag der hl. Barbara/Borbála. Ganz unterschiedliche Darstellungen in der Fünfkirchner Zeitung und in der Pécsi Figyelő. ¹⁸⁰ Während die Fünfkirchner Zeitung auf das Bankett und die Tanzveranstaltung der Bergwerksbeamten zusammen mit dem Bergwerksdirektor und geladenen Gästen, darunter „mehrere Domherren“¹⁸¹, fokussiert; Konzentriert sich die Pécsi Figyelő auf das Treiben der Bergleute. Dabei postuliert sie, der Feiertag sei der einzige Tag, an dem die Arbeiter sich frei nennen könnten:¹⁸² Das Fest der Arbeiter von der Bergarbeiterkolonie. Gestern feierten die Arbeiter von der Bergarbeiterkolonie, das Fest ihrer Schutzheiligen, der heiligen Barbara, wie es bei uns schon lange der Brauch ist. Zu diesem Anlass erhielten die Arbeiter einen freien Tag und sogar noch einige kleine Belohnungen. Am Vormittag sind sie in beachtlicher Menge vor der Direktion erschienen und brachten dort ihre Hochachtung zum Ausdruck. Anschließend stimmte ihre Kapelle Lieder an, zu deren herzerfrischenden Tönen die Arbeiter mit beschwingtem Schritt heimkehrten. Sie verbrachten den seltenen Tag, an dem sie sich frei nennen können, gewiss recht angenehm bei Wein oder Bier.¹⁸³
178 Vgl. Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken, [Vulkan in den Bergarbeiterkolonien], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. 179 Vgl. Végh, Bányászmozgalom, in: Századok (1949), 1 – 4, S. 292 – 310, hier S. 304 – 308. 180 Vgl. Anon, Barbara Tag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 99, Donnerstag, 7. Dezember, S. 4; vgl. Anon, A bányatelepi munkások ünnepe, [Das Fest der Arbeiter von der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő, 1893, Jhg. 21, Nr. 75, Mittwoch, 5. Dezember, S. 3 – 4. 181 Anon, Barbara Tag, Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 99, Donnerstag, 7. Dezember, S. 4. 182 Vgl. Anon, A bányatelepi munkások ünnepe, [Das Fest der Arbeiter von der Bergbaukolonie], Pécsi Figyelő. 1893, Jhg. 21, Nr. 75, Mittwoch, 5. Dezember, S. 3 – 4. 183 Ebd.
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12 Anhang
16. Dezember 1893, Samstag Die zweite Tageszeitung von Pécs, die Pécsi Újság, erscheint.¹⁸⁴ Im Anschluss des Streiks entlässt die Direktion der DDSG bis Ende 1893 hunderte von Bergarbeitern. Unter ihnen Mitglieder der Bergarbeiterkomitee, andere exponierte Persönlichkeiten des Streiks, Verletzte und Verwundete der gewaltsamen Zusammenstöße. Diese somit arbeitslos gewordenen Bergleute und ihre Familien werden von den Behörden aus Pécs und den Bergwerksterritorien abgeschoben. Viele von ihnen emigrieren nach Amerika und in westeuropäische Länder.¹⁸⁵ 1894 Die Bergwerke der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft erreichen ihre größten Ausmaße in Pécs.¹⁸⁶ 18. Januar 1894, Donnerstag Die Pécsi Újság berichtet über den Ausgang des Prozesses gegen die Anführer des Streiks von 1893. Das Verfahren gegen die 10 Anführer des Streiks schmolz demzufolge von einer Anklage wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, auf eine Ordnungswidrigkeit zusammen. Die Klage wurde schließlich fallen gelassen. Von den 10 Angeklagten erschienen nur sechs, schreibt die Zeitung, da die restlichen nach Amerika ausgewandert seien. Der Richter habe seine Milde mit der Wahrung des derzeitigen Friedens durch weniger Aufregung begründet, berichtet die Zeitung.¹⁸⁷ 17. Februar 1894, Samstag Bergarbeiter in der, von Pécs etwa 35 km entfernt liegenden, Ortschaft Szászvár legen die Arbeit nieder und fordern mehr Lohn. Die Pécsi Figyelő berichtet über diesen Streik in einer Reihe von kurzen Berichten.¹⁸⁸
184 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 66. 185 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 160. 186 Vgl. Babics, A pécsvidéki köszénbányászat, S. 36. 187 Vgl. Anon, A pécsi bányász streik utóhangja, [Der Nachklang des Pécser Bergarbeiterstreiks], Pécsi Ùjság, 1894, Jhg. 13, Nr. 16, Donnerstag, 18. Januar, S. 3. 188 Vgl. Anon, Bányászok sztrájkja Szászváron, [Streik der Bergleute in Szászvár], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap) 1894, Jhg. 22, Nr. 22, Mittwoch, 20. Februar, S. 2 – 3; vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1894, Jhg. 22, Nr. 23, Donnerstag, 22. Februar, S. 3; vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Streik von Szászvár], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap).1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2; vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). 1894, Jhg.22, Nr. 25, Dienstag, 27. Februar, S. 3.
12.1 ‚Schlanke‘ Chronologie des Streiks Dezember 1892–Juli 1894
317
In die Vorbereitung und Durchführung des Szászvárer Streiks seien sozialdemokratische Anführer beteiligt, deren Aktivitäten vom Oberstuhlrichter und von der Presse schon im Vorfeld entdeckt worden seien. Die Forderungen der Arbeiter beruhe auf die Zugeständnisse der DDSG an die Bergarbeiter in Pécs und der Streik sei durch die hohen Lohnabzüge am Zahltag der Bergleute ausgelöst worden. Die Streikenden seien vor der Gendarmerie in die umliegenden Dörfer geflüchtet. Die Bergwerksgesellschaft versuche die Arbeit durch fremde Arbeiter wieder aufnehmen zu lassen, schreiben die Blätter. Die Streikenden würden, laut Ermittlungen der Gendarmerie, durch Sozialdemokraten aus Pécs und dem Grazer Arbeiterverein finanziell unterstützt werden.¹⁸⁹ 24. Februar 1894, Donnerstag Die Pécsi Figyelő berichtet vom Bergarbeiterstreik in Szászvár. Sie schreibt, Informationen erhalten zu haben, die von einem „Freund“¹⁹⁰ der Zeitung stammen, der direkt mit einem Bergarbeiter vor Ort gesprochen haben soll: „Ein Freund unseres Blattes sprach in der Streiksache mit einem Bergarbeiter, der gesagt hat, dass sie Anführer sie damit von der Arbeit zurückhalten, dass, wenn die Gesellschaft bis Sonntag ihren Wünschen nicht Genüge tut, dann übernimmt der König das Bergwerk und erfüllt bedingungslos alle ihre Wünsche. Deshalb verharren sie in solch stiller Erwartung.“¹⁹¹ 25. Februar 1894, Sonntag Die streikenden Bergarbeiter von Szászvár beschließen bei einer Versammlung, ein Komitee mit dem Bergwerksdirektor verhandeln zu lassen.¹⁹² 26. Februar 1894, Montag Der Bergwerksdirektor der Szászvárer Bergwerke, so eine Depesche der Pécsi Figyelő, sei bei den streikenden Bergarbeitern gewesen.¹⁹³ 6. März 1894, Dienstag Teilweise Angleichung der Löhne der Szászvárer Bergarbeiter an die der Pécser.¹⁹⁴
189 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 162. 190 Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2. 191 Ebd. 192 Vgl. Anon, A szászvári sztrájk, [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 25, Dienstag, 27. Februar, S. 3. 193 Vgl. ebd. 194 Vgl. Szita et. al. (Hg.), A baranyai-pécsi munkásmozgalom története, 1985, S. 162.
318
12 Anhang
1. Mai 1894, Dienstag Pécser Arbeiter feiern den 1. Mai als „spezieller Feiertag der Arbeiter“¹⁹⁵. Sie treffen sich zu hunderten in der Csonka’schen Kneipe, ziehen mit Emblemen aus Blech durch die Stadt, worauf das allgemeine Wahlrecht gefordert und die internationale Sozialdemokratie beschworen wird. Der Pécsi Közlöny beschreibt die Embleme genau. Neben dem Text, steht auf den Emblemen auch die Zahlenfolge „8. 8. 8.“ und an den Emblemen hängt ein „blutfarbenes Band“.¹⁹⁶ Als Polizeipräsident Vaszary ihnen mitteilt, dass ihre Versammlung nicht genehmigt sei, wird er von den Arbeitern sogar noch bejubelt. Die Darstellung des Jubels klingt im Beitrag der Pécsi Napló, als ob die Arbeiter den Kommissar nicht ernst nehmen würden.¹⁹⁷ Die Pécsi Figyelő veröffentlicht den Aufruf des Polizeipräsidenten auch schriftlich. Hierin teilt dieser den Lesern mit, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass es in den Kreisen der Arbeiter, Aufwiegler die Nachricht verbreiteten, der erste Mai sei ein behördlich anerkannter arbeitsfreier Tag. Diese Aufwiegler würden die friedlichen, arbeitswilligen Arbeiter von ihrer Tätigkeit durch Drohungen abhalten wollen. Hinsichtlich dieser „Scheinnachrichten“ hielt der Polizeipräsident es für seine Aufgabe, öffentlich zu machen, dass der erste Mai kein Feiertag sei. Alle, die Wohnungsumzüge vorhaben, seien verpflichtet den Umzug zu beginnen. Gegen alle, die friedliche arbeitswillige Arbeiter von ihrer Beschäftigung durch Störung oder Einschüchterung abzuhalten versuchen, würde strafrechtlich vorgegangen werden. Schließlich hebt Vaszary noch hervor, dass die Versammlung der Arbeiter am Ersten Mai nicht genehmigt und damit jede Art von Versammlung, Massenaufmarsch oder sonstige Demonstration verboten sei:¹⁹⁸ Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, dass einzelne Aufrührer in den Kreisen der Arbeiterklasse eine Nachricht verbreiten, wonach heute, am ersten Mai, laut einer behördlichen Verfügung, arbeitsfrei sein soll, und sie die friedlichen, arbeitswilligen Arbeiter von ihrem Tagwerk durch Einschüchterung abzuhalten versuchen werden. Hinsichtlich dieser Scheinnachrichten sehe ich es als meine Pflicht an, um der öffentlichen Ordnung willen, zu verkünden, dass am ersten Mai kein arbeitsfreier Tag ist, jeder der seine Wohnung wechseln vorhat, ist verpflichtet, mit dem Umzug zu beginnen, und gegen alle, die arbeitswillige friedliche Arbeiter bei ihrer ordentlichen Beschäftigung zu molestieren oder einschüchtern versuchen, wird ein Strafverfahren eingeleitet werden. Der Ordnung halber erwähne ich schließlich auch, dass am ersten Mai keine Volksversammlung genehmigt ist und alle Arten von Versammlungen, Massenaufmärsche und sonstige Demonstrationen verboten sind.
195 Anon, Május elseje, (Hírek) [Erster Mai. (Nachrichten)] Pécsi Közlöny, 1894, Jhg. 2, Nr. 50, 1894, Mittwoch, 3. Mai, S. 2. 196 Ebd. 197 Vgl. ebd. 198 Vgl. Anon, Május elseje és a főkapitány, [Der erste Mai und der Polizeipräsident], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 2.
12.1 ‚Schlanke‘ Chronologie des Streiks Dezember 1892–Juli 1894
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Pécs, den 30. April 1894, Gyula Vaszary Polizeipräsident.¹⁹⁹
Ein weiterer Artikel der Pécsi Figyelő, der am ersten Mai 1894 erschien, nimmt den besonderen Tag zum Anlass über den politischen Umgang mit der Arbeiterschaft, vor dem Hintergrund der Gefahr der Verbreitung des Sozialismus in Ungarn, Stellung zu nehmen. Der Artikel erinnert den Leser zunächst nostalgisch an frühere Zeiten, in denen der erste Mai für die Menschen ein Freudenfest war, an dem man „die Erneuerung der Natur“²⁰⁰ gefeiert habe. „Die durch die unwirtliche Kälte des Winters zwischen dustere Wände gezwängte städtische Volk beeilte sich zu tausenden, sich im freien Schoß der Natur zu erfrischen und sich des Lebens zu freuen.“²⁰¹ Es wird von einer Tradition der verliebten Jugend und von Musik im Freien berichtet. Doch seit einigen Jahren, dramatisiert die Pécsi Figyelő, habe sich der Feiertag des dichterischsten Monats im Jahr, von einem Festtag zufriedener Bürger, zu einem Demonstrationstag der Sozialisten verwandelt. Statt grünen Maibäumen seien rote Fahnen zu sehen; statt Liebesgeflüster seien fanatische Reden gegen die Macht des Kapitals zu hören. Das Fest des Gemütes sei, durch den Schrei hungriger Bäuche nach Sättigung, abgelöst worden. Der Beitrag schließt mit einem Rat an die Politik: Sie soll sich mit dem scheinbaren Erfolg nicht zufrieden geben, dass es gelang die Arbeiteraufmärsche mit Waffengewalt zu verhindern, sondern sie soll das Übel bei den Wurzeln packen, damit das Arbeitervolk freiwillig zur alten Tradition zurückkehrt, bei der der erste Mai kein Tag der Demonstrationen, sondern ein Tag idyllischer Freudenfeste war.²⁰² 10. Juli 1894, Dienstag Die Pécsi Napló wird von der Pécsi Újság übernommen und firmiert nun unter dem Doppelnamen Pécsi Napló (Pécsi Újság). ²⁰³
199 Ebd. 200 Anon, Május elseje, [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 201 Ebd. 202 Vgl. ebd. 203 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 68.
320
12 Anhang
12.2 Die chronologische Verteilung von Zeitungsartikeln in der Lokal-, ausgewählter Landes- und ausländischer Presse über Bergarbeiter in Pécs im Zeitraum von März 1882– Oktober 1905 Erläuterungen zur Tabelle
– –
– – – –
Farbig unterlegte Zellen zeigen die Erscheinungsphase der jeweiligen Zeitung an. Die Zeitungen sind in vier farbige Kategorien eingeteilt: Die Zahlen in den Zellen der Tabelle zeigen die Anzahl der erfassten Zeitungsartikel und Digitalisate an. Die Konfektionsgrößen XS, S, M, L, XL, XXL, XXXL bezeichnen die Größe der im jeweiligen Monat erschienenen Artikel einer Zeitung. Dabei stehenden Zahlen zeigen die Anzahl der Zeitungsbeiträge in der jeweiligen Größe. Die Bezeichnung A. steht für erfasste, aufbereitete aber nicht in der näheren Analyse untersuchten Artikel. Die Bezeichnung D. steht für die Zahl der erfassten, aber nicht weiter aufbereiteten Digitalisate im jeweiligen Monat. Die Bezeichnung 0 Mx. markiert Monate, in denen mithilfe der Recherchematrix gesucht, aber keine Artikel über Bergarbeiter gefunden wurden. Monate, die für die Forschung keine Ergebnisse lieferten, erscheinen in der Tabelle nicht.
12.2 Die chronologische Verteilung von Zeitungsartikeln
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel.
321
322
12 Anhang
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel. (Fortsetzung)
12.2 Die chronologische Verteilung von Zeitungsartikeln
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel. (Fortsetzung)
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12 Anhang
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel. (Fortsetzung)
12.2 Die chronologische Verteilung von Zeitungsartikeln
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel. (Fortsetzung)
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326
12 Anhang
Tab. 1: Tabelle zur Chronologischen Verteilung der Zeitungsartikel. (Fortsetzung)
12.3 Karte der Bergbauregion von Pécs
327
12.3 Karte der Bergbauregion von Pécs
Abb. 11: Karte der Bergbauregion von Pécs. Ausschnitt aus: Militärgeographisches Institut Wien (Hg.), Topographische Generalkarte Mitteleuropa (1:200.000) Teil: 3646, Wien, 1892.
