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German Pages 139 [144] Year 1917
Trübners
Bibliothek
Soldatische Volkskunde: Nr. 4: Das deutsche Soldatenlied im Felde von J o h n M e i e r . Kl. 8°. 76 S. 1916. Geheftet M. 1.25, Kartoniert M. 1.75. Nr. 7: Deutscher Soldatenbrauch und Soldatenglaube von H a n n s B ä c h t o l d . Kl. 8°. V, 48 S. 1917. Geheftet M. 1.50.
Trübners
Bibliothek Band 9
Deutsche Soldatensprache Ihr Aufbau und ihre Probleme dargestellt von
Otto Maußer Herausgegeben vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde.
Straßburg Verlag von Karl J . T r ö b n e r 1917
DER
VERBAND
DEUTSCHER
VEREINE
FÜR
VOLKSKUNDE
VERDANKT FÜR DIE VON IHM UNTERNOMMENE SAMMLUNG DER DEUTSCHEN
SOLDATENSPRACHE
DER KÖNIGLICH P R E U S S I S C H E N AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N DER AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU H E I D E L B E R G DER KÖNIGLICH B A T E R I S C H E N AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU MÜNCHEN DER
KÖNIGLICH
SÄCHSISCHEN G E S E L L S C H A F T
DER W I S S E N S C H A F T E N
ZU L E I P Z I G
DER WISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU F R E I B U R G I . B R . DER WISSENSCHAFTLICHEN
GESELLSCHAFT ZU STRASSBURG IM ELSASS
WERTVOLLE
UNTERSTÜTZUNG
Alle Rechte vorbehalten.
Vorbemerkung Das vorliegende Buch verdankt seine Entstehung einer Anregung des Vorsitzenden des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde, des Herrn Professor Dr. J O H N MEIER. Ein großer Teil der in Hauptabschnitt I und Hauptabschnitt III niedergelegten Ausführungen bildete den Inhalt meines Vortrages über Soldatensprache, gehalten aus Anlaß der Tagung des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde zu Frankfurt a. M. am 1. Oktober 1916. Das Buch dient einem doppelten Zweck: einem philologisch-volkskundlichen Erkenntniszweck und einem wissenschaftlichen Werbezweck. So verfolgt es denn die Absicht, im Anschluß an die bisherige soldatensprachliche Forschung und im Ausbau alter Erkenntnisse das Wesen und die Probleme der deutschen Soldatensprache der Gegenwart zu erörtern und die im soldatischen Wortschatz wirksamen Kräfte, in zusammenfassenden Ausführungen sowohl wie in kleinen monographischen Versuchen zu einzelnen Ausdrücken, aufzuzeigen. Die andere Absicht ist ausgesprochen propa-
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gandistisch. Das Buch versucht die weitesten Kreise auf die Wichtigkeit des soldatischen Wortschatzes für die lexikalische wie für die volkskundliche Forschung aufmerksam zu machen, und es will sie ferner auf die vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde beschlossene Sammlang der Soldatensprache hinweisen. So sei denn dem Leser namentlich der auf S. 125 ff. abgedruckte Fragebogen zur Erhebung der heutigen Soldatensprache aufs wärmste empfohlen. Antworten darauf oder auch einzelne Mitteilungen — und wären es die kleinsten — sind zu richten an die Konimission zur Sammlung der Sddatensprache (Wörterbuchkommission der k. bayr. Akademie der Wissenschaften in München, Neuhauserstr. 51). Es ist mir ferner eine gerne geübte Pflicht, Herrn Professor Dr. J O H N M E I E R auch an dieser Stelle für die Teilnahme zu danken, die er meinem Buche nach jeder Richtung geschenkt hat. Manche Einzelheit verdanke ich speziell ihm. Zum gleichen Danke bin ich dem I. Vorsitzenden der Wörterbuchkommission der Akademie der Wissenschaften in München, Herrn Geheimen Rat Prof. Dr. ERNST K U H N verpflichtet, der in liberalster Weise die soldatensprachlichen Sammlungen der bayerischen Akademie für meine Arbeit zur Verfügung stellte. Auch Herrn k. b. Major M I L L E R , einem der feinsinnigsten Kenner der Soldatensprache, gegenwärtig bei einem Infanterie-Regiment im Osten, schulde ich auf-
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richtigen Dank. Das ganze Buch wäre aber nicht möglich geworden ohne die im Felde stehenden Sammler der WörterbuchJcommission der Münchner Akademie. Sie alle. Akademiker und Nichtakademiker, einfache Soldaten wie Offiziere, haben innerhalb kurzer Zeit eine nach Menge wie nach Güte sehr beachtenswerte Sammlung soldatensprachlichen Stoifes aller Art hereingebracht, die garnicht genug verdankt werden kann. Ich möchte dieser Anerkennung auch an dieser Stelle öffentlichen Ausdruck geben. Der am Schluß abgedruckte Fragebogen, auf dessen Kopfvermerk ich besonders verweise, ist im Laufe dieses Jahres von den Mitgliedern der vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde niedergesetzten „Kommission zur Sammlung der deutschen Soldatensprache" 1 abgefaßt worden. M ü n c h e n , im Sommer 1917. Otto Maußer. 1
Mitglieder dieser Kommission sind: Privatdozent Dr. O. in Mönchen (Vorsitzender), Dr. Hanns BÄCHTOLD in Basel, üniversitätsprofessor Dr. A. G Ö T Z E in Freiburg i. Br., z. Z. militärisch verwendet, Leutnant d. R. Dr. W. H E Y N E N , Z. Z. Berlin, stellv: Großer Generalstab, Major und Bataillonskommandeur M I L L E R , z. Z. im Felde, Professor Dr. Herrn. T A R D E L in Bremen.
MAÜSSER
I.
Begriff, Elemente, Wesen der Soldatensprache. Man darf über die A u f g a b e n d e r S o l d a t e n s p r a c h l i c h e n F o r s c h u n g d e r G e g e n w a r t nicht sprechen, ohne sich über drei Dinge im klaren zu sein: erstens über die Ergebnisse der soldatensprachlichen Forschung bis heute, zweitens über den Begriff Soldatensprache, drittens über den Charakter der Soldatensprache des gegenwärtigen Krieges. Denn die Richtlinien, nach denen die soldatensprachliche Forschung arbeiten muß, wenn sie die durch den Krieg ihr zugewiesene Aufgabe erfüllen will, sind ebenso durch die Vergangenheit wie durch die unmittelbare Gegenwart bestimmt. Über die Ergebnisse der soldatensprachlichen Forschung — vorab in Deutschland — brauche ich mich an dieser Stelle nicht mehr eingehend zu äußern. Denn ich habe anderwärts 1 diese Frage ausführlich abgehandelt. Der wichtigste Abschnitt in der Geschichte der Erforschung der deutschen Soldatensprache fällt — so viel muß hier erwähnt werden — in die Jahre 1898 bis 1899 und 1905. In diesen Jahren erscheinen .die Arbeiten des Straßburger Professors Paul H o r n : seine Aufsätze „Die deutsche Soldatensprache" und .Vergleichende Soldatensprache" in der Beilage zur Münchener Allgemeinen Zeitung (1898, Nr. 64; 1899, Nr. 111) und M a n B e r , Deutsche Soldatensprache.
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sein Buch „Die deutsche SoldatenspracheGießen 1899, in 2. Auflage 1905. Horn hat das große Verdienst, der Allgemeinheit und der germanistischen Forschung — als Nichtgermanist — die Wichtigkeit der Sammlung und Untersuchung der alten wie neuen Soldatensprache im Sinne des soldatischen Argots energischer als mancher Vorläufer aufgezeigt und ganz besonders selbst den Versuch einer Gesamtdarstellung dieser Spezies der Standessprachen unternommen zu haben. Die Mängel, die das Buch Horns aufweisen muß, tun den Vorzügen dieser immer dankenswerten Leistung keinen Eintrag. Die Einwände, die dagegen vorgebracht werden müssen, sind am besten und fruchtbringendsten in den Referaten von F. Kluge* und Wunderlich (Literarisches Echo H 1899, 918—920) und vor allem in der langen, wichtige Korrekturen, Nachträge und Fingerzeige methodologischer Art bringenden Besprechung formuliert, die John Meier in Bd. 32 der Zeitschrift für deutsche Philologie (1900, 115—123) veröffentlicht hat. Die Beispiele aus der modernen, heutigen Soldatensprache, die ich später vorbringe, werden auch ihrerseits zeigen, worin die Verdienste und worin die Beschränkungen des Buches von Horn liegen. Die wichtige Frage ferner, ob und in welchem Grade Horn Nachfolger 3 gefunden hat, kann hier nicht erörtert werden. Ich muß auch dafür auf meine an einem anderen Ort gemachten Ausführungen verweisen. Die allerletzte Etappe der Arbeiten zur Sammlung und Untersuchung der deutschen Soldatensprache fällt in den Juni 1916, in welchem Monat nämlich die Wörterbuchkommission der bayrischen Akademie der Wissenschaften teils im Ausbau von Ideen, die in einem Zirkularschreiben an die Sammler aus dem August
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1914 entwickelt sind, teils auf Anregung und Ermunterung vonJobn Meier als Vorsitzendem des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde und zugleich im Benehmen mit der Wörterbuchkommission bei der Akadamie der Wissenschaften in Wien ihre Mitarbeiter im Felde zur Aufzeichnung soldatensprachlicher Wörter und Ausdrücke aufforderte *. Auch über den Begriff und die Geschichte des Wortes Soldatensprache habe ich mich in meiner Darstellung der Ergebnisse der soldatensprachlichen Forschung in Deutschland ausführlich verbreitet. Man versteht ja unter dem Wort Soldatensprache, das zuerst von Campe6 gebucht wird, wenn man die weiteste Bedeutung definieren will, dreierlei: 1. die militärische Fachsprache oder militärische Terminologie, 2. die soldatische Standessprache im Sinne des soldatischen Argots, 3. die Sprache des Heeres als besondere Abart der deutschen Amts- oder Kanzleisprache. Die Bedeutung 2 — Soldatensprache = soldatisches Argot, gesprochen vom gemeinen Mann, dem .Hannes" oder wie er sonst heißen mag, von den Unteroffizieren und Offizieren — ist wesentlich eine volkskundliche. Sie ist auch die verbreitetste, während Bedeutung 1 und 3 häufiger durch Synonyme wie Armeesprache, Heeressprache, Militärsprache vertreten wird, über die man sich wiederum in meinem schon mehrfach angezogenem Versuch einer geschichtlichen Darstellung der soldatensprachlichen Forschung unterrichten mag. Diese verbreitetste Bedeutung — Soldatensprache = soldatische Standessprache, soldatisches Argot—ist auch im weiteren ausschließlich gemeint, wenn von „Soldatensprache" die Bede ist. Ein Hauptergebnis der Arbeiten Horns, seiner Vor-
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gänger und ihrer Kritiker, sowie verwandter Arbeiten, wie etwa der John Meiers, Kluges, Burdachs Ober die Studentensprache, ist die durch Tatsachen bewiesene Erkenntnis, daß die moderne Soldatensprache ebenso wie die ältere in ihrem Wortschatz aus verschiedenen, anderen Spracheinheiten auf dem Wege der Entlehnung entnommenen Elementen zusammengesetzt oder von diesen verschiedenen Elementen beeinflußt ist. Der soldatische Wortschatz ist danach teils aus den Mundarten, teils aus der vulgären gemeindeutschen Umgangssprache, teils aus Standessprachen wie dem Botwelschen, der Studentensprache, der Pennälersprache, der Jägersprache, teils aus der Handwerkersprache genommen oder — bei sonst spezifisch soldatensprachlichen Bildungen — daher beeinflußt. Ein gewisser Prozentsatz von Wörtern und Redensarten ist anderseits innerhalb der soldatischen Kreise selbst gebildet und gefunden, also nach seiner Herkunft im eigentlichsten Sinne soldatisch zu nennen. Man wird somit bei genauerer Untersuchung eines Wortes wie einer Wortbedeutung immer festzustellen haben, ob sie auf Heeresangehörige beschränkt und gegebenenfalls innerhalb der militärischen Kreise selbsttätig gebildet worden sind oder ob sie aus den Mundarten, aus den übrigen nichtgewerblichen Standessprachen6, aus der Handwerkersprache, aus der vulgären Umgangssprache entlehnt worden und ebenso sehr innerhalb des Militärs wie des sprachlichen Entlehnungsgebietes üblich sind. Das letztere ist z. B. der Fall, wenn etwa in der Soldatensprache Altbayerns und der Oberfalz eine kleine Art von Kartoffelnudeln (aussehend wie ein kleiner Finger) als Schusterbuben bezeichnet werden, oder eine Jüngerin der Venus vulgivaga als *Eeichsjungfrau erscheint. Es
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wäre verfehlt, in diesem Falle den Schusterbuben und die Reichsjungfrau als ausschließlich soldatensprachlich zu bezeichnen, ein Fehler, in den Horn (S. 91) bezüglich des erwähnten KUchenerzeugnisses verfällt 7 . Denn Schusterbub heißt diese Spezies von Kartoffelnudeln in allen bayrischen Mundarten Bayerns und *Beiehsjungfrau ist etwa seit Ende der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts zum mindesten in allen Stadtmundarten Altbayerns ein gang und gäber Ausdruck. Aufgabe der lexikalischen Forschung ist es allerdings, festzustellen, wo jene in der Soldatensprache wie in der Mundart gleicherweise häufigen Worte entstanden sind, ob die Priorität der einen oder der anderen gehört. Denn das Verhältnis kann ja auch so sein, daß die breite Mundart oder die Vulgärsprache vom Soldaten8 entlehnt. Wenn der österreichische Soldat eine gewisse Art ordinären gemischten Tabaks Furzibus heißt (Horn 96), so bedient er sich damit höchstwahrscheinlich eines ursprünglich studentischen, nach Analogie von Fidibus gebildeten Ausdruckes. Sollte die Bildung aber speziell soldatensprachlich sein, so ist sie im Bildungsprozeß zweifellos von dem ursprünglich studentensprachlichen Fidibus beeinflußt. Anderseits haben wir sicherlich eine schon der Entstehung nach rein soldatensprachliche Bildung vor uns, wenn im heutigen Krieg die Handgranate u. a. als *Kartoffelstampfer bezeichnet wird, oder auch, wenn die Achselstücke eines bayrischen Majors * Seelenzöpfe* genannt werden. Der soldatensprachliche Wortschatz kann also entweder entlehnt und dem soldatischen Argot mit irgend-» einem Entlehnungsgebiet gemeinsam sein — und das unter gleicher Verwendungshäuiigkeit hier wie dort 1 *
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— oder er kann zwar in soldatischen Kreisen gebildet, aber in der Bildung wesentlich durch Wörter anderer Spracheinheiten (Mundarten usf.) beeinflußt sein 11 , oder er kann seiner gesamten Bildung, unter Umständen auch nur der speziellen Bedeutung nach, ohne jede wesentliche Beeinflussung von außen innerhalb der Heereskreise selbst geschaffen sein 1 '. Eine weitere Möglichkeit, auf welche die Untersuchungen der Soldatensprache vielleicht in Zukunft schärfer sehen als bisher, ist die, daß zwar irgendein Ausdruck aus den Mundarten oder aus irgendeiner Standessprache usf. entlehnt und hier wie dort heimisch ist, daß er aber — und das natürlich infolge besonderer, eben durch wortkundliche Einzelforschung festzustellender Gründe — in der Sprache des Soldaten wesentlich häufiger gebraucht ist, als im abgebenden Entlehnungsgebiet. Diese Erkenntnis von der verschiedenartigen Herkunft des Wortschatzes der Soldatensprache ist ein besonders wichtiges, methodologisch wertvolles Resultat der bisherigen Spezialforschung. Dieses Forschungsergebnis ist auch aus sehr realen Gründen durchaus zu erwarten, denn es entspricht ja vollständig der alle Bevölkerungsvarietäten einschließenden Zusammensetzung des Heeres der allgemeinen Wehrpflicht. In anderen Eigenschaften, welche die Forschung der Soldatensprache von jeher zuerkannt hat, beruht der besondere Gefallsreiz, der dieser Mischsprache eignet. Man denke da z. B. an die Ursprünglichkeit, Sinnlichkeit und Angemessenheit des Ausdrucks, Charakteristika, die besonders bei der Metapher, beim Bilde zur Geltung kommen, womit ja die Wortprägung und Redensartenfindung der Soldatensprache mit besonderer Vorliebe
arbeitet. Mit einer Sicherheit, die der Präzision eines nie versagenden Mechanismus gleichkommt, findet die Soldatensprache, man darf sagen in jedem Fall das für die besondere soldatische Auffassung Wesentliche an Personen, Sachen, Zuständen, Vorgängen heraus und schafft dafür den adäquaten, sei es übertragenen, sei es nicht übertragenen Ausdruck. Gerade diese Frische und Natürlichkeit, ich möchte sagen diese Vitalität des Ausdrucks, ist bei der Soldatensprache, soferne man sie als spezifische Mischsprache betrachtet, eigentlich überraschend. Denn für gewöhnlich eignet doch den Mischsprachen nichts weniger als diese für die Soldatensprache besonders charakteristischen Eigenschaften. Dieses Phänomen erklärt sich aber zur Genüge, wenn man die Sprecher und zum Teil die Schöpfer dieser Sprache und die Sprachgebiete betrachtet, aus denen entlehnt wird. So bezeichnend die Originalität und die glückliche Bildlichkeit der Soldatensprache ist, so charakteristisch ist anderseits der humoristische oder satirische Gehalt, der einer erheblichen Anzahl soldatischer Wortbildungen, Redensarten und Sonderwortbedeutungen eigen ist. Es ist das eine Eigenschaft, die den von der Soldatensprache ausgeübten ästhetischen Reiz in gleicher Weise begründet, wie die oben besprochenen Eigentümlichkeiten des Urwüchsigen in der Wortfindung überhaupt, in der Metapher im besonderen. Dieser satirisierende Zug im soldatischen Wortschatz ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß sich die satirische Tendenz gegen zweite Persönlichkeiten richtet, z. B. gegen die Vorgesetzten oder gegen irgendeine Gruppe von Zivilisten (etwa Bauern, Mädchen, alte Weiber), sondern in hervorragendem Maße gerade auch dadurch, daß der
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Soldat, ob es sich nun um den gemeinen Mann oder um den Offizier handelt, sich selbst in keiner Weise verschont. Diese Selbstsatirisierung und Selbstironisierung hilft dem Soldaten über das Schwere und das als unangenehm Empfundene seiner Berufstätigkeit ebenso hinweg, wie die Satirisierung zweiter Persönlichkeiten oder ganzer Gruppen derselben, die ihm geradezu ein Äquivalent für das Widrige ist, das diese für ihn sind, in Verfolgung einer Dienstpflicht häufig geradezu sein müssen. Wie die Satirisierung Zweiter eine in ihren psychologischen Beweggründen außerordentlich begreifliche, sich selbst Genugtuung schaffende, das durch den Satirisierten gestörte Gleichgewicht der Seele wiederherstellende Rache 13 ist, so läßt sich anderseits die Selbstironisierung des Soldaten als Überschuß von seelischer Kraft ansprechen. Man darf geradezu sagen, daß die humoristische und satirische Tendenz der Soldatensprache einen seelen- und nervenhygienischen Wert darstellt, insoferne sie eben als ausgleichender Faktor zwischen dem Zermürbenden, die Persönlichkeit in den Hintergrund Drängenden des Dienstes sowie anderer Widrigkeiten und dem dadurch oft unangenehm gehemmten Selbständigkeitsdrang des Individuums wirkt. Diese Heiltendenz, die ich der soldatensprachlichen Satire zumessen zu müssen glaube, wird gewiß besonders auch durch eine andere Eigenschaft gewährleistet: ich meine die Liebenwürdigkeit der soldatischen Satire, die zwar rücksichtslos gegen alles und sollte es der Tod sein ihre Pfeile abschießt, aber nie vergiftend und tötend wirkt, so sehr es ihr auch gelingt, dem verspotteten Gegenpart die Waffe aus der Hand zu schlagen und die Möglichkeit einer Entgegnung zu nehmen.
