Preußens deutsche Politik und ihre Gegner: Geschrieben Ausgangs September 1849 [Reprint 2018 ed.] 9783111496399, 9783111130200


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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Erstes Kapitel. Die Partei. Der verschiedene Standpunkt
Zweites Kapitel. Geschichtlicher Rückblick. Der Wendepunkt
Drittes Kapitel. Die beiden Wege Die feststehenden Voraussetzungen
Viertes Kapitel. Weitere geschichtliche Entwickelung. Das bisherige Ergebniß
Fünftes Kapitel. Der deutsche Bund. Das Verhältniß zu Oesterreich
Sechstes Kapitel. Die Gegner
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Preußens deutsche Politik und ihre Gegner: Geschrieben Ausgangs September 1849 [Reprint 2018 ed.]
 9783111496399, 9783111130200

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Preußens deutsche Politik und

ihre Gegner.

Bon

L. E. Mathis, Wirkt. Geh. Ober-Regier.-Rath.

Geschrieben Ausgangs September 1849.

Berlin, 1849. Verlag von G. Ne im er.

Borwort. ^^er Verfasser ist veranlaßt gewesen, in einigen poli­ tischen Vereinen über die Preußische Politik in der deutschen Sache zu sprechen. Er hat überdies im Mai, Juni und August dieses Jahres über eben diesen Gegenstand in der Neuen Preußischen Zeitung einen Meinungskampf geführt, dabei aber, weil er dem befreundeten Gegner auf den von ihm gewählten Boden folgen mußte, zu einer zusammenhan­ genden Entwickelung seiner Anficht keine Gelegenheit gehabt. Außerdem schien es ihm nicht ungeeignet, denjenigen ein Bild über den Gang der Preußischen Politik vor die Augen zu bringen, welchen die Zeit gemangelt hat, aus den veröffent­ lichten Actenstücken fich ein solches zu entwerfen. Dies find die Gründe, welche den Verfasser vermocht haben, diese Blätter dem Druck zu übergeben, denen er, um der Sache willen, von der fie handeln, eine wohlwollende Aufnahme wünscht. Berlin, den 4. Lctober 1849. Der Verfasser.

Inhalt. Seite.

Erstes Kapitel. Die Partei. Der verschiedene Standpunkt.... 1 Zweites Kapitel. Geschichtlicher Rückblick. Der Wendepunkt ... 6 Drittes Kapitel. Die beiden Wege Die feststehenden Voraussetzungen. 11 Viertes Kapitel. Weitere geschichtliche Entwickelung. Das bisherige Ergebniß.................................................................................................. 20

Fünftes Kapitel. Der deutsche Bund. Das Verhältniß zu Oesterreich. 35 Sechstes Kapitel. Die Gegner.............................................................. 56

Erstes Kapitel.

Die Partei. Der verschiedene Standpunkt.

Deutschland ringt nach Einigung und diejenigen, die den Bau aufrichten sollen, werfen sich die Bausteine an die Köpfe. Wir tragen mir erst die Steine zusammen, und schon beginnt der Kampf nicht nur der Parteien, sondern die großen Parteien spal­ ten sich in sich selbst, und trennen sich in kämpfende Heerlager. Von der Partei der Anarchie reden wir nicht, sie, die sich nach der constitutionellen Monarchie heiser schrie, um sobald ihr Aussicht auf Erfüllung wurde, nach der Republik zu verlangen, und die, wenn ein Unstern sie ihr zuwürfe, ein Proudhon'scheS Utopien fordern würde, sie, die selber nur so lange einig ist alS es nicht an die Theilung geht, kommt überall und deshalb auch in dieser großen Angelegenheit, nur unter dem Gesichtspunkt eines zu fesselnden Elementes in Betracht. Unter den Gegnern der Anarchie fehlt über die deutsche Einigkeit alle Einigkeit. Diejeni­ gen, welche Jahrzehnte in allen großen Fragen mit einander ge­ gangen, scheiden sich, und eS hat das Ansehn, als ob der Hohn, der den Bau des deutschen Reiches mit dem Thurmbau von Ba­ bel verglichen, fragen könne, ob die Zeit noch weit sei, da Keiner des andern Sprache vernehme. Die Ruhe ist aus der Besprechung gewichen, die Leidenschaft führt das Wort. „Deutschschwärmerei", 1

-------- 2 -------„Stockpreußenthum", „demokratisches Gelüste", „absolutistische Sehn­ sucht", „Concessionsbereite Feigheit", „verknöcherte Stillstandspoli­ tik", das sind die Argumente, die man sich zuwirft. Wort in der Sache hat Stahl gesprochen.

Ein ruhiges

Er prüft mit klarem

Auge und scharfem Blick den Weg, den die Preußische Regierung im Gegensatz gegen Frankfurt eingeschlagen, und im Einzelnen den Drei-Königö-Entwurf.

Er erkennt jenen Weg als den richtigen,

das projectirte Verhältniß eines deutschen Reiches gegenüber Oester­ reich in seiner heutigen Lage als das mit Nothwendigkeit gebotene, den Bundesstaat für die unerläßliche Form des zu Schaffenden, ein Directorium für unzureichend, und mit allen in der Zeit lie­ genden Vordersätzen unverträglich; Gegner des drei

er hat sich — was mancher

Königs-Entwurfs,

seiner

ausreichend

lauten

Stimme ungeachtet, nicht gethan, — die Mühe einer genauen und wirklich eingehenden Vergleichung der Frankfurter Verfassung und des Drei-Königs-Entwurfs gegeben und er ist nicht undankbar für die zahlreichen und tief eingreifenden Verschiedenheiten des letzte­ ren von dem ersteren.

Das ist ein Standpunkt, der zum Tadel

das Recht giebt, es ist der besonnener Prüfung, nicht der, von dem aus, um eines für verwerflich oder für eine Phrase erklärten Grundrechtes willen, jede weitere Prüfung für unnöthig erachtet, und das Ganze an die Seite gewettert wird.

Stahl erhebt gegen

wesentliche Punkte des Drei-Königs-Entwurfs sehr treffende und schwer wiegende Bedenken, und wenn wir auch nicht allen zustim­ men, so können wir doch nur wünschen, daß sie an allen Orten, wo aus das Werk eine Einwirkung noch möglich ist, die ernsteste Er­ wägung finden.

Der Stahlschen Schrift geht es wie jedem ru­

higen Wort im Sturm, es wird nicht gehört, und wo es nicht überhört ist, da nimmt sich ein Jeder daraus nur das, was ihm, nach seinem Parteistandpnnkt zusagt.

Der gründliche Vertheidiger

des Bundesstaats, also der breiten Grenzlinie für die Parteien in der Frage, muß die Argumente liefern, für den, welcher den Bundesstaat als eine Absurdität, als den Schlund alles Verder-

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benS bezeichnet. Und dennoch hat Stahl dem Bundesstaats-Feinde jedes Wort aus der Seele geschrieben. „Ich bin ganz Deiner Meinung, aber gerade entgegengesetzter." Könnten wir der Partei, welche nicht auf den breitesten Grund­ lagen, aber auf neuer, auf wahrhaft constitutioneller Grundlage in ächt conservativem, das ist in dem durch Erneuerung erhalten­ den Geiste, die großen Verhältnisse des öffentlichen Lebens gebaut und geordnet wissen will, könnten wir dieser Partei, zu der wir uns mit voller Seele bekennen, eins mit überzeugender Kraft in dasHerz reden, so wäre eS das, daß sie die deutsche Frage, so hochwichtig sie ist, nicht zu einem scheidenden Banner in ihrer Mitte erhebe. Die deutsche Frage bietet für einen Preußen so mannichfache Standpunkte, und gewinnt, von diesen Standpunkten aus ein so verschiedenes Ansehn, daß es sehr gefährlich ist, sie zum Prüfstein für die Partei-Stellung zu machen. Nicht als ob dem Einzelnen ein Schwanken gestattet wäre, daß wir nicht schwan­ ken, zeigen dem, der sie eines Blickes würdigt, diese Blätter, aber man verketzere sich nicht gegenseitig, man halte das fest, was zu­ sammenbindet, nicht das, was trennt, jenes ist das Höhere, man rufe sich nicht zu, ziehe Du dorthin, ich ziehe dahin. Ist eS mög­ lich, und so weit es möglich ist, muß eS geschehen, ist eS möglich, so mache man aus der deutschen Frage in der Partei eine offene Frage. Dem Gange gegenüber, welchen in der deutschen Sache die Preußische Regierung eingeschlagen hat, läßt sich ein ganz ver­ schiedener Standpunkt einnehmen. Der eine ist der staatsrecht­ licher Critik deö Verfassungs-Entwurfs, welchen die Preußische Regierung und die mit ihr verbundenen Regierungen als eine Grundlage für die Erörterung mit der Volksvertretung auf­ gestellt haben. Dies ist der Standpunkt freier, ungehemmter, ob­ jectiver Beurtheilung. Er fragt nicht nach dem Möglichen, son­ dern nach dem Besten. Das Ideal hält er sich vor, und nimmt davon den Maaßstab, den er an das Gegebene legt, danach lobt 1*

-------und tadelt er.

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Dabei kann man ganz voraussetzungs, und rück­

sichtslos verfahren, von allem vorausgegangenen und den bewe­ genden Kräften der Zeit absehen.

Der Standpunkt hat an sich

seine Berechtigung, wenn gleich er es zu einer fruchtbaren Erör­ terung kaum bringen wird. Eins aber wird er sich versagen müs­ sen, den Tadel derjenigen, die das, was er mißbilligt, gethan oder vorgeschlagen haben, denn von Menschen und

deshalb auch von

den Regierenden ist nur das Mögliche, nicht daS absolut Beste zu fordern.

Man kann aber auch ohne diesen Standpunkt selbst

zu verlassen, einige von den wesentlichsten Hauptvordersätzen als nothwendig anzuerkennende zugeben, und das unter solchen Vor­ aussetzungen absolut Beste suchen, ohne nach der ganzen Summe der Vorbedingungen, ohne nach den Schwierigkeiten und Hinder­ nissen zu fragen, die es der Regierung unmöglich gemacht haben könnten, ein ihr nach allen Seiten hin wünschenswerthes Ziel zu erreichen.

Dieser Standpunkt ist um so berechtigter, je schwieriger

es ist, zu übersehen, welche Wege der Regierung offen und welche verschränkt waren. Dies, wie es uns scheint, ist der Gesichtspunkt, von welchem die Stahl'sche Schrift ausgeht.

Von diesem aus

kann man klagen, daß das Ziel nicht erreicht sei, aber der Regie­ rung nicht vorwerfen, daß sie davon noch entfernt geblieben. Von solchem Vorwurfe hält sich die Stahl'sche Schrift, aus welcher auf jeder Seite ein ernster Sinn für eine gerechte Würdigung des Gegenstandes wohlthuend entgegentritt, ganz frei. Ob alle schon im Juni dieses Jahres erkennbaren Momente mit ihrem ganzen Gewichte bei der Beurtheilung in die Rechnung gebracht worden sind, lassen wir dahin gestellt. Der Empfindung haben wir uns nicht erwehren können, als ob der Umstand, daß acht und zwanzig Regierungen, welche die Frankfurter Verfassung vollständig und unbedingt anerkannt hatten, der Beitritt zu einer andern Verfassung zugemuthet werden mußte, daß ihnen der Beitritt zu dieser andern nicht schlechthin unmöglich zu machen war, daß die verlangte Wandelung deS Entschlusses

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nicht so stark sein durste, um ihnen im In- und AnSlande Alles, und bei einigen das letzte moralische Ansehn zu nehmen — als ob dieser Umstand nicht sein volles Recht bei der Beurtheilung erhalten hätte.

Gleiches möchte von einem andern gelten.

Rücksichten zu denen

die

eigene Verfassung Preußens

scheinen uns nicht genug erkannt.

Die

nöthigte,

ES werden Punkte des Drei

Königs-Entwurfs angegriffen, die sich fast ganz gleichlautend in der Verfassung vom 5. December v. I. finden. dadurch

bedenklichen

Grundsätzen

Nicht alS ob

ein Freibrief gegeben werden

solle, aber von der Preußischen Regierung kann nicht

verlangt

oder mit Billigkeit erwartet werden, daß sie für Deutschland ent­ gegengesetztes in Vorschlag bringe, als sie für das eigene Land wenig Monate zuvor zu octroyiren sich bewogen gefunden. Diese, wie es uns scheint, billige Rücksicht haben wir vermißt.

Bei sol­

chen Punkten muß die Heilung von der Volksvertretung ausgehen, und wer dabei mitzuwirken haben wird, der wird alle Kraft gegen daS was noch beseitigt werden muß, zu richten haben. Aber wir thun der Stahlschen Schrift mit diesen Bemerkun­ gen wohl Unrecht, sie beurtheilt vorzugsweise was geschehen, we­ niger was geschehen konnte, wenn gleich sie auch dies nicht ganz außer Betracht läßt.

Ihr Standpunkt liegt in der Mitte zwischen

dem rücksichtsloser wissenschaftlicher Critik und dem politischen. Dieser stellt sich die Frage, nicht ob das Beste geschaffen oder eingeleitet worden, sondern ob die Regierung wohl gethan habe, den eingeschlagenen Weg zu gehen, nicht ob sie auf diesem daS absolut Beste, sondern ob sie das relativ Beste, daS nach allen Voraussetzungen, nach allen obwaltenden Umständen Mögliche er­ reicht habe.

Keiner dieser Standpunkte schließt den andern auS,

sie ergänzen sich; sie sind innerlich berechtigt, der rein wissenschaft­ lich kritische aber nicht zum Tadel, daß das, was er nicht loben kann,

geschehen, der politische

aber überhaupt nicht zum Tadel,

wenn er bestehende Verhältnisse und nicht wegzuleugnende That­ sachen ignorirt.

6

Zweites Kapitel.

Geschichtlicher Rückblick. Der Wendepunkt.

Für den politischen Standpunkt der Beurtheilung, von dem wesentlich diese Blätter ausgehen, ist erst in der letzten Zeit der Blick freier geworden. Die Vorlagen, welche die Regierung den Kammern gemacht hat und die mündlichen Erläuterungen, von welchen sie begleitet worden, zeigen mit großer Klarheit den Stand der Sache, und die Stellung, welche die Regierung zu ihr einnimmt; sie eröffnen zugleich einen Blick in die zahllosen Schwie­ rigkeiten und Hemmnisse, mit denen die Preußische Regierung zu kämpfen gehabt hat, und noch zu kämpfen haben wird. Schwer­ lich sind jemals diplomatische Verhandlungen über zum Theil schwebende Fragen mit größerer Offenheit und Rückhaltlosigkeit einer Landesvertretung vorgelegt worden; in Deutschland ist der Fall der erste; Preußen ist auch hierin vorangegangen, und wenn eS fortan als ein Recht der Nation angesehen wird, daß ihr die Politik ihrer Regierung kein Geheimniß bleibe, so ist in diesem ersten Falle dies Recht in einem Umfange gewährt worden, der jede Nachrede zum Schweigen bringt. Die Regierung konnte offen heraustreten, sie hat, die Vorlagen beweisen eS, in der That, auch in dieser Sache, wie ihr Vertreter in der zweiten Kammer mit vollem Rechte sagte, das Tageslicht nicht zu scheuen. Wir müssen, ehe wir zu einer Betrachtung über das aus den Verhandlungen sich ergebende Resultat gelangen, den Wendepunkt für die Preußische Politik in dieser Sache in das Auge fassen, und dabei Bekanntes in Erinnerung rufen. Der Wendepunkt fällt in den April d. I.

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7 -----------

Am 3. April d. I. hatte die Frankfurter Deputation bei dem Könige Audienz gehabt, und ihm die Kaiserkrone der Paulskirche angeboten, die Krone, welche sich, ihrer Bestimmung gemäß, in die consularischen FasceS der Republik verwandelt haben würde, sobald ein aus dem

radikalsten

Wahlgesetze

hervorgegangenes

Reichs-

Parlament durch dreimaligen Beschluß das Kaiserliche Schein-Veto hinweggehaucht hätte.

Der König hatte das Danaer Geschenk,

für das ihm nicht mehr und nicht weniger als seine Preußische Krone abgefordert wurde, nicht angenommen, und in einer für den Unbefangenen verständlichen Weise ausgesprochen, daß er we­ der mit der ihm angewiesenen Stellung, noch mit der beschlossenen Verfassung

einverstanden sei.

Hatte der König

die angebliche

Krone nicht sofort unumwunden zurückgewiesen, so war dies, wie die Königliche Antwort und die Folge gezeigt hat, deshalb nicht geschehen, weil der König seine Deutschen Mitfürsten der Pauls­ kirche gegenüber als eine Einheit betrachtete, deren Gesammtbeschluß er, wie fest auch sein eigener Wille stehen mochte, nicht vorgreifen wollte.

Möglich daß auch eine schonende Rücksicht auf die Mit­

glieder der Deputation und die für die Wiedergeburt eines deut­ schen Kaiserthums aufschlagenden Sympathieen auf die milde und wohlwollende Form der zureichend deutlichen Antwort nicht ohne Einfluß geblieben ist. Man hat von dem eigenthümlichen Miasma gesprochen, das während der Paulskirchenversammlung in dieser und

in Frankfurt geherrscht habe,

und so viel ist gewiß, daß

manche strenge Beurtheilung sich mildert, wenn die von allen Sei­ ten fortgesetzt zuströmenden,

sinnverwirrenden Einflüsse

werden, denen die Paulskirche ausgesetzt

war.

erwogen

Die Geschichte

wird es aber als das sprechendste Belagstück für die Wirkung dieses Miasma's verzeichnen,

daß

die

Königliche

Antwort

die

Frankfurter Deputation unerwartet überraschte, und bis zu dem Grade verstimmte, daß sie von Meinnngsgenoffen nur mit Mühe von sofortiger Abreise und einer schweren Verletzung des gewöhn­ lichsten Anstandes zurückgehalten werden konnte.

Dieser Moment

-------- 8 ----------war eö, in den gewiß in wohlgemeinter Absicht heißblütig einge­ griffen wurde, um einen für unheilvoll erachteten offenen Bruch zu hindern.

Die zweite Kammer ließ sich wenig Stunden nach

der Audienz zu einer Demonstration bewegen.

Sie erkannte die

Dringlichkeit eines Antrages an, nach welchem eine Commission zum Entwurf einer Adresse an den König ernannt werden sollte, und motivirt war der Antrag dadurch, daß die von dem Ministe, rium angerathene Antwort, mit den auf die Annahme der Frank­ furter Kaiserkrone gerichteten Tags vorher geäußerten Wünschen der Kammer nicht im Einklänge stehe, und das deutsche Vaterland den größten Gefahren Preis zu geben drohe. Inzwischen war schon an eben diesem Tage eine Circularnote an die bei sämmtlichen deutschen Regierungen accreditirten Gesandschaften abgegangen.

Der König hatte in seiner Antwort an die

Deputation gesagt, er sei bereit durch die That zu beweisen, daß diejenigen sich nicht geirrt hätten, welche ihre Zuversicht auf seine Hingebung, auf seine Treue, auf seine Liebe zum gemeinsamen deutschen Vaterlande stützten. Beweis.

Die

Beschleunigung

lieferte

den

Die Note erklärte, daß der König bereit sei, an die

Spitze Deutschlands zu treten, daß aber daran festgehalten werden müsse, daß die Verfassung nur im Wege der Vereinbarung festge­ stellt werden und die getroffene Wahl nur durch das freie Einverständniß der Regierungen zur Rechtsgültigkeit gelangen könne. Zur Vermeidung selbst deS Scheins eines indirecten Zwanges sei auch nicht eine Annahme unter Vorbehalt des nachfolgenden Ein­ verständnisses der Regierungen geschehen. Lag also in dem Hemmniß, welches

dem ungeduldigen Drängen entgegengesetzt wurde,

eine Veranlassung zur Verstimmung, so verschmähet« es Preußen diese von sich auf andere abzulenken.

In der Note wurde ferner

der Entschluß des Königs erklärt, an die Spitze eines deutschen Bundesstaats zu treten, der aus denjenigen Staaten sich bilde, welche demselben Die

Regierungen

aus

freien

wurden

zu

Stücken

sich. anschließen

Erklärungen

über

den

möchten. zu

bil-

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btnbett Bundesstaat, über das Verhältniß der Beitretenden zur Versammlung in Frankfurt und über das Verhältniß zu den Nichtbeitretenden aufgefordert.

Ohne Verzug in Frankfurt zu bestellende

Bevollmächtigte sollten die Erklärungen abgeben, und daS Werk der Vereinbarung über nehmen.

die Verfassung unverzüglich

in Angriff

In vierzehn Tagen werde eine definitive Entscheidung

abgegeben werden können. Diese am 4. April der zweiten Kammer eröffnete Note hatte die Wirkung, daß am 5. die Kammer beschloß keine Adresse zu erlassen, nachdem alle Anträge auf einen die Schritte der Regie­ rung mißbilligenden Uebergang zur Tagesordnung gefallen waren. Man hat, wie die Ministerial-Erklärung vom 23. August d. I., mit welcher den Kammern die Vorlagen übergeben wurden, zeigt, damals die Hoffnung gehabt, eine Einigung unter der Mehrzahl der deutschen Regierungen über die Verfassung zu erzielen und an die Möglichkeit geglaubt, daß die Frankfurter Versammlung selbst sich zu einem Parlgment des engeren Bundesstaats umbilden und mit diesem Parlamente die Verfassung deS Bundesstaats sich bil­ den lassen werde. Aber schon nach wenigen Tagen wurde dieser Weg für den weiteren Fortgang der Sache unmöglich.

Die National-Versamm-

lung in Frankfurt brach am 11. April d. I. mit dem Rechtsgrunde, auf dem sie ruhte, sie riß sich von dem Princip der Vereinbarung loö, faßte den Beschluß, an der einmal aufgestellten Verfassung unverbrüchlich festzuhalten, und erklärte sich damit verfassunggebend souverain. Auch nach einer anderen Seite hin wurde schränkt.

der Weg ver­

Die Bevollmächtigten von 28 Bundesstaaten hatten in

einer Collectiv-Note vom 14. April d. I. die Erklärung abgege­ ben, daß auch ihre Regierungen die Frankfurter Verfassung, unter der Voraussetzung anerkennten,

daß

sie

für

ganz Deutschland

Geltung erhalte. Ob diese Erklärung nicht mehr durch Schein als Realität zu imponiren bestimmt war, bleibt bei der Bedeutung

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jener Voraussetzung und dem Hinblick auf die mächtigeren BundeSgenoffen dahin gestellt.

Der nahe liegende Zweck, die Gäh-

rung nicht zum Ausbruch kommen zu lassen, ist wenigstens in Baden nicht erreicht worden.

Die größeren deutschen Staaten

hatten erklärt, daß sie sich den Frankfurter Beschlüssen und einem deutschen Kaiser nicht unterwerfen würden. Zwischen unbedingter Annahme der Frankfurter Verfassung und ihrer gänzlichen Ablehnung

war hiernach nur zu wählen.

Die Wahl konnte nicht zweifelhaft sein.

Am 21. April d. I., an

dem Tage, an welchem die vierzehntägige Frist abgelaufen war, erklärte daö Ministerium in der zweiten Kammer, die Vereinigung aller deutschen Regierungen in einen Bundesstaat finde für jetzt in bekannten Verhältnissen

ein unübersteigliches Hinderniß, die

Preußische Regierung werde sich nicht abhalten lassen, ihre Bestre­ bungen auf die Bildung eines engeren Bundesstaates zu richten, die unbedingte Annahme der Frankfurter Verfassung könne von dem Ministerium dem Könige nicht empfohlen werden, da die von der Preußischen und von anderen Regierungen gegen die Fassung erster Lesung gezogenen Erinnerungen gänzlich unberücksichtigt ge­ blieben, und bei der zweiten Lesung überdies höchst nachtheilige Abänderungen beschlossen seien.

Von dem Princip der Verein­

barung werde nun und niemals abgewichen werden. Die Kammer antwortete darauf in derselben Sitzung durch Annahme deö Rodbertus'schen Antrags: „daß sie die von der Deutschen National-Versammlung voll­ endete Verfassung, so wie sie nach zweimaliger Lesung be­ schlossen worden, als rechtsgültig anerkenne, und die Ueber­ zeugung hege, daß eine Abänderung derselben nur auf dem von der Verfassung selbst vorgesehenen Wege zulässig sei." Die Regierung antwortete der Kammer durch ihre, wenig Tage darauf, am 27. April d. I., ausgesprochene, auch anderweit zureichend verwirkte Auflösung.

Daö Land hat der Regierung

mit unzweideutigem Danke geantwortet.



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Am folgenden Tage wurde von der Regierung in einem Er­ laß an den Bevollmächtigten in Frankfurt (Nr. 2. der den Kam­ mern vorgelegten Verhandlungen) die Ablehnung der Kaiserwürde, und der Verfassung in ihrer dermaligen Gestalt erklärt.

Drittes Kapitel. Die beiden Wege. Die feststehenden Voraussetzungen.

Dies war die Lage der Sache Ausgangs April d. I. Die Verfassungs-Arbeit der National-Versammlung war zu einem ver­ derblichen Werke geworden, von der Preußischen Regierung und allen größeren in Deutschland, da das Vereinbarungs-Princip von der Paulskirche verleugnet war, verworfen. Der bis dahin beschrittene Weg war gänzlich verschlossen. Nun konnte von zweien eins geschehen. Entweder die Preußische Regierung begnügte sich mit dem Bewußtsein, daß sie, an dem Scheitern der Sache schuld­ los mit Uneigennützigkeit, Bereitwilligkeit zu Opfern und mit großer Treue den beschrittenen Weg bis an feine äußerste Grenze gegangen sei, und überließ es der Zeit und den der Lenkung sich entziehenden Ereignissen, wie die Deutschen Verhältnisse sich ent» oder verwickelten, und ob ein günstigerer Moment für die Wieder­ aufnahme der großen Sache beschieden sein werde; oder die Preu­ ßische Regierung nahm ihrerseits das Werk selbst kräftig in die Hand und brach für seine Durchführung eine neue Bahn. Die Preu­ ßische Regierung hat das letztere gethan. Es fehlt in der conservativen Partei nicht an Stimmen, die das erstere für das ange­ messenere erklären. Ihr Standpunkt ist sehr begreiflich. Zweck und Ziel ist Deutschland nach außen einheitlich stark und mächtig, nach innen einheitlich entwicklungsfähig zu machen, und eS einer solchen Entwickelung zuzuführen. Beides finden sie in Preußen

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vollständig gegeben; eS ist stark nach außen, und zur inneren Ent­ wickelung liegen die Elemente in ihm selber, eS bedarf fremder nicht. Soll Preußen sich auf etwas einlassen, das ihnen den Charakter eineö Erperimentes und eines bedenklichen trägt, auf etwas einlassen, das jedenfalls Opfer fordert, und die durch Jahr­ hunderte gewachsene, theuer gewordene Eigenthümlichkeit Preußens verändert? Die Empfindungen, aus denen diese Anschauung her­ vorgeht, verdienen die höchste Achtung, sie selbst ist eine unrich­ tige. Sie kann für Oesterreich in Oesterreich festgehalten werden, nicht für Preußen in Preußen. Preußen steht — einige polnische Distrikte abgerechnet, — in allen seinen Landestheilen mit Deutsch­ land in der engsten Gemeinschaft, Deutschlands Pulsschläge sind Preußens Pulsschläge, sie schlagen und stocken gemeinsam. Die Kraft deö einen erhöht die deS andern, die Krankheit des einen theilt sich dem andern mit. Deutschland liegt nicht außer, eS liegt zum Theil in uns; der Aufruhr, wenn er in Deutschland losbricht, ist — wie in der zweiten Kammer mit Grund gesagt worden — nicht vor unserer Thür, er ist im eigenen Hause. Ein wahres Bedürfniß für Deutschland ist ein solches auch für uns, wenn gleich ein mittelbares, doch ein sehr nahes. Eine Neuge, staltung für Deutschland ist aber ein sehr dringendes Bedürfniß. Denjenigen, welche sich auf den engeren Preußischen Standpunkt stellen, fehlt die Vorstellung von der Kraft, mit welcher das Be­ dürfniß einer Wiedergeburt Deutschlands sich außerhalb Preußens in allen Schichten geltend macht. Die Empfindung einer großen Nation und einem kleinen Ländchen anzugehören, das weder nach außen vertreten, noch in Absonderung nach innen gefördert wer­ den kann, in dem die Souverainetät zu einem Scheinbilde verzerrt wird und die Verhältnisse der gxoßen Staaten eine an die Carrikatur heranstreifende Nachahmung finden, mit dem lastenden Aufwande eineö Staats-Ministeriums für eine mäßige LandrathSVerwaltung — diese Empfindung hat sich bis zur Unerträglich­ keit gesteigert. Hinzutritt, daß die Vertretung der gemeinsamen In-

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Kressen Deutschlands seit 1815 die öffentliche Meinung für sich ju gewinnen nie vermocht hat.