328
12 Anhang
12.4 Plan der freien königlichen Stadt Pécs im Jahre 1895
Abb. 12: Otto Hochrein, Pécs szabad királyi város térképe 1895. Maßstab: 1:5760, Pécs 1895.
13 Quellenverzeichnis¹ 13.1 Quellenverzeichnis: Fünfkirchner Zeitung² (1. Mai 1870 – 29. März 1906)³
Kontrollmatrix: 1870 Mai. (1. KW), 1871 Juli. (2. KW), 1872 Sept. (3. KW),1873 Nov. (4. KW), 1874 Jan. (1. KW), 1875 Aug. (2. KW), 1876 Okt. (3. KW), 1877 Dez. (4. KW), 1878 März. (1. KW), 1879 Mai. (2. KW), 1880 Dez. (3. KW), 1881 Feb. (4. KW), 1883 Juli. (2. KW), 1884 Dez. (3. KW), 1885 Apr. (4. KW), 1886 Juli. (1. KW), 1887 Sept. (2. KW), 1888 Juli (3. KW), 1889 Sept. (4. KW), 1890 Aug. (1. KW), 1891 Okt. (2. KW), 1892 Dez. (3. KW), 1893 Feb. (4. KW), 1894 Mai (1. KW), 1895 Okt. (2. KW), 1896 Dez. (3. KW), 1897 März (4. KW), 1898 Mai (1. KW), 1899 Juli (2. KW), 1900 Apr. (3. KW), 1901 Juli (4. KW), 1902 Sept (1. KW), 1903 Nov (2. KW), 1904 Jan. (3. KW), 1905 Aug. (4. KW), 1906 März (1. KW)
Publizistische Ausrichtung⁴ 1. Mai 1870 – 16. Januar 1876: Für Politik und Kulturinteressen 16. Januar 1876 – 4. Januar 1877: Organ für Politik und Kulturinteressen 4. Januar 1877 – 3. Januar 1878: ohne Nennung 3. Januar 1878 – 10. Juli 1898: Organ für Politik-, Kultur- und volkswirtschaftliche Interessen 10. Juli 1898 – 29. März 1906: ohne Nennung
Erscheinungsweise Die FZ erschien wöchentlich zweimal, donnerstags und sonntags. Die FZ fusionierte im März 1906 mit dem Pécsi Napló.
1 Im Quellenverzeichnis wird auf die Nennung der zumeist unbekannten Autoren der Zeitungsbeiträge durch ‚Anon‘ verzichtet. Artikel, deren Autoren bekannt sind, sind entsprechend gekennzeichnet. 2 Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die um die Streikzeiten erschienenen Ausgaben der Zeitung wurden mit einem mehrwöchigen Vor- und Nachlauf durchgängig erfasst. 3 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 218, S. 119 f., hier S. 119. 4 Vgl. ebd. https://doi.org/10.1515/9783111247113-013
330
13 Quellenverzeichnis
Quellen 1870, Jhg. 1 Anon, Unser Bekenntnis. Fünfkirchner Zeitung, 1870, Jhg. 11, Nr. 1, Sonntag, 1. Mai, S. 1 – 2.
1881, Jhg. 12 Anon, Volkszählungs-Resultate der k. Freistadt Fünfkirchen. Fünfkirchner Zeitung, 1881, Jhg. 12, Nr. 9, Sonntag, 30. Januar, S. 3. Anon, Das Barbara Fest. Fünfkirchner Zeitung,1881, Jhg. 12, Nr. 98, Donnerstag, 8. Dezember, S. 2.
1882, Jhg. 13 Anon, Durch Muthwillen verunglückt. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 35, Sonntag, 30. April, S. 5. Anon, Strike in den Kohlenrevieren der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 40, Donnerstag, 18. Mai, S. 4. Anon, Nach dem Arbeiterstrike. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 1. Anon, Strike der Bergleute in den Kohlengruben der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 41, Sonntag, 21. Mai, S. 3. Anon, Arbeiterverhältnisse von Sonst und Jetzt. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 2 – 3. Anon, Nach beendigtem Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 3. Anon, Arbeitsverhältnisse von Sonst und Jetzt. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 2 – 3. Anon, Nach beendigtem Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 4. Anon, Endlich hat er’s geglaubt. Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 42, Donnerstag, 25. Mai, S. 6. Anon, Arbeitsverhältnisse von Sonst und Jetzt. (Schluß.) Fünfkirchner Zeitung, 1882, Jhg. 13, Nr. 43, Sonntag, 28. Mai, S. 4.
1892, Jhg. 23 Anon, Bergmannsfest. Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, S. 1 – 2. Alois Csermelni, Bergmann‘s Liese. Fünfkirchner Zeitung, 1892, Jhg. 23, Nr. 102, Sonntag, 4. Dezember, Beilage, S. 1 – 2 (unpaginiert).
1893, Jhg. 24 Anon, Strikebewegung in den Fünfkirchner Bergwerken. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 43 Sonntag, 28. Mai, S. 3. Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 1 – 2.
13.1 Quellenverzeichnis: Fünfkirchner Zeitung
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Anon, Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 46, Donnerstag, 8. Juni, S. 4 – 5.⁵ Anon, Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3. Anon, In der Colonie. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. Anon, In Szabolcs. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4. Anon, Was wird geschehen? Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4.⁶ Anon, Keine sozialistische Bewegung. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 4 – 5. Anon, Die erste Revolte. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. Anon, Die Strikenden beim Minister. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. Anon, Der heutige Tag. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 47, Sonntag, 11. Juni, S. 5. Anon, Strike Bouilletins [sic!]. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 1 – 3. Anon, Anarchistische Broschuren.-Neue Verhaftungen. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 48, Donnerstag, 15. Juni, S. 3. Anon, Der Strike in den Fünfkirchner Bergwerken. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, Sonntag, 18. Juni, S. 2 – 3. Anon, Enthaftung der verhafteten Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 49, Sonntag, 18. Juni, S. 5 und 9.⁷ Anon, Das Ende des Bergarbeiter Strikes. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 50, Donnerstag, 22. Juni, S. 4. Anon, Spanische Strikes. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 2 – 3. Anon, Die Unterhandlungen mit den Bergarbeitern. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 51, Sonntag, 25. Juni, S. 3. Anon, Zur Strike der Bergleute. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 52, Donnerstag, 29. Juni, S. 4. Anon, Zur Bewegung der Kohlenarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 53, Sonntag, 2. Juli, S. 5. Anon, Zum Strike der Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 54, Donnerstag, 6. Juli, S. 3. Anon, Barbara Tag. Fünfkirchner Zeitung, 1893, Jhg. 24, Nr. 99, Donnerstag, 7. Dezember, S. 4.
1904, Jhg. 35 Anon, Eine Petition der Pécsbányateleper. Fünfkirchner Zeitung, 1904, Jhg. 35, Nr. 19, Donnerstag, 18. Februar, S. 4. Anon, Strikes, ihre Ursachen und Wirkungen. ( Josef Justus, New York.) Fünfkirchner Zeitung, 1904, Jhg. 35, Nr. 20, Sonntag, 21. Februar, S. 1 – 3. Anon, Die Arbeiterfrage und ihre Lösung. Fünfkirchner Zeitung, 1904, Jhg. 35, Nr. 25, Sonntag, 27. März, S. 1 – 2.
5 Fehler in der Datumsangabe des Artikels. Statt dem 7. Juni steht 7. Juli unter dem Titel. 6 Beinhaltet den Abdruck der Kundmachung des Oberstadthauptmanns Julius Vaßary. 7 Fortsetzung erst Seiten später, nach einer Werbung.
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13 Quellenverzeichnis
1905, Jhg. 36⁸ Anon, Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 55, Sonntag, 9. Juli, S. 1 – 3. Anon, Der Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 56, Donnerstag, 13. Juli, S. 1 – 2. Anon, Schnell behobener Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 56, Donnerstag, 13. Juli, S. 5. Anon, Der Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 57, Sonntag, 16. Juli, S. 4. Anon, Der Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 58, Donnerstag, 20. Juli, S. 4. Anon, Der Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 59, Sonntag, 23. Juli, S. 4. Anon, Bergarbeiter/Häuer/insbesondere kräftige Laufer […] Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 60, Donnerstag, 27. Juli, S. 1.⁹ Anon, Der Pécser Bergarbeiterstrike. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 61, Sonntag, 30. Juli, S. 3.¹⁰ Anon, Der Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 62, Donnerstag, 3. August, S. 3. Anon, Der Strike der Pécser Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 63, Sonntag, 6. August, S. 2. Anon, Bergarbeiterstrike in Szászvár. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 64, Donnerstag, 10. August, S. 3 – 4. Anon, Der Szászvárer Bergarbeiterstrike. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 65, Sonntag, 13. August, S. 5. Anon, Ende des Pécser Bergarbeiter Strikes. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 66, Donnerstag, 17. August, S. 4.¹¹ Anon, Verurtheilte Bergarbeiter. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 67, Sonntag, 20. August, S. 4 – 5. Anon, Neuer Strike in den Pécser Bergwerken. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 68, Donnerstag, 24. August, S. 5. Anon, Beendeter Bergarbeiter Strike. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 69, Sonntag, 27. August, S. 2.¹² Anon, Das Fest der heiligen Barbara. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 98, Donnerstag, 7. Dezember, S. 3. Anon, Volkszählung in Pécsbányatelep. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 99, Sonntag, 10. Dezember, S. 1.
8 Die Nummern 1 – 52 fehlen. Film ab 2. Juli bis 31. Dezember vorhanden. Auch in dieser Zeitung wird der Russisch-Japanische Krieg mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Wie auch in der Pécsi Napló, erscheinen fast ausschließlich zu diesem Thema Grafiken und Illustrationen. 9 Reklame der DDSG. 10 Auf S. 1 der Ausgabe, wieder die Anzeige der DDSG, wie oben. 11 Immer wieder unterschiedliche Schreibweisen von Bergarbeiterstreik: Bergarbeiterstrike, Bergarbeiter-Strike, Bergarbeiter Strike. Jedoch immer noch die englische Orthographie. 12 Auch hier nimmt der „Strike“ der Bergarbeiter deutlich mehr Platz ein, als die Berichte über andere Streiks.
13.2 Quellenverzeichnis: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap)
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Anon, Uebelstände in Pécsbányatelep. Fünfkirchner Zeitung, 1905, Jhg. 36, Nr. 99, Sonntag, 10. Dezember, S. 2 – 3.
1906, Jhg. 37 [Lenkeis Leitartikel zum Abschied], Fünfkirchner Zeitung, 1906, Jhg. 37, Nr. x, Donnerstag, 22. März, S. 1.
13.2 Quellenverzeichnis: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap)¹³ 27. September 1873 – 19. April 1902¹⁴
Publizistische Ausrichtung 27. September 1873 – 3. Januar 1874: „Politisches, Volkswirtschaftliches und andere Inhalte behandelndes, ausschließlich die Interessen der Stadt und der Gemeinde thematisierendes oppositionelles Wochenblatt.“¹⁵ 3. Januar 1874 – 17. Juni 1876: Politisches, Volkswirtschaftliches und andere Inhalte behandelndes, ausschließlich die Gemeinschaftsinteressen des Komitats Baranya und Somogy thematisierendes oppositionelles Wochenblatt.¹⁶ 17. Juni 1876 – 16. Dezember 1894: Ohne Nennung der publizistischen Ausrichtung. 16. Dezember 1894 – 1. Januar 1902: Politisches Tagblatt 1. Januar 1902 – 19. April 1902: Unabhängiges politisches Tagblatt
Erscheinungsweise 27. September 1873 – 1. April 1890: Samstag.¹⁷
13 Übersetzungen der beiden Zeitungstitel: Pécsi Figyelő-Pécser Beobachter/Pécsi Hírlap-Pécser Nachrichtenblatt. Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die um die Streikzeiten erschienenen Ausgaben der Zeitung wurden mit einem mehrwöchigen Vor- und Nachlauf durchgängig erfasst. 14 Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 493, S. 251. 15 „Politikai, közgazdasági és vegyes tartalmú, kiválólag a megyei és városi közérdekeket tárgyazó ellenzéki heti közlöny.“ 16 „Politikai, közgazdasági és vegyes tartalmú kiválólag a megyei és városi közérdeket tárgyazó Baranya és Somogy megyei ellenzéki heti közlöny.“ 17 Vgl. Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1.
334
13 Quellenverzeichnis
2. April 1890 – 2. Dezember 1893: Mittwoch, Samstag.¹⁸ 2. Dezember 1893 – 16. Dezember 1894: Dienstag, Donnerstag, Samstag.¹⁹ Anschließend wurde die Pécsi Figyelő sogar zwischenzeitlich zur Tageszeitung, um dann, in den letzten zwei Wochen ihres Bestehens, erneut nur noch zweimal wöchentlich gedruckt zu werden. Am 19. April 1902 wurde die Zeitung eingestellt.²⁰
Namensänderungen 27. September 1873 – 2. April 1890: Pécsi Figyelő. ²¹ 3. April 1890 – 25. Dezember 1894: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). ²² 26. Dezember 1894 bis April 1902: Pécsi Figyelő. ²³
Verfügbarkeit Erhältlich war die Zeitung während des Streiks 1882 bei im Buchhandel von N. Weidinger am Széchenyi-Platz. In den Jahren 1893 und 1894 erhielten die Interessenten das Blatt bei Weidingers Nachfolgern, I. Domján und K. Valentin Jun. am Széchenyi-Platz, bei János Kőszl am Fő Platz, bei József Hochrein und Söhne am Széchenyi-Platz sowie in der Papier- und Buchhandlung von Manó Böhm in der Fő-Straße (Kossuth Str.). Auch in jeder Postfiliale soll die Zeitung erhältlich gewesen sein.
Kontrollmatrix 1873 Dez. (2. KW), 1874 Mai. (3. KW), 1875 Okt. (4. KW), 1876 März (1. KW), 1877 Aug. (2. KW), 1878 Aug. (3. KW), 1879 Jan. (4. KW), 1880 Juni (1. KW), 1881 Nov. (2. KW), 1882 März. (3. KW), 1882, Dez. (4. KW), 1883 Dez. (1. KW), 1884 Mai (2. KW), 1885 Okt. (3. KW), 1886 März (4. KW), 1887 Aug. (1. KW), 1888 Apr. (2. KW), 1889 Sept. (3. KW), 1890 Feb. (4. KW), 1891 Juli (1. KW), 1892 Dez. (2. KW), 1893 Aug. (3. KW), 1894 Jan. (4. KW), 1895 Juni (1. KW), 1896 Nov. (2. KW), 1897 Apr. (3. KW), 1898 Dez. (4. KW), 1899 Mai (1. KW), 1900 Okt. (2. KW), 1901 März (3. KW), 1902 Apr. (3. KW).²⁴
18 Vgl. Lajos Haksch, T. olvasóimhoz [An meine geehrten Leser] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 1. 19 Vgl. Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. 20 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 519, S. 263. 21 Vgl. ebd. 22 Die Pécsi Hírlap existierte laut Surján als eigenständige Zeitung von 1886 bis 1890, zwischen August und Oktober 1903, in 1910 – 1911 sowie von 1931 – 1932. Es tangiert also keine der untersuchten Streiks. Vgl. ebd.‚ Nr. 530, S. 270. 23 Vgl. ebd., Nr. 519, S. 263. 24 Manche Stichdaten der Matrix, an denen keine Quellen verfügbar waren, wurden modifiziert. Anstelle dieser Quellen, wurde je eine Ausgabe des am nächstgelegenen Datums untersucht.
13.2 Quellenverzeichnis: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap)
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Quellen 1873, Jhg. 1 Die Erstausgabe ist nicht überliefert.
