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German Pages 134 Year 2022
Sula Textor Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
| Band 21
Editorial Medien entfachen kulturelle Dynamiken; sie verändern die Künste ebenso wie diskursive Formationen und kommunikative Prozesse als Grundlagen des Sozialen oder Verfahren der Aufzeichnung als Praktiken kultureller Archive und Gedächtnisse. Die Reihe Metabasis (griech. Veränderung, Übergang) am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam will die medialen, künstlerischen und gesellschaftlichen Umbrüche mit Bezug auf unterschiedliche kulturelle Räume und Epochen untersuchen sowie die Veränderungen in Narration und Fiktionalisierung und deren Rückschlag auf Prozesse der Imagination nachzeichnen. Darüber hinaus werden Übergänge zwischen den Medien und ihren Performanzen thematisiert, seien es Text-Bild-Interferenzen, literarische Figurationen und ihre Auswirkungen auf andere Künste oder auch Übersetzungen zwischen verschiedenen Genres und ihren Darstellungsweisen. Die Reihe widmet sich dem »Inter-Medialen«, den Hybridformen und Grenzverläufen, die die traditionellen Beschreibungsformen außer Kraft setzen und neue Begriffe erfordern. Sie geht zudem auf jene schwer auslotbare Zwischenräumlichkeit ein, worin überlieferte Formen instabil und neue Gestalten produktiv werden können. Mindestens einmal pro Jahr wird die Reihe durch einen weiteren Band ergänzt werden. Das Themenspektrum umfasst Neue Medien, Literatur, Film, Kunst und Bildtheorie und wird auf diese Weise regelmäßig in laufende Debatten der Kulturund Medienwissenschaften intervenieren. Die Reihe wird herausgegeben von Marie-Luise Angerer, Heiko Christians, Andreas Köstler, Gertrud Lehnert und Dieter Mersch.
Sula Textor (M.A.), geb. 1992, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam. Sie lehrt, erforscht und übersetzt neuere Literatur. Sie studierte Englische Philologie, Europäische Kunstgeschichte und Vergleichende Literatur- und Kunstwissenschaft in Heidelberg, Paris und Potsdam.
Sula Textor
Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit Vom Sprechen des Papageis zur Stimme des Textes
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Inhalt
1.
Einleitung...............................................................9
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8
Papageien als Motiv in Malerei und Literatur ........................... 17 Widersprüche und Ambiguität........................................... 17 Popinjays: Jungfrau mit Papagei ....................................... 20 Pollies und Jackies: Profanisierung und Abwertung .................... 27 Parrots: Junge Frau mit Papagei ....................................... 32 Femmes aux Perroquets................................................ 34 Gustave Flauberts Un Cœur simple (1876) ................................ 41 Kate Chopins The Awakening (1899)..................................... 47 Joseph Conrads »Amy Foster« (1901) ................................... 54
Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung .......... 59 Psittazistisches Sprechen ............................................. 59 3.1.1 Wiederholen .................................................... 62 3.1.2 Nachahmen .................................................... 65 3.1.3 Verfremden..................................................... 67 3.2 Psittazistische Vielstimmigkeit.......................................... 71 3.2.1 Gustave Flauberts Un Cœur simple (1876) ......................... 71 3.2.2 Kate Chopins The Awakening (1899) .............................. 85 3.2.3 Joseph Conrads »Amy Foster« (1901) ............................ 101
3. 3.1
4.
Schluss ............................................................... 113
Dank ....................................................................... 117
Literaturverzeichnis........................................................ 119 Abbildungsverzeichnis ..................................................... 129
»We teach them to talk, and they add interest to their gain, talking back in tongues. A dictionary of quotations issues from their beaks, as if they know the secret correspondences between different languages. They conceal their proclamations inside riddles and metaphors, cageperch orators. In the unexpectedness of their utterances, they are unconscious consciences. They bring a ›Cubist‹ dimension to the round table discussion. They fart, hiccough and cough in the middle of a Mozart aria. They tell old news. They ring up and answer the phone themselves. They amuse, they haunt, characterless, like actors. They stare back, listening.« (Paul Carter: Parrot, 2016)
Why should we parrots rely on the signs of others, sighs of others, what might our proprietary language look like, black tongue of the soul, Adamic propositions (Adam=first parrot)? What might I look like squeaking it, petit-four-eyed featherless biped: whom might I accost, abandon− should my glossary lose its gloss, devolve to some glossolalia, even a howl-vowl? (Eugene Ostashevsky: The Pirate Who Does Not Know the Value of Pi, 2017)
1. Einleitung
Psi-was? Das sperrige Wort im Titel lässt das Thema dieser Studie womöglich etwas rätselhaft klingen. ›Psittazismus‹ ist kein geläufiger Begriff, was ein Blick in den Duden nur bestätigt: Man wird nicht fündig. Englischsprachige Wörterbücher helfen weiter: »psittacism«, von gr. ψιττακός oder lt. psittacus für ›Papagei‹, meint »automatic speech without thought of the meaning of the words spoken« (MerriamWebster.com) oder »[t]he mechanical repetition of previously received ideas or images, without true reasoning or feeling; repetition of words or phrases parrot-fashion« (OED online). ›Psit, psit!‹ – Im Titel dieser Studie klingt die Stimme eines Vogels. ›Psittazismus‹ bezeichnet nach diesen Definitionen abwertend das Nachahmen lediglich des Klangs von Worten und Phrasen, das sie ihrer Bedeutung entledige, oder, im übertragenen Sinn, ein gedankenund verständnisloses Nachplappern, das nichtssagende Aufrufen vorgefertigter Ideen − ein unoriginelles Sprechen also, das nichts (mehr) mitzuteilen hat. Diese knappe Bestimmung des Begriffs ›Psittazismus‹ übernimmt auch Bernard Dupriez, der ihn 1980 in sein »dictionnaire« »Gradus. Les procédés littéraires« aufnimmt und ihn auf Erzähltexte anwendet, allerdings lediglich auf Beispiele direkt oder indirekt wiedergegebener Rede von Figuren, die dem durch das OED bestimmten Sprechen ähneln (vgl. Durpiez 1980, 369f).1 Auf spezifisch narrative Ver-
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Wo die französische Ausgabe ›Psittacisme‹ definiert als »Langage sans pertinence, par automatisme de la mémoire. On répète des choses entendues ›comme un perroquet‹« (ebd.), steht in der englischen Übersetzung und Adaption
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fahren bezieht er den Begriff nicht, sodass dieser denkbar vage und seine Relevanz für den Umgang mit literarischen Texten unklar bleibt. Dabei weist Dupriez implizit schon auf einen Aspekt hin, der für den im Folgenden entworfenen, narratologisch bedeutsamen Modus eines psittazistischen Sprechens entscheidend ist – und den die zuvor genannten Begriffsbestimmungen übergehen: »Le psittacisme est plus une imitation qu’une citation. On le distinguera de la simple réminiscence car, consciente ou non, celle-ci est pertinente dans sa signification.« (Dupriez 1980, 369) Ein nachahmender Modus wiederholt Äußerungen nicht einfach, es findet auch eine Verschiebung in deren Bedeuten statt; in der nachahmenden Wiederholung gibt es also auch ein Mehr an Bedeutung. Die Frage nach der Art dieses Mehr des Bedeutens steht im Mittelpunkt des Versuchs, ›Psittazismus‹ als Begriff für Aspekte der Konstitution narrativer Texte neu zu erarbeiten und dadurch die narrative Vermittlung von Erzählungen – die narratologisch traditionell mit dem Begriff der ›(Erzähl-)Stimme‹ als einer subjekthaften, dem Erzählten auf einer übergeordneten Ebene vorgelagerten »Produktionsinstanz« (Genette 2010, 138) gefasst wird − neu in den Blick zu nehmen. Dabei soll der Papagei selbst als die Figur eines narrativen psittazistischen Sprechens wiedereingesetzt werden. Aber nicht als der Papagei, der in einer poetologischen Metapher für intertextuelle literarische Verfahren steht, die auf regem – offenem oder verdecktem – Zitieren aus anderen Werken basieren (vgl. bspw. Kay 2013, 1 und 22f; Nettelbeck 2000, 206; Courtney, James 2006, xiii.). Jener Papagei steht der poetologisch-symbolischen Nachtigall diametral gegenüber2 und zählt u.a.
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von Albert W. Halsall sogar wörtlich zitiert die OED Definition des Begriffs (vgl. Dupriez 1991, 363). Der Titel von Sarah Kays Studie Parrots and Nightingales basiert auf diesem Symbolpaar. Sie zeigt darin erstmals die weite Verbreitung von intertextuellen Verfahren in der okzitanischen Troubadour-Lyrik (spätes 12. bis frühes 14. Jhd.) auf und verweist darauf, dass Dichter im 13. Jahrhundert auch explizit auf die Papagei-/Nachtigall-Metaphorik zurückgriffen, um ihre eigene dichterische Position zu benennen (vgl. Kay 2013, 23).
1. Einleitung
die Zikade3 zu seiner tönenden symbolischen Verwandtschaft. Er entspricht auch nicht dem Papagei, der – verwandt mit der Spottdrossel (vgl. GoGwilt, Holm 2018, bspw. 1) – für ein absichtsvoll verzerrendes, mokierend nachahmendes Sprechen, also für Satire steht (vgl. bspw. Boehrer 2010, 11; Redfern 2008, 82). Und es ist eben auch nicht der nervtötend geschwätzige Vogel, den im Englischen neben dem Begriff ›psittacism‹ auch das wesentlich geläufigere Verb ›to parrot‹ 4 unterstellt. »It seems, in fact,« stellt Paul Carter in seiner Auseinandersetzung mit der Rolle von Papageien in der westlichen »collective imagination« fest, »that parrot does not refer to a winged emanation out there. It names a mental creature bred inside the cage of language.« (Carter 2006, 135, 7) Als solcher sei der Papagei »constitutionally many« – und damit schwer zu fassen, da inkompatibel mit einer »ideological tradition that identifies the real with qualities of unity, univocity and autonomy« (ebd. 135). Wenn im Folgenden der Papagei zur Figur für einen narrativen Psittazismus wird, dann in diesem Sinn.5 Er ist nicht einer dieser symboli-
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Gustave Flaubert stellt diese Verbindung beispielsweise explizit her, wenn er schreibt: »Je sens pourtant que je ne dois pas mourir sans avoir fait rugir quelque part un style comme je l’entends dans ma tête, et qui pourra bien dominer la voix des perroquets et des cigales.« (Brief an Louise Colet vom 19. Juni 1852) Das OED bestimmt die transitive Bedeutung von ›to parrot‹ so: »To repeat (words, ideas, or actions) mindlessly or mechanically; to repeat the words, ideas, or actions (of another person) without apparent understanding or thought; to mimic.« Wenn ›to parrot‹ demnach synonymisch zu ›to mimic‹ sein kann, ist ›parroting‹ kein »mechanisches« Wiederholen, sondern durch die Intention einer ridikülisierenden Kritik bestimmt. Außerdem ist ›to parrot‹ in seiner spezifischeren intransitiven Bedeutung stärker pejorativ und zudem stark sexistisch konnotiert: »To chatter like a parrot; to talk incessantly, inconsequentially, or repetitively; to gossip […].« (OED online) Und noch in einem weiteren Sinn sind die Papageien in den folgenden Betrachtungen »constitutionally many«, denn ihnen liegt die Annahme zugrunde, dass der Papagei als Motiv und Figur in Kunst und Literatur eine übergeordnete Kategorie ›Papagei‹ bildet, die unabhängig von der Unterscheidung spezifischer, zoologischer Arten fungiert.
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
schen Stellvertreter, sondern konstituiert sich gerade aus den Brüchen, Ambivalenzen und Widersprüchen, die beim Aufeinandertreffen (mancher) dieser Bedeutungsvarianten entstehen. Eine Darstellung der vielschichtigen Motivgeschichte des Papageis bildet daher den Ausgangspunkt für eine Analyse, die zu zeigen versucht, wie sich überlagernde symbolische Bedeutungen im Motiv des Papageis die bildlichen und narrativen Kontexte, in denen dieser vorkommt, brechen und ambiguisieren. Ein Sprechmodus, mit dem der Papagei in der Geschichte seiner Bedeutungen neben den Facetten eines nachahmenden Sprechens auch assoziiert wurde, ist dabei von besonderem Interesse: In der Antike und im Mittelalter steht er nämlich auch für ein prophetisches Sprechen6 , und auch in dieser Rolle hat er eine gefiederte symbolische Verwandte: die Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Dieser ist es ja wiederum, der im Pfingstwunder in Gestalt von Feuerzungen die Apostel erfüllt und sie ›in fremden Zungen‹ reden lässt, d.h. ihnen die Fähigkeit verleiht, ohne Kenntnis derselben in fremden Sprachen zu sprechen.7 In ähnlicher Weise ist auch der Papagei polyglott. Auch er spricht ›in fremden Zungen‹, wenn er »automatisch« Äußerungen nachahmt und sie (scheinbar?) beliebig, und ohne dabei verschiedene Sprachen und Sprachregister zu unterscheiden, zu (scheinbar?) inkohärenten Äußerungen neu zusammensetzt. Die ›fremden Zungen‹, die in dieser Wendung metonymisch für fremde Sprachen stehen, können im Zungenreden des Papageis aber auch wörtlich verstanden werden: Sein Sprechen besteht nicht aus Wörtern im Sinn einer materiellen Realisierung von abstrakten, strukturellen sprachlichen Einheiten, sondern aus Wörtern im Sinn von konkreten, von individuellen Sprechenden körperlich 6
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In dieser Rolle tritt der Papagei sowohl in der Kunst (vgl. Carter 2006, 67; Verdi 2007, 15) als auch in der Literatur (vgl. Boehrer 2010, 27f) auf. Ohne den hier gegebenen metaphysischen Aspekt hat der Papagei auch in modernen Texten oft die Rollen desjenigen, der als einziger die Wahrheit spricht, z.B. weil keine gesellschaftlichen Tabus seine Rede hemmen und er daher ausspricht, was alle denken und keiner zu sagen wagt. (vgl. Redfern 2008, 102) Vgl. zur pfingstlichen Polyglossie als Modell für einen Typus literarischer Mehrsprachigkeit Knauth 1991, 69.
1. Einleitung
geäußerten Lauteinheiten mit für diese charakteristischem Klang. Der Papagei hat keine eigene Stimme, vielmehr hallt in seinem Sprechen die Stimme einer fremden Zunge nach. Es entsteht der Eindruck, dass in ihm ein Abwesendes spricht – wodurch ein psittazistisches Sprechen die Frage, auf die Genettes Begriff der Stimme eine Antwort zu wissen meint, vielleicht gerade als unbeantwortbare aufruft: »Wer spricht?« (Genette 2010, 119) Und noch in einem weiteren Sinn ist das Sprechen des Papageis ein ›Zungenreden‹, das nämlich in einer anderen Bedeutungsvariante auch »[i]n (religiöser) Ekstase hervorgebrachte unartikulierte Lautproduktionen, hinter denen göttl. Botschaften vermutet und gesucht werden«, meint, die auch als »Glossolalie« bezeichnet werden (Glück 2016, 246). Ohne die religiöse Konnotation bezeichnet ›Glossolalie‹ zudem das linguistische Phänomen eines als bedeutungsvoll empfundenen, nach außen aber als unartikuliert wahrgenommenen, unverständlichen Sprechens (vgl. Colman 2015, 316). Ein Blick zurück auf die oben zitierte Merriam-Webster-Definition von ›psittacism‹ als »automatic speech without thought of the meaning of the words spoken« lässt diese nun zweideutig erscheinen: Neben Echolalie als »sinnlos-mechanisches Nachsprechen vorgesprochener Wörter oder Sätze« (Duden online, »Echolalie«) könnte auch eine bedeutungsvolle, aber nach außen nicht zugängliche Glossolalie gemeint sein.8 Drei Erzähltexte bilden im Folgenden den Gegenstand der Analyse, die das Konzept eines narrativen psittazistischen Sprechens konkretisieren und auf seine narratologische Bedeutsamkeit hin befragen soll: Gustave Flauberts »conte« Un Cœur simple (1876), Kate Chopins Roman The Awakening (1899) und Conrad Fosters Kurzgeschichte »Amy Foster«
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Mae Gwendolyn Hendreson verwendet ›speaking in tongues‹ als ambivalenten Ausdruck zur Beschreibung der narrativen Verfasstheit einer bestimmten Gruppe literarischer Texte. Sie bezeichnet damit die Dialogizität (im Sinn Michail Bachtins) von »black women’s writing« als eine, die zwischen Glossolalie (wie sie z.B. in der afro-amerikanisch geprägten Pentecostal Holiness Church praktiziert wird) und Heteroglossie (im Sinn Bachtins) schwankt (vgl. Henderson 1992, 149f).
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(1901). Die drei Texte verbindet auf den ersten Blick vor allem ein Element: ein Papagei. Flauberts Papagei Loulou taucht zwar erst recht spät in der Handlung auf, hat aber eine zentrale Stellung in der Erzählung inne. Die Protagonistin Félicité, die als stumpfsinnig dargestellte, etwas vereinsamte Hausangestellte in einer Kleinstadt in der Normandie, erhält ihn zum Geschenk und er wird für sie ein wichtiger Bezugspunkt; sie führt mit ihm Gespräche, die sie auch fortsetzt, nachdem sie taub geworden ist, und es heißt, Loulous Stimme sei die einzige, die dann noch zu ihr vordringe. Wesentlich weniger Raum nimmt in The Awakening der namenlose, in einen Käfig gesperrte Papagei ein, der gleich in den ersten Zeilen beschrieben wird, danach aber nur ein einziges weiteres Mal vorkommt. Er trägt nicht nur zum atmosphärischen Setting des kreolisch geprägten Ferienresorts auf Grand Isle südlich von New Orleans bei; er ist auch in eine komplexe Vogelsymbolik rund um die Protagonistin Edna Pontellier verstrickt und spricht »a language which nobody understood« – was ihn für poetologische Überlegungen interessant macht und motivisch ein zentrales Thema des Romans vorwegnimmt: Ednas Versuch, sich aus der Enge ihrer sozialen Rolle als Ehefrau und Mutter zu befreien, und ihre Suche nach einer Sprache, die nicht durch gesellschaftliche Konventionen bestimmt ist, sondern zu einem echten, authentischen Ausdruck inneren Erlebens befähigen kann. Der Papagei in Conrads Kurzgeschichte ist hingegen nur ein Detail. Er bleibt in der Erzählung stumm, was ihn mit der titelgebenden, dafür aber erstaunlich unscheinbar und negativ gezeichneten Figur Amy Fosters verbindet; er steht aber auch für den Protagonisten, den Schiffbrüchigen Yanko, für dessen Status des erniedrigten, mittellosen Fremden in einer ländlichen Gegend an der englischen Küste und für sein ›Fremdsprechen‹ der englischen Sprache. Obwohl der Papagei als Motiv in allen drei Texten negativ besetzt ist und in seiner symbolischen Beziehung – zu Félicité, zu Edna, zu Amy und zu Yanko – Bedeutungszusammenhänge in den Texten vorgeblich vereindeutigend festlegt, widersteht er einer solchen symbolischen Vereinnahmung. Er wirkt als Figur eines psittazistischen Sprechens – so die Ausgangsthese – dynamisierend in den gesamten Text, dessen Teil
1. Einleitung
er ist, hinein. Er lässt den Eindruck klanglich-stimmlicher Qualitäten entstehen beziehungsweise in den Vordergrund treten; er bewirkt eine Vervielfältigung der im Text wahrnehmbaren Stimmen hin zu einem Stimmengewirr; er problematisiert das Verhältnis verschiedener Stimmen zueinander, besonders das der die Rede von Figuren ›wiedergebenden‹ Erzählstimme und der ›wiedergegebenen‹ Stimmen der Figuren; er lässt so die Annahme einer nach romantischen Vorstellungen als homogen gedachten, dem Text vorgelagerten Erzählstimme fraglich werden und entlarvt diese scheinbar unverrückbare narratologische Kategorie als »metaphor for intention, meaning and totality« (Gibson 2010, 169); Brüche und Fremdes im Text treten in der Vordergrund und werden neu deutbar. Dabei lässt eine psittazistische Vielstimmigkeit im Rauschen des Textes womöglich auch Artikulationen zunächst in der erzählenden Vermittlung stummer Subjekte ›hörbar‹ werden.9 Ps[…]t! – Im Titel dieser Studie steckt auch der Hinweis auf etwas, das zunächst nicht hörbar war. Den Ausgangspunkt für die Analyse der literarischen Texte bilden Betrachtungen zur Motivgeschichte des Papageis. Auch diese ist geprägt von zahlreichen Widersprüchen und Diskontinuitäten; überhöhende Bedeutungsassoziationen mit religiösen, mystifizierenden Bezügen und stark abwertende, vulgäre lösen sich ab und bestehen nebeneinanderher. Das gilt insbesondere auch für das in Malerei und Literatur gleichermaßen verbreitete Thema ›Frau mit Papagei‹, das in der französischen Malerei der Mitte des 19. Jahrhunderts besonders häufig anzutreffen ist und für die drei hier analysierten Texte einen wichtigen Hintergrund darstellt. Seine Entwicklung soll daher näher betrachtet
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In ihrem Buch The Role of the Parrot in Selected Texts from Ovid to Jean Rhys verwenden Julia Courtney und Paula James die Papageienfiguren der analysierten Texte explizit als »interpretative tool« (Courtney, James 2006, xi). Etwas stärker soll die Figur des Papageis hier als ein Moment des Textes verstanden werden, in dem dieser sich selbst fremd wird. Dabei wird die Figur im Unterschied zu Courtneys und James’ Herangehensweise als eine betrachtet, die nicht einer angenommenen Bedeutungsintention unterzuordnen ist, sondern sich dieser beständig entzieht.
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und in Zusammenhang mit der Verwendung des Papageis als diskriminierender Metapher in kolonialistischen (ab dem 16. Jahrhundert) und sexistischen gesellschaftlichen Diskursen (v.a. im 18. und 19. Jahrhundert) gebracht werden, denn diese beiden diskriminatorischen Verwendungen greifen ineinander, bestimmen die Entwicklung des Bildthemas ›Frau mit Papagei‹ entscheidend mit und spielen auch in den besprochenen Texten eine Rolle, da sie die Protagonist*innen in eine sexistisch und/oder rassistisch abwertende Rhetorik verstricken. Durch die Einbettung der Textanalysen in den intermedialen motivgeschichtlichen Kontext gerät die Komplexität der Beziehung der Papageien und der drei Protagonistinnen in den Fokus – und es zeigt sich auch auf motivischer Ebene ein ambiges Bild der Figur des Papageien, der so seiner Verwendung als Symbol mit eindeutigen Sinnrelationen entgegenwirkt.
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
2.1
Widersprüche und Ambiguität »From eye-witness to the Fall of Man, to obeisant companions of the virgin and Child; and from the surrogate ›partners‹ of beautiful women, to impersonators of human behaviour − parrots have long fascinated artists and have probably assumed more guises in their works than any other bird.« (Verdi 2007, 6)
Diese Beispiele für die Rollen, in die der Papagei als Motiv in der Kunst schlüpft, können nur als der Anfang einer langen Liste verstanden werden, zeigen aber schon zwei wesentliche Bedeutungspole der motivischen Konstellation von Frau und Papagei auf: Letzterer ist sowohl (ungeschlechtliche) Begleitfigur der Jungfrau Maria, und ihr als solche untergeordnet, als auch Stellvertreter für abwesende Liebhaber, dessen Blick die dargestellte Frau zum Objekt männlicher Lust degradiert. Ausgehend von diesem Gegensatzpaar lässt sich die Motivgeschichte1 des Papageis als ein Feld der Widersprüchlichkeiten ausbreiten. In der im 15. Jahrhundert aufkommenden Verbindung mit der Heiligen Jungfrau steht der Papagei für die unbefleckte Empfängnis. Von
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Hier für Westeuropa; Vincent Lefèvre zeigt in seiner vergleichenden Betrachtung des Motivs ›Frau mit Papagei‹ in der indischen und westeuropäischen Kunstgeschichte für beide weitreichende Parallelen auf (vgl. Lefèvre 2019).
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dieser Assoziation ausgehend wird er »profaniert zum Symbol menschlicher Liebe, die christlichen Moralvorstellungen folgt« (Dittrich 2005, 323). Er tritt aber auch als Kupplerfigur auf (vgl. Lindemann 1994, 35) und agiert bisweilen als Stellvertreter des (illegitimen) Verehrers; und schon seit der Antike ist er mit Dionysos, mit Trunkenheit und Sinneslust assoziiert (vgl. Boehrer 2010, 3ff, 14) und taucht in dieser Rolle auch im 16. und 17. Jahrhundert vermehrt auf (vgl. Dittrich 2005, 323). Abgeleitet von der Assoziation mit der Empfängnis durch das Wort Gottes wird der Papagei in der Malerei zum Symbol des Logos (vgl. ebd.) und zum Sinnbild der Poesie (vgl. Lindemann 1994, 29); er steht in der Renaissance-Emblematik für das rhetorische Ideal der Eloquentia (vgl. Dundas 2004, 291), ist ja aber auch die Figur der Nachahmung und wird als solche auch zum Symboltier des bildkünstlerischen Ideals der Imitatio (vgl. Ost 2008, 250; Lindemann 1994, 29). Er spricht die Wahrheit, ist aber auch Symbol der Torheit (vgl. Dittrich 2005, 323; Lindemann 1994, 24). Er ist Symbol des fürstlichen, kolonialistischen und patriarchalen Machtanspruchs (vgl. Dittrich 2004, 323; Boehrer 2010, 71; bzw. Powell 2008, 73f), weil er wegen seiner herausgehobenen Stellung in der Tierwelt (schließlich kann er wie ein Mensch sprechen!) die selbsterklärte herausragende Stellung des Fürsten, des Kolonialherren, des Mannes versinnbildlicht – aber auch, weil er umgekehrt für das steht, was sich diesem Machtanspruch unterzuordnen hat: sozial Schwächere, Kolonialisierte, die dem Mann vorgeblich intellektuell unterlegene Frau. Paul Carter nennt Papageien als Motiv daher auch »types of the Other (geographically and socially) par excellence« (Carter 2006, 10f) und mit dem Beginn der Neuzeit erscheinen Papageien in der Malerei auch zunehmend »as commodities or as figures of inferiority.« (Ebd., 73) So ist die klassische Pose, in der der Papagei – in Gemälden wie in Illustrationsgraphiken – gezeigt wird, eine vom Betrachter abgewandte Haltung mit ihm aufmerksam zugewandtem Blick: »[I]n this pose, the parrot is
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
the figure of the hunter’s desire.« (Carter 2006, 166)2 Als das Exotische weckt er Jagdgelüste, ziert schöne Frauen, markiert Örtlichkeiten als fremdländisch; ab dem 16. Jahrhundert (wenn er in Westeuropa zum beliebten Haustier wird) steht er aber genauso für die vertraute häusliche Sphäre – und auch diese beiden Bedeutungsfacetten hängen zusammen, da der Papagei hier jeweils zum Inbegriff von Unterwürfigkeit wird (vgl. Sani 1991, 82; Boehrer 2010, 7). Diese widersprüchlichen Bedeutungen des Papageis als Motiv lösen sich aber nicht (alle) in einer linearen Entwicklung ab3 und ihre Aktualität lässt sich auch nicht, oder nur zum Teil, auf bestimmte Zeiträume begrenzen. Vielmehr – und einige der in diesem Kapitel besprochenen Gemälde sollen das verdeutlichen – können sich widersprüchliche Bedeutungen überlagern, kann das Thema eines Gemäldes im Motiv des Papageis konterkariert werden, wenn dieses verschiedene Bedeutungszusammenhänge in Kontakt bringt – und dabei in manchen Fällen die Ambiguisierung des expliziten Bedeutungszusammenhangs anstößt.4 Papageien als Motiv sind demnach nicht immer entweder »erotic companions« oder »angelic messengers« (Carter 2006, 21), sondern oft »deceiving doubles« (ebd.), »always slipping into other identities« (ebd., 12) − genau wie der literarische Papagei, der in fremden Zungen spricht.
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Vgl. zum Papagei als Jagdobjekt auch Malcolm Jones’ Untersuchung zu Papageiendarstellungen als Jagdabzeichen im Kontext westeuropäischer Fürstenhöfe im späten 15. und 16. Jahrhundert (Jones 2000). Colin Nettelbeck legt z.B. ein einander Ablösen von überhöhenden religiösen und abwertenden, vulgären Bedeutungsassoziationen nahe, wenn er schreibt: »Across time, the symbolism attached to these literary birds changes: in the Middle Ages, they are figures of quasi-mystical respect, associated with memory, knowledge and tradition; later, their indiscriminate mimicry can make them objects of suspicion or ridicule« (Nettelbeck 2000, 205f). Gegensätzliche Assoziationen können als produktives Spannungsverhältnis natürlich auch selbst Thema werden, wie z.B. religiöse und vulgäre in JeanBaptiste Louis Gressets humoristischem Langgedicht Vert-Vert (1734).
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2.2
Popinjays: Jungfrau mit Papagei
Wie es zu der motivischen Assoziation des Papageis mit der Jungfrau Maria kam, ist nicht ganz geklärt. Vincent Lefèvre sieht den Grund dafür darin, dass der Papagei als ein besonders reinliches Tier galt (vgl. Lefèvre 2019, 77); oft wird der Zusammenhang aber gerade umgekehrt dargestellt, der Papagei stehe aufgrund seiner Assoziation mit Maria für Reinheit. Richard Verdi legt nahe, dass die Assoziation aus dem im 15. Jahrhundert gebräuchlichen englischen Wort für Papagei – ›popinjay‹ – selbst herrühren könnte, mit dem, »[w]ith allusion to the rarity and beauty of the bird«, im übertragenen Sinn seit dem 14. Jahrhundert auch »a beautiful and praiseworthy person« bezeichnet wurde (OED online). »[T]his eulogistic term had, by the fifteenth century, come to acquire a figurative meaning as ›a lady, the virgin Mary‹.« (Verdi 2007, 14f)5 Üblicherweise wird in den Herleitungsversuchen aber die »Sprechbegabung« des Papageis herangezogen (Dittrich 2005, 322). Hier lassen sich zwei, oft verknüpfte, Erklärungsansätze unterscheiden, von denen einer den Ursprung des Motivs in der Lehre von der jungfräulichen Empfängnis sieht: Maria habe Jesus durch das Wort Gottes, vermittelt durch den Engel, »über das Ohr« empfangen (ebd., 322f); der Papagei als Symbol des Logos werde mit diesem fruchtbaren Wort assoziiert und trete so ikonographisch mit Maria in Kontakt. Der andere Ansatz sieht den Ursprung der symbolischen Assoziation in einer seit der Antike tradierten Anekdote: »When the news spread that Julius Caesar’s adopted nephew Octavian had defeated Mark Antony at the battle of Actium (31 B.C.), thereby ensuring that he would become the emperor Augustus, at least one
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Umgekehrt wurde Polly, ab dem frühen 17. Jahrhundert zunächst als Poll, abgeleitet von Moll, der Kurzform von Mary, zu dem typischen Namen für einen als Haustier gehaltenen Papagei, der sogar so oft verwendet wurde, dass ›Polly‹ zu einem Synonym für ›parrot‹ wurde (vgl. die Stichworte »poll« und »polly« in OED online).