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Alle diese von der Forschung erkannten, aber meines Erachtens noch lange nicht im einzelnen genügend bewiesenen und gewürdigten Eigenschaften der Soldatensprache kehren in sämtlichen Perioden ihrer Geschichte wieder. Sie sind in der modernen Soldatensprache ebenso festzustellen, wie in der älteren; sie begegnen auch schon in der Landsknechtsprache. Ich möchte aber doch behaupten, daß die humoristisch-satirische Kraft gegenüber den älteren Stadien der Entwickelung gerade in der neuesten Zeit sogar gewachsen ist, während die Bildkraft und Ursprünglichkeit in der Findung des Ausdrucks, das Geschick in der besten Auslese aus den Wortmaterial in die Soldatensprache abgebenden Entlehnungsgebieten der Mundart, der Vulgärsprache, aller Berufssprachen zum mindesten in alter Stärke erhalten geblieben, wenn nicht ebenfalls gesteigert und verfeinert worden ist. Das gilt gerade auch von der jüngsten Periode der deutschen Soldatensprache. Eine kleine A u s w a h l aus dem Wortschatz der gegenwärtigen Kriegszeit mag das bestätigen. Sie mag zugleich zeigen, wie die jetzige Soldatensprache überhaupt beschaffen ist und sie mag durch die Wörter selbst, sowie durch einige wenige gelegentlich eingestreute Bemerkungen erweisen, wie sehr die oben des öfteren beregten sonstigen Hauptergebnisse der soldatensprachlichen Forschung auch für sie zutreffen: Entlehnung aus den Mundarten, dem Rotwelsch, sonstigen Standessprachen usf. — in geschicktester Anpassung des entlehnten Wortgutes an die Einzelheiten des militärischen Lebens — , Selbstprägung neuer Wörter oder Wortbedeutungen ohne Beeinflussung von außen, lediglich durch die Inspiration der Einzelheiten der soldatischen Umwelt, Originalität
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und Kraft, sinnliche Frische des Ausdrucks, humoristische und satirische, von einer glücklichen Rücksichtslosigkeit gespeiste Tendenz, Personen, Dinge und Vorgänge des täglichen Lebens kritisch zu spiegeln. Die kleine Auslese, die ich meist unter Nachsetzung ( = ) der Begriffe (Hauptbegriffe und Unterbegriffe) gebe, denen die Wörter entsprechen, mag zugleich als eine Kostprobe der Darstellung der deutschen Soldatensprache im Weltkrieg gelten, die uns hoffentlich eine gewogene Zukunft beschert. Ich bemerke ferner, daß die angeführten Beispiele aussnahmslos von Feldzugsteilnehmern stammen und alle aus der von der W ö r t e r b u c h k o m m i s s i o n der Münchner A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n im Juni 1916 eingeleiteten Sammlung herrühren. Nicht nur ich, sondern alle, welche von dieser Kostprobe genießen, werden Wert darauf legen, wenn ich bei allen Wörtern — zumeist in Klammern — den G e l t u n g s b e r e i c h (in einzelnen Fällen ist es wirklich oder scheinbar nur ein bestimmtes Regiment) mitteile, für den die Wörter und Redensarten zu buchen sind. Mit dieser Mitteilung des Geltungsbereiches ist noch keineswegs gesagt, daß ein Wort usw. auf diesen Bereich absolut beschränkt ist, sondern nur, dass das Wort dafür absolut sicher nachgewiesen ist. Sache aller Wissenden, ob das nun Feldzugsteilnehmer oder sonst interessierte Leser meiner Ausführungen sind, ist es nun gerade, diese Geltungsangaben zu erweitern, wenn ein Wort auch anderwärts im Schwange ist. Ihre Sache ist es auch, neue Wörter zu den gebuchten hinzuzubringen. Es wird ferner nicht nur dem germanistischen Fachgenossen erwünscht kommen, sondern auch dem Laien, auf dessen sammelnde Hilfe wir Germanisten
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ganz besonders angewiesen sind, lieb sein, wenn ich die Wörter und Redensarten, die in dem Buche von Horn fehlen, nicht selten aus sachlichen Gründen fehlen müssen, durch einen demWorte zugefügten * besonders kennzeichne, und wenn ich außerdem — zur Charakterisierung verwandter Bildungen und vor allem auch, um in knapper Form Licht auf den Schöpfungsvorgang zu werfen, unter dem ein Wort oder eine Wortbedeutung zustande kam —, auf gewisse ä l t e r e , bei Horn verzeichnete Ausdrücke verweise. Ich werde das letztere in möglichst kurz gehaltenen Fußnoten besorgen. Und damit lade ich denn zu einer kurzen Umschau innerhalb der Soldatensprache des heutigen Krieges ein, die nicht nur Wissen verbreiten und den Blick für die Erscheinungen dieser Sondersprache schärfen will, die auch häufig wie ein Rundgang durch die auffrischende Anmut des Lust- und Lästergartens der Satire und des Humors sich anlassen wird, zweier Kunstgebiete, auf denen wir Deutsche immer besonders groß, in mancher Hinsicht größer gewesen sind, als die anderen Völker. Ich möchte betonen, daß es sich bei den folgenden Beispielen nur um eine Auslese und keineswegs um eine erschöpfende Berücksichtigung aller im soldatensprachlichen Wortschatz Ausdruck findenden Begriffe handelt, um eine Auslese allerdings, die, so sehr sie aufs geratewohl herausgegriffen ist, die Eigenart dieser Standessprache zu erkennen erlaubt, und altes, traditionelles wie während des Krieges14 entstandenes Wortgut verzeichnet 1B.
II.
Kostproben aus der deutschen Soldatensprache Tori heute. 1. Militär, Truppenteile, Grade, Formationen.
Der Begriff Militär, Heerwesen wird bei bayrischen Truppen mit dem Namen Barras16 bezeichnet, häufiger ist Kommiß17 zu finden. Namen von Truppenteilen und Truppengattungen gibt es eine reiche Fülle, gute alte, wie neu entstandene z . B . : *Ari18 (weiblich) = Artillerie (sächs.); *JBumseri9, * Fußer, Fußpumperer20 = Soldat der schweren Artillerie (bayr.); ^Feldhase21 = Feldartillcrie (bayr.); Pulverlcopf22 = Artillerist schlechthin (nordd.); dö Schicarn23, „die Schweren" = feindliche schwere Artillerie (bayr.); *Flachbahnsepp = feindliche leichte Artillerie (bayr.); *JBumbatschhengst24 = franz. Artillerist (sächs.); *Stinlcstiefel = Fahrer der Artillerie (Württemberg.). Hannes26 = bayr. Infanterist, schließlich Gemeiner überhaupt (bayr.)-, * Muschkote'16 — Infanterist (preuß.), dazu Lanzer, Landser27 = sächs. Armeeangehöriger (sächs.); Sandhase2S, *SchnicJcel2S — Infanterist (bayr.); *Schweißfußindianer = Infanterist (Schelte der preuß. Gardekavallerieregimenter für ihre Kameraden zu Fuß); *Dreckigeli9 = Infanterist im Stellungskriege (allgemein, Selbstbezeichnung der Schützengrabenleute)-, Maulwurf30 = dasselbe (wohl allgemein); *Frontsau = Schützen-
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grabensoldat (allgemein, zunächst von Infanteristen, schließlich von Frontsoldaten überhaupt); * Trauerknabe31 = Infanterist (von der Artillerie ausgehende Benennung); * Jugendwehr = schlappe Infanterie (allg.); *Mädchenjüger32 = Angehöriger des 1. bayr. Inf.-Regts.; *Mauleselregiment33 = Angehöriger des 2. bayr. Inf.-Regts. (letztere beide bayr.); *Heufresser34 = „Leiber", d. h. Angehöriger des bayr. Inf.-Leib-Regts. (bayr.). Stiefelscheißer35 = Kavallerist (bayr.); * Mistbauer = mit der Feldbestellung betrauter Chevauleger (Schelte der bayr. Infanterie); Kolonne Brrr36 = Train (nordd., wohl viel weiter verbreitet); *Mistkutscher = Trainsoldat (wohl allg.); Trainbauer37 = Trainsoldat (bayr.); *illisthafcen — Trainfahrer (preuß.); *Henkel, *Bagagehenkel, *Pferdehenlcel = Leute, bei der Bagage (als Pferdewärter usf.) beschäftigt (bayr.). *Schivere Infanterie38 = Maschinengewehrabteilung (bayr.); *Mordgesellenklub = Maschinengewehrkompagnie [Abkürzung: M. G. K.] (märk. Truppen); *Mutter gotteskinder, *Muttergotteskinderkompanie = Maschinengewehrkompagnie [M. G. K.] (bayr.); * Stinker — Gaspionier (sächs.); * Zappelfritze = Radfahrersoldat (nordd.; als * Speichensalat bezeichnet der sächs. Soldat — Speechensalat — die zertrümmerten Räder einer Radfahrerkompagnie); *Armierungsindianer = Schipper, Armierungssoldat (preuß.); *Aluminiumsoldat39 = Armierungssoldat (nordd.); Bleisoldat40 = Schipper (beim 12. bayr. Inf.Regt.; wie weit sonst verbreitet?); *Tiefbcmingenieur — Armierungssoldat (preuß.); Blindgänger" = dasselbe (sächs. Regimenter); Maulwürfe4,2 = Mineure (sächs.); * Strippenjunge = Telephonist (sächs.); Grünspecht43 — Feldgendarm (allg.).
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Soldaten in besonderer Funktion: Federn fuchser— Bürosoldat (bayr.); *Mops, Spielmops46 = Spielmann, Musiker (bayr.); *Blechhengstis = Musiker (preuß.); Bataülonsknüttel" = Tambour (sächs.); *Klöppeljungs (Mehrzahl) = Trommler (Köln. Truppen); *IIufkarl = Fahnenschmied (sächs.); * Seifenschaum, mundartlich *Seefenschaum = Barbier bei der Batterie (sächs.). Für die Grade vom Rekruten bis zum General hinauf besitzt auch der Feldzugssoldat von heute eine ganze Anzahl besonderer Bezeichnungen, die zum Teil von früheren Jahrgängen übernommenes, zum anderen Teil während des Krieges gefundenes Wortgut darstellen. Lassen wir einige aus den Gemeinen und Chargen in der soldatensprachlichen Maskierung Revue passieren. Wir lernen dabei z. B. folgende Benennungen kennen: RuM43 = Rekrut (bayr.); KadetteiS = Schelte für einen dummen und schwächlichen, sich überdies wenig Mühe gebenden Rekruten (sächs.; nur bei Unteroffizieren); Hammel60 = Rekrut (sächs.); *Sommerrehrutil = nur kurze Zeit ausgebildeter Rekrut (in bayr. Artilleristenkreisen); *Ersatzharpfen6i = Ersatzreservist (sächs.); *alter Knochen — Soldat im zweiten Dienstjahr (sächs.); *alte Herren = Soldaten des zweiten Jahrgangs (sächs.); *Kopperer63 — alter, gedienter Feldsoldat, der alle Befehle bekrittelt und tadelnd ableuchtet (bayr.); *Frontochse = zur Front kommandierter Soldat (sächs.); *Frontbulle = dasselbe (sächs.); *Frontsau — Feldzugssoldat an der Front (allg.; s. oben die engere Bedeutung „Infanterist"); *Fronischwein64, = dasselbe (allg.; s. oben S. 12); *Etappensau, ^Etappenschwein = in der Etappe verwendeter Soldat; Blindgänger66 — Leute mit ungefährlichem Posten hinter der Front (hess.); *Fernkämpfer = hinter
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der Front beschäftigter Abkommandierter; *Brückegickel = Wachposten, auf einer Brücke postiert (Frankfurter Landsturm); * Mordversuch = Patrouille (von einem Gewährsmann gehört aus dem Munde eines niederbayr. Pioniers); Gefechtsesel68 — Gefechtsordonnanz (sächs.); Wichser67 = Offiziersbursche (bayr.); * Wichsdeckel — dasselbe (bayr.); *Kaffeeweib68 = Offiziersbursche (Württemberg.) ; Schwamm69 = abfällige Benennung für einen Kommandierten oder einen Soldaten, der nicht mit zum Dienst ausrücken muß (sächs.); *Speele = Gesamtheit der Kommandierten einer Kompagnie (sächs.; besonders von Mannschaften des zweiten Jahrgangs gebraucht); Blindgänger 60 = Soldat, der nie ins Feld kam (bayr.); *Bagagebruder — schlapper Soldat (allgemein); *Leimrute — schmutziger Soldat, der nichts auf sich hält (sächs.); *Kriegsmutivittige61 = Kriegsfreiwillige (nordd.); Blindgänger62 = überzähliger Gefreiter (nordd.). *Chimborasso = Feldwebel (westd.); Kreuzbauer63 — Feldwebel (bayr.); Latte™, *Lattenfritze = Feldwebel (sächs.); *Schlumpes = Feldwebel (bayr.); *Zapf — dasselbe (bayr.); *Feldmarschalleutnant = Feldwebel (bei bayr. Offizieren); *Freilaufvize = Yizefeldwebel der Reserve und Offiziersaspirant (bayr.); * Offizier sstiefeltreter oder *Stiefeltreter — Offiziersstellvertreter (bayr.; angeblich 1916 entstanden); *Stellmacher = Offiziersstellvertreter (sächs.); *Portierjunge86 = Offiziersstellvertreter (satirisch; bei nordd. Truppen); *Fakir = Feldwebelleutnant (weil er immer mit dem Messer ißt und sich doch nicht schneidet; bei bayr. Offizieren); *Haber(n)fähnrich66 = Beamtenstellvertreter beim Proviantamt; Mehlwurm67 = Proviantmeister (nordd.); Bubi, bayr. = mundartlich Bua, Junge, Jüngling, alle 68 = Fähnrich
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(bayr. bezw. preuß.); Kavalier™ = Offizier (bayr.); * Galoppleutnant = junger, zu rasch beförderter Leutnant (bayr.); * Gasbock — mit der Wahrnehmung von Gasangriffen beauftragter Offizier, sogen. Gasoffizier (Wortspiel mit Geisbock bei Truppen, die Frankfurter Mundart sprechen); ^Etappenschwein70, besonders derb *Etappensau = in der Etappe verwendeter Offizier (s. die Verwendung des nämlichen Wortes für den Etappensoldaten); *Komödiant — Bahnhofs- oder Etappenkommandant (bayr.); * Metzger = General (bayr.); *d' Saut voll Fleh — Generalität („die Haut voll Flöh kommt" = die Generalität kommt; als ziemlich allgemein gemeldet; Umbildung von Haute vol.ee, ziemlich rasch zu sprechen); Blechschmiede71 = Bataillonsstab (preuß.); *BataiUmsbritte=Bataillons-Beobachtungsoffizier der Fußartillerie (bayr.); *Kreuzfahrer — Charge, die sich nach Möglichkeit bei den Ersatztruppenteilen der Heimat herumdrückt und nur ins Feld rückt einer Auszeichnung wegen, nach deren Erhalt sie aber schleunigst wieder felddienstuntauglich wird (bayr.; „Graidsfara"); Kreuzober 72 = Vorgesetzter; bei Telephonwarnungen zur Bekanntgabe der Anwesenheit eines Vorgesetzten (bayr.); *Alloh oder *Alloho = 1. mißliebigerVorgesetzter; 2. Kamerad, in diesem Falle auch als Kosung (vgl. Scheusal in ähnlicher Verwendung) möglich (Abkürzung aus Arschloch: „A + loh"; wie weit verbreitet?); *Krachmächer = lauter Vorgesetzter (Frankfurter Truppen); *der innere Feind — Vorgesetzter; deren Gesamtheit; auch = Läuse bezw. Mäuse und Ratten (beide sind eben „drinnen", im Gewand usw.) (bayr.). Zu den Unteroffizieren und Offizieren gesellt sieb der Feldgeistliche, der als *Bibelhusar (besonders west-
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fälisch), als *Paradieshäscher (bei den Pommern usf.) und in ähnlichen Vermummungen auftritt. Gewisse Regimenter, Batterien, Bataillone, sonstige Truppenabteilungen, ja ganze Divisionen erhalten häufig eine spezielle Benennung nach den Aufgaben, die ihnen zugewiesen, nach den Kriegsschicksalen, die ihnen beschieden gewesen sind. So begegnet * Himmel fahrt sregimeiit = Regiment der fliegenden Division (sächs.; Benennung nach der Verwendung als Sturmtruppe); *Brückenschorsch, *Brückengorch = Batterie, die nur auf Brücken schießt (bayr.; im Munde altbayr., oberpfälzischer [-schorsch!] und fränkischer [ - g o r c h l j Soldaten); *Speck = Name für die in der Etappe befindlichen Truppen, die nie oder nur für kurze Zeit in den Graben kommen (nordd.) oder *Etappe — Besatzung der zweiten und dritten Linie, zum Ausdruck des Gegensatzes zu den weit vorgeschobenen Teilen (bayr.). Eine bayrische Reservedivision hieß scherzhaft *Sandsackeldivision, da in Flandern, wo sie tätig war, mehr als anderswo mit Sandsäcken gearbeitet wurde. 2. Übernamen für den Feind und die Verbündeten.
Auch nach dieser Richtung ist die Soldatensprache nicht arm an Benennungen und nicht verlegen um Bezeichnungen, die natürlich zunächst nur einer ganz bestimmten Situation angepaßt und damit — wenigstens vorerst — auf einen mehr oder minder begrenzten Kreis beschränkt sind. Manche dieser Übernamen sind aber aus der Sphäre des okkasionellen Gebrauches herausgewachsen und sind usuell, d. h. in den allgemeinen Sprachgebrauch des Soldaten übernommene Wortgebilde geworden. Man vergleiche zum Beispiel; Markus1 *=Feind, wirklicher Gegner (bayr.); *FraneM a u f i e r , Deutsche Soldatensprache.