1882, Jhg. 10 Anon, A bányászok népgyűlése [Die Versammlung der Bergleute], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 17, Samstag, 29. April, S. 3. Anon, Népgyűlés [Volksversammlung],Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 17, Samstag, 29. April, S. 3. Anon, A bányászok népgyűlése [Die Versammlung der Bergleute], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 18, Samstag, 6. Mai, S. 3. Anon, Munkás-zavarok Pécsett [Arbeiterunruhen in Pécs], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 1. Anon, A bányászok streikje [Der Streik der Bergleute], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 2. Anon, Legújabb hirek a bányászok mozgalmáról [Neueste Nachrichten von der Bewegung der Bergleute], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 3. Anon, A bányatelepi zsemlyék [Die Brötchen aus der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 20, Samstag, 20. Mai, S. 3. Anon, A bányamunkások streikjához [Zum Streik der Bergarbeiter], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 21, Samstag, 27. Mai, S. 2. Anon, Szent Borbála [Heilige Barbara], Pécsi Figyelő, 1882, Jhg. 10, Nr. 49, Samstag, 9. Dezember, S. 2.
1883, Jhg. 11 Anon, Olvasóinkhoz [An unsere Leser], Pécsi Figyelő, 1883, Jhg. 11, Nr. 51, Samstag, 22. Dezember, S. 1.
1890, Jhg. 18²⁵ Lajos Haksch, T. olvasóimhoz [An meine geehrten Leser], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 1. Anon, Tisztelt olvasóinkhoz! [An unsere geehrten Leser!] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 14 (27), Mittwoch, 2. April, S. 2. Anon, Bányaszerencsétlenség [Bergwerksunglück], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1890, Jhg. 18, Nr. 50 (63.), Mittwoch, 6. August, S. 4.
25 Hier firmiert die Zeitung bereits unter dem Doppelnamen Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap). Die doppelte Nummerierung der Ausgaben ist hier der Fusion der beiden Blätter geschuldet. Die erste Nummer entspricht der Nummerierung der jüngeren Pécsi Hírlap, die Nummern in Klammern setzen die Nummerierung der Pécsi Figyelő fort.
336
13 Quellenverzeichnis
1892, Jhg. 20 Anon, Zuhanás 83 méter magasból [Sturz aus 83 Meter Höhe], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 79, Samstag, 1. Oktober, S. 3 – 4. Anon, Az István- és Mátyás-bányák sorsa [Das Schicksal der István- und Mátyás-Bergwerke], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 97, Samstag, 3. Dezember, S. 4. Anon, Borbála napja [Der Barbara Tag], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1892, Jhg. 20, Nr. 98, Mittwoch, 7. Dezember, S. 3.
1893, Jhg. 21 Anon, Munkás és Munkaadó [Arbeiter und Arbeitgeber], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 1 – 2. Anon, Betiltott munkásgyűlés [Verbotene Arbeiterversammlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 5. Anon, Bányászok elégedetlensége [Unzufriedenheit der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap),1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 2. Anon, Szunyogból [sic!] elefánt [Aus einer Mücke einen Elefanten], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. Anon, Ostromállapot a bánya-telepen [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 45, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. Anon, Ostromállapot a bányatelepen [Belagerungszustand in der Bergbausiedlung], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 3 – 5. Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 46, Samstag, 14. Juni, S. 3. Anon, Ostromállapot a bánya telepeken [Belagerungszustand in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 5. Anon, Erőszakkal legyűrt sztrájk [Mit Gewalt niedergerungener Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 1 – 2. Anon, A sztrájk vége [Das Ende des Streiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 3. Anon, Sztrájkmozgalmat támogató munkásegylet [Der den Streik unterstützende Arbeiterverein], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 48, Samstag, 17. Juni, S. 3. Anon, A bányász sztrájk vége [Das Ende des Bergarbeiterstreiks], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 3. Anon, Bányamunkások a belügyminiszternél [Bergarbeiter beim Innenminister], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 4. Anon, Bányászok ügyének tárgyalása [Die Verhandlung der Sache der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. Anon, Népgyűlés a pécsi munkások érdekében [Volksversammlung für die Sache der Pécser Arbeiter], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3. Anon, Magyar-nyelv a bányatelepi iskolákban [Ungarische Sprache in den Schulen der Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 5 – 6. Anon, Mi lesz a bányamunkásokkal? [Was wird mit den Bergarbeitern?] Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 5.
13.2 Quellenverzeichnis: Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap)
337
Anon, Tűzhányóhegy a bányatelepeken [Feuerspeiender Berg in den Bergbausiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4. Anon, A bányatelepi munkások ünnepe [Feier der Arbeiter der Bergarbeitersiedlungen], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1893, Jhg. 21, Nr. 75, Mittwoch, 5. Dezember, S. 3 – 4.
1894, Jhg. 22 Anon, Bányászok sztrájkja Szászváron [Streik der Bergleute in Szászvár], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 22, Mittwoch, 20. Februar, S. 2 – 3. Anon, A szászvári sztrájk [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 23, Donnerstag, 22. Februar, S. 3. Anon, A szászvári sztrájk [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 24, Samstag, 24. Februar, S. 2. Anon, A szászvári sztrájk [Der Szászvárer Streik], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 25, Dienstag, 27. Februar, S. 3. Anon, Május elseje [Erster Mai], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 1. Anon, Május elseje és a főkapitány [Der erste Mai und der Polizeipräsident], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 52, Dienstag, 1. Mai, S. 2. Anon, A bányászok ünnepe [Das Fest der Bergleute], Pécsi Figyelő (Pécsi Hírlap), 1894, Jhg. 22, Nr. 145, Donnerstag, 6. Dezember, S. 2.
1898, Jhg. 26 Anon, Felbőszült magyar [Der wütende Ungar], Pécsi Figyelő, 1898, Jhg. 26, Nr. 281, Samstag, 10. Dezember, S. 5.
1900, Jhg. 28 Anon, Alakuló ünnepély [Werdendes Fest], Pécsi Figyelő, 1900, Jhg. 28, Nr. 225, Mittwoch, 3. Oktober, S. 3.
1902 Jhg. 30 Anon, A bányászati és kohászati egyesület [Der Bergbau- und Stahlkocherverein], Pécsi Figyelő, 1902 Jhg. 30, Nr. 60, Donnerstag, 13. März, S. 3. Anon, Népgyűlés [Volksversammlung], Pécsi Figyelő, 1902 Jhg. 30, Nr. 63, Sonntag, 16. März, S. 4.
338
13 Quellenverzeichnis
13.3 Quellenverzeichnis: Pécsi Napló²⁶ (16. November 1892 – 16. April 1944)²⁷
Publizistische Ausrichtung(en)²⁸ 16. November 1892 – 10. Juli 1894: „Politikai napilap.“ [Politisches Tagblatt.] 10. Juli 1894 – 1. Januar 1896: „Pécsi Újság. Politikai napilap.“ [Politisches Tagblatt.] 1. Januar 1896 – 12. Januar 1897: „Politikai napilap.“ [Politisches Tagblatt.] 12. Januar 1897 – 8. April 1919: Ohne Nennung der Ausrichtung. 8. April 1919 – 9. April 1944: „A Pécsi Szocialista Párt hivatalos lapja.“ [Das offizielle Blatt der Pécser sozialistischen Partei.] Danach auch unabhängige Tageszeitung und christlich politisches Tagblatt.
Erscheinungsweise 16. November 1892 – 16. April 1944: Täglich (mit Ausnahme von Tagen in den Jahren 1919, 1920, 1921, 1925 in denen an der Zeitung gestreikt wurde.) Am 10. Juli 1894 übernahm die Pécsi Napló nominell die Zeitung Pécsi Újság. Die Zeitung erschien ab da mit dem Doppelnamen „Pécsi Napló (Pécsi Újság)“. Personell und finanziell hielt jedoch die Pécsi Újság das Zepter in der Hand. Im März 1906 fusionierte auch die Fünfkirchner Zeitung mit der Pécsi Napló.
Kontrollmatrix 1892 Nov. (2. KW, Di./Fr.), 1892 Dez. (1. KW, Mi./Sa.), 1893 Mai. (2. KW, Do./So.), 1894 Okt. (3. KW, Fr./ Mo.), 1895 März (4. KW, Sa./Di.), 1896 Sept. (1 KW, So./Mi.), 1897 Apr. (2. KW, Mo./Do.), 1898 Aug. (3. KW, Di./Fr.), 1899 Feb. (5. KW, Mi./Sa.), 1900 Juli (1. KW, Do./So.), 1901 Dez. (2. KW, Fr./Mo.), 1902 Aug. (3. KW, Sa./Di.), 1903 Jan. (4. KW, So./Mi.), 1904 Juni. (1. KW, Mo./Do.), 1905 Nov. (2. KW, Di./Fr.), 1906 Apr. (3. KW, Mi./Sa.), 1907 Dez. (4. KW, Do./So.), 1908 Jun. (1. KW, Fr./Mo.), 1909 Nov. (2. KW, Sa./Di.), 1910 Mai (3. KW, So./Mi.)
26 Übersetzung: Pécsi Napló: Pécser Journal. Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die um die Streikzeiten erschienenen Ausgaben der Zeitung wurden mit einem mehrwöchigen Vor- und Nachlauf durchgängig erfasst. 27 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 567, S. 288 – 295, hier S. 288. 28 Vgl. ebd., Nr. 567, S. 288 – 295.
13.3 Quellenverzeichnis: Pécsi Napló
339
Quellen 1892, Jhg. 1 Anon, Pécsi Napló. Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. o. Nr., Dienstag, 8. November, S. 1 [Ankündigungsausgabe]. Anon, Olvasóinkhoz [An unsere Leser], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 1 – 2 [Erst- u. Musterausgabe der PN]. Anon, A város ügyei [Die Angelegenheiten der Stadt], Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 16. November, S. 2 – 3 [Erst- u. Musterausgabe der PN]. Anon, Van-e Pécsett szükség napilapra? [Ist in Pécs ein Tagblatt notwendig?] Pécsi Napló, 1892, Jhg. 1, Nr. 34, Montag, 25. Dezember, S. 2.²⁹
1893, Jhg. 2 Anon, Elégedetlenkedő bányászok. Saját tudósítónktól [Unzufriedene Bergarbeiter. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, Jhg. 2, Nr. 124, Mittwoch, 31. Mai 1893, S. 2 – 3. Anon, Elégedetlenkedő bányászok [Unzufriedene Bergleute], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 125 (152)³⁰, Donnerstag, 1. Juni, S. 4. Anon, A bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 129 (157), Mittwoch, 7. Juni, S. 3 – 4. Anon, Sztrájk. Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 1. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 130 (158), Donnerstag, 8. Juni, S. 2 – 3. Anon, A bányamunkásokról [Über die Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131 (159), Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítonktól [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 131 (159), Freitag, 9. Juni, S. 2 – 3. Anon, A munkászavargás és a szoczialiszmus [Die Arbeiterunruhe und der Sozialismus], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját tudósítónk telefonjelentése [Der Streik der Bergleute. Der telefonische Bericht unseres Berichterstatters], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 132 (160), Samstag, 10. Juni, S. 3 – 4. Anon, Bányakapitányságot Pécsre [Eine Bergbauhauptmannschaft für Pécs], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 1 – 2. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergleute. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 133 (161), Sonntag, 11. Juni, S. 2 – 3. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergleute. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 134 (162), Dienstag, 13. Juni, S. 2 – 3.
29 Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 64. 30 Die doppelte Nummerierung der Ausgaben ist leider nicht nachvollziehbar. Für Fehlnummerierungen der Ausgaben: Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 567, S. 288 – 295, hier S. 290 f.
340
13 Quellenverzeichnis
Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 135 (163), Mittwoch, 14. Juni, S. 2. Anon, A bányászok sztrájkja. Saját kiküldött tudósítónktól [Der Streik der Bergarbeiter. Von unserem entsandten Berichterstatter], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 136 (164), Donnerstag, 15. Juni, S. 2 – 3. Anon, A hatóság és sztrájk [Die Behörde und der Streik], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 137 (164), Freitag, 16. Juni, S. 1 – 2. Anon, Baljóslatu felhők [Dunkle Wolken], Pécsi Napló, 1893, Jhg. 2, Nr. 140 (168), Dienstag, 20. Juni, S. 1 – 2.
1896, Jhg. 5 Anon, A magyar munkások nyugdíjintézete [Das ungarische Arbeiterpensionsinstitut], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 220 (1460), Mittwoch, 23. September, S. 1 – 2. Veliku pučku skupstinu [Eine große Versammlung. (serb./kroat.)] Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 222 (1462), Freitag, 25. September, S. 1 – 2. Anon, Pécsi munkások garázdálkodása Zágrábban [Die Randale Pécser Arbeiter in Zagreb], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 222 (1462), Freitag, 25. September, S. 4. Anon, Idegen bányászok Pécsett. Saját tudósítónktól [Fremde Bergleute in Pécs. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1896, Jhg. 5, Nr. 225 (1465), Dienstag, 29. September, S. 2 – 4.
1899, Jhg. 8 Anon, Felrobbant dinamit [Explodiertes Dynamit], Pécsi Napló, 1899, Jhg. 8, Nr. 28 (2175), Samstag, 4. Februar, S. 3. Anon, Szerencsétlenség a bányában [Unglück im Bergwerk], Pécsi Napló, 1899, Jhg. 8, Nr. 28 (2175), Samstag, 4. Februar, S. 3.
1900, Jhg. 9 Anon, Vízvezeték egy bányában [Wasserleitung in einem Bergwerk], Pécsi Napló, 1900, Jhg. 9, Nr. 165, Sonntag, 22. Juli, S. 6. Anon, Szerencsétlenség a bányatelepen [Unglück im Bergwerksrevier], Pécsi Napló, 1900, Jhg. 9, Nr. 165, Sonntag, 22. Juli, S. 8.
1901, Jhg. 10 Anon, Borbála ünnep [Barbarafest], Pécsi Napló, 1901, Jhg. 10, Nr. 282, Donnerstag, 5. Dezember, S. 2.
1905, Jhg. 14 Anon, A munka ünnepe [Das Fest der Arbeit], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 101, Mittwoch, 3. Mai, S. 5. Anon, A bányaiskola vizsgája [Die Prüfung der Bergbauschule], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 141, Mittwoch, 21. Juni, S. 3 – 4.
13.3 Quellenverzeichnis: Pécsi Napló
341
Anon, A magyar szénbányászat válsága [Die Krise des ungarischen Kohlebergbaus], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 143, Samstag, 24. Juni, S. 1 – 2. Anon, Àltalános szrájk [Allgemeiner Streik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 146, Mittwoch, 28. Juni, S. 6. Anon, Munkaszünet a pécsi szénbányaművekben. Saját tudósítónktól [Arbeitsniederlegung in den Pécser Kohlebergbauwerken. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 152, Donnerstag, 6. Juli, S. 2 – 3. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Saját tudósítónktól. Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 153, Freitag, 7. Juli, S. 2. Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól [Der Pécser Bergmannstreik. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 154, Samstag, 8. Juli, S. 2. Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól [Der Pécser Bergmannstreik. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 155, Sonntag, 9. Juli, S. 3 – 4.³¹ Anon, Sztrájk a pécsi bányaművekben [Arbeitsniederlegung in den Pécser Kohlebergbauwerken], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 156, Dienstag, 11. Juli, S. 4. Anon, Szénrakodó munkások sztrájkja [Streik der Kohlepacker], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 157, Mittwoch, 12. Juli, S. 4. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 157, Mittwoch, 12. Juli, S. 4 – 5. Anon, A mi sztrájkjaink [Unsere Streiks], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 158, Donnerstag, 13. Juli, S. 1 – 2. Anon, Sztrájkoló bányászok [Streikende Bergleute], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 159, Freitag, 14. Juli, S. 3. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 161, Sonntag, 16. Juli, S. 3. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 162, Dienstag, 18. Juli, S. 3. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 163, Mittwoch, 19. Juli, S. 3. Anon, A fekete gyémántok [Die schwarzen Diamanten], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 167, Sonntag, 23. Juli, S. 1 – 2. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 167, Sonntag, 23. Juli, S. 4. Anon, Bányamunkások [Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 168, Dienstag, 25. Juli, S. 1 [Stellenanzeige der DDSG für Bergarbeiter]. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 168, Dienstag, 25. Juli, S. 2. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 169, Mittwoch, 26. Juli, S. 4. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 170, Donnerstag, 27. Juli, S. 2. Anon, Bányamunkások. Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 171, Freitag, 28. Juli, S. 1 [Stellenanzeige der DDSG für Bergarbeiter.]