Sehr bekannte ungünstige, großentheilS

in der ursprünglichen Formation liegende Verhältnisse hatten den Bundestag zu einer rein negativen Wirksamkeit herabgedrückt. war schwach und schwerbeweglich nach außen und innen.

Er Mag

man über den Grund oder Ungrund der gegen ihn gerichteten Vorwürfe streiten, über die Thatsache seiner Verurtheilung in der öffentlichen Meinung kann nicht gestritten werden.

Mannichfache

sehr verschiedene Interessen und Richtungen sind der Hebel für die revolutionairen Bewegungen deö Frühjahrs 1848 in Deutschland gewesen, den Brennpunkt aber fanden sie in dem Gedanken der Neugestaltung Deutschlands,

das war der,

welcher wahr oder

hinterhältig in den Vordergrund geschoben, nach allen Seiten hin die zündende Kraft hatte.

Wir wissen wohl, daß zureichend Un­

gesundes sich an das Verlangen Deutscher Wiedergeburt gehängt, und Falsches sich dahinter versteckt hat, eS würde aber eine schwere und sich selbst strafende Ungerechtigkeit sein, wenn man den ge­ sunden Kern, wenn man die tiefe Berechtigung des Verlangens nach einem einigen und starken Deutschland verkennen, und es als Deutschschwärmerei, als Nationalitäts-Schwindel, als revolutionaires Gelüste mißachten wollte.

Die Lüge ist kraftloser Dunst, eine

Macht hat sie nur, insofern als sie eine Wahrheit mißbrauchend um­ hüllt, dann übt sie eine betäubende, fortreißende Kraft auf die Völker, nnd wird nur dadurch überwunden, daß man die verdun­ kelt in ihr verborgene Wahrheit zu Licht und Ehren bringt.

Die

Revolution in Deutschland kann mit den Waffen niedergeschlagen, aber sie kann dauernd anders nicht gefesselt und zu Boden gehalten werden, alS bis die öffentlichen Gesammtverhältniffe für Deutschland geordnet, und in einer Weise geordnet sind, wie es, nicht träumerischer Sehnsucht, nicht verbrecherischer Leidenschaft, sondern wie es den be­ sonnenen und wohlbegründeten Ansprüchen der Nation genügt. Die alte Ordnung der Dinge in Deutschland, wie sie über dreißig Jahre bestanden, ist gefallen, und eine neue muß aufgerichtet werden.

DaS Gefühl, daß der Moment dazu da fei, daß er ungenutzt nicht vorüber gehen dürfe, daß er in dieser Weise, in der eine fried­ liche Lösung noch möglich, schwerlich wiederkehre, ist, darüber täusche man sich nicht, ein ganz allgemeines. Käme der Tag, an dem eS klar wäre, daß die Regierungen, daß vor allem die Preu­ ßische Regierung, auf welche die Augen hoffend gerichtet sind, selbst derer, die es schmähen, von diesem Werke ihre Hand zu­ rückzögen, er würde Ereignisse bescheinen, von welchen wir, in der Zuversicht, daß jener Tag nicht kommen werde, den Blick abwen­ den wollen. Aber das mögen sich die, welche von Deutschland absehend, sich auf Preußen zurückziehen klar machen, zusam­ mengegliedert wie beide sind, werden jene Ereignisse nicht vor den Preußischen Grenzadlern Halt machen. Wir können ihnen muth- und kraftvoll entgegen sehen, wenn wir ihnen mehr alö die Kraft eines tapfern und treuen Heeres und seiner Bajonette, wenn wir ihnen die Kraft eines guten Gewissens entgegen zu setzen haben, die Kraft des vor aller Welt bethätigten Bewußt­ seins, daß Preußen bis auf den letzten Augenblick und bis an die letzte Grenze des Möglichen das ©einige gethan habe, um Deutsch­ land zu dem ersehnten Ziele zu führen, und vor dem hereingebro­ chenen Unheil zu schützen. Das halte man fest, es handelt sich nicht um verächtliche Concessionen an eine verächtliche Demokratie, an eine freche Drohung mit der Revolution, eS handelt sich um eine Concession an eine große, ernste und nüchtern erkannte Wahr­ heit, um Concession an eine gerechte Forderung, und eine solche Concession hat nichts gemein mit der schwächlichen Feigheit mit der man sich von dem Feinde, den zu bekämpfen man den Beruf hat, auf kurze Zeit loskauft, sie ist die ehrenhafte Erfüllung einer nicht zu verleugnenden Pflicht.

Wenn nun Preußen Ausgangs April d. I. die ernste und heilige Pflicht erkannte, Deutschland nicht sich selber und den her-

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einbrechenden Stürmen Preis zu geben, sondern mit starker Hand und festem Willen leitend einzugreifen, so war die erste Frage, welche Ausgangspunkte für den weiteren Gang in der Sache als nothwendig feststehend zu betrachten seien, denn eine nach allen Seiten hin freie Bahn war nicht mehr vorhanden.

Es ist wohl

gerathen, sich dies klar gegenwärtig zu halten, ehe man an das Meistern und Tadeln des innegehaltenen Weges geht. Dergleichen feststehende Punkte waren mehrere: 1. Der Bundesstaat im Gegensatz zu dem Staaten-Bunde als nothwendige Form für die zu schließende Vereinigung. Der Staaten-Bund hat seine mehr als dreißigjährige Probe nicht bestanden.

Er hat, mag man über die Gründe und über

die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit bestimmter Anklagen streiten, die Thatsache ist nicht zu leugnen, er hat für seine Form die Ach­ tung und das Vertrauen der Nation verscherzt.

Eine Ordnung

der Dinge aber, der Achtung und Vertrauen nicht stützend entge­ genkommt, kann und wird Grund ist der.

keine Wurzel

haben.

Ein fernerer

Sämmliche deutsche Staaten sind in der Ent­

wickelung und dem Ausbau constitutioneller Staatsform begriffen; die Festsetzung und Leitung der gemeinsamen Bestimmungen und Anordnungen kann deshalb keine autokratische sein; ein neben dem obersten Bundes-Organ stehendes Parlament ist deshalb, ganz abgesehen von der Stimmung der Völker, ein mit Nothwendigkeit anzuerkennendes Postulat.

Für den Staaten-Bund ist die kolle­

giale Form des obersten Organs die einzig gegebene.

Die kolle­

giale Führung der Executive und die kollegiale Theilnahme an der Legislative kann aber neben einem Gesammt-Parlament nicht bestehen.

Rasche Entscheidung ist neben einem solchen unerläßli­

ches Erforderniß.

Wie ist aber in einem Gesandten - Collegium

der deutschen Fürsten

eine rasche Entscheidung möglich? Wollen

die Machtgeber nicht von den Bevollmächtigten regiert werden, so können diese nur auf eingezogene Instructionen beschließen.

Der­

gleichen Instructionen sind, da eö fast ohne Ausnahme vorgängi-

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ger Communicationen der instruirenden Regierungen unter einan­ der bedarf, nnr nach oft vielen Monaten zu beschaffen.

Eine

solche Geschäftsführung ist neben einem Parlamente unausführbar. Nun steht die Sache so: die Nothwendigkeit konstitutioneller Staats­ form für die verschiedenen deutschen Lande ist nicht wegzuleugnen, daraus folgt die Nothwendigkeit eines Gesammt-Parlamentes bei dem obersten Bundes-Organ; daraus wieder die Nothwendigkeit, daß dies oberste Bundes-Organ keine kollegiale Form habe, son­ dern in einer einheitlichen Spitze bestehe; daraus endlich die Un­ möglichkeit eines Staaten - Bundes, der keine einheitliche Spitze duldet, sondern nur mit der kollegialen Form des obersten Bundes-Organs verträglich und denkbar ist.

Sollen also die deutschen

Verfassungsverhältnisse geordnet werden, so ist dies nur in der Form des Bundes-Staats möglich. In dem Vorstehenden liegt, beiläufig bemerkt, gleichzeitig der Nachweis, daß in dem Bundesstaate die oberste Spitze kein aus mehreren Fürsten oder deren Bevollmächtigten bestehendes Direkto­ rium sein kann. Endlich aber ist der Bundesstaat von der Krone Preußen wiederholt und feierlichst verheißen worden, am 18. März v. I. und zwar vor dem Straßen-Aufruhr, in der bekannten Note vom 23. Januar d. I., in der Note vom 3. April, vom 4. April und am 21. desselben Monats in den Kammern.

Wenn der Bundes­

staat auch nicht die allein mögliche Form gewesen wäre, wer hätte, als es Ausgangs April c., auf die Entscheidung ankam, der Re­ gierung zumuthen wollen, von so feierlichen Verheißungen plötzlich zurückzutreten? 2.

Oesterreich kann in den Bundesstaat nicht eintreten, ein

nahe bindendes und einigendes Verhältniß zwischen Oesterreich und dem Bundesstaate ist ein dringendes Erforderniß, für ein solches Verhältniß muß die Form gesunden werden. Nichts ist ungerechter als die zum Ueberdruß wiederholte Be­ hauptung,

Oesterreich

werde

aus

Deutschland

herausgedrängt.

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Oesterreich hat sich selbst von Deutschland losgelöst. Nach der Wiener Schluß-Akte vom 15. Mai 1820 ist, bei Vermeidung der Bundes-Erecution, jedes Bundes-Mitglied verpflichtet, die BundesBeschlüffe in seinen deutschen Landen sofort zur Ausführung zu bringen. Dieses oberste Bundes - Gesetz, das gleichmäßig eine Grund-Bedingung jedeö Bundesstaats, wie jedes Staaten-BundeS ist, zu erfüllen, hat Oesterreich sich selbst unmöglich gemacht. Durch seine Verfassung vom 4. März d. I. hat Oesterreich seine deut­ schen Lande mit seinen außerdeutschen in die engste Verbindung und zwar dahin gebracht, daß auch in den deutschen Landen nur zur Geltung kommen kann, was mit Zustimmung des Oesterreichi­ schen Gesammt-Parlamentes beschlossen ist. Auch wenn noch heute die Bundesverfassung ungeändert wie im Jahre 1847 bestände, würde Oesterreich durch seine Constitution sich von der Theilnahme an dem eigentlichen Wesen des Bundes ausgeschlossen haben. Von dem letztern besteht zwischen Oesterreich und den übrigen deutschen Staaten nichts mehr als das wechselseitige Schutz- und Trutzbündniß, nach innen und außen. Von jeder Theilnahme an allen den Bestimmungen, welche das eigentliche Wesen des auf den Ur­ kunden von 1815 und 1820 beruhenden Staaten - Bundes aus­ machen, hat Oesterreich sichausgeschlossen. Man hat behauptet, Preußen müsse abwarten, ob Oesterreich seine Verfassung nicht modificiren werde. Der milde Ausdruck einer Modification ist übel gewählt, das Aufgeben des obersten Grundsatzes, des Grund­ satzes in welchem allein die zusammenschließende Kraft für die Länder des Kaiserstaates liegt, ist nichts anders als die Zurücknahme der ganzen Verfassung. Oesterreich bricht rücksichtslos sein Ver­ hältniß zu Deutschland, — ob genöthigt oder nicht bleibt dahin gestellt, in den Worten soll deshalb auch kein Vorwurf liegen — und von preußischer Politik verlangen Preußen, daß sie mitten im Sturm der Ereignisse demüthig abwarte, ob es Oesterreich eines TagS gefällig sein werde, zu erklären, daß eS ihm mit der Ver­ fassung kein Ernst gewesen! Man hat weiter behauptet, Preußen 2

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führe den projectirten Bundesstaat mit Unrecht auf das im Art. XI. der BundeS-Acte verliehene Recht der Bündnisse zurück, wenn Oesterreich ein Bundesbruch vorgehalten werde, so sei ein solcher in jenem preußischen Projekte nicht minder zu finden.

Es kann

davon abgesehen werden, daß jener Artikel schlechthin Bündnisse aller Art gestattet, welche nicht gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten gerichtet sind, der Kern der Sache liegt ganz wo anders, er liegt darin, daß die vertragsmäßige Bundesverfassung — nicht der Bund selbst, so weit er ohne diese Kraft und Bedeutung hat — unter Oesterreichs Einverständniß im vorigen Jahre zu Grunde gegangen ist, und Oesterreich sich in diesem Jahre unmöglich gemacht hat, in ein dem früheren auch nur ähnliches Staaten-Bundesverhältniß zu treten; daß da­ mit Preußen Recht und Pflicht überkommen hat, für eine neue Verfassung die Einleitungen zu treffen, und daß ihm Schranken der untergegangenen Verfassung bei diesen Einleitungen und Vorschlägen nicht entgegengestellt werden können.

Der Satz ist

eben so einleuchtend als leicht zu finden, und es hätte billig nicht erst zu dem haltlosen Vorwurfe kommen

sollen.

Wir behalten

uns vor, unten umständlicher auf diesen Punkt zurückzukommen. Anerkannt aber wird vollkommen, daß ein sehr nahes Ver­ hältniß zwischen Oesterreich und dem Bundesstaate in hohem Grade wünschenswerth ist. sen übereinstimmend

Geschichte und eng verknüpfte Interessen wei­ darauf

hin.

Möglich ist dies

Verhältniß

nur in der Form eines Staatenbundes, jedoch um der Stellung willen, die sich Oesterreich gegeben, in anderem Sinne, als in dem, welchen der deutsche Bund hatte. mal',

welches

diesen

von

Das wesentlichste Merk­

andern Verträgen

zwischen

einzelnen

Mächten unterschied, war daß das oberste gemeinsame Organ Be­ schlüsse von legislativer Kraft für die inneren Zustände der Ein­ zelstaaten fassen konnte; das Verhältniß zwischen Oesterreich und dem Bundesstaate wird ein Organ mit solcher Befugniß nicht zu­ lassen, sondern specielle Verträge werde» die gegenseitigen Bezie-

Hungen ordnen müssen und ein gemeinsames Organ wird nur vereinbartes ausführen, nicht aber selbstständig Festsetzungen treffen können. Preußen ist auf diesem Wege Oesterreich so weit als irgend möglich entgegengekommen, und wenn Bedenken erhoben werden können, so möchten sie sich wohl ehe dagegen richten, daß Preußen zu weit, als daß es nicht weit genug gegangen sei. 3. Ein weiter feststehender Punkt war der, daß die in Frank­ furt berathene und beschlossene Verfassung bei den weiteren Erör­ terungen zu einer Grundlage dienen müsse. Hierin war allerdings eine gleichviel ob durch Verschulden oder Nichtverschulden, jedenfalls durch eine Kette von Ereignissen, die sich der festen Leitung ent­ zogen hatten, herbeigeführte Ungunst der Verhältnisse zu erkennen. Die Preußische Regierung hatte nicht mehr ganz freie Hand. Sie hatte, in der vollen Erkenntniß der Nothwendigkeit, daß über­ haupt etwas zu Stande komme, die aus der ersten Lesung in Frankfurt hervorgegangene Verfassung nicht gänzlich abgelehnt, sie hatte ihr Bedenken nur gegen einzelne Punkte gerichtet, und da­ mit einschließlich die übrigen für nicht bedenklich erachtet. Aber mehr noch band eine andre Rücksicht. Acht und zwanzig Regie­ rungen, aus der Zahl derer, mit welchen Preußen in den Bun­ desstaat treten wollte, hatten die Frankfurter Verfassung auch in ihrer zweiten Lesung uneingeschränkt anerkannt. Ihnen durfte, wie schon Eingangs bemerkt, der Eintritt in den Bundesstaat durch Adoption wesentlich anderer Grundlagen nicht geradehin unmöglich gemacht werden. 4. Endlich war ein nach allen bisherigen Erklärungen fest­ stehender und auch festzuhaltender Punkt der, daß das Werk das freiester Entschließung von allen Seiten sein müsse, daß die Ma­ jorität die Minorität nicht binden, die Minorität die Majorität nicht hindern dürfe. Nur was aus freier Uebereinstimmung her­ vorgehe, trage die Gewähr der Dauer in sich.

Viertes Kapitel.

Weitere geschichtliche Entwickelung. Das bisherige Ergebniß.

Preußen hatte, als es am 28. April d. I. die angetragene Kaiserwürde ablehnte, die unabweisliche Nothwendigkeit erkannt, das deutsche Verfassungswerk selbstständig in die leitende Hand zu nehmen. Ihm war dabei ein anderer Weg nicht möglich als der, welcher von den Grundlagen ausging, die wir im vorigen Kapitel als mit Nothwendigkeit feststehende bezeichnet haben, gleich­ viel ob für andere eine größere Zweckmäßigkeit und Ersprießlich­ keit in Anspruch genommen wird; der engere Bundesstaat, das Unionsverhältniß mit Oesterreich, die eingreifender Abänderung zu unterwerfende Frankfurter Verfassung als Grundlage, Freiheit der Fürsten und der Volksvertretung bei dem Bau des Werkes. An demselben Tage, an welchem die angebliche Krone in einer Note an den Gesandten in Frankfurt entschieden zurückge­ wiesen wurde, am 28. April, wurden sämmtliche deutsche Regie­ rungen durch eine Circnlarnote aufgefordert, zur Berathung über die Verfassungs-Angelegenheit Bevollmächtigte nach Berlin zu sen­ den. In dieser Note wurde die Nothwendigkeit entschieden aner­ kannt, für die Einigung und Kräftigung Deutschlands zu sorgen; die Zusicherung ertheilt, daß Preußen, seines Berufs eingedenk sein werde, schirmend einzutreten, wenn die Haltung der Frank­ furter Versammlung Stürme hervorrufen sollte; die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Kraft der Revolution nur gebrochen wer­ den könne, wenn sie keinen Vorwand finde, die Gemüther der Bessern zu täuschen; die Absicht erklärt, wenn die letzte schwache Hoffnung einer Einigung mit der Frankfurter Versammlung auf-

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gegeben werden müsse, der Nation eine Verfassung darzubieten, deren Entwurf die Arbeit der National-Versammlung wieder auf. zunehmen, die zerstörenden Elemente zu beseitigen, jedenfalls von der Errichtung einer einheitlichen und kräftigen Erecutiv - Gewalt und einer National-Vertretung in zwei Häusern mit legislativen Rechten auszugehen haben werde. Zur Revision dieser Verfassung würden dann die beiden Häuser eines Reichstags zu berufen sein. Schon wenig Tage nach dieser Aufforderung zeigten sich die Stürme auf welche diese Note hingewiesen hatte. brach in Dresden der helle Aufruhr los.

Am 3. Mai

Das bewegende Ele­

ment war die blutrothe Republik, aber für sie wären die Massen nicht zu bewegen gewesen, sie sog ihre Kraft nur aus dem die letztern

durchdringenden

Deutschlands.

Verlangen

nach

einer

Neugestaltung

Der Kern Wahrheit wurde die Kraft der Lüge.

Preußen hat sein Wort in der Note vom 28. April gelöst, es hat den treuen und tapfern Sächsischen Truppen brüderlich und kräftig zur Seite gestanden, am 9. Mai war der Aufruhr gefesselt. An denselben Tagen, an denen in Sachsen die Empörung nieder­ geschlagen wurde, kam es in der Rhein-Provinz, in Crefeld, in Neuß, in Elberfeld, in Iserlohn, in Düsseldorf zu Aufruhrversuchen, denen die Ablehnung der Kaiserwürde theils zum Grunde, theils zum Vorwände diente. Die National-Versammlung schürte hier und überall wo ähn­ liche Erscheinungen hervortraten das Feuer durch Beschlüsse, welche das Volk zur „Durchführung der Reichsverfassung" aufforderten, und ging in knabenhaftem Uebermuth so weit die Preußische Hülfe in Sachsen für einen schweren Bruch des Reichsfriedens zu er­ klären.

Gegen den Hochverrath und Aufruhr gab es kein abmah­

nendes Wort; die Centralgewalt bemühete sich ihre September­ thaten vergessen zu lassen und sendete Reichscommissare in das Land, welche sic so trefflich zu wählen verstand daß unter andern der berüchtigte Eisenstuck in der Pfalz „die Leitung der Bewegung" mit unschuldiger Offenheit für seinen Auftrag erklärte.

Preußen

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rief, so wie jene hochverrätherischen

Beschlüsse der Frankfurter

Versammlung bekannt wurden, am 14. Mai, seine Abgeordneten zurück.

Wir gedenken nicht der Restversammlung bei ihrer land­

streicherischen Auswanderung das Geleite zu geben.

Mittlerweile

war in der Pfalz und in Baden die Saat aufgegangen; die Pfalz war im Aufstand, in Rastatt und Lörrach wurden die Offiziere theils ermordet, theils vertrieben, die Republik wurde ausgerufen. So war die Lage der Dinge, als Tags nach der Abrufnng der Preußischen Abgeordneten, am 15. Mai, der König das Volk in die Waffen rief. In diesem Aufrufe sagte der König, daß und weshalb er die Krone abgelehnt, daß er sich vergeblich bemüht die Frankfurter Versammlung auf den Standpunkt des Mandats und des Rechts zurückzuführen; in ihr herrsche jetzt eine Partei, die im Bunde stehe mit den Menschen deö Schreckens, welche die Einheit Deutschlands zum Vorwände nähmen, in der Wahrheit aber den Kamps der Gottlosigkeit, des Eidbruches und der Raub­ sucht gegen die Throne entzündeten, um mit ihnen den Schutz des Rechtes, der Freiheit und des Eigenthums umzustürzen. Während durch solchen in Thaten hervorgebrochenen Frevel die Hoffnung zerstört worden, durch die Frankfurter Versammlung die Einheit Deutschlands erreicht zu sehen, habe der König in Königlicher Treue und Beharrlichkeit nicht daran verzweifelt.

Mit den Be­

vollmächtigten der größeren deutschen Staaten, welche sich dem Könige angeschlossen, sei das Werk der deutschen Verfassung wie­ der, aufgenommen.

Die Verfassung werde in kürzester Frist der

Nation gewähren, was sie mit Recht verlange: ihre Einheit, dar­ gestellt durch eine einheitliche Erecutiv-Gewalt, die nach außen den Namen und die Interessen Deutschlands würdig und kräftig ver­ trete, und ihre Freiheit, gesichert durch eine Volksvertretung mit legislativer Befugniß.

Diejenigen Punkte in der Reichsverfassung

die dem wahren Wohle des Vaterlands entschieden nachtheilig ge­ wesen, seien verändert worden.

Einem Reichstage sei Prüfung

und Zustimmung vorbehalten.

Nur Wahnsinn oder Lüge könne

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23 --------

solchen Thatsachen gegenüber die Behauptung wagen, daß der König seiner früheren Ueberzeugung und seinen Zusicherungen un­ treu geworden. Preußen sei berufen in so schwerer Zeit Deutsch­ land gegen innere und äußere Feinde zu schirmen. Deshalb rufe der König schon jetzt sein Volk in die Waffen; diesem Rufe werde die alte Preußische Treue, werde der alte Ruhm der Preußischen Waffen entsprechen. „Steht," so schloß der Aufruf, „steht mein Volk zu mir, wie Ich zu ihm in Treue und Vertrauen einträchtig, so wird uns Gottes Segen und damit ein herrlicher Sieg nicht fehlen." Mit welchem Geiste das Volk auf diesen Ruf gekommen, mit welcher Kraft, Hingebung, Treue und Selbstverleugnung in der Baierischen Pfalz und in Baden die erbetene Rettung gebracht worden, das wird die Geschichte unvergeffen lassen, wenn auch Baierische Thronreden und Adressen kein armes Wort des Dan­ kes dafür zu finden wissen, und Baierische Reichsräthe in wohl­ anstehender Begeisterung der Baierischen Armee ihren Dank dafür bringen, daß sie in der Pfalz um nicht mehr als fünf Tage zu spät angelangt ist, wo ihr denn freilich die Aufgabe gestellt war, von den Preußen vollendete Arbeit zu besichtigen. Zwei Tage nach dem Aufrufe trat die durch die Note vom 28. April berufene Conferenz in Berlin zusammen. Sie hat neun Tage, vom 17. bis 26. Mai, gedauert. Sie ist, außer von Preußen, von Sachsen und Hannover beschickt worden, von Baiern nur, um hin und wieder in untergeordneten Punkten mit­ zureden, in der Hauptsache aber zu protestiren, oder theilnahmloS zuzuhören und die ganze Zeit hindurch auf Instructionen zu war­ ten. Oesterreich hat, seiner Stellung gemäß, sich nach der ersten Conferenz zurückgezogen. Diejenigen 28 Regierungen, welche die Frankfurter Verfassung anerkannt hatten, nahmen um dieses Anerkenntniffes willen keinen Antheil. Die Verhandlungen betrafen zunächst und wesentlichst den Entwurf der Verfassung. Ihr Ergebniß ist der schon am 31.

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Mai veröffentlichte „Entwurf der Verfassung deS Deut­ schen Reiches", der sogenannte Drei-Königs-Entwurf. Es liegt ganz außerhalb der Aufgabe dieser Blätter, in eine irgend um­ ständlichere Vergleichung mit dem Frankfurter Entwürfe einzuge­ hen. Es ist dies auch um so weniger erforderlich, als es in gründlicher und gerechter Weise von Stahl in der bemerkten Schrift geschehen. Es soll hier nur für diejenigen, denen das Material nicht vorliegt oder gegenwärtig ist, eine Uebersicht in allgemeineren Zügen gegeben werden. Es kam darauf an, daS Gift aus der Frankfurter Verfassung auszuscheiden, der einheitli­ chen Erecutiv-Gewalt ihre Kraft, den übrigen Fürsten die ihnen gebührende Theilnahme an der Legislation zu geben, die in das Ungemessene getriebene Centralisation auf ihr nothwendiges Maaß zurückzuführen, die Elemente zu tilgen, die das Werk auf den Weg der Umsturz-Partei hinüber leiten sollten. Vieles und wichtiges ist nach diesem Ziele hin geschehen, und es ist undankbar dies zu verkennen oder gering anzuschlagen, nicht unwichtiges bleibt noch zu thun, und eS steht zu hoffen, daß der wachsende gesundere Sinn im Volke selber zur Heilung die Hand bieten werde. Vor jeder Kritik aber erinnnere man sich der bei Lösung der Aufgabe feststehenden Sätze, deren wir im vorigen Abschnitte um­ ständlicher gedacht haben. Nach den angedeuteten Gesichts-Punkten hin ist an die Spitze deS Reichs, welches aus denjenigen Staaten gebildet wird, welche die Reichsverfassung anerkennen, der Reichsvorst and gestellt, dessen Würde mit der Krone Preußen verbunden ist. Er führt die Re­ gierung an der Spitze eines Fürsten-Collegiums, das aus sechs Stimmen gebildet wird. Von diesen steht eine Preußen zu, eine war für Baiern bestimmmt, die andern vier sind unter die übri­ gen Bundesstaaten vertheilt. Der Reichsvorstand übt seine Rechte theils selbstständig, theils in Gemeinschaft mit dem Fürsten-Collegium. Zu den ersteren gehören alle diejenigen, welche in der Executive begriffen sind. Selbstständig ernennt er danach die

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Reichs-Minister, übt er die völkerrechtliche Vertretung, ernennt er die Reichsgesandten und Consuln, führt er den diplomatischen Verkehr; er erklärt Krieg und schließt Frieden; er schließt die Bünd­ nisse und Verträge mit den auswärtigen Mächten ab, nur wenn sie das Reich belasten, unter Mitwirkung des Reichstags; er bestätigt alle Verträge der Deutschen Regierungen, bei denen das Reichs-Interesse betheiligt ist, und nimmt deshalb von allen geschlossenen Verträgen Kenntniß; er beruft und schließt den Reichstag, er löst daS Volkshaus auf; er hat das Begnadigungsrecht; er wahrt den Reichsfrieden und hat im Kriege und in Fällen nothwendiger Sicherheitsmaßregeln im Frieden die Verfügung über die gesammte bewaffnete Macht; er hat überhaupt die Regierungsgewalt in allen Angelegenheiten des Reichs, welche die Legislation nicht betreffen, und übt alle diejenigen Rechte, welche in der Verfassung der Reichsgewalt beigelegt, und dem Reichstage nicht zugewiesen sind; endlich übt er, dem Fürsten-Collegium und dem Reichstage ge­ genüber ein selbstständiges absolutes Veto, sobald es sich um Ver­ fassungsveränderungen handelt. Alle legislativen Befugnisse, wohin diejenigen gerechnet wer­ den, welche zu ihrer Wirksamkeit eines Reichstags-Beschlusses bedür­ fen, stehen dem Fürsten-Collegium ausschließlich zu, in welchem der Reichsvorstand den Vorsitz führt und primus inter pares ist. Vollzugsverordnungen materieller Bedeutung werden mit dem Fürsten-Collegium zwar berathen, die endgültige Beschlußfassung steht dem Reichsvorstände zu. Das Fürsten-Collegium, in welchem die Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt werden, hat dem Reichstage gegenüber ein absolutes Veto. DaS vorgedachte Verhältniß, durch welches die Reichs-Re­ gierung dargestellt wird in der Verbindung des Reichsvorstandes, dem die Erecutive und des Fürsten-Collegiums, dem die Legisla­ tion zugewiesen ist, ist die durchgreifendste Eigenthümlichkeit des Berliner Entwurfs; die Theilnahme an der Legislation ist daS staatsrechtliche Moment, durch welches den übrigen Deutschen

-------Fürsten ihre landesherrliche

26 -------Stellung

vollständig

erhalten ist,

im Gegensatz zu dem Frankfurter Entwurf, der sie mediatisirte. Das anzuerkennende,

welches einerseits die Form des erblichen

Kaiserthums, andrerseits die des Direktoriums hat, hat in dieser Weise vereinigt werden sollen. Der Reichstag wird aus zwei Häusern, dem Staatenhause und dem Volkshause gebildet.

