Preussisches evangelisches Kirchenrecht: Band 1 [2., sehr verm. Reprint 2018 ed.] 9783111540375, 9783111172170


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German Pages 773 [776] Year 1914

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes
Abkürzungen
Erstes Buch. Die Kirche
Erster Abschnitt. Die Kirche im allgemeinen und die Union
Zweiter Abschnitt. Kirche und Staat
Dritter Abschnitt. Kirchenzugehörigkeit
Vierter Abschnitt. Über die Grenzen der Landeskirche hinaus
Zweites Buch. Die Verfassung
Übersicht
Erster Abschnitt. Die Parochie
Zweiter Abschnitt. Die neueren Verfassungsgesetze
Dritter Abschnitt. Die ältere Behördenorganisation
Drittes Buch. Das Patronat
Viertes Buch. Die Kirchenbeamten
Erster Abschnitt. Die Geistlichen und ihre Anstellung
Zweiter Abschnitt. Standespflichten und Rechte der Geistlichen
Dritter Abschnitt. Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen
Vierter Abschnitt. Die nichtgeistlichen Kirchenbeamten
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Preussisches evangelisches Kirchenrecht: Band 1 [2., sehr verm. Reprint 2018 ed.]
 9783111540375, 9783111172170

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Preußisches evangelisches

Kirchrnrecht. Führer durch das Rech! d rrLandrskirche der neun älteren Provinzen insbesondere für

Geistliche und Selbstverwaltungs- Organe, Verwallungsbeamte und Juristen von

K. Gotzner Präsident des Rönigl. Konsistoriums der Provinz Pommern.

Zweite sehr vermehrte Auflage. Erster Band.

Berlin 1914.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung» G.

M. b.

H.

Vorwort zur ersten Auflage. Die Kraft der evangelischen Kirche, so auch ihrer Daseinsform, welche dies Buch beschäftigt, beruht auf lebendiger Teilnahme ihrer Glieder. Das Leben der Kirche als einer äußeren Gemeinschaft von Menschen hat notwendig seine Ordnung, welche über die Willkür des einzelnen den Gesamtwillen stellt. Mit dieser Ordnung, d. i. dem Rechte der Kirche, darf nicht unbekannt sein, wer an ihrem Leben gestaltend teilnehmen will; und solche Teilnahme läßt das Bedürfnis nach Kenntnis wachsen. Das Recht der Kirche ist kein einfaches. Von verschieden­ artigen Schöpfern, im Wechsel der Zeiten und unter entgegengesetzten Grundanschauungen erzeugt, stellt es sich in einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen dar, deren Erfassung als einheitliches Ganze ohne fachkundige Leitung schwierig ist. Andererseits erscheint für die praktische Verwertung der Einblick in die Rechtsquellen selbst wünschens­ wert. Daher will dies Buch solche — doch gesichtet — im Wortlaut bringen, sie planmäßig ordnen, in ihren Einzelheiten erläutern und schließ­ lich verbinden und ergänzen durch eine fortlaufende Übersicht, die aus ge­ schichtlicher Grundlage den inneren Zusammenhang wahrt. Auf diese Weise wird eine verständnisvolle Betrachtung des Ganzen möglich, wie es andererseits leicht ist, sich über Einzelfragen schnell zu unterrichten. So soll das Buch, wie sein Titel sagt, ein Führer sein durch das Recht der preußischen evangelischen Landeskirche. Möge es sich zur Erschließung desselben manchem dienlich erweisen und somit indem angedeuteten Sinne zur Förderung der Kirche ein Scherflein beitragen! Kiel, Weihnachten 1898.

Gohner.

Vorwort zur zweiten Huflage. Seit Jahren ist an mich der dringende Wunsch herangetreten, eine Neuauflage meines Preußischen Kirchenrechts zu veranstalten. Infolge beruflicher Hindernisse und der Schwierigkeit der Arbeit selbst konnte ich ihm leider nicht eher entsprechen. Inzwischen ist durch eine besonders fruchtbare Kirchengesetzgebung des letzten Jahr­ zehnts der Stoff sehr angewachsen. Andererseits erschien eine gründ­ liche Durcharbeitung und Ergänzung des alten Bestandes nach den Bedürfnissen der Praxis durchaus erwünscht. Das Werk hat daher eine Ausdehnung erfahren, die im Interesse der Handlichkeit eine Herausgabe in zwei Bänden nötig machte. Im übrigen ist der Plan des Buches, der nach vielen mir zugegangenen Äußerungen Beifall gefunden hat, grundsätzlich festgehalten, im einzelnen aber zur größeren Übersichtlichkeit eine weitere Gliederung vorgenommen. Schon diese Gliederung wird an der Hand des ausführlichen Inhaltsverzeichnisses ein leichtes Auffinden gesuchter Stellen ermöglichen. Doch soll auch am Schluffe des zweiten Bandes ein das gesamte Werk umfassendes, sehr eingehendes Sach- und Zeitfolgeverzeichnis folgen, für dessen Bearbeitung wie für andere Handreichung ich Herrn Konsistorialsekretär Neumann dankbar bin. Neben der Einzelauskunft wird ein zusammenhängendes Studium der durch das ganze Buch fortlaufenden systematischen Darstellung, welche in den sog. „Übersichten" die geschichtliche Entwickelung und den gegenwärtigen Stand des alt­ preußischen Kirchenrechts in kurzen Zügen nachweist, dadurch erleichtert, daß das Inhaltsverzeichnis diese Teile im Druck hervorhebt. Möge dem Buche die Gunst, deren es sich bisher erfreuen durfte, auch in der neuen Gestalt erhalten bleiben! Stettin, Ostern 1914.

Gohner.

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes Erstes Buch.

Dir Kirche. Erster Abschnitt.

Die Kirche im allgemeinen und die Union. Übersicht. gelte 1. Die Kirche........ —......................................................................................... 1 2. Die preußische evang. Landeskirche............................................................ 2 3. Die Union......................... 3 Erlasse v. 27. Sept. 1817, 30. April 1830, 28. Febr. 1834, 6. März 1852, 12. Juli, 11. Okt. u. 7. Febr. 1853, betr. Union..................................

7

Zweiter Abschnitt.

Kirche und Staat. Übersicht. 1. Geschichte............................................................................................................ 2. Das heutige Verhältnis.................................................................................. 3. Rechtsnormen....................................................................................................

12 14 21

Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 1—46........................ ........................... Preuß. Verfassungsurkunde Art. 12—30............................................................ Reichs-Vereinsgesetz v. 19. April 1908 .............................................................. Preuß. Vereinsgesetz v. 11. März 1850..............................................................

24 29 31 37

Dritter Abschnitt.

Kirchenzugehörigkeit. Übersicht ......................... 41 I. Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 40 u. 42 (II 2 §§ 74 ff. u. Dekl. v. 21. Nov. 1803, betr.religiöse Erziehung).............................. 43 II. Ges., betr. Austritt aus der Kirche v. 14. Mai 1873............................. 60 III. Ges., betr. Altlutheraner v. 23. Mai 1906 ......................................... 66 IV. Erlasse v. 10. Juni 1851 u. 21. Febr. 1860 betr. Dissidenten, v. 15. Dez. 1884 betr. Sektierer, und v. 16. Febr. 1909 betr. Austritt aus der Landeskirche.................................................................................. 67 Vierter Abschnitt.

Über die Grenzen der Landeskirche hinaus. A. Eisenacher Kirchenkonferenz und Deutscher Evang. Kirchenausschuß... B. Deutsche evang. Diaspora im Auslande...................................................... Kirchenges., betr. angeschlossene Gemeinden außerhalb Deutschlands, v. 7. Mai 1900 .................................................................................................. C. Äußere Mission...................................................................................................

78 82 84 88

VI

Inhaltsverzeichnis.

Zweites Buch.

Dir Verfassung.

Übersicht. Sette 1. Geschichte undWesen der Verfassung....................................................... 95 2. Der König................................................................................................... 101 3. Die Behörden.............................................................................................. 103 4. Die Verwaltungseinteilung, insbes. Parochie u. Parochialregulierung 114 5. Die Selbstverwaltung................................................................................ 116 Erster Abschnitt.

Die Parochie. Allgem. Landrecht Teil H Tit. 11 §§ 108—111 u. 237—317................... II 19 §§ 76—79 (Anstaltsparochie).............................................................. Ges. v. 3. Juni 1876 (Parochialexemption)................................................. Ges. v. 13. Mai 1833 (Erloschene Parochien)................................ .......... Gesetz, betr. Gründung neuer Ansiedlungen, v. 10. Aug. 1904 .................

124 125 139 142 144

Zweiter Abschnitt.

Die neueren Bersassungsgesetze. A. Kirchengemeinde und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873..................... 152 Erl., betr. Stollbergsche Kreissynode, v. 30. Dez. 1874......................... 236 Revidierte Instruktion v. 25. Jan. 1882................................................... 236 Generalsynodalordnung v. 20. Jan. 1876 ................................................. 246 Staatsgesetz v. 25. Mai 1874........................................................................ 257 Staatsgesetz, betr. evang. Kirchenverfassung, v. 3. Juni 1876 ............. 259 Staatsgesetz, betr. Änderung dieser Gesetze, v. 28. Mai 1894............. 273 Zuständigkeits-Verord. v. 9. Sept. 1876,5. Sept. 1877 u. 20. Juli 1904---- 273 B. Kirchengesetz, betr. Parochialverbände, v. 17. Mai 1895......................... 278 Staatsgesetz dazu v. 18. Mai 1895............................................................. 283 Allerh. Verordnung v. 20. Okt. 1896......................................................... 285 Regulativ für die Berliner Stadtsynode v. 1896.................................... 287 C. Kirchengesetz, betr. Vertretung der Kreis-und Provinzialsynodalverbände, v. 16. Juni 1895............................................................................................ 291 Allerh. Verordnung dazu v. 3. Aug. 1895................................................. 292 Staatsgesetz dazu v. 18. Juni 1895............................................................ 293 D. Landeskirchliche Fonds. Kirchengesetz, betr. Hilfsgeistlichenfonds, v. 18. Febr. 1895 ................... 294 Kirchengesetz, betr. Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke, v. 16.Aug. 1898 296 Kirchengesetz, betr. Verstärkung desselben, v. 24. April 1904.......... 297 Allerh. Erlaß, betr. Verstärkung, v. 22. April 1907......................... 299 Kirchengesetz, betr. weiterer Verstärkung, v. 10. Juli 1909.............. 300 E. Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung........................................................ 302 - Kirchengesetz, betr. Parochialverbände in Rheinl.-Westf., v. 4. Juli 1904 328 Staatsgesetz dazu v. 4. Juli 1904.............................................................. 330 Dritter Abschnitt.

Die ältere Behördenorganisation. A. Die Zentral- und Provinzialbehörden. Allgem. Landrecht Teil H Tit. 11 §§ 113, 114, 143—149................... 331 Verordnung, betr. verbesserte Einrichtung, v. 30. April 1815................ 332 Konsistorialinstruktion v. 23. Okt. 1817 (Beamtenrecht)........................... 332

Inhaltsverzeichnis.

vn

Seite

Regierungsinstruttion v. 23. Oft. 1817......................................................... Ressort-Verordnung v. 27. Juni 1845 ......................................................... Ressortreglement v. 1. Okt. 1847 ................................................................... Ministerial-Erlaß v. 10. Sept. 1877....................................................... Ressortreglement v. 29. Juni 1850............................................................... Prüfungsordnung für Subalternbeamte v. 27. April 1897.................... B. Die Generalsuperintendenten. Instruktion v. 14. Mai 1829................ C. Die Superintendenten. Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 150-155....................................... Grundsätze, betr. staatl. Zulagen und Dienstaufwandsentschädigungen

344 346 349 355 359 363 367 375 378

Drittes Buch.

Das Patronat. Übersicht......................................................

380

Verfassungsurkunde Art. 17.................................................................................. Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 568—617............................................. Verordnung v. 13. Aug. 1816(Juden)........................................................... Ges. v. 8. Mai 1837 (persönliche Fähigkeit)...............................................

385 385 394 402

Viertes Buch.

Die Kirchenbeamten. Erster Abschnitt.

Die Geistlichen und ihre Anstellung. Übersicht. 1. Das geistliche Amt.......................................................................................... 2. Die Anstellung.................................................................................................. Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 58-65 u. 318—411............ .......... Staatsgesetz über die Vorbildung der Geistlichen v. 11. Mai 1873 .......... Kirchengesetz, betr. Anstellungsfähigkeit u. Vorbildung, v. 15. Aug. 1898. Instruktion dazu v. 1. Juli 1899......................................................................... Ordnung für den Seminarkursus der Kandidaten........................................... Kirchengesetz, betr. Pfarrwahlrecht, v. -15. März 1886.................................. Kirchengesetz, betr. Pfarrwahlrecht, v. 28. März 1892.................................. Kirchengesetz, betr. Pfarrbejetzungsrecht, v. 12. März 1912........................ Kirchengesetz, betr. Umzugskosten, v. 10. Juli 1909........................................ Staatsgesetz dazu v. 10. Juli 1909 ..................................................................... Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung §§ 53—65 ..........................................

405 409 419 434 439 453 462 465 472 473 480 484 485

Zweiter Abschnitt.

Standespflichten und Rechte der Geistlichen. Übersicht. 1. Ordination und Rechte des geistlichen Standes.................................... 2. Pflichten.............................................................................................................. 3. Rechte............................................................................ Allgem. Landrecht Teil II Tit. 11 §§ 66-106 und 413—416, 506—541 Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung §§ 66—74 ..!...................................... Staatsgesetz, betr. kirchliche Disziplinargewalt, v. 12. Mai 1873 .............. Kirchliches Disziplinargesetz v. 16. Juli 1886................................................... Zusätzliche Bestimmungen (Kirchenges. v. 18. Jan. 1904 und AusfBest. v. 23. Nov. 1904)............ ........................................................................

491 492 497 499 517 519 521 554

VIH

Inhaltsverzeichnis.

Sette Kirchengesetz, betr. Verfahren bei Beanstandung der Lehre, v. 16. März 1910 555 Geschäftsordnung des Spruchkollegiums v. 31. Mai 1911............................ 571 Dritter Abschnitt.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen. Übersicht. 1. Das Pfarrbesoldungswesen........................................................................... 2. Das Ruhegehaltswesen............................................................................... 3. Die Hinterbliebenenfürsorge....................................................................... 4. Staatsbeteiligung und Fondsverwaltung.................................................. 5. Die Berechtigten............................................................................................... 6. Außerordentliche Hilfe ......................................................... .....................-..

576 580 583 587 588 590

Pfarrbesoldungsgesetz v. 26. Mai 1909................................................................ Satzungen der Alterszulagekasse...................................................................... Ruhegehaltsordnung v. 26. Mai 1909........................................................... .. Satzungen der Ruhegehaltskasse................................................................ Kirchengesetz, betr. Fürsorge f. Witwen und Waisen, v. 26. Mai 1909 .. Satzungen des Pfarrwitwen- und Waisenfonds.......................................... Staatsgesetz zu den vorigen Ordnungen v. 26. Mai 1909 .......................... Kirchengesetz, betr. Sterbe- und Gnadenzeit, v. 18. Juli 1892 ............ — Staatsgesetz dazu v. 8. März 1893 ...................................................................... Dienstaltersgesetz v. 17. April 1886............................................................... —

593 618 634 647 664 665 682 691 694 694

Vierter Abschnitt.

Die nichtgeistlichen Kirchenbeamten. 1. Allgemein. Übersicht (Amt, Anstellung, Rechte u. Pflichten, wirtschaftliche Lage).. 700 Allgem. Landrecht, Teil II Tit. 11 §§ 550-567 ............................................ Erlaß, betr. Verpflichtung und Einführung, v. 2. Juli 1874......................... Prüfungsordnung für Organisten v. 6. Juni 1912.......................................... Kirchengesetz, betr. Ruhegehalt und Hinterbliebenensürsorge für Organisten, Kantoren und Küster, v. 7. Juli 1900 ............................................ ... Staatsgesetz dazu v. 7. Juli 1900 ........................................................................ Instruktion dazu v. 22. Aug. 1900........................................................................

710 714 715 718 729 730

2. Kirchen und Schulamt. Übersicht. A. Besetzung der Ämter. Erlasse v. 16. Mai 1865, 24. Juli 1884, 1. Aug. 1887 u. 14. März 1908 740 B. Doppelpflicht und Trennung der Ämter. Erlasse v. 20. Nov. 1874 u. 7. März 1887........................................................ 743 C. Abtrennung der niederen Küsterdienste. Erlasse v. 27. Febr. 1894,' 20. Febr. 1900 u. 21. Juni 1909 ....................... 745 D. Vertretungskosten. Erlasse v. 11. Aug. 1903/8. Jan. 1904 u. v. 1. Aug. 1912......................... 748 L. Gehalt. Lehrerbesoldungsgesetz v. 26. Mai 1909 ......................................................— 749 Lehrerpenstonsgesetz v. 6. Juli 1885............................................................. ........ 760

Abkürzungen Seitenzahlen ohne weitere Angaben beziehen sich auf Seiten dieses Werkes. Sind in den Fußnoten Zahlen von Paragraphen und Anmerkungen ohne weiteren Zusatz zitiert, so betreffen sie das Gesetz, bei welchem sich das Zitat befindet. Wegen der in den Fußnoten zu einem Gesetz vorkommenden Ab­ kürzungen sind auch die an die Spitze der Gesetze gestellten „Vormerke" zu beachten. Anmerkung. A. Ausführungs-Anweisung, AA. am angeführten Orte. aaO. Absatz. Abs. Abschnitt. Abschn. Allerhöchster Erlaß, AE. am Ende. aE. AG. Preuß. Ausführuugsgesetz. insbesondere: AGBGB. Ausf.-Geseh zum Bürgerl. Gesetzbuch v. 20 Sept. 1899 (GS. S. 177). Vgl. auch „BGBV." AG. zu der Reichsgrundbuchordnung v. 26. Sept. 1899 AG GBO. (GS. S. 307). Vgl. auch „GBV." AG. zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 24. April 1878 (GS. S. 230). AG. zur Zivilprozeßordnung i d Fass. v.6.Okt.l899 (GS.S.388). AGZPO. AGZwVsiG. AG. zum Zwangversteigerungsgesetz v. 23. Sept. 1899 (GS. S. 291). Allgemeine Gerichtsordnung v. 6. Juli 1793 (GS. 1815. S. 29). AGO. Aktenstücke aus der Verwaltung des Ev. Ober-Kirchenrats, Heft. AH. Allgemeines Kirchenblatt für das evang. Deutschland. AKBl. Allerhöchste Kabinettsorder. AKO. Satzungen der Alterszulagekasse für Geistliche. AKS. Aktenstücke aus der Verwaltung der evang. Abteilung des Aktenst. Kultusministeriums. Vorstand der Alterszulagekasse und Erlaß derselben. AKB. Preuß. Allgemeines Landrecht. ALR. Amtliche Mitteilungen (des Konsistoriums), oder auch: anderer AM. Meinung, je nach dem Sinn. Anl. Anleitung. Anm. Anmerkung. Anw. Anweisung. Art. Artikel. AusfAnw. Ausführungsanweisung (s. auch „AA."). Bd. Band Begr. Begründung des betreffenden Gesetzes, das in seinem Vormerk die Stelle der Veröffentlichung nachweist. Bek. Bekanntmachung. BGB. Bürgerliches Gesetzbuch. BGBl. Bundesgesetzblatt. BGBB. Verord. z. Ausf. des BGB. v. 16. Nov. 1899 (GS. S. 562).

mm®.

Goßner, Kirchenrecht. 2. Ausl.

B

Abkürzungen.

X Blums Ann. dB. De«. Denkschr. DisziplGes. DJZ. EG.

Einführungsges etz. insbesondere:

EGBGB. EGGVG. EGZPO. EGZwVst. EMD. EOK. Erk. Erl. FEG. (R)FGG. FM. (R)GBO. GBV. GewO. (R)GKG. GKR. GoltArch. Gruchot. GS. GSO. GSV. GV. GVG.

H.

Annalen den Reichsgerichts, Hrsg, von Blum. Dieses Buches (nämlich desjenigen, bei welchem sich das Zitat befindet). Deklaration. Die Denkschrift: Die Entwickelung der evang. Landeskirche der älteren preußischen Provinzen seit der Errichtung des Evang. Ober-Kirchenrats, Berlin 1910. Kirchliches Disziplinargesetz v. 16. Juli 1886. Deutsche Juristen-Zeitung.

Hinschius IM. JMBl.

EG. zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18. Aug. 1896 (RGBl. S. 604). EG. zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.Jan. 1877/17.Mai 1898 (RGBl. S. 77 bzw. 254). EG. zur Zivilprozeßordnung v. 30. Jan. 1877/17. Mai 1898 (RGBl. S. 244 bzw. 332). EG. zum Zwangsversteigerungsgesetz i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 750). Evang. Militärkirchliche Dienstverordnung v. 17. Okt. 1902. Evangelischer Ober-Kirchenrat und Erlaß desselben. Erkenntnis. Erlaß. Fürsorgeerziehungsgesetz v. 2. Juli 1900. Reichsgesetz, bett. freiwillige Gerichtsbarkeit, i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 771); vgl. „PrFGG." Finanzminister und Erlaß desselben. Reichsgrundbuchordnung i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 754). Verord. bett. d. Grundbuchwesen v. 13. Nov. 1899 (GS. S. 519). Gewerbeordnung v. 21. Juni 1869 (RGBl. 1900 S. 871). Gerichtskostengesetz i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 659) u. 1. Juni 1909 (das. S. 475); vgl. auch „PrGKG." Gemeinde-Kirchenrat. Goltdammer Archiv für preußisches Strafrecht. Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts. Preuß. Gesetzsammlung. Generalsynodalordnung. gedruckte Verhandlungen der Generalsynode. Gemeindevertretung. Gerichtsverfassungsgesetz i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 371.) Heft. (ohne Zusatz:) Bearbeitung von II 11 in Kochs ALR. Justizminister und Erlaß desselben. Justizministerialblatt.

Jnstr. Instruktion. JurWoch.(JW.) Juristische Wochenschrift. KAA. Kirchliche Ausführungsanweisung zum Kirchensteuergesetz. KABl. Kirchliches Amtsblatt (des betreffenden Konststoriums) v. K. Rspr. von Kamptz, Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts. Kamptz. von Kamptz, Annalen der preuß. inneren Staatsverwaltung.

Abkürzungen. KG.

KGJ. KGSO. KirchO. KommAbgG. KonkO. Kons. KonsJnstr. KrSyn. KrSynV. KSteuerges. KrlK. Lüttgert LBG. LG. MBl. MdgA. MdI. MdöffA. ME. MilKirchO. NeuvpR. OLG. OLGRspr. OstprProvR. OTr. OVG. PersStG. Pfarrarch. PfbG. PlB(eschl). Pr. Präj. PrFGG. PrGKG. Prot. ProvR. ProvSyn. ProvSynB. PrVBl. NegJnstr. Regl.

XI

Kammergericht und Entscheidung desselben (eine dem Datum hinzugefügte Bd.-Ziffer bezieht .sich auf die unter KGJ. bezeichnete Sammlung). Kirchengesetz. Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts von Johow. Kirchengemeinde- und Synodalordnung v. 1873. Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung. Kommunalabgabengesetz. Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und Ent­ scheidung desselben. Konkursordnung i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. S. 612). Konsistorium und Erlaß desselben. Konststorial-Jnstruktion v. 23. Okt. 1817. Kreissynode. Kreissynodalvorstand. Kirchensteuergesetz v. 26. Mai 1905. Kunze u. Kautz, Rechtsgrundsätze des Oberverwaltungsgerichts. Evang. Kirchenrecht in Rheinland-Westfalen von Lüttgert. Volksschullehrerbesoldungsgesetz v. 26. Mai 1909. Landgericht und die Entscheidung desselben. Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung. Minister der geistlichen Angelegenheiten und Erlaß desselben. Minister des Innern und Erlaß desselben. Minister der öffentlichen Arbeiten und Erlaß desselben. Ministerial-Erlaß (ohne weiteren Zusatz: des Ministers dgA.). Militärkirchenordnung v. 12. Februar 1832. Neuvorpommersches Recht. Oberlandesgericht und Entscheidung desselben. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, Hrsg, von Mugdan und Falkmann. Ostpreußisches Provinzialrecht. Obertribunal und Entscheidung fce3fel&ett1). Oberverwaltungsgericht und Entscheidung desselben*). Personenstandsgesetz v. 6. Febr. 1875. Preußisches Pfarrarchiv, herausgegeben von K. v. Rohrscheidt. Pfarrbesoldungsgesetz v. 26. Mai 1909. Plenarbeschluß. Preußisch. Präjudiz. Preußisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 21. Sept. 1899 (GS. S. 249-); vgl. ,,(R)FGG." Preuß. Gerichtskostengesetz i d Fass. v. 6. Okt. 1899 (GS. S. 326); vgl. auch „GKG." Protokolle. Provinzialrecht. Provinzialsynode. Vorstand der Provinzialsynode. Preußisches Verwaltungsblatt. Regierungs-Instruktion v. 23. Okt. 1817. Reglement.

l) Eine dem Datum der Entscheidung ohne weitere Angabe folgende Band- und Seitenziffer bezieht sich auf die offizielle Sammlung.

XII

Abkürzungen.

Ressort-Reglement. Reichsgericht und Entscheidung desselben in Zivilsachen*). Reichsgesetzblatt. Reichsgesetz. Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen. Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen*). Rheinland-Westfalen. (ohneZusatz) Kirchenordnung für evang. Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz von A. Richter. Satzungen der Ruhegehaltskasse für Geistliche. RKS. Vorstand der Ruhegehaltskasse und Erlaß desselben. RKV. Ruhegehaltsordnung für Geistliche v. 26. Mai 1909. RO. Reichsverfassung v. 16. April 1871 (BGBl. S. 63). RV. Seite, oder: siehe, je nach Sinn. S. Das evang. Kirchenrecht in Preußen von Schön. Schön. Preußisches Volksschularchiv, Hrsg, von K. v. Rohrscheidt. Schularch. Staatliche Ausführungsanweisung v. 24. März 1906 zum StAA. Staatsgesetz, betr. Kirchensteuer. Reichsstrafgesetzbuch. (R)StGB. Staatsgesetz. StGes. StMB(eschl-). Staatsministerialbeschluß. StölzelRechtspr. Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kom­ petenzkonflikte. Rechtsw. Rechtsweg und Kompetenzkonflikt in Preußen. (R)StPO. Reichsstrafprozeßordnung. Striethorst Archiv für Rechtfälle des Obertribunals. StrA. Staatsgesetz, betr. die Erhebung von Kirchensteuern, vom StSteuerG. 14. Juli 1905. Tarifstelle (insbes. des Stempelsteuergesetzes). Tf. Verordnung. V. Kirchl. Vermögensaufsichtsgesetz v. 18. Juli 1892. BAG. Verwaltungsarchiv, Zeitschrift für Verwaltungsrecht u. Ver­ BerivArch. waltungsgerichtsbarkeit. Verwaltungszwangsverfahren. VerwZwVerf. Verordnung, betr. das Verwaltungszwangsverfahren, vom VerwZwV. 15. Nov. 1899/18. März 1904 (GS. S. 545 bezw. 36). Kirchliche Vermögensverwaltungsordnung für die östlichen VO. Provinzen. Preußische Verfassungsurkunde. (Pr)VU. Volksschulunterhaltungsgesetz v. 28. Juli 1906. BUG. Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts. Warneyer WestprProvR. Westpreußisches Provinzialrecht. Kirchengesetz, betr. Hinterbliebenenfürsorge für Geistliche, vom WFG. 26. Mai 1906. Satzungen des Pfarrwitwen- und Waisenfonds für Geistliche. WFS. Vorstand des Pfarrwitwen- und Waisenfonds u. Erlaß desselben. WFB. ZBl. Zentralblatt der Unterrichtsverwaltung. Reichszivilprozeßordnung i d Fass. v. 20. Mai 1898 (RGBl. (R)ZPO. S. 410). Zuständigkeitsgesetz v. 2. Aug. 1883 (GS. S. 237). ZustG. Reichszwangsversteigerungsgesetz i d Fass., v. 20. Mai 1898 lR)ZwBstG. (RGBl. S. 713).

RessRegl. RG. RGBl. RGes. RGRspr. RGSt. Rh.-W. Richter

Erstes Buch.

Die Kirche. Erster Abschnitt.

Die Rirche im allgemeinen und die Union. Nbrrstchk. 1. Im weitesten Sinne begreift man unter Kirche die Gemeinschaft der Bekenner Christi. Ihre Einheit aber, auf welche Urspmng und erste Ent­ wickelung hinweisen, ist im Laufe der Zeit auf dem Gebiete der Lehre wie der Ordnung geschwunden. Nach Spaltung in die morgenländische und abend­ ländische (griechisch- und römisch-katholische) Kirche ist innerhalb der letzteren durch die Reformation des 16. Jahrhunderts die evangelische Kirche ent­ standen; und die geschichtliche Entwickelung hat es gefügt, daß auch sie wiederum in getrennten Zweigen, der lutherischen und der reformierten Konfession, er­ wachsen mußte. So gibt es mehrere Bekenntniskirchen. Nach ihrem Lehrbegriff ist die evangelische Kirche die Versammlung der Gläubigen, in welcher das Evangelium rein gelehrt und die heiligen Sakra­ mente laut des Evangelii gereicht werden1). Als reine Glaubensgemeinschaft ist sie eine unsichtbare Kirche; sofern sie durch Betätigung nach außen zur Erscheinung kommt, auch eine sichtbare. Rechtlich verfaßt ist nur die sichtbare Kirche. Wie aber die evangelische Rechtskirche keine universale Gestaltung gewonnen hat, so auch auf deutschem Boden insonderheit keine nationale. Als durch die Reformation die bisherige Verbindung der Evan­ gelischen mit der römisch-katholischen Kirche gelöst wurde, war das alte Deutsche Reich als Staat schon im Zerfall begriffen. Seine Fürsten wußten der Reichs­ gewalt gegenüber ihre Landeshoheit durchzusetzen und übernahmen auch die durch die Reformation bedingte Neuorganisation des Kirchenwesens in ihren Ländern unter engem Anschluß an die politische Verfassung. So entstand, der Vielheit der Territorien entsprechend, eine Vielheit deutscher Landesl)

Confessio Augustana Art. VII.

Goßner, Kirchenrecht. 2. Aufl.

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Buch I Abschn. I.

Die Kirche.

Archen.

Sie sind vornehmlich die rechtlichen Erscheinungformen der Bekenntniskirche. Wer wie diese Staatsgrenzen nicht kennte, so ist im be­ sonderen unter den deutschen Kirchen das Gemeinschaftsbewußtsein von je auf mannigfache Weise gepflegt worden2). Seit Mitte des vorigen Jahr­ hunderts besteht namentlich auch ein amtlicher Zusammenhang durch die alle zwei Jahre zusammenkommende Eisenacher Konferenzderdeutschen evangelischen Kirchenregierungen (einschl. der evangelischen Kirche Ostreich-Ungarn), und seit 1903durch den Deutschen EvangelischenKirchenausschuß (vgl. Abschn. IV A). Sn Preußen ist auch die synodale Vertretung der Landeskirche durch Gesetz auf die Weiter­ entwickelung des Gemeinschaftsbandes hingewiesen *). 2. Unter den deutschen evangelischen Landeskirchen nimmt die bedeut­ samste Stellung die Preußische ein. Genauer muß man eine Gmppe von Kirchen bezeichnen, die im Gebiete des preußischen Staates seinen politischen Schicksalen zufolge bestehen. Neben a) der altpreußischen evang. Landeskirche, welche die neun älteren Pro­ vinzen (Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommem, Posen, Schle­ sien, Sachsen, Westfalen und Rheinland) umfaßt, übrigens aber den letzteren beiden wiederum eine gewisse Sonderstellung läßt, gibt es b) die ev.-lutherische Kirche und die ev.-reformierte Kirche der Provinz Hannover, c) die ev.-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein (einschließlich des Herzogtums Lauenburg und der Insel Helgoland), d—f) die evangelischen Kirchen der Konsistorialbezirke Kassel, Wiesbaden und Frankfurt a. M. Me diese Kirchen sind geeint in dem über sie geübten Kirchenregimente *) OBG. v. 22. Juni 1909 Bd, 64 S. 218: Die evangelische Kirche besteht auch nach deutscher Auffassung für ihre Mitglieder, welche auf der ganzen Erde zerstreut sind, als eine einheitlich katholische, in bestimmten Unterschieden von der römischkatholischen und der griechisch-katholischen Kirche. Sie verzichtet keineswegs auf das Prädikat „katholisch" und hat insbesondere in Deutschland den rechtlichen Anspruch darauf stets festgehalten. ~) Wegen Zusammenfassung der Arbeit der inneren Mission durch den Zen­ tralausschuß für die Innere Mission der deutschen evange­ lisch e n K i r ch e s. Buch V Abschn. III Übersicht. — Ebenso erfaßt das ganze evan­ gelische Deutschland der Verein der Gustav-Adolf-Stiftung (mit dem Sitz in Leipzig), der den in der Diaspora (auch des Auslandes) lebenden bedrängten deutschen Glaubensgenossen durch Unterstützungen namentlich den Bau von Kirchen, Pfarrhäusern und Schulen ermöglichen will; er gliedert sich für die einzelnen deutschen Länder bzw. Provinzen in Hauptvereine, denen wieder Zweig-, Orts-, auch besondere Frauenvereine angeschlossen sind. — Wegen Einrichtung einer deutsch-evan­ gelischen Stiftung für Altertumswissenschaft vgl. Eisenacher Konferenz Beschluß V von 1900: AKBl. S. 612—614 (Verhandlung), 545—579 (Satzung, Geschäftsordnung, Instruktion). a) § 19 GSO. (in Buch II Abschn. IIA). Vgl. auch AKBl. 1900 S. 614 u. S. 413, 680—598.

Union.

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des Königs, sonst aber als selbständige korporative Genossenschaften verfaßt. Einige gemeinsame Einrichtungen, welche die neueste Zeit ins Leben gerufen Mterszulagekasse und Ruhegehaltskasse für Geistliche, Pfarrwitwen- und Waisenfonds), weist Buch IVAbschn. III nach. Im allgemeinen ist das alt­ ländische Borbild **) in der Gesetzgebung der neuen Provinzen nachgeahmt und damit materiell eine weitgehende Übereinstimmung erzielt. Mt der altpreußichsen Landeskirche stehen auch eine Reihe deutscher Kirchengemeinden außerhalb Deutschlands in Ver­ bindung (s. hierüber des näheren Abschn. IV B). 3. Die altpreußische evangelische Landeskirche erhält ihr besonderes Ge­ präge durch die Union, in der sie die lutherische und die reformierte Kon­ fession zu e i n e r Kirchengemeinschaft vereinigt. Beide haben ihren Ursprung in der Reformation; in der Augsburgischen Konfession kam ihr gemeinsames Bekenntnis zum Ausdruck. Der Westfälische Friede stellte den Katholiken die Protestanten oder Augsburgischen Konfessionsverwandten gegenüber, unter welchem Namen mit den Lutheranern die Reformierten als eine be­ sondere „pars“ zusammengefaßt wurden'), bestätigte aber auch den prote­ stantischen Ständen im Verhältnis zueinander das jus reformandi. Von diesem Rechte machte indessen in dem lutherischen Brandenburg Kurfürst Johann Sigismund, als er im Jahre 1613 zur reformierten Konfession über­ trat, keinen Gebrauch. Gewährte er den Reformierten offene freie Religions­ übung, so erhielt er andererseits auch die hergebrachten Rechte der Lutherischen. Damit war also in Kurbrandenburg der Grundsatz „cuius regio eius religio“ durchbrochen; beide Konfessionen waren gleichberechtigt. Diesem Zustand gab König Friedrich Wilhelm II. in dem die Religionsverfassung in den Preußischen Staaten betreffenden Edikte vom 9. Juli 1788 *) eine feste Rechtsgrundlage, indem er als „die drei Hauptkonfessionen der christlichen Religion die reformierte, lutherische und römisch-katholische" erklärte und die ersten beiden als „die beiden protestantischen Konfessionen" bezeichnete. Von ihnen spricht das ALR. als den „protestantischen Kirchengesellschaften des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses", indem es innerhalb desselben die beiden Sonderbekenntnisse als „Religionsparteien" bezeichnet, die zusammen mit der katholischen Konfession nach § 17 ALR. I111 (abgedr. in Abschn. II) als „vom Staate ausdrücklich aufgenommene Kirchengesellschaften" privi­ legiert werden. Schon Johann Sigismund hatte den Gegensatz der beiden protestantischen Sonderbekenntnisse durch das Gebot der Toleranzübung' zu dämpfen gesucht. Auch seine Nachfolger, unter denen sich durch Aufnahme

l) Das „gewissermaßen Preußisches Staatsrecht darstellt", OVG. 26. Nov. 1897 Bd. 32 S. 176. *) Bgl. OVG. b. 15. Mai 1908 Bd. 52 S. 249. 3) Abgedr Rabe, Sammt. Preuß. Gesetze Bd. I Abt. 7 S. 727. — Vgl. über dieses Edikt H i b r i ch, Staat und Kirche in der preußischen Monarchie am Aus­ gange des 18. Jahrhunderts (Verwaltungsarchib Bd. 20 S. 309).

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Buch I Abschn. I.

Die Kirche.

der vertriebenen ftanzösischen Reformierten und Erwerb neuer Landesteile die Zahl der reformierten Untertanen und die Bedeutung ihres Kirchenwefens im Lande wesentlich hob, betätigten mehrfach ihren Unionsgeist, doch ohne durchschlagende Erfolge. Über das Maß bloßer gegenseitige* * Duldung aber ging es schon hinaus, als zu Ende des 18. Jahrhunderts das allgemeine Land­ recht für die preußischen Staaten in § 39 ALR. I111 (s. Abschn. II) eine Kultus­ gemeinschaft für den Fall des einzelnen Bedürfnisses anordnete. Das eigent­ liche Werk der Union jedoch war Friedrich Wilhelm HI. vorbehalten. Der überzeugungsvolle Eifer, mit welchem er unter Teilnahme hervorragender Theologen wie Schleiermacher die Aufgabe erfaßte, begegnete günstigen Zeit­ verhältnissen in Wissenschaft und Leben der Kirche. Die dritte JahrhundertFeier der Reformaüon regte an zu einer bedeutsamen religiösen Tat. So erging unter dem27. September 1817 die grundlegende Uni­ onsurkunde, der Aufruf des Königs zu einer in der Einigkeit der Herzen gegründeten religiösen Vereinigung, „in welcher die reformierte Kirche nicht zur lutherischen und diese nicht zu jener übergeht, sondern beide eine neu be­ lebte evangelische chrislliche Kirche im Geiste ihres heiligen Stifters werden". Weitere Verordnungen der 30 und 50er Jahre schützen den Bekenntnisstand und die geschichtlich gewordene Ordnung in den Gemeinden, wahren aber auch wieder die Einheit der evang. Landeskirche in Verfassung und gottes­ dienstlicher Gemeinschaft. In diesem Sinne hat sich nach schweren inneren Kämpfen die Union jetzt innerhalb der preußischen Landeskirche allgemeine Anerkennung verschafft1). Eine durch ihre Einführung veranlaßte Abtren­ nung einzelner Lutheraner und vereinzelter lutherischer Gemeinden, die in der Landeskirche nicht mehr das reine lutherische Bekenntnis zu finden meinten, gewann keinen erheblicheren Umfang2). *) Vgl. Denkschrift des EOK. *) Durch Generalkonzession vom 23. Juli 1845 (GS. S. 516) und die ministerielle Ausführungsinstruktion vom 7. August 1847 (MBl. S. 317) wurden die Verhältnisse der „von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner" geregelt. Die Generallonzession hat eine Ergänzung und Änderung erfahren durch Gesetz vom 23. Mai 1908 GS. S. 155 (abgedr. in Buch I Abschn. III). Die Staatsregierung kann nach der Generalkonzession besondere Kirchengemeinden der sog. Mlutheraner genehmigen, die dadurch die Rechte einer juristischen Person erhalten, nach dem letzt­ gedachten Gesetze diese Rechte aber auch dem nicht unter dem landesherrlichen Kirchen­ regiment, sondern unter einem besonderen Vorstande, dem Oberkirchenkottegium in Breslau, stehenden „Verein der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden" verleihen. Dieser Name ist nunmehr durch das Gesetz, das auch erleichterte Formen für Ein- und Austritt schafft und den Gemeinden andere Vergünstigungen gewährt, ausdrücklich festgelegt, um Verwechslungen mit der evangelischen Landeskirche zu verhüten. Schon durch OVG. v. 30. Nov. 1900 (Bd. 38 S. 435) war es für unzulässig erachtet, daß die alllutherischen Geistlichen im amllichen Verkehr ihre Gemeinden und ihre gottesdienstlichen Gebäude als „evan­ gelisch-lutherische" Kirchengemeinden und Kirchen sowie sich selbst als „evangelisch­ lutherische Geistliche" bezeichnen, und ein landespolizeiliches Einschreiten des Re­ gierungspräsidenten dagegen als berechtigt anerkannt. Darüber, daß die lutherische

Union.

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Ihrem Wesen nach bedeutet die Union, die nicht absorptiven, sondern föderativen Charakter trägt, nicht eine Aufhebung der Autorität der Sonder­ bekenntnisschriften. Auf Grund der Voraussetzung, daß sich zwischen beiden Konfessionen eine Ausgleichung und Einigung vollzogen habe'), bezweckt sie eine äußere kirchliche Gemeinschaft. Bleiben das lutherische und das refor­ mierte Bekenntnis auch unvermischt erhalten, so hindert doch die Verschieden­ heit in einzelnen Lehrpunkten nicht die vollständige Gemeinschaft des Gottes­ dienstes, der Sakramente und der kirchlichen Gemeinderechte **), noch die Ver­ fassungsgemeinschaft, die in dem gemeinsamen Regiment des Königs und seiner konsistorialen Behörden, heute auch in dem die Union nicht berühren­ den *) synodalen Bestandteile zum Ausdmck gelangt. Waren die beiden Konfessionen vordem, insbesondere noch wie gesagt im Sinne des ALR., besondere Religionsparteien, besondere Kirchengesellschaften (Kirchen), so hat dies innerhalb der Union aufgehört; und sie bestehen nun beide, mag man ihre Bereinigung als Verbindung oder Verschmelzung ansehen, in der unierten evangelischen Landeskirche fort *). „Die evangelische Landes­ kirche stellt hiernach im Rechtssinne in gleicher Weise eine Konfessionskirche noch ebenso dar, wie eine andere deutsche evangelisch-lutherische oder evangelisch-reformierte Konfessionskirche" *). Der Beitritt der einzelnen landes­ kirchlichen Gemeinden zur Union blieb Sache freier Entschließung. Es gibt demgemäß Gemeinden lutherischen wie reformierten Bekenntnisses, die nicht uniert sind'). Andererseits sind zahlreiche Gemeinden auf Grund der ihnen gewährten Ermächtigung') über die Vereinigung in Regiment und Kultus Konfession sich nicht in der Gesellschaft der Mtlutheraner, sondern in der unierten Landeskirche fortsetzt, und daß jene Gesellschaft nicht als eine ösfeMlich aufgenom­ mene, sondern nur als eine geduldete im Sinne der §§ 17, 20 ALR. II. 11 anzusehen ist, vgl. außer der vorgedachten Entscheidung vor allem OBG. v. 29. Juni 1898 Bd. 33 S. 29 (KGVBl. S. 163). ') Vgl. Hinschius Kommentar A. 49 zu § 39 ALR. II11. >) So ausdrücklich anerkannt KirchO. Einl. § II (in Buch II Abschn. IID). -) GSO. § 1, vgl. auch § 18, und KirchO. Einl. § III. *) Vgl. OVG. 29. Juni 1898 Bd. 33 S. 29 (KGVBl. S. 163), v. 7. gebt. 1899 Bd. 35 S. 181 ff. und v. 15. Mai 1908 Bd. 52 S. 244 (KGVBl. S. 133). °) EOK. in KGVBl. 1903 S. 109. •) Auch für diese Gemeinden bildet selbstverständlich die unierte evangelische Landeskirche die Fortsetzung der Religionspartei, der sie vor der Union angehörten. Andererseits hat für sie noch heute die Vorschrift des § 39 ALR. II11 (in Abschn. II) Bedeutung behalten. Als symbolischer Ausdruck des Beitritts zur Union galt das Brechen des Brotes beim Wendmahl (vgl. Kamptz Sinn. Bd. 14 S. 324). Das Fehlen dieses Unionsritus beweist aber noch nicht die Mchtzugehörigkeit zur Union, da ihn auch beigetretene Gemeinden nicht immer angenommen haben. ’) OVG. 7. Februar 1899 Bd. 37 S. 183: Bei Einführung der Union war beabsichtigt worden, im Laufe der Zeit eine Übereinstimmung der Bekenntnisschriften beider Konfessionen und so die äußere und innere Verschmelzung der Konfessionen zustande zu bringen. MN Rücksicht hierauf ist, wie gleich der Wissenschaft die kirch­ liche Praxis annimmt, in den die Aufgaben der Union umschreibenden autenthischen Erklärungen nicht eine ab- und ausschließende Begriffsbestimmung, sondern nur die

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Buch I Abschn. I.

Die Kirche.

hinaus zu einer Lehmnion fortgeschritten, nach der sie sich zu dem Gemein­ samen der Bekenntnisse der beiderseitigen Konfessionen bekennen. Auch sind seit Einführung der Union im Bereich der Landeskirche viele Gemeinden ohne Beilegung eines Sonderkonfessionscharakters als „evangelische" errichtet worden. Die alten Gemeinden haben in der Mehrzahl den Sondercharakter als lutherisch oder reformiert beibehalten, mit oder ohne ausdrücklichen Vor­ behalt des Sondernamens. Unzweifelhaft sollte der Beitritt zur Union einen Konfessionswechsel nicht herbeiführen, weder den Übergang der einen Kon­ fession zur anderen, noch viel weniger die Bildung eines neuen dntten Bekennt­ nisses *1). Das gilt nicht nur von der Kultusunion, sondem auch von der Lehr­ union; auch diese läßt die Sonderbekenntnisse unberührt und faßt die ge­ meinsamen Grundsätze zusammen, auf denen die Einheitlichkeit der evange­ lischen Konfession, ihre Katholizität, bemht. Der nach gemeiner deutscher, auch im ALR. anerkannter Auffassung zu Recht bestehenden evangelischen Konfession entspricht auch ein einheitlicher kirchlicher Lehrbegriff insbesondere dahin, daß nur die Heilige Schrift die Quelle des evangelischen Glaubens und der wesentliche Inhalt desselben die Rechtfertigung des Menschen vor Gott allein durch den Glauben ist. Klar kommt einerseits die Einheitlichkeit der evangelischen Kirche und andererseits das Fehlen jeder Gegensätzlichkeit zu den Sonderbekenntnissen in der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung (Einl. §§ I—III) zum Ausdruck *). In der Einzelgemeinde schließt nach der Union das Sonderbekenntnis Mitgliedschaft der Angehörigen der anderen Konfession nicht aus').

Verordnungen über dir Union?) AKO. v. 27. Sept. 1817 (Kamptz Bd. 1 H. 3 S. 64). Schon Meine in Gott ruhende erleuchtete Vorfahren, der Kurfürst Johann Sigismund, der Kurfürst Georg Wilhelm, der große Kurfürst, König FriedBestimmung des Grades der Vereinigung zu suchen, der, wo immer Gemeinden der Union beigetreten sind, vermutet wird. Nicht aber sollte durch jene Erklärungen die Freiheit weiterer Vereinigung durch gänzliches Fallenlassen der Unterscheidungs­ lehren und Annahme des gemeinsamen Inhalts der beiderseitigen Bekenntnisse als symb olischer Norm beeinträchtigt werden. *) Vgl. insbesondere AKO. v. 6. März 1852 insbesondere dessen Vorsitzender, Sorge zu tragen. Etwaige Versäumnisse in dieser Beziehung machen, abgesehen von den für die Gültigkeit des Ge­ schäfts gesetzlich sich ergebenden Folgen, sowohl den Vorsitzenden, als die Mitglieder disziplinarisch verantwortlich und hinsichtlich der vermögens­ rechtlichen Folgen des betreffenden Geschäfts mit ihrem Privatvermögen regreßpflichtig. Die Aufstellung einer neuen allgemeinen Verwaltungsordnung für das kirchliche Vermögen im Wege der kirchlichen Gesetzgebung bleibt vorbe­ halten. 37. Die Dauer der Etatsperiode ist vom Gemeindekirchen­ gehören, durch die formgültige Erklärung nur die ordnungsmäßige Beschlußfassung der Gemeindeorgane festgestellt, nicht auch die etwa erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörden, noch des Patronates, KG. 30. April 1888 Bd. 8 S. 108, RG. 23. Dez. 1891 Bd. 29 S. 152. Erklärung des Vorsitzenden und zweier Ältesten zu gerichtlichem oder notariellem Protokoll ersetzt nicht die in § 22 vorgeschriebene Form der Willenserklärung, KG. 4. Febr. 1880 Bd. 1 S. 102. Der Vollziehung einer Vollmacht durch den Vorsitzenden bzw. einen Ältesten steht nicht entgegen, daß die Vollmacht auf ihn selbst lautet (ebensowenig auch der Teilnahme an der Beschlußfassung über die Bevollmächtigung), KG. 20. April 1881 Bd. 2 S. 71. Des­ gleichen schließt persönliche Beteiligung des Vorsitzenden als Nießbraucher seine Unterschrift unter der Willenserklärung nicht aus, KG. 13. Febr. 1882 Bd. 3 S. 148. — Vgl. wegen der verpflichtenden Willenserklärungen auch VO. § 5 Abs. 7 (in Buch VIII). Hat der Gemeindekirchenrat einen Vertrag unter Vorbehalt der Genehmigung der Gemeindevertretung und der Aufsichtsbehörden geschlossen, so kann der Mit­ kontrahent von demselben nicht beliebig zurücktreten: vielmehr ist er mindestens so­ lange gebunden, bis die zur Einholung der Genehmigung erforderliche Zeit abge­ laufen ist, RG. 19. Juni 1897 Bd. 40 S. 235. Der namens der Kirchengemeinde von einem Mitgliede ihres Vorstandes geschlossene Vertrag wird wirksam, sobald der Kirchenvorstand unter Mitwirkung jenes Mitgliedes ihn genehmigt; einer weiteren Erklärung bedarf es nicht, RG. 15. Jan. 1908 (Recht 1908 Beilage 2 Nr. 695). 85) Vgl. VO. § 1 Abs. 2. 86) Wegen Bestellung von Kommissionen s. A. 53.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

rat mit der Gemeindevertretung zu bestimmen, darf jedoch fünf Jahre nicht überschreiten. 38. Über die Funktionen der Gemeindevertretung bei der kirchlichen Vermögensverwaltung sind die Vorschriften § 31 der KG. und SO. maßgebend. Alle hier einzeln angegebenen Geschäfte müssen, so oft sie vorkommen, zur Beschlußfassung der Gemeindevertretung gebracht werden. Die Verpflichtung des Gemeindekirchenrats, insbesondere seines Vorsitzenden, ist es, dafür zu sorgen, daß dies überall geschieht; Versäum­ nisse, die in dieser Beziehung eintreten sollten, ziehen zwar nicht die Un­ gültigkeit der namens der Gemeinde mit dritten Personen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nach sich (§22 Abs. 2 KG. u. SO.), sie machen jedoch den Vorsitzenden und die Mitglieder des Gemeindekirchenrats in der unter Kr. 36 Abs. 1 angegebenen Weise verantwortlich und regreßpflichtig. Daneben steht dem Gemeindekirchenrat nach § 33 der KG. und SO. die Befugnis zu, auch andere Gegenstände, bei deren Erledigung er eine stärkere Beteiligung der Gemeinde an der Entscheidung für wünschenswert erachtet, durch ordentlichen Beschluß an die Gemeindevertretung zu verweisen. Dem Gemeindekirchenrat liegt in allen Fällen ob, die an die Gemeinde­ vertretung zu bringenden Geschäfte soweit vorzubereiten, daß die Entschei­ dung darüber durch die Beschlußfassung der letzteren erfolgen kann. 1 § 23. Dem Patron87) verbleiben, außer der Teilnahme an der Ver­ waltung des kirchlichen Vermögens durch die Beteiligung am Gemeinde­ kirchenrat (§ 6), da, wo derselbe Patronatslasten für die kirchlichen Bedürf­ nisse trägt88), die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchenkasse88) und das Recht der Zustimmung zu den nach den bestehenden Gesetzen seiner Genehmi­ gung unterliegenden Geschäften der Vermögensverwaltung88). 87) Vgl. Buch III. — § 23 wird auch auf den Kollator, der kirchenbaupslichtig ist, anzuwenden sein, EOK. 18. Dez. 1873 AH. 22 S. 253. 88) Auch wenn er nur subsidiär verpflichtet ist, vgl. VO. § 4 Abs. 1. Ob er nach dem Stande des primär verpflichteten Kirchenvermögens oder in Ermangelung von Bedürfnissen tatsächlich nichts zu leisten braucht, ist unerheblich. 89) Über die gesamte Kirchenkasse einschließlich besonderer vom Gemeindekirchen­ rate verwalteter Stiftungen und Nebenkassen und unabhängig davon, wieweit der Patron zu den einzelnen Bedürfnissen beizutragen hat, vgl. v. D ö m m i n g, Rechts­ stellung des Kirchenpatrons S. 17. Die Erträge der Kirchensteuern und ihre Ver­ wendung, wenn sie in besonderen Kirchengemeindekassen verwaltet werden, unter­ liegen aber nicht der Aufsicht des Patrons. 90) Das Recht der Aufsicht und Genehmigung begreift nicht die Befugnis, selbständig für die Kirchengemeinden Rechtshandlungen vorzunehmen, diese gebührt allein dem Gemeindekirchenrat. — Soweit aber patronatliche Genehmigung er­ forderlich, macht ihr Mangel das Geschäft rechtsunwirksam, RG. 23. Dez. 1891. Bd. 29 S. 152. Der Patron ist auch nicht befugt, dem Gemeindekirchenrate Wei­ sungen zu erteilen, sondern kann sich eventuell nur beschwerdeführend an das Kon­ sistorium wenden. Seine Aufsichtsbefugnisse sind wesentlich negativer Art und dazu bestimmt, etwaigen Unordnungen in der Verwaltung und nachteiligen Verwendungen des kirchlichen Vermögens, namentlich solchen, die das wegen der Patronatslasten

KG. u. SO. §§ 22 u. 23 (Rev. Instr. 38).

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In letzterer Beziehung91) gilt jedoch seine Zustimmung zu Beschlüssen des Gemeindekirchenrats und der Gemeindevertretung für erteilt, wenn er auf abschriftliche Zustellung des betreffenden Beschlusses nicht binnen dreißig Tagen nach dem Empfange dem Gemeindekirchenrat seinen Widerspruch zu erkennen gibt"). Geschieht das letztere, so steht dem Gemeindekirchenrat der Rekurs an die vorgesetzte Aufsichtsbehörde offen"). Diese ist befugt, geeignetenfalls") den Widerspruch des Patronats zu verwerfen und dessen Einwilligung zu ergänzen. beteiligte eigene Vermögen des Patrons, mittelbar schädigen könnten, vorzubeugen und sie abzuwehren, EOK. 12. Febr. 1889 Nr. 243 (bei Crisolli u. Schultz Verw.Ordnung S. 15). Die Kosten seines Aufsichts- und Zustimmungsrechts hat der Patron selbst zu tragen, daher keinen Anspruch auf frankierte Zusendungen und die Pflicht, seine Sendungen zu frankieren, v. Dömming S. 19; vgl. auch EOK. 17. Febr. 1885 KGBBl. S. 25. Wegen der Beteiligung des Patrons im einzeln s. ALR. II 11 §§ 629, 630 u. 637 (Kündigung und Ausleihung von Kirchenkapitalien), 645 (Darlehnsaufnahme 647 (Veräußerung kirchlicher Grundstücke), 651 u. 658 (Prozeßführung), 668 (Ver­ mietung und Verpachtung von kirchlichen Grundstücken), 680 (Verteilung von Kirchen­ sitzen in neuen Kirchen), 687 (Überschreitung des Betrages für außerordentliche Aus­ gaben), 782 (Vermietung von Pfarrwohngebäuden), .803 (Verpachtung von Dienst­ land), 807 (Verkauf von Bauholz aus dem Pfarrwalde) u. 824 (Verbesserung durch den Stelleninhaber); s auch §§ 700 (Anzeige von Bauten), 779 (Aufsicht über die Verwaltung der Pfarrgrundstücke) u. 822 (Einweisung des Pfarrers). Wenn RG. 23. Dez. 1891 Bd. 29 S. 154 ausführt, nach der Gesamtheit der landrechtlichen Be­ stimmungen habe der Patron den Substanzberührungen des Mrchenvermögens zuzustimmen, so tritt dieser allgemeinen Behauptung mit Recht Schön II S. 21 A. 2 entgegen; die Fälle des Genehmigungserfordernisses sind in den vorgenannten Vorschriften erschöpfend aufgezählt. 91) Die Vorschrift des Abs. 2 gilt auch für Genehmigung des Kirchenkassen­ etats mit) Dechargierung der Rechnung, MdgA. 23. Jan. 1880 KGVBl. S. 50. 02) Ist auch eine Begründung des Widerspruchs vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben, so ergibt sich ihre Zweckmäßigkeit doch von selbst, da der Patron sonst der Gefahr ausgesetzt ist, daß die gemäß Abs. 3 angerufene Aufsichtsbehörde den Widerspruch als grundlos ansieht und die Genehmigung ergänzt. In der Regel wird sie vor solchem Schritte allerdings den Patron hören. Auch wenn dieser sich noch nicht schlüssig machen kann, wird er, um sein Recht zu wahren, zunächst fristmäßig widersprechen müssen. Die Vorschrift gilt auch für das fiskalische Patronat, MdgA. 4. Jan. 1876 KGVBl. 1876/77 S. 125 u. 128. Bei Vorhandensein mehrerer Patrone s. ALR. I111 § 607 nebst Anm. dazu und VO. § 4 Abs. 2, bei ruhendem Patronat §§ 682 f. a. a. O. und Ges. 30. Aug. 1816 § 3 (in Buch III). 93) Für den Rekurs ist eine Form oder Frist nicht vorgeschrieben. Die Auf­ sichtsbehörde ist nach Ges. 25. Mai 1874 Art. 8 u. V. 9. Sept. 1876 Art. III Nr. 3 der Regierungspräsident (für Berlin Polizeipräsident) und in zweiter Instanz der Oberpräsident. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, RG. 27. Nov. 1882 Gruchot 27 S. 1046. — Auch dem Fiskus als Patron gegenüber ist die Ergänzung durch den Regierungspräsidenten zulässig, vgl. MdgA. 29. Jan. 1878 KGVBl. S. 37. 91) Wenn der Beschluß rechtlich unbedenklich und zweckmäßig ist.

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Buch II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

Kommt es für Urkunden auf formelle Feststellung der Zustimmung des Patrons an, und ist die letztere wegen Verabsäumung der dem Patron offen­ stehenden Erllärungsfrist für erteilt zu erachten, so wird die fehlende Unter­ schrift desselben durch die zuständige Aufsichtsbehörde ergänzt. Rev. Instr. 41. Die Rechte des Patrons in bezug auf die nach § 22 KG. und SO. von dem Gemeindekirchenrat zu führende kirchliche VermögensVerwaltung sind durch die Kirchengemeinde- und Synodalordnung (§ 23) und das Gesetz vom 25. Mai 1874 in folgender Weise geregelt: a) Denjenigen Patronaten, mit denen keine Patronatslasten verbunden sind, steht nur eine Teilnahme an der Verwaltung des Gemeinde­ kirchenrates in der Form des § 6 KG. u. SO., nicht aber eine Aufsicht über die Vermögensverwaltung oder ein Recht der Genehmigung zu einzelnen Geschäften der V ermögens Verwaltung zu. b) Da, wo der Patron Patronatslasten für die kirchlichen Bedürfnisse trägt, sind demselben die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchenkasse und das Recht der Zustimmung zu denjenigen einzelnen Geschäften der Vermögensverwaltung verblieben, welche nach den beim Erlaß der KG. und SO. bestehenden Gesetzen seiner Genehmigung unterlagen. Soweit demselben in beiden Beziehungen nach der früheren Verfassung der Gemeinde, nach Lokal- oder Provinzialgesetzen ein geringeres Maß von Rechten zustand, hat es hierbei sein Bewenden behüten, da die Kirchen­ gemeinde- und Synodalordnung dieserhalb dem Patron keine erweiterten Rechte beigelegt, sondern nur bestimmt hat, daß derselbe im Besitze der bis­ her genossenen verbleibt. Wo dagegen bisher die Wirksamkeit des Patrons hinsichtlich der Ver­ mögensverwaltung, wie nach Ortsverfassung und Provinzialgesetzen mehr­ fach der Fall ist, über die Funktionen der Aufsichtsführung mit der Zustim­ mung zu einzelnen, gesetzlich bestimmten Verwaltungsakten hinaus, zu einer Teilnahme an der laufenden Verwaltung sich erweitert hatte, ist letztere überall weggefallen und sind die Rechte des Patrons auf die in § 23 der KG. u. SO. angegebenen Befugnisse zurückgeführt95). 42. Unter die Funktionen der Aufsicht gehört namentlich die Ge­ nehmigung des Kirchenkassenetats sowie die Ab­ nahme und D echargieru ng der Kirchenkassenrech­ nung. Die in Hinsicht beider dem Gemeindekirchenrat und der Gemeinde­ vertretung (§24, § 31 Nr. 9 KG. u. SO.) beigelegten Rechte schließen die Betätigung der dem Patron zustehenden Aufsichtsrechte nicht aus, vielmehr sind Etats, wie Rechnungen, nachdem sie innerhalb der Gemeindekörper­ schaften ordnungsmäßig zustande gebracht resp. erledigt sind, dem Patron vorzulegen, damit er in Wahrnehmung des Aufsichtsrechts über die Ge­ nehmigung des Etats beschließen, die Rechnung prüfen und die Dechar95) Staatsgesetzlich sanktioniert durch Art. 9 Ges. 25. Mai 1874. Vgl. auch RG23. Dez. 1891 Bd. 29 S. 147.

KG. u. SO. §23 (Rev. Instr. 41—44).

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gierumg derselben auch seinerseits und damit abschließend vornehmen kann, womächst die Auslegung des Etats und der Jahresrechnung gemäß § 31 Nr. 19 der KG. u. SO. erfolgt96). Der Patron hat auf die Verwahrung oder Mitverwahrung des Kirchen- usw. Vermögens einen rechtlichen Anspruch nicht97), kanm aber die Abstellung von Mißständen hierbei verlangen. 43. Die Beschaffung der Patronatserklärungen ist übenall auf dem kürzesten Wege zu verfolgen. Wo der Patron selbst, be­ ziehentlich für eine juristische Person ein Patronatsvertreter in den Gemeimdekirchenrat eingetreten ist und an der Verhandlung desselben teil­ nimmt, kann zu einem Beschluß des Gemeindekirchenrates die patronatische Zustimmung, wenn solche sofort erklärt wird, als Peil der Verhandlung protokolliert werden; es muß jedoch in diesem Fall der.Patron resp. Patronatsvertireter jedesmal das Sitzungsprotokoll mit vollziehen. Wenn der Patron sich nicht sogleich erklären will oder abwesend ist, so muß demselben ein den betreffenden Beschluß enthaltender beglaubigter Auszug aus dem Protokollbuch gegen Empfangsbescheinigung98) zugestellt und seine Erklärung erwartet werden. Geht eine solche binnen 30 Tagen nicht ein, so gilt die Zustimmung des Patrons für erteilt und ist, wenn es auf Beurkundung darüber ankommt, die Ergänzung der Unterschrift des Patrons bei der zuständigen Aufsichtsbehörde unter der Vorlegung des betreffenden Beschlusses und der Empfangsbe­ scheinigung des Patrons durch Vermittlung des Konsistoriums nachzusuchen. Gibt dagegen der Patron innerhalb der dreißigtägigen Frist eine ab­ lehnende Erklärung ab, und kann die Differenz gütlich nicht beseitigt werden, so ist seitens des Gemeindekirchenrates der Rekurs an die Aufsichtsbehörde zu ergreifen und Abschrift der Rekursschrift dem Konsistorium einzu­ reichen. Die Bestimmungen, betr. die Ergänzung einer patronatischen Zustim­ mung, finden auch bezüglich der Rechnungsdecharge und Etatsgenehmigung Anwendung. 44. Bei Anwendung des § 23 Abs. 3 der KG. u. SO. ist die einschrän­ kende Bestimmung in Art. 8 des Gesetzes vom 25. Mai 1874 zu beachten; nach letzterer kann, wenn es sich um Ausgaben aus der Kirchenkasse handelt, für welche diese bisher nicht bestimmt gewesen ist, und wenn zugleich der 96) Vgl. auch VO. §§ 68 u. 82. Ein besonderes Nebenexemplar von Etat und Rechnung kann der Patron nicht fordern, EOK. 27. Febr. 1889 KGVBl. S. 29. Betreffs der Pfarrkasse steht dem Patron Genehmigung des Etats sowie Prüfung und Entlastung der Rechnung "nicht zu, vgl. Anm. zu § 11 PsbG. (in Buch VIII Abschn. III). 97) Desgleichen nicht zur selbständigen Vornahme von Kassenrevisionen, vgl. v. D ö m min g S. 17. 98) Bei Verweigerung der Annahme wird Zustellung durch den Gerichtsvoll­ zieher nötig (§ 132 BGB. u. § 167 ZPO.).