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kübd™ = Franzose (bayr.); *Mussiö oder * Mussie = Franzose (bayr.); *Nase — Franzose (sächs.; speziell für die Westfront bezeugt); *Oioia76 (Hauptakzent auf 0) = Franzose (bayr.); Schangel78 = Franzose (schles., braunechweig.); *TidemöH71 — Franzose (bayr.): dürfte in der Fassung *Ttdemöng weiter verbreitet sein, namentlich bei mittel- und norddeutschen Kontingenten). Ins Gebiet der in ihrer Geltung örtlich beschränkten Benennungen gehört *Kanaler = „Franzose, den Deutschen am AisneMarne-Kanal gegenüberliegend", vielleicht auch die für norddeutsche Truppen als allgemein mitgeteilte Benennung *Knaümaxe. Man vergleiche zu diesen den französischen Gegner überhaupt bezeichnenden Namen jene Benennungen, die, wie die oben S. 12 angegeführten Flachbahnsepp = feindliche leichte Artillerie, Bumbatschhengst = franz. Artillerist, eine Spezialtruppe des Gegners oder deren Angehörige betreffen. Hierher fiele, um noch ein derartiges Beispiel zu geben, auch *PinkaneIli78 = feindlicher, besonders französischer Scharfschütze (beim 26. preuß. Inf.-Regt.) oder *Baumaffe = auf einem Baum postierter feindlicher Schütze (bayr. und sonst weit verbreitet) oder *Dachdecker''* = feindliche Maschinengewehrtruppen (nordd.; es heißt zum Beispiel häufig: „Die Dachdecker sind wieder an der Arbeit"). Feindliche Scharfschützen heißen beim deutschen Alpenkorps *August, Franzi, * Gustav*0. Die Württemberger erscheinen, wie schon im Jahre 1870/71 so auch heute noch, als die Würschidberger61. Neu, d. h. wenigstens bei Horn ungebucht, sind *Schani81 (bayr.), *Nad, *Kakanazi, *Kujenäre (alle märkisch bzw. berlinisch) = Österreicher und *Schmalzbüchsen** = Preußen (bei bayr. Truppen).
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Das Verzeichnis dieser Übernamen für den Feind und für den Verbündeten läßt sich zweifellos bei systematischem Sammeln noch sehr stark bereichern. 8. Geschütze, Batterien, Geschosse, Munition.
Schon der Landsknecht hat die Geschütze, mit denen er intim geworden ist, mögen es nun die selbstbedienten, mögen es die feindlichen sein, benannt, und zwar entweder mit Personennamen, als wären es lebende Wesen, ein Er oder eine Sie, oder mit Tiernamen oder mit deutlich lautmalenden Bezeichnungen. Diese Sitte ist lebendig geblieben bis auf den heutigen Tag, lebendig blieb auch das soeben in den hauptsächlichsten Punkten charakterisierte Prinzip der Namengebung. Es gäbe — nebenbei gesagt — eine trotz der mancherlei Vorarbeiten durch Jähns, Horn u. a. im philologischen und kulturhistorischen Sinne immer noch lohnende Untersuchung, einmal alle Namen für Geschütze, Gewehre und Maschinengewehre von Beginn der Feuertechnik bis heute streng systematisch zu sammeln und sie auf die Ursachen der Benennung zu untersuchen. Man würde dabei höchstwahrscheinlich den Satz durch eine breite Beispielsreihe belegen können, daß ein und dieselben oder verwandte — optische, akustische und rein gefühlsmäßige — Eindrücke, die durch das Medium eines und desselben Objektes, hier des Geschützes usf., zustande kommen, immer sprachliche Gebilde produzieren, die auch nach ein und demselben Prinzip erzeugt sind: im 15. und 16. Jahrhundert nicht anders wie im Weltkrieg von heute. Ich führe aus der Fülle von Geschütznamen, die gegenwärtig unter unseren Truppen gang und gäbe sind, otwa folgende an:
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*Höllerbachs, *Hollerbüchsen = leichtes Feldgeschütz (rheinpfälz., bezw. bei Truppen aus der Oberpfalz und aus Mittelfranken); *Hötterspritze*i= leichtes Feldgeschütz (Truppen aus der Oberpfalz, aus Mittelfranken); * Wurstspritze = leichtes Geschütz (bayr.; besonders bei Mannschaften schwerer Batterien gebraucht); * Kraxen (weibl.) = Feldgeschütz (Truppen aus der Oberpfalz, aus Mittelfranken); sanfter Heinrich86 = leichtes Geschütz (bayr.); * Tschin, *Tschimbumet = leichtes Geschütz (bayr.); * Leichenwagen = ganz schweres Geschütz (preuß.); *wildc Marie87 = schwerkalibriges Geschütz (bayr.); *der lange Max = 15 cm-Geschütz, *der liebe Fritz = 21 cm-Geschütz, *der schöne Georg = 21 cm-Geschütz, *die dicke Betia" = 42 cm-Geschütz (alle vier wohl ziemlich allgemein verbreitet); *Auerhahn8* = russisches Geschütz (bayr.; leider hat der Einsender nicht angegeben, ob der Name auf irgendein Kaliber spezialisiert ist); *Bulldogge90 = Haubitze, Mörser (Truppen aus der Rheinpfalz); *Maruschka = russ. Geschütz (bayr.); *Fliegersepp, mundartl. *Fliagasepp = Abwehrgeschütz gegen Flugzeuge, auch dessen Bedienungsmannschaft, namentlich der befehlshabende Offizier oder Unteroffizier (bayr.); *Blechmarietl = franz. Langrohrgeschütz, dessen Abschuß blechern klingt (bayr.); *Flankenmarie = flankierendes feindliches Geschütz (bayr.); * Lausbubengeschütz oder *Lausbubenkanone **, mundartl. *Lausbuamkschitz, *Lausbuamkanona — franz. 3,5 cm-Geschütz, in den Schützengraben eingebaut (bayr.); *Revdversepplt> = franz. Schützengraben-Revolverkanone, die als eine Art Spielzeug betrachtet wird (bayr.). Eine an die jeweilige Situation gebundene und daher in der Verbreitung beschränkte Benennung ist *ScMeusensepp = franz. Geschütz, in einer Schleuse ein-
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gebaut (bayr.). Man beachte die Vorliebe gerade bayrischer Kontingente für die Verwendung der außerordentlich beliebten Rufnamen Sepp und Marie zur Geschützbenennung. Bei den Truppen, denen das .Schleusensepp' getaufte französische Geschütz gegenüberstand, war eine häufige, den Beginn der Tätigkeit der feindlichen Kanone ankündigende Redensart: „Da Schlaisensepp jodlt wida" = der Schleusensepp jodelt wieder. Eine ungewöhnlich große Zahl von Benennungen gilt dem franz. 7,5 cmGeschütz, z. B.: *Feldhase (bayr.), *Flachbahnsepp (bayr.), *Kopfabreißer (bayr. 17. Inf.-Regt.), *Batschbum*i (bayr.), *Ratschbumtara94 (bayr.), *Tschinbumgeschütz (ba,jr.),*BumratscManone (bayr. und weiter verbreitet), *Schibum oder *Tschinlumm, *Tschibum (bayr. und weiter verbreitet), * Wauivau (vom hundegebellartigen Eindruck hergenommen; bayr.). Alle diese Namen sind auf die technische Eigenart des Geschützes zurückzuführen, die das Geräusch des Abschusses und der Explosion fast zu gleicher Zeit vernehmen läßt. Seltener als die Benennung einzelner Geschütze scheint die Benennung ganzer Batterien und der artilleristischen, aber auch infanteristischen Munition zu sein, während ja die Benennung der einzelnen Geschoßarten alt ist. So begegnet im Westen einmal der Name *Adolf für eine Batterie, vor allem für die Gesamtzahl der Geschütze des Batterieverbandes; manche Truppen nennen ihre Munition *Berta oder *Emü oder * Isidor*6. Aus den Geschoßnamen seien nachstehende verzeichnet: *Itoäwagen, *Rollicagerl = schwere Granaten (allg.; das Verkleinerungswort bayrisch); *Frachtwagen'9 = schweres Artilleriegeschoß (Märker); schwarzer Mannn = schweres Artilleriegeschoß (Märker); *Zuckerhut**,
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Mehlsack99 = großkalibriges Artilleriegeschoß (ober-, niederbayr.); *große Babdcher100 = großkalibrige Granaten (sächs.); Halsabschneider101 = leichte Feldartilleriegeschosse, die den ersten feindlichen Graben beschießen und als Flachbahngeschosse hart über den Graben sausen, so daß sie den Hals mitzunehmen scheinen; *Schnellficker — Flachbahngeschosse, bei denen Abschuß- und Explosionsgeräusch zusammenfallen (sächs.); *Patscherl, mundartl. *Batschal = franz. 7,5 cm - Geschosse, die nur wenig knallen, nur leicht einpatschen (daher die Benennung; bayr. ziemlich allgemein); *Bumpatsch, auch *Bumbatsch = franz. Flachbahngeschoß, besonders Kaliber 7,5 cm (sächs., nordd.); * KnallkutscherIM = franz. Flachbahngeschoß (sächs.); ^Blindschleiche108 = Artilleriegeschoß, dessen Kommen man nicht hört (bayr.); *Raischer = franz., durch seine Splitterwirkung gefürchtetes Brisanzgeschoß (bayr.); *Uuu-la-Uuu10i (weibl.!) = die mit heulendem Gezische ankommende franz. schwere Steilfeuergranate (bayr.; wie weit sonst verbreitet?); *gelbe Minna , 0 6 = Schwefelgranate (sächs.); * Flaschenpost (bayr.), *Liebesgabe (meist in der Mehrzahl gebraucht) = Granate Oberhaupt (letzteres wohl allgemein an der West-, Ostund Südfront). Hier mag auch die bayrische, etwas verächtliche Benennung für die Munitionsarbeiterin angeführt sein: *PulverfuchsI04, *PtdvermädelI4B, mundartlich *Büifafnks, *Baifamädl. 4. Gewihr, Maschinengewehr. Das Gewehr und das Maschinengewehr geben dem Soldaten natürlich ebenfalls häufig Anlaß zum Gebrauch argotmäßiger, verhüllender Ausdrücke. Daß dabei das Maschinengewehr eine größere Anzahl von Synonymen
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aufweist als das Handgewehr, liegt in der Natur jener modernen Spezialwaffe. Von den Ausdrücken für das Gewehr, die der Soldat im gegenwärtigen Kriege gebraucht, sind fast alle schon bei Horn verzeichnet: ein Zeichen dafür, daß diese Ausdrücke zum mehr oder minder unveräußerlichen Wortgut des Soldaten zählen. So hat sich denn der heutige Soldat seine Latte107 (ziemlich allgemein, besonders bayrisch), seinen Schießprügel 108 (bayr. und von da aus wohl weiter verbreitet), seine Knarre108 (preuß.), seine Spritze110 (sächs.) mit ins Feld genommen. Zu diesen Ausdrücken von guter alter Tradition gesellt sich ein neuer — wenigstens hat ihn Horn noch nicht gekannt —, nämlich die Benennung *Tante = Gewehr. Vielleicht ist bei dieser Benennung an jene Gewehrnamen und Redensarten anzuknüpfen, in denen das Gewehr als die Braut (s. u. Anm. 107) des Soldaten oder schlechthin als Soldatenbraut, als Liebste, als Liddi, Laura des Kriegers bezeichnet wird (vgl. Horn S. 75). Von der Benennung Braut bis zur Benennung Tante ist nur ein Schritt, der umso leichter getan werden kann, als gerade das Wort Tante auch sonst zur Verhüllung dient. Das Prinzip der Benennung durch einen Taufnamen — nur ist es ausnahmsweise kein weiblicher, sondern ein männlicher — liegt vor, wenn wir bei bayrischen Regimentern den Ausdruck *der verzweifelte Emil = „eingespanntes Gewehr, das ständig ein Ziel in bestimmten Pausen zu befeuern hat", treffen. Man vgl. dazu die Geschütznamen sanfter Heinrich, *lieber Fritz, *schöner Georg, *FUegersepp und die Verwendung der Namen * Adolf = „Gesamtzahl der Geschütze einer Batterie" sowie *Isidor und ganz besonders wiederum Emil = artilleristische oder infanteristische Munition.
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Auch an den *Schleusensepp — Geschütz, an einer Schleuse postiert" (S. 20 ff.), ist bei dieser Benennung, wenngleich mit Einschränkung, zu erinnern. Das Maschinengewehr erscheint als: * Baumaffe111, mundartlich *Bamaff (bayr.); *GaisbocJc (bayr. *Goasbög, fränk. *Gasbulc), speziell = franz. Maschinengewehr, nach dem unregelmäßigen, an ein Meckern erinnernden Geräusch beim Feuern; * Kettenhund (pfälz.); Kaffeemühle112 (nordd., speziell auch schleswigisch); *Nähmaschine113 (schleswigisch, märkisch); * Stotterbüchse114(bayr.; wiederum speziell=franz. Maschinengewehr); *TacJctacMac]c(a,uch üblich in der deutsch-franz. Verkehrssprache zwischen Truppen und Landeseinwohnern); Schuster115 (bedeutet auch den Maschinengewehrschützen; s. S. 38; s. o. [18] Dachdecker), sanfter Heinrich 116 (bayr.). Man sieht, daß beim Maschinengewehr ebenso wie beim Geschütz die Benennung sehr gerne vom gehörsmäßigen Eindruck ausgeht, der bei der Tätigkeit der Waffe entsteht. Denn mit Ausnahme des Namens *Baumaffe fallen alle bis jetzt genannten unter dieses Bildungsprinzip. Ich glaube auch den sanften Heinrich und zwar wegen des Beiwortes mit einbeziehen zu müssen. Im sanften Heinrich finden wir zugleich ein anderes Prinzip der Namenbildung, das ebenfalls von den Motiven der Geschützbenennung beeinflußt ist, nämlich die Benennung durch einen Personennamen. In diese Kategorie — allerdings in die der lokalbeschränkten, okkasionellen Bildungen — gehört ferner der *Steinbruchwastt eines bayrischen Regiments (mundartlich *Stoanbruchivastl) — in einem Steinbruch aufgestelltes, franz. Maschinengewehr. Man vgl. hierzu vor allem die Benennung * Schleusensepp = an einer Schleuse aufgestelltes Geschütz (s. oben S. 20 ff.). Vielleicht findet
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sich irgendwo Wastel (Verkleinerung von Sebastian, Bastian) allein im Sinne von Maschinengewehr? Vergleicht man die Benennungen für das Maschinengewehr mit den Benennungen der Geschütze, so ergibt sich schon heute folgendes kurz umschriebene Resultat: 1. das Prinzip der Benennung ist beim Maschinengewehr in wesentlichen Zügen (Schalleindruck, Verwendung von Personennamen) dasselbe wie beim Geschütz, 2. die Zahl der Geschütznamen ist eine wesentlich größere und wohl auch qualitativ reichere als die der Maschinengewehrnamen. Dieser größere Reichtum an Geschütznamen ist natürlich in der Eigenart der Waffe, technisch wie psychologisch, begründet. Das Prinzip der Benennung nach dem gehörsmässigen Eindruck, das bei den Geschützund Maschinengewehrnamen eine so deutliche Rolle spielt und das bei der Benennung des Gewehrs für eine oberflächliche Betrachtung ganz zu fehlen scheint, ist doch auch bei dieser Waffe, wenngleich selten, anzutreffen: die Benennungen Knarre (s. oben S. 23) und Knalle (Horn S. 65) fallen hierher, ebenso die recht deutliche Bezeichnung Kracheisen117 (Horn S. 65). 5. Minen, Handgranaten.
Zur Charakterisierung der Namengebung für diese Begriffe mögen folgende Beispiele genügen: *Kohlen/casten = Mine (bayr.); *Aschpott118 (Ascheneimer) = größere Mine (schlesw. Truppen); * Zigarrenmine — schwere Mine (bayr.); * Schusterschemel — Flügelmine (preuß.); *SchmierJcübel = Erdmörser (bayr.); Himmelsnülellä = kleine, englische und franz. Mine (preuß. Infanterie); * Puppchen — franz. Flügelmine (bayr.); *Maxl = große franz. Flügeimme (schwäb. Truppen; „der Maxi
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fliegt11). Vgl. ferner *Marmeladeneimer — Erdmösergesclioß (nordd.); *Marmeladewerk — Minenwerfervorrichtung, (bayr.; umgedeutet aus M. W. = Minenwerfer); sowie Markus120 = Geräusch einer feindlichen Mine (bayr.; *der Markus pickt = „man hört das Geräusch einer feindlichen Mine") und *Himmelfahrt121 = Sprengung (sächs.). Daß die Minen gleich den Artilleriegeschossen als *Liebesgaben — wohl allgemein — bezeichnet werden, wird nicht wundernehmen. Die Handgranate, ein Kampfmittel, das durch diesen Krieg ganz neubelebt wurde, erscheint z. B. als *Nürnberger Lebkuchen (bayr., angeblich 1916 im Westen entstanden; speziell = Diskushandgranate) ;*Osfera = Handgranate in Eiform (bayr.); * Wichsbürste (nordd.); * Kartoffelstampfer (bayr.; beide = Stielhandgranaten); * Knallbonbon (ziemlich allgemein). Demgemäß ist *Knallbonbons ziehen = Handgranaten werfen. Vergleicht man die Namen der Handgranaten und der Minen mit jenen der Geschütze und des Maschinengewehrs, so fällt vor allem das eine auf, daß sich scheinbar das Prinzip der Benennung nach dem Eindruck des Explosionsgeräusclies hier nicht findet, sondern daß die Benennung — und zwar zumeist in äußerst glücklicher Form — nach der Gestalt, somit nach dem optischen Eindruck, vorgenommen wird. Das Prinzip der Benennung durch einen Personennamen, also die Verpersönlichung des Objektes, die bei der Geschützund Maschinengewehrbenennung ebenfalls eine hervorragende Rolle spielt (dicke Berta, schöner Georg, Fliegersepp, wilde Marie, Maruschka usf.), ist im „Maxi" lebendig, zum Teil auch im „Puppchen".
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6. Unterstand, Sappe, sonstige örttlchkeiten.