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
parrot appeared among his well-wishers, greeting him with the words ›Hail Caesar, conqueror and leader!‹« (Boehrer 2010, 10f)6 Im Mittelalter sei dieses ›Ave‹ dann mit den − im ›Ave Maria‹ so oft wiederholten − Worten des Engels der Verkündigung assoziiert worden (vgl. Verdi 15; Dundas 296; Ost 2008, 232).7 Neben Darstellungen des Typus’ ›Maria mit Kind‹ (in Andachts- oder Altarbildern) taucht der Papagei entsprechend auch in Verkündigungsdarstellungen vermehrt auf. Ein besonders eindrückliches Beispiel hierfür ist die kurz nach 1500 entstandene Verkündigungsszene eines unbekannten toskanischen Malers (Abb. 1). Die in diesem Thema üblicherweise anzutreffende Taube als Symbol des Heiligen Geistes fehlt hier; stattdessen sitzt in der linken oberen Ecke, in einer Wandnische, vor dem monochronen Hintergrund der Wandfläche gut erkennbar, ein hellgrüner Papagei. Er ist Teil der linken, durch den das Wort überbringenden Engel dominierten Bildhälfte, sein Blick ist aber – wie üblicherweise der der Taube – von schräg oben links auf Maria gerichtet, mit der ihn auch die drei Farben seines Gefieders verbinden: Seine Schwanzfedern greifen das Rot von Marias Kleid, die blauen Federn an seinen Flügelspitzen die Farbe ihres Umhangs auf; und in Marias Gewand taucht neben ihren
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John Skelton greift diese Anekdote bspw. in seinem berühmten satirischen Gedicht »Speake, Parrot« 1521 wieder auf, dessen 110. Vers lautet: »Parrot can say ›Caesar, ave,‹ also« (Skelton 1545, 6. Seite). Ausgehend von dieser Anekdote wird auch die gelegentliche Anwesenheit eines Papageis in Darstellungen des Sündenfalls (z.B. in Albrecht Dürers Kupferstich Adam und Eva von 1504) erklärt: »[A]s the Virgin was regarded as the new Eve − and as ›Ave‹ is ›Eva‹ spelled backwards − the parrot also earned itself a honourd place in the Garden of Eden, as eye-witness to the Fall of Man.« (Verdi 2007, 18; genauso bei Dundas 2004, 296) Eine vielleicht etwas schlüssigere Erklärung für diese ikonographische Entwicklung liefert ein Blick in die spätmittelalterliche Literatur. Wie Colin Nettelbeck mit Bezug auf die anonyme, auf etwa 1400 datiere arthurische Prosaerzählung Le Chevalier du Papegau aufzeigt, hat der Papagei hier nämlich auch die Rolle eines »historian, a keeper of the truths of the past, a memory, […] an almost constant eye-witness to the deeds of its lord, [and] also their chronicler.« (Nettelbeck 2000, 208)
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 1: Unbekannter Künstler: Die Verkündigung an Maria, zwischen 1501 und 1515, Mischtechnik auf Pappelholz, 174,5 x 165,2 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie.
üblichen Symbolfarben Rot und Blau hier auch ein helles Grün auf, das dem Papageiengefieder entspricht und das für die Innenseite ihres Umhangs verwendet wurde. Kompositorisch bildet die Körperhaltung des Papageis zudem eine Linie mit dem vor Maria aufgeschlagenen Buch, was als Verweis auf seine Verbindung zum (hier geschriebenen) Wort verstanden werden kann. In einer etwa zur gleichen Zeit entstandenen Verkündigungsszene von Bernhard Strigel (Abb. 2) findet sich die Zuordnung des Papageis zu dem vor Maria aufgeschlagenen Buch besonders originell gestaltet wieder: Das Buch liegt auf einem Kissen, das mit zwei, ebenfalls hellgrünen, Papageien bestickt ist, die aber, anders als das Buch, nicht zu Ma-
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Abb. 2: Bernhard Strigel: Verkündigung an Maria, um 1515 (?), Mischtechnik auf Holz, 86 x 70 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe.
ria, sondern zu* Betrachter*in ausgerichtet sind (die symbolische Verbindung von Wort und Papagei besteht nicht innerhalb des Bildgeschehens, sondern auf der Ebene von dessen symbolisch-ästhetischer Vermittlung, und muss von den Betrachter*innen erst entschlüsselt werden). Zudem ergibt sich hier ein symbolisches Gegensatzpaar: Die Darstellung des Papageis ist dem geschriebenen, über die Schrift vermittelten Wort, die über Marias Kopf schwebende, in der Szene tatsächlich anwesende Taube dem gesprochenen Wort des Engels zugeordnet.
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 3: Jan van Eyck: Madonna des Joris van der Paele, 1436, Öl auf Holz, 124,5 x 160 cm, Brügge, Groeningemuseum.
Ein frühes und einflussreiches Beispiel des Themas ›Madonna mit Papagei‹ ist Jan van Eycks berühmte Madonna des Joris van der Paele (1436; Abb. 3). Anders als in den Verkündigungsszenen ist der Papagei hier meist in einer Form von Interaktion mit der Madonna oder wie hier dem Jesuskind verbunden.8 Auffällig ähnlich zu Abb. 1 ist aber die farbliche Übereinstimmung des Papageis mit der Innenseite von Marias Umhang, die hier nur an einer Stelle am Saum, der aber geradezu demonstrativ umgeschlagen ist, zu erkennen gegeben wird. Im ersten 8
Elemente aus Verkündigungsszenen und isolierten Madonnendarstellungen werden aber auch verknüpft, wie z.B. in Martin Schongauers um 1470 entstandenem Kupferstich Madonna und Kind mit dem Papagei. Die noch recht frühe Umsetzung des Themas verbindet den Innenraum und das aufgeschlagene Buch der Verkündigungsszenen mit der isolierten Darstellung von Maria mit Kind.
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Drittel des 16. Jahrhunderts breitet sich dieses Thema (in Westeuropa) sehr stark aus, besonders in den Niederlanden und in Antwerpen (vgl. Ost 2008, 232).9 Für den vorliegenden Kontext besonders interessant ist die in dieser Zeit entstandene Maria mit dem Papagei Hans Baldung Griens (Abb. 4), da die Darstellung durch den anzüglich an Marias Hals knabbernden Papagei irritierend ambivalent wird, was in der Forschung zu Griens Mariendarstellungen für Befremden gesorgt hat (vgl. bspw. Weber am Bach 2006, 114). Maria erscheint hier merkwürdig säkularisiert, als »Ideal vornehm kühler Damenhaftigkeit, in gezierter Eleganz« mit den Papageien als »modische[m] Zeitvertreib« und »Symbole[n] für Luxus und Reichtum« (ebd.).10 Tatsächlich lässt sich die schnelle Verbreitung von Papageien in Mariendarstellungen dadurch begründen, dass Papageien in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Folge einer regelrechten »papegaaien-invasie«, einem stark ansteigenden Import von Papageien, schnell zum modischen Haustier – und als solches zum »Symbol für Luxus und Reichtum« − wurden (Reznicek 1955, 241). Die starke Verbreitung des Motivs, mit der der Papagei nach und nach vom seltenen zum gewöhnlichen Vogel wird, steht also in direktem Zusammenhang mit dem Beginn der Besetzung der Kolonien. In kolonialistischen Diskursen erhält der Papagei zudem eine Rolle, die mit seiner Assoziation mit Maria nicht mehr vereinbar ist und daher zu einem motivgeschichtlichen Bruch führt: Nach 1600 verschwindet das Thema ›Madonna mit Papagei‹ und damit einher geht, besonders in der niederländischen Male9
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Maarten van Heemskercks Altarbild Der Heilige Lukas malt die Jungfrau Maria reflektiert die weite Verbreitung des Bildthemas, indem er der traditionellen, meist mit künstlerischer Selbstreflexion aufgeladenen Darstellung des Schutzpatrons der Malergilde einen Papagei hinzufügt. Sibylle Weber am Bach deutet die anzügliche Betonung der Körperlichkeit Marias in der Darstellung einerseits im Sinn eines theologischen Arguments für die Zwei-Naturen-Lehre Christi, die zu Lebzeiten Griens durch die reformatorische Bewegung der Täufer angezweifelt, in der Straßburger Synode von 1533 aber von offizieller Seite bestätigt wurde (vgl. Weber am Bach 2006, 115ff und 191); andererseits erkennt sie im Werk Griens »formale und inhaltliche Bezüge« zwischen Marien- und Venusdarstellungen (vgl. ebd., 124ff und 164).
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 4: Hans Baldung Grien: Maria mit dem Papagei, 1533, Lindenholz, 91,5 x 63,3 cm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Abb. 5: Peter Paul Rubens: Madonna mit dem Papagei, um 1615-1625, Öl auf Leinwand, 163 x 192 cm, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten.
rei, »a dramatic rise in a new role for the birds in visual arts – that of domestic pets and companions of ordinary man« – oder vielmehr von (vielleicht gar nicht ganz so »ordinary«) women, denn als deren Begleitfigur wird der Papagei zum »pictorial cliché[] of the period« (Verdi 2007, 19).11 Eine ›Madonna mit Papagei‹ wie die von Peter Paul Rubens (161525; Abb. 5) stellt dann wieder eine Ausnahme dar und zeugt von der Auflösung der mit dem Bildthema verknüpften Darstellungskonventionen: Statt mit Maria ist der Papagei – nicht mehr einer der hellgrünen, in Asien beheimateten und in Westeuropa seit der Antike bekannten Alexander- und Halsbandsittichen (vgl. Abb. 1-3), sondern ein in Mittelamerika beheimateter Gelbbrustara − farblich eindeutig mit Joseph
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Frances Dickey verweist 2006 in ihrer Analyse von Édouard Manets Femme au Perroquet auf dieses Bildthema, merkt aber an: »No scholarly study of the woman-with-a-parrot genre scene exists.« (Dickey 2006, 120)
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
assoziiert. Er wendet sich von der Heiligen Familie ab und knabbernd einer Weinrebe und damit auch wieder älteren, profaneren Assoziationen zu. »In fact, the older, reverential view of the parrot largely seems to disappear«, schreibt Bruce Thomas Boehrer, und »in its stead emerges a new kind of bird«: »And this new bird […] appears again and again […] in connection […] with race- or class-based ridicule, or with misogynist invective. Ironically, this last fact preserves one bit of contact with the medieval parrot, which was also often associated with women. But in the new order of things, neither birds nor women benefit from the association.« (Boehrer 2010, 62)
2.3
Pollies und Jackies: Profanisierung und Abwertung
Zwei bekannte Versionen dieses »pictorial cliché« aus der Mitte des 17. Jahrhunderts sind Frans van Mieris’ Young Woman feeding a Parrot (Abb. 6) und Caspar Netschers Woman Feeding a Parrot, with a Page (Abb. 7). Beide zeigen in ganz ähnlicher Weise eine wohlhabende Frau beim Füttern eines afrikanischen Graupapageis, der als exotisches Accessoire den sozialen Stauts der Dargestellten markiert. Die isolierte Darstellung der Frauen mit dem Papagei in einem abstrakt gehaltenen Raum (die häusliche Umgebung ist nur durch das Sitzgestänge bzw. den Käfig des Papageis angedeutet) und die Interaktion zwischen beiden lassen noch an die Madonnenbilder denken. Allerdings steht das Füttern des Papageis hier für sexuelle Verführung.12 Der Papagei ist also Träger eines sexuellen Subtextes, entweder als – denkbar inadäquates – Objekt einer nicht offen darstellbaren weiblichen Lust, oder auch als Verweis auf die ›in einen Käfig gesperrte‹ weibliche Sexualität selbst. 12
Das in dieser Zeit besonders häufige Motiv der den Papagei fütternden Frau ist oft negativ gewertet und soll die »moralische Gefährdung durch dubiose Frauen« darstellen (Dittrich 2005, 323). In Verbindung mit dem geöffneten Papageienkäfig wird es auch als Verweis auf den Verlust der Jungfräulichkeit interpretiert (vgl. Sani 1991, 85).
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 6: Frans van Mieris: Young Woman Feeding a Parrot, 1663, Öl auf Holz, 22,4 x 17,7 cm, The Leiden Collection.
Auch wenn man diese allegorische Ebene ausblendet, ist der Papagei hier kein erhabener Vogel mehr, sondern ein unterwürfiges, brav das Köpfchen neigendes (vgl. Abb. 6) beziehungsweise auf dem Finger sitzendes (vgl. Abb. 7) Haustier. Er ist dargestellt in einer Pose der gehorsamen Unterwerfung – genau wie der in Netschers Gemälde auf der rechten Bildhälfte, verschattet im Hintergrund dargestellte Page, dessen Gesichtszüge wohl auf eine ebenfalls nicht europäische Herkunft hinweisen sollen. Auch kompositorisch sind Papagei und Diener in diesem Bild eng verbunden: Ihre Platzierung rechts und links der die Mit-
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
telachse bildenden Hauptfigur suggeriert auch ein symbolisches Symmetrieverhältnis; der Blick des Pagen ist aufmerksam auf den Papagei gerichtet; der Silberteller mit dem Futter für den Papagei, den er in den Händen hält, liegt auf einer waagrechten Linie mit dem farblich ganz ähnlichen Käfig des Papageis und sowohl der Teller als auch der Käfig ziehen durch einen Lichtreflex Aufmerksamkeit auf sich. Abb. 7: Caspar Netscher: A Woman Feeding a Parrot, with a Page, 1666, Öl auf Holz, 45,7 × 36,2 cm, Washington D.C., National Gallery of Art. Abb. 8: Jan Steen: Interior with a Woman Feeding a Parrot, ca. 1660-1670, Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Amsterdam, Rijksmuseum.
Die Assoziation von Dienern oder Sklaven und Papageien reicht zurück bis in die Antike. Weil er bei seinem nachahmenden Sprechen fast, aber eben nicht ganz wie ein Mensch klingt, wurde der Papagei zur Figur für die Grenze echten Menschseins. Bruce Boehrer beobachtet zum Beispiel in Aristoteles’ Historia animalium aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und in der Naturalis historia von Plinius dem Älteren aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., dass beide Texte Papageien als »miniature peop-
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
le« entwerfen – mit schwerwiegenden Implikationen, denn, so führt er weiter aus: »[I]f it becomes possible to view parrots as in some ways almost human, it also becomes possible […] to view them as possessing, and as typifying, a supposedly inferior humanity. In the context of ancient imperial aspirations, the parrot can emerge by this calculus as a sort of servant-figure, […] offering an apparently natural model for the inferiority of foreign and subordinate peoples […].« (Boehrer 2010, 5) In der Tradition von Aristoteles und Plinius stehen Papageien daher für »the subservience of certain social groups (slaves, women, the poor, barbaric foreigners etc.) to others.« (Ebd., 7f) Bei der Kolonialisierung amerikanischer und afrikanischer Gebiete ab dem 16. Jahrhundert wird diese Assoziation zur einer den kolonialen Machtanspruch scheinbar legitimierenden, immer wiederkehrenden rhetorischen Figur: »[T]he mind of the parrot« gleiche »a blank slate, ready to be inscribed with instructions«, so ist unter anderem Columbus überzeugt, der bei seiner Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent hunderten Papageien begegnet, bevor er noch den ersten Menschen sieht (Carter 2006, 118). Der Papagei wird zum »avian equivalent of the about-to-be-enslaved native« (ebd.) und während Papageien massenhaft nach Europa verschifft werden, werden die zwar menschlichen, aber auf vermeintlich minderwertige Art menschlichen Bewohner*innen der kolonialisierten Gebiete unterworfen – und erhalten dabei oft einen neuen Namen. Es spricht für sich, dass die beliebtesten Namen, die (englischsprachige) Kolonisatoren ihren Haussklav*innen gaben, die gleichen sind wie die typischsten Namen von als Haustier gehaltenen Papageien: Jacky und Polly (vgl. Carter 2006, 43). Selbst im 17. und 18. Jahrhundert wird dieses Bild des Papageis noch aufgerufen, um die geistige Unterlegenheit von Versklavten zu attestieren (z.B. bei John Locke und David Hume, vgl. hierzu bspw. Powell 2008, 73) – und wird im Anschluss daran auch mit der weit verbreiteten misogynen Assoziation von dümmlichem, weiblichem Geschwätz und Papageiengeplapper verschränkt, z.B. von Jonathan Swift, wenn er 1703 in »Thoughts on Vairous Subjects« schreibt: »A very little Wit is
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
valued in a Woman, as we are pleas’d with a few Words spoken plain by a Parrot.« (Zit.n. Powell 2008, 7413 ) Dieser Papagei, der die geistige Beschränktheit von Fremden und Frauen versinnbildlichen und deren Ausbeutung naturalisieren soll, erscheint im Vergleich zu dem ehrwürdigen popinjay des 15. und 16. Jahrhunderts als ein »entirely new kind of bird« (Boehrer 2010, 60), was sich auch in seinem Namen in der englischen Sprache spiegelt: Das Wort ›popinjay‹ beginnt im späten 16. Jahrhundert zu verschwinden und wird abgelöst von ›parrot‹, übernommen aus dem Französischen, wo Papageien mit dem Diminutiv ›pierrot‹ des Allerweltsnamen ›pierre‹ bezeichnet werden. (Vgl. ebd., 60f und »parrot« in OED online14 ) Dieser »neue Vogel« ist aber zum Teil auch ein altbekannter: Während der popinjay zum parrot wird, erhält er seine sexuellen Assoziationen aus der mittelalterlichen Literatur und Malerei zurück und wird in Verbindung mit Frauen nun auch stellvertretend für den derben Lüstling dargestellt. Ein bekanntes Beispiel ist Jan Steens Genregemälde Interior with a Woman Feeding a Parrot, auch bekannt als ›Der Papageienkäfig‹ (Abb. 8), das eine Szene in einem Freudenhaus zeigt. Die junge Frau, die mit dem Rücken zu* Betrachter*in in der Mitte des Bildes steht und mit nach oben ausgestrecktem Arm dem aus seinem Käfig lehnenden Papagei etwas zu Fressen hinhält, ist nicht nur durch den Kontext der dargestellten Szene, sondern auch durch diese Interaktion mit dem Papagei als Prostituierte zu erkennen; in verschlüsselter Form bietet sie nicht nur das Futter, sondern auch sich selbst als Lustobjekt an. 13
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Manushag N. Powell untersucht in ihrem Aufsatz »the issue of women and gender roles in the essay periodical as it is articulated through the gendered device of the talking parrot« und versucht dabei, zu einem Verständnis darüber zu gelangen, »how this connection was informed by an already-rich tradition of parrots in literature«. Sie zeigt dabei, wie sich zwei Herausgeber*innen politischer Zeitschriften die abwertende Figur des Sinnloses vor sich hinplappernden Papageis aneignen und sich dessen ambig-satirisches Bedeutungspotenzial zunutze machen (Powell 2008, 64f). Laut OED steht John Skelton’s »Speake, Parrot« am Anfang der Verwendung von ›parrot‹ im Englischen.
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 9: Giovanni Battista Tiepolo: Young Woman with a Macaw, ca. 1760, Öl auf Leinwand, 71 x 53,4 cm, Oxford, Ashmolean Museum. Abb. 10: Rosalba Carriera: Young Lady with a Parrot, ca. 1730, Pastell auf Papier, 60 x 50 cm, Art Institute of Chicago.
2.4
Parrots: Junge Frau mit Papagei
Diese erotischen Assoziationen bilden auch die Grundlage für das Bildthema ›Frau mit Papagei‹, das sich Mitte des 18. Jahrhunderts herausbildet. Als erstes Beispiel dieses Themas nennt Richard Verdi die Young Woman with a Macaw des Venezianischen Rokoko-Malers Giovanni Battista Tiepolo von ca. 1760 (Abb. 9; vgl. Verdi 2007, 26). Es handelt sich bei dieser Darstellung um die Verbildlichung eins Ideals weiblicher Schönheit und Anmut. Der rote Ara, den die von der Köpermitte aufwärts Dargestellte vor ihrer zum Teil entblößten Brust auf dem linken Arm hält, ist dabei sowohl exotisierende Beigabe als auch erotisierende Figur. Während der entrückt wirkende Blick der Frau nach rechts aus dem Bild und scheinbar ins Leere geht, ist der absichtsvoll wirkende Blick des Aras frontal aus dem Bild heraus auf d* Betrachter*in gerichtet. Dass er
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
dabei im Schatten bleibt, während Gesicht und Brust der Dargestellten von einer links oben zu denkenden Lichtquelle erleuchtet sind, vermittelt zusammen mit seiner geduckten Haltung den Eindruck, dass seine Intention eine illegitime, arglistige ist, die der jungen Frau verborgen bleibt, Betrachter*innen aber zu Kompliz*innen macht. Diese erzählerische Spannung zwischen den beiden Figuren wird untermauert von dem ästhetischen Kontrast, den sie bilden: Die helle, pastellige Palette, in der die Frau gemalt ist, kontrastiert mit den kräftigen, dunklen, matten Tönen im Gefieder des Papageis; die entblößte Haut wirkt im Gegensatz zum zerzausten Gefieder des Papageis glatt und weich und neben den besonders groß und dick dargestellten, bedrohlich wirkenden Krallen verletzlich; die Haltung der Frau ist entspannt, der Papagei sitzt geduckt und mit leicht erhobenen Flügeln da, als wollte er sich im nächsten Moment abstoßen. Von dem die Madonna sanft liebkosenden oder dem dozilen Vogel des 16. und 17. Jahrhunderts fehlt hier jede Spur. Ein noch früheres Beispiel dieses Bildtypus’, das Richard Verdi übergeht, ist Rosalba Carrieras Young Lady with a Parrot, entstanden um 1730 (Abb. 10). Dieses Pastell im Stil des Rokokos zeigt mit sehr ähnlich gewähltem Bildausschnitt ebenfalls eine schöne junge Frau vor abstraktem Hintergrund. Auch ihre Brust ist zum Teil entblößt, sie trägt, wie Tiepolos Young Woman, eine Perlenkette, floralen Haarschmuck und einen Papagei auf dem linken Arm. Es handelt sich hier aber nicht um einen kräftigen Ara, sondern einen zierlicheren Sittich, der mit seinem hellblauen Gefieder genau der Farbe des Kleides entspricht, und dabei quasi zum modischen Accessoire wird. Er zupft mit seinem Schnabel an der feinen Spitze im Dekolleté der Dargestellten, die hier nicht verträumt zur Seite, sondern entschlossen gerade nach vorne aus dem Bild blickt. In Kombination mit ihrer zur Seite gedrehten Körperhaltung und dem nach vorne gestreckten freien rechten Arm, der vom unteren Bildrand oberhalb des Handgelenks abgeschnitten wird, entspricht dieser Blick dem Bildtypus des »Selbstporträt im Akt des Malens« (vgl. Cazzola 2013). Dieser setzt einen selbstbewussten und selbstbezüglichen Gestus ins Bild, der nicht recht zum Thema ›Frau mit Papagei‹ und der Art, wie die Frau hier üblicherweise zum Blickobjekt wird, zu passen scheint und die Bildlogik des Themas so destabilisiert.
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Kein fremder, sondern der eigene Blick, so wird suggeriert, erzeugt das im Gemälde festgehaltene Bild. Und entsprechend wäre es die Dargestellte selbst, die ihr Porträt mit dem sexualisierten Attribut des Papageis versieht.15 Kompositorisch erinnern die ›Frauen mit Papagei‹ des 18. noch stark an die Madonnenbilder des frühen 16. Jahrhunderts. Ein Blick zurück auf Griens Maria mit dem Papagei (vgl. Abb. 4) lässt diese fast wie eine Präfiguration von Carrieras Gemälde wirken – oder letzteres wie ein auf der Folie der Madonnen entstandenes Selbstporträt: Die stolz zur Schau gestellte Brust entspricht der entblößten Brust der maria lactans; die helle Haut, das lange rötliche Haar, die feinen Züge, die Perlenkette, der abstrakte, dunkle Hintergrund, der frontale Blick, der sanft und auch hier unbestreitbar anzüglich knabbernde Papagei finden sich in beiden Bildern. Die kompositorischen Reste der Mariendarstellungen verschwinden dann aber im 19. Jahrhundert. Auch dann entstehen noch zahlreiche ›Frauen mit Papagei‹, die jetzt aber teilweise auch noch an ein anderes Bildthema anknüpfen, in dessen Kontext der sexualisierte Subtext dann zum expliziten Thema der Gemälde wird: der liegende weibliche Akt.
2.5
Femmes aux Perroquets
Die beiden wohl berühmtesten Gemälde dieser Art sind Eugène Delacroix’ Femme caressant un perroquet von 1827 (Abb. 11) und Gustave Courbets Femme au Perroquet von 1866 (Abb. 12). Delacroix’ eher kleinund, entsprechend dem Hauptmotiv, querformatiges Gemälde zeigt in einem nur angedeuteten, orientalistisch inszenierten Innenraum eine nackte junge Frau, die sich auf einem mit üppigen, in Orangetönen
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Bernadina Sani beschreibt das Gemälde als eine Kombination aus »portraiture and allegory« (Sani 1991, 75). Beide – Allegorien und Porträts – sind im Werk Carrieras zahlreich vertreten und oft nicht klar zu trennen. Sani versucht sich ausgehend von dem Papagei als erotisierendem Motiv dem allegorischen Gehalt anzunähern, der sich aber letztlich nicht festlegen lässt (vgl. ebd., 75ff).
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Abb. 11: Eugène Delacroix: Femme caressant un perroquet, 1827, Öl auf Leinwand, 24,8 x 33 cm, Musée des Beaux-Arts de Lyon.
schimmernden Stoffen drapierten Canapé zur rechten Bildhälfte hin zurücklehnt. Sie trägt einen dezent angedeuteten Turban und Goldschmuck um den Hals und an ihrem linken Arm, den sie entspannt herabhängen lässt. Ihr gedankenverlorener Blick folgt dem Arm und dem ausgestreckten Zeigefinger – und erst auf den zweiten Blick, wenn der Betrachter16 dieser bildlichen Linie folgt, fällt sein Blick auf einen kleinen, bunten Papagei, der im Schatten der Tücher am Boden sitzt und sich interessiert der Hand zuwendet. Das Gemälde wurde auch Odalisque au perroquet genannt, was die Dargestellte als eine HaremsDienerin ausweist. Dabei ist die europäisierte Verwendung des Begriffs ›Odaliske‹ aber ungenau. Eigentlich bezeichnet er die Dienerin einer Haremsfrau, eine Sklavin also, die aber genaugenommen bekleidet dargestellt sein müsste, und nicht die Angehörige des Harems selbst,
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Um kenntlich zu machen, dass das Motiv dieser Darstellung von einem männlichen Blick strukturiert und gestaltet ist, wird hier nicht gegendert.
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 12: Gustave Courbet: Femme au perroquet, 1866, Öl auf Leinwand, 129,5 x 195,6 cm, New York, Metropolitan Museum.
wie es die Darstellung als Akt suggeriert (vgl. Le Juez 1999, 87). Das Gemälde überblendet beide Ebenen zu einer ästhetisierenden, orientalisierenden und erotisierenden Behandlung von »esclavage comme thème central« (ebd.). Der Papagei ist dabei auf zwei verschiedenen und durchaus widersprüchlichen Ebenen mit der »Odaliske« assoziiert, die in einer Art Kippeffekt mal die Haremsdame, mal die Sklavin in den Vordergrund rücken – und dabei den Lustobjekt-Status der Dargestellten untermauern, zugleich aber auch kritisch unterwandern: Der Papagei markiert auch hier die Dargestellte als laszive Frau und schlüpft in die Rolle des abwesenden Liebhabers, weist sie durch seine metaphorische Verbindung mit Sklav*innen aber auch als solche aus. Die Interaktion zwischen Frau und Papagei, die im ersten Fall schlicht als erotische Handlung zu verstehen ist, lässt sich im zweiten Fall kaum als die bildliche Wiederaufnahme des legitimatorischen Impetus’ des Sklaven-Papagei-Vergleichs deuten, sondern wird zur solidarischen
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Geste, die einen kritischen Bruch der ideologischen Prämissen der Darstellungen erzeugt.17 In Courbets Femme au Perroquet (Abb. 12) ist, vierzig Jahre später, das Vorbild des liegenden weiblichen Akts in venezianischer Tradition (meist als Venus-Darstellungen) noch deutlicher erkennbar18 : Theatralisch inszeniert vor dem durch dunkle, herabhängende Teppiche gebildeten Hintergrund liegt, auf einer von links in den Bildraum reichenden, von einem zerwühlten weißen Laken bedeckten Liege eine nackte Frau. Ihre Position ist nicht gelassen, wie die bei Delacroix, und nicht beherrscht, wie die von Manets drei Jahre zuvor entstandener Olympia.Die Frau liegt mit leicht zum Betrachter hin gedrehtem Becken auf dem Rücken, ihr langes lockiges Haar breitet sich um ihren Kopf herum aus, als wäre sie nach hinten übergekippt, als der Papagei, der mit ausgebreiteten Flügeln direkt über ihr auf der nach oben gestreckten linken Hand sitzt und auf sie herabschaut, von seiner in der rechten Bildhälften platzierten Sitzstange herübergeflogen ist. Durch die verdrehte, unbequem wirkende Pose der Frau und die dominierende Position des Papageis, durch den Kontrast zwischen dem die Intimität der Szene betonenden räumlichen Setting und der theatralen Zurschaustellung des nackten Körpers hat die Szene etwas Gewaltvolles an sich. Die erotisierende Ebene des Themas ›Frau mit Papagei‹ scheint hier derart auf die Spitze getrieben, dass das Gemälde die Inbesitznahme des weiblichen Körpers durch den männlichen Blick selbst zum Thema zu machen scheint.19 17
18 19
Brigitte Le Juez nimmt an, dass Delacroix’ Gemälde auf Lambert Sustris’ 1555 entstandenes Gemälde Venus und Cupido zurückgeht, das Delacroix aus dem Louvre vertraut gewesen sein müsse. Dort berührt der herabhängende Arm der Venus ein Taubenpärchen, das, so Le Juez, als Symbol der körperlichen Liebe durch den Papagei ersetzt würde, was im Kontext des orientalistischen Gemäldes vor allem durch dessen Farbigkeit motiviert sei (Le Juez 1999, 62). Courbet malte bereits 1861 eine Delacroix’ Gemälde noch ähnlichere Femme au Perroquet (vgl. Le Juez 1999, 63). Auch Brigitte Le Juez, Nanette Salomon und Jennifer Shaw erkennen diese kritische Brechung des Themas. Le Juez schreibt, das Thema gebe sich hier explizit als »fantasme masculin« zu erkennen (ebd., 63); Salomon liest die Körperhal-
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Unmittelbar nach Courbet malt auch Édouard Manet eine Femme au Perroquet (Abb. 13) und gehe dabei »plus loin«, so Brigitte Le Juez, aber nicht indem er sie als sexualisierte Darstellung eines männlichen Phantasmas noch weiter steigere, sondern: »Il montre la réalité derrière le fantasme. […] La Femme au perroquet choque beaucoup de monde au Salon de 1868 car Manet ne la présente pas dans la pose classique, sage, séduisante ou sensuelle […]. Il montre, au contraire, le malheur qui frappe les femmes condamnées à leurs intérieur domestique et pour lesquelles la vie a précisément perdu sa couleur.« (Le Juez 1999, 64f) Manets hochformatiges Gemälde zeigt etwa in Lebensgröße eine stehende junge Frau in einem schlichten, zartrosafarbenen Morgenmantel vor einem flächigen grauen Hintergrund. Ihr Gesicht ist leicht ins Profil gerückt, ihr leerer Blick geht frontal aus dem Bild. Links neben ihr sitzt auf einem hölzernen Sitzgestänge, das ihr in etwa bis zur Hüfte reicht, ein afrikanischer Graupapagei, der von links im Profil dargestellt ist. Beide Figuren sind durch eine formale Entsprechung verbunden: Das linke, durch die leichte Drehung des Kopfes frontal ausgerichtete Auge der Frau sticht heraus, weil es nicht symmetrisch mit dem rechten ist. Es wirkt größer und ist durch die nach rechts verlängerte Augenbraue und einen bildräumlich unlogischen, dunklen Schatten mandelförmig eingerahmt und entspricht damit dem linken, de* Betrachter*in zugewandten Auge des Papageis (vgl. auch Hadler 1973, 117). Es besteht aber keinerlei Interaktion zwischen den beiden. Darin weicht die Darstellung nicht nur auffällig von den kompositorisch ähnlichen Darstellungen zum Beispiel Frans van Mieris’ und Caspar Netschers (Abb. 6 und 7) ab, sondern stelle auch die Vorstellung des 19. Jahrhunderts in Frage, dass Papageien ein geeignetes Haustier
tung der Dargestellten als »function of its direct and immediate accessibility to the male viewer« (Salomon 1985, 148), die aber, in der Art, wie sie den Körper der Frau dem männlichen Blick zur Verfügung stellt, auch die Verletzlichkeit der Person in ihrer Körperlichkeit betone (vgl. ebd., 145f; vgl. auch Shaw 2008, 474).