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Patron für die Kirchenkasse im Falle ihrer Unzulänglichkeit ganz oder teil­ weise einzutreten hat, die Einwilligung des Patrons zu solcher Ausgabe im Aufsichtswege nicht ergänzt werden; es ist daher, sobald die beiden Voraus­ setzungen dieser Ausnahmebestimmung klar vorliegen, eine Rekursein­ legung zu unterlassen, und hat der Gemeindekirchenrat von der betreffenden Ausgabe, soweit dazu der patronatische Konsens fehlt, in Hinsicht der Kirchenkasse abzustehen "). § 24. Für die Verwaltung der Kirchenkasse hat der Gemeindekirchenrat eines seiner Mitglieder zum Rendanten (Kirchmeister, Kirchenrechner usw.) zu ernennen "o). Demselben kann eine Vergütung für sächliche Ausgaben 101), nicht aber eine Besoldung angewiesen werden. Auslagen sind ihm zu ersetzen. Ist nach dem Umfange der Kasse eine unentgeltliche Verwaltung nicht zu erreichen, so kann der Gemeindekirchenrat einen besoldeten 9tenbonten102) anstellen; soll jedoch hierzu ein Mitglied des Gemeindekirchenrats ernannt werden, so ist die Genehmigung des Vorstandes der Kreissynode erforderlich. Der Rendant hat folgende Obliegenheiten103). a) Er erhebt die Einnahmen der Kirchenkasse und leistet die Ausgaben aus derselben. Die Ausgaben erfolgen, soweit es sich um feststehende Zah­ lungen an bestimmte Empfänger handelt, auf Grund des Etats, sonst 99) Etwas anderes ist es natürlich, wenn die neue Ausgabe durch Gesetz auf­ erlegt ist, so durch die Bestimmung, daß „die Ausgaben die Natur notwendiger kirch­ licher Aufwendungen" (vgl. § 73 KGSO., ferner § 1 Abs. 3 des KGes. betr. Umzugs­ kosten v. 10. Juli 1909), und wie dies z. B. mit den Beiträgen zur Merszulagekasse durch das PfbG. geschehen ist. In solchem Falle kann es sich nur darum handeln, ob die Kirchenkasse zur Bestreitung der Ausgaben fähig ist; die Entscheidung darüber steht bei Beschwerde des Patrons der kirchlichen Aufsichtsbehörde (Konsistorium) zu, EOK. 5. Juni 1877 KGVBl. S. 137 f. Eine Ergänzung der patronatlichen Genehmigung ist aber selbstverständlich ausgeschlossen für Beschlüsse, durch die dem Patron selbst eine Verpflichtung auferlegt werden soll, insbes. also bei Bauten. Hier kommt bei Widerspruch des Patrons das Bauresolut in Frage, vgl. VO. § 27. Das gilt insbesondere auch gegenüber einem einzelnen widersprechenden Kompatron, der zu Leistungen auch durch Beschluß der Mehrheit nicht angehalten werden kann. 10°) Vgl. wegen Bestellung des Rendanten auch VO. §§ 61—65 (in Buch VIII) Für die Pfarrkassenrendantur gelten die gleichen Vorschriften. In der Regel wird dieselbe dem Kirchenkassenrendanten mitzuübertragen, ein besonderer Rendant nur ausnahmsweise zu bestellen sein, vgl. Anm. zu § 11 PfbG. (in Buch IV Abschn. III). 101) Die Vergütung kann auch in einer Pauschalsumme gewährt werden. 102) Wegen Bewilligung des Gehalts s. § 31 Zif. 8. Ein besoldeter Rendant ist Kirchendiener (Buch IV Abschn. IV Übers. 1), untersteht also dem kirchlichen Disziplinargesetz, hat für sein Rendantengehalt die Kommunalsteuervorrechte der Kirchendiener, ist zum Stadtverordneten nicht wählbar, OVG. 22. April 1887 Bd. 15 S. 79 und 14. Dez. 1888 Bd. 17 S. 124 (KGVBl. 1889 S. 32). 103) Wegen Kassenführung und Kassenrevision, Etatsaufstellung und Rech­ nungslegung s. des näheren VO. §§ 65—88.

KG. u. SO. §§ 24 u. 25 (Rev. Instr. 34 u. 35).

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auf besondere schriftliche Zahlungsanweisung des Vorsitzenden des Ge­ meindekirchenrats. b) Er legt dem Gemeindekirchenrate jährlich Rechnung ab und hat sich den von diesem angeordneten Kassenrevisionen zu unterwerfen. c) Er führt die nächste Aufsicht über die kirchlichen Gebäude, Grundstücke, Geräte und sonstigen Jnventarienstücke. Wegen der zur Instandhaltung oder Erneuerung derselben erforderlichen Lohnarbeiten, Anschaffungen oder Bauunternehmungen hat er beim Gemeindekirchenrate recht­ zeitig Anträge zu stellen. Im übrigen sind für den Geschäftsbetrieb des Rendanten bis auf weiteres die in den einzelnen Gemeinden geltenden und die im Anschluß daran von den Gemeindekirchenräten zu treffenden Bestimmungen maßgebend. Rev. Instr. 34. Der für die Verwaltung der Kirchenkasse nach § 24 der KG. u. SO. ernannte Rendant ist dem Konsistorium jedesmal zur Anzeige zu bringen. 35. Die nach § 24 Absatz 4 daselbst etwa notwendige Anstellung eines be­ soldeten Rendanten geschieht mittelst schriftlichen Vertrages104), in welchem dem Gemeindekirchenrat jedesmal die Befugnis vorzubehalten ist, den Vertrag mittelst sechsmonatlicher Kündigung zu lösen, und ist eine Kaution zu be­ dingen, für deren Höhe der Umfang der Geschäfts Verwaltung und die für Staats­ kassenverwaltungen geltenden Bestimmungen zum Anhalt dienen können105). Wenn der Gemeindekirchenrat ausnahmsweise einem seiner Mitglieder die besoldete Kirchenrendantur übertragen will, so kann dies bis dahin, daß die Genehmigung des Kreissynodalvorstandes erteilt ist (§ 24 Abs. 4 KG. u. SO.) nur provisorisch geschehen. § 25. 10. Der Gemeindekirchenrat ist das Organ der Gemeinde gegen­ über den Kirchenbehörden und den Synoden. Er hat das Interesse der Ge­ meinde sowohl durch Erledigung von Vorlagen der Kirchenregierung, insbe­ sondere bei Parochialveränderungen"*), als auch geeignetenfalls durch Ein­ bringung von Anträgen 107) wahrzunehmen. 104) Bei einer jährlichen Vergütung von mehr als 1500 Mk. 1 Mk. Stempel erforderlich, vgl. Stempelsteuergesetz in der Fassung v. 30. Juni 1909 (GS. S. 535) § 5 Abs. 6 und Tarif 71 Zif. 2 b. 106) Vgl. § 63 VO. 106) Vgl. Art. 2 Zif. 4 Ges. 25. Mai 1874. Ein Zustimmungsrecht ist damit den Gemeindekirchenräten nicht gegeben. Vielmehr bleibt es bei dem bestehenden Rechte, wonach die Interessenten, namens der Gemeinde also der Gemeindekirchenrat, nur zu hören. Über den Zeitpunkt, wann dies zu geschehen hat, befindet die die Ver­ handlung leitende Behörde nach Lage des Einzelfalles, EOK. 15. Sept. 1874 AH. 22 S. 267 u. MdgA. 5. Jan. 1877 KGVBl. S. 142. Vgl. im übrigen wegen Parochialveränderungen Übers. S. 115 u. § 239 ALR. II11 (S. 126). 107) Das Petitionsrecht der Gemeindekirchenräte ist ein innerkirchliches; es beschränkt sich auf eigene Angelegenheiten, ist nur den Synoden und Kirchenbehörden, nicht den staatlichen Behörden und gesetzgebenden Körperschaften gegenüber ein­ geräumt, Woltersdorf in Zeitschr. f. Kirchenr. 3. Folge Bd. X S. 255. ©ofencr, Kirchenrecht. 2. Ausl.

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Buch II Abschn. II, Die neueren Verfassungsgesetze.

§ 26. 11. Der Gemeindekirchenrat soll in der Gemeinde die Erveckung einer tebenbigen Teilnahme an ihren Aufgaben und Interessen sich anselegen sein lassen und zu diesem Behufe namentlich die Wünsche und Anliegm ein­ zelner Gemeindeglieder willig entgegennehmen und fleißig erwägen. Auch hat er bei geeigneten Gelegenheiten, z. B. bei der Wahl der Gemeindevatreter, über die zur Veröffentlichung sich eignenden wichtigeren Vorgänge seines Berwaltungsgebiets der Gemeinde Mitteilung zu machen.

III. Gemeindevertretung. § 27. In Kirchengemeinden von 500 Seelen oder darüber tirio durch Wahl der Gemeinde (§ 34 ff.) eine Gemeindevertretung gebildet. In Gemeinden unter 500 Seelen kommen die Rechte der Gemendevertretung der Versammlung der wahlberechtigten Gemeindeglieder 5111,s). 108) Ausnahme: § 50 Zif. 3 (Wahl zur Kreissynode), auch KGes. 17. Nai 1895 § 2 Abs. 4 (Wahl zur Stadtsynode). — In den kleinen Gemeinden könnte iur aus­ nahmsweise durch Statut (§ 46) eine Gemeindevertretung eingerichtet werden. Im Gegensatz zu dieser ist die Versammlung der wahlberechtigten Gemeiiüeglieder kein sormiertes Gemeindeorgan. Um den Kreis derselben sestzustellen, kmn aber auch außerhalb des sür die Bildung der Gemeindeorgane verordneten Äermines Rev. Jnstr. 4 (S. 189) namentlich zum Zwecke einer bevorstehenden P'arrwahl eine Feststellung und Ergänzung der Wählerliste stattfinden, EOK. 12. Jili 1882 KGBBl. S. 70. Für die Beschlußfassung der Versammlung gelten im allgemeinen die §§ 29—33. Doch greift betr. der Beschlußfähigkeit die Besttmmung in § 50 Abs. 2 nicht Platz; vielmehr ist bei ordnungsmäßiger Einberufung unter Angabe des Gegen­ standes der Beratung (vgl. §§ 53—57 ALR. II 6) schon die erste Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig, vgl. VO § 5 Abs. 4 (in Buch VIII); so auch laut Mitteilung in AKBl. 1897 S. 215 der Minister dgA. (vgl. dagegen aber Ges. 25. Mai 1874 Art. 3 Abs. 1 u. 2). Die Zusammenberusung der Versammlung, die für die Wahlen der Gemeindeorgane ausdrücklich geordnet ist (§ 37), hat sonst in ortsüblicher Weise und mangels solcher Form gemäß Ges. 23. Jan. 1846 zu ge­ schehen, vgl. EOK 14. Juli 1857 AH. 9 S. 204. Es lautet dieses Gesetz vom 23. Januar 1846 betr. dieForm der Zusammen­ berufung von Kirchengemeinden (GS. S. 23). § 1. Die Einladung der Mitglieder einer Kirchengemeinde zu einer Versammlung, in der ein Gemeindebeschluß gefaßt werden soll, kann nicht bloß wie bisher durch die im § 57 ALR. II 6 vorgeschriebene Insinuation an jedes Gemeindemitglied, sondern mit gleicher rechtlicher Wirkung auch dadurch geschehen, daß solche der zum Haupt­ gottesdienste in der Kirche versammelten Gemeinde auf die im § 2 näher bestimmte Weise bekanntgemacht wird. § 2. Die Einladung muß den Gegenstand, über welchen beschlossen werden soll, sowie die Zeit und den Ort der Versammlung angeben. Sie muß in der Pfarr­ kirche der Gemeinde an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen, an welchen ein Hauptgottesdienst gehalten wird, bei demselben vorgelesen werden. Besitzt dieselbe Gemeinde noch andere Kirchen, in welchen an Sonntagen Haupt­ gottesdienst gehalten wird, so muß auch in diesen Kirchen die Vorlesung der Einladung wenigstens an einem Sonntage beim Hauptgottesdienst geschehen. Sind jedoch mehrere Gemeinden, deren jede eine Kirche besitzt, unter einem Pfarrer vereinigt, so muß die Vorlesung in der Kirche jeder dieser Gemeinden, insofern die Einladung

KG. u. SO. §§ 26—29.

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Sind mehrere Gemeinden unter einem gemeinschaftlichen Pfarramt ver­ bunden (vereinigte Muttergemeinden, Mutter- und Tochtergemeinden), und beträgt die Gesamtseelenzahl derselben 500 oder darüber "), so ist für die im § 2 Absatz 2 vorgesehenen Fälle in jeder Gemeinde, ohne Rücksicht auf deren Seelenzahl, eine Gemeindevertretung zu bilden no). Ob die für Bildung der Vertretung entscheidende Seelenzahl in einer Gemeinde dauernd vorhanden ist, wird durch Beschluß des Gemeindekirchen­ rats festgestellt. § 28. Die Stärke der Gemeindevertretung beträgt das dreifache der nor­ malen ul) Zahl der Ältesten. Eine stärkere Zahl von Mitgliedern kann auf Antrag der Gemeindever­ tretung nach gutachtlicher Anhörung der Kreissynode vom Konsistorium ge­ nehmigt werden. § 29. Die Gemeindevertretung verhandelt und beschließt in Gemeinschaft mit dem Gemeindekirchenrate über die von dem letzteren zur Beratung vorgelegten Gegenstände112). Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats ist zugleich Vorsitzender der zu einem Kollegium vereinigten Versammlung. auch an sie gerichtet ist, bei drei aufeinanderfolgenden sonntäglichen Hauptgottes­ diensten erfolgen. § 3. Über die geschehene Vorlesung hat der ordentliche Pfarrer ein Attest zu erteilen, welches den Inhalt der Einladung, sowie die Sonntage, an welchen, und die Kirchen, in welchen das Vorlesen erfolgt ist, angeben und mit dem Kirchensiegel versehen sein muß. Ein diesen Vorschriften gemäß ausgestelltes Attest hat volle Beweiskraft. § 4. Wo es nach dem Ermessen der einladenden Behörde den örtlichen Ver­ hältnissen entsprechend erscheint, kann die Einladung, außer deren Verkündigung in der Kirche, auch noch durch die öffentlichen Blätter bekanntgemacht werden. . § 5. Die Order vom 9. Mai 1829 wegen Zusammenberufung der Kirchen­ gemeinde in großen Städten wird hierdurch aufgehoben. 109) Sonst gilt also auch für die gemeinsamen Angelegenheiten Abs. 2. 110) In den Sonderverhandlungen der Einzelgemeinde, auch wenn sie in Verfolg des Beschlusses der Gesamtparochie nötig werden, tritt aber nicht diese Gemeinde­ vertretung in Wirksamkeit, sondern beschließt gemäß Abs. 2 die Versammlung der wahlberechtigten Gemeindemitglieder. 111) Einschließlich der Stelle des Patronatsältesten (§ 6), auch wenn sie unbesetzt ist. m) Der Gemeindekirchenrat muß also zunächst immer über den Gegenstand beschließen, EOK. 15. Nov. 1880 KGBBl. S. 144, vgl. auch VO. § 3. Daß dies aus­ nahmsweise erst in der Sitzung der vereinigten Gemeindeorgane erfolgt, wird jeden­ falls nur dann unbedenllich erscheinen, wenn der Gemeindekirchenrat vollzählig versammelt ist und von keiner Seite ein Einspruch erfolgt. Im übrigen kann, wenn nur rber den Verhandlungsgegenstand selbst vorberaten ist, über erweiternde An­ trage aus der Mitte der Gemeindevertretung, die den Gegenstand nicht verändern, unmittelbar Beschluß gefaßt werden. Machen solche Anträge aber neue Feststellungen und Beschlußfassung in neuer Sitzung nötig, so wird eine erneute Vorprüfung in besonderer Sitzung des Gemeindekirchenrats stattzufinden haben, vgl. Kons. Münster 22. Febr. 1907 (Richter, Rh.-W. KirchO. S. 145). Legt der Gemeindekirchenrat eine der Mitwirkung der Gemeindevertretung bedürfende Sache dieser nicht vor, so kam im Aufsichtswege gemäß § 29 Abs. 3 geholfen werden.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Sie wird je nach dem vorhandenen Bedürfnisse unter Angabe der nesemtlichen Gegenstände der Verhandlung berufen. Auf Verlangen des Konsistoriums muß die Berufung jederzeit erstlgsen. Die Einladung geschieht durch den Vorsitzenden schriftlich oder in somst ortsüblicher Weiset). Rcv. Instr. 39. In formeller Beziehung folgen die Verhandhngen der Gemeindevertretung den für die Verhandlungen des Gemeindekirclnnrats gegebenen Vorschriften (s. 0. Nr. 31 und 32). In dem Protokoll ülber die Verhandlung ist der Vorlegung des Gegenstandes durch den Gemiindekirchenrat Erwähnung zu tun. 40. Bei der Versammlung der Gemeindevertretung treten die Mit­ glieder des Gemeindekirchenrats und die Gemeindevertreter zu einem unge­ teilten Kollegium zusammen. Zur Beschlußfähigkeit kommt es daher nicht darauf an, ob von jedem der einzelnen Vertretungskörper mehr als die Hälfte teilgenommen hat. § 30. Auf die Versammlungen, Beratungen und Beschlüsse der Ge­ meindevertretung finden die Bestimmungen des § 11 Anwendung. Ist auf die erste Einladung die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Mehr­ heit der Gemeindevertretung nicht erschienen, so ist eine zweite Versammlung zu veranstalten, in welcher die Erschienenen ohne Rücksicht auf ihre Zahl die Gemeinde gültig vertreten"4). Die Beschlüsse werden in das Protokollbuch des Gemeindekirchenrats eingetragen115). § 31.* In folgenden Angelegenheiten bebatfm) der Gemeindekirchenrat der beschließenden Mitwirkung der Gemeindevertretung117): 1. bei dem Erwerb, der Veräußerung und der dinglichen Belastung von Grundeigentum118), der Verpachtung und Vermietung von Kirchen113) Spätestens doch wohl am Tage vor der Sitzung, wenn auch gesetzlich eine Frist nicht vorgeschrieben ist, vgl. § 31 KirchO. 114) Voraussetzung ist also, daß zu beiden Versammlungen ordnungsmäßig insbesondere unter Angabe desselben Gegenstandes der Beratung geladen ist, vgl. BO. § 5 Abs. 4; dann kann letztenfalls auch der Vorsitzende allein Beschluß fassen. — Für neue Gegenstände der zweiten Versammlung bemißt sich die Beschlußfähigkeit selbstverständlich nach §§ 30 Abs. 1 u. 11 Abs. 3. — Gesetzlich unzulässig ist es, sogleich mit der Einladung zu der ersten Versammlung für den Fall ihrer Beschlußunfähigkeit eine zweite Versammlung einzuberufen, die dann unter allen Umständen beschluß­ fähig sein soll; vielmehr muß erst die Beschlußunfähigkeit festgestellt sein, ehe eine zweite Einladung ergehen kann. 115) Vgl. wegen der Protokolle die eingehenden Vorschriften in VO. § 5. lie) Einen weiteren Fall s. Pfarrwahlgesetz v. 15. März 1886 § 12 Abs. 2 a. E. Unterläßt der Gemeindekirchenrat die Berufung der Gemeindevertretung, so kann das Konsistorium auf Beschwerde oder von Amts wegen dieselbe gemäß § 29 Abs. 3 anordnen. Wegen freiwilliger Zuziehung der Gemeindevertretung f. § 33. 117) Vgl. Rev. Instr. Nr. 38 (S. 172) und VO. § 3. 118) Dazu gehören auch die dem Grundeigentum rechtlich gleichstehenden Ge­ rechtsame. Vgl. im übrigen VO. § 28.

KG. u. SO. 8829—31 (Rev. Instr. 39il40).

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grundstücken auf länger als zehn Jahre, und der Verpachtung oder Ver­ mietung der den kirchlichen Beamten zur Nutzung oder zum Gebrauch über­ wiesenen Grundstücke über die Dienstzeit des jewelligen Inhabers hinaus"9); bei außerordentlichen Nutzungen des Vermögens, welche die Substanz selbst angreifen, sowie bei Kündigung und Einziehung von Kapitalien, sofern sie nicht zur zinsbaren Wiederbelegung etfolgt120); bei Anleihen *"), soweit sie nicht bloß zur vorübergehenden Aushülfe dienen und aus den laufenden Einnahmen derselben Voranschlags­ periode zurückerstattet werden können; bei der Anstellung von Prozessen, soweit sich dieselben nicht auf Ein­ treibung fortlaufender Zinsen und Gefälle oder die Einziehung aus­ stehender Kapitalien, deren Zinsen rückständig geblieben sind, beschränken, desgleichen bei der Abschließung von Vergleichen m); bei Neubauten und erheblichen Reparaturen an Baulichkeiten, sofern nicht über die Notwendigkeit der Bauausführung bereits durch die zu­ ständige Behörde endgültig entschieden ist. Für erheblich gelten Re­ paraturen, deren Kostenanschlag 50 Taler übersteigt. Im Fall des Be­ dürfnisses kann die Gemeindevertretung ein für allemal die Vollmacht des Gemeindekirchenrats zur Vornahme höher veranschlagter Repara­ turen, jedoch nicht über die Summe von je 300 Taler hinaus, erweitern m). Die Vorschriften 1 bis 5 finden Anwendung auf alles kirchliche Ver­ mögen, gleichviel ob es rechtlich der Gemeinde, der Kirche oder einer kirchlichen Stiftung gehört, sofern es nur der Verwaltung der früheren Kirchenvorsteher, der Gemeinde oder einer Gemeindekörperschaft unter­ legen hat'2*); bei der Beschaffung der zu den kirchlichen Bedürfnissen erforderlichen Geldmittel und Leistungen, soweit solche nicht nach bestehendem Rechte aus dem Kirchenvermögen oder vom Patrone, oder von sonst speziell Verpflichteten zu gewähren sind, insbesondere bei Festsetzung der auf die Gemeinde zu repartierenden Umlagen und bei Bestimmung des Repartitionsfußes12S), welcher nach Maßgabe direkter Staatssteuern oder am Ort erhobener Kommunalsteuern festgesetzt werden muf$12e);

119) Vgl. VO. 8§ 45 u. 48. 120) Vgl. VO. 8 18, auch 8 31 Abs. 4 (Verwendung von Kapitalien bei beab­ sichtigter Refundierung). 121) Vgl. VO. 8 50. Wegen vorschußweiser Entnahme aus dem Kirchenvermögen, die häufig auch als „Anleihe" bezeichnet wird, vgl. VO. 8 31 Abs. 4. 122) Vgl. VO. 8§ 92 u. 91 Abs. 2. 123) Vgl. BO. S§ 22—27. 1M) Vgl. KGSO. 8 22 Abs. 1. 12S) Vgl. VO. 8§ 49, 50 u. 52 und insbes. das Kirchensteuergesetz v. 26. Mai 1905. Wegen des Verhältnisses des letzteren zu 8 31 Zif. 6 s. namentlich Buch VIII Abschn. II Übersicht. i2«) Dieser Repartitionsfuß ist beseitigt bzw. erseht durch § 9 KStGes., ins­ besondere gehört er nicht zu den in 8 30 des letzteren aufrechterhaltenen Steuerfüßen.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

7. bei Veränderungen bestehender und Einführung neuer Gebühren­ taxen 127); 8. bei Bewilligungen aus der Kirchenkasse zur Dotierung neuer Stellen für den Dienst der Gemeinde, sowie zur dauernden Verbesserung des Einkommens der bestehenden; bei dauernder Verminderung solcher, auf der Kirchenkasse haftender Bewilligungen; bei Verwandlung veränderlicher Einnahmen der Kirchenbeamten in feste Hebungen oder bei Umwand­ lung von Naturaleinkünften in Geldrente, letzteres, soweit nicht die Um­ wandlung in dem durch die Staatsgesetze geordneten Ablösungsverfahren erfolgt128); 9. bei der Feststellung des Etats der Kirchenkasse und der Voranschlags­ periode, sowie, wenn die jährliche etatsmäßige Solleinnahme der Kirchen­ kasse 300 Taler oder mehr beträgt, bei der Abnahme der Jahresrechnung und Erteilung der Decharge. In allen Fällen ist der Etat und die Jahresrechnung nach erfolgter Feststellung resp. Decharge auf 14 Tage zur Einsicht der Gemeindeglieder öffentlich auszulegen m); 10. bei Bewilligungen aus der Kirchenkasse an andere Gemeinden oder zur Unterstützung evangelisch-christlicher Vereine und Anstalten, sofern die­ selben einzeln zwei Prozent der etatsmäßigen Solleinnahme der Kirchen­ kasse übersteigen. Bis zu diesem Betrage ist der Gemeindekirchenrat zu solchen Bewilligungen ermächtigt, doch darf der Gesamtbettag derselben während eines Jahres fünf Prozent der Solleinnahme nicht über­ schreiten 130); 11. bei Errichtung von Gemeindestatuten (§ 46). § 32. Die bestehenden Vorschriften über die Verleihung der Pfarrämter und die der Gesamtheit der Gemeinde dabei gebührende Mitwirkung^), desgleichen über das Einspruchsrecht der Gemeinden nach §§ 330—339 Tit. 11 127) Vgl. VO. § 40. 1M) Vgl. VO. §§ 42 u. 43. 129) Vgl. VO. §§ 66 ff., insbes. 68 f., 81, 82, und Rev. Jnstt. Nr. 37 (S. 171). Wegen Anwendbarkeit auf die Pfarrkasse s. Anm. zu § 11 PfbG (in Buch IV Abschn. III). 180) Zu der Solleinnahme gehören auch Einnahmen aus kirchlichen Umlagen. Die Bewilligung an ausländische Gemeinden ist nicht ausgeschlossen, OVG. 20. Setzt. 1907 Bd. 51 S. 187. Wenn die Bewilligung einzeln 2 % und der Gesamtjahresbettag 5% der Solleinnahme nicht überschreitet, bedarf es auch kirchen- und staatsaussichtlicher Genehmigung nicht, Ges. 3. Juni 1876 Att. 24 Zif. 8 u. VAG. § 1 Zif. 5; sonst ist wie Zusttmmung der Gemeindevettretung so auch Genehmigung des EOK. und des MdgA. erforderlich, wohl auch VO § 18 Abs. 2. — Darüber, daß unter evangelisch­ christliche Anstalten nicht Schulen fallen, und daß nicht laufende Unterstützungen gewährt werden dürfen, vgl. Schön I S. 376 A. 3. 131) Soweit die Pfarrwahl oder das Recht der Mitwirkung an ihr der Ge­ samtheit der Mitglieder einer Kirchengemeinde gebührte, bestimmt jetzt Kirchengesetz 28. März 1892 (in Buch IV Abschn. I, vgl. dort auch Übers. Nr. 2).

KG. u. SO. §§ 31—34.

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Teil II Allgemeinen Landrechts bleiben bis auf weiteres, insbesondere bis zur landesgesetzlichen Ausführung des Artikels 17 der Verfassungsurkunde, mit folgenden Maßgaben in Geltung: 1. Diejenigen Rechte der Wahl oder der Teilnahme an der Wahl des Pfarrers, welche bisher kirchengemeindlichen Wahlkollegien zugestanden haben, werden, an deren Stelle, von dem Gemeindekirchenrat in Gemeinschaft mit der Gemeindevertretung “*) geübt. Haben bisher Kommunen oder andere Korporationen an den zur Ausübung eines Gemeindewahlrechts gebildeten Wahlkollegien teil­ genommen, so kommt diese Berechtigung in Wegfall, soweit sie nicht nachweisbar auf dem Patronat oder einem anderen besonderen Rechts­ titel beruht. 2. Pfarrstellen, welche bisher auf Grund des fiskalischen Patronats, spe­ zieller Statuten oder aus anderen Gründen der freien kirchenregimentlichen Verleihung unterlegen haben, werden dergestalt besetzt, daß die Kirchenbehörde in dem einen Erledigungsfalle mit, in dem anderen ohne Konkurrenz einer Gemeindewahl den Pfarrer beruft. Die Wahl erfolgt durch den Gemeindekirchenrat in Gemeinschaft mit der Gemeinde­ vertretung. Die näheren Bestimmungen bleiben einer besonderen König­ lichen Verordnung vorbehalten333). Auf Pfarrstellen, mit deren Verleihung die gleichzeitige Übertra­ gung eines kirchenregimentlichen Amts verbunden werden soll, findet diese Vorschrift keine Anwendung. § 33. Der Gemeindekirchenrat ist befugt, auch andere Gemeindeange­ legenheiten, die ihm dazu geeignet scheinen, an die Gemeindevertretung zur Beratung und Beschließung zu bringen131). Die infolgedessen gefaßten Beschlüsse sind für den Gemeindekirchenrat maßgebend.

IV. Bildung der Gemeindeorgane. § 34. Die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeindever­ tretung werden von den wahlberechtigten Gemeindegliedern gewählt. Wahlberechtigt sind alle männlichen selbständigen, über 24 Jahre13S) 132) Zu den vereinigten Gemeindekörperschaften gehören auch die Geistlichen; ihr Ausschluß von der Pfarrwahl könnte daher nur durch Gemeindestatut (§ 46) ermöglicht werden, EOK. 23. Sept. 1874 AH. 22 S. 269. 133) s. B. 2. Dez. 1874 GS. S. 355 und an deren Stelle jetzt Pfarrwahlgesetz v. 15. März 1886 insbes. § 14 (in Buch IV Abschn. I, vgl. dort auch Übers. Nr. 2). m) Vgl. Rev. Jnstr. Nr. 38 Abs. 2 (S. 172). Zur Beratung und Beschluß­ fassung der Gemeindevertretung sind aber nicht disziplinäre Entscheidungen (§ 14 KGSO., Kirchenzuchtsgesetz v. 30. Juli 1880) geeignet, s. Jnstr. zu letzterem v. 23. August 1880 Nr. 11 (in Buch V Abschn. IV). 136) Maßgebend ist der Beginn des Tages, an welchem das betreffende Jahr vollendet wird. Die Erfordernisse des § 34 müssen spätestens im Zeitpunkt des Ab-

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

alten Mitglieder der Gemeinde136), welche bereits ein Jahr13S) in der Genennde oder, wo mehrere Gemeinden am Orte sind, an diesem Orte wohnen B7)„ zu den kirchlichen Gemeindelasten nach Maßgabe der dazu bestehenden Ver­ pflichtung*33) beitragen und sich zum Eintritt in die wahlberechtigte Geneünde ordnungsmäßig nach Maßgabe der darüber zu erlassenden Instruktion-"9) angemeldet haben. Der Patron ist wahlberechtigt, auch wenn er nicht am Orte der Geneimde wohnt 14°). schlusses der Wählerliste für alle in die Liste Eingetragenen zeitlich erfüllt Jen. An­ meldungen, aus denen sich ergibt, daß die zeitlichen Erfordernisse des § 34 noch micht erfüllt sind, sind zwar entgegenzunehmen; es kann ihnen jedoch die Folge drr (Ein­ tragung in die Wählerliste erst dann gegeben werden, wenn jene Erfordernisse zur Zeit des Abschlusses der Wählerliste tatsächlich erfüllt sind, EOK. 6. Juli 1910 KGVB!. S. 56. 136) Die Kirchengemeinde- und Synodalordnung bestimmt den Beigriff der Gemeindemitgliedschaft nicht, vgl. Rev. Jnstr. Nr. 9 (S. 191); maßgebend ist das allgemeine Recht. Danach sind erforderlich Konfessionsverwandtschast und Wohnsitz in der Gemeinde, vgl. des näheren A. 1, ferner Anm. zu § 260 ALR. E111 (S. 134) und zu § 2 des Kirchensteuergesetzes. Wie für die Gemeindemitgliedschaft, so ist für die Wahlberechtigung im besonderen Staatsangehörigkeit nicht Erfordernis, vergl. Zeitschr. f. Kirchenr. Bd. XXII S. 330. Auch die Geistlichen sind unter den genannten Voraussetzungen (insbes. einjähriger Wohnsitz am Ort u. Anmeldung) wahlberechtigt in der Gemeinde, in der sie wohnen; so jetzt EOK. 19. Aug. 1882 KGVBl. S. 71. Ist es danach ihrem eigenen pflichtmäßigen Ermessen zu über­ lassen, ob und inwieweit sie ohne Gefährdung ihrer amtlichen Stellung in der Ge­ meinde an der Wahlabstimmung glauben teilnehmen zu können, so rechnet der EOK. doch darauf, daß sie mit der nötigen Vorsicht verfahren und sich namentlich jeder Art von Wahlagitation enthalten werden. 137) Bei Verzug aus der Gemeinde in eine andere desselben Ortes ist An­ meldung zur Wählerliste in der neuen Gemeinde nötig. Erfolgt der Wohnungs­ wechsel zwar vor der Wahl, aber erst nach Abschluß der Wählerliste, so ist Mitwahl in der neuen Gemeinde nicht möglich, da die Voraussetzung der Gemeindemitglied­ schaft zur Zeit des Abschlusses der Wählerliste nicht vorhanden war, vgl. A. 135. 138) Wer mangels bestehender Verpflichtung zu den Gemeindelasten nicht beiträgt, wie die Geistlichen von ihrem Diensteinkommen, sonstige gesetzlich Befreite, freigelassene Steuerklassen (§§ 6—8 u. 11 Abs. 4 KStGes. 26. Mai 1905), ist darum von der Wählerliste nicht ausgeschlossen; auch nicht bei Streit über die Verpflichtung, 11. u. 19. Dez. 1873 AH. 22 S. 271, 273. Nichtevangelische, wie auch ev. Forensen, ferner juristische Personen sind trotz Beitragspflicht von ihren in der Gemeinde gelegenen Grundstücken, weil nicht Gemeindemitglieder, niemals wahlberechtigt, EOK. 27. Jan. u. 27. Okt. 1874 AH. 22 S. 284. 139) Rev. Jnstr. Nr. 2 ff. (S. 188). 14°) Wenn er dort zwar wohnt, aber noch nicht ein Jahr lang. Das gilt gleicherweise auch von dem ein für allemal bestellten Vertreter eines nichtphysischen Patronats (§ 6 Abs. 2). — Mit dem fehlenden Wohnsitz entfällt natürlich auch das Erfordernis der Gemeindemitgliedschaft und der Eintragung in die Wählerliste (vgl. auch EOK. 16. Okt. 1883 KGVBl. S. 134. Die weitere Voraussetzung der Gemeinde­ mitgliedschaft, die Konfessionsübereinstimmung und die sonstigen Erfordernisse des § 34 Abs. 2 (männliches Geschlecht, Selbständigkeit, Alter) müssen aber vorhanden sein. Desgleichen finden selbstverständlich Abs. 5 u. 6 Anwendung. — Von mehreren Kompatronen ist unter den gegebenen Voraussetzungen jeder wahlberechtigt.

KG. u. SO. § 34.

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Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen: 1. welche keinen eigenen Hausstand haben141) oder kein öffentliches Amt14a) bekleiden oder kein eigenes Geschäft, beziehungsweise nicht als Mitglied einer Familie deren Geschäft führen"8); 2. welche unter Kuratel stehen^) oder sich im Konkurs befinden; 3. welche im letzten Jahre vor der Wahl armutshalber Unterstützung aus Stmiemmtteht14$) oder Erlaß der Staatssteuern oder der kirchlichen Beiträge genossen habend"). Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist: 1. wer nicht im Vollbesitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich befindet"7); 2. wer wegen eines Verbrechens oder wegen eines solchen Vergehens, welches die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen muß oder farnt"8), in Untersuchung sich befindet"8), bis zur Beendigung der Sache; 3. wer durch Verachtung des göttlichen Wortes 15°) oder unehrbaren Lebens­ wandel ein öffentliches, noch nicht durch nachhaltige Besserung gesühntes Argemis gegeben hat; 4. wer wegen Verletzung besonderer kirchlicher Pflichten nach Vorschrift eines Kirchengesetzes des Wahlrechts verlustig erklärt ist151). 141) Vgl. § 356 ALR. II 11 (Nichtunterordnung unter ein mitwählendes Familienhaupt). Daß jemand in einer anderen Familie ein möbliertes Zimmer gemietet oder sich in Pension gegeben hat, schließt den eigenen Hausstand nicht aus; Voraussetzung ist nur wirtschaftliche Unabbängigkeit, vgl. auch Schön I S. 320 A. 5. 142) Ein solches bekleiden Reichs-, unmittelbare und mittelbare Staatsbeamte, Kirchenbeamte. Diensteid oder Gehalt sind nicht wesentliche Voraussetzungen der Beamteneigenschaft, RG. i. Strfs. 3. Mai 1888 u. 24. Juni 1880 Bd. 10 S. 372 u. 2 S. 108. 143) Das Vorhandensein auch nur einer dieser Voraussetzungen begründet die Selbständigkeit im Sinne des § 34. 144) Geisteskranke, Geistesschwache, Verschwender, Trunksüchtige (§§ 6, 104, 114 BGB.), die entmündigt sind und einen Vormund erhalten haben (§ 1896) oder nach Antrag auf Entmündigung unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind (§ 1906). Durch Bestellung eines Pflegers (§ 1910) wird die Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt. 145) Bei der Armenunterstützung handelt es sich natürlich nur um öffentliche, vgl. auch § 11 Schlußabs. KStGes. 26. Mai 1905. 146) Ein Erlaß liegt nicht vor, wenn das Gemeindeglied nach den allgemeinen steuerlichen Maßnahmen überhaupt nicht veranlagt ist, vgl. A. 138. 147) Vgl. § 36 RStGB. 148) Vgl. § 32 RStGB. 149) Von Eröffnung des Hauptverfahrens (Einleitung des Ermittlungsver­ fahrens und der Eröffnung der Voruntersuchung genügen nicht, vgl. S ch ö n I S. 322 A. 1) bis zur Rechtskraft des Urteils. l6°) Daß hierunter nicht bloße Unkirchlichkeit zu verstehen, ergibt sich aus § 35 Abs. 1, vgl. auch EOK. 18. Dez. 1873 AH. 22 S. 271. 61) Also noch nicht während schwebenden Verfahrens. Vgl. im übrigen § 41 Abs. 2, ferner Kirchenzuchtsgesetz 30. Juli 1880, §§ 4—7 (in Buch V Abschn. IV).

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Die neueren Versassungsgesetze.

Das Wahlrecht ruht bei allen, welche mit Bezahlung kirchlicher Umlagen über ein Jahr im Rückstände sind162). § 35. Wählbar in die Gemeindevertretung sind alle Wahlberechtigten, sofern sie nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffentlichen Gottesdienste und von der Teilnahme an den Sakramenten ihre kirchliche Gemeinschaft zu betätigen aufgehört haben153). Die 6. ord. Generalsynode hat eine amtliche Prüfung der Wählerliste dahin angeregt, ob dieselbe Eintragungen oder Personen enthalte, gegen die das im KGes. 30. Juli 1880 betr. Verletzung kirchlicher Pflichten vorgeschriebene Verfahren anzu­ wenden ist. Im Anschluß daran hat der EOK. v. 28. Februar u. 18. März 1911 I 187 auf Grund der Wahrnehmung, daß die Wählerlisten der großstädtischen Gemeinden an vielfachen, für den Bestand der Wahlen oft verhängnisvollen Ungenauigkeiten leiden, insbesondere den Verzug von Wählern nicht genügend beachten, auch sonst Revision der Listen empfohlen. 152) Doch nicht, wenn die Verpflichtung streitig/ s. A. 138. 15S) Feststellung weiterer Erfordernisse der Wählbarkeit, wie Besitz von Grund­ eigentum, durch Gemeindestatut nach § 46 ist, weil wesentlichen Vorschriften der Kirchenordnung zuwider, nicht zulässig EOK. 22. Okt. 1878 KGVBl. S. 153. Listen der wählbaren Personen werden nicht aufgestellt. Mängel der Wählbarkeit können erst nach der Wahl im Wege des Einspruchs gemäß § 40 geltend gemacht werden. Das gilt vor allem betreffs der besonderen Erfordernisse des § 35, EOK. 18. Dez. 1873 AH. 22 S. 271; aber auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Wähl­ barkeit, welche sich gemäß § 34 mit denen der Wahlfähigkeit decken; denn die Frage nach jener ist gleichwohl eine selbständige, Nichtbeanstandung bei Aufstellung der Wählerliste steht späterer Prüfung der Wählbarkeit nicht entgegen, EOK. 5. Sept. 1874 AH. 22 S. 275. Die über die kirchliche und sittliche Unbescholtenheit, welche schon § 34 Abs. 5 Zif. 3 voraussetzt, hinaus durch § 35 für die Wählbarkeit im be­ sonderen geforderte Betätigung kirchlicher Gemeinschaft hat nicht bloß solche in der betreffenden Gemeinde, sondern in der Landeskirche überhaupt im Auge. Fern­ haltung von deren Gottesdiensten und Sakramenten, deren Dauer die Abneigung zweifelsfrei erkennen lassen muß, im übrigen konkret zu bemessen ist, schließt die Wählbarkeit aus. Vgl. auch EOK. 15. Dez. 1884 betr. sektiererische Bewegungen Abs. 4 (S. 72). Eine Person darf nicht mehrere Stimmen in den Gemeindeorganen führen. Demgemäß unzulässig gleichzeitige Wirksamkeit als Ältester und Vertreter, weshalb der zum Ältesten gewählte Vertreter zwecks Annahme der Wahl das bisherige Amt niederzulegen hat, EOK. 26. Jan. 1874 AH. 22 S. 272 u. 1. Febr. 1877 KGVBl. S. 58; unzulässig ferner die Wahl des Pfarrers als Ältesten oder Vertreter (s. S.155 A. 14); desgleichen des Patrons, der gemäß §6 in den Gemeindekirchenrat ein­ getreten ist (Friedberg VerfR. S. 306), auch des von ihm ernannten Patronatsältesten ohne Niederlegung dieses Amtes (vgl. A. 189). Im übrigen ist der Patron wählbar, auch wenn er einen Ältesten ernannt hat, EOK. 18. Dez. 1873 AH. 22 S. 253. Auch hängt seine Wählbarkeit, wenngleich sonst die allgemeinen Erfordernisse erfüllt sein müssen, doch gemäß § 34 Abs. 3 von Wohnsitz in der Wahlgemeinde und Eintragung in die Wählerliste nicht ab (vgl. auch A. 140). Wählbar sind mangels entgegen­ stehender Vorschrift auch die niederen Kirchendiener (EOK. 30. Dez. 1873 AH. 22 S. 286 läßt es unentschieden), desgleichen selbstverständlich Lehrer. Grundsätzlich bleibt zu beachten, daß für die Wahlen zu den kirchlichen Ver­ tretungen die durch religiöse und kirchliche Gesinnung, sittliche Tüchtigkeit und Intelligenz hervorragenden Gemeindeglieder ohne Rücksicht auf ihren Stand

KG. u. SO. §§34-36.

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Wählbar in den Gemeindekirchenrat sind alle zum Eintritt in die Ge­ meindevertretung befähigten Personen, welche das dreißigste Lebensjahr voll­ endet haben 153) 154). § 36. Der Gemeindekirchenrat155) ordnet die Wahl für die Gememdeorgane an und legt die von ihm aufgestellte Liste der Wahlberechtigten (§ 18) in einem jedermann zugänglichen Lokale 14 Tage lang öffentlich aus. Ort und Zeit der Auslegung sind \m Hauptgottesdienste von der Kanzel bekanntzumachen, mit dem Beifügen, daß nach Verlauf der Auslegungsfrist Reklamationen gegen die Liste nicht mehr angebracht werden können. Nach dem Ermessen des Gemeindekirchenrats kann die Bekanntmachung auch noch m anderen, den örtlichen Verhältnißen entsprechenden Formen erfolgen. Die eingehenden Reklamationen hat der Gemeindekirchenrat zu prüfen und geeignetenfalls die Liste zu berichtigen; gegen emen ablehnenden Bescheid steht dem dadurch von der Wahl Ausgeschlossenen binnen 14 Tagen der Rekurs an den Vorstand der Kreissynode §u 156) 157). Durch Einlegung des Rekurses in erster Linie in Frage kommen. Unter Berücksichtigung dieser Eigenschaft ist es erwünscht, auch Kräfte aus dem Arbeiterstande, aber ebenso auch anderen wirtschaftlich schwächeren Berufsschichten, z. B. aus dem kleineren Handwerkerstande, zu gewinnen für die örtlichen Kirchengemeinden wie auf den Synodalstufen (Kreis-, Provinzialund Generalsynode). Wie jedes Mitglied einer kirchlichen Vertretung werden auch sie nicht als Vertreter ihres Standes, sondern als Vertreter der Gemeinde — der örtlichen wie der synodalen — in ihrer Gesamtheit berufen. Vgl. EOK. 20. Januar 1911 u. 3 August 1912 (I 3283/10 u, 1876). 164) Die Kirchengemeindeordnung für Hohenzollern § 32 fordert ferner, daß die in den Gemeindekirchenrat zu Wählenden am Gottesdienst und dem heiligen Abend­ mahle fleißig teilnehmen und, wenn sie in gemischter Ehe leben, wenigstens ihre Söhne im evang. Glauben erziehen lassen, wovon Ausnahmen nur unter besonderen Verhältnissen durch das Konsistorium gestattet werden können. 155)3n neugegründeten Gemeinden hat das Konsistorium in analoger Anwendung der für die allgemeine Durchführung der Kirchengemeindeordnung s. Z. durch Nr. 2 der Jnstr. v. 31. Okt. 1873 AH. 22 S. 205 gegebenen Vorschrift einige ge­ eignete Personen als Kommissare zu bestellen, welche sich den Funktionen eines Ge­ meindekirchenrats für die erstmalige Bildung der Gemeindeorgane zu unterziehen haben. Sie haben also gemäß § 36 die Wählerlisten aufzustellen, wobei aber zu beachten ist, daß als Grundlage derselben die in ihrer früheren Gemeinde Eingetragenen ohne weiteres in sie zu übertragen sind (vgl. Rev Jnstr Nr. 3 a. E.), nach §§ 37, 38 die Wahl herbeizuführen, auch die Legalität der Wahl zu prüfen (§ 39) und über Ein­ sprüche zu entscheiden (§ 40). 156) Wegen Berechtigung zur Reklamation gegen die ausgelegte Wählerliste läßt das Gesetz im Zweifel. Doch muß solche sowohl gegen Übergehung, als anderer­ seits auch gegen die erfolgte Eintragung in die Wählerliste statthaft erscheinen (vgl. EOK. 3. März 1877 KGVBl. S. 113 Schlußabsatz). Von der Reklamation des Über­ gangenen abgesehen, sind die persönlichen Erfordernisse der Legitimation fraglich. Jedenfalls kann aber nur ein Mitglied der betreffenden Kirchengemeinde reklamieren. Eintragung in die Wählerliste erscheint nicht notwendig. Die übrigen Erfordernisse des § 34 aber werden verlangt werden können, insbesondere also männliches Geschlecht und Alter von 24 Jahren, zum mindesten aber Großjährigkeit. Zu weit dürfte dagegen Schön I S 344 A. 5 gehen, der die Berechtigung schon zu-

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Buch II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

wird die anstehende Wahl nicht aufgehalten158). Zwischen dem Ende der ReLamattonsfrist und dem Tage der Wahl müssen mindestens vierzehn Tage in der Mitte liegen. Rev. Instr. 1. Die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeindevertretung werden von denjenigen Gemeindegliedern gewählt, welche in die von dem Gemeindekirchenrat geführte Wählerlistein) eingetragen sind (§§ 18 und 34 KG. u. SO.). 2. Anmeldungen zur Eintragung in dieselbe können jederzeit erfolgen: alljährlich an mindestens zwei Sonntagen des Monats August 16°) ergeht von der Kanzel die Aufforderung zur Anmeldung derjenigen, welche in die frühere Wählerliste noch nicht eingetragen sind161). In den be­ treffenden Kanzelabkündigungen ist anzugeben, von wem, wo und zu welcher Zeit Anmeldungen entgegengenommen werden. 3. Die Anmeldung erfolgt mündlich bei dem Vorsitzenden oder den mit Entgegennahme von Anmeldungen beauftragten Mitgliedern des Gemeinde­ kirchenrats 162). Dabei ist ein Protokoll aufzunehmen oder ein Anmeldungsgesteht, sofern das Gemeindeglied nur die kirchliche Mündigkeit besitzt, die regel­ mäßig Konfirmation voraussetzt. Ob bei Reklamation eines Dritten der Beteiligte vor der Entscheidung zu hören, hängt vom Ermessen des Gemeindekirchenrats ab. Wird die Reklamation gegen eine Eintragung für begründet erachtet, so fehlt für den von der Wahl Ausgeschlossenen, den das Gesetz überhaupt nur zum Rekurse zuläßt, freilich die Möglichkeit dieses Rechtsmittels, da dessen Einlegung auf den Fall ablehnenden Bescheides des Gemeindekirchenrats beschränkt ist. Allerdings kann er, worauf Schön I 6.345 zutreffend hinweist, wenn er noch rechtzeitig von seiner Streichung erfährt, gegen die so nach seiner Ansicht fälschlich berichtigte Liste nun seinerseits reklamieren und bei Ablehnung Rekurs einlegen. — Soweit Rekurs zulässig, muß der Reklamationsbescheid schriftlich erteilt und die Zustellung wegen Beginnes der präklusivischen Frist beurkundet werden. — Vgl. auch § 55 Zis. 8. 167) Für alle die Wahlvorbereitung betreffenden Mängel ist in § 36, weil sie direkt oder indirekt sich gegen die aufgestellte Wählerliste richten, eine be­ sondere Beschwerdefrist geordnet, nach deren Ablauf jede instanzmäßige Anfechtung der Wahlvorbereitung ausgeschlossen ist. Das Gesetz hat damit eine besondere Ge­ währ dafür geschaffen, daß noch vor der Wahl selbst die für sie in der Wählerliste vorbereitete formelle Grundlage der persönlichen Wahlberechtigung rechtlich unan­ fechtbar wird, EOK. 5. März 1910 KGBBl. S. 60. 158) Wird aber nachträglich der Rekurs für begründet erachtet, so kann da­ durch die Gültigkeit der inzwischen vollzogenen Wahl beeinflußt werden. "8) Trotz mehrerer Ortschaften, die zur Kirchengemeinde gehören, ist nur eine Liste für alle Wähler aufzustellen, EOK. 13. Febr. 1874 AH. 22 S. 277. 16°) Eventuell September, vgl. Rev. Instr. Nr. 10 A (6.191). 161) Die frühere Wählerliste ist also auch bei den ferneren Neuwahlen, ohne daß es für die schon Eingetragenen nochmaliger Anmeldung bedarf, zugrunde zu legen; indem sie nach Maßgabe der inzwischen erfolgten Änderungen berichtigt und auf Grund der Neuanmeldungen ergänzt wird. Selbstredend wird dadurch eine völlige Umschreibung aus Rücksichten der alphabetischen Ordnung oder sonstigen Gründen nicht ausgeschlossen, vgl. auch EOK. 22. Jan. u. 27. März 1880 KGBBl. S. 4 u. 50. 162) Der Ort, an dem die Anmeldungen zu erfolgen haben, ist vom Gemeinde-

KG. u. SO. § 36 (Rev. Instr. 1—5).

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Formular auszufüllen163), welches, sich auf folgende Punkte erstrecken muß: a) Vorname und Zuname, b) Lebensalter, c) Stand oder Gewerbe, d) Woh­ nung, e) Wie lange in der Gemeinde (am Orte) wohnhaft ? f) Ob selbständig ? g) Ob der sich Anmeldende nach Maßgabe der dazu bestehenden Verpflich­ tung zu den kirchlichen Gemeindelasten beiträgt ? h) Bemerkungen (etwaiger Verlust bürgerlicher oder kirchlicher Rechte). Die Frage der Selbständigkeit ist nach §34 Abs. 4 KG. u. SO. zu beurteilen. Das Protokoll bzw. Anmeldungsformular, welches mit dem Datum des Anmeldungstages zu versehen ist, hat sowohl der sich Anmeldende, als das die Anmeldung entgegennehmende Mitglied des Gemeindekirchenrats zu unterzeichnen. Werden neue Kirchengemeinden aus Teilen bestehender Kirchenge­ meinden gebildet, so sind diejenigen Mitglieder der neuen Gemeinden, welche yor dem Tage des Inkrafttretens der Umpfarrungsverfügung in die Wähler­ liste einer der geteilten Gemeinden aufgenommen sind, ohne neue Anmeldung in die Wählerliste der neuen Gemeinde zu übertragen164). 4. Die Wählerliste ist mit Ende August1M) des Wahljahres (§ 43 Abs. 1 und 2 KG. u. SO.) derart abzuschließen und festzustellen, daß deren öffentliche Auslegung spätestens 4 Wochen vor dem Wahltage beginnt. 5. Der Termin des Abschlusses der Wählerliste ist an den demselben vorangehenden zwei Sonntagen unter fortdauernder Aufforderung zur An­ meldung und unter dem ausdrücklichen Hinweise von der Kanzel bekannt­ zumachen, daß die nach dem Abschluß erfolgenden Anmeldungen für die bevorstehende Wahl kein Stimmrecht gewähren. Gleichzeitig beginnt die bis zum Ablauf der Auslegungsfrist sonntäglich zu wiederholende Kanzelabkündigung über Ort und Zeit der Auslegung der Wählerliste unter dem Beifügen, daß nach Verlauf der Auslegungsfrist Re­ klamationen gegen die Liste nicht mehr angebracht werden können (§36 Abs. 2 KG. u. SO.). Zu der Kanzelabkündigung ist das als Anlage 1 abgedruckte Formular zu benutzen. (Dasselbe lautet:) „1. Der christlichen Gemeinde ist bekanntzumachen, daß im Herbst dieses Jahres die Neuwahlen zum Gemeindekirchenrat und zur Ge­ meindevertretung stattfinden werden. kirchemate zu bestimmen und in der Kanzelabkündigung bekanntzumachen, vgl. Anl. 1 zu Rev. Instr. 5 (S. 190). Als solcher wird je nach den Verhältnissen das etwa vorhandene Amtslokal, die Wohnung des oder der die Anmeldung Entgegen­ nehmenden oder ein anderes dazu geeignetes Lokal zu wählen sein. Unzulässig ist es, die Anmeldung in der Wohnung des Anmeldenden entgegenzunehmen, EOK. 3. März 1888 KGVBl. S. 18, vgl. auch EOK. 5. März 1910 das. S. 60. 163) Das Anmeldungssormular ersetzt also nur das Protokoll, aber nicht die mündliche Anmeldung. 164) Nachtrag v. 28. Juli 1894 KGVBl. S. 71. 165) Eventuell mit dem 7. Oktober, vgl. Rev. Instr. Nr. 10 A (S. 191). — Wegen außerperiodischer Feststellung der Wählerliste s. A. 108.

Buch II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

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Vermerk der erfolgten Stimmabgabe

Jahre Gewerbe

für die Ältesten

für die Ge­ meinde­ vertreter

O rd.

Stand

Bemerkungen

W ahl

Alter,

Ord.

Vor-

W ahl

Zu-

W ohnung

L a u fen d e N u m m er

Die Wählerliste wird mit dem .... geschlossen; es werden daher alle diejenigen selbständigen, über 24 Jahre alten Gemeindeglieder, welche wenigstens 1 Jahr in der Parochie (oder doch hier am Ort) *) wohnhaft sind und sich noch nicht in die Wählerliste haben eintragen lassen, aufgefordert, sich bis zu dem bezeichneten Tage zur Eintragung persönlich anzumelden. Später erfolgende Anmeldungen können für die bevorstehenden Wahlen ein Stimmrecht nicht mehr gewähren. Anmeldungen werden entgegengenommen von (Name und Ort) in den Stunden von.... bis......... 2. Zugleich wird der Gemeinde angezeigt, daß die für die bevorstehenden Wahlen festgestellte Wählerliste 14 Tage lang, nämlich vom... bis ... in (Ort) öffentlich zur Einsicht ausliegen wird (ausliegt). Etwaige Reklamationen gegen die Liste können nur während der vierzehntägigen Auslegungsfrist angebracht werden, sind also später nicht mehr zulässig**). Indem vorstehendes der Gemeinde bekanntgemacht wird, werden alle berechtigten Gemeindemitglieder zur regen Beteiligung an der Wahl eingeladen. Der Herr der Kirche aber bekenne sich dazu mit Seinem Segen. Amen.“ Über die erfolgten Abkündigungen ergeht eine Bescheinigung des Geist­ lichen zu den Wahlakten. Dem Ermessen des Gemeindekirchenrats ist überlassen, Ort und Zeit der Auslegung der Wählerliste auch noch in anderen, den örtlichen Verhält­ nissen entsprechenden Formen (Aushang an den Kirchentüren, Aufnahme in Lokalblättern usw.) bekanntzumachen. Den Bekanntmachungen ist stets beizufügen, daß nach Verlauf der Auslegungsfrist Reklamationen gegen die Liste nicht mehr angebracht werden können. 6. Bei Prüfung und Feststellung der Wählerliste hat der Gemeinde­ kirchenrat festzuhalten, daß für die Aufnahme in dieselbe lediglich die im § 34 der KG. u. SO. für die Wahlberechtigung, nicht aber die im § 35 daselbst für die Wählbarkeit aufgestellten Erfordernisse maßgebend sind. Die Liste ist in alphabetischer Ordnung nach dem als Anlage 2 abge­ druckten Formular anzufertigen. (Dasselbe lautet:) Wählerliste der Gemeinde

| *) Zusatz an Orten, wo mehrere Gemeinden bestehen. **) Nach erfolgtem Abschluß der Wählerliste ist nur noch mit der Abkündigung zu 2 bis zum Ablauf der Auslegungsfrist fortzufahren.

KG. u. SO. §37 (Rev. Instr. 5—11).

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7. Die festgestellte Liste ist 14 Tage lang an einem jedermann zugäng­ lichen Orte auszulegen, demnächst mit der Bescheinigung über Ort und Zeit der Auslegung zu den Wahlakten zu bringen. 8. Über rechtzeitig, d. h. innerhalb der Auslegungsfrist eingehende Reklamationen ist zunächst durch den Gemeindekirchenrat schleu­ nigst zu entscheiden. Etwaige Beschwerden gegen dessen Entscheidung, die binnen 14 Tagen zulässig sind, gehen an den Vorstand der Kreissynode können aber die Abhaltung der Wahl nicht aufhalten (§ 36 Abs. 3 KG. u. SO.). 9. Über die Mitgliedschaft zur einzelnen Gemeinde enthält die Kirchen­ gemeinde- und Synodalordnung keine Vorschriften: der Erwerb und Verlust derselben ist daher nach den sonst geltenden Bestimmungen zu beurteilen. § 37. Die Einladung der Gemeindeglieder zur Wahl hat unter Angabe der Zeit und des Ortes der Wahl"«) sowie der Zahl der für den Gemeinde­ kirchenrat und für die Gemeindevertretung zu wählenden Personen von der Kanzel in allen von der Anordnung der Wahl an bis zum Wahltage statt­ findenden Hauptgottesdiensten zu geschehen. Anderweite den örtlichen Ver­ hältnissen entsprechende Bekanntmachungen zu veranstalten, bleibt dem Er­ messen des Gemeindekirchenrats überlassen. Der Patron oder Patronatsvertreter (§ 6) ist zur Teilnahme an der Wahl Handlung besonders einzuladen. Rev. Instr. 10. Die Wahl findet an einem von dem Gemeinde­ kirchenrat alsbald nach Feststellung der Wählerliste zu bestimmenden Sonntage im Herbst, jedenfalls aber vor Ende Oktober167) statt. Die Amts­ periode der Gewählten beginnt mit dem Anfange des darauffolgenden Kalenderjahres. 10 A. Wo es das örtliche Bedürfnis erheischt, kann das Konsistorium anordnen, daß die in Nr. 2 vorgeschriebene zweimalige Kanzelabkündigung im Monat September, der Abschluß der Wählerliste (Nr. 4) mit dem 7. Ok­ tober, die Wahl (Nr. 10) vor dem 15. November stattzufinden hat. Die Anordnung ist durch das kirchliche Amtsblatt des Konsistoriums und außerdem im September jeden Wahljahres durch Kanzelabkündigung in den betreffenden Kirchengemeinden bekannt zu machen168). 11. Die Zahl der zu wählenden Ältesten und Gemeindevertreter be­ stimmt sich nach § 43 Abs. 2 und 3 der KG. und SO. Sollte überhaupt nur e i n von der Gemeinde gewählter Ältester vorhanden sein (§§ 5 und 6 da­ selbst) so findet die periodische Neuwahl nur alle sechs Jahre statt.

166) Mangel der Angabe von Ort und Zeit in der Einladung hat Ungültigkeit der Wahl zur Folge (es sei denn, daß auf den Gewählten mehr als die Hälfte aller Stimmen entfallen ist), EOK. 7. März 1874 AH. 22 S. 279. 167) Eventuell vor dem 15. November, vgl. Rev. Instr. Nr. 10 A (oben). '«») Nachtrag v. 22. Februar 1898 KGBBl. S. 2.

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Die neueren Verfassungsgesetze.

12. In betreff aller nicht infolge Ablaufs der sechsjährigen Amtsperiode eintretenden Erledigungen findet § 43 Abs. 4 der KG. u. SO. Anwendung. 13. Bezüglich der Zahl der Ältesten ist im § 5 der KG. u. SO. Bestim­ mung getroffen. Änderungen der ordnungsmäßig festgestellten Zahl erfolgen nach Vernehmung der Gemeindevertretung durch die Kreissynode. 14. Bei Feststellung der Zahl bedarf es der Rücksichtnahme auf das (§ 6 daselbst) dem Patron beigelegte Recht, ein Gemeindeglied zum Ältesten zu ernennen oder selbst als solcher in den Gemeindekirchenrat einzutreten. Dieses Mitglied des Gemeindekirchenrats ist auf die zulässige Zahl der Ältesten in Anrechnung zu bringen. Es muß daher überall bei der Wahl der Ältesten durch die Gemeinde eine Stelle für die Berechtigung des Patronats offen gelassen werden. 15. DieBekanntmachungdes Wahltermins durch Ab­ kündigung von der Kanzel ist nach Vorschrift des § 37 KG. und SO. unter Namhaftmachung der ausscheidenden Mitglieder zu vollziehen169) und eine Bescheinigung des Geistlichen über die erfolgten Abkündigungen zu den Wahlakten zu bringen. Anderweite Formen der Bekanntmachung (vgl. Nr. 5 Abs. 5) anzu­ wenden, wie sie den lokalen Verhältnissen entsprechen, ist dem Ermessen des Gemeindekirchenrats überlassen. 16. Die Einladung zur Wahl an den Patron, resp. den Patro­ natsvertreter, geschieht von seiten des Gemeindekirchenrats schriftlich, an Auswärtige mittelst Einschreibebriefs; an Abwesende mit unbekanntem Aufenthaltsort fällt die Einladung fort. 17. Sollte, wie dies nach § 38 Abs. 4 KG. u. SO. zulässig ist, durch Beschluß des Gemeindekirchenrats ausnahmsweise eine münd­ liche Abstimmung zu Protokoll angeordnet werden, so ist solches in der unter Nr. 15 bezeichneten Abkündignng mit bekannt zu machen. § 38. Die Wahl geschieht in der Kirche der Wahlgemeinde an einem Sonntage nach Schluß des Hauptgottesdienstes. Die Wahlhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrats geleitet, welchem die übrigen Mitglieder des Gemeindekirchenrats170) und er­ forderlichenfalls einige von diesem zu bezeichnende Gemeindeglieder als Wahl­ vorstand zur Seite ^en171). Der Patron oder der Patronatsvertreter ist immer berechtigt, in den Wahlvorstand einzutreten. 168) Desgleichen ist ein etwaiger Beschluß über mündliche Abstimmung — Rev. Jnstr. Nr. 17 (oben) — und über Modifikationen der Wahl — Rev. Jnstr. Nr. 24 (S. 196) — in die Ankündigung aufzunehmen. 17°) Im Hinblick auf Abs. 7 werden mindestens zwei Älteste teilnehmen müssen. 171) Da das Gesetz eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern des Wahl­ vorstandes für die Wahrnehmung der Stimmenannahme an den einzelnen von mehreren Wahstischen nicht vorschreibt, kann auch die Anwesenheit von zwei Mitgliedern noch als ausreichend angesehen werden, EOK. 5. März 1910 KGBBl. S. 62.