Das erstere hat 167 Mitglieder,

von denen Preußen 40, also fast den vierten Theil stellt; nach dem Frankfurter Entwurf nur fast den fünften.

Von diesen 40

Mitgliedern ernennt die Regierung 20, jede der beiden Kammern 10.

Die Ernennung geschieht auf sechs Jahre.

Für die Abge,

ordneten, zum Volkshause ist ein Wahlgesetz entworfen.

Bedin­

gungen der activen Wahlberechtigung sind: das fünfundzwanzigste LebenS-Jahr, dreijähriger fester Wohnsitz am Wahlorte, HeimathsBerechtigung, Befugniß an den Gemeindewahlen des Wohnorts Theil zu nehmen, oder berathende Stimme bei der Frage, auf welche Weise den Ansprüchen des Staats an die Einwohner eines OrtS, als solche,

genügt werden soll,

Zahlung einer direkten

Staats-Steuer, und ihre Entrichtung während des letzten Jahres, Befreiung von Vormundschaft oder Curatel; ausgeschlossen sind: in Concurs Verfallene, Armen-Unterstützungs-Empfänger, solche, denen der Vollgenuß der bürgerlichen Rechte aberkannt ist.

Die

Wahl ist indirekt, sie erfolgt in drei Abtheilungen, nach Maaß­ gabe der von den Wählern zn entrichtenden direkten Staatssteuern, so wie dies nach dem neueren Wahlgesetze in Preußen angeordnet ist.

Die

Stimmgebung

geschieht

offen zu Protokoll.

Nach je

100,000 Seelen werden die Wahlkreise gebildet, für deren jeden ein Abgeordneter gewählt wird.

Angenommen also, daß Preußen

16 Millionen Einwohner hat, wird eS 160 Abgeordnete in das Volkshans senden. Die Wirksamkeit des Reichstags ist gegen den frankfurter Entwurf mittelbar nur in so weit beschränkt, als die unnatürlich gesteigerte Centralisation der Reichs-Gesetzgebung auf daS Wesent-

------- L7 -----lichere herabgesetzt worden ist.

Hier stnd anerkennenSwerthe, durch,

greifende Veränderungen geschehen, nach

der Richtung hin, der

Reichsregierung und dem Reichstage das Unerläßliche im gemein­ samen Interesse zwar vorzubehalten, die Einzel-Staaten aber nicht, wie man in Frankfurt wollte, in das Reich aufzulösen.

Auf das

Einzelne kann hier nicht eingegangen werden, und es ist um so weniger erforderlich, alö Stahl in der angeführten Schrift, die Vergleichung in erschöpfender Weise durchgeführt hat.

Seiner Be­

merkung, daß die Centralisation noch zu weit gehe, können wir indeß nur sehr bedingt beitreten.

Allerdings gehört die der Reichs­

gewalt auferlegte Verpflichtung für ein allgemeines Gesetzbuch über bürgerliches Recht zu sorgen, zu den Dingen, über deren Unausführbarkeit in dem noch nicht gänzlich nivellirten Deutsch­ land man sich Glück zu wünschen hat.

Wenn dagegen Stahl zu

den Gegenständen, die der Reichsgesetzgebung vorzubehalten seien, das Strafrecht, nicht unbedingt zu rechnen scheint (S. 21), so mag dies vollständig in Betreff der Privatverbrechen, nicht aber der öffent­ lichen gelten.

Sie haben eine Bedeutung nicht für den Einzel-

Staat allein, sie richten sich mittelbar oder unmittelbar gegen die Gesammtheit.

Rechts-Uebereinstimmung

auf diesem Gebiete ist

ein wesentliches Erforderniß, mindestens so wesentlich als in Be­ treff des Handels- und Wechsel - Rechts, wenn das Ansehn der Rechtspflege nicht kläglich herabgesetzt, das Gerechtigkeits - Gefühl der Nation nicht schwer verletzt werden soll.

Aus den Dreißigern

dieses Jahrhunderts ist ein Fall erinnerlich, in dem die Verbreiter einer und derselben verbrecherischen Schrift,

bei

Gleichheit deS

Rechts, der eine in Mainz zu vier Gulden dreißig Kreuzern, der andre in Baiern zu vierzehnjähriger Kettenstrase verurtheilt wur­ den.

Dergleichen kann und darf nicht vorkommen, und ihm kann

nur durch gemeinsame Reichsgesetzgebung, so viel möglich, gesteuert werden. Daß die Reichsgesetzgebung über das Heimathsrecht sich nicht auf das Verhältniß verschiedener Orte eines und desselben Landes erstrecken soll, sondern nur auf das Verhältniß verschiedener Ter-

-------- 28 -------ritorien, declarirt bereits die dem Entwürfe beigefügte authentische Denkschrift, und in dieser Beschränkung ist sie im Bundesstaate ein nicht zu leugnendes Erforderniß.

Daraus daß im Interesse

des Gesammtwohls allgemeine Maasregeln für die Gesund­ heitspflege von der Reichsgewalt getroffen werden können, ist wohl nicht zu folgern, daß das Reich die gesammte MedizinalPolizeigesetzgebung

an

sich

ziehen

könne.

Wenn Stahl ferner

meint, daß über viele Punkte, z. B. über die Presse, über An­ wendung der bewaffneten Macht gegen Störungen der öffentlichen Ordnung u. s. w. die Reichsgesetzgebung nur als eine subsidiäre vorzubehalten gewesen wäre, so müssen wir dagegen, wenigstens was

die

gewählten Beispiele

anlangt,

große Bedenken haben.

Darüber wird nicht gezweifelt werden, daß gerade diese Gegen­ stände solche sind, über welche ein Einzel-Staat Bestimmungen erlassen kann, welche in der eingreifendsten Weise auf alle übrigen zurückwirken.

Nun

scheint

die Ansicht

nach

ihrer

Motivirung

davon auszugehen, daß bei den Einzel-Staaten größere Kraft für Sicherung gegen den Mißbrauch gewährter Freiheiten zu finden sein werde, als bei der Reichsgewalt.

Dieser Voraussetzung aber

würde die Erfahrung auf das entschiedenste entgegenstehen.

Es

würde zwischen den Regierungen der verschiedenen Einzel-Staaten bald genug ein Wetteifer entstehen,

welche sich durch Einreißen

der Schutzwehren vor den andern die größere Popularität erkau­ fen könne, und der Regierung, welche dabei die Spitze nähme, würden die übrigen nachzulaufen genöthigt werden. würde den Freiheiten rasch ihr Grab graben.

Der Mißbrauch

Wenn auf irgend

einem Gebiete die Schwäche der kleineren Einzel - Staaten eine Stütze Seitens des Reiches braucht, dann ist es auf diesem. In Betreff des Reichsgerichtes ist es wesentlich bei dem frankfurter Entwürfe geblieben.

Der Gedanke deS Reichsgerichts

ist ein edler; die Fragen, welche die Staaten zum Kriege, Regie­ rungen und Völker zum blutigen Zwiespalt gebracht haben, sollen fortan durch richterliche Entscheidung gelöst werden; ob er aus-

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führbar ist, das steht dahin, weil eS auf Erden an einem Richter fehlt, der seiner natürlichen Stellung und seinem inneren Be­ rufe nach über den König von Preußen und sein Volk im Streite zu Gericht sitzen könnte. WaS die sogenannten Grundrechte anlangt, so wollen wir ohne auf eine erschöpfende Vergleichung einzugehen, mit der Be­ merkung, daß sehr häufig absichtlich oder unabsichtlich die authen­ tische Interpretation

der

Denkschrift

übersehen

wird,

folgendes

hervorheben: Das deutsche Grundrecht, welches deutschen Mördern eine Lebens-Affecuranz giebt, die Aufhebung der Todesstrafe ist beseitigt. Die Abschaffung des Adels, nach der Erfahrung der der großen Blätter an den Bäumen gleichstehend, ist beseitigt. Es ist in der Denkschrift anerkannt, daß der frankfurter Ent­ wurf in Bezug auf die kirchlichen Verhältnisse dag Princip der Freiheit bis zur völligen Gleichgültigkeit des Staats gegen das Göttliche herabgewürdigt habe; der mit der Eidesformel in Wi­ derspruch stehende Satz: „Niemand sei verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren" ist gestrichen; der Satz: „daß keine Religionsgesellschast vor der andern Vorrechte durch den Staat genieße", — dahin zn deuten und auch wohl gerichtet, als sei die Rücksicht, welche der Staat aus die besondere Stellung und Ver­ fassung der einzelnen Konfessionen zu nehmen habe, als ein Vor­ recht zu betrachten, während die Denkschrift anerkennt, daß, nach wohlverstandener Parität, jede Konfession nach der ihr eigenthüm­ lichen Einrichtung und äußeren Geltung behandelt und

beurtheilt

werden muß — ist gestrichen. Der Eingriff in die innere Disciplin der Kirche, welche §. 148 der frankfurter Verfassung enthielt, ist beseitigt.

Der Kirche

ist der Besitz ihrer Anstalten, Stiftungen und Fonds gesichert. Der principielle Ausschluß der Geistlichkeit von der Beauf­ sichtigung des Unterrichts- und ErziehungswesenS

ist

gestrichen

und der unpraktische Satz, daß aller Elementar-Unterricht unent-

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zeitlich zu ertheilen sei, ist aus die Fälle der Bedürftigkeit beschränkt. Es ist dem Grundsatz sein Recht geschehen, daß die Jagdge­ rechtigkeit nur gegen Entschädigung aufzuheben sei. Theilbarkeit des Grundes und BodenS ist nicht, wie im frank­ furter Entwurf, als Princip aufgestellt und der ganze Gegenstand ist ausschließlich der Landesgesetzgebung überwiesen. Die Ablösbarkeit der Reallasten ist auf die privatrechtlichen beschränkt. Die Aufhebung der Familienfideicommiffe soll nur nach dem Grundsatz der Unverletzlichkeit deS Eigenthums durch die Landes­ gesetzgebung geordnet werden, wodurch die Aufhebung selbst aller­ dings in Frage gestellt wird; es wird weiter als eine Aufgabe der Gesetzgebung bezeichnet, Rechtsformen zu geben, unter denen zweckmäßige Erbordnungen auch ferner geschaffen werden können. Die Bestimmung wegen Aufhebung des Lehnsverbandes ist auf die privatrechtlichen Verhältnisse beschränkt. Die preußischen Kronlehen bleiben unberührt. Die auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden und deshalb unberührt bleibenden Rechte der vormals reichs-unmittelbaren Für­ sten und Herren sind — und damit ist ein entschiedener Rechts­ bruch verhütet — ausdrücklich vorbehalten. Die übertrieaene Ausdehnung der Geschworenen-Gerichte auf alle politischen Prozesse ist auf die schwereren beschränkt. Der Landes-Gesetzgebung ist vorbehalten, den Grundsatz der Unabhängigkeit des Richterstandes mit der Nothwendigkeit in Ein­ klang zu bringen, ihn in seiner Reinheit zu erhalten. Die auf Lockerung der Disciplin berechnete Beschränkung der Militair - Gerichtsbarkeit aus Militair - Verbrechen und Vergehen ist beseitigt. Reichsgesetzen ist es vorbehalten, das Versammlungs- und mit Vermeidung vorbeugender Maaßregeln das VereinS-Recht, so wie die Preßfreiheit mit Ausschluß der Censur, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit zu regeln.

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31 --------

Wer die, das ganze System ändernden Bestimmungen über daö Verhältniß des ReichSvvrstandes zum Fürsten-Collegium, die Bestimmungen, welche dem Reichsvorstande eine kräftige Wirksam­ keit, den Fürsten durch die Theilnahme an der Legislative ihre landesherrliche Stellung sichern, wer die schützenden Vorschriften des Wahlgesetzes im Vergleich mit dem Frankfurter, wer endlich die Reihe der sehr wesentlichen Abänderungen und Verbesserungen in den Grundrechten sich gegenwärtig hält, der wird selbst ermessen, welcher Werth auf die entweder ohne Prüfung oder ohne Auf­ richtigkeit zum Ueberdruß wegwerfend wiederholte und von andern lediglich auf Autorität nachgebetete Behauptung zu legen ist, der Berliner Entwurf sei nichts als ein Rest und Abbild des Frank­ furter. Neben diesem für die Definitive der Verfassung des Bundes­ staats berechneten Entwürfe steht daS für den Zeitraum bis zur Vollendung deS Verfassungswerks getroffene Provisorium.

ES

ist dies das von der Conferenz berathene, am 26. Mai d. I. zwischen Preußen, Sachsen und Hannover abgeschlossene Bündniß „zum Zweck der Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der ein­ zelnen deutschen Staaten."

Der Beitritt ist nach diesem sämmtli­

chen Bundesgliedern offen gehalten. Die Oberleitung der für den Zweck des Bündnisses erforder­ lichen Maaßregeln ist der Krone Preußen übertragen. Der Dauer des Bündnisses selbst und der Oberleitung durch Preußen ist keine Grenze gestellt.

Dagegen sind für die Ausübung der Oberleitung

Verabredungen getroffen, welche nur für die Dauer eines Jahreö vom 1. Juni d. I. ab gelten.

Für den Fall, daß bis dahin die

Reichsverfassung nicht ins Leben getreten sein wird, ist weitere Uebereinkunft vorbehalten.

Die nur auf

ein Jahr geschehenen

Verabredungen über die Art der Ausführung gehen dahin, daß ein Verwaltungsrath zur Leitung und Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten der zum Bündnisse zusammengetretenen Staaten

82 ---------

-------bestellt ist.

Er beschließt entscheidend über alle Geschäfte, welche

allgemeine und dauernde Anordnungen betreffen, über die Aufnahme neuer Mitglieder und die Modalitäten

dieser Aufnahme,

ferner

über die Maaßregeln Behufs Berufung des über die Verfassung zusammentretenden Reichstags und die Leitung seiner Verhandlun­ gen, und endlich über nähere Modalitäten bei nachgesuchter Hülfe wegen innerer Unruhen.

Die Vollziehung beschlossener Anord­

nungen und im einzelnen Falle zu treffende Maaßregeln gehen, nach erstattetem Gutachten des Verwaltungsraths allein von Preu­ ßen auS.

Diplomatische Verhandlungen zur Abwendung der Ge­

fahr äußeren Krieges, zum Abschluß von Allianzen, zur Herstellung gestörten Friedens, und die militairischen Operationen leitet Preu­ ßen allein, welchem alle Befugnisse des Oberfeldherrn nach der Kriegsverfassung des deutschen Bundes von den Verbündeten ein­ geräumt sind. Das Bündniß enthält ferner die Anordnungen wegen des provisorischen, wenig Tage darauf am 1. Juli in Wirksamkeit ge­ tretenen Bundes - Schiedsgerichts und verpflichtet die Theilnehmer endlich den dem Vertrage

angeschlossenen

VerfassungS - Entwurf

einer zum Zweck der Vereinbarung darüber zu berufenden Reichs­ versammlung vorzulegen.

Für diese letztere gelten die Bestimmun­

gen des Verfassungs-Entwurfs über den Reichstag und deS aus der llebereinkunst hervorgegangenen Wahlgesetzes. Von der Reichs­ versammlung beantragte Abänderungen bedürfen der Zustimmung der Verbündeten.

Der zu berufende Reichstag wird ein anderes

Geschäft, als das der Vereinbarung über die Verfassung nicht haben, und sich also wesentlich in einem andern Verhältniß als die Frankfurter Versammlung befinden. Da mit diesem Reichstage die Verfassung allererst festgestellt, nicht die bereits bestehende ab­ geändert werden soll,

so

gelten diejenigen Bestimmungen nicht,

welche der Verfassungs-Entwurf im §. 194 für den Fall der Ab­ änderung der in Kraft übergegangenen Verfassung anordnet, viel­ mehr werden

die Beschlüsse

in

beiden Häusern nach

absoluter

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Stimmenmehrheit der beschlußfähigen Zahl (der Hälfte der gesetz­ lichen) gefaßt werden. Aus dem eben angeführten Umstande ergiebt sich aber auch eine andere wichtige Folge. Nicht-Uebereinstimmung der beiden Häuser entweder untereinander oder ihrerseits mit den Regierungen hat eine ganz verschiedene Wirkung von der, welche eine solche Nicht-Uebereinstimmung bei der jetzt im Gange befind­ lichen Revision der Preußischen Verfassung hat. Diese ist gelten­ des, von den Kammern anerkanntes Gesetz, das der Revision un­ terliegt; in jedem Punkte, in welchem beide Kammern unter ein­ ander sich nicht verständigen, oder dem gemeinsamen Antrage die Zustimmung der Krone versagt wird, hat es bei der einmal beste­ henden Verfassung unverändert sein Bewenden. Da auf dem künftigen Reichstage aber nur ein Entwurf vorliegen wird, so ist zu jedem Paragraphen die dreifache Uebereinstimmung beider Häuser und der Regierungen nöthig. Fehlt sie, so fällt damit der betreffende Paragraph ganz aus, wodurch eine definitive Eini­ gung über das Endresultat sehr erschwert wird. Es käme des­ halb wohl in Frage, ob, wenn von allen Seiten das dringende Bedürfniß einer Einigung recht ernst erkannt würde, nicht ein anderer Weg einzuschlagen sei, der, daß die beiden Häuser zunächst zur Beschlußnahme darüber zu veranlassen wären, ob sie, vorbe­ haltlich der demnächst sofort von ihnen vorzunehmenden Revision, die Verfassung in ihrer Totalität als gültig annehmen wollten, mit der Maaßgabe, daß, wenn sie dies verneinten, auf dem vor­ her bezeichneten Wege mit der Revision int Einzelnen vorzugehen sei. Im affirmativen Falle wäre der schwer wiegende Vortheil gewonnen, daß das Endresultat, welches es auch sei, niemals in einem Scheitern des Werks bestehen könnte, sondern immer nur in seiner verschiedenen Gestaltung. Welchen Werth dieS bei der Reichstags-Berathung haben würde, auf die Intriguen und Ein­ flüsse von den verschiedensten Zeiten her einwirken werden, um das Werk scheitern zu lassen, darauf braucht nicht erst hingewiesen zu werden. 3

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Wegen Berufung, Vertagung des Reichstags und Auflösung des Volkshauses gelten die Bestimmungen des Verfassungs-Ent­ wurfs, dem Bündnisse gemäß. Die drei verbündeten Regierungen haben in dem Schlußprotocolle vom 26. Mai sich zu dem Entwürfe der Verfassung, des Wahlgesetzes und zu dem in Form eines Statuts geschlossenen Bündniß rechtsverbindlich bekannt, und diesem Bekenntnisse durch Protokoll - Unterschrift der Bevollmächtigten die formale Gül­ tigkeit gegeben. Die in der zweiten Kammer von einer Seite geäußerte Klage, daß nach den Vorlagen das Bündniß nicht ein­ mal unterzeichnet sei, wäre unterblieben, wenn das Schlußprotocoll die erforderliche Aufmerksamkeit gesunden hätte. Diesem also geschlossenen Bündnisse sind, bis auf Baiern und Württemberg, jetzt fast alle deutschen Regierungen beigetreten und, mit einer kaum zu gedenkenden Ausnahme, alle ohne irgend einen Vorbehalt. Es ist also, und das ist ein sehr wesentlicher Umstand, das Vorangehen auf dem mit Festigkeit beschrittenen Wege, selbst für den möglichen und beklagenswerthen Fall gesichert, daß Sachsen und Hannover von Vorbehalten Gebrauch machen sollten, um sich der Sache der deutschen Einigung nach den ver­ abredeten wesentlichen Grundlagen ganz zu entziehen. Sachsen hat sich in der Erklärung vom 26. Mai c. anderweite Verhand­ lungen für den Fall vorbehalten, daß bis zu dem Zeitpunkte der Einberufung des ersten Reichstags nicht sämmtliche deutsche Staaten, mit Ausnahme Oesterreichs beigetreten sein würden; Hannover in der Erklärung von demselben Tage die Erneue­ rung der Verhandlungen und die Umgestaltung des vereinbarten Verfassungs - Entwurfs, für de» Fall, daß der gegenwärtige Ver­ such zu nichts als zur Herstellung eines nord- und mitteldeutschen Bundes führen möchte. Der Hannoverische Vorbehalt ist seinen Worten nach erledigt, denn ein Bund der von den Grenzen der Nord- und Ostsee ohne Unterbrechung bis an die Schweizergrenze reicht, ist zuverläßig kein nord- und mitteldeutscher; dessen unge-

achtet wird Hannover an diesen Worten nicht festgehalten werden, wenn eS lediglich die Modalitäten zur Geltung wird bringen wollen, welche ein Nichtbeitritt Baierns und Württembergs nöthig macht. Sollte aber bei Sachsen und Hannover, was wir im In­ teresse Deutschlands und in ihrem eigenen nicht besorgen, die Nei­ gung sich zeige», dem Werke den Rücken zu wenden und dazu ihre Vorbehalte zu benutzen, nun dann würde es Preußens Aufgabe sein, mit den übrigen Negierungen, welche die Lage der Dinge und ihren Ernst richtig erkennen, fest und entschieden vorwärts zu gehen, dem vor der zweiten Kammer gesprochenen Worte gemäß, „daß Preußen mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften nach dem deutschen Bundesstaate ringen werde, sei es im Verein mit allen deutschen Staaten, oder mit vielen, oder mit wenigen!" ES wäre dann abzuwarten, welche Kraft der Particularismus dem unter Preußens Führung lebendig gewordenen Gedanken deut­ scher Einigung gegenüber haben würde.

Fünftes Kapitel. Der deutsche Bund. Das Verhältniß zu Oesterreich.

Die Nothwendigkeit das Werk der deutschen Einigung auf dem Wege des engeren Bundesstaats fortzuführen, und die Un­ möglichkeit einerseits für Oesterreich in diesen Bundesstaat einzu­ treten, andrerseits für den lchtern Oesterreich in seiner dermaligen Lage aufzunehmen, sind im dritten Kapitel hervorgehoben worden, ebendort aber auch das dringende Erforderniß eines engen Ver­ hältnisses zwischen dem Bundesstaate und Oesterreich. Von dieser Ueberzeugung ist Preußen durchdrungen gewesen und es ist ihr seinerseits gerecht geworden, nach zwei Seiten hin, einmal zu einer 3*

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definitiven Regulirung, gleichzeitig aber bis diese zu Stande komme zu einer provisorischen, da die Stellung deö Reichsverwesers wie selbst in Wien nicht verkannt wurde, unhaltbar geworden. In beiden Beziehungen verlohnt es sich, sich das rechtliche Ver­ hältniß klar zu machen, in welchem sich gegenwärtig der deutsche Bund befindet. [($r ist durch den Verlauf der Dinge seit dem Frühjahr vorigen Jahres in zwiefacher Hinsicht wesentlich alterirt: 1. Durch die Verfassung Oesterreichs vom 4. März d. I., 2. Dadurch daß das verfassungsmäßige Organ deö Bundes, die Bundes-Versammlung untergegangen ist. Was den ersten Punkt anbelangt, so ist folgendes zu be­ merken. Nach Art. 3. der Bundesacte vom 8. Juni 1815 haben die Bundesglieder sich verpflichtet, alle gleichmäßig die Bundes­ acte unverbrüchlich zu halten. Nach Art. 31. der mit der Bun­ desacte in gleicher Kraft stehenden Wiener Schlußacte hat jedes Bundesglied die Pflicht die Grundgesetze und die competenzmäßigen Beschlüsse des Bundes in seinen zum Bunde gehörigen Landes­ theilen sofort zur Ausführung zu bringen. Der Bund hat nach Art. 32. daö Recht und die Pflicht der Erecution gegen das hierin sich weigernde oder säumige Bundesglied. Oesterreich hat durch die Verfassung vom 4. März c., nach welcher auch in seinen deutschen Landen nur die mit dem Gesammt-Parlamente der Mo­ narchie berathenen Gesetze gelten sollen, sich die Erfüllung jener Pflicht unmöglich gemacht. Es ist damit, dem Art. 5. der Schluß­ acte zuwider, welcher keinem Mitgli'ede den Austritt freiläßt, factisch aus dem Bunde getreten. Denn es leuchtet ein, ein Bun­ desglied kann nicht sprechen: Diese Bundespflicht will ich nicht mehr erfüllen, wohl die andern, und nehme im übrigen alle Rechte in Anspruch. Unmöglich kann Oesterreich als Bundesglied zu Beschlüssen mitwirken, und bei ihrer Fassung den Vorsitz führen, wenn diese Beschlüsse nur außerhalb seiner Lande eine Wirkung, in diesen aber keine haben sollen. Oesterreich hat sich dadurch in die Lage gesetzt, daß eö rechtlich lediglich von dem gemeinsamen

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Beschluß der übrigen Bundesregierungen abhängt, ob sie Oester­ reich in dem Bunde behalten, oder richtiger ob sie es wieder auf­ nehmen wollen. Eine rechtliche Verpflichtung zur Wiederauf­ nahme würde selbst dann nicht vorhanden sein, wenn Oesterreich den einmal erfolgten Bruch des Bundes wieder rückgängig machte. Der Einwand daß die Festsetzung in der Verfassung vom 4. März den Bundesbruch noch nicht in sich schließe, sondern allererst ab­ zuwarten sei, ob Oesterreich einen künftigen Bundes-Beschluß nicht zur Ausführung bringen werde, würde unrichtig, denn er würde dem Privatrechte entnommen sehn. Wenn von mehreren Gesell­ schaftern der eine Verpflichtungen nach außen eingeht, welche ihn hindern den Gesellschastsvertrag zu erfüllen, so wird dieser Vertrag mit ihm nicht schon dann aufgehoben werden können, wenn der Gesellschafter jene Verpflichtungen allererst nur eingegangen, son­ dern erst dann, wenn er auf den Grund der letzter» seine Gesellschastspflichten nicht erfüllt. Dieser für das Privatrecht unbestreitbare Satz kann im Staatsrechte keine Geltung haben. Im Pri­ vatrechtlichen Verhältniß liegt die Rechtskränkung erst in der Nicht­ erfüllung der Pflicht, in den staatsrechtlichen Verhältnisse» liegt sie schon und zwar vollständig und tief eingreifend in dem Aus­ sagen der Pflicht, durch dieses schon ganz allein für sich wird die Achtung vor den Vertrags- oder Bundesgenossen, die Achtung vor der Autorität und Heiligkeit des Vertrags selbst auf das tiefste verletzt, und sein Werth erschüttert. In den staatsrechtlichen Ver­ hältnissen wird deshalb Vertragsgenossen unbedenklich das Recht zustehen, denjenigen unter ihnen, welcher seine Pflicht verweigert, oder was dem gleich ist, durch öffentliche feierliche Erklärung sich freiwillig in den Fall bringt, seine Pflicht nicht erfüllen zu können, als ausgeschieden zu betrachten, wenn es an Mitteln fehlt, ihn zu der letztern zu zwingen. Es folgt aus dem vorstehenden, daß die Bundesregierungen über die Bundes-Verhältnisse und ihre Umgestaltung die freieste Entschließung haben, ohne daß rechtlicher Weise Oesterreich irgend

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eine Befugniß zur Einsprache oder zur Berufung auf irgend eine Bestimmung der bisherigen Bundes-Gesetzgebung hat.