Auch diese Begriffe haben eine ganze Terminologie gezeitigt. Man höre zum Beispiel: *Bau = Unterstand (sächs.); *Boßenlochli2 = dass. (bayr.; u. a. speziell von allgäuer Truppen gebraucht, z. B. a feins Boürüoch hob i = einen vortrefflichen Unterstand habe ich); Bums1" (männl.) = Unterstand (preuß.); * Laden (bayr.); *LausfaUe (bayr.; auch fränkisch, bayr. Provinz Mittelfranken); * Stall (sächs.) — Unterstand. Natürlich ist auch der militärsprachliche Terminus * Unterstand selbst soldatensprachlich geworden. Der Unterstand kann *brüsselhaft (mundartlich *brisslhaft) sein, d. h. äußerst üppig eingerichtet. *Ein brüsselhafter Unterstand — dialektisch *a brisslhafta Uniaschtand — ist ein mit allen möglichen Bequemlichkeiten versehener Unterstand. Die von bayrischen Soldaten gemeldete Bezeichnung geht von dem Umstand aus, daß Brüssel dem Soldaten als Hochburg des Lebensgenusses erscheint. Der bombensichere Unterstand (Gang, Schacht, Stollen) wird als *Hdctenkdler (bayr.), *Hddenröhre (nordd.) oder als *HeldenstdUen (sächs.) bezeichnet. Für die im Zickzack geführte Sappe begegnet bei bayr. Truppen z. B. die Bezeichnung * Wurstspritze. Zweifellos hat dieser außerordentlich wichtige Begriff noch eine Anzahl anderer Benennungen gefunden, in denen sich wie so häufig in der Soldatensprache die landschaftliche Herkunft der Truppen kenntlich macht, die sich ihrer bedienen. Von anderen für den Soldaten wichtigen örtlichkeiten, deren es natürlich besonders im Bereich der Kaserne eine große Menge aufzuzählen gäbe, — Örtlichkeiten, die zweifellos mehr oder minder alle ihre spezifisch soldatensprachliche Bezeichnung haben, wenn
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auch bei Horn S. 99 ff., S. 105 verhältnismäßig außerordentlich wenig1114 von derartigem Wortgut verzeichnet ist —, seien folgende, für das Feldleben wichtige, durch Beispiele vertreten. Man vgl. etwa: *iEstimanettl1,5 = Schenke (bayr.); * Kulturbude138 = Feldbibliothek (sporadischgebraucht, an der Westfront); * Intelligenzscheune m = Wohn- und Hörbarracke für den Offiziersausbildungskurs (bei einem bayr. Foldartillerieregiment üblich); *Stinkraurn = Abort, Latrine (bayr.); * Hochstand—Abort (bayr.). Der sächsische Soldat hat schon im Frieden seine Stube eine Grotte127 genannt, in der ihm ein Büdchen 188 d. i. ein Schrank zur Verfügung steht, der bayrische hat nach studentischem Muster von einer Bude1** gesprochen. Der Sachse sowohl wie der Bayer haben auch diese speziell auf Kasernenörtlichkeiten und deren Einrichtung bezüglichen Namen ins Feld zur heimatlichen Benennung des Quartiers mitgenommen. Ob dasselbe mit der bayrischen Benennung für den Schießplatz — Hgl. bayr. Schafscheißli0 — der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Eine systematische Abfragung aller Örtlichkeiten in Kaserne und Quartier würde sicherlich die wenigen Beispiele Horns und dieser vorliegenden Probe beträchtlich vermehren. 7. Uniformen, sonstige AiisrfistiingsgegenstAnde (außer Gewehr, Maschinengewehr, Geschflti). Der humoristische und satirische Charakter der Soldatensprache weist sich auch in der Benennung der Uniform und ihrer Teile, in der Namenfindung ferner fllr den Degen und alle nicht unter den Begriff der Schießausrüstung und der Mine fallenden Objekte der militärischen Tätigkeit in der alten erfreulichen Weise
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aus. Ich strebe auch hier wie in den Vorabschnitten keinerlei Vollständigkeit der Begriffe und der ihnen ent» sprechenden sprachlichen Gebilde an, sondern will nur ein zum eigenen Nachdenken und Beobachten und damit Nachtragen reizendes Kostprobenbild — meinetwegen kann man es impressionistisch heißen — versuchen. Da haben wir denn Wortgesellen wie die: *Speckdeckel = schmutzige Mütze (Sprache der sächs. Unteroffiziere); *Schmalz am Kragen1*1 = Unteroffizierstresse (bei Truppen aus Neustrelitz; wohl wesentlich weiter verbreitet); *Aschinger Krause188 — neu eingeführte weiß-blaue Eragenlitze der Bayern (angeblich nach den Schildern der Firma Aschinger in Berlin gebildet, zweifellos zunächst von preuß. Truppen ausgehend; die Litzen wurden eingeführt im Mai 1916); * Gefechtshaube = Helm (allgemein, vorab an der Westfront; besonders von sächs. Truppen mitgeteilt), *Gefechtshut1M = Helm (siehe die Bemerkung zum Vorwort); *Gokskübell>l = Helui (bayr.); Zylinder186 = Helm (bayr., wohl aber weiterverbreitet); *sich in den Zylinder stürzen = den Helm aufsetzen); Aff1Si, Muckel1,7 = Tornister — bayr.; auch sie gehören zu jenen guten alten Wörtern, ohne die der Soldat nicht ins Feld zieht —; *Etappenschwett=Offiziersdegen; Latte "'=Degen (sächs.; wie „Muckel" und „Affe" wiederum ein Wort von alter Tradition, von dem der Soldat auch im Felde nicht läßt); *Feldstecher = langes Messer (bayr.); *Kummet"* bezw. *Kummt1,8 = Koppel mit allem Drum und Dran (sächs.; *das Kummt ummachen = die Koppel mit allem Drum und Dran umbinden); Brigadeschlüssel1™ = der schwere, nicht angenehm zu tragende Kreuzhaken, die Beilpicke,
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(bayr.); Eisernes Krems1*1 = kleiner Pickel der Infanterie, o f t strafweise zum Tragen verordnet (bayr.); *Batteriebritte = Scherenfernrohr (nordd.); *Blechkamerad = B r u s t scheibe zum Aufstecken (sächs.; wie weit sonst verbreitet ?); *Sauschwand142 = eiserner Hindernispfahl mit pfropfenzieherartigem, an ein geringeltes Sauschwänzlein erinnerndem Ende, das in den Boden geschraubt wird (bayr.); * Plapperkasten, *Plapperkastl = Telephon (bayr.); * Strippe, * Quasselstrippe = dasselbe nordd.; Hurraknüppel143 = F a h n e (preuß.) ; * Hundemarke144 = Erkennungsmarke (wohl ziemlich allgemein); Totenschein145 = dasselbe (bayr.; wohl weiter verbreitet); Markau 14ü = m a r k i e r t e r Gegner (bayr.; ein W o r t , dessen Bedeutung in diesem Kriege zweifache Ausdehnung erfahren h a t ) ; *Alcldamator 147 = Akkumulator (bayr.), eine Bildung, die Umformungen wie *Kommödiant = Kommandant, * Komik — Kommiß zu vergleichen i s t ; * Armeefett148 = Stiefelschmiere, Stiefelwichse (bayr.; wohl weiter verbreitet). Um h a r t e Stiefel weich zu kriegen, h a t der Soldat eine Behandlungsweise, die an den menschenkurierenden Dr. Eisenbart erinnert: er h a u t mit einem Prügel auf das Leder los, um dieses so zu erweichen und heißt dieses Verfahren *den Stiefeln Armeefett geben (von bayrischen Truppen gemeldet). 8. Luftballon, Luftschiffahrt, Flieger. Als Horn sein Buch „Die deutsche Soldatensprache" erscheinen ließ (1899 bezw. 1905), war das militärische Ballon- und g a r das Luftschiffwesen noch wenig entwickelt. Der einzige Begriff aus diesem Gebiet, den Horn a n f ü h r t und mit Synonymen belegt, ist der L u f t ballon, speziell der von Parsifal-Siegfeldsche Luftballon.
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Er wurde damals in Straßburg — Horn gibt nicht an, bei welchen Truppenteilen — Himmdsnüle genannt, in Berlin Jungferntrost. Mittlerweile hat die Verwendung des Ballons, der Luftschiffahrt und der Fliegerkunst einen ungeahnten Umfang angenommen. Als Folge davon hat sich nicht nur eine erhebliche Anzahl von Namen für den Fesselballon gebildet, es hat sich direkt eine Terminologie der Luftschiffahrt und des Fliegerwesens entwickelt, die vollständig zu sammeln und darzustellen eine reizvolle Aufgabe der Gegenwart ist. So wird zum Beispiel der Fesselballon genannt: * Gasblase, mundartl. *GasUäsn (bayr.; nicht ungerne ärgerlich gebraucht, und zwar sowohl für den eigenen wie fiir den feindlichen Ballon); WurstU9, * Blutwurst, *Himmelswurst (alle drei sächs.); *Divisionswurst (bayr.; daraus ist zu schließen, daß auch Wurst bei den bayrischen Kontingenten für den Ballon gebraucht wird, was ja bei der Gestalt dieses Beobachtungsmittels und bei der Vorliebe des Bayern für die Wurst als Metzgereierzeugnis nicht verwundert: — übrigens hat auch der sächsische Soldat seine *Divisionswurst l); *HimmelsnÜüe160 (von mir vorzugsweise bei mitteldeutschen Kontingenten getroffen; vgl. die eben gemachte Bemerkung zu Horn, S. 72); *Landsturmnitteltl (sächs.; eine Bildung von phänomenaler Boshaftigkeit und rücksichtslosem Witz, wenn man die eigentliche Bedeutung von Nille in Betracht zieht); *Korpsauge, mundartl. *Körooche (sächs.). Es würde mich wundern, wenn die von Horn erwähnte Benennung Jungferntröster heute fehlen würde. Wie man auf den ersten Blick sieht, sind alle diese Bezeichnungen von der Form des Fesselballons bestimmt, die vom Soldaten zu irgendwelchen, seinem Denken und
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seinem Witz naheliegenden Dingen in Beziehung gesetzt werden. Das „Korpsooche" des hellen Sachsen zählt dabei nicht zu den schlechtesten Prägungen soldatischen Witzes. Aus der Terminologie162 der Luftschiffahrt und des Flugwesens seien nur folgende Ausdrücke zur Probe alles dessen hergesetzt, was durch eine systematische Sammlung dieser besonderen Abart der Soldatensprache der Wissenschaft zu Nutz und Frommen, der Allgemeinheit zum Genuß zu erwarten steht: Kahn = Luftschiff; *kleiner Affe, mundartl. *Uoana Äff = kleines franz. Begleitflugzeug zu einem großen Doppeldecker (bayr.); * Purzeltaube (gleichbedeutend mit *kleiner Affe) — kleines franz., sehr rasch und gewandt fliegendes, namentlich zu Begleitzwecken verwendetes Flugzeug (bayr.; natürlich Weiterbildung von dem offiziell militärsprachlichen Ausdruck Taube, Rumplertaube; auch in der franz. Soldatensprache heißt tob [ = deutsch T a u b e ] das deutsche Flugzeug); *Bombenlteinrich = bombenwerfendes Flugzeug 168 (sächs.); * Luftlude (allgem., mir besonders aus Sachsen mitgeteilt), *Franz,6i = Beobachter eines Flugzeuges; *Emil (auch *Heinrich und *Karl) = dessen Führer (beide scheinbar ziemlich allgemein); sich * verfranzen = sich verfliegen (fliegersprachlich allgemein); abschmieren = abstürzen (fliegersprachlich allgemein); *Kleinholz machen bezw. *Bruch machen = das Flugzeug durch Absturz zertrümmern (allgemeiner Fliegerausdruck); *Kiste restlos verbraucht = Flugzeug völlig zertrümmert (bei den Fliegern wiederum allgemein); *Kiste = Flugzeug (wie Kahn allgemeiner Bestandteil der Luftschiffersprache); Stall = Luftschiffhalle (bei den Fliegern und Luftschiffern wiederum allgemein, natürlich von der Kavallerie entlehnt).
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9. Schießen, beschossen werden, Bomben werfen, artilleristische Schnßwlrkonf.
Man macht der Soldatensprache manchmal den Vorwurf einer gewissen Armut an Zeitwörtern. Ob dieser Vorwurf zu Recht besteht, scheint mir sehr zweifelhaft. Horn hat rund 2400 Wörter behandelt, wovon an 300 Verba sind. Daraus ergäbe sich ein Verhältnis der Zeitwörter zu den übrigen Wörtern von — rund — 1 : 8 . Wenn ich das Verhältnis der Verba zu den übrigen Wörtern an einigermaßen für eine solche Berechnung überhaupt passenden Einsendungen der Sammler der Wöi-terbuchkommis8ion der Münchner Akademie der Wissenschaften feststelle, so ergeben sich je nachdem die Verhältnisziffern 1 : 5 , 1 : 3,5, 1 : 9 , 1 : 2 , 1: 6, 1 : 4. Mit allen derartigen Verhältniszahlen läßt sich im Augenblick sehr wenig anfangen, wenn auch einige davon der aus Horn gewinnbaren Verhältnisziffer nahestehen. Es läßt sich deshalb nicht viel damit anfangen, weil es ja bis jetzt — und das trifft auch bis zu einem gewissen Grade für Horn zu — an einer systematischen Abfragung und Einsammlung des soldatischen Wortschatzes gefehlt hat. Man könnte nur dann von einer systematischen Abfragung dieses Wortmaterials reden und man wäre nur dann befugt, der Soldatensprache endgültig eine absolute Armut an Zeitwörtern gutzuschreiben, wenn der soldatensprachliche Wortschatz etwa von irgend jemand nach dem System des Bayrisch-Österreichischen Wörterbuches einzusammeln versucht worden wäre, und wenn man auf grund einer so entstandenen Sammlung EU einem solchen Urteil käme. Denn wohl durch kein anderes Sammelsystem als das erwähnte, das nach dem dankenswerten Muster der französischen Schweiz überM » n f l e r , Deutsche Soldatenspiache.
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nommen und weiter ausgebildet worden ist, wird eine vollständige Erhebung des Wortvorrates irgendeiner Spracheinheit gewährleistet. Zu einem endgültigen Schluß im Sinne der Feststellung einer Armut der Soldatensprache an Verben sind wir unter den heutigen Umständen nicht berechtigt. Es gibt sogar Begriffssphären des militärischen Lebens, innerhalb deren die Zeitwörter fast zahlreicher zu sein scheinen als die übrigen Wörter. Das wird sich gerade bei den Beispielen zeigen, die ich im weiteren für die in der Titelüberschrift verzeichneten Begriffe gebe: *funken186 = schießen von der Artillerie (sächs. und spezifisch nordd.); dazu: *herüberfunlcen und *hereinfunken; *beaasen = Artilleriefeuer geben (preuß., auch bei bayr. Kontingenten zu treffen); *behacken = Artilleriefeuer geben (bayr., häufiger preuß.); *anspucken = mit Artillerie beschießen (bayr.; z. B. de harn uns hai"t scha" bes cfgspucU = die haben uns heute schon böse angespuckt, d. h. heftig beschossen); *herspeien, *herspucken, *herseifen, *hersalzen = schießen, von Seite der feindlichen Artillerie (die haben hergespieen, her gesalzt! usf.); *hereinwichsen, *hereinfetzen, *hereinrätichern, *herein]ndvem, *hereinpfeffern, *hereinsaUen, *hereinschleudern, *hereinfeüen, *hereinhauen (zumeist zur Bezeichnung lebhaften feindlichen Artilleriefeuers; auch in unpersönlicher Wendungmöglich: es haut herein)] *her-, *herüberfetzen, -jagen, 'knallen, -pfeifen, -putzen, -schicken,-schmeißen{w\eA&Tum zur Bezeichnung feindlichen Artilleriefeuers); *hersäzen oder *hereinsetzen (nämlich „Granaten" usf.; von feindlichem Artilleriefeuer, besonders bei genauem Treffen, gebraucht). Natürlich können alle diese Zeitwörter auch vom Feuern der eigenen Artillerie in der Richtung auf den
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sind: *anfauchen, *anbruinmen u. ä. Die offiziellen Ausdrücke *draufzünden, *drauffeuern, * drauf st reuen (nämlich Geschosse auf irgend ein Ziel), * Feuer hinlegen, *Feuer herlegen = „ein Ziel mit Geschossen belegen" und andere sind ebenfalls in die eigentliche Soldatensprache mehr oder minder übergegangen, wie wir denn des öfteren konstatieren können, daß etwas aus dem Wortschatz der militärischen Terminologie in die Soldatensprache im eigentlichen, argotmäßigen Sinne übernommen ist. Die Zeitwörter für den Begriff „Artilleriefeuer geben", „Artilleriefeuer erhalten", zum Teil auch „Infanteriefeuer geben, erhalten", die ich hier in aller Kürze vorgeführt habe, sind der Wörterbuchkommission von einem bayrischen Artilleriefeldwebel mitgeteilt worden. Andere Einsendungen bestätigen ihren Gebrauch. Sie sind zum Teil nur bei bayrischen Kontingenten üblich, zum Teil allgemein soldatensprachlich, zum Teil auf den Norden beschränkt. Man wird nicht in Abrede stellen können, daß es keine geringe Anzahl von Verben ist, die ich hier vorüberziehen ließ. Allein die Zahl der Wörter für die Begriffe „Geschützfeuer geben", „Geschützfeuer bekommen" oder überhaupt „schießen, beschossen werden" ist damit noch lange nicht erschöpft. Man vergleiche zum Beispiel ferner: *baleen = schießen von einem Geschütz (bayr.; speziell von dem Auerhahn benannten Geschütz; s. oben S. 20); *ein Paar herlassen = ein Paar Granaten abfeuern (bayr.); *dem Feind Saures geben = ihm Artilleriefeuer zuschicken (hess.); *ktiobeln = schießen, von der eigenen Artillerie (bayr., speziell beim 13. Inf.-Rgt.: nach einem Major namens Knobel, der sehr viel mit Erfolg feuern ließ, wenn er selbst Bewegungen des Feindes wahrnahm ,57 ); *knuffen =
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schießen (sächs.); abschmieren169 (jemand, den Feind) = «inen feindlichen Angriff (im Stellungskrieg) durch Feuer verlustreich für den Gegner abweisen (bayr.; vgl. hier den von Horn S. 124 schon aus Wallhausen gebuchten Ausdruck abschmieren = prügeln, der heute übrigens in Bayern und zum Teil auch anderwärts ebenfalls noch volkssprachlich ist); *mit dem Abtrittsdeckel Moppen154 = mit der Revolverkanone schießen (sächs.); *eine Abreibung bekommen = Artilleriefeuer erhalten (sächs.); *eine Verschalung bekommen — dasselbe (sächs.); *Dunst bekommen, *Dunst kriegen - Feuer bekommen, beschossen werden (vorzüglich nordd., auch ostpreuß.; gleichbedeutend mit *beaast werden, s. oben S. 34); *dicke Luft kriegen = von der Artillerie heftig beschossen werden (allgem., auch bayr. und hier regelrecht vermundartlicht). Unter dem Begriff .schießen" mag auch eine bei den sächsischen Mannschaften des zweiten Jahrganges (schon in der Friedenszeit?) im Schwang gehende Redensart angeführt sein, nämlich: *der macht Marke Heldenbrust = er schießt (stehend) aufgelegt, sowie die Redensart *Eier schießen = Fehler schießen (ebenfalls sächs.; die Fehler beim Schießen werden mit Nullen [0] aufgezeichnet, daher das Bild!). Auch der Ausdruck *das Gewehr steht wie ein Ast = das Gewehr wird vom Schützen fest gehalten (sächs.), mag hier als eine charakteristische, auf die Hantierung mit dem Gewehr bezügliche Redensart im Vorbeigehen genannt werden. In diesen und in den weiteren unter dem Begriff .schießen, Schuß Wirkung" einzureihenden Wörtern und Redensarten tritt die humoristische und satirische Tendenz der Soldatensprache meist zurück. Die Eigenart des hierher gehörenden Wortmaterials liegt vor allem
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in der ungewöhnlichen, wohl jeden erstaunenden Reichhaltigkeit und — ein Vorzug der Soldatensprache überhaupt — in der außerordentlichen Anschaulichkeit, in der, sowohl dem optischen wie dem akustischen Eindruck des Schießens und der Schießwirkung gerecht werdenden Sinnlichkeit. Man nehme sich nur einmal die angeführten Ausdrücke her und prüfe sie daraufhin durch, wie glücklich es den Schöpfern dieser Sprache gelingt, die verschiedensten Unterarten z. B. des Schießgeräusches mit dem Ohr festzustellen, auseinanderzuhalten und das Wesentliche daran in Worte auszuprägen. Es ist schon bei der Besprechung der Namen für das Geschütz und das Maschinengewehr jedem klar geworden, daß die Soldatensprache den verschiedenen gehörsmäßigen Eindruck des Geschtttzfeuers und des Maschinengewehrfeuers in den Substantiven, welche diesen Waffen gelten, auch verschieden ausdrückt. Das nämliche ist auch bei den verbalen Ausdrücken für das Maschinengewehrfeuer gegenüber dem Gescbützfeuer der Fall. Das Schießen mit dem Maschinengewehr wird z. B. mit der Klopfarbeit des Dachdeckers (bayr.; s. oben S. 18) oder mit dem Klopfgeräusch beim Schustern oder mit dem Ticktackgeräusch einer arbeitenden Nähmaschine verglichen, also mit ganz anderen Geräuschen als den für das Geschützfeuer in der Wortbildung eine Rolle spielenden. Man denke hier an Ausdrücke wie: he *schustert = der Gegner gibt Maschinengewehrfeuer (schlesw.); *he naicld up de Naihmaschin = dasselbe (schlesw.). Das Bombenwerfen anderseits löst wiederum ganz neue Yergleichsvorstellungen aus, wie etwa ein Ausdruck sächsischer Truppen deutlich zeigen mag: *Eier legen = Bomben werfen.