KG. u. SO. § 38.

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Der Vorsitzende eröffnet die Wahlhandlung172). Er ermahnt die Wähler, ihre Wahl aus Männer von unsträflichem Wandel, christlicher Gesinnung, be­ währter Liebe zur evangelischen Kirche und fleißiger Teilnahme an Wort und Sakrament zu richten. Nur die persönlich erschienenen Wähler sind stimmberechtigt. Die Abstimmung erfolgt schriftlich mittelst Stimmzettel. Durch Beschluß des Ge­ meindekirchenrats kann eine mündliche Abstimmung zu Protokoll angeordnet werden 173). Zunächst ist die Wahl der Ältesten, danach die der Mitglieder der Ge­ meindevertretung zu vollziehen. Gewählt sind diejenigen, auf welche die absolute Mehrheit der abgegebenen Wahlstimmen gefallen ist174). Hat der erste Wahlgang eine absolute Mehr­ heit für die zur Bildung oder Ergänzung der Gemeindeorgane erforderliche Anzahl von Personen nicht ergeben, so ist, bis dies erreicht wird, das Verfahren durch engere Wahl fortzusetzen"3). Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Über die Wahlhandlung wird ein Protokoll aufgenommen, welches den wesentlichen Hergang beurkundet. Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern des Gemeindekirchenrats unterzeichnet. 172) Die Bestimmungen der §§ 107—109 RStGB. zum Schutze der Wahlen finden auf kirchliche Wahlen keine Anwendung, Schön I S. 346 A. 2. 173) Vorausgesetzt, daß sie schon vor der Wahl vom Gemeindekirchenrat be­ schlossen und in der Wahlabkündigung bekanntgemacht ist, vgl. Rev. Jnstr. Nr. 17 (S. 192). Bei mündlicher Abstimmung finden die Vorschriften über schriftliche Ab­ stimmung sinngemäße Anwendung (vgl. Rev. Jnstr. 25). — Akklam ationswahl ist überhaupt nicht zugelassen. Daß bei schriftlicher Abstim­ mung die verschlossen überreichten Stimmzettel, um den Zweck nicht zu vereiteln, erst nach Schluß der Wahlhandlung geöffnet werden dürfen, ist selbstverständlich (vgl. Rev. Jnstr. 20 a. E.). 174) Verteilung von Stimmzetteln seitens eines Mitgliedes des Wahlvorstandes ist unangemessen, macht aber die Wahl nicht ungültig, EOK. 30. April 1874 AH. 22 S. 283. Irrtümliche Zurückweisung eines Berechtigten läßt die Wahl nur dann ungültig erscheinen, wenn dadurch der Ausfall der Wahl beeinflußt sein kann, EOK. 11. Okt. 1889 Nr. 5359; desgleichen ist die Zulassung eines Unberechtigten belanglos, sofern auch ohne seine Stimme die erforderliche Mehrheit vorhanden, EOK. 30. April 1874 5l§. 22 S. 282. Bei Feststellung der absoluten Mehrheit sind ebenso wie die­ jenigen, die sich der Stimme enthalten, auch die Stimmen derer, welche unbeschriebene oder ungültige Zettel abgeben, insbesondere ihre Stimmen einem Nichtwählbaren zuwenden, insoweit also sich an einem gültigen Wahlakte nicht beteiligen, vorweg, in Abzug zu bringen, EOK. 8. Juli 1885 KGVBl. S. 40. Bedingte Stimmzettel sind ungültig. Ob korrigierte Stimmzettel für ungültig zu erachten, ist nach den besonderen Umständen zu bemessen, insbes. danach, ob der Urheber der Korrekturen zweifelhaft sein kann. EOK. 13. Febr. 1874 AH. 22 S 278. 176) War aber bei der Wahlhandlung eine engere Wahl nicht erforderlich und ist demgemäß die Wahlhandlung ordnungsmäßig abgeschlossen, so kann, wenn hinterher im Einspruchsverfahren einzelne Stimmen für ungültig befunden werden, sodaß der zunächst als gewählt Erllärte in Wahrheit nicht die absolute Majorität auf sich vereinigt, nicht noch nachträglich eine engere Wahl stattfinden; sondern es ist Neu­ wahl nötig. 13 Gohn er, Kirchenrecht. 2. Aufl.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Rev, Instr, 18. Die Wahlhandlung (§38 KG. u. SO.) be­ ginnt nach Schluß des Hauptgottesdienstes mit Konstituierung des Wahlvorstandes, welcher, nachdem die während des Gottesdienstes etwa ge­ schlossenen Türen wieder geöffnet sind, an einem jedermann zugänglichen Tische Platz nimmt. Sollte die Abhaltung der Wahl in der Kirche tatsäch­ lich unausführbar sein, so muß ein anderes geeignetes Lokal für die Wahl bestimmt und dies in den Einladungen zur Wahl bekanntgemacht werden. Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats ersucht die Mitglieder des­ selben, neben ihm Platz zu nehmen. Der Gemeindekirchenrat kann sich durch einige von ihm zu bezeichnende andere Gemeindeglieder ergänzen. Der Patron oder dessen Vertreter ist berechtigt, in den Wahlvorstand einzu­ treten. Der Vorsitzende ernennt den Protokollführer17e). Sobald dies geschehen, erklärt er die Wahlhandlung für eröffnet. Er ermahnt die Wähler mit kurzen Worten, wie es in § 38 Abs. 3 vorgeschrieben ist, und verliest den übrigen Inhalt der §§ 34—40 der KG. u. SO. sowiedieNummernl8bis22dieserInstruktion. Andere Ansprachen sind unstatthaft. Es dürfen während der Wahlhandlung auch keine Diskussionen stattfinden, noch von der Wahlversammlung Be­ schlüsse gefaßt werden. Der Vorsitzende verkündet die Zahl der zu wählenden Ältesten und ersucht die Wähler, auf einen Stimmzettel soviel Kamen aus dem Kreise der Wahlberechtigten zu schreiben, als Älteste zu wählen sind, auch die Namen durch geeignete Zusätze, insbesondere des Standes oder Gewerbes so genau zu bezeichnen, daß die Person unzweifelhaft ist. Auch gedruckte Stimmzettel und solche, welche weniger Namen ent­ halten, als die Zahl der zu Wählenden beträgt, sind gültig. Mehr Namen enthaltende Stimmzettel sind dagegen ungültig. 19. Zur Stimmabgabe sind nur diejenigen zuzulassen, welche in die Wählerliste aufgenommen sind. Abwesende können weder durch Ein­ sendung von Wahlstimmen, noch durch Bevollmächtigte an der Wahl teil­ nehmen. Jeder Anwesende darf deshalb nur einen Stimmzettel abgeben. Der Protokollführer ruft die Namen der eingetragenen Wähler auf. Wer von ihnen anwesend, übergibt seinen Stimmzettel dem dazu vom Vorsitzen­ den zu ernennenden Mitglieds des Wahlvorstandes, welcher denselben uneröffnet in das auf dem Wahltisch befindliche Gefäß legt. Der Stimmzettel muß von weißem Papier und derart zusammengefaltet sein, daß die auf ihm bezeichneten Namen verdeckt sind. Der Protokollführer vermerkt die er­ folgte Stimmabgabe jedes Wählers neben dem Namen desselben in der dazu bestimmten Rubrik der Wählerliste. 20. Sobald sämtliche Namen in dieser Weise aufgerufen sind, fragt der 176) Sich selbst darf der Vorsitzende nicht zum Protokollführer ernennen, da er die Wahlhandlung zu leiten, in dieser Funktion auch die Protokollführung unbe­ teiligt zu überwachen hat.

KG. u. SO. § 38 (Rev. Instr. 18-23).

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Vorsitzende, ob noch ein Wahlberechtigter anwesend sei, der seine Stimme nicht abgegeben hat. Ein solcher ist nachträglich zuzulassen. Hierauf erklärt der Vorsitzende die Stimmabgabe für die Ältesten als geschlossen. Nachdem dies geschehen, werden zu diesem Wahlakt keine Stimmzettel mehr angenommen. Die abgegebenen Wahlzettel werden hierauf geöffnet, die Namen fest­ gestellt und die Stimmen gezählt. 21. Gewählt sind diejenigen, auf welche die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefallen ist. Für den Fall, daß eine größere Zahl, als erforderlich, die absolute Mehrheit erhalten hat, entscheidet die höhere Stimmenzahl. Hat der erste Wahlgang eine absolute Mehrheit für die erforderliche Zahl der Ältesten nicht ergeben, so erfolgt die engere Wahl175). Bei dieser ist der Kreis der Wählbaren auf diejenigen Personen beschränkt, welche schon im ersten Wahlgang Stimmen erhalten haben, und falls deren Zahl mehr als das Doppelte der noch zu wählenden Ältesten beträgt, auf diejenigen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, bis zum Belaufe der doppelten Anzahl der zu Wählenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet überall das Los. 22. Nachdem in dieser Weise der Wahlakt für die Ältesten geschlossen ist, wird sofort zur Wahl der Gemeindevertreter geschritten. Für diese Wahl gelten die obigen Bestimmungen in gleicher Weise. 23. In denjenigen Gemeinden, in denen mehr als einhundert Wahl­ berechtigte in die Wählerliste eingetragen sind, können zur Erleichte­ rung und Abkürzung des Wahlaktes folgende Modifikationen der unter Nr. 18 bis 22 enthaltenen Bestimmungen eintreten: a) Der Hauptgottesdienst am Wahltage ist so anzusetzen oder zu kürzen, daß womöglich die Wahlhandlung spätestens um 11 Uhr beginnt. b) Die Verlesung der in Nr. 18 Abs. 3 dieser Instruktion bezeichneten Bestimmungen der KG. u. SO. und der Instruktion kann wegfallen. c) Es kann gestattet werden, daß ein jeder Wähler den Stimmzettel für die Gemeindevertretung sogleich nach dem Stimmzettel für die Ältesten­ abgabe, wobei selbstredend darauf zu achten, daß die betreffenden Zettel sofort in zwei räumlich getrennt aufzustellende Gefäße gelegt werden, oder daß, wo dies ausführbar, zur Entgegennahme der Stimm­ zettel gleichzeitig mehrere Annahmestellen — jede für eine bestimmte, etwa nach dem Anfangsbuchstaben abzugrenzende Wählerzahl — in der Kirche eingerichtet werden, oder daß eine nach der Zahl der Wähler zu bemessende, bestimmt abgegrenzte Zeit angesetzt werde, innerhalb deren die Wähler ihre Stimmen abgeben können, ohne die ganze Zeit in der Kirche anwesend sein zu müssen, oder endlich, daß mehrere dieser Maßnahmen miteinander verbunden werden.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Welcher dieser Wege für den angegebenen Zweck der geeignetste sei, ist mit Rücksicht auf die große Verschiedenheit der lokalen Verhält­ nisse allgemein zu bestimmen unmöglich und bleibt daher dem pflicht­ mäßigen Ermessen des Gemeindekirchenrats überlassen, d) Ebenso ist die Teilung des Wahlaktes sowohl in betreff der Wahl der Ältesten und der Gemeindevertreter, als auch in betreff der ordent­ lichen und einer etwaigen engeren Wahl auf verschiedene Sonntage gestattet. Darüber, in welcher Weise nach Maßgabe der vorstehenden Anordnungen der Wahlakt vollzogen werden soll, hat der Gemeindekirchenrat Beschluß zu fassen, dabei aber darauf zu halten, daß die Wahl der Gemeindevertreter erst nach der Wahl der Ältesten und nachdem der Vorsitzende noch zur nach­ träglichen Abgabe von Stimmen aufgefordert hat, abgeschlossen werden darf. Die beschlossenen Modifikationen sind in die vorschriftsmäßigen Bekanntmachungen über den Wahltermin (Nr. 15) mit aufzunehmen, auch sonst möglichst allgemein, z. B. durch Anschläge am Wahllokal, zur Kenntnis der Gemeinde zu bringen. Eine Bekanntmachung der letzteren Art muß insbesondere dann, wenn die gesamte Wahl nicht an einem Wahlsonntage abgeschlossen werden kann, in der Zeit zwischen diesem und den nächsten Wahltagen erfolgen. 24. Über die Wahlhandlung wird ein Protokoll aufgenommen, am Schluß verlesen und von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern des Gemeindekirchenrats unterzeichnet (§38 Abs. 7 KG. u. SO.). 25. Wo die Abstimmung nach Beschluß des Gemeindekirchenrats ausnahmsweise mündlich erfolgen soll (Nr. 17), finden die obigen Bestim­ mungen mit der Maßgabe sinnentsprechende Anwendung, daß die mündlich bezeichneten Namen in das Protokoll aufgenommen und die Zahl der ihnen gegebenen Stimmen daneben verzeichnet werden.

§ 39. Die Namen der Gewählten werden, nachdem der Gemeinde­ kirchenrat die Legalität der Wahl geprüft und anerkannt hat, an zwei aufein­ anderfolgenden Sonntagen im Hauptgottesdienste der Gemeinde bekannt­ gemacht 177).

Rev. Instr. 26. Nach beendeter Wahlhandlung hat der Gemeinde­ kirchenrat sogleich die Legalität des Verfahrens zu prüfen. Sollten hierbei wesentliche Verstöße sich herausstellen, so ist über das weiter einzuhaltende Verfahren Beschluß zu fassen und im Zweifelsfalle an das Konsistorium zu berichten. Anderenfalls ist die Abkündigung der Gewählten, Ältesten wie Gemeindevertreter, zu beschließen. Diese Abkündigung, welche an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen 177) Der Gemeindekirchenrat, nicht der Wahlvorstand, hat also die Legalität zu prüfen. Bekanntzumachen sind auch die Namen der Beanstandeten, EOK. 28. Febr. 1874 AH. 22 S. 285. — Wegen neugegründeter Gemeinden s. A. 155.

KG. u. SO. § 39 (Rev. Instr. 23-29).

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im Hauptgottesdienste erfolgen soll (§39 KG. u. SO.), muß jedenfalls das erstemal in der Kirche der Gemeinde, um deren Vertreter es sich handelt, geschehen, die zweite Abkündigung kann, wenn bei Kombination mehrerer Gemeinden unter einem Pfarrer nicht in jeder Kirche allsonntäglich Gottes­ dienst gehalten wird, in der Kirche des Pfarrorts erfolgen. Mit der ersten Abkündigung des Wahlergebnisses ist zugleich bekannt zu machen, daß etwaige Einwendungen gegen die Gewählten seitens der wahlberechtigten Gemeindeglieder nur bis zur zweiten Verkündigung zu­ lässig und beim Gemeindekirchenrat anzubringen sind. Auch über diese Bekanntmachungen ist eine Bescheinigung seitens des abkündigenden Geistlichen auszustellen und zu den Wahlakten zu bringen. 27. Der vom Patron gemäß § 6 Abs. 1 der KG. u. SO. e r n a n n te Älteste ist ebenfalls in der vorbezeichneten Weise der Gemeinde bekannt zu machen m). 28. Nach Verlauf der Einspruchsfrist sind die unbeanstandeten Mit­ glieder des Gemeindekirchenrats rechtzeitig, in der Regel an einem der letzten Sonntage des Kalenderjahres, im Hauptgottesdienst mit angemessener Feier­ lichkeit vor der Gemeinde durch das § 7 der KG. u. SO. vorgeschriebene Gelübde zu verpflichten und in ihr Amt einzuführen. Vorläufig Be­ anstandete werden, wenn der erhobene Einspruch endgültig erledigt ist, in derselben Weise nachträglich eingeführt179). Die gemäß § 43 Abs. 2 d. KG. u. SO. ausgeschiedenen und wiedergewähltenÄltesten legen nicht nochmals das Gelübde ab, werden vielmehr unter Hinweis auf dasselbe durch Handschlag für die neue Amtsperiode verpflichtet. Auch die Gemeindevertreter sind unter Hinweis auf die Pflichten ihres Berufes einzuführen. Beim Beginn einer neuen Wahlperiode ist dieser Akt mit der Einführung der Ältesten im Gottesdienste zu verbinden. Außer der Zeit eintretende Ersatzmänner (§ 43 Abs. 4 KG. u. SO.) werden der Gemeinde unter Fürbitte angezeigt und in der nächstfolgenden Sitzung der Gemeindevertretung introduziert. 29. Der nach § 6 Abs. 2 d. KG. u. SO. in den Gemeindekirchenrat ein­ tretende Patron sowie der ein für allemal bestellte Vertreter desjenigen Patrons, der keine physische Person ist, können zur Ablegung des Ältesten­ gelübdes und zur Teilnahme an der feierlichen Einführung nicht genötigt werden. Auf den vom Patron ernannten Ältesten bezieht sich dies nicht. 178) Weil dieser Älteste hinsichtlich seiner Qualifikation genau dieselben Eigen­ schaften wie ein gewählter Ältester besitzen muß. Wegen des Patrons oder des ein für allemal gestellten Vertreters eines nichtphysischen Patronats, wenn sie in den Gemeindekirchenrat gemäß § 6 eintreten, s. A. 26. 179) Soweit die Gewählten nach §§ 39 u. 40 beanstandet sind, muß also ihre Einführung zunächst unterbleiben. Ihre Vorgänger bleiben gemäß § 43 Abs. 2 im Amte; selbstverständlich auch die Wiedergewählten, welche beanstandet sind.

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Buch II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

§ 40. Einsprüche gegen die Wahl können bis zur zweiten Bekanntmachung derselben (§ 39) von jedem wahlberechtigten Gemeindegliede (§34) erhoben merben180)181). Über solche Einsprüche entscheidet der Gemeindekirchenrat 182)unbz auf ein­ gelegten Rekurs, für welchen von Zustellung der Entscheidung an eine vierzehn­ tägige prätlusivhche Frist läuft, der Vorstand der Kreissynode (§56 Nr. 8) "8). 180) Der Gemeindekirchenrat hat nicht ein Einspruchsrecht, wohl aber die Prüfung der Wahl gemäß § 39, in deren Rahmen er auch die Wählbarkeit der Ge­ wählten zu erörtern in der Lage ist. Dagegen darf ein bei dieser Prüfung übersttmmtes Mitglied fraglos Einspruch erheben. Die Einsprüche können wie die Wähl­ barkeit so auch die Legalität des Verfahrens bemängeln, EOK. 3. März 1887 KGVBl. S. 113, jedoch in letzterer Hinsicht nicht versäumte Rellamationen gegen die Wähler­ liste nachholen, EOK. 30. April u. 27. Okt. 1874 AH. 22 S. 282, 284; denn mit dem nach § 40 für das Wahlverfahren gegebenen Rechtsmittel können Mängel der Wahl­ vorbereitung, für die durch § 36 eine besondere präklusivische Frist gewährt ist, nicht geltend gemacht werden (vgl. A. 157). Wegen Beanstandung der Wählbarkeit aber trotz Aufnahme in die Liste s. A. 153. Wird durch die begründet befundenen Mängel des Wahlverfahrens nur die Gültigkeit der Wahl einzelner betroffen, so braucht nur für diese das Wahlverfahren wiederholt zu werden. 181) Das Einspruchsverfahren findet gegenüber einem vom Patron ernannten Ältesten (§6Abs.1) in gleicher Weise statt, wie bezüglich der gewählten Ältesten, EOK. 25. Sept. 1877 AH. 22 S. 360, vgl. auch Rev. Jnstr. Nr. 27. Wegen des Patrons und Patronatsvertreters, die gemäß § 6 Abs. 2 in den Gemeindekirchenrat eintreten, s. A. 26. 182) In neugegründeten Gemeinden s. A. 155. 18S) Das Allegat am Schluffe des Abs. 2 von § 40 muß § 55 Nr. 8 lauten. Da die Einlegung des Rekurses nicht (wie in § 36) beschränkt ist, wird das Rechtsmittel nicht bloß dem mit seinem Einspruch Zurückgewiesenen, sondern auch dem Gewählten zuzugestehen fein, im Falle der Einspruch für begründet erachtet ist. Daher wird dann auch dem letzteren die Entscheidung des Gemeindekirchenrats zuzustellen sein, um den Lauf der präklusivischen Frist beginnen zu lassen. Soweit mit der Zustellung die Frist beginnt, muß sie beurkundet werden. Einreichung des Rekurses beim Ge­ meindekirchenrate wie beim Synodalvorstande wahrt die Frist. Letzterenfalls muß dieser dem Gemeindekirchenrat zur Verhütung der Einführung sogleich Kunde geben. Die Statthaftigkeit der Anführung neuer Tatsachen in der Rekursinstanz ergibt sich schon aus Abs. 3. Ist die Wahl rechtskräftig für ungültig erllärt, so find bei der Neu­ wahl die auf solche Personen, welche wegen mangelnder Qualifikation beanstandet sind, entfallenden Stimmen ungültig, EOK. 30. Sept. 1899 Nr. 6776; eventuell greift § 42 Platz, EOK. 17. Okt. 1874 AH. 22 S. 290. Die Entscheidung des Synodalvorstandes ist endgültig. Der Aufsichtsbehörde (Konsistorium, Evangelischer Oberkirchenrat) ist eine instanzmäßige Oberbeur­ teilung in der KGSO. nicht vorbehalten. Ohne Zweifel ist auch, wie EOK. 5. März 1910 KGVBl. S. 63 darlegt, der Umstand, daß eine Entscheidung des Kreissynodal­ vorstandes als fehlsam zu erkennen ist, nicht genügend, um ein Eingreifen der Auf­ sichtsbehörde, sei es auf Beschwerde oder von Amts wegen, zu begründen. Gerade hierin würde die Stellung einer eigentlichen Instanz gegeben sein. Die der Auf­ sichtsbehörde obliegende verantwortliche Pflicht des Schutzes der allgemeinen Rechts­ sicherheit auf dem Boden der verfassungsmäßigen Ordnungen begründet vielmehr aus sich nur dann das Recht und die Pflicht des Eingreifens, wenn ein erhebliches allgemeines Rechtsinteresse die Rechtswirkung einer fehlsamen letztinstanzlichen Ent-

KG. u. SO. § 40 (Rev. Instr. 30 u. 52).

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Der letztere hat auch von Amts wegen die Wahl zu prüfen184). Rev. Instr.

30. Über Einsprüche gegen die Wahl, welche schriftlich oder mündlich zu Protokoll beim Gemeindekirchenrat erhoben werden können, ist von dem letzteren (bei Gesamtparochien dem Gemeinde­ kirchenrat der betreffenden Kirchengemeinde) durch schriftliche Verfügung zu entscheiden. Gegen die Entscheidung findet binnen 14 Tagen* von Zu­ stellung derselben ab, der Rekurs an den Vorstand der Kreissynode statt. Dergleichen Einsprüche müssen auf bestimmt bezeichnete Tatsachen (§§ 34 u. 35 KG. u. SO.) gegründet werden185). 52. Die Vorschrift im § 40 Abs. 3 der KG. u. SO., wonach der K r e i s synodal vorstand auch von Amts wegen die Wahlen zu den Gemeindekörperschaften zu prüfen hat, stellt demselben nicht die Aufgabe, die sämt­ lichen Wahlen seines Bezirks einer regelmäßigen Prüfung zu unterziehen, sondern bezweckt nur, dem Kreissynodalvorstand die freie Beurteilung einer scheidung des Kreissynodalvorstandes zu dulden verbietet. Das ist insbesondere der Fall bei Überschreitung der Zuständigkeit des Vorstandes durch Wahlaushebung auf Grund von nicht durch Einspruch geltend gemachten Tatsachen (vgl. A. 184), desgleichen bei Wahlaufhebung ohne alle rechtliche Grundlage, z. B. aus Anlaß von im Wahlkampfe gehaltenen Reden. Vgl. auch EOK. 24. Juni 1874 am Schluß AH. 22 S. 288. — Gegen ein aufsichtliches Eingreifen nach erfolgter Einführung der gewählten Ältesten und Vertreter sprechen EOK. 9. April u. 14. Juni 1877 KGVBl. S. 134 u. 150. 184) Nach der Auslegung des EOK. v. 5. März 1910 KGVBl. S. 59 schließt die Bestimmung des § 40 Abs. 3, wie der Zusammenhalt mit § 55 Nr. 8 ergibt und wie in der (obigen) Nr. 52 Rev. Instr. hat zum Ausdruck gebracht werden sollen, ein Recht der Entscheidung über die bei der Prüfung von Amts wegen beobachteten Mängel des Wahlverfahrens für den Kreissynodalvorstand nicht ein, sondern er­ mächtigt ihn nur, auf dem Wege allgemeiner Prüfung der Wahlvorgänge wichtige, das kirchliche Interesse berührende Wahrnehmungen zum Gegenstände weiterer Erörterungen bei den berufenen Stellen zu machen und auf diese Weise zu einer guten Ordnung in den Wahlangelegenheiten des Bezirkes überhaupt beizutragen. Entscheidungen des Kreissynodalvorstandes über Mängel des Wahlverfahrens, wegen deren ein Einspruch nicht erhoben ist, würden, da eine weitere Instanz nicht geordnet ist, instanzmäßig endgültig ergehen. Sie würden damit die verfassungsmäßige Selb­ ständigkeit der Kirchengemeinde und der Gemeindeglieder in Beziehung auf Ge­ meindewahlen illusorisch machen und mit der grundsätzlichen Stellung von Gemeindeund Kreissynodalorganen zueinander im Wahlverfahren, wie sie in der KGSO. geordnet ist, unvereinbar sein und daher der Aufhebung durch das Konsistorium unterliegen, vgl. A. 183 Abs. 2. m) Die bloße Behauptung, daß die Erfordernisse des § 35 bei den Beanstandeten nicht vorhanden seien, ist als genügende Substantiierung nicht anzusehen, EOK. 21. März 1874 AH. 22 S. 277. Ob vor der Entscheidung eine Vernehmung des Beanstandeten erforderlich erscheint, hängt lediglich von dem Ermessen der zur Ent­ scheidung über den Einspruch berufenen Organe ab, EOK. 5. Sept. 1874 AH. 22 S. 275. In der Regel wird allerdings, wenn sich der Einspruch nicht ohne weiteres als unbegründet erweist, der Gewählte über die zur Begründung angeführten Tat­ sachen zu hören sein. Daß ihm dabei der Name dessen, der den Einspruch erhoben hat, mitgeteilt werde, erscheint nicht unbedingt nötig.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Versassungsgesetze.

Wahl über den Umfang der einem Einspruch zugrunde gelegten Anführungen und selbst über den Fall eines Einspruchs hinaus zu ermöglichen184). § 41. Die Gewählten können das Gemeindeamt nur ablehnen oder niederlegen:m) 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr vollendet oder 2. schon sechs Jahre das Ältestenamt bekleidet haben, oder 3. wegen anderer erheblicher Entschuldigungsgründe, z. B.187) Kränklichkeit, häufiger Abwesenheit, unvereinbarer Dienstverhältnisse488). Über die Erheblichkeit und tatsächliche Begründung entscheidet der Gemeinde­ kirchenrat und auf eingelegten Rekurs, für welchen von Zustellung der Entscheidung an eine vierzehntägige präklusivische Frist läuft, der Vor­ stand der Kreissynode488). Wer ohne solchen Grund die Übernahme oder die Fortsetzung des Ge­ meindeamts verweigert, verliert das kirchliche Wahlrecht488). Dasselbe kann ihm jedoch auf sein Gesuch von dem Gemeindekirchenrate wieder beigelegt werden m). Die Ablehnung oder Niederlegung des vom Patron übertragenen Ältesten­ amts unterliegt keinen beschränkenden Bestimmungen488). iS«) Wird bei der regelmäßigen Erneuerungs wähl abgelehnt, so ist wenigstens bis zur allgemeinen Einführung (vgl. A. 196) Neuwahl, nicht Ersatzwahl, nötig: bei Niederlegung während der Amtszeit oder Ablehnung eines zum Ersatz Gewählten, erfolgt nur Ersatzwahl (§ 43 Abs. 4). 487) KirchO. § 9 erachtet als erheblichen Entschuldigungsgrund auch zwei mit Vermögensverwaltung verbundene Vormundschaften. 488) Unvereinbare Dienstverhältnisse berechtigen z. B. den Gemeindevertreter, der zum Ältesten gewählt wird, zur Niederlegung des bisherigen Amtes, EOK. 1. Febr. 1877 KGVBl. S. 58. Sie können auch den Staatsbeamten, etwaigenfalls auf Ver­ langen seiner Vorgesetzten, zur Ablehnung oder Niederlegung veranlassen. Einer Genehmigung der letzteren zur Annahme des Amtes bedarf es sonst nicht, vgl. Erlasse des Justizministers v. 3. und des Ministers dgA. v. 15. Juli 1874 in AH. 22 S. 288 bis 290. 189) Wegen Zustellung, Fristwahrung und wegen der Tragweite der Syn.Vorstandsentscheidung, wie in A. 183. 190) Der Gemeindekirchenrat wird ihn demgemäß in der Wählerliste zu streichen haben, vgl. auch Nr. 26 Jnstr. v. 23. Aug. 1880 (zum Kirchenzuchtsgesetz v. 30. Juli 1880). Mit dem Wahlrecht verliert er gemäß § 35 auch das Recht der Wählbarkeit. Der Verlust ist auch für andere Gemeinden der Landeskirche wirksam, wenn der Betroffene seinen Wohnsitz verändert, vgl. Nr. 15 der vorgen. Instruktion. 191) Ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gemeindekirchenrats, wie es § 11 Abs. 2 des Kirchenzuchtsgesetzes v. 30. Juli 1880 zuläßt, ist hier nicht gegeben. 192) Auch der Patron aber unterliegt, wenn er als Ältester oder Vertreter gewählt wird, an sich dem § 41 Abs. 1 u. 2. Ob dies allerdings selbst dann der Fall ist, wenn er in der Gemeinde keinen Wohnsitz hat. wie Schön im Anschluß an Frantz die Patronatsbesugnisse S. 73 annimmt, erscheint sehr' fraglich, da die Sonderbestimmung, wonach der Patron auch ohne Wohnsitz wahlfähig und damit auch wählbar ist (vgl. A. 153), den Kreis offenbar nur zu seinen Gunsten erweitern soll. Auf jeden Fall würde mangelnder Wohnsitz gemäß § 41 Abs. 3 als erheblicher

KG. u. SO. §§ 41 u. 42.

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§ 42. Ist für die Ältestenwahl zweimal vergeblich Termin abgehalten, weil Wahlberechtigte nicht erschienen sind, oder die Erschienenen die Vornahme der Wahl verweigert haben, oder weil nicht wählbare Personen gewählt worden sind m), so hat für dieses Mal der Vorstand der Kreissynode die Ältesten zu ernennen. Ist aus denselben Gründen die Wahl der Gemeindevertretung nicht zu­ stande gekommen, so werden bis dahin die Rechte derselben durch den Gemeinde­ kirchenrat ausgeübtm). Entschuldigungsgrund anzuerkennen sein. Ein solcher liegt unzweifelhaft auch vor, wenn der Patron von seiner Befugnis aus § 6 Abs. 2 Gebrauch gemacht hat oder machen will. Das gleiche ist jedenfalls anzunehmen, wenn ein vom Patron nach § 6 Abs. 1 ernannter Ältester eine etwaige Wahl ablehnen will, da er sonst jenes Amt aufgeben müßte. Ob andererseits für einen gewählten Ältesten oder Vertreter die Absicht des Patrons, ihn zum Ältesten zu ernennen, im Sinne des Abs. 3 ausreicht, um ihn zur Mederlegung der Wahlämter zu berechtigen, ist Tatsrage, über die das Ermessen des Gemeindekirchenrats bzw. Kreissynodalvorstandes nach Lage des besonderen Falles zu entscheiden haben wird. Vgl. auch A. 23 u. 153 Abs. 2. 193) Für den Fall, daß infolge des Verhaltens der zu berufenden oder berufenen Ältesten — Ablehnung und Niederlegung (§ 41), Entlassung (§ 44) — ein beschluß­ fähiger Gemeindekirchenrat nicht zu erreichen, oder falls sonst ein Verwal­ tungsorgan statt des fehlenden Gemeindekirchenrats zu beschaffen ist, enthält das Gesetz eine Lücke. Es werden daher außerordentliche Maßnahmen von Aufsichts wegen nötig, die indessen erst ergriffen werden dürfen, wenn alle gesetzlichen Schritte vergeblich versucht, namentlich besondere Hinweise auf die disziplinarischen Folgen (§ 41 Abs. 2) erfolglos geblieben sind. Solchenfalls kann, wie EOK. 7. August 1883 Nr. 4067 gebilligt hat, das Konsistorium der Gemeinde von Aufsichts wegen ein oder zwei Kuratoren bestellen, die in Gemeinschaft mit dem Pfarrer die gesetzlichen Funktionen des Gemeindekirchenrates nach näherer Instruk­ tion des Konsistoriums ausüben. Die Befugnis des Konsistoriums hierzu folgt aus dem der Aufsichtsbehörde nach allgemeinen Grundsätzen beiwohnenden Rechte, die Vermögensverwaltung der ihr unterstellten Rechtssubjekte, denen es wegen Mangels oder Behinderung der regelmäßigen Verwaltungsorgane zeitweilig an der erforder­ lichen Vertretung fehlt, durch geeignete Anordnung, zu denen insbesondere auch die Bestellung einer Kuratel gehört, sicherzustellen. Vgl. auch RG. 4. Februar 1901 JurWoch. S. 215. Die Kosten der Maßregel, insbesondere insoweit solche durch eine dem Kuratorium zu gewährende Remuneration erwachsen, fallen dem Kirchen­ vermögen bzw. der Kirchengemeinde zur Last, vorbehaltlich der Möglichkeit, einen Ersatz derselben von denjenigen Personen, welche sie durch pflichtwidrige Weigerung der Kirchenamtsführung verursacht haben, im Rechtswege Zu beanspruchen. Die Beschaffung der Mittel für die interimistische Verwaltung kann auf Grund des Art. 27 Abs. 2 Ges. 3. Juni 1876 durch zwangsweise Einstellung in den Etat erfolgen, da der Zwang sich nicht gegen die Organe der Gemeinde, sondern gegen letztere richtet, vgl. EOK. 25. Juni 1896 Nr. 5111, auch A. 216. Wegen Erhebung und Einziehung der Umlage s. jetzt § 25 KSteuerges. 26. Mai 1905. Betreffs der Gemeindevertretung dürfte im Falle des Abs. 1 die Analogie des § 42 Ws. 2 sowie des § 45 Abs. 3 Platz greifen. 194) Der Gemeindekirchenrat hat sich dann also auch im Falle des § 43 Abs.4 selbst zu ergänzen. — Werden indessen, wenn auch nicht alle, so doch soviel Vertreter gewählt, als zur Beschlußfassung nötig sind (§§ 30 Abs. 1 u. 11 Abs. 3), so tritt die

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

§ 43. Das Amt der gewählten Ältesten und der Gemeindevertreter dauert sechs Jahre. Von drei zu drei Jahren scheidet die Hälfte aus19S). Die Ausscheidenden sind wieder wählbar und bleiben jedenfalls bis zur Einführung ihrer Nach­ folger im 2lmt166). Gemeindevertretung in Wirksamkeit; dem Konsistorium bleibt dabei überlassen, die weitere Wiederholung der Wahl der an der vorgeschriebenen Gesamtzahl noch fehlenden Gemeindevertreter anzuordnen, sofern es glaubt, von dieser Wiederholung einen besseren Erfolg erwarten zu dürfen, EOK. 1. Febr. 1875 AH. 22 S. 291. Sonst bleiben die betreffenden Stellen unbesetzt, EOK. 17. Okt. 1874 AH. 22 S. 291. 195) Die Wahljahre: 1874, 1877, 1880 usw.; die nächsten allgemeinen Er­ neuerungswahlen demnach 1915 und 1918 für die 1909 bzw. 1912 Gewählten. Bei ungrader Mitgliederzahl (abgesehen von dem nicht mitzuzählenden Patronältesten) scheidet das erste mal ein Mitglied über die Hälfte aus. Für den Fall, daß nur ein Ältester da ist, s. Rev. Jnstr. Nr. 11 (S. 191). Wegen des Patronatsältesten s. § 6. In neuerrichteten Kirch engemeinden hat die erste Er­ neuerungswahl zu den kirchlichen Körperschaften nach Ablauf von drei Jahren seit der ersten Wahl, d. h. so zu erfolgen, daß bei der Einführung der Neugewählten die Ausscheidenden seit ihrer Einführung 3 Jahre im Amte gestanden haben. Neuge­ gründete Gemeinden sind also nicht unter Abkürzung oder Verlängerung der drei­ jährigen Zeit in den Turnus der altbestehenden Kirchengemeinden einzuordnen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Wahljahres als hinsichtlich der im Wahljahre liegenden Wahlzeit. In einer beispielsweise am 1. Februar neuerrichteten Kirchengemeinde gilt für die erste Wahl nicht der in Nr. 4 Rev. Jnstr. (S. 189) festgesetzte Augusttermin, sondern ein vom Konsistorium festzusetzender weit näherer Termin für den Abschluß der Wählerliste und folgeweise für die Vornahme der Wahlen. Der gleiche Termin ist nach Ablauf von 3 Jahren wiederum für die Erneuerungs wählen einzuhalten. Die neue Kirchengemeinde behält also für alle Zeit ihren eigenen Wahlturnus. So EOK. 6. Juli 1910 KGVBl. S. 57, der zugleich bestimmte, daß, wo bis dahin dieser Rechtslage entgegen neuerrichtete Kirchengemeinden bereits in den Wahlturnus der altbestehenden eingeordnet waren, es mit Rücksicht auf diese Tatsache bei der Einordnung bewenden, wo jedoch eine erste Erneuerungswahl noch nicht stattgefunden, lediglich der dargelegten Rechtslage entsprechend verfahren werden solle. — Der EOK. hält dies Verfahren nach dem Gesetz für geboten. 198) Die Amtsführung der ganzen ausscheidenden Hälfte hört aber auf, sobald die Einführung der neuen Mitglieder stattgefunden hat, auch wenn einzelne der letzteren an dieser Einführung infolge Wegfalls durch Tod oder Verzug oder auch nur infolge persönlicher Verhinderung nicht teilgenommen haben; denn bei den Erneuerungswahlen werden nicht für einzelne ausscheidende Mitglieder Nachfolger gewählt, vielmehr erfolgt für die ausscheidende Vertretungshälfte über­ haupt eine Neuwahl, und diese verfassungsmäßige Erneuerung kommt mit der Ein­ führung zum rechtlichen Abschluß. Von da ab sind daher Einzelerledigungen nur noch als „außer der Zeit" geschehen, als „nicht infolge Abbruchs der sechsjährigen Amtsperiode" eingetreten anzusehen, sie können also nur noch eine Ersatzwahl herbei­ führen. Diese Ersatzwahl entspricht übrigens dem Gesichtspunkte, daß nach voll­ zogener Erneuerungswahl die Ersatzwahl durch die nach dem Willen der Gemeinde erneuerte Gemeindevertretung zu erfolgen hat und so, als im Sinne der Kirchen­ gemeinde selbst erfolgt anzusehen ist, vgl. EOK. 21. Nov. 1907 Nr. 12 035 (KABl. Pommern 1907 (5.147). Das gleiche, wie bei Wegfall durch Tod, Verzug, muß gelten, falls nach der allgemeinen Einführung Neugewählte, auch wenn sie nicht mit eingeführt

KG. u. SO. §§ 43 u. 44.

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Der Austritt raub durch die Dienstzeit, bas erstemal durch Auslosung bestimmt. Bei einer außer der Zeit eintretenden Erledigung187) wählt die Gemeinde­ vertretung "8) in ihrer nächsten Versammlung einen Ersatzmann, dessen Funk­ tion sich auf die Restzeit der Amtsdauer des Ausgeschiedenen erstreckt. § 44. 199) Die Entlassung eines Ältesten 20°) oder Gemeindevertreters find, die Wahl ablehnen oder durch Umpfarrung aus der Gemeinde ausscheiden. Wohl nicht dagegen, wenn die Wahl eines Beanstandeten nachher für ungültig erklärt wird, da hier das ursprüngliche Wahlversahren noch gar nicht zum Abschluß gelangt ist. 197) D. h. bei einer nicht infolge Ablaufs der sechsjährigen Amtsperiode ein­ tretenden Erledigung, vgl. Rev. Jnstr. Nr. 12 (S. 192). Die Vermehrung der Zahl von Ältesten und Gemeindevertretern gemäß § 5 schafft für die Kirchengemeinde neue Ämter, die zu den bestehenden hinzukommen und erstmalig nur von der Kirchen­ gemeinde selbst durch ordnungsmäßige Wahlen besetzt werden können, EOK. 3. Dez. 1910 Nr. II2933. Scheiden Mitglieder der kirchlichen Gemeindeorgane durch Um­ pfarrung aus, so sind, auch wenn dies in größerer Zahl geschieht, für sie Ersatz­ männer zu wählen, sofern nur die kirchlichen Körperschaften beschlußfähig bleiben und soweit nicht eine Neuorganisation erfolgt, EOK. 6. Juli 1898 Nr. 5246. — Die Wahl eines Ersatzmannes findet auch dann durch die Gemeindevertretung statt, wenn der Termin zeitlich mit der regelmäßigen Erneuerungswahl zusammenfällt. § 43 Abs. 4 hat den Fall dauernder Erledigung im Auge. Bei zeitweiliger Beschlußunfähigkeit s. § 11 Abs. 3 aE. 198) Die Gemeindevertretung vollzieht die Wahl, also einschließlich des Pfarrers (EOK. 19. März 1874 AH. 22 S. 266 u. v. 17. März 1877 KGBBl. S. 118), auch wenn er wahlberechtigtes Gemeindeglied (§34) nicht sein sollte. Da die Wahl ein Beschluß der Gemeindeorgane ist, sind die §§ 29, 30 zu beachten. Die Körperschaft muß daher bei der erstmaligen Versammlung in beschlußmäßiger Anzahl erschienen sein; ob einzelne Mitglieder sich der Stimme enthalten oder ungültige Zettel abgeben, ist gleichgültig. Bei Stimmengleichheit entscheidet nach § 12 das Los. Lehnt der so Erkorene ab, so tritt nicht der andere an seine Stelle, sondern es muß Neuwahl stattfinden. — Im Falle des § 27 Abs. 2 ist der Wahlkörper für Ersatz- u. ordentliche Wahl der gleiche (die Versammlung der wahlberechtigten Gemeindeglieder), doch gelten für erstere nicht die in §§ 36 ff. verordneten Formen der letzteren (Feststellung und Auslegung der Wählerliste), EOK. 22. Nov. 1879 KGBBl. S. 239. Auch für die Ersatzmänner finden, da in § 43 Abs. 4 nur eine besondere Be­ stimmung über das Wahlkollegium und den Wahlakt getroffen ist, Bekanntmachung, Einspruch, Annahmepflicht gemäß §§ 39, 40 u. 41 statt, vgl. EOK. 7. Jan. 1898 Nr. 5889. Wegen der Einführung der Gemeindevertreter s. Rev. Jnstr. 28 Abs. 3 letzter Satz (S. 197). Ersatzälteste sind gemäß § 7 KGSO. einzuführen. 199) In der Fassung nach KGes. 9. März 1891 (s. Vormerk). 200) Auch des Patronatsältesten (§> 6 Abs. 1). Wie aber auf den selbst in den Gemeindekirchenrat eintretenden Patron bzw. Patronatsvertreter (§6 Abs.2) hinsicht­ lich der Feststellung seiner Qualifikation das in dieser Hinsicht für die gewählten Ältesten geltende Verfahren nicht Platz greift (vgl. EOK. 16. Oktober 1883 KGVBl S. 134), so muß auch die Anwendbarkeit des § 44 fraglich erscheinen. Jedenfalls darf der Patron aber, wenn er die Wählbarkeit verliert, im Gemeindekirchenrate nicht mehr mitwirken. Das gilt namentlich auch in Gemäßheit des § 34 Abs. 5 bei Minderung der bürgerlichen Ehre, kirchlicher und sittlicher Bescholtenheit, Verletzung kirchlicher Pflichten. Auch darüber hinaus jedoch kann, wie beim Ältesten grobe Pflichtwidrig-

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erfolgt durch den Vorstand der Kreissynode nach Anhörung des Gmeindekirchenrats801) 1. wegen Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaft (§34)2®2), 2. wegen grober Pflichtwidrigkeit2M). Gegen die Entscheidung des Vorstandes der Kreissynode steh: sowohl dem Betroffenen als auch dem Gemeindekirchenrat binnen 4 Wichen die Berufung an das Konsistorium zu, welches mit Zuziehung des Vustandes der Provinzialsynode endgültig entscheidet (§ 55 Nr. 9)204). § 45. Wenn eine Gemeindevertretung 206) beharrlich die Erfüllmg ihrer Pflichten vernachlässigt oder verweigert, so kann das Konsistorium ans den Antrag des Vorstandes der Kreissynode dieselbe auflösen und den erwiesenen Schuldigen die Wählbarkeit auf bestimmte Zeit entziehen. Die Neubildung der Gemeindevertretung ist unter Leitung eines von dem Konsistorium zu bestellenden Kommilsarius zu bewirken. Bis dahin werden die Rechte der Gemeindevertretung durch den Ge­ meindekirchenrat ausgeübt.

V. Schlußbestimmungen. § 46. Mittelst statutarischer Bestimmung können in einer Genuinde befeit, so schuldhaftes Verhalten des Patrons seine Teilnahme untunlich machen. Verzichtet er in solchen Fällen nicht selbst, so wird seine Fernhaltung im Aussichtswege vom Konsistorium durchgesetzt werden können. 201) Vor Entscheidung, die auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen kann, wird nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch der Betroffene zu hören sein. 202) § 35 ist nicht zitiert, bloßer Mangel der Kirchlichkeit also nicht genügend. Ein Verlust der erforderlichen Eigenschaften liegt auch vor, wenn Verachtung des gött­ lichen Wortes oder unehrbarer Lebenswandel (§ 34 Abs. 5 Zif. 3) zwar schon vor der Wahl da waren, aber erst nachher öffentliches Ärgernis gegeben haben. Dagegen gestattet die obige Bestimmung nicht eine schon bei der Wahl mögliche, aber versäumte Beanstandung nachzuholen. Ein Verlust des Wahlrechts kann insbesondere auch durch Verletzung bestimmter kirchlicher Pflichten herbeigeführt werden, vgl. § 34 Abs. 5 Zif. 4 u. Anm. dazu. 203) Im Amte (z. B. beharrliches unbegründetes Fernbleiben von den Sitzungen, Verletzung der Amtsverschwiegenheit), wie auch durch außeramtliches Verhalten (Unwürdigkeit, Verletzung kirchlicher Pflichten, auch wenn sie nicht schon Verlust der Wählbarkeit bedingen). 204) Die Entscheidung des Vorstandes ist schriftlich zu erteilen, die Zustellung zu beurkunden, soweit Berufung statthast. Diese steht aber nach dem Gesetz dem Dritten, der auf Entlassung anträgt, nicht zu. Mitwirkung des Betroffenen bis zur Rechtskraft der Entscheidung macht die Beschlüsse der Gemeindekörperschaften nicht nichtig, da, wie auch Schön I S. 330 annimmt, durch Einlegung der Berufung die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung aufgehalten wird. Doch kann das Konsistorium den Betroffenen vorläusig vom Amte suspendieren. Der Entlassene ist im Falle der Nr. 1 nach Erlangung der Wahleigenschaften wieder wählbar; im Falle der Nr. 2 darf jedenfalls durch Wiederwahl die Entlassung nicht bedeutungslos werden. 205) Bei Pflichtverletzung des Gemeindekirchenrats vgl. § 44, sowie A. 45 u. 193.

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sondere, die vorstehende Ordnung ergänzende oder modifizierende Einrich­ tungen aufrechterhalten oder neu eingeführt werden,06). Geeignetenfalls ist das Ganze der Gemeindeordnung in einem förmlichen Gememdestatut zusammenzufassen. Zur Festsetzung2") statutarischer Ordnungen bedarf es der Zustimmung der Gemeindevertretung 208), der Prüfung durch die Kreis- und Provinzial­ synode, der Anerkennung der letzteren, daß die entworfene Bestimmung zweck­ mäßig und wesentlichen Vorschriften der Kirchenordnung nicht zuwider sei, sowie der abschließenden Genehmigung des Konsistoriums20#). § 47. Das in den bestehenden Gesetzen begründete Recht sowohl der Staatsbehörden als der vorgesetzten Kirchenbehörden, die Gemeinden und ihre Organe zu emer pflichtmäßigen Tätigkeit anzuhalten, zu diesem Behufe ihnen Weisungen zu erteilen, und erforderlichenfalls die gesetzlich statthaften Zwangs­ mittel anzuwenden, erfährt durch diese Ordnung keine Veränderung 21°). § 48. Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung2U): 1. auf diejenigen französisch-reformierten Gemeinden, in welchen ein nach Vorschrift der discipline des eglises reformees de France gebildetes consistoire oder Presbyterium eingerichtet tft;212) ) Vgl. § 2 Abs. 4, ferner A. 20, 108, 132 u. 153. 2v7) Ebenso selbstverständlich zur Änderung festgesetzter Ordnungen. 208) Vgl. § 31 Nr. 11. 209) Nach EOK. 5. Nov. 1878 KGVBl. S. 153 ist die Mitwirkung der Synoden (s. auch §§ 53 Zif. 8 u. 65 Zif. 5) nicht bloß informatorisch; vielmehr hindert ihre Ablehnung das Zustandekommen. Für die Provinzialsynode ist das nach dem Wort­ laut des § 46 und des § 53 Zif. 8 (auch die statutarischen Ordnungen der Kreissynode bedürfen der Billigung usw.) ganz zweifelsfrei. Betr. der Kreissynoden folgert es der EOK. aus dem Worte „von der Kreissynode beschlossene Bestimmungen" in § 65 Zif. 5, eine Auslegung, gegen die sich Schön I S. 333 A. 5 wendet. Nach feinem Wortlaut trifft § 65 Zif. 5 überhaupt nur die zweite Alternative des § 53 Zif. 8, nämlich die von der Kreissynode für ihren eigenen Bereich festgestellten Statuten, da auch „Bestimmungen genehmigen" nicht eigentlich „sie beschließen" genannt werden kann Vor der Abschließung bedarf es ferner einer Anerkennung des Gemeindestatuts seitens des Regierungspräsidenten (in Berlin Polizeipräsidenten), daß die Bestimmungen dem Ges. v. 25. Mai 1874 nicht zuwider find, s. Art. 5 dies. Ges. und V. 9 Sept. 1876 Art. III Nr. 2; vgl. auch wegen Kreissynodalstatuten § 53 Zif. 8 und Ges. 3. Juni 1876 Art. 4. 210) Vgl. A. 183 Abs. 2 u. 193, auch Nr. 24 Abs. 2 Jnstr. 23. Aug. 1880 (Buch IV). 211) Wegen Anwendbarkeit der weiteren Abschnitte vgl. A. 215 u. 223, auch OVG. 27. Sept. 1904 KGVBl. 1905 S. 20. Die unter 1—3 genannten Gemeinden haben jetzt das kirchliche Steuerrecht im gleichen Umfange wie sonstige Gemeinden der Landeskirche, vgl. KAA. I u. VIA Abs. 1 zum KStG. v. 26. Mai 1905; auf die unter 4 genannten Gemeinden findet dieses keine Anwendung, vgl. § 28 desselben. 212) s. AKO. 30. Okt. 1809, Rabe Bd. X S. 170. Jakobsen Preuß. Kirchenr. S. 271. Wegen der Rechtsverhältnisse dieser Gemeinden und insbesondere ihrer Zugehörigkeit zur Landeskirche vgl. OVG. 27. Sept. 1904 Bd. 46 S. 163 (KGVBl. 1905 S. 5). J£)te Frage der Zugehörigkeit unterliegt nicht dem Rechtswege, KompG. 206

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2. auf diejenigen Jmmediatgememden2"), welche eine Allerhöchst sank­ tionierte Verfassung und ein für die Interna und Externa der Gemeinde gebildetes Kirchenkollegium besitzen; 3. auf die Unitätsgemeinden der Provinz Posen214); 4. auf die Militär- und Anstaltsgemeinden215). Hinsichtlich aller dieser Gemeinden bewendet es bis auf weiteres bei der bestehenden Verfassung.

Zweiter Abschnitt: Kreissynode. § 49. Die zu einer Diözese verewigten Gemeinden bilden in der Regel den Kreissynodalverband216)217)m). 14. Dez. 1901 KGVBl. 1902 S. 19. Wegen der Aufnahme von Mitgliedern an­ derer evang. Gemeinden in die franz.-reformierte Gemeinde zu Berlin s OBG. 14. Februar 1911 Bd. 58 S. 236. 213) Darunter sind zu verstehen der kirchlichen Zentralbehörde unmittelbar unter­ geordnete Gemeinden: wenn eine Gemeinde zwar nicht der Lokalsuperintendentur und dem Stadtkonsistorium, wohl aber der Aufsicht des Provinzialkonsistoriums untersteht, so hat sie nicht den Charakter einer Jmmediatgemeinde, EOK 2 Dez. 1873 AH. 22 S. 292. 214) Vgl. Regl. 25. Aug. 1796 Rabe Bd III S 492. 215) Betr. der Militärgemeinden s. AV. 19 Oktober 1904 (in Buch VI)). Wegen der Anstaltsgemeindens. §§77 ff. ALR. II19 (S. 125). Wegen Bildung von Gemeinde­ körperschaften bei Vorhandensein einer über die Anstaltsgenossen hinausgehenden Pfarrgemeinde vgl. EOK. 27. Nov. 1873 AH. 22 S. 294. Abgesehen von solchen beschränkt sich für Anstalts- und desgl. die Militärgemeinden, wie sie von der Ge­ meindeverfassung ausgeschlossen sind, so auch ihr Verhältnis zur Synodalverfassung auf die in § 50 Zif. 2 bestimmte Beziehung. 216) Vgl. Übers S 116 ff Wenn der Kreissynodalverband nach §49 Abs 1 „in der Regel" von Gemeinden der Diözese gebildet wird, so ist dies nach EOK 30. Okt. 1911 Nr. II 1653 so zu verstehen, daß der Umfang einer Diözese und eines Kreis­ synodalverbandes sich regelmäßig deckt, daß aber eine Kirchengemeinde ausnahms­ weise einem anderen Kreissynodalverbande angehören kann; nicht dagegen, daß sie, falls sie nicht dem Kreissynodalverbande ihrer Diözese angehört, überhaupt keinem Synodalverbande angegliedert sei, also ins Freie falle Das ergibt sich schon aus der Vorschrift des Abs. 2, wonach sogar Kirchengemeinden, die keiner Diözese ange­ hören, einem benachbarten Synodalverbande anzuschließen sind. — Zu unter­ scheiden ist zwischen Zugehörigkeit zum Kreissynodalverbande und Teilnahme an der Kreissynode. Dadurch, daß eine Kirchengemeinde nicht berechtigt ist, durch Entsendung eines eigenen Abgeordneten „an der Kreissynode teilzunehmen", wird ihre nach § 49 Abs. 1 gesetzlich begründete „Zugehörigkeit zum Kreissynodalverbande" nicht berührt. Sie ist wie die anderen Gemeinden in den landeskirchlichen Orga­ nismus eingegliedert und hat daher unterschiedslos an den Kosten zur Unterhaltung desselben mit beizutragen; insbesondere ist eine Scheidung des Bedarfs der Kreis­ synode an Mitteln zur Entrichtung landeskirchlicher Umlagen und andererseits zur Deckung der Synodalkosten nicht begründet. Daß die synodale Kostenpflicht von einer unmittelbaren Teilnahme an der Synode bzw. von der Entsendung besonderer Kreissynodalabgeordneter abhängig sei, ist einerseits nirgends ausgesprochen, anderer­ seits deshalb ausgeschlossen, weil sämtliche Gemeinden an den Vorteilen der syno-

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Gemeinden, welche keiner Diözese angehören, sind einem benachbarten Synodalverbande anzuschließen2"). Kleinere Diözesen können ganz oder geteilt mit benachbarten zu dem Verbände einer Kreissynode vereinigt werden. Über Veränderungen bestehender Kreissynodalverbände trifft das Kon­ sistorium mit Einwilligung der betreffenden Kreissynoden oder im Falle des Widerspruchs unter Zustimmung der Provinzialsynode Entscheidung 22°). § 50. (GSO. § 43). Die Kreissynode 221) besteht aus: 1. dem Superintendenten der Diözese als Vorsitzenden. Unter mehreren zur Synode gehörigen Superintendenten gebührt der Vorsitz dem im Ephoralamt älteren; 2. sämtlichen innerhalb des Kirchenkreises 222) ein Pfarramt definitiv oder vikarisch verwaltenden Geistlichen. Geistliche an Anstalten, welche keine Parochialrechte haben, Militärgeistliche und ordinierte Hülfsgeistliche sind nur befugt, mit beratender Stimme an der Synode teilzunehmen.

baten Einrichtungen teilnehmen. Vgl. wegen Heranziehung der Gastgemeinden zu allgemeinen kirchlichen Umlagen auch EOK. 20. Nov. 1880 KGBBl. S. 193. Die Synodalbeiträge können, wie EOK. 25. Juni 1896 Nr. 5111 im Einvernehmen mit dem Minister dgA. anerkennt, auch wenn die Gemeinde eine geordnete Vertretung nicht hat, auf Grund des Art. 27 Abs. 2 Ges. 3. Juni 1876 zwangsweise in den Etat eingestellt werden, da der Zwang sich nicht gegen die Organe des Verbandes, sondern gegen den Verband richtet. Zwecks Durchführung des Zwanges, insbesondere Auf­ stellung eines Etats, in den die Eintragung erfolgen kann, empfiehlt der Erlaß Bestellung eines Kuratoriums (vgl. A. 193): wegen Erhebung und Einziehung der Umlage s. jetzt § 25 KSteuerges. 26. Mai 1905. 217) Wegen Zugehörigkeit der reformierten Kirchengemeinden Danzig und Elbing zur ostpreußischen reformierten Kreissynode und etwaiger Änderung s. AE. 7. März 1887 KGVBl. S. 85 Nr. I, und wegen der reformierten Gemeinde Thorn KGes. 13. Jan. 1904 KGVBl. S. 1. — In Pommern bilden die deutschreformierte Gemeinde zu Stettin und die reformierten Gemeinden in Pasewalk, Stargard nebst Augustwalde und in Kolb erg eine eigene reformierte Diözese, gehören aber je den Kreissynodalverbänden an, innerhalb deren sie liegen. Letzteres gilt auch von der sonst unmittelbar dem Konsistorium unterstehenden französischreformierten Gemeine in Stettin, vgl. OVG. 27. Sept. 1904 Bd. 46 S. 163 (KGVBl. 1905 S.5). 218) Der Kreissynodalverband durch KGes. 16. Juni 1895 nebst StGes. v. 18.Juni 1895 die Eigenschaft einer vermögensfähigen Rechtspersönlich­ keit erlangt. 219) Wegen Anschlusses durch Verfügung des Konsistoriums s. OVG. 27. Sept. 1904 KGVBl. 1905 S. 20. 220) Eine Mitwirkung der Staatsbehörde ist nicht vorgesehen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen KompG. 14. Dez. 1901 KGVBl. 1902 S. 19. — Wegen Ver­ änderung der Diözesen s. S. 114. 221) Die Kreissynode hat die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde. Strasantragsberechtigt ist im Falle ihrer Beleidigung gemäß § 196 RStGB. als vorgesetzte Behörde das Konsistorium, RG. in Strass. 5. Juli 1892 Bd. 23 S. 202. Vgl. auch S. 122 A. 4. 222) d. h. des Kreissynodalverbandes (vgl. § 49).