Es folgt

daraus aber noch mehr, das nämlich, daß die übrigen Bundesre­ gierungen zu dem Bunde rechtlich gleichfalls nicht mehr verpflichtet sind, denn der Bund ist, nach dem Ausscheiden Oesterreichs nicht mehr der, zu welchem sie zusammengetreten waren; er ist durch den Austritt eines so mächtigen Bundesgliedes so wesentlich «lterirt, daß dadurch jedem andern die freie Entschließung über Bleiben oder Nichtbleiben im Bunde gegeben sein muß. Ein minder mäch­ tiges Mitglied würde durch die verfassungsmäßige Ereeution zu seiner Schuldigkeit angehalten werden können, wenn es sich um Oesterreich handelt ist die Alternative der Europäische Krieg oder die Freiheit der deutschen Regierungen auch ihrerseits aus dem Bunde auszutreten.

Bis jetzt ist indeß keine der übrigen Bun­

desregierungen aus dem Bunde getreten, und für diejenigen, welche bei ihm bleiben und so lange sie dies thun, hat der Bund recht­ liche Kraft.

Aus dem Rechte des Austritts folgt aber auch das

Recht sich über Modificationen der Bundes-Verhältnisse zu ver­ einigen. Wer diesen Modificationen widersprechen will, der muß den andern die Befugniß einräumen ihrerseits auszutreten und sich zu dem modificirten Bunde zusammen zu schließen. Der Untergang des verfassungsmäßigen Organs des Bun­ des, der Bundes-Versammlung, und das rechtliche und wesentlich auch factische Erlöschen der ihrer Basis gänzlich entrückten Reichs­ verweserschaft

hat

dem Bunde aber das Mittel

Wirksamkeit gänzlich entzogen. sungslos und deshalb

zu eigentlicher

Der Bund besteht, indeß verfas­

ohne organisch-lebendige Kraft, er besteht

so lange sich seine Mitglieder zu ihm halten, lediglich in einzelnen Beziehungen für gewisse Eventualitäten. die Bestimmungen der Bundeöacte

Er besteht, wenn man

und der Wiener Schlußacte

durchgeht, abgesehen von den Rechten, welche Einzelnen verliehen sind, und abgesehen von den Modificationen welche die Aufrichtung deS Bundesstaats herbeiführt, darin 1, daß als Zweck des Bnn-

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des gilt, Bewahrung der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der im Bunde begriffenen Staaten und Erhaltung der innern und äußern Sicherheit Deutschlands, (Art. 2. der Schlußakte); 2) daß die Staaten deö Bundes nach außen eine in politischer Einheit verbundene Gesammtmacht darstellen (Art. 3. ebendaselbst); 3) daß Eintracht und Friede unter den Bundesgliedern aufrecht erhalten werden soll, so jedoch daß das Organ welches diesem Satze Wirk­ samkeit zu geben hat, verloren ist (Art. 18. und folgende ebenda­ selbst); 4) daß die Gesammtheit des Bundes verpflichtet ist, zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe im Fall eines Auf­ ruhrs in einem Bundeslande mitzuwirken (Art. 25. ebendaselbst); 5) daß die Bundesregierungen sich für denselben Zweck wechsel­ seitig zu militairischer Assistenz verpflichtet sind (Bundes-Beschlüsse vom 21. Oktober 1830 und 5. Juli 1832); 6) daß die Bundes­ regierungen verpflichtet sind die von der Gesammtheit gefaßten Beschlüsse in ihren Bundeslanden zur Ausführung zu bringen, (Art. 31. der Schlußakte), eine Verpflichtung, welche bestehen bleibt, obgleich das verfassungsmäßige Organ für diese Beschlüsse zur Zeit fehlt; 7) daß jede Regierung die Bundespflicht hat, das ihr von der Gesammtheit übertragene Erecutions-Verfahren gegen eine andere Bundesregierung zu übernehmen (Art. 34. eben­ daselbst); 8) daß die verbündeten Regierungen, so weit sie nicht außerhalb deö Bundesgebietes Länderbesttz haben, nicht selbststän­ dig, sondern nur als Bundes - Gesammtmacht Krieg und Frieden beschließen dürfen (Art. 35 und 36. ebendaselbst); 9) daß die Ver­ letzung eines einzelnen Bundesgebietes eine Verletzung der Ge­ sammtheit deö Bundes und dieser zum Schutz und zur Abwehr verpflichtet ist, (Art. 36 und 39. ebendaselbst); 10) daß die Regie­ rungen zur Leistung der Bundesmatricular-Beiträge verbunden sind (Art. 52. ebendaselbst); 11) daß die Verfassung deö Einzel­ staats die Erfüllung der Bundespflichten nicht hindern oder be­ schränken darf, (Art. 58. ebendaselbst); endlich 12) daß die Ge­ sammtheit des Bundes zur Aufrechthaltung und zum Schutz der

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Rechte der mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsstände verpflichtet ist (Art. 63. ebend.), eine Verpflichtung, welche besteht, obschon daS Organ, welches darüber zu wachen hatte, untergegangen ist. Wenn gleich das staatsrechtliche Verhältniß Oesterreichs zum Deutschen Bunde daS angegebene ist, so war doch Preußen weit entfernt, es gegen Oesterreich geltend zu machen. Mancherlei konnte dazu reizen. Oesterreich hatte seit Jahren alle Bestrebun­ gen Preußens in die Bundes-Verhältnisse Leben und Kraft zu bringen, gehemmt und gehindert, es hatte sich seit dem wesentlich dadurch herbeigeführten Umstürze von allen Verpflichtungen gegen Deutschland zurückgezogen, zu den Lasten keine Beiträge, zu der Gründung der Flotte keinen Gulden gesteuert, es hatte die ganze Last des Dänischen Krieges Preußen überlassen, seinen Gesandten während dieses Krieges nicht zurückgerufen, sondern zum freund­ lichsten Vernehmen mit dem Reichsfeinde angewiesen, es hatte sich von den Schiffen des letzteren, während Deutschland mit ihm im Kriege war, den Admiral für seine Flotte geholt, eS hatte seinen Erzherzog in der anspruchsvollen und kraftleeren Stellung zu Frankfurt, in der er, für jede Heilung ein Hinderniß, die Revo­ lution mit dem Deckmantel der Legalität umkleidete, aus SonderJntereffe festgehalten. Nur der geringste Theil von allem diesen, nur sein Zurückziehen von pekuniären Lasten war auf Rechnung seiner Kämpfe in Italien, seiner hülflosen Lage in Ungarn zu bringen. Preußen sah von der völlig undeutschen Haltung Oe­ sterreichs ab. Es sendete am 10. Mai d. I. den General von Canitz nach Wien, es wies ihn nicht an das staatsrechtliche Ver­ hältniß Oesterreichs zur Frage in der angedeuteten Schärfe zur Anschauung zu bringen, um danach den ganzen Werth des Ent­ gegenkommens bemessen zu lassen, sondern es behandelte die Stel­ lung Oesterreichs mit rücksichtsvollster Schonung. In der Instruc­ tion für den General von Canitz vom 10. Mai heißt es, nach der Anweisung das Oesterreichische Cabinet über den von Preu­ ßen eingeschlagenen Gang zu verständigen, wörtlich:

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„Wir nehmen dabei zugleich die vollständigste Rückstcht auf die eigenthümliche Stellung und die besondern Verhältnisse Oe­ sterreichs. Wir begreifen, daß dasselbe in einer andern Lage ist als Preußen und in manche Beziehungen nicht eingehen kann, welche durch die innige Verknüpfung Preußens mit andern Deut­ schen Ländern und die nicht abzulehnende Wechselwirkung mit diesen bedingt sind. Das K. Oesterreichische Kabinet hat dies mehrfach ausgesprochen, und indem wir die Stellung, welche Oe­ sterreich sich selbst gegeben hat, als aus dessen eigenem Bedürfniß nach innerer Kräftigung und Concentrirung hervorgegangen, in vollem Maaße anerkennen, wünschen wir zugleich die Form zu finden, in welcher die alten Bundesverhältnisse mit demselben nicht nur festgehalten, sondern gekräftigt und enger gezogen werden können." In der Denkschrift, welche dem Bevollmächtigten für daö Oesterreichische Ministerium mitgegeben wurde, war hervorgeho­ ben, Oesterreich habe offen ausgesprochen, daß eS die Möglichkeit nicht anerkennen könne, sich auch in den allgemeinen BundeS-Angelegenheiten unterzuordnen, und darum auch eine einheitliche Erecutiv-Gewalt für unmöglich halte; eS habe eben so entschieden ausgesprochen, daß eS auch feine Deutschen Bundesländer nicht den legislativen Beschließungen eines nicht der Gefammt-Monarchie angehörigen Parlamentes unterwerfen und darum an einer Deutschen National-Vertretung in einem Volkshause nicht Theil nehmen könne. Der Standpunkt Oesterreichs werde vollkommen anerkannt. Es habe daö Bedürfniß einer einheitlichen ErecutivGewalt und daö einer nationalen Gefammt-Vertretung in seiner eigenen Monarchie, und dadurch die allgemein verlangte Kräfti­ gung und Centralistrung der Gesammt-Monarchie zu befriedigen gehabt. Dies habe es in seiner Verfassung vom 4. März gethan. Die Denkschrift hielt in dem lebhaften Wunsche einer Verständi­ gung mit Oesterreich den politischen Standpunkt so ausschließlich

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fest, daß sie, der staatsrechtlichen Lage der Sache, nach der Oe­ sterreich bundeswidrig verfahren war, entgegen erklärte, Oester­ reich habe zu jenem Schritte „das volle Recht gehabt" und damit nur einer Pflicht genügt, welche die Selbst-Erhaltung ihm gebo­ ten. AnS dieser Stellung Oesterreichs, welches auch nicht einen Theil seiner Souverainetät zu Gunsten eines Deutschen Bundes­ staats aufgeben könne, aus der mit den bereits angeführten Grün­ den motivirten Nothwendigkeit einer einheitlichen Erecutiv-Gewalt und einer National-Vertretung für Deutschland folge, daß eine Institution nicht genüge, sondern daß ihrer zwei zu schaffen seien, ein Deutscher Bundesstaat und eine deutsche Union mit Oe­ sterreich. Die Grundzüge dieser Union waren in der Denkschrift dahin bezeichnet: „gegen das Ausland sind beide Glieder, der Bundesstaat und Oesterreich untrennbar eins und verbunden, nach Innen aber bilden sich zwei selbstständige Körper mit ei­ gener Gesetzgebung, zwischen beiden findet eine fernere Vereinigung statt durch freie Verträge zur Förderung der materiellen Interessen. Eine nähere Ausführung dieser Punkte, welche der Denkschrift beigefügt war, enthielt wesentlich folgende Festsetzungen: 1. Die Deutsche Union sei ein unlöslicher völkerrechtlicher Bund, bestehend aus der Oesterreichischen Monarchie und dem Deutschen Bundesstaate. 2. Der Austritt stehe keinem Gliede frei. 3. Zweck sei Erhaltung der äußern und innern Sicherheit, so wie der gegenseitigen Wohlfahrt ihrer Glieder. 4. Zwischen den Gliedern der Union bestehe ewiger Friede; Streitigkeiten würden an eine AuSträgal-Jnstauz verwiesen. 5. Das Unionsgebiet sei dem Auslande gegenüber insofern ein gemeinsames, als jeder Angriff mit gemeinsamen Kräften zu­ rückzuweisen sei.

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6. Nur ein vom Gesummt-Interesse der Union gebotener Angriffskrieg sei gemeinsame Sache der letzter». 7. Besondere Uebereinkunft regle im Voraus die gegenseiti­ gen Leistungen in beiden vorgedachten Fällen. 8. Beiden Gliedern der Union stehe das Recht zu solchen Bündnissen und Verträgen mit auswärtigen Mächten zu, welche die Sicherheit der Union nicht gefährden. Eine Verpflichtung für die Union erwachse daraus nicht. 9. Die Union ernenne sämmtliche ständige Gesandte im Auölande nach einem zwischen beiden Unionsgliedern zu regelnden Turnus. Die Instructionen ertheile und die Berichte empfange die Union. 10. Für besondere Zwecke könne jedes Unionsglied Bevoll­ mächtigte an auswärtige Regierungen senden. 11. Die Konsulate bestelle die Union. 12. Die bisherigen Bundesfestungen gingen in Eigenthum und Verwaltung der Union über. 13. Verhandlungen würden sofort eröffnet zur Förderung der Gemeinschaft zwischen den Unionsgliedern in Bezug auf die materiellen Interessen. 14. Als Organ zur Leitung der Unions-Angelegenheiten trete in Regensburg ein UnionS-Direktorium zusammen, zu dem Oesterreich zwei Mitglieder sende, Preußen und die andern Staa­ ten gleichfalls zwei. Oesterreich führe den Geschäftsvorsitz. 15. Die Mitglieder des Directoriums seien abberuflich und an Instructionen der verfassungsmäßigen Gewalten gewiesen. Diese Grundlinien zu einer Unions-Akte waren an dem Tage, an welchem der General von Canitz nach Wien abging, dem Oe­ sterreichischen Gesandten zu Berlin vollständig mitgetheilt worden, und darüber, daß sie von diesem sogleich nach Wien gesendet sind, kann kein Zweifel obwalten. Der General von Canitz war indeß in einem Schreiben vom 10. Mai ermächtigt, falls der 9. Punkt jener Grundlinien in Wien Anstand finden und die Oesterreichi-

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sche Regierung vorziehen sollte, jedem UnionSgliede die selbststän­ dige Vertretung durch ständige Gesandte zu erhalten, hierauf ein­ zugehen. Schon die erste Unterredung zeigte dem Preußischen Bevollmächtigten, daß die Oesterreichische Regierung den neunten Punkt nicht annehmen werde. Er substituirte ihm den Satz: „die Politik der Union wird als eine gemeinsame betrachtet und be­ handelt." .Er übergab das Projekt mit dieser Abänderung und mit Weglassung der Punkte 14 und 15, da das Direktorium nur mit Rücksicht auf die ursprüngliche Fassung des Punktes 9 eine Bedeutung hatte. Hätte Oesterreich etwa den Willen ge­ habt, auf das Unions-Project nach der Berliner Fassung einzu­ gehen, so konnte eö auf diese, welche, wenn sie für Oesterreich Bedenken hatte, noch viel schwerer wiegende für Preußen und den Bundesstaat haben mußte, in jedem Augenblick zurückkommen. Hat Oesterreich den Willen nicht gehabt, so war es ganz gleichgültig, ob eö das Projekt der Union in der Berliner Fassung von seinem Gesandten oder von dem Preußischen Bevollmächtigten erhielt. Der letztere war ermächtigt, falls Oesterreich auf die Vor­ schläge eingehe, sofort mit dem K. Cabinet abzuschließen, indem Preußen sich die weitere Vermittelung bei den übrigen Bundes­ genossen vorbehielt. Oesterreich lehnte alles und jedes Eingehen auf den preußi­ schen Vorschlag entschieden ab, und faßte die Sache auf, als han­ dele eö sich nur um Befriedigung der im Augenblicke in arger Selbsttäuschung befangenen öffentlichen Meinung, nicht um die Bedürfnisse der Zukunft; Preußen hat dies ernst von sich gewie­ sen. Der Vorschlag der Union wurde von Oesterreich abgelehnt, weil eö eine bindende Uebereinkunft nicht schließen könne, in welche als eigentlicher Paciscent, ein Bundesstaat einzutreten hätte, der noch nicht einmal gebildet sei. Dieser Grund war dem Ernst der Sache schwerlich angemessen; das preußische Projekt des Bundes­ staats war Oesterreich bekannt; unter der Voraussetzung, daß er wesentlich so, wie er beabsichtigt wurde, zu Stande komme, war

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die Union angetragen und unter dieser Voraussetzung konnte sie eingegangen werden. In nebelhafter Ferne, ohne irgend nähere Darlegung des Plans, zeigte Oesterreich den Gedanken eineö Reichs-Directoriums und einer Vertretung des Volks bei demsel­ ben; um dieser Ferne willen hat eS denn auch nicht bemerkt oder nicht bemerken wollen, daß Directorium und Parlament unvereinbar sind, aber einen noch wichtigeren Neben-Umstand hat es ver­ gessen, den, daß Oesterreich, welches sich die Verfassung vom 4. März gegeben, und bestimmt erklärt hat, daß es sich auch in seinen allgemeinen Bnndesverhältnissen nicht unterordnen und seine deutschen Lande den legislativen Beschlüssen einer außerösterreichischen Körperschaft nicht unterwerfen könne, eben so wenig Mitglied eines Reichsdirectoriums als deS Bundesstaats sein kann. ES kann un­ möglich in Anspruch nehmen, Mitglied eines deutschen ReichS-Directoriuins zu werde», und legislative Befugnisse über Deutschland zu üben, während es seine eigenen deutschen Länder den Beschlüssen dieses DirectoriumS entzieht. Dies ist der Kern deS Zwiespalts, dies ist die Kluft zwischen Oesterreich und Deutschland, und der königl. Commissar hatte Recht in der II. Kammer zu sagen, daß die Oberhauptsfrage nicht der Grund mangelnder Einigung sei. So zerschlugen sich denn die Verhandlungen und, nachdem wiederholt vergeblich versucht war, in, wie die der Kammern vor­ gelegten Noten beweisen, sehr eindringlicher klarer und überzeu­ gender Weise Oesterreich zur Erkenntniß der Verhältnisse zu brin­ gen, blieb Preußen am 28. Mai d. I. nur die Erklärung übrig, daß es, nachdem es das Bündniß mit Sachsen und Hannover geschlossen, in Gemeinschaft mit diesen, seinerseits in den weiteren Einleitungen zur Bildung eines Bundesstaats vorgehen werde, und abwarten müsse, daß Oesterreich in derselben Offenheit und Aufrichtigkeit, die Preußen gezeigt, mit einer Darlegung seiner Ansicht über das Verhältniß entgegen kommen werde, welches es zu Preußen und den verbündeten Staaten einzunehmen gedenke.

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ES ist nichts davon bekannt geworden, daß Oesterreich dieser ge­ rechten Erwartung entsprochen habe. Oesterreich hat Jahre lang die Kräftigung der deutschen Ver­ hältnisse gehemmt, eö hat seine Verpflichtungen für Deutschland versäumt, eS hat sich in der dänischen Sache undeutsch nicht ein­ mal vermittelnd gezeigt, eS hat seine deutschen Lande der obersten Bundes-Verpflichtung entzogen, sich seine Mitgliedschaft in einem Bundesstaate, in einem Direktorial-Bunde, im deutschen Bunde von'1815 gleich unmöglich gemacht — Preußen kommt ihm ent­ gegen, eS bietet ihm das unter solchen Umständen nur mögliche engste Bündniß in der Union an, und Alles wird von einer basis­ losen und anspruchsvollen Stellung aus mit sichtbarer Gleichgül­ tigkeit abgewiesen. Die Geschichte wird darüber richten, und Preußen kann dem Urtheil mit Ruhe entgegensehen. ES muß aber noch einmal recht ausdrücklich hervorgehoben wer­ den, das, was wir als den rechtlichen Standpunkt in der Sache be­ zeichnet haben, nachdem Oesterreich seine deutschen Lande aus dem or­ ganischen Zusammenhang mit dem deutschen Bunde gebracht, und sich dadurch von diesem ausgeschlossen hat, die Trennung Oesterreichs von diesem und die auflösende Rückwirkung auf den letztem selbst — das ist keineswegs der Standpunkt, welchen die preußische Regierung angenommen oder auch nur angedeutet hat. Sie hat sogar den entgegengesetzten wiederholt und ganz bestimmt festge­ halten, sei es nun, daß die staatsrechtliche Frage anders von ihr betrachtet wird, oder daß sie es, um des ernsten Verlangens eines Zusammenhaltens mit Oesterreich und um des Wohles von Deutschland willen, also aus politischen Gründen vorgezogen hat, die Rechtsfrage in ihrer Schärfe an der Seite zu lassen. Schon in der Rote vom 28. April c. war der deutsche Bund als bestehend und unter allen Umständen heilig zu achtend bezeich­ net worden. In einer Note vom 25. Mai an den General von Canitz erklärte der preußische Minister-Präsident: sollte die kaiserliche

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Regierung ihrerseits keine Vorschläge machen, „so werde alsdann noch immer der einfache und verbürgte Rechtsboden deö Bünd­ nisses von 1815 übrig bleiben, auf welchem Preußen sich mit Oesterreich die Hand reichen würde, Preußen sei eben so verpflich­ tet als berechtigt, die durch die Bundeö-Acte bezeichneten Theile der österreichischen Monarchie als die integrirenden Theile dieses Bundes anzusehen, und es zweifle nicht, daß die kaiserliche Regie­ rung von demselben Gesichtspunkte ausgehe. Ihr gegenüber werde Preußen mit unverbrüchlicher Treue an dem alten Bundesverhält­ niß festhalten und alle daraus entspringenden Verpflichtungen im vollsten Umfange erfüllen. Auch jetzt entferne sich Preußen nicht von dem Rechtsboden des deutschen Bundes, den Preußen als rechtlich fortbestehend zu erachten wiederholt erklärt habe, Preußen finde in dem Art. XI. der Gründungs - Acte desselben die Mög­ lichkeit gegeben, das wirklich vorhandene Bedürfniß eines Bundes­ staats durch ein engeres Bündniß innerhalb deö Bundes zu be­ friedigen, ohne die Pflichten gegen den letzter« irgendwie zu ver­ letzen." Wir können das Festhalten an dem, was noch ein Boden in Deutschland ist, nur vollkommen anerkennen, und wissen das ganze Gewicht der Gründe zu schätzen, aus denen auch Oesterreich als noch auf diesem Boden stehend, behandelt worden ist; sollte aber von andrer Seite als bisher das gute Recht Preußens zu dem Bündnisse des Bundesstaats, wenigstens dem Wortlaute deö Art. XL der Bundes - Acte entgegen, in Frage gestellt werden, sollte, was auf das schmerzlichste zu beklagen wäre, Oesterreich ein da­ zwischen tretendes Hemmniß für eine Neugestaltung Deutschlands werden wollen, dann würde der Zeitpunkt gekommen sein, in dem das staatsrechtliche Verhältniß Oesterreichs zum Bunde, so wie eö durch sein eigen Thu» geworden, in seiner ganzen unverhüllten bittern Wahrheit zur Geltung gebracht werden müßte. Hoffen wir, zum Wohle Deutschlands und Oesterreichs, daß dieser Zeit-

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Punkt nicht kommen, daß die Zeit besonnener Erwägung der Dinge in Wien nicht ausbleiben werde. Aber noch ein Gegenstand der Unterhandlungen ist zu er­ wähnen. Er betrifft die provisorische Central-Gewalt- die Gewalt, welche an Stelle der Bundes - Versammlung diejenigen Angelegenheiten zu leiten hat, welche den zum Bündnisse vereinig­ ten Staaten einerseits und den außerhalb des Bündnisses stehen­ den gemeinsam sind. Die Reichsverweserschaft, welche an Stelle der Bundes - Versammlung die gemeinsamen Angelegenheiten für Deutschland zu verwalten hatte, dankte ihr Dasein der NationalVersammlung in Frankfurt und der Zustimmung der Regierungen. Sie hatte die Geschäfte durch ein Reichs-Ministerium zu führen, welches jener Versammlung verantwortlich war; mit der Auflö­ sung der letztem hatte die Reichsverweserschaft rechtlich ihr Ende erreicht. Der Boden war ihr entzogen. Sie konnte die Geschäfte nicht durch Minister führen, für die eö keine Verantwortlichkeit mehr gab. Die Reichsverweserschaft war überhaupt nur eine provisorische, sie sollte nur in Kraft sein, bis mit der RationalVersammlung eine Reichsverfaffung vereinbart sein würde. So wie die National-Versammlung ihr trauriges Dasein geendet hatte, in demselben Augenblick erlosch auch, da eS nun feststand, daß auf diesem Wege zu einer Verfassung nicht zu gelangen sei, nach der Bestimmung deS Provisorii das zuletzt klägliche Dasein der ReichSverweserschaft. Dessenungeachtet hat Oesterreich den Reichsverweser in seiner recht- und kraftlosen Stellung, schwer vereinbar mit der Ehre deö Kaiserhauses, dem der erlauchte Fürst angehört, festge­ halten, und hält ihn heute, da wir dies schreiben noch fest, um ihn die Mannschaft einer Flotte, für die Oesterreich keinen Gulden gesteuert, vereiden zu lassen, und um durch ihn den Versuch zu machen, eben diese Flotte in das Mittelmeer zu entführen, und unter österreichischen Befehl zu stellen. Oder ist man unschuldig genug anzunehmen, daß der Reichsverweser anders als aus In­ structionen aus Wien handle? Dies ist das Verhalten desselben

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Oesterreichs, welches in einer Note vom 16. Mai d. I. wörtlich erklärte: „Der Erzherzog Reichsverweser vermag die Stellung, welche ihm angewiesen ist, nicht mehr länger zu behaupten." Als die Unterhandlungen in Wien begannen, hatten mehrere und bedeutende Staaten den Antrag an Preußen gerichtet, bis zum Abschluß der Bundesstaats - Verfassung die provisorische Cen­ tralgewalt zu übernehmen. Die Sache war dringend. Sachsen war in Empörung. Gleiches war bei dem für die nächsten Tage bevorstehenden Versinken der Frankfurter Versammlung in andern Ländern zu erwarten, wie es denn auch eingetreten ist. Oester­ reich war offenkundig in Deutschland machtlos, es brauchte den mächtigen Nachbar im eigenen Lande. Preußen war in voller Kraft. Sein war die von Oesterreich anerkannte Aufgabe, diese Kraft zur Herstellung der Ordnung geltend zu machen. Es hatte gerechten Anspruch darauf, daß seine rechtliche Stellung zu dieser Aufgabe durch Anerkenntniß gegründet werde, es hatte den An­ spruch, daß Oesterreich, materiell ohnmächtig, das Einzige für das gefährdete Deutschland that, was es zu thun noch vermochte, daß eS durch sein Anerkenntniß Preußen in die Lage brachte, den Maaßregeln Einheit zu geben. Preußen suchte in der Denkschrift vom 9. Mai d. I. die Zustimmung Oesterreichs zur Uebernahme der provisorischen Centralgewalt nach und erklärte sich zu dieser Uebernahme ausdrücklich nur unter Zustimmung aller deut­ schen Regierungen bereit. Die Hingebung Oesterreichs für Deutschland ist aus der Antwort zu erkennen. So wenig, hieß es in der Oesterreichischen Note vom 16. Mai d. I., Oesterreich die ausschließliche Leitung der provisorischen Centralgewalt in Anspruch nehmen werde — eine Versicherung, welche im Hinblick auf seine damalige Lage in Ungarn, durchaus glaubwürdig war — eben so wenig vermöge es sich der von einer andern Macht selbstständig geübten Gewalt unterzuordnen. Es wolle die Bemühungen Preußens, damit ge­ gen dasselbe kein Mißtrauen entstehe, moralisch unterstützen und 4

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bringe deshalb die Errichtung einer aus drei Mitgliedern bestehen­ den provisorischen Centralgewalt in Antrag. Der Rechtöpunkt war eS jedenfalls nicht, dem Oesterreich seine Scrupel entnahm, denn, während Preußen die Centralgewalt nicht anders als mit Zustim­ mung

aller Regierungen

antreten zu wollen bestimmt erklärt

hatte, machte Oesterreich in der Denkschrift vom 16. Mai d. I. den Vorschlag, Oesterreich und Preußen sollten zur Vermeidung alles Zeitverlustes

die Ausübung der Gewalt sofort

über­

nehmen, und die übrigen deutschen Könige auffordern, sich über die Wahl des dritten Mitgliedes unter sich zu vereinigen. Die übrigen deutschen Regierungen kamen für Oesterreich nicht weiter in Betracht. Preußen erwiederte, daß wenn es Oesterreich an moralischer Unterstützung Preußens, zur Beseitigung jedes Mißtrauens liege, dies in dankenswerther und völlig

ausreichender Weise dadurch

geschehen könne, daß eS zur Uebernahme der Centralgewalt Sei­ tens Preußens seine Zustimmung gebe; die Spaltung der Cen­ tralgewalt,

von deren kräftiger, dem Bedürfniß deö Moments

entsprechender, Handhabung die Rettung eines Theils von Deutsch­ land von dem Umstürze abhange, in eine Triaö sei nicht was die Noth des Augenblicks fordere.