31 Gyánti schreibt, dass der Reporter der Pécsi Napló Gyula Kéri das Blatt im Juli 1893 verließ. Vermutlich hört die Reihe mit den Titelzusätzen „saját tudósítónktól“ deshalb Mitte Juli auf. Vgl. Gyánti, Baranya vármegye és a Dunántúl első napilapja, in: Imre Kerekes (Hg.), Öttorony vonzásában, 2014, S. 58 – 75, hier S. 63.
342
13 Quellenverzeichnis
Anon, A belügyminiszter és a pécsi bányászsztrájk. Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 172, Samstag, 29. Juli, S. 3. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 172, Samstag, 29. Juli, S. 4 – 5. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 173, Sonntag, 30. Juli, S. 5. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 174, Dienstag, 1. August, S. 2 – 3. Szentkirályi Ede, A lejtőn [Ede Szentkirályi: Am Abhang], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 175, Mittwoch, 2. August, S. 1. Anon, Mennyi kenyeret kaptak a bányászok? [Wieviel Brot erhalten die Bergleute?] Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 175, Mittwoch, 2. August, S. 4. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 175, Mittwoch, 2. August, S. 4 – 5. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 176, Donnerstag, 3. August, S. 2. Anon, A pécsi bányász sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 177, Freitag, 4. August, S. 4. Anon, A pécsi bányász sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 178, Samstag, 5. August, S. 2 – 3. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 180, Dienstag, 8. August, S. 3. Anon, Bányászsztrájk Szászvárott [Bergarbeiterstreik in Szászvár], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 181, Mittwoch, 9. August, S. 2 – 3. Anon, Mire jó a sztrájk? [Wozu ist der Streik gut?], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 182, Donnerstag, 10. August, S. 3. Anon, A szászvári bányászsztrájk [Der Szászvárer Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 183, Freitag, 11. August, S. 4. Anon, A pécsi bányász sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 184, Samstag, 12. August, S. 3. Anon, A sztrájkoló bányászok végkielégítést kapnak [Die streikenden Bergleute erhalten Ausgleichszahlung], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 185, Sonntag, 13. August, S. 7. Anon, A bányász sztrájk véget ér [Der Bergarbeiterstreik ist zu Ende], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 186, Dienstag, 15. August, S. 7. Anon, A szénmunkások ismét dolgoznak [Die Kohlearbeiter arbeiten wieder], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 187, Donnerstag, 17. August, S. 3. Anon, Új szénbányász iskola [Neue Kohlebergbauschule], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 188, Freitag, 18. August, S. 3. Anon, Kitört ujból (sic!) a bányászsztrájk [Der Bergarbeiterstreik ist erneut ausgebrochen], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 191, Dienstag, 22. August, S. 6. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 192, Mittwoch, 23. August, S. 3. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 193, Donnerstag, 24. August, S. 3. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergmannsstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 194, Freitag, 25. August, S. 2 – 3.
13.3 Quellenverzeichnis: Pécsi Napló
343
Anon, A második bányász sztrájk is befejezést nyert [Auch der zweite Bergarbeiterstreik hat ein Ende gefunden], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 195, Samstag, 26. August, S. 2 – 3. Anon, A bányász-sztrájk véget ért [Der Bergarbeiterstreik ist zu Ende], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 196, Sonntag, 27. August, S. 9. Anon, A bányász sztrájk után [Nach dem Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1905, Jhg. 14, Nr. 198, Mittwoch, 30. August, S. 3.
1908, Jhg. 17 Anon, Május [Mai], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 100, Freitag, 1. Mai, S. 1. Anon, A bányamunkások sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 128, Freitag, 5. Juni, S. 3 – 4. Anon, A bányamunkások sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 130, Sonntag, 7. Juni, S. 6. Anon, A bányamunkások sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 131, Mittwoch, 10. Juni, S. 2 – 3. Anon, A bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergleute], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 131 [Nummerierungsfehler], Donnerstag, 11. Juni, S. 4. Anon, A bányamunkások sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 133, Samstag, 13. Juni, S. 4. Anon, A bányászsztrájk [Der Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 136, Mittwoch, 17. Juni, S. 4. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 139, Sonntag, 21. Juni, S. 5. Anon, Szocialista népgyűlés Pécsett [Sozialistische Volksversammlung in Pécs], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 140, Dienstag, 23. Juni, S. 3. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 142, Donnerstag, 25. Juni, S. 2. Anon, A bányamunkások sztrájkja [Streik der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 147, Donnerstag, 2. Juli, S. 2 – 3. Anon, Megszűnt a pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik hat aufgehört], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 156, Sonntag, 12. Juli, S. 3 – 4. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 157, Dienstag, 14. Juli, S. 2 – 3. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 158, Mittwoch, 15. Juli, S. 4. Anon, A pécsi és baranyai kőszénbányákról [Über die Pécser und Baranyaer Steinkohlebergwerke], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 165, Donnerstag, 23. Juli, S. 3 – 4. Anon, A bányamunkások segitése [Die Unterstützung der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 166, Freitag, 24. Juli, S. 3. Anon, A bányamunkások segítése [Die Unterstützung der Bergarbeiter], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 167, Samstag, 25. Juli, S. 4. Anon, Az új sztrájktörvény [Das neue Streikgesezt], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 169, Dienstag, 28. Juli, S. 1. Anon, Megszűnt a bányász-sztrájk [Der Bergarbeiterstreik hat aufgehört], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 169, Dienstag, 28. Juli, S. 2.
344
13 Quellenverzeichnis
Anon, A megyszűnőfélben levő bányász-sztrájk [Der aufhörende Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 171, Donnerstag, 30. Juli, S. 2. Anon, A szünő félben levö bányász-sztrájk [Der zu Ende gehende Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 172, Freitag, 31. Juli, S. 3. Anon, Munkásmulatság [Arbeiterfest], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 172, Freitag, 31. Juli, S. 4. Anon, A szűnőfélben levö bányász-sztrájk [Der aufhörende Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 173, Samstag, 1. August, S. 3. Anon, A szűnőfélben levő bányász-sztrájk [Der aufhörende Bergarbeiterstreik], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 174, Sonntag, 2. August, S. 6. Anon, Hétköznapi munkaszünet [Arbeitspause unter der Woche], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 175, Dienstag, 4. August, S. 1. Anon, Megszünt a bányász-sztrájk [Der Bergarbeiterstreik hat aufgehört], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 175, Dienstag, 4. August, S. 2. Anon, A bányász sztrájk utójátéka [Das Nachspiel des Bergarbeiterstreiks], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 180, Sonntag, 9. August, S. 6. Anon, Szocialista népgyűlés [Sozialistische Volksversammlung], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 186, Dienstag, 18. August, S. 4. Anon, Munkásmulatság [Arbeiterfest], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 186, Dienstag, 18. August, S. 6. Anon, A pécsi bányász sztrájk statisztikája [Die Statistik des Pécser Bergarbeiterstreiks], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 192, Mittwoch, 26. August, S. 3. Anon, Borbála napja [Barbaratag], Pécsi Napló, 1908, Jhg. 17, Nr. 278, Samstag, 5. December, S. 3. Lenkei, Lajos, XX. A Pécsi Napló története [XX. Die Geschichte der Pécsi Napló], Pécsi Napló, 1910, Jhg. 19, Nr. o. Nr., Sonntag, 25. Dezember, S. 30 – 32.
13.4 Weitere Zeitungen Allgemeine Zeitung, Abendblatt, München (1. Oktober 1882 – 1. März 1925) Anon, Fünfkirchen. Allgemeine Zeitung, Abendblatt, 1893, Jhg. 95, Nr. 156, Mittwoch, 7. Juni, S. 3.
A Munkás, Budapest³² (21. Januar 1893 – 20. Januar 1894) Anon, Bérmozgalom, Pécs [Lohnbewegung, Pécs], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 20, Samstag, 10. Juni, S. 1. Anon, Bérmozgalom, A pécsi bányász-sztrájk [Lohnbewegung, Der Pécser Bergarbeiterstreik], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 21, Samstag, 17. Juni, S. 2. Anon, Bérmozgalom, Pécs [Lohnbewegung, Pécs], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 24, Samstag, 1. Juli, S. 2.
32 Das ungarischsprachige Zwillingsblatt der Zeitung Der Arbeiter aus Budapest. Nicht alle Artikel erschienen jedoch auch in der anderen Ausgabe identisch.
13.4 Weitere Zeitungen
345
Anon, Bérmozgalom, Pécs, Július 4 [Lohnbewegung, Pécs, 4. Juli], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 25, Samstag, 8. Juli, S. 2. Anon, Szerencsétlen sztrájkok [Die unglücklichen Streiks], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 29, Samstag, 5. August, S. 2. Anon, Miért elégedetlenek a munkások? [Warum sind die Arbeiter unzufrieden?] A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 37, Samstag, 30. September, S. 1. Anon, Miért elégületlenek a munkások? II [Warum sind die Arbeiter nicht zufrieden? II], A Munkás, 1893, Jhg. 1, Nr. 39, Samstag, 14. Oktober, S. 1.
Arbeiter Zeitung, Wien (12. Juli 1889 – 15. März 1938) Anon, Der Fünfkirchner-Streik. Arbeiter Zeitung, 1893, Jhg. 5, Nr. 24, Freitag, 16. Juni, S. 5.
Berliner Tageblatt und Handelszeitung (1. Januar 1872 – 31. Januar 1939) Anon, Spanische Streiks. Berliner Tageblatt und Handelszeitung, 1893, Jhg. 22, Nr. 309, Dienstag, 20. Juni 1893, S. 1.
Borsszem Jankó, Budapest (5. Januar 1868 – 1. Januar 1938) Anon, Mért zúg a nép? [Warum murrt das Volk?] Borsszem Jankó,1893, Jhg. 26, Nr. 1327 (25.), Sonntag,18. Juni, S. 2. Anon, Bányászok sztrájka-Pillantás a jövőbe [Streik der Bergleute-Blick in die Zukunft], Borsszem Jankó, 1893, Jhg. 26, Nr. 1327 (25.), Sonntag,18. Juni, S. 6 – 7. (Mit vier Illustrationen) Anon, Kié az üst? [Wem gehört der Kessel?] Borsszem Jankó, 1908, Jhg. 41, Nr. 2106, Sonntag, 19. April, S. 14. (Mit zwei Illustrationen.)
Budapesti Hírlap (16. Juni 1881–?, 1939) Anon, Sztrájkmozgalom a pécsi szénbányákban [Streikbewegung in den Pécser Kohlebergwerken], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 154, Dienstag, 6. Juni, S 7. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 155, Mittwoch, 7. Juni, S. 4. Anon, Sztrájk a pécsi szénbányákban. Saját tudósítónktól [Streik in den Pécser Kohlebergwerken. Von unserem Berichterstatter], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 156, Donnerstag, 8. Juni, S. 4. Anon, A pécsi bányászsztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 157, Freitag, 9. Juni, S. 6.
346
13 Quellenverzeichnis
Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól [Der Pécser Bergarbeiter-Streik. Von unserem Berichterstatter], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 158, Samstag, 10. Juni, S. 4 – 5. Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Távirati tudósítások [Der Pécser Bergarbeiter-Streik. Fernschriftliche Berichte], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 5. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiter-Streik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 160, Montag, 12. Juni, S. 5. Anon, A sztrájkoló bányászok szétverése. Saját tudósítónk távirata [Die Zerschlagung der streikenden Bergarbeiter. Fernschreiben unseres Berichterstatters], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 161, Dienstag, 13. Juni, S. 4. Anon, Embertelenség [Unmenschlichkeit], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 162, Mittwoch, 14. Juni, S. 1 Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól. A hétfő délután [Der Pécser Bergarbeiter-Streik. Von unserem Berichterstatter. Der Montagnachmittag], Budapesti Hírlap. 1893, Jhg. 13, Nr. 162, Mittwoch, 14. Juni, S. 4. Anon, A pécsi bányász-sztrájk. Saját tudósítónktól. A mai nap [Der Pécser Bergarbeiter-Streik. Von unserem Berichterstatter. Der heutige Tag], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 162, Mittwoch, 14. Juni, S. 4. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 163, Donnerstag, 15. Juni, S. 7. Anon, A pécsi sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 164, Freitag, 16. Juni, S. 6. Anon, Pécsi munkások a belügyminiszternél [Pécser Arbeiter beim Innenminister], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 165, Samstag, 17. Juni, S. 11. Anon, A pécsi bányászok [Die Pécser Bergleute], Budapesti Hírlap (Beilage Nr. II.), 1893, Jhg. 13, Nr. 166, Sonntag, 18. Juni, S. 1. Anon, A munkaszünet vége. Kiküldött tudósítónktól [Das Ende der Arbeitsniederlegung. Von unserem entsandten Berichterstatter], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 170, Donnerstag, 22. Juni, S. 4. Anon, Vizsgálat a pécsi bányászok ügyében [Die Untersuchung der Sache der Pécser Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 171, Freitag, 23. Juni, S. 7. Anon, A pécsi bányász sztrájk ujra kitörőben [Der Pécser Bergarbeiterstreik am erneut Ausbrechen], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 174, Montag, 26. Juni, S. 4. Anon, Az ujra kezdődő sztrájk [Der neubeginnende Streik], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 175, Dienstag, 27. Juni, S. 6. Anon, A türelmes bányászok [Die geduldigen Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1893, Jhg. 13, Nr. 177, Freitag, 30. Juni, S. 6. Anon, Sztrájkoló bányászok [Streikende Bergleute], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 184, Donnerstag, 6. Juli, S. 10. Anon, Sztrájkoló bányászok [Streikende Bergleute], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 185, Freitag, 7. Juli, S. 11. Anon, A pécsi sztrájk [Der Pécser Streik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 186, Samstag, 8. Juli, S. 11. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 189, Dienstag,11. Juli, S. 10 – 11. Anon, A nemzetközi szocialisták gyűlése [Die internationale Versammlung der Sozialisten], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 209, Montag, 31. Juli, S. 3 – 4. Anon, A bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergleute], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 218, Mittwoch, 9. August, S. 9.
13.4 Weitere Zeitungen
347
Anon, A pécsi bányászok [Die Pécser Bergleute], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 222, Sonntag,13. August, S. 12. Anon, A pécsi sztrájk [Der Pécser Streik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 224, Dienstag, 15. August, S. 9. Anon, A bécsi [sic!] bányász sztrájk vége [Das Ende des Pécser Bergarbeiterstreiks], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 226, Donnerstag, 17. August, S. 9. Anon, A pécsi bányász-sztájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 231, Dienstag, 22. August, S. 9. Anon, A pécsi bányász-sztájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 232, Mittwoch, 23. August, S. 11. Anon, A pécsi bányász-sztájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 233, Donnerstag, 24. August, S. 14. Anon, A pécsi bányász-sztájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 235, Samstag, 26. August, S. 13. Anon, A pécsi bányász-sztájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Budapesti Hírlap, 1905, Jhg. 25, Nr. 236, Sonntag, 27. August, S. 13. Anon, Sztrájkoló bányamunkások [Die streikenden Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 135, Freitag, 5. Juni, S. 13. Anon, Nemzetközi bányamunkás kongresszus [Internationaler Bergarbeiterkongress], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 138, Dienstag, 9. Juni, S. 6. Anon, Bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 139, Mittwoch, 10. Juni, S. 12. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Streik der Pécser Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 150, Dienstag, 23. Juni, S. 12. Anon, A magyar szocialisták és a külföld [Die ungarischen Sozialisten und das Ausland], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 180, Donnerstag, 6. August, S. 6 – 7. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Die streikenden Bergarbeiter], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 207, Samstag, 29. August, S. 8. Anon, Szocialistáink és a külföld [Unsere Sozialisten und das Ausland], Budapesti Hírlap, 1908, Jhg. 28, Nr. 208, Sonntag, 30. August, S. 10.