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Zweifel über den Umfang der Teilnahmeberechtigung einzelner Geist­ lichen entscheidet das Konsistorium;^) 3. der doppelten Anzahl gewählter Mitglieder^). Die Hälfte berfetben wird 223) Die Legitimation der Synodalen beruht für die geist­ lichen Mitglieder (Nr. 1 u. 2) auf ihrem Amte, über dessen Vorhandensein allein das Konsistorium zu bestimmen hat, EOK. 9. März 1882 KGVBl. S. 46. Die Le­ gitimation der weltlichen Mitglieder (Nr. 3) prüft die Kreissynode selbständig, unbeschadet der Befugnis des Kirchenregiments, bei vorkommenden Überschreitungen synodaler Zuständigkeit oder Verstößen gegen allgemeine Rechtsgrundsätze von Aufsichts wegen einzuschreiten, EOK. 27. Dez. 1894 Nr. 9765. Insbesondere ist außer der Ordnungsmäßigkeit der Wahlvollziehung, die sich aus den dem Superintendenten in beglaubigtem Protokollbuchauszuge einzureichenden Beschlüssen der kirchlichen Ge­ meindeorgane ergibt, bei der ersten Hälfte jetzige oder frühere Ältesteneigenschaft (doch nicht nachträglich auch die Wählbarkeit zum Ältesten), sowie die Wohnsitzfrage zu prüfen; bei der zweiten Hälfte nur diese, nicht aber auch die Eigenschaft kirchlicher Erfahrung oder Verdienste, vgl. EOK. 6. Okt. 1874 AH. 22 S. 298 u. 24. Mai 1877 KGVBl. S. 135, auch Rev. Jnstr. Nr. 59 (S. 221). Für die weltlichen Abgeordneten erster Hälfte ist Wohnsitz in der Wahlgemeinde erforderlich, für die zweite Hälfte Wohnsitz im Kreissynodalbezirk. Letzteres gilt auch für Kirchenpatrone, während in der ersten Hälfte ein Patron, der in den Gemeindekirchenrat eingetreten ist, Wohnsitz wie in der Gemeinde so auch im Kreissynodalbezirk nicht zu haben braucht, EOK 18. Juli 1874 AH. 22 S. 295. Für den Fall aber, daß ein Abgeordneter erster Hälfte später den Wohnsitz verlegt, doch unter Verbleib im Synodalbezirk, erlischt fern Mandat dadurch nicht, vgl. EOK. 27. Mai 1875 AH. 22 S. 302. Im übrigen bedingt Wegfall der dauernd erforderlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen, so Entlassung aus dem Ältestenamte (§ 44), auch Verlust des Mandates. Ein Ausscheiden aus dem Amte durch die regelmäßigen Erneuerungswahlen hat aber in der ersten Hälfte, da auch frühere Älteste gewählt werden können, einen Verlust des Mandates nicht zur Folge. Der Superintendent gehört der Synode mit vollem Stimmrecht an, auch wenn er ausnahmsweise nicht Pfarrer im Synodalbezirk ist; wegen seiner Ver­ tretung im Vorsitz s. § 54. — Vollberechtigte Mitglieder der Synode sind auch die G e i st l i ch e n der im § 48 Nr. 1—3 genannten Gemeinden, sowie solcher Anstalts­ gemeinden, welche nach Vorschrift des ersten Abschnitts der KGSO organisiert sind und daher auch gewählte Mitglieder (tz 50 Nr. 2) zur Synode entsenden, nicht aber bloßer Anstaltsparochien im Sinne des § 78 ALR. I119, vgl. Rev. Jnstr Nr. 45 (S. 210), EOK. 24. Dez. u. 27. Nov. 1873 AH. 22 S. 293 u. 294. Wegen der Teilnahme der nach Benehmen mit der kirchlichen Oberbehörde angestellten Geist­ lichen an Strafanstalten und Gefängnissen aus dem Ressort des Innern wie der Justiz s. EOK. 4. Okt. 1906 Nr. 4025 und wegen Entschädigung aus Staatsfonds MdI. 15. August 1902 (Verordnungsblatt für die Strafanstaltsverw S 145) u. IM. 8. Juni 1906 (JMBl. S. 159). Hülfsgerstlichen, die ein Pfarramt vikarieren, kommt beschließende Teilnahme zu; solchen hingegen, die überhaupt in keiner geordneten Verbindung zur Kreissynode bzw einem Pfarramt innerhalb dieser stehen, nicht einmal beratende, EOK. 9. März 1882 KGVBl. S. 46. Grundsatz ist, daß kein Synodaler mehr als eine Stimme führen darf. Daher haben der Vorsitzende, wenn er der Regel nach zugleich Abgeordneter nach Nr. 2 ist; ferner der Pfarrer zweier Gemeinden, deren jede für sich weltliche Abge­ ordnete (Nr. 3) zu entsenden hat; endlich der Geistliche, der neben seinem eigenen gleichzeitig ein anderes Pfarramt vikarisch verwaltet, immer nur eine Stimme, EOK. 20. u. 21. Juli 1874 AH. 22, S. 296 u. 298. Bedient ein Pfarrer zwei Ge-

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aus den derzeitigen Ältesten oder aus der Zahl der früheren Ältesten gewählt, in der Weise, daß jede Gemeinde so viele Mitglieder entsendet, als sie stimmberechtigte Geistliche in der Synode hat. Die andere Hälfte wird aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern des Synodalkreises von den an Seelenzahl stärkeren Gemeinden gewählt. Diejenigen Gemeinden, welche hiernach noch ein oder mehrere Mitglieder zu wählen haben, sowie die Zahl dieser Mitglieder, werden unter Be­ rücksichtigung der Seelenzahl, sowie der sonstigen örtlichen Verhältnisse der Gemeinden und des Kreises, das erstemal^) nach Anhörung des Kreissynodalvorstandes, durch Anordnung des durch den Provinzialsynodalvorstand verstärkten Konsistoriums, demnächst endgültig nach An­ hörung der Kreissynode durch Beschluß der Provinzialsynode bestimmt^). meinben in verschiedenen Synodalkreisen, so ist er unter der Voraussetzung der Rev. Jnstr. Nr. 45 beiden Synoden zugehörig. Zu den Gemeinden, welche wie durch ihre geistlichen, so auch durch welt­ liche Abgeordnete in der Kreissynode vertreten sind, gehören auch die im § 48 Nr. 1—3, nicht dagegen die in Nr. 4 genannten Gemeinden; wohl aber Anstalts­ gemeinden, die nach Abschn. 1 organisiert jind, s. vorigen Absatz, insbes. EOK 24. Dez. 1873 AH. 22 S. 293. Haben mehrere Gemeinden einen gemeinschaftlichen Pfarrer, so kommt bei Verbindung derselben im Sinne des § 2 Abs. 2 oder 4 (Vagantgemeinden) für die Abordnung der weltlichen Synodalen nur eine Gemeinde in Betracht. Die Wahl geschieht durch die Gesamtorgane bzw. unter Teilnahme der Gastgemeinde in der statutarisch bestimmten Weise. Liegt eine derartige Verbindung jedoch nicht vor, so haben die Gemeinden mit selbständig organisierten Pfarrämtern trotz Vereinigung der letzteren in einer Person je für sich Abgeordnete zu entsenden, EOK. 20. Juli 1874 AH 22 S. 296. Für Vagantgemeinden mit kirchlicher Selbständigkeit, die aber noch nicht zu einer vollendeten Organisation gelangt sind, sofern sie kein selbständiges Pfarramt besitzen, sondern durch einen Nachbargeistlichen pastoriert werden müssen, ist eine Teilnahme an der Kreissynode nicht zugelassen, EOK. 25. Juni 1874 AH. 22 S. 248. Darüber, daß sie gleichwohl zum Kreissynodalverbande gehören und daher zu den Synodalkosten und landeskirchlichen Umlagen beizutragen haben, vgl. A. 214. 224) Das galt nicht nur bei der ersten Einführung der Synodalordnung, sonderm gilt auch heute noch für den Fall, daß infolge Neueinrichtung von Pfarrstellen die Zahl der weltlichen Kreissynodalabgeordneten wie erster so auch zweiter Kategorie zu vermehren ist. Das Konsistorium macht sich vorläufig einen Plan für Zuteilung der letztern, führt hierüber ein Gutachten des Kreissynodalvorstandes herbei und trifft danach gemeinsam mit dem Provinzialsynodalvorstande Bestimmung, vgl. EOK. 9 Mai 1876 KGVBl. S. 38. Dem folgt nach Anhörung der Kreissynode die endgültige Festsetzung durch die Provinzialsynode. 2-5) Wegen der maßgebenden Grundsätze für die Verteilung der weltlichen Ab­ geordneten zweiter Hälfte auf die einzelnen Gemeinden vgl. EOK. 9. Mai 1876 KGVBl. S. 37. Was die neben der Seelenzahl in Betracht zu ziehenden sonstigem örtlichen Verhältnisse anlangt, so wird insbesondere dahin zu streben sein, daß weder einer Gemeinde die Majorität sämtlicher Synodalmitglieder zufällt, noch umgekehrt, wenn etwa in einem Kreise nur eine bedeutendere Gemeinde vorhanden ist, diese durch zuweitgehende Beteiligung kleinerer Gemeinden den letzteren gegenüber in ein offenbares Abhängigkeitsverhältnis versetzt wird. Als Abgeordnete der zweiten Hälfte der Nr. 3 können selbstredend auch emeritierte Geistliche oder Älteste gewählt werden, EOK. 27. Dez. 1876 KGVBl. S. 58. 14 G o ß n e r, Kirchenrecht. 2. Stuft

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Die Wahl “•) dieser Mitglieder erfolgt auf drer Jahre 227) und wird durch die vereinigten Gemeindeorgane, bei verbundenen Gemeinden der Gesamtparochie, vollzogen; wo verfassungsmäßig eine Gemeinde­ vertretung nicht vorhanden ist, erfolgt die Wahl durch den Gemeindekirchen­ rat. Diejenigen weltlichen Mitglieder der Kreissynode, welche noch kein Gelübde als Älteste abgelegt haben, werden von dem Vorsitzenden der Kreissynode mit demjenigen Gelübde verpflichtet, welches die Mit­ glieder der Provinzialsynode nach § 63 der Kirchengemeinde- und Syno­ dalordnung vom 10. September 1873 zu leisten haben. Die Gewählten . müssen das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Seitens der Kirchenregierung ist darauf hinzuwirken, daß durch Teilung der größeren Diözesen eine übermäßig große Zahl der zu einer Kreissynode gehörigen Mitglieder vermieden werde. Rev.Instr. 45. Über die Zusammensetzung der Kreis­ synoden enthält § 43 der GSO. (§ 50 KG. u. SO.) die maßgebenden Be­ stimmungen. Geistliche sind nur dann befugt, an der Kreissynode mit beschließender Stimme teilzunehmen, wenn sie an einer mit verfassungsmäßigen Organen ausgestatteten Gemeinde angestellt sind und infolgedessen aus der letzteren neben ihnen die entsprechende Zahl gewählter Mitglieder zur Synode ab­ zuordnen ist. Unter dieser Voraussetzung haben auch Anstaltsgeistliche die Teilnahme mit beschließender Stimme. Andere Anstaltsgeistliche sind zur Teilnahme mit beratender Stimme befugt, wenn sie ein geistliches, der kirchlichen Organisation eingegliedertes Amt bekleiden, dagegen steht die Teilnahme denjenigen Geistlichen nicht zu, welche als Vereins- oder Privat beamte im Dienste einer freien, der kirchlichen Aufsichtsbehörde nicht unter­ geordneten Anstalt stehen 228). 46. Im Falle des Ausscheidens von gewählten Mitgliedern inner­ halb der dreijährigen Wahlperiode sind für die Bestzeit derselben Ersatz­ mann e r zu wählen 229). § 51. Die Kreissynode tritt jährlich in der Regel einmal zusammen. Außerordentliche Versammlungen können mit Genehmigung oder auf An226) Die kirchlichen Gemeindeorgane vollziehen die Synodalwahlen unter Teilnahme auch der Geistlichen, EOK. 25. Jan. 1877 KGBBl. S. 116. Wegen des Wahlverfahrens s. §§ 30 u. 11. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl be­ steht nicht. Wegen Urlaubs s. S. 200 A. 188. 227) Die Wahl von Mitgliedern, die in neuerrichteten Kirchengemeinden oder anläßlich der Errichtung neuer Pfarrstellen nötig wird, hat nur für den Rest der laufenden allgemeinen dreijährigen Wahlperiode zu erfolgen, EOK. 6. Juli 1910 KGVBl. S. 58. 228) Daß sie infolge früheren Amtes für ihre Person dem geistlichen Stande angehören, macht keinen Unterschied, EOK. 30. Nov. 1876 KGBBl. S. 50. 229) Wegen des Unterschiedes zwischen Ersatzmännern und Stellvertretern wie sie von vornherein für die Provinzial-, aber nicht für die Kreissynode gewählt werden, vgl. EOK. 12. Januar 1880 KGVBl. S. 3.

KG. u. SO. §§ 50-53 (Rev. Instr. 45 -47).

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Ordnung des Konsistoriums stattfinden. Die Dauer der Versammlung soll zwei Tage nicht überschreiten. Ausnahmsweise ist das Konsistorium befugt, eine schriftliche Abstimmung der Mitglieder außerhalb der Versammlung zu veranstalten 230). § 52.231). Ter Vorsitzende beruft232), eröffnet und schließt die Ver­ sammlung und sorgt für die vorbereitenden Arbeiten, die er auf Mitglieder des Synodalvorstandes (§ 54) und andere geeignete Synodalen nach Be­ dürfnis verteilen kann. Er leitet die Verhandlungen, bestimmt die Reihenfolge der zu verhandeln­ den Gegenstände und sorgt für Aufrechterhaltung der Ordnung. In diesen Geschäften kann er sich durch ein anderes Mitglied der Synode vertreten lassen 233). Zur Beschlußfähigkeit der Synode bedarf es der Anwesenheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl. Die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wahl­ handlungen sind, wenn zunächst relative Mehrheiten sich ergeben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Majorität fortzusetzen. Bei Stimmen­ gleichheit gibt die Sümme des Vorsitzenden den Ausschlag, bei Wahlen ent­ scheidet das Los234). Jede Sitzung wird mit Gebet eröffnet, die Schlußsitzung auch mit Gebet geschlossen. Rev. Instr. 47. Über die Geschäftsbehandlung auf der Synode ent­ hält § 52 KG. u. SO. die wesentlichen Vorschriften. Entsprechend der Be­ stimmung unter Nr. 18 Abs. 3 sind bei Wahlhandlungen Diskussionen, ins­ besondere über die zu Wählenden, während der Sitzung unzulässig. § 53. Der Wirkungskreis 235) der Kreissynode umfaßt nachstehende Be­ fugnisse und Obliegenheiten: 1. die Erledigung der vom Konsistorium oder von der Provinzialsynode ihr zugehenden Vorlagen; 2. die Beratung von Anträgen an das Konsistorium und die Provinzial230) Doch nicht in den Fällen von § 53 Zif. 5—8, s. Ges. 3. Juni 1876 Art. 2. 231) Abs. 3 in der Fassung nach KGes. 9. März 1891 (s. Vorm.). 232) Durch schriftliche Einladung der Mitglieder unter Angabe von Ort und Zeit der Tagung. Die Mitglieder müssen erscheinen oder sich nach dem Ermessen der Synode ausreichend entschuldigen. 233) Wegen Unterstützung durch den Synodalvorstand, der Verhandlungs­ protokolle, der vorbereitenden Vorlagen s. § 55 Nr. 1—4. 234) Abstimmung hat in der Regel durch Stimmzettel zu erfolgen, nur aus­ nahmsweise durch Akklamation, wo eine derartige Wahl nach Lage der Verhältnisse namentlich auch dem Vorsitzenden unbedenklich erscheint, vorausgesetzt, daß niemand Einspruch erhebt, nachdem vom Vorsitzenden auf das jedem einzelnen Mitgliede zu­ stehende Einspruchsrecht hingewiesen ist, EOK. 21. Oft. 1886, KGVBl. S. 101. Wegen Nichtberücksichtigung der ungültigen Stimmen s. S. 193 A. 174. 235) Vgl. wegen Erweiterung § 57 Abs. 2.

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Buch II Abschn. II. . Die neueren Verfassungsgesetze.

synode, welche von den Mitgliedern der Synode, von den Gemeinde­ kirchenräten oder auch einzelnen Gemeindegliedern des Synodalkreises ausgehen 236); 3. die Mitaufsicht über die Gemeinden, Geistlichen, Kandidaten23') und alle in. kirchlichen Berufsämtern stehenden Personen ihres Kreises. Zu diesem Behufe erhält sie bei ihrem jedesmaligen Zusammen­ treten zu ordentlicher Versammlung durch den Superintendenten oder die von ihm dazu bestellten Referenten einen Bericht über die kirchlichen und sittlichen Zustände der Gemeinden. Sie ist berufen, von anstößigen Vorgängen in Leben und Wandel der Geistlichen, der Gemeindebeamten und der niederen Kirchendiener Kenntnis zu nehmen, dagegen die Mittel der brüderlichen Ermahnung und Warnung in Anwendung zu bringen, geeignetenfalls aber, wenn diese fruchtlos bleiben, die Sache der zuständigen Disziplinarinstanz zu übergeben 238). 4. die Übung der Kirchendhziplin in zweiter Instanz, wo in erster Instanz der Gemeindekirchenrat disziplinarische Entscheidung getroffen hat (§ 14, vgl. jedoch § 55 Nr. 7) 239); 5. die Mitaufsicht über die in den Kirchengemeinden bestehenden Einrich­ tungen für christliche Liebeswerke (§ 17), sowie die Verwaltung und Leitung der den Kirchengemeinden des Synodalkreises gemeinsamen 236) Die Kreissynoden haben ein unbeschränktes Petitionsrecht nicht; durch die in § 53 Nr. 2 zugestandene Beratung von Anträgen an das Konsistorium und die Provinzialsynode ist der Weg vorgeschrieben, auf dem sie die Abhilfe, von Übelständen, bei welcher es der Mitwirkung anderer Behörden bedarf, zu betreiben hat. Ein ohne diese Vermittlung geltend zu machendes Petitionsrecht würde den Interessen der kirchlichen Ordnung zuwiderlaufen und ist daher den Kreissynoden nicht beigelegt, EOK. 30. Nov. 1882 Nr. 5433. Auch hat die Kreissynode, wie EOK. 27. Febr. 1899 Nr. 1373 weiter ausführt, nur in ihren eigenen Angelegenheiten, somit in solchen, die in den ihr nach § 53 für ihren örtlichen Bezirk gegebenen Wirkungskreis fallen, ein Petitionsrecht; nicht dagegen, soweit es sich um einen Gegenstand handelt, in welchem die fragliche Kreissynode nicht besonders und irgendmehr als andere Teile der Landeskirche interessiert ist. Hält die Kreissynode eine Änderung der bestehenden allgemeinen Gesetze für erwünscht, so hat sie sich gemäß § 53 Nr. 2 mit ihrem Anliegen an das Konsistorium oder die Provinzialsynode zu wenden. Das Petitionieren ein­ zelner Synoden an den Landtag der Monarchie über den Kopf der höheren kirchlichen Vertretung hinweg widerstreitet der kirchlichen Ordnung und den kirchlichen Interessen. Der Vorsitzende Superintendent hat eventuell die Synode auf diesen Gesichtspunkt hinzuweisen und eine derartige kirchenordnungsmäßig nicht für zulässig zu erachtende Beschlußfassung abzuwenden. Selbstverständlich steht es aber den einzelnen Mit­ gliedern der Kreissynode frei, als solche einzeln oder gemeinschaftlich Petitionen an den Landtag zu richten. — Vgl. auch Zeitschr. f. Kirchenr. 3. Folge Bd. X S. 253. 237) Aufrechterhalten durch § 19 Abs. 2 Anstellungsfähigkeitsgesetz 15. Aug. 1898. 238) Für Gemeindebeamte dem Kreissynodalvorstande (§ 55 Zisf. 9), sonst dem Konsistorium (§ 1 Kirchl. Disziplinarges. 16. Juli 1886). m) s. Einl. Abs. 2 u. Nr. 11 Jnstr. v. 23. Aug. 1880 z. Kirchenzuchtsgesetz (in Buch V Abschn. IV).

KG. u. SO. § 53.

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derartigen Institute, jedoch unbeschadet abweichender statutarischer Ord­ nungen 240); 6. die Prüfung des Kassen- und Rechnungswesens in den einzelnen Ge­ meinden 241). Die Synode ist berechtigt, durch einen zu bestellenden Ausschuß von der Verwaltung des lokalen Kirchen- und kirchlichen Stiftungs­ vermögens (§ 22) sowie von der Verwaltung der durch eigene Vorstände vertretenen lokalen und allgemeinen kirchlichen Stiftungen 242) inner­ halb des Kreises Kenntnis zu nehmen und die Beseitigung etwaiger Mißstände anzuordnen. Sind an Stiftungen der letzteren Art mehrere Synodalkreise be­ teiligt, so stehen diese Befugnisse nur derjenigen Kreissynode zu, in deren Bereiche der Stiftungsvorstand seinen Sitz hat; 240) s. wegen eiliger Fälle § 55 Zif. 6 und ferner § 3 Zif. 3 KGes. 16. Juni 1895 betr. Vertretung der Kreis- u. Provinzialsynodalverbände. Wegen der Mitarbeit der synodalen Organe auf dem Gebiete der christlichen Liebestätigkeit vgl. die Beschlüsse der Eisenacher Kirchenkonferenz v. 25. Mai 1894 AKBl. S. 705. Sie erkennt die Notwendigkeit einer solchen an und erachtet es als die Aufgabe der Kirchen­ regierung, dazu anzuregen und sie zuleiten, jedoch unter steter Beachtung der besonderen Verhältnisse und unter Wahrung der Freiheit der Liebestätigkeit. Ausgabe der Kreis­ synoden soll es in erster Linie sein, die in ihren Bezirken vorhandene Liebestätigkeit zu beachten, sie aus Grund von Referaten und Berichten in den Kreis ihrer Erwägung zu ziehen und dann anregend und fördernd auf sie einzuwirken. Sie sind auch die geeigneten Vermittler zwischen den für größere Kreise bestehenden Vereinen und An­ stalten der Liebestätigkeit und den Einzelgemeinden, indem sie die Bekanntschaft mit denselben verbreiten und das Interesse dafür wecken. Am besten ist es, daß zu dem Zwecke bestimmte Referenten für die Liebestätigkeit oder einzelne Zweige derselben bestellt werden. Wenn es auch nicht ausgeschlosien erscheine, daß die Synoden bzw. ihre Ausschüsse oder Vorstände einzelne für den ganzen Bezirk bestimmte Arbeiten selbst in die Hand nehmen, so sei es meist doch zweckmäßiger, nur die Anregung dazu zu geben, daß die Sache von dazu geeigneten Persönlichkeiten in die Hand genommen wird, diesen helfend zur Seite zu stehen und sich dafür den nötigen Einfluß auf die Leitung der Arbeit zu sichern. — Schon die finanzielle Lage (vgl. A. 242) wird gewöhnlich diesen Weg empfehlen. Andererseits ist es heute aber den Kreissynodalverbänden dadurch, daß ihnen KGes. 16. Juni und StGes. 18. Juni 1895 Rechtspersönlichkeit verliehen haben, so daß sie Vermögen insbes. Schenkungen und letztwillige Zu­ wendungen erwerben, Stiftungen verwalten können, erleichtert, notwendige Ein­ richtungen für kirchliche Zwecke und christliche Liebestätigkeit in ihrem Bezirke zu treffen und zu unterhalten und damit auch an ihrem Teile das kirchliche Leben un­ mittelbar zu fördern (vgl. S. 117). — Den Kreissydonalverbänden steht namentlich in Bezug auf ihre Einrichtungen für christliche Liebeswerke die Gebühren- und Stempelfreiheit der Kirchen zu, vgl. (auch wegen der Folgen im Falle der Unter­ lassung richterlicher Belehrung hierüber bei der Auflassung) KG. 4. Juli 1898 Bd. 18 S. 101. 241) s. VO. §§ 10 u. 83—87, auch Rev. Jnstr. Nr. 48 (S. 214). 242) Wegen der Synodalwitwenkassen s. Buch VIII Abschn. I a. E. Trotz der neueren kirchlichen Reliktengesetzgebung erscheint es nicht erwünscht, irgendwelche bisherige Veranstaltungen zugunsten von Witwen und Waisen der Geistlichen aufzu­ lösen, EOK. 29. April 1890 KGVBl. S. 16.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

7. die Verwaltung der Kreissynodalkasse, die Bestellung eines Kreissynodalrechners 243), bie Festsetzung des Etats der Kasse244), diese unter Ge­ nehmigung des Konsistoriums, die Repartition der zur Kreissynodalkasse erforderlichen Beiträge der Kirchenkassen und Gemeinden*2^); 8. die Prüfung statutarischer Ordnungen der Gemeinden (§ 46), sowie die Errichtung solcher Ordnungen in dem den Kreissynoden angewiesenen Geschäftsbetriebe. Auch die letzteren bedürfen der Billigung der Pro­ vinzialsynode und der abschließenden Bestätigung des Konsistoriums24«); 9. die Wahl ihres Vorstandes nach Maßgabe des § 54; . 10. die Wahl von Abgeordneten zur Provinzialsynode nach Maßgabe der §§ 58 ff. Rev. Instr. 48. Zu den Funktionen der Kreissynode gehört auch die Prüfung des Kassen- und Rechnungswesens in den Gemeinden des Synodalbezirks. Über die Art der Ausführung dieser Funktionen sind bis­ her die Erlasse vom 28. März 1878 (KVGB1. S. 67 folg.) und 21. Mai 1880 (KGVB1. S. 53 folg.) ergangen. 49. Die Kreissynode und deren Vorstände sind in den kirchlichen Ver­ waltungsorganismus eingegliedert und führen ihre Geschäfte unter der Auf­ sicht des Konsistoriums. 243) Der Sydonalrechner braucht nicht der Synode anzugehören, über seine Remunerierung, Kautionslegung beschließt diese. 2") Wegen der dreijährigen Etatsperiode für die Kreissynodalkasse s. EOK. 17. April 1883 KGVBl. S. 60. Die Feststellung des Etats kann nur durch die Kreissynode selbst durch einen nach § 52 Abs. 3 u. 4 gefaßten Beschluß erfolgen, nicht aber gemäß § 51 Abs. 2 durch schriftliche Abstimmung außerhalb der Versammlung, vgl. A. 227. Wegen des Vorgehens, wenn das in einem Jahr versäumt, und wegen der Etatsfeststellung allein nicht eine nochmalige Versammlung zu veranstalten ist, vgl. EOK. 2. Okt. 1877 KGVBl. S. 213. 245) Vgl. §§ 71 ff., insbes. § 72 u. Anm. dazu. Ein Besteuerungsrecht hat die Kreissynode nur für die Synodalkosten; dasselbe ist auch durch KGes. 16. Juni 1895 nicht erweitert, vielmehr ist eine solche Erweiterung vom Gesetzgeber ausdrücklich ab­ gelehnt (vgl. KGVBl. 1894 S. 82). Die Kreissynode ist daher nicht in der Lage, für andere Zwecke von den Gemeinden Beiträge zu erheben (so auch nicht für soziale Einrichtungen, Unterstützung evangelischer Arbeitersekretariate, EOK. 6. Januar 1913 Nr. 13382). Selbstverständlich darf sie die eingezogenen Beträge auch nicht für andere Zwecke, z. B. der inneren Mission verwenden; etwa eintretende Ersparnisse an Synodalkosten sind vielmehr für denselben Zweck in das nächste Rechnungsjahr zu übertragen, EOK. 6. Dez. 1895 Nr. 9413 (KABl. Pommern 1895 S. 131). Soweit sie für jene weiteren Zwecke, insbesondere christlicher Liebesarbeit und sozialer Hülfe Mittel bedarf, ist sie auf freiwillige Gaben, namentlich Kollekten und freie Beiträge aller oder einzelner Gemeinden ihres Kreises, angewiesen. Für Erwerb und Ver­ waltung dergestalt zu ihrer Verfügung gelangender Mittel besitzt ]ie aber rechtliche Vermögensfähigkeit (vgl. A. 237). 246) Vor der Abschließung bedarf es der Anerkennung des Regierungspräsidenten (in Berlin Polizeipräsident), daß die Bestimmungen den Gesetzen v. 25. Mai 1874 u. 3. Juni 1876 nicht zuwider, s. Art. 4 des letztgen. Ges. und B. 9. Sept. 1876 Art. III Zif. 4; vgl. auch Anmerkungen zu § 46 (S. 205).

KG. u. SO. §§ 53-55 (Rev. Instr. 48, 49 u. 53).

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§ 54. Der Vorstand, der Kreissynode besteht aus dem Vorsitzenden Superintendenten (Präses) und aus vier von der Synode aus ihrer Mitte247) auf drei Jahre gewählten Beisitzern (Assessoren), von denen mindestens einer ein Geistlicher sein muß. Der geistliche Beisitzer und, wenn deren mehrere in dem Synodalvorstand sind, der an erster Stelle gewählte, hat den Vorsitzenden im Falle seiner Verhinderung in allen Synodalgeschäften zu vertreten. Das Konsistorium kann jedoch, wenn die Vertretung eines Superintendenten in allen Ephoralfunktionen angeordnet werden muß, auch den Synodalvorsitz dem ernannten Vertreter der Superintendentur übertragen 248). Rev. Instr. 53. Der jedesmalige Kreissynodalvorstand bleibt bis zur Wahl des nachfolgenden in Wirksamkeit. § 55. Der Synodalvorstand 249) hat 1. den Vorsitzenden in den Präsidialgeschästen zu unterstützen, 2. für die Aufzeichnung, Redaktion und Beglaubigung der Protokolle zu sorgen, zu welchem Behufe er unter seiner Verantwortlichkeit auch einige Synodalmitglieder zur Unterstützung zuziehen kann, 3. die Synodalprotokolle an das Konsistorium zu befördern und die von letzterem bestätigten Beschlüsse, soweit ihm die Vollziehung aufgetragen wird, zur Ausführung zu bringen, 4. zur Versammlung der Kreissynode die erforderlichen Einleitungen zu treffen, insbesondere die Vorlagen für dieselbe vorzubereiten, 5. dem Konsistorium auf Erfordern Gutachten abzustatten, 6. in eiligen Fällen der nach § 53 Nr. 5 und 6 der Synode übertragenen Mitaufsicht die vorläufige, bis zur nächsten Synodalversammlung wirk­ same Entscheidung zu treffen, 7. wenn die Kreissynode nicht versammelt ist, die ihr im § 53 Nr. 4 über­ tragene Zuständigkeit auszuüben, 8. auf eingelegten Rekurs 25°) über Einsprüche gegen die Wahl von Ältesten oder Gemeindevertretern (§ 40), über die Zulässigkeit einer Amtsab­ lehnung oder Niederlegung von Ältesten oder Gemeindevertretern (§ 41), sowie über den Ausschluß vom Wahlrechte (§ 36) zu entscheiden284), 247) d. h. aus der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder. 248) Auch im Falle der Erledigung der Superintendentur hat das Kon­ sistorium zu bestimmen, ob der Superintendenturverweser zugleich die Synodalgeschäfte führen soll, da sonst auch in diesem Falle Satz 2 des obigen § 54 Platz greift, EOK. 30. Sept. 1891 Nr. 6969. 249) Der Kreissynodalvorstand hat die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde, vgl. Rev. Instr. 49 (S. 214). — Der Wirkungskreis des Vorstandes ist erweitert durch §§ lu. 3 KGes. 16. Juni 1895 (vermögensrechtliche Vertretung des mit Rechtspersönlich­ keit ausgestatteten Kreissynodalverbandes). 25°) Vgl. aber auch Abs. 3 des § 40 (Prüfung von Amts wegen), ferner § 42* wo der Vorstand erstlich vorgeht. 251) War unter der Herrschaft des § 55 Schlußabsatz in seiner früheren Fassung, welche die Teilnahme sämtlicher Mitglieder, des Vorstandes an der Beschluß-

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Buch II Abschn. II. Die neueren Berfassungsgesetze.

9. darüber zu befinden, ob der Fall des § 44 Nr. 1 vorliegt, sowie die Diszi­ plinargewalt über die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeindevertretung auszuüben mit dem Rechte, Ermahnung, Verweis und, wegen grober Pflichtwidrigkeit, Entlassung aus dem Amte zu ver­ fügen (§ 44 Nr. 2) 232) 253). Die Disziplinarentscheidung erfolgt nach Untersuchung der Zache und Vernehmung des Beschuldigten durch eine schriftlich mit Gründen abzufassende Resolution, welche im Falle der Verurteilung zugleich über die Notwendigkeit der Suspension zu bestimmen hat. Binnen vier Wochen nach Zustellung der Resolution steht dem Beschuldigten der Rekurs an das Konsistorium zu, welches endgültig entscheidet233). Lautet die angefochtene Verfügung auf Entlassung, so kann das Konsistorium nur unter Zuziehung des Vorstandes der Provinzialsynode entscheiden 254), 10. bei Pfarrbesetzungen233), vorbehaltlich des Rekurses an das Konsistorium über Einwendungen der Gemeinde gegen Wandel und Gaben des De­ signierten sowie über Einwendungen von einer Zweidrittelmehrheit der Gemeindeglieder zu entscheiden233). [Übet Einwendungen wegen der Lehre des Designierten trifft in

fajsung forderte, Stimmenthaltung eines Mitgliedes, das schon in erster Instanz mit­ gewirkt hatte, nicht nur nicht empfehlenswert, sondern sogar unzulässig (EOK. 30. Jan. 1875 AH. 22 S. 300), so wird heute, da diese Schranke nicht mehr besteht, ein Vor­ standsmitglied, das in erster Instanz im Gemeindekirchenrat beteiligt war und sich dort nicht schon im Hinblick auf eine spätere Wirksamkeit in der höheren Instanz der Ab­ stimmung enthalten hat, dies wegen mangelnder Unbefangenheit im Kreissynodalvorstande tun müssen, soweit die Rücksichtnahme auf seine Beschlußfähigkeit es gestattet. Unbedenklich erscheint es aber, daß das betrefsende Mitglied seine Kenntnis der Ver­ hältnisse benützt, um den Vorstand bei der Beratung zu unterrichten. 232) Das kirchliche Disziplinargesetz v. 16. Juli 1886 findet laut § 1 aus Älteste und Vertreter keine Anwendung. 233) Die Kosten, welche durch die amtliche Versammlung der Kreissynodalvor­ stände zum Zwecke von Verhandlungen in Disziplinarsachen oder in Angelegenheiten einzelner Kirchengemeinden entstehen, können mangels bezüglicher gesetzlicher Vor­ schrift und nach den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts den beteiligten Ältesten bzw. Kirchengemeinden nicht zur Last gelegt werden, sondern sind von der Kreissynodalkasse zu tragen, EOK. 9. Febr. 1885 Nr. 481. Besondere Kosten, die in Disziplinarsachen durch kommissarische Vernehmungen in erster (Kreissynodalvor­ stand) oder zweiter Instanz (Konsistorium) entstehen, würden von dem Verurteilten jedenfalls nur ersetzt zu werden brauchen, wenn ihm die Kosten in der Difziplinarentscheidung ausdrücklich auferlegt sind. Vgl. wegen Beitreibung § 9 Ges. 12. Mai 1873 (in Buch IV Abschn. II). 254) Vgl. § 68 Zif. 6; s. auch § 45 (Initiative des Vorstandes). 233) Pfarrwahlgesetze 15. März 1886 § 10 u. 28. März 1892 § 2, ferner §§ 329 bis 339 ALR. I111 (in Buch IV Abschn. I). 236) Im Falle des Zusammentrefsens mit Einwendungen gegen die Lehre vgl. §§ 22—24 KGes. 16. März 1910 betr. Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen (in Buch IV Abschn. II.).

KG. u. SO. §§ 55-57.

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erster Instanz das Konsistorium die Entscheidung unter Mitwirkung des Vorstandes der Provinzialsynode (vgl. § 68 Nr. 6)] 257). Der Kreissynodalvorstand ist beschlußfähig, sobald mindestens drei Mit­ glieder, einschließlich des Vorsitzenden, an der Beschlußfassung teilnehmen 258). § 56. Bei den Versammlungen der Kreissynode findet eine beschränkte Öffentlichkeit statt. Die Kandidaten und nicht ordinierten Geistlichen des Synodalkreises, die Ältesten desselben, die evangelischen Kirchenpatrone, die evangelischen Mit­ glieder der an der Kirchenverwaltung beteiligten Kreis- und Provinzialbe­ hörden sowie der Zentralbehörden haben als Gäste Zutritt. Andere Personen als Zuhörer zuzulassen, hängt von dem Ermessen des Synodalvorstandes ab. Der Generalsuperintendent, sowie ein vom Konsistorium etwa abge­ ordnetes Konsistorialmitglied, desgleichen der Präses der Provinzialsynode (§ 66) hat das Recht, jederzeit den Verhandlungen der Kreissynode beizu­ wohnen, dabei das Wort zu ergreifen und Anträge zu stellen. § 57. In Städten, welche mehrere Synodalkreise umfassen, ist auf das Zusammentreten von mehreren Kreissynoden zur Behandlung gemeinsamer kirchlicher Angelegenheiten der Stadt Bedacht zu nehmen. Die Anordnung desselben erfolgt mit Einwilligung der einzelnen Kreissynoden, im Fall ihres Widerspruchs unter Zustimmung der Provinzialsynode durch das Konsistorium, welches zugleich den Vorsitz und die Geschäftsordnung der so gebildeten syno­ dalen Körperschaft regelt 259). Dem Konsistorium bleibt vorbehalten, den Wirkungskreis einer Kreis257) Siehe jetzt §§ 35, sowie 21 u. 24 des in vor. Anm. zitierten Gesetzes. 258) Dieser Absatz in der Fassung des KGes. 9. März 1891 (s. Vorm.). Dazu ist vom EOK. unter Mitwirkung des Generalsynodalvorstandes erlassen die Ausführungsanweisung v. 9. Sept. 1891 KGVBl. S. 35. 1 Zu den Sitzungen des Kreissynodalvorstandes sind in jedem Falle sämtliche Mitglieder unter Mitteilung der zur Verhandlung bestimmten Gegenstände und unter ausdrücklichem Hinweis darauf zu laden, daß der Kreissynodalvorstand, sobald minde­ stens drei Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden, an der Beschlußfassung teil­ nehmen, beschlußfähig ist. 2. Die Einladung der Mitglieder seitens des Vorsitzenden muß schriftlich, und zwar in der Regel mindestens fünf Tage vor dem Sitzungstage bewirkt werden, und ist eine Bescheinigung über die erfolgte Ladung oder eine Bescheinigung der Post­ behörde über die Einlieferung des bezüglichen Einschreibebriefes zu den Akten zu bringen. Wegen der Beschlußfassungen s. § 52 Abs. 4, wegen Ausschaltung von persönlich beteiligten Mitgliedern ist § 11 Abs. 3 analog zu beachten. Bei Stimmengleichheit entscheidet, wie nach allgemeinen Grundsätzen und in Analogie des § 52 Abs. 4 an­ genommen werden kann, die Stimme des Vorsitzenden. 259) Mehrere Kreissynoden umfaßt nur Berlin. Wegen Vereinigung derselben s. Art. 8. Ges. 3. Juni 1876 u. Anm. dazu. Vgl. heute das KGes. u. StGes. betr. die Berliner Stadtsynode v. 17. Mai bezw. 18. Mai 1895 sowie das Regulativ für die Stadtsynode vom 14. November/12. Dez. 1896 (in Buch II Abschn. II unter B).

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

synode oder einer nach Absatz 1 gebildeten Vereinigung von Kreissynoden sowie ihres Vorstandes mit Rücksicht auf eigentümliche Einrichtungen oder Bedürfnisse des Kreises, im Einverständnis mit den betreffenden Kreissynoden oder, wenn dasselbe nicht zu erreichen, unter Zustimmung der Provinzial­ synode, zu erweitern 260). Rev. Instr. 54. Die Vorschriften des § 57 der KG. u. SO. über das Zusammentreten mehrerer Synoden in den Städten sowie über die Er­ weiterung des Wirkungskreises von Kreissynoden haben für Berlin durch Art. 8 des Staatsgesetzes vom 3. Juni 1876 und durch das Regulativ vom 8./13. Juni 1881 (KGVB1. S. 80folg.) einen weiteren Ausbau erfahren259).

Dritter Abschnitt: Provinzialsynode. § 58. Die Kreissynoden jeder Provinz261) bilden zusammen den Ver­ band einer Provinzialsynode 262). § 59 (GSO. § 44). Die Provinzialsynode wird zusammengesetzt aus: 1. den von den Kreissynoden oder Synodalverbänden der Provinz zu wählenden Abgeordneten; 2. einem von der evangelisch-theologischen Fakultät der Provinzialuniver­ sität (für Westpreußen der Universität Königsberg*2"), für Posen der Universität Breslau) zu wählenden Mitgliede dieser Fakultät2"); 3. den vom Könige zu ernennenden Mitgliedern 265), deren Zahl den sechsten Teil der nach Nr. 1 zu wählenden Abgeordneten nicht übersteigen soll. Die Berufung aller Synodalmitglieder erfolgt für eine Synodalperiode von drei Jahren. Rev. Instr. 65. Die für die Provinzialsynoden bestimmte dreijährige Synodalperiode (§ 44 Abs. 2 GSO.) hat mit dem Jahre 1875 begonnen 266). 260) Durch ein Regulativ, vor dessen Feststellung durch das Konsistorium es der Anerkennung des Regierungspräsidenten bedarf, daß die Bestimmungen den Gesetzen vom 25. Mai 1874 und 3. Juni 1876 nicht zuwider, s. Art. 7 des letztgenannten Ge­ setzes u. B. 9. Sept. 1876 Art. III Nr. 4. 261) Wegen Begründung der Provinzialsynodalverbände Ost- und Westpreußen s.AE. 7. März 1887 KGVBl. S. 85 und Bekanntmachung des EOK. 16. Jan. 1892 KGVBl. S. 13 nebst Staatsges. v. 21. Mai 1887 (GS. S. 194, KGVBl. S. 88), ferner KGes. 13. Januar 1904 KGVBl. S. 1 (wegen der reformierten Kirchenge­ meinde Thorn). — Wegen Eingliederung der Stolbergschen Kreisshnoden in den sächsischen Provinzialsynodalverband s. AE. 30. Dez. 1874 (S. 236). 262) Den Provinzialsynodalverbänden ist durch KGes. 16. u. StGes. 18. Juni 1895 juristische Persönlichkeit verliehen. 263) In der Fassung des AE. 7. März 1887 (vgl. A. 258). 2") Vgl. Rev. Instr. Nr. 57 u. 59 Schlußabsatz (S. 221 u. 222). 265) Wegen Berufung von Männern aus dem Arbeiterstande vgl. EOK. 20. Jan. 1911 I 3283; s. auch S. 186 A. 153 Abs. 3. 266) Gleichzeitig mit den östlichen Provinzialsynoden tagen seit 1884 auch die der beiden westlichen Provinzen, vgl. KGes. 18. Juli 1882 KGVBl. S. 65. 267) Wegen der Stolbergischen Konsistorien s. AE. 30. Dez. 1874 § 3 (S. 237).

KG.

u. SO. §§ 57-61 (Rev. Instr. 54, 63 u. 65).

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:§ 60. Die Mitglieder des von der vorangegangenen ordentlichen Provinzmlsynode gewählten Vorstandes, des Provinzialkonsistoriums 267) und des Evangelischen Ober-Kirchenrats sind berechtigt, mit beratender Stimme an den Verhandlungen der Synode teilzunehmen. Außerdem wohnt ein Königlicher Kommissar den Verhandlungen bei, welcher jederzeit das Wort ergreifen und Anträge stellen kann. Das gleiche Recht steht dem Generalsuperintendenten der Provinz zu. Rev. Instr. 63. Der Königliche Kommissar, von dessen Ernennung die Synode durch das Konsistorium in Kenntnis gesetzt wird, übt die kirchenregimentlichen Befugnisse bei der Synode aus. Er wohnt den Sitzungen der Synode bei mit dem Rechte, jederzeit das Wort zu ergreifen und Anträge zu stellen (§ 60 Abs. 2), vermittelt den Verkehr zwischen Kirchenregiment und Synode, wirkt, soweit nötig, bei dem Synodalpräses dahin, daß die von der Kirchenregierung gemachten Vorlagen vorzugsweise erledigt werden, übt das Zustimmungsrecht zu einer Verlängerung der Dauer der Synodalversammlung nach § 64 Abs. 2 aus, vollzieht die besonderen in Angelegenheiten der Synode ihm erteilten Aufträge des Evangelischen OberKirchenrats268) und ist berechtigt, die Schließung der Synode herbeizuführen, indem er den Präses zur Vornahme des Schließungsakts veranlaßt. § 61 (GSO. § 45). Jeder Kreissynodalbezirk ist ein Wahlkreis, seine Kreissynode der Wahlkörper. Ist jedoch in der Provinz eine größere Anzahl von Kreissynoden vorhanden, so ist durch Vereinigung mehrerer Kreissynoden zu einem Wahlverbande die Zahl der Wahlkreise auf fünfunddreißig, in den Provinzen Brandenburg 269) und Sachsen auf vierzig zu verringern. In dem Wahlverbande bilden die vereinigten Kreissynoden den Wahlkörper 27°). Die Anzahl und die Begrenzung der durch Zusammenlegung von Kreis­ synoden gebildeten Wahlkreise wird bis zur anderweiten kirchengesetzlichen Regelung durch Königliche Verordnung bestimmt27*). Die Zahl der von den Kreissynoden und Wahlverbänden zu wählenden Abgeordneten (§ 59 Nr. 1) beträgt das Dreifache der in der Provinz vorhan­ denen Wahlkreise. 2»8)

So insbes. die Bestätigung der Wahl des Präses (vgl. § 66 Schlußabsatz). 269) In der Provinz Brandenburg ist die Höchstzahl auf 44 erhöht durch KGes. 16. Januar 1905 KGVBl. S. 1, das auch wegen Bildung der neuen Wahlkreise und Verteilung der zu wählenden Abgeordneten nähere Bestimmung trifft (vgl. nächste Anm.). 27°) Wer zugleich Mitglied zweier zu einem Wahlverbande vereinigter Kreis­ synoden ist, hat in dem Wahlkörper mit Rücksicht auf den schon A. 223 Abs. 2 betonten allgemeinen Grundsatz doch nur eine Stimme, EOK. 9. Nov. 1880 KGVBl. S. 143. 271) Das ist geschehen durch AE. v. 1. Juni 1874 GS. S. 213 u. 9. April 1877 KGVBl. S. 101 — mit den Abänderungen durch AE. 7. März 1887 Nr. I nebst StGes. v. 21. Mai 1887 KGVBl. S. 85 (Ost- und Westpreußen) u. KGes. 16. Januar 1905 nebst StGes. vom gleichen Tage KGVBl. S. 1 (Brandenburg). Wegen der Stolbergschen Grafschaften s. AE. 30. Dez. 1874 § 2 (S. 236).

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Für jeden Abgeordneten wird gleichzeitig ein Stellvertreter gewählt. Für Wahlkreise, in denen die Wahl durch die vereinigten Kreissynoden des Verbandes mit besonderen Unzuträglichkeiten verknüpft ist, kann auf Antrag eines oder mehrerer Kreissynoden des Verbands durch ein von der Provinzialsynode zu erlassendes Statut die Wahl der von dem Wahlkreise in die Provinzialsynode zu entsendenden Abgeordneten nach einem regelmäßigen Wechsel auf die einzelnen Kreissynoden des Wahlkreises verteilt werden. Das Statut bedarf zu seiner Gültigkeit der Bestätigung des Evangelischen Ober-Kirchenrats ^2). § 62 (GSO. § 46). Die Wahl erfolgt in der SBeifem), daß in jedem Wahlkreise 1. ein Abgeordneter aus den innerhalb des Wahlkreises in geistlichen Ämtern der Landeskirche angestellten Geistlichen, 2. ein Abgeordneter aus solchen Angehörigen des Wahlkreises gewählt wird, welche in Kreissynoden oder in den Gemeindekörperschaften desselben als weltliche Mitglieder zurzeit der Kirche dienen oder früher gedient haben: 3. das letzte Dritteil der Abgeordneten wird von den an Seelenzahl stärkeren Kreissynoden und Wahlverbänden aus den angesehenen, kirchlich er2'-) Dieser Absatz ist hinzugefügt durch KGes. 13. April 1898 KGVBl. S. 29. Das Gesetz sott es ermöglichen, in einzelnen Wahlkreisen, in denen sich bei den Wahlen durch die vereinigten Kreissynoden in der Tat besondere, über die bei einer solchen Einrichtung nun einmal unvermeidlichen kleinen Unannehmlichkeiten erheblich hinaus­ gehende Mißstände herausgestellt haben, ausnahmsweise auf ihr Verlangen den Über­ gang zum Turnus zuzugestehen, vgl. Begr. in KGVBl. 1897 S. 55. Ein solcher Turnus bestand schon früher für die einen Wahlkreis bildenden Stolbergschen Graf­ schaften, s. AE. 30. Dez. 1874 § 2 (S. 236). 273) Wegen des Wahlverfahrens s. §52 Abs. 4. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl besteht nicht. Die Geistlichen bedürfen zum Eintritt keines Ur­ laubs; wegen Urlaubs der Staats- und Kommunalbeamten s. S. 200 A. 188. — Weg­ fall der dauernden Wählbarkeitsvoraussetzung (insbes. evang. Be' kenntnis und Zugehörigkeit zur Provinzialkirche) hat auch Verlust des Mandats zur Folge. Nach Nr. 1 können nur im Gemeindepfarramt fest angestellte Geistliche ge­ wählt werden; nicht auch Hülfsgeistliche, die Pfarrverweser sind, noch geistliche Mit­ glieder der kirchenregimentlichen Kollegien als solche. Spätere Emeritierung bedingt nicht Verlust des Mandats, wie in Übereinsümmung mit der Praxis der Generalsynode (vgl. A. 6 zu § 3 GSO.) anzunehmen sein wird; wohl aber ein Verlust der Rechte des geistlichen Standes und jedes nicht in vollen Ehren erfolgte Ausscheide^ aus dem Amte. Standen nach Nr. 2 Gewählte bei der Wahl im kirchlichen Gemeindedienste, so bewirkt Aufgabe desselben, da auch früherer Dienst genügt, nicht Verlust des Mandats (vgl. GSV. 1909 IIS. 80), es sei denn, daß sie disziplinarisch entlassen oder zur Betteldung kirchlicher Ämter für unfähig erklärt sind. Für die nach Nr 1 u. 2 zu Wählenden ist Wohnsitz innerhalb des Wahlkreises erforderlich; doch bedingt spätere Verlegung, aber unter Verbleib in der Provinz, nicht Verlust des Mandats, EOK. 27. Mai 1875 AH. 22 S. 301. Für die Abgeordneten der Nr. 3 ist nur Wohnsitz in der Provinz nötig. In dieser Kategorie ist es gleichgültig, ob die zu Wählenden Geistliche oder Weltliche sind. Das gilt auch betreffs ihrer Stellvertreter (§ 61 Schlußsatz).

KG. u. SO. §§ 61 u. 62 (Rev. Instr. 56-59).

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fajrenen und verdienten Männern des Provinzialbezirks gewählt. Die­ jenigen Wahlkörper, welche hiernach eines oder mehrere dieser Mitglieder zu wählen haben, sowie die Zahl dieser Mitglieder werden unter Berücksicktigung der Seelenzahl das erstemal durch Anordnung des EvangelischenOber-Kirchenrats, demnächst endgültig durchBeschlußderProvinzialsyLvde bestimmt. Dieser Beschluß bedarf der Bestätigung des durch den Verstand derGeneralsynode verstärkten EvangelischenOber-Kirchenrats274). Die weltlichen Mitglieder müssen das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Rev. Instr. 56. Die Vorsitzenden der Kreissynoden bzw. der aus vereinigten Kreissynoden gebildeten Wahlverbände (König!. Ver­ ordnung v. 1. Juni 1874 — GesS. S. 213 folg. — u. v. 9. April 1877 — KG. u. VB1. S. 101 u. betreffs der beiden Provinzen Preußen v. 7. März 1887 — das. S. 85 — Nr. 1) übersenden dem Konsistorium beglaubigte Abschrift des übe: die Wahlen zur Provinzialsynode aufgenommenen Protokolls. Auf dieser Abschrift beurkunden sie durch Marginalattest die Zahl der Mit­ glieder des Wahlkörpers, damit aus der Vergleichung dieser Zahl mit der aus dem Wahlprotokoll hervorgehenden Zahl der Wählenden entnommen werden kann, ob die erforderlichen zwei Drittel der Synodalen an der Wahlhandlung teilgenommen haben (§ 52 Abs. 3, 4 d. KG. u. SO.). 57. Das Konsistorium ersucht nach dem Eintritt jeder neuen Synodal­ periode die evangelisch-theologische Fakultät der Provinzialuniversität (für Posen der Universität Breslau und für Westpreußen der Universität Königsberg) die ihr nach § 44 Nr. 2 GSO. (§ 59 Zif. 2 KG. u. SO.) zuständige Wahl vorzunehmen und von dem Ergebnis Mitteilung zu machen. 58. Nachdem das Konsistorium die zur Prüfung der Legitimationen etwa nötigen Vervollständigungen veranlaßt hat, verbindet es die auf die Kreissynodalwahlen (Nr. 56) bezüglichen Schriftstücke zu einer Sammlung und stellt dieselbe dem Präses der Provinzialsynode so zeitig vor Eröffnung der letzteren zu, daß für die dem Synodalvorstände obliegende Prüfung der Legitimationen, für die von ihm etwa begehrte Ergänzung des Materials sowie für die Vorbereitung des von dem Präses an die Synode abzustatten­ den Berichts (KG. u. SO. § 68 Nr. 4, § 69) eine möglichst geräumige Frist bleibt. 59. Die Prüfung der Legitimationen bezieht sich ihrem Gegenstände nach allein darauf, ob die Abordnung von den dazu Berech­ tigten in der gesetzlichen Form erfolgt ist und ob bei den Abgeordneten die­ jenigen Eigenschaften zutreffen, an welche das Gesetz ihre Fähigkeit zum Eintritt in die Synode geknüpft hat. 274) Wegen Zuteilung des letzten Drittels an die einzelnen Wahlkörper s. EOK. 10. April 1877 KGVBl. S. 104, 27. Mai 1880 KGVBl. S. 67,16. Juni 1887 KGVBl. S. 90, 17. Mai 1894 KGVBl. S. 41,13. Januar u. 10. Nov. 1898 KGVBl. S. 1 u. 174, 3. April 1900 KGVBl. S. 16 u. KGes. 16. Jan. 1905 KGVBl. S. 1.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

In letzterer Beziehung kommt es bei den von den Kreissynoden oder Kreissynodalverbänden auf Grund des § 45 GSO. (§ 61 KG. u. SO.) gewählten Abgeordneten lediglich darauf an, ob die im § 46 (§ 62) das. Nr. 1 und 2 angegebenen tatsächlichen Voraussetzungen der Wählbarkeit vorhanden sind, im Falle des § 46 (§ 62) Nr. 3 aber darauf, ob der Gewählte dem Pro­ vinzialbezirke angehört. Hiermit ist die Ausdehnung der Legitimationsprüfung auf ein Urteil über die Qualifikation des Gewählten zu dem kirchlichen Amte oder Dienste ausgeschlossen, kraft dessen er nach dem Gesetze die Wählbarkeit besitzt, und ebensowenig darf sie sich auf die Frage einlassen, ob bei dem Gewählten ein Merkmal zutreffe, welches in dem Gesetze überhaupt nicht als Bedingung seiner Wählbarkeit aufgestellt ist, sondern nur eine Weisung für die Wähler behufs ihrer Anleitung zu einem richtigen Gebrauche ihrer Wahlfreiheit bildet. Lediglich eine solche Anleitung ist es selbstredend, wenn im Falle des § 46 (§ 62) die dort bezeichneten Kreissynoden angewiesen werden, ihre Wahl „aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern“ der Provinz zu treffen. Die Legitimation des von der evangelisch-theologischen Fakultät ge­ wählten Mitgliedes wird durch die über die Wahl ergangene Mitteilung der Fakultät an das Konsistorium, die Legitimation der landesherrlich ernannten Mitglieder durch amtliche Mitteilung des Evangelischen Ober-Kirchenrats geführt. § 63. Die Mitglieder der Provinzialsynode legen bei ihrem Eintritt in die Synode nachstehendes Gelöbnis ab: „Ich gelobe vor Gott, daß ich meine Obliegenheiten als Mitglied der Synode sorgfältig und treu, dem Worte Gottes und den Ordnungen der evangelischen Landeskirche gemäß erfüllen und danach trachten will, daß die Kirche in allen Stücken wachse an dem, der das Haupt ist, Christus." § 64. Die Provinzialsynode versammelt sich alle drei Jahre 276) auf Be­ rufung des Konsistoriums in einer Stadt der Provinz. Außerordentliche Ver­ sammlungen 276) kann mit Zustimmung des Synodalvorstandes das Kon­ sistorium, unter Genehmigung des Evangelischen Ober-Kirchenrats, berufen. Anfangstermin, Ort und Dauer der Versammlung werden zwischen dem Kon­ sistorium und dem Synodalvorstande vereinbart. Eine Verlängerung der vereinbarten Dauer bedarf der Zustimmung des landesherrlichen Kommissars 277). Rev. Instr. 60. Die Berufung der Provinzialsynode erfolgt mittelst öffentlicher Bekanntmachung durch das Konsistorium, nachdem 275) Vgl. Rev. Instr. Nr. 65 (S. 218). 276) Vgl. wegen derselben Rev. Instr. Nr. 62 (S. 229). 277) Vgl. Rev. Instr. Nr. 63 (oben).

KG. u. SO. §§ 63—65 (Rev. Instar. 59 u. 60).

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dasselbe vorher den Anfangstermin, den Ort und die Dauer der Versammlung mit dem Synodalvorstande vereinbart hat (§64 der KG. u. SO.). Die einzelnen Mitglieder der Synode werden vom Präses zum Erscheinen eingeladen. § 65. Der Wirkungskreis der Provinzialsynode umfaßt nachstehende Befugnisse und Obliegenheiten: 1. Sie hat die Zustände und Bedürfnisse ihres Bezirks in Obacht zu neh­ men^«), über die Erhaltung der kirchlichen Ordnung in Lehre, Kultus und Verfassung zu wachen und die Hebung der wahrgenommenen Miß­ stände durch Anträge oder Beschwerden im kirchenordnungsmäßigen Wege zu betreiben 279).

278) Übet die Mitarbeit der Provinzialsynode aus dem Gebiete der kirchlichen Liebestätigkeit s. Beschluß der Eisenacher Kirchenkonferenz v. 25. Mai 1894 (AKBl. 1894 S. 705 ff). Im Anschluß an das schon A. 237 im allgemeinen und hinsichtlich der Kreissynoden sonderlich Gesagte empfiehlt sie in noch höherem Maße für die Pro­ vinzialsynoden Beachtung und Erwägung der christlichen Liebestätigkeit, um anzu­ regen, helfend und fördernd einzugreifen, und zur Sicherung hierfür Einsetzung einer besonderen Kommission oder eines Ausschusses für die Liebestätigkeit. Als er­ wünscht wird es auch bezeichnet, wenn in den Vorständen der die ganze Provinzial­ kirche umfassenden Vereine und Anstalten der Liebestätigkeit ein Mitglied des ständigen Ausschusses oder Vorstandes der Synode Sitz und Stimme hätte. Was die Be­ schaffung von Mitteln anlangt, so wird die Bewilligung von Kollekten empfohlen, die von Steuern als bedenklich erachtet. — Dadurch, daß den Provinzialsynodalver­ bänden heute nach KGes. v. 16. und StGes. vom 18. Juni 1895 Rechtspersönlichkeit zukommt, ist es ihnen ermöglicht, Selbsteinrichtungen und Anstalten der christlichen Liebe zu treffen und zu halten. Der Brandenburgische Provinzialsynodalverband hat ein Diakonissenmutterhaus (Luise-Henrietten-Stift) in Lebnin errichtet, vgl. Bek. des Kons. Berlin 15. Sept. 1911, Amtl. Mitt. S. 130. 279) Diese Befugnis der Provinzialsynode betrifft, wie EOK. 21. Febr. 1879 KG BPI. S. 82 darlegt, lediglich innerhalb des kirchlichen Gebiets hervorgetretene Mißstände, und zwar, wie die entsprechenden §§ 16 u. 17 GSO. deutlich erkennen lassen, zunächst solche Mißstände, deren Abhülfe seitens der kirchlichen Behörden er­ wartet werden kann. Dadurch ist den Synoden nahegelegt, für Wünsche, deren Er­ füllung von Staatsbehörden abhängig ist, das Kirchenregiment zur Intervention bei denselben anzuregen (vgl. § 27 Geschäftsordnung für die Provinzialsynoden v. 23. Dezember 1874 AH. 22 S. 242). Wenn aber die Synode Wert darauf legt, Wünsche, welche das kirchliche Interesse berühren, aber nur durch die Staatsregierung erfüllt werden können, direkt an dieselbe zu richten, so müssen solche Petitionen an die betreffenden Staatsbehörden durch das Kirchenregiment übermittelt werden; denn letzteres ist allein berufen, die Landeskirche gegenüber den staatlichen Behörden zu vertreten und den Verkehr der kirchlichen Organe mit diesen zu vermitteln. Auch wird es den Beschlüssen der Synode größeren Nachdruck geben, wenn in der Geltend­ machung provinzieller kirchlicher Interessen bei staatlichen Behörden dem Kirchen­ regiment Gelegenheit gegeben wird, dieselbe mit den etwa erforderlichen Erläuterungen oder Ergänzungen zu begleiten. Zuständig für den unmittelbaren Verkehr mit dem Vorstande der Provinzialsynode ist das Konsistorium, das Wünsche, die an staatliche Zentralbehörden gerichtet sind, an den Evang. Ober-Kirchenrat weiter zu reichen hat. Vgl. im übrigen Rev. Jnstr. Nr. 64 (S. 227) und A. 300.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

2. Über die von der Kirchenregierung gemachten Vorlagen, sowie über die von den Kreissynoden oder aus ihrer eigenen Mitte an sie gelangenden Anträge hat sie zu beraten und die zu ihrer Erledigung erforderlichen Gutachten zu erstatten und Beschlüsse zu fassen 280). Die letzteren bedürfen der Bestätigung der Kirchenregierung2S1). 3. Die Provinzialsynode übt eine selbständige Teilnahme an der kirchlichen Gesetzgebung dergestalt, daß kirchliche Gesetze, deren Geltung sich auf .die Provinz beschränken soll, durch das Kirchenregiment nicht ohne ihre Zu­ stimmung erlassen werden können282). Neue Katechismuserklärungen, Religionslehrbücher 283), Gesang­ bücher und agendarische Normen dürfen in dem Provinzialbezirk nicht ohne Zustimmung der Provinzialsynode eingeführt werden 284). Kirchliche Ordnungen und Gesetze, welche mit Zustimmung der Generalsynode in Gemäßheit der künftigen Generalsynodalordnung er­ lassen werden, gehen den provinziellen Ordnungen und Gesetzen vor. 4. Zur Einführung neuer, regelmäßig wiederkehrender Provinzialkirchen­ kollekten bedarf es der Zustimmung der Provinzialsynode 285). 5. Die von den Kreissynoden beschlossenen statutarischen Bestimmungen unterliegen der Prüfung der Provinzialsynode und gelangen erst nach deren Zustimmung zur Bestätigung an das Konsistorium (§ 53 Nr. 8) 286). 6. Die Provinzialsynode erhält Einsicht von dem Zustande der Synodal280) Vgl. § 53 Zif. 2. Für Anträge von Gemeindekirchenräten oder Einzelnen kann also durch Vermittlung der Kreissynode oder Aufnahme seitens Provinzialsyno­ daler Beratungspslicht begründet werden. Die Provinzialsynode hat aber nicht über Angelegenheiten, die ausdrücklich als Gegenstand landeskirchlicher Gesetzgebung qualifiziert werden, und gegenüber Erwägungen der Kirchenregierung, die etwa auf privatem Wege zur Kenntnis der Synoden gelangt sein mögen, Erwartungen aus­ zusprechen; vielmehr gehört es zu den Aufgaben der Provinzialsynode, solchen schon in formeller Hinsicht bedenklichen Anträgen gegenüber die Beratungen der Synode in den Grenzen ihrer gesetzlichen Kompetenz zu halten, EOK. 10. Januar 1879, KGBBl. S. 98. Vgl. im übrigen wegen Beschränkung des Petitionsrechts der Synode A. 236. Wegen des Verkehrs mit andern Behörden in Ausführung der Beschlüsse s. § 68 Zif. 3 und Rev. Jnstr. Nr. 64 (S. 227). 281) EOK. u. Konsistorien, vgl. RessRegl. 1850 11 und 1847 II.1 Wegen Billigung der Generalsynode s. GSO. § 18. — Beschlüsse, die den inneren Geschäftsgang der Synode betreffen, bedürfen der Bestätigung nicht. 282) Die Sanktion erfolgt auch für Provinzialgesetze durch den König, vgl. Ges. 3. Juni 1876 Art. 13; wegen staatlicher Genehmigung s. das. Abs. 1 u. 2. Die Ver­ kündigung geschieht gemäß § 6 Abs. 4 GSO., s. Abs. 3 des zit. Art. Wegen sachlicher Kompetenz der Provinzialgesetzgebung vgl. Schön II S 255 A. 1 Abs. 2. 283) Bezieht sich nur auf den kirchlichen Unterricht; wegen Religionslehrbücher der Schule s. Buch VII Abschn. I u. II. 284) s. auch GSO. § 7 Zif. 3. “*) s. VO. § 59 (in Buch VIII). 288) Vgl. A. 209 u. 246.

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KG. u. SO. § 65.