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Abb. 13: Édouard Manet: Femme au perroquet, 1866, Öl auf Leinwand, 185,1 x 128,6 cm, New York, Metropolitan Museum. Abb. 14: Auguste Renoir: La femme à la perruche, 1871, Öl auf Leinwand, 92,1 x 65,1 cm, New York, Solomon R. Guggenheim Museum.
für Frauen, »especially lonely ones«, seien, weil sie als »outlet for their emotions« dienen könnten (Dickey 2006, 121). »[A] capacity for sympathy and affection (attributed specifically to women) that presumably comes from within« stehe im Zentrum ähnlicher Darstellungen im 19. Jahrhundert, aber nicht bei Manet (ebd.). Ausgehend von dieser Beobachtung entwickelt Frances Dickey ihre Analyse des Gemäldes als einer bildlichen Darstellung zweier gegensätzlicher Entwürfe von Subjektivität: »The first is the classic Cartesian conception of self that privileges inwardness and, following romanticism, the expression of inwardness«, wie sie sich im Gemälde an der von Dickey beobachteten Anspielung auf die Vorstellung von der weiblichen Neigung zum Ausdruck innerer Gefühle festmachen lässt (ebd., 114). »The second conception, a new one
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that deeply offended Manet’s first audiences, constitutes the subject out of flat surfaces whose hallmark characteristic is reflection or imitation« (ebd.). Und für dieses Konzept von Subjektivität stehe bei Manet der Papagei – den sie auch »automaton« nennt −, denn von dessen Sprechen könne man eben nicht auf ein (so und so beschaffenes) Inneres schließen.20 Sein Verhalten strafe »the idea that language exteriorizes thought, brings the inside into contact with a social world« Lügen; er sei »pure imitation without expression« (ebd., 119). Dickeys Interpretation von Manets Gemälde stellt damit eine Verbindung her zu dem im Folgenden entworfenen Modus eines psittazistischen Sprechens, das als nicht(?)-intentionales Sprechen nicht Ausdruck einer ihm zugrundeliegenden Subjektposition ist, sondern in der Zusammensetzung disparater Fragmente nachgeahmter Äußerungen eine Klangfläche ohne einheitlichen Ursprung erzeugt. Ähnlich wie von den Psittazismen in den Erzähltexten eine destabilisierende Wirkung auf die Annahme einer dem Text vorgelagerten Erzählinstanz ausgeht, stellt der Papagei in Manets Gemälde »the romantic model of self, in which feeling, expression, and originality are paramount« in Frage (ebd.). Ein letztes Beispiel einer ›Frau mit Papagei‹ sei noch erwähnt: Nach Delacroix, Courbet und Manet malte 1871 August Renoir eine Femme à la perruche (Abb. 14), die nun aber alle Theatralik und die komplexen symbolischen Subtexte hinter sich lässt und sich dadurch im Dekorativen zu verlieren droht. Ähnlich wie Brigitte Le Juez es für Manets Gemälde ausdrückt, drängt sich auch hier die Banalität und Belanglosigkeit der dargestellten Szene in den Vordergrund. Die dargestellte Frau ist in den Bildausschnitt eingesperrt wie der Papagei gewöhnlich in seinen Käfig. Genau wie der goldgelbe Sittich farblich seinem Käfig zugeordnet ist,
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In diesem Sinn fällt der Papagei auch mit dem zusammen, was Freud als typische Momente des Unheimlichen benennt: »[D]as Moment der unbeabsichtigten Wiederholung« (Freud 1989, 260) und (hier zitiert Freud aus E. Jentschs Aufsatz »Zur Psychologie des Unheimlichen«, erschienen in der PsychatrischNeurologischen Wochenschrift vom 25. August 1906) der »Zweifel an der Beseelung eines anscheinend lebendigen Wesens«, zum Beispiel eines »Automaten« (Freud 1989, 250).
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
ist die Frau ästhetisch dem Hintergrund des Interieur-Ausschnitts angeglichen − gerade an ihrem Rücken verliert sich die Kontur, die sie vor dem Hintergrund hervortreten lassen könnte, in dessen Dunkel.
2.6
Gustave Flauberts Un Cœur simple (1876)
Nur zehn beziehungsweise fünf Jahre nach den Femmes au perroquets von Gustave Courbet, Édouard Manet und Auguste Renoir schreibt Gustave Flaubert seinen »conte«21 Un Cœur simple22 , und auch wenn sich keine expliziten Bezüge zu diesen drei Gemälden ausmachen lassen23 , so weist die Rolle, die der Papagei hier spielt – im wörtlichen Sinn, als handelnde Figur, genauso wie im übertragenen, als symbolisch und poetologisch wichtiges Element −, doch etliche Verbindungen zu dessen vielfältigen Erscheinungsformen in der Malerei auf, die meisten davon durch seine Verbindung mit der Protagonistin. Die Erzählung schildert das Leben von Félicité, die, im späten 18. Jahrhundert im Norden Frankreichs als Tochter armer Leute geboren, ihr Dasein im Dienste Anderer fristet, zunächst als Magd eines Bauern, später als Dienstmädchen der Witwe Aubain in der Kleinstadt Pont
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Un Cœur simple erscheint 1877 als erste von drei Erzählungen in dem Band Trois Contes. Zur »appellation de conte« meint Dominique Rabaté, sie betone »la personnalité du narrateur, […] la première personne du témoin qui rapporte ce qu’il a vu ou vécu. […] Le conte se signale aussi par les procédés d’ouverture et de fermeture pour la prise de parole, dessinant un cadre d’énonciation généralement fortement marqué.« (Rabaté 2002, 89; vgl. auch Orr 2000, 144f) Rabatés Ansicht, alle diese Elemente seien in Un cœur simple »notablement absents« (ebd.), v.a. die Behauptung, Un cœur simple lösche »systématiquement tous les effets de diction ou d’oralité« (ebd. 91), gilt es im Folgenden kritisch zu befragen. Im Folgenden im Fließtext zitiert mit der Sigle CS. In umgekehrter Richtung wird der Bezug in manchen Ausgaben der Erzählung dadurch hergestellt, dass Manets Femme au Perroquet für die Gestaltung des Covers verwendet wurde, so z.B. in der französischen Taschenbuchausgabe der Éditions J’ai Lu (Paris, 2015) und für die deutsche e-book und Hörbuch-Ausgabe des Berliner HörGut! Verlags (2014).
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
L’Évêque. Der Modus der Erzählung wechselt zwischen der Beschreibung einzelner Episoden, die ihr Leben zu einer linearen Abfolge einzelner Ereignisse fügt, und einem distanzierteren, summarischen Blick, der ihr Leben als die Zeitspanne, die es umfasst, behandelt. Mit dem damit einhergehenden Wechsel ins imparfait erscheint es als ein andauerndes Ganzes aus immer wiederkehrenden, kaum sich je verändernden Abläufen, das nicht durch zeitliche Linearität strukturiert ist (vgl. CS 17-19). Das »cœur simple« des Titels verweist in ambivalenter Weise auf Félicité und ihre Charakterisierung als mitfühlend, bescheiden und genügsam, aber auch naiv, ungebildet, begriffsstutzig und geistig minderbemittelt. Ihre Charakterisierung ist wertend, denn wann immer ihre Wahrnehmung, ihr Denken oder Sprechen wiedergegeben wird, wird es von der vermittelnden Erzählstimme zugleich als naiv, unzutreffend, verfehlt oder stumpfsinnig gekennzeichnet, zwar ohne belustigte ironische Note, aber mit einem herablassend sich abgrenzenden Gestus (vgl. hierzu 3.2.1). Die narrative Behandlung, die sie so erfährt, entspricht gewissermaßen ihrer fiktiven gesellschaftlichen Position: Auf beiden Ebenen ist sie passiv und abhängig von Anderen. Schon der erste Satz der Erzählung etabliert ihre untergeordnete Stellung: »Pendant un demi-siècle, les bourgeoises de Pont-l’Évêque envièrent à Mme Aubain sa servante Félicité.« (CS 17) Nicht nur grammatikalisch (durch die possessive Zuordnung zu Mme Aubain), sondern auch metaphorisch (als Wertobjekt, auf das andere neidisch sind und das sie besitzen wollen) wird Félicité hier zum Objekt − das im zweiten Satz sogar einen monetären Gegenwert zugewiesen bekommt: »Pour cent francs par an, elle faisait la cuisine et le ménage, cousait, lavait, repassait, […].« (Ebd.) Direkt nach dem ersten Satz erfolgt jedoch bereits ein Absatzumbruch, wodurch dieser für sich steht und eine irritierende Spannung erzeugt, wenn Félicité indirekt als Thema benannt, ihr zugleich aber die Subjektposition verweigert wird. Ganz ähnlich wird mit dem Papagei verfahren. Bevor er mit dem Beginn des vierten von fünf Kapiteln ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt – nicht nur für Félicité, sondern auch für Leser*innen, denn er eröffnet neue (Be-)Deutungszusammenhänge für den Text als ganzen –, wird er bei seiner ersten Nennung nur beiläufig erwähnt, als Eigen-
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
tum der Familie des neuen Unterpräfekten, der nach der Julirevolution nach Pont-L’Évêque beordert wird: »le baron de Larsonnière, ex-consul en Amérique, et qui avait chez lui, outre sa femme, sa belle-sœur avec trois demoiselles, assez grandes déjà. On les apercevait sur leur gazon, habillées de blouses flottantes; elles possédaient un nègre et un perroquet.« (CS 50) Die Assoziation von Papagei und »nègre« beruht hier nicht nur darauf, dass beide Fremde in der französischen Kleinstadt sind und die Familie Larsonnière beide als ihren Besitz betrachtet. Gerade durch die verknappte Nennung in einem klanglich aber äußerst auffälligem Nachsatz (ein Alexandriner! noch dazu mit einem internen Reim, /pɔsedɛ/−/pɛʀɔkɛ/) wird auch die in orientalistischen Gemälden des 19. Jahrhunderts zum ikonographischen Klischee gewordene Verbindung von Papageien und Versklavten aufgerufen und indirekt auf den ihnen unterstellten ähnlichen Charakter angespielt. Näher beschrieben wird der Charakter der beiden hier nicht, rückwirkend klingen aber in Félicités Charakterisierung die oben beschriebenen Vorstellungen von der ähnlichen geistigen Verfasstheit von Sklaven (oder denen, die es werden sollen) und Papageien an: Sie ist treu, gehorsam und unterwürfig (vgl. CS 17f) und ähnle dadurch einer »femme en bois, fonctionnant d’une manière automatique« (CS 19); sie ist stur, starrsinnig (ebd.), trotzdem lernwillig, lernt aber nur durch Nachahmung und Wiederholung – ein zentrales Element ihres Lebens und grundlegendes Strukturprinzip von dessen Erzählung24 − (CS 35), jede Form von Ironie, Metaphorik oder Abstraktion entgeht ihr völlig.25 24 25
Dominique Rabaté spricht von einem »paradigme répétitif« (Rabaté 2002, 99); vgl. auch Frolich 1982. So kann sie z.B. nicht begreifen, wie sich eine Landkarte als Repräsentation eines Gebietes zu diesem verhält; als ein Bekannter von Mme Aubain ihr in einem Atlas den Punkt zeigt, an dem ihr Neffe sich aufhält, glaubt sie, diesen dort erkennen zu können, wenn sie nur nahe genug hinsieht (CS 43); Anspielungen und Lästereien entgehen ihr (29) und da sie alles, was der Priester in der Kirche erzählt, wörtlich nimmt, stellt sie die Tatsache, dass der Heilige Geist mal durch eine Taube, mal als Feuer symbolisiert wird, vor ein unlösbares Rätsel (CS 35).
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Ihre Verbindung zum Papagei ist also angelegt, bevor dieser in ihren Besitz übergeht in einer Transaktion, die ein Symmetrieverhältnis zwischen Félicité und dem »nègre« erzeugt und beide so nicht nur auf der Handlungsebene, sondern auch auf strukturelle Weise verbindet. Félicité ist fasziniert von dem Papagei, da er aus Amerika kommt; ihr Neffe Victor, neben den beiden Kindern von Mme Aubain der einzige Mensch, der ihr je nahesteht, ist kurze Zeit zuvor nach Amerika übergesiedelt und dort gestorben (vgl. CS 43). Sie überträgt ihre Zuneigung zu Victor auf den Vogel und sagt im Wunsch, ihn bei sich zu haben, zum Hausdiener der Larsonnières: »− ›C’est Madame qui serait heureuse de l’avoir!‹ Le nègre avait redit le propos à sa maitresse, qui, ne pouvant l’emmener, s’en débarrassait de cette façon.« (CS 53) »Mme Aubain, qu’il ennuyait, le donna pour toujours à Félicité.« (CS 54) Nur pro forma ist die Transaktion eine zwischen der Baronesse Larsonnière und Madame Aubain; tatsächlich aber geht der Papagei von den Händen des Dieners der Baronin in die Félicités über, für die er fortan eine immer größere Bedeutung erhält. Entsprechend rückt der Papagei mit seiner Ankunft im Haus Aubin in den Fokus der Erzählung und wird nun auch näher beschrieben: »Il s’appelait Loulou. Son corps était vert, le bout de ses ailes roses, son front bleu, et sa gorge dorée. Mais il avait la fatigante manie de mordre son bâton, s’arrachait les plumes, éparpillait ses ordures, répandait l’eau de sa baignoire; […]. Elle entreprit de l’instruire; bientôt il répéta: ›Charmant garçon! Serviteur, monsieur! Je vous salue. Marie!‹ Il était placé auprès de la porte, et plusieurs s’étonnaient qu’il ne répondit pas au nom de Jacquot, puisque tout les perroquets s’appellent Jacquot. On le comparait à une dinde, à une bûche: autant de coups de poignard pour Félicité! Étrange obstination de Loulou, ne parlant plus du moment qu’on le regardait!« (CS 54)
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Im ersten Satz erinnert Loulou durch die Farben seines Gefieders an die mit der Grazie und Reinheit Marias assoziierten Papageien der Verkündigungsszenen (vgl. bspw. Abb. 1). Der zweite Satz macht diese Assoziation aber sofort zunichte und gibt Loulou als einen ungehaltenen, derben und schmutzigen Vogel zu erkennen. Der dritte Absatz nimmt die Marien-Assoziation wieder auf: »Je vous salue Marie« gehört zu den ersten Worten, die Loulou spricht; es ist die Grußformel der Verkündigung und als die ersten Worte des ›Ave Maria‹ sind es vielleicht die Worte, die die ansonsten eher schweigsame Félicité am häufigsten spricht, da sie jeden Abend den Rosenkranz betet (vgl. CS 9). Doch Loulou profanisiert die Worte des Gebets, wenn er sie ausspricht, nicht nur durch die Kombination mit dem koketten »charmant garçon!«, allein die Interpunktion in »Je vous salue. Marie!« lässt sie zur weltlichen, vielleicht gar anzüglichen Anrede einer nun gewöhnlichen ›Marie‹ werden. Loulou, übrigens durchgehend als männlich markiert, obwohl er den üblichen Namen ›Jacquot‹ zugunsten des – männlich oder weiblichen lesbaren − ›Loulou‹ ablehnt, ist für Félicité »dans son isolement, […] presque un fils, un amoureux.« (CS 57f) Er ist ihr einziger wirklicher Gesprächspartner. Es heißt, sie führe mit ihm »Dialoge« (CS 57), die sie auch fortsetzt, nachdem sie taub geworden ist. Als Loulou stirbt, ist das für sie ein so einschneidendes Ereignis, dass es in der Erzählung als eines von ganz wenigen zeitlich eingeordnet wird: Es ist 1837, Loulou sitzt am Morgen tot in seinem Käfig vor dem Kamin, wo Félicité ihn am Abend abgestellt hatte, damit er in der kalten Nacht nicht frieren würde (CS 58). Da sie sich nicht von ihm trennen kann – nach dem Tod von Victor und Virginie, Mme Aubains Tochter, war Loulou ihr einziger Trost – lässt sie ihn ausstopfen und verwahrt ihn in ihrem Zimmer inmitten des grotesken Bric-à-Brac der wenig Dinge, die sie besitzt und die sie aus Nostalgie aufbewahrt (vgl. CS 61). Loulou, zum Objekt gemacht und zum Bild seiner selbst geworden, ist er der größte Schatz in dieser Sammlung: »splendide, droit sur une branche d’arbre, qui se vissait dans un socle d’acajou, une patte en l’air, la tête oblique, et mordant une noix, que l’empailleur par amour du grandiose avait dorée« (CS 60). Auf dieses Bild projiziert Félicité, in ihrer täglich wiederholten privaten Andacht, ein anderes: das des Heiligen Geistes.
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»À l’église, elle contemplait toujours le Saint-Esprit, et observa qu’il avait quelque chose du perroquet. Sa ressemblance lui parut encore plus manifeste sur une image d’Épinal, représentant le baptême de Notre-Seigneur. Avec ses ailes de pourpre et son corps d’émeraude, c’était vraiment le portrait de Loulou.« (CS 61f) Sie kauft eine Kopie dieses Bildes und hängt es in ihrer Kammer neben Loulou auf, sodass sie beide auf einen Blick sieht, während sie ihr Gebet spricht. Beide Bilder überlagern sich so in ihren Gedanken, bis sie schließlich überzeugt ist: »Le Père, pour s’énoncer, n’avait pu choisir une colombe, puisque ces bêtes-là n’on pas de voix, mais plutôt un des ancêtres de Loulou.« (CS 62)26 Die Verknüpfung von Loulou mit dem Heiligen Geist kulminiert im letzten Satz der Erzählung, im Moment, in dem Félicité stirbt: »[Q]uand elle exhala son dernier souffle, elle crut voir, dans les cieux entrouverts, un perroquet gigantesque, planant audessus de sa tête.« (CS 69) Obwohl der Papagei aus Sicht Félicités eine gänzlich positive Bedeutung hat, ist er in der Erzählung eine negative Figur. Es fällt auf, dass von den vielen Fäden der motivischen Geschichte des Papageis, die die Erzählung durchziehen, die abwertenden Bedeutungen unhinterfragt als Spiegel von Félicités Status, ihrer Abhängigkeit, ihrer geistigen Schlichtheit fungieren, während die positiv konnotierten und religiösen Assoziationen ins Komische verzerrt, dabei letztlich negiert werden – und so ebenfalls an der Abwertung der Protagonistin mitwirken. So markiert das »crut voir« des letzten Satzes (das auch noch an anderer Stelle in der gleichen Funktion auftaucht, vgl. CS 35), das Bild des Papageis, das ohnehin schon als halluzinatorische Vision eingeführt wird, zusätzlich noch als Irrtum. Die Information scheint unpassend oder zumindest redundant, da bereits thematisiert wurde, dass Félicité zu
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Vgl. zur religiösen Thematik in Un Cœur simple Barbara Vinkens Aufsatz »L’abandon de Félicité. Un Cœur simple de Flaubert« (2009). Sie stellt ihre Analyse der Rolle von Taube und Papagei in der Erzählung auch in den Kontext von deren Verhältnis in der Entwicklung religiöser wie profaner Ikonographie in der Malerei v.a. des 19. Jahrhunderts (Vinken 2009, 154f).
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
diesem Zeitpunkt blind ist (CS 66). Brigitte Le Juez’ Deutung des Papageis scheint daher plausibel; er repräsentiere hier »l’inaccessibilité de la vérité pour la protagoniste, d’où son aveuglement et sa surdité avant sa mort.« (Le Juez 1999, 57) Es erschließt sich aus Le Juez’ Darstellung aber nicht, inwiefern das Motiv des Papageis zu einer »exposition critique […] de la condition des femmes au dix-neuvième siècle« diene27 (ebd. 88).
2.7
Kate Chopins The Awakening (1899)
Anders verhält es sich in Kate Chopins 1899 erschienenem Roman The Awakening28 , wo der in einen Käfig gesperrte Papagei gleich in der ersten Szene des Romans zu einem starken Bild für die Unfreiheit der (weißen, bürgerlichen) Frau – verkörpert in der Protagonistin Edna – wird (vgl. bspw. Clark 2008, 337). Edna ist 28 Jahre alt, Tochter eines Grundbesitzers aus Kentucky (TA 6), die aber seit ihrer Hochzeit mit Léonce Pontellier in New Orleans lebt, dort in den Kreisen der kreolischen29
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Zwar ist ihre untergeordnete Stellung als – finanziell wie geistig – Mittellose, besonders auch durch ihr Verhältnis zu Loulou, so überspitzt gezeichnet, dass ihre »victimisation« geradezu ausgestellt wird (Le Juez 1999, 88); wie aber bereits angedeutet wurde, wird diese abwertende Darstellung in der erzählerischen Vermittlung nicht kritisch hinterfragt, sondern ständig aktualisiert und bestätigt. Im Folgenden im Fließtext zitiert mit der Sigle TA. ›Kreolen‹/›kreolisch‹ ist im Kontext des New Orleans der Jahrhundertwende die – auf einem rassistisch und kolonialistisch geprägten Machtanspruch beruhende – Selbstbezeichnung einer weißen, französischstämmigen, bürgerlichen Elite. Von spa. ›criar‹ und frz. ›créer‹ bezeichnen die nominalisierten Begriffe ›cirillo‹ bzw. ›créole‹, die in den kolonialisierten Gebieten geborenen Nachkommen der Kolonisatoren (vgl. »créole« in Grand Robert online). Der französischstämmige Historiker Charles Gayarré versuchte diese Wortbedeutung in einem Vortrag von 1885 gegen die sich schon im 19. Jahrhundert, v.a. im Norden der USA, verändernde Begriffsassoziationen zu sichern: »It has become high time to demonstrate that the Creoles of Louisiana […] have not, because of the name they bear, a particle of African blood in their veins« (Gayarré 1885, 3).
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Gesellschaft verkehrt und zu Beginn der Handlung bereits selbst Mutter zweier Kinder ist. Der Roman erzählt ein knappes Jahr in Ednas Leben, das für sie durch einen entscheidenden Umbruch geprägt ist, der im Titel und im Romantext in der Metapher des Erwachens gefasst ist. Edna erlebt zum einen ein ›Erwachen‹ ihrer Sexualität und wird sich zugleich schrittweise der Macht der sie auf eine bestimmte Rolle festlegenden Konventionen der patriarchalen, kreolischen Gesellschaft bewusst: »Mrs. Pontellier was beginning to realize her position in the universe as a human being, and to recognize her relations as an individual to the world within and about her.« (TA 16) Edna erlebt ihre Rolle und die Erwartungen, die von allen Seiten auf ihr als Ehefrau und Mutter lasten, zunehmend als Gefängnis – das sie im Verlauf der Handlung zu durchbrechen versucht. Die ersten Kapitel erzählen von den Sommerferien, die Edna mit ihrer Familie in einem kreolisch geprägten Ferienresort auf Grand Isle, einer Insel südlich von New Orleans, verbringt. Ihr Mann kümmert sich unter der Woche in New Orleans um die Geschäfte, die Kinder werden von einem Kindermädchen beaufsichtigt. Edna hat viel Zeit für sich, die sie mit ihrer Freundin Adèle und mit Robert Lebrun, dem Sohn der Besitzerin des Ferienresorts verbringt, zu dem sie sich zunehmend stark hingezogen fühlt. Mit seiner Hilfe versucht sie, schwimmen zu lernen, denn auch vom Meer fühlt sie sich sinnlich angezogen: »The voice of the sea is seductive; never ceasing, whispering, clamoring, murmuring, inviting the soul to wander for a spell in abysses of solitude; to lose itself in mazes of inward contemplation.« (TA 16) Die Stimme des Meeres steht im Roman symbolisch für eine authentische Sprache, die frei von jeglicher Konventionalität inneres Erleben unmittelbar auszudrücken vermag, und bildet somit einen Gegensatz zum Gerede des Papageis, das für ein nichts aussagendes, unoriginelles, von gesellschaftlichen Konventionen gänzlich kontrolliertes Sprechen steht (vgl. bspw. Heath 1994, 19). Der Enge des Papageienkäfigst als Symbol für die Rolle der (bürgerlichen, weißen) Frau in einer patriarchalen Gesellschaft steht die – verlockende wie beängstigende – Weite des Meeres gegenüber, in die Edna am Ende des Sommers in einem euphorischen Moment hinaus-
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
schwimmt − und ihr so symbolisch scheinbar die ersehnte Befreiung und Selbstermächtigung gelingt. Zurück in New Orleans sucht sie, diesem Gefühl folgend, nach sexueller Befreiung, nach finanzieller und sozialer Unabhängigkeit von ihrem Mann, versucht ihre enge Rolle als Ehefrau und Mutter zu durchbrechen und eine ›Sprache‹ zu finden, die dem Vorbild der »voice of the ocean« entspricht. Sie hat eine skandalöse Affäre (vgl. z.B. TA 92) mit einem anderen Mann, kommt ihren sozialen ›Pflichten‹ als Ehefrau ihres Standes nicht mehr nach, zieht aus dem ehelichen Haushalt aus (vgl. TA 87, 95, 102f) und glaubt, in der Musik ein Äquivalent der Stimme des Meeres zu finden (vgl. z.B. TA 29). Letztlich sieht sie aber all ihre Bemühungen scheitern, erkennt die Unausweichlichkeit ihrer Unfreiheit und schwimmt nochmals vom Strand auf Grand Isle aus in die Weite des Meeres hinaus. »The voice of the sea is seductive […], inviting the soul to wander in abysses of solitude«, heißt es hier nochmals (TA 127). Dieses Mal aber schwimmt Edna hinaus, um sich der Stimme des Meeres zu überlassen und nichtmehr ans Ufer zurückzukehren. Den symbolischen Papageienkäfig hat sie zwar verlassen, das legt ein in der Schlussszene auftauchender symbolischer Vogel nahe, sie hat aber nicht die Kraft, außerhalb dieses Käfigs zu überleben: »A bird with a broken wing was beating the air above, reeling, fluttering, circling disabled down, down to the water.« (Ebd.) Damit bewahrheitet sich eine von Edna zunächst unverstandene Warnung, die die Pianistin Mademoiselle Reiz, Ednas Bekannte und die einzige unverheiratete Frau im Roman, als Reaktion auf Ednas radikales Vorhaben, in eine eigene Wohnung zu ziehen, vorbringt: »›The bird that would soar above the level plain of tradition and prejudice must have strong wings. It is a sad spectacle to see the weaklings bruised, exhausted, fluttering back to earth.‹« (TA 92) Mit dem Bild des Papageis wird also bereits im ersten Satz in einem kritischen Kommentar auf das zentrale Thema der behandelten Geschlechterverhältnisse vorausgegriffen: »A green and yellow parrot, which hung in a cage outside the door, kept repeating over and over: ›Allez vous-en! Allez vous-en! Sapristi! That’s all right!‹
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He could speak a little Spanish, and also a language which nobody understood, unless it was the mocking-bird that hung on the other side of the door, whistling his fluty notes out upon the breeze with maddening persistence. Mr. Pontellier, unable to read his newspaper with any degree of comfort, arose with an expression and an exclamation of disgust. […] The parrot and the mocking-bird were the property of Madame Lebrun, and they had the right to make all the noise they wished. Mr. Pontellier had the privilege of quitting their society when they ceased to be entertaining.« (TA 3, Herv. i.O.) Die Rede vom »Recht«30 der Vögel zu lärmen ist hier offensichtlich ironisch, scheint es doch zugleich ihr einziges und letztlich ein nutzloses Recht zu sein. Der Verweis auf Mr. Pontelliers »Privileg«, zu kommen und zu gehen, wie es ihm gefällt, wirkt im Verhältnis dazu zynisch; es ist markiert als männliches Privileg, das scheinbar selbstverständlich ist, und gibt dabei die doppelte Abwertung des Papageis und der Spottdrossel zu erkennen: Sie sind im Gegensatz zu ihm nicht nur bewegungsunfähig, eingesperrt, sie sollen auch noch seiner Unterhaltung dienen. Trotzdem kommt den Vögeln in dieser Szene eine nicht unwesentliche, da die Bewegung dieser Passage anstoßende, Agency zu. Ihr Lärmen lässt sich nicht unterbinden und es vertreibt Léonce von der Veranda der Lebruns. Er geht hinüber auf seine eigene Veranda, um dort ungestört seine Zeitung weiterzulesen. Da diese Passage auf ihn fokalisiert ist, wird die Szenerie des Ferienresorts nun von dieser Wahrnehmungsposition aus geschildert, und zwar als eine Art ›soundscape‹, in deren Beschreibung schnell klar wird, dass Mr. Pontelliers kurze Interaktion mit dem Papagei seinem Verhalten zu Frauen im Allgemeinen und seiner Frau im Speziellen entspricht: »There was more noise than ever over at the house. […] The chattering and whistling birds were still at it. Two young girls, the Farival twins, were playing a duet from ›Zampa‹ upon the piano. Madame Lebrun
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Vgl. zur rechtlichen Metaphorik in diesem Abschnitt Dimock 1990, 25.