Der Arbeiter, Budapest³³ (21. Januar 1893 – 20. Januar 1894) Anon, Internationaler Bergarbeiterstreik. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 20, Samstag, 3. Juni, S. 1. Anon, Lohnbewegung, Fünfkirchen. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 21, Samstag, 10. Juni, S. 2. Anon, Lohnbewegung. Der Fünfkirchner Bergarbeiterstreik. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 22, Samstag, 17. Juni, S. 2. Anon, Lohnbewegung, Fünfkirchen. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 23, Samstag, 24. Juni, S. 2. Anon, Lohnbewegung, Fünfkirchen. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 24, Samstag , 1. Juli, S. 2. Anon, Lohnbewegung, Fünfkirchen, 4. Juli. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 25, Samstag, 8. Juli, S. 2.
33 Das deutschsprachige Zwillingsblatt der Zeitung A Munkás aus Budapest. Nicht alle Artikel erschienen allerdings auch in der anderen Ausgabe identisch.
348
13 Quellenverzeichnis
Anon, Bergarbeiterleben. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 25, Samstag, 8. Juli, S. 2. Anon, Planlose Streiks. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 30, Samstag, 12. August, S. 2. Anon, Warum sind die Arbeiter unzufrieden? Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 36, Samstag, 23. September, S. 1. Anon, Warum sind die Arbeiter unzufrieden? II. Der Arbeiter, 1893, Jhg. 1, Nr. 38, Samstag, 7. Oktober, S. 1.
Népszava, Budapest (1877-heute) Anon, Zavargó bánya-munkások [Unruhige Bergarbeiter], Népszava, 1882, Jhg. 10, Nr. 19, Sonntag, 7. Mai, S. o. S. Anon, Bismarck Pécsett. Népszava, 1882, Jhg. 10, Nr. 21, Sonntag, 21. Mai, S. 1. Anon, A pécsi bányamunkások strikeja [Der Streik der Pécser Bergarbeiter], Népszava, 1882, Jhg. 10, Nr. 22, Sonntag, 28. Mai, S. 3. Anon, A strikeok [Die Streiks], Népszava, 1882, Jhg. 10, Nr. 33, Sonntag, 13. August, S. 1 – 2. Anon, Kiegyenlités [Der Ausgleich], Népszava, 1882, Jhg. 10, Nr. 34, Sonntag, 20. August, S. 1. Anon, Pécs, Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 19, Freitag, 12. Mai, S. 3. Anon, 3.000 bányász sztrájkban [3.000 Bergleute in Streik], Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 23, Freitag, 9. Juni, S. 1 – 2. Anon, A brutalitás netovábbja [Die Spitze der Brutalität], Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 24, Freitag, 16. Juni, S. 1 – 3. Anon, Pécs, Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 24, Freitag, 16. Juni, S. 5 – 6. Anon, A pécsvidéki bányász-sztrájk után [Nach dem Streik der Pécser Bergwerksregion], Népszava, 1893, Jhg. 21, Nr. 25, Freitag, 23. Juni, S. 1 – 2. Anon, Szénbányamunkások sztrájkja [Der Streik der Kohlebergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 82, Donnerstag, 6. Juli, S. 10. Anon, A pécsi szénbányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Kohlebergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 83, Freitag, 7. Juli, S. 9 – 10. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 84, Samstag, 8. Juli, S. 9. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 85, Sonntag, 9. Juli, S. 10. Anon, A pécsi szénbányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Kohlebergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 86, Dienstag, 11. Juli, S. 8 – 9. Anon, A pécsi szénbányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Kohlebergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 87, Mittwoch, 12. Juli, S. 8. Anon, A csőcselék hiába várt [Der Abschaum hat umsonst abgewartet], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 90, Samstag, 15. Juli, S. 1 – 2. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 90, Samstag, 15. Juli, S. 9. Anon, A pécsi szénbányászok [Die Pécser Kohlebergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 92, Dienstag, 18. Juli, S. 9. Anon, A pécsi szénbányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Kohlebergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 93, Mittwoch, 19. Juli, S. 9.
13.4 Weitere Zeitungen
349
Anon, A tőke szolgálatában.-A pécsi bányász sztrájk [Im Dienste des Kapitals], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 95, Freitag, 21. Juli, S. 6 – 7.³⁴ Anon, Bestialitás. A pécsi bányász-sztrájk [Bestialität. Der Pécser Bergarbeiterstreik], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 98, Dienstag, 25. Juli, S. 4. Anon, Hogyan zsarolják a szegény bányászokat. A pécsi bányász-sztrájk [Wie erpresst man die armen Bergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 99, Mittwoch, 26. Juli, S. 4. Anon, A bányaigazgatóság bosszúja. A pécsi bányász-sztrájk [Die Rache der Bergwerksdirektion. Der Pécser Bergarbeiterstreik], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 100, Donnerstag, 27. Juli, S. 7. Anon, Az általános, titkos választói jog az előtérben. A belügyminiszter nyilatkozata [Das allgemeine und geheime Wahlrecht im Vordergrund. Die Stellungnahme des Innenministers], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 101, Freitag, 28. Juli, S. 3 – 4 [Erst am Ende des Artikels werden die Bergarbeiter mit einbezogen]. Anon, Az általános választói jog és a magyar sajtó [Das allgemeine Wahlrecht und die ungarische Presse], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 103, Sonntag, 30. Juli, S. 4 – 5. Anon, A pécsi szénbányászok sztrájkjában [Im Streik der Pécser Kohlebergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 103, Sonntag, 30. Juli, S. 11. Anon, A nép akarata [Der Wille des Volkes], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 104, Dienstag, 1. August, S. 1 – 2. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 105, Mittwoch, 2. August, S. 8 – 9. Anon, Klerikális eszközök [Klerikale Methoden], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 106, Donnerstag, 3. August, S. 3. Anon, Tőke és munka. A pécsi bányász-sztrájk [Das Kapital und die Arbeit. Der Pécser Bergarbeiterstreik], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 107, Freitag, 4. August, S. 8. Anon, A zsidó székesegyház [Die jüdische Kirche], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 109, Sonntag, 6. August, S. 2. Anon, Tőke és munka. A pécsvidéki bányászsztrájk [Das Kapital und die Arbeit. Der Bergarbeiterstreik in der Pécser Region], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 111, Mittwoch, 9. August, S. 8. Anon, Szemle. A hazafiatlan kormány a hazafias vállalkozók szolgálatában [Betrachtung. die unpatriotische Regierung im Dienste der patriotischen Unternehmer], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 112, Donnerstag, 10. August, S. 4. Anon, Tőke és munka. A pécsi bányász-sztrájk megszűnt [Das Kapital und die Arbeit. Der Pécser Bergarbeiterstreik ist beendet], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 116, Dienstag, 15. August, S. 11. Anon, A pécsi bányászok sztrájkja [Der Streik der Pécser Bergarbeiter], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 122, Dienstag, 22. August, S. 10. A Dunagőzhajózási Társaság [Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 123, Mittwoch, 23. August, S. 9. Tőke és munka. A pécsvidéki bányászsztrájk [Das Kapital und die Arbeit. Der Bergarbeiterstreik der Pécser Gegend], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 124, Donnerstag, 24. August, S. 10. Anon, A pécsi bányászok [Die Pécser Bergleute], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 125, Freitag, 25. August, S. 9. Anon, Tőke és munka. A pécsi bányászsztrájk [Das Kapital und die Arbeit. Der Pécser Bergarbeiterstreik], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 126, Samstag, 26. August, S. 8.
34 Ab dieser Ausgabe beginnt die Zeitung eine Art Serie über den Streik der Pécser Bergarbeiter mit reißerischen Überschriften.
350
13 Quellenverzeichnis
Anon, Magyarnak Pécs! Németnek Bécs! Bányász-óra kitűnő svájci szerkezetű./Schicht szappan [Für den Ungarn Pécs! Für den Deutschen Wien! Bergarbeiteruhr mit hervorragender Schweizer Mechanik./Schicht Seife], Népszava, 1905, Jhg. 33, Nr. 130, Donnerstag, 31. August, S. 12 [Werbung für den Bergarbeiter]. Anon, Sztrájk a Dunagőzhajózási Társaság szénbányáiban. Kilencszáz bányász sztrájkol. A harcot az igazgatóság provokálta [Streik in den Bergwerken der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. 900 Bergarbeiter streiken. Den Kampf hat die Direktion provoziert], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 133, Donnerstag, 4. Juni, S. 6. Anon, Vidék. Háromezer bányamunkás sztrájkja [Provinz. Der Streik von 3.000 Bergarbeitern], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 134, Freitag, 5. Juni, S. 7 – 8. Anon, Utolsó hírek. Lapzártakor. A pécsvidéki szénbányászok sztrájkja [Die letzten Nachrichten. Nach Redaktionsschuss. Der Streik der Bergarbeiter der Pécser Anon, A pécsvidéki szénbányászok sztrájkja. A 4,15 százalékos osztalék és a munkások nyomorusága [Der Streik der Kohlebergarbeiter der Pécser Region. Der 4,15-prozentige Zuschlag und das Elend der Arbeiter], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 142, Sonntag, 14. Juni, S. 9 – 10. Anon, Vidék. A pécsvidéki bányászok sztrájkja [Provinz. Der Streik der Bergarbeiter der Pécser Region], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 143, Dienstag, 16. Juni, S. 10. Anon, Vidék. A pécsvidéki bányászok sztrájkja [Provinz. Der Streik der Bergarbeiter der Pécser Region], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 144, Mittwoch, 17. Juni, S. 9. Anon, Vidék. A pécsvidéki bányászok sztrájkja [Provinz. Der Streik der Bergarbeiter der Pécser Region], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 146, Freitag, 19. Juni, S. 6. Anon, A pécsvidéki bányászok sztrájkja. A hatóság a kizsákmányolók pártján [Der Streik der Bergarbeiter der Pécser Region], Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 149, Dienstag, 23. Juni, S. 7. Anon, Fáj a bányarészvényesek zsebe [Den Bergwerksaktionären schmerzt es in der Tasche] Népszava, 1908, Jhg. 36, Nr. 204, Donnerstag, 27. August, S. 9.
Pécs³⁵ (15. November 1882 – 10. Juli 1894)³⁶ Anon, Előfizetési felhívás! Pécs [Pränumerationsaufruf!] Pécs, 1882, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 15. November, S. 1. Anon, Mit akarunk? [Was wir wollen?] Pécs, 1882, Jhg. 1, Nr. 1, Mittwoch, 15. November, S. 1 – 2. Anon, Borbálanapja a bányatelepen [Barbaratag in der Bergbausiedlung], Pécs, 1882, Jhg. 1, Nr. 7, Mittwoch, 6. Dezember, S. 4. Anon, Ünnepély [Fest], Pécs, 1883, Jhg. 2, Nr. 97, Mittwoch, 5. Dezember, S. 4. Anon, Halálos kimemetelü verekedés [Schlägerei mit tödlichem Ausgang], Pécs, 1884, Jhg. 3, Nr. 98, Samstag, 6. Dezember, S. 5.
35 Die Pécs erschien als politisches Wochenblatt ein bis zwei Mal wöchentlich. Sie fusionierte im Juli 1894 mit der Pécsi Napló. Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die während der Streiks erschienenen Ausgaben der Pécs wurden durchgängig erfasst. 36 Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 489, S. 247.
13.4 Weitere Zeitungen
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Anon, A pécs-bányatelepi iskolában… [In der Schule von Pécsbányatelep], Pécs, 1885, Jhg. 4, Nr. 82, Samstag, 5. Dezember, S. 3. Anon, A munkás-kérdés veszélyei [Die Gefahren der Arbeiterfrage], Pécs, 1886, Jhg. 5, Nr. 20, Samstag, 15. Mai S. 1. Anon, Munkás-gyűlés [Arbeiterversammlung], Pécs, 1890, Jhg. 9, Nr. 18, Samstag, 3. Mai, S. 3 – 4. Anon, A Dunagőzhajózási társulat [Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 18, Samstag, 2. Mai, S. 5. Anon, A bányamunkások [Die Bergarbeiter], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 80, Samstag, 5. Dezember, S. 4. Anon, Bányaszerencsétlenség [Bergbauunglück], Pécs, 1891, Jhg. 10, Nr. 81, Mittwoch, 9. Dezember, S. 4. Anon, Munkásaink ügye és iparunk fejlesztése [Die Sache unserer Arbeiter und die Entwicklung unserer Industrie], Pécs, 1892, Jhg. 11, Nr. 34, Mittwoch, 27. April, S. 1. Anon, Szerencsétlenség a bányában [Unglück im Bergwerk], Pécs, 1892, Jhg. 11, Nr. 57, Samstag, 16. Juli, S. 5. Anon, Munkásmozgalom [Arbeiterbewegung], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 5. Anon, A bányászok sztrajkja [sic!] [Der Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 1 – 2. Anon, A magyarosodás a DGH-társaság pécsi bányaterületén [Die Magyarisierung im Pécser Bergbaurevier der DDSG], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 46, Samstag, 10. Juni, S. 4. Anon, A bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 47, Mittwoch, 14. Juni, S. 4. Anon, A sztrájkról [Über den Streik], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 49, Mittwoch, 21. Juni, S. 3. Anon, A magyarosodás terjedése [Die Ausbreitung der Magyarisierung], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 1 – 2. Anon, Munkás mozgalom [Arbeiterbewegung], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 50, Samstag, 24. Juni, S. 3 – 4. Anon, A bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 51, Mittwoch, 28. Juni, S. 3 – 4. Anon, A bányászoknak [An die Bergleute], Pécs, 1893, Jhg. 12, Nr. 54, Samstag, 8. Juli, S. 4.
Pécs Baranyai Hírlap³⁷ (17. Dezember 1881/4. Januar 1882 – 1. Oktober 1882) Anon, Előfizetési felhivás! Mutatványszám [Pränumerationsaufruf! Probeausgabe], Pécs-BaranyaiHírlap,1881, Jhg. 1, Nr. 1, Samstag, 17. Dezember, S. 1. Anon, A közszellem Baranyavármegyében. Mutatványszám [Der Gemeinschaftsgeist im Komitat Baranya. Probeausgabe], Pécs-Baranyai-Hírlap,1881, Jhg. 1, Nr. 1, Samstag, 17. Dezember, S. 1 – 2.
37 Die Pécs-Baranyai-Hírlap erschien als eine politische Zeitung. Sie bezeichnete sich ab der Mai Ausgabe von 1882 als das offizielle Mitteilungsblatt der Pécser liberaler Partei. Sie erschien samstags und mittwochs. Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 493, S. 251. Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die während des Streiks von 1882 erschienenen Ausgaben der Pécs-Baranyai-Hírlap wurden durchgängig erfasst.