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Vor allem aber ist es das Artilleriefeuer und die artilleristische Schußwirkung, die das Gehör und das Gesicht des Soldaten beschäftigen, Vorstellungen in ihm wachrufen und die entsprechenden Erlebnisse des Auges und Ohres in sprachliche Gebilde bringen lassen. Das hängt ja organisch mit der besonderen Eigenart der Geschützwaffe zusammen, die eben mehr Eindrücke verschafft als die anderen Waffen. Ich möchte diesen Abschnitt nicht verlassen, ohne vom , Blindgänger", also einer negativen Art der artilleristischen Schußwirkung, gesprochen und ohne wenigstens einige wenige Beispiele von Substantiven für den Begriff .Feuer", namentlich .Artilleriefeuer" geboten zu haben, nachdem gerade dieses 9. Kapitel besonders oft Gelegenheit zu einer Kostprobe aus dem verbalen Wortvorrat des Soldaten gegeben hat. So wird das Trommelfeuer bei bayrischen Truppen als *Landregen bezeichnet; Berliner Infanterie nennt feindliches Artilleriefeuer, das eine Zufahrtstraße belegt, einen * Gassenhauer-, der Blindgänger unter den Geschossen erscheint als *NetUraler (bayr., vielleicht weiter verbreitet) oder als *Blindschleiche (bayr.) oder als *Fuffziger (Fünfziger); so bei sächsischen Truppen. Diese Benennung soll auf die außer Kurs gesetzten Fünfzigpfennigstücke zurückgehen, die wie das nicht krepierte Geschoß auch ohne Bedeutung sind. Vielleicht macht sich, wenn diese mir zugegangene Erklärung zutrifft, gerade in diesem Wort kundensprachlicher Einfluß geltend? Andere Ausdrücke für das nichtkrepierte Geschoß sind Satzsubstantiva, wie ich sie nennen möchte, verbale Ausdrücke, die von bayrischen Truppen gemeldet werden. Es heißt zum Beispiel: *die (Granate) ist verhungert, mundartlich *dö is
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vahungat oder *die ist versoffen, ersoffen oder *die bezw. *der („Granate" oder „Schuß", dann „Geschoß") ist barfuß gegangen, auch *der ist barfuß gelaufen, mundartlich *dea (dö) is boafuaß ganga (gloffa). In allen diesen Fällen will der bayrische Soldat ein artilleristisches Geschoß bezeichnen, das zwar mit großem Geräusch ankommt, aber statt regelrecht zu platzen nur mit einem leichten Patsch und ohne die Ladung abgegeben zu haben sein Leben endet. Die Wendung mit *versaufen wird besonders dann gebraucht, wenn der Blindgänger ins Wasser fällt oder sich im feuchten Boden einbohrt. Der hübsche Ausdruck von der Granate, die verhungert (oder dem Schuß, der verhungert-), dürfte vom Eisschießen hergenommen sein, eine sportliche Betätigung, die dem Bayern außerordentlich lieb ist: man vergleiche den verhungerten Eisstock, der vor Erreichung des Zieles liegen bleibt. Zu dieser Erklärung stimmt vor allem auch eine zweite Bedeutung der Wendung: der (die) ist verhungert = zu kurz gegangenes Artilleriegeschoß. Der verhungerte Eisstock geht ja ebenfalls zu kurz. 160 10. Militärischer Befehl, militärischer Tadel, Strafe, Dienstyollzng. Die Terminologie des militärischen Befehls und Tadels, des Dienstvollzuges von Seite der Untergebenen und der Vorgesetzten, der Dienstspezialitäten und des militärischen Strafwesens ist noch lange nicht auch nur annähernd erschöpfend gesammelt und dargestellt: weder für die Zeit vor dem Kriege (etwa bei Horn), noch f ü r den Feldzug 1914/17 selbst. Eine kurze Umschau innerhalb des Wortschatzes, der unter die Titelbegriffe einzureihen ist, mag zeigen, wieviel eine systematische
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Fragestellung und Frageerledigung nach dieser Richtung an Material herbeischaffen könnte. Die große Zahl bei Horn fehlender Ausdrücke wird ihrerseits dartun, wie manches seit dem Erscheinen der „Deutschen Soldatensprache" neu hinzugekommen, vielleicht auch erst während des Weltkrieges entstanden ist. Jedenfalls stammt das mitgeteilte Material ausnahmslos von Feldzugsteilnehmern aus dem ganzen Reiche mit Ausnahme Elsaß-Lothringens. Wir hören da von Wörtern und Redensarten wie den folgenden, die sich an Frische und Witz den in den Vorabschnitten beigebrachten wohl zur Seite stellen können: * die Schose mimen (wir wollen die Seime schon mimen) = einen Befehl, ein militärisches Unternehmen gut ausfahren (preuß. Garde; von daher in scherzhafter Bedeutung in die Sprache bayrischer Offiziere übergegangen); *eine Sache schaukeln =- eine Aufgabe (gut) ausführen (preuß.; von da zu bayr. Truppen gewandert; meist in dem Satz: wir wollen die Sache schon schaukeln); *eine Sache motzen = einen Auftrag in allem zur Zufriedenheit ausführen (preuß.; vgl. wir wollen die Sache schon motzen)', *etwas derpacken = eine Sache, einen Befehl gut zu Ende führen (echt bayr.; häufig in der Form tnia dabahnas = wir derpackens); *Dienst verzappen 161 = Dienst tun (beim Schützenregiment 108); * Eigentumsbetrieb machen1M — den Dienst vorschriftswidrig, nach eigenem Bedünken ausführen (sächs., bei den Unteroffizieren; vgl. die Feststellung des Unteroffiziers na, he, der macht Eechendumsbärieb!); *auf die Ratte spannen = beim Dienstvollzug scharf aufpassen, vorab beim Postenstehen (sächs.); * Dienstscheiäer1" =
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militärisch, dienstlich übereifriger Soldat, so in der Redensa r t ein Dienstscheißer sein = militärischen Übereifer entwickeln (bayr.); Zwirn164 = militärischer Diensteifer oder auch Übereifer (bayr.); *Ausmister (ein Ausmister) = anstrengender Dienst (bei sächs. Einjährigen); *Druch = leichter Dienst, besonders im Gegensatz zum Dienst der Frontsoldaten (bayr.); * Schanzerl166 = angenehmer Posten, angenehmes Kommando, wo man vor allem auch sicher ist (bayr.); * Pelzposten = angenehmer Posten, auf dem man sich pelzen, d. h. der Faulheit pflegen kann, ein ruhiger Posten, auf dem man nicht viel vom Gegner belästigt wird (bayr.); *maiäivurfen — schanzen (Schützenregiment 108; auch der Franzose nennt die Schützengräben anlegenden Deutschen taupes [Maulwürfe]); *stinken = die Gasmasken probieren (allgem.); *Moäe sein = an der Reihe sein bei irgend etwas, z. B. beim Arbeitsdienst Mode sein = Arbeitsdienst machen oder mitmachen (einer ist [da und dort] Mode; ziemlich allgemein); *mit gutem * Bleistift vorangehen106 = mit gutem Beispiel vorangehen (sächs.); *Diplizin1&'! — Disziplin (bayr.); *abprotzen = austreten (allgem.); *ins Hängen kommen (bei jemand, bei einem Vorgesetzten) = es mit einem Vorgesetzten verderben (sächs.): Hns Baumeln kommen (bei einem Vorgesetzten) = es mit ihm verderben (sächs.); *bei einem Vorgesetzten hängen, *bei der Brigade hängen = sichs mit dem Vorgesetzten, mit der Brigade verderben (sächs.); * Hängebruder168 = ein Soldat, der mit einem Vorgesetzten in Differenzen gekommen ist, bei ihm hängt, ins Hängen kam usf. (sächs.); * Asthobel = Übung zur Förderung gerader Körperhaltung (vgl. Ast = Buckel; sächs.), * aufmischen = zum Dienst anspornen, energisch aufmuntern, anregen (sächs.; be-
— 43 — sonders häufig in der Drohung: Wer euch mal kräflch offmischen! — in der Sprache der Unteroffiziere und Offiziere) ; *einem einen aus dem Kreuze leiern = einen Soldaten drillen (sächs.; gerne in der Feststellung er will uns einen aus dem Kreuze leiern — er will uns drillen, zwirnen, wie der Bayer sagen würde); *jemand ein Würmchen aus dem Kreuze leiern = einen drillen (sächs.; die vorher angefahrte, die Tatsache des Drillens bekannt gebende, für den Soldaten ja wenig angenehme Feststellung kann auch lauten er wül uns ein Würmchen atis dem Kreuze leiern); *aufschwänzen = schinden (bei sächs. Unteroffizieren, Offizieren); frikassierenw*, bei sächs. Unteroffizieren beliebt in der Drohung Euch soll der Teufel frikassieren!; *da stehen wie so ne krumme Hutsche170 = Tadel wegen schlapper Körperhaltung (sächs. Unteroffiziere); * Salmani171 = Sermon, „Schmuß", beliebt in der Redensart großen Salmani machen = schelten, etwas rügen (sächs.; man kann z. B. hören: da macht er (etwa der Feldwebel) großen Salmani = er beginnt ein großes Schelten und Tadeln); * Ohren anlegen! = Still gestanden! (nordd.; gegenwärtig z. B. an der Westfront zu hören); *Bucht (fem.)17* = Gesellschaft, Gesindel (bei sächs. Unteroffizieren); *Bau = Arrest; *uffn Bau gehen — in den Arrest gehen (sächs.; bei Mannschaften und Unteroffizieren); *Land = Arrest (sächs.); Ladem = Arrest (sächs.; bei Gemeinen und Unteroffizieren); Franzi176 = Arrestlokal, nicht nur in der Garnison, sondern auch im Felde (bayr.); Vater Philipp179 = Militärgefängnis (neuerdings auch bayr.); *Sport = Strafexerzieren, Nachexerzieren (bayr., sächs.; vor allem bei Mannschaften). Die körperliche Züchtigung wird zwar nicht mehr geübt und ist auch aus«
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drücklich verboten; trotzdem mag es manchmal vorkommen, daß einem Vorgesetzten die Geduld reißt und daß er seine Enttäuschung und seinen Tadel in die Form des Angebotes einer Ohrfeige kleidet. Der sächsische Unteroffizier nennt diese Ohrfeige dann eine *Brdtzd. 11. Urlaub, Abschloß der Dienstzeit.
Auch unter diesen Begriffen wird eine Umschau innerhalb der heutigen Soldatensprache manches entdecken, was eigenartig und neu, wohl auch während des Krieges entstanden ist. Bekannt ist ja, daß der Soldat Parole — militärische Dienstzeit nimmt und daß er die Tage zählt, die er noch in der Kaserne zu verbringen hat, z. B.: Parole 100. Der bayrische Soldat hat sich die Parole zu einer *RoUen, streng mundartlich *Boin (wenigstens in Altbayern), umgebildet und sie sich so noch mundgerechter gemacht. Und so fragt er denn Wia hoaßt d'Botin? oder Wia lang iciad unsa BoUn na datian? = Wie lange wird unsere Rolle, d. h. unsere Dienstzeit, noch dauern?, Wie heißt die Parole? Ein überraschend und meist. nur für kurze Zeit gewährter Urlaub von der Front weg ist für den Bayern ein * Blitzurlatib; hessische Truppen nennen den landwirtschaftlichen Urlaub einen *Seimerurlaub. Der sächsische Soldat nennt seinen Urlaub auch *Latid177. 12. Abgespannt werden, sich In Sicherheit bringen — verwundet werden, fallen.
Diese Begriffe haben wiederum eine ganze Terminologie entwickelt, die vollständig zu sammeln und zu untersuchen ebenfalls eine Aufgabe der zukünftigen soldatensprachlichen Forschung sein wird. Ein paar Oriffe aufs Geratewohl mitten in die Menge dieses Wortmate-
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rials hinein mögen zeigen, daß auch hier für die Forschung manches zu holen und zu erklären ist; daß die heutige Soldatensprache auch hierin alle Eigenschaften besitzt, die man ihr gemeinhin beimißt. Man vergleiche etwa: * Dienst drücken"6 = mit schlauen Vorwänden sich dem Dienst entziehen (sächs.); Druckpunkt nehmen179 = sich vom Dienst, auch vom Frontdienst fortdrücken (bayr.); * Boden nach hinten gewinnen = sich zurückziehen (nordd.; Westfront); * verblühen, *sich verUühen = weggehen, sich entfernen, sich verduften (sächs.; Westfront); *stiften gehen19' = bei Gefahr sich wegmachen, sich von der Front nach hinten verziehen (bayr., sächs., hess.; bei Münsterländer Infanteristen heißt stiften gehen = vor feindlichem Artilleriefeuer sich zurückziehen); *türmcn™x = ausreißen, verduften (hess. und weiter verbreitet); *einen Flankenheinrich bauen = einen Umweg machen (sächs.); *sich schwach machen1*1 = sich bei Gefahr wegdrücken (sächs.); * abbauen = 1. schlapp werden, nicht mehr weiter marschieren können; 2. sich zurückziehen, auch davon laufen [auch vom Gegner] (sächs. und weiter verbreitet); *Granafenfieber, * Schützengrabenfieber—Drückebergerci (sä chs.); * Drückotismus, *Drickotismus, *Dricketismus1Si = Drückebergerei (alle sächs.; zum Teil auch wohl weiter verbreitet). Dem Drückeberger ist der Draufgänger entgegengesetzt, beim Schützenregiment 108 * Bammelochs genannt, während der sächsische Soldat das ordnungsgemäße Fortgehen bei der Ablösung auf Posten sehr forsch *hswetzen184 nennt. Bei der Kritik der Ausdrücke für den Begriff „sterben, fallen" muß man, sofern sie verbaler Natur sind, meiner Erfahrung nach sehr vorsichtig sein.
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So manches, was in Zeitungen und anderwärts nach dieser Richtung mitgeteilt wird, ist genau betrachtet nicht soldatensprachlich, sondern allgemein vulgärsprachlich oder irgendwie allgemein mundartlich. Es ist mir sogar zweifelhaft, ob es gestattet ist, daß zwei Ausdrücke für „fallen", die von oberbayrischen Truppen gemeldet werden und die sehr echt scheinen, es in gewisser Hinsicht auch sind, so ohne weiteres als soldatensprachlich bezeichnet werden dürfen. Ich meine Redensarten, wie *es hat eahm s'Gstdl zamdrat = es hat ihm das Gestell zusammengedreht, er ist gefallen; oder *es reißt ihm den Kohlrabi weg = jemand fällt durch Granatschuß. Die zweite Wendung können wir ja in Anbetracht des gerade im Felde häufigen Todeseintritts durch Eopfverlust als soldatensprachlich nehmen, während es absolut unangängig ist, wie manche Artikelschreiber tun, Kohlrabi — Kopf als einen Bestandteil der bayrischen Soldatensprache zu erklären. Denn in Altbayern und in der Oberpfalz spricht jeder von einem Kohlrabi und hat jeder einen Kohlrabi im Sinne von „Kopf". Die Bedeutung Kohlrabi = .Kopf" ist sogar typisch mundartlich. Bei der zuerst angeführten Redensart, die ja ungemein glücklich ist, darf man aber meines Erachtens noch weniger ohne weiteres sagen, sie sei soldatensprachlich, man müßte denn nachweisen, daß sie hauptsächlich von bayrischen Soldaten gebraucht wird, ein Nachweis, der noch geschuldet ist. Ich kenne die Redensart es hat ihm das Gesteü zusammengedreht = „er ist gestorben" seit langem als allgemein bayrisch-mundartlich. Es könnte ja auch sein, daß die Redensart in soldatischen Kreisen entstanden und von da aus in die Mundart gedrungen ist. In diesem Falle wäre man
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berechtigt, die Wendung auch alfi speziell soldatensprachlich zu bezeichnen; aber wir wissen noch garnicht, wo die Redensart eigentlich entstanden ist. Sicher ist nur so viel, daß sie nicht während des Feldzuges 1914/16 gebildet wurde. Ich mache diese Ausführungen, um zu zeigen, wie schwierig es ist, ein Wort, das bei Soldaten angetroffen wird, auch mit Recht als soldatensprachlich zu erweisen, und ich mache sie auch deswegen, um gegen die Voreiligkeit mancher Feuilletonisten zu protestieren, die alles, was ihnen seltsam und ungewöhnlich erscheint, auf das Konto der Soldatensprache setzen, aus keinem anderen Grunde als dem, weil Soldaten oder auch die Gesamtzahl der Soldaten sich eines solchen ungewöhnlich dankenden Ausdruckes bedienen. Absolut echt sind anderseits wieder Ausdrücke wie *Heimatschuß = leichte, in die Heimat bringende Verwundung (ziemlich allgem., besonders bayr.); *HeimatstriUer — dasselbe (nordd.); *Salonschuß -— dasselbe (bayr.); * Kavalierschuß = dasselbe (ziemlich allgem.). 13. Nehmen nnd Verlieren, Geldbeslts und Geldmangel.
Jeder, der jemals Militärdienste tat, weiß um die kleinen Widrigkeiten und manchmal von der Norm etwas abweichenden Auffassungen vom Eigentumsrecht, die sich für den Soldaten bezüglich der Begriffe n nehmen, tauschen, stehlen, verloren gehen* erleben lassen. Daß der eine dem anderen etwas ausführt oder klaut, daß er ein Uniformstück gegen ein besseres wider Willen eines zweiten sich eintauscht, das sind so Diensterfahrungen, die täglich gemacht werden und die nicht allzu tragisch genommen zu werden pflegen, auch nicht allzu sittenrichterlich und tristiglich vom Fernstehenden
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beurteilt werden dürfen. Denn es handelt sich im großen ganzen um Erscheinungen, wie sie zum Beispiel im Erziehungswesen in Schulen und Pensionaten ebenfalls zutage treten. Das Interessante an diesen Schattenseiten der Militär- und Erziehungserlebnisse ist für uns der Umstand, daß sich die Soldatensprache ebenso wie die Schülersprache eine eigene, in verhüllenden Ausdrücken bestehende Terminologie für die Vorgänge des mehr oder minder unberechtigten Austauschens, des Stehlens und des Verlorengehens geschaffen hat und, wie auch der jetzige Krieg zeigt, ständig neu schafft. Es kämen nach dieser Richtung, um nur ganz wenige Beispiele anzuführen, Ausdrücke in Betracht wie (etwas) umfickennt = Ausrüstungsgegenstände zu seinem Vorteil vertauschen (bayr.); *etwas abkochen = etwas stehlen (sächs.); *Abkocher = Soldat, der sich gut aufs Stehlen versteht; (jemand) *verarschen = beschwindeln, täuschen (sächs., besonders bei Mannschaften); * parti gehen16* = abhanden kommen, auch weggehen, sich entfernen (bayr.; eine Wendung, die deutlich vom Französischen [parti] herkommt) usw. Ein Fragebogen, der wohl auf diese hier nur leicht gestreiften Begriffe und ihren sprachlichen Ausdruck im Soldatenjargon achtet, wird sicherlich viel teils die Angaben von Horn neu bestätigendes, teils ungebuchtes und erst während des Krieges entstandenes Wortmaterial herbeischaffen. Ein großer Prozentsatz dieses Materials wird sich aus rotwelschen, pennälersprachlichen und Btudentensprachlichen Ausdrücken zusammensetzen. Dasselbe gilt von der Terminologie, die sich der Soldat für den Begriff des Geldbesitzes und des Geldmangels geschaffen hat, und die er ebenfalls ständig er-
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neuert. Hierher gehören Wörter und Redensarten wie * Speck — Geld, Löhnung (bayr.); * Speck haben = Geld besitzen (bayr.); *Kies167 = Geld (bayr.); *Framosenfünferl1*9 = eisernes Fünfpfennigstück, so genannt, weil es die einzige Hartgeldmünze ist, die von den Truppen an die feindliche Bevölkerung ausgegeben werden darf; eine vorzügliche Prägung, die alle Aussicht hat, gleich einem historischen Dokument den Krieg zu überdauern und aus der bayrischen Soldatensprache, der sie zunächst angehört, als geschichtliche Erinnerung an die Münzverhältnisse während der Kriegszeit in die allgemeine Mundart überzugehen; ferner *kalte Füße haben = Mangel an Geld haben (bayr.); *nichts drauf haben — ohne Geld sein (bei westdeutschen Truppen; vielleicht geht die Redensart vom mangelnden Brotaufstrich aus); *der Kaiser kommt1** = 1. Löhnung bekommen, 2. auch Löhnungstag (sächs., preuß.). 14. Denk« und
QefUilsTorgänge
In der Soldatensprache.