Preußen könne nicht der Dispo­

sition über seine eigenen Kräfte entsagen, Maaßregeln im eigenen Gebiete von zeitraubenden

Communicationen abhängig

machen,

und gleichzeitig unter solchen Umständen unerfüllbare Verpflich­ tungen übernehmen.

Sehr bestimmt wurde endlich in einer Preu­

ßischen Note vom 25. Mai d. I. hervorgehoben, daß Preußen nicht entfernt beabsichtigt habe, an Stelle der jetzigen provisorischen Centralgewalt, mit einer Herleitung aus dessen angeblichen Rech­ ten zu treten, daß eine neue Centralleitung nur durch gemeinsame Anerkennung von Seiten aller deutschen Regierungen geschaffen werden könne, und es zu einer willkührlichen Uebernahme derselben, als einer Bundesautorität, so wenig sich als einen an­ dern Staat berechtigt erachte. So brachen die Verhandlungen ab.

Preußen hat auch in diesem Punkte das Urtheil nicht zu scheuen. Es hat den Weg des Rechts nicht verlassen; während Oesterreich durch seinen Erzherzog für sich allein eine Schein-Centralgewalt, der jeder Rechtstitel fehlt, in Deutschland zu üben und durch ihn hier und da ein Hemmniß in den Weg zu bringen mit seinen alten Erinnerungen verträglich findet. Daß dennoch Preußen in der Zeit der Noth seine Aufgabe gelöst hat, daS dankt es dem Vertrauen seiner hülfSbedürftigen Mitfürsten, seinem durch Heilighaltung des Rechts erworbenen Rufe, und seiner guten Kraft. Oesterreichs Schuld ist es nicht, daß die Lösung gelungen. Neue Verhandlungen über die Bildung einer provisorischen Gewalt sollen im Gange sein, und, wenn diese Blätter erscheinen, ist eine Einigung vielleicht schon bekannt.

Blicken wir auf den dargelegten Gang der Verhandlungen zurück, so ergiebt stch daß vier Gegenstände derselben in ihrer bis­ herigen und ihrer künftigen Entwickelung, wie es von uns gesche­ hen, streng gesondert auseinander zu halten find. Sie werden zur Verwirrung der Sache öfters verwechselt. 1. Die künftige definitive Verfassung des beabsichtigten Bun­ desstaats. Sie ist, wie die in Bezug auf diesen verbündeten Re­ gierungen sie projectiren, in dem „Entwurf der Verfassung des deutschen Reichs," dem sogenannten Drei Königs - Entwürfe, ent­ halten. Sie, und zwar ausschließlich sie, soll mit dem zu berufen­ den Reichstage berathen werden. Durch das Bündniß vom 26. Mai d. I. haben die zu diesem verbundenen Regierungen und diejenigen, welche sich ihm später angeschlossen haben, stch ver­ pflichtet, jenen Entwurf einem solchen Reichstage vorzulegen. Dem Projecte dieses Bundesstaats sind, da von Oesterreich dabei nicht die Rede sein kann, bis auf Baiern und Württemberg, und zwei oder drei kleine Ländchen, alle deutschen Regierungen beigetreten. 4#

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Von einem lediglich Nord- oder Mitteldeutschen Bundesstaate ist also nicht die Rede.. 2. DaS Provisorium für die obere Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten in den Ländern, deren Regierungen sich zur Bil­ dung des Bundesstaats zusammengeschlossen haben. Das Organ für diese Leitung ist der Verwaltungsrath. Er ist seit dem I.Juni d. I. in Wirksamkeit und bleibt in dieser nur bis die zu 1. ge­ dachte definitive Verfassung zur Geltung gebracht ist. Ist dies am 1. Juni künftigen Jahres noch nicht der Fall, so bleibt die Verlängerung der Verabredungen vorbehalten. Zu diesem Provisorium gehört auch das provisorische BundeS-Schiedsgericht in Erfurt, an dessen Stelle, wenn die definitive Verfassung zur Geltung kommt, das nach dieser beabsichtigte Reichs­ gericht tritt. 3. Diedefinitive Union Mischendem beabsichtigten Bundesstaate und Oesterreich. Sie bezweckt ein dauerndes inniges Verhältniß zwi­ schen jenem einerseits und diesem andrerseits für die den beiden Staatskörpern gemeinsamen Angelegenheiten: den inneren beider soll sie gänzlich fremd bleiben. Sie hindert die Bildung und Ent­ wickelung des Bundesstaats in keiner Weise, dieser soll neben ihr bestehen. Den Vorschlag zu solcher Union hat Oesterreich abge­ lehnt. Seine Vorschläge über sein Verhältniß zu dem künftigen Bundesstaate werden erwartet. Wird der Gedanke der Union wieder aufgenommen, so wird er, wenn alsdann Baiern und Württemberg sich, in ihrer Jsolirung, vom Bundesstaate fern hal­ ten, zwischen diesem einerseits und zwischen Oesterreich, Baiern und Württemberg andererseits weiter auszubilden sein. 4. Die provisorische Centralgewalt. Sie ist das Proviso­ rium, welches für die Angelegenheiten, die einerseits den zur Bil­ dung des Bundesstaats verbundenen Ländern und andererseits den übrigen deutschen Landestheilen, welche sich demselben nicht ange­ schlossen haben, oder nicht anschließen werden, gemeinsam sind. Kommt eö zu der unter 3. gedachten Union, so hat die provisorische

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Centralgewalt ihre Endschaft erreicht. wenn sie zu Stande käme,

So wenig wie die Union,

eben so wenig kann eine bis dahin

statt ihrer provisorisch eintretende Centralgewalt weder die inneren Angelegenheiten Oesterreichs und der übrigen außerhalb des Bun­ desstaats bleibenden deutschen Länder, noch die der zum Bundes­ staat zusammengeschlossenen Staaten berühren.

Dies ist ein tief

eingreifender Grundzug, welcher die Union und die provisorische Centralgewalt wesentlich unterscheidet von dem Bunde von 1815, und dem früheren Organe deö letztern.

Die zwingende Ursach

zu dieser wesentlichen Abweichung liegt nicht sowohl in der abgeson­ derten und in sich geschlossenen Stellung des Bundesstaats, als in dem Umstande daß Oesterreich seine deutschen Lande der gemein­ samen Legislation entzogen hat. Dies ist das Resultat der von Preußen, wie die Protokolle und die Noten zeigen, entschlossen, konsequent, ehrlich, treu und offen geführten Politik, einer Politik, welche mit der ausdrücklichen Erklärung, daß die Zeit der nebelhaften Gedanken und deS soge­ nannten Vorschwebens vorbei sei, ein klares und bestimmtes Ziel erstrebt, und entschlossen ist dies Ziel zu erreichen, es sei mit oder ohne Oesterreich, (siehe das Protokoll vom 23. Mai d. I.) Daß Preußen Werth darauf gelegt hat, mit Oesterreich zu gehen, das hat es genugsam bewiesen. Die Kammern haben diese Politik anerkannt, nicht bloß durch die Art, in der sie die Mittheilungen der Regierungs-Commissare aufgenommen, nicht bloß in Worten,

sondern

durch die That.

Nach Art. 46. der Preuß. Verfaffungs - Urkunde, welcher anord­ net, daß Verträge, welche dem Staate oder einzelnen Staatsbür­ gern Verpflichtungen auflegen, der Zustimmung bedürfen, war es kaum zweifelhaft, daß die Kammern das Recht in Anspruch neh­ men konnten, über ihre Einwilligung zu dem Bündniß vom 26. Mai sowohl, als zu der Verfassung, wie sie definitiv mit dem Reichstage vereinbart werden wird, ihre schließliche Zustimmung zu geben.

Es ist dabei wohl zu beachten, daß es sich nicht um

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eine den ganzen Deutschen Bund umfassende, und von diesem aus­ gehende Legislation handelt. Einer solchen würden sich die Volks­ vertretungen der einzelnen Bundesstaaten allerdings unterwerfen müssen, und das Recht der Zustimmung nicht verlangen können. In diesem Sinne wurde auch der Art. 111. in die Preuß. Ver­ fassungs-Urkunde aufgenommen, er bezog sich auf die für den ganzen Deutschen Bund projectirte, zwischen allen Bundes-Regierungen und der National-Versammlung in Frankfurt zu verein­ barende Verfassung. In Bezug auf diese bestimmte der Art. 111, daß der König die durch sie nöthig werdenden Aenderungen der Preußischen Verfassung anordnen und den Kammern nur das Recht zustehen werde, über die Uebereinstimmung dieser Anord­ nungen mit der Deutschen Verfassung Beschluß zu fassen. Der bekannte Beschluß der Kammern, daß dieser Artikel Anwendung finden solle auf die nach dem Bündnisse vom 26. Mai zu verein­ barende Verfassung des engeren Bundesstaats, hat daher die Be­ deutung, daß die Kammern sich des Rechtes der Zustimmung zu dem materiellen Inhalt dieser Verfassung begeben, und sich nur das oben bezeichnete beschränkte Recht vorbehalten haben, welches ihnen in Bezug auf eine den ganzen Bund umschließende Verfas­ sung zustand. Es ist dies ein wichtiger Akt der Selbstverleug­ nung, der Hingebung und auch des Vertrauens, um so bedeutungs­ voller, je größer die ganz nahe an Einstimmigkeit gränzende Majorität war, mit welcher er geübt wurde. Er giebt das spre­ chendste Zeugniß dafür, wie tief und wie allgemein auch in Preu­ ßen erkannt wird, daß die Einigung und Kräftigung Deutschlands eine der Grundbedingungen sei für die dauernde Wiederkehr besse­ rer Zustände. Denn freilich, soll in ungefähr dreißig Deutschen Staaten den Landesvertretungen, zum großen Theil überdies in zweien Kammern, das Recht vorbehalten sein, sich schließlich über den materiellen Inhalt der Verfassung deö Bundesstaats zu er­ klären, dann möchte Keiner der jetzt Lebenden das Ende dieses Einigungswerks sehen. Es ist zu wünschen, daß das Beispiel

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nicht ohne allgemeine Nachfolge bleibe.

ES war aber auch ein

Akt des Vertrauens, nicht wie eS mehrfach aufgefaßt worden, für den künftigen Reichstag, nein, für die Preußische Regierung.

Zu

dem Reichstage stehen die Kammern in keinem Rechtsverhältnisse, zwischen jenem und ihnen findet keine Theilung der Rechte statt, die Rechte des Reichstags sind durch den Beschluß der Kammern gänzlich unverändert geblieben, nicht im mindesten erweitert. schen der Regierung

und

Zwi­

den Kammern aber besteht in dieser

Sache allerdings ein Rechtsverhältniß und die Theilung der Rechte war der Art, daß die Kammern das Recht der vollen Mitsprache bei dem letzten Worte hatten,

das die Regierung über die vom

Reichstage revidirte Verfassung zu

sprechen haben wird.

DaS

letzte Wort über Annahme oder Nichtannahme steht der Regie­ rung, nicht

dem Reichstage

zu.

Dieses Recht der Mitsprache

haben die Kammern der Regierung zurückgegeben, und diese wird für Preußen allein zu sprechen haben. . Deshalb konnte das Mi­ nisterium den Beschluß mit Recht als ein VertrauenS-Votum be­ zeichnen, und daß es gegeben worden, Zeichen für die Preußische Politik.

ist ein bedeutungsvolles

Es zeigt, daß die Regierung

durch die Entschiedenheit, die Einsicht und die Treue, mit der sie in dieser Sache ihren Weg gegangen, das Vertrauen erzwungen hat, sie werde nicht wanken und nichts versäumen, um, wenn eS anders Menschen gegeben ist, an ihr Ziel zu gelangen, und ihren Weg so nehmen, daß Preußen dabei keinen Schaden leide. Dies Vertrauen muß, wenn mit Ernst und vor allem mit Unbefangenheit auf den

bisher beschrittenen

Weg

zurückgesehen

wird, der Regierung aus dem ganzen Lande, und, wo Klarheit und Einsicht waltet, auch von

jenseits seiner Grenzen zufallen.

Mit diesem Vertrauen gewappnet kann die Regierung die Ereig­ nisse kommen sehen, sie wird ihnen gewachsen sein.

SV

Sechstes Kapitel.

Die Gegner.

Die Angriffe gegen die Preußische Politik in der Deutschen Sache sind hauptsächlich von drei Seiten gekommen. Von der demokratischen, von derOesterreichisch-Baiernschen, und aus der Mitte der konservativen Partei in Preußen selbst, der wir mit Herz und Hand angehören. Wir haben es hier nur mit den zuletzt bezeich­ neten Angriffen zu thun, und gedenken der von der demokratischen und der Oesterreichisch-Baiernschen Seite kommenden nur allge­ mein in so weit, als die Erbitterung auf diesen Seiten einen Be­ weis abgiebt gegen die Gerechtigkeit des von Conservativen erho­ benen Vorwurfs, die Preußische Politik sei nichts als eine Con­ cession an die Demokratie und sei zu wenig Preußisch. Schon in der Entwickelung unserer eigenen Ansicht liegt die Antwort auf mannichfache Behauptungen unserer konservativen Genoffen. Hier wollen wir ihnen näher gegenübertreten. Als ein Vorkämpfer für die Ansicht, daß Preußen durch den Eintritt in den beabsichtigten Bundesstaat Schaden leide, und daß dieser Eintritt und die beabsichtigte Verfassung des Bundesstaats nichts als eine Concession an die Demokratie sei, ist mit besonde­ rer Lebendigkeit Wilhelm Beer aufgetreten*). Es ist uns sehr willkommen, daß wir die Polemik gegen ihn in der friedfer­ tigsten Weise führen können. Es ist uns willkommen, weil wir *) Die Drei-Königs-Verfassung in ihrer Gefahr für Preußen dar­ gestellt und allen Patrioten gewidmet, von Wilhelm Beer. Ber­ lin 1849.

_____ ihn hoch achten.

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In einer Zeit, da, weil Reden Gefahr brachte, viele

schwiegen, welche reden konnten, ist er mit seinem Namen und in Verhältnissen, die zu sehr materiellen Angriffen

verlockten, dem

Pöbelregiment mit muthigen Worten oft entgegengetreten.

Die

Schrift selbst ist von warmer preußisch-patriotischer Gesinnung, die auch wir als die unsere in Anspruch nehmen, durchglüht.

Dessen­

ungeachtet müssen wir seine Behauptungen fast ohne Ausnahme bestreiten.

Auf daö friedfertigste können wir polemisiren, denn

wir dürfen im wesentlichen nur aus das ohne Hinblick auf Beer'S Schrift Gesagte verweisen.

Er bezeichnet selbst als den Haupt-

und Angelpunkt der letztern die Nothwendigkeit des Staaten-BundeS, und die Gefährlichkeit des Bundesstaat für Preußen — neben­ her wird mehrfach die Behauptung ausgesprochen oder angedeutet, Preußen hätte abwarten sollen oder können, waS geschehen werde. Für denjenigen, den wir im dritten Kapitel haben überzeugen kön­ nen, daß Preußen handeln mußte, und daß es nicht anders handeln konnte als durch Einleitungen zur Bildung eines Bun­ desstaats, bedarf es keiner weiteren Widerlegung der Schrift. ihn ist ihr Grundgedanke widerlegt.

Für

Einer Ausführung im Ein­

zelnen, einer Hinweisung darauf, daß constitutionelle Staaten keine BundeS-Behörde als absolutes Regiment über sich haben können, so wie darauf,

daß aus den deutschen Bund nach seiner alten

Basis nicht zurückgegangen werden kann, bedarf eS nicht, und um so weniger als das eine wie das andere im Vorhergehenden her­ vorgehoben worden ist. Die Nothwendigkeit läßt sich beklagen, sie bleibt aber dennoch, wenn man ihr auch den Rücken wendet. man aber klagt, betrachte man, ob Grund dazu vorhanden. ßen, heißt

Ehe Preu­

eö, werde mediatisirt, es verliere seine selbstständige

Vertretung nach außen, und damit seine Europäische Stellung. Die Sache liegt aber anders und zwar um eines viel übersehenen Um­ standes willen, auf den der größte Nachdruck zu legen ist.

Preußen

hat staatsrechtlich seine europäische Stellung verloren, es gilt sie wieder­ zugewinnen. Eine Europäische Stellung hat ein Staat nicht dadurch,

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58 -------

daß er Gesandte im eigenen Namen sendet.

Baierische und Würt­

tembergische Gesandte halten in Paris und London ihre Auffahrt, und doch wird wohl Niemand außerhalb Baierns von der Baierischen und außerhalb Württembergs

von

Europäischen Stellung gesprochen haben.

der Württembergischen Eine Europäische Stel­

lung hat ein Staat nur dadurch, daß er in den großen Fragen von Krieg und Frieden in Europa ein ernstliches Wort mitzureden hat.

Das können die einzelnen Glieder eines Bundeskörpers

Europa nicht, das kann nur dieser in seiner Gesammtheit.

in

Jede

andere Anordnung hebt das Wesen eines Staaten-Bundes in Eu­ ropa auf.

So

ist es auch im deutschen Bunde.

Art. 35 der

Wiener Schluß-Acte vom 15. Mai 1820 behält dem GesammtBunde das Recht vor über Krieg und Frieden zu beschließen; Art. 36 entzieht eS den einzelnen Bundesgliedern; Art. 46 spricht es den Bundesgliedern zu, welche außerhalb des Bundesgebiets Besitzungen haben.

Abgesehen von Dänemark und den Niederlanden galt dies

nur von Oesterreich und

Preußen.

Beide hatten selbstständiges

Recht zu Krieg und Frieden, Preußen, weil seine Provinzen Preu­ ßen und Posen nicht zum Bunde gehörten. loren, es mag oder

Preußen hat eö ver­

nun der deutsche Bund erneuert befestigt werden,

mit neuen Grundlagen ein deutscher Staatenbund an seine

Stelle treten ; denn von dem obersten Grundsatz, daß nur er selbst in seiner Gemeinschaft über Krieg und Frieden zu bestimmen habe, kann ein Staaten-Bund in Europa nicht ablassen.

Preußen hat

seine Provinzen Preußen und Posen dem Bunde einverleibt.

Ob

es daran wohlgethan oder nicht, darüber ist nicht zu rechten, eö ist geschehen, und eS gehört, was wohl zu merken, zu den Din­ gen, die nicht ungeschehen zu machen sind.

Preußen wird also in

einem Staaten-Bunde sich über Krieg und Frieden dem gemeinsa­ men Beschlusse zu unterwerfen haben, und von seiner europäischen Stellung wird in der Geschichte zu lesen sein.

Wollte unser kon­

servativer Genosse uns entgegnen, daß Preußen mit 500000 Hel­ men über diese Noth hinaus sei, so heißt das nur, daß es die

-------- 59 -------Kraft habe, bundesbrüchig zu werden, und er wird uns gestatten müssen, auf dieselben Helme zu sehen, wenn wir, wie es nnS scheint dann aus besseren Boden stehend, in Preußens Kraft den Nachdruck für Preußens Recht suchen.

In dem Bundesstaat ist

für dieses unerläßliche Recht Preußens gesorgt, sein König beschließt als Reichsvorstand selbstständig und ausschließlich über Krieg und Frieden des Bundesstaats.

Man wende nicht ein, Preußen habe

seit Jahr und Tag seine früher außerdeutschen Landestheile in den Bund gegeben, und habe doch noch heute seine Europäische Stel­ lung ; man würde dabei vergessen, daß der deutsche Bund seit eben so langer Zeit in den Archiven ruht und wir in den Tagen ent­ weder nach seinem Tode oder während seines Interregnums leben. Den Einwurf aber erwarten

wir, da von

ernsten Dingen die

Rede ist, nicht, Preußen habe fortan sein Europäische Stellung auf einen kleinen polnischen Distrikt, oder auf Neuenbnrg zu gründen. Der Bundesstaat ist das

Mittel Preußen in seiner europäischen

Stellung zu erhalten, und wird er nicht deshalb erstrebt, so ist er doch auch deshalb unerläßlich. Hiernach und nach dem in früheren Kapiteln Gesagten ergiebt sich, was wir unsrerseits von Behauptungen einer Mediatistrung Preußens und von einer Neigung lediglich der Demokratie Concessionen zu machen, zu halten haben.

Wir wollen nur noch

kurz einiger Bemerkungen der Schrift gedenken.

Wenn auf Preu­

ßens 500000 Mann hingewiesen wird, mit denen die Revolution und Deutschland zu bewältigen sei, so fragen wir: und was bann? dann würden wir, und sollten auch kurze Jahre darüber vergehen, mit unserm Parteifreunde über Staaten-Bund und Bundesstaat von neuem rechten müssen.

Wir unsererseits können nicht anneh­

men, und haben uns darüber ausgesprochen, daß das Vereini­ gungswerk anders als durch freie Vereinbarung zu Stande kom­ men könne, wir können nicht annehmen, wie es S. 25 der Schrift geschieht, daß es von Preußen oder wem sonst zu biedren sei, und fragen den

Verfasser, welche Dauer, ohne Säbelregiment, das

--------Dictat haben würbe.

Die

60 -------Verfassung

eines Staats

läßt sich

octroyiren, nicht die Vereinigung selbstständiger Staaten zu einem Verfassungs-Werke dictiren.

Dazu mögte Europa nicht schweigen,

und ein neuer siebenjähriger Krieg die Sache bei seinem Schlüsse günstigstenfalls so lassen, wie sie vor dem Dictate gestanden.

Ein

Bundesstaat ohne Preußen ist vom Verfasser wenn auch zugege­ ben, wohl nicht ernstlich gemeint.

Bei der von ihm anerkannten

Schwäche der übrigen Staaten, die

eben

der Stärkung durch

Preußen bedürfen, möchte einem solchen demokratischen Musterstaat wohl nicht lange zuzusehen sein. Was das Reichsgericht anlangt, so werden die Bedingungen der Klage bei demseben wohl bekannt werden, und die Besorgniß des Verfassers heben, daß ein Einzelner, Conservativer oder De­ mokrat, oder überhaupt außerhalb des Staats-Organismus stehende Individuen oder Massen staatsrechtliche Fragen vor dasselbe brin­ gen können. Einige Monate Anwesenheit des Königs am Reichstage — übrigens nicht außerhalb der preußischen Grenzen, wie der Ver­ fasser anzunehmen scheint — werden Berlin schwerlich, seiner Be­ sorgniß entsprechend, zur Provinzial-Stadt herunterdrängen. Daß die Wahlen zu dem Reichstage möglicher Weise recht bedenklich ausfallen

können, das wird keineswegs geleugnet; dar­

aus folgt aber nur, daß der Weg zum Ziele schwierig ist, daß noch heftige Krisen

kommen können,

für die Beurtheilung des

Zieles selbst folgt daraus gar nichts. Eine Bemerkung aber wird unS von unserm Parteifreunde zu nahe gelegt, alö daß wir sie unterdrücken könnten.

Wenn die Wahlen, wie er besorgt, schlecht

ausfallen, so wird eS an der Schlaffheit und an mangelndem In­ teresse der konservativen Partei für die Sache liegen. Wir wissen nicht, ob wir seine Schrift empfehlen sollen, ihr den Muth und

das

Interesse zu wecken.

Er wird sich, glauben wir vielmehr,

unter andern auch bei sich selbst über schlechte Wahlen zu beschwe­ ren haben.

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Eins aber möchten wir, ehe wir von dem Verfasser Abschied nehmen, ihm und denen, welche seine Anschauungsweise theilen, noch zu bedenken geben.

Er erkennt in vollem Maaße die Kraft

und Eigenthümlichkeit Preußens, er möge die Stellung und die Rechte, welche der Verfassungs-Entwurf ihr giebt, ruhig und un­ befangen erwägen und sich dann fragen, ob es dieser Kraft und Eigenthümlichkeit vertrauen heiße, wenn man nicht

nur besorgt,

wenn man als gewiß annimmt, sie werde in Gemeinschaft mit andern untergehen.

Wir erwarten vielmehr, daß sie schirmend

und stärkend, helfend und heilend auf die andern Bundesglieder einwirken werde.

Die zersetzenden Elemente der Zeit verschwinden

nicht, wenn man von ihnen wegsieht, sie sind nicht mit physischer Gewalt zu überwinden, sie müssen und zwar in den Formen, die dieser Zeit zur Prüfung und Läuterung gestellt sind, in geistigen Kampfe überwunden werden.

ehrlichem

Dieö wird Preußens Auf­

gabe, seiner Krone und seiner Vertreter, in der Gemeinschaft mit den andern Bundesgliedern sein.

Die ihm inwohnende eigenthüm­

liche Kraft, sie ist das Mittel.

In den mächtigen Rhein fließen

Ströme, Flüsse und Bäche, und in gemeinsam verstärkter Kraft wogen in demselben Bette friedlich und fröhlich die Wellen dem Meere zu.

Sie bringen dem Rhein ein jeder seine Farbe und

klar erkennbar behalten die größeren sie auch nach dem Erguß. Aber das durchsichtige Grün seiner Wasser bewältigen sie nicht, er trägt, in seiner angestammten Weise, ihren schimmernden Glanz bis dahin wo ihm sein Ende gewiesen ist, und auch dann noch, wenn er nach langem Lauf seine Bestimmung erfüllt hat,

hört

der Ocean seinen ruhmreichen Namen. *

*

*

Wir wenden uns zu einem andern Widersacher der preußi­ schen Politik, mit dem wir längere Zeit hindurch den Kampf seit Ausgang Mai d. I. geführt haben.

ES ist der von uns hoch

gehaltene Verfasser der monatlichen Rundschauen in der Neuen Preuß. Ztg.*). Auch hier haben wir eS mit einem Einzelnen nicht zu thun; er ist entschieden der kräftige Vorkämpfer einer Meinungs-Genossen­ schaft, der wir in Grund-Principien beistimmen, nicht aber darin, wie sie diese auf verwickelte Fragen der Tagespolitik anwendet. Der Streit mit diesem Vorkämpfer, wenn er auch von der Be­ handlung der deutschen Angelegenheiten ausgegangen ist und zu ihr wieder zurückkehrt, bewegt sich auf breiterer Basis, auf einer Basis, von der aus nicht allein jener Gegenstand, sondern die bewegenden politischen Fragen der Zeit überhaupt eine Besprechung fordern. Wir lassen die Artikel, in welchen wir in denselben Blättern unsere Ansicht zu vertreten gesucht haben, in ihrem Zu­ sammenhange, in ihnen entsprechenden Abschnitten folgen, weil sie, wenn auch nicht der Form, so doch dem Inhalte nach mehr oder minder ein Ganzes bilden. Wir haben deshalb auch den ersten unter ihnen nicht weglassen mögen, obschon er gegen einen Ar­ tikel gerichtet ist, zu dem der Verfasser der Rundschauen sich we­ nigstens nicht bekannt hat, und Punkte darin berührt werden, die im vorhergehenden schon eine Besprechung gefunden haben.