Witwen- und Waisenkassen 287), des Provinzialemeritenfonds 288) und anderer provinzieller, von dem Konsistorium oder anderen Königlichen Behörden verwalteter kirchlicher Stiftungen. Sie führt die Mitaufsicht über die Kreissynodalkassen26B) und ordnet durch ihre Beschlüsse die Verwaltung der Provinzialsynodalkasse29°). 7. Neue kirchliche Ausgaben zu provinziellen Zwecken2Ö1), soweit sie durch Leistungen der Kirchenkassen oder Kirchengemeinden gedeckt werden sollen, bedürfen der Bewilligung der Provinzialsynode und der Zustimmung des Konsistoriums 292). 267) Das bezieht sich aber nicht auf solche Predigerwitwen- und Waisenkassen, die sich nicht als Anstalten des öffentlichen Rechts darstellen. Vgl. in dieser Hinsicht EOK. 11. Dez. 1905 (in Buch VIII Abschn. I a. E.). 288) Die Provinzial-Emeritenfonds sind aufgehoben s. § 11 KGes. 26. Jan. 1880 KGVBl. S. 37, Art. 3 Ges. 15. März 1880 GS. S. 216 u. AB. 1. Juni 1880 GS. S. 267 (KGVBl. S. 45 u. 69). 289) Betreffs Mitaufsicht der Provinzialsynode über die Kreissynodalkassen und provinziellen Fonds, insbes. Bestellung von Rechnungsausschüssen zu diesem Behufe s. EOK. v. 18. Mai und 24. Dez. 1878 KGVBl. 1878 S. 113 und 1879 S. 15. Die etwaigen Rechnungsausschüsse haben hier nicht den Charakter eines mit selbständiger Kompetenz versehenen Organs, sondern sind lediglich Kommissionen, welchen die Berichterstattung an die Synode und die möglichste Vorbereitung ihrer Beschlüße, mithin auch die Sammlung der hierfür erforderlichen Informationen obliegt. Ihr unmittelbarer Verkehr ist jedenfalls nur unbedenklich, sofern und solange weder diese noch die Synode selbst und ihr Vorstand den Schriftwechsel durch den letzteren als gesetzlichen Vertreter der Synode wünschen. Übrigens kommt auch dem Synodal­ vorstand selbst eine selbständige Geschäftsführung in diesen Angelegenheiten nur in den Grenzen des § 68 Zif. 3 u. 4 zu. Betreffs Mitwirkung der Synode handelt es sich nicht um Rechnungsabnahme und Decharge. Eine das wirkliche Bedürfnis über­ schreitende Anfertigung von Etats- und Rechnungsabschriften ist zu vermeiden. — Zutreffend sieht Schön II S. 467 A. 3 den Zweck der Mitaussicht nicht sowohl in einer Sicherung der ordentlichen Verwaltung als in dem Wunsche, die höhere Synode stets auf dem Laufenden über die kirchlichen Vermögensverhältnisse in ihren Bezirken zu halten. 290) Die Etatsperioden der Provinzialsynodalkasse sind dreijährig und beginnen mit dem 1. April des auf bte ordentliche Versammlung der Synode folgenden Jahres. Indem hiernach der von den Provinzialsynoden aufzustellende Etat sowohl die pro­ vinziellen wie die landeskirchlichen Umlagen für einen dreijährigen Zeitraum erfaßt, wird es ermöglicht, den Gesamtbedarf auf die Kreissynoden in gleichen Raten auf die einzelnen Etatsjahre zu verteilen und die Erhebung dieser Umlage mittelst eines einzigen Ausschreibens auf drei Jahre zu ordnen, EOK. 17. April 1883, KGVBl. S. 60. Vgl. auch §§ 71 ff. 291) Über den Begriff kirchlicher Ausgaben zu provinziellen Zwecken vgl. OBG. 26. Mai 1899 Bd. 36 S. 190: Unter provinziellen Zwecken sind danach nicht solche zu verstehen, die nur die Provinz angehen; es genügt, daß das zu befriedigende Be­ dürfnis in der Provinz besteht, mag es sonst auch in anderen Landesteilen gleichmäßig oder ähnlich vorhanden sein. Kirchlich aber sind alle Ausgaben, wenn sie die Inter­ essen der Provinzialkirche fördern, auch zur Unterstützung von christlichen Liebes­ werken, der christlichen Presse und des evangelischen Vereinswesens. 292) Die Aufbringung geschieht nach Maßgabe der §§ 72, 73, vgl. insbes. Anm. zu

Goßner, Kirchenrecht. 2. Aust.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

8. Die Provinzialsynode beschließt über die Verwendung des Ertrages einer vor ihrem jedesmaligen regelmäßigen Zusammentritt in der Provinz ein­ zusammelnden Kirchen- und Hauskollekte zum Besten der dürftigen Ge­ meinden ihres Bezirks. Sie ist befugt, eine jährliche Einsammlung dieser Kirchen- und Hauskollekte anzuordnen2"). Über Verwendung der Kollekte kann das Konsistorium Vorschläge an die Synode richten. 9. Sie ist berechtigt, zu den durch das Konsistorium veranstalteten Prüfungen der theologischen Kandidaten zwei bis drei Abgeordnete aus ihrer SDtitte als Mitglieder der Prüfungskommission mit vollem Stimmrecht zu ent­ senden. 1M). 10. Sie wählt ihren Vorstand nach Maßgabe des § 66. 11. Sie wählt Abgeordnete zur Generalsynode nach Maßgabe der demnächst zu erlassenden Generalsynodalordnung29t). § 66. Der Vorstand der Provinzialsynode wird für eine laufende Syno­ dalperiode gewählt, bleibt aber bis zur Bildung des neuen Vorstandes in Tätigkeit. Er besteht: 1. aus einem Vorsitzenden (Präses), 2. aus mehreren (nicht über sechs) Beisitzern, geistlichen und weltlichen in gleicher Zahl (Assessoren). Die Feststellung der Zahl für jede einzelne Provinz erfolgt durch einen Beschluß der Provinzialsynode, welcher der Bestätigung durch den Evange­ lischen Ober-Kirchenrat bedarf. Für sämtliche Beisitzer werden Stellvertreter gewählt, welche in Verhindemngsfällen für jene in den Vorstand eintretenm). Die Wahl des Präses unterliegt der Bestätigung des Evangelischen OberKirchenrats. § 67. Der Präses eröffnet die Synode, leitet ihre Verhandlungen und § 72. Der Beschluß über die Bewilligung und die Matrikel sind vom Oberpräsidenten staatlich zu genehmigen, Ges. 3. Jum 1876 Art. 11 und V. 9. Sept. 1876 Art. II Zif. 1. Wegen der Höchstgrenze von 1 % des Staatseinkommensteuersolls s. Art. 16 dieses Gesetzes. 2,3) Die Ausschreibung geschieht durch das Konsistorium, EOK. 26. Juni 1877 KGBBl. S. 150. Staatsgenehmigung ist nicht erforderlich, doch vorherige Anzeige von der Einsammlungszeit an den Oberpräsidenten, Ges. 3. Juni 1876 Art. 10 Zif. 4. Auch kirchenaufsichtlicher Genehmigung bedarf es nicht; doch hat das Konsistorium darauf zu achten, daß der Termin der Kollekte nicht zusammenfällt mit der zweijähr­ lich wiederkehrenden Landeskollekte für die dringendsten Notstände der evangelischen Landeskirche, EOK. 27. April 1875 AH. 22 S. 304. *“) Aufrecht erhallen durch § 19 Abs. 2 Anstellungsfähigkeitsgesetz v. 15. August 1898 (in Buch IV Abschn. I). Vgl. auch EOK. 10. Januar 1879 KGBBl. S. 99. *“) Vgl. GSO. §§ 2 Zif. 1 u. 3. 236) Also Geistliche und Wellliche in gleicher Zahl. Für den Präses wird ein Stellvertreter von vorherein nicht gewählt; für den Bedürfnissall s. § 67 Ws. 2.

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KG. u. SO. §§ 65-68 (Rev. Instr. 64).

handhabt die äußere Ordnung. Seine Stimme entscheidet bei Stimmen­ gleichheit8"). Er repräsentiert die Synode nach außen, insbesondere bei kirchlichen Feierlichkeiten von provinzieller Bedeutung. Er ist befugt, den Kreissynoden der Provinz mit beratender Stimme beizuwohnen"«). Bei vorübergehender Behinderung kann er sich durch einen Beisitzer vertreten lassen. Er ist der Vorsitzende des Synodalvorstandes als eigenen Kollegiums. Der Präses wird bei den Präsidialgeschäften von den Beisitzem unterstützt. Im Falle seiner bleibenden Verhinderung oder seines definitiven Ausscheidens wählen bei nicht versammelter Synode die Beisitzer unter sich einen stellver­ tretenden Vorsitzenden. Die Korrespondenz führt, insoweit nicht der Vorstand in Gesamtheit zu handeln berufen ist, der Präses allein. Demselben steht frei, die Mitunterschrift der Beisitzer einzuholen. § 68. Dem Vorstande der Provinzialsynode 8") liegt ob: 1. die Sorge für die Redaktton und Beglaubigung der Synodalprotokolle. Für die Aufzeichnung kann der Vorstand mit Zustimmung der Synode ein Mitglied derselben oder mehrere heranziehen. Auch in diesem Falle ist er für die Redaktton und die Richtigkeit des Protokolls verantwortlich; 2. die Einreichung der Synodalprotokolle an das Konsistorium sowie deren Mtteilung an sämtliche Pfarrer und Gemeindettrchenräte der Provinz; 3. die zur Ausführung der Synodalbeschlüsse erforderlichen Maßnahmen 80°). Rev. Instr. 64. Über den Wirkungskreis der Pro­ vinzialsynode enthält § 65 der KG. u. SO. die maßgebenden Bestimmungen. Bei den zur Ausführung der Synodalbeschlüsse nach § 68 Nr. 3 daselbst dem Provinzialsynodalvorstande übertragenen Maßnahmen hat derselbe, insoweit es sich dabei um den amtlichen Verkehr mit nicht-kirchlichen Behörden oder mit kirchlichen Organen außerhalb der Provinz handelt, sich der kirchenordnungsmäßigen Vermittelung des Konsistoriums zu bedienen.

4. die Vorbereitung der Geschäfte für die nächste Synodalversammlung, ins­ besondere die Prüfung der Legitimationen (§ 69)801); Aber nicht bei Wahlen, vgl. § 70 Abs. 2. Vgl. § 56 Ws. 4. m) Abgesehen von § 68 Zif. 6, wo er mit betn Konsistorium ein ungeteiltes Kollegium bildet, wirkt der Vorstand als selbständiges Kollegium (§ 67 Ws. 1 letzter Satz). 80°) § 68 Ziff. 3 regelt die Stellung des Vorstandes innerhalb der Synodal­ einrichtung, berührt aber nicht die bestehende Zuständigkeit anderer Behörden, vor allem des landesherrlichen Kirchenregiments, dem allein die Vertretung der Kirche nach außen zukommt, EOK. 21. Febr. 1879 KGVBl. S. 82; vgl. auch S. 223 A. 279. Dem Synodalvorstand ist auch die Befugnis zu direkten Anweisungen an die Geist­ lichen behufs Vornahme von Berwaltungshandlungen nicht beigelegt, EOK. 26. Juni 1877 KGVBl. S. 150. 301) Vgl. Rev. Instr. Nr. 59 (S. 221) und bei außerordentlichen Versammlungen Nr. 62 (S. 229), ferner S. 220 A. 273. m)

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

5. die Abstattung von Gutachten, welche von dem Konsistorium erfordert werden; 6. die Teilnahme an wichtigen Geschäften des Konsistoriums. Sie muß eintreten 302) bei Vorschlägen über die Besetzung kirchenregimentlicher Ämter80S), bei Entscheidungen sowohl in der Rekursinstanz 304) über die Entlassung von Ältesten (§ 44), sals auch in erster Instanz über Ein­ wendungen der Gemeinde gegen die Lehre eines zum Pfarramt De­ signierten (§ 55 Nr. 10); ferner bei Entscheidungen, durch welche wegen Mangels an Übereinstimmung mit dem Bekenntnisse der Kirche die Be­ rufung eines sonst Anstellungsfähigen zu einem geistlichen Amte für un­ zulässig erklärt wird; endlich in allen Fällen, in welchen gegen einen Geistlichen wegen Irrlehre die Untersuchung eingeleitet oder eine Ent­ scheidung gefällt werden sott] 305); Auch in anderen, durch ihre Wichtigkeit dazu geeigneten Angelegen­ heiten kann das Konsistorium den Synodalvorstand zuziehen. Die Mitwirkung des Vorstandes findet in der Weise statt, daß die Mitglieder desselben an den betreffenden Beratungen und Beschlüssen als außerordentliche Mitglieder des Konsistoriums mit vollem Sümmrechte teilnehmen 306). Ihrer Teilnahme ist in der Ausfertigung des Be­ schlusses Erwähnung zu hm 307); 302) Auch bei Vertretung des mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten Pro­ vinzialsynodalverbandes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, KGes. 16. Juni 1895 § 2, ferner im Falle der §§ 4,16, Pfarrbesoldungsgesetz. 303) Vgl. Übers. S. 107. Durch die Bestimmung ist eine Ausdehnung der Rechte der Provinzialinstanz gegenüber der Zentralinstanz weder ausgesprochen noch beab­ sichtigt. Es handelt sich lediglich um eine formelle Änderung des Provinzialorgans in den Grenzen seiner bisherigen materiellen Kompetenz. In den östlichen Provinzen aber hat die Provinzialbehörde weder ein Recht der Wahl und Bestellung des Super­ intendenten, noch auch auf Vorschlagsäußerung oder auch nur Gehör. Es liegt viel­ mehr ganz in der Hand der Zentralbehörde, je nach Lage der Verhältnisse aus Ver­ waltungsgründen die in das Ephoralamt zu berufenden Persönlichkeiten selbständig und ohne Zuziehung der Provinzialbehörden zu bestimmen oder die letzteren zur Ab­ gabe ernes Gutachtens zu veranlassen oder ihnen überhaupt die Initiative und die Einreichung von Vorschlägen zu überlassen. In beiden letzteren Fällen haben die Auslassungen der Provinzialbehörde für die Zentralinstanz informatorische Be­ deutung, und kann diese bei Verwerfung der gemachten Vorschläge ebensowohl die Vorlegung neuer Vorschläge erfordern, als davon absehen und selbständig designieren, EOK. 20. September 1875 AH. 22 S. 304; s. auch A. 1 zu z 150 ALR. II11. Die Mitwirkung des Synodalvorstandes hat schon bei vorläufiger Übertragung mit dem Ziele späterer endgültiger Ernennung bzw. bei Designierung für ein mit der Superintendentur fest verbundenes Pfarramt zu geschehen. 3M) Wegen der ersten Instanz f. § 55 Zif. 9. 305) Siehe jetzt KGes. betreffend das Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen v. 16. März 1910, insbesondere § 35 (in Buch IV Abschn. II). 306) Die Mitglieder des Vorstandes sind hierbei ohne Rücksicht auf die Stellung als Vorsitzender oder Beisitzer gleichberechtigte Mitglieder des Konsistoriums, vgl. Anm. zu § 36 Abs. 2 GSO. 307) Vgl. GSO. § 36 letzten Satz, welche Bestimmung hier fehlt.

KG. u. SO. §§ 68 u. 69 (Rev. Instr. 61 u. 62).

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Rev. Instr. 61. Anlangend die im § 68 Nr. 6 verordnete Teilnahme des Synodalvorstandes an den Konsistori al­ geschäften, wird das Konsistorium bei wichtigen Angelegenheiten, auch wenn sie nicht zu den der Mitwirkung des Synodalvorstandes ge­ setzlich zugewiesenen gehören, die Geeignetheit derselben zur Teil­ nahme des Synodalvorstandes an ihrer Erledigung in Erwägung nehmen und darüber beschließen. Behufs tunlichster Sparsamkeit mit Zeit und Kosten ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Geschäfte, bei denen der Synodalvorstand mitwirkt, soweit möglich in periodisch nach län­ geren Zwischenräumen wiederkehrenden Sitzungen verbunden behandelt werden. Die Einladung seiner Mitglieder zu den Sitzungen erfolgt durch den Vorsitzenden des Konsistoriums. Bestellt dieser Kor­ referenten aus dem Synodalvorstande, so sind denselben die betreffen­ den Akten zeitig mitzuteilen. 7. die Berichterstattung über seine Wirksamkeit an die nächste ordentliche Provinzialsynode. § 69. Nachdem der Präses die Synode eröffnet hat, berichtet er namens des Synodalvorstandes über die Legitimation der Synodalmitglieder, über wÄche die Versammlung beschließt39«). Beanstandete Mitglieder stimmen hier­ bei nicht mit. Die eintretenden Mitglieder legen das Synodalgelöbnis in die Hand des Präses ab 809). Demnächst erstattet der Präses den Bericht über die Wirksamkeit des bisherigen Synodalvorstandes und leitet die Wahl des neuen.

Rev. Instr. 62. Bei der Bezeichnung der an die Eröffnung der Sy­ node sich anschließenden Geschäfte im § 69 Abs. 1 KG. u. SO. hat das Gesetz nur die ordentlichen Versammlungen im Auge. Bei außerordent­ licher Versammlung beschränkt sich die Abnahme des Gelöbnisses sowie die Berichterstattung und Beschlußfassung über die Legitimation auf diejenigen Mitglieder, welche nicht bereits in einer früheren Versammlung derselben Synodalperiode (§ 64) verpflichtet beziehungsweise als legitimiert anerkannt worden sind; die Neuwahl des Synodalvorstandes fällt aus (§ 66 Abs. 1) und die Berichterstattung über die Wirksamkeit des bisherigen Synodalvorstandes kann unterbleiben. Am Tage rad) der Eröffnung der Synode findet ein feierlicher Synodal­ gottesdienst statt. Jede einzelne Sitzung wird mit Gebet eröffnet, die Synode auch mit Gebet geschlossen. Die Verhandlungen sind öffentlich. Eine vertrauliche Beratung kann durch Beschluß der Synode verfügt werden. Die Geschäftsordnung wird von der Synode mit Genehmigung des Evan-

308) Vgl. Rev. Instr. Nr. 59 (S. 221) und bei außerordentlichen Versammlungen Nr. 62 (S. 229), ferner S. 220 A. 273. 309) Vgl. § 63.

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Buch II Abschn. IL Die neueren Berfassungsgesetze.

gelischen Ober-Kirchenrats geregelt. Bis dahin ist eine von dem letzteren er» teilte Geschäftsordnung maßgebend31°). § 70. *u) Die Synode ist beschlußfähig, wenn zwei Dritteile der gesch­ lichen Mitgliederzahl anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach absoluter Mehrheit der Abstimmenden gefaßt. Wahlhandlungen sind, wenn zunächst relative Mehrheiten sich ergeben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Mehrheit fortzusetzen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los ”a). Für die Wahl zu Kommissionen genügt die relative Mehrheit. Bei Fragen, deren Entscheidung nur aus einem der für den Bereich der Provinz zu Recht bestehenden evangelischen Bekenntnisse geschöpft werden kann, haben die dem betreffenden Bekenntnisse persönlich nicht angehörigen Mitglieder sich an der Abstimmung insoweit, als sie die konfessionelle Vorfrage betrifft, nicht zu beteiligen. Die Entscheidung dieser Vorftage ist demnächst der Beschlußfassung über die Sache selbst, welche durch die ungeteilte Synode erfolgt, zugmnde zu legen. Vierter Abschnitt: Kosten. § 71. Die Kosten der Synoden werden aus den Provinzial- und Kreis­ synodalkassen bestritten. Diese erhalten ihren Bedarf, soweit nicht andere Mittel für jenen Zweck gewidmet sind, teils durch die Auskünfte ihres etwaigen eigenen Vermögens, teils durch die Beiträge der Synodalkreise und Ge­ meinden *“). § 72. Die Provinzialsynodalkasse bezieht die erforderlichen Beiträge aus den Kreissynodalkassen nach Maßgabe einer Matrikel, welche vorläufig vom Konsistorium, definitiv von der Provinzialsynode unter Zustimmung des Konsistoriums aufzustellen ist*1*). Die Verwaltung der Provinzialsynodal31°) Die Geschäftsordnung des EOK. vom 23. Dezember 1874 AH. 22 S. 233 ist inzwischen in allen Provinzen durch eigene Geschäftsordnungen der Provinzial­ synoden ersetzt. 311) In der Fassung des KGes. 9. März 1891 (s. Vorm.). 313) D. h. nur bei Wahlen; sonst gibt die Stimme des Präses den Ausschlag, vgl. § 67 Abs. 1. Satz 2. Vgl. ferner S. 211A. 234 (Akklamationswahl, ungültige Stimmen) und Rev. Jnstr. 47 (S. 211). 3U) s- §§ 53 Zif. 7 u. 65 Zif. 6. 3U) Das gilt wie von den eigentlichen Provinzialsynodalkosten, so auch von dem nach § 65 Nr. 7 KGSO. sestens der Provinzialsynode unter Zustimmung des Kon­ sistoriums bewilligten „kirchlichen Ausgaben für provinzielle Zwecke" (vgl. Art. 11 Ges. 3. Juni 1876). Desgl. werden die Generalsynodalkosten (§ 38 GSO.) und die durch die kirchliche Gesetzgebung auszuschreibenden Umlagen für landeskirchliche Zwecke (§ 14 das.), nachdem sie auf Grund des Gesetzes vom 2. September 1880 KGBBl. S. 133 nach Maßgabe des Staatseinkommensteuersolls der Evangelischen auf die einzelnen Provinzen verteilt sind, in diesen durch die Provinzialsynodaletats bereit­ gestellt (vgl. Art. 11, 15 Abs. 3 u. 20 Ges. 3. Juni 1876). Die Repartition der gesamten von den Provinzialsynoden aufzubringenden Beträge auf die ein-

KG. u. SO. §§ 70-72.

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fajfe wird unter der Aufsicht der Synode durch einen von ihr zu bestellenden Synodalrechner oder von der Konsistorialkasse der Provinz geführt. zelnen Kreisshnoden bedarf außer der Zustimmung des Konsistoriums der Genehmitung durch den Oberpräsidenten (vgl. oben Rev. Jnstr. 66), und gegen die Untervergeilung durch die Kreissynodaletats auf die einzelnen Gemeinden steht diesen das Recht der Beschwerde an den Regierungspräsidenten zu (s. nächste Anm.). Um die Unterlagen zu schaffen, sowohl für die Berteilung der landes­ kirchlichen Umlagen und Generalsynodalkosten auf die Provinzen, als auch für die von den Provinzialsynoden auszustellenden Matrikeln, haben die Konsistorien mit Rücksicht auf die dreijährige Etatsperiode der Provinzialsynodalkaisen (vgl. A. 290) regelmäßig im Anfange des Rechnungsjahres, in dem die Provinzialsynoden zu­ sammentreten, das auf die evangelischen Gemeindeglieder ihres Bezirks veranlagte Staatseinkommensteuersoll zu ermitteln. Die Aufnahme innerhalb der einzelnen Gemeinden soll im April des betreffenden Steuerjahres erfolgen, die Feststellung für die ganze Provinz bis Ende Juli beendet sein, und das Konsistorium Anfang August das Steuersoll der ganzen Provinz dem Evangelischen Ober-Kirchenrate an­ zeigen. Die einzureichenden Provinzialnachweisungen haben bei ausdrücklicher Be­ zeichnung der Summen für die einzelnen Regierungsbezirke und die ganze Provinz unter Zugrundelegung der Veranlagung für das betreffende Steuerjahr anzugeben: I. die von den Angehörigen der evangelischen Landeskirche, II. die von sämtlichen lichen Eingesessenen der Provinz aufzubringende Staatseinkommensteuer, EOK. 17. April 1883 KGVBl. S. 60 u. 6. Februar 1893 das. S. 5, vgl. auch EOK. 30. Ott. 1884 das. S. 63. Die Konsistorien haben eine Anweisung des Evangelischen Oberkirchen­ rats zur Vornahme der dreijährigen Steuerermittelung nicht jedesmal abzuwarten, vielmehr von Amts wegen rechtzeitig mit der Feststellung vorzugehen und daher noch vor Ablauf des 2. Provinzialsynodaletatsjahres mit den erforderlichen Vorbereitungen zu beginnen, EOK. 15. März 1890 KGVBl. S. 13. Wegen Feststellungdes Staatseinkommensteuersolls s. EOK. 12. Mai 1883 KGVBl. S. 62, v. 24. Dez. 1886 KGVBl. 1887 S. 69 u. den vorgenannten Erlaß vom 6. Februar 1893. Danach sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Nur die vom Staate wirklich veranlagten, nicht die fingiertenSteuerb e t r ä g e (§§ 74 ff. des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891) sind zu be­ rechnen. Letztere sind also auch da, wo die Kirchengemeinden sie zu Steuerzuschlägen heranziehen, außer Betracht zu lassen. Ebenso die E r g ä n z u n g s- (Vermögens-), Steuer (Ges. v. 14. Juli 1893 GS. S. 175). 2. Die Steuern aus Ortschaften ander Parochialgrenze, welche der Parochie einer benachbarten landeskirchlichen Provinz angehören, sind bei der letzteren in Ansatz zu bringen. 3. Steuern von Personen, welche einen doppelten Wohnsitz innerhalb der Landeskirche haben, werden nur da verzeichnet, wo dieselben von der Staats­ behörde veranlagt und erhoben werden. 4. Bon einer Ermittelung der in den Militär gemeinden aufkommenden Steuerbeträge ist abzusehen. 5. Dagegen sind in die allgemeine Feststellung ohne weiteres aufzunehmen die Steuerbeträge: a) der herkömmlich von Beiträgen zur Unterhaltung des örtlichen Kirchenwesens befreiten Bewohner, namentlich Beamten von solchen Anstalten, deren Geistlichen gemäß § 78 ALR. II19 pfarramtliche Befugnisse zustehen, b) derGeistlichenund Kirchenbeamten hinsichtlich ihres zu kirchlichen Abgaben nicht heranzuziehenden Diensteinkommens, selbstverständlich auch der

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Die Kreissynodalkassen ziehen die erforderlichen Beiträge von den Ge­ meinden ein (§ 53 Nr. 7)315).

Patrone, die der Kirchengemeinde angehören (EOK. 10. Oktober 1877 KGVBl. S. 214), c) der Mitglieder von Ga st- und vagierenden Gemeinden oder etwaigen Ortschaften, deren kirchliche Gemeindezugehörigkeit noch nicht fest geordnet ist (vgl. auch S. 206 A. 216), d) der evangelischen Bewohner von Grenzorten, welche zu Gemeinden aus­ wärtiger Landeskirchen eingepfarrt sind. 6. Etwaige Kosten der Ermittelung und Zusammenstellung werden von den Kirchenkassen, und sofern dieselben in der Diözesan-Jnstanz entstehen, von der Synodal­ kasse getragen. Die Prüfung der Verzeichnisse und die Zusammenstellung der Kirchengemeinden für den Synodalbezirk ist von dem Superintendenten unter Mitwirkung des Kreis­ synodalvorstandes oder Rechnungsausschusses zu bewirken. Dabei ist von den Steuer­ beträgen, welche oben unter 5 c und d erwähnt sind, auf Grund eventueller Rückfrage bei dem Vorsitzenden der Einkommensteuer-Veranlagungs-Kommission dasjenige nachzutragen, was etwa aus Ortschaften in Betracht kommt, die außer den geschlossenen Parochien liegen. Jedes Verzeichnis ist mit Siegel und Unterschrift zu versehen. Sollten der Erteilung der erforderlichen amtlichen Auskunft von seiten der Gemeinde-(Guts-)Vorstände Schwierigkeiten entgegengestellt werden, so ist sofort bei der vorgesetzten Behörde Beschwerde anzubringen (Kons. Danzig 10. März 1899 KABl. S. 21). s15) Die Kreissynoden haben außer ihren eigenen Kosten (vgl. A. 245) auch die an die Provinzialsynode zu entrichtenden Beiträge (vgl. die vorige Anm.) in den Etat einzustellen und auf die Gemeinden zu repartieren. Die Wahl des Verteilungsfußes steht der Kreissynode frei, s.oben Rev.Jnstr.55und A.314 dazu (wegen des Beschwerde­ rechts der Gemeinden). Zugrunde gelegt werden kann der Verteilung auch das Steuersoll des dem Repartitionsjahre bzw. der mehrjährigen Repartitionsperiode vorangehenden Jahres. Wenn übrigens EOK. 17. April 1883 KGVBl. S. 60 die Annahme einer dreijährigen Geltungsdauer des Kreissynodaletats empfiehlt, so braucht damit nicht notwendig auch eine dreijährige Repartitionsperiode verbunden zu sein; wohl aber ist solche zulässig (vgl. nächsten Abs. unter 3 a. E.) Das Verfahren betr. Feststellung der Voranschläge der Kreissynodalkajsen und Verteilung der Beiträge regelt der folgende Erlaß des Konsistoriums Stettin v. 10. März 1903. 1. Bei der Festsetzung der von dem Kreissynodalvorstande entworfenen Voranschläge der Kreissynodalkassen durch Beschluß der Kreissynoden empfiehlt es sich behufs unzweideutiger Nachweisung der Zugehörigkeit des vorgelegten Vor­ anschlags zu dem Festsetzungsbeschlusse, in letzterem die Gesamtsumme, mit welcher jener in Einnahme und Ausgabe abschließt, ausdrücklich aufzuführen. 2. In den Etat der Kreissynodalkasse ist, soweit die Beiträge der Kirchenge­ meinden in Frage kommen, als Einnahme nur die einheitliche demnächst aus die Kirchen­ gemeinden zu verteilende Summe des Gesamtbedarfs einzustellen. 3. Die Repartition des letzteren hat durch besonderen ordnungsmäßigen Beschluß der Kreissynode zu erfolgen. In diesem sind nicht nur die zu verteilende Summe, der Maßstab, nach welchem die Verteilung stattfindet, und die Rechnungs­ periode, für welche sie Geltung haben soll, zum Ausdruck zu bringen; es bedarf viel­ mehr auch noch einer genauen rechnerischen Feststellung der auf die einzelnen Kirchen-

KG. u. SO. § 72 (Rev. Instr. 55).

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Rev. Instr. 55. Die Kosten der Kreissynoden werden auf dem im § 72 bzw. 53 Nr. 7 der KG. u. SO. vorgeschriebenen Wege beschafft. gemeinden entfallenden Anteile an dem Gesamtbedarf. Diese Feststellung hat ent­ weder in dem Sitzungsprotokolle selbst zu geschehen, oder in einem besonderen, in dem Beschlusse selbst in bezug zu nehmenden, dem Protokoll als Anlage beizufügenden und als solche urkundlich festzustellenden Schriftstücke. 4. Hinsichtlich des Verteilungsmaßstabs bemerken wir folgendes: Die Repartition des auf den Kreissynodalbezirk entfallenden Anteils an den landes- und provinzialkirchlichen Umlagen und Synodalkosten sowie der Kreissynodal­ kosten auf die einzelnen Kirchengemeinden steht nach §53 Nr 7 KGSO.und Art. 2 Nr. 3 Ges. 3. Juni 1876 der Kreissynode zu, ohne daß sie ist der Auswahl des Repartitionsfußes oder in der Abmessung der Repartitionsperiode durch eine staatliche oder kirch­ liche Vorschrift beschränkt wäre. Insbesondere ist Art. 16 des Kirchenverfassungs­ gesetzes vom 3. Juni 1876 für die Repartition auf die Kirchengemeinden nicht maß­ gebend, wie bereits in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 11. November 1882 KGVBl. 1883 S. 12 nachgewiesen worden ist. Ebensowenig sind in dem Erlaß des Evangelischen Ober-Kirchenrats vom 17. April 1883 KGVBl. S. 60, der nur die Aufstellung dreijähriger Etats für die Kreissynodalkajsen empfiehlt, Vorschriften für die Repartition enthalten. Dagegen ist in dem Erlaß des Evangelischen Ober-Kirchenrats vom 28. Juni 1881 KGVBl. S. 49 dem Ermessen der Kreissynoden bei der Repartition auf die Kirchengemeinden ausdrücklich freier Spielraum gelassen worden. Unbeschadet der hiernach den Kreissynoden zustehenden Befugnis ist selbstver­ ständlich derGrundsatzderGleichmäßigkeitinder Heranziehung sämt­ licher beteiligten Gemeinden unbedingt zu wahren. Es sind nun hierbei mehrfach Zweifel entstanden, ob bei Wahl einer mehrjährigen Repartitionsperiode nach einem für diese unveränderlich festgestellten Repartitionssuße nicht der Grundsatz dieser Gleichmäßigkeit verletzt wird. Diese Frage ist ent­ schieden zu verneinen. Denn die hierbei allerdings unvermeidliche Nichtberück­ sichtigung der in den späteren Jahren der Repartitionsperiode möglicherweise ein­ tretenden Veränderungen in den Verhältnissen der einzelnen Gemeinden trifft alle beteiligten Gemeinden gleichmäßig, erstreckt sich ebensowohl auf alle die Leistungs­ fähigkeit der Gemeinden erhöhenden wie auf die sie vermindernden Umstände und findet in späteren Repartitionsperioden ihren Ausgleich. Dasselbe gilt, wenn das als Repartitionsfuß an sich jedenfalls geeignete Staatssteuersoll nicht des Repartttionsjahres selbst, sondern des diesem oder auch des der mehrjährigen Repartitionsperiode vorangehenden Jahres gewählt wird. Dieses verdient sogar deswegen den Vorzug, weil es — nach Erledigung der Einsprüche endgültig festgestellt — die Leistungs­ verhältnisse der einzelnen Gemeinden zutreffend darstellt, während das Steuersoll des Repartitionsjahres selbst oder des ersten Jahres der mehrjährigen Repartitions­ periode zu dem Zeitpunkte, in welchem die Kreissynodq versammelt zu sein Pflegt, noch ein flüssiges ist und Abänderungen unterliegt. Demgemäß wird auch die bloße Tatsache, daß eine mehrjährige Repartitions­ periode oder daß als Verteilungsfuß das Steuersoll des dieser Periode vorangehenden Jahres gewählt ist, selbst dann nicht den Anlaß zu einer berechtigten Beschwerde seitens einer Gemeinde geben, wenn deren Einkommensteuersoll nach Festsetzung der Beiträge innerhalb der Repartitionsperiode in erheblichem Maße zurückgeht. (Vgl. auch Min. d. g. A. 1. Dezember 1902 1 Nr. 3180). 5. Wir bringen des weiteren wiederholt in Erinnerung, daß die Verteilung der Beiträge zur Kreissynodalkasse bei mehreren unter einem gemeinsamen Pfarramt vereinigten Gemeinden nicht durch Festsetzung eines auf die Gesamtparochie entfallen­ den Betrages erfolgen darf, so daß die Unterverteilung den Organen der letzteren

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Die Feststellung des Repartitionsfußes ist durch Erlaß vom 28. Juni 1881 (KG. u. VB1. S. 49) dem Ermessen der einzelnen Kreissynode überwiesen. Doch ist zu beachten, daß durch Art. 3 des Staatsgesetzes vom 3. Juni 1876 gegen derartige Beschlüsse der Kreissynode den einzelnen Gemeinden eine Beschwerde an die Staatsbehörde eröffnet ist816). 66. Für die Beschaffung der Kosten der Provinzialsynode ist § 72 der KG. u. SO. maßgebend. Die aufzustellende Matrikel bedarf nach Artikel 11 des Gesetzes vom 3. Juni 1876 in Verbindung mit Art. II Nr. 1 der Verordnung vom 9. September 1876 der Bestätigung durch den Ober­ präsidenten. § 73. In den Gemeinden werden sowohl die Synodalkostenbeiträge als auch die aus der Bildung und Wirksamkeit der Gemeindekirchenräte und Ge­ meindevertretungen entstehenden Kosten aus den Kirchenkassen, soweit diese dazu bei Berücksichtigung ihrer übrigen Verpflichtungen imstande sind, sonst durch Gemeindeumlagen bestritten. Beide Arten von Kosten haben die Natur von notwendigen kirchlichen Aufwendungen817). überlassen bleibt; vielmehr hat sich die Kreissynode der Verteilung der Beiträge auf alle einzelnen Gemeinden, mögen diese Mutter- oder Tochtergemeinden sein, selbst zu unterziehen. 6. Da die Festsetzung der Beiträge der Gemeinden Sache der Kreissynode ist, so muß es als unbedingt unzulässig bezeichnet werden, wenn, wie dies auch schon ge­ schehen ist, die Verteilung dem Vorstande der Kreissynode übertragen wird. Es ist daher nicht nur unstatthaft, daß die Kreissynode sich mit der Festsetzung der zu ver­ teilenden Summe und des Verteilungsmaßstabes begnügt, die Verteilung selbst aber dem Vorstande überläßt; sondern es ist auch ungesetzlich, wenn der Vorstand für den Fall vorkommender wesentlicher Änderungen in dem Steuersoll einer Gemeinde zu einer Abänderung der beschlossenen Verteilung ermächtigt wird. 7. Nach der erfolgten Festsetzung der Beiträge hat der Vorstand der Kreissynode jedem einzelnen Gemeindekirchenrat einen beglaubigten Auszug aus dem Sitzungsportokoll, soweit dieses den Repartitionsbeschluß enthält, mitzuteilen; von der Repartitionstabelle ist aber nur die Angabe des auf die betreffende Gemeinde entfallen­ den Anteils sowie des Gesamtbetrages der der Verteilung zugrundegelegten Steuern erforderlich. Die Mitteilung hat mittels Zustellungsurkunde oder am selben Orte gegen Behändigungsschein zu erfolgen, da von dem Tage derselben ab die in Art. 3 des Staatsgesetzes vom 3. Juni 1876 festgesetzte Frist läuft. 316) Die Beschwerde ist binnen 21 Tagen seit Zustellung des Beschlusses der Kreissynode (vgl. A. 315 unter Nr. 7) zu erheben. Die zuständige Staatsbehörde ist der Regierungspräsident (in Berlin der Polizeipräsident), V. 9. Sept. 1876 Art. III Nr. 4. Derselbe greift nur im Falle der Beschwerde ein. Seiner Vollstreckbarkeitserklärung bedarf es nicht. Gegen den Bescheid des Regierungspräsidenten gibt es die weitere Beschwerde an den Oberpräsidenten, der endgültig entscheidet. Die Beschwerde ist nicht auf den Fall beschränkt, daß eine Gemeinde sich im Verhältnis zu anderen für überbürdet hält, sondern auch sonst statthaft, namentlich wenn die Ordnungs­ mäßigkeit der Auferlegung von Abgaben bestritten wird, s. Anl. zu Verh. des Ab­ geordnetenhauses 1876 II S. 1067. Die Staatsbehörde kann bei Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht durch Akte beschränkt werden, die sich auf rein kirchlichem Gebiete voll­ zogen haben, OVG. 11. Sept. 1882 KGVBl. 1883 S. 29. 317) Wegen des Umfanges der in Betracht kommenden Leistungen s. auch A. 314

KG. u. SO. §§ 73 u. 74 (Rev. Instr. 55 u. 66).

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§ 74 *18). Den Mitgliedern *") der Kreissynoden und Kreissynodalvor­ stände gebühren, soweit sie nicht am Orte der Versammlung wohnhaft sind ™), Tagegelder und Reisekosten821). Den Mitgliedern der Provinzialsynoden und Provinzialsynodalvorstände sowie den Abgeordneten zur Prüfungskommission (§ 65 Nr. 9) gebühren Tagegelder und, soweit sie nicht am Orte ihrer synodalen Wirksamkeit ihren Wohnsitz haben, Reisekosten m). Die Tagegelder und Reise­ kosten gehören zu den Synodalkosten. Abs. 1 u. 315 ant Anfang. Auf Grund der obigen Vorschrift können sie gemäß § 686 ALR. I111 ohne weiteres aus der leistungsfähigen Kirchenkasse entnommen werden: der in § 687 das. vorbehaltenen Genehmigung des Patrons und der Aufsichtsbehörde bedarf es nicht. Ob die Kirchenkasse leistungsfähig ist, wird bei Aufstellung des Kirchenkasienetats, in welchem die Synodalkosten in einem besonderen Titel einzustellen sind, vom Gemeindekirchenrate zu erörtern fein; der Patron, dem die Genehmigung des Etats obliegt, hat dadurch ebenfalls Gelegenheit, diese Fage zu prüfen. Darüber, ob die Voraussetzung des § 73 (Leistungsfähigkeit der Kirchenkasse bei Berücksichtigung aller übrigen Verpflichtungen) vorhanden, befindet die Aufsichtsbehörde (vgl. S. 76 A. 99); mangels Genehmigungsrechts des Patrons kommt eine Verwerfung seines Widerspruchs gemäß § 23 Abs. 3 KGSO., die nach Art. 8 Abs. 2 Ges. 25. Mai 1874 nicht zulässig wäre, nicht in Frage, EOK. 5. Juni 1877 u. 6. Juni 1878 KGBBl. S. 135 bzw. 131 u. MdgA. 6. Mai 1878 KGVBl. S. 123. — Wegen etwaiger Ausbringung der Synodalkosten durch Gemeindeumlage ist heute das KSteuerGes. 26. Mai 1905 (Buch VIII Abschn. II) maßgebend. Die Kosten können gemäß Art. 27 Ges. 3. Juni 1876 tt §25 des KSteuerGes. auch zwangsweise in den Gemeindeetat eingestellt werden, OVG. 27. November 1880 KGVBl. 1881 S. 35. Auch die Gastgemeinden haben eventuell zu den Umlagen beizutragen (vgl. S. 206 A. 216). sie) In der Fassung des KGes. 10. Mai 1893 (s. Vorm.). 319) Aber nicht Geistliche mit bloß beratender Stimme. Ein Hilfsgeistlicher, der eine Pfarrstelle verwaltet, erhält Tagegelder und Reisekosten. Wegen Gewährung von Reisekosten aus der Staatskasse an Strafanstalts- und Gefängnisgeistliche vgl. A. 223 Abs. 2. 32°) Gewährung von Tagegeldern an ortsansässige Mitglieder ist demnach unzu­ lässig. Es ist auch eine Notwendigkeit, den § 74 in dieser Beziehung zu ändern, nicht anerkannt, vgl. GSV. 1909 Bd. I S. 181 f. und EOK. 5. Juli 1910 Nr. 1 2062. 3a) Zufolge EOK. 14. Februar 1877 Nr. 4602 sind festgesetzt: 1. Die T a g e g e l d e r für jeden auch nur teilweise verbrauchten Tag auf 3 Mk. 2. die R e i s e k o st e n a) außerhalb des Landweges auf den Preis einer Eisenbahnsahr­ karte zweiter oder Dampsschisfahrkarte erster Klasse, ohne Vergütung für Abund Zugang; b) fürLandwege auf einen in den einzelnen Provinzen verschieden bemessenen Satz für jeden angefangenen Kilometer mit der Maßgabe, daß für Entfer­ nungen unter zwei Kilometern nichts, für Entfernungen von 2—8 Kilo­ metern der volle Satz für acht Kilometer zu vergüten ist, daß, wenn mehrere Synodaldeputierte die Rehe mit einem gemeinsamen Fuhrwerk zurück­ legen, der Satz der Reisekosten nur einfach liquidiert werden kann, und daß die Hin- und Rückreise besonders zu liquidieren ist. 322) Zufolge EOK. 16. Mai 1877 Nr. 1096 (vgl. auch EOK. 13. Juni 1877 Nr. 2121) betragen 1. die T a g e g e l d e r pro Person und Tag 9 Mk., 2. die R e i s e k o st e n,

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Buch II Ab sch n. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Fünfter Abschnitt: Übergangsbestimmungen.82s) § 75. In allen Gemeinden ist mit der Bildung der Gemeindekirchenräte und Gemeindevertretungen in Gemäßheit dieser Ordnung ungesäumt vor­ zugehen. — § § 78.------- ergeben sich bei Bildung der neuen Gemeindeorgane und Synoden anderweite Hindernisse, so ist das Konsistorium befugt, die zur Überleitung in die neue Ordnung erforderlichen Verfügungen zu treffen. § 80. Die zur Ausführung dieser Ordnung erforderlichen Instruktionen werden von dem Evangelischen Ober-Kirchenrate im Einverständnis mit dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten erlassen3M).

Allerhöchster Erlaß betr. Einfügung der Kreissynode« Stolberg-Wernigerode, Stolberg und Roßla in den Synodalverband der Provinz Sachsen. Vom 30. Dezember 1874 (GS. 1875 S. 2). § 1. Die drei Kreissynoden der Grafschaften Stolberg-Wernigerode, Stolberg und Roßla treten vom 1. Januar 1875 ab als selbständige, gemäß Ab­ schnitt II der Kirchengemeinde- und Synodalordnung organisierte Kreis­ synoden in den Verband der Provinzialsynode der Provinz Sachsen ein. Demzufolge erstreckt sich der Wirkungskreis der Sächsischen Provinzialsynode und die auf die letztere bezügliche Amtswirksamkeit des Sächsischen Provinzial­ konsistoriums auch auf die genannten drei Stolbergischen Grafschaften. Die Beschlüsse der Provinzialsynode treten hier ebenfalls in Kraft, sobald sie die Bestätigung der Kirchenregierung erhalten haben. § 2. Die drei Stolbergischen Kreissynoden bilden zusammen einen Wahl­ kreis, welcher drei Abgeordnete zur Provinzialsynode entsendet. Die Wahl derselben erfolgt in der Weise, daß jede der drei Kreissynoden für sich je einen Abgeordneten sowie den Stellvertreter desselben wählt, und zwar die eine Synode einen Abgeordneten aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und vera) auf dem Landwege pro Kilometer 40 Psg., b) mit der Eisenbahn: der tarifmäßige Fahrpreis zweiter Klasse, c) mit dem Dampfschiff: der tarifmäßige Fahrpreis der ersten Kajüte. Hin- und Mckreise wird besonders berechnet. Außerdem zu 2 b und c für jeden Zu- und Abgang zusammen 3 Mk. Wenn die Länge der einfachen Reise zu a unter zwei Kilometern bleibt, ist an Reisekosten nichts, auf die Länge von zwei bis acht Kilometern der Satz für acht Kilometer zu liquidieren. 323) §§ 75—79 sind, abgesehen von den oben mitgeteilten Bestimmungen, die bei Neugründungen von Kirchengemeinden noch Bedeutung behalten, inzwischen ver­ altet; vgl. wegen dieser Neugründungen S. 187 A. 155. 32‘) Jetzt s. GSO. § 36 Zif. 2, aus Grund dessen der Evangelische Oberkirchenrat in Gemeinschaft mit dem Generalsynodalvorstande die Revidierte Jnstmktion v. 25. Jan. 1882 erlassen hat (j. Vorm.).

KG. u. SO. §§ 75 -80. AE. 30. Dez. 1874.

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Dienten Männern des Provinzialbezirks (§ 62 Nr. 3 KGSO.), die zweite einen geistlichen, die dritte einen nichtgeistlichen Abgeordneten gemäß § 62 Nr. 1 u. 2 das. Unter den drei Kreissynoden sindet hierin bei jeder neuen Synodal­ periode ein Wechsel statt'); für das erstemal ist 1. der sreigewählte Abgeordnete im Sinne des § 62 Nr. 3 a. a. O. von der Kreissynode Wernigerode, 2. der geistliche Abgeordnete nach § 62 Nr. 1 daselbst von der Kreissynode Stolberg, 3. der weltliche Abgeordnete nach § 62 Nr. 2 daselbst von der Kreissynode Roßla zu wählen, bei jeder nachfolgenden Wahl tritt nach der eben an­ gegebenen Reihenfolge die bis dahin in der ersten Wahlkategorie befindlich gewesene Kreissynode in die dritte, die beiden anderen Kreissynoden rücken um eine Stelle in der Reihenfolge vor. § 3. Die in § 60 der Kirchengemeinde- und Synodalordnung den Mit­ gliedern des Provinzialkonsistoriums gewährte Befugnis, mit beratender Stimme an den Verhandlungen der Provinzialsynode teilzunehmen, steht auch je einem Deputierten der drei Gräflich Stolbergischen Konsistorien zu. § 4. Gegenüber den Kreissynoden der Stolbergischen Grafschaften nehmen die betreffenden Gräflichen Konsistorien die in den §§ 51, 53, 55 u. 56 erwähnten Befugnisse des Konsistoriums wahr. Jedoch haben dieselben solche Anordnungen, welche das Sächsische Provinzialkonsistorium in betreff aller Kreissynoden der Provinz erläßt, auch in betreff der ihnen unterstellten Kreissynode zur Ausführung zu bringen. Findet der Evangelische Ober-Kirchenrat es unter besonderen Verhältnissen für erfoderlich, außerordentliche Kommissarien zu den Versammlungen einer Stolbergischen Kreissynode abzuordnen, so haben solche dort diejenigen Befugnisse, welche nach der Regel des §56 a. a. £. einem Kommissarius des Konsistoriums auf der Kreissynode zustehen. § 5. Die dem Konsistorium zustehende Entscheidung sowohl in der Rekursinstanz über die Entlassung von Ältesten (§ 44 Kirchengemeindeordnung) sals auch in erster Instanz über Einwendungen der Gemeinde gegen die Lehre eines zum Pfarramt Designierten (§ 55 Nr. 10 daselbst), ferner die Ent­ scheidungen, durch welche wegen Mangels an Übereinstimmung mit dem Be­ kenntnisse der Kirche die Berufung eines sonst Anstellungsfähigen zu einem geistlichen Amt für unzulässig erklärt wird, und endlich die Beschlußfassungen in solchen Fällen, in welchen gegen einen Geistlichen wegen Irrlehre die Unter­ suchung eingeleitet werden soll, geht auch für die Stolbergischen Grafschaften aus das Sächsische Provinzialkonsistorium über]8). An der Beschlußfassung nimmt jedoch in solchen aus den Stolbergischen Grafschaften stammenden An­ gelegenheiten außer den Mitgliedern des Vorstandes der Provinzialsynode auch ein Mitglied des Konsistoriums der betreffenden Grafschaft mit vollem Stimmrechte teil, und es ist dieser Teilnahme in der Ausfertigung des Be­ schlusses Erwähnung zu tun. Die regierenden Grafen werden jedesmal für den Zeitraum von fünf Jahren im Voraus dasjenige Mitglied ihres Konsii) Vgl. auch S. 220 A. 272. ') Vgl. jetzt S. 228 A. 305.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

storiums bezeichnen, welches in erster Stelle, und dasjenige, welches bei Be­ hinderung des ersteren an der Beschlußfassung des ProvinMkonsistoriums teilnimmt. Die Vorbereitung der Entscheidung liegt dem betreffenden Gräf­ lich Stolbergischen Konsistorium ob, welches den Requisittonen des Provinzial­ konsistoriums in diesen Angelegenheiten Folge zu leisten hat. § 6. Die bisher dem Gräflich Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßlaschen Gesamtkonsistorium unterstehenden Parochien Ostramondra und Roldis­ leben, Kreis Eckartsberga, scheiden, nachdem die Zustimmung der regierenden Grafen hierzu erteilt ist, zum 1. Januar k. Js. aus diesem Konsistorialverbande aus und taten unter Jurisdiktion des Provinzialkonsistoriums, sowie in den Verband der örtlichen Kreissynode.

Revidierte Instruktion zur Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 25. Januar 1882 (KGVBl. S. 1). Bormerk. Diese auf Grund des § 36 Nr. 2 GSO. und Art. 21 Abs. 1 Ges. 3. Juni 1876 vom Evangelischen Ober-Kirchenrate in Gemeinschaft mit dem Generalsynodalvorstande erlassene Instruktion ersetzt die ursprünglichen Instruktionen des ersteren vom 31. Oktober 1873, 20. Juni und 23. Dezember 1874 (AH. 22 S. 201—220 u. 223—233), die zum Teil nur Einführungs- und Übergangs- sowie durch die weitere Gesetzgebung überholte Bestimmungen enthielten. Bei der gänzlichen Neugestaltung, die im Interesse der Übersichtlichkeit zweckmäßig erschien, brauchten die inzwischen eingelebten einleitenden Grundsätze über Zweck und Ziel der Neuordnung (S. 201 ff. aaO.) nicht wieder aufgenommen werden. Die Bestimmungen der Revidierten Instruktion (mit ihren Nachträgen vom 22. Febr. 1898 KGVBl. S. 2 u. v. 28. Juli 1894 das. S. 71) sind den einzelnen Para­ graphen der Kirchengemeinde- und Synodalordnung, die sie erläutern, in lateinischen Drucke angefügt. In der folgenden systematischen Ordnung ist daher ein nochmaliger Abdruck unterblieben und nur auf die Seiten dieses Buches verwiesen, auf denen sie stehen. I. In bezug auf die Organe der Gemeinde. Abgedruckt Seite Bildung der Gemeindeorgane 1 188 Anmeldungsverfahren 2 u. 3 188 Feststellung und Auslegung der Wählerliste 4—5 188 6 190 7il8 191 Reklamationen 8—9 191 Wahltermin 10 u. 10A 191

Zahl der zu Wählenden 11 Ersatzwahlen 12 Zahl der Ältesten überhaupt 13 u. 14 Bekanntmachung des Wahltermins 15 u. 16 Mündliche Abstimmung 17 Wahlhandlung 18—20 21 u. 22 Erleichterungen der Wahlhandlungen für größere Gemeinden 23

191 192 192 192 192 194 195 195

AE. 30. Dez. 1874. Rev. Instr. 25. Jan. 1882.

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Abgedruckt Seite Wahl von Ersatzmännern 46 Protokoll 210 24 u. 25 196 Geschästsbehandlung 47 Feststellung und Bekanntmachung 211 Wirkungskreis des Wahlergebnisses 48 u. 49 196 214 26 Bekanntmachung des PatronatsFunktionen des Synodalvorstandes 50 u. 51 veraltet ällesten 52 199 27 197 53 Verpflichtung und Einführung der 215 Ältesten und Gemeindevertreter Vereinigung mehrerer Kreissynoden 54 28 u. 29 197 218 Einspruchsverfahren Kosten 55 30 199 233 Sitzungen und Beschlüsse des Ge­ III. In bezug auf dre Promeindekirchenrats vinzialsy noden. 31 u. 32 162 Bildung der Provinzialsynode Wirkungskreis desselben 33 56—58 221 163 Legitimation der Mitglieder Ernennung der Kirchenkassenren­ 59 221 danten 34 w. 35 177 Berufung 222 Führung der kirchlichen Vermögens60 Teilnahme des Vorstandes an den Verwaltung 36 u. 37 Konsistorialgeschästen 171 61 Mitwirkung der Gemeindevertretung 229 38 Außerordentliche Versammlung 172 62 229 Verhandlungen und Beschlüsse der vereinigten Gemeindeorgane Funktionen des Königlichen Kom­ 39 u. 40 missars 180 Rechte des Patrons 63 219 41 u. 42 174 Ausführung der Synodalbeschlüsse 227 Beschaffung und Ergänzung der Pa64 tronatserllärungen Synodalperiode 43 u. 44 218 65 175 Kosten II. In bezug aus die Kreis234 66 synoden. Zusammensetzung der Kreissynode 45 210

Die Bestimmungen der Instruktionen vom 31. Oktober 1873, 20. Juni und 23. Dezember 1874, sowie des Erlasses vom 6. Dezember 1873, betr. Erleichterungen des Wahlakts in größeren Gemeinden (Aktenstücke Bd. VII S. 280—282), treten mit dem Tage der Verkündigung dieser Instruktion außer Anwendung.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Generalsynodalordnung für die evangelische Landeskirche der neun älteren Provinzen der Monarchie vom 20. Januar 1876 (GS. S. 8). Bormerk. Vgl. Übers. S. 100. — Eingeführt ist die Ordnung durch Erlaß des Königs v. 20. Jan. 1876 (GS. S. 7), welcher lautet: Nachdem in Gemäßheit Meines Erlasses vom 10. September 1873 eine außerordentliche Generalshnode den von dem Evangelischen Ober-Kirchenrat in Vereinigung mit dem Minister der geistlichen Angelegenheiten festgestellten und von Mir genehmigten Entwurf einer Generalsynodalordnung beraten hat, erteile Ich kraft der Mir als Träger des landesherrlichen Kirchenregiments zu­ stehenden Befugnisse der als Anlage beifolgenden Generalsynodalordnung für die evangelische Landeskirche der acht älteren Provinzen der Monarchie hier­ durch Meine Sanktion und verkünde dieselbe als kirchliche Ordnung. Das wichtige Werk einer selbständigen Verfassung für die evangelische Landeskirche ist hiermit in allen ihren Entwicklungsstufen begründet; überall sind den Gemeindegliedern wesentliche Befugnisse der Teilnahme an der kirchlichen Gesetzgebung und Ver­ waltung übertragen. Ich vertraue auf die Barmherzigkeit Gottes, an dessen Segen alles gelegen ist, daß auch diese neue Ordnung dienen wird zur Hebung des kirchlichen Lebens, zur Herstellung des kirchlichen Friedens und zur Anregung eines kräftigen und ersprießlichen Zusammenwirkens aller Beteiligten für die Wahrung des evangelischen Glaubens und guter Sitte.----------Die Ordnung ist geändert durch KGes. v. 26. Mai 1886 KGVBl. S. 74, AE. v. 7. März 1887 Nr. II u. Bekanntmachung v. 16. Januar 1892 KGVBl. 1887 S. 85 u. 1892 S. 13 (wegen Teilung der Prov. Preußen), KGes. v. 18. Juli 1892 KGVBl. S. 175 und KGes. 19. September 1898 KGVBl. S. 147, in Kraft gesetzt durch V. 24. März 1899 das. S. 11 (Einfügung der Hohenzollernschen Lande in den landeskircklichen Synodalverband). Der folgende Text ist danach be­ richtigt.— Wegen der Notwendigkeit von Kirchen- und Staatsgesetzgebung behufs Änderung s. GSO. §§ 7 Zif. 5, 32 und Ges. 28. Mai 1894 § 1. Staatlichgutgeheißen ist die Ordnung, soweit erforderlich, durch Ges. v. 3. Juni 1876 Art. 13—20, u. betr. der Änderungen durch die Staatsgesetze vom 21. Mai 1887 Art. I (GS. S. 194, KGVBl. S. 88), v. 30. Aug. 1892 (GS. S. 273, KGVBl. S. 176) und v. 21. Sept. 1898 (GS. S. 312, KGVBl. S. 149).

§ l1). Der Verband der Generalsynode erstreckt sich auf die evangelische Landeskirche der neun älteren Provinzen der Monarchie und der Hohen­ zollernschen Lande. Der Bekenntnisstand und die Uniona) in den genannten Provinzen und den dazu gehörenden Gemeinden werden durch dieses Verfassungsgesetz nicht berührt. I. Zusammensetzung.

§ 2 *). Die Generalsynode wird zusammengesetzt: 1. aus 151 Mitgliedern, welche von den Provinzialsynoden der Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen, der Rheinprovinz und der Kreissynode Hohenzollern gewählt werden; *) In der Fassung nach AE. 7. März 1887 und KGes. 19. Sept. 1898 (s. Sßotnt.) 2) Vgl. «. 3 ff.

GSO. §§ 1-3.

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2. aus sechs Mitgliedern, von welchen jede evangelisch-theologische Fakultät an den Universitäten Königsberg, Berlin, Greifswald, Breslau, Halle und Bonn eines aus ihrer Mitte wählt; 3. aus den Generalsuperintendenten der im Generalsynodalverbande stehen­ den Provinzen; 4. aus dreißig vom Könige zu ernennenden Mitgliedern *)Die Berufung der Synodalmitglieder erfolgt für eine Synodalperiode von sechs Jahren 34).* § 36). Die zufolge § 2 Nr. 1 zu wählenden Mtglieder werden auf die neun Provinzialsynoden dergestalt verteilt, daß die Synode der Provinz Ostpreußen ..........................15, „ „ Westpreußen ....................... 9, „ „ Brandenburg..........................27, „ „ Pommern ..............................18, ,, „ Posen.................................... 9, „ „ Schlesien ................................21, Sachsen ..................................24, „ „ Westfalen............................. 12, „ Rheinprovinz ...................................... 15, Hohenzollern ............................................. 1 Mitglieder wählt. Die Wahl erfolgt in der Weise6), daß

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3) Die jedenfalls der Landeskirche angehören müssen. Wegen Berufung von Männern aus dem Arbeiterstande vgl. S. 186 A. 153 Abs. 3. 4) Wegen späteren Verlustes der Berufungserfordernisse vgl. A. 6. ö) In der Fassung nach AE. 7. März 1887 und den KGes. v. 18. Juli 1892 u. 19. Sept. 1898 (f. Vorm.). 6) Wegen des Wahlverfahrens s. KGSO. § 70 (S. 230) und KirchO. § 49. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl besteht nicht. Die Geistlichen be­ dürfen zum Eintritt keines Urlaubs; wegen Urlaubs der Staats- und Kommunal­ beamten s. S. 200 A. 188. — Wegfall der dauernd erforderlichen WählbarkeitsVoraussetzung (insbes. evang. Bekenntnis, Zugehörigkeit zur Landeskirche, vgl. GSV. 1909 I S. 166) hat auch Verlust des Mandats zur Folge. Nach Nr. 1 können nur im Gemeindepfarramte fest angestellte Geistliche gewählt werden, nicht z. B. geistliche Mitglieder der kirchenregimentlichen Kollegialbehörden. Nach der Praxis der Generalshnode ist aber mit der Emeritierung Verlust der Zugehörigkeit nicht verbunden, vgl. GSV. 1909 1166 f., 173 ff. u. II S. 79 ff. Verlust der Rechte des geistlichen Standes bewirkt dagegen selbstverständlich Erlöschen des Mandats. Das gleiche muß von jedem Ausscheiden aus dem Amte gelten, das nicht in vollen Ehren erfolgt ist. Standen die in Nr. 2 Gewählten bei der Wahl im kirchlichen Ge­ meindedienste, so hat Aufgabe desselben, da auch ftüherer Dienst genügt, nicht Ver­ lust des Mandats zur Folge; es sei denn, daß sie disziplinarisch entlassen oder zur Be­ kleidung kirchlicher Ämter für unfähig erklärt sind. Für die nach Nr. 1 u. 2 zu Wählen­ den ist Wohnsitz innerhalb der Wahlprovinz nötig; doch dürfte eine spätere Verlegung des Wohnsitzes, aber unter Verbleib innerhalb der Landeskirche, nicht Verlust des Mandats bedingen. Für die Abgeordneten der Nr. 3 ist nur Wohnsitz in der LandesGoßner, Kirchenrecht. 2. Ausl. 16

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

1. ein Dritteil aus den innerhalb der Provinz in geistlichen Ämtem der Landeskirche angestellten Geistlichen, 2. ein Dritteil aus solchen Angehörigen der Provinz gewählt wird, welche in Kreis- oder Provinzialsynoden oder in den Gemeindekörperschaften derselben als weltliche Mtglieder entweder zurzeit der Kirche dienen oder früher gedient haben; 3. die Wahlen für das letzte Dritteil sind an diese Beschränkungen nicht ge­ bunden, sondern können auch auf andere angesehene, kirchlich erfahrene und verdiente Männer gerichtet werden, welche der evangelischen Landes­ kirche angehören. 4. Das von der Kreissynode Hohenzollern zu wählende Mitglied kann aus den innerhalb derselben in einem geistlichen Amte der Landeskirche an­ gestellten Geistlichen oder aus solchen Angehörigen der Hohenzollemschen Lande entnommen werden, welche in der Kreissynode oder in den Ge­ meindekörperschaften derselben als weltliche Mitglieder entweder zur­ zeit der Kirche dienen oder früher gedient haben. Für jeden Abgeordneten wird gleichzeitig ein Stellvertreter gewählt. Alle Gewählten müssen das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben*7)8* § 4. Königlicher Verordnung bleibt es vorbehalten, die Aussonderung der Residenzstadt Berlin und ihrer Umgebung aus dem Synodalverbande der Provinz Brandenburg, die Einrichtung einer besonderen Provinzial- (Stadt-) Synode Berlin *) und die Verteilung der Zahl der Mtglieder anzuordnen, welche demnächst die Synoden der Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin nach dem Maßstabe der in ihnen vorhandenen evangelischen Bevölkerung in die Generalsynode zu entsenden haben. Über die einzelnen hierzu erforderlichen Bestimmungen sind die ver­ einigten Kreissynoden von Berlin und die Provinzialsynode der Provinz Brandenburg zu hören. Veränderungen der hiernach getroffenen Anordnungen, welche durch spätere landesgesetzliche Feststellung eines besonderen provinzialen Verbandes für die Stadt Berlin und ihre Umgebung bedingt werden sollten, erfolgen gleichfalls durch Königliche Verordnung. II. Wirkungskreis.

§ 5. Die Generalsynode hat mit dem Kirchenregimente des Königs der Erhaltung und dem Wachstum der Landeskirche auf dem Grunde des evan­ gelischen Bekenntnisses zu dienen; Regiment, Lehrstand und Gemeinden zur kirche nötig. Ob sie, desgleichen ihre Stellvertreter, Weltliche oder Geistliche sind, ist gleichgültig. 7) Aus der Stellung dieser Vorschrift ergibt sich, daß ihr Erfordernis nicht die sonstigen insbesondere die Mitglieder aus § 2 Nr. 4 betrisst. 8) Wegen Notwendigkeit eines Staatsgesetzes vgl. Ges. 3. Juni 1876 Art. 8 Schlußabsatz.

GSO. §§ 3-6.