Für den Soldaten sind es vor allem die Begriffe „gedrückte, gute Stimmung — Angst — Furcht — Pessimismus — prahlen, Großmäuligkeit, bramarbasieren — Mut, Draufgängertum — bekritteln, Vorschriften kritisieren — schwätzen, Gerüchte machen und sie abweisen — dumm, zum besten haben" — Begriffe, die sich natürlich wieder in eine ganze Anzahl von Unterbegriffen, von Varietäten feinster Art zergliedern lassen —, die in der Kaserne, in der Etappe und ganz besonders an der Front eine beherrschende Rolle beim einzelnen Mann wie bei kleineren und größeren Verbänden spielen. Die Forschung hat auch nach dieser Seite des soldatensprachlichen Wortschatzes noch sehr viel zu tun, soM a n 8 e r , Deutsohe Soldktensprache.
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wohl was das Sammeln als was das rationellste Verarbeiten des anfallenden Materials betrifft. Die Sammlung und Untersuchung dieses Wortmaterials für Abstraktbegriffe muß von ganz besonderem Reiz sein, da es sich dabei um die seelisch-geistige Reaktion des soldatischen Gefühls- und Gedankenlebens auf die, alle oder einen einzelnen, beeinflussenden Vorgänge des Dienstund Kampflebens handelt. So findet der Begriff der gedrückten Stimmung, der für die Abwicklung der militärischen Aufgaben ein so gewaltig wichtiger Faktor ist, mancherlei sprachliche Ausmünzung und Differenzierung. Man vergleiche etwa: *es hakt aus = Bezeichnung für ein einsetzendes, beginnendes Unlustgefühl, für ein im Anzug befindliches Unbehagen, ein Umschlagen der Stimmung (bei Truppen aus dem Vogtland); *den Kanal voll haben ' 90 , auch *die Schnauze voä haben181 (beide sächs.) = überdrüssig sein, genug haben an etwas, ein Ausdruck für gesteigertes Mißbehagen, zum Beispiel nach großer Anstrengung — auch möglich in der das Unbehagliche der Stimmung vielleicht besonders bedrohlich bezeichnenden Kürzung * Kanal voU! —; *es hängt haußen, *s'hängt haußen = Bezeichnung eines erhöhten Unbehagens, gesteigerter Unzufriedenheit (sächs.); *es qualmt181 = Ausdruck der Unzufriedenheit, besonders auf Märschen (sächs.). Anderseits hat der Soldat natürlich auch seine Ausdrücke für das Gefühl des Wohlbehagens, so wenn er kategorisch erklärt *die Stellung wird geheilten = Bezeichnung für ein Gefühl des Wohlbehagens auf einem angenehmen Posten, bei dem sich's gut verharren läßt, namentlich im Lazarett (bayr., nordd.; sehr deutlich von der offiziellen militärischen Terminologie ausgehend). Das die
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Stimmung beleuchtende Räsonieren über Befehle, das Herumkritteln an Verfügungen der Vorgesetzten bezeichnet der altbayrische Soldat mit *koppen, wie er ja einen alles kritisierenden Gefährten einen *Kopper er,M nennt. Die Person des Bramarbas, des großmäuligen Säbelraßlers, des miles gloriosus ist so alt wie die Gefahr, so alt wie der Krieg. Die Soldatensprache des 16. und des 17. Jahrhunderts ist reich an Ausdrücken, die unter diese Kategorie fallen; die moderne und modernste Soldatensprache ist keineswegs ärmer. Eine systematische Sammlung wird eine Fülle von Material wie zum Beispiel das nachstehend verzeichnete hereinströmen lassen: * Bogen spucken193 oder *große Bogen spucken198 = sich anmaßend gebärden (allgem.); *branzen = aufschneiden (Schützen-Regt. 108); *Branzer, *Branzkopp = Aufschneider (Schützen-Regt. 108); *ein Faß aufmachen, *F(isser aufmachen = aufschneiden, dumm, übel daherreden (sächs.); * Maschinengewehrschnauze = Großmaul (Schützen-Regt. 108); Blindgänger 1,4 = Großsprecher, der aber wohl darauf sieht, sich zuerst in Sicherheit zu bringen (pfälz.; zumeist mundartlich gebraucht: Blinngänger); *mach keinen Käseladen auf!1'6 = warnende Mahnung an einen Schwätzer, vorsichtig za sein und sich zu beherrschen (besonders bei Leipziger Truppen). Unter die Denk- und Gefühlsvorgänge des Soldaten rechnen besonders auch alle Wörter für den Begriff der falschen Meldung, des aufregenden, ärgerlichen Gerüchtes, die sich natürlich im Felde ebenso unerfreulich breit machen wie in der Heimat, sowie die Aufnahme, die sie bei kritischeren Kameraden finden. So bezeichnet denn
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der Soldat das falsche Gerücht oder auch das nur verdächtige, auf bloßes Gerede und müßiges Kombinieren hinauslaufende als * Latrine19" (nordd. und bayr.; ein bayrischer Major schreibt über die Genesis dieses Ausdrucks: „Man geht dabei von der Anschauung aus, daß solche Gerüchte nur auf dem ,Häusl' [ = Abort] ausgeheckt werden.4); * Latrinengerücht = falsches Gerücht (s. Latrine); * Scheißhausparole = zweifelhafte Nachricht, bedenkliches Gerücht (bayr., preuß. Gardekorps); * Latrinenparole = dasselbe (Verbreitung wie beim Vorwort; natürlich beziehen sich alle diese Ausdrücke in erster Linie auf Gerüchte zur Kriegslage); * Latrinenbefehl = faules Gerücht, Klatsch, auch wohl zunächst „erdichteter Befehl" (bayr.); *aUgemeines Etappengeschwätz (in schriftgemäßer Kurzform und unter Gebrauch der Abkürzung der Berliner Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft mit A. E. G. wiedergegeben) = falsches Gerücht (bei bayr. Offizieren; die Etappe ist ja naturgemäß besonders reich an Gerüchten); * Kantinenbefehl = erdichteter Befehl, von den Kameraden ersonnen, um jemand zum besten zu halten (sächs.; vgl. bayr. Latrinenbefehl). *FddküeherUelcgrophist heißt ein Gerüchteverbreiter (die Leute von der Feldküche stehen in dem Ruf, gleich ihren Kameraden bei den Staffeln, den Kolonnen und Etappen, eine „Brutstätte der unsinnigsten Gerüchte" zu sein; bayr.). *BIas Tceenen Mist! sagt man bei norddeutschen Truppen zu einem, der unnütze Neuigkeiten mitteilen zu wollen scheint, oder auch zu einem, der sich über eine militärische Einrichtung aufhalten will. Der sächische Soldat nennt den Schwätzer unter seinen Kameraden, auch den Pessimisten, einen * Mistmacher, eine durchsichtige, scherzhafte Umbildung des „Miesmachers*.
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Der Begriff der Angst oder Furcht endlich wird durch Redensarten ausgedrückt wie die sehr deutliche, übrigens auch der vulgären Sprache wohl des gesamten Deutschlands angehörige *die Hose gestrichen voG haben1(7 — und das nicht nur etwa aus Angst vor dem Feind, sondern gerade auch mit Bezug auf die Nervosität bei Besichtigung durch Vorgesetzte — (bayr.; aber, wie gesagt, wohl viel weiter verbreitet) oder *Bdlen haben, auch *große BoUen haben1,8 (bei bayr. Truppen, vorab Soldaten aus Schwaben, namentlich auch dem Allgäu). Ein Angstmeier ist ein *B6Renbruderltt. Man vergleiche zu diesen lexikalisch recht interessanten Ausdrücken, die einen Plural (?) Beilen (Boän) = Furcht erschließen lassen, *Bdlenloch100 = Unterstand (s. oben S. 27). Zu den Redensarten, die unter dem Begriff des für dumm gehaltenen Soldaten, zum Teil auch wiederum des Schwätzers zu subsummieren sind, zählen Wendungen wie etwa: jemand vergipsen*0*, auch *Gips laden101 = jemand veralbern, zum besten haben (sächs.)^ *einen von der Flanke anquatschen — dumm zu einem reden (sächs.; z. B. quatsch mich nich 'von der Flanke an = red doch nicht so dumm daher) oder *einem alten Krieger in die Flinte seechen™* (sächs.; Westfront) in der Abweisung eines Kameraden, der einen verblüffen, einem etwas weismachen will „Du kannst doch kein' alten Krieger in die Flinte stechen!" (seechen, auch säächen = saichen, pissen; vgl. Saich — 1. Pisse, 2. Geschwätz, einen Saich machen = „ein Geschwätz machen", in der vulgären Sprache, in München speziell auch im Schriftstellerjargon, sehr verbreitet). Diese, wie ich noch einmal betonen möchte, kleine Auswahl aus einem großen Material mag ahnen lassen,
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was die heutige Soldatensprache auf diesem Gebiet des Ausdruckes streng abstrakter Ideen an Bildungen aufweist und vor allem, was eine auch nach dieser Richtung hin streng systematisch organisierte Sammlung zu finden vermag. Es soll keine Unhöflichkeit für den Leser sein, wenn ich hier zum Schlüsse wenigstens mit einem Beispiel auf die Variationen verweise, welche die ebenso berühmte wie ungeschminkte Einladung aus dem Götz von Berlichingen — auch darauf hat eine auf Vollständigkeit haltende Sammlung zu sehen — in der modernen Soldatensprache erfährt. Der sächsische Soldat z. B., besonders der Gemeine, gebraucht für diese, einem bedrängten Gemüt so herzerfrischende Befreiung bringende Einladung die poliertere, höflichere Formel *leck mich an der Melone! (sporadisch). Zweifellos wären von den übrigen deutschen Kontingenten mehrfache Varianten der götzischen, auch unter der Bezeichnung „bayrischer Gruß" gehenden Einladung beizubringen. 15. HllitSrische Auszeichnungen, Orden.
Das Ordens- und Auszeichnungswesen gibt dem Soldaten, dem gemeinen Mann, wie dem Offizier, vielfachen Anlaß zu humoristischen und oft recht stacheligen, satirischen Prägungen und Wendungen. Nicht als ob der Soldat die Ordensauszeichnungen nicht schätzte, im Gegenteil, die Erfahrung lehrt, daß jeder auf seine Auszeichnung stolz ist. Aber der soldatische Humor und die soldatische Kritik, die beim gemeinen Mann sowohl wie beim Offizier ein strenges Rechtlichkeitsgefühl vorhanden zeigt, schweigt eben auch nicht vor dem Auszeichnungswesen und seinen sachlichen wie psychologischen Einzelheiten still. Was Horn nach dieser Rieh-
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tung beigebracht hat, ist außerordentlich wenig. Ich möchte hier wenigstens einige Einzelheiten als Beispiel vorführen und denke nicht daran, an dieser Stelle die große Zahl von scherzhaften Umbenennungen der verschiedenen Landesorden zu verzeichnen, die bei allen Kontingenten, nicht zuletzt bei den spottlustigen Sachsen umlaufen. Man kann sagen, daß sich eine ganze Terminologie für den Orden im allgemeinen, für die einzelnen Auszeichnungen, für den Ordensträger, für die Tragart und für die Ordensstreberei im besonderen entwickelt hat. Z. B.: * BatzenS03 = Orden (bayr.); * Anhängewagen — Mehrheit von Auszeichnungen, auf der Brust getragen (preuß. bezw. berlinisch); *Ptdle mit Sprit™* = Pour le mérite (sächs.); * Vereinsabzeichen für Hauptleute = Eisernes Kreuz I. Klasse (nordd. Offiziersjargon) ; Latte104 = große breite Ordensschnalle, zur Aufnahme vieler Auszeichnungen bestimmt (sächs.); * Farbenkasten10* = Ordensschnalle (sächs.); * spinnen*"1 = streben, besonders nach einem Orden (bayr.; vor allem altbayr.); *Seitenstechen= Ordenslüsternheit (bayr.); Kremschmerzen*0' = Ordenslüsternheit (bayr.); * Knopfloehßeber = Ordenssehnsucht (bayr.; übrigens in Bayern auch von Beamten und sonstigen im Verdacht der Ordenslüsternheit stehenden Zivilisten gebraucht); * Kreuzzug — militärisches Unternehmen, das im Verdachte steht, hauptsächlich dazu eingeleitet worden zu sein, um den Führern einen Orden zu verschaffen. Der Soldatenwitz hat ferner für das Eiserne Kreuz, dem eine Reihe von scherzhaften Benennungen gelten, drei Klassen festgestellt und diese Klassen mit Namen und Unternamen versehen: Klasse *Loreley: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", Klasse
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*Lohengriu: „Nie sollst du mich befragen', Klasse *Salvarsan: „Ehrlich hat as" (Wortspiel zwischen der bayrischen Ausspracheweise des Satzes ehriich hat ers und der als eine Art von Synonym zu Salvarsan geltenden Namengruppe Ehrlich - Sota)*10. Diese Klasseneinteilung, die gleichzeitig ins Gebiet des Soldatenwitzes gehört, kursiert bei bayrischen Truppen und Offizieren. 16. Lazarett, Krankheiten, Körperteile.
Das Lazarett und seine personalen wie sachlichen Einrichtungen haben schon immer, so lange es eine Soldatensprache gibt, einen großen Ansporn zur Umbildung der gewöhnlichen Wortbedeutungen im satirischen und humoristischen Sinne und ebensosehr zur Schöpfung neuer Worte mit derselben Tendenz gebildet. Es wird niemand verwundern, wenn diese Einrichtungen auch im Weltkrieg- unserer Tage diese Eigenschaft bewähren. Das nämliche gilt von den Krankheiten, vor denen der soldatische Witz so wenig Respekt hat wie vor dem Tod, und von den Körperteilen, die ja im Wortschatze aller Standessprachen — ähnlich wie in den Mundarten — eine reiche Synonymik ausgebildet haben. Natürlich befindet sich auch unter dem auf die Titelbegriffe bezüglichen Wortschatz des Soldaten manches alte Wortgut, das längst ein anerkannter Bestandteil der Soldatensprache ist. Gerade derartige Wörter, an denen der Soldat zähe festhält, von denen er sich in den Weltkrieg hinausbegleiten läßt, sind besonders interessant. Ich möchte allerdings bei den bunten Proben, die ich im weiteren gebe, auf jenes alte Wortgut nur nebenher Bezug nehmen, um das neugebildete, von Horn noch nicht verzeichnete, sprechen zu lassen.