Erster Abschnitt. (Unter der Ue-erschrist „Oesterreich, Preußen und die deutsche Einheit" in der Beilage zu Nr. 123 der Neuen Preußischen Zeitung vom 31. Mai 1849.)**)

Ein leitender Aufsatz: „Preußen und die deutsche Einheit" in Nr. 121. der Neuen Preuß. Zeitg. veranlaßt uns zu einigen *) Die Rundschauen bis zum Juli d. 3- sind in einem besonderen Abdruck erschienen. **) ES wird erinnert, daß als dieser Aufsatz geschrieben wurde, der Verfassungs-Entwurf des Bündnisses vom 26. Mai noch nicht veröffent­ licht war.

Bemerkungen. Wir tragen großes Bedenken gegen eine Politik, die einen Gang für die Ordnung der Dinge in Deutschland vor­ zeichnet, der möglich wäre, wenn Alles anders wäre, als es ist. „Man fasse doch die Realitäten ins Auge!" Diese Worte deö Aufsatzes rufen wir seinem Verfasser selbst zu. Wenn man daS Unwillkommene, aber Vorhandene als nicht vorhanden, und ver­ änderte Verhältnisse alS unverändert behandelt, kann man patrio­ tische Phantasteen schreiben, aber nicht Rath in der Politik er­ theilen. Der Artikel läßt sich kurz in folgende Sätze auflösen; Der deutsche Bund bestehe noch zu Recht, die Bundesverfassung werde verletzt durch Annahme des Frankfurter Projekts, auch wenn es modisicirt werde, sobald Oesterreich nicht zustimme. Preußen könne aber doch vorgehen, dadurch, daß es die Anarchie niederschlage und über einzelne Gegenstände Special-Bündnisse abschließe, bei Verwaltung eines solchen, d. h. aus den Special-Bündnissen be­ stehenden Bundes stehe auch eine Vertretung in einer oder zwei Kammern nichts entgegen; endlich die Central. Erecutiv-Gewalt werde einem solchen Bunde von selbst zufallen. Der deutsche Bund bestehe noch zu Recht. Soll dieser ohne nähere Erläuterung hingestellte Satz sagen, der deutsche Bund be­ stehe noch heut zu Recht, wie er bis zu den Ereignissen des Jahres 1848, 32 Jahre hindurch auf Grund der Bundes-Acte vom 8ten Juni 1815 und der Wiener Schluß-Acte vom 15. Mai 1820 bestanden hat, so ist er falsch, und zwar ebenso falsch, als der Satz, daß der deutsche Bund gar nicht mehr bestehe. Der deutsche Bund besteht in den Bestimmungen, welche von seiner Verfassung unabhängig sind, auch heute noch; seine Verfassung aber, durch welche allein er in seinen wesentlichsten Beziehungen zur Geltung kommt, ist mit Zustimmung der BundeS-Mitglieder mindestens fak, tisch und mit voller rechtlicher Wirkung für die Regierungen in ihrem wechselseitigen Verhältnisse aufgehoben, damit eine neue an ihre Stelle trete. Dies ist geschehen'durch Auflösung der Bun-

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deSversammlung und durch die auch von Oesterreich erfolgte An­ erkennung der auö dem kühnen Griff hervorgegangenen proviso­ rischen Central-Gewalt. Der deutsche Bund, wie er bestanden hat, besteht daher nicht mehr. Wenn nun eine Einigung aller Bundes-Mitglieder über eine neue Bundes-Versassung nicht zu Stande kommt, tritt damit die mit Recht oder Unrecht, klug oder thöricht, gern oder ungern weggeworfene wieder in Kraft? Wir wüßten nicht, nach welchem Rechte; oder kann Oesterreich oder Lichtenstein — denn das bleibt sich in der Rechtsfrage gleich — wenn es feine Zustimmung zu einer neuen Einigung beharrlich versagt, behaupten, es sei da­ durch, daß die übrigen Bundesglieder sich einigen, in feinem Rechte verletzt? Diese Behauptung würde mit der ander» zusammenfal­ len, daß jedes Bundesglied das Recht habe, durch seinen beharrli­ chen Widerspruch jedwede Einigung auf ewige Zeiten zu hindern. Der Satz, die Bundesverfassung werde durch Annahme des modificirten Frankfurter Projekts verletzt, wenn Oesterreich nicht zustimme, ist haltlos, denn die Bundesverfassung ist un­ tergegangen, und nicht Vorhandenes kann bekanntlich nicht verletzt werden. Der Sinn des Satzes soll daher wohl der sein, Oester­ reich werde an seinem Rechte verletzt, wenn die Frankfurter Ver­ fassung auch nach einer Modification ohne seine Zustimmung an­ genommen werde. Dieser ist schon oben widerlegt worden. Es läßt sich auch nicht behaupten, daß er um der besonderen Beschaf­ fenheit der modificirten Frankfurter Verfassung willen eine Be­ gründung erhalte, denn abgesehen davon, daß dem Verfasser jenes Artikels die besondere Beschaffenheit der Modifikationen wohl auch nicht bekannt sein möchte, trägt der Charakter eines Bundesstaats, den Preußen seit dem 18. März v. I. und erneuert in der Rote vom 23. Januar d. I., und denen, die ihr gefolgt sind, festge­ halten hat, nichts an sich, das Oesterreich hinderte, zu diesem Bundesstaate in das Verhältniß eines Staatenbundes zu treten, der größere Wahrheit und Kraft haben kann, als sie die erlo-

-------scheue

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Verfassung deS deutschen Bundes in sich schloß.

Wenn

Oesterreich in diesen Bundesstaat selbst nicht eintreten kann, so hat eS sich allein dies beizumessen,

deshalb,

weil es im März

d. I., zu einer Zeit, als ihm die Richtung, nach welcher sich daS Werk der deutschen Einigung bewegt und Preußens Standpunkt für dasselbe vollkommen bekannt war, mit seinen deutschen Pro­ vinzen zu einem wesentlich außerdeutschen Reiche so fest zusam­ menschloß, daß es sich selber jeden andern Weg als den eines Staatenbundes mit Deutschland abschnitt. nicht das der übrigen deutschen Fürsten.

Das ist sein Werk, Gleich viel, ob eS nicht

anders konnte, die Consequenzen einer solchen Nothwendigkeit müs­ sen getragen werden.

Der Verfasser will indeß seinen Satz nicht

mit Argumenten-beweisen, die das Vorstehende widerlegt, und die allenfalls noch einen Schein für sich gehabt hätten.

Sein Argu­

ment ist, daß das Frankfurter Verfassungsproject daS Werk einer Versammlung sei, welche auf der gottlosen Lehre von der Volkssouverainetät stehe, in diesem Augenblick daS Panier deS Hochverrathö sei und den deutschen Bund neben oder über sich nicht dulde.

Wir theilen deS Verfassers Ueberzeugung von der Gott­

losigkeit der Lehre von der Volkssouverainetät aus innerster Seele, vermögen aber nicht zu fassen, welche Beziehung dies Argument zu seinem Satze habe.

Der Verfasser ignorirt, daß daS Frank­

furter Projekt von Preußen verworfen worden, daß es sich um ein, wir hoffen sehr wesentlich modificirtes, Frankfurter Projekt handelt,

daß dies in solcher Gestalt nicht mehr daS Werk der

Paulskirche ist, und daß, wenn Preußen und seine Verbündete es gegen den Willen deS PaulkirchenclnbS emaniren, eS das Panier wird für den Kampf gegen die Anarchie.

Bei der Behauptung,

daS Frankfurter

den

Verfaffungsprojekt

dulde

deutschen

Bund

weder neben noch über sich, kann der Verfasser einerseits, da daS neue Projekt nicht veröffentlicht worden, nur daö verworfene, auf welches nichts ankommt, andererseits die alte

Bundesverfassung,

welche untergegangen ist, im Sinne haben.

Die Versicherung,

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-aß neben -er nicht modificirten Frankfurter Verfassung -te unter­ gegangene Bundesverfassung nicht würde haben bestehen können, ist eben so wahr als bedeutungslos für die vorliegende Frage.— Sind unsers gegnerischen Freundes Vordersätze nicht stichhaltig, so fällt damit eine wesentlich andere Beleuchtung auf den Weg, den er in der deutschen Sache Preußen will vorangehen lassen. Ihm ist er der ohne Rechtsverletzung einzig mögliche, wenn Preu­ ßen überhaupt vorangehen soll, und daß dies geschehe, wünscht auch er. Fallen die Vordersätze, so giebt es auch noch andere Wege des Vorangehend, und es fragt sich nur, ob der vorge­ schlagene der bessere ist. Daß Preußen Beruf, Recht, Pflicht und .Macht habe, die schamlos hervortretende Anarchie in Deutschland niederzuschmettern, daß es, wo es die Wiedereroberung einer Bundesftstung oder den Schutz einer andern gilt, Niemandes Ruf abzuwarten habe, daß die Erfüllung dieses Berufes Preußen die Basis geben werde für die Stellung, welche es nach einer künftig geltenden Verfassung in Deutschland einnehmen müsse — darüber find wir mit unserm Freunde ganz einig. Wir kommen mit die­ sem nicht bestrittenen Satze aber für die Frage, wie Deutschland verfassungsmäßig zu gestalten sei, um keinen Schritt weiter. Er schlägt deshalb selbst Spezial-Bündnisse nach Art des Zollvereines vor. Ob ihm die Kämpfe bekannt sind, durch welche der Zoll­ verein erst erobert worden ist, wissen wir nicht, auf gleichem Wege würde sich erst nach Jahrzehnten zu solchen Spezial-Bündnissen gelangen lassen. Angenommen aber auch, ste wären in kürzerer Zeit zu erreichen, wäre dann damit die Aufgabe gelöst? Hier ge­ langen wir an einen Punkt, in welchem wir uns, wie wir besor­ gen, von unserm Freunde in sehr wesentlich abweichender Ansicht befinden. Ihm ist, wie wir fürchten, jedes Verlangen nach einer wesentlich andern Gestaltung der Verfassung Deutschlands, als die vor dem März 1848 war, ein revolutionaires, das zu be­ kämpfen sei oder ignorirt werden könne, — der Vorschlag der Spezial-Bündnisse thut wenigstens das Letztere. Wir dagegen

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wissen zwar sehr wohl, waS in der Art, wie das NationalitätsPrinzip in dieser Zeit hervorgehoben wird, Schwindelhaftes und zur Verdeckung der wahren Gelüste Erheucheltes liegt; wir wissen aber auch, daß darin etwas Berechtigtes liegt, das, ohne Unrecht und ohne die äußerste Gefahr, nicht verkannt werden darf. Unser Freund und mit ihm Viele können sich aus ihren preußischen Empfindungru.nicht heraus- und in die eines deutschen KleinländerS hineindenken. Ein Preuße hat für sein Vaterland eine Geschichte, M der ihm das Herz weit, und eine Zukunft, an der eS ihm stark wird; ein deutscher Kleinländer weiß nur zu schweigen oder von einer nicht immer anmuthigen Hofgeschichte zu reden.

Es

ist kein revolutionaires Gelüste, wenn er begehrt, sich, wenn auch durch ein Mittelglied, als einem größeren Ganzen fest und wahr­ haft angehörig zu betrachten, einem Ganzen, das alö Staatsverband ein geachtetes und kraftvolles Dasein habe.

ES ist keine

titele Schwäche, und das müßte auch unser gegnerischer Freund gerade von seinem Standpunkte aus anerkennen, wenn der deutsche Kleinländer sich unter einer Autorität von Gottes Gnaden fühlen will, die den hohen Charakter einer solchen nicht zur Karrikatur verzerrt.

Danach verlangen auch hie Besseren in den kleineren

deutschen Landen, und unser Freund glaube nicht, daß der Abgrund der Revolution in Deutschland sich dauernd schließen werde, bevor diesem Verlangen in gesunder Weise Genüge geschehen.

Er wird

selbst nicht behaupten, daß dies auf dem Wege der Spezial-Bünd­ nisse zu erreichen stehe; er wird das Bedürfniß bestreiten, er möge, ehe er es thut, in den Landen der bezeichneten Art unbefangen nachforschen, er wird finden, daß es vorhanden und nicht erst mit dem März v. I. entstanden ist, es hat an diesem sein gut Theil.

Er wird nicht rathen wollen, es mit Gewalt niederzu­

drücken, und an einen andern Weg als den der Spezial-Bündnisse denken müssen.

Sein Vorschlag hat aber auch noch eine andere

Seite; auch das ist eine Realität, daß Preußen vor dem Aufruhr am 18. März ein anderes Ziel, als das von ihm empfohlene,

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als daS seinige verkündet hat, daß dies erneuert in der Rote vom 23. Januar c. und in späteren geschehen. Soll dies Ziel, das die ganze Kraft eines preußischen KönigöworteS für sich hat, in dem Augenblick, wo die Erfüllung mit äußerster Spannung er, wartet wird, so kurzweg aufgegeben werden? Der Zeitpunkt für solchen Rathschlag ist wenigstens nicht staatömännisch gewählt. Noch eins aber bleibt übrig. Will man auch davon absehen, daß die Zustände in den kleineren Ländern für diese selbst vor der Er­ schütterung des Krankhaften genug hatten, daß die Verwandelung der mehr oder minder abhängigen kleineren Fürsten in unbeschränkte Souveraine und der kleinen Lande in gboßstaatisch eingerichtete Staaten so naturwidrig ist, daß die Aufrechthaltung eines solchen Zustandes für die einzelnen Lande selbst ihre großen Bedenken hat — so kommt vor allem in Betracht, daß dieser Zustand das gemeinsame deutsche Vaterland gefährdet. Er ist einer der Haupt­ hebel der Revolution gewesen. Die gänzliche Unfähigkeit der badischen Regierung, die fast Jahrzehnte hindurch eine Nicht-Re­ gierung gewesen ist, Zucht und Ordnung im Lande zu erhalten, schon lange kein Geheimniß, ist mit ihren Wirkungen offen an den Tag getreten. Andere sogenannte Regierungen haben ihr wacker nachgeeifert. Will man zur Untergrabung aller Autorität, zur Nahrung für die revolutionairen Brandstoffe die Regierungen der kleinen Länder ohne stärkere Hand über ihnen lassen, und sich damit trösten, daß unter den verschiedenen Spezial-Bündnissen ein militairisches Bündniß zur Löschung ausbrechender Brände preu­ ßische Mannschaften stellen werde? Eine Verfassung ist nöthig für Deutschland, die den Regierungen der kleineren Länder das ihnen Gebührende lasse, nicht weiter greife als irgend nöthig, aber da­ für sorge, daß es ihnen fernerhin nicht möglich werde, sich und Deutschland zu nichte zu regieren. Wie aber, wenn Oesterreich nicht will? Den rechtlichen Standpunkt für ein solches Nichtwollen haben wir schon oben an­ gedeutet. ES bleibt der faktische übrig. Wir legen auf ein gutes

------- 69 ------Einvernehme» mit Oesterreich und in fernerer Beziehung mit Ruß­ land sehr großes Gewicht. Wir wissen mit unserem Freunde, daß die Einigkeit dieser beiden Mächte mit Preußen das große Boll­ werk ist, an dem, wenn die Wogen der Revolution von Westen her überfluthen sollten, ihre Brandung allein sich brechen kann, aber wir fordern in der deutschen Sache ein freies und selbststän­ diges Handeln Preußens. In dem russischen Cabinet waltet zu viel staatSmännische Klugheit- um nicht einzusehen, daß Preußen lähmen, hemmen und schwächen den Damm durchbrechen heißt, welcher die Revolution von den polnischen Grenzen abhält. Oester­ reich aber kann in Deutschland zur Stunde nicht handeln, eö kann ohne fremde Hülfe im eigenen Hause nicht Ordnung halten, und eS ist schwer zu sagen, wann der Zeitpunkt kommen wird, da eS zu seinen Ansprüchen die Macht mitbringen wird. Der Gewinn einer Schlacht in Ungarn ändert wenig. Ein so gewaltiger, so urplötzlicher Wechsel des Systems, wie er in Oesterreich stattge­ funden hat, der schüttert kraftlähmend Jahrzehnte nach. Jedenfalls zur Stunde kann Oesterreich nicht handeln, und zur Stunde muß gehandelt werden. Oesterreich kann nur hindern und hemmen, es ist dringend zu wünschen, daß eS sich von kleinlicher Eifersucht nicht beschleichen lasse, daß es das Ende bedenke. Einzelne Wahr­ zeichen beengen die Brust. Oesterreichs Ehre ist von der eines Fürsten seines Stammes unzertrennlich. Der Erzherzog Johann ist durch die Beschlüsse der zu einem Club herabgesunkenen soge­ nannten Frankfurter National-Versammlung vom 19. Mai schmäh, lich behandelt, sie schickt ihn fort, ohne seinen Namen zu nennen. Er antwortet ihr am 21. Mai dadurch, daß er dieser Versamm­ lung, als ob sie noch in Amt und Würden sei, die Ehre erweist, ihr die Ernennung eines neuen Ministeriums anzuzeigen. Oester­ reich hätte um seiner, um der Fürsten Ehre willen, von ihm for­ dern müssen, daß er Frankfurt verlasse und die Centralgewalt in andere Hand lege. Es ist ganz gut, einen Fuß im Bügel behal­ ten, aber man muß zusehen, ob das Thier, das den Bügel trägt,

auch ein Pferd ist. Mit freier Neigung mag der Erzherzog das Spiel nicht fortsetzen, aber et wird wissen, weshalb et die nach Olmütz eingepackten Reisekoffer wieder auögepackt hat. ES ist daS kein diplomatisches Geheimniß, solche sind uns nicht zugänglich, wir deuten nur darauf hin, wovon in Frankfurt die Kinder auf der Gasse reden. Preußen muß seinen freien, selbstständigen, festen und kräf­ tigen Gang in der deutschen Sache gehen, ungehindert durch klein­ liche Hemmnisse; die ganze Kraft des Volks, dem der Aufruf feines Königs zu Herzen gegangen, tritt dafür ein; Preußen hat dabei Oesterreich gegenüber ein gutes Gewissen, eS wird die sei­ nerseits lange gehaltene Treue auch ferner halten, und wenn eö sich erweist als ein Gesetz und Ordnung, Zucht und Sitte, Recht und Freiheit schützender Damm gegen die Revolution in Deutsch­ land, dann werden die Mächte, die diese nicht wollen, ihm treu­ verbündet sich zur Seite stellen, nicht obschon, sondern weil eS in der Stunde der Krise gehandelt hat.

Zweiter Abschnitt. (Unter der Ue-erschrift „Der Rnndschauer und die deutsche Einheit" in den Bei­ lagen zu Nr. 137 und 138 der Neuen Preußischen Zeitung vom 16. und 17. Juni 1849.)

In der neuen Preußischen Zeitung ist der Gang der Regie­ rung in der deutschen Sache mehrfach zwischen den Zeilen scheel angesehen worden. Angriffe solcher Art sind zu körperlos, um da­ gegen eine Lanze zu brechen. Eben so wenig läßt sich gegen eine nackt und beweislos hingeworfene Behauptung kämpfen. Jetzt verhilft uns der Rundschauer zu einem deutlich erkennbaren Geg­ ner. Seine Art ist es nicht, zu verstohlenen Andeutungen herun­ ter zu steigen. Er schreibt mit Keilschrift, oder richtiger mit Keul-

-------schrift.

71______

Er ist unS als Gegner besonders willkommen, weil er

sich uns «ach seiner allmonatlichen Wiederkehr zu einer bestimmt ausgeprägten Persönlichkeit ausgebildet hat. wir einen alten Freund vor unS hätten.

ES ist uns, als ob

Wir sehen ihn mit eisen­

festen napoleonischen Gesichtszügen, mit scharfblickenden und doch ehrlichen Augen, mit Ironie um seinen Mund, wir hören den schneidenden Ton seiner Stimme, der auch im Gespräch mit Frak­ tur druckt, wo der Nachdruck liegt, und der die Milde eines Her­ zens voll Liebe nur verdeckt.

Sollte er in Natur nicht so ausse­

hen, so ist das nicht unser, sondern sein Fehler, wir zeichnen ihn, wie er sich selbst in so und so viel Rundschauen gezeichnet hat. ES ist eine Kriegslist, daß wir ihn zum Gegner nehmen.

Der

frische kräftige Frühlingshauch, der schon beim Herbstnebel und Wintereise auö seinen Rundschauen wehte, hat ihm alle Leser der neuen Preußischen Zeitung zu Freunden gemacht und uns wahr­ lich nicht zu den letzten.

Um seinetwillen werden diese armen Zei­

len vielleicht gelesen werden. Zunächst begegnen wir in der Rundschau (Beilage zu Nr. 131 d. N. Preuß. Zeitg.) dem Vorwurfe: „Preußens ungewisse und zaudernde Haltung, Frankfurt gegenüber, nachdem Oesterreich längst durch Abberufung seiner Deputirten die richtige Stellung eingenommen, habe sehr dazu beigetragen, die Verwirrung und das

Blutvergießen in Deutschland

und Mai zu vermehren."

während

der Monate April

Wir wollen ans den Preußen zurück­

stellenden Seitenblick nach Oesterreich hin nicht weiter eingehen, wollen nicht untersuchen, ob die Zurückberufung der österreichischen Abgeordneten

weniger

ein

Resultat

antirevolutionairer

Energie

als eine unausweichliche Folge der österreichischen, die Grundbestimmungen des deutschen Bundes verletzenden März - Constitution und der Stellung war, in welche dadurch die Pauskirche Olmütz gegenüber gedrängt wurde. — Wir wollen bei dem schweren Vor­ würfe gegen Preußen stehen bleiben.

Auf diesen erwidern wir:

„Es ist gut und heilsam für das Vaterland, daß die Frankfurter

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72

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Versammlung nicht durch preußische Waffengewalt, sondern allmLlig an dem Widersinn und Unrecht ihrer eigenen Beschüffe zu Grunde geht. Dies langsame Ausbrennen des Kraters stellt die eigentliche Natur dieser Kopfzahl-Versammlung, ihre Geschichte, ihre Thorheiten und Sünden und daö gute Recht Oesterreichs und Preußens ihr gegenüber in das hellste Licht. Die Revolu­ tion führt durch solche Entwickelungsprozesse Schritt vor Schritt gründlich und populär-verständlich sich selbst ad absurdum. Und auf Belehrung, auf nachhaltige Belehrung, nicht bloö auf Ret­ tung aus der nächsten Gefahr kommt es wesentlich an, wenn Deutschland eine Zukunft haben soll." Der Rundschauer wird gegen diese Erwiderung gewiß nichts einzuwenden haben, denn eS sind buchstäblich seine eigenen Worte, welche er jenem Vorwürfe vierzehn Zeilen später folgen läßt. Wenn er diese nicht nur dem Raum, sondern auch der Sache nach ganz über­ aus nahe liegende Anschauung nicht für sich vindicirt, sondern menschenfreundlich angenommen hätte, daß sie auch in dem preu­ ßischen Cabinet vorgewaltet habe und das Motiv für jenes Zau­ dern der Paulskirche gegenüber gewesen sei, so würde er sehr wahrscheinlich die Wahrheit getroffen und sich selbst gegen den Vorwurf geschützt haben, gegen das preußische Cabinet einen nach Oesterreich hin liebäugelnden schweren Vorwurf erhoben zu haben, dessen Bodenlosigkeit aus seinen eigenen Worten schlagend her­ vorgeht. Wir hatten eS beklagt, daß Oesterreich, seine, Preußens und Deutschlands Lage verkennend, den Erzherzog in Frankfurt fest­ halte. Der Rundschauer ist anderer Ansicht. „Man sagt, so läßt er sich vernehmen, der Erzherzog habe Frankfurt schon ver­ lassen wollen, werde aber durch Weisungen von Seiten Oester­ reichs daselbst zurückgehalten. Wenn dem so ist, so können wir darin nur einen für Preußen, wie für Deutschland günstigen Umstand und namentlich keinen Grund für Preußen finden, der leisesten Mißstimmung gegen Oesterreich Raum zu geben. Preu-

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fett wirst Hand in Hand mit dem von der Versammlung ge­ schiedenen Erzherzog die Rebellen im Südwesten nieder. — Ei­ fersüchtig aber auf den Erzherzog oder auf Oesterreich oder auf Baiern zu sein, ist Preußens unwürdig." Unsere Meinung hat mit einer solchen Eifersucht, zu der für Preußen in der That auch aller Grund fehlt, gar nichts gemein; eben so wenig halten wir e- für gut Deutsch, Mißstimmungen zwischen Oesterreich und Preußen zu nähren; wir können aber auf ein Hand in Hand gehen mit dem Erzherzog, worüber fich der Randschauer freut, gar keinen Werth legen, und zwar weil wir gar nichts ein­ zuwenden wissen, wenn eben unser Rundschauer einige Zeilen wei­ ter diese Hand des Erzherzogs eine „inkompetente und im­ potente" nennt, und wir nicht einzusehen vermögen, welcher Nutzen von einer unberechtigten und ohnmächtigen Hand Preufend gutem Recht und Preußens starker Kraft werden könne. Der Rundschauer findet darin, daß der Erzherzog in Frankfurt festge­ halten werde, einen für Preußen und Deutschland günstigen Um­ stand. Wir nehmen diese Behauptung auf, nicht weil ste gegen unsere früher geäußerte Ansicht, sondern weil ste gegen die des preußischen Cabinets gerichtet ist, wie sie sich in bekannten Roten ausspricht. UnS ist, wie wir bekennen', absolut unklar, welcher günstige Umstand in dem Festgehaltenwerden des Reichsverwesers liegen soll, denn unS hat schon länger vollständig eingeleuchtet, waS auch dem Rundschauer klar ist und was er, kurz nach jener Behauptung, sehr treffend so ausdrückt: „Bei dem allen ist klar, daß des Reichsverwesers Macht und Autorität, wie die der wei­ land Nationalversammlung in sich ausbrennend zu Ende geht, und daS ist wieder ein guter Fortschritt in der Reinigung Deutschlands von dem Unflath der Revolution. Her­ vorgegangen aus bed. nun selbst dahingeschwundenen Gagern „kühnem Griffe", genehmigt von den Regierungen zur Zeit ihrer schmachvollsten Erniedrigung und jammerhaftesten Schwäche, lange ein Diener der Versammlung, die in Usurpation, Aufruhr und

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Hochverrath ausgelaufen ist, darf er fein zwitterhaftes, gespensti­ sches Dasein in den Morgen der neuen Zeit nicht Hinüberschlep­ pen." Durchdrungen von der Kraft seiner Worte, müssen wir eS dem Rundschauer überlassen, mit sich darüber einig- zu werden, welches Verdienst Oesterreich sich dennoch dadurch erwerben soll, daß eS das zwitterhafte, gespenstische Dasein des ReichsvenvrserS in den Morgen der neuen Zeit hiitüberschleppt und den guten Fortschritt in dem Reinigungs werke hemmt. Wir haben freie Wahl, an welchem seiner beiden entgegenstehenden Sätze wir uns halten wollen, und davon wird es abhängen, ob wir uns über diesen Punkt mit ihm im Streit oder im Frieden wissen. Aber alles Bisherige find eigentlich nur Nebenpunkte, nur Borposten-Scharmühel, die der Rundschauer der Preußischen Po­ litik liefert, das Gros seiner Armee läßt er gegen das PreußischSächsisch-Hannoverische VerfassungS-Projekt anrücken. Er läßt feinem Unmuth sowohl über den Gang der Preußischen Politik überhaupt, als über den Inhalt des VerfassungS-EntwurfS freien Lauf. Wir wollen uns bei Nebensächlichem, dabei daß er die Charte Anti - Waldeck eine Charte Waldeck, und die Charte AntiGagern eine Charte Gagern tauft, nicht aushalten, auch nicht bei der eben so bedenklichen als — weil einige exceptionell behandelte Städte nicht das Land sind — grundlosen Behauptung, daß das Ministerium neben oder ungeachtet der Verfassung regiert habe, auch endlich nicht bei den Unseres Wissens ganz unhaltbaren In­ sinuationen über daS Verhältniß deS Ministeriums zu dem VerfassungS-Entwurfe. Wir bleiben bei der Hauptsache. Der Rundschauer ist höchlich mißvergnügt darüber, daß man jetzt überhaupt mit einem Entwürfe zu einer Deutschen Verfas­ sung hervorgetreten sei, dagegen sieht er vollkommen rin, und wir freuen unS seines Zugeständnisses, daß eS noch auf etwas anderes als eine treue Armee ankomme. Wir legen auf die Treue und Tapferkeit des Preußischen HeereS den größten Nachdruck,

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78

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eS hat da- Land bisher gerettet, es wird eS durch alle kommen­ den Kämpfe hindurch retten, eS wird sich den Dank später Ge, schlechter verdienen; aber eS liegt noch eine andere Aufgabe vor, die daS^Schwerdt nicht lösen kann.