243

Gemeinschaft der Arbeit an dem Aufbau der Landeskirche zu verbinden; auf Jnnehaltung der bestehenden Kirchenordnung in den Tätigkeiten der Ver­ waltung zu achten; über die gesetzliche Fortbildung der landeskirchlichen Ein­ richtungen zu beschließen; die Fruchtbarkeit der Landeskirche an Werken der christlichen Nächstenliebe zu fördem9); die Einheit der Landeskirche gegen auf­ lösende Bestrebungen zu wahren; der provinziellen kirchlichen Selbständigkeit ihre Grenzen zu ziehen und sie in denselben zu schützen; die Gemeinschaft zwischen der Landeskirche und anderen Teilen der evangelischen Gesamtkirche zu Pflegen; zur interkonfessionellen Verständigung der christlichen Kirche zu helfen und überhaupt sowohl aus eigener Bewegung als auf Anregung der Kirchenregierung, in Gemäßheit dieser Ordnung, alles zu tun, wodurch die Landeskirche gebaut und gebessert und die Gesamtkirche in der Erfüllung ihrer religiösen und sittlichen Aufgabe gefördert werden mag. Gesetzgebung. § 6. Landeskirchliche Gesetze bedürfen der Zustimmung der General­ synode 10) und werden von dem Könige, kraft seines Rechts als Träger des Kirchenregiments, erlassen. Sie werden behufs der Beglaubigung von dem Präsidenten des Evangelischen Ober-Kirchenrats gezeichnet''). Die Generalsynode hat das Recht, landeskirchliche Gesetze vorzuschlagen n). Bevor ein von der Generalsynode angenommenes Gesetz dem Könige zur kirchenregimentlichen Genehmigung vorgelegt wird, ist die Erklärung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten ") darüber herbeizuführen, ob gegen den Erlaß desselben von Staats wegen etwas zu erinnern sei"). Ein Kirchengesetz erhält seine verbindliche Kraft durch die Verkündung in dem unter Verantwortlichkeit des Evangelischen Ober-Kirchenrats erscheinen’) Wegen des hier gleicherweise beachtlichen Beschlusses der Eisenacher Kirchenkonserenz vom 25. Mai 1894 vgl. S. 223 A. 278. *°) Vgl. § 32 Abs. 4. — Eine Pflicht, den Gesetzentwurf vorher zu publizieren, um eine öffentliche Kritik zu ermöglichen, besteht selbswerständlich nicht, vgl. GSV. 1907 S. 209. ") Zwecks Beglaubigung, also nicht zur Übernahme der Verantwortlichkeit, zu welchem Behufe die ministerielle Gegenzeichnung bei Staatsgesetzen erforderlich ist (vgl. S. 21 A. 6). — Fraglich ist, ob Kirchengesetze als Gesetze im Sinne des RStGB. § 110 zu erachten, welcher öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze bedroht. Bejaht OTr. 4. Dez. 1878 KGBBl. 1879 S. 39. Freilich wird die staatsaussichtliche Mitwirkung diese Auffassung nicht begründen können, sondern lediglich die Rücksicht auf die Eigenschaft des kirchlichen Gesetzgebers als Inhabers der Staatsgewalt. 12) Wegen des Falles, daß ein von der Generalshnode beschlossener Gesetzent­ wurf, der noch nicht die Königliche Sanktion erhalten hat, von einer späteren Generalsynode abgeändert werden soll, vgl. GSV. 1909 I S. 744. 13) Durch Staatsgesetz ist Erklärung des Staatsministeriums erfordert, s. Ges. 3. Juni 1876 Art. 13 (in der Fassung des Ges. v. 28. Mai 1894). '*) Einer Ausnahme dieser Erklärung in die Berständigungssormel des Gesetzes bedarf es laut Ges. 28. Mai 1894 nicht mehr.

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

den kirchlichen Gesetz- und Verordnungsblatt. Sie beginnt, sofern in dem Gesetze kein anderer Anfangstermin bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tage nach demjenigen Tage, an welchem das betreffende Stück des genannten Blattes in Berlin ausgegeben worden ist15). § 7. Folgende Gegenstände unterliegen ausschließlichie) der landes­ kirchlichen Gesetzgebung; 1. die Regelung der kirchlichen Lehrfreiheit17); 2. die ordinatorische Verpflichtung der Geistlichen; 3. die zu allgemeinem landeskirchlichen Gebrauche bestimmten agendarischen Normen"); Soll die Einfühmng agendarischer Normen nur für einzelne Pro­ vinzialbezirke erfolgen, so bedarf es der Zustimmung der betreffenden Provinzialsynode19). Insofern bestehende ^) agendarische Ordnungen die Verwaltung der Sakramente betreffen, dürfen sie in den einzelnen Gemeinden nicht ohne Zustimmung der Gemeindeorgane 21) verändert werden, gleichviel ob die Änderung durch landeskirchliche oder provinzielle Gesetzgebung be­ schlossen ist. 1B) Das gilt auch für die Provinzialgesetze (KGSO. § 65 Nr. 3 u. KirchO. § 49 Abs. 9), vgl. Art. 13 Abs. 3 Ges. 3. Juni 1876. — Das KG. u. VBl. erscheint seit 28. Nov. 1876. Die Gemeindekirchenräte (bei vereinigten Gemeinden der Gesamtparochie) haben für den Bezug auf Kosten der Kirchenkasse zu sorgen. Die Pfarrämter sollen die erscheinenden Nummern den Gemeindekirchenräten vorlegen und deren Kenntnisnahme sich angelegen sein lassen, EOK. 3. Nov. 1876 KGVBl. S. 1. Das Blatt ist bei den Pfarrarchiven zu inventarisieren und aufzubewahren, worauf die Superintendenten bei ihren Visitationen zu achten haben, EOK. 23. Dez. 1897 Nr. 10 484. 16) Ausgeschlossen also Provinzialgesetze und bloß kirchenregimentliche Ver­ ordnungen; vgl. in letzterer Hinsicht aber Nr. 3 Abs. 5. 17) Dadurch ist nicht eine Regelung der kirchlichen Lehrfreiheit versprochen, sondern nur für den Fall solcher Regelung die Kompetenz festgestellt, wobei in der evangelischen Kirche nicht an eine Feststellung des Lehrinhalts im einzelnen durch Rechtssatz gedacht werden kann, vgl. Kapler im Pfarrarchiv Bd. 2 S. 120 A. 9. Siehe jetzt KGes. betr. Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen v. 16. März 1910 (in Buch IV Abschn. II). Wegen der Lehre als Gegenstand der Gesetzgebung vgl. auch Schön II S. 253 u. 254. 18) In § 7 Nr. 3 ist die landeskirchliche und provinzielle Einführung behandelt. Betr. der ersteren ist auch § 9, betr. der letzteren § 18 zu beachten. Wegen der lokalen Einrichtungen s. KGSO. § 15 u. KirchO. § 14 n. ") Vgl. § 65 Nr. 3 KGSO. 2Ü) Gleichviel ob die Ordnung auf Gesetz oder allgemeinem oder lokalem Ge­ wohnheitsrecht beruht, vgl. Schön II S. 252 A. 5. a) Das würden gemäß § 25 KGSO. ohne weiteres die Gemeindekirchenräte sein. Nach den gesetzgeberischen Konsequenzen aber, die das KGes. 13. Juni 1895 betr. Änsührung der Agende (Buch V Abschn. I) gezogen hat, wird man darunter die vereinigten Gemeindeorgane (Gemeindekirchenrat und Vertretung) verstehen müssen, die ausdrücklich zu beftagen sind.

GSO. §§ 6 u. 7.

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Durch vorübergehende Verhältnisse bedingte und daher nur zeit­ weilige liturgische Anordnungen werden mit Ermächtigung des Königs vom Evangelischen Ober-Kirchenrate getroffen. Die Zulassung von Katechismuserklärungen, Religionslehrbüchern und Gesangbüchern erfolgt für den allgemeinen landeskirchlichen Ge­ brauch nach erteilter Billigung der Generalsynode, für den provinziellen Gebrauchs) nach erteilter Billigung der Provinzialsynode M), durch Ver­ fügung des KirchenregimentsM). Gegen obligatorische Einführung solcher kirchlicher Bücher steht jeder einzelnen Gemeinde ein Widerspruchs­ recht gu®6); 4. die Einführung oder Abschaffung allgemeiner kirchlicher Feiertage28); 5.27) Änderungen der KG. u. SO. v. 10. Sept. 1873, der KirchengemeindeOrdnung für die evangelischen Gemeinden in den Hohenzollemschen Landen vom 1. März 1897, der Kreissynodalordnung für dieselben und dieser Ordnung sowie Andemngen der Kirchenverfassung, welche den Grundsatz betreffen, wonach das Kirchenregiment des Königs durch kollegiale, mit geistlichen und weltlichen Mitgliedern besetzte Kirchen­ behörden auszuüben ist2e); 6. die Kirchenzucht wegen Verletzung allgemeiner Pflichten der Kirchen­ glieder sowie die Disziplinargewalt über Geistliche und andere Kirchen­ diener ------- **).

22) Es handelt sich hier nur um den kirchlichen Gebrauch, MdgA. 22. Febr. 1896 ZBl. S. 641. Wegen des Schulgebrauchs s. Buch VII. *>) Vgl. § 65 9k. 3 KGSO. 24) Ein Kirchengesetz ist also nicht erforderlich. Wenn die Einführung nur in einer Provinz erfolgen soll, ist zwar nicht die Genehmigung der Generalsynode, aber die des Evangelischen Ober-Kirchenrats nötig, EOK. 1. Dez. 1855 AH. 8 S. 55. “) Doch lediglich gegen die Einführung in ihr selbst. Der Widerspruch kann nur vom Gemeindekirchenrat (KGSO. § 25) geltend gemacht werden; vorher be­ fragt zu werden braucht derselbe nicht. Schön II S. 334 A. 3 hätt auch hier nicht den Gemeindekirchenrat allein, sondern beide Gemeindeorgane für zuständig. — Bei Einführung der neuen Provinzialgesangbücher ist über die obige gesetzliche Schranke hinaus meist die Zustimmung der Gemeindeorgane gefordert. 25) Also nicht lokaler oder nur in einzelnen Bezirken begangener Feiertage; insoweit ist das Kirchemegiment unbeschränkt geblieben, vgl. EOK. 1. Dezember 1877 KGVBl. 1878 S. 2 betr. Aufhebung der sog. halben oder lleinen Feiertage, auch Schön II S. 339 A. 3. Jedenfalls kann das Kirchenregiment einzelne kirchliche Feiern aus besonderem Anlaß anordnen. 27) In der Fassung nach KGes. 19. September 1898 (s. Vorm.). 28) Wegen der staatsgesetzlichen Billigung s. Ges. 28. Mai 1894 § 1 u. Ge). 3. Juni 1876 Art. 21 Schlußab). 2‘) Es folgte eine inzwischen erledigte Übergangsbestimmung. Ergangen sind wegen Disziplin der Kirchenglieder KGes. 30. Juli 1880 (in Buch V Abschn. IV) und wegen Disziplin der Kirchenbeamten KGes. 16. Juli 1886 (in Buch IV Abschn. II).

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Buch II Abschn. II. Die neueren Berfassungsgesetze.

7. die kirchlichen Erfordernisse der Anstellungsfähigkeit und die kirchlichen Grundsätze über die Besetzung der geistlichen Ämter'«); 8. die kirchlichen Bedingungen der Trauung"). § 8. Der Kirchenregierung wie der Generalsynode bleibt unbenommen, auch über andere Gegenstände der kirchlichen Ordnung, deren allgemeine kirchengesetzliche Regelung heilsam erachtet wird, Gesetzesvorschläge zu machen"). Ist diese Regelung erfolgt, so kann weder eine Veränderung derselben ") noch deren Überlassung an die provinzialkirchliche Gesetzgebung oder an das kirchenregimentliche Verordnungsrecht anders als im Wege der landeskirch­ lichen Gesetzgebung geschehen. § 9. Es hängt vom Ermessen der Kirchenregiemng ab, über GesetzesVorschläge, welche sie der Generalsynode zu machen beabsichtigt, zuvor die Provinzialsynoden, beziehungsweise die ausschließlich beteiligten, zu gutacht­ licher Äußerung zu veranlassen. Bei Verändemngen, welche die Liturgie be­ treffen (§ 7 Nr. 3), soll diese Anhörung der Provinzialsynoden in der Regel geschehen. § 10. Verändemngen der Revidierten Kirchenordnung für Westfalen und die Rheinprovinz können, wie bisher, von den Provinzialsynoden dieser Provinzen beschlossen und durch Bestätigung der Kirchenregiemng in Kraft gesetzt werden. Werden Bestimmungen der genannten Kirchenordnung durch ein von der Kirchenregiemng beabsichtigtes landeskirchliches Gesetz betroffen, so müssen die Synoden der beiden Provinzen, bevor der Gesetzesvorschlag an die General­ synode gelangt, gutachtlich gehört werden. Gehen solche Gesetzesvorschläge von der Generalsynode aus, so sind die Gutachten der genannten Provinzialsynoden vor der Einholung der König­ lichen Sanktion zu veranlassen. Äußem sich beide Synoden übereinstimmend gegen die Verändemng ihrer Kirchenordnung, so bleiben diese Provinzen von dem Geltungsbereiche der betreffenden landeskirchlichen Vorschrift ausgenommen. Kirchliche Vermögensrechte und Besteuerung. § 11.

Die Generalsynode übt eine Kontrolle über die vom Evangelischen

30) Wegen Bedeutung der Bestimmung, namentlich was das Verfahren bei Prüfungen und die Zusammensetzung der Prüfungsbehörde anlangt, s. EOK. 10. Jan. 1879 KGVBl. S. 99. — Ergangen sind KGes. 15. August 1898 bett. Anstellungssähigkeit und Vorbildung der Geistlichen und die Psarrwahlgesetze v. 15. März 1886 u. 28. März 1892 (in Buch IV Abschn. I). 31) Ergangen Trauungsordnung vom 27. Juli 1880 (in Buch V Abschn. II). 32) Für das preußische Kirchenrecht gilt also, wie Schön II S. 257 ausführt, der Satz nicht, daß Rechtsnormen nur in Form von Gesetzen angeordnet werden können, und daß nur für Berwaltungsnormen die Wahl zwischen Gesetz und Verordnung offen stehe. Wegen des Verordnungsrechts vgl. das. S. 258 ff. Betreffs sog. Not­ verordnungen s. § 34 Nr. 3 GSO. ") Noch eine authentische Interpretation.

GSO. §§ 7-14.

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Ober-Kirchenrate verwalteten oder unter seine Verfügung gestellten kirchlichen Fonds und sonstigen kirchlichen Einnahmen und vereinbart mit ihm die leiten­ den Grundsätze für ihre Verwendung. Der Generalsynode, und in den Jahren, in welchen sie sich nicht versammelt, dem Synodalvorstande, ist die Jahres­ rechnung über diese Fonds zur Prüfung und Erteilung der Entlastung vor­ zulegen"). § 12. Von der Verwendung der unter der Verwaltung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten stehenden kirchlichen Fonds und der im Staats­ haushaltsetat für kirchliche Zwecke bewilligten Mittel gibt der Evangelische Ober-Kirchenrat aus Gmnd der Nachrichten, welche er darüber vom Minister der geistlichen Angelegenheiten erhalten hat, der Generalsynode Kenntnis. So­ bald solche Fonds oder Mttel in die Verwaltung der Kirche übergehen, er­ weitert sich die synodale Kenntnisnahme zur Konttolle (§ 11). § 13. Anordnungen der Kirchenregierung wegen Einführung neuer, regelmäßig wiederkehrender, sowie wegen Abschaffung bestehender landes­ kirchlicher Kollekten bedürfen der Zustimmung der Generalsynode"). § 14. Die Bewilligung neuer Ausgaben für landeskirchliche Zwecke “), soweit sie durch Umlagen auf die Kirchenkassen oder Kirchengemeinden gedeckt werden sollen, erfolgt im Wege der kirchlichen Gesetzgebung. Der bewilligte, durch Umlage aufzubringende Bettag wird über die Pro­ vinzen der Landeskirche37) nach einem Maßstabe reparttert, welcher vorläufig durch Königliche Verordnung ausgestellt, endgülttg zwischen der Generalsynode und der Kirchenregierung vereinbart wird ’*). “) Vgl. Art. 14 Nr. 1 und 18 Ges. 3. Juni 1876. 35) Vgl. VO. § 69 (in Buch VIII Abschn. I). 3s. 3 des Kirchengesetzes vom 17. Mai 1895 zu erlassenden Regulative (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. Mai 1895); 3. in den Fällen des § 5 Abs. 3 des Gesetzes vom 18. Mai 1895, soweit ihm die Ausübung der Rechte des. Staats durch Art. I der Allerhöchsten Ver­ ordnung vom 9. September 1876 (GS. S. 393) und Art. I Nr. 1 der Merhöchsten Verordnung vom 30. Januar 1893 (GS. S. 10) *) über­ tragen ist. Art. III. Die Rechte des Staats werden gegenüber den nach Art. II des Kirchengesetzes vom 17. Mai 1895 gebildeten Gesamtverbänden von dem Oberpräsidenten ausgeübt: 1. bei Genehmigung der Umlagebeschlüsse im Falle des § 5 Abs. 2 des Ge­ setzes vom 18. Mai 1895°); 2. bei Genehmigung der Anleihebeschlüsse (§ 5 Abs. 3 des Gesetzes vom 18. Mai 1895; Artikel 24 Nr. 3 des Gesetzes vom 3. Juni 1876). Gegen die Verfügung des Ober-Präsidenten findet die Beschwerde an den Mnister der geistlichen Angelegenheiten statt. Art. IV. In den übrigen Fällen des § 52) und im Falle des § 6 des Gesetzes vom 18. Mai 1895 werden die Rechte des Staats ausgeübt: gegenüber dem Berliner Stadtsynodalverbande (Art. I § 1 Abs. 1 und 2 des Kirchengesetzes vom 17. Mai 1895) durch den Polizeipräsidenten zu Berlin'), gegenüber den Gesamtverbänden in anderen größeren Ort­ schaften durch den Regierungspräsidenten. Gegen die Verfügung des Polizeipräsidenten oder des Regierungs­ präsidenten geht, sofern nicht die Klage bei dem Oberverwaltungsgericht (§ 6 des Gesetzes vom 18. Mai 1895, § 27 Abs. 3 des Gesetzes vom 3. Juni 1876) stattfindet, die Beschwerde an den Ober-Präsidenten. Derselbe beschließt auf die Beschwerde enbgültig. *) s. den berichtigten Att. I der B. 9. Sept. 1876 (S. 274). ') Soweit die Verordnung die Zuständigkeit der Staatsbehörden in Kirchen­ steuerangelegenheiten regelt, ist sie durch Art. VIII Ges. betr. Erhebung von Kirchen­ steuern v. 14. Juli 1905 aufgehoben, vgl. Einleitung (vorl. Abs.) der staatl. AussAnw. v. 24. März 1906. Maßgebend ist in dieser Hinsicht jetzt die AB. v. 23. März 1906 (in Buch VIII Abschn. II). Danach steht die Genehmigung der Steuerbeschlüsse gleicherweise in dem oben in Art. III Nr. 1 genannten Falle dem Oberpräsidenten und in der Beschwerdeinstanz dem Minister der geistlichen Angelegenheiten, sonst dem Regierungspräsidenten (in Berlin dem Polizeipräsidenten) und in der Beschwerde­ instanz dem Oberpräsidenten zu, der enbgültig entscheidet. Vgl. auch S. 282 A. 11 *) Betreffs der Kirchengemeinden des Berliner Stadtsynodalverbandes vgl. AB. 20. Juli 1904 (S. 277).

Berliner Stadtsynode und Parochialverbände.

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Regulativ für die Geschäftsführung der Berliner Stadtsynode «nd ihrer Organe vom 14. November/12. Dezember 1896 (KGVBl. 1897 S. 2). § 1. Die in Gemäßheit des KGes. vom 17. Mai 1895 und des StGes. vom 18. Mai 1895 gebildete Berliner Stadtsynode tritt jährlich einmal oder nach Bedürfnis mehrere Male zu ordentlichen Versammlungen an einem zwischen dem Konsistorium und dem Synodalvorstand zu vereinbarenden Termin zusammen. Die Dauer einer ordentlichen Versammlung soll drei Sitzungstage innerhalb eines Zeittaums von zwei Wochen nicht überschreiten. Außerordentliche Versammlungen können mit Genehmigung oder auf Anordnung des Konsistoriums stattfinden. § 2. Die Einladung der Mtglieder der Synode erfolgt schriftlich durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes oder durch besonders damit beaufttagte Beamte gegen Empfangsbescheinigung. Ist ein Mtglied verhindert, an einer Versammlung der Synode teilzu­ nehmen, so hat es dies dem Vorsitzenden sofort anzuzeigen, worauf dieser den Stellvettreter 6ernst. Auf kürzere Zeit als für die gesamte Dauer einer Versammlung der Synode sind Stellvertteter zu den Sitzungen nicht zuzulassen. § 3. Der Vorsitzende beruft, eröffnet und schließt die Versammlung. Er vertellt die vorbereitenden Arbeiten, soweit letztere nicht dem geschäfts­ führenden Ausschuß zufallen, auf Mtglieder des Synodalvorstandes oder nach Bedürfnis auf andere geeignete Synodale. Er leitet die Verhandlungen und sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung. In diesen Geschäften kann er sich durch seinen Stellvertreter, und wenn dieser verhindert ist, durch einen der Beisitzer des Vorstandes vertteten lassen. Zur Beschlußfähigkeit der Synode bedarf es der Anwesenheit von zwei Dritteln ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl. Eine Ausnahme hiervon findet dahin statt, daß die Erschienenen ohne Rücksicht auf ihre Zahl beschlußfähig sind, wenn die Synode, nachdem das erstemal eine Zweidrittel-Mehrheit nicht erreicht wurde, infolgedessen zum zweitenmal zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen worden ist. Bei der zweiten Zusammenbe­ rufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. Die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wahl­ handlungen sind, wenn sich relattve Majoritäten ergeben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Majorität fortzusetzen. Bei Stimmen­ gleichheit entscheidet die (Stimme des Vorsitzenden, bei Wahlen das Los. Für die Wahl zu Kommissionen genügt die relative Mehrheit. Jede Sitzung wird mit Gebet eröffnet, die Schlußsitzung mit Gebet ge­ schlossen. Des näheren regelt die Synode mit Genehmigung des Konsistoriums ihre Geschäftsordnung.

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Buch II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

§ 4. Der Wirkungskreis der Stadtsynode bestimmt sich nach den im vor­ stehenden § 1 gedachten Gesetzen. Insbesondere umfaßt derselbe folgende Befugnisse und Obliegenheiten: 1. Die Erledigung der vom Konsistorium oder von der Provinzialsynode gemachten, gemeinsame kirchliche Angelegenheiten des Synodalbezirks be­ treffenden Vorlagen; 2. die Erledigung der von den einzelnen Kreissynoden an sie verwiesenen, den ganzen Synodalbezirk betreffenden Anträge; 3. die Beratung von Anträgen an das Konsistorium und die Provinzial­ synode, welche von Mtgliedem der Synode, von einzelnen Kreissynoden oder Gemeindekirchenräten des Synodalbezirks ausgehen, sofern die Anträge ge­ meinsame kirchliche Angelegenheiten des Synodalbezirks betreffen; 4. die Einholung von Berichten über die kirchlichen Bedürfnisse der Ge­ meinden und Kreissynodalbezirke seitens der Gemeindeorgane, der Kreissynode und chrer Vorstände, sowie die Befugnis und Pflicht, den gedachten Vertre­ tungen die Abhilfe etwaiger äußerer Notstände in Erwägung zu geben und auf deren Beseitigung zu dringen; 5. die Beschlußfassung über die Veränderung, Aufhebung oder Einführung allgemeiner Gebührentaxen für alle Gemeinden (Art. 8 Ges. 3. Juni 1876); 6. die Aufnahme von Anlechen; 7. die Ausschreibung allgemeiner Umlagen; 8. die Errichtung einer Synodalkasse für die Einnahme und Verwendung der ausgeschriebenen Umlagen und aufgenommenen Anlechen. § 5. Wird die Ausschreibung einer allgemeinen Umlage von der Stadt­ synode beschlossen, so wird der Betrag derselben nach dem vorliegenden Be­ dürfnis von der Stadtsynode festgesetzt, nachdem alle zur Prüfung erforder­ lichen Unterlagen gewählt sind. Beschlüsse der Stadtsynode über die Aufnahme von Anlechen sind durch den geschäftsführenden Ausschuß vorzubereiten, welcher sich über die Bedürfnisftage und Modalitäten der Aufnahme, Verzinsung und TÜgung der An­ leche schriftlich zu äußem hat. Die Berteüung oder Überweisung von Umlage- oder Anleche-Erträgen zur Gewähmng von Bechilfen an ärmere Parochien behufs Befriedigung dringender kirchlicher Bedürfnisse erfolgt nach Maßgabe des anerkannten Be­ dürfnisses. Der Stadtsynode steht die Aufsicht und Rechenschafts-Einforderung über die Verwendung derselben dmch die Empfangsberechtigten zu. § 6. Die Auswahl der für die Verwaltung des Vorstandes und des geschäftsführenden Ausschusses erforderlichen Beamten erfolgt durch den geschäftsführenden Ausschuß unter Zustimmung des Vorsitzenden des Vor­ standes. Die für diese Beamten zu erlassenden Geschäftsanweisungen bedürfen der Genehmigung der Stadtsynode. Die angestellten Beamten haben die Rechte und Pflichten der Kirchenbeamten.

Regulativ der Berliner Stadtsynode.

289

§ 7. Der Stadtsynode gebührt die Ausstellung der Vorschläge für die Verwaltung der Synodalkasse, die Abnahme der von dem geschästsführenden Ausschuß darüber zu legenden Rechnungen und die Erteilung der Entlastung über diese. § 8. Der Vorstand der Stadtsynode hat: 1. den Vorsitzenden in den Präsidialgeschäften zu unterstützen; 2. für die Aufzeichnung, Reaktion und Beglaubigung der Protokolle zu sorgen, zu welchem Behufe er unter seiner Verantwortlichkeit einige Mit­ glieder der Synode zur Unterstützung zuziehen kann; Dritten gegenüber werden, soweit § 9 nichts anderes bestimmt, Beschlüsse der Stadtsynode durch Auszüge aus dem Protokoll bekundet, welche der Vorsitzende oder dessen Stellvertreter beglaMgt; 3. die Synodalprotokolle an das Konsistorium zu befördem und die von letzterem bestätigten Beschlüsse, soweit ihm die Vollziehung übertragen wird, zur Ausführung zu bringen; 4. zur Versammlung der Stadtsynode die erforderlichen Einleitungen zu treffen und die seinerseits in betreff gemeinsamer kirchlicher Angelegen­ heiten des Synodalbezirks einzubringenden Anträge festzustellen; 5. dem Konsistorium auf Erfordern Gutachten abzustatten. § 9. Der geschäftsführende Ausschuß der Stadtsynode hat: 1. die Beschlüsse der Synode Wer die Ausschreibung von Umlagen und Aufnahme von Anlechen vorzWereiten, für die Einziehung der beschlossenen Umlagen und die Realisiemng der beschlossenen Anlechen zu sorgen, Wer die Verwaltung der Umlage- und Anlecheerträge Bericht zu erstatten unb Rech­ nung zu legen, sowie die Voranschläge für die Verwaltung zu entwerfen; 2. vorbehaltlich der Zustimmung der Synode die Anstellungsverträge mit den besoldeten Verwaltungsbeamten Wzuschließen und die Geschäfts­ anweisung für dieselben zu entwerfen. Der geschäftsführende Ausschuß ist berechtigt, in betreff der zu seiner ZustäWigkeit gehörenden Angelegenheiten mit den kirchenregimentlichen und anbeten Behörden, sowie den Gemeinde- und Synodalkörperschaften in un­ mittelbaren Bericht zu treten. Die Zuschriften an diese ergehen unter Unter­ schrift des Vorsitzenden, der die laufenden Geschäfte führt. § 10. Die zu seiner ZustäWigkeit gehöreWen Angelegenheiten uW An­ träge bereitet der geschäftsführende Ausschuß für die Stadtsynode vor und gibt dem VorstaWe davon vor Festsetzung der Tagesordnung Kenntnis. Der letztere ist verpflichtet, derartige Vorlagm und Anträge auf die Tages­ ordnung zu setzen. Der geschäftssührende Ausschuß ist berechtigt, in dringenden Fällen die Berufung einer außerordentlichen Versammlung durch den Vorstand zu verlangen und gleichzeitig mit diesem Antrage seinerseits die Genehmigung des Konsistoriums (§ 1) nachzusuchen. Ist die letztere erteilt, so ist der Vorstand nicht befugt, die EiWerufung der Versammlung Wzulehnen. Goß ne r, Kirchenrecht. 2. Aufl.

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Buch II Abschn. II. Me neueren Verfassungsgesetze.

Zur Feststellung der Tagesordnung für die Sitzungen der Stadtsynode ist der geschäftsführende Ausschuß als Beirat vom Vorstande zuzuziehen. Der Ausschuß kann sich durch seinen Vorsitzenden oder eines oder mehrere Mitglieder vertreten lassen. Der Vorsitzende der Synode, und in Fällen der Behinderung sein Stell­ vertreter, ist berechtigt, an den Sitzungen des geschäftsführenden Ausschusses mit beratender Stimme teilzunchmen und jederzeit über den Stand der Arbeiten des Ausschusses Auskunft zu fordem. § 11. Die Versammlungen der Stadtsynode sind öffentlich. Sie kann die Öffentlichkeit auf Antrag ihres Vorsitzenden oder von zwanzig ihrer Mitglieder ausschließen. Die Beratung darüber erfolgt unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Bei den Verhandlungen der Stadtsynode hat der Kommissar des Konsi­ storiums das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen und Anträge zu stellen, und ist berechtigt, die Schließung der Sitzung herbeizuführen, indem er den Vor­ sitzenden zur Vomahme des Schließungsaktes veranlaßt. Dasselbe Recht zur Wortergreifung und Antragstellung steht dem Generalsuperintendenten für die Stadt Berlin und dem Präses der Provinzialsynode zu. Wenn Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt sind, welche das Kon­ sistorium als nicht zur Zuständigkeit der Stadtsynode gehörig erachtet, so hat der Kommissar desselben vor Beginn der Beratung die Absetzung von der Tagesordnung zu beantragen. Will die Versammlung diesem Antrage keine Folge geben, so kann sie die Entscheidung des Evangelischen Ober-Kirchenrats herbeiführen, ob der bean­ standete Gegenstand auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen ist.

c. Kirchengesetz betr. die Vertretung der Kreis- und ProvinzialsynodalverbLnde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten vom 16. Juni 1895 (KGVBl. S. 53). Bormerk. Vgl. Übers. S. 116. Das Gesetz nebst der zu seiner Aussührung erlassenen B. vom 3. Aug. 1895 (S. 292) ergänzt den zweiten u. dritten Abschnitt der östlichen KGSO. wie der rhein.-westf. KirchO., gilt so für die ganze Landes­ kirche und hat die erforderliche staatliche Billigung erhalten durch Ges. v. 18. Juni 1895 (©. 293). Die Begründung des Kirchengesetzes s. KGBBl. 1894 S. 80 ff. Ein­ geführt in Hohenzollern seit 1. April 1899 durch Nr. 14 AE. 22. März 1899 KGBBl. S. 9.

§ 1. Der Kreissynodalvorstand') vertritt') den Kreissynodalverband (die Kreisgemeinde) in vermögensrechtlichen Angelegenheiten'). Zu jeder den Kreissynodalverband verpflichtenden schriftlichen Willenserklärung des Kreissynodalvorstandes bedarf es der Unterschrift des Vor­ sitzenden oder seines Stellvertreters und zweier Mtglieder des Vorstandes, sowie der Beidrückung des Amtssiegels. § 2. Die Vertretungs) des Provinzialsynodalverbandes (der Provinzial­ gemeinde) in vermögensrechtlichen Angelegenheiten erfolgt durch das Konsistoriunl unter Mtwirkung des Provinzialsynodalborstandes. Auf diese Mit­ wirkung findet § 68 Nr. 6 der Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 und Nr. 4 unter 2 des Kirchengesetzes vom 1. Juli 1893 Anwendung *). Schriftliche Willenserklärungen, welche den Provinzialsynodalverband Dritten gegenüber rechtlich verpflichten, bedürfen in ihrer Ausfertigung des Vermerks, daß der Provinzialsynodalvorstand bei dem Beschlusse mitgewirkt *) s. KGSO. § 54 (S. 215) u. KirchO. § 36 (S. 316). ') Wegen der Verwaltung vgl. Schön I S. 407 A. 5. 3) Der Gerichtsstand ergibt sich d urch den Amtssitz des Vorsitzenden des Kreis­ synodalvorstandes. Das Besteuerungs recht der Kreissynoden ist durch dieses Gesetz nicht erweitert, vgl. Begründung in KG BBl. 1894 S. 82 und A. 245 zu § 53 KGSO. (S. 214). Wegen Unfähigkeit der Aufn ahme von Anleihen s. StGes. 18. Juni 1895 Art. 1 Abs. 2 (S. 293). *) s. KGSO. § 68 Nr. 6 (S. 228) u. KirchO. § 50 a Nr. 2 (S. 321). 19*

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Buch

II Abschn. II. Die neueren Verfassungsgesetze.

hat, der Unterschrift des Konsistorialpräsidenten oder seines Vertreters und der Beidrückung des Amtssiegels. § 3. Die Beschlüsse des Kreissynodalvorstandes und des durch den Pro­ vinzialsynodalvorstand erweiterten Konsistoriums in den Fällen der §§ 1 und 2 bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der vorgesetzten kirchlichen Aufsichtsbehörde °) 1. bei dem Erwerbe, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum, soweit der Erwerb nicht im Falle einer Zwangsver­ steigerung zur Sicherung in das Grmü>buch eingetragener kirchlicher Forderungen notwendig ist •), 2. bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken, 3. bei neuen organischen Einrichtungen für kirchliche Zwecke, sowie bei Er­ richtung, Übemahme oder wesentlicher Andemng von Anstalten für christliche Liebestätigkeit'). § 4. Die Kirchenbehörde, welche in den Fällen des § 3 die Genchmigung zu erteilen hat, im gleichen der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird durch Königliche Verordnung bestimmt. Es lautet diese Berorduuug vom 3. August 1895 (KGVBl. S. 73). Art. I. Das Kirchengesetz tritt mit dem 1. September 1895 in Kraft. Art. II. Die nach § 3 des Kirchengesetzes erforderliche Genchmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde erfolgt bezüglich der Beschlüsse des Kreissynodalvorstandes 1. bei dem Erwerbe, der Beräußemng oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum, wenn der Wert des zu erwerbenden oder des zu veräußernden Gegenstandes oder der Betrag der Belastung die Summe von einhunderttausend Mark übersteigt, und bei einer Verwendung des Kirchenvermögens zu anderen als den bestim­ mungsmäßigen Zwecken durch den Evangelischen Ober-Kirchenrat, 2. in allen übrigen Fällen durch das Konsistorium, bezüglich der Beschlüsse des durch den Provinzialsynodalvorstand er­ weiterten Konsistoriums in allen Fällen durch den Evangelischen OberKirchenrat. e) Betreffs der staatli ch en Aufsicht der Beschlüsse gilt Ges. 3. Juni 1876 Art. 24, s. StGes. v. 18. Juni 1895 Art. 3. *) Der staatlichen Genehmigung bedarf cs — bei einem Werte von mehr als 5000 Mk. — auch in diesem Falle gemäß Art. 3 StGes. 18. Juni 1895 in Verb. mit Art. 24 Ges. 3. Juni 1876. ’) Vgl. S. 213 A. 240 und S. 223 A. 278. — Die Gebühren- und Stempelfreiheit der Kreissynodalverbände insbes. in Sachen der christlichen Liebestätigkeit anerkanM vom KG. 4. Juli 1898 Bd. 18 S. 101.

Kreis- und Provinzialsynodalverbände.

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Staatsgesetz betr. die Vertretung der Kreis- und Provinzialsynodalverbände in vermögensrechtlichen Angelegenheiten vom 18. Juni 1895 (GS. S. 271, KGVBl. S. 55). Bormerk. Das Gesetz, das für die ganze Landeskirche gilt, bestätigt das KGes. v. 16. Juni 1895 (S. 291) staatlich, soweit erforderlich, und behandelt in Art. 3 die Staatsaufsicht über die Kirche.

Art. 1. Der Kreissynodalvorstand, das Konsistorium und der Provinzial­ synodalvorstand üben die ihnen durch das KG. v. 16. d. M. zugewiesenen Rechte bei Vertretung des Kreissynodalverbandes (der Kreisgemeinde) und des Pro­ vinzialsynodalverbandes (der Provinzialgemeinde) in chren vermögensrecht­ lichen Angelegenheiten. Die Befugnis zur Aufnahme von Anlechen ist darin nicht einbegriffen. Art. 2. Die Beschlüsse des Kreissynodalvorstandes und des durch bett Provinzialsynodalvorstand erweiterten Konsistoriums und ihre die vertreten­ den Verbände verpflichtenden schriftlichen Erklärungen werden Dritten gegen­ über nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 1 und 2 des im Artikel 1 er­ wähnten Kirchengesetzes festgestellt. Art. 3. Auf die Beschlüsse der kirchlichen Organe in den Fällen des Art. 1 findet Art. 24 des Gesetzes vom 3. Juni 1876, betr. die evangelische Kirchenverfassung in den neun älteren Provinzen der Monarchie Anwendung1). Die hier vorgeschriebene staalliche Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn der Erwerb von Grundeigentum im Falle einer Zwangsversteigerung zur Sicherung in das Grundbuch eingetragener Fordemngen erfolgt. l) Wegen der Zuständigkeit der staatlichen Behörden gilt daher V. v. 9. Sept. 1876 (S. 273).

D. Landeskirchliche Fonds*). Kirchengesetz betr. die Erhebung einer landeskirchlichen Umlage zur Beschaffung von Mitteln für Hilfsgeistliche . . und zur Errichtung neuer Pfarrstellm vom 18. Februar 1895 (KGVBl. S. 13)*2). § 1. Zwecks Beschaffung von Mitteln zur Gewährung von Besoldungsbeihilfen an Hilfsgeistliche in den älteren Provinzen der Monarchie wird all­ jährlich eine Umlage *) von % % der von den Mitgliedem der evangelischen Landeskirche zu zahlenden Staatseinkommensteuer erhoben«). Zu gleichem Zweck, sowie zur Gewähmng von Beihilfen zur Errichtung neuer Pfarrstellen haben die Kirchenkassen, deren etatsmäßige Solleinnahme die etatsmäßige Sollausgabe um mehr als ein Drittel der letzteren und wenig­ stens um dreihundert Mark jährlich übersteigt, von dem Zeitpunkte ab, mit welchem die auf Grund des § 14 des Kirchengesetzes vom 15. IM 1889 betr. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Geistlichen stattfindende Hebung aufhört, drei Jahre lang, und zwar 6 Monate nach dem Schluß jedes Rechnungsjahres, 10% des jährlichen Überschusses abzuführen. § 2. Diese Mittel werden durch den Evangelischen Ober-Kirchenrat nach Maßgabe eines von ihm unter Zuziehung des Generalsynodalvorstandes aufzu­ stellenden Regulativs verwaltet unb verwendet °) •). >) Vgl, Übers, S. 123. 2) In Hohenzollern eingeführt durch AE. 22. März 1899 KGVBl. S. 9. a) Wegen der Erhebung und Abführung vgl. S. 248 A. 38. *) Wegen Verstärkung der Mittel des Hilfsgeistlichensonds s. Art. II KGes. 24. April 1904 (S. 298). *) Nach den festgestellten, durch EOK. 9. März 1895 Nr. 1544 mitgeteilten Grundsätzen werden aus dem Hilfsgeistlichensonds, der den Charakter eines Unterstützungsfonds hat, zur Besoldung von Hilfsgei st lichen Mttel nur gewährt, wenn und insoweit die Kräfte der Nächstbeteiligten versagen, oder geeignete örtliche Mittel sowie synodale, provinzielle oder sonstige Fonds nicht vor­ handen sind. Das Bedürfnis der Anstellung von Hilfsgeistlichen wird nicht nur im ersten, sondern auch im wiederholten Bewilligungssalle genau geprüft. Die Ge­ währung von Beihilfen erfolgt stets nur auf die Dauer des Bedürfnisses, und in der

Hilfsgeistlichenfonds.

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§ 3. Der Evangelische Ober-Kirchenrat wird mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. Regel nicht über einer^Zeitraum von 3 Jahren hinaus. Der Fonds ist dazu bestimmt, vorübergehende, nicht aber auch dauernde Bedürfnisse nach Vermehrung der geist­ lichen Kräfte zu befriedigen. Er tritt mit seinen Mitteln nur soweit ein, daß den Hilssgeistlichen einschließlich der Wohnungsvergütung ein Jahreseinkommen gewähr­ leistet wird, das zunächst auf 1500 Mk. bestimmt war, allmählich aber auf 2100 Mk. erhöht ist, vgl. EOK. 22. Februar 1911 I. 614. Im Falle der Notwendigkeit, eine eigene Wirtschaft zu führen oder sonst bei besonderen Schwierigkeiten, ist eine be­ sondere Erhöhung des Zuschusses nicht ausgeschlossen, EOK. 6. Juli 1907 I. 3520. Kandidaten der Theologie, die ausnahmsweise schon vor der zweiten Prüfung mit der Verwaltung einer Hilfspredigerstelle beauftragt werden, kann ein Jahresein­ kommen von 1650 Mk. gewährt werden, EOK. 9. März 1912 III. 467 Die Bei­ hilfen aus dem Hilfsgeistlichenfonds sind in monatlichen Raten im voraus zu zahlen; im Falle des Todes kann von der Wiedereinziehung eines überhobenen Betrages von den Erben abgesehen werden, EOK. 29. Dez. 1908 I. 7074. — Die Anträge auf Weiterbewilligung bereits gewähtter Beihilfen sind anfangs März jedes Jahres durch Sammelbericht zu stellen, EOK. 3. März 1893 Nr. 1321 und der vorgenannte Erlaß 9. März 1895. Neue Anträge sollen nur im Laufe des April j. I. an den Evangelischen Ober-Kirchenrat gerichtet werden, sofern nicht in einzelnen besonders dringlichen Ausnahmefällen eine außerterminliche Berichterstattung geboten erscheint, EOK. 31. Dez. 1900 Nr. 1899; allgemein sann nach Ablauf der Berichtsfrist eine Neube­ willigung für das Jahr nicht erfolgen, EOK. 21. Mai 1907 Nr. 9491 II. Zur Be­ soldung von Provinzialvikaren werden bei etwaigem Bedürfnis Mittel gewähtt; dagegen, was besonders für die westlichen Provinzen in Frage kommt, zur Besoldung von Kreissynodalvikaren nur im Falle eines dringenden Gemeindebedürfnisses; Synodalvikare zur Unterstützung des Superintendenten in Ephoralgeschäften oder zur Vertretung von Pfarrern in Krankheitsfällen müssen die Kreissynoden aus eigenen Mitteln besolden, EOK. 21. April 1906 Nr. 1284 II (Richter, Rh.-W. Kirchenordnung S. 399 A. 4). — Wenn die in räumlich ausgedehnten Parochien zum Zwecke besserer geistlicher Versorgung der Parochianen unter Zuweisung bestimmt abgegrenzter Seel­ sorgebezirke eingerichteten Hilfspredigerstationen, bei welchen das Absehen von vorn­ herein auf die Sammlung und Zusammenfassung des kirchlichen Lebens zu neuen gemeindlichen Organisationen gerichtet ist, wegen Mangels junger Geistlicher zeit­ weise unbesetzt bleiben müssen, so können sie in derselben Weise wie erledigte ordent­ liche Pfarrstellen vikariett und dazu neben dem Pfarrgeistlichen, zu dessen Gemeinde der Seelsorgebezirk gehött, auch die Nachbargeistlichen und zu Lesegottesdiensten die Lehrer herangezogen und dafür nach gleichen Sätzen entschädigt werden, wie solche in der Provinz für Vettretungen während der Vakanz von Pfarrstellen üblich sind. Für Geistliche derselben Kirchengemeinde wird dabei aber eine geringere Entschädigung als für auswärtige Geistliche für angemessen erachtet, EOK. 10. Juni 19111.1816. Die Mittel hierfür können zwar aus dem landeskirchlichen Hilfsgeistlichenfonds nicht entnommen, aber gegen Ende des Etatsjahres (auch schon nach Ablauf der ersten Hälfte, EOK. 6. Nov. 1912 II2217) von dem Evangelischen Ober-Kirchenrate mittels spezieller Nachweisung des Konsistoriums erbeten werden, EOK. 4. August 1908 13284 II. Das ist aber nicht zulässig, wenn Geistlichen, ohne daß jene Voraussetzungen zutreffen, durch Zuteilung von Hilfspredigern eine Entlastung verschafft war, der sie eine Zeitlang wieder entraten müssen, EOK. 31. Juli 1812 II1065. Wegen Kassenund Rechnungsführung vgl. EOK. 24. Mai 1895 Nr. 3999. 6) Nach den durch EOK. 9. März 1895 Nr. 1544 mitgeteilten Grundsätzen dursten für den in § 1 Abs. 2 zweitgedachten Zweck der Errichtungneuer

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Buch II Abschn. II.

Die neueren Verfassungsgesetze.

Kircheugesetz betr. Errichtung eines HUfsfonds für landeskirchliche Zwecke. Vom 16. Aug. 1898 (KGVBl. S. 144)7). § 1. Zur Bildung eines Hllfsfonds für landeskirchliche Zwecke wird all­ jährlich eine Umlage') von einem Prozent") der von dm Mtgliedem der evangelischen Landeskirche in den älteren Landesteilen der Monarchie zu zahlenden Staatseinkommensteuer erhoben"). § 2. Dieser Hllfsfonds ist zu verwenden: 1. zur Gewährung einmaliger und fortlaufender Beihilfen behufs Dotierung neuer geistlicher Stellen"), 2. zur Gewährung einmaliger und fortlaufender Bechilfen behufs not­ wendiger Neu-, Erweitemngs- und Umbauten von Kirchen oder Pfarrhäusem, 3. zur Deckung von Ausgaben, welche zur Durchführung des Gesetzes vom 15. August 1898 betr. die Anstellungsfähigkeit und Vorbildung der Geist­ lichen^) seitens der Landeskirche zu bestreiten sind. § 3. Die zu den obigen Zwecken in einem Rechnungsjahre nicht veraus­ gabten Beträge können zur Gewährung allmählich zu tilgender Darlehne für die in § 2 zu 1 und 2 bezeichneten Einrichtungen an Gemeinden gegeben werden “). § 4. Beihilfen und allmählich zu tllgende Darlehne mit aufgeschobener oder unter den gängigen Zinsfuß herabgesetzter Zinsverpflichtung dürfen nur an solche Gemeinden gewährt werden, deren Bedürftigkeit nachgewiesen ist, und die bereits durch Umlage zur Bestreitung kirchlicher Bedürfnisse erheblich belastet sind. Pfarrstellen nur, soweit die Mittel für Hilsgeistliche nicht gebraucht, Beihilfen, und zwar einmalige Kapitalszuwendungen zur Dotation von Psarrstellen und Er­ bauung von Pfarrhäusern, die aber für die einzelnen Gemeinde den Betrag von 10000 Mk. regelmäßig nicht übersteigen sollten, gewährt werden. Die Überschuß­ abgabe der Kirchenkassen hat inzwischen aufgehört. Zur Dotierung von Pfarrstellen und für Psarrhansbanten sind anderweit Mittel bereitgestellt, s. KGes. 16. August 1898 § 2 Nr. 1 n. 2 (oben). ’) In Hohenzollern eingeführt durch AE. 22. März 1899 KGVBl. S. 9. ®) Wegen der Erhebung und Abführung vgl. S. 248 A. 38. ») Durch Art. II KGes. 10. Juli 1909 (S. 300) auf l1/*0/, erhöht. ") Wegen ErweiterungdesFondsfür andere Aufgaben der Landes­ kirche s. betreffs Großstadtnotstänhe Art. I KGes. 24. April 1904 (S. 297), betr. verdeutschen e v ang. Auslandspfle ge AE. 22. April 1907 (€>.299) und betr. der äußeren Lageder Geistlichen Art. I KGes. 10. Juli 1909 (S. 300). “) Vgl. Buch IV Abschn. III. “) Es handelt sich um das in § 6 desselben (in Buch IV Abschn. I) vorgesehene Lehrvikariat, vgl. Jnstr. dazu v. 1. Juli 1899II 2, für das der durch staatliche Mittel nicht gedeckte Betrag kirchlicherseits bereit zu stellen ist (vgl. KGVBl. 1897 S. 218). u) Wegen weiterer Verwendungszwecke s. Art. IIKGes.24.April 1904 (S. 298) und Art. III KGes. 10. Juli 1909 (S. 301).

Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke.

297.

§ 5. Die Verwaltung des Fonds erfolgt dmch den Evangelischen OberKirchenrat nach einem von demselben unter Beteiligung des Generalsynodalvorstandes festzustellenden Regulativ und dem in gleicher Weise jährlich fest­ zustellenden Etat. § 6. Der Evangelische Ober-Kirchenrat wird mit Ausführung des Gesehes beauftragt.

Kircheugesetz betr. die Berstärkuug des Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke. Vom 24. April 1904 (KGVBl. S. 15).

Artikel I. § 1. Zur Verstärkung der seelsorgerischen Kräfte in den Großstädten und Jndustriebezirken durch Bestellung von Geistlichen und anderweiten Helfem in besonders bedrohten Kirchengemeinden, sowie zur Fördemng von kirchlichen Veranstaltungen, welche Gemeinden, Geistliche und solche, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten, in die Kenntnis und das Verständnis der sozialen Aufgaben und des Anteils der Kirche an chrer Lösung einzuführen geeignet sind, wird vom 1. April 1904 ab der durch Kirchengesetz vom 16. August 1898 (KGVBl. 1898 S. 144) gebildete Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke um ein Viertel Prozent der von den Mitgliedern der evangelischen Landeskirche in den älteren Landesteilen der Monarchie zu zahlenden Staats-Einkommen­ steuer erhöht. § 2. Die Grundsätze über die Verwendung der dem Evangelischen OberKirchenrat int § 1 zur Verfügung gestellten Mttel werden durch den Evange­ lischen Ober-Kirchenrat in Gemeinschaft mit dem Generalsynodalvorstand festgestellt “)1S). Über die Verwendung selbst ist der Generalsynode bei ihrem jedesmaligen Zusammentritt Bericht zu erstatten. 14) Die festgestellten (GSV.. 1907 S. 413 mitgeteilten) Grundsätze lauten betr. der Verstärkung der seelsorgerischen Kräfte in den Groß st übten und Jndustriebezirken: 1. Bon der Gewährung von Beihilfen zur Errichtung ordentlicher Pfarrstellen ist mit Mcksicht auf die nicht genügende Leistungsfähigkeit des Fonds zurzeit abzu­ sehen, die Mittel des Fonds sind vielmehr, soweit verfügbar, zur Bestellung von Hilfsgeistlichen und Gemeindehelfern zu verwenden. 2. Als Ziel ist vornehmlich die Bereitstellung von Mitteln fürdieAnstellung von Gemeindehelfern im Auge zu behalten. Die Mittel für die Anstellung von Hilfsgeistlichen sind nur in besonders dringenden Fällen zu gewähren, insbesondere da, wo der Zweck der Verstärkung der seelsorgerischen Kräfte durch Bestellung von Gemeindehelfern nicht erreicht werden kann. 3. Die Bereitstellung der Mittel erfolgt in der Form von Beihilfen an die Kirchengemeinden, denen ihrerseits die Aufbringung der Gehaltsbezüge der Hllfsgeistlichen und Gemeindehelfer obliegt.

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Die neueren Verfassungsgesetze.

Artikel II. Die zu den Zwecken des Hilfsfonds unter § 2 des Kirchengesetzes vom 16. August 1898 nicht verausgabten Beträge dürfen außer zu den in den 4. Die Beihilfe beträgt im Höchstbetrage, bis zu 1800 Mk. für den Hilfsgeistlichen, bis zu 1500 Mk. für den Gemeindehelfer. Eine höhere Beihilfe kann nur ausnahms­ weise in besonders dringlichen Fällen gewährt werden. 5. Die Gewährung von Beihilfen für Gemeindehelser kann unter folgenden Voraussetzungen erfolgen: a) die Anstellung erfolgt seitens der Kirchengemeinde durch Vertrag, und zwar entweder mit dem Gemeindehelfer persönlich oder mit dem Verein bzw. der Anstalt der Inneren Mission (Stadtmission, Diakonen-, Brüderanstalt), welchem der Gemeindehelfer angehört; in letzterem Falle ist erforderlichenfalls in dem Vertrage auf eine fortdauernde Zugehörigkeit des Gemeindehelfers zur Brüder­ schaft angemessen Rücksicht zu nehmen; b) der Vertrag soll Festsetzungen über Gehalt und Kündigung des Gemeindehelfers enthalten, sowie, seine Verpflichtung, den Dienst in der Gemeinde nach den Weisungen des Pfarrers zu versehen, während der Umfang seiner Diensttätig­ keit im einzelnen einer von der Kirchengemeinde zu erlassenden Dienstanweisung vorzubehalten ist; c) bei der erstmaligen Anstellung unterliegt die Berufung der Genehmigung des Konsistoriums. Zur Ausführung dieser Grundsätze bestimmt EOK. 16. Januar 1905 Nr. 5384: Zu 5 a). Es darf angenommen werden, daß die bestehenden Anstalten und Vereine der Inneren Mission (Stadtmissionen, Diakonen-, Brüderhäuser) geeignete Kräfte darbieten werden. Geeignetenfalls wird das Königliche Konsistorium seine Vermittelung hierzu sich angelegen sein lassen. Mehrfach ist mit gutem Erfolg der Weg beschütten worden, geeignete Kräfte aus der Gemeinde heraus zu gewinnen, namentlich hat es sich bewährt, geleistete Persönlichkeiten, welche durch den Bezug einer Invalidenrente bereits in gewissem Umfange eine materiell gesicherte Stellung besitzen, anzustellen. Zu 5 b). Eine Anstellung auf längere Zeit erscheint zwar erwünscht, doch wird es sich regelmäßig empfehlen, außer einem beiderseitigen Kündigungsrecht zunächst eine Probezeit zu vereinbaren. In dem Vertrage ist ferner festzusetzen, daß der Gemeindehelfer den Dienst in der Gemeinde nach den Weisungen des Pfarrers zu versehen hat. Sind in der Gemeinde mehrere Pfarrer vorhanden, so wird die Stellung zu den einzelnen Pfarrern nach den örtlichen Verhältnissen zu regeln sein. Als besonders wichtige Aufgaben des Gemeindehelfers sind zu nennen die Ver­ pflichtung, den dem Worte Gottes und der Kirche Entfremdeten nachzugehen, durch Hausbesuche der seelsorgerischen Tätigkeit des Pfarrers den Weg zu bereiten, Arme und Unterstützungsbedürftige aufzusuchen, den sittlich Gefährdeten, Trinkern usw. nachzugehen, entlassenen Gefangenen zu ehrlichem Verdienste zu verhelfen, Unter­ lassungen von Taufen, Trauungen und sonstigen kirchlichen Handlungen entgegen­ zuwirken, säumige Konfirmanden aufzusuchen, der kirchlichen Waisenpflege zu dienen. Sodann wird ein weites Arbeitsgebiet für Gemeindehelfer sich eröffnen in der kirchlichen Jugendpflege, in Vereinen und Knabenhorten, in der Teilnahme am Unterricht im Kindergottesdienste, in der Verbreitung von Bibeln, Gesangbüchern und guten Schriften, auch in der Einsammlung von Kollekten, sowie in der Einziehung von Er­ kundigungen verschiedener Art, z. B. über die Verhältnisse in gemischten Ehen. Ob die Abhaltung von Bibel- und Bibelbesprechungs- oder Gebetsstunden dem Gemeinde-. Helfer zu übertragen sein wird, wird nach sorgfältiger Prüfung von den besonderen

Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke..

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§§ 3 und 4 desselben Gesetzes") genannten Zwecken auch zur Verstärkung der Mittel des Hilfsgeistlichenfonds, zur Gewährung von Stipendien an Lehr­ vikare und Stipendiaten der Predigerseminare und zur Aufbringung der von der evangelischen Landeskirche anteilig zu tragenden Kosten des Instituts für Mertumswissenschaft im heiligen Lande verwandt werden.

Allerhöchster Erlaß betr. die Verstärkung des Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke. Vom 22. April 1907 (KGVBl. S. 1). Bormerk. Der Erlaß ist eine Notverordnung, nachttäglich genehmigt durch die Generalshnode von 1907, s. EOK. 14. Januar 1908 KGVBl. S. 36. — Wegen der Gründe für den Erlaß vgl. den in den kirchl. Amtsblättern (für Pommern KABl. 1907 S. 67) veröffentlichten Erl. des EOK. v. 30. April 1907.

Zur Erfüllung der Aufgaben, welche der Landeskirche in bezug auf die Verhältnissen der Gemeinde und vornehmlich von der Eignung des Gemeindehelfers hierfür abhängen. ^ Die vorstehende Übersicht über die Tätigkeit des Gemeindehelfers soll weder in allen Einzelheiten bindend noch erschöpfend sein. So wird z. B. auch die Ausübung der Krankenpflege hier und da noch in Betracht kommen. Das für jede Gemeinde Erforderliche wird in der Dienstanweisung zusammenzufassen sein. Es ist Gewicht darauf zu legen, daß der Pfarrer den Gemeindekirchenrat (das Presbyterium) über Tätigkeit und Arbeit des Gemeindehelfers dauernd auf dem Laufenden erhält und ihm zu diesem Zwecke hierüber je nach Bedürfnis oder nach gewissen Zeiträumen Mitteilung macht. Die Konsistorien sind bis auf weiteres ermächtigt, bis zur Höhe der ihnen be­ willigten Jahresgesamtsumme unter genauer Beachtung vorstehender Bestimmung selbständig zu verfügen. Die bewilligten Beihilfen sind durch die zuständigen Re­ gierungshauptkassen für Rechnung der Generalstaatskasse aus dem „Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke (landeskirchlicher Hilfsfonds für Großstädte und Industriegemeinden)" zahlbar zu machen. Eine Übersicht über die bewilligten und die Höhe der wirklich verausgabten Beihilfen — nach Regierungsbezirken getrennt — ist für jedes Etatsjahr bis zum 10. April dem Evangelischen Ober-Kirchenrat vorzulegen, EOK. 12. März 1906 Nr. 844. 15) Die festgestellten Grundsätze (GSV. 1907 S. 413) weisenb etr. Ver Wendung für soziale Aufgaben aus dem hierfür zu reservierenden Fondsbettage, für den sich der Evangelische Ober-Kirchenrat die Bestimmung vor­ behalten hat (EOK. 16. Januar 1905 Nr. 5483), auf den Studienbetrieb bei den Predigerseminaren und die Jnstruktionskurse für die inneren Missionen. Im Auge wird zu behalten sein, daß die Kenntnis und das Verständnis der sozialen Aufgaben und des Anteils der Kirche an ihrer Lösung bei Gemeinden, Geistlichen und Helfern durch die Schaffung besonderer Veranstaltungen (Kurse usw.) und vor allem dadurch zu fördern ist, daß aus ihnen geeigneten Persönlichkeiten die Gelegenheit zur ein­ gehendsten Kenntnisnahme hervorragender Einrichtungen und Veranstaltungen auf dem Gebiete äußerer und innerer sozialer Wohlfahttspflege und der Beteiligung der Kirche an denselben gegeben wird. Auch bei denjenigen, welche sich zum geistlichen Amt vorbereiten, insbesondere in Predigerseminaren, wird auf eine fruchtbringende Verbindung theoretischer Einführung und praktischer Anschauung tunlichst Bedacht zu nehmen sein. 16) Siehe S. 296.

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Die neueren Verfassungsgesetze.

kirchliche Versorgung der evangelischen Deutschen außerhalb Deutschlands obliegen"), wird der durch Kirchengesetz vom 16. August 1898 (KGBBl. S. 144) gebildete Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke vom 1. April 1909 ab um jährlich ein Mertel Prozent der von den Mtgliedem der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen zu zahlenden Staatseinkommensteuer erhöht. Kirchengesetz Bete. die weitere Verstärkung des Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke. Vom 10. Juli 1909 (KGVBl. S. 75). Bormerk.

Vgl. Buch IV Abschn. III Übers. Nr. 4.

Artikel I. Zwecks Leistung der von der Landeskirche gemäß gesetzlicher Verpflichtung zu entrichtenden Beiträge an die Mterszulagekasse, die Ruhegehaltskasse und den Pfarrwitwen- und Waisenfonds der im Gebiete der Preußischen Monar­ chie vorhandenen evangelischen Landeskirchen"), soweit dazu nicht sonstige landeskirchliche Mittel zur Verfügung stehen, wird von den Mtgliedem der evangelischen Landeskirche in den älteren Teilen der Monarchie zum Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke alljährlich eine Umlage") von fünf Prozent der von ihnen zu zahlenden Staatseinkommensteuer erhoben. Der Evangelische Ober-Kirchenrat ist ermächttgt, nach Maßgabe des Bedürsnisses über eine etwa zulässige zeitwellige Ermäßigung oder erforderliche zeitweüige Erhöhung der Umlage, wobei auf Abrundung des Prozentsatzes nach ganzen Biertellen Bedacht zu nehmen ist, zu beschließen. Der Evangelische Ober-Kirchenrat beschließt femer in Gemeinschaft mit dem Generalsynodalvorstand über die Grundsätze für die Verrechnung unb Verwendung von etwa unverwendet bleibenden Überschüssen der Umlage. Artikel II. Die nach § 1 des Kirchengesetzes, betreffend Errichtung eines Hüfsfonds für landeskirchliche Zwecke, vom 16. August 1898 (KG.- u. BBl. S. 144) -°) alljährlich zu erhebende Umlage von einem Prozent der von den Mtgliedem der evangelischen Landeskirche in den älteren Landestellen der Monarchie ”) Vgl. KGes. 7. Mai 1900 (S. 84), insbes. S. 83 81. 4 und 84, A. 11. ") Vgl. § 17 Abs. 2 PsbG., § 10 SRO. u. § 4 MFG. nebst Sinnt, dazu, auch zu Att. 3 StGes. 26. Mai 1905 (sämtlich in Buch IV Abschn. III). Es werden erhoben 2% für die Merszulagekasse, 2lA% für die Ruhegehaltslasse und */«% für den Pfarrwitwen- und Waisenfonds. Diese kommen auf die gesetzliche Höchstgrenze in Att. 16 Ges. 3. Juni 1876 (S. 263) nicht in Anrechnung, vgl. Att. 5 StGes. 26. Mai 1909. ") Wegen der Erhebung und Abführung vgl. S. 248 21 38. ") s. S. 296.

Hilfsfonds für landeskirchliche Zwecke.

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zu zahlenden Staatseinkommensteuer wird auf ein und ein halbes Prozent erhöht “). Artikel IIL Die zu den Zwecken des Hilfsfonds unter § 2 des Kirchengesetzes vom 16. August 189820) nicht verausgabten Beträge dürfen auch für Beihilfen zu Umzugskosten gemäß dem Kirchengesetz betreffend die Umzugskosten der Geistlichen, vom 10. Juli 1909 **) verwendet werden. Artikel IV. Der Zeitpunkt, mit welchem dieses Kirchengesetz in Kraft tritt, wird durch Königliche Verordnung bestimmt"). n) Für den Psarrneugründungssonds, vgl. § 17 Abs. 1 PsbG. u. § 11 AKS. nebst Sinnt, dazu, auch zu Art. 8 StGes. 26. Mai 1909. Die in A. 18 bemerkte Nichtan­ rechnung greift hier nicht Platz.

") s. S. 296. ") Das Kirchengesetz ist durch AB. v. 10. Juli 1909 KGBBl. S. 76 mit dem 1. April 1908 in Kraft gesetzt.