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
was bustling in and out, giving orders in a high key to a yard-boy whenever she got inside the house, and directions in an equally high voice to a dining-room servant whenever she got outside. She was a fresh, pretty woman, clad always in white with elbow sleeves. Her starched skirts crinkled as she came and went.« (TA 3f) Die Stimmen der Vögel und die Stimmen der Frauen* vermischen sich aus seiner Sicht zu »noise« und werden dabei quasi gleichgesetzt.31 Und als Edna auf der zweiten Seite zum ersten Mal auftritt, wird sie aus Léonces Perspektive – ähnlich dem Papagei – als Besitzobjekt eingeführt, das ihm zu gefallen hat. Als Edna in der Mittagshitze mit Robert vom Strand zurückkommt, kommentiert Léonce das mit »›What folly! to bathe at such an hour in such heat!‹« und: »›You are burnt beyond recognition,‹ he added, looking at his wife as one looks at a valuable piece of personal property which has suffered some damage.« (TA 4)32 Was die Erzählperspektive angeht, bilden die ersten Seiten des Romans einen Kontrast zu den folgenden Abschnitten, die überwiegend auf Edna fokalisiert sind.33 In der Bewegung von der auktorial kommentierten Fokalisierung auf Léonce hin zu Ednas Perspektive vollzieht die Erzählung gewissermaßen eine Bewegung von außen nach innen, von Léonce als Repräsentant der machtvollen männlichen Position hin zu Edna, vom Außen des Papageienkäfigs in diesen hinein. Erzählperspektivisch und symbolisch bildet die Anfangsszene mit dem Papagei also einen Rahmen für die Handlung, der, wie Martha Fodaski Black argumentiert, auf George Bernhard Shaws 1891 in seinem Buch The Quintessence of Ibsenism erschienenen Aufsatz »The Womanly Woman« basiere (Fodaski Black 1999, 95). Angesichts der Spannbreite des Motivs ›Frau mit Papagei‹ in der Malerei muss nicht unbedingt von einem direkten 31
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Ein umgekehrter Effekt ereignet sich aus Ednas Perspektive, auf die der Roman ab ihrem Auftraten auf der zweiten Seite fokalisiert ist: Ihre Umwelt spricht zu ihr in individuellen, nicht nur menschlichen Stimmen (die Stimme des Meeres, der Musik etc.) (vgl. hierzu Kapitel 3.2.2). Tatsächlich war die Ehefrau und all ihr Besitz im New Orleans der Jahrhundertwende rechtlich als Eigentum ihres Mannes definiert (vgl. Martin 1988, 17). Sandra M. Gilbert sieht hierin das Vorbild Flauberts (vgl. Gilbert 1983, 46).
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Bezug auf Shaw ausgegangen werden. Sein elaborierter Vergleich von Papageien im Käfig mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau im späten 19. Jahrhundert weist aber einige auffällige Parallelen zu Chopins Roman auf – und die Kritik, die Shaw mit diesem Vergleich übt, könnten im Roman die Worte sein, die Edna fehlen, um ihr Unbehagen und ihren Schmerz zu benennen: »[O]ur society, being directly dominated by men, comes to regard Woman, not as an end in herself like Man, but solely as a means of ministering to his appetite. The ideal wife is one who does everything that the ideal husband likes, and nothing else. Now to treat that person as a means instead of an end is to deny that person’s right to live.« (Shaw 1891, 38) In seiner Papageien-Allegorie analysiert Shaw nicht nur, wie dieser Status der Frau naturalisiert und so scheinbar legitimiert wird, er unterscheidet als ›verschiedene Papageien‹ auch verschiedene Haltungen, die die Frau zu ihrer Behandlung einnehmen kann – wenn auch ihre Situation dabei immer ausweglos bleibt: »If we have come to think that the nursery and the kitchen are the natural sphere of a woman, we have done so exactly as English children come to think that a cage is the natural sphere of a parrot − because they have never seen one anywhere else. No doubt there are Philistine parrots who agree with their owners that it is better to be in a cage than out, so long as there is plenty of hempseed and indian corn there. There may even be idealist parrots who persuade themselves that the mission of a parrot is to minister to the happiness of a private family by whistling and saying ›Pretty Polly,‹ and that it is in the sacrifice of its liberty to this altruistic pursuit that a true parrot finds the supreme satisfaction of its soul. […] Still, the only parrot a free-souled person can sympathize with is the one that insists on being let out as the first condition of its making itself agreeable. A selfish bird, you may say: […] one that, in aping the independent spirit of a man, has unparroted itself and become a creature that has neither the homeloving nature of a bird nor the strength and enterprise of a mastiff. All the same,
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you respect that parrot in spite of your conclusive reasoning; and if it persists, you will have either to let it out or kill it.« (Shaw 1891, 42f) Einen »idealist parrot« gibt es in The Awakening verkörpert in Adèle Ratignolle (vgl. auch Fodaski Black 1999, 100), die die ihr zugewiesene Rolle geradezu als Ehre versteht und mit gänzlicher Hingabe erfüllt – und dabei zum Typus einer »mother woman« (TA 10) oder, in Shaws Worten, einer »Womanly Woman«, und damit zum Antitypus zu Edna wird. Edna entspricht – genau wie der »green and yellow parrot« des ersten Satzes – der Haltung des von Shaw letztgenannten Papageis, bis in deren tragische Konsequenz. Elizabeth Elz übernimmt in ihrer Analyse der Vogelsymbolik in The Awakening Blacks Vermutung, dass diese ihren Ursprung in Shaws Papageien-Allegorie habe (vgl. Elz 2003, 14). Elz und Black stimmen zudem darin überein, dass Shaw den Vergleich wiederum von Mary Wollstonecraft übernommen habe (vgl. Elz 2003, 14; Fodaski Black 1999, 96; vgl. auch Clark 2008, 336). Wollstonecraft schreibt 1772 in ihrer Vindication of the Rights of Women: »Ah! why do women […] condescend to receive a degree of attention and respect from strangers different from that reciprocation of civility which dictates of humanity and the politeness of civilization authorize between man and man? And why do they not discover, when ›in the noon of beauty’s power‹, that they are treated like queens only to be deluded by hollow respect, till they are led to resign, or not assume, their natural prerogatives? Confined, then, in cages like the feathered race, they have nothing to do but to plume themselves, and stalk with mock majesty from perch to perch.« (Wollstonecraft 2004 [1772], 61f) Black und Elz zitieren von dieser Passage nur den letzten Satz – und gehen so darüber hinweg, dass Wollstonecrafts Kritik nicht in erster Linie mit der Metapher des Käfigs, sondern mit dem Papagei selbst operiert, der bei ihr der im 18. Jahrhundert häufig u.a. auch bei Locke und Hume (vgl. Powell 2008, 73) beschworene, von Natur her naive und unterwürfige Vogel ist. Außerdem steht natürlich auch Wollstonecrafts Text nicht, wie Black und Elz nahelegen, am Anfang des gesellschaftskritisch ver-
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wendeten Vergleichs von Frau und Papagei. In der Englischen Literatur findet er sich beispielsweise bereits 1681, 111 Jahre vor Wollstonecrafts Schrift, in Aphra Behns Stück The False Count: Or, a New Way to Play an Old Game in der zweiten Szene des ersten Aktes, in der die Dienerin Jacinta zu ihrer unglücklich verliebten und in ihrer Ehe gefangenen Herrin Julia sagt: »Madam, you are as melancholy as a sick Parrot.« (Zit.n. Hobby 2011, 23)
2.8
Joseph Conrads »Amy Foster« (1901)
Im Vergleich zu Loulou und dem Papagei in The Awakening ist der Papagei in Joseph Conrads 1901 erschienener Kurzgeschichte »Amy Foster«34 ein geradezu unscheinbares Detail. Er ist wie der Papagei in The Awakening in einen Käfig gesperrt, steht auch hier bildhaft für den Protagonisten und greift auf dessen Schicksal, von dem eine Binnenerzählung handelt, auf der Ebene der rahmenden Erzählung voraus. Die Rahmenerzählung ist der Bericht eines anonymen Ich-Erzählers von einem Besuch bei seinem alten Freund Kennedy, der als Landarzt in einer fiktiven ländlichen Gegend an der englischen Küste tätig ist. Der Ich-Erzähler begleitet Kennedy auf seiner Runde zu seinen Patienten und dabei treffen sie eine junge Frau, die in einem Garten Wäsche aufhängt. »I had the time to see her dull face, red, not with a mantling blush, but as if her flat cheeks had been vigorously slapped, and to take in the squat figure, the scanty, dusty brown hair drawn into a tight knot at the back of the head. She looked quite young. With a distinct catch in her breath, her voice sounded low and timid.« (AF 150) So beschreibt der Ich-Erzähler seinen Eindruck von ihr und bemerkt seinem Begleiter gegenüber: »›She seems a dull creature,‹« worauf Kennedy antwortet:
34
Im Folgenden im Fließtext zitiert mit der Sigle AF.
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
»›Precisely […] She is very passive. It’s enough to look at her red hands hanging at the end of those arms, at those slow prominent brown eyes, to know the inertness of her mind – an inertness that one would think made it everlastingly safe from all the surprises of imagination […].‹« (AF 150) Diese junge Frau, in deren Beurteilung sich Kennedy und sein Begleiter so einig sind – und deren Charakterisierung nicht nur in dieser Passage an die Félicités erinnert −, ist die titelgebende Figur Amy Foster. Ausgehend von dieser Begegnung setzt Kennedy zu einer Erzählung an, die zwar bei Amy beginnt, sich aber um jemand anderen dreht, und die vom Rahmenerzähler vorgeblich unverändert wiedergegeben und so zur Binnenerzählung wird. Sie handelt von Yanko Goorall, der als Schiffbrüchiger, allein, orientierungslos, ausgezehrt und verwahrlost, in der Gegend, in der Kennedy tätig ist, an Land gespült wird. Mit letzter Kraft versucht er, die Menschen, die er trifft, um Hilfe zu bitten, wird aber von den Einheimischen aufgrund seiner fremdartigen Erscheinung und seiner fremd klingenden Stimme (seine Herkunft lässt sich in Osteuropa vermuten, aber nicht eindeutig benennen) gefürchtet und verstoßen. Einzig Amy zeigt sich unbeeindruckt von seiner Erscheinung und erkennt seine Not, bittet bei dem Bauern Smith, für den sie als Magd arbeitet, für ihn um Obdach und gibt ihm zu essen. Ein anderer Bauer, Mr. Swaffer, nimmt ihn schließlich auf und gewährt ihm für seine Mitarbeit auf dem Hof Kost und Logie. Yanko beginnt ein wenig Fuß zu fassen, Englisch zu verstehen und zu sprechen und sich insgesamt anzupassen – und obwohl er dabei in seiner neuen Umgebung letztlich immer als ›der Fremde‹ wahrgenommen wird und Außenseiter bleibt, verliebt Amy sich in ihn. Die beiden heiraten und Amy bringt einen Sohn zur Welt. Yanko möchte, dass sein Sohn seine Sprache lernt, sodass er bald endlich wieder mit jemandem seine Muttersprache sprechen kann. Der fremdartige Klang seiner Stimme, wenn er mit dem Kind spricht, und die Tatsache, dass sie nicht verstehen kann, was er zu dem Kind sagt, ängstigen Amy aber so sehr, dass sie sich zunehmend von ihm zurückzieht. Als Yanko krank
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
wird und Amy im Fieberwahn versehentlich in seiner Muttersprache um Wasser bittet, reagiert sie geradezu hysterisch, flieht und lässt Yanko allein in ihrem Haus zurück. Dort findet Dr. Kennedy ihn am nächsten Morgen, kann ihm aber nicht mehr helfen, er stirbt. Erst mit diesem Ende der Binnenerzählung erschließt sich die Relevanz der Erinnerung Kennedys an seine erste Begegnung mit Amy, damals erst 15-jährig, von der er seinem Begleiter unmittelbar nach der Begegnung mit ihr berichtet. Er wisse selbst nicht, warum er sie überhaupt bemerkt habe, wo sie doch so unscheinbar gewesen sei. »The only peculiarity I perceived in her was a slight hesitation in her utterance, a sort of preliminary stammer which passes away with the first word. […] her heart was of the kindest. […] She was devoted to Mrs. Smith, to Mr. Smith, to their dogs, cats, canaries; and as to Mrs. Smith’s grey parrot, its peculiarities exercised upon her a positive fascination. Nevertheless, when that outlandish bird, attacked by the cat, shrieked for help in human accents, she ran out into the yard stopping her ears, and did not prevent the crime. For Mrs. Smith this was another evidence of her stupidity […].« (AF 151f) Auch hier erinnert die Charakterisierung Amys – ihre Wortkargheit, ihr gutes Herz, ihre Hingabe und Fürsorglichkeit, genau wie ihre scheinbar offenkundige vollständige »Dummheit« – an Flauberts Félicité und auch Amy wird, ähnlich wie Félicité, eine dem Papagei zugeschriebene geistige Verfasstheit unterstellt. So sagt Kennedy ganz am Ende über sie: »[H]is [Yanko’s] memory seems to have vanished from her dull brain as a shadow passes away upon a white screen. […] She is Amy Foster for every-body,« – nicht etwa Amy Goorall – »and the child is ›Amy Foster’s boy.‹ She calls him Johnny – which means Little John«, genau wie ›Yanko‹ in Yankos Muttersprache, aber es sei »impossible to say whether this name recalls anything to her.« (AF 175) Vor allem aber nimmt Amys Verhalten gegenüber dem Papagei ihr Verhalten gegenüber Yanko vorweg: Um beide kümmert sie sich zunächst fürsorglich, überlässt sie aber ihrem Schicksal, als sie ›in fremden Zungen‹ zu sprechen beginnen und ihr dadurch unheimlich werden.
2. Papageien als Motiv in Malerei und Literatur
Kennedys Erzählung suggeriert aber auch davon unabhängig eine Ähnlichkeit zwischen dem Papagei und Yanko: Beide nennt und kennzeichnet er wiederholt als fremdartig und exotisch, und es müsse wohl auch Yankos »outlandishness« gewesen sein, die den Bauern Swaffer motiviert habe, ihn bei sich aufzunehmen, denn Swaffer »loves to hear tell of or to be shown something that he calls ›outlandish.‹« (AF 165) Er vergleicht Yanko – wegen der Hilflosigkeit seiner Situation, seiner Unfähigkeit, zu kommunizieren, und seiner Isoliertheit – mit einem eingesperrten Tier: »[L]ike an animal under a net« sei er an Land gekrochen (AF 154); »like a bear in a cage« habe er sich hin und her gewiegt, als er sich Schutz und Wärme suchend in Smiths Scheune verkrochen habe (AF 160); und bei seiner ersten Begegnung mit ihm, erinnert sich Kennedy, war Yanko »almost speechless; his quick breathing under the blankets pulled up to his chin, his glittering, restless black eyes reminded me of a wild bird caught in a snare.« (AF 164) Und auch Yankos Stimme, die auch noch Befremden auslöst, als Yanko längst fließend Englisch spricht – »[h]is quick, fervent utterance positively shocked everybody« (AF 168) –, erinnert Kennedy an die eines Vogels: »Many times have I heard his high-pitched voice from behind the ridge of some sloping sheep-walk, a voice light and soaring, like a lark’s, but with a melancholy human note« (ebd.). Auch Kennedy selbst, so gibt er zu, findet diese Stimme verunsichernd (ebd.), auch in seinen langen Gesprächen mit Yanko, in denen dieser ihm seine Geschichte erzählt habe: »He told me this story of his adventure […] at first in a sort of anxious baby-talk, then, as he acquired the language, with great fluency, but always with that singing, soft and at the same time vibrating intonation that instilled a strangely penetrating power into the sound of the most familiar English words, as if they had been the words of an unearthly language.« (AF 158) Er versichert seinem Gesprächspartner, er habe Yankos Geschichte in eigenen Worten wiedergegeben (ebd.), das heißt, »more or less« (ebd.), und bei genauerer Betrachtung der Erzählung eher »less«, denn Worte Yankos brechen ebenso in den Diskurs des Erzählers ein wie die Stim-
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
men anderer Figuren – und destabilisieren so die Autorität des Erzählers und die Integrität seiner Stimme, sodass man sich letztlich fragen muss, wer da eigentlich (noch) spricht.
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
3.1
Psittazistisches Sprechen
Das Sprechen des Papageis in »Amy Foster« ist im Text nicht narrativ als Stimme repräsentiert, sein Sprechen wird lediglich erwähnt: »[H]e shrieked for help in human accents« (AF 152) – damit ist eine lautliche Qualität (ein unangenehmes Kreischen) und die illokutionäre Ebene des Sprachhandelns des Papageis, die ausgedrückte Intention benannt. Ob er aber tatsächlich »help« (oder etwas Ähnliches) schreit, ob er völlig andere oder gar keine verständlichen Worte artikuliert und sein Schreien erst durch den Handlungskontext (den Angriff der Katze) – von Dr. Kennedy oder von Amy – als Hilferuf interpretiert wird, bleibt unklar. Die Stimme des Papageis ist eine verunsichernde Leerstelle im Text, sie bleibt ihm fremd – genau wie sie auf der Handlungsebene Amy fremd und unheimlich ist und damit zur Folie für das verfremdende Sprechen Yankos mit einer vogelähnlichen Stimme und einer »melancholy human note« wird (AF 168). Der Papagei in The Awakening tritt bei seinen beiden Erwähnungen jeweils mit wörtlicher Rede auf, die jedoch nicht unmittelbar wiedergeben wird, sondern in ihrer schriftlichen Darstellung einen Eingriff erkennen lässt: Die Kursivierung der französischen Ausdrücke in seinem »Allez vous-en! Allez vous-en! Sapristi! That’s all right« (TA 3) spiegelt die Tendenz der vermittelnden Erzählinstanz, die Mehrsprachigkeit des kreolischen Umfeldes, die der Ausruf des Papageis abbildet, zu überdecken und französische Ausdrücke nur vereinzelt und als sprachliche
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Fremdkörper markiert einzubinden. Die Kursivierung wird auch beibehalten, wenn der Papagei eine Weile später den gleichen Ausruf in verkürzter Form noch einmal wiederholt: Die schon in der Anfangsszene mit dem Papagei assoziierten »Farival twins« spielen im Rahmen einer Abendunterhaltung erneut ihr Duett aus der Oper Zampa und werden dabei vom Ruf des Papageis unterbrochen: »›Allez vous-en! Sapristi!‹ shrieked the parrot outside the door. He was the only being present who possessed sufficient candor to admit that he was not listening to these gracious performances for the first time that summer.« (TA 27) Die wiederholte Erwähnung des Papageis, auch hier seine Assoziation mit den Zwillingen, das Klavierduett… – der Papagei wird hier zu einer Figur der Dopplung und Wiederholung stilisiert, die auch sein Sprechen charakterisiert: Er wiederholt einen Ausruf, der in sich schon eine Wiederholung ist. Auch Loulous Sprechen wird explizit als ein wiederholendes benannt: »il répéta: ›Charmant garçon! Serviteur, monsieur! Je vous salue. Marie!‹« (CS 54, Herv. S.T.) Wie bereits ausgeführt, ist dieser Ausruf aber keine reine Wiederholung, sondern ein Zergliedern, Rekombinieren und Verfremden des Wiederholten. Auch Loulous »Dialoge« mit Félicité bestehen aus endlosen Wiederholungen: »lui, débitant à satiété les trois phrases de son répertoire, et elle, y répondant par des mots sans plus de suite, mais où son cœur s’épanchait.« (CS 57, Herv. S.T.) Hier scheint suggeriert, dass Félicité ähnlich dem Papagei wahllos und automatisch Worte aneinanderreiht, die sich nicht wirklich zu entschlüsselbaren Sinneinheiten fügen, sondern einer Glossolalie ähneln; der Klang von Worten verselbstständigt sich dabei und bleibt als mobiler Rest der gelösten konventionellen Verbindung von Klang und Bedeutung zurück.1 1
Dieser Aspekt wird auch in Colin Nettelbecks Aufsatz zum Papagei als Motiv in der französischen Literatur deutlich. Papageien, schreibt er, »raise the obvious questions associated with psittachism [sic!]: words without thought, utterances without ordered sequencing, and the links (or lack of them) between signifier and signified.« (Nettelbeck 2000, 205) Nettelbeck wertet die Figur zu einem selbstreflexiven Moment literarischer Texte auf (vgl. ebd. 205f). Der Modus eines psittazistischen Sprechens, wie er hier entworfen wird, stellt aber neben
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Dafür, dass hier keine wirkliche Kommunikation, kein Dialog stattfindet, sondern ein mechanischer Wortwechsel zwischen Echolalie (Loulou) und Glossolalie (Félicité), spricht auch, dass Félicité an diesem Punkt der Erzählung bereits taub ist. Irritierenderweise ist diese Passage trotzdem auf Félicité fokalisiert. »Tous les êtres fonctionnaient avec le silence des fantômes«, heißt es einleitend, »[u]n seul bruit arrivait maintenant à ses oreilles«: das im Anschluss beschriebene Sprechen Loulous. »Comme pour la distraire, il reproduisait le tic tac du tournebroche, l’appel aigu d’un vendeur de poisson, la scie du menuisier qui logeait en face; et, aux coups de la sonnette, imitait Mme Aubain, − ›Félicité! la porte! la porte!‹« (CS 57, Herv. S.T.) Loulou wiederholt – »reproduziert« – hier nachahmend nicht nur Bruchstücke unterschiedlicher Äußerungen, unterschiedliche Stimmen, sondern auch verschiedene, in Félicités Umfeld immer wiederkehrende Geräusche, die er, ohne sie zu gewichten, zu einem Klangteppich, einer Art Geräuschkulisse, verwebt. Wie aber kann Félicité Loulous Stimme hören, wenn sie doch taub ist? Glaubt Félicité nur, Loulous Stimme zu hören, und nimmt eigentlich doch die Geräusche selbst – verzerrt und dissoziiert von ihrer Umwelt – wahr? Und welche Bedeutung hat dieses verunsichernde Moment für den narrativen Text, durch den als gesprochen markierte Wortbruchstücke treiben, ohne dass sie eine* Sprechenden zugeordnet werden könnten? Bevor diesen Fragen in der Analyse des Textes jedoch ausführlich nachgegangen wird, soll hier das ambiguisierende und dynamisierende Bedeutungspotenzial eines psittazistischen Sprechens anhand der drei Pole – Wiederholung, Nachahmung und Verfremdung −, zwischen denen es sich bewegt, ausgelotet werden.
der Verbindung von Signifikant und Signifikat auch weitere Schlüsselkonzepte eines strukturalistischen Sprachverständnisses Saussure’scher Prägung in Frage (z.B. die Vorrangigkeit der langue gegenüber der parole, von Synchronizität statt Diachronizität etc.).
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
3.1.1
Wiederholen
Psittazistisches Sprechen muss grundsätzlich immer gedacht werden als die Wiederholung einer vorausgegangenen Äußerung, aber, so schreibt Sarah Kay mit Bezug auf Jacques Derridas Aufsatz »Signature Evènement Contexte«, »[g]iven that any utterance is indefinitely repeatable […], we cannot rely on there being a stable origin that can be ›referenced.‹« (Kay 2013, 17) Kay hält daher für den von ihr im Zeichen der psittazistischen Wiederholung definierten Modus einer intertextuellen literarischen Wiederholung fest: »[A] quotation2 will depend only on this tantalizing supposition that it has an original (or at least a second) home.« (Kay 2013, 18) Die Annahme, dass es aus einem (nicht mehr auffindbaren) Anderswo kommt, ist dem psittazistischen Sprechen eingeschrieben als ein Abstand, der es – zeitlich und räumlich (oder: kontextuell) – von diesem Anderswo trennt. Die psittazistische Wiederholung ist kein Kopieren (sie gleicht ihrem angenommenen, verlorengegangenen Original nicht wie eine Kopie), sondern ein Verschieben. Das Bedeuten, das Meinen der vermeintlichen Ursprungsäußerung ist verrückt, steht neben sich. Von der Aussage, der Rede bleibt ›nur‹ ein Sprechen ohne eigene Stimme zurück. Neben dem Abstand klafft im psittazistischen Sprechen auch die irritierende (da durch den Klang einer fremden Stimme zugleich evozierte und überdeckte) Abwesenheit eines sprechenden Subjekts. Darin ist psittazistisches Sprechen der Figur der/s Echo(s) verwandt. Auch Echo, argumentiert Petra Gehring in ihrer Reflexion auf »das abstrakte Problem der Wiederholungs-Stimme und […] die paradigmatische Geschichte der dazugehörigen Figur«, spricht »mit einer fremden Stimme, genauer: mit einer Un-Stimme, die […] das Prinzip der Kommunikation untergräbt.« (Gehring 2006, 85; 90) Ihr Nachsprechen folgt dem erzwungenen Prinzip der automatischen
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Sarah Kay definiert »quoting« als »the verbatim repetition, in its original form, of a passage that can be anything in length from a complete line of verse to a sequence of several stanzas« in Abgrenzung zu »citing«, dem »referencing an author, a work, or an opinion« (Kay 2013, 2).
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Wiederholung, das sie »als Subjekt einer Stimme« auslöscht (ebd., 100) und »eine Irritation des Anders-Sprechens, eines anderen Sprechens« einlässt (Menke 2000, 310). Auch für Echo(s) ist ein – zeitlicher und räumlicher – Abstand konstitutiv, in dem »[d]er Wiederhall des Gerufenen differiert« (Menke 2000, 310). Allerdings ist der Abstand im Echo kein unüberbrückbarer, nicht die endgültige Trennung der Stimme und ihrer psittazistischen Wiederholung, sondern bemisst die räumliche Dimension eines kontinuierlichen Raumes, der im zeitlichen Abstand der Wiederholung rhythmisiert wird und in dem Ruf und Widerhall als lautlicher Kontakt gedacht werden können.3 Als rhetorische Figur literarischer Texte erfährt Echo4 bei Bettine Menke im Kontext ihrer Arbeit mit und zum Begriff der Prosopopoiia einen Einsatz, der sich zu den vorliegenden Überlegungen zu einem narrativen Psittazismus parallel verhält. Menkes Arbeit widmet sich grundlegend dem »Zusammenhang und de[m] Widerstreit von Text und Stimme«, der »Stimme als Figur und als Imagination der Texte« und »damit auch [der] Stelle dieser Imagination, an der diese auftritt
3
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Das zeigt sich auch darin, dass Ruf und Widerhall im Echo oft als Rede und Antwort gedacht werden. Auch die ›Echolalie‹ bei Kleinkindern, das mechanische Wiederholen des Klangs vorgesprochener Worte oder Sätze, kann als eine Form sprachlichen Kontakts verstanden werden. Roman Jakobson erläutert bspw. anhand dieses Phänomens seinen Begriff der phatischen Funktion von Sprache – und denkt dabei Echolalie und Psittazismus zusammen: »Das Bestreben, Kommunikation zu erstellen und zu verlängern, ist typisch für sprechende Vögel; die phatische Funktion der Sprache ist so die einzige, die sie mit menschlichen Lebewesen teilen. Sie ist auch die erste, die das Kleinkind erwirbt; […].« (Jakobson 1979, 91) Juliette Frolich bezieht sich auf diese Stelle bei Jakobson, wenn sie die »dialogues« von Félicité und Loulou als auf eine rein phatische Funktion beschränkte Kommunikation im Sinn einer Echolalie deutet (vgl. Frolich 1982, 36). Obwohl Bettine Menke von ›dem‹ Echo spricht und sie sich erst spät in ihrer Studie explizit auf die Figur der Echo bei Ovid bezieht (vgl. Menke 2000, 311f), liegt auch ihrer Arbeit mit dem Begriff eine Auseinandersetzung mit dieser Figur zugrunde. Erkennbar greift sie dabei auch nach dem »deconstructive lever for future users«, den Gayatri Spivak in ihrer Analyse der Rolle Echos in der den Narziss-Mythos rahmenden Erzählung bei Ovid aufzeigt (Spivak 1993, 26).
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
und für die sie eintritt« (Menke 2000, 7). Der Begriff der Prosopopoiia, klassischerweise verstanden als die rhetorische Figur, »durch die Toten und Abwesenden im Text in deren fiktiver Rede eine Stimme und ein sprechendes Gesicht verliehen wird« (ebd.), erfährt bei ihr dabei eine dekonstruktivistische Wendung. Die Figur eines Stimme-Gebens, »die ein Subjekt der Rede (erst) voraussetzt und einsetzt, das nachträglich, als sprechendes, immer schon gegeben zu sein scheint«, verstelle »in ihrem Effekt ›lebendigen Sprechens‹ auch schon ihr Funktionieren als rhetorische Figur und ihre Voraussetzungen von Stummheit und Tod.« (Ebd.) Ausgehend von Texten der Romantik liest Menke Prosopopoiia entsprechend als »eine Rhetorik der Entrhetorisierung« (ebd., 8): »Romantische Texte inszenieren (ihre) Stimmlichkeit« und darin einen Ursprung außerhalb ihrer selbst, in der Stimme, die sie hervorbringt, die sie sich aber selbst geben (ebd.). Prosopopoiia sei dabei »die Figur für die Frage ›wer spricht?‹, und als solche eine Strategie der Sicherung einstimmiger Bedeutung« (ebd.) – die aber, indem sie diese Strategie erkennbar werden lässt, gerade nicht einstimmige Bedeutung sichern, keine Antwort auf die Frage »wer spricht?« geben kann. So verstanden findet die Prosopopoiia auch eine Einlösung im Echo: »Echos […] demarkieren als die Wiederholung, die sie sind, die Stimme, die durch sie gegeben seien [sic!]. Echos kommen aus dem Aufschub, dem Tunnel der Zeit, einer Abgeschiedenheit, die quasi-schriftlich ist, aus der die Worte wiederkehren. Im Abstand, aus dem die Stimme im Echo kommt, […] ist die Stimme ihrer Disfiguration ausgesetzt. Die Tropik der Stimme deplatziert die Stimme der Rhetorik; […] Echos naturalisieren nicht (nur romantisch) das Stimme-Geben […] − sondern sie geben in den Wiederholungen, die sie sind und den Differenzen, die diese machen, die Stimme auch preis an eine Multivocität, nicht mehr Stimme, sondern Lärm, Stimmengewirr, clamor.« (Ebd., 12)5
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Vgl. zur Quasi-Schriftlichkeit der Stimme Echos und ihrem verschiebenden Effekt auch Spivak 1993, 26f.