Indem der Kampf gegen

das, was man nicht will, gegen die wirklichen oder scheinbaren Vertheidiger der Charte Gagern begonnen wird, muß man Ant, wort geben auf die Frage, was man will.

Der Rundschauer

sagt, eS komme noch auf Andres an, als auf eine treue Armee, „eS komme auf Wahrheiten an, die noch nicht oben aufkommen wollten, auf politische, auf ewige Wahrheiten, auf Staatsmänner, die an solche Wahrheiten glaubten." große, ewige Wahrheiten giebt,

Auch wir wissen, daß eS

für die der Staatsmann Amt

und, wenn's Roth thut, das Leben lassen müsse; aber wir bekla­ gen aufrichtig, daß der Rundfchaner kutz abbricht und die ewigen Wahrheiten, die er im Sinne hat, die praktischen Wahrheiten, mit denen im Beginn des Kampfes hervorgetreten werden muß, nicht sagt.

Will er auf die Frage, auf welche eS allein ankommt,

was man mit Deutschland vorhabe, jetzt keine Antwort gegeben haben, so müssen wir ihm rundweg erklären, daß wir überzeugt sind, daß er die großen praktischen, positiven Wahrheiten, mit denen statt jener Antwort jetzt vor Deutschland herauszutre­ ten sei, selbst nicht wisse.

Es ist nicht seine Art, hinter dem

Berge zu halten, er würde damit hervorgebrochen sein, wenn er sie wüßte.

Meint er etwa die Wahrheit,

hassenswürdig sei,

daß die Revolution

oder die wahrlich große Wahrheit, daß die

gottlose Lehre von der Volkssouverainetät Land und Leute zeitlich und ewig verderbe?

Wir fragen ihn aufs Gewissen, ob er wirk­

lich glaube, daß das Aussprechen dieser Wahrheit, der alle noch Unverführte zustimmen müssen und werden, diese negative Wahr­ heit, die aussagt, was man nicht will, genüge, wenn die Welt wissen will, waö man wolle.

Daß ihr darin mit uns eins seid,

werden sie sagen, das haben wir längst gewußt, aber weiter, wei­ ter, weiter.

Der Rundschauer wird dann, wenn er weiter keine

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Antwort weiß, ziemlich auf den Standpunkt derer kommen, die da sagen: schlagt nur erst die Revolution tobt, daö Andere wird sich dann schon finden. Aber wenn eS sich jetzt nicht finden läßt, wird es sich auch nachher nicht finden, und wenn eS nachher zu finden ist, läßt es sich auch gleich finden. Der Zeitraum zwischen dem Jetzt und Nachher wird, soweit eö sich um die süddeutsche Empörung handelt, — wenn nicht, was doch nicht gerade zu er­ warten ist, ein europäischer Krieg dazwischen tritt, — nach Wo­ chen zu messen sein, und in solcher Zeit schwingt sich die Richtnng der Geister nicht um. Der Kampf entbrennt, weil Preußen und seine Verbündeten die Organisation nicht wollen, durch welche die Paulskirche Deutschland zu verderben getrachtet hat; dem ganz allgemeinen Verlangen, daß Deutschland wieder eine Organisation, und eine andere, als die untergegangene, erhalte, wollen und kön­ nen sie nicht entgegentreten, sie müssen also sagen, welche Orga­ nisation sie beabsichtigen. Die Zahl derer, die da meinen, daS werde sich schon nachher finden, ist so ganz überaus klein, daß sie einen Stützpunkt für die Schritte, die man thun muß, nicht bietet. Außerhalb Preußen hängt die Frage, waö aus Deutschland wer­ den solle, viel näher, als in Preußen, und so nahe mit der gan­ zen staatlichen Existenz zusammen, daß es absolut unmöglich war, darüber zu schweigen. Aber, wird unser Gegner sagen, dem der Entwurf einer Verfassungs-Urkunde ein Greuel ist, weshalb denn dann eine in so und so viel Paragraphen codificirte Urkunde, ein solches Papier-Machwerk, das das Leben tobtet und nicht gebiert, weshalb nicht einige Hauptgrundsätze, die völlig genügt hätten, und deren Ausbildung der Zeit zu überlassen war, allgemein auf­ gestellt? Wir verwahren uns feierlich dagegen, daß wir an der zur Modesache gewordenen Papier-ConstitutionS-Fabrication irgend ein Wohlgefallen hätten, bekennen aber, auf die Gefahr hin, von dem Rundschauer in die Zahl der Halben, Grauen und Lauen gewiesen zu werden, daß wir nicht wissen, wie überhaupt in gro­ ßen staatlichen Verhältnissen eine Veränderung in wechselseitigen

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Rechten und Pflichten festgestellt und zum Abschluß gebracht wer­ den soll, ohne irgend eine urkundliche Verbriefung.

Ganz abge­

sehen davon aber, in Bezug auf den vorliegenden Entwurf läßt den Rundschauer seine Antipathie gegen die ConstitutionS-Fabrikation am Hellen Tage nicht sehen.

Er verurtheilt den VerfaffungS-Entwurf

wie den eines Fürsten seinem Volke gegenüber; ein ganz we, sentlicher Charakter des

Entwurfs

aber ist der, daß

er ein

Staatsvertrag zwischen drei Regierungen ist, dem andere noch zutreten sollen.

Er regulirt

eben

so sehr die Verhältnisse der

Fürsten unter einander, als der Fürsten zu den Völkern.

Wir

sehen nicht ab, wie daö wechselseitige Verhältniß der Regierungen anders festzustellen wäre, alö durch codificirte Formulirung.

Bei

Staat-verträgen sind bekanntlich die Worte entscheidend, und die Worte müssen denn doch geschrieben werden.

Würde irgend eine

Regierung einer Vereinbarung über einige allgemeine Sätze bei­ treten, z. B. daß die erecutive Centralgewalt einheitlich auszuüben sei, daß die Einzelstaaten künftig gewissen Rechten dieser Cen­ tralgewalt gegenüber

zu entsagen hätten, daß die Einzelstaaten

gewisse Rechte bei der Reichslegislation erhalten sollten? Solch ein Bündniß würde kein Staat eingehen wollen und können; er würde fragen, welche gewisse Rechte er verlieren und erhalten solle, und da würde denn, aller Antipathie des Rundschauers un­ geachtet, nichts anderes übrig bleiben, als was geschehen, nämlich, jene Staatsrechts-Verhältnisse

in Paragraphen

zu

formuliren.

DäS Bündniß unter den Regierungen betrifft aber wesentlich zu­ gleich ihr und der künftigen Centralgewalt Verhältnisse zu den Völkern, und wir sehen nicht ab, wie dies anders, als in der ge­ wählten Form einen Ausdruck finden konnte. Auf das Einzelne des Verfassungs-Entwurfs können wir hier nicht weiter eingehen, als es der Rundschauer

thut.

Möglich,

daß auch ihn die inzwischen erschienene Denkschrift, welche einen integrirenden Theil desselben bildet,

mit

Kraft steht — und der Entwurf hat,

ihm selbst in gleicher

obschon

ein solcher eine

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Kraft, die eines Staatsvertrages — über Manches beruhigt. Die Denkschrift wendet die abstracten Sätze auf concrete Verhält­ nisse an, entzieht sie so weit möglich der advocatischen Auslegung und hebt manches Bedenken. Sie wird Vielen, die, ohne sich die Mühe einer genauen Vergleichung mit dem Frankfurter Producte zu geben, vorweg abgesprochen haben, zu einem genaueren Gegen­ einanderhalten, und damit zu einem ruhigeren Urtheile verhelfen. Wir sind weit entfernt, den Entwurf als etwas nach allen Sei­ ten hin Vollendetes darstellen zu wollen, aber wir sind gerecht genug, einmal gegebene und nicht wegzuleugnende Verhältnisse und Zustände in ihrer Nothwendigkeit anzuerkennen und das danach Mögliche willkommen zu heißen. . Legen wir diesen Maßstab an, so müssen wir zugeben, daß das Gift aus dem Frankfurter Ent­ würfe möglichst herausgeschieden worden ist. Der Rundschauer hebt aus dem Verfassungs-Entwürfe nichts herpor als die sogenannten Grundrechte. Obschon wir im Allge­ meinen solchen, theils unnützen, theils gefährlichen, Publicationen gerade so feind sind als der Rundschauer, so scheint uns für den vorliegenden Fall gerade sein Zorn am wenigsten Grund zu ha­ ben. In allen deutschen Landen sind entweder ähnliche sogenannte Grundrechte, zum Theil weitergehende schon gesetzlich ertheilt, oder es ist gar der Frankfurter Superlativ schon publicirt, oder es find ähnliche durch Fürstenwort zugesagt. Was hätte es denn für Wirkung gehabt, wenn sie auö dem Entwürfe fortgeblieben wä­ ren? Wären die ertheilten etwa dadurch beseitigt gewesen? Das Feld der Grundrechte, den Gelüsten der einzelnen Landesvertre­ tungen überlassen, würde mit sauberem Unkraut bestellt worden sein. ES hätte einen Wettlauf nach den am weitesten gehenden Grundrechten begonnen. Wir sehen in der Aufstellung sogenann­ ter Grundrechte in dem Entwürfe wenigstens an vielen Stellen eine Zurückführung exorbitanter Auffassung auf ein wenigstens erträglicheS Maaß, ein der Revolution zum Theil abgewonnenes, nicht ein ihr neu eingeräumtes Feld. Der größere Theil dessen,

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was im Speciellen der Rundschauer hervorhebt, findet Erklärung und zum Theil entschiedene Widerlegung in der Denkschrift. nur wollen wir noch bemerken.

Eins

Der Rundschauer ist entrüstet,

daß, während es heiße : „Niemand solle von Staatswegen zu einer kirchlichen Handlung

oder Feierlichkeit

Formel deS EideS künftig helfe."

gezwungen werden",

lauten solle:

„So

die

wahr mir Gott

Unö ist es ein tiefer Schmelz, daß die auf das bestimmte

positive Bekenntniß hinweisende

Eidesformel zu dieser deistischen

Form zusammenschrumpfen soll, und wird es ein solcher bleiben, wenn uns auch nachgewiesen werden sollte, daß die Konsequenz gewisser Vordersätze dazu nöthige; aber die Entrüstung des RundschauerS trifft einen unrichtigen Punkt.

Man schreibe ihm, sagt

et, das feierliche Bekenntniß deS Namens Gottes vor und sage ihm dabei, es sei dies keine kirchliche Handlung oder Feierlichkeit. Wenn man dies sagt, so hat man Recht.

Der Eid ist unsres

Wissens keine kirchliche,

religiöse Handlung;

wohl aber eine

oder wäre ein Juden-Eid eine kirchliche Handlung?

Der Bor-

wurf ist grundlos, wie wir denn auch die Stelle nicht haben fin­ den können, an der der Staat feierlich proclamire: er wisse nicht, ob ein Gott fei.

Wenn der Rundschauer endlich sagt, der Staat

frage nicht nach seiner Religion, so hat er aus Versehen in daS Frankfurter Product hineingeblickt, aus dem gerade die betreffende Stelle, weil sie mit der Eidesformel in Widerspruch steht, fortge­ blieben. — Wir wünschen von unserm Theile so lebhaft, als der Rund­ schauer, daß die Zeit täglich mehr und mehr gesunden möge, wir finden aber gerade in den vielen Punkten, in denen der Verfassungs­ Entwurf den Raum für weitere Ausbildung und Entwickelung, sei eö durch Landes- oder Reichsgesetzgebung, offen läßt, diejenige Elasticität, die die entworfene Form auch einer in sich kräftigeren und gesunderen Zeit sich wird anschmiegen lassen, und wir halten eS nicht für das, waö uns ansteht, die Preußische Regierung bei

dem festen Gange, den sie in der deutschen Sache eingeschlagen hat, zu verlassen, oder gar um alter, hier sehr unzeitiger Antipathieen willen ihr feindlich entgegenzutreten.

Dritter Abschnitt. (Unter der Überschrift „Der Juli-Rundschauer und Preußens Politik".

Erster

Artikel in Nr. 183 der Neuen Preußischen Zeitung vom 10. August 1849.)

Den Angriffen, welche im Anschluß an den schon früher be­ gonnenes

Streit die Juni-Rundschau- gegen

die

Politik' der

preußischen Regierung in der deutschen Sache richtete, sind wir in dem

vorigen Abschnitt

entgegengetreten.

Die Juli - Rundschau

nimmt den Kampf wieder auf. Uns wie ihrem Verfasser liegt es an der Wahrheit.

ES ist

unS ein Schmerz, ein in dieser Zeit sehr empfundener Schmerz, uns mit ihm, dem wir uns in den tiefsten Beziehungen deS Menschen auf Erden innerlichst eng verbunden fühlen, bei so wichtigen Dingen, als sie zwischen unS in Frage sind, in scharf gegenüberstehender Meinungsverschiedenheit zu wissen.

Wir haben ehrlich danach ge­

trachtet, klar darüber zu werden, worin der Grund dafür liegt, daß, bei vollkommen gleichen obersten Grundsätzen, er und wir in diesem Streite zu verschiedenen Resultaten geführt werden. Es geht durch diese Zeit, die in einer Beziehung sehr groß und in anderer sehr klein ist, ein doppelter Zug; eine zwiefache Aufgabe ist zu lösen: eine tiefe, geistige, innerliche, in ihrer Erfüllung nie ganz auSzumeffende, und eine der unmittelbaren Gegenwart angehörige, in die Außenwelt tretende.

Jene betrifft die innere Um­

kehr der Völker von den Irrlehren der Revolution in Kirche und Staat,

diese die äußere Organisation der von der Revolution

desorganistrten öffentlichen Verhältnisse.

WaS

die innerlich zu

lösende Aufgabe anlangt, so ist sie die, daß die Völker, Fürsten

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und Unterthanen, hoch und niedrig, reich und arm, Gott dem Herrn die Ehre geben, daß sie Buße thun, aufrichtige, wahre, herzzermalmende und herzverjüngende Buße über die Frevel dieses Jahrhunderts, über den Abfall von Gott, über den Unglauben an fein Wort von der Erlösung, über die Kälte, Lauheit und Unfruchtbarkeit deS Glaubens, wo er noch nicht erstorben war, über die Lieblosigkeit gegen die Brüder, die unser Eigenthum ih­ rer Roth verschließt, über die Lieblosigkeit gegen die Verirrten, die uns sie und nicht lediglich ihren Irrthum Haffen lehrt und ihnen damit die Wahrheit verschließt,

— über den Abfall von

der Obrigkeit, die Gott eingesetzt hat als feine Dietterin mit dem Schwert zur Rache über die Uebelthäter, über den Bau der Götzen­ altäre, auf denen dem Ungehorsam und der frechen Zügellosigkeit geopfert und der goldene Name der Freiheit geschändet worden, — über die Schwäche und den Verrath Derer, die nach Beruf und Amt der einbrechenden Verheerung Einhalt zu thun hatten, — über die Leichtigkeit und die Feigheit, mit der das Schwert, das sie verpflichtete, nicht nur berechtigte,-beim ersten Sturm aus der Hand gegeben worden. Buße, Buße ist nothwendig für jeden Einzelnen, ohne Nebenblick auf den Andern.

Jeder von uns, die

wir in dieser Zeit leben, ohne Ausnahme hat sein gut Theil an der allgemeinen Schuld.

Ehe diese Buße nicht die Völker durch­

dringt, ehe sie nicht umkehren von den Irrwegen, auf denen sie taumeln, ehe sie nicht alö schlecht verdammen, was sie jetzt als recht anbeten, ehe wird es nun und nimmer besser werden auf Erden,

ehe wird

Freiheit und

Friede

nicht wieder unter uns

wohnen. Unsere freiheitliebenden Voreltern wußten, daß nur, wo der Geist Gottes ist, da sei rechte, wahre Freiheit, eben in dem größ­ ten Gehorsam, Dienst und Knechtschaft Gottes und seines Gesetzes. Sie sprachen dies zur freiesten Zeit in ihrer Weise in Sprüchworten auö: „Ungezähmtem Roß ging'S nie wohl", „daS freie Schaf frißt der Wolf", „Eigner Will' brennt in der Höll'", „Der

6

------ 8t ___ sein selbst ist, ist des Teufels Knecht".

Denn wer nicht Gottes

Knecht ist und damit ein Freier in Zeit und Ewigkeit, der ist des Teufels Knecht und ein Sklave in Zeit und Ewigkeit. Ist diese Erkenntniß schon da? Ist ihr Heller Tag schon über uns?

Wunderbar hat es sich seit vorigem Jahre gewendet, und

wer beide Jahre neben einander stellt, der muß rufen: Gott hat Großes an uns gethan. Aber der Tag der Erkenntniß der Grundübel in den Herzen der Völker, dieser große Tag der Völkerbuße, er dämmert nur erst schwach am Aufgang, und, als ob wir in der Zeit der Wunder lebten, scheint es, als werde das Dämmer­ licht heller in Frankreich gesehen als denn herbeiführen diesen Tag?

bei uns.

Wer kann ihn

Können es Fürsten und Ministe­

rien, und wenn er ihnen selbst schon in die Cabinette leuchtete, durch Ausschreiben von Reichsbußtagen oder andere Regierungs­ Maaßregeln?

Können

es Kriegsfeldherrn durch Kanonen und

Bajonette? Buße, das Einzige, was unter dem Zuge der göttlichen Gnade der Mensch als eine freie Gabe seinem Schöpfer bringen kann, ist mit menschlicher Macht und Wissenschaft nicht erzwing­ bar.

An dieser großen Völkerarbeit kann nur Einer wirken, der

große Werkmeister im Himmel. In seiner Werkstatt hat er furcht­ bare Werkzeuge. Krieg, Aufruhr, Pest, Hungersnoth ist ihr Name. Wenn sie an das steinerne Herz der Völker schlagen, dann wird es zur Buße erweicht.

Aber er hat auch milde Gnadenmittel in

seiner Werkstatt; wunderbar rasch heilt er nach den Schlägen und die Unmittelbarkeit seiner Hülfe soll der Zug der Buße zu ihm werden.

Die Heilungen des JahreS 1849 sollen zu ihm ziehen,

wie die Schläge deS Jahres 1848.

Wirken aber in ihrem Wech­

sel weder die gewaltigen noch die milden Werkzeuge, dann werden jene wiederum schlagen und noch gewaltiger, bis, und wenn auch erst zu den Zeiten unserer Enkel, das Werk der Buße und Um­ kehr vollbracht ist. Bis hierher wird der Rundschauer wesentlich mit uns ein­ verstanden sein, aber nun werden die Punkte der Abweichung folgen.

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Was kan« menschlicher Weise zur Herbeiführung dieser Zeit der Buße geschehen?

Jedweder in den Kreisen seiner Thätigkeit hat

nach allen Kräften dazu zu thun. Die Regierungen dagegen kön­ nen durch Regierungsmaaßregeln überaus wenig daraus wirken, wohl aber können sie hemmen und hindern.

Religion und Buße

läßt sich nicht -in die Herzen hineinregieren und Maaßregeln, und jede noch so geistig dahin gerichtete, allzu erkennbare Absichtlichkeit Seitens der Regierung zieht Verstimmung, Widerspruch und Ver­ härtung der Herzen nach sich.

Der heilige Geist läßt sich seine

Arbeit von keinem Ministerium abnehmen und straft den Eingriff als Versündigung.

Auch hiermit wird im Wesentlichen der Rund­

schauer wohl einverstanden sein.

Sollte er aber, nach dem zwei­

ten Artikel seiner Juli-Rundschau muß man es annehmen, verlan­ gen, daß die weitere Aufgabe dieser Zeit, die Aufgabe, in den Ver­ hältnissen das wiederum zu organisiren, was die Revolution desorganisirt hat, so lange ungelöst aufgeschoben werde, bis die Völ­ ker sich reuig und bußfertig von den Grundsätzen der Revolution abgewendet haben, so ist dies der erste Punkt der Meinungsver. schiedenheit.

Wir sehen die Zeit, da jene Buße fruchtbar für die

Zukunft vollendet sein wird, nicht als nahe bevorstehend an, Ge, schlechter können darüber noch geboren werden und sterben.

In

das ungewisse Blaue hinein läßt sich aber die Lösung erheblicher Organisationsfragen nicht verschieben. Wir wissen sehr wohl, daß an Verhältnissen gerührt worden und gerührt wird, unter dem Vorwände einer Nothwendigkeit sie von Grund aus neu zu ge­ stalten, wo wir wenigstens eine solche Nothwendigkeit in keiner Weise anerkennen können.

Wir wissen ferner, daß eS tief bekla-

genswerth ist, daß für andere Verhältnisse, bei denen wir die Nothwendigkeit einer sofortigen Neugestaltung als ganz unabweislich erachten müssen,

diese Wiedergeburt in eine für politisches

Schaffen schwächliche und kranke Zeit fällt.

Dies aber hindert

nicht, die Nothwendigkeit unverzüglicher Reorganisation vollstän­ digst zuzugeben.

Daß nur etwas geschaffen werden kann, das

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von den Krankheitsstoffen der Zeit stark durchsagen ist, das erst im Verlauf der Zeiten aüS mancherlei Läuterungsprozessen gerei­ nigter hervorgehen wird, das sehen wir reu- und demüthig als eine Strafe der Sünden deS Volks an, die eS bußfertig auf sich nehmen muß. Zu den Fragen, die sofortiger Lösung bedürfen, rechnen wir die Deutsche. Wir nehmen hier auf früher Gesagtes Bezug. Der deutsche Bund besteht, und gerade weil er besteht, muß seine untergegangene Verfassung durch eine neue erseht wer­ den, er hat kein Leben ohne einen Organismus, in dem er wirk­ sam und lebendig zu Tage kommt. Jede Stunde kann nicht al­ lein Fragen bringen, nein, sie bringt Fragen, die sofort zu lösen sind, und ihre Lösung nur durch ein einheitliches Regiment in Deutschland finden können. Die Pacification insurgirter Länder, das gemeinsame Niederwerfen einer gemeinsamen, durch die deut­ schen Lande verzweigten Verschwörung, das mächtige, vielleicht nur mit der ehernen Stimme der ultima ratio zu redende Wort, das aus einer Mordbrenner- und Räuberhöhle wieder eine nach­ barlich friedliche Alpenhütte macht, — daö sind Aufgaben, die nicht erst den Eintritt einer künftigen Völkerbuße abwarten kön­ nen. Und doch ist dies nur die negative Seite. Der Wieder­ aufbau zerfallener Regierungsgewalten, die Herstellung obrigkeit­ licher Autorität, das Verhältniß der Regierungen zu ihrer Volks­ vertretung, der Regierungen zu der centralen Gewalt in Deutsch­ land, die mannichfachen materiellen Interessen, denen Genüge ge­ schehen muß, wenn Unzufriedenheit den Boden nicht für den Saamen der Revolution fortwährend fruchtbar machen soll, — das sind alles Aufgaben, die nicht in eine ungewisse Ferne ver­ schoben werden können. Ist der Rundschauer hierüber mit uns einig, und fällt dieser erste Punkt einer Differenz zwischen unS hinweg, so wird uns dies willkommen fein, denn es liegt unS an der Verständigung, nicht am Streit. Ist aber hier kein Streit zwischen unö, dann rufe der Zuschauer nicht weiter: Alles, was ihr treibt, ist nichts, laßt die Völker erst Buhe thun! .Ja, der

Cabinet gestattet hat; uns reicht die Geschichte bis

auf jeden

Völker Buße thut dringend Noth, aber daraus folgt nicht, daß bis dahin, daß sie eintritt, das Handeln zu verschieben sei. In dem folgenden Abschnitt werden wir

zunächst aus die

Frage kommen, von welchen Gesichtspunkten aus die Fragen der Zeit zu lösen seien, und hierüber waltet denn leider zwischen uns ein Streit ob, der zwar durch Beseitigung von Mißverständnissen klar gestellt, aber schwerlich gehoben werden kann.

Vierter Abschnitt. (Unter der Ueberschrist „Der Juli-Rundschauer und Preußeus Politik."

Zweiter

Artikel in Nr. 184 der Neuen Preußischen Zeitung vom 11. August 1849.)

Ueber die Frage, wie die Aufgabe zu lösen sei, an Stelle der desorganisirten Verhältnisse neu zu organisiren, und speciell, wie die deutschen Verhältnisse zu ordnen seien,

besteht zwischen

dem Rundschauer und und die schärfste Meinungsverschiedenheit. Der Rundschauer verwirft den Weg der preußischen Politik in der deutschen Sache, wir halten ihn für den richtigen, womit wir jetzt so wenig, als wir eS früher gethan, für Einzelnheiten ein­ zustehen uns verpflichten.

Gründe dafür und dawider sind schon

mehrfach zwischen unS gewechselt. men, Gesagtes zu wiederholen.

Es kann nicht darauf ankom­ Den Standpunkt zu zeigen, den

wir einnehmen, und den, so weit er erkennbar ist, unser Freund einnimmt, den Standpunkt, aus dem für diese Frage die Mei­ nungsverschiedenheit hervorgeht, die auch bei andern Fragen her­ vortreten kann, das scheint uns wesentlicher.

Wir halten für das

erste Bedürfniß der Zeit, Festhalten und Sicherstellen der obrig­ keitlichen Autorität auf Erden, der Obrigkeit von Gottes Gnaden.

Sie kann durch Kraft und Weisheit aufrecht erhalten,

durch Schwäche und Unweisheit verloren werden.

Kraft und

--------- 86 -------Weisheit aber reichen nicht aus, diese halten sie nicht, wenn der Glanz, den sie als göttliche Institution trägt und tragen muß, verloren geht, und dieser Glanz geht unwiderbringlich verloren, wenn ihr sittlicher Charakter gefährdet wird.

Sie muß Recht

üben, wenn sie Pflicht und Gehorsam fordern, sie muß Treue an ihrem Wort gewissenhaft halten, wenn sie Treue erwarten will. Deshalb nehmen wir es mit den Zusagen und Verheißungen von Oben sehr ernst.

Bedenke man wohl, was man thut, ehe sie ge­

geben werden; sind sie aber gegeben, dann halte man sie.

Ist

verheißen worden, waö nicht hätte verheißen werden sollen, so trage man die daraus erwachsenden Zustände im Bewußtsein, daß die darin liegende Strafe verdient sei, und heile jene Zustände auf den geordneten, offen gebliebenen Wegen, so schleunig als es gelingen will.

Wird uns mit der Frage in's Wort gefallen, ob

wir denn rathen wollen, eine durch eine Verheißung wider Gottes Gebot begangene Versündigung durch ihre Erfüllung fortzusetzen, so antworten wir zwar entschieden „nein", sind aber der Meinung, daß, wenn ein solcher trauriger Conflict in den großen Staats­ verhältnissen ohne direct zwingende und deshalb sittlich wirkungs­ lose Gewalt eingetreten ist, er in anderer Weise gelöst werden müsse, als durch Untreue am Wort, die höhere Kraft nicht hat, als Fleisch zu ihrem Arm.

Ein näheres Eingehen auf die Frage

weisen wir aber ab, weil

wir nicht

anerkennen,

daß

in

den

unS angehenden landesherrlichen Verheißungen eine Versündigung der bezeichneten Art liege. Ein weiterer daß

bei

Grundsatz,

von dem wir ausgehen, ist der,

der Bildung neuer Verhältnisse die geschichtliche Ent­

wickelung mit Sorgfalt und Ehrlichkeit in das Auge gefaßt wer­ den

muß.

Wir

bekennen uns

zur

historischen

Schule,

weil wir dies thun, schneiden wir die Geschichte nicht bis

wohin ihr Lauf uns

gefällt;

wir

aber

da ab,

schließen sie nicht mit

dieser oder jener Zeit, die unserem Ideale näher liegt, mit diesem oder jenem

Fürsten,

der der Revolution keinen Zutritt in sein

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neuen Tag, an dem die Sonne aufgeht.