E. Amtliche Ausgabe der Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz vom 5. März 1835, festgesetzt auf Grund des Kirchengesetzes vom 5. Januar 1908. (KGVBl. 1908 S. 41.) Bormert. Vgl. Übers. S. 98 u. 100. — Nachdem die Ordnung im Laufe der Zeit eine Reihe von Änderungen und Zusätzen erfahren, ist sie als amtliche Ausgabe n e u f e st g e s e tz t auf Grund des genannten KGes. v. 5. Jan. 1908 KGVBl. S. 1, das laut AB. 6. Jan. 1908 KGVBl. S. 35 am 1. April 1908 in Kraft getreten ist. Die Ordnung ist ferner, was die Bekundung der Willenserklärungen der Pres­ byterien anlangt, ergänzt durch KGes. v. 8. Juni 1891 (S. 307) und hinsichtlich der vermögensrechtlichen Vertretung der Kreis- und Provinzialgemeinden durch KGes. v. 16. Juni 1895 (S. 291) nebst den zugehörigen Staatsgesetzen. Die Kirchenordnung ist neuerdings eingehend bearbeitet insbesondere vom westfälischen Standpunkt durch den Kommentar von Richter und von einem rheinischen Bearbeiter in dem systematischen Werke von Lüttgert, Evangelisches Kirchenrecht für Rheinland-Westfalen. Eingeführt ist die Ordnung durch AKO. v. 5. März 1835 (Kamptz Bd. 19 S. 104), welche besagt: Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen tun kund und fügen hiermit zu wissen, daß, da sich das Bedürfnis herausgestellt hat, die evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz durch eine gemeinschaftliche Kirchenordnung untereinander zu verbinden, Wir mit Berücksichtigung der verschiedenen dort bisher geltenden Kirchenordnungen und der eingeholten Gutachten und Anträge der dortigen Synoden die nachfolgende Kirchenordnung für alle Gemeinden beider evangelischer Konfessionen in den dortigen Provinzen haben abfassen lassen. Wir erteilen derselben mit Auf­ hebung aller entgegengesetzten früheren Bestimmungen hierdurch Gesetzeskraft und befehlen, daß dieselbe durch die Amtsblätter der Regierungen in den beiden Provinzen bekannt gemacht werde.

Einleitung: Bon dem Bekenntnisstande der evangelischen Landeskirche in Westfalen und der Rheinprovinz. § I. Die evangelische Kirche Westfalens und der Rheinprovinz gründet sich auf die heilige Schrift Men und Neuen Testaments, als die alleinige und vollkommene Richtschnur ihres Glaubens, ihrer Lehre und ihres Lebens und erkennt die fortdauemde Geltung ihrer Bekenntnisse an.

Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung.

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§ II. Diese in Geltung stehenden Bekenntnisse sind, außer den alten, allgemeinen der ganzen Christenheit, lutherischerseits: die Augsburgische Konfession, die Apologie der Augsburgischen Konfession, die Schmalkaldischen Artikel und der kleine und große Katechismus Luthers; reformierterseits: der Heidelberger Katechismus. Da, wo lutherischerseits die Konkordienformel oder reformierterseits die Augsburgische Konfession kirchenordnungsmäßig besteht, bleiben auch diese in Geltung. Die unierten Gemeinden bekennen sich teils zu dem Gemeinsamen der beiderseitigen Bekenntnisse, teils folgen sie für sich dem lutherischen oder reformierten Bekenntnisse, sehen aber in den Unterscheidungslehren kein Hindernis der vollständigen Gemeinschaft am Gottesdienst, an den heüigen Sakramenten und den kirchlichen Gemeinde­ rechten. § III. Unbeschadet dieses verschiedenen Bekenntnisstandes Pflegen sämt­ liche evangelische Gemeinden, als Glieder einer evangelischen Kirche, Gemein­ schaft in Verkündigung des götüichen Wortes und in der Feier der Sakramente und stehen mit gleicher Berechtigung in einem Kreis- und Provinzialsynodalverbande und unter derselben höheren kirchlichen Verwaltung *). Erster Abschnitt: Von den Kirchengemeinden, Presbyterien nnd den größeren Gemeindevertretungen. § 1. Die örtliche Begrenzung jeder evangelischen Kirchengemeinde wird durch Herkommen oder urkundlich bestimmt2). § 2. Für jeden evangelischen Glaubensgenossen wird die Einpfarrung i durch Wohnsitz in der Kirchengemeinde begründet'). Mitglied der Gemeinde ist jedoch nur derjenige Eingepfarrte, der in die 2 Gemeinde aufgenommen ist. Diese Aufnahme erfolgt durch die Konfirmation und für den neu Zuziehenden dadurch, daß er vor dem Pfarrer oder auf dem Gemeindeamts durch ein Kirchenzeugnis oder durch eine glaubhafte Erklärung seine Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche ausweist. Wo an einem Orte Kirchengemeinden verschiedenen evangelischen Be- 3 kenntnisses bestehen, soll der neu Zuziehende innerhalb dreier Monate nach seinem Zuzuge erklären, welcher Kirchengemeinde er angehören will, es sei denn, daß seine Angehörigkeit zu einer bestimmten Kirchengemeinde schon vorher durch eine darin empfangene pfarramtliche Handlung festgestellt ist4). Keinem Eingepfarrten ist es gestattet, ohne daß er den Wohnsitz in der 4 Kirchengemeinde aufgibt, eine andere Kirchengemeinde zu wählen. Die Bestimmungen dieses Paragraphen finden keine Anwendung auf 5 Mitglieder der Militärgemeinden, für welche die hierüber bestehenden beson­ deren Vorschriften gelten. *) -) -) ‘)

Vgl. wegen der Union S. 5. s. Übers. S. 115 u. §§ 237 ff. ALR. II11 (S. 125). s. S. 116 u. 119 u. §§ 26 be­ schließt, ist dem Kandidaten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. 13. Die Bestimmungen der §§ 14—16 des Kirchengesetzes über Alufsicht und Leitung der Kandidaten finden auf dieselben so lange Anwendumg, bis entweder durch die erfolgte erste feste Anstellung im geistlichen Amte oider durch die Ordination für einen Hilfsdienst im geistlichen Amt an ihre Stcelle die Bestimmungen des Kirchengesetzes, betreffend die Dienstvergehen Iber Kirchenbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in den Ruhestoand vom 16. Juli 1886 (KGVBl. S. 81) getreten sind12). Kandidaten aus einer nicht zur Landeskirche der älteren Provinzen ge­ hörigen preußischen Provinz oder aus einem anderen deutschen Staate, wellche im Gebiete der Landeskirche sich niederlassen, können auf Ersuchen ihrer Kirchenbehörde der Aufsicht und Leitung des Superintendenten, in desssen Diözese sie wohnen, überwiesen werden. Sie haben sich alsdann unter Worlegung ihrer Zeugnisse persönlich bei demselben zu melden. Wollen sie geistliche Amtshandlungen in den Grenzen der durch -das Kirchengesetz den Kandidaten gewährten Befugnis ausüben, so haben sie die Erlaubnis durch den Superintendenten bei dem Konsistorium nachzusuchen und gegebenenfalles die für den Gottesdienst und die Amtshandlungen in der Landeskirche geltende Ordnung zu befolgen. 14. Vorstehende Bestimmungen über die Aufsicht und Leitung der Kan­ didaten treten an die Stelle der früher für die einzelnen Provinzen erlassemen Kandidatenordnungen. Falls ein Konsistorium auf Festhaltung einzelner in der Kandidaltenordnung der Provinz befindlichen, hier nicht aufgenommenen Anordnungen in Rücksicht auf Recht und Herkommen der Provinz Wert legt, kann der Evan­ gelische Ober-Kirchenrat, soweit die Bestimmung, deren Aufiechterhallung be­ antragt wird, nicht mit der vorstehenden Instruktion in Widerspruch steht, in Gemeinschaft mit dem Generalsynodalvorstand das Fortbestehen ihrer Geltung für die betreffende Provinz genehmigen.

Ordnung für den Besuch der Schullehrerseminare seitens der Kandi­ daten des evangelischen Predigtamts. Bormerk. Die Ordnung ist durch E O K. 15. April 1889 (KGVBl. (3.24) im Einverständnisse mit dem Mnister dgA. erlassen. Vgl. § 8 Anstellungsfähigkeitsgesetz v. 15. August 1898 (S. 446) und Jnstr. dazu 1. Juli 1899 IB 5b (S. 457) u. IH 10 en Superintendenten im Beistände des Assessors und des Skriba und der­ jenigen Pfarrer der Kreissynode, die auf die Einladung des Superintendenten erschienen sind. Sämtliche Pfarrer der Kreissynode sind zu der Feier ein­ zuladen. Nach einer kurzen Rede des Superintendenten wird der Einzuführende nach Vorschrift der Agende unter Ablegung seines Gelübdes verpflichtet und erhält demnächst unter Auflegung der Hände der anwesenden Geistlichen die Weihe zu seinem Amte unter Segenswunsch und Gebet, alles nach Vorschrift der Agende. Unmittelbar nach der Ordination hält der Ordinierte seine An­ trittspredigt. § 63. Ist der Berufene schon ordiniert, so findet durch den Superinten­ denten nur die Einführung statt. Hierauf hält der eingeführte Geistliche seine Antrittspredigt. § 64. Über die Ordination, Vereidigung und Einführung hat der Super­ intendent Bericht durch den Generalsuperintendenten an das Konsistorium zu erstatten. § 64 a. Die für Wiederbesetzung erledigter Pfarrstellen gegebenen gesetzlichen Bestimmungen kommen auch bei den lebenslänglich angestellten ordi­ nierten Hilfsgeistlichen in Anwendung. I Bei der Anstellung von Kandidaten auf unbestimmte Zeit, deren Besoldung allein von der Gemeinde aufgebracht wird, genügt es, daß der Super­ intendent mit der Gemeindevertretung ein Wahlprotokoll abfaßt und zur Bestätigung vorlegt. Bei Annähme von Gehilfen, die der Pfarrer selbst besoldet, genügt die Zustimmung des Presbyteriums und des Super­ intendenten. § 65. Soweit nicht die allgemeinen landeskirchlichen Vorschriften andere Bestimmungen treffen, verbleibt es bei den nachfolgenden Bestimmungen: 1. Die Witwe oder die noch unversorgten Kinder des Pfarrers, welche bis zu dessen Ableben in seiner väterlichen Gewalt gestanden oder, auch wenn sie schon großjährig waren, von ihm unterhalten wurden, bleiben, von seinem Todestage an gerechnet, noch ein Jahr und sechs Wochen in dem vollen Genusse des Pfarrhauses und aller Pfarreinkünfte. 2. Nur die Gattin, die mit dem Pfarrer verheiratet war, während er noch im Amte stand, nicht aber die, welche er als Emeritus geheiratet hat, so auch nur die eheleiblichen Kinder des verstorbenen Pfarrers, die zur Zeit seines Todes oder seiner Emeritiemng bereits vorhanden waren, können auf den Genuß des Ruhegehaltes während des Gnadenjahres Anspruch machen. 3. Wenn die Gemeinde vor Ablauf des Nachjahres einen neuen Pfarrer zu haben wünscht, so muß sie sich mit der Witwe oder den Waisen ab-

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Buch IV Abschn. I u. II. finden. Die Abfindung des früher eintretenden Nachfolgers mit der Mtwe und den Waisen des Vorgängers kann, unbeschadet der Ansprüche der letzteren auf das gesetzliche Nachfahr, dahin erfolgen, daß sie es sich müssen gefallen lassen, sechs Monate und sechs Wochen im Besitze der EinMnfte zu bleiben und dann ein Jahr lang die Einkünfte einschließlich der Wohnung oder Mete mit dem neuen Pfarrer zu teilen.

Zweiter Abschnitt.

Gtandespflichten und Rechte der Geistlichen. Übersicht. 1. Wie schon S. 405 dargelegt, lehnt die evangelische Kirche einen geistlichen Stand im kacholischen Sinne ab, kennt einen solchen allein in der Bedeutung, wie auch von anderen Berufsständen die Rede ist. Rechte und Pflichten des geistlichen Standes sind solche, die aus der Übertragung des geistlichen Amtes folgen. Freilich nennt das Kirchenrecht auch abgesehen vom Amte Rechte des geistlichen Standes. Es hängt dies mit der S. 416 bereits erwähnten Ordination zusammen. Dieser wird allerdings nicht, wie in der katholischen Kirche sakramentale Bedeutung und die Wirkung übernatürlicher, unauslöschlicher Befähigung beigelegt; vielmehr ist sie nach evangelischer Auffassung nur die öffentliche und feierliche Bezeugung von der Tüchtigkeit des angehenden Geistlichen für das Amt und seine Segnung für dasselbe1). Nach der kirchenrechtlichen Praxis und neuerm Gesetzgebung wird die durch die Ordination erworbene Fähigkeit zur gültigen Vomahme aller geistlichen Amtshandlungen2)3auch für die nicht oder nicht mehr in einem bestimmten Amte befindlichen Geistlichen anerkannt2), dergestalt, daß der Ordinierte in Vertretung des geistlichen Amtes eine ihm von zuständiger Seite überlassene Verrichtung desselbm wahrnehmen darf. Diese Rechte des geistlichen Standes bleibm erhalten bis zu einem etwaigen freiwilligen Verzichte oder ihrer Ent­ ziehung, die nach der evangelischen Bedeutung der Ordination jedenfalls zu­ lässig erscheint. Da die Ordination ein Zeugnis der Gesamtkirche über die Verwendbarkeit innerhalb der Gesamtkirche ist, so ist diese zur Zurücknahme 1) Wegen der ursprünglichen Bedeutung und geschichtlichen Entwicklung der Ordination in der evangelischen Kirche vgl. Schön II S. 107 ff. und wegen des heu­ tigen Charakters S. 109 f. -) § 63 ALR. I111 u. 19.März 1856 (Wests.), §§ 16 Nr. 3, 29 Nr. 3 Städteord. 15. Mai 1856 (Rheinl.); § 53 Nr. 5 Landgemeindeordnung 23. Juli 1891 (östl. Prov.), §§ 30 Nr. 5, 39 Nr. 2 Ord. 19. März 1856 (Wests.), § 51 Nr. 3 Ord. 23. Juli 1845 (Rheinl.); § 131 bzw. § 76 der Kreisordnung für die östlichen Provinzen bzw. für Westfalen und für Rhein­ land. — Die Übernahme des Schiedsmannsamtes setzt Genehmigung des Konsistoriums voraus, welche nur zu erteilen ist, wenn weder der Geistliche selbst eine Beeinträchtigung seiner Amtswirksamkeit besorgt, noch auch sonstige objektive Momente solche voraussehen lassen, § 2 Schiedsmannsordnung 29. März 1879 GS. S. 321, EOK. 18. Okt. 1879 KGVBl. S. 235. - Was die Führung einer Vormund­ schaft anlangt, so bestimmt § 1784 BGB., daß ein Beamter oder Religionsdiener, der nach den Landesgesetzen einer besonderen Erlaubnis zur Übernahme einer Vor­ mundschaft bedarf, nicht ohne diese zum Vormunde bestellt werden soll. Bei Ver­ sagung oder Zurücknahme der Erlaubnis ist der bestellte Vormund vom Vormundschaftsgerichte zu entlassen (§ 1888). Das Gleiche gilt von Gegenvormundschaft, Pflegschaft und Beistand (§§ 1792 Schlußabs., 1915, 1694, auch 1897 - Vormund­ schaft über Volljährige —). Für Familienratsmitgliedschaft besteht die Beschränkung nicht. In Ausführung jener reichsgesetzlichen Vorschrift bestimmt für Preußen Art. 72 AGBGB.: „Wer ein Staatsamt oder ein besoldetes Amt in der Kommunal- oder Kirchenverwaltung belleidet, bedarf zur Übernahme einer Vormundschaft oder zur Fortführung einer vor dem Eintritt in das Amt übernommenen Vormundschaft der Erlaubnis der zunächst vorgesetzten Behörde. Das Gleiche gilt für die Übernahme oder die Fortführung des Amtes eines Gegenvormundes, Pflegers oder Beistandes. Die Erlaubnis kann zurückgenommen werden." Ein besoldetes Amt der Kirchen­ verwaltung belleiden insbesondere Geistliche, nichtgeistliche Kirchenbeamte der evan­ gelischen Landeskirche. Die Genehmigung wird in den östlichen Provinzen vom Superintendenten, für diesen vom Konsistorium erteilt, EOK. 22. Juli 1869 Nr. 3161 und IM. 23. Sept. u. 14. Nov. 1871 JMBl. S. 227 u. 260, in Rheinland-Westfalen allgemein vom Konsistorium (Richter RH.-W.Kirchenord. S. 206). Der Geistliche hat die Erlaubnis zur Übernahme oder Fortführung nachzusuchen und dem Vormundschaftsgericht vorzulegen. Sie wird in urkundlicher Form (mit Dienstsiegel) erteilt und ist stempelfrei (vgl. Stempelsteuergesetz Tarif Nr. 15). Der Umstand, daß die Genehmigung noch nicht erteilt, berechtigt übrigens den Geistlichen nicht zur Ab­ lehnung, führt vielmehr nur zur Entlassung, sobald feststeht, daß die Genehmigung nicht zu erlangen ist, KG. 8 März 1880 Bd. 1 S. 35. — Die Übernahme des Amtes als W a i s e n r a t ist allgemein genehmigt, EOK. 14. März 1876 KGVBl. S. 119.

§§ 98 u. 99 ALR. II 11.

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§ 99. Nach diesen Gesetzen behalten sowohl alle protestantischen, als die katholischen Weltgeistlichen, die freie Disposition über ihr Vermögen. c) Von der Militärdien st Pflicht sind die evangelischen Geistlichen nicht befreit (anders die katholischen, vgl. RGes. 8. Febr. 1890 RGBl. S. 23). Die Wehr­ pflicht bestimmt sich durch RGes. v. 9. Nov. 1867 BGBl. S. 131 und Reichsmilitär­ gesetz v. 2. Mai 1874 RGBl. S. 45 nebst Novellen insbes. v. 6. Mai 1880 das. S. 103, 11. Febr. 1888 das. S. 11 und 15. April 1905 das. S. 249, ferner die zur Ausführung erlassene Wehrordnung v. 22. Juli 1901 (ZBl. des Deutschen Reichs Beil, zu Nr. 32) und die zu ihrer militärischen Ergänzung dienende Heerordnung v. 22. Nov. 1888 nebst Ergänzungen. Danach heute Gestellungspflicht wie bei allen übrigen zum Einjährig.-Freiwilligen-Dienst Berechtigten (spätestens bis zum 1. Okt. des Jahres, in dem das 23. Lebensjahr vollendet wird; Zurückstellung bis zum 1. Okt. des 26., ganz ausnahmsweise des 28. Lebensjahres möglich). Für die Dienstpflicht aber bestehen folgende Vergünstigungen: 1. Personen des Beurlaubten st andes (Reserve und Landwehr) und Landsturmpslichtige, die ein geistliches Amt in einer mit Korporationsrechten innerhalb des Reichsgebiets bestehenden Religionsgesellschaft bekleiden, werden zum Dienst mit der Waffe; der Ersatzreserve überwiesene Personen, die auf Grund der Ordination dem geist­ lichen Stande angehören, zu Übungen nicht herangezogen. §65RMilGes.1874, Art.8 I § 3 RGes. 6. Mai 1880, Art. II § 13 Abs. 6 RGes. 11. Febr. 1888, §§ 103 Nr. 7 Abs. 4, 117 Nr. 4, 118 Nr. 5 u. 120 Nr. 5 WO. Dienstpflichtige Geistliche, die vom Waffen­ dienst zu befreien sind, werden im Mobilmachungsfall in der Militärseelsorge oder in der Krankenpflege verwendet. In der Militärseelsorge sind zu verwenden: a) Geist­ liche, die Offiziere des Beürlaubtenstandes sind; ihre Verabschiedung ist zu diesem Zweck Allerhöchsten Ortes nachzusuchen; b) Geistliche, die die Befähigung zum Reserve­ offizier (§ 20 Nr. 5 d oder § 46 Nr. 7 du. Nr.8 b) besitzen; sie verbleiben im Beurlaubten­ stande ihrer Waffe. Die übrigen Geistlichen werden zum Sanitätspersonal über­ geführt und in der Krankenpflege verwendet. Sie dürfen jedoch auch in der Militär­ seelsorge verwendet werden, sofern der Bedarf hierfür aus den unter a und b Ge­ nannten nicht gedeckt werden kann. Etwaige Anforderungen sind von dem evange­ lischen Feldpropst der Armee an die Generalkommandos zu richten. Scheiden die unter a und b bezeichneten Personen aus dem geistlichen Amte aus, so ist, sofern sie noch dienstpflichtig sind, vom Bezirkskommando ihre Wiederverwendung im Beur­ laubtenstande zum Menst mit der Waffe herbeizuführen; HO. § 36 Nr. 11 (Kriegsmin. Erl. 2. Juni 1909 Nr. 1547/5 A1). Sind danach nur noch diejenigen ordinierten Geistlichen zum Sanitätspersonal überzuführen, welche die Befähigung zum Reserve­ offizier nicht besitzen, so ist diese Befähigung auch für diejenigen Reserveoffiziers­ aspiranten (§ 20 Nr. 5 d) anzuerkennen, denen durch vorherigen Eintritt der Ordination, deren Zeitpunkt zu bestimmen nicht in ihrem Belieben steht, die Möglichkeit genommen ist, die Übungen A u. B abzuleisten (§ 46 Nr. 7 d und 8 b); andererseits sind letztere erforderlich, wenn ihnen bis zur Ordination die Zeit dazu bleibt, vgl. EOK. 20. Dez. 1911 I 3008. Ausdrücklich aufrecht erhalten sind durch § 36 Nr. 11 HO. die Bestim­ mungen wegen der freiwilligen Lazarettkurse. Behufs nutzbringender Gestaltung des Sanitätsdienstes für die Krankenpflege im Kriege finden auf Anordnung des Kriegsministeriums v. 13. Dez. 1888 u. 25. Juni 1889 alljährlich in den größeren Garnisonlazaretten Übungen von vierwöchiger Dauer statt, an denen die zum Sanitäts­ dienst übergeführten und abkömmlichen Geistlichen teilnehmen können. Diese dürfen dabei Zivillleidung (Abzeichen: weiße Armbinde mit rotem Kreuz), nicht aber Dienstanzug der Militärgeistlichen tragen und erhalten Gebührnisse ihrer Charge sowie Be­ kleidungsentschädigung. Zweck der Übungen ist es, daß diejenigen, welche in einer am Schlüsse derselben abzuhaltenden Prüfung die Befähigung zum Lazarettgehilfen

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Buch IV Abschn. II.

Pflichten und Rechte der Geistlichen.

§ 100. Auch dasjenige, was sie aus den Einkünften ihres geistlichen Amtes erworben haben, gehört zu ihrem freien Eigentum. nachgewiesen haben, im Mobilmachungsfall zu überetatsmäßigen Lazarettgehilfen ernannt werden und bei den Reservelazaretten im Bedarfsfälle als solche Verwendung finden, während diejenigen abkömmlichen Geistlichen, welche sich einer solchen Übung nicht unterziehen, bei einer Mobilmachung im Bedarfsfälle als Krankenwärter in Dienst gestellt werden. Ferner soll die Zahl der für den Mobilmachungsfall erforder­ lichen Feld-, Divisions- und Lazarettpfarrer tunlichst aus den Reihen derjenigen Zivil­ pfarrer ergänzt werden, welche sich der gedachten Übung mit Erfolg unterzogen haben, Feldpropstei v. 2. Jan. u. 12. März 1889 Nr. 1068 u. 369 und EOK. 16. Jan. 1889 Nr. 39 u. 27. Dez. 1893 Nr. 10014. Auch auf den Nutzen für die psarramtliche Tätigfeit, den die Teilnahme bringt, ist hinzuweisen. Die freiwilligen Lazarettkurse der dienstpflichtigen Theologen können nicht nur nach erfolgter Ordination, sondern auch bereits in der Zeit zwischen der zweiten Prüfung und der Ordination abgeleistet wer­ den, jedoch mit der Maßgabe, daß die Teilnahme vor erfolgter Ordination nicht von der Ableistung der Pflichtübungen in der Reserve und Landwehr I. Aufgebots ent­ bindet, EOK. 31. Oft. 1906 Nr. 4774. Auskunft und Meldung durch bzw. bei Bezirks­ kommando 2. Die der Reserve, Landwehr, Ersatzreserve oder dem Landsturm angehörigen Geistlichen dürfen für den Fall einer Mobilmachung und notwendigen Verstärkung des Heeres bzw. Aufrufs des Landsturms hinter die letzte Jahresllasse der Landwehr zweiten Aufgebots bzw. des Landsturms zurückgestellt werden, wenn ihre Stellen selbst vorübergehend nicht offen gelassen werden können und eine geeignete Ver­ tretung nicht zu ermöglichen ist (Unabkömmlichkeit), § 65 RMilGes. 1874, Art. II, § 29 RGes. 11. Febr. 1888, §§ 103 Nr. 10,118 Nr. 5 u. 4,120 Nr. 5,125 und wegen des Verfahrens § 126 WO. Für unabkömmlich können erllärt werden einzel­ stehende Geistliche und im Falle unabweisbaren Bedürfnisses, so namentlich wenn die mehreren Geistlichen einer Gemeinde alle im Militärverhaltmsse stehen, auch nicht einzelnstehende. Die Unabkömmlichkeitsbescheinigung wird betr. der ersteren vom Oberpräsidenten, betr. der letzteren vom Minister dgA. ausgestellt. Die Konsistorien haben zu diesem Behuf die erforderlichen schematischen Nachweisungen alljährlich in den bestimmten Terminen einzureichen, beim Minister bis 1. Jan. bzw. (Nachtrags­ listen) bis 1. Aug., für unausgebildete Landsturmpflichtige nur einmal, und zwar zum 1. Jan., Erl. 4. Oft. 1876 ZBl. S. 574, 17. April u. 19. Juli 1889 das. S. 476 bzw. 624 und 4. Mai 1906 G. 1362 (EOK. 25. Mai 1906 Nr. 2577). Das für Herbeiführung der Unabkömmlichkeitsbescheinigung erforderliche Material wird den Konsistorien von den Superintendenten durch Einreichung der Unabkömmlichkeitslisten nach Maßgabe der in den einzelnen Konsistorial-Amtsblättern veröffentlichten Bestimmungen be­ schafft. Die Unabkömmlichkeitsbescheinigungen werden bezüglich der ausgebildeten Geistlichen durch Vermittlung des Generalkommandos den zuständigen Bezirks­ kommandos zur Aufbewahrung übersandt, nicht ausgebildeten aber selbst zugestellt, von denen sie eventl. im Landsturmmusterungstermin vorzulegen sind. Die Be­ scheinigungen behalten Gültigkeit, solange die Inhaber in ihren Dienststellen und unabkömmlich bleiben. Jede Veränderung in der dienstlichen Stellung erfordert, sofern die Unabkömmlichkeit wieder anerkannt werden soll, die Ausstellung einer neuen Bescheinigung. Unabkömmlichkeitserllärungen im Augenblick der Einberufung sind unzulässig. 3. Von den Kontrollversammlungen können im Amte stehende Geistliche bei rechtzeitigem Antrage an das Bezirkskommando befreit werden, EOK. 20. Juni 1882 KGVBl. S. 64. d) Im Falle ihrer Versetzung, auch wenn sie dieselbe selbst herbeigeführt

§§ 96—100 ALR. II 11.

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haben oder zwangsweise versetzt sind, können Geistliche eine etwaige Mietswohnung zürn nächsten gesetzlichen Termine (in der Regel innerhalb der ersten drei Werktage eines Vierteljahres zrm Schluß desselben) kündigen, vgl. §§ 570 u. 565 BGB. ' e) Die Zwangsvollstreckung gegen Geistliche unterliegt gewissen Ein­ schränkungen. Nicht pfändbar sind die zur Verwaltung des Dienstes oder Ausübung des Berufs erforderlichen Gegenstände, sowie anständige Kleidung; und ferner ein Geldbetrag, welcher dem der Pfändung nicht unterworfenen Teile des Dienstein­ kommens oder der Pension für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Termine der Gehalts- oder Pensionszahlung gleichkommt. (§ 811 Nr. 7 u. 8 ZPO.). Weiter sind der Pfändung nicht unterworfen die Pensionen der Witwen und Waisen und die denselben aus Witwen- und Waisenkassen zukommenden Bezüge, die Erziehungs­ gelder und die Studienstipendien; vor allem aber das Diensteinkommen der Geistlichen, ihre Pension nach deren Versetzung in einstweiligen oder dauernden Ruhestand, sowie der nach ihrem Tode den Hinterbliebenen zu gewährende Sterbe- oder Gnadengehalt. Übersteigen das Diensteinkommen, die Pension oder die sonstigen Bezüge die Summe von 1500 Mk. für das Jahr, so ist der dritte Teil des Mehrbetrags der Pfändung unter­ worfen (unbeschadet weitergehender Zwangsvollstreckung für Alimentationsansprüche). Die Einkünfte, welche zur Bestreitung eines Dienstaufwandes bestimmt sind, unter­ liegen weder der Pfändung, noch sind sie bei Ermittelung des Pfändungsbetrages zu berechnen (§850 Nr.7u.8 ZPO.). Im übrigen erstreckt sich die Pfändung des Dienst­ einkommens auch auf das Einkommen, welches der Geistliche infolge von Versetzung oder Gehaltserhöhung zu beziehen hat (§ 833). Gleiche Bestimmungen gelten für das Verwaltungszwangsverfahren; doch kommen sie bei Einziehung von laufenden öffent­ lichen Abgaben, Disziplinar- und Zwangsstrafen nicht zur Anwendung (§§ 25 u. 46 B. v. 15. Nov. 1899 GS. S. 545). Der Pfändungsbeschluß wegen Diensteinkommens ist bei den unter das Pfarrbesoldungsgesetz fallenden Stellen bezüglich des Grund­ gehaltes (einschließlich Grundgehaltszuschüsse) dem Gemeindekirchenrate, bezüglich der Alterszulage und Entschädigungsrenten dem Konsistorium in Vertretung der Merszulagekasse zuzustellen; bei andern Stellen bzw. bei Nießbrauchsvorbehalt (§ 12 PfbG.) dem Zahlungspflichtigen, für Zahlungen aus der Kirchenkasse also dem Gemeindekirchenrate. — Die Verhaftung eines Geistlichen zwecks Leistung des Offenbarungseides, von deren Anordnung der Gerichtsvollzieher der vorgesetzten Behörde Anzeige zu machen hat, darf erst erfolgen, nachdem letztere für die dienstliche Vertretung des Schuldners gesorgt hat; die Behörde ist aber verpflichtet, ohne Verzug die erforderlichen Anordnungen zu treffen und den Gerichtsvollzieher hiervon in Kenntnis zu setzen, vgl. ZPO. § 910, auch § 933 (persönlicher Sicherheitsarrest), und V. v. 15. Nov. 1899 § 21. f) Wenn eine B eleidigung gegen eine Behörde, einen Beamten, einen Religionsdiener, während sie in Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in Be­ ziehung auf ihren Beruf begangen ist, so haben nach § 196 StGB, außer den unmittelbar Beteiligten auch deren amtliche Vorgesetzte das Recht, den Straf­ antrag zu stellen. Demgemäß steht bei Beleidigung (bzw. vorsätzlicher leichter oder fahrlässiger Körperverletzung: § 232) von landeskirchlichen Geistlichen den Konsistorien und dem Evang. Ober-Kirchenrat ein selbständiges Antragsrecht zu, das binnen 3 Monaten nach erlangter Kenntnis von Tat und Täter geltend gemacht werden muß (§ 61). Die erste der beiden alternativen Bedingungen dieses Antrags­ rechts setzt zeitliches und örtliches Zusammentreffen von Beleidigung und Berufs­ ausübung voraus. In Ausübung seines Berufs befindet sich ein Geistlicher auch bei der Leitung einer Sonntagsschule, RG. 27. Mai 1881 EntschiStrafs. Bd. 4 S. 205 (KGVBl. S. 132). Was die zweite Bedingung anlangt, so ist wohl zu unterscheiden zwischen der bloßen B eziehung auf den Gegenstand der Berufstätigkeit und der Be­ ziehung auf den Beruf; was ein Beamter neben seiner Berufstätigkeit spricht und

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Buch IV Abschn. II. Pflichten und Rechte der Geistlichen. § 102. Seinem geistlichen Amte kann ein Jeder entsagen26).

schreibt, ist trotz Identität des Gegenstandes nicht amtlicher Natur, RG. 21. Sept. 1899 Entsch. 32 S. 273. Im übrigen ist aber jede Beziehung zwischen der Beleidigung und dem Beruf als ausreichend und die Art der Beziehung als rechtlich bedeutungslos zu erachten. Eine Beleidigung bezieht sich insbesondere nicht nur dann (wie RG. 5. Juli 1894 Entsch. 26 S. 34 annahm) auf den Beruf, wenn sie die amtliche Tätigkeit zur Grundlage oder zum Gegenstand hat oder die Verletzung besonders auferlegter Berufspflichten behauptet. Auch bei der Nachrede einer Verletzung allgemeiner Sittengesetze und Anstandspflichten kann sich die Beziehung auf den Beruf aus dem Inhalte der beleidigenden Äußerung ergeben; der Beleidiger kann durch die Art seiner Kundgebung namentlich zum Ausdruck bringen, daß das behauptete Verhalten den Beamten in seiner Stellung unwürdig erscheinen lasse oder den Beruf selbst herabwürdige, die Beleidigung also zugleich eine Beeinträchtigung der Achtung vor dem Amte einschließen, RG. 23. Dez. 1910 Entsch. 44 S. 191. Zweck des Antrags­ rechtes ist es gerade, die Interessen des Amtes zu wahren; überall da, wo nicht bloß die der Person des Beamten schuldige Achtung verletzt wird, sondern die Kundgebung auch geeignet ist, das durch ihn repräsentierte Amt herabzuziehen, soll der Vorgesetzte einzutreten befugt sein, RG. 6. März 1894 Entsch. 25 S. 157. Übereinstimmend mit RG. 16. Juni 1885 Bd. 12 S. 267 verlangt aber RG. 10. April 1885 RechtspriStrfs. 7 S. 222, daß der Vorwurf eines außerdienstlichen unwürdigen Verhaltens in ausdrück­ liche, durch die bloß individualisierende Hinzufügung der Amtsbezeichnung allein nicht gegebene Beziehung zu dem Beruf des Geistlichen gebracht worden sei. Weiter­ gehend dagegen RG. 26. Febr. 1884 Rechtspr. 6 S. 155 u. 6. Febr. 1891 Goltdammer ArchivfStrafr. 39 S. 64. Jedenfalls ist es unerheblich, ob sich der Beleidiger der Be­ ziehung seiner Kundgebung zum Beruf bewußt gewesen ist, RG. 3. Febr. 1903 Goltdammer 50 S. 135 u. 2. Jan. 1907 Entsch. 39 S. 350. Für den Fall, daß in der gleichen Äußerung durch die Berufsbezeichnung nicht einzelne Personen individuell kennbar gemacht sind, vgl. die Vorzit. RG. 6. März 1894. Auf Beleidigung verstorbener Beamter erstreckt sich das Antragsrecht nicht; ebensowenig im allgemeinen auf verabschiedete, doch wird es für Geistliche im Hinblick auf die Rechte des geistlichen Standes in weiterem Umfange zur Geltung kommen können. Auch bleibt das Recht bestehen, wenn erst nach der Beleidigung das Verhält­ nis durch Tod oder Verabschiedung gelöst wird, Olshausen.Note 7 zu § 196. — Wenn der Vorgesetzte den Strafantrag zurückzieht, so ist § 502 StPO, anwendbar; doch hastet der Vorgesetzte nicht persönlich für die Kosten, die vielmehr die von ihm ver­ tretene öffentlich rechtliche juristische Person treffen, RG. 10. Mai 1900 Goltdammer 47 S. 295. Auf Grund des § 416 StPO, kann das Konsistorium auch statt der sonst gemäß § 414 das. zustehenden Privatklage wegen vorliegenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bei der Staatsanwaltschaft (nicht der Amtsanwaltschaft) Er­ hebung der öffentlichen Klage beantragen. Diese ist aber nur möglich, wenn der Strafantrag rechtzeitig gestellt wird. Gegen Ablehnung nur Beschwerde im Auf­ sichtswege, nicht Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 170), Löwe Note 4 zu § 416. 2fl) Vgl. auch § 523 (S. 514), wonach die Amtsniederlegung der GenehmigungdergeistlichenObern (des Konsistoriums) bedarf. Eine einseitige Aufgabe des Amtes, die ohne weiteres in Kraft tritt, kennt das Gesetz nicht, Erk. d. Kgl. Gerichtsh. f. kirchl. Ang. 17. Okt. 1885 Ztschr. f. Kirchenr. 21 S. 180. Das gilt insbesondere auch, wenn die Amtsniederlegung zur Vermeidung einer Disziplinar­ untersuchung unter Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes erfolgt. Aus §§ 102 u. 104, die sich gegen die Anschauung der Unauslöschlichkeit des geistlichen

§§ 96—105

ALR. II 11.

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§ 103. Kriminalverbrechen, und grobe Vergehungen gegen die Kirchen­ ordnungen, und die darin vorgeschriebenen geistlichen Amtspflichten, ingleichen ein ärgerlicher Lebenswandel, begründen die Entsetzung eines Geistlichen27). § 104. Durch öffentliche, den geistlichen Obern angezeigte Entsagung des geistlichen Standes, so wie durch Entsetzung eines Geistlichen von seinem Amte 27), gehen alle damit verbundenen äußeren Rechte tierloten28). § 105. Auch darf ein solcher gewesener Geistlicher, bei Vermeidung nach-d rücklicher Strafe, sich keine Amtsverrichtungen mehr anmaßen. Standes wenden wollen, kann das Gegenteil nicht gefolgert werden. Ans § 102 er­ gibt sich nur das Recht des Geistlichen, daß ihm die Entlassung von der Kirchenbehörde regelmäßig nicht verweigert werden darf, vgl. auch §95 ALR. II10; und § 104 be­ stimmt nur die Wirkung, nicht aber die Erfordernisse der Entlassung. Die Amtsent­ sagung kann bis zur Genehmigung des Konsistoriums widerrufen werden. Die Ge­ nehmigung braucht aber nicht notwendig erst nach der Erklärung des Geistlichen zu geschehen. Beauftragt das Konsistorium einen Kommissar mit der Vernehmung des Geistlichen darüber, ob er zur Vermeidung einer Disziplinaruntersuchung sein Amt niederzulegen bereit sei, so kann darin die für den Fall der Abgabe einer solchen Er­ klärung im voraus erteilte Genehmigung liegen. Freilich darf dem Kommissar nicht die Entscheidung über die Annahme, sondern nur die Erllärung der Annahme über­ lassen werden. Doch kann das Konsistorium vor Widerruf die Annahmeerllärung seines Kommissars auch durch nachträgliche Genehmigung, die nicht dem Geistlichen selbst gegenüber ausgesprochen zu sein braucht und wie ausdrücklich so auch stillschweigend erllärt werden kann (Mtteilungen an Superintendenten, Gemeinde, Patron, An­ ordnungen wegen einstweiliger Verwaltung und Wiederbesetzung der Stelle) sanktionieren. Natürlich darf die Willenserllärung nicht durch Drohung erzwungen werden und bei der Beurteilung des Einflusses einer Drohung ist auf die Gemüts­ verfassung des Bedrohten Mcksicht zu nehmen; aber der pflichtmäßige Hinweis, daß im Falle von Nichtentsagung sofort das Disziplinarverfahren eingeleitet werden würde, enthält nicht eine widerrechtliche Drohung, welche die Willenserklärung des Geistlichen entkräften könnte. Vgl. OVG. 25. Nov. 1898 Bd. 35 S. 452. Steht der Geistliche unter dem Verdacht einer Verfehlung, so darf die Amts­ niederlegung ohne zuvorigen Bericht an den Evangelischen Ober-Kirchenrat nur bei gleichzeitigem Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes zugelassen werden, EOK. 2. April 1856 AH. 8 S 87. Diese Vorschrift ist durch das kirchliche Disziplinargesetz v 16. Juli 1886 nicht berührt, EOK. 13. Februar 1894 Nr. 530. Eine Amtsnieder­ legung unter Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes ist von dem zuständigen den übrigen Konsistorien mitzuteilen und von allen Konsistorien in den Amtsblättern zu veröffentlichen, EOK. 15. Juli 1910 I. 1695. Vgl. auch § 12 Abs. 2 DisziplGes. 16. Juli 1886 (S. 530). 27) Vgl. jetzt § 21 Ges. 11. Mai 1873 (S. 437) und Kirchl. DisziplGes. v. 16. Juli 1886. 28) Rang, Titel (doch nur bei Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes), Einkommens-, Ruhegehalts- und Reliktenansprüche, vgl. § 15 RKS. u. § 15 WFS. und wegen Entsagung der Rechte des geistlichen Standes seitens eines pensionierten Geistlichen § 26 Abs. 2 RKS. Bei Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes zur Vermeidung einer Disziplinaruntersuchung ist dem Geistlichen bzw. Emeritus sein Diensteinkommen oder Ruhegehalt bis zum Ablauf des Monats zu belassen, in welchem der Verzicht wirksam geworden ist, EOK. 23. Nov. 1904 Art. I (S. 554). Wegen Bewilligung einmaliger oder wiederkehrender Unterstützungen s. § 6 RO. u. § 6 Nr. 2 WFS

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Buch IV Abschn. II. Pflichten und Rechte der Geistlichen.

§ 106. Tut er es dennoch, so haben die Amtshandlungen, die er sich an­ maßt, keine bürgerliche Gültigkeit, und er selbst bleibt denen, welche dadurch Schaden leiden, verantwortlich (Tit. 10 § 76—82). § 413. Die Pfarrer müssen sich bei ihren Kirchen beständig aus­ halten, und dürfen die ihnen anvertraute Gemeine, selbst bei einer drohen­ den Gefahr, eigenmächtig nicht verlassen29). 29) Für die Beurlaubung der Geistlichen sind auf Grund der gesetz­ lichen Vorschriften - s. auch V. 27. Juni 1845 § 1 Nr. 4 (6 347) - die Erlasse des EOK v. 20. Jan 1879 u 17. Mai 1892 KGVBl. S. 35 bzw 139 ergangen Danach gelten folgende Vorschriften: 1. Pfarrgeistliche und Superintendenten bedürfen, wenn die Abwesenheit nicht mehr als vier Tage beträgt und in diese kein Sonntag fällt, keines Urlaubs; doch ist bei jeder Reise, die ein Verlassen der Parochie über Nacht mit sich bringt, eine vor­ herige Anzeige erforderlich, welche der Geistliche dem Superintendenten, der Super­ intendent für sich selbst dem Präsidenten des Konsistoriums unter gleichzeitigem Be­ richt über Regelung der Vertretung zu machen hat. Hilfsgeistliche, denen ein Pfarrbezirk zur selbständigen Verwaltung überwiesen ist, werden den Pfarrgeistlichen gleich zu behandeln sein. Andere Hilfsgeistliche haben, auch wenn sie ihren Amtssitz nur für eine Nacht verlassen, die Genehmigung des zuständigen Superintendenten einzuholen; das Gesuch geht, soweit der Hilfsgeistliche nicht selbständig beschäftigr ist, durch die Hand des Pfarrers bzw. des ersten Geistlichen, vgl. Kons. Posen 10. August 1909 KAM. S. 76. 2. Bei Abwesenheit in Privatangelegenheiten über 4 Tage oder für einen Sonntag ist Urlaub nachzusuchen. Diesen erteilt den Geistlichen, wenn die Abwesen­ heit nicht länger als einen Sonntag mitumfaßt, der Superintendent; andernfalls sowie dem Superintendenten für sich selbst der Präsident des Konsistoriums. Die Ge­ suche der Geistlichen an letzteren gehen durch Vermittlung des Superintendenten, der sich dazu, namentlich auch betreffs der Vertretung gutachtlich zu äußern hat. 3. Der Präsident des Konsistoriums hat bei Beurlaubung von Geistlichen und Superintendenten aus länger als 6 Wochen, wenn der Urlaub nicht lediglich aus Ge­ sundheitsrücksichten erteilt werden soll, an den Evangelischen Ober-Kirchenrat zu berichten; in Fällen der letzteren Art erfolgt die Erteilung auch eines längeren Urlaubs durch den Präsidenten allein. — Bericht ist auch nötig, wenn der 6 Wochen über­ schreitende Urlaub zum Zwecke der einstweiligen Übernahme eines Schulamtes, Schul­ aufsichtsamtes oder sonstiger ähnlicher Beschäftigungen erfolgen soll. In allen Fällen, wo der Urlaub nicht lediglich aus Gesundheitsrücksichten beantragt wird, ist dem Bericht des Präsidenten eine Äußerung des Konsistoriums beizufügen, welche auch über Regelung der Vertretung sowie über die etwa erforderliche Anhörung der Ge­ meindeorgane usw das nötige enthält, EOK. 14. März 1903 Nr. 399. Wegen etwaiger Gehaltskürzung bei längerem Urlaub vgl. S. 399 unter F. Bei der gedachten Einberufung zur kommissarischen Verwaltung einer hauptamtlichen Kreisschulinspektion, bei welcher der Geistliche eine den Bezügen der neuen Stelle entsprechende Remuneration erhält, hat er aus seinem Pfarrdiensteinkommen jeden­ falls die Kosten seiner Vertretung zu bestreiten. Im übrigen wird die Frage, ob er zu verpflichten ist, dasselbe ganz zurückzulassen, in der Praxis verschieden behandelt, je nachdem die Behörde davon ausgeht, daß der Geistliche die neuen Bezüge statt der alten erhält, oder berücksichtigt, daß ihm in der Übergangszeit insbes. durch doppelten Haushalt erhöhte Kosten erwachsen. AKB 26. Nov. 1913 Nr. 341 wül von Fall zu Fall nach den besonderen örtlichen Verhältnissen und den Voraussetzungen, unter denen seitens des Ministers dgA. der Urlaub erwirkt ist, entscheiden, ob zu den Stellver­ tretungskosten auch Grundgehaltsb ertrag u. Alterszulagen verwandt werden dürfen.

§§ 106, 413-416 u. 606 ALR. II 11.

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§ 414. Wenn sie zu verreisen genötigt sind, so kann es nur mit Vor­ wissen und Erlaubnis des Inspektors geschehen. § 415. Dieser muß die Genehmigung der geistlichen Obern einholen, wenn die Zeit der Abwesenheit mehr, als einen Sonntag, in sich begreift. § 416. In allen Fällen muß der Pfarrer, unter Direktion des Inspektors, solche Veranstaltungen treffen, daß die Gemeine bei seiner Abwesenheit nicht leide. § 506. Ein Pfarrer, der nur bei einer einzelnen Handlung, oder nur auf kurze Zeit, sein Amt selbst zu verrichten gehindert wird, kann sich dabei durch einen anderen Geistlichen, welcher zu solchen Handlungen an und für sich be­ fugt ist, v e r t r e t e n lassen30). 4. Selbstverständlich ist der Urlaub so zeitig nachzusuchen, daß eine gehörige Erledigung vor Antritt der Reise erwartet werden kann. Sollten unvorhergesehene Notfälle die rechtzeitige Nachsuchung unmöglich machen, so ist unter Rechtfertigung der Unterlassung sofort der vorgesetzten Behörde Anzeige zu erstatten und wegen etwa erforderlicher weiterer Beurlaubung das Nötige zugleich nachzuholen. 5. Das Urlaubsgesuch muß Grund und Ziel der Reise angeben und die Re­ gelung der Vertretung (Gottesdienste insbes. etwaige Lesegottesdienste, sonstige Amts­ verwaltung) vorschlagen. Insbesondere wird ein Geistlicher namhaft zu machen sein, der die Gesamtvertretung des Amtes den Behörden gegenüber übernehmen soll. (Kons. Magdeburg 5. April 1911 Amtl. Mitt. S. 34 verlangt Beifügung schriftlicher Zustimmung der Vertreter.) Vgl. auch A. 30. 6. Ist der Superintendent oder Geistliche zugleich im Nebenamt Kreis- oder Ortsschulinspektor, so ist von dem erteilten Urlaub der Schulaufsichtsbehörde regel­ mäßig durch den Geistlichen selbst oder durch die Kirchenbehörde Anzeige zu machen, damit jene wegen der Vertretung meist nach dem Vorschlage des Geistlichen das weitere veranlassen kann, Erl. 31. März 1879 KGBBl. S. 93. Besonderer Urlaub durch die Schulaufsichtsbehörde ist also nicht erforderlich. 7. Bei Dienstentziehung durch Krankheit, ohne daß der Geistliche seinen Wohn­ sitz verlassen will, oder Erfüllung vorgehender staatsbürgerlicher Pflichten (vgl. S. 340 u. 506) tritt an Stelle des Urlaubs Anzeige der Verhinderung, OVG. 21. Januar 1888 Bd. 16 S. 398. Mit Schön II S. 119 A. 4 wird anzunehmen sein, daß der Geist­ liche zur Teilnahme an den Synoden eines Urlaubs nicht bedarf, wohl aber zum Ein­ tritt in den Land- und Reichstag, desgl. in Kreis- und Provinziallandtag. Vgl. jeden­ falls bei Vertagung Rheinbaben Preuß. DisziplGes. S. 128 f. Wegen Entfernung ohne Urlaub s. § 6 Disz plGes. 16. 3?ult 1886 (S. 526). 80) Um ihre Vertretung haben sich insbes. behufs Beurlaubung (vgl. vor. Anm. unter 5) die Geistlichen selbst zu bemühen, eventl. der Superintendent. Für die Vertretung ist Patronatszustimmung nicht erforderlich, EOK. 8. Mai 1861 AH. 13 S. 177; wohl aber bei etwaiger Entnahme von Vertretungskosten aus der Kirchen­ kasse. Die Vertretung ist bei Krankheit oder sonstigem Hindernis auf kurze Zeit von den Nachbargeistlichen unentgeltlich zu leisten. Zur Milderung von Härten stehen den Konsistorien Vertretungsfonds zu Gebote; aus dem landeskirchlichen Hilfsfonds dürfen nach den gemäß Art. I Abs. 3 KGes. 10. Juli 1909 (S. 300) festgestellten Grund­ sätzen anläßlich Erkrankung von Geistlichen Beihilfen zu Vertretungsvergütungen nicht geleistet werden, EOK. 25. Mai 1910 I 1662. Bei längerer Dauer kann das Kon­ sistorium die Annahme eines Hilfsgeistlichen genehmigen oder einen solchen auf An­ trag oder von Amtswegen bestellen (vgl. A. 43). Die 4. ord. GenSyn. hat gesetzliche Regelung als Bedürfnis anerkannt.

Goßner, Ktrchenrecht. 2. Stuft.

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614

Buch

IV

Abschn.

II.

Pflichten und Rechte der Geistlichen.

§ 507. Soll die Vertretung länger als drei Tage dauern29), so muß dem Erzpriester oder dem Kreisinspektor Anzeige davon geschehen. § 508. Ist die Vertretung auf länger als vierzehn Tage erforderlich29), so muß der Inspektor dies an das Konsistorium berichten, und die genommenen Maßregeln zur Genehmigung anzeigen. § 509. Verrichtet der Stellvertreter eine Amtshandlung, die ins Kirchen­ buch eingetragen werden muß: so ist er schuldig, seinen eigenen Namen, mit der Angabe seines Amtes, und der Ursache der Vertretung zu unterzeichnen. § 515. Ein protestantischer Pfarrer kann, mit Vorwissen des Konsistorii, einen Kandidaten zu seiner Vertretung, jedoch nur bei dem Unterricht der Ge­ meine, nicht aber bei anderen Amtshandlungen, annehmen3*). § 516. Wird er durch Krankheit, Schwachheit, oder Mer verhindert, sein Amt nach dessen ganzem Umfange selbst gehörig zu verwallen; und ver­ langt er daher einen beständigen Gehilfen, zu allen seinen Amtsverrichtungen: so muß er dieses demjenigen, welchem bei einer erfolgenden Erledigung der Pfarre das Wahlrecht zusteht, anzeigen. § 517. Alsdann muß, bei der Bestellung eines solchen Amtsgehilfen, alles das beobachtet werden, was bei der Wahl eines neuen Pfarrers er­ forderlich ist32). § 518. Ehe jedoch zur Wahl geschritten wird, muß dem,zu bestellenden Substituten sein auskömmlicher Unterhalt aus den Einkünften der Pfarre bestimmt werden. § 519. Dieser Aussatz darf niemals in einem Anteil der einzelnen Psarreinkünfte (pars quota) bestehen; sondern er muß auf einen gewissen Betrag an Gelde oder Naturalien, welche der Pfarrer dem Substituten, oder dieser jenem abzugeben hat, bestimmt werden. § 520. Ein solcher Substitut tritt, wenn die Pfarre erledigt wird, sofort an die Stelle und in alle Rechte eines wirllichen Pfarrers. § 521. Dagegen hat ein nicht förmlich gewählter, sondem nur von dem Pfarrer selbst, mit Erlaubnis der geistlichen Obern, wenn auch unter Ein­ willigung des Patrons, oder der Gemeine angenommener ©ubftitut31), kein Recht zur Nachfolge in die erledigte Pfarre. § 522.------- ”). § 523. Wenn ein Pfarrer sein Amt niederlegen will: so muß er dem Patron und der Gemeine davon Anzeige machen, und die Genehmigung der geistlichen Obern nachsuchen3*). 31) Vgl. A. 43. “) Vgl. § 1 Abs. 2 Pfarrwahlgesetz 15. März 1886 (S. 166) und § 64 a Abs. 1 KirchO. (©. 489), aber auch A. 43 Ws. 2. 33) § 522 handelte von Beiordnung eines Gehilfen ohne Nachsuchen des Pfarrers; wegen dieser s. jetzt DisziplGes. 16. Juli 1886 § 56 (mit dem Recht der Nachfolge: Ws. 5 daselbst). M) Vgl. auch §§ 102 u. 104 ALR. II11 und wegen Amtsniederlegung unter Ver­ zicht auf die Rechte des geistlichen Standes insbes. A. 26 dazu (S. 510).

§§ 607—538 ALR. II 11.

515

§ 524. Finden diese dabei nichts zu erinnern, so gebührt weder dem Patron noch der Gemeine ein Recht zum Widerspruche ^). [§ 525. Mmmt jedoch ein Pfarrer innerhalb zehn Jahren von Zeit seiner Bestellung, einen anderweitigen Ruf an: so ist er schuldig, der Kirchenkasse und der Gemeine, alle bei seiner Ansetzung und seinem Anzuge verwendeten Kosten zu erstatten, j36) § 526. Auch nach erhaltener Genehmigung der geistlichen Obem darf der Pfarrer sein Amt nicht eher verlassen, als bis sein Nachfolger bestellt und eingewiesen worden3^). § 527. Sind erhebliche Gründe vorhanden, wamm dieses nicht abge­ wartet werden kann: so muß der Inspektor, unter besonderer Approbation des Konsistorii, für die Versehung des Amts in der Zwischenzeit sorgen33). § 528. Knem Pfarrer, der sein untadelhaft geführtes Amt wegen Alters oder Krankheit niederlegen muß, gebührt ein lebenswieriger Gnadengehalt39). § 531. Hat ein Pfarrer, ohne bösen Vorsatz, durch unvorsichtiges Be­ tragen, das Vertrauen seiner Gemeine verloren, so müssen die geistlichen Obem seine Versetzung an einen andem Ort veranstalten40). § 536. Hat ein Pfarrer sich bürgerlicher Verbrechen, die eine Kriminal­ untersuchung nach sich ziehen, schuldig gemacht, so müssen die geistlichen Obem ihn suspendieren4*), und die Sache der ordentlichen Obrigkeit zur weitem Verfügung anzeigen. § 537. Es kann aber auch die bürgerliche Obrigkeit, ohne erst die Anzeige abzuwarten, sich des Verbrechers sofort bemächtigen, und ihm den Prozeß machen. § 538. Doch muß sie den geistlichen Obem davon Nachricht geben, da­ mit diese wegen der Amtsversehung das Nötige verfügen formen42). 86) Eine gesetzliche Kündigungspslicht gibt es nicht. 86) Durch § 8 des Umzugskostengesetzes beseitigt, vgl. S. 484 A. 25. ”) Vgl. KirchO. §§ 54 Nr. 2 (S. 485). 38) Vgl. §§ 395 ff. (S. 431). 89) Vgl. Buch IV Abschn. III Übers. Nr. 2. 40) §§ 530 ff. stehen unter dem Marginale „Vergehungen der Pfarrer"; wegen disziplinärer Ahndung s. jetzt kirchl. Disziplinargesetz v. 16. Juli 1886 (S. 621). Nach Ansicht des Evangelischen Ober-Kirchenrats in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung ist als disziplinäre Maßregel auch die Bestimmung in § 531 beseitigt, KGVBl. 1885 S. 114, desgl. Verhandlungen der Eisenacher Konferenz 1912 (AKBl. S. 710 u. 718), vgl. auch Braun in Ztschr. f. KR. 19 S. 5—11. Anderer Meinung Schön II S. 127 A. 2, der auf Grund des § 531 auch ohne disziplinarisches Einschreiten als außerordentliche Maßregel eine ZwangsversetzungirnVerwaltungsWege, selbstverständlich auf eine Stelle mit mindestens gleichem Einkommen, unter Bezugnahme aus Erl. 29. Juli 1840 MBl. S. 289 für zulässig hält, ebenso Hinschius Anm. zu § 531 ALR. I111, vgl. auch Erk. d. Kgl. Gerichtsh. f. kirchl. Angel. 28. Mai 1881 Ztschr. f. Kirchenr. 17 S. 141. 41) Vgl. kirchl. Diszipl.Ges. 16. Juli 1886 §§ 3 u. 39-41. 42) Von Strafverfahren gegen Geistliche ist dem Konsistorium Mitteilung zu machen, vgl. S. 523 A. 6.

516

Buch IV Abschn. II.

Pflichten und Rechte der Geistlichen.

§ 539. Die bei großem Parochialkirchen bestellten Nebengeistlichen machen mit dem Pfarrer ein Kollegium aus, worin dem letztem der Vorsitz und die Direktion gebührt. § 540. Die Verteilung der Geschäfte und Einkünfte unter sie, sowie ihr Verhältnis einer jeden § 541. Anweisung

gegen den Pfarrer und die Gemeine, ist nach den Verfassungen solchen Kirche besonders bestimmt. Der Regel nach sind die Nebengeistlichen der Aufsicht und der des Pfarrers in allen ihren Amtsgeschäften unterworfen^).

43) Nebengeistliche in diesem Sinne gibt es abgesehen von den Hilfsgeistlichen in der Landeskirche wohl nicht. Hilfsgeistliche können in Vertretung des vorübergehend behinderten oder nicht mehr voll arbeitsfähigen Pfarrers für einzelne Amtshandlungen bzw. die gesamte Amtsverwaltung oder auch neben dem Pfarrer wirksam werden, die Not­ wendigkeit der Bestellung kann durch ein subjektives Bedürfnis (Krankheit, Urlaub des Pfarrers) oder objektiv begründet sein, indem die an sich ungeschwächte Kraft des oder der Pfarrer allein zur Bedienung der Parochie nicht ausreicht. Letzterenfatts wird es sich namentlich um Einrichtung besonderer von Hilfsgeistlichen zu versorgender Bikariatsbezirke handeln, der, sobald sich die nötigen Mittel bereitstellen lassen, Gründung einer selbständigen Pfarre folgen soll. Übrigens gibt es vereinzelt auch festfundierte Hilfspredigerstellen. — Die B e st e l l u n g des Hilfsgeistlichen geschieht in der Kegel, insbes. bei den ständigen Hilfspredigerstellen durch das Konsistorium. Wo der Ver­ treter in dem erstgedachten Falle vom Pfarrer persönlich angenommen wird, bedarf es der Genehmigung des Kirchenregiments — vgl. RessRegl. 1847 I 18 (S. 353), Kons. Stettin 22. Dez. 1908 KAM. 1909 S.5 —, das nur solche Hilfsgeistliche zulassen kann, die nach ihrer Qualifikation eine ausreichende Gewähr für die gehörige Ausrich­ tung der ihnen zu übertragenden Geschäfte bieten. — Das Konsistorium kam zur Unterstützung des Pfarrers auch gegen seinen Willen, aber nur im geordneter Ver­ fahren einen Gehilfen bestellen, vgl. § 56 kirchl. DisziPlGes. 16. Juli 1886 (S. 552). Die Bestellung des Hilfsgeistlichen oder die Genehmigung seiner Annahme erfolgt jederzeit widerruflich, EOK. 14. August 1673 AH. 21 S. 122. Die nach Art der ordent­ lichen Stellenbesetzung (vgl. § 1 Abs. 2 u. § 4 Pfarrwahlgesetz v. 15. März 1886) er­ folgende Berufung eines „Amtsgehilfen mit dem Recht der Nachfolge", wie sie die obigen §§ 516—520 vorsehen, soll schon wegen seines Ausschlusses von den Wohl­ taten der Ruhegehalts- und Hinterbliebenenfürsorge möglichst vermieden Verden (EOK. 9. Juli 1892 Nr. 4465) und ist auch außer Gebrauch gekommen. Bei der Annahme eines Pfarrgehilfen zur persönlichen Vertretung (§ £15) ist in erster Linie der Pfarrer zur Vergütung verpflichtet; vgl. RG. 29. Juri 1891 (Bolze Praxis S. 337) für gem. Recht, von dem das ALR. nicht abweicht. Härten, namentlich in Krankheitsfällen, zu lindern sind die Kirchenbehörden bestrebt; den Konsistorien sind hierfür vielfach von den Provinzialsynoden Mittel (Vertrctungsfonds) gewährt. Insbesondere stehen ihnen, wenn auch noch nicht überall in genügen­ der Zahl, Provinzialvikare zur Verfügung, die das Konsistorium nach Bedarf zrr Hilfe entsenden kann. Sie erhalten ein festes Gehalt, für das der landeskirchliche Hilfs­ geistlichenfonds, der Staatsfonds Kap. 113 Tit. 1 StHE., in Pommern arch der Patronatsverein Mittel darbieten, daneben in dem Hause des vertretenen Geist­ lichen in der Regel freie Wohnung und Verpflegung, ferner auch Ersatz der Reise­ kosten. In den westlichen Provinzen gibt es auch die Einrichtung der Kreisstnodalvikare, die zur Verfügung des Superintendenten stehen. Wegen der Verpstchtung

§§ 539—541 ALR. II 11.

§ 66 KirchO.

517

Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung.