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13 Quellenverzeichnis
Anon, Szabadelvüség és conservativismus. Második mutatványszám [Liberalismus und Konservativismus. Zweite Probeausgabe], Pécs-Baranyai-Hírlap,1881, Jhg. 1, Nr. 2, Samstag, 24. Dezember, S. 1. Anon, Magyar kultúra terjesztése.-I. Álatános helyzet [Die Verbreitung der ungarischen Kultur. 1. Die allgemeine Lage], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 3, Mittwoch, 11. Januar, S. 1. Anon, Magyar Cultura terjesztése.-II. A mezőgazdák helyzete [Die Verbreitung der ungarischen Kultur. 2. Die Lage der Landwirte], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 4, Samstag, 14. Januar, S. 1. Anon, Magyar Cultura terjesztése.-III. Iparosok helyzete [Die Verbreitung der ungarischen Kultur. 3. Die Lage der Handwerker], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 5, Mittwoch, 18. Januar, S. 1. Anon, O. T. [Leitartikel über die Hegemoniebestrebungen der Slawen (Panslawismus) und die neuerlichen Bestrebungen der Deutschen in Europa. Autorenkürzel: K.L.]. Pécs-BaranyaiHírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 29, Mittwoch, 12. April, S. 1. Anon, Népgyűlés [Volksversammlung], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 34, Samstag, 29 April, S. 3. Anon, O. T. [Leitartikel über die ethnisch vielfältige Nation], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 36, Samstag, 6. Mai, S. 1. Anon, Tüz-Vasárnap este a Coloniában tüz volt. Egy pajta égett le, a kár csekély [Feuer-Am Sonntagabend brannte es in der Kolonie. Eine Scheune ist abgebrannt, der Schaden ist gering], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 37, Mittwoch, 10. Mai, S. 3. Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 2 – 3. Anon, Lapunk zártakor [Bei Redaktionsschluss], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 3. Anon, Bányászverekedés [Bergarbeiterschlägerei], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai, S. 3. Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 1. Anon, Strike, Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 3. Anon, A közönség köréből [Aus dem Publikum], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 40, Samstag, 20. Mai, S. 3. Strike. Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 41, Mittwoch, 24. Mai, S. 3. Anon, A Pesti Napló pécsi levele a bányászok munkaszüneteléséről [Der Pécser Brief der Pesti Napló über die Arbeitsniederlegung der Bergleute], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 42, Samstag, 27. Mai, S. 2. Anon, Munkásaink [Unsere Arbeiter], Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 43, Mittwoch, 31. Mai, S. 1 – 2. Anon, Tisztelt olvasóinkhoz! [An unsere wehrten Leser!] Pécs-Baranyai-Hírlap,1882, Jhg. 1, Nr. 78, Sonntag, 1. Oktober, S. 1. [Letzte Ausgabe].
Pécsi Közlöny³⁸ (9. April 1893 (Nr. 2)–31. August 1913)³⁹
38 Alle Jahrgänge wurden nach Berichten über Feierlichkeiten zum Tag der heiligen Barbara und über den Ersten Mai sowie mithilfe der Recherchematrix untersucht. Die während der Streiks erschienenen Ausgaben der Pécsi Közlöny wurden durchgängig erfasst.
13.4 Weitere Zeitungen
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Anon, Sztrájk, Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 11, Sonntag, 11. Juni, S. 3 – 4. Anon, Bányászok sztrájkja [Der Streik der Bergleute], Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 12, Sonntag, 18. Juni, S. 4. Kornélia, Kis középtermés és a munkás kérdés [Geringe Zwischenernte und die Arbeiterfrage], Pécsi Közlöny, 1893, Jhg. 1, Nr. 19, Sonntag, 6. August, S. 1 – 3. Anon, Hírek. Május elseje [Nachrichten. Erster Mai], Pécsi Közlöny, 1894, Jhg. 2, Nr. 49, Dienstag, 1. Mai, S. 2. Anon, Hírek. Május elseje [Nachrichten. Erster Mai], Pécsi Közlöny, 1894, Jhg. 2, Nr. 50, Donnerstag, 3. Mai, S. 2. Anon, Bányaszerencsétlenség [Bergwerksunglück], Pécsi Közlöny, 1894, Jhg. 2, Nr. 103, Donnerstag, 13. September, S. 3 Anon, Hírek. A bányatelepi Borbála-ünnep [Nachrichten. Das Barbarafest in der Bergarbeitersiedlung], Pécsi Közlöny, 1894, Jhg. 2, Nr. 139, Samstag, 8. Dezember, S. 3. A munkáskérdésről. Ìrta: Kozáry Gyula [Über die Arbeiterfrage. Geschrieben von Gyula Kozáry], Pécsi Közlöny, 1895, Jhg. 3, Nr. 3, Sonntag, 6. Januar, S. 2 – 3. Anon, Hírek. A május elseje [Der Erste Mai], Pécsi Közlöny, 1895, Jhg. 3, Nr. 50, Donnerstag, 2. Mai, S. 2. Anon, Szocialistáink [Unsere Sozialisten], Pécsi Közlöny, 1896, Jhg. 4, Nr. 49, Sonntag, 3. Mai, S. 4. Anon, Népgyülés [Volksversammlung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 67, Mittwoch, 3. Mai, S. 5. Anon, Népünnepély a Tettyén [Volksfest im Tettye], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 67, Mittwoch, 3. Mai, S. 5. Anon, Vizsga a m.k. állami pécsi szénbányász iskolában [Prüfung in der königlichen ungarischen staatlichen Pécser Kohlebergarbeiterschule], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 114, Mittwoch, 21. Juni, S. 5. Anon, Szétrobbantott ember. Öngyilkos bányamunkas [Der gesprengte Mensch. Der Selbstmord des Bergarbeiters], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 127, Dienstag, 4. Juli, S. 4 Anon, Legujabb. Általános bányászsztrájk. Kiküldött tudósítonk telefon jelentése [Neuestes. Der allgemeine Bergarbeiterstreik. Telefonische Nachricht unseres entsandten Berichterstatters], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 129, Donnerstag, 6. Juli, S. 6 Anon, Bányászsztrájk. Kiküldött tudósítónk telefon jelentése [Bergarbeiterstreik. Telefonische Meldung unseres entsandten Berichterstatters], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 130, Freitag, 7. Juli, S. 6 – 7. Anon, Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 131, Samstag, 8. Juli, S. 2 – 4. Anon, Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 132, Sonntag, 9. Juli, S. 3 – 4. Anon, Bányászsztrájk Komlón [Bergarbeiterstreik in Komló], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 134, Dienstag, 11. Juli, S. 4. Anon, Bányászsztrájk. Kiküldött tudósítónk telefon jelentése [Bergarbeiterstreik. Telefonischer Bericht unseres entsandten Berichterstatters], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 134, Dienstag, 11. Juli, S. 6. Anon, Megszünt a Komlói sztrájk [Der Streik in Komló ist zu Ende], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 135, Mittwoch, 12. Juli, S. 6.
39 Die Pécsi Közlöny bezeichnete sich als eine politisch unabhängige Zeitung. Im April 1902 nannte sie sich eine christlich orientierte oppositionelle Zeitung und ab 1911 als das offizielle Mitteilungsblatt der Pécser Unabhängigkeits- und 48-er Partei. In 1893 und -94 erschien sie wöchentlich sonntags, später auch zweimal, dreimal wöchentlich und zeitenweise auch täglich. Vgl. Miklós Surján, Baranya Megye sajtóbibliográfiája. 1832 – 1984, Pécs 1992, Nr. 551, S. 279 – 281.
354
13 Quellenverzeichnis
Anon, Kétezer ember kenyér nélkül [2.000 Menschen ohne Brot], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 137, Freitag, 14. Juli, S. 2. Anon, Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 138, Samstag, 15. Juli, S. 5. Anon, Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 139, Sonntag, 16. Juli, S. 6. Anon, A Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 141, Dienstag, 18. Juli, S. 5. Anon, Elmérgesedett bányászsztrájk. A bányatársulat kegyetlenkedése. Künn a szakadó esőben [Der Bergarbeiterstreik ist eskaliert. Die Gnadenlosigkeit der Bergwerksgesellschaft. Draußen im strömenden Regen], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 143, Donnerstag, 20. Juli, S. 1 – 3. Anon, Segitsük a bányászokat! [Helfen wir den Bergleuten!], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 144, Freitag, 21. Juli, S. 1 – 2. Anon, Segitség a bányamunkásoknak [Hilfe für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 145, Samstag, 22. Juli, S. 5. Anon, Adomány a bányászok részére [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 145, Samstag, 22. Juli, S. 6. Anon, Jószivü munkásnép [Großherziges Arbeitervolk], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 145, Samstag, 22. Juli, S. 6. Anon, Adomány a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 146, Sonntag, 23. Juli, S. 5. Anon, A bányászok élelmezése [Die Ernährung der Bergleute], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 146, Sonntag, 23. Juli, S. 6. Anon, Elfogyott a szén [Die Kohlen sind ausgegangen], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 146, Sonntag, 23. Juli, S. 6. Anon, !! Bányamunkások!! [Bergarbeiter! (Stellenanzeige DDSG)] Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 147, Dienstag, 25. Juli, S. 1. Anon, Toll: A nyomorusaág alakjai [Toll: Die Gestalten des Elends], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 147, Dienstag, 25. Juli, S. 1 – 2.⁴⁰ Anon, Ebéd a bányászok részére [Mittagessen für die Bergleute], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 147, Dienstag, 25. Juli, S. 3. Anon, Adományok a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 147, Dienstag, 25. Juli, S. 4. Anon, !! Bányamunkások!! [Bergarbeiter! (Stellenanzeige DDSG)], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 148, Mittwoch, 26. Juli, S. 1. Anon, Adományok a bányászok részére [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 148, Mittwoch, 26. Juli, S. 4. Csollán, A nyomor alakjai [Csollán, Die Gestalten des Elends], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 148, Mittwoch, 26. Juli, S. 4 – 5. Anon, Adományok a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 149, Donnerstag, 27. Juli, S. 4. Anon, Adomány a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 150, Freitag, 28. Juli, S. 3. Anon, Nagy népünnepély a Tettyén [Großes Volksfest auf dem Tettye], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 150, Freitag, 28. Juli, S. 5. Anon, !! Bányamunkások!! [Bergarbeiter! (Stellenanzeige DDSG)], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 151, Samstag, 29. Juli, S. 1.
40 Toll, übersetzt Füllhalter, ist das Pseudonym eines Essayisten der Pécsi Közlöny.
13.4 Weitere Zeitungen
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Anon, Kivándorló bányamunkások [Auswandernde Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 151, Samstag, 29. Juli, S. 4. Anon, Adomány a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 151, Samstag, 29. Juli, S. 4. Anon, Adományok a bányászok részére [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 152, Sonntag, 30. Juli, S. 5. Anon, Adományok a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 154, Mittwoch, 2. August, S. 5. Anon, A bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 154, Mittwoch, 2. August, S. 5. Anon, Nyomorúság hiénái [Hyänen des Elends], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 154, Mittwoch, 2. August, S. 5 – 6. Anon, Jegyzőkönyv [Protokoll], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 155, Donnerstag, 3. August, S. 2 – 3. Anon, Bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 155, Donnerstag, 3. August, S. 4. Anon, Adományok a bányászoknak [Spenden für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 156, Freitag, 4. August, S. 4. Anon, A Pécs és vidéke ker. munkás egyesültete [Der Arbeiterverein von Pécs und Umgebung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 157, Samstag, 5. August, S. 4. Anon, A bányamunkások részére [Für die Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 157, Samstag, 5. August, S. 5. Anon, A bányászsztrájk és a miniszterium [Der Bergarbeiterstreik und das Ministerium], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 160, Dienstag, 8. August, S. 4. Anon, Bányatelepeken minden csendes [In den Bergarbeitersiedlungen ist alles still], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 160, Dienstag, 8. August, S. 5. Anon, Bányászsztrájk Szászváron [Bergarbeiterstreik in Szászvár], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 161, Mittwoch, 9. August, S. 3 – 4. Anon, Bányászsztrájk Szászváron [Bergarbeiterstreik in Szászvár], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 164, Samstag, 12. August, S. 4. Anon, A sztrájkoló bányászok végkielégítése [Die Ausgleichszahlung der streikenden Bergleute], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 165, Sonntag, 13. August, S. 3 – 4. Anon, Legujabb. Ujabb fordulat a bányászsztrájkban. A munkások kivándorlása [Das Neueste. Neue Wendung im Bergarbeiterstreik. Die Auswanderung der Arbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 165, Sonntag, 13. August, S. 7. Anon, A bányatelepen levö katonaság [Das Militär in der Bergarbeitersiedlung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 166, Dienstag, 15. August, S. 7. Anon, Megtámadott bányagépészek [Überfallene Bergwerksschlosser], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 166, Dienstag, 15. August, S. 7. Anon, Ker. szocialista gyülés [Regionale Sozialistenversammlung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 168, Donnerstag, 17. August, S. 6. Anon, Törvényszék. Elitélt bányászok [Gericht. Verurteilte Bergarbeiter], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 170, Samstag, 19. August, S. 6. Anon, Népgyüles [Volksversammlung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 173, Dienstag, 22. August, S. 4. Anon, Ujból sztrájkolnak a bányászok [Erneuter Streik der Bergleute], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 173, Dienstag, 22. August, S. 5.
356
13 Quellenverzeichnis
Anon, Legujabb. A bányászsztájk elfajulása [Das Neueste. Die Entartung des Bergarbeiterstreiks], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 173, Dienstag, 22. August, S. 6. Anon, A bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 175, Donnerstag, 24. August, S. 5. Anon, A bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 176, Freitag, 25. August, S. 5. Anon, A bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 177, Samstag, 26. August, S. 4. Anon, A sztrájkból folyó kihágások elintézése [Der Umgang mit den aus dem Streik hervorgegangenen Ausschreitungen], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 177, Samstag, 26. August, S. 4. Anon, Napi Hírek. A bányatelepi katonai kirendeltség visszavonása [Tagesnachrichten. Rückzug des Militärs aus der Bergarbeitersiedlung], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 180, Mittwoch, 30. August, S. 3.⁴¹ Anon, Baleset [Unfall], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 181, Donnerstag, 31. August, S. 6. Anon, Bosszuálló bányászok [Rächende Bergleute], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 185, Freitag, 8. September, S. 5 – 6. Anon, Bányamunkások az álltalános választójog mellett [Bergarbeiter für das allgemeine Wahlrecht], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 197, Samstag, 16. September, S. 4. Anon, Bányászok és kohászok evi közgyülése [ Jahresversammlung der Bergarbeiter und Stahlkocher], Pécsi Közlöny, 1905, Jhg. 13, Nr. 204, Samstag, 23. September, S. 4. Anon, Napihírek. A májusi munkás ünnep [Tagesnachrichten. Das Maifest der Arbeiter], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr 102, Sonntag, 3. Mai, S. 3. Anon, Szocialista népgyűlés [Sozialistische Volksversammlung], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 121, Dienstag, 26. Mai, S. 5. Anon, A bányamunkások mozgalma [Die Bergarbeiterbewegung], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 128, Donnerstag, 4. Juni, S. 1 – 2. Anon, A bányászok mozgalma [Die Bergarbeiterbewegung], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 129, Freitag, 5. Juni, S. 3. Anon, A pécsvidéki bányamunkások mozgalma. Saját tudósítónktól [Die Bewegung der Bergarbeiter der Pécser Region. Von unserem Berichterstatter], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 130, Samstag, 6. Juni, S. 3. Kirschanek Ödön, A munkásság hivatása [Ödön Kirschanek: Die Berufung der Arbeiterschaft], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 131, Sonntag, 7 Juni, S. 2. Anon, Napihírek. Bányász sztrájk [Tagesnachrichten. Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 136, Sonntag, 14. Juni, S. 4. Anon, A bányászsztrájk [Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 144, Donnerstag, 25. Juni, S. 4. Anon, A sztrájkok által okozott károk [Die durch die Streiks verursachten Schäden], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 146, Samstag 27. Juni, S. 1. Anon, Napihírek. A bányász sztrájk [Tagesnachrichten. Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 157, Samstag, 11. Juli, S. 3 – 4. Anon, Napihírek. A bányász sztrájk [Tagesnachrichten. Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 159, Dienstag, 14. Juli, S. 3.
41 Druckfehler: Paginierung der Seite 3 lautet 30.
13.4 Weitere Zeitungen
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Anon, Napihírek. A bányamunkások sztrájkja megszűnt [Tagesnachrichten. Der Streik der Bergarbeiterstreik ist eingestellt], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 171, Dienstag, 28. Juli, S. 3. Anon, Az igazságtalan sztrájkok okai [Gründe für die ungerechten Streiks], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 172, Mittwoch, 29. Juli, S. 1. Dőmel Anzelm, Az Uj [sic!] lap és a bányászsztrájk [Anzelm Dömel: Die Új Lap und der Bergarbeiterstreik], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 173, Donnerstag, 30. Juli, S. 6. Dőmel Anzelm, Még egy és ezuttal utolsó válasz az Uj lapnak [Anzelm Dömel: Noch eine allerletzte Antwort für die Új Lap], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 176, Sonntag, 2. August, S. 7 – 8. Anon, Verekedő bányászok [Sich prügelnde Bergleute], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 182, Sonntag, 9. August, S. 5. Anon, A bányatelepi sztrájk statisztikája [Sie Streikstatistik der Bergarbeitersiedlung], Pécsi Közlöny, 1908, Jhg. 16, Nr. 193, Dienstag, 25. August, S. 5 – 6. Anon, Baleset a bányában [Unfall im Bergwerk], Pécsi Közlöny, 1910, Jhg. 18, Nr. 67, Donnerstag, 17. März, S. 5.