Wir unsrerseits

zählen

auch die Jahre so, daß das Jahr 1848 auf das Jahr 1847 folgt, und nicht umgekehrt.

Vor nichts von dem, was in den großen

Angelegenheiten des Staats geschehen ist, mögen wir eS auch be­ klagen, schließen wir das Auge, wir bringen es in Rechnung bei der Frage, was nun weiter geschehen muffe und geschehen könne. Geschehen könn e, das führt uns auf einen dritten Grundsatz, eS ist der, daß nicht das absolut Beste geordnet werden muffe, oder gar nichts, sondern daß eS die Aufgabe deö schwachen Men­ schen sei, der ohne sträflichen Hochmuth das absolut Beste zu er­ kennen sich überhaupt nicht vermessen darf, daS relativ Beste, das nach den Zuständen und Verhältnissen, nach der ganzen Lage der Dinge Mögliche zu bauen und zu ordnen. schiedenheit

der

Maaß

Möglichen

des

dingung man,

aber ist

und

wenn

Fälle

werden

bestimmen,

allgemeiner eS

die

Bedingungen,

welche

verschieden sein.

Beschaffenheit,

das Beste

Je nach Ver­

wäre,

eS

Eine Be­

ist

die,

seiner Zeit das

bieten dürfe, wofür ihr das Verständniß gänzlich abgeht. Bedingung

hat

mit

der Concessionsmacherei,

das

daß nicht Diese

von welcher wir

wahrlich kein Liebhaber sind, gar nichts gemein.

Eine Phiole

soll man nicht mit einem Geiste füllen, dem sie zu schwach ist, der sie sprengt, und die Stärke der Phiole kann man nicht nach seiner eigenen Stärke messen.

Die Bauleute, die auf sandigem

Boden ein hölzernes Haus zimmern, soll man nicht meistern, um einen steinernen Bau

zu

beginnen, unter dessen Trümmern man

begraben wird. Nach diesen Vordersätzen wird Alles, was in dieser Zeit ge­ schaffen wird, stark ihr Gepräge tragen; werden sich vielfach hindurchziehen.

Irrthum und Mängel

Alle Arbeit muß im Laufe

der Jahre darauf gerichtet sein, das Geschaffene zu läutern und zu reinigen nach den wahren Bedürfnissen der Zeit und nach dem Maße des Wachsthums ihres Verständnisses.

Dieser Prozeß darf

aber, und das ist unser vierter Grundsatz, nicht durch Revolution

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88 _____

von oben, sondern nur gleichen Schrittes mit der wachsenden Er­ kenntniß im Volke, aus den neuen Institutionen heraus, und mit Hülfe der Mittel, welche fie geben, vorgenommen werden.

Nur auf

diesem Wege läßt sich für die Dauer zu gesunderen Zuständen ge­ langen; jeder andere, und namentlich jeder gewaltsame Weg führt daö Land aus einer Krise in die andere, und tiefer, nicht etwa als es steht, nein als es je gestanden.

Wir wissen, daß auf un­

serm Wege daS Ziel erst nach längerer Zeit erreicht werden kann, und sehen alles Schwere, was in der Verzögerung liegt, als eine auferlegte Buße an;

wir wissen aber auch,

daß die unter der

Strafe heißblütig Ungeduldigen, welche morgen schon an ihrem Ziele sein wollen, eS gar nicht erreichen werden. Wir wollen also, das ist allen diesen Grundsätzen gemein, entschiedenst daS Gegentheil der Revolution, aber ebenso entschieden keine Contre-Revolution. Auch der Rundschauer wird das Wort nicht an sich kommen lassen wollen.

Wie er sich aber zu diesen unsern Sätzen verhält?

Nehmen wir an, daß er int Gegensatz zu ihnen steht, so ist sein Standpunkt der, daß er die Verheißungen nicht gehalten haben will, welche nach seiner Ueberzeugung besser nicht gegeben wären; daß er in der Geschichte diejenigen Dinge sieht, die ihm und sei­ nem Ideal-Systeme vom Staate zusagen, und für diejenigen gar kein Auge hat, welche nicht dazu stimmen; daß er rücksichtslos auf die politische Reife oder Unreife der Völker, rücksichtslos auf ihr politisches Verständniß, rücksichtslos darauf, ob die Bedingungen dafür vorhanden sind oder nicht, sein System vom besten Staate in die Welt hineingeschmettert haben will, ohne danach zu fragen, ob zehn Millionen es theilen, oder nur zehn Tausend, oder nur zehn Menschen überhaupt; daß er, was zu seinem Systeme vom besten Staate in den vorhandenen Zuständen nicht paßt, kurzweg, ohne viel Fackeln, über Bord gewettert haben will.

Seine Mittel

möchten dann sein: ein fester Wisse, die Armee und im weiteren Hintergründe als Arriere-Garde ein östliches Bündniß.

Wir sind

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entfernt davon zu behaupten, daß dies der Standpunkt des Rund, schauer- sei, wir bezeichnen nur den seinigen, wenn er den tut, feigen verwirft, und construiren ihn einfach au- dem Gegensatze. Für jeden einzelnen der Sätze, auö denen dieser Standpunkt sich bildet, könnten wir freilich sehr schlagend au- der Rundschau bringen,

scheinende Belagstücke

für den aufmerksamen Leser haben

wir eö kaum nöthig, wir unterlassen es aber hauptsächlich, weil wir die Versicherung am willkommensten hören würden, daß dieser Standpunkt der unsers Freundes nicht sei, und diese Versicherung nicht erschweren wollen.

Wird sie gegeben, dann erwarten wir aber

auch, nicht in dunkeln aphoristischen Sätzen, sondern einfach, klar und zusammenhängend die Angabe seines Standpunktes.

Der von

uns dem unsrigen hypothetisch gegenübergestellte ist, dürre heraus, gesagt, der der Contre-Revolution, Wort oder nicht.

sperre man sich gegen das

Wer ihn einnimmt, der mag ihn verantworten,

das aber gestehen wir ihm nicht zu, daß er Tapferkeit und Muth allein für sich in Anspruch nehme, diese Tugenden stehen bei die­ sem Standpunkte auf der Schärfe einer Linie, welche ihre Namen in minder wohltönende wandelt. Ehe wir das Bisherige auf die Beurtheilung der preußischen Politik in der deutschen Frage anwenden, ein Wort darüber, wie wir uns zum ConstitutionaliSmuS in den Rundschauen nicht nur,

überhaupt verhalten.

sondern

auch

Eö ist

anderweit in der

Reuen Preuß. Zeitung nicht selten von wahrem und falschem ConstitutionaliSmuö die Rede, und wir haben schon lange gewünscht, daß klar und bestimmt ausgesprochen werde, waS man darunter verstehe.

Auch wir machen diesen Unterschied und verstehen unter

dem falschen den französischen oder, richtiger gesprochen, den kon­ tinentalen, denn wir kennen auf dem Continente kein Land, in welchem ein gesunder ConstitutionaliSmuS sich ausgebildet hätte, er ist bisher überall banquerott geworden.

Der achtzehnjährige

Jüngling in Belgien ist noch nicht großjährig. terium deS

falschen ConstitutionaliSmuS

besteht

DaS Haupt-Crieinmal in dem

-------- 90 -------fleischwiegenden Kopfzahl-Unwesen und zweitens darin, daß nicht nach dem Wortlaute der Verfassungen, sondern unter dem Vor­ wände der Gebote des konstitutionellen Geistes — der nichts An­ deres als ihr böser Geist ist — die ganze Schwerkraft der Re­ gierung in die aus der Kopfzahl-Lotterie hervorgegangene Volks­ vertretung verlegt wird.

Vor dem Hauch der Kammer-Majori­

täten soll jede Kraft der Regiemng zerstieben.

Eine böse Miene,

die eine Kammer in einer Adresse dem Ministerium zieht, eine Niederlage bei einem für das Bestehen deS Staats nicht wesent­ lichen Gesetz, Entwurf, beispielsweise über Viehseuche, schleunigen Ministerwechsel nothwendig machen.

soll einen

Die Verfassungen

sagen das nicht, aber der angeblich konstitutionelle Geist soll eS sagen.

Dem Fürsten werden nicht grade bestimmte Personen zu

Ministern, aber der Kreis wird ihm vorgeschrieben, aus dem er diese zu wählen hat und bei den auf diesem Wege nicht ausblei­ benden Portefeuille-Gelüsten wird jener Kreis enger und enger gezogen, bis die Bestimmung des Wahlkreises und der zu wäh­ lenden Personen völlig zusammenfällt.

Unter dieser Majoritäts-

wirthschaft, die nichts Anderes zur Unterlage hat, als den Spuk von der Volkssouveränität, entsteht ein ekelhafter Kampf zwischen den Kammerjägern und Portefeuille-Lüstlingen einerseits und der Regierung andrerseits. Verstellung,

Von beiden Seiten wird Lug, Betrug,

Verleumdung, Bestechung

und Stellenverkuppelung,

das ganze Heer aller konstitutionellen Klugheitsmittel angewendet, und wenn die von solchem Treiben unzertrennliche Demoralisation nach oben und unten ihren Höhepunkt erreicht hat, dann macht rin Jahr 1830 oder 1848, oder wie sich künftige Jahreszahlen schreiben werden, der ganzen konstitutionellen Misere ein klägli­ ches Ende. Ein ächter ConstitutionaliSmuS beschränkt die Kröne nicht in der Regierungsgewalt, sondern in der Gesetzgebung und in Bezug auf die Landesbesteuerung, dergestalt, daß kein Gesetz und keine Steuer ohne Zustimmung der Vertretung erlassen oder auferlegt

werden kann.

Er räumt diese beschränkende Befugniß einer

Volks­

vertretung ein, die nicht nach der Kopfzahl, nicht nach Steuerklassen, nicht nach einem Census, sondern nach den im Lande wahrhaft vor­ handenen, einer Vertretung bedürftigen, wesentlichen Interessen ge, wählt ist.

Die bezeichnete

beschränkende Befugniß läßt er der

Volksvertretung ehrlich und ungeschmälert.

Aber an dieser hält

sie sich selbst und hält die Regierung sie fest.

Nur wenn über

Gesetze, ohne welche dem Ministerium die Verwaltung unmöglich wird, keine Einigung stattfinden kann, wird es nothwendig, ent­ weder das Ministerium zu wechseln oder die vertretende Versamm­ lung aufzulösen.

Mit der Verantwortlichkeit der Minister ist ein

ächter ConstitutionaliSmuS ganz dieser Grundsätze

hat

die

einverstanden.

Volksvertretung

die

Bei Festhaltung ihr gebührende

Kraft, der Regierung aber bleibt ihre feste, gesicherte und unentwürdigte Stellung. Die bezeichneten Punkte halten wir aber auch für die allein wesentlichen einer konstitutionellen Verfassung; das Einzige, was darin eine wahre und bleibende Bedeutung hat.

Die Form der

modernen Verfassungs-Urkunden, welche sich das Ansehen geben, als ob der lebendig bestehende Staat noch gar nicht vorhanden sei und nun erst von unten auf zusammen paragraphirt werden müsse, — an den Drei-Königs-Entwurf denken wir hierbei nicht, der Bundesstaat ist allerdings durch Einigung über alles Wesent­ liche allererst von unten auf zu bauen — jene Form halten wir wegen der inneren Unwahrheit und wegen der Gefahr, die darin liegt,

daß die

großen Verhältnisse des Staats den Advokaten­

kniffen Preis gegeben werden, vom Uebel.

Diese Gefahr würde

da vermieden, wo man die Feststellung der konstitutionellen Ver­ fassung auf jene wesentlichen, gesetzlich anzuordnenden Punkte be­ schränkte.

WaS sonst noch in moderne Constitutionen aufgenom­

men zu werden pflegt, persönliche Freiheit, Associationsrecht, Preß­ freiheit, Unabhängigkeit des Richterstandeö, und was im Uebrigen dahin gezählt wird, gehört

durchaus nicht hinein, und ist darin

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wiederum vom Uebel. Alle diese an sich sehr wichtigen Gegen­ stände gehören zur Verfassung, daö ist zum Organismus des Staats, nicht, sie fallen vielmehr in die große Summe alles dessen, was zur gemeinsamen legislatorischen Thätigkeit der Krone und der Volksvertretung gehört. Sie können auch in den Ver­ fassungs-Urkunden gar keine Erledigung finden. Jeder dieser Ge­ genstände bedarf, wie in allen Ländern die Erfahrung lehrt, da­ neben stehender ziemlich umfangreicher Gesetze. Aber nicht ein­ mal das Maaß des auf jedem dieser Gebiete dem Volke Einzu­ räumenden kann im Allgemeinen in solchen Verfassungs-Paragra­ phen festgestellt werden, weil eS eben dafür kein absolut richtiges Maaß giebt. Von den wechselnden Zuständen des Landes, von der Gesittung und der Achtung vor dem Rechte hängt es ab, mit wie viel oder wie wenig von jenen Freiheiten der Staat überhaupt bestehen kann, daö Bestehen des Staats aber hat den Vortritt, und den Nachtritt haben die darin zulässigen Freiheiten. Mit wessen hohem Standpunkte und mit wessen Weitherzigkeit diese bescheidenen Ansichten nicht stimmen, der reise heimlich nach Frankreich, oder spare die Kosten und mache die lehrreiche Ver­ gleichung zwischen den Paragraphen der französischen ConstitutionSurkunde und den neuesten französischen Gesetzen über Associationsund Preßfreiheit. „Alle Franzosen haben das freie VereinignngSrecht, und wer davon Gebrauch macht, wird gehängt." Nach diesem nur etwas frei und verkürzt übersetzten Text sind die ConstitutionSParagraphen modificirt, wie man eS nennt, und wer mehr Werth auf den Staat, als auf einen Club oder eine Volksversammlung legt, findet solche Modifikationen sehr löblich. Hieraus ergiebt sich von selbst, wie wir über die Verfassung vom 5. Dezember v. I. denken. Das, was wir als das Wesen eines gesunden ConstitutionalismuS angegeben haben, das bezeich­ nete Verhältniß der Krone zur Landeövertretung, finden wir wesentlich darin, und es kommt nur darauf an, eS ehrlich, ernst und fest zu wahren und zu halten. Auf die gefährliche Form

und da- noch gefährlichere Beiwerk sogenannter Grundrechte findet alles oben Gesagte Anwendung.

ES ist eine ernste Gewissenösache,

unter dem Einfluß gesunder Luft an die Arbeit zu gehen und bei der Revision der Verfassung auf dem geordneten Wege in Gemein­ schaft mit der Landesvertretung das Krankhafte auszuscheiden; eine Arbeit, welche nicht daS Werk eines Jahreö und einer LegiölaturPeriode fein wird, und deren Umfang sich mit dem Wachsen wah­ rer politischer Erkenntniß erweitern wird.

Diese Ansicht schließt

kein Urtheil über die Räthe der Krone in sich, welche zu dieser Verfassung gerathen haben.

Es wird leicht gefällt, weil leicht

vergessen wird, wie das Land am 5. Dezember v. I. stand, ver­ gessen wird, daß eine Reihe kläglicher Ereignisse und kläglicher Ministerien jede Grundlage für die

öffentlichen Zustände hatte

verlieren lassen, und eine, wenn auch sehr unvollkommene, besser war, als gar keine; weil man nicht achtet, oder nicht achten will, waS an Zusagen vorangegangen war; — weil man nicht achtet, oder nicht achten will, waS nach der ganzen AuffaffungSfähigkeit der Zeit,

das Mögliche war.

Mancher, der jetzt über daS

klagt, was octroyirt worden, hätte damals schwerlich die Tapfer­ keit zum Octroyiren überhaupt in sich zusammengebracht.

DieS

ist nicht gegen den Rundschauer gemünzt, dem wir Verzagtheit am wenigsten vorwerfen werden.

Wenn er aber meint, daß damals

gar nichts hätte geschehen sollen, oder nur völlig Correcteö, und wenn er meint, daß man das Jncorrecte jetzt auf anderem Wege kurzweg loS werden müsse, als auf dem obenbezeichneten, — eine Ansicht, auf welche einzelne seiner Andeutungen und seiner Schlag­ worte Hinweisen, so führt dies auf den im Eingang des Artikels ent­ wickelten, allgemeiner durchgreifenden Gegensatz zurück und stellt den Rundschauer auf den Standpunkt, von dem wir gewünscht haben, daß er ihn von sich ablehnen möchte. Aber, wird eingeworfen, der Artikel 105 der Verfassungs­ Urkunde, und sein Gebrauch in den letzten Monaten, wie stimmt er zu dem Gesagten? Die Demokraten und der Rundschauer be-

— H

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gegne« sich, jene rufen in Wuth, und dieser im Triumph, er sei die ganze Verfassungs-Urkunde. Mit gleichem Unrecht. Der Ar­ tikel 105 trägt sein Maaß in sich, die Nothwendigkeit nachträgli­ cher Genehmigung der Landesvertretung ist der Schutz gegen den Mißbrauch. Die Regierung wird schon bemessen, wofür sie, den Bedürfnissen jeder Zeit gemäß, nach Recht und Billigkeit auf Genehmigung zu rechnen habe, und wird sich hüten, diese Schranke zu überschreiten. Wenn der Artikel jetzt viel ausgedehnter gebraucht worden, als er in gewöhnlichen Zeiten wird gebraucht werden dürfen und können, so liegt eö eben daran, daß unsere Zeit keine gewöhnliche ist, daß der Staat mit einer entsittlichten, zu jedem Verbrechen willigen Partei noch im täglichen Kampf um seine Eristenz begriffen ist. Verlangen, daß gegen die Demokratie, die die constitutionelle Monarchie vernichten will und dazu jedes noch so verbrecherische Mittel willkommen heißt, nur mit den für fried­ liche und gewöhnliche Zustände berechneten konstitutionellen Mitteln gekämpft werde, ist eine Perfidie oder eine Albernheit — eben so unrichtig ist eö aber, aus dem, was zu dieser Zeit des Kampfes nothwendig ist, zurückschließen wollen auf das, was zu allen und zu friedlichen Zeiten nothwendig sei. Die obrigkeitliche Gewalt braucht ganz unzweifelhaft zu allen Zeiten kräftigerer Mittel, alö die sind, welche ihr die Verfassungs-Urkunde läßt, daraus aber folgt nicht, daß auch in friedlichen Zeiten nur mit dem ganz un­ beschränkten Gebrauch der carte blanche des Art. 105 zu helfen und daß es die Aufgabe sei, durch dieses Loch die ganze Ver­ fassung hinaus zu treiben. Wer solche Behauptungen aufstellt, hat wenigstens das lohnende Bewußtsein, der Demokratie wacker in hie Hand gearbeitet zu haben. Wir gedenken in einem letzten Abschnitt auf die Differenz in der deutschen Sache zurückzukommen, von welcher unser Streit ausgegangen ist.

06 Fünfter Abschnitt. (Unter der Ue-erschrift „ Der Juli-Rundschauer und Preußens Politik." Dritter Artikel in der Beilage zu Nr. 185 der Neuen Preußischen Zeitung vom 12. August 1849.)

Wenn wir mit dem Rundschauer über die preußische Politik in der deutschen S.ache rechten, so kommen wir zuerst auf einen Punkt, auf dem wir die Verblendung unseres Freundes nur mit dem tiefsten Schmerze wahrnehmen können. Es ist die Partei­ nahme für Oesterreich gegen sein Vaterland, Kläglich ist eS, daß ein heißblütiges Verrennen in eine einseitige Ansicht hinein bis dahin treiben kann, wo die nächste Meinungs-Gemeinschaft, die sich anbietet, die der offenen Feinde des eigenen Vaterlandes ist. Wird dem Rundschauer nicht bange bei einem Kampf, für den gleichzeitig die Intrigue mit den verwerflichsten Mitteln thätig ist? Wir wollen über die schwarzgelben Dithyramben hinwegsehen, zu welchen der Rundschauer sich steigert, wenn ihm Oesterreich in die Feder kommt, obschon eine poetische Begeisterung für politische Betrachtungen keine günstige Stimmung ist. Wir wollen über­ sehen, daß zu einer Zeit, da Oesterreich und Bayern täglich von den niedrigsten Verleumdungen gegen Preußen wiederhallen, zu einer Zeit, in der ohne daß ein ernstes Wort der Regierungen dazwischentritt, die österreichischen und bayrischen Blätter schamlos genug sind, die Rebellion in Baden für das Werk preußischer Agenten auszugeben, den Sieg über die Rebellion den deutschen Truppen allein beizumessen und zu behaupten, die Preußen seien nachgeschlichen, um sich mit fremdem Lorbeer zu schmücken — wir wollen übersehen, daß zu solcher Zeit und solchen Thatsachen ge­ genüber der Rundschauer wahrhaft idyllisch ausruft: „die Oester­ reicher feiern unsere (Biege." Es ist kein Spott, es ist die Ver­ blendung Dessen, der nur steht, was er sehen will, und nur sehen will, waS in sein Bild von deutscher Ankunft hineinpaßt. Mit

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derselben Unbefangenheit steht er Oesterreich- Lage im ruhmreichsten Farben-Schimmer. richtig und

weisen die

Wir beklagen diese Lage ernst und auf­ bodenlose Jnstnuation zurück,

Staatsmänner hofften auf Oesterreichs Schwäche.

preußische

Wir machen

uns aber nicht, weder aus Haß gegen die Revolution, noch aus Liebe für unsere Projekte, blind gegen die Wahrheit, und nennen die Dinge nicht mit falschen, prunkenden Namen.

DaS rufstfche

Bündniß vom Jahre 1813 gegen den gemeinsamen äußeren Feind, daS war für beide Theile ein ehrenreiches.

Wenn aber Oester­

reich jetzt die russische Hülfe braucht gegen seine eigenen empör­ ten Unterthanen, so freuen wir unS zwar dieser Hülfe in der Noth, klagen aber bitter über den tiefen Fall Oesterreichs, das solcher Hülfe und solchen, von dem ersten himmelweit verschiedenen Bündnisses bedarf; wenn Rußland, daö in Ungarn eine bei wei­ tem stärkere Armee hat, als Oesterreich, Siege feiert, so flechten wir dafür Oesterreich keine Lorbeerkränze. Wir wünschen, daß Oesterreich, nach der auch unö unzweifelhaften Unterdrückung deS Aufruhrs, stark auS diesen Kämpfen und Krämpfen hervorgehen möge; wenn wir es nicht erwarten, so räumen wir Niemandem daS Recht ein, zu sagen, wir hofften eS nicht.

Das besiegte

Ungarn wird mehr als die Stärke der jetzt darin verwendeten österreichischen Armee brauchen, um im Zügel gehalten zu werden, das Land, daö Oesterreichs reichste Quelle war, ist und wird auf lange verwüstet;

Italien darf das siegreiche österreichische Heer

nicht verlassen; die unvorbereitet aufgehobenen Roboten und Ren­ ten stellen dem größeren Grundbesitz die schwierigsten Aufgaben und legen seine Kräfte lahm; die Finanzen des Landes sind trau­ rig zerrüttet; und zu dieser Lage kommt die schreckenerregende Auf­ gabe, das Reich, daS in wenig Stunden aus einem ertremen Sy­ stem in das andere geschleudert worden, zu ordnen, zusammenzu­ halten und auf dem neuen Boden fest wurzeln zu lassen. Ruudschauer ist dies

Alles

Dem

ein Kinderspiel, wir bekennen unS

schwach genug, so hochfliegende poetische Anschauungen nicht für

Grmrdlag«, Poetischer Eombinationen erachten zu sönnen und zu besorg«»/! daß bk Zeit wechselnder erschütternder Krisen «t Oesterreichtichach Jahrzehnten zu bemessen sein wird. W«S aber, wenn wir eS nicht mit dem uns theuer gewor­ denen Rundschauer zu thun Hütte«,

noch andere Empfindungen

erwecken müßte, als Schmerz, das iss die blinde Ungerechtigkeit gegen das eigene Vaterland.

Die ganze Richtung der Zeit hat

dahin gedrängt und drängt noch dahi«,

Deutschland

z« einem

Bundesstaat zu machen, die Fürsten haben seit mehr als Jahres­ frist diesen Weg eingeschlagen, die Völker scheu darin allein daS Heil. Preußen hat vor seiner Erniedrigung und nach seiner Er­ hebung vielfach erklärt, daß es diesen Weg gehen wolle, Oester­ reich hat biö in den März dieses JahreS dem nicht widersprochen, eS ist mit vollen Segeln auf dies Ziel zugesteuert, es hat für den provisorische« Bundesstaat seinen eigenen Erzherzog gegeben, ja eS hält den Reichsverweser

in seiner

luftigen Schwebe am

Draht, nachdem der provisorische Bundesstaat zu Grunde gegan­ gen — Oesterreich, Oesterreich, nicht Preußen bricht im Märzd. A. den Bund, -trennt seine deutschen Länder von dem Deutschland, nicht der Gagernschen Charte, sondern der Bundesacte von 18-15, macht sich die erste und heiligste Bundespflicht unmöglich, die ge­ meinsam für Deutschland

gefaßten Beschlüsse,

deutschen Ländern zur Ausführung zu bringen,

sofort

in -seinen

giebt seine ihm

den Eintritt in den Bundesstaat verschließende BerfaffungS-Ptrfurtbe vom 4. März c>; Preußen geht darauf nicht, wie eS -konnte, mit airderen deutschen Fürsten sogleich auf dem Wege deS enge­ ren Bundesstaates vor, eS sucht zu allererst dringend VerstäiÄigung mit Oesterreich, es bietet daS engste Bündniß des beab­ sichtigten neuen Bundesstaats

mit

Oesterreich

Vereinbarung darüber; Alles wird abgelehnt. mm Preußen thun?

an,

eS

wünscht

WaS sollte bmn

Sollte eS etwa mit dem Rundschauer da­

von -ausgehen, Oesterreich halte seine VerfassilngS - Urkunde vom 4. März selbst nur für einen Popanz, seinen Völkern zum Spiel-

-------- 98 ----------werk hingeworfen, eS habe seinen Völkern und Deutschland, die Verfassung nur vorgelogen?

Hätte Preußen den in fieberhafter

Spannung harrenden Völkern gegenüber, nach des Rundschauers Rath abwarten sollen und können, bis es Oesterreich gefallen würde, sich zu jener großen Lüge zu bekennen?

DaS alte Oe­

sterreich, von dem der edle König in seinem Testamente geschrie­ ben, das alte Oesterreich ist freilich nicht mehr vorhanden, und es würde heute nicht geschrieben worden sein, was damals ge­ schrieben wurde, aber so tief, wie der Rundschauer annimmt, steht das heutige Oesterreich

unter dem alten nicht, daS ehrenreiche

Oesterreich weiß, daß es vor allem auf Ehre zu halten hat, daß eö nicht durch scherzhaft gemeinte Verfassungs-Urkunden mit sei­ nen Unterthanen und mit Europa aus der Tasche spielen darf. .Preußen mußte

nach

der

Ablehnung Oesterreichs,

in

einer

Sache, die keinen Aufschub litt und leidet, seinen eigenen Weg, den Weg einer Preußischen Politik gehen, kräftig, offen und ehrlich, und das hat es gethan, ehrlich auch gegen Oesterreich, denn der engere Bundesstaat, den Preußen, Hannover und Sach­ sen projectirt, verschließt sich dem weiteren

Bunde nicht, und

daS festeste, innigste und treueste Bündniß des Bundesstaats mit Oesterreich für seine deutschen Länder wird ihm das Willkom­ menste und beiden daS Ersprießlichste sein.

Dazu gehört richtige

Erkenntniß der Lage der Dinge und guter Wille auf beiden Seiten. Dieser offenkundigen Sachlage gegenüber spricht der Rund­ schauer von „kurzsichtigen Staatsmännern, die eins seiner mäch­ tigsten Glieder von Deutschland abreißen." nicht auszurufen:

Ja, er scheut sich

„Wie schmerzlich, wenn Preußen Oesterreichs

Kämpfe bis auf's Blut zu dem vergeblichen Versuche benutzen sollte, Oesterreich aus Deutschland zu verdrängen!" Eine solche, die Wahrheit in das Gesicht schlagende Phrase, der Angelpunkt seiner ganzen Anschauung in der Frage, würde sich in dem Oe-

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sterreichischen Lloyd oder in der Neuen Münchener Zeitung unter Stübern und Schwestern recht zierlich auönehmen. "

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