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Ähnlich dem Echo lässt sich auch die psittazistische Wiederholung im Sinn einer Rhetorik der Prosopopoiia verstehen. Auch das Sprechen des Papageis leiht sich die Stimme eines – innerhalb oder außerhalb des Textes − abwesenden Subjekts und lässt dabei den Zusammenhang von Identität und Stimme, von Stimme(n) und Text fraglich werden. Es entstellt die Stimme und gibt sie »preis an eine Multivozität«: den »Lärm«, das »Stimmengewirr« der Erzählung.
3.1.2
Nachahmen
Zur dem Echo ähnlichen Wiederholungsstruktur kommt im psittazistischen Sprechen ein nachahmender Charakter – und allein darin wird es ambivalent. Es lässt sich nicht entweder auf wiederholende oder nachahmende Tendenzen festlegen; beide haben Anteil an psittazistischem Sprechen und wirken in ihrem Effekt zusammen, implizieren aber abweichende Strukturen: Während die automatische, mechanische Wiederholung das sprechende Subjekt auslöscht, kommt die auf ein Anderes bezogene Nachahmung nicht ganz ohne Subjektivität aus. Sie geht mit dem verunsichernden Eindruck von Intentionalität einher, der bisweilen ins Unheimliche oder auch Komische kippt. Aber auch unabhängig von ihrem spannungsvollen Verhältnis zur Wiederholung birgt die Nachahmung ein verunsicherndes Potenzial. Der Papagei spricht wie ein Mensch, wie eine Person – aber nur wie im Sinn von ihm ähnlich, nicht gleich. Man glaubt, im psittazistischen Sprechen eine*n Andere*n zu hören – aber nur fast, denn es ist eben nicht Kopie, nicht einem anderen gleich, sondern Nachahmung, die ihr Sich-einem-AnderenGleichmachen als solches zu erkennen gibt, die in ihrem Nachahmen eine Differenz zum Nachgeahmten erzeugt, die sie als Nachahmung markiert. Darin entspricht die psittazistische Nachahmung der mimikry als ambiguisierender, symbolisch-hierarchische Relationen destabilisierender Figur, wie sie Homi K. Bhabha in seinem Aufsatz »Of Mimicry and Man« für koloniale Diskurse entwirft. Die effektive Ausübung kolonialer Autorität bedürfe grundlegend einem Verständnis des kolonialen Subjekts als »human and not wholly human« und strebe
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
nach der Produktion eines »reformed, recognizable Other, as a subject of a difference that is almost the same, but not quite.« (Bhabha 1984, 126) Der Papagei drängt sich geradezu auf als geeignete Figur für dieses »human and not wholly human«, »almost the same, but not quite« der »colonial mimicry«6 , die kolonialistische Macht stützt – dabei aber eine Ambivalenz erzeugt, die diese zugleich bedroht: »the discourse of mimicry is constructed around an ambivalence; in order to be effective, mimicry must continually produce its slippage, its excess, its difference. The authority of that mode of colonial discourse that I have called mimicry is therefore stricken by an indeterminacy: mimicry emerges as the representation of a difference that is itself a process of disavowal. Mimicry is, thus, the sign of a double articulation; a complex strategy of reform, regulation, and discipline, which ›appropriates‹ the Other as it visualizes power.« (Ebd.) Mimikry kann nur gelingen unter der Bedingung ihres partiellen Scheiterns; sie produziert »excess« und »slippage«, ein Mehr an Bedeutung und zugleich eine Abweichung im Verhältnis zu dem, was sie nachahmt – und wird dabei von der fehlerhaften Repräsentation zur verschiebenden Wiederholung: »Mimicry repeats rather than re-presents« (ebd., 128). Sie durchbricht den Diskurs (vgl. ebd. 127) und »inadvertently creates
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Einen Bezug zu Papageien gibt es bei Bhabha nicht; seine Analyse basiert aber auf dem »discourse of post-Enlightenment English colonialism« und damit auf einem Textkorpus, der sich z.T. überschneidet mit dem, für den Manushag Powell den rhetorischen Vergleich von Papageien und kolonialisierten Subjekten zum Zweck der Naturalisierung kolonialistischer Machtansprüche aufzeigt (vgl. Powell 2008, 72ff und Bhabha 1984, 126ff). Graham Huggan stellt in einem Aufsatz über Papageienfiguren in karibischer Literatur die Verbindung von Bhabhas Konzept der kolonialen mimicry und dem Papagei als Figur literarischer Texte her (Huggan 1994, 643). Er untersucht die Papageienfiguren in Derek Walcott’s Pantomime (1978) und Jean Rhys’s Wide Sargasso Sea (1966) als »metaphor for the destabilizing process of colonial mimicry«, betrachtet die beiden Texte dabei aber in erster Linie als rhetorisches Mittel der Selbstpositionierung der beiden karibischen Autor*innen in einem kolonialistisch strukturierten kulturellen Diskurs (ebd., 645).
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
a crisis for the cultural priority given to the metaphoric as the process of repression and substitution which negotiates the difference between paradigmatic systems and classifications« (ebd., 130). »Mimicry conceals no presence or identity behind its mask« (ebd., 129); das koloniale Subjekt, das sie erzeugt, ist eine »›partial‹ presence […] both ›incomplete‹ and ›virtual‹« (ebd., 127) und diese »›partial‹ representation rearticulates the whole notion of identity and alienates it from essence.« (Ebd., 129) Ähnlich wie in der kolonialen Mimikry durchbricht das Mehr an Bedeutung des psittazistischen Sprechens den Diskurs, der den Anspruch erhebt, es zu repräsentieren; es lässt verdeckte diskursive – d.h. narrative − Strukturen sichtbar werden und stellt dadurch die Möglichkeit einer gültigen erzählerischen Repräsentation des eigenen Sprechens in Frage.
3.1.3
Verfremden
Ein verfremdender Effekt ist dem psittazistischen Sprechen also schon durch den (angenommenen) wiederholenden beziehungsweise nachahmenden Bezug auf ein anderes Sprechen inhärent als eine Verschiebung im Bedeuten der wiederholten respektive nachgeahmten Aussage. Die Identität des sprechenden Subjekts und die Subjekthaftigkeit des wiederholenden beziehungsweise nachahmenden Sprechens an sich werden fraglich. Die Stimme, die dem Papagei als Figur der Erzählung in der narrativen Vermittlung zugesprochen wird, ist nie seine eigene gewesen, bleibt sich in seinem Sprechen selbst fremd, ist Stimmlichkeit ohne Subjektivität, Sprechen ohne Rede. Gerade dadurch lässt sie in der Erzählung evozierte (fiktive) Stimmen als klangliche, ereignishafte Phänomene in den Vordergrund rücken. Es scheint, als realisiere sich in ihr dabei auf spezifische Weise ein der Stimme als performativem Phänomen häufig zugeschriebenes »Subversions- und Transgressionspotenzial: Die (Sprech-)Stimme ist nicht nur Medium der Rede und Vehikel von Sinn, sondern handelt in ihrer immer auch unkontrollierbaren Eigendynamik den Vorgaben der Rede oftmals zuwider.« (Kolesch, Krämer 2006, 11) »Die Stimme er-
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Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
zeugt einen ›Überschuss‹ an Sinn, der die Absichten des Sprechers immer auch überschreitet, sie nicht selten unterminiert.« (Krämer 2002, 340) Untersuchungen zur Performanz der Stimme wie hier von Doris Kolesch und Sybille Krämer verstehen diese aber als körperliches Phänomen unumgehbar als Ausdruck der Individualität und Subjektivität de* Sprechenden: »Das gesprochene Wort scheint in seiner Fluidität noch ein Attribut des Sprechers zu sein, ganz und gar verwoben mit ihm als Person.« (Ebd.) Der unbewusst, unkontrolliert produzierte Bedeutungsüberschuss beim Sprechen stärke diese Verbindung von Stimme und Identität letztlich mehr, als dass er sie untergrabe. Hier könnte man mit Johanna Bossinades Studie »Die Stimme des Anderen. Zur Theorie der Alterität« ansetzten. Bossinade untersucht Stimme – erzählte und erzählende Stimmen im Kontext literarischer Texte genauso wie realweltliche körperlich-performative Stimmen – als Ort der Begründung von Identität und Alterität zugleich. »Stimme hat mit Identität zu tun,« schließe aber immer »eine unverlierbare Portion Selbstfremdheit mit ein […]« (Bossinade 2011, 9). In ihren gleichermaßen psychoanalytisch wie dekonstruktivistisch geprägten Überlegungen zur Stimme gelangt sie zur Beobachtung eines literarischnarrativen Phänomens, das sie »die Textstimme« oder »Stimme des Textes« nennt (ebd., 16 und 50). In dieser tue sich ein »Reflexionsüberschuss« auf, »der weder gegen die Stimme der erzählten Figur noch die der Erzählinstanz verrechenbar ist, dafür in Koordination mit beiden die Sprache des Textes hervortreten lässt.« (Ebd., 15) Erkennbar sei die Textstimme in einem »vokalauditiven Mehrwert«, einem Bedeutungsüberschuss, den der Text produziere (ebd., 16) − und darin ähnele sie dem Unbewussten, auf das Bossinade das Konzept einer »Textstimme« rückbezieht (vgl. ebd., 46). Obwohl die Textstimme auf den »Ort der konstitutiven textlichen Teilung« verweise (ebd., 48) und Ort der Interdependenz von Identität und Alterität sei, sichert auch Bossinade mit ihrem Begriff letztlich den Text und sein Bedeuten in einer Einstimmigkeit, in einer ihm vorgelagerten Subjektivität; die Textstimme ist für sie so auch »die Instanz, die sämtliche Sprechebenen integriert« (ebd., 16). Die Verknüpfung von Stimme und Identität ist im Psittazismus aufgelöst, klingt höchstens noch als Eindruck nach. Die uneigenen Stim-
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
men des Papageis sind dabei – da sie auch nicht mit der nachgehamten fremden Stimme gleichzusetzen sind – vielleicht auch eine uneigentliche, gar nicht mehr Stimme im engeren Sinn. Aber nicht nur die Stimme, mit der er spricht, auch die Worte, die der Papagei nachspricht, sind und bleiben ihm fremd. »Das Wort der Sprache ist ein halbfremdes Wort. Es wird zum ›eigenen‹, wenn der Sprecher es mit seiner Intention, mit seinem Akzent besetzt, wenn er sich das Wort aneignet, es mit seiner semantischen und expressiven Zielsetzung vermittelt. Bis zu diesem Moment der Aneignung befindet sich das Wort […] in einem fremden Mund, in fremden Kontexten, im Dienst fremder Intentionen: von dort muß man es nehmen und zum eigenen machen. […] viele [Wörter] leisten hartnäckig Widerstand, andere bleiben auch dann noch fremd, klingen im Mund des Sprechers, der sie sich angeeignet hat, fremd.« (Bachtin 2005, 185) So bestimmt Michail Bachtin in Das Wort im Roman in Abgrenzung vor allem zum ahistorischen, Form und Inhalt trennenden strukturalistischen Sprachverständnis Saussure’scher Prägung Sprache als grundlegend dialogisch verfasst. »Sprachphilosophie, Linguistik und Stilistik postulieren eine einfache und unmittelbare Beziehung des Sprechens zu ›seiner eigenen‹ einheitlichen und einzigen Sprache und eine einfache Realisierung dieser Sprache in der monologischen Äußerung des Individuums«, schreibt Bachtin (ebd., 163). Da Sprache aber keine feststehende Einheit, sondern historischer, sozialer und ideologischer Prozess sei, kann es eine solche Aneignung, einen solchen individuellen Bezug eines Sprechenden zur Sprache seines Sprechens nicht geben. Im Psittazismus findet diese Dialogizität des Wortes, seine unstillbare Bewegtheit zwischen den Polen von Eigenem und Fremdem (Klang und Meinen), individuellem und sozialem beziehungsweise aktuellem und vergangenem Gebrauch, zwischen Zugehörigkeit zur abstrakten Einheit einer Sprache und Auflösung in einer prozesshaften Heteroglossie einen gesteigerten Ausdruck. In ihm kann das Fremde nicht zum Eigenen werden, ist kein Inhalt und keine Aussageintention aus dem Klang lösbar und in ihm ist Heteroglossie noch stärker zu
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verstehen als bei Bachtin, der sie zum grundlegenden Merkmal der Gattung des Romans macht. Für diesen sei nämlich gerade nicht die »Individualität des sprechenden«, die »Einheit der Sprache« »stilbildende[r] Faktor« (ebd., 158), sondern Vielstimmigkeit: »Der Roman ist künstlerisch organisierte Redevielfalt, zuweilen Sprachvielfalt und individuelle Stimmenvielfalt.« (Ebd., 157) Historisch sei die Sprache des Romans entstanden »in den Niederungen, in Schaubuden und auf Jahrmarktsbühnen«, in der »Redevielfalt der Narren«, dem »Nachäffen aller ›Sprachen‹ und Dialekte«, dem »lebendige[n] Spiel ›mit den Sprachen‹ von Dichtern, Gelehrten, Mönchen, Rittern u.a. […], in der alle ›Sprachen‹ Masken waren und es kein unumstrittenes sprachliches Gesicht gab.« (Ebd., 166) Auch der Psittazismus ist ein Sprechen als Maske, hinter dem sich kein Gesicht verbirgt; auch seine Nachahmung gleicht oft einem parodistischen Nachäffen, es enthierarchisiert unterschiedliches Sprechen in einer Vielstimmigkeit – die sich keiner höheren Bedeutungsinstanz mehr unterordnen lässt. Genau das passiert jedoch in Bachtins Gattungspoetik des Romans als »künstlerisch organisierte Redevielfalt« (ebd., 157, Herv. S.T.). Die Sprache des Romans, schreibt Bachtin, sei »nach dem Grad größerer oder geringerer Nähe zum Autor und seiner letzten Bedeutungsinstanz organisiert« (ebd. 190). Letztlich ist es bei Bachtin also doch eine Stimme, die das Bedeuten der vielen, dynamischen Stimmen des Textes bestimmt.7 Im Psittazismus gibt es keine eigene Stimme, die fremde Stimmen einbindet; es gibt nur fremdes und verfremdendes Sprechen – und auch keine 7
Paul de Man führt zudem zu Bachtins Konzept der Dialogizität aus, dass Bachtin diese zwar entwirft als ein »principle of exotopy: far from aspiring to the telos of a synthesis or a resolution, as could be said to be the case in dialectical systems, the function of dialogism is to sustain and think through the radial exteriority or heterogeneity of one voice with regard to any other« (de Man 1983, 102). Aber: »[A]s the analysis of dialogical refraction develops, Bakhtin has to reintroduce the categorical foundations of a precritical phenomenalism in which there is no room for exotopy, for otherness, in any shape or degree. […] Bakhtin modulates irrevocably from dialogism to a conception of dialogue as question and answer« (ebd., 105).
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eigene, sondern nur fremde Sprachen. Der Nachahmung des Papageis sind alle scheinbar klar unterscheidbaren Einzelsprachen gleich, oder zumindest gleichermaßen fremd. So kann der Papagei verschiedene Stimmen und verschiedene Sprachen überganslos kombinieren. Als Figur narrativer Texte verwebt und enthierarchisiert er so Stimmen und Sprachen des Textes, und löst dessen vermeintliche Einstimmigund Einsprachigkeit auf hin zum Rauschen einer Vielstimmig- und Mehrsprachigkeit.
3.2 3.2.1
Psittazistische Vielstimmigkeit Gustave Flauberts Un Cœur simple (1876)
»Pendant un demi-siècle, les bourgeoises de Pont-L’Évêque envièrent à Mme Aubain sa servante Félicité.« (CS 17) Der Effekt der doppelt indirekten Einführung der Protagonistin als im Wesentlichen passive Figur im ersten Satz von Flauberts Erzählung wurde bereits erläutert. Von welcher (aktiven?) narrativen Instanz aber geht diese Einführung aus? Wie etabliert sich hier eine Erzählstimme, oder: Wer spricht hier? Die ›Stimme‹ ist bei Genette das Konzept, das »die Erzählinstanz in ihrer Beziehung zu histoire und récit […] präziser fassen soll« und durch »drei relationale Aspekte bestimmt ist: ›Zeit der Narration‹, ›Person‹ und ›narrative Ebene‹« (Fliescher, Tripp 2013, 716). Die histoire, also die Handlung einer Erzählung, das, wovon erzählt wird, und ihre narrative Hervorbringung, die Narration, sind bei Genette durch einen grundlegenden »Ebenenunterschied« getrennt: »Jedes Ereignis, von dem in einer Erzählung erzählt wird, liegt auf der nächst höheren diegetischen Ebene zu der, auf der der hervorbringende narrative Akt dieser Erzählung angesiedelt ist.« (Genette 2010, 148) Die ›Stimme‹ als »narrative Instanz« (ebd., 138) konstituiert sich aus dem Verhältnis dieser Ebenen in spezifischen Momenten der Erzählung. Sie ist die angenommene, explizit als Subjekt gedachte (vgl. ebd., 137) »Produktionsinstanz des narrativen Diskurses« (ebd.) und hinterlässt als solche »Spuren« im Text (ebd., 138).
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›Stimme‹ erweist sich als zentrales Konzept in Genettes Narratologie, da sie in ihrer Funktion als gedachtem Ursprung den gewichtenden Ebenenunterschied von histoire und récit/narration sichert (vgl. auch Gibson 2010, 144) und in ihrer Subjekthaftigkeit den kommunikativen Charakter der Erzählung festigt (vgl. ebd., 143). In der Stimme als subjekthaft gedachtem Ursprung ist zudem eine Bedeutungsintention angenommen. Entsprechend bezeichnet Genette sie auch als die »letzte Instanz« der Erzählung (ebd., 135). Hier setzt eine wesentliche u.a. von Andrew Gibson vorgebrachte Kritik an Genettes Stimmbegriff an: »[V]oice is actually the ultimate ›fixed point‹ to which other aspects of narrative can be referenced« (ebd., 144). Der Text, beziehungsweise die Narration habe keine ›Stimme‹. Vielmehr sei Stimme ein »heuristisches Konstrukt des Lesers« (Bossinade 2011, 50f): »[W]e do not actually encounter a narrative voice in narrative. We encounter an equivalent of voice that we have created for ourselves« (Gibson 2010, 146). Indem ›Stimme‹ als narratologischer Begriff aber keinen Rezeptionseffekt, nicht den Eindruck einer Stimme, sondern eine gegebene narrative Struktur beschreibt, sei sie ein »theoretical construct, used […] to give narrative a secure and unitary foundation« (ebd., 146), eine »metaphor for intention, meaning and totality« (ebd., 169). Es findet sich, genau genommen, auch bei Genette selbst eine Formulierung, die die Stimme als ein Konzept lesbar werden lässt, das den totalitären Anspruch, der ihr in Bezug auf die Erzählung zukommt, bereits angreift. Einleitend schreibt Genette in seinem Kapitel zur ›Stimme‹ nämlich, sie stelle eine »Subversion« des narrativen Modus dar, sei die störende Intervention der Narration in der Erzählung (vgl. Genette 2010, 135). Indem die Stimme histoire und récit/narration so in ihrem Verhältnis thematisiert, dabei beide berührt, birgt sie für die fundamentale Unterscheidung von beiden zugleich einen verunsichernden Impuls. Es ist naheliegend, in einer narratologischen Beschreibung von Un Cœur simple behelfsweise von der ›Erzählstimme‹ zu sprechen, denn es gibt keinen explizit dargestellten Erzähler. Auch die zeitliche Relation der Narration zum Erzählten ist, wie bereits angedeutet, ungewöhnlich und unklar. »Pendant un demi siècle« − Gleich der erste Satz etabliert einen zeitlichen Bezug, der nicht so recht zu der zu erwartenden, retro-
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spektiv-linearen Erzählung einer Handlung passen will. Die Narration verhält sich hier zur Handlung als einem »Während« und im Tempus des imparfait.8 Steht sie dabei innerhalb oder außerhalb der erzählten Zeitspanne? Ist die in der ›Stimme‹ sich äußernde zeitliche Relation von narration und histoire eine stabile oder fluide? Gerade aufgrund dieser Uneindeutigkeiten scheint die ›Stimme‹ – ausgehend und losgelöst von Genette verstanden als (nicht die Antwort auf, sondern) die im Text aufgeworfene Frage »wer spricht?« und als das von Genette suggerierte, die narrative Grundordnung letztlich selbst destabilisierende Zwischen von narration und histoire − als geeigneter Begriff, um die narrative Konstitution der Erzählung zu untersuchen. Raymonde Debray-Genette liest Un Cœur simple als die stellenweise fokalisierte Erzählung eines allwissenden Erzählers: »[S]ur le fond d’omniscience […] apparaissent des moments de narration focalisée« (Debray-Genette 1983, 136). Damit sichert sie in ihrer einflussreichen und vielzitierten Analyse die von ihrem Ehemann für Erzähltexte definitorisch festgelegte kategoriale Unterscheidbarkeit der diegetischen Ebenen der Erzählung genauso wie die Annahme einer intentionalen, dem Erzählten vorgelagerten Erzählinstanz (vgl. ebd., 151). Der Begriff der Allwissenheit scheint in seiner Anwendung auf die Erzählung Flauberts letztlich aber wenig aufschlussreich. Anregender ist im vorliegenden Kontext Dominique Rabatés Analyse der Erzählung, die zwar auf ähnlichen narratologischen Prämissen basiert wie die Debray-Genettes9 , dessen Verwendung des Begriffs der ›Stimme‹ aber (unbeabsichtigt?) interessante Implikationen aufweist. Er beantwortet 8 9
Vgl. auch Genette 1996, 224f zur ungewöhnlichen Verwendung des imparfait bei Flaubert. Auch Rabaté bezieht sich vielfach auf Raymonde Debray-Genette und nennt sie direkt in der ersten Fußnote als wesentlichen Bezugspunkt für seine Analyse und meint auch sie, wenn er direkt im Anschluss daran anmerkt: »Après tant de lectures remarquables du conte de Flaubert, je sais le risque de psittacisme que je dois assumer, et que le texte semble, ironiquement, programmer.« (Rabaté 2002, 86) ›Psittacism‹ meint hier aber lediglich unoriginelle Wiederholung. Entsprechend interessiert ihn Loulou auch lediglich als Figur, als Gegenüber von Félicité auf der Handlungsebene. Poetologische Bedeutung komme
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die Frage nach der Erzählinstanz in seinem Aufsatz zum »conteur dans Un Cœur simple« mit Bezug auf den ersten Satz der Erzählung so: »Aucun narrateur ne se met ici en avant; au contraire, il semble fondre sa voix avec celle, indéterminée, d’un groupe social dont il se tient à distance.« (Rabaté 2002, 91) Er spricht von einer »identification distanciée et provisoire«, die notwendig sei für den »repli du narrateur derrière des effets de citation qu’il n’assume pas directement.« (Ebd.)10 Dass die ›Stimme‹ auf einen ›Erzähler‹ zurückzuführen sei, auch wenn dieser nicht mehr erkennbar ist, setzt Rabaté hier voraus. Interessant ist an Rabatés Formulierung − die gerade in diesem (scheinbaren) Widerspruch eine treffende Beobachtung der Erzählung liefert −, dass die Stimme des ›Erzählers‹ als solche gerade darin erkennbar werde, dass sie sich als das Sprechen einer sozialen Gruppe, im Sinn der Bachtin’schen Heteroglossie, maskiert. Im Moment, da sich die Stimme hinter (einer) anderen verbirgt, wird sie als von dieser anderen verschiedene erkennbar durch die Aktion des Sich-Verbergens. Im Moment des Gleichmachens entsteht eine Distanz, die das Verhältnis der beiden Stimmen thematisiert – und dabei die aktiv sich einer anderen gleichmachende Stimme als ungleich machtvollere Sprechposition erkennen lässt. Wie Rabaté die Erzählstimme in Un Cœur simple hier am Beispiel des ersten Satzes beschreibt, ist gewissermaßen die narrative Variante der Bhabhaschen mimicry, wenn auch mit umgekehrten
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dem Papagei, »animal voué à la répétition mécanique des mots appris«, höchstens als abwertende Metapher für stumpfe Wiederholungen zu (ebd., 94). Im Hintergrund sowohl von Debray-Genettes wie auch von Rabatés Analyse ist Flauberts viel besprochene Forderung der »impersonnalité de l’œuvre« erkennbar. In einem Brief an Marie-Sophie Leroyer de Chantepie schreibt er 1857 beispielsweise: »C’est un de mes principes, qu’il faut pas s’écrire. L’artiste doit être dans son œuvre comme Dieu devant la création, invisible et tout-puissant; qu’on le sente partout, mais qu’on ne le voie pas.« Eine ganz ähnliche Formulierung findet sich in einem Brief Flauberts an George Sand von 1875 und auf diese bezieht sich Rabaté, wenn er zu Un Cœur simple schreibt: »Le retrait du narrateur est, une nouvelle fois, mis en pratique.« (Rabaté 2002, 89) Er liest den Text also letztlich als Ausdruck einer Autorintention und spricht vom Erzähler als einer Art Stellvertreter des Autors im Text.
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Vorzeichen. Auch im zweiten Satz der Erzählung werde diese Dynamik der Erzählstimme deutlich: »Pour cent francs par an, elle faisait la cuisine et le ménage, cousait, levait, repassait, savait brider un cheval, engraisser les volailles, battre le beurre, et resta fidèle à sa maîtresse, − qui cependant n’était pas une personne agréable.« (CS 17) Es ist das Wort »cependant« in seiner Position in diesem Satz, in dem Rabaté hier eine »énonciation […] de ces bourgeoise provinciales« erkennt (Rabaté 2002, 91, Herv. S.T.). Tatsächlich hat dieses »cependant« nicht nur einen – möglicherweise schriftlich gedachten11 – »effet[] de citation«, sondern darüber hinaus den Effekt eines fremden Sprechens; es entsteht ein Eindruck von Oralität, wenn die ›Erzählstimme‹ im Modus eines Zitats Stimmen aus der erzählten Welt wiederholt. Als ›bloßer‹ Effekt verweist dieser Eindruck aber unmittelbar auf die Erzählstimme, genauer den Abstand zwischen nachahmender und nachgeahmter Stimme zurück. Im Rahmen der traditionell zur Verfügung stehenden narratologischen Begriffe wäre dieses »cependant« so gelesen als erlebte Rede zu beschreiben, dem Modus der Redewiedergabe, bei dem die idiosynkratrische Ausdrucksweise einer Figur in eine in Tempus und Pronomina mit der Erzählsituation kongruente Passage eingehen (vgl. Heinz 2013, 183). Während mit erlebter Rede ein klar definierter sprachlichgrammatikalischer Sachverhalt benannt wird, variiert das Verhältnis von Figurenrede und ›Erzählerrede‹ dabei extrem: von einer kontrollierend, vielleicht gar überheblich wirkenden Erzählinstanz, die Figuren durch erlebte Rede lächerlich wirken lässt, bis zu einer unwillkürlichen »›Ansteckung‹ der Erzählersprache durch die Figurensprache« (Franz K. Stanzel in »Erlebte Rede: Prolegomena zu einer Wirkungsgeschichte des Begriffs«, zit.n. Heinz 2013, 183). Das unscheinbare »cependant« am Anfang der Erzählung lässt sich auf diesem Wirkungsspektrum der erlebten Rede für sich betrachtet nicht ohne weiteres einordnen. Im Verlauf der Erzählung wird jedoch deutlich, dass erlebte Rede in Un Cœur simple meist mit einer subtilen Abwertung einhergeht. Das Denken oder Reden von Figuren wird als naiv und unbedarft gekennzeich11
Zum Verhältnis von Schrift und Stimme bei Flaubert vgl. Lebrave 2002.