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Zu den Sacheinrichtungen des Lazarettes zählen natürlich auch die Medikamente, die zum Teil ebenfalls ihre besondere soldatensprachliche Benennung erhalten, von der ich gleichfalls einige wenige Beispiele anführen mOchte. Man höre also von so lustigen, oft seltsam vermummten, immer aber ungemein bezeichnenden Wortgesellen wie diesen: *Bettpfannenhusar%u = Feldsanitätssoldat (westd. Regimenter); Knochenbrecher212 = Sanitätssoldat (Gemeiner; sächs.)'; Leichenheinrich413 = Sanitätssoldat (sächs.); * Lazarus*1' = dasselbe (bayr.); *Pikeflickerilt = dasselbe (rhein.; vielleicht zu rhein. Pike = Riß); *Pipeneieher = gemeiner Sanitätssoldat auf der Geschlechtskrankenstation (sächs.; zu sächs. Pipe, oberdeutsch Pfeife = penis); * Aspirinaugust= Sanitäter (bayr.); Sanitäter117 = Sanitätssoldat (bayr.; das Wort ist außerordentlich volkstümlich und im Laufe des Krieges sehr befremdenderweise von der bayrischen Militärbehörde in Acht und Baun getan worden); * Staberl = Stabsarzt, * Oberstaberl = Oberstabsarzt (beide bayr. und von da in der Form Staber weiter nach dem Norden verbreitet. Stäberl ist eine Benennung des Hanskaspar im altbayrischen „Kasperlspiel". Jedem Bayern ist der Kasperl ein besonders lieber Freund, der als Dr. Staberl seine Taten verübt. Aus dem Kasperlspiel hat also die Kategorie der Stabsärzte ihren kostbaren, hoffentlich nie aussterbenden Namen erhalten); * Wurzelsepp = Arzt (beim 12. bayr. Res.-Inf.-Rgt.; eine Aufschrift über einem Sanitätsunterstand lautet „Zum Wurzelsepp*; der Finder dieser Bezeichnung muß ein Münchner oder eine in München gut bekannte Persönlichkeit gewesen sein: der
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Wurzelsepp hieß ein Schnaps-, hauptsächlich Enzianverkäufer auf dem Oktoberfest in Mönchen, und die Arzte verabreichen ja auch einen Schnaps oder Geist, bezw. der Schnaps gilt dem Altbayern wie auch dem übrigen Volk bis zu einem gewissen Orade als Heilmittel); * Steinbrecher = Zahnarzt (sächs.); * Landmann = krankschreibender oder Urlaub verschaffender Arzt (sächs.); * Flieger = inspizierender Sanitätsoffizier in einem Lazarett, so benannt, weil er die Wiederhergestellten aus dem Lazarett fliegen läßt; *Karbdlmäusclien11* = Schwester (nordd.; aber auch bayr., zunächst jedenfalls in Mitteldeutschland oder im Norden entstanden); *Karbdmaise, mundartlich *Karboimoasn = Schwester (bayr.; vgl. Moasn [Maise], kosend = Mädchen) ; * Karbolmensch (sächlich), Plural *Karbolmen(t)scher = Schwester (eine echt bayr. Bezeichnung). Der bayrische Soldatenwitz hat übrigens die Krankenpflegerinnen in ähnlicher Weise in drei benannte und charakterisierte Klassen eingeteilt wie das Eiserne Kreuz. Der Name jeder Klasse gilt zugleich als Benennung der bei ihr eingereihten Schwester. So ist denn Klasse I die Klasse der *Lysdmäuschen von 18—25 Jahren (.pflegt aus Tatendrang und weil es gut aussieht'); in Klasse II pflegt die * Lazarettpflaume von 25—40 («dem gefährlichen Alter angehörig betreut sie vor allem Junggesellen und sucht zu angeln"); in Klasse III ist die *SpitcUwachtel zu treffen: „Uber 40 alt, pflegt aus Frömmigkeit und innerer Überzeugung, wirkt durch Bigotterie oft unangenehm"Sl". Vergleiche ferner: * Drückerheim = Revierkrankenstube (sächs.; bei Unteroffizieren); * Pißbude = Zimmer der Nierenkranken im Lazarett (aus dem Lazarett
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Flensburg); *Klappsmühleli" = psychiatrische Abteilung eines Lazaretts (sächs.; bei Mannschaften und Unteroffizieren); * Ritlerburg = Lazarett für Geschlechtskranke (von der Westfront gemeldet; scheinbar ziemlich allgemein) ; *Maschinengewehr = Nachtstuhl (Reservelazarett I in Dresden); *Armeekognak = Rizinusöl und andere flüssige Abführmittel (allgem.); *Militärhonig = Rizinus (preuß.); *Trodddappett=ärztliche Untersuchung, Gesundheitsappell (preuß.; zu Troddel = penis); * Viehzählung = Gesundheitsbesichtigung auf Läuse (als gelegentlich gebraucht von verschiedenen Kontingenten gemeldet); *Ncrvenkoksitl = Nervenchok (sächs.); *Dtdiöh — Diarrhöe (bayr.); *Eis = Wasserblase an der Ferse (bayr.); * Laufjunge = Tripper (sächs.; bei Unteroffizieren); *Trichinenspucker = Tuberkulosekranke (so nannten sich die Tuberkulosekranken gegenseitig im Lazarett in Flensburg); *TebeceMetischen (zu schreiben, TBC-Menschen") = Tuber(c)kulosekranke (Lazarettterminus aus Flensburg); * Pisser = Nierenkranke (Lazarett Flensburg); * Ritter = Geschlechtskranke (an der Westfront; scheinbar ziemlich allgemein); *abbauen = krank werden (sächs.; zu den übrigen Bedeutungen: 1. schlapp werden, 2. sich zurückziehen vgl. oben S. 45). Zu den Begriffen .fallen, verwundet werden" vgl. oben Abschnitt Nr. 12, S. 44 ff. Die Benennung der Krankenschwester und mancher, etwas delikate Krankheitsname könnten natürlich auch unter dem Kapitel „Frauen und Liebe in der Soldatensprache' behandelt werden oder auch, wie Horn tat, unter dem Sammelnamen „Mars und Venus" (Horn 129 u. ff.). Ich sehe in dem gegenwärtigen Augenblick davon ab, das auch in der heutigen Feldsoldatensprache
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reichhaltige Kapitel der soldatischen Terminologie für den Verkehr mit Frauen und die vielfältigen Erscheiungen des sexuellen Lebens aufzuschließen. Es würde mich zu weit führen. Einige kleine Proben habe ich ja schon gegeben, und ich brauche keinem Kenner der Verhältnisse zu versichern, daß auch auf diesem Gebiete der Soldatensprache noch viel einzuheimsen ist. Einige wenige, während dieses Krieges entstandene Ausdrücke möchte ich aber, um das bezügliche Material noch etwas mehr in seiner Eigenart ahnen zu lassen, nicht vorenthalten. Ich meine Wörter wie die folgenden: *Schneckenbezerl = französische Kokotte (bayr.); *Mamsell Äroplan (mit ä zu sprechen!) = Fräulein mit vollem Busen (bei bayr. Truppen in der Somme- und Arrasgegend); * altes Schrapndl = altes weibliches Scheusal (allgem.); * Unzuchtabicehrhanone = Dame für soziale Fürsorge (gemeldet von den Truppen in Tournai). Nicht minder reichhaltig wie die Lazarettbegriffe im eigentlichen Sinn sind die soldatischen Bezeichnungen für Körperteile. Ich möchte aus der heutigen Soldatenspracbe nur ganz wenige Beispiele hierher setzen. Der kommende Fragebogen wird gerade hierfür eine gewaltige Menge von Material hereinbringen. Man denke z. B. an *Ast= Buckel (sächs.); Limburger " 8 = Füße (westdeutsch); * Safthaxe"* = Schweißfüße; * Drahtverhau — Bart; *den Drahtverhau abhobeln = rasieren, sich rasieren lassen (beim sächs. Res.-Jägerbataillon 26, dem sogenannten Handwerksburschenbataillon); Kohlrabi"8 = Kopf. Man erinnere sich auch an die Redensart sächsischer Soldaten leck mich an der Melonem, woraus *Melone = Becken zu abstrahieren wäre.
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17. Essen, Trinken, Hänchen, Feldküche, Schlafen.
Die Soldatensprache ist berühmt dafür, gerade im Wortschatz für die in der Überschrift verzeichneten Begriffe besonders reich und vielgestaltig zu sein. Dieser alte und wohlbegründete Ruf bewährt sich auch für die Kriegetage von heute. Neben mancherlei, — in gewisser Hinsicht sogar außerordentlich vielem — neuem Wortgut begegnet auch hier der eine und andre alte Bekannte, der längst Bürgerrecht in der Soldatensprache besitzt. Z. B.: Stroh und Lehm217 = Mittagessen aus gelbem £rbsbrei und Sauerkraut (sächs.; besonders bei oberlausitzischen Soldaten);Sätzchen4,8=Mittagsportion, z.B. in der Redensart sein Sätzchen fassen = den zustehenden Essensanteil holen (sächs.); Schlag,M = Mittagsportion (bei badischen Truppen und weiter verbreitet); * Astverhau = grüne Bohnen (sächs.); * Stacheldraht = grüne Bohnen (sächs.); * Manschettenknöpfe — weiße Bohnen (sächs.; für eine zweite Bedeutimg siehe Gamaschenknöpfe); *nackche Mäuse = weiße, große Bohnen (sächs.; beide Ausdrücke von einer sehr glücklichen Sinnlichkeit); * Durchbruchsversuche = gelbe Erbsen (sächs.; so genannt wegen ihrer Wirkung auf den Darm; ein Sammler bemerkt, daß das Gericht „meist einen inneren eiligen ,Drachbruch' zur Folge" hatte); *Schrapndlsuppe130 = Erbsen-, Bohnensuppe (bayr., auch pfalz.); *Schrapnettkugeln181 = Graupen (das Wort soll nach der Mitteilung eines Sammlers vom 6., hauptsächlich aus Schlesiern rekrutierten, Res.-Jäg.-Bataillon auf das 6. und 7. bayr. Landw.-Inf.-Rgt. übergegangen sein; ferner sächs.); blauer Heinrich,M = Graupen (preuß., auch bayr.); *Blaue-Heinrich-SuppetM = Graupensuppe (bayr.;
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die Suppe sieht meist sehr bläulich aus); Gamaschenknöpfe184 = große Graupen (sächs.; vgl. oben Manschettenknöpfe = weiße Bohnen [abermals sächs.]; in zweiter Bedeutung ebenfalls = große Graupen); Polizeifinger 2,6 = gelbe Rübe (hannöv.); FuMappen258 = Weißkraut (ziemlich allgem.); * Lumpen mit Flöh " 7 = Weißkohl mit Kümmel (preuß.); blauer Heinrichi,s = Reis (bayr.; s. oben die Bedeutung „Graupen"); * Elefantenfutterw = Reis mit Dörrobst (bayr.); * Handgranaten = Kartoffeln (aus sächs. Lazaretten; vgl. * Osterei (bayr.) = Handgranate, s. oben 26); * Schrapnell = Kartoffel (bayr. und allgem.; vgl. bayr. * Schrappndlsuppe = Erbsensuppe, sowie *Schrap neükugdn = Graupen); * Drahtverhau = Fleischkonserven (von der Westfront gemeldet, wohl ziemlich allgem.); * Radiergummi = Holländerkäse (bayr.) oder einfach = trockene, helle Käseart (so sächs.); *Strantzgummi = eine Art von Edamer Käse (bayr.; natürlich von Angehörigen der Armeeabteilung Strantz gebraucht); blauer Heinrich*10 = dünne, wässerige Suppe, so bei pfälzischen Truppen, ohne Rücksicht auf die Suppeneinlage (vgl. oben * Blaue-Heinrich-Suppe [bayr.J = Graupensuppe [von bläulichem Aussehen], sowie blauer Heinrich in der Bedeutung von Graupen, Reis, bei Bayern und Preußen; der Pfälzer spricht meist von einem Uöcn Heinrich) \ * Feldfrevel = Suppe mit verschiedenen Gemüseeinlagen (bayr.); *FröscUaich = Sagosuppe (bayr.); *Prim Bupprechtsuppe = Konservensuppe (bayr.); * Wochenbettsuppe = zu dünn gekochtes Mittagessen (Berliner Truppen; vgl. pfälz. blauer Heinrich); Barras141 = Brot, Kommißbrot (vgl. den Vers beim 17. bayr. Inf.-Regt.: »Ich liege bei Arras, Und nähr mich von Barras*); *Komik = Kommißbrot (bei bayr. Offizieren; weiter verbreitet);
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*Komiker = Kommißbrot (bayr.; bei allen Heeresangehörigen ; vgl. zur Bildung * Komödiant=Kommandant usw., s. oben S. 16); * Gummi = Brot (bayr.; vgl. * Radiergummi, *Strantzgummi — trockene Käseart; s. o.); Torffu* =Kommißbrot (Marine-Infant.); *Karo auch *Karo einfach— dass. (bei westpreuß. Truppen); Hanf*1*=Brot (hess., sächs.); ScheiUing146 = Brot (bayr.); *Kanonikus = Kommißbrot (bayr.; auch bei den Mannschaften); Königstorteut = Brot (bayr.); Kaiser Wilhdm-Torte1" = Brot (bayr.); *Kaiserkuchenus, * Kaisertorte *Königs: buchen"8 Brot (Berliner Truppen); Kommiß*" = Kommißbrot (allgem.; sehr geläufige Kürzung der offiziellen, militärischen Benennung des Brotes als Kommißbrot); *trockener Hanf460 = speziell trockenes Brot (hess. und weiter); *trockener Karo — speziell trockenes Brot (s. oben *Karo)\ Backstein861 = hartes Kommißbrot (sächs.); *Magenbeton = Kunsthonig (säch.); *Schützengrabenbutter"* = Kunsthonig (nordd.); *Athletenfett™ (nordd., auch bayr.); *Heldenbutter (nordd.; soll nach einer Meldung von sächsischen Truppen im FrUhjahr 1916, was wohl möglich ist, entstanden sein); *HindenburgschmiereSM (sächs., auch niederbayr.); *Kaiser WühdmGedäcktnis-Schmiere 265 (Grenadier-Regt, 101, sächs.); * Karrensalbe 258 (Württemberg.); *Karuseüschmiere (berlinisch und scheinbar allgem.; bei Berliner Truppen auch = Schmalz); * Landsturmbutter*6'' (sächs.); * Magenschmiere (ziemlich allgem.); *Müitärbutter (preuß.; vgl. *Militärhonig = Rizinus, o. S. 59); * Offensivbutter (nordd.); *Offensivkretne (bayr., hess. und wohl weiter verbreitet); *0(fensivschmier(e) (beim 4. bayr. Inf.-Regt.; eine echt bayr. Form); *Strantzfett (bei Angehörigen der Armeeabteilung Strantz); *Sturmbutter (Württemberg.); * Armee-
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butter (sächs.; vgl.*Müitärbutter); * Veteranenbutter (sächs.); *VorpostenschmalziM (sächs.); * Minier senftbt (sächs.); * Wagenschmiere (allgem.); alle neunzehn = Marmelade (vgl. dazu den aus dem sächs. Gren.-Regt. 100 belegten Vers: „Ohne Marmelade kein Krieg, Ohne Käse kein Sieg* oder den Vers: „Marmelade, Marmelade, Ist der schönste Fraß für den Soldate", bei westpreuß. Truppen); Schlamm260 = Kaffee (sächs.; bei Mannschaften und Unteroffizieren); *Bamf = Kaffee, abfällig (sächs.; schon im Frieden üblich); blöer Heinrich8,1 = dünner, bläulich schimmernder Kakao (pfälz.; s. o. S. 61 ff. die übrigen Bedeutungen dieses Ausdruckes); * Ziegelmehl=Kakao (bayr.); *Athletenbouillon* *1 = Tee (sächs.); *Negerschweiß = Tee (zunächst bei westd. rekrutierten Regimentern, dann auch bayr.); * Offensivgeist = Kognak, Schnaps (bayr.); * Schützengrabenjodler = Likör, Schnaps, Rum, 14 karätig (bayr.); *Sclirapedux = Schnaps (beimRes.-Inf.-Regt. 103); * Harter (ein Harter) = Schnaps (sächs.; siehe die Frage Hast de nich en Harten?)] * Stacheldraht1'3 = schlechter, scharfer, kratzender Rum (nordd.); Kotzbalken864 = Zigarre (bayr.); *Affenflöte = Zigarette (Berliner Truppen); * Marke „Rauche du sie" = üble Zigarre, Zigarette (allgemein); *Marke Handgranate = üble Zigarre (bayr.; ein Sammler erklärt dazu: „man zündet sie an und wirft sie schleunigst wieder wog", eben wie eine Handgranate); *Marke Kriegsstark — schlechte Zigarre (bayr.); *Budde = Zigarette (nordd.); * Stäbchen = Zigarette (sächs., überhaupt nordd.); *Spreitee = Zigarette (bayr.; an der Westfront); *Handgranate = Liebesgabenzigarette, schlechte Zigarette (allgem.; der Name rührt daher, weil sie wie die Handgranate behandelt werden muß; siehe oben * „Marke Handgranate"); Stift186 = Kautabak
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(sächs.); *stiften = Kautabak gebrauchen, priemen (sächs.); *sich einen Kotebalken in die Fotze rammeln — Zigarren rauchen (beim 12. bayr. Res.-Inf.-Kegt.); *Koksofenm = Tabakspfeife (sächs.); * Jauchenzuber = kurze Holzpfeife (sächs.); *Eotzkocherw = kurze Holzpfeife, sonst als sogen. Ulmer bekannt (sächs.); * Wanzenhammer = halblange Pfeife (sächs.); * Trauermarsch = antreten zum Kaffee fassen (bayr. u. allgem.); *Freßmaschine = Eßbesteck (nordd.; mit Einschluß Sachsens); Schanzzeug"8 = Eßbesteck (bayr., sächs.); * Gulaschkanone = Feldküche (allgem.); *Hungerabwehrkanone = Feldküche (von Schleswig. Truppen gemeldet, aber wohl allgem.); *Kohldampfabwehrkanone = Feldküche (schleswig.; aber wohl viel weiter verbreitet); *Fettpdsterkanone = Feldküche (sächs.); *Gurtfüüer = Feldküche (sächs.); Schlundmichel*69 = 1. Feldkoch, 2. Feldküchensoldat (preuß.); * Küchenbulle = dass. (märk. Res.-Inf.-Rg. 207; s. Küchenhammel Horn 54); *Gidaschhengst 2 7 0 = dass. (in beiden Bedeutungen, allgemein); * Piepenkoch = 1. Kompagniekoch, 2. überhaupt Soldat, der nur für eine kleinere Einheit oder einen kleinen Kreis von Kameraden kocht, während die Gulaschkanone den Großbetrieb, das Kochen für größere Verbände darstellt (sächs.; so genannt, weil er so häufig Piepen*71 = saure Flecke kocht (in der Sprache der Mannschaften); Kohldampf271 = Hunger; Kohldampf schieben874 = Hunger haben (bayr., Württemberg, und auch nach dem Norden gedrungen); schruppen= essen, besonders gerne gebraucht vom Verzehren 1. der vom Marketender eingekauften Lebensmittel oder 2. der Liebesgaben (bayr. 13. Inf.-Regt.); *sich den Kadaver voähauen = sich satt essen (vgl. vulgärsprachlich sich voUhauen = dasselbe); sein Sätzchen verdrücken*1 * = seine Mittagsportion U a u Q e r , Deutsche Soldatensprache.
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essen (sächs.); *sein Sätzchen picken = dasselbe (sächs.); Hrockenes Polster hinterdrehn = trockenes Brot essen, dazu *trockenes Polster = trockenes Brot (sächs.); Hrocken Polster schieben"5 = trockenes Brot essen (sächs.): Hrocken Modi schieben — trockenes Brot essen, dazu Hrocken Moäi — trockenes, gewöhnliches Kommißbrot (sächs.); Hrockenen Hanf schieben = pures Brot essen oder auch Kaffee, Tee mit trockenem Brot ohne weitere Beilage verzehren; (bei nordd. Mannschaften; alle diese Redensarten mit Hanf, MolU, Polster sind nach Analogie der Wendung Kohldampf schieben = Hunger haben gebildet) ; Hrockenen Hanf spinnen = Brot ohne Aufstrich essen (ostpreuß.); *Barras stemmen = Kommißbrot essen, besonders gebraucht, wenn es sonst nichts zu essen gibt (bayr.); *Barras inhalieren = eine nur aus Brot bestehende Mahlzeit einnehmen (bayr.); *Süizchenpicker476 = sehr hungriger Soldat, der sich mehrere Sätzchen, d. h. Mittagsportionen holt (sächs.); *die Libelle einspielen lassen"7 = einen Zug aus der Schnapsflasche tun (sächs.); * einen pfeifen -= trinken, *einen verlöten = dass. (märk. Res.-Inf.-Rg. 207); *aller Brenner = Trinker, Schnapsbruder (sächs.; Westfront); * Luder = Rausch; *ein Luder erwischen = betrunken werden (sächs.; z. B. er hat ein Luder erwischt = er ist betrunken worden); *Äroplan (mit ä zu sprechen) = Rausch; *einen Äroplan haben = besoffen sein (1. bei bayr. Truppen unter sich, 2. in der Sprache zwischen diesen und der einheimischen Bevölkerung in der Somme-, Arras-Gegend); fett 278 =betrunken (bei Gemeinen und Unteroffizieren); *Pflegersäue = Schweine, die als junge Ferkel den Feldtruppen zur Aufzucht übergeben sind (bayr.; was schon die typische Bildung Pfleger- verrät).
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Für den Begriff „schlafen* vgl. beispielsweise: rotten119 (bayr.; selten); pofeniM (sächs.); *noch in der Seeehe, Sääche liegen**1 = noch schlafen (sächs.; Seeehe = Saiche s. oben S. 53); *rollwageln — schnarchen (bayr. 17. Res.-Inf.-Regt.). 18. Soldatensprachliche Modewörter, Stillstisches.