Vom 5. März 1835/5. Jan. 1908.') Fünfter Abschnitt: Bo» den Pflichten des Pfarrers. § 66. Dem Pfarrer liegt ob, nach Anleitung der eingeführten Kirchender Hinterbliebenen bei Bestellung von besonderen Pfarrverwesern s. § 6 des Gnaden­ zeitsgesetzes vom 18. Juli 1892 und § 18 Abs. 3 PfbG. (in Abschn. III). Entspricht die Hilfspredigerstelle einem sachlichen Bedürfnis, so ist die Gemeinde zur Bereitstellung des Gehalts nach § 164 ALR. I111 (in Buch VIII) verpflichtet. Unterstützungsweise treten auch hier allgemeine Kirchenfonds ein, vgl. KGes. betr. Beschaffung von Mtteln für Hilfsgeistliche vom 18. Februar 1895 (S. 294), auch Art. II KGes. v. 24. April 1904 (S. 298). Die Bestimmung darüber, ob das Bedürfnis zur Errichtung einer Hilfspredigerstelle als vorhanden anzuerkennen und in welcher Höhe dem Stetten­ inhaber ein Gehalt von der verpflichteten Kirchengemeinde zu gewähren, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts als Ausfluß des kirchlichen Aufsichtsrechts zu erachten, vgl. RessRegl. 1. Okt. 1847 I 18 (S. 363). . Die Ent­ scheidungsteht daher allein und endgültig dem Kirchenregimente, d. i. — vorbehaltlich der Beschwerde an den Evangelischen Ober-Kirchenrat — dem Konsistorium zu. Bei Widerspruch der Gemeinde ist gemäß Art. 27 Ges. 3. Juni 1876 Zwangsetatisierung zulässig. In dem hierzu allerdings erforderlichen Einvernehmen des Regierungs­ präsidenten liegt auch die staatliche Anerkenntnis der Leistungsfähigkeit der Gemeinde, eine Nachprüfung derselben durch den Verwaltungsrichter findet nicht statt, vgl. S. 270 unten und die dort zitierten Entscheidungen. Nach OVG. 19. Jan. 1906 ist die Zwangs­ etatisierung aber nur während des Dienstes des Hilfsgeistlichen zulässig, während nachträglich über den Gehaltsanspruch die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. An der Ruhegehalts- und Hinterbliebenenfürsorge nehmen, wie schon gesagt, auch ordinierte Hilssgeistliche nicht teil. Daher entspricht es einem allgemeinen ttrchlichen Interesse, daß sie vor der festen Anstellung eine Ehe nicht eingehen. Bedürfen zu solcher auch sie einer Genehmigung der vorgesetzten Behörde heute nicht, so sotten sie doch laut EOK. 30. April 1901 Nr. 1574 gemäß MdgA. 10. Sept. 1847 (Menst, aus der Verw. I S. 349) bei dem Eintritt in eine HilsssteNung im Kirchendienst vermahnt und ihnen die rechtzeitige Erstattung der durch EOK. 4. Juni 1891 (S. 493) angeordneten Anzeige zur Pflicht gemacht werden; nach jenem Erlasse sind sie aber bei eindringlicher Mahnung wegen einer künftigen Heirat protokottarisch darauf auf­ merksam zu machen, „daß sie mit der ihnen angewiesenen vorübergehenden Stettung noch keinen Anspruch und keine sichere Aussicht auf eine dauernde Versorgung für sich und noch weniger für eine Familie erhalten, daß sie auch auf keine Weise auf eine Unterstützung in einer etwa selbst verschuldeten Bedrängnis sich Aussicht machen dürfen." Wegen späterer Anrechnung der Hilfspredigerzeit vgl. A. 2, 8 u. 17 zum Dienstaltersgesetz v. 17. April 1886 (in Abschn. III). Die Aufgaben des Hilfspredigers richten sich nach der lokalen Ordnung (§ 540) und dem Auftrag des einzelnen Falles, der für die gesamte Amtsverwaltung Ordination voraussetzt; wegen Zulässigkeit derselben und der Versorgung Ordinierter s. S. 420 A. 3. Ebenso hängt es von der Lage des Einzelfattes ab, ob der Hilfsgeistliche einem Pfarrer oder unmittelbar dem Superintendenten untersteht. Vgl. im übri­ gen wegen Aufsicht und Disziplin S. 450 A. 64 und betreffs Urlaubs S. 512 A. 29 insbes. unter Nr. 1. Wegen der Beteiligung der Hilssgeistlichen im Gemeindekirchenrate s. KGSO. § 4 (S. 155), an der Kreissynode § 50 Nr. 2 u. 56 (S. 207 u. 217). Für Rheinland-Westfalen vgl. wegen der Hilfsgeistlichen §§ 5, 35 Abs. 6, 64 a und 74 KirchO. ]) Vgl. S. 302 Vormerk.

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Buch IV Abschn. II. Pflichten und Rechte der Geistlichen.

agende den Gottesdienst abzuhalten, die Sakramente zu verwalten und alle geistlichen Amtshandlungen zu verrichten, den Unterricht der Jugend im Christentum vorzunehmen, die ihm überwiesene Aufsicht über die Schulen zu führen und sich allen zur Seelsorge gehörenden Geschäften zu unterziehen. § 67. Er muß mit einem christlichen Wandel der Gemeinde vorleuchten und überall den Emst und die Würde eines Geistlichen wahren. § 68. Er hat die Kirchenbücher nach den darüber bestehenden Vor­ schriften zu führen, und für Die Aufbewahrung aller Bücher, Urkunden und Nachrichten, welche den Zustand und das Vermögen der Gemeinde betreffen, Sorge zu tragen. § 69. Als Vertreter der Gemeinde in den Kreis- und Provinzialsynoden soll er sowohl das Beste der ganzen Kirche, als auch besonders seiner Gemeinde immer vor Augen haben und zu befördern suchen. § 70. Für die genaue Besorgung derjenigen Verrichtungen, welche der Staat den Geisllichen, insbesondere bei Eheverhältnissen, Aufgeboten, Trau­ ungen, Taufen, Begräbnissen, Fühmng der Kirchenbücher und der aus diesen auszustellenden Zeugnisse aufträgt, ist er der Obrigkeit verantworllich. Die Zeit der Amtshandlungen ist mit Einwilligung des Pfarrers nach bllliger Anordnung des Presbyteriums zu bestimmen. § 71. Der Pfarrer darf die Grundstücke, deren Nießbrauch ihm zusteht, selbst bewirtschaften, mit schriftstellerischen Arbeiten und der Erziehung fremder Kinder, auch gegen Pension, sich beschäsligen, aber kein bürgerliches Gewerbe treiben. § 72. Wenn ein Pfarrer eine Reise zu machen beabsichtigt, die länger als drei Tage währt, so hat er davon dem Presbyterium Anzeige zu machen, und, wenn sie über sieben Tage dauert, auch dem Superintendenten. Zu einer Abwesenheit von mehr als 14 Tagen bis zu vier Wochen hat er Urlaub bei dem Superintenoenten nachzusuchen. Ein noch längerer Urlaub, der indes die Zeit von acht Wochen nicht überschreiten darf, kann nur vom Generalsuperintendenten gegeben werden. Ein Urlaub von länger als acht Wochen ist durch den Generalsuperintendenten bei dem Präsidenten des Kon­ sistoriums nachzusuchen. Die Superintendenten haben von einer Abwesenheit von höchstens 14 Tagen dem Konsistorium unter Benennung ihres Stellvertreters Anzeige zu machen; zu längerer Abwesenheit bis höchstens vier Wochen haben sie bei dem Generalsuperintendenten und zu noch längerer Abwesenheit durch den Generalsuperintendenten bei dem Präsidenten des Konsistoriums Urlaub nach­ zusuchen. § 73. Jeder Geistliche hat im Falle einer Reise für seine Vertretung zu sorgen. In welcher Weise dies geschehen ist, muß bei den Anzeigen und Urlaubs­ gesuchen jedesmal angegeben werden. § 74. Der Pfarrer, den eine langwierige Krankheit verhindert, seine

§§ 66—74 KirchO.

Gesetz 12. Mai 1873.

519

Stelle selbst zu versehen, kann auf Vertretung antragen, welche für die Zeit der Krankheit der Superintendent anordnet. Für die Entschädigung des Ver­ treters hat der Pfarrer Sorge zu tragen. Ein Pfarrer, dem ein Anspmch auf Ruhegehalt nach den allgemeinen landeskirchlichen Vorschriften nicht zusteht, behält im Falle feiner Versetzung in den Ruhestand wenigstens die Hälfte seines bisherigen Diensteinkommens.

Staatsgesetz über die kirchliche Disziplinargewalt usw. Vom 12. Mai 1873 (GS. S. 198). Bormerk: Vgl. übers. S. 495. — Das Gesetz ist später abgeändert durch die Gesetze v. 14. Juli 1880 GS. S. 285, 21. Mai 1886 das. S. 147 u. 29. April 1887 das. S. 127, was der folgende Text berücksichtigt. Jnsbes. ist der ganze Abschn. II BerusungandenStaat%, wenn es 6000 Mk. und darüber beträgt, auf 2% des durch 100 teilbaren Gesamtbetrages des Diensteinkommens78) zu bemessen ist. Der Beitrag muß in den Fällen des § 16 unter b von der Anstalt oder dem Verein selbst übernommen werden80). Der Beitrag ist für jedes Kalendervierteljahr an dessen erstem Tage fällig und portofrei einzuzahlen. Die Kirchenregierungen der beteiligten Landeskirchen sind ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Vorstand von der Erhebung eines Beittags für Geistliche im kirchlichen Dienst außerhalb Deutschlands abzusehen81). § 18. Die Bestimmungen des § 15 finden auf Militärpfarrer, sowie auf die nicht unter § 16 fallenden Geistlichen bei Straf-, Kranken- und son­ stigen Anstalten keine Anwendung. § 19. Das Ruhegehalt beträgt, wenn die Versetzung in den Ruhestand vor vollendetem 11. Dienstjahr eintritt, 20/eo und steigt mit jedem weiter

y60,

zurückgelegten Dienstjahr bis zum vollendeten 30. Dienstjahre um von da ab um V120 bis zum Höchstbetrage von ®/4 des ruhegehaltsfähigen Dienst­ einkommens (§ 22) t*2). 78) Die Höhe des Beitrages und die Ausgestaltung im einzelnen schließt sich der Regelung an, die für die früheren, durch § 15 Abs. 2 RO. aufgehobenen Pfarrbeiträge an den Pensionsfonds der altpreußischen Kirche galt. Aber der Ausdruck „Pfarrbeiträge" ist absichtlich vermieden, um hervorzuheben, daß es sich hier um eine anders geartete Abgabe handelt. Maßgebend ist für sie die Erwägung gewesen, daß die Auslandsgemeinden, Vereine und Anstalten der inneren und äußeren Mis­ sion — und diese, nicht mehr der Pfarrer stehen der Ruhegehaltskasse grundsätzlich als Zahlungspflichtige gegenüber —, an der allgemeinen kirchlichen Umlage, die den Hauptteil der Ruhegehaltskosten trägt (A. 67), nicht teilnehmen und daher für die Vorteile des Anschlusses ihres Geistlichen einen angemessenen Ersatz leisten sollen, Begr. S. 114 f. Die Entscheidung der Kirchenbehörde über die Höhe der Beiträge, die im Ver­ waltungszwangsverfahren beigetrieben werden können, unterliegt nicht dem Rechts­ wege, Art. 9 Abs. 2 StGes. (S. 689). ") Vgl. § 22, insbes. auch Nr. 5 (Wohnungswert). 80) Wie diese, so steht auch die Auslandsgemeinde grundsätzlich der Ruhegehalts­ kasse als Verpflichtete gegenüber (A. 78); der Pfarrer nur dann, wenn die Zahlungs­ verpflichtung gerade ihm durch die Vereinbarung auferlegt wird. 81) Oder den Beitrag herabzusetzen (Begr. S. 115), weil hier gegenüber der in A. 78 betonten Erwägung unter Umständen ein überwiegendes landeskirchliches Interesse in Bettacht kommen kann. Für die an die altpreußische Landeskirche ange­ schlossenen Geistlichen ist die Beittagserlassung erfolgt, vgl. GSV. 1909 II S. 371. 82) Das Diensteinkommen bemißt sich nach § 22; bei nichtversicherten Stellen ist also das behördlich festgestellte Einkommen maßgebend, ohne daß Siellenabgaben, Pfründenabgaben, Pfarrbeiträge, Witwenoktaven abgezogen werden dürfen, vgl. A. 105. Die Quotierung entspricht der Skala des staatlichen Pensionsgesetzes. Diese Bezüge, die als ausreichende Normalsätze erschienen, sind Mndestsätze; jede Landes­ kirche kann ihren Emeriten auf eigene Kosten Zuschläge dazu gewähren, Begr. anlassung in Frankreich anwesend waren. Die durch AKO. 6. Febr. 1868 bestimmte Doppelanrechnung der Seedienstzeit ist für Reliktenzwecke nicht zulässig, vgl. S. 698 A. 16. 67) Dazu tritt die von Amts wegen zu berücksichtigende Mllitärdienstzeit (Zu­ satz zu § 25), für die Nachzahlungen nicht zu leisten sind. Wegen der dem Fonds schon vor dem 1. April 1908 ungehörigen Geistlichen s. § 31. Betr. Wiederanstellung vgl. S. 661 A. 119. 68) Nicht auch nach seinem Tode auf Antrag der Witwe, WFV. 25. Okt. 1895 Nr. 316. 69) Vor allem Hilfspredigerzeit (vgl. S. 656 A. 93). Die Kirchenbehörde ist in der altpreußischen Kirche der Evang. Ober-Kirchenrat. Wegen der (für alle drei Fonds sachlich und formell einheitlich zu behandelnden) Einverständniserklärung des Vorstandes s. Erl. 5. Juni 1909 (S. 698 A. 17). 70) Abweichend von § 17 ist hier immer dieser verpflichtet. 71) Vgl. A. 28. Die übernommenen Nachzahlungen sind von dem Geistlichen auch nach dem Tode der Ehefrau fortzuleisten, WFV. 23. Nov. 1896 Nr. 579. Sie hören aber nach Eintritt in den Ruhestand auf, wenn der Geistliche weder verheiratet

§§ 25-27 WFS.

679

Der Beitrag ist für jedes nach Abs. 2 anzurechnende Dienstjahr auf 1% desjenigen Diensteinkommens72) festzusetzen," welches der Geistliche zur Zeit seines Antrages (Abs. 2) bezieht73). Der Antrag ist in den Fällen des § 15 binnen Jahresfrist nach dem Eintritt in das Amt74) in den Fällen des § 16 bei Abschluß der Vereinbamng75) zu stellen76) und muß sich auf sämtliche Dienstjahre erstrecken, deren An­ rechnung nach Abs. 2 erfolgt. Die beim Tode des Geistlichen noch nicht gezahlten Beiträge können nach Ermessen des Vorstandes bar oder durch Verrechnung auf das Witwengeld eingezogen werden. Im Falle des Todes der Witwe erstreckt sich der An­ spruch des Pfarrwitwen- und Waisenfonds nur auf die bis dahin fällig ge­ wordenen Beträge77). § 27. Für die Berechnung des Diensteinkommens der Geistlichen finden die Vorschriften des § 22 der Satzungen, betreffend die Ruhegehaltskasse für evangelische Geistliche, entsprechende Anwendung78). ist, noch Kinder unter 18 Jahren besitzt, EOK. 23. Dez. 1895 Nr. 399; vgl. auch § 17 Abs. 2. — Bei Wiederanstellung eines nicht durch ordnungsmäßige Pensionierung ausgeschiedenen Beamten erscheinen nochmalige Nachzahlungen nicht nötig, vgl. WFB. 30. Juni 1904 Nr. 412; vgl. auch S. 662 A. 119. 72) Vgl. § 27. 78) Die einmalige Festsetzung bleibt dauernd maßgebend. Wegen Ausschluß des Rechtsweges und Beitreibung s. Art. 9 Abs. 2 StGes. (S. 689); vgl. aber auch den obigen Abs. 5 Satz 1. Nachzahlungen zum Witwenfonds sind von dem auf den Amtsantritt folgenden Vierteljahrsersten zu zahlen; fällt der Amtsantritt auf einen solchen, so von diesem Tage ab, WFV. 22. Dez. 1909 Nr. 1510. Die Erhebung der Beiträge erfolgt auf Grund eines Heberegisters des Konsistoriums. Es dient zugleich als Verzeichnis aller am Fonds beteiligten Stellen (vgl. auch WFB. 17. Juli 1905). Veränderungsnachweisungen zum Heberegister sind dem Vorstande nicht mehr vorzulegen, WFV. 18. Febr. 1911 Nr. 945. Aus­ züge aus dem Heberegister erhalten a) betr. der im Amte befindlichen Geistlichen, die zur Zahlung verpflichtet sind, die Superintendenten behufs Einziehung der Bei­ träge und vierteljährlicher Überweisung der Gesamtsumme an die Bezirkskasse unter gleichzeitiger Vorlage von Lieferzetteln an das Konsistorium, b) betr. der Emeriten die Bezirkskassen behufs Einbehaltung der Beiträge von den aus der Ruhe­ gehaltskasse zu zahlenden Ruhegehältern, Anw. zu § 15. 74) Präklusivische Frist, vgl. S. 657 A. 96. 75) Vgl. § 2 WFG., im übrigen auch S. 657 A. 97. 7») Vgl. S. 657 A. 98. 77) Das Mindestwitwengeld (700 Mk.) wird durch Nachzahlungen nicht zu kürzen sein, vgl. WFV. 16. Mai 1896 Nr. 217. Waisen sind schon durch Beschluß des Verwaltungsausschusses v. 29. Nov. 1895 (WFV. 23. Juli 1896 Nr. 389) von jeglichen Nachzahlungen entbunden. Gegen Rechtsnachfolger wird ein Anspruch auf Nach­ zahlungen nicht geltend gemacht, WFV. 17. Juli 1895 Nr. 65. Vgl. auch S. 657 A. 99. 78) Diese von dem früheren Recht abweichende Bestimmung, die im Interesse der größeren Einheitlichkeit geboten erschien, gilt nunmehr selbstverständlich auch für die Geistlichen, die am 1. April 1908 dem Fonds schon angeschlossen waren. Vgl. im übrigen die Anm. zu § 22 RKS. (S. 657).

680

Buch IV Abschn. III.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

§ 28. An Stelle einer durch diese Satzungen bestimmten, den Geistlichen und Gemeinden obliegenden Leistung79) kann durch Kirchengesetz eine andere Leistung festgesetzt werden, falls dieselbe durch den Verwaltungsausschuß als gleichwertig anerkannt wird. § 29.80) Die Rechtsverhältnisse zwischen dem Pfarrwitwen- und Waisen­ fonds und denjenigen Geistlichen und Emeriten, deren ehemals bei der Allge­ meinen Witwenverpflegungsanstalt eingegangenes Versicherungsverhältnis auf den Pfarrwitwen- und Waisenfonds übergegangen ist81), sowie die Rechts”) Vgl. § 17 u. 26. 80) §§ 29—32 enthalten Übergangsvorschriften. 81) Der Übergang mit den Ansprüchen auf Pension einerseits und den Witwen­ kassenbeiträgen andererseits ist durch § 22 KGes. u. Art. 2 StGes. 15. Juli 1889 (S. 690) bewirkt. Es sind danach für die Konsistorien L i st e n der in Betracht kom­ menden Witwen (A) und der versich erten Geistlichen-(B), wie sie am 1. Okt. 1889 vorhanden waren, aufgestellt. Der rechtliche und tatsächliche Zu­ stand an diesem Tage war schlechthin maßgebend; nachträgliche Übernahme aus­ geschlossen, EOK. 16. Jan. 1891 KGBBl. S. 5. Der Geistliche verbleibt bis zu seinem Austritte bei der Anstalt. Wird bei seinen Lebzeiten das Versicherungsverhältnis gelöst, so tritt er von da ab in alle gesetzlichen Rechte und Pflichten gegenüber dem WF., Anw. zu § 26 Nr. 3. — Jene Listen müssen mit dem jeweiligen Rechts­ zustande in Übereinstimmung gehalten werden — bis zur Abwicklung aller aus ihnen hervorgehenden Verbindlichkeiten, die nach dem Reglement für die Attg. WitwenverpflAnst. (S. 584 A. 5) zu geschehen hat (insbes. auch unter Berücksichtigung des Karenzjahres bei Versicherung vor 1. Okt. 1856, vgl. auch EOK. 3. Okt. 1890 KGBBl. S. 62). Vor Anweisung neuer Witwenpensionen aus Liste B muß außer den sonsttgen Nachweisen auch der Rezepttonsschein eingereicht werden, der mit der Jahresrechnung dem WFV: vorgelegt wird. Statt des früheren Berechtigungs­ scheines erhält die Witwe eine amtliche Mitteilung, in welcher der Betrag ihrer halb­ jährlichen Hebung und der erste Fälligkeitstag anzugeben. Die Pensionen werden am 1. April und 1. Okt. im voraus gezahlt. Die Witwenkassenbeiträge der Geistlichen nach Liste B werden vierteljährlich erhoben, vgl. Art. 2 Abs. 4 Ges. 15. Juli 1889 (S. 690). Scheidet aber der Geistliche ohne ordnungsmäßige Pensionierung aus dem Amte, so tritt die frühere halbjährliche Leistung unmittelbar an die Bezirks­ kasse wieder ein. Die Verpflichtung zur Beitragsleistung dauert bis zum nächsten 1. April oder 1. Okt. nach dem Tode des versicherten Geistlichen bzw. nach Auflösung des Versicherungsverhältnisses durch Tod der versicherten Frau, Verlust des Rechts gemäß Reglement, freiwilligen Austritt. Auch in diesen Fällen ist der Rezepttons­ schein einzufordern. Bei Zahlungssäumnis kann mit Einziehung im Berwaltungszwangsverfahren (vgl. Art. 9 Abs. 1 StGes. 26. Mai 1909 - S. 689) oder mit den Mitteln des Reglements vorgegangen werden; bei den nicht durch ordnungsmäßige Pensionierung ausgeschiedenen, aber im Versicherungsverhältnis gebliebenen Geist­ lichen jedoch nur in letzterer Weise. Vgl. im übrigen, bes. wegen Führung der Listen, Anw. zu § 22. Von den auf Grund der Versicherung bei der Allgemeinen Witwenverpflegungs­ anstalt zu leistenden, auf den Pfarrwitwen- und Waisenfonds übergegangenen Witwen­ kassenbeiträgen wurden die Geistlichen und Emeriten, die auf Witwengeld verzichtet haben, schon durch Beschluß des Berwaltungsausschusses v. 17. Juni 1904 A II KGBBl. S. 32 bis zu einem gewissen Tage entbunden. Durch Beschluß v. 16. April 1913 KGBBl. S. 40 sind sie nunmehr vom 1. April 1913 ab solange gänzlich befreit, als sie ein Amt im Sinne der §§ 15,16 WKS. bekleiden oder sich im Emetttenstande befinden. Die Befreiung bezieht sich nicht auf Doppeltversicherte, Dementen, ohne

§§ 28-33 WFS.

681

Verhältnisse ihrer Hinterbliebenen regeln sich ausschließlich nach den bisherigen Vorschriften to); insbesondere bleiben die Wirkungen eines nach den bisherigen Bestimmungen ausgesprochenen Verzichts auf Witwengeld unberührt. Für diejenigen bei Inkrafttreten dieser Satzungen int Ruhestand befind­ lichen Geistlichen, denen nach den bisherigen Bestimmungen ein Anspmch gegen den Pfarrwitwen- und Waisenfonds nicht zustand»»), oder für ihre Hinterbliebenen wird auch durch die gegenwärtigen Satzungen ein Anspmch nicht begründet. § 30. Auf diejenigen Geistlichen und Emeriten, welche nach den bis­ herigen Vorschriften über den Pfarrwitwen- und Waisenfonds an diesen angeschlossen waren, ihm aber künftig nach den §§ 15, 16 dieser Satzungen nicht mehr angehören, sowie auf ihre künftigen Hinterbliebenen finden die Vorschriften dieser Satzungen Anwendung, sofern der Geistliche bereits bei Inkrafttreten dieser Satzungen in einem kirchlichen Dienst steht oder im Ruhe­ stand lebt. § 31. Für die Bemessung des Dienstalters der bei Inkrafttreten dieser Satzungen dem Pfarrwitwen- und Waisenfonds bereits angeschlossenen Geist­ lichen bewendet es bei der bisherigen Festsetzung ihres Dienstalters M). Ebenso bewendet cs hinsichtlich einer von ihnen bereits übernommenen Verpflichtung zur Leistung von Nachzahlungen unbeschadet der Vorschrift des § 6 Ziffer 4 bei den bisherigen Festsetzungen. Für die Anrechnung weiterer nach § 25 anrechnungsfähiger Dienstjahre gelten fortan die Vorschriften des § 26 Abs. 2—5. § 32. Die den Witwen und Waisen der vor Inkrafttreten dieser Satzungen verstorbenen Geistlichen und Emeriten zustehenden Ansprüche bleiben unbe­ rührt»-). § 33. Abänderungen dieser Satzungen sind nur durch übereinstimmende Kirchengesetze der beteiligten Landeskirchen zulässig86). Emeritierung aus dem Pfarramte oder einer sonstigen Stellung im Sinne des § 15 Ausgeschiedene, WFB. 17. Juni 1913 Nr. 565. “) Keinen Unterschied macht es, ob die Geistlichen auf Witwengeld verzichtet haben oder nicht, Begr. S. 147. Ersterenfalls besteht neben der Witwenpension nur der Anspmch aus Waisengeld, bei Doppelversicherung auf Pension, Mtwengeld und Waisenbezüge. Maßgebend sind aber nach § 29 die früheren Vorschriften (vgl. Loycke S. 328 A. 3). Auch die Ansprüche auf Waisengeld sind nur nach bisherigem Recht zu beurteilen; desgl. das dem Berwaltungsausschuß etwazustehende Recht einer Erhöhung oder Mndemng der Bezüge oder Witwenkassenbeiträge, Begr. S. 147. “) Es ist hier an solche Emeriten gedacht, die weder der Mgemeinen Witwenverpflegungsanstalt angehört haben, noch dem Mtwen- und Waisenfonds angehören, Begr. S. 147. “) Es handelt sich also um die vor dem 1. April 1908 angeschlossenen Geistlichen; ob im Sinne des § 15 oder 16, kommt hier anders als bei der Ruhegehaltskasse nicht in Betracht. Der früher festgestellten Menstzeit ist die Mlitärdienstzeit (§ 25 Zusatz) von Amts wegen zuzurechnen. 85) Wegen Ausgleichszuwendungen s. aber A. 21. 86) Mit Genehmigung des Staatsministeriums, Art. 6 StGes. (S. 684).

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Buch IV Abschn.

III. Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

Staatsgesetz bete. die Psarrbesoldung, das Ruhegehaltswesen und die Hinter­ bliebenenfürsorge für die Geistlichen der evangelischen Landeskirchen. Vom 26. Mai 1909 (GS. S. 113). Artikel 1. Die anliegenden Kirchengesetze: a) die Pfarrbesoldungsgesetze für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen, die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Hannover, die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz SchleswigHolstein, die evangelischen Kirchengemeinschaften des Konsistorialbezirkes Kassel, die evangelische Kirche des'Konsistorialbezirkes Wiesbaden und die evangelisch-reformierte Kirche der Provinz Hannover, b) die Ruhegehaltsordnungen für die Geistlichen der genannten Landes­ kirchen, c) die Kirchengesetze, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Geistlichen der genannten Landeskirchen, werden, soweit erforderlich, staatsgesetzlich bestätigt *). Artikel 2. Die Alterszulagekasse für evangelische Geistliche, die Ruhegehaltskasse für evangelische Geistliche und der Pfarrwitwen- und Waisenfonds werden als je ein selbständiger Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit fortan nach Maßgabe der den anliegenden Kirchengesetzen beigefügten Satzungen ver­ treten und verwaltet. Schriftliche Willenserklärungen, welche für einen der Fonds Rechte oder Verpflichtungen begründen, sind im Namen des Vorstandes von dessen Vor­ sitzenden oder seinem Stellvertreter unter Beidrückung des Amtssiegels zu unterzeichnen. Die Kassengeschäfte der drei Fonds werden durch die staatlichen Kassen unentgeltlich besorgt2). 0 Vgl. Übersicht S. 587. — Ergänzend ist auf das Ges. v. 26. Mai 1909 GS. S. 85 betr. die Bereitstellung von Mtteln zur Diensteinkommensverbessemng (sog. Mantelgesetz) hinzuweisen. Mt der Besoldungsaufbesserung der Staats­ beamten im Zusammenhang (§ 1 Nr. 3) sind durch § 7 Abs. 1 Nr. 2 o v.'l. April 1908 ab 10 Mi». Ml. und durch Abs. 2 v. 1. April 1909 ab weitere 0,5 MM. Mk. jährlich für evangelische Geistliche neu bereitgestellt. Die erstere Summe umfaßt 7,8 Mll. für die Alterszulagekasse, 1,6 Mll. für die Ruhegehaltskasse und 0,6 Mll. für den Pfarrneugründungsfonds (vgl. A. 3, 4 u. 19); die zweite Summe betrifft die in Art. 4 des obigen Gesetzes für den Pfarrwitwen- und Waisenfonds neubewMigte Summe (vgl. A. 5). 2) Vgl. S. 619 A. 64, S. 647 A. 49 u. S. 666 A. 9.

Art. 1—3 Staatsgesetz v. 26. Mai 1909.

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Artikel 3. Jedem der drei Fonds wird vom 1. April 1908 ab seitens des Staates eine dauernde Rente überwiesen, welche jährlich beträgt: a> für die Alterszulagekasse................................................ 8 050 000 9J8.3) b) für die Ruhegehaltskasse .............................................. 1600 000 „ 4)* 6 c) für den Pfarrwitwen- und Waisenfonds unter Fort­ fall der bisher staatsseitig an ihn gezahlten Beträge 1924 739 „ 5) 3) Kap. 113 Tit. 9 StHE. — Bon dieser Summe sind 250000 Mk. durch Kürzung des früheren Zuschußfonds gewonnen (A. 10). Der Rest von 7,8 Mll. Mk. mußte durch das Mantelgesetz (vgl. A. 1) neu bereitgestellt werden. Zu der Staatsrente treten wesentlich noch die Versicherungsbeiträge der Gemeinden; der ungedeckte Bedarf der Alterszulagekasse von 2 370 000 Mk. wird von den Landeskirchen aufgebracht (vgl. § 12 AKS. insbes. A. 78 u. 81 das.). Falls sich später die der Bemessung des landeskirchlichen und des staatlichen Zuschusses zur Alterszulagekasse zugrunde gelegten Unterlagen und Berechnungen als unrichtig herausstellen und aus diesem Grunde sich ein dauernder Fehlbetrag bei der Kasse ergeben sollte, hat die Staatsregierung ihre Bereitwilligkeit erllärt, eine Erhöhung der staatlichen Leistungen in Erwägung zu ziehen, vorbehaltlich der Prüfung, ob nicht auch die landeskirchlichen Beiträge zu.erhöhen sein werden (KGVBl. 1907 S. 56) Vgl. S. 680 A. 81. ") Vgl. oben Art. 9 Abs. 2, auch § 6 KGes. 15. Juli 1889. 41) Art. 3 Abs. 2-6 und Art. 4 abgedruckt S. 685f, Art. 6, 7 Abs. 2 u. 3 und Art. 8 abgedr. S. 687 f. ") Abgedr. oben. «) Wegen Art. 4 u. 5 vgl. A. 36. Art. 12 u. 13 enthalten Sondervorschriften für Hessen-Nassau.

Art. 8—12 StGes. 26. Mai 1909 (Art. 2 f. StGes. 16. Juli 1898).

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setze vom 15. März 1880 (GS. S. 216)«) und vom 15. Juli 1889 (GS. S. 139)«) sowie die dazu ergangenen Abänderungsgesetze«), ferner die Gesetze vom 2. März 1891 (GS. S. 22)«) und vom 31. März 1895 (GS. S. 95) in­ soweit außer Kraft, als sich nicht aus diesem Gesetz und den anliegenden Kirchengesetzen ein anderes ergibt47). Artikel 11. Mt der Ausführung dieses Gesetzes werden der Mnister der geistlichen Angelegenheiten und der Finanzminister beauftragt. Artikel 12. Den Vorschriften dieses Gesetzes, mit Ausnahme derjenigen des Artikels 4, wird rückwirkende Kraft vom 1. April 1908 ab beigelegt. Königlicher Verordnung bleibt vorbehalten, Kirchengesetze über die Aus­ gestaltung des Pfarrbesoldungs-, des Ruhegehaltswesens und der Hinter­ bliebenenfürsorge für die evangelischen Geistlichen des Konsistorialbezirkes Frankfurt a. M., soweit erforderlich, staatlich zu bestätigen und in Wänderung der Gesetze vom 24. März 1902 (GS. S. 41 u. 56) dieses Gesetz ganz oder zum Teil für den Konsistorialbezirk Frankfurt a. M. in Kraft zu setzen. Eine Wänderung der Königlichen Verordnung kann nur durch Gesetz erfolgen.

betr. die Sterbe- und Gnadenzeit bei Pfarrstelle«. Vom 18. Juli 1892.

(KGVBl. 1893 S. 1.)

Vormerk. Vgl. Übers. S. 684. Das Gesetz gilt für die ganze Landeskirche, nachdem es auch für Rheinl.-Wesifalen gemäß § 8 durch B. 8. März 1893 KGVBl. S. 4 in Kraft gesetzt und in Hohenzollern durch AE. 22. März 1899 das. S. 9 ein­ geführt ist. Wegen Änderung durch das PfbG. s. unten A. 2, 8, 12 u. 14. Die erforderliche staatsrechtliche Ergänzung gibt Ges. 8. März 1893 (S. 694). — Die Be­ gründung des Kirchengesetzes s. in KGVBl. 1891 S. 69.

§ 1. Wenn ein Geistlicher, welcher in einem Pfarramt einer Kirchen­ gemeinde unter Bestätigung des Kirchenregiments auf Lebenszeit angestellt 4‘) Jnsbes. haben sowohl Art. 1 Ges. 15. März 1880 betr. das Ruhegehaltswesen wie Art. 6 Ges. 15. Juli 1889 betr. Hinterbliebenenfürsorge wegen Abtretung des Ruhegehalts und der Hinterbliebenenansprüche aufgehoben werden können vgl. S. 652 A. 72 u. S. 672 A. 37, übrigens auch Schularch. 11 S. 42. “) Ges. 30. März 1892 GS. S. 35 betr. Ruhegehalt und Hinterbliebenenfür­ sorge und Ges. 31. März 1895 GS. S. 144 betr. letztere. *") Betr. die evang.-luther. Kirche von Schleswig-Holstein. *’) Vgl. insbes. Art. 3 u. 6 Ges. 15. März 1880 betr. Ruhegehalt. 44*

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Buch IV Abschn. III.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

ist, in diesem Amte verstirbt, so sind während des Sterbemonats und des darauffolgenden Monats dessen Erben, nächstdenselben sowie während einer weiteren Gnadenzeit von sechs Monaten die HinterbliebenenT) zur Fort­ setzung des Meßbrauchs der Stelle berechtigt*2).* Die Fortsetzung des Meßbrauchs erstreckt sich auch auf den Bezug der Stolgebühren8) und die dem verstorbenen Geistlichen für seine Amtszeit aus Mtteln der Gemeinde oder aus örtlichen kirchlichen Fonds bewilligten Zu­ lagen, sofern nicht bei der Bewilligung das Gegenteil festgesetzt worden ist4).* § 2. Als Hinterbliebene im Sinne dieses Gesetzes sind bezugsberechtigt, soweit sie nicht rechtmäßig enterbt sind B), die Witwe sowie die ehelichen Nach­ kommen, Stiefkinder und an Kindesstatt angenommenen Kinder des ver­ storbenen Geistlichen, welche während der Sterbe- oder Gnadenzeit berechtigt gewesen wären, ihren Unterhalt von ihm zu empfangen6). Sind bezugsberechtigte Hinterbliebene nicht vorhanden, so ist das Kon­ sistorium befugt, den Eltern, Geschwistem und Geschwisterkindern des ver­ storbenen Geistlichen, welche wegen Mangels eigener Mttel von ihm ihren Unterhalt empfangen haben, in besonderen Fällen die Gnadenzeit auf ein Vierteljahr zu gewähren. § 3. Den Hinterbliebenen7) steht der Meßbrauch gemeinschaftlich zu. Ist eine Witwe vorhanden, so gebührt ihr allein die Erhebung und — unbeschadet der Rechte der Beteiligten — die einstweilige Verfügung über die Verwendung der Bezüge. Ist eine Witwe nicht vorhanden, oder erhebt dieselbe die Bezüge nicht, so erfolgt die Erhebung durch einen gemeinsamen Vertreter. Bis die Be­ stellung eines solchen seitens der Nächstbeteiligten bewirkt ist, kann das Kon­ sistorium eine einstweilige Vertretung anordnen. In diesem Falle werden Ein­ wendungen über die Verwendung der Bezüge durch das Konsistorium ent­ schieden. § 4. Die Geschäfte der erledigten Stelle werden während der Sterbeund Gnadenzeit, sofern ihre Verwaltung nicht durch feststehende örtliche Ein­ richtungen genügend gesichert ist, nach der Bestimmung des Superintendenten !) Vgl. S. 616 A. 53 u. 64. 2) Die Nebeneinnahmen eines kirchenregimentlichen Amtes (Superintendentur> stehen ihnen nicht zu. Bett, der unter das PfbG. fallenden Stellen s. § 18 das. (S. 616). Wegen Pfändungsbeschränkung vgl. § 850 Nr. 8 ZPO, auch § 400 BGB. Betr. des Rechtsweges s. S. 689 A. 29. s) Auch eine dem Geisllichen persönlich gemäß § 54 Zivilstandsgesetz 9. März. 1874 zustehende Stolgebührenaussallsentschädigungsrente wird während der Sterbeund Gnadenzeit weitergezahlt. 4) Während des Nießbrauchs haben die Berechtigten selbstverständlich auch die Lasten der Pfründe zu tragen. °) Die Enterbung in guter Absicht fällt nicht hierunter, Schön II S. 186 A. 4. «) Vgl. §§ 1601 ff. BGB. ’) Wegen der Rechte der Erben gelten die Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Gnadenzeitsgesetz v. 18. Juli 1892.

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durch die Diözesangeistlichen und aushilfsweise durch die in der Diözese woh­ nenden Kandidaten, nötigenfalls auch durch Heranziehung von Geistlichen der Nachbardiözese mit Zustimmung des betreffenden Superintendenten, unentgeltlich versehen. Die zum Bezug der Stelleneinkünfte Berechtigten3) haben auf ihre Kosten den Vertretern Beherbergung und Beköstigung, auch die nötigen Fuhren — soweit diese nicht nach örtlichem Rechte durch andere Verpflichtete gestellt werden — zu gewähren und, falls dies nicht durch Naturalleistung geschieht, die ihnen entstandenen notwendigen Auslagen zu ersetzen. Über die Art der Leistung und den Betrag der Auslageentschädigung entscheidet in Erman­ gelung einer Einigung der Beteiligten der Superintendent. § 5. Die niederen Kirchenbeamten im Bezirke des erledigten geistlichen Amtes sind verpflichtet, zur Versehung des letzteren nach Bestimmung des Superintendenten jede ihre Stellung entsprechende Aushilfe zu leisten3). Soweit es billig erscheint, ist ihnen dafür eine vom Superintendenten fest­ zusetzende mäßige Vergütung von seiten der zum Bezüge der Stelleneinkünfte Berechtigten3) zu gewähren. § 6. Sieht sich das Konsistorium durch die Umstände veranlaßt, für die Verwaltung des erledigten geistlichen Amtes einen besonderen Vertreter am Ort zu bestellen, so ist dasselbe in Ermangelung anderer Mittel befugt, den zum Bezüge der Stelleneinkünfte Berechtigten8) die Verpflichtung aufzu­ erlegen, entweder dem Vertreter Wohnung, Beköstigung, Heizung und Licht sowie die notwendige Bedienung unentgeltlich zu gewähren oder einen an­ gemessenen Beitrag zu den Kosten der Vertretung zu leisten. Dieser Beitrag darf, abgesehen von den zu überweisenden etwa vor­ handenen Dienstaufwandsgeldern, ein Viertel des bei dem Pensionsfonds der Landeskirche10) anerkannten bisherigen Diensteinkommens nach Abzug -es Wohnüngswerts — auf die Dauer der Vertretung berechnet — nicht übersteigen. In dieses Viertel sind die Beiträge zum Pensions- und Witwenund Waisenfonds mit einzurechnenn). Trifft das Konsistorium Anordnungen über die unmittelbare Entnahme der in den Fällen W 4 bis 6 von den Nutzungsberechtigten zu leistenden Bar­ beträge aus dem Pfarreinkommen M), so sind dieselben für die Beteiligten maßgebend13). § 7. Vorstehende Bestimmungen finden, sofern nicht ein anderes mit dem Stelleninhaber oder seinem Amtsnachfolger vereinbart wird, auf die ') Vgl. für die unter das PsbG. fallenden Stellen § 18 Abs. 3 das. 9) Vgl. Anm. zu § 565 ALR. II11 (in Buch IV Abschn. IV). 10) Jetzt Ruhegehaltskasse, vgl. § 22 RKS. u) Fortgefallen. 12) Für die unter das PsbG. fallenden Stellen aus den in § 18 Abs. 1 u, 2 das. genannten Bezügen. 13) Unter Ausschluß des Rechtsweges, vgl. Art. II StGes. (S. 694).

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Buch IV Abschn. III.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

Hinterbliebenen solcher zur Zeit des Inkrafttretens der neuen Ordnung bereits fest angestellten Geistlichen, welche in ihrem gegenwärtigen Amte sterben, überall da keine Anwendung, wo die Sterbe- und Gnadenzeit zusammen nach dem bisherigen Rechte die Dauer von acht Monaten übersteigt14). Auch bleiben, falls nicht anderweite Vereinbarung stattfindet, die durch das bisherige Recht etwa begründeten Ansprüche auf eine Sterbens- und Gnadenzeit hinsichtlich eines aus der Pfründe zu leistenden Ruhegehalts zugunsten der Hinterbliebenen bereits emeritiertet oder in ihrem gegen­ wärtigen Amte künftig zur Emeritiemng gelangender Geistlichen unberührt. § 8 (regelte die Einführung in Rheinland-Westfalen, die inzwischen erfolgt ist, s. Vorm.).

Staatsgesetz betr. die Sterbe- und Gnadenzeit bei Pfarrstellen. Vom 8. März 1893 (GS. S. 21, KGVBl. S. 13). Art. I. Mt dem Inkrafttreten der Kirchengesetze, betr. die Sterbe- und Gnadenzeit bei Pfarrstellen, v. 18. Juli 1892 -------treten alle sonstigen Be­ stimmungen über die Regelung der Sterbe- und Gnadenzeit für evangelische Pfarrstellen------- mögen solche in den allgemeinen Landesgesetzen, in Pro­ vinzial- oder Lokalgesetzen oder Lokalordnungen enthalten oder durch Obser­ vanzen oder Gewohnheit begründet sein, außer Kraft. Art. II. In den Fällen der §§ 4 bis 6 des Kirchengesetzes findet gegen die Anordnungen der kirchlichen Behörden der Rechtsweg nicht statt.

Kirchengesetz betr. das Dienstalter der Geistlichen. Vom 17. April 1886 (KGVBl. S. 59). Bormerk. Vgl. S. 414 u. 588. — Das Gesetz gilt für die ganze preußische Landeskirche; in Hohenzollern eingeführt durch AE. 22. März 1899 KGVBl. S. 9. Formal maßgebend ist es heute nur noch, soweit die Frage der Anstellung von dem Dienstaller abhängt. Für die Zwecke der Aiterszulage-, der Ruhegehalls-Kasse und des Pfarrwitwen- und Waisenfonds entscheiden deren eigene Bestimmungen. Ms Grundlage derselben sind aber, wenn auch mit gewissen Besonderheiten, die Normen M) Dieser Vorbehalt gilt für die unter das PfbG. fallenden Stellen nicht mehr, vgl. S. 616 A. 52. — Nur hinsichtlich der Geisllichen, die in anderen Stellen bereits am 1. April 1893 standen und darin gestorben sind, gilt also die längere ortsrechtliche Dauer der Gnadenzeit fort (vgl. §§ 844 f. ALR. II11).

DienstalLersgesetz v. 17. April 1886.

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des Dienstaltersgesetzes nach ihrem gegenwärtigen Bestände übernommen. Damit hat dieses materiell sogar eine über die altpreußische Kirche hinausreichende Bedeutung gewonnen. Doch ist die Fortbildung des Dienstaltersrechtes für das Gebiet der drei gedachten Fonds der Landeskirche entzogen und auf die Fondsverwaltung, jede für sich (f. A. 3), übergegangen. Veränderungen des Dienstaltersgesetzes v. 17. April 1886 würden demnach nur für das der altpreußischen Landeskirche gebliebene Gebiet von Bedeutung sein, soweit nicht für jeden der Fonds von seinem Verwaltungsaus­ schusse sachlich übereinstimmende Beschlüsse gefaßt werden. Formell besteht hiernach keine Sicherheit für eine einheitliche Entwicklung des Dienstaltersrechtes; tatsächlich werden sich die beteiligten Faktoren möglichst in Übereinstimmung halten. Das be­ stehende Recht ist naturgemäß nicht durchsichtig und einfach (vgl. GSV. 1909 S. 254). Die Begründung des Gesetzes s. in KGBBl. 1885 S. 48. Vgl. auch Rieders, Das Dienstaltersrecht der evangelischen Geistlichen (Pfarrarchiv Bd. 2 S. 1).

§1. Das Dienstalter eines Geistlichenx)* 2) bestimmt sich?) durch die Dauer der Zeit, in welcher derselbe *) Das Gesetz findet auch Anwendung auf die Geistlichen einer der Landeskirche angeschlossenen deutschen evangelischen Kirchengemeinde außerhalb Deutschlands oder die für ihre Person angeschlossenen Geistlichen solcher, selbst nicht angeschlossener Gemeinden, vgl. § 10 KGes. 7. Mai 1900 (S. 86); insbes. gilt das bei Bemessung von Merszulagen, sowohl was die Anrechnungspflicht als die Anrechnungsmöglichkeit anlangt. Hinsichtlich der Ruhegehalts- und der Hinterbliebenenversorgungszwecke setzt die Anrechnungspflicht außer dem Anschluß an Ruhegehaltskasse und Pfarrwitwenfonds voraus, s. A. 3. Für die Zwecke der drei Fonds genügt jetzt Anschluß der Ge­ meinden oder der Geistlichen an irgendeine der fondsbeteiligten Landeskirchen. Die anrechnungspflichtige Dienstzeit wird um die Zeit Set Aus- und Heimreise nicht gekürzt (EOK. 28. Mai 1896 KGBBl. S. 9), noch um die Zeit eines an die Aus­ landstätigkeit sich anschließenden Urlaubs (f. A. 4). Wegen des Antrages bei fakultativer anrechnungsfähiger Dienstzeit s. A. 17. 2) Betreffs der Anstellung von Geistlichen als Staatsbeamte (Konsistorialund Regierungsräte, im Schul- und Schulaufsichtsdienst, im Strafanstaltsdienst) vgl. S. 334. 8) Unmittelbar nach diesem Gesetze nur, soweit davon die Erlangung von Pfarrstellen mit höherem Diensteinkommen abhängt, vgl. § 7 Pfarrbesetzunggesetz v. 12. März 1912 (S. 479). Mittelbar findet das Gesetz auch Anwendung für Zwecke der Pfarrbesoldung, des Ruhegehalts und der Hinterbliebenenfürsorge - vgl. § 30 AKS. (S. 633), § 20 RKS. (S. 655) u. § 25 WFS. sowie insbes. A. 63 zu letzterem (S. 677) —, soweit nicht besondere Bestimmungen in den bezüglichen Satzungen vorgesehen sind oder von den Verwaltungen der Fonds gemäß ihrer Zu­ ständigkeit (§ 6 Nr. 5 AKS., § 6 Nr. 3 RKS. u. § 6 Nr. 3 WFS.) erlassen werden. Solche Sondervorschriften enthalten für die Ruhegeh altskasse § 20 Ws. 2 u. 3 und § 21 RKS. (S. 655 f), für den Pfarrwitwen- und Waisenfonds § 26 WFS. (S. 677). Nachdem für letzteren betr. Anrechnung der Militärdienstzeit dem vorge­ nannten § 20 Abs. 2 u. 3 RKS. genau entsprechende, als Zusatz zu § 25 WFS. (S. 677) abgedrultte Bestimmungen ergangen sind, stimmen die Grundsätze für Ruhegehalts­ kasse und Pfarrwitwenfonds nunmehr voll überein, während sie sich von denen für die Pfarrbesoldung unterscheiden. Wegen gewisser Übergangsvorschriften s. § 27 RKS., § 3 RO. u. § 31 WFS. Der Anrechnung fähigkeit gegenüber muß man unterscheiden zwischen Anrechnungs Pflicht und Anrechnung Möglichkeit. Erstere bestimmt sich

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Buch IV Abschn. III.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

1. nach empfangener Ordination*) durch Berufung oder unter Bestätigung oder ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen landeskirchlichen Be­ hörde a) im geistlichen Amte einer der preußischen Landeskirche angehörigen oder einer.ihr angeschlossenen ausländischen evangelischen Kirchen­ gemeinde^), einer Militärgemeinde oder Anstaltsgemeinde, oder int Lehramte einer theologischen Lehranstalt der Landeskirche angestellt gewesen ist6); b) in einem der zu a genannten Ämter als Vertreter (Vikar7), Hilfs­ prediger 8), Hilfslehrer) verwendet worden ist; c) im Dienste von evangelischen9) Vereinen oder Anstalten für innere

nach dem obigen Gesetz durch die §§ 1 u. 2, letztere durch die §§ 3 u. 4. Schaltet man § 3 aus (vgl. A. 15), so entsprechen dem auch die Grundsätze für die Alterszulage­ kasse. Für Zwecke der Ruhegehaltskasse und des Pfarrwitwen- und Waisenfonds aber geht einmal die Anrechnungspflicht über § 2 hinaus (vgl. A. 14); andererseits besteht diese nicht im vollen Umfange des obigen § 1. Nach § 21 Abs. 1 RKS. und § 26 Abs. 1 WFS. muß nur die Zeit gerechnet werden, während welcher der Geist­ liche innerhalb einer fondsbeteiligten Kirche als Gemeindepfarrer oder Lehrer einer landeskirchlichen theologischen Lehranstalt gemäß § 15 dieser Satzungen angestellt gewesen oder als Auslandsgeistlicher (A. 3) bzw. Geistlicher im Dienste eines Vereins oder einer Anstalt der inneren oder äußeren Mssion gemäß § 16 RKS. u. WFS. dem Fonds angeschlossen ist. Für die übrige anrechnungsfähige Dienstzeit (vgl. ins­ besondere Nr. 1 b, aber auch 1 c und Nr. 2 a u. b des obigen § 1) besteht ebenso wie für die der obigen § 4 nur eine Anrechnungsmöglichkeit; sie kann auf Antrag des Geistlichen von der Kirchenbehörde im Einvernehmen mit den Vorständen der frag­ lichen Fonds zugesagt werden (vgl. § 21 Abs. 2 RKS. u. § 26 Abs. 2 WFS.), s. des näheren hierüber A. 17. 4) Die Ordination, die nur für ein bestimmtes Amt erteilt wird (s. S. 420), ist im Zusammenhang mit dem sich anschließenden Dienstantritt als Anfang der Dienst­ zeit anzusehen; die demnächst außer Dienst oder in nicht anrechnungsfähiger Stellung zugebrachte Zeit muß, abgesehen von der gesetzlichen Leistung des Militärdienstes und von Beurlaubungen (vgl. auchA. 1), bei Berechnung des Dienstalters außer Betracht bleiben, EOK. 17. Febr. 1888 Nr. 784. Durch Bedingung kann bei Urlaubserteilung die Anrechnung nicht ausgeschlossen werden, vgl. MdgA. 13. Juni 1896 ZBl. S. 581. 5) Vgl. A. 1. ®) Die in einem dieser Ämter innerhalb einer preußischen Landeskirche zuge­ brachte Zeit wird bei späterer Anstellung in einer anderen preußischen Landeskirche für die Zwecke der AK., der RK. und des WF. schon auf Grund des § 1 Nr. 1, nicht erst gemäß § 4 angerechnet, vgl. ben in A. 17 zit. Erl. v. 5. Juni 1909. 7) Auch Synodal- und Provinzialvikare, nicht aber Lehrvikare. *) Die Hilfspredigerzeit ist für die Zwecke der RK. und des WF. abweichend von obiger Vorschrift nur fakultativ anrechenbar, vgl. A. 3 und wegen des Antrages auf Anrechnung A. 17. 9) Daher, was natürlich auch bei bloßer Anrechnungsmöglichkeit (A. 2) gilt, nicht für Geistliche eines nichtkonfessionellen Krankenhauses (z. B. des Vaterländischen Frauenvereins), wohl aber für Tätigkeit im Dienste von Pastoralhilfsgesellschaften, Gustav-Adolfs-Vereinen, Evangelischen Bund, vgl. Meders S. 11.

Dienstaltersgesetz v. 17: April 1886.

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oder äußere Mission oder für sonstige Zwecke christlicher Liebestätigkeit gestanden hat10); 2. vor oder nach der Ordination vom vollendeten 25. Lebensjahre ab inner­ halb Preußens a) in einem kirchenregimentlichen Amte oder in einem öffentlichen Schulamte n) fest angestellt12) war; b) als Lehrer an einer evangelisch-theologischen Lehranstalt des Staates tätig gewesen ist, mit der Maßgabe, daß auf die Stellung als Privat­ dozent nicht mehr als fünf Jahre angerechnet werden dürfen. Für die zur Zeit des Erscheinens dieses Gesetzes13) in der Landeskirche angestellten Geistlichen wird die Zeit, während welcher sie in einer anderen deutschen evangelischen Kirchengemeinschaft als Geistliche angestellt gewesen sind, ihrer Dienstzeit zugerechnet, soweit sie nicht auf die Anrechnung aus­ drücklich verzichtet haben. § 2. Die Zeit, während welcher ein ordinierter Geistlicher zum Militär­ dienst eingezogen wird, kommt bei Feststellung des kirchlichen Dienstalters mit in Anrechnung"). § 3. Die Zeit, welche ein Geistlicher im Aufträge des Evang. OberKirchenrates int kirchlichen Dienste bei einer evangelischen Gemeinde außer­ halb Deutschlands zugebracht hat, kann, soweit es sich um Gewährung eines bestimmten Diensteinkommens1B) handelt, nach dem Ermessen dieser Behörde bis zum doppelten Betrage in Anrechnung gebracht werden, wenn die be­ treffende Tätigkeit eine besonders anstrengende oder gesundheitsgefährdende gewesen ist. In betreff der Frage, inwieweit die Dienstzeit von Mlitärgeistlichen bei den 10) Für Zwecke der RK. und des WF. ist, soweit die Geistlichen nicht an diese gemäß § 16 Satz, angeschlossen, abweichend von obiger Bestimmung der Dienst nur fakultativ anrechenbar, vgl. A. 3 und wegen des Antrags auf Anrechnung A. 17. u) Wso auch als Zivilgouverneur einer Kadettenanstalt, wenn der Geistliche als solcher fest angestellt war, EOK. 19. März 1879 KGBBl. S. 84. 12) Also nur bei fester Anstellung im öffentlichen Schulamte innerhalb der in A. 3 gedachten Grenzen Rechtsanspruch auf Anrechnung, EOK. 30. Jan. 1909 I 298. Bloß kommissarische Tätigkeit im öffentlichen Schuldienste ist nicht anrechnungsfähig, auch nicht gemäß § 4 Nr. 2 mit Genehmigung des Evang. Ober-Kirchenrats; des­ gleichen nicht die Tätigkeit an einer Privatschule, EOK. 20. Nov. 1909 I 4796. — Ausländischer Schuldienst ist nur, wenn er sich zugleich als Staats- oder Kirchendienst darstellt, gemäß § 4 Nr. 3 sakultattv anrechenbar, EOK. 18. April 1887 KGBBl. S. 93. “) 15. Mai 1886. M) Für Zwecke der RK. und des WF. wird auch die vor der Ordination liegende Militärdienstzeit unter gewissen Voraussetzungen anrechnungsfähig und zwar anrechnungspflichtig, vgl. § 20 Abs. 2 u. 3 RKS. (S. 655) und Zusatz zu §25 WFS. (S. 677). “) d. h. nur für die Erlangung eines bestimmten Diensteinkommens bei der Anstellung (S. 479 § 7), nicht für Alterszulagen oder Ruhegehalt, vgl. Begr. S. 51, EOK. 15. Mai 1886 Nr. 2102, 28. Dez. 1908 I 6925 u. 24. März 1909 I 839.

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Buch IV Abschn. III.

Die wirtschaftliche Stellung der Geistlichen.

Anstellung im Zivilpfarramt16) doppelt zu berechnen ist, verbleibt es bei den bestehenden Bestimmungen. § 4. Dem Evang. Ober-Kirchenrat wird vorbehalten, Bestimmung zu treffen, ob und inwieweit einem Geistlichen auch diejenige Zeit auf sein Dienstalter in Anrechnung zu bringen ist17), welche derselbe früher zuge­ bracht hat. 1. in einer der zu § 1 bezeichneten Stellungen vor seiner Ordination, oder ohne vorgängige ausdrückliche Genehmigung der zuständigen kirchlichen Aufsichtsbehörde18); ie) Vgl. § 7 Pfarrbesetzungsgesetz (S. 479); nicht für das Ruhegehalt (Begr. S. 51), noch für die Hinterbliebenenversorgung, EOK. 7. Sept. 1898 Nr. 6355. Auch die durch AKO. 6. Febr. 1868 gewährte doppelte Anrechnung der Zeit des wirllichen Seedienstes ist von vornherein nur auf den Zweck der Erlangung eines Zivilpfarr­ amtes beschränkt gewesen, EOK. 29. Juni 1912 I 1696. 17) Dem Ober-Kirchenrate soll dadurch die Möglichkeit gewahrt bleiben, „im kirchlichen Interesse eine billige Berücksichtigung der Verhältnisse im weitesten Um­ fange für den Einzelfall eintreten zulassen", Begr. S. 51. Für Zwecke der AK. und RK. sowie des WF. bedarf es außerdem der Zustimmung der Fondsvorstände, vgl. S. 633 A. 127, § 21 Abs. 2 RKS. (S. 656) und § 26 Abs. 2 WFS. (S. 678). Daß für Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung die Anrechnung wie nach §4 so zum Teil auch nach § 1 des obigen Gesetzes nur eine fakultative ist, war schon in A. 3 dar­ zulegen. In allen diesen Fällen kann die Kirchenbehörde also im Einvernehmen mit dem Vorstande der RK. bzw. des WF. die Anrechnung auf den an eine Frist gebundenen Antrag des Geisllichen genehmigen, wenn dieser für die Zeit Beiträge zu jenem Fonds übernimmt, vgl. § 21 Abs. 2 RKS. u. § 26 Abs. 2 WFS. und ins­ besondere wegen der Frist für die Anträge, die sich auf die ganze anrechnungsfähige Zeit erstrecken müssen, je Abs. 4. Im Interesse einheitlicher Behandlung haben sich die Vorstände der drei Fonds entschlossen, mit Anrechnung von Dienstjahren, die nicht ohne weiteres für die Zwecke eines Fonds zu berücksichtigen sind, nur dann sich einverstanden zu erllären, wenn 1. die Anrechnung, soweit es nach den gesetzlichen Bestimmungen möglich ist, für alle beteiligten Kassen gleichmäßig erfolgt, und wenn 2. die Anrechnung seitens der Kirchenbehörde für die Zwecke aller beteiligten Kassen unter der Bedingung genehmigt wird, daß sämtliche gesetzliche Nachzahlungen geleistet werden. Für jede der auf Grund des obigen § 4 anzurechnenden Zeiten ist anzugeben, ob der Geistliche sich in seiner früheren Tätigkeit bewährt hat, und ob aus seinem persönlichen Verhältnisse Gründe für die Anrechnung geltend zu machen sind, namentlich in der Richtung, daß die Anrechnung einen billigen Ausgleich gegenüber Geistlichen gleichen Lebens­ alters schaffen würde. Für die Anträge der Konsistorien ist unter Vorschrift eines bestimmten Formulars das Verfahren im Einverständnis mit dem Evang. OberKirchenrate geordnet, Erl. der drei Fondsvorstände v/ 5. Juni 1909 AK. 191, KR. 181, WF. 57 (EOK. 21. Juni 1909 I 2861) u. WFB. 21. Oft. 1909 Nr. 1216; vgl. aber S. 657 A. 97. Soweit es sich nur um Anrechnung von Dienstalter behufs Erlangung einer Pfarrstelle höheren Einkommens handelt, die allein Sache der landeskirchlichen Behörde geblieben ist, gilt dies Verfahren und gilt die Frist­ beschränkung für den Antrag natürlich nicht. Die gedachte Begründung ist aber auch in diesem Falle nötig, vgl. EOK. 5. Jan. 1905 Nr. 6400. ") Bei fakultativer Anrechnung von Hilfspredigerzeit wird von einer vor der zweiten Prüfung liegenden Zeit grundsätzlich abzusehen sein, EOK. 29. Sept. 1908 I 5351 Das Gleiche gilt wohl von der Zeit vor vollendetem 25. Lebensjahre (sofern

Dienstattersgesetz v. 17. April 1886.

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2. int Dienste des Staats 19)z des Königlichen Hauses20) oder einer ittlmv dischen öffentlichen Korporation ^); 3. in einem Amte des Reichs, eines anderen Staates **) oder einer andern Kirchengemeinschaftö). § 5. Me diesem Kirchengesetz entgegenstehenden Bestimmungen treten außer Kraft. diese nicht infolge Dispenses vom kanonischen Mer anrechnungspflichtig). Auch wird für die Anrechnung sehr kurzer, gar nur nach Wochen oder Tagen zählender Tätigkeit ein Bedürfnis im allgemeinen nicht anzuerkennen sein, vgl. Rieders S. 9. Gelegentliche Vertretungen und Unterstützungen, insbesondere auch seitens eines pensionierten Geistlichen, können nicht in Betracht kommen. Unter dem Gesichtspuntte einer Hilfspredigerwirksamkeit kann auch Gemeindehelferdienst eines nicht ordinierten Geistlichen Berücksichtigung finden, dagegen nicht Tätigkeit als freier Evangelist. Unwürdige amtliche oder außeramtliche Führung als Hilfsgeistlicherschließt Anrechnung aus; wenn sich der Anrechnungsantrag auf Tätigkeit bezieht, während welcher der Geistliche ausweislich der Atten zu Tadel und disziplinären Maßnahmen Anlaß gegeben hat, sind mit Äußerung hierüber (in Spalte 4 des A. 17 gedachten Formulars) auch die Personalatten vorzulegen, EOK. 27. März 1911 I 668. Rach § 4 Nr. 1 erscheint die frühere Wirksamkeit als Geistlicher der inneren Mission (8 1 Nr. 1 e) auch im Dienste ausländischer Vereine anrechnungsfähig. Wenn aber Rieders S. 12 f. dazu neigt, auch den früheren Missionsdienst von gemäß § 13 KGes. 15. Aug. 1898 (S. 449) übernommenen Missionaren für anrechnungsfähig zu erachten, so wird dem entgegenstehen, daß diese damals noch nicht Geistliche im Sinne des Dienstaltersgesetzes waren. 19) Preußischer Staatsbeamtendienst vom 25. Lebensjahre ab. 20) Also nicht in Häusern anderer deutscher Bundesfürsten (als Erzieher). Prin­ zessinnen des Königl. Hauses scheiden durch Vermählung aus. 21) So des Provinzialverbandes. 22) z. B. als Privatdozenten einer nichtpreußischen oder auch nichtdeutschen Universität. 23) So der Brüdergemeinde, ferner insbes. nichtpreußischer deutscher Landes­ kirchen, auch nichtangeschlossener deutscher evangelischer Kirchengemeinden (vgl. GSB. 1909 II S. 372), auch im Kirchendienste nichtdeutscher Staaten, desgl. der katholischen Kirche. Wegen ausländischen Schuldienstes s. A. 12.

Vierter Abschnitt.

Die nichtgeistlichen Kirchenbeamten. 1. Allgemein. Übersicht. Unter den nichtgeistttchen *) Kirchenbeamten kennt das evangelische Kirchenrecht in erster Linie die Küster, Kantoren und Organisten. Ihre Ämter, häufig in eins zusammengefaßt, sind eine allgemeine Einrichtung auch in der preußischen Landesttrche*2).3 Für einzelne größere Kirchengemeinden, übrigens auch weitere Selbstverwaltungsverbände, hat sich das besondere Bedürfnis ergeben, zur Verwaltung bestimmter Geschäfte noch andere Be­ amte anzustellen, als Rendanten2), Kirchhofsinspektoren usw. Neben Be­ amten, deren Aufgabe eine Vorbildung bureaumäßiger, wissenschaftlicher oder technischer Art erfordert4), kommen auch die niederen Kirchendiener in Be­ tracht, die vorwiegend mechanische Verrichtungen zu erfüllen haben, so Kirchen­ diener im engsten Wortsinne; Kirchenhüter, Boten, Glöckner, Balgentreter, Leichenbitter, Totengräber °) usw. Sie sind vielfach als Beamte angestellt, x) So § 138 KirchO., sonst auch weltliche (RessV. 27. Juni 1845 § 1), untere (Ges. 16. Juni 1909 GS. S. 489), niedere (§ 21 KGSO.) genannt, -) § 550 ALR. II 11 (S. 710), § 138 KirchO. (S. 326). 3) Wegen der Kirchenkassenrendanten s. § 24 KGSO. (S. 176), § 16 KirchO.