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net. Prägnantes Beispiel dafür ist die Passage, in der Félicités theologische Überlegungen – in für die Erzählung ungewöhnlicher Ausführlichkeit – in die ›Erzählerrede‹ einfließen und distanziert wiedergegeben werden (vgl. CS 34-35). Gerade in solchen Passagen konturiert sich die Erzählinstanz; wo Rabaté vom »Rückzug« des ›Erzählers‹ spricht, konstituiert sich dieser erst als erkennbare Redeinstanz durch das Auseinandertreten der sich in der freien indirekten Redewiedergabe überlagernden ›Stimmen‹. ›Erlebte Rede‹ scheint in Bezug auf diese Passagen unpassend, denn Erfahrung und Wahrnehmung von Figuren wird hier nicht repräsentiert, sondern in der Wiedergabe entstellt. Neben der erlebten, oder – neutraler – freien indirekten Rede finden sich in Un Cœur simple unzählige weitere Formen der Einbindung fremder Stimmen in die ›Erzählerrede‹, die die Kategorien, die die klassische Narratologie zu deren Beschreibung zur Verfügung stellt – und die Raymonde Debray-Genette der Reihe nach in Flauberts Erzählung aufzeigt: »sommaire«, »discours indirect libre«, »discours indirect«, »citations«, »style direct« (Debray-Genette 1983, 142) −, als unzureichend erscheinen lassen. Diese sprachlichen Fremdkörper sind meist einzelne Worte oder Satzfetzen, in denen die Stimme der Figur, die sie gesprochen haben soll, Aussagezeitpunkt und fiktiver Situationskontext in einem Stimmeffekt nachzuhallen scheinen, die aber von diesen losgelöst, nicht mehr verortbar sind und in ihrem Bezug zur Erzählstimme unklar bleiben. Anton Heinz’ metaphorische Umschreibung der erlebten Rede als »Echos der Figurenrede« scheint als Überbegriff für diese Elemente in Un Cœur simple bei näherer Betrachtung sehr treffend (Heinz 2013, 183). Seinen Ausgang nimmt diese Dynamisierung des Verhältnisses von Figurenstimmen und ›Erzählerstimme‹ am Anfang der Erzählung, in der Beschreibung des Hauses von Mme Aubain: »Un vestibule étroit séparait la cuisine de la salle où Mme Aubain se tenait tout le long du jour, assise près de la croisée dans un fauteuil de paille. […] Au premier étage, il y avait d’abord la chambre de »Madame«, très grande, tendue d’un papier à fleurs pâles, et contenant le portrait de
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»Monsieur« en costume de muscadin. Elle communiquait avec une chambre plus petite, où l’on voyait deux couchettes d’enfants, sans matelas. Puis venait le salon, toujours fermé, et rempli de meubles recouverts d’un drap. […] Une lucarne au second étage éclairait la chambre de Félicité, ayant vue sur les prairies.« (CS 18) Drei Worte sind in dieser Passage als nicht zur homogen gedachten Rede eines Erzählers zugehörig markiert: »la salle« durch die Kursivierung, »›Madame‹« und »›Monsieur‹« durch die Platzierung in Anführungszeichen. Zunächst scheinen die Anführungszeichen durch die Nähe zur wörtlichen Rede klarer die Mündlichkeit der hier zitierten Worte zu suggerieren. Trotzdem lässt sich nicht festlegen, ob hier ein Fragment eines fremden Sprechens in den Satz montiert wird, oder ob auch hier die Erzählstimme in den Vordergrund tritt, indem sie eine andere Stimme nachahmend verfremdet und zu dieser auf Distanz geht. Auch »salle« verweist aber auf einen fremden Gebrauch des Wortes, also auch auf fremdes Sprechen, das jedoch möglicherweise ein allgemeines, unter Bewohner*innen und Besucher*innen des Hauses gebräuchliches ist. »›Madame‹« und »›Monsieur‹« dagegen sind als deiktische Äußerungen stärker an einen individuellen Ursprung gebunden. Nicht notwendigerweise, aber doch am naheliegendsten verweisen sie auf Félicité, von der als Hausangestellte diese Anrede erwartet wird. Trotzdem verweist der Nachhall ihrer Rede hier nicht auf ihre Anwesenheit. Die Passage ist nicht, wie Debray-Genette meint, auf Félicité fokalisiert (vgl. Debray-Genette 1983, 146). Dafür gibt es nicht nur keine Anhaltspunkte, eine Formulierung in der weiteren Beschreibung widerspricht dieser Annahme sogar ganz deutlich: »[U]ne chambre plus petite, où l’on voyait deux couchettes d’enfants« (CS 18, Herv. S.T.). Die neutrale Benennung in diesem Satz passt nicht zu Félicités Vertrautheit mit den Kindern von Madame Aubain. Es ist nicht Félicités An-, sondern ihre Abwesenheit, die in diesem Abschnitt durch den Nachhall ihrer Worte betont wird. Dieses unbestimmte, zwischen wörtlicher Rede, Zitat, Echo und freier indirekter Rede schwankende Auftauchen verschiedener Stimmen kommt in Un Cœur simple in allen nur denkbaren Kombinationen vor. So heißt es z.B. nach der Abreise von Virginie, die das Haus ih-
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rer Mutter verlässt, um eine Klosterschule zu besuchen, über Félicité: »Dans son désœuvrement, elle essaya de faire de la dentelle. Ses doigts trop lourdes cassaient les fils; elle n’entendait à rien, avait perdu le sommeil, suivant son mot, était ›minée‹.« (CS 38) »›[M]inée‹« ist hier im engeren Sinn ein Zitat. Gleich im Anschluss heißt es: »Pour ›se dissiper‹, elle demanda la permission de recevoir son neveu Victor.« (Ebd.) »›[S]e dissiper‹« lässt sich als Fortsetzung des Zitats lesen, aber auch als ein Modus, der sich zwischen Zitat und freier indirekter Rede bewegt, ähnlich dem »›Madame‹« und »›Monsieur‹« am Anfang. Dieser Modus ist in einer Passage, die den Besuch der Familie Aubain bei dem Ehepaar Libéard erzählt, das einen Hof, der Mme Aubain gehört, bewirtschaftet, wiederum kombiniert mit freier indirekter Rede im engeren Sinn: »La mère Libéard, en apercevant sa maîtresse, prodigua les démonstrations de joie. Elle lui servit un déjeuner […], accompagnant le tout de politesses à Madame qui paraissait en meilleure santé, à Mademoiselle devenue »magnifique«, à M. Paul singulièrement »forci«, sans oublier leurs grands-parents […].« (CS 29) »Madame«, »en meilleure santé«, »Mademoiselle« und »M. Paul« sind der Rede von Mme Libéard entnommen, ohne typographisch als solche gekennzeichnet zu sein. Wieso also sind »›magnifique‹« und »›forci‹«, die ohnehin als die Rede von Mme Libéard erkennbar gewesen wären, zusätzlich in Anführungszeichen gesetzt? Zum einen verstärken sie möglicherweise den Eindruck einer hörbaren Stimme; vor allem aber entsteht auch hier eine ironisch-abwertende Distanz zur Figurenrede, die die ›Erzählstimme‹ als mokierend-nachahmende Instanz deutlich spürbar werden lässt. Noch irritierender ist vielleicht die Interpunktion der Rede der Nonne, die Félicité kurz nach dem Tod Virginies bei ihrer Ankunft im Kloster empfängt: »La bonne sœur avec un air de componction dit qu’ ›elle venait de passer‹.« (CS 47) Das Tempus (»venait«) ist hier das einer indirekten Rede, das Pronomen (»elle«) scheint eher in eine wörtliche Rede zu passen; der redeeinleitende Satz (»la bonne sœur […] dit qu‹«) kündigt eine indirekte Rede an, was folgt steht aber in Anführungszeichen, als wäre es doch direkte Rede. Die Frage, wer spricht,
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ist hier nicht mehr beantwortbar. Das Redefragment »elle venait de passer« schwankt wie die Wiederholung im Echo zwischen Rede und Nachhall, Aussage und Frage, nicht nur durch die Verunsicherung seines Ursprungs, sondern auch durch die Verunsicherung des (fiktiven) Wirklichkeitsbezugs dieses Teilsatzes. Als Erzählerrede gelesen bezeichnet »elle venait de passer« die Tatsache von Virginies Ableben im Modus einer Vorzeitigkeit; als Félicité im Kloster ankam, war Virginie gerade gestorben. Als die von der Erzählstimme indirekt wiedergegebene Rede der Nonne aber spaltet das imparfait von »venait« den Satz, erzeugt den Abstand zwischen Figurenrede und Erzählerrede, den Abstand, der gerade den Status des Satzes als Aussage thematisiert und in Frage stellt; als Félicité im Koster ankam – war Virginie gerade gestorben…? Hier scheint es sinnvoll, von einer Fokalisierung auf Félicité auszugehen. Die Verfremdung dieses kleinen Teilsatzes in der beschrieben Weise lässt sich lesen als die Darstellung eines Effekts ihrer Wahrnehmung: Im emotionalen Schock, den diese Nachricht für Félicité bewirkt, hallt dieser Satz in ihren Ohren nach, verliert sich im Widerhall zwischen zwei Stimmen. Sie kann die Nachricht, die er transportiert, nicht fassen. Eine ähnliche Wirkung hat auch ein Satz, der kurz darauf eine Situation im Hause Aubain beschreibt: »Une fois, elle [Mme Aubain] rentra du jardin, bouleversée. Tout à l’heure (elle montrait l’endroit) le père et la fille lui étaient apparus l’un auprès de l’autre, et ils ne faisaient rien; ils la regardaient.« (CS 48) Der deiktische Ausdruck »tout à l’heure« zeigt an, dass es sich hier nicht um reine Erzählerrede handelt, sondern Elemente von Mme Aubains Rede enthalten sind. Mme Aubain, so wird suggeriert, muss nach ihrem Erlebnis ins Haus gelaufen und – zu Félicité? in den leeren Raum? – gesagt haben: ›Tout à l’heure, mon mari [?] et ma fille [?] me sont apparus!‹ Der Satz beginnt in einem eher mimetischen Modus, bricht dann aber mit der Klammer zu einem eher diegetischen Modus um. Die Nähe zu Mme Aubains Erleben, die durch die kurze erlebte Rede (hier scheint der Ausdruck dann doch passend) entsteht, kippt vielleicht gar ins Gegenteil – mokierende Distanz −, wenn die Klammer durch den Verweis auf die Geste das Bild einer aufgeregt gestikulierenden älteren Frau aufruft. Der Rest des Satzes will dann
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auch auf irritierende Weise nicht recht zum Anfang passen. Auch hier ist er durch das imparfait wieder als freie indirekte Rede lesbar; der Ausdruck »le père et la fille« weicht aber von der Form der indirekten Rede ab. Ein Abstand zwischen Figurenrede und Erzählerrede tut sich auf; die Anbindung an ein deiktisches Zentrum, der emotionale Ausdruck kommen dem Satz abhanden, während er sich als Nachsprechen zu erkennen gibt. In Sätzen wie diesem werden Figuren in der Erzählung regelrecht zum Verstummen gebracht. Rabaté spricht von einem »effet de sourdine«, der Un Cœur simple umspüle, »[c]omme si les paroles étaient entendues de loin.« (Rabaté 2002, 95) Wörtliche Rede im klassischen Sinn gibt es in der Erzählung kaum; besonders Félicité bleibt auffällig stumm und wird bereits am Anfang der Erzählung als »toujours silencieuse« beschrieben (CS 19). Paradoxerweise erfolgt diese Charakterisierung direkt im Anschluss an einen Satz, der – noch bevor sie als Figur in der Erzählung zu Wort kommt − den Klang ihrer Stimme benennt: »Son visage était maigre et sa voix aiguë.« (Ebd.) Der lautlichen Qualität der Stimme scheint hier eine gewisse Relevanz als Charaktermerkmal beigemessen, die parallele Anordnung von Gesicht und Stimme in diesem Satz suggeriert gar einen Zusammenhang von Stimme und Identität. Dass der Klang ihrer Stimme unabhängig von, das heißt in Abwesenheit ihres Sprechens evoziert wird und dabei ein auffälliger, schriller, schneidender ist, verleiht ihrer Stimme ein subversives Potenzial, das selbst in ihrem Schweigen ihrer deklarierten Stummheit entgegenwirkt. Die wenigen Momente, in denen Félicités Rede in der Erzählung wörtlich wiedergegebenen wird, stellen ihre vielbesprochene »Sprachlosigkeit« (Schulz-Buschhaus 1983) oder »inarticulacy« (Knight 1985, Kapitel 212 ) hingegen kaum in Frage, sondern scheinen diese im Gegenteil
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Diana Knight liest in ihrer Studie die »inarticulacy« einzelner Figuren in Werken Flauberts – besonders in Un Cœur simple − als positiv gewertet: »Flaubert writes into his works an almost explicit argument on behalf of such characters, whose simplicity invariably takes the form of an extreme linguistic disadvantage. […] They are not good at translating their experience of the world into speech,
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
noch zu unterstreichen. Die erste wörtliche Rede Félicités erfolgt erst nach einigen Seiten und ist die unbeholfene Replik auf das Gerede Theodores, eines benachbarten Bauern, der ihr als junger Frau unaufrichtige Avancen macht: »›Ah!‹ dit-elle.« (CS 21) Das »dit-elle« als Markierung der wörtlichen Rede ist hier auf markante Weise länger als diese selbst. Auch sonst sind wörtliche Äußerungen von Figuren fast immer kurz und dabei trotzdem oft in sich eine Wiederholung einzelner Phrasen oder Laute, die ihr Sprechen unbeholfen, mechanisch wirken lassen: »Non! non! moins vite!« (CS 27) »Dépêchez-vous! dépêchez-vous!« (Ebd.) »Pauvre petit gars! pauvre petit gars!« (CS 43) Wie Ulrich SchulzBuschhaus ausführt, bleiben Félicités Worte – und meist auch die der anderen Figuren – »in der Regel so knapp, daß sie […] immer auch das von ihnen unterbrochene und gerade dadurch erst fühlbar gemachte Schweigen thematisieren« (Schulz-Buschhaus 1983, 120). Unabhängig davon scheint es angesichts der graduell variierten, aber nicht klar unterscheidbaren Arten der Nachahmung fremden Sprechens durch die ›Erzählstimme‹ fraglich, ob wörtliche Rede im Kontext der Erzählung überhaupt als ein grundsätzlich anderer Modus der Wiedergabe von Figurenrede betrachtet werden kann.13 Gerade dadurch, dass Figurenrede, die in Anführungszeichen steht und von einer Inquit-Formel begleitet wird, meist sehr kurz bleibt, scheint sich auch die sogenannte direkte Rede vielmehr in das Verhältnis der Stimmen verunsichernde Spektrum der indirekten Einbindung von Figurenrede einzufügen. Tritt hier wirklich eine Stimme auf oder ist auch dieser vermeintliche stimmliche Auftritt bereits ferner Nachhall? Wird nicht auch hier mehr Stimme entzogen als gegeben?
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and are especially unable to use language to communicate with other people.« Flauberts Methode sei, solche Figuren mit anderen zu kontrastieren, »whereby some version of pompous verbosity acts as a foil for apparent ignorance, ineloquence or simplicity.« (Knight 1985, 26) Gerade die auf den ersten Blick eloquenten Charaktere schnitten aber in diesem Vergleich schlecht ab (ebd., 29). Wörtliche Rede wäre nach Bachtins Verständnis nur dargestellte Redevielfalt, die nur »als ein Ding gezeigt« werde und keinen Anteil an der Dialogizität des Textes habe (Bachtin 2005, 179).
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»Quel est l’effet de tous ces procédés qui concourent à l’assourdissement vocal?« fragt Domnique Rabaté, der zwar an der grundlegenden Unterscheidung von direkter und indirekter Rede festhält, seine Antwort ist aber auch im vorliegenden Kontext treffend: »[U]ne sorte d’égalisation des paroles, une mise à plat des événements (aussi bien réels que discursifs).« (Rabaté 2002, 95) Sie soll hier aber noch stärker verstanden werden: Die »egalisation«, von der er spricht, betrifft nicht nur die verschiedenen Momente von Figurenrede, sie betrifft auch das Verhältnis von ›Figurenrede‹ und ›Erzählerrede‹. In der Unsicherheit der Momente der Redewiedergabe berühren sich Erzählstimme und fremde Stimmen – und damit die bei Genette kategorial unterschiedenen Ebenen der Narration und der Diegese. Das Zusammentreffen und Auseinanderdriften dieser Stimmen – der ›Erzählstimme‹, die als Stimme gerade in dem Moment spürbar wird, wo sie sich nachahmend hinter der angenommenen Stimme einer Figur verbirgt, und die wiederholte und fragmentarisierte Figurenrede, die als Rest einer Rede, losgelöst von einem angenommenen, aber abwesenden sprechenden Subjekt durch den Text treibt − wird zum narrativen Ereignis, das die Stimmen des Textes enthierarchisiert und verwebt. Im Durcheinander des Nachhalls nicht mehr verortbarer Stimmen wird der Text zu einem Klangteppich. Dieses Ereignis findet eine Entsprechung im Sprechen von Loulou, der Klänge und Stimmen fragmentarisiert, enthierarchisierend neu verwebt und dabei von ihrem Ursprung dissoziiert. Er wird darin zu einer poetologischen Figur14 , die die narrative Konstitution der 14
Loulou wurde vielfach als poetologische Figur gelesen. Julia Courtney behandelt Loulou als Figur für eine Poetik der Wiederholung (vgl. Courtney 2006, 94). Diana Knight sieht in Loulou ein »emblem for Flaubert’s handling of language« »as an opaque and autonomous order.« (Knight 1985, 41) Loulou als »rather special inarticulate character« repräsentiere das Idealbild einer spürbar opaken Sprache im Werk Flauberts am treffendsten, auch weil er den Klang, nicht den Sinn der Worte, die er wiederholt, in den Vordergrund rücke (ebd.; vgl. ebd., 45). Armand Colin sieht in Loulous Sprechen einen Gegenpol zur durchstrukturierten, eloquenten Sprache des Textes. (Colin 1995, 104ff) Allerdings sei das Sprechen des Papageis als »parole réduite à sa plus simple expression« alles an-
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Erzählung von innen her spiegelt – am deutlichsten in der folgenden, bereits zitierten Passage: »Le petit cercle de ses [Félicités] idées se rétrécit encore, et le carillon des cloches, le mugissement des bœufs, n’existaient plus. Tous les êtres fonctionnaient avec le silence des fantômes. Un seul bruit arrivait maintenant à ses oreilles, la voix du perroquet. Comme pour la distraire, il reproduisait le tic tac du tournebroche, l’appel aigu d’un vendeur de poisson, la scie du menuisier qui logeait en face; et, aux coups de la sonnette, imitait Mme Aubain, − ›Félicité! la porte! la porte!‹« (CS 57) Interessant und irritierend an dieser Passage ist auch der Zusammenhang mit Félicités Taubheit. »Par suite d’un refroidissement, il lui vint une angine; peu de temps après, un mal d’oreilles. Trois ans plus tard, elle était sourde«, heißt es kurz zuvor (ebd.). Vertraute Geräusche, wie der Glockenschlag, das Muhen der Rinder, bleiben ihr demnach fern. Damit einher geht für Félicité eine Verunsicherung des Realitätsstatus dessen, was sie noch wahrnimmt, genauer, was sie sieht. Der Konsequenz der Geräusche, die sie erzeugen, beraubt, erscheinen ihr das Handeln und die Bewegung von Personen und Objekten geisterhaft entrückt. Die verlorengegangene Wahrnehmung von Geräuschen, die kausal aus ihrer räumlichen Umgebung hervorgehen und sie an diese anbindet, wird für sie ersetzt durch Loulous Sprechen, das Stimmen und Geräusche assoziativ zu einem rhythmisierten Klangteppich amalgamiert: Das regelmäßige Klicken eines Drehspießes ist – »tic tac« – verknüpft mit dem Ticken einer Uhr, dem Hin- und Her der Tischlersäge, dem Läuten von Madame Aubain, das wiederum mit deren Ruf nach Félicité einhergeht, das Ganze durchbrochen vom schrillen Ruf des Fisch-
dere als steril. (Ebd., 104) Interessant sei Loulou »précisément parce que celui-ci cristallise les pôles contradictoires du silence et de la logorrhée entre lesquels oscille l’écrivain.« (ebd., 107) Alle drei Aspekte – Wiederholungsmuster, ein Hervorheben sprachlicher (z.B. klanglicher) Strukturen unabhängig von ihrem Bedeuten, das spannungsvolle Verhältnis von Stille und Wort-/Geräuschfülle – kommen in der vorliegenden Analyse zusammen.
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verkäufers. Alle zusammen bilden eine gleichmäßige, monotone klangliche Szenerie. Diese Klänge sind klar benannt als die wiederholende Nachahmung von Loulou. Wie in seinem psittazistischen »Charmant garçon! Serviteur, monsieur! Je vous salue. Marie!« (CS 54) fügt er Gehörtes assoziativ – aber nicht völlig beliebig − neu zusammen, woraus neue Kohärenzeffekte entstehen. Wie aber kann es sein, dass Félicité dessen Sprechen noch hören kann? Ist sie gar nicht taub? Glaubt sie nur, eine Nachahmung der genannten Geräusche zu hören, weil diese in ihrer Wahrnehmung kognitiv von ihrer räumlichen Umgebung dissoziiert werden und sie keine Kohärenz mehr zwischen beidem herstellen, sich nicht mehr sinnvoll zu ihr in Bezug setzen kann? Ist »la voix du perroquet« wörtlich zu verstehen als eine (fiktiv) gegebene Stimme oder ist seine Stimme nur von Félicité halluziniert in Momenten, in denen sie Geräusche nicht hört, sondern erinnert? Schließlich wissen wir, dass Félicité gewohnt ist, Gehörtes auswendig zu lernen – »[c]e fut de cette manière, à force de l’entendre, qu’elle apprit le catéchisme« (CS 35) −, und die Umgebung, in der sie sich aufhält, wird in der Erzählung wiederholt durch die Beschreibung der Geräusche, die sie erzeugt, evoziert. »Si on ne parle pas beaucoup dans Un cœur simple,« schreibt Juliette Frolich, »l’univers où se meut Félicité, est, par moments, pleins de bruits. Tout au long du récit, on relève ainsi de singuliers effets de sonorisation« (Frolich 1982, 36). Auch die Straße, in der das Haus von Madame Aubain liegt, und die vermittelt durch Loulou für Félicité in ihrer Taubheit klanglich präsent bleibt, wird bereits zu Beginn der Erzählung als Geräuschkulisse beschrieben: »Chaque lundi matin, le brocanteur qui logeait sous l’allée étalait par terre ses ferrailles. Puis la ville se remplissait d’un bourdonnement de voix, où se mêlaient des hennissements de chevaux, des bêlements d’agneaux, des grognements de cochons, avec le bruit sec des carrioles dans la rue.« (CS 24) Auch hier vermischt sich ein Stimmengewirr mit einer Fülle anderer Geräusche; auch hier werden diese Geräusche eigenständig, nicht als
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Folge beobachteter Vorgänge genannt; auch hier entfaltet sich die Szene als eine auditiv wahrgenommene, die jedoch nicht an ein wahrnehmendes Subjekt gebunden zu sein scheint. Im Vergleich mit dieser Szene wird deutlich, dass Loulous psittazistische Reproduktion der Umgebungsgeräusche, die für die taube Félicité eine klangliche Ersatzumgebung schafft, eine grundlegende Verunsicherung des anzunehmenden Wirklichkeitsbezugs der Protagonistin darstellt. Es bleibt unklar, ob sein Psittazismus von Félicité halluziniert ist, oder ob er tatsächlich als eine Art Echo Geräuschfragmente durch den »Tunnel der Zeit« in die »Abgeschiedenheit« (Menke 2000, 12) Félicités hineinträgt, ohne ihr jedoch einen direkten Zugang ersetzen zu können.
3.2.2
Kate Chopins The Awakening (1899)
Auch in The Awakening wird die Szenerie der Handlung von Beginn an mehr als eine klangliche denn als eine visuelle evoziert: »There was more noise than ever over at the house. […] The chattering and whistling birds were still at it. Two young girls, the Farival twins, were playing a duet from ›Zampa‹ upon the piano. Madame Lebrun was bustling in and out, giving orders in a high key to a yard-boy whenever she got inside the house, and directions in an equally high voice to a dining-room servant whenever she got outside. […] Her starched skirts crinkled as she came and went.« (TA 3f) Auch hier werden Stimmen zu bloßen Klängen reduziert und mit diversen anderen Geräuschen zu einem »noise« (im Singular!) vermengt. Die Rede der Figuren ist gelöscht, es bleibt nur eine Stimmfrequenz (»high key«, »high voice«). Wie bereits erläutert ist in dieser narrativen Behandlung der Rede Madame Lebruns, dem Klavierspiel der Zwillinge und den Vogelstimmen durch die Fokalisierung auf Léonce Pontellier eine Abwertung impliziert. Die diversen Beschäftigungen der weiblichen Figuren bilden für ihn bloße Hintergrundgeräusche. Solche Hintergrundgeräusche – auf ihren Klang reduzierte Stimmen, Stimmen überdeckende Leerstellen, Störgeräusche – durchzie-
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hen die ganze Erzählung als ein »linguistic counterplot which glitters through the text with dis-articulate meaning.« (Yaeger 1987, 208) Immer wieder werden Klänge benannt oder in den Textfluss eingebunden. Dabei kommt ihnen in der überwiegend auktorialen Erzählung15 ein subversives Potenzial zu. Wie der »over and over« seinen Ausruf wiederholende Papagei und die mit »maddening persistence« vor sich hin zwitschernde Spottdrossel (TA 3) bei Léonce Pontellier für Irritation sorgen, widerstehen diese Geräusche ihrer Verdrängung in den Hintergrund und stören als Hintergrundrauschen, in das die Vögel nach ihrem prominenten Auftritt am Anfang ebenfalls eingehen, die vermeintlich stabile, kontrollierte Einstimmigkeit der Erzählung. Mit der wörtlichen Rede des Papageis am Anfang der Erzählung wird ein Sprechmodus eingeführt, der die verschiedenen Ebenen der vielschichtigen Diskursivität des Textes auffächert und eine Dynamisierung des narrativen Diskurses anstößt: »The psittacine repetition«, schreibt Stephen Heath, »moves from parrot to twins […] and duet […] and then out to the general social world of the story with its animated voices, incessant chatter, monotonous talk […], leaving the reader unsure at times as to irony or not, distance or assent, and so creating a new mode, unsettling of discursive certainties.« (Heath 1994, 19f16 )
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Die auktoriale Erzählhaltung wird in zahlreichen wertenden oder erläuternden Kommentaren besonders deutlich, sowohl in intern fokalisierten (»Their absence was a sort of relief, though she did not admit this, even to herself«, heißt es bspw. über Ednas Söhne, die den Sommer bei ihrer Großmutter auf dem Land verbringen (TA 22)) als auch in null-fokalisierten Passagen (»›You are burnt beyond recognition,‹ he [Léonce] added, looking at his wife as one looks at a valuable piece of personal property which has suffered some damage.« (TA 4)). Stephen Heath betrachtet vor dem Hintergrund intertextueller Bezüge zwischen dem Werk Flauberts und The Awakening, besonders zwischen Emma Bovary und Edna Pontellier, die Rolle der Papageien in Un Cœur simple und The Awakening im Vergleich. Sein Blick auf Loulou bleibt dabei aber eher oberflächlich. (vgl. bspw. Heath 1994, 22)
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Das »chattering« des Papageis setzt sich so zum Beispiel fort im Geplapper von Edna und Robert, die, nachdem Léonce in den Club gegangen ist, zusammen auf der Veranda sitzen: »Mrs. Pontellier reached over for her palm-leaf fan that lay on the porch and began to fan herself, while Robert sent between his lips light puffs from his cigarette. They chatted incessantly: about the things around them; their amusing adventure out in the water […]; about the wind, the trees, the people who had gone to the Chênière; about the children playing croquet under the oaks, and the Farival twins, who were now performing the overture to ›The Poet and the Peasant.‹ Robert talked a good deal about himself. He was very young, and did not know any better. Mrs. Pontellier talked a little about herself for the same reason.« (TA 6) Dass die Szene damit eingeführt wird, dass Edna sich kühlende Luft zufächelt und Robert eine Zigarre pafft, scheint metaphorisch zu unterstreichen, dass auch ihr Reden nicht gehaltvoller ist, nur ein Luftstrom, nur Lautartikulation, belanglos und unüberlegt – sie »wissen es nicht besser«. Worüber die beiden sprechen – das wird hier mehr als deutlich – hat keine Relevanz. Gerade diese Irrelevanz des Gesagten scheint aber erzählenswert zu sein; an diesem Sprechen scheint von Bedeutung zu sein, dass und wie im Gesagten etwas ungesagt bleibt. Ähnlich verhält es sich auch in der Szene direkt danach, in der Léonce am späten Abend aus dem Club zurückkommt: »He talked to her [Edna] while he undressed, telling her anecdotes and bits of news and gossip that he had gathered during the day.« Edna »was overcome with sleep, and answered him with little half utterances.« (TA 7) Gekrängt durch Ednas Unaufmerksamkeit beginnt Léonce, ihr Vorwürfe zu machen, und spricht dabei weiter »in a monotonous, insistent way.« (Ebd.) Auch hier klingt ein psittazistisches Sprechen an (»bits of news and gossip […] gathered«; »half utterances«; »monotonous, insistent« etc.) und auch hier bleibt der Inhalt des Gesprächs ungenannt, er scheint nicht relevant zu sein. Vielmehr geht es um eine Art des Kontakts, der durch die sprechende Interaktion (zwischen
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Figuren oder zwischen einer Figur und ihrer Umwelt) hergestellt wird − oder, wie hier, scheitert. Momente wie diese, in denen der Eindruck entsteht, dass etwas ungesagt bleibt, nicht ausgesprochen, unterbrochen oder abgebrochen wird, durchziehen den ganzen Roman. Er ist »full of jolting discourses that never quite fuse, enacted within the narrative by the interrupted conversations, unfinished stories, broken promises, half-read books, jokes that fall flat«, schreibt Pamela Knights. »Chapters end on fading notes, with silences between, or in causal remarks, strong with implication.« (Knights 2000, xlii) Dieses erzählerische Thema findet seinen deutlichsten, fast schon selbstreflexiven Ausdruck in einer Liedzeile, die im Verlauf der Handlung immer wieder auftaucht: »Ah! si tu savais!« Was es da zu wissen gibt, bleibt immer ungesagt, ist aber mit sinnlichromantischer Erwartung aufgeladen. In jeder Erwähnung resonieren die vorherigen – und auch die erste Erwähnung ist schon der Nachhall eines Echos: »As Edna waited for her husband she sang low a little song that Robert had sung as they crossed the bay. It began with ›Ah! Si tu savais,‹ and every verse ended with ›si tu savais.‹ Robert’s voice was not pretentious. It was musical and true. The voice, the notes, the whole refrain haunted her memory.« (TA 45, Herv. i.O.) Von da an geht ihr der Vers immer wieder durch den Sinn; wie das im Psittazismus geisterhaft gewordene Sprechen spukt er durch den Text. Auch nach dem Ende der Sommerferien und nachdem Robert ohne Aussicht auf eine Rückkehr nach Mexiko abgereist ist, kehrt er wieder, zum Beispiel als Edna alleine ist und malt: »While Edna worked she sometimes sang low the little air, ›Ah! si tu savais!‹« (TA 64) Etwas später taucht der Vers nochmals auf, wenn Roberts Bruder Victor, als Gast auf Ednas Party und schon etwas betrunken, zu singen anfängt. Edna versucht, ihn zu unterbrechen, aber er singt weiter – und erweitert dabei das Fragment des Liedes: »›Ah! si tu savais/Ce que tes yeux me disent‹ – « (TA 100) Auch hier wird nicht benannt, sondern nur noch stärker angedeutet, was in »si tu savais« impliziert ist.