Pester Lloyd (1. Januar 1854 – 14. April 1945) Anon, Strike, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 135, Mittwoch, 7. Juni, S. 7. Anon, Der Strike im Fünfkirchner Kohlengebiet, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 128, Mittwoch, 7. Juni, S. 11. Anon, Fünfkirchen, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 136, Donnerstag, 8. Juni, S. 3 Anon, Fünfkirchen, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 136, Donnerstag, 8. Juni, S. 3. Anon, Zum Strike in den Fünfkirchner Kohewerken, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 129, Donnerstag, 8. Juni, S. 11. Anon, Zum Strike der Fünfkirchner Grubenarbeiter, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 137, Freitag, 9. Juni, S. 6. Anon, Strike der Fünfkirchner Grubenarbeiter, Pester Lloyd, Abedblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 130, Freitag, 9. Juni, S. 9. Anon, Strike in den Fünfkirchner Kohlenbergwerken, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 138, Samstag, 10. Juni, S. 6. Anon, Fünfkirchner Grubenstrike, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 139, Sonntag, 11. Juni, S. 6. Anon, Zum Strike in den Fünfkirchner Kohlengruben, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 132, Montag, 12. Juni, S. 1. Anon, Zum Strike in den Fünfkirchner Kohlengruben, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 140, Dienstag, 13. Juni, S. 3. Anon, Zur Arbeiterbewegung in Südungarn, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 140, Dienstag, 13. Juni, S. 5. Anon, Zum Strike in den Fünfkirchner Kohlengruben, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 133, Dienstag, 13. Juni, S. 9. Anon, Zum Strike in den Fünfkirchner Kohlengruben, Pester Lloyd, 1893, Jhg. 40, Nr. 141, Mittwoch, 14. Juni, S. 6. Anon, Zum Bergarbeiter-Strike in Fünfkirchen, Pester Lloyd, Abendblatt, 1893, Jhg. 40, Nr. 134, Mittwoch, 14. Juni, S. 11.
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13.4 Weitere Zeitungen
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Anon, A pécsi bányászok a belügyminiszternél [Die Pécser Bergleute beim Innenminister], Pesti Napló, 1893, Jhg. 44, Nr. 170, Samstag, 17. Juni, S. 6. Anon, A pécsi sztrájk vége [Das Ende des Pécser Streiks], Pesti Napló, 1893, Jhg. 44, Nr. 171, Sonntag, 18. Juni, S. 6. Anon, Munkás-gyűlések. Budapest, junius 18 [Arbeiterversammlungen. Budapest, 18. Juni], Pesti Napló, Abendausgabe, 1893, Jhg. 44, Nr. 172, Montag, 19. Juni, S. 5 – 6. Anon, Munkásgyülés Pozsonyban [Arbeiterversammlung in Preßburg], Pesti Napló, 1893, Jhg. 44, Nr. 173, Dienstag, 20. Juni, S. 6. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pesti Napló, 1893, Jhg. 44, Nr. 176, Freitag, 23. Juni, S. 5. Anon, A pécsi bányász-sztrájk [Der Pécser Bergarbeiterstreik], Pesti Napló, 1893, Jhg. 44, Nr. 181, Mittwoch, 28. Juni, S. 5.
Politisches Volksblatt, Budapest (26. November 1875 – 31. Mai 1920) Anon, Arbeiter-Strike, Politisches Volksblatt, 1882, Jhg. 8, Nr. 135, Mittwoch, 17. Mai, S. 6. Anon, Militär und Grubenarbeiter, Politisches Volksblatt, 1893, Jhg. 19, Nr. 159, Sonntag, 11. Juni, S. 1.
Vorwärts, Berliner Volksblatt (1. Januar 1891 – 28. Februar 1933) Anon, Schlagende Wetter in Bergwerken in Fünfkirchen (Ungarn). „Zahlreiche Verunglückungen.“ Vorwärts, 1891, Jhg. 8, Nr. 3. Sonntag, 4. Januar, S. 5. Anon, Fünfkirchen, 14. Mai. „Die 21 Arbeiter, welche sich in der Somogyer Grube befanden, als Wassermassen in dieselbe drangen, sind sämtlich gerettet worden.“ Vorwärts, 1892, Jhg. 9, Nr. 113, Sonntag, 15. Mai, S. 7. Anon, Fünfkirchen. 7. Juni. „In den Kohlenbergwerken der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft ist ein partieller Streik ausgebrochen; nahezu 800 Arbeiter sind nicht eingefahren.“ Vorwärts, 1893, Jhg. 10, Nr. 132, Donnerstag, 8. Juni, S. 8. Anon, Redaktionen der ‚Arbeiterpresse‘ und ‚Népszava‘. Vorwärts, 1893, Jhg. 10, Nr. 144, Donnerstag, 22. Juni, S. 2. Anon, Über den mit Gewalt niedergeworfenen Streik der Fünfkirchener Bergleute. Vorwärts, Berliner Volksblatt. 1893, Jhg. 10, Nr. 160, Dienstag, 11. Juli, S. 3 Anon, Kohlenarbeiterstreik, Fünfkirchen, 3. Januar. (W. T. B.) Vorwärts, 1907, Jhg. 24, Nr. 3, Dienstag, 4. Januar, S. 4. Anon, Christlichsozialer Streikbrecherverein in Ungarn. Vorwärts, 1907, Jhg. 24, Nr. 12, Dienstag, 15. Januar, S. 6.
Wiener Zeitung (1. Januar 1780-heute) Anon, Fünfkirchen, Wiener Zeitung, 1893, Jhg. o. J., Nr. 128, Mittwoch, 7. Juni, S. 8.
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https://doi.org/10.1515/9783111247113-015
Register A Mi Zászlónk 54 Abendblatt 11, 242, 344, 357 f. Adloff, Frank 13 Ágh, Timót Géza 88 Aidinger, J. 127, 130 f., 166, 173 f., 183, 186, 226 Akteur 4, 10, 13, 18 – 23, 29 f., 34, 43, 50, 53, 56 – 58, 63, 67, 69, 75 – 80, 87, 94, 114, 128, 163, 167 f., 212, 255, 263, 266, 285 Allgemeine Zeitung 11, 344 Alltagskultur 14, 47, 82, 253 Alltagswelt 3, 10, 15, 23, 17 – 20, 200, 261, 270, 285 Alltagswirklichkeit 20, 78, 267 Anales 64 Ananieva, Anna 3, 24 Anderson, Benedict 23, 252 Andrássy, Julius 139 f., 299 Angster, J. 87 Arbeiterfreund 62 Arbeiterfreunde 68 Arbeiterwohl 62 Arbeitsmigration 57, 90 Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik 62 Assmann, Jan 16 Augé, Marc 43 Ausgleich, Österreich Ungarn 72, 74, 86, 108, 133, 348 Aushandlungspraktiken 3 f., 14 Aushandlungsprozesse 9, 12, 21, 23, 30, 32, 76, 78, 87, 270, 285
Barbara, heilige 26, 36 f., 40, 101, 121 f., 125 f., 149, 170, 173, 176 – 178, 184, 186, 188, 199, 202, 214 – 216, 222, 269, 272, 286, 315, 329 – 333, 335 f., 338, 350 – 352 Bausinger, Hermann 75, 281 Bedeutungszuschreibungen 79, 270 Benda, Gyula 63 – 66 Bendel, Sylvia 29 Bergarbeiterzeitung 56 Berger, Peter 18, 262, 285 Berliner Tageblatt 129, 345 Berliner Volksblatt 11, 242, 359 Bernath, J. 139 f., 242 Bidlo, Oliver 13, 75 f. Bismarck, Otto von 99 blutiger Montag 260, 305 Böhmen 154 f., 162, 244, 275 Bolgar, K. 133 Bolgár, K. 185, 209, 312 Borscheid, Peter 3 Bote von und für Ungarn 73 Bourdieu, Pierre 15, 17, 19 – 22, 31 f., 79 f., 164, 168, 262 – 264, 269, 285 Brandt, Juliane 71, 116, 206 Brauer, Eva 80, Budapesti Hírlap 11, 54, 112 f., 219, 222, 225, 310, 345 – 347 Bürgertum 12, 21, 52 f., 59, 61 – 67, 69, 82, 86, 103, 167, 213, 217, 224 f., 250 f., 264, 273, 276, 280, 284
Babics, András 54 f., 88 f., 91, 256, 274, 316 Bácskai, Vera 1, 61 Bade, Klaus J. 89 Bäker, Andreas 63 Bäker, Rolf 62, 67 Baranya 2, 16, 20, 29, 41, 44, 49, 55, 69 – 71, 84 f., 88, 91, 95 f., 100 – 102, 104, 108 f., 114, 116, 118, 121, 127, 132, 134, 146, 156, 169, 173, 179, 184, 186, 195, 213, 216, 219, 267, 286 – 288, 299, 308, 329, 333 f., 338 f., 350 f., 353
Chronologie 48, 50, 91, 255, 258, 286 Csorba-Győző-Könyvtár 66 Czepek, Andrea 57 Czoch, Gábor 2, 87 Czoernig, Karl von 84, 377
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Dangelmaier, Tamara 80 Deák, Ferenc 95, 119 Dhawan, Nikita 31 Differenzierung 153, 264 Digitalisierung 38 f., 82, 270, 320
Register
Diskurs 3, 13 f., 23, 31, 36, 58, 78, 80, 171, 199, 254, 265, 280 Distanz 8 f., 45, 71, 135, 138, 141, 151, 153, 156, 160, 162 f., 171, 175, 181, 194, 198 f., 201, 204, 207, 217, 222 f., 225, 231, 244, 248, 250, 256, 264, 269, 272 f., 275, 278, 280, 283 Distanzen 24, 258, 262, 264 – 266, 269, 271, 285 Distanziertheit 27, 138, 163, 166, 176 f., 184, 187, 193, 197 f., 201, 211 f., 214, 225, 276 Distanzierung 262, 264, 281, 283 Distinktion 31 f., 159 Diversität 57 f., 75, 129, 168, 212, 254 Donaudampfschifffahrtsgesellschaft/DDSG 2, 12, 27, 44 f., 55, 66, 86, 88 – 92, 120 f., 125, 127 f., 133, 137, 139 f., 142 – 151, 154, 158, 163 – 166, 170, 172 – 178, 181, 184 – 188, 195, 197, 200, 205, 208, 211, 214 f., 217, 230 f., 233 – 237, 244, 249, 251, 267, 273, 275 f., 280, 283, 286, 290 – 293, 296 f., 302, 311 – 314, 316 f., 330, 332, 341, 349 – 351, 354, 359, 377, Egyetértés 54 Eichenseher, Mate 24, 99 Einwanderer 21, 57 f., 63, 84, 153, 162, 178, 205, 238, 277 Esterházy, Péter 252 Ethnographie 4, 10, 12, 24, 43, 48, 52, 67, 69, 75 f., 78 – 81, 83, 118, 122, 253 f., 281 Ethnographie, historische 4, 24 Fahrrad 43 f., 111, 266, 377 Fehér, István 2 Fehmel, Thilo 18 Felder 15, 21 f. Figurationen 17, 43 Forray, Ivan von 132, 134 f., 137, 145, 182 – 184, 186, 226, 230, 288 f., 291 f., 304, 311 Forschungsfeld 4, 34, 44, 52, 75, 82 Foucault, Michel 23, 263 Frau 8, 61, 65, 91, 99, 152 f., 160, 163 f., 206 f., 217, 247, 259, 277, 299 f., 302, 305 f. Frie, Ewald 15, 22 Friedrichs, Anne 58 Fünfkirchen 1 f., 11, 25, 45, 59, 67, 71, 84, 120 f., 259, 266, 297, 330, 344, 347, 357, 359 f., 377 Fünfkirchner Bergmandl 70, 86 Fünfkirchner Intelligenz-Wochenblatt 115
379
Fünfkirchner Zeitung 1 f., 8 f., 11, 16, 25, 28, 31, 37 f., 40 f., 44 f., 48, 50, 54, 67, 70 f., 86, 88, 95, 104, 107, 109, 114 – 116, 118 – 123, 125 – 168, 171, 215, 219, 254, 257, 259 f., 264 f., 270 – 272, 276 – 279, 286, 288 f., 291 f., 294 – 305, 307, 309 – 315, 329 – 333, 338, 377 Gál, Éva 87 Gelsenkirchener Zeitung 56 Gendarmerie 91, 128, 132 f., 143, 167, 179 f., 182, 186, 207, 213, 226, 260 f., 287, 289, 292, 304, 306 f., 309, 317 Gerner, Zsuzsanna 63, 66 f., 70, 116 Girtler, Roland 43 Glaser, Barney 33, 35 Goffman, Erving 164 Golova, Tatiana 79 Göttsch, Silke 3, 14 Grounded Theory 4, 32 – 35, 39, 42, 52, 78, 80 f., 255, 265 Günzel, Stephan 258 Gyánti, István 66, 71, 101, 107 – 109, 112 – 114, 341 Haas, Mihály 69 Habitus 15, 17, 19 – 22, 31, 48, 63, 162, 164, 168, 179, 199, 210, 213, 262 f., 276, 278 Haksch, Lajos 102 – 104, 169 f., 286, 334 f. Halkovics, László 99 Hall, Stuart 60 Hamburg 3, 13, 15, 17, 19, 30, 33, 42, 44, 60, 121, 129, 262 Hamerli, J. 87 Heilfurth, Gerhard 59 Hierarchien 15, 79, 145, 163 Hieronymi, K. 137, 192 – 194, 209, 261, 311 Historiographien 48, 50, 255 Hochrein, Otto 377 Hoggart, Richard 60 Hunold, Daniela 80 Huszár, Zoltán 2, 16, 173 Hutterer, Claus-Jürgen 275 In-vivo-Codes 42 Individuen 13, 17, 19, 226 Industrialisierung 64, 80, 84 f., 89 f., 151, 256 Ingendahl, Gesa 4
380
Register
Integration 18, 34, 57 f., 62, 105, 205 f. interethnisch 36 Interview 30 Johler, Reinhard 59 Johnson, Signe-Lou 57 Journalismus 71, 75, 256 Juden 63, 73, 243 Kapital 15, 19, 22, 26, 31, 69, 157, 162, 213 f., 217, 262 f., 276, 280, 349 Kaposi, Zoltán 11, 25, 54, 84, 87, 90, 257, 283 Kardos, Emilia 70, 118, 174, 184, 231, 289, 304 Kaschauer Kundschaftsblatt 73 Kather, Regine 14 f. Katus, László 1, 63, 67, 84, 90 Kaufmann, K. 91, 128, 134, 137 f., 145, 173, 176, 194 – 197, 226, 231, 241, 268, 288 f., 291 f., 295, 297 f., 307 f., 311, 315 Keller-Drescher, Lioba 4 Kerekes, Imre 16, 71 Keszthely 64, 66 Klein, Judit 116 Kleßmann, Christoph 57 Klimó, Árpád, von 26 Know-how 17 Kocka, Jürgen 12, 61 – 63, 280 Kodes 15, 39, 41 f. Kollektivakteur 12 – 14, 16 f., 23, 30, 46 f., 75 f., 78, 253, 255, 285 Köllmann, Wolfgang 56 Koltai, Zsuzsa 2 Kommunikation 14 f., 17, 22, 46, 144 – 146, 165, 173, 262 Konflikt 13, 17 – 19, 30, 186, 199 f. Konfliktgesellschaften 18 Konstruktionsprozesse 23, 270 Konzept 33, 77 Koselleck, Reinhard 72 Kossuth, Lajos 99, 216, 334 Kraków 76 f. Kreativszene 78 f. Kulturwissenschaften 13, 15, 22, 31, 35, 59 f., 263 Kun, Béla 55, 86, 89 f., 135 Latour, Bruno