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Natürlich ist das Liedfragment für Edna aufgeladen mit der Anziehung zwischen ihr und Robert (weshalb sie auch sehr aufgewühlt und ablehnend auf Victor reagiert), die, weil sie verheiratet ist, nicht aussprechbar ist. Zwar ist Edna, die im puritanisch geprägten Norden aufgewachsen ist (vgl. TA 21), oft überrascht – und irritiert − von der »entire absence of prudery« und »freedom of expression« (TA 12) unter den Kreol*innen. Bei aller Ungezwungenheit der kreolischen Gesellschaft mit in anderen kulturellen Kreisen tabuisierten Themen überschreitet eine ernsthafte, stark empfundene Anziehung aber doch die Grenze des Tolerierten. Als Adèle Ratignolle, nachdem sie Edna und Robert zusammen beobachtet hat, warnend zu Robert sagt, »›[s]he is not one of us, she is not like us. She might make the unfortunate blunder of taking you seriously« (TA 23), ist tatsächlich sie es, die sich täuscht, wenn sie davon ausgeht, dass Roberts Aufmerksamkeit für Edna nur kokette Spielerei ist, wie seine Avancen gegenüber anderen Frauen in den Sommern zuvor nur ein selbstironisches Spiel waren. Kurz zuvor wird eine Szene geschildert, in der Edna an einem sonnigen Nachmittag Adèle, die auf ihrer Veranda sitzt und näht, Gesellschaft leistet. Robert stößt dazu und Adèle berichtet Edna davon, wie Robert im Sommer zuvor sie verehrt hat, worauf Robert scherzhaft kontert: »›She knew that I adored her once, and she let me adore her. It was ›Robert, come; go; stand up; sit down; do this; do that; see if the baby sleeps; my thimble, please, that I left God knows where. Come and read Daudet to me while I sew.‹‹ ›Par exemple! I never had to ask. You were always there under my feet, like a troublesome cat.‹ ›You mean like an adoring dog. And just as soon as Ratignolle appeared on the scene, then it was like a dog. ›Passez! Adieu! Allez vousen!‹« (TA 13, Herv. i.O.) Das Sprechen des Papageis in der Anfangsszene klingt hier gleich auf drei Ebenen wieder an: Es entspricht dem »serio-comic tone« der Unterhaltung von Adèle und Robert, den Edna so schwer einordnenden kann (ebd.); es entsteht der Verdacht, dass die Anekdote von Roberts
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Werben um Adèle ganz direkt mit dem Psittazismus am Anfang verbunden ist, dass der Papagei Adèles »Allez vous-en!« aus dem vergangenen Jahr wiederholt; und es weist die gleiche Vermischung von Englisch und Französisch auf. Für Edna ist das Gespräch zwischen Robert und Adèle verunsichernd. Als Robert anfängt, Edna von seiner »one time hopeless passion for Madame Ratignolle« zu erzählen, von seinen »sleepless nights, of consuming flames till the very sea sizzled when he took his daily plunge«, kann sie nicht einordnen, ob er ernsthaft oder im Scherz spricht (ebd.). »He never assumed this serio-comic tone when alone with Mrs. Pontellier. She never knew precisely what to make of it; at that moment it was impossible for her to guess how much of it was jest and what proportion was earnest.« (TA 13) Das, was eigentlich gemeint ist, bleibt für Edna in Momenten wie diesen genauso unzugänglich wie im Sprechen des Papageis der Eindruck absichtsvollen Sprechens letztlich ein verunsichernder Effekt bleibt. Meint er, was er sagt? In beiden Szenen, in denen er spricht, scheint sein »allez vous-en! Sapristi!« in gewisser Weise im gegebenen Kontext sinnhaft zu sein. Einmal scheint es gezielt gegen Léonce Pontellier gerichtet und einmal eine brüske Kritik des langweiligen Abendprogramms, aber der empfundene ›Sinn‹ seiner Rede ist ein Effekt, der nicht aus der Wortbedeutung seines Ausrufs kommt, sondern aus dem Abstand zwischen der Wortbedeutung und dem uneindeutigen, »seriocomic tone« der Nachahmung. »The parrot«, formuliert Patricia Yaeger sehr treffend, »speaks a language emptied of meaning but full of something else.« Er richte so unsere Aufmerksamkeit »to a potential lack of meaning in words themselves – to a register of meaning beyond the reach of its language.« (Yaeger 1987, 203f) Dass der Ausruf des Papageis in der Anfangsszene durch diesen Dialog von Robert und Adèle wiederauftaucht, vereindeutigt seine Bedeutung nicht, ganz im Gegenteil, es entsteht ein Kippeffekt. Einerseits wird suggeriert, der Papagei habe Adèles Worte aufgeschnappt und wiederhole diese nun; damit wiederholt er auch die
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abweisende Geste von Adèle als Objekt der Bewunderung eines männlichen Verehrers. Der Papagei schlüpft dabei in seine alte Rolle als Symbol für die Position der bürgerlichen Ehefrau und entspricht Shaws Variante desjenigen Papageis, »that insists on being let out as the first condition of its making itself agreeable« (Shaw 1891, 43). In der verzerrenden Nachahmung aber entspricht der Ausruf des Papageis der wörtlichen Rede Roberts in diesem Dialog, der Adèles Rede nachäfft, um sie lächerlich wirken zu lassen, wodurch seine Deutung als ein Aufbegehren ins Gegenteil zu kippen droht. Verunsichernd an dem Dialog ist zudem die Frage nach dem Verhältnis von Englisch und Französisch in ihm. Die französischen Ausdrücke, die im Roman vereinzelt in der wörtlichen Rede von Kreol*innen – wie hier bei Adèle und Robert – auftauchen, sind konsequent kursiviert und damit als Fremdkörper markiert. Dabei ist, obwohl das selten explizit benannt wird, davon auszugehen, dass ein Großteil der Gespräche, die geführt werden, und Stimmen, die im Hintergrund zu hören sind, französische sind. Es scheint, als sollten die kursivierten Redebruchstücke die Erzählung nur mit Lokalkolorit versehen, nur an die Mehrsprachigkeit des kulturellen Kontextes17 erinnern, statt diese darzustellen, statt tatsächlich einen Hinweis darauf zu geben, in welcher Sprache die fiktiven Dialoge geführt werden. Von Edna als EnglischMuttersprachlerin heißt es, »[s]he understood French imperfectly unless directly addressed« (TA 41); Adèle und ihr Mann hingegen sprechen Englisch als Zweitsprache, »with an accent which was only discernible through its un-English emphasis and a certain carefulness and deliberation.« (TA 62) Und: »Edna’s husband spoke English with no accent whatever.« (Ebd.) Es läge also nahe, davon auszugehen, dass Robert und Adèle in Ednas Anwesenheit aus Rücksicht auf sie Englisch sprechen, ihre Gespräche aus dem letzten Sommer, von denen Sie erzählen, aber auf Französisch stattgefunden haben. Damit wäre die Sprachigkeit in dem Dialog in dieser Szene also adäquat abgebildet. Genauso gut 17
Zum multiethnischen und multilingualen Kontext des Settings und seinen rassistischen Implikationen vgl. bspw. Castillo 2008 und Taylor 2008.
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aber kann davon ausgegangen werden, dass die Unterhaltung komplett auf Französisch stattfindet und die Erzählinstanz englischsprachige Adressat*innen (aus dem US-amerikanischen Nordosten) impliziert und das Gespräch daher übersetzend vermittelt, wie sie es in zahlreichen anderen Szenen tut. Vereinzelt wird dieser übersetzende Aspekt der Vermittlung auch mitthematisiert, zum Beispiel in der Szene, in der im Hauptgebäude auf Grand Isle mehrere Personen aufgeregt durcheinanderrufen, aus Überraschung darüber, dass Robert ankündigt, von einem Tag auf den anderen, vielleicht für immer, nach Mexiko abzureisen: »›To-night!‹ ›This very evening!‹ ›Did you ever!‹ ›What possesses him!‹ were some of the replies she gathered, uttered simultaneously in French and English.« (TA 46) Was hier tatsächlich gesprochen wird, ist nicht rekonstruierbar, da unklar ist, welche der Ausrufe auf Englisch und welche auf Französisch erklingen, und auch im Gegensatz des ordentlichen Nacheinander der (teilweise) übersetzen Ausrufe im Text und dem beschriebenen fiktiven Durcheinander der »simultanously« hörbaren Äußerungen gibt sich die vermittelnde Erzählinstanz als eine ordnende und übersetzende zu erkennen. Am deutlichsten wird dies in einer Szene, in der ein Teil der Feriengäste auf Grand Isle am Sonntagmorgen mit einem Boot in das nahegelegene Fischerdorf Chênière übersetzt, um dort die Messe zu besuchen. Robert unterhält sich und flirtet mit einem jungen Mädchen, Mariequita, auf Spanisch. »No one present understood what they said«, heißt es gleich zu Beginn der Szene, das Gespräch zwischen beiden wird aber natürlich auf Englisch wiedergegeben. (TA 37) Mit der Unsicherheit, die in der Rezeption durch die übersetzende Wiedergabe der wörtlichen Rede von Robert und Mariequita entsteht, wird im Verlauf der Szene gespielt: Mariequita fragt Robert »Is she your sweetheart?«, und meint damit Edna (TA 38). Robert antwortet zunächst ausweichend: »She’s a married lady, and has two children.« (Ebd.) Das aber lässt Mariequita nicht gelten und erwidert: »Oh! well! Francisco ran away with Sylvano’s
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
wife, who had four children.« (Ebd.) Robert fühlt sich ertappt und antwortet: »›Shut up!‹ ›Does she understand?‹ ›Oh, hush!‹« (TA 38) Robert weiß, dass Edna sie nicht verstehen kann; seine Verunsicherung spiegelt die Unsicherheit, die dadurch entsteht, dass der Dialog in Ednas Sprache wiedergegeben wird. Die angenommene Anderssprachigkeit des Dialogs und seine homogenisierte Einbindung in die Erzählung vermischen sich.18 Ähnlich wie die Vielsprachigkeit der erzählten Welt in der Erzählung überdeckt und diese Überdeckung zugleich textlich markiert wird (typographisch und thematisch), werden »Stimmen« immer wieder als Hintergrundgeräusche benannt. Das geschieht, ohne dass ihr Sprechen, ihre Rede erzählerisch repräsentiert würde, sie erhalten aber durch die Dichte ihrer Erwähnung ein subversives Potenzial, das die Art ihrer Repräsentation durch die Erzählinstanz thematisiert und problematisiert. In zahlreichen Passagen wird beispielsweise der Klang von Stimmen, die irgendwo im Hintergrund zu hören sind, benannt,
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Das Verhältnis der Sprachen in dieser Passage lässt sich mit Brigitte Raths Modifikation von Gideon Tourys Begriff der ›Pseudotranslation‹ fassen. Toury bezeichnet »texts which have been presented as translations with no corresponding source text in other languages ever having existed« als »pseudotranslation« (Toury 1995, 40). Davon ausgehend versteht Brigitte Rath »pseudotranslation« als »a mode of reading that oscillates between seeing the text as an original and as a translation pointing towards an imagined original, produced in a different language« (Rath 2014, n.p.). Raths Begriffsverständnis benennt somit eine erzählerische Struktur, die auch Psittazismen kennzeichnet: Die Annahme eines Anderswo, einer verlorengegangenen Heimat einer gegebenen Äußerung. Obwohl Rath und Toury mit dem Begriff v.a. Texte meinen, die sich als Ganzes als Übersetzungen eines angenommenen, aber fiktiven Originals präsentieren, scheint eine Anwendung auch auf einzelne Passagen wie die hier erwähnten sinnvoll.
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ohne dass die Rede dieser Figuren von Belang ist.19 Zum Hintergrund der bereits besprochenen Szene, in der Edna, Adèle und Robert sich auf der Veranda unterhalten, heißt es beispielsweise: »Children, freshly befurbelowed, were gathering for their games under the oaks. Their voices were high and penetrating.« (TA 15) Entgegen der (in den Vordergrund der Handlung) durchdringenden Qualität der Kinderstimmen, vermischen sich die Stimmen, die Edna hört, als sie sich bei einem Ausflug auf Chênière nach einem Kreislaufzusammenbruch bei Madame Antoine ausruht, zu einem homogenen Klanghintergrund: »The voices went on – Tonie’s slow, Acadian drawl, Robert’s quick, soft, smooth French. She understood French imperfectly unless directly addressed, and the voices were only part of the other drowsy, muffled sounds lulling her senses.« (TA 41) Fremdsprachigkeit und hervorgehobene Klanglichkeit hängen also, das zeigt dieser Moment auch, in der Erzählung zusammen. Auffällig zahlreich sind auch die Momente, in denen Figuren (quasi) metonymisch über ihre Simmen erwähnt oder benannt werden: »There was the sound of approaching voices«, heißt es beispielsweise aus Ednas Perspektive in einer Szene, in der sie mit Adèle am Strand sitzt. »It was Robert, surrounded by a troop of children, searching for them.« (TA 22) Der Plural der Stimmen ist hier im Singular des »sound« aufgelöst. Oder, etwas später, als Robert im Anschluss an eine musikalisches Abendunterhaltungsprogramm vorschlägt, im Meer baden zu gehen: 19
Auch der wörtlich wiedergegebenen Rede von Figuren wird oft ein den Klang der Stimme beschreibender Vermerk hinzugefügt, so z.B. in der Szene, in der auf Grand Isle große Aufregung darüber herrscht, dass Robert plötzlich abreisen möchte. Auf die Frage, wann er denn fahren wolle, antwortet er: »›At four o’clock this afternoon, Monsieur Fariwal,‹ Robert replied, in a high voice«. (TA 47) Und auch Léonce Pontelliers Stimme verrät seine Verunsicherung, wenn seine Reaktion auf Ednas Verweigerung, wie von ihr erwartet am Dienstag in ihrem Haus zu empfangen, so beschrieben wird: »›Out!‹ exclaimed her husband, with something like genuine consternation in his voice as he laid down the vinegar cruet and looked at her through his glasses. ›Why, what could have taken you out on Tuesday?‹« (TA 57f)
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
»[T]here was not a dissenting voice.« (TA 30) Auf dem Weg zum Strand hört Edna »Robert’s voice behind them, and could sometimes hear what he said.« (Ebd.) Auf dem Weg zurück gehen Edna und Robert den anderen voraus und teilen einen Moment der Zweisamkeit. »When the voices of the bathers were heard approaching, Robert said goodnight.« (TA 34; vgl. auch TA 41, 58f) Wiederholt werden in der Erzählung auch Klänge als »voice[s]« benannt, die eine starke Wirkung auf Edna ausüben, die nicht sprechend Inhalte übermitteln, sondern im metaphorischen Sinn zu ihr sprechen, sie ansprechen. Es sind »Stimmen«, die Edna in ihrem Weg einer an sinnliche Erfahrung gekoppelten Emanzipation bestärken. Dazu gehört vor allem die bereits erwähnte Stimme des Meeres, »the voice of the sea«, »seductive; never ceasing, whispering, clamoring, murmuring […]. The voice of the sea speaks to the soul. The touch of the sea is sensuous, enfolding the body in its soft, close embrace« (TA 16). Diese Stimme ist keine an individuelle Identität gebundene, ist eine Stimme der Vielheit, die nur in der Vermengung eines vielstimmigen Flüsterns, Lärmens, Murmelns eine wird. Eine solche Stimme spricht aber nicht nur aus dem Meer zu Edna. Nachdem sie beschlossen hat, aus dem Haus ihres Mannes auszuziehen, heißt es: »Within the precincts of her home she felt like one who has entered and lingered within the portals of some forbidden temple in which a thousand muffled voices bade her begone.« (TA 93) Hier ist es explizit eine Vielheit von Stimmen, die Edna aber dennoch in einem Sprechen adressieren, unsichtbare, körperlose, nicht subjekthafte Stimmen, von denen Ednas Umwelt erfüllt ist. Beide – die Stimme des Meeres und die warnenden »muffled voices« in ihrem Haus – können als dezidiert weibliches Sprechen gelesen werden, als Gegenentwurf zur männlich-symbolischen Ordnung von Sprache20 , als eine »metaphor of an absent or displaced vocality«, die »Edna’s need for a more passionate and intersubjective
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Vgl. bspw. Pitavy-Souques 1989, 95ff. Danièle Pitavy-Souques liest Ednas Schwimmen im Meer als »rite de passage, le rejet définitif d’un langage-cliché fait de mots d’images conventionnels« (ebd. 95f), als Metapher, die »le rejet de l’ordre masculin« repräsentiere (ebd., 99).
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speech« betone, die es ihr erlauben würde, »to revise or rearticulate her relations to her own desire and to the social reality that thwarts this desire.« (Yaeger 1987, 204) Entsprechend beginnen sich nicht nur in Ednas Umwelt, sondern auch in ihrem Inneren solche Stimmen zu formieren: »She had all her life been accustomed to harbor thoughts and emotions which never voiced themselves.« (TA 53) Diese Stimmen beginnen im Laufe der Handlung in ihr zu erwachen (vgl. bspw. TA 71). Die Thematik der Stimme in The Awakening steht in einem kulturund literaturgeschichtlichen Zusammenhang, den Martha Cutter 1999 in ihrer Studie Unruly Tongues. Identity and Voice in American Women’s Writing 1850-1930 beschreibt: »[I]n the last two decades of this century, African American and Anglo American women authors begin to emphasize female characters who articulate a self-defined identity and voice. Most important, these late-nineteenth-century writers approach the problem of women’s voice from both a historical and a theoretical standpoint. […] These writers begin to articulate a theory of how language has functioned under patriarchy to silence women […]. Language itself initiates a process whereby some individuals are granted voice and identity (or, to use a more modern term, subjectivity), while others are defined as silent and ›subordinate‹ objects.« (Cutter 1999, ixf) Martha Cutter widmet auch The Awakening ein Kapitel ihrer Studie und analysiert darin auf thematischer Ebene Ednas Suche nach einer SpraMit Bezug auf Julia Kristevas Unterscheidung von symbolischer und semiotischer Sprache, die sie 1974 in Die Revolution der poetischen Sprache entwirft, argumentiert Martha Cutter: »The ocean represents a maternal realm of language as it might exist in the pre-symbolic, libidinal world of the mother and child. […] In the ocean, Edna seeks a maternal voice that avoids the repression of patriarchal language, its erasure of feminine identity and desire.« (Cutter 1999, 91) Letztlich bleibe diese Suche Ednas erfolglos; die »semiotic dimension of language« werde aber nicht »completely destroyed by inscription into the symbolic. The semiotic therefore has the potential to disrupt patriarchal discourse. In Chopin’s text, the ocean represents this semiotic, disruptive potential of language.« (Ebd., 92f)
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
che, die es ihr ermöglicht, die neuen in ihr aufkeimenden Gedanken und Empfindungen zu äußern. Diese Suche sei jedoch zum Scheitern verurteilt, denn: »[T]he cult of domesticity offers her no viable mechanism for a selfdefined subjectivity or voice, and she reaches beyond it toward a new theory of language and identity. […] Edna seeks a feminine, maternal language that is represented as existing outside of patriarchy, therefore she never finds a voice that functions in the everyday world she inhabits.« (Cutter 1999, 88) Im Gegensatz dazu erkennt Cutter in Chopins Kurzgeschichten die Darstellung eines »conflict between feminine discourse and patriarchal language through the assertion of a covert voice that attempts to undermine patriarchal discourse through mimicry and through hollowing out patriarchy from within its own structures.« (Ebd.) Genau dieser Konflikt lässt sich ja aber auch in The Awakening erkennen: einerseits eben doch auf thematischer Ebene, nämlich gerade in den vielen Momenten, in denen eine konventionelle Art zu sprechen bloß nachgeahmt wird, sich in dieser dadurch etwas verschiebt und dieses Sprechen aufgeladen wird mit einer Bedeutung jenseits der semantischen; andererseits aber auch grundlegender als das Verhältnis der ›Erzählstimme‹ zu den Stimmen der Erzählung, als Grundstruktur der narrativen Vermittlung der Erzählung.21 Stimme, schreibt Susan Lanser in ihrem Entwurf einer feministischen Narratologie, »has become a trope of identity and power« »for the collectively and personally silenced« (Lanser 1992, 3). Sie hält an dem (metaphorisch-)narratologischen Stimm-Begriff fest, um ihn mit der
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Neben Martha Cutter bezieht sich auch Patricia Yaeger in ihrer Analyse nur auf die »representation of a language«, den Entwurf einer transgressiven Sprache auf der Handlungsebene (Yaeger 1987, 197); beide gehen nicht auf die narrative Verfasstheit der Texte, auf die performative Darstellung des Verhältnisses von patriarchal strukturiertem Diskurs und dem subversiven Potential weiblicher Stimmen ein.
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politischen Metapher der Stimme zu verschränken, denn in dieser Verschränkung werde es möglich, »to see narrative technique not simply as a product of ideology but as ideology itself: narrative voice, situated at the juncture of ›social position and literary practice,‹ embodies the social, economic, and literary conditions under which it has been produced« (ebd., 5) – also »white, privileged-class male terms« (ebd., 6). Obwohl Lansers Umgang mit dem narratologischen Begriff der Stimme angesichts der bereits diskutierten Implikationen problematisch erscheint und ihr Ausgangsargument für ein Verständnis von ›Erzählstimme‹ als Ideologie nicht immer konsequent weiter gedacht wird, ist dieses Argument aufschlussreich für die Frage nach dem Verhältnis von ›Erzählstimme‹ und erzählten Stimmen in The Awakening. Der Roman erzählt nämlich nicht nur von den Schwierigkeiten bei der Suche nach einer von patriarchalen Strukturen befreiten Sprache, er inszeniert diese Thematik auch in seiner narrativen Verfasstheit: Die Erzählung mimt eine (als weiß und männlich zu denkende) machtvolle, den Diskurs kontrollierende, Stimmen regulierende Erzählstimme – und lässt diese in den Momenten verdeckter Stimmen als solche erkennbar werden. Denn trotz ihrer Verdrängung in den Hintergrund in der (räumlichen) Konstellation der erzählten Handlung, stehen diese Stimmen auf narrativer Ebene im Fokus der Aufmerksamkeit.22 Immer wieder ist es zum Beispiel die »quadroon nurse« (TA 4), das Kindermädchen der Söhne von Edna, die in der Erzählung (zwar nicht nicht, aber) nur als Leerstelle vorkommt. Michele Birnbaum schreibt hierzu: »Actually, despite her presence the quadroon is often neither heard nor seen.« (Birnbaum 1994, 205) Sie argumentiert von solchen 22
Elizabeth Nolan verortet The Awakening an einem Scheitelpunkt der Entwicklung des Genres des Romans; er stehe auf der Schwelle zwischen einem Realismus in viktorianischer Tradition und dem anbrechenden Modernismus (vgl. Nolan 2008, 120f). Sie liest den Roman vor dem Hintergrund von Amy Kaplans Verständnis des realistischen Romans als »conservative force whose very act of exposure reveals its complicity with structures of power« (Kaplan 1988, 1) als »a critique of ideology as well as a revision of form« (Nolan 2008, 122) mit dem Effekt einer »exposure of the conservative ideology in traditional literary forms.« (Ebd., 123)
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Momenten der Erzählung ausgehend, dass diese rassistisch sei, da Edna, mit ihrem Erwachen beschäftigt, kein Bewusstsein für ihre hinsichtlich ›race‹ und Klasse privilegierte Situation habe und zum Beispiel das Kindermädchen als Grundvoraussetzung für ihr Streben nach Unabhängigkeit völlig übersehe (vgl. Birnbaum 1994, bspw. 303ff). »[T]he ›neutral‹ reporting masks the often aggressive physical or textual effacing of the Other«, schreibt sie (ebd., 305). Sicher gehen Ednas Befreiungsversuche (genau wie ihr Leben als Ehefrau und Mutter bis dahin) auf Kosten Anderer, aber gerade das macht die Erzählung zu ihrem Thema – und ist dabei alles andere als ein neutraler Bericht. Das äußert sich gerade darin, dass die »presence« des Kindermädchens eben sehr stark evoziert wird, obwohl sie gleichzeitig als ungehört oder ungesehen dargestellt wird. »He [Léonce] and his wife seated themselves at table one Tuesday evening, a few weeks after their return from Grand Isle. They were alone together. The boys were being put to bed; the pattern of their bare, escaping feet could be heard occasionally, as well as the pursuing voice of the quadroon, lifted in mild protest and entreaty.« (TA 56) Das Passiv in »were being put to bed« löscht das Kindermädchen aus; der nachfolgende Satz kennzeichnet diese Formulierung aber geradezu als eine Auslassung. Die Stimme ist hier nur Teil der Hintergrundgeräusche für die Szene zwischen Léonce und Edna, genau diese Stellung im Hintergrund wird hier aber thematisiert; als »at once in sight but out of focus, within earshot but out of our range of attention« beschreibt Wai-Chee Dimock diese ambivalente Stellung sehr treffend (Dimock, 1990, 41). Am deutlichsten ist dieses Gegeneinander-Arbeiten einer vorgeschobenen Erzählstimme (die hier eben nicht gleichzusetzten ist mit einer Aussageintention) in einer Szene, die wie folgt eingeleitet wird: »Madame Lebrun was busily engaged at the sewing-machine. A little black girl sat on the floor, and with her hands worked the treadle of the
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machine. The Creole woman does not take any chances which may be avoided of imperiling her health.« (TA 24) Die Kritik an der Ignoranz dieser Haltung der »Creole woman«, die um nichts ihrer Gesundheit schaden möchte, und wenn dafür ein kleines Mädchen auf dem Boden knien und mit den Händen mühevoll ihre Arbeit für sie verrichten muss, ist im ironisch-sarkastischen Ton des letzten Satzes mehr als deutlich. Nach diesem Kommentar verbirgt sich die didaktisch-auktoriale Erzählstimme im mimetischen Modus einer scheinbar unsichtbaren, den Diskurs aber nach rassistischen und patriarchalen Vorzeichen strukturierenden Erzählstimme. Das Mädchen wird auf den zweieinhalb Seiten, über die sich diese Szene erstreckt, in der sich Madame Lebrun mit Robert unterhält, nicht wieder erwähnt. Aber: »The sewing-machine made a resounding clatter in the room« (TA 24f). Bis zum Ende des Kapitels durchbricht und stört dieses Klappern beständig das Gespräch: »›Where is Mrs. Pontellier?‹ ›Down at the beach with the children.‹ ›I promised to lend her the Goncourt. Don’t forget to take it down when you go; it’s there on the bookshelf over the small table.‹ Clatter, clatter, clatter, bang! for the next five or eight minutes. ›Where is Victor going with the rockaway?‹ ›The rockaway? Victor?‹ ›Yes; down there in front. He seems to be getting ready to drive away somewhere.‹ ›Call him.‹ Clatter, clatter! Robert uttered a shrill, piercing whistle which might have been heard back at the wharf. ›He won’t look up.‹« (TA 25) Fast wie eine eigene Stimme mischt sich das »Clatter, clatter« in das Gespräch von Madame Lebrun und Robert, die die Anwesenheit des Mädchens ignorieren, oder gar vergessen haben. »A third voice, the voice
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
of machine and treadle, is never absent.« (Dyer 2002, 148f23 ) Und die dumpfe Präsenz dieser Stimme scheint am Ende sogar die Überhand zu gewinnen, Robert verliert die Konzentration und das Kapitel bricht mitten im Dialog einfach ab: »›Do you see Mrs. Pontellier starting back with the children? She will be in late to luncheon again. She never starts to get ready for luncheon till the last minute.‹ Clatter, clatter! ›Where are you going?‹ ›Where did you say the Goncourt was?‹« (TA 26) »This is a tale about not speaking, about disjunction − about denials, oversights, prohibitions, exclusions, and absences.« (Griffin Wolff 1996, 3) Diese Einschätzung von Cynthia Griffin Wolff mag zunächst paradox klingen, geht es in The Awakening doch ständig um Stimmen, um Sprechen, um Sprache und Gespräche in allen Varianten. Wie im den Roman eröffnenden Sprechen des Papageis, das für das Gerede der Figuren des Romans genauso paradigmatisch ist wie es dessen narrativdiskursive Ebenen dynamisiert, geht es dabei jedoch (fast) nie um das, was gesagt wird, sondern um die Unmöglichkeit subjektiven Ausdrucks in Sprache, um das, was nicht (direkt) ausgedrückt werden kann, darum, wie sich Sprache als gebrochene, ambivalente, als (fremder) Klang einem individuellen Zugriff letztlich entzieht – und um ein psittazistisches Sprechen als vielleicht letzte Möglichkeit eines Sprechens in einem machtvoll organisierten Diskurs.
3.2.3
Joseph Conrads »Amy Foster« (1901)
Anders als in Un Cœur simple und The Awakening gibt es in Joseph Conrads Kurzgeschichte »Amy Foster« einen expliziten, offenen homodiegetischen Erzähler. Dessen Bericht ist als schriftlicher zu denken, gibt aber eine explizit als mündlichen Bericht zu denkende Binnenerzählung wieder. In den ersten beiden Absätzen bleibt der homodiegeti23
Erstaunlicherweise ist Joyce Dyer nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit dem rassistischen (?) Subtext in The Awakening die erste, die das Klappern der Maschine explizit als Stimmersatz für das »little black girl« liest.
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sche Rahmenerzähler jedoch zunächst verdeckt in einer scheinbar objektiven Sprechposition, in der auch der zeitliche Bezug zur erzählten Handlung – »[a] good many years ago now« (AF 150) – in einer räumlichen und zeitlichen Gegenwärtigkeit der Erzählstimme aufgelöst scheint: »Kennedy is a country doctor, and lives in Colebrook, on the shores of Eastbay. The high ground rising abruptly behind the red roofs of the little town crowds the quaint High Street against the wall which defends it from the sea. Beyond the sea-wall there curves for miles in a vast and regular sweep the barren beach of shingle, with the village of Brenzett standing out darkly across the water, a spire in a clump of trees; and still further out the perpendicular column of a light-house, looking in the distance no bigger than a lead-pencil, marks the vanishing-point of the land.« (AF 149) Der Leuchtturm als metaphorischer Blickpunkt und metaphorisches Schreibgerät erscheint in diesem Einstieg in die Erzählung zunächst als Sinnbild für die – angenommenen − epistemologischen Voraussetzungen der – hier scheinbar auktorialen – Erzählperspektive. Im dritten Absatz heißt es dann plötzlich: »In this valley down to Brenzett and Colebrook and up to Darnford […] lies the practice of my friend Kennedy.« (Ebd., Herv. S.T.) Kennedy wird im Folgenden vom Ich-Erzähler zunächst als Figur eingeführt, bevor der Erzähler von seinem Besuch bei diesem berichtet und dessen Erzählung von Yankos Geschichte als Mittelpunkt der Erzählung wiedergibt: »He had begun life as a surgeon in the Navy, and afterwards had been the companion of a famous traveller, in the days when there were continents with unexplored interiors. His papers on the fauna and flora made him known to scientific societies. And now he had come to a country practice – from choice. The penetrating power of his mind, acting like a corrosive fluid, had destroyed his ambition, I fancy. His intelligence is of a scientific order, of an investigating habit, and of that unappeasable curiosity which believes that there is a particle of a general truth in every mystery.« (AF 149f)
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
Ist der Bleistift-Leuchtturm also Bild für das Selbstverständnis der Erzählerfigur – und für die geteilte (fiktive) Autorschaft des anonymen Ichs (Aufschreiber, Bleistift) und Dr. Kennedy (Augenzeuge, Leuchtturm)? Von einer ähnlich distanziert-überblickshaften Position aus − »sitting high in the dogcart« (AF 150) − begegnen beide am Anfang der Rahmenerzählung ja auch Amy und anderen Bewohner*innen der Gegend, in der Kennedy tätig ist. Von ihrer erhöhten und beweglichen Beobachterposition aus fühlen sich Kennedy und sein Begleiter ganz selbstverständlich ausgestattet mit der Fähigkeit und der Macht, zu kategorisieren und zu werten, was sie sehen. Tilda Forselius sieht in dieser Szene daher einen Schlüssel zu einer Lektüre der Erzählung, die von einem Misstrauen gegenüber der Erzählinstanz ausgeht; Kennedys Rolle in der Erzählung, gestützt durch die Bestätigung durch den Rahmenerzähler, wecke »Fragen an der Deutungshoheit – des Mannes, Arztes, Forschers und Erzählers« Kennedy (Forselius 2008, 128, Übersetzung S.T.). Die scheinbare Auktorialität des ersten Absatzes bereitet eine solche Lesart des Textes ebenfalls vor. In expliziter Abgrenzung unter anderem von Hugh Epstein, der meint, Kennedy sei als Erzähler »invested as far as is artistically possible with a vulnerable openness of seeing unmediated by familiarizing language« und seine Rede sei »that of a receptive, enquiring, competent guide, opening with the relaxed certainties of an intelligence at ease with itself« (Epstein 1991, 227; 226), liest Forselius Kennedy als »›professionelle‹ Machtinstanz«, die in dieser Lesart jedoch als eine brüchige und gebrochene hervortritt (Forselius 2008, 128, Übersetzung S.T.). Einen Bruch von Kennedys Macht, seiner Glaubhaftigkeit als Erzähler erkennen sowohl Forselius als auch Hooper und Epstein in Amys Schweigen. »Kennedy reveals himself unequal to the task of depicting or representing Amy, and […] his version of events depends on her silence«, argumentiert Hooper (Hooper 1996, 63). Kennedys Darstellung von Amy als nahezu stummer Figur ist nicht nur Voraussetzung für seine Charakterisierung von ihr als sozial unsicher, geistig dumpf und passiv (vgl. AF 150), sondern auch für die Aufrechterhaltung seiner souveränen Erzählerrolle. Gerade Amys Schweigen aber sei »a stronger force than the flickers of Kennedy’s understanding«, ein »black hole […], that
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throws into belittling relief all the talking required to convey it« (Epstein 1991, 229f); es liege eine Aggressivität in ihrem Schweigen, das Kennedys Schlussfolgerungen entgegenwirke (vgl. Forselius 2008, 136). Amys Schweigen, der vielbesprochenen Leerstelle, die zurückbleibt, wo ihre Stimme vom Erzähler ausgelöscht wurde24 , steht eine Vielstimmigkeit gegenüber, die die Erzählposition Kennedys ebenso destabilisiert. Dem Klang von Stimmen, der auf allen Ebenen der Erzählung – »[t]his almost utterly oral world« (Prade 2013, 12) – benannt und evoziert wird, kommt nicht nur eine besondere thematische Bedeutung zu, er dringt auch in die Erzählung Kennedys ein, die explizit an das Medium seiner Stimme gebunden ist. Wenn nach etwa einem Fünftel der Erzählung der sachliche, schriftliche, retrospektive Bericht des Rahmenerzählers Kennedys Binnenerzählung einleitet, wird Kennedys Stimme in einem stimmungsvollen, klanglich-präsentischen Raum verortet, in dem ihr eine geradezu auratische Wirkung zukommt. »The doctor gathered the reins, clicked his tongue; we trotted down the hill.« (AF 154) So beginnt – erneut mit einer metaphorischen Manifestation der Macht der Erzählinstanz: Kennedy hält die Zügel, lenkt, bestimmt die Bewegung durch seine Zunge − der Absatz, der überleitet vom Bericht der Kutschfahrt, auf der Kennedy seine Erzählung ausgehend von der Begegnung mit Amy beginnt, zum Beisammensein der beiden Erzähler in Kennedys Haus am Abend bei Kerzenschein, wo Kennedy seine Erzählung fortsetzt: »Late in the evening Kennedy, breaking a spell of moodiness that had come over him, returned to the story. Smoking his pipe, he paced the long room from end to end. […] Not a whisper, not a splash, not a stir of the shingle, not a footstep, not a sigh came up from the earth below – never a sign of life but the scent of climbing jasmine: and Kennedy’s voice, speaking behind me, passed through the wide casement, to vanish outside in a chill and sumptuous stillness.« (AF 154) Die hier beschworene Stille – deren paradoxe ›sumptuousness‹ sich textlich in ihrer klanglich auffälligen, stark rhythmisierten Beschrei24
Vgl. hierzu neben Forselius, Hooper und Epstein auch Kramer 2003, 9ff.
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bung spiegelt − durchbricht der Text performativ, denn direkt daran anschließend beginnt Kennedys Binnenerzählung. Mit einer fast schon geisterhaften Eigenständigkeit bewegt sich seine Stimme durch den Raum und von dort nach draußen, wo sie metaphorisch die stille Erde belebt; denn dort draußen, auf den Feldern, wo sie »verschwindet« und in die Stille eingeht, spielt sich ja die Geschichte ab, die die Stimme vorträgt. An die Stimme Kennedys, die spricht, wird im gesamten Rest des Textes durch Anführungszeichen in jedem Absatzumbruch erinnert. Und auch ganz am Ende der Erzählung steht ein schließendes Anführungszeichen. Die Geschichte endet mit Kennedys Worten (»[…] loneliness and dispair.‹« (AF 175)). Die Binnenerzählung wird nicht, was erwartbar wäre, eingerahmt; vielmehr stehen die beiden Erzählebenen nebeneinander, was das zunächst so klare Verhältnis zwischen beiden verunsichert. In seiner Erzählung macht sich Kennedy zum Sprachrohr für andere Stimmen. Seine Erzählung besteht zu großen Teilen aus der Wiedergabe anderer Erzählungen und Berichte – angefangen bei anonymen »relations of shipwrecks in the olden times« (AF 154), über Yankos Bericht bis zu dem Gerede der Dorfbewohner*innen, den »Gerüchten« (AF 158), die sich nach der Ankunft Yankos ausbreiten. Auf letztere muss er zurückgreifen, um die ersten Ereignisse kurz nach Yankos Ankunft zu rekonstruieren, an die Yanko selbst sich aufgrund seiner schlechten körperlichen und geistigen Verfassung zu diesem Zeitpunkt nicht erinnern kann. Die Ankunft des Fremden erregt aber einiges Aufsehen und so kann Kennedy, der als Arzt regelmäßigen Kontakt zu vielen der Dorfbewohner*innen hat, Yankos Weg und seine Suche nach Hilfe rekonstruieren: »Through the rumours of the country-side, which lasted for a good many days after his arrival, we know that the fishermen of West Colebrook had been disturbed and startled by heavy knocks against the walls of weather-board cottages, and by a voice crying piercingly strange words in the night. […] It was he, no doubt, who early the following morning had been seen lying (in a swoon, I should say) on the roadside grass by the Benzett carrier, who actually got down to have
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a nearer look, but drew back, intimidated by the perfect immobility, and by something queer in the aspect of that tramp, sleeping so still under the showers. As the day advanced, some children came dashing into school at Norton in such a fright that the schoolmistress went out and spoke indignantly to a ›horrid-looking man‹ on the road. […] The driver of Mr. Bradley’s milk-cart made no secret of it that he had lashed with his whip at a hairy sort of gipsy fellow who, jumping up at a turn of the road by the Vents, made a snatch at the pony’s bridle. And he caught him a good one too, right over the face, he said, that made him drop down into the mud a jolly sight quicker than he had jumped up […]. Also three boys confessed afterwards to throwing stones at a funny tramp, knocking about all wet and muddy, and, it seemed, very drunk, in the narrow deep lane by the limekilns. All this was the talk of three villages for days; but we have Mrs. Finn’s (the wife of Smith’s waggoner) unimpeachable testimony that she saw him get over the low wall of Hammond’s pig-pound and lurch straight at her, babbling aloud in a voice that was enough to make one die of fright.« (AF 158f, Herv. S.T.) Die hervorgehobenen Ausdrücke in dieser Passage zeigen die Rede von Figuren auf, die Kennedy – mal durch ein Zitat, mal als indirekte Rede, vor allem aber als freie indirekte Rede – in seine Erzählung einbindet. Es sind vor allem abwertende Ausdrücke, die Yanko bezeichnen oder Reaktionen auf ihn ausdrücken. Sowohl Yankos Erscheinung – »›a horrid-looking man‹«, »a hairy sort of gipsy fellow« − als auch sein Sprechen, seine Stimme – »a voice crying piercingly strange words in the night«, »babbling aloud in a voice that was enough to make one die of fright« – rufen diese angstvollen und ablehnenden Reaktionen hervor. Es sind sowohl die enthaltene Wertung als auch ein abweichendes sprachliches Register, die diese Ausdrücke als Bruchstücke fremder Rede innerhalb der Erzählerrede markieren. Ohne diese Ausdrücke als Zitate kennzeichnen zu müssen, grenzt sich Kennedy so von den Dorfbewohner*innen und ihrer Art zu sprechen, die als provinziell, als derb gekennzeichnet wird, ab. Jeremy Hawthorn, der eine ausgiebige Studie dem Einsatz von freier indirekter
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Rede im Werk Conrads gewidmet hat, nennt diese Technik ein »mimicking of ›native‹ speech« (Hawthorn 1992, 9). Hawthorn bezieht sich hier auf frühe Erzählungen Conrads, die in kolonialen Settings verortet sind. Dieser Ausdruck lässt sich aber auch auf »Amy Foster« übertragen, denn Yanko hat hier eine Stellung inne, die dem »native«, dem kolonialisierten Subjekt quasi gleichkommt, was sich in seinem othering durch die Dorfbewohner*innen, in seinem zunächst sklavenähnlichen Status innerhalb der Gemeinschaft und seiner symbolischen Verbindung zum Papagei äußert.25 In diesem »mimicking« von Figurenrede in der freien indirekten Rede ergibt sich ein ambivalentes Verhältnis des Erzählers (Hawthorn unterscheidet hier nicht zwischen Erzählinstanz und Autor) zur erzählten Welt: »[W]hile Conrad [lies: Kennedy] tries to get closer to the consciousness and way of thinking of these characters, he actually succeeds in getting nearer to a stereotyped, paternalist-colonialist view of them. They become slightly ridiculous. We look down rather patronizingly on the limitations of their understanding, on the quaintness of their way of expressing themselves.« (Ebd.) Kennedy scheint sich hier auch über die Angst und das Befremden der locals lustig zu machen; er, der weit gereist, gebildet und erfahren ist, wüsste es natürlich besser, sich vor Yanko zu ängstigen. Tatsächlich aber ist auch seine ausführliche Wiedergabe von seinen Gesprächen mit Yanko geprägt von dem gleichen, abwertenden »mimicking« von Yankos Ausdrucksweise, trotz Kennedys grundsätzlicher Sympathie für den Fremden. In beiden Fällen, bei der freien indirekten Redewiedergabe der vielstimmigen Dorfgemeinschaft genau wie bei der des sich wandelnden und erweiternden sprachlichen Ausdrucksvermögens von Yanko, lässt
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Juliane Prade spricht zudem von Yankos »inversed colonialist view of Kent«, da Yankos Rolle und sein Blick auf seine neue Umgebung zugleich dem eines kolonialen ›Entdeckers‹ gleiche, wie Conrad ihn in einigen seiner Erzählungen darstellt (Prade 2013, 11; vgl. auch ebd., 10).
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sich diese auch als ein quasi-wissenschaftlicher dokumentarischer Anspruch Kennedys lesen. Der Rahmenerzähler schreibt diesem ja eine »intelligence […] of a scientific order« (AF 149f) zu und attestiert ihm eine aktive wissenschaftliche Vergangenheit. Trotzdem geht ein etwaiger Eindruck von Glaubhaftigkeit oder Unmittelbarkeit, wenn Kennedy in seiner Erzählung von Yankos Bericht dessen Ausdrucksweise erkennbar bleiben lässt, immer auch mit einer abwertenden Tendenz einher. Und beides – Abwertung und genaue Dokumentation – sind letztlich lesbar als Strategien, Kontrolle und Übersicht zu bewahren gegenüber der grundlegend irritierenden und verunsichernden Wirkung, die Yankos Fremdsprechen des Englischen auch auf Kennedy hat. Bei seiner ersten Begegnung mit Yanko, berichtet er, habe er zunächst versucht, herauszufinden, was dessen Muttersprache ist, findet aber – wie auch im weiteren Verlauf der Handlung – keine Antwort auf diese Frage: »It occurred to me he might be a Basque. It didn’t necessarily follow that he should understand Spanish; but I tried him with a few words I know, and also with some French. The whispered sounds I caught by bending my ear to his lip puzzled me utterly. That afternoon the young ladies from the Rectory […], coming to see Miss Swaffer, tried their German and Italian on him from the doorway. They retreated, just the least bit scared by the flood of passionate speech which, turning on his pallet, he let at them. They admitted that the sound was pleasant, soft, musical – but, in conjunction with his looks perhaps, it was startling – so excitable, so utterly unlike anything one had ever heard.« (AF 164) Dass der Klang der unbekannten, fremden Sprache auf den weit gereisten Kennedy die gleiche stark irritierende Wirkung hat wie auf die Dorfbewohner*innen, mag überraschen. Noch mehr aber als von dem wiederholt beschriebenen Klang von Yankos Stimme, wenn dieser in seiner Muttersprache spricht, von den »incomprehensible words […] in a slow, fervent tone« (AF 168), ist Kennedy fasziniert – und irritiert – von Yankos Englisch-Sprechen, und in diesem Fall ist nachvollziehbarer, dass Kennedy diese Irritation genauso trifft: Es ist die eigene Spra-
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che, die aus dem Mund des ›Fremden‹ plötzlich fremd klingt und zur fremden wird (vgl. auch Prade 2013, 11). Dass das Befremden angesichts Yankos Englisch auch von dem Eindruck von etwas mechanischem, automatischem in seinem Sprechen kommt, klingt an, wenn die Dorfbewohner*innen ihn mit einem »[j]ack-in-the-box« vergleichen. (AF 172) Yanko beginnt, Englisch zu lernen, indem er (mechanisch) wie ein Papagei einzelne Wörter aufschnappt und nachspricht (vgl. AF 167). Schon bald danach beginnt er, Kennedy nach und nach, in einzelnen Gesprächen, zwischen denen sein Englisch immer besser wird, seine Geschichte zu erzählen: »He told me this story of his adventure […] at first in a sort of anxious baby-talk, then, as he acquired the language, with great fluency, but always with that singing, soft and at the same time vibrating intonation that instilled a strangely penetrating power into the sound of the most familiar English words, as if they had been the words of an unearthly language.« (AF 158) Die »vibrating intonation«, der Kennedy hier eine so durchdringende Wirkung zuschreibt, dringt auch in Kennedys Sprechen ein: »[T]he ›intonation‹ of the castaway resonates«, wie Juliane Prade beobachtet, »in Kennedy’s words as an alliterating ›penetrating power,‹ ›singing, soft, and at the same time vibrating.‹ In order to testify to the ›broken English‹ that rings in the ears of the peasants and the doctor, Conrad breaks the tune and structure of the English language.« (Prade 2013, 12) Und auch Yankos (zunächst) beschränktes Ausdrucksvermögen ahmt Kennedy – hauptsächlich durch freie indirekte Rede ähnlich wie in der oben zitierten Passage − in seiner Nacherzählung des Berichts von Yanko nach. Immer wieder finden sich Ausdrücke, die als Yankos »anxious baby-talk« erkennbar sind, oder Umschreibungen, die erkennen lassen, dass Yanko das passende Wort nicht kennt. Zum Beispiel hat Yanko bis zum Tag seiner Überfahrt offenbar noch nie ein Schiff gesehen, was in Kennedys Wiedergabe seiner Beschreibung des Raumes im Schiffsbauch, in den er gebracht wird, durchklingt: »It was a low timber dwelling – he would say − with wooden beams overhead, like the houses in his country, but you went into it down a ladder.« (AF 155) Während
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der Überfahrt geraten sie in ein Unwetter »and everything was being shaken so that in one’s little box one dared not lift one’s head. […] and all the time a great noise of wind went on outside and heavy blows fell – boom! boom!« (AF 155) Die »little box« ist ein ›bunk bed‹; das »great noise of a wind« ein ›Sturm‹, ein ›Brausen‹ o.ä.; das »boom! boom!« hat Kennedy bereits als »heavy blows« übersetzt. »Before that he had been travelling a long, long time on the iron track.« (AF 155) Auch ein englisches Wort für »Zug« oder »Schienen«/»Gleise« kennt Yanko offenbar nicht. »The man himself, even when he learned to speak intelligibly, could tell us very little. […] But we mustn’t forget he had been taken out of his knowledge […], and therefore could have no definite idea of what was happening to him.« (AF 162) Dieser abschließende Kommentar Kennedys bildet auf irritierende Weise einen starken Kontrast zur Ausführlichkeit von Yankos Bericht, den Kennedy wiedergibt. Seine Funktion scheint vielmehr eine Absicherung von Kennedys Deutungshoheit als Erzähler – und darin Ausdruck seiner eigenen Unsicherheit, denn, wie auch Juliane Prade zu diesem Kommentar anmerkt: »[T]he two narrators struggle with the same problem as the castaway: They, too, are taken out of their knowledge. They encounter a man whose tongue is as incomprehensible to them as his fate.« (Prade 2013, 12) Angesichts des als papageienhaft wahrgenommenen Sprechens von Yanko ist nicht nur Amy, sondern sind auch die Erzähler konfrontiert mit einer »profound hermeneutic irritation« (ebd., 13). Diese nimmt Kennedy schon zu Beginn der Erzählung als deren zentrales Thema vorweg, wenn er seine Einführung von Amy abschließt und auf deren weitere Geschichte vorausgreift mit dem Verweis auf »that fear of the Incomprehensible that hangs over all our heads – over all our heads…« (AF 151) Diese Angst vor dem Unverständlichen, die hier Kennedys Sprechen für einen Moment sich in einem Echo entgleiten lässt, ist es, die Amy schreiend davonlaufen lässt, wenn der Papagei »in human accents« um Hilfe schreit (AF 152); sie ist es, die die Dorfbewohner*innen bei ihren ersten Begegnungen mit Yanko ängstigt; und sie führt zum dramati-
3. Psittazistisches Sprechen und die Stimme(n) der Erzählung
schen Höhepunkt der Erzählung, wenn Amy Yanko in seinem Fieber allein lässt: »He sat up and called out terribly one word – some word.« (AF 174) Genau wie im Moment der Rede des Papageis entsteht hier eine Leerstelle, die eine von Amy, von Kennedy und Leser*innen geteilte ist. Denn niemand weiß, welches Wort Yanko eigentlich gesprochen hat. Die Erzähler versuchen dieser Verunsicherung angesichts des Unverständlichen Herr zu werden, vor der es aber kein Entrinnen gibt: »[T]he narration (whoever tells it) attempts to restore comprehension by seizing unknown phenomena by means of familiar description. This strategy, however, […] defamiliarizes language as it makes the meaning of its words appear just as elusive as what they intent to grasp.« (Prade 2013, 13) Yankos unheimliches, scheinbar mechanisches, verfremdendes Sprechen destabilisiert die Sprache Kennedys. Dieses psittazistische Sprechen rüttelt an der Referenzialität der Worte selbst, lässt sie als ihre eigene Wiederholung erscheinen, eine Nachahmung, in der sie sich nicht mehr gleich sind, und treibt dabei einen unüberbrückbaren Abstand zwischen die Worte und das, was sie vergeblich zu benennen versuchen, zwischen den Klang der Stimme und das, was sie spricht, zwischen den, der (vermeintlich) gesprochen hat, und das, was von der Rede übrigbleibt: »Many times have I heard his high-pitched voice from behind the ridge of some sloping sheep-walk, a voice light and soaring, like a lark’s, but with a melancholy human note, over our fields that hear only the song of birds. […] His quick, fervent utterance positively shocked everybody.« (AF 168)
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4. Schluss
»›To a teacher of language‹, Joseph Conrad reflects«, reflektiert Paul Carter, »there comes a time when the world is but a place of many words and man appears a mere talking animal not much more wonderful than a parrot‹.« (Joseph Conrad, Prolog zu: Under Western Eyes, zitiert von und nach Carter 2006, 94). Wenn ein Mensch – genauer: eine literarische Figur, eigentlich spricht hier nämlich nicht Conrad, sondern der homodiegetische Erzähler aus Under Western Eyes − wie ein Vogel spricht, der wie ein Mensch spricht, verschließt sich die Figur eines psittazistischen Sprechens in sich selbst. Wie das Bild in einer unendlichen mise en abyme ist das Sprechen darin gefangen in unendlicher Wiederholung, die immer Nachahmung ist, ohne dass ein Original (noch) auszumachen wäre. D* Sprechende wird nie als sie* selbst gesprochen haben und kann sich aus ihrem fremdes Sprechen nachahmenden Sprechen nicht mehr in einen stabilisierenden, Bedeutung sichernden Weltbezug retten. In dieser Figur wird deutlich, was auch die unternommenen Textanalysen gezeigt haben: Die untersuchten Texte eint kein einheitlicher, feststehender narrativer Modus, der sich als ›Psittazismus‹ bezeichnen ließe, und es lässt sich aus ihnen auch keine einheitliche, festlegende Definition von ›psittazistischem Sprechen‹ gewinnen. Vielmehr ist ihnen gemeinsam, dass mit der Figur des Papageis ein Sprech-Modus eingeführt wird, der zwischen verschiedenen Modi des Bedeutens oszilliert und so narrative Prozesse und Strukturen der Texte ambiguisiert und dynamisiert. In allen drei Texten fungiert der Papagei so − wenn auch auf unterschiedliche Weise − als poetologische Figur. Als solche
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steht er immer auch im Kontext einer komplexen intermedialen Motivgeschichte, in der sich verschiedene und oft widersprüchliche symbolische Assoziationen zu einem ambiguisierenden Bedeutungspotenzial um ihn gruppieren. In der Analyse von Un Cœur simple von Flaubert stand im Vordergrund, wie Loulous Sprechen textliche Verfahren spiegelt, die die Stimmen der Erzählung in einer Art und Weise in Bezug setzten, die Gérard Genettes kategoriale Unterscheidung der diegetischen Ebenen von Erzähltexten verschwimmen und seinen metaphorischen Begriff der ›Erzählstimme‹ fraglich werden lassen. Für das Verhältnis von Loulou und der Protagonistin Félicité bildet die Assoziation von Papageien mit der heiligen Jungfrau einerseits und dem heiligen Geist und der Gabe des Zungensprechens, die er verleiht, andererseits einen wichtigen motivischen Bezugspunkt. Loulous Sprechen schwankt zwischen einer prophetischen Glossolalie, die Zugang zu höheren Wahrheiten verspricht, und einer stumpfen Echolalie, die sich sprachlich von ihrer Umwelt isoliert und in sich selbst verschließt. Es lässt sich zwischen beiden Polen nicht fest verorten und spiegelt darin im Detail eine Dynamik der Narration der Erzählung als Ganzer. In Kate Chopins Roman The Awakening resoniert das aggressive Sprechen des Papageis in der Anfangsszene mit zahlreichen »Stimmen« im Text und macht dabei auf ein subversives Potenzial in deren Sprechen aufmerksam, das gegen eine von patriarchal organisierten Diskursen erzeugte Stimmlosigkeit einzelner Subjekte aufbegehrt. Die Rolle von Papageien als abwertende Metapher in sexistischen und rassistisch-kolonialistischen Diskursen sowie das bildkünstlerische Motiv der (weißen, bürgerlichen, auf die häusliche Sphäre beschränkten) ›Frau mit Papagei‹ bilden einen entscheidenden Hintergrund für die Sprechposition dieses Papageis, in der sich die untergeordnete, fremdbestimmte Position der Protagonistin spiegelt. Beide können innerhalb des sie beschränkenden Diskurses nicht frei sprechen, können ihm aber auch nicht entfliehen – und müssen daher innerhalb von dessen Strukturen neue Sprechmöglichkeiten finden. In der Analyse des Romans wurde versucht, aufzuzeigen, dass, während die Protagonistin
4. Schluss
in ihrer Suche nach einer eigenen Stimme und einer neuen Sprache scheitert, der Papagei Möglichkeiten eines solchen Sprechens aufzeigt. In der Auseinandersetzung mit Joseph Conrads Kurzgeschichte »Amy Foster« stand der verfremdende Aspekt psittazistischen Sprechens im Vordergrund. Das Sprechen des Papageis selbst bildet hier eine Leerstelle, wird aber zum Referenzpunkt für das Sprechen des Protagonisten, der als Fremder unbekannter Herkunft Englisch sprechen lernt, indem er zunächst einzelne Wörter, später komplexere sprachliche Strukturen aufschnappt und nachahmt. Dabei behält seine Stimme aber einen Klang, der aus einem unbekannten Anderswo kommt und der die Einheimischen fortwährend irritiert und verunsichert, da er ihnen ihre eigene Sprache fremd werden lässt. Yanko entspricht also dem Menschen, der wie ein Vogel spricht, der wie ein Mensch spricht. Sein Sprechen stört eine »einfache und unmittelbare Beziehung des Sprechens zu ›seiner eigenen‹ einheitlichen und einzigen Sprache« (Bachtin 2005, 163) genauso wie einen direkten, referentiellen Zugriff von Worten auf Welt: Wörter, resümiert der Erzähler in Under Western Eyes, seien, »as is well known, […] the great foes of reality.« (Conrad 1947 [1911], 3) Die gesellschaftliche Rolle des Protagonisten ist mitgeprägt durch die kolonialistisch geprägte, exotisierende Verwendung des Papageis als Motiv in der Malerei. Und auch das rhetorische Bild des Papageis als Entsprechung des ›about to be enslaved slave‹ in kolonialistischen Diskursen, das beide als in ihrem Charakter von Natur aus unselbstständig und unterwürfig und in ihrem Geist unbeschrieben und beschreibbar vorstellt, entspricht der Behandlung des Protagonisten durch den Erzähler. Diese ist aber letztlich nur ein Versuch, die eigene überlegene epistemologische Position gegen die »profound hermeneutic irritation« (Prade 2013, 13), die Yankos Sprechen auslöst, zu sichern. In keinem Fall ist Psittazismus nur eine »mechanical repetition of previously received ideas« (»psittacism« in OED online). Vielmehr problematisiert Psittazismus – sei es als das Sprechen eines fiktiven Papageis, als Erzähltexten immanente narrative Strukturen oder als Rezeptionshaltung, als »interpretative tool« (Courtney, James 2006, xi) −
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die »mechanical repetition« grundlegender narratologischer Begriffe, die vereinheitlichen und vereinfachen, was er verkompliziert.
Dank
Mein herzlicher Dank gilt Prof. Gertrud Lehnert und Prof. Johannes Ungelenk für die Betreuung und wertvolle Unterstützung dieser Arbeit und ihrer Publikation. Nicht unsichtbar bleiben dürfen außerdem Alma Magdalene Knispel, Jassin Braun, Barbara Dober und Simon Probst. Vielen Dank für eure Begleitung, die Geduld, die klugen Fragen, die ehrliche Kritik und die Ausdauer beim Korrekturlesen. Ohne euch wäre die Arbeit an diesem Text in den kritischen Zonen im Winter 2020/21 wohl recht einsam gewesen und er wäre nicht geworden, was er jetzt ist. Als die Echos unserer Gespräche glitzern auch eure Stimmen durch dieses Buch.
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Abbildungsverzeichnis
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130
Psittazismus und narrative Vielstimmigkeit
Abb. 5: Peter Paul Rubens: Madonna mit dem Papagei, um 1615-1625, Öl auf Leinwand, 163 x 192 cm, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen: »Peter Paul Rubens: Flemish Baroque painter and top diplomat«, verfügbar unter: https://www.kmska.be/en/collection/peter-paul-rubens (abgerufen am 01.09.2020). Abb. 6: Frans van Mieris: Young Woman Feeding a Parrot, 1663, Öl auf Holz, 22,4 x 17,7 cm, The Leiden Collection. The Leiden Collection Catalogue Online, https://theleidencollection.co m/artwork/woman-feeding-a-parrot/ (abgerufen am 01.09.2020). Abb. 7: Caspar Netscher: A Woman Feeding a Parrot, with a Page, 1666, Öl auf Holz, 45,7 × 36,2 cm, Washington D.C., National Gallery of Art. National Gallery of Art Collection Online, https://www.nga.gov/collecti on/art-object-page.163917.html (abgerufen am 01.09.2020). Abb. 8: Jan Steen: Interior with a Woman Feeding a Parrot, ca. 1660-1670, Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Amsterdam, Rijksmuseum. Rijksmuseum, Rijksstudio, https://www.rijksmuseum.nl/en/collection /SK-A-386 (abgerufen am 11.09.2020). Abb. 9: Giovanni Battista Tiepolo: Young Woman with a Macaw, ca. 1760, Öl auf Leinwand, 71 x 53,4 cm, Oxford, Ashmolean Museum. Ashmolean Musuem, Collections online, https://collections.ashmolean .org/collection/browse-9148/object/49977 (abgerufen am 07.09.2020). Abb. 10: Rosalba Carriera: Young Lady with a Parrot, ca. 1730, Pastell auf Papier, 60 x 50 cm, Art Institute of Chicago. Art Institute Chicago, The Collection Online, https://www.artic.edu/art works/103887/a-young-lady-with-a-parrot (abgerufen am 01.09.2020).
Abbildungsverzeichnis
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Literaturwissenschaft Julika Griem
Szenen des Lesens Schauplätze einer gesellschaftlichen Selbstverständigung September 2021, 128 S., Klappbroschur, Dispersionsbindung 15,00 € (DE), 978-3-8376-5879-8 E-Book: PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5879-2
Klaus Benesch
Mythos Lesen Buchkultur und Geisteswissenschaften im Informationszeitalter März 2021, 96 S., Klappbroschur, Dispersionsbindung 15,00 € (DE), 978-3-8376-5655-8 E-Book: PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5655-2
Werner Sollors
Schrift in bildender Kunst Von ägyptischen Schreibern zu lesenden Madonnen 2020, 150 S., kart., Dispersionsbindung, 14 Farbabbildungen, 5 SW-Abbildungen 16,50 € (DE), 978-3-8376-5298-7 E-Book: PDF: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5298-1
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Literaturwissenschaft Achim Geisenhanslüke
Der feste Buchstabe Studien zur Hermeneutik, Psychoanalyse und Literatur Januar 2021, 238 S., kart. 38,00 € (DE), 978-3-8376-5506-3 E-Book: PDF: 37,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5506-7
Ulfried Reichardt, Regina Schober (eds.)
Laboring Bodies and the Quantified Self 2020, 246 p., pb. 40,00 € (DE), 978-3-8376-4921-5 E-Book: PDF: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4921-9
Wilhelm Amann, Till Dembeck, Dieter Heimböckel, Georg Mein, Gesine Lenore Schiewer, Heinz Sieburg (Hg.)
Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 12. Jahrgang, 2021, Heft 1 Juni 2021, 226 S., kart., Dispersionsbindung, 4 SW-Abbildungen 12,80 € (DE), 978-3-8376-5395-3 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5395-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de