10, 262, 285
Lefebvre, Henri 76, 78 f., 263, 265 f., 271, 274 Lehmann, Albrecht 3, 14 Leipziger Zeitung 69 Lenin 53, 77 Lenkei, L. 107, 109, 115, 219 Littke, J. 87 Lokalpresse 4, 14, 21, 24, 27, 36, 38, 50, 67, 82 f., 91, 94, 99, 101, 106, 114, 171, 216, 218, 253 – 256, 262, 281, 284 f., 397 Longue Durée 65 Löw, Martina 46 f., 79 f., 263 Luckmann, Thomas 18, 262, 285 Lukács, Béla 139 f., 261 Maase, Kaspar 24, 281 Magyarisierung 74, 86, 97, 110, 142, 144, 146, 148, 167, 204, 206, 222, 233, 249, 251, 273, 275, 281, 351 Magyary, S. J. 152, 294 Mähren 89, 115, 244, 251, 275 Marginalisierung 264, 269 Massenmedien 14, 24 Máté, Károly 70 Mauerer, Christoph 67 MAXQDA 39 Medienanalyse 44, 62, 75, 78, 254 Medienethnographie 75, 253 Medienwissenschaft 82 Meier, Mischa 15, 22 Mérey, Klára 55, 88 Mikroanalyse 12 mikroperspektivisch 4, 11, 39, 49, 82, 129, 218 Miladinović Zalaznik, Mira 70 Militär 6, 8 f., 27, 46, 48, 131 f., 135 f., 141, 154, 164, 167, 179 – 183, 207, 213, 222, 226 f., 250, 259 – 261, 267, 271, 274 f., 279, 284, 294, 296, 299 – 301, 305, 308 f., 355, 359 miners into magyars 281, 283 Mobilität 65 f., 84, 87, 144, 158, 300 Mohács 88, 121, 142, 173, 296, 306 Möller, Matthias 61 Móró, Mária Anna 70, 84 Multiethnizität 1, 4, 10, 35, 58, 66 f., 78, 105, 148, 204, 206, 253, 255, 277, 283 Munkás 12, 29 f., 50, 88, 105, 171, 189, 200 f., 203 f., 256 f., 287, 335 f., 344 f., 347, 351, 359
Register
Nagy, Imre 59, 71, 84, 94, 108, 216, 311, 354 Narrativ 77 f., 81, 152 f., 262 National Zeitung 56 Nationalbewusstsein 74, 256 Nationalismus 23, 57, 73, 86, 275 Népszava 28, 54, 123, 128, 220, 242, 300, 348 – 350, 359, 377 Nicholson, Bob 39 Nieradzik, Lukasz 61, 80 Nowa Huta 76 – 78 Obad, Vlado 70 Ordnung 3, 9 f., 14 f., 17, 18 – 23, 33, 36, 43, 47 f., 50, 67, 78 – 81, 91, 126, 144, 156, 158, 161 – 163, 166, 170 f., 180, 182 f., 187 – 190, 198, 200 f., 218, 227 f., 231, 238, 245, 254 f., 262 f., 265, 270, 275, 278 f., 281, 283 – 285, 296 f., 305, 318, 379 Orthographie 96, 106, 110, 120, 129, 220, 332 Ortutay, Gyula 25 Osterhammel, Jürgen 94 Ostmitteleuropa 1, 78, 253 f. othering 31 Paál, Vince 75 Paládi-Kovács, Attila 59 Pap, Dávid Zoltán 16, 71 Pécs 1 f., 4, 10 – 12, 14, 16, 20 f., 24 – 30, 35, 37, 40 f., 44, 46, 49 f., 53 – 55, 59 f., 66 f., 69 – 71, 74, 81 – 85, 87 – 90, 92 – 97, 99 – 101, 103 – 110, 112 – 114, 116, 118, 120, 122 – 127, 131, 134, 136 f., 139, 141 f., 146, 148 – 150, 153 – 156, 159 – 161, 163, 165 – 167, 169 – 173, 177, 179, 186, 188 f., 193 – 196, 200 – 202, 205 f., 209 f., 212 – 215, 217, 219, 223, 225 – 230, 235 – 238, 248 – 251, 253 – 257, 260 – 262, 264, 266 – 270, 273, 275 – 278, 280 f., 283 – 287, 289 f., 299, 303, 307 f., 310 – 313, 315 – 317, 319 f., 327 – 329, 333 – 335, 338 – 340, 344 f., 348, 350 – 353, 355, 358, 377, 379 Pécs [Zeitung] 11 f., 26, 40, 83, 104, 109, 113 f., 127, 146, 153, 179, 236, 254, 287, 303, 308, 312, 350 f. Pécs-Baranyai-Hírlap 2, 20 f., 26, 37, 89, 103, 253 f., 262, 264, 351 f. Pécsbányatelep 89, 91, 100, 121, 131, 154, 160, 162, 168, 177, 180, 182, 187 f., 200, 215, 259 f.,
381
267, 274, 291 f., 294 – 296, 299 f., 302, 304, 308, 332 f., 351 Pécsi Figyelő 11 f., 26 f., 30, 37, 46, 49, 88, 92, 94 – 97, 99 – 107, 109, 112 – 114, 123, 127, 134, 169 – 190, 192 – 217, 243, 248, 254, 256 f., 260 f., 270, 272, 278 – 280, 286 f., 290 f., 293, 295 f., 298, 302 f., 306 – 319, 333 – 337, 377 Pécsi Hét 66 Pécsi Közlöny 8 f., 12, 27, 37, 45 f., 69, 88, 104, 114, 243, 254, 259, 289, 299, 301 f., 310, 318, 352 – 357 Pécsi Napló 11, 24 f., 28, 37, 41, 44, 46, 48, 69, 71, 88, 92, 94 – 96, 101, 103 f., 107 – 110, 112 – 114, 120, 127 f., 139, 166, 169, 218 – 220, 222 – 251, 254, 257, 259 f., 264 f., 270, 273 – 276, 278 f., 284, 286, 288 – 299, 303 – 309, 318 f., 329, 332, 338 – 343, 350, 377 Pécsi Szemle 16, 27, 66, 108, 177 Pécsi Újság 114 f., 316, 319, 338 Peripherie 256, 264, 271, 274, 278, 283 Pesti Napló 54, 310, 352, 358 f. Pilkhoffer, Mónika 55, 66 Polanyi, Michael 17 Polen 57 Politisches Volksblatt 6, 8 f., 46, 48, 164, 301, 359 Positionierung 15, 22, 46, 172, 194, 210, 217, 250, 253 f., 262, 269 f., 280, 283 Positionierungspraxis 168, 284 Praktiken 3 f., 10, 16 f., 21 – 23, 28, 32, 35, 44, 46, 48, 52, 64, 67, 74, 76 – 79, 81, 129, 171, 250, 261, 264, 281 praxistheoretisch 16 f. Preßburger Zeitung 73 Pressfreien Flugblätter 85, 115 Preußen 57, 64, 89, 241 Protagonisten 12, 15, 30, 42, 44, 46 f., 101, 127 – 130, 138, 140 f., 161, 163 f., 166, 171 – 173, 185, 194, 198, 207, 218, 228, 232, 241, 250, 253, 255, 257 f., 261 f., 265 f., 269, 271, 278, 280 f., 283 – 285 Ránki, György 63 f. Ránki, Gyula 63 – 65, 276 Raum 2, 8, 15, 17, 19, 22, 38, 46 – 48, 55, 61, 67, 77 – 82, 100, 112, 149, 168, 233, 252, 258 f., 261 – 266, 270 f., 274, 276, 280, 285 Raumproduktion 77, 79, 266, 276
382
Register
Raumtheorie 76, 80, 263, 265 f., 271, 274, Raumwissen 76, 80 Raýman, János 66, 195, 236 Reckwitz, Andreas 16 f., 35 Repräsentation 253 Ruhrgebiet 56 f., 60, 75 Ruhrpolen 57 f. Ruttrecht, V. 139 f. Sampling 4, 11, 33, 35 Schatzki, Theodore 16 Scheer, Monique 163 Schemata, kulturelle 13 – 15, 31, 69, 254 f., 285 Schlachthof St. Marx 61, 80 schlanke Chronologie 49, 255 Schlögel, Karl 258, 261 Schriefer, Andreas 72 – 74 Schultze, Friedrich Siegmund 68 Schwab, Christine 76 Seh, Karl 9, 132, 226, 232 f., 293 f. Simmel, Georg 18 Sinnzuschreibung 15, 17, 19 Socialpolitische Centralblatt 62 Somogy 90 f., 131, 155, 168, 200, 231, 235, 266 f., 290, 292 f., 296, 298, 302, 308, 333, 377 Soziale Ordnung 80 soziale Ordnung 80, 279 sozialer Raum 19, 22, 46 – 48, 66, 81, 141, 168, 183 f., 186, 210, 212, 217, 240, 250, 253, 262 – 265, 269, 271 – 274, 276, 278, 280, 283 – 285 Sozialismus 68, 77, 105, 116, 155, 160, 162, 184, 189, 191 f., 198, 205, 216, 224 f., 234 f., 238 – 240, 242 – 245, 247 f., 251, 265, 275, 277, 279, 281, 303, 319, 339 Sozialwissenschaft 17 Soziologie 10, 16, 18 f., 23, 35, 65, 75, 145, 179 Spacing 47 Spivak, Gayatri Chakravorty 31 Stanek, Lukasz 76 – 78 Steets, Silke 78 f. Steinacker, Sven 4 Strauss, Anselm 33, 35 Streikberichterstattung 4, 12, 21, 23, 46, 48, 50, 94 f., 112, 127, 130 f., 148 f., 151 f., 158, 160 – 162, 171, 179, 181, 184, 186, 198 – 201, 212,
218, 220, 226, 243, 248 f., 253, 258, 263, 270, 272 – 274, 277 f., 280 Strübing, Jörg 34 Subaltern 31, 237 Subjekt 13, 17, 255 Suchmatrix 25, 36 f., 50 Surján, Miklós 70, 85, 88, 95 f., 100 f., 108, 169, 219, 286, 329, 333 f., 338 f., 350 f., 353 Sutter, Tilmann 75 Szabó, Gyula 55, 302, 309 Szabó, V. 152 Szabolcs 6, 8 f., 89 – 91, 105, 123 f., 128, 131 – 134, 136, 138 f., 141, 144, 147, 152, 155, 168, 176, 179 f., 182, 188 f., 193, 195, 199 f., 202, 206 f., 213, 215, 219, 222, 226 – 228, 231 – 233, 235, 241 f., 246, 259 f., 264, 266 f., 271, 274, 287 – 294, 296, 298 – 308, 310, 331, 377 Szászvár 46, 106, 170, 200, 210, 235, 243, 316 f., 332, 337, 342, 355 Századok 1, 49, 53, 55, 91 f., 257, 288 – 290, 296 f., 303, 306 – 309, 315 Szekeres, József 55 Szendi, Zoltán 70 f., 115 f., 118 Szily, L. 41, 91, 132 – 134, 137, 179, 184 f., 196, 226, 231 f., 288 f., 293, 303 f., 306, 311, 313 Szirtes, Béla 16, 55 f., 60, 84, 154, 173, 269, 377 Szirtes, Gábor 93 Szita, László 55, 70, 110, 290, 299, 302, 308 – 311, 316 f. tacit knowledge 17 Tatsachen 33 Tenfelde, Klaus 12, 56 f., 59 – 61 Thomas, Tanja 75 Topologie 43, 81, 258, 262, 266, 285 Tóth, Zoltán 61, 157, 199, 276 Transdanubien 55 f., 64, 67, 107, 115 Tüke 84, 269 Ujvári, Hedvig 75 Ullrich, Peter 3, 23 Ungarisches Magazin 73 Unten/Draußen/Osten/Dunkel 68 Unternehmensethnographie 76 Unterschicht 248 – 251, 274 f., 284 Urbanisierung 66, 76, 87, 256
Register
Várady, Ferenc 69, 102 – 104, 107 – 110, 112 f., 169 Vasas 60, 90 f., 131, 155, 168, 200, 215, 231, 266 f., 274, 286 f., 290, 292, 296, 298, 302, 308, 377 Végh, Joachim 1, 49, 53 f., 91 f., 257, 288 – 290, 296 f., 303, 306 – 309, 315 Verband zur Wahrung und Förderung bergmännischer Interessen (Alter Verband) 56 Veréb Jankó 104, 109 Vergleich 15, 33, 61, 122, 162, 201, 269, 279 f. Vielfalt 3, 31, 63, 67, 77, 81, 84, 129, 161, 204, 216, 277 Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft 62 Volkskunde 3 f., 14, 59 f., 65, 76, 82, 281 Volkswirtschaftliche Zeitfragen 62 von Witzleben, Caesar Dietrich 69 Vonyó, József 1 Vorwärts 11, 242, 259, 359 Weber, Eugen 281 Weber, Max 145 Weber-Kellermann, Ingeborg 275 Weckerle, Sándor 110, 128, 137, 193 f., 289 Wiarus Polski 58
383
Wichard, Rudolf 2 Wiener Zeitung 11, 359 f. Wiesner, R. 55, 66, 91, 127, 130, 137, 146 – 150, 153, 155, 165, 172, 175 f., 185, 195 f., 226, 234, 236 – 238, 251, 275 f., 279, 289, 295, 303, 309, 311, 313 Wietschorke, Jens 68 f. Wirklichkeit 14, 16, 18 f., 30 f., 43, 48, 141, 262, 274, 285 Wirklichkeitskonstruktion 19, 79 Wischermann, Ulla 75 Wissenstransfer 3, 78 f., 118 Zeitschrift für Versicherungs-Recht und Wissenschaft 62 Zeitungskopf 44 Zentrum 109, 127, 131, 141, 169, 180, 189, 257, 270, 299 Zipser Anzeiger 73 Zivilisation 30, 256 f. Zsolnay, G. 138 f. Zsolnay, Vilmos 87 Zuschreibung 32, 46 f., 79, 126, 141, 167, 217, 243, 254, 262, 284 f.
Antiplagiatserklärung Eichenseher Mate 3315637 Gartenstraße 93, 72074 Tübingen Hiermit versichere ich, dass ich die Abschlussarbeit mit dem Titel: „Die elenden Tagelöhner der Unterwelt.“ Perspektiven der Lokalpresse der ungarischen Stadt Pécs auf den Bergarbeiterstreik von 1893. Die kulturelle Herstellung sozialer Ordnungen in historischen Presseerzeugnissen bei dem Prüfer Professor Dr. Reinhard Johler selbständig und nur mit den in der Arbeit angegebenen Hilfsmitteln verfasst habe. Mir ist bekannt, dass ich alle schriftlichen Arbeiten, die ich im Verlauf meines Studiums als Studien- oder Prüfungsleistung einreiche, selbständig verfassen muss. Zitate sowie der Gebrauch von fremden Quellen und Hilfsmitteln müssen nach den Regeln wissenschaftlicher Dokumentation von mir eindeutig gekennzeichnet werden. Ich darf fremde Texte oder Text-passagen (auch aus dem Internet) nicht als meine eigenen ausgeben. Meine Arbeit ist weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegenstand eines anderen Prüfungsverfahrens gewesen. Ich habe die Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen bereits veröffentlicht. Das in Dateiform eingereichte Exemplar stimmt mit eingereichten gebundenen Exemplaren überein. Verstoße ich gegen diese Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens, gilt dies als Täuschungs- bzw. Betrugsversuch und zieht entsprechende Konsequenzen nach sich. Im mindesten Fall wird die Leistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. In schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss die betreffende Person darüber hinaus vom Ablegen weiterer Prüfungsleistungen ausschließen. Datum: 28.10. 2021
Unterschrift: https://doi.org/10.1515/9783111247113-017