Die allgemeine Umgangssprache führt zu allen Zeiten gewisse Modewörter, deren man sich bedienen muß, wenn man in den Augen der sie gebrauchenden Schichten vollgültig sein, den nötigen „Wurf" haben will. Solche Modewörter der allgemeinen Umgangssprache gewisser Schichten waren in den dOiger Jahren des 19. Jahrhunderts (auch noch später) z. B. partout oder toujours, zur selben Zeit, nachher und vorher notabene und à propos, während in den Jahren vor dem Weltkrieg (zum Teil heute noch) jeder Zweite ausgeschlossen oder ausgeschlossen sagen zu müssen glaubte. Als ich in den neunziger Jahren auf dem Pennal war, da spukte peut-être in der Sprache der altbayrischen Mittelschüler herum. Auch die Soldatensprache weist heute solche Modewörter auf, und sie wären zweifellos auch für die früheren Perioden ihrer Entwickelung zu buchen, wenn man bei der Sammlung darauf geachtet hätte. In der heutigen Soldatensprache sind derartige Modeausdrücke z. B. : * Maschine bezw. * Maschine kaput (beim bayrischen Soldaten in Frankreich: *Maschine kaput kann alles mögliche heißen und ist jeden Augenblick zu hören, wenn etwa am Gewehr etwas hapert, wenn der Wagen nicht geht, wenn der Feldkessel ein Loch hat, wenn das Feuer ausgeht, wenn der Genitalapparat erkrankt ist usf.) oder *lon oder *jamais ( = nein). Ich kenne auch letztere beide Modewörter, die
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dem oben erwähnten pennälersprachlichen peut-être zu vergleichen sind, von Bayern, vorab vom 20. bayr. Inf.Regt. Man sagt dort z. B. „heut gibt es ein bon Essen" oder „ich hab Ion Zigarren". Jamais = nein ist jeden Äugenblick zu hören. Auch das Eigenschaftswort *kriegsstark ist zum soldatischen Modewort geworden. Die Stilmittel der Soldatensprache sind ja naturgemäß nur ganz wenige. Aber sie fehlen nicht. Ich rechne hierher den bei sächsischen Truppen als Verstärkung gebrauchten und am Schluß eines Satzes oder einer Satzpartie gleich einem bekräftigenden Stempel hingesetzten Imperativ n*Frage nicht Z. B. : »Ich war gestern stark im Feuer — frage nicht !" (ich war wirklich in starkem Feuer). Oder: „Die Marmelade war mächtig Bauer — frage nichtl" (sie war wirklich fürchterlich sauer) usf. Natürlich sind derartige Stilmittel iSS wie das eben besprochene genau so wie die erwähnten Modewörter eine sprachliche Modeerscheinung. Es würde sich aber sehr verlohnen, auf derartige Modewörter und Modestilmittel auch in der Soldatensprache mehr als bisher zu achten und das sowohl nach der Seite des Gebrauches wie der Entstehung.
III. Aufgaben der soldatensprachlichen Forschung. Wir vernahmen zu Beginn in kurzen Worten das wichtigste von den literarischen Ergebnissen der bisherigen soldatensprachlichen Forschung 884 und wir horten das wesentlichste von den auf die moderne Soldatensprache bezuglichen Erkenntnissen dieses Spezialzweiges der Germanistik, der ebenso sehr der Lexikographie wie der Volkskunde angehört. Ich durfte dann einen langen, hoffentlich nicht langweiligen Bundgang durch die Soldatensprache des jetzigen Krieges führen und mancherlei buntes Volk in Trupps und einzeln vorttberpassieren lassen: kecke, oft recht wildwüchsige und junge Wortgesellen, manche aber auch von erheblichem Alter, und alle treffsicher und eindrucksstark. Diese Umschau im Wortschatz der heutigen Soldatensprache hat, denk' ich, nicht nur einen Einblick in den gegenwärtigen Charakter der Soldatensprache vermittelt, sondern sie hat auch, durch das vorgeführte Material an Beispielen sowie durch die beigefügten Erläuterungen und Noten, die wortgeschichtlichen Probleme ahnen lassen, welche die Sprache der Soldaten von 1914/17 dem Sammler dieser Standessprache, dem Spezialforscher und auch dem Laien stellt, selbst wenn er ihren Gebilden nur als interessierter Genießer gegenübersteht. Wir haben gesehen, wie ständig neues Wortgut entsteht, wie alte Bedeutungen verändert und neuen Verhältnissen angepaßt
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werden. Wir sahen anderseits, wie altes Wortgut nicht nur, als überlebt und funktionsunfähig, abgestoßen, sondern auch beibehalten, ja in einzelnen Fällen geradezu gehegt wird. Mit andern Worten, wir sahen, wie die gegenwärtige Soldatensprache in einzelnen Wörtern und Wendungen sowohl wie im Bildungsprinzip mit der alten Soldatensprache aller Perioden innig zusammenhängt. Betrachtet man das Ganze wie die Einzelheiten der heutigen Soldatensprache genauer, so wird jeder, auch der Laie, zugeben müssen, daß die auf Erklärung und Vergleich ausgehende Beschäftigung mit dem modernen soldatischen Wortschatz immer wieder auch eine Anknüpfung an das bei'eits historisch gewordene soldatische Wortgut verlangt. Unter diesen Umständen kommt die Behandlung der gegenwärtigen Soldatensprache notwendig auch der besseren Erkenntnis und vielleicht auch einer späteren großzügigen Sammlung des älteren und ältesten deutschen Soldatenargöts zugute. Denn die Vertiefung in die Gegenwart der Soldatensprache bringt automatisch auch eine Revision unserer Kenntnis der vergangenen Perioden der Standessprache des Militärs mit sich. So wird der Krieg die Veranlassung, die Richtlinien, Wünsche und Hoffnungen der soldatensprachlichen Forschung sowohl für die unmittelbare Gegenwart wie für die nähere und fernere Vergangenheit festzulegen. Diese Festlegung kann nur nach dem Positiven und dem Negativen in der bisher geleisteten Arbeit und nach der besonderen Art des heutigen Soldatenargots, das ich in den vorausgehenden Abschnitten in Auswahl zu charakterisieren versuchte, vorgenommen werden. Und damit komme ich zu den Aufgaben der p o l d a t e n s p r a c h l i c h e n F o r s c h u n g von heute und
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m o r g e n . Sie teilen sich in Aufgaben der näheren und ferneren, hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft und in Aufgaben der Gegenwart, worunter ich die vor uns liegenden Monate des währenden Krieges und der allenfalls sich anschließenden Okkupationsperiode verstehe. Die Aufgaben der Gegenwart liegen uns natürlich am nächsten; sie sind zuerst zu lösen. Das kann aber zunächst nichts anderes heißen als eine umfassende Sammlung der heutigen Soldatensprache einleiten. Die wissenschaftliche Notwendigkeit dieser Sammlung liegt so auf der Hand, daß sie einer Begründung nicht bedarf. Dagegen darf über den Zeitpunkt der Sammlung ein Wort gesprochen werden. Sie kann nur jetzt während des Krieges geschehen und nicht erst nachher, wenn der größte Teil des Wortschatzes vergessen und in das Dunkel einer mehr oder minder vagen Erinnerung geraten ist. Aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt des höchsten lexikalischen Ertrages ist die Durchführung der Erhebung des soldatischen Wortschatzes während des Krieges zu verlangen, auch vom Standpunkt der Sprachpsychologie aus kann nur eine sofortige Aufnahme zum vollen Erfolg führen. Die Forschung hat ja selten eine so gute Gelegenheit gehabt, die Entstehung und die Umbildung einer Sprache derartig genau zu beobachten, wie es gerade jetzt bei der Soldatensprache des Weltkrieges der Fall ist. Die Sammlung und Darstellung der gegenwärtigen Soldatensprache scheint mir aber nicht nur eine Aufgabe, deren Lösung dem Interesse der Sprachpsychologie, der deutschen Wortkunde und der Volkskunde entspricht, sie dünkt mich mindestens ebenso sehr im Interessenbereich der Heeresgeschichte und der Geschichte des
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jetzigen Krieges zu liegen. Auch von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet ist die einzig günstige Zeit der Sammlung die Kriegsperiode. Je eher mit der Erhebimg des Wortschatzes und mit der Gruppierung des einschlägigen Materials begonnen wird, um so größer ist nicht nur die Gewähr für die Vollständigkeit der Sammlung, sondern es ist dann auch eine erhöhte Sicherheit für die richtige Einwertung des in Frage kommenden Stoffes gegeben: man kann dem Ursprung und der Verbreitung eines Wortes jetzt wesentlich leichter nachgehen, als Monate nach dem Krieg, wo die Sprecher der Soldatensprache in alle Windrosen zerstreut sind und das Nachfragen erschwert ist, wo sie auch nicht mehr das aktuelle Interesse an der Sammlung, nicht mehr die frohe Willigkeit zum Auskunftgeben haben, weil ja andere Interessen für sie vordringlich geworden sind. Es ist eigentlich nur jetzt möglich, über zweifelhaftes Wortmaterial, das sicherlich ebenfalls bei der Erhebung hereinkommt, sich sicheren Bescheid versprechende Auskünfte zu erholen. Alles das erhöht aber die Qualität der Darstellung der gegenwärtigen Soldatensprache, die aus der einzuleitenden Sammlung erwachsen wird. Und darum können die Wissenschaft sowohl wie die Heeresleitung nur die Durchführung der Sammlung zum gegenwärtigen Zeitpunkte wünschen. Eine Hinausschiebung der Sammlung, die ja glücklicherweise heute schon gesichert ist und durch eine besondere Kommission beim Verband deutsch er Vereine f ü r Volkskunde unter Förderung durch mehrere deutsche Akademien und wissenschaftliche Gesellschaften durchgeführt wird, würde vor allem auch das Heer selbst und das Volk hinter der Front in der Heimat nicht ver-
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stehen. Das Volk vor dem Feind und das Volk in der Heimat weiß und fühlt ganz gut, daß in der Soldatensprache die Seele des Soldaten zum Ausdruck gelangt, daß sie die feinsten und charakteristischsten Ausstrahlungen der Psyche des Volks in Wehr und Waffen wie in einem Brennspiegel zusammengefaßt zeigt. Es weiß, daß die Soldatensprache ein Denkmal des Gefühlslebens seiner Söhne ist, und es macht darum auf eine zeitige Sammlung Anspruch, eine Sammlung, die ein möglichst unverfälschtes Bild der Geistes- und Gemütsverfassung des Wehrmannes und Offiziers gewährleistet. Die Wörterbuchkommission der Münchner Akademie z. B. weiß aus Hunderten von Zuschriften aus dem Feld und aus der freudigen, in der Presse veröffentlichten Aufnahme ihrer auf Bayern beschränkten Sammlungen des mundartlichen Wortschatzes des Soldaten, wie sehr die vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde eingeleitete Erhebung der Soldatensprache begrüßt und als ideelle Forderung der Stunde erwartet wird. Diese Einschätzung des Sammlungsgedankens beim Heere und bei den Zurückgebliebenen der Heimat mag ein Imponderabile sein, aber Imponderabilien sind nicht selten so wichtig, daß man sich nicht ungestraft über sie hinwegsetzen darf. So ist es denn tatsächlich der Dreibund Wissenschaft, Heer, Volk der Heimat, der die Sammlung der Soldatensprache im größten Umfang und im jetzigen Augenblick fordert. Eine Erscheinimg, die nicht gerade zu den Auspizien jeder wissenschaftlichen Unternehmung gehört!*94 Wenn es auch nicht mehr nötig ist, über die wissenschaftliche Notwendigkeit und die Organisation der Sammlung der heutigen Soldatensprache etwas zu sagen, so ist es anderseits am Platze, die wissenschaftliche
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Eigenart der kommenden Erhebung des soldatischen Wortgutes nach einigen Seiten in Kürze zu beleuchten. Die Sammlung wird nicht nur die sogenannte Schützengrabensprache, die ja nur die Standessprache der Fußtruppen im Stellungskrieg ist, sondern die gesamte Soldatensprache umfassen: die eigentliche Feldsprache, die Sprache der Etappentruppen und die Sprache der Garnisontruppen. Erst dieser weit gespannte Umfang erlaubt eine reinliche Scheidung des soldatischen Wortgutes in den Wortschatz der Feldtruppen und der Oarnisontruppen, den Wortschatz der Kriegszeit und der Friedenszeit. Durch die Einziehung aller Heerespflichtigen bis zum 45. Lebensjahr einschließlich erhalten wir aber die fernere Möglichkeit, nicht nur die während des Krieges und bei den jüngsten Jahrgängen üblich gewordene Soldatensprache abzufragen, sondern wir sind vor allem auch in die Lage versetzt, den soldatischen Wortschatz der älteren und ältesten, längst nicht mehr Übungspflichtigen Jahresklassen der Zeit von etwa 1890 bis Kriegsbeginn festzustellen. Es ist uns damit ermöglicht, eine Nachlese und Nachkontrolle zu der Arbeit von Horn durchzuführen, die im höchsten Grade erwünscht ist. Denn durch den Fragebogen, den der Verband deutscher Vereine für Volkskunde seiner Sammlung zu Grunde legt (am Schluß abgedruckt), wird ja das Erinnerungsvermögen der älteren Kriegsteilnehmer, deren Ausbildung lange vor den Krieg, in die Zeit Horns und auch eine ganze Anzahl von Jahren vor dem erstmaligen Erscheinen seines Buches fällt, aufgefrischt und für die Erhebung nutzbar gemacht werden. Wir können also die Sammlung von der Gegenwart ausgehend bequem bis in die Vergangenheit — rund 24 Jahre — herein-
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erstrecken. Eine so günstige Gelegenheit zu einer Nachlese des älteren soldatischen Wortschatzes wird nie wiederkehren. Auch von dieser Seite her betrachtet spricht alles für die Veranstaltung der Sammlung während des Krieges, wo wir alle diese alten Leute, deren Ausbildungszeit weit zurück liegt, beisammen haben. Es wären natürlich noch manche Forderungen und Wünsche aufzuzählen, welche die Wissenschaft an die systematische Sammlung und nicht zuletzt an die Verarbeitung des soldatischen Wortschatzes zu stellen hat. Manche davon sind methodologischer Natur 886 . Es scheint mir aber hier nicht der Ort und die Stunde zu sein, mich darüber weiter zu verbreiten. Dagegen glaube ich eine andere Forderung doch auch an dieser Stelle wenigstens streifen zu müssen. Es wäre in hohem Grade wünschenswert, wenn wir möglichst ausgedehntes V e r g l e i c h s m a t e r i a l aus den n i c h t d e u t s c h e n Sold a t e n s p r a c h e n erhielten. Das ist allerdings nur möglich, wenn in den nichtdeutschen Ländern, die ihre Heere mobilisiert haben oder sie zum Schutze ihrer Neutralität in Bereitschaft halten, ähnlich wie bei uns gesammelt wird. Es könnten hierfür sowohl die Internierten in der Schweiz wie anderwärts, als die Kriegsgefangenen in Deutschland und Österreich ausgenutzt werden. In Serbien und Montenegro z. B. könnten diese Erhebungen, da die Völker dieser Länder, soweit sie nicht mehr gegen uns kämpfen, sozusagen Frieden und Ruhe zum Nachforschen über die Vergangenheit haben, durch die Heeresleitung selbst oder deren Beauftragte vorgenommen werden. Ebenso könnte polnisches Material mit verhältnismäßiger Leichtigkeit beigeschafft werden. Ein ganzes griechisches Armeekorps liegt bei uns friedlich
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in Görlitz. Sollte man die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen und das Soldatenargot dieser Truppen nicht ebenfalls einzuheimsen suchen? Das wäre eine schöne Aufgabe für unsere Byzantinisten ! Der Ertrag der Sammlung, die ja innerhalb des griechischen Gebietes fortgesetzt werden könnte, käme dann auch dem Wörterbuch der neugriechischen Volksmundarten zugute, das in Aussicht genommen ist 288 . Frankreich besitzt übrigens in L. Sainéans vom Kriegsministerium gefördertem Buch „ L'Argot des tranchées d'après les Lettres des Poilus et les Journaux du Front" einen, allerdings nur recht flüchtig hingeworfenen, Vorläufer einer Sammlung seines soldatensprachlichen Materials. Am besten geschähe natürlich auch bei unsern Gegnern die Feststellung des Soldatenwortschatzes aus dem Munde seiner Gebraucher durch einen systematischen Fragebogen. Was von unsern Gegnern erhofft werden darf, das muß von unsern Verbündeten erwartet werden. Das vielsprachige österreichische Heer müßte, wenn es sich dem Vorgehen des Deutschen Reiches anschlösse, eine Menge deutseben, nord- und südslavischen wie romanischen, ja sogar türkischen Vergleichsgutes beibringen. Das bulgarische Heer sollte sich von der Sammlung des soldatischen Wortschatzes gleichfalls nicht ausschließen. Man liest gegenwärtig von den Bemühungen, eine türkische Philologie im osmanischen Reiche zu begründen, man hört von einer Kommission zur Schaffung eines türkischen Wörterbuches in Konstantinopel. Diese neue Kommission würde eine aktuelle Aufgabe ihrer Bestimmung lösen und der vergleichenden Lexikographie gute Dienste tun, wenn sie für eine Sammlung der Soldatensprache der osmanischen Truppen Sorge trüge. In der
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deutschen und romanischen Schweiz ist die Sammlung der Standessprache des Heeres bereits seit längerem und von amtlicher Stelle eingeleitet. Das scheinen mir Wünsche, die so lange geäußert werden müssen, bis sie verwirklicht sind. Der Nutzen — z. B. auch für die Volkspsychologie — liegt auf der Hand. Die Durchführung von Parallelsammlungen bei unsern Verbündeten, in der Schweiz und bei den sonstigen Neutralen, namentlich im sprachverwandten Holland und in den skandinavischen Staaten sowie bei unsern Gegnern ist aber vor allem von zwei weiteren Gesichtspunkten aus wichtig, die ich doch wenigstens aufzeigen möchte. Der eine betrifft die Abwanderung deutscher Soldatenworte in die Schweiz und nach Österreich, vielleicht auch in nichtdeutsche Sprachgebiete, der andere hängt mit der Möglichkeit der Übersetzung fremden Wortgutes ins Deutsche sowie mit der Übernahme von soldatischen Austriazismen und schweizerischen Alemannismen zusammen. Das Wichtigste aber ist und bleibt natürlich die Durchführung der Sammlung bei den deutschen Kontingenten selbst. Ich denke, die Aufgaben der soldatensprachlichen Forschung der Gegenwart liegen klar und scharf umrissen vor uns. Es heißt, die Stunde nützen, den Wortschatz des Soldatenargots in möglichster Vollständigkeit sammeln und der Vergessenheit entreissen. Haben wir den Schatz dann in der Scheuer, dann ist die Zeit gekommen, die Soldatensprache von heute nach ihrem Wesen, nach der Eigenart ihrer besonderen wortkundlichen, sprachpsychologischen und volkskundlichen Probleme darzustellen. Diese Darstellung wird den Reichtum der soldatensprachlichen Synonymik aufschließen,
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sie wird im ganzen wie im einzelnen Fall, soweit das möglich ist, das Bildungsprinzip und die Struktur zu erfassen und zu beschreiben suchen müssen, die in der Soldatensprache wirksam sind, die ihre Lebendigkeit, ihren wissenschaftlichen und künstlerischen Reiz schaffen. Wir haben die Pflicht, die wissenschaftliche und nationale Pflicht, diese Aufgaben der Sammlung und der Beschreibung des soldatischen Wortschatzes wahrzunehmen und uns für jetzt und die kommenden Jahre auf deren Lösung zu beschränken. Erst dann dürfen wir an die Aufgaben der Zukunft, die einen Aufschub erleiden können, herantreten. Die Sammlung und Bearbeitung der heutigen Soldatensprache wird die Forschung ja nicht nur während des Krieges beschäftigen, sie wird auch in einen heute noch nicht näher bestimmbaren Teil der Friedenszeit hineinreichen. Aber der Geist eilt, wenigstens in seinen Wünschen, vorwärts und sucht sich schon jetzt im allgemeinen über die ferneren Tagen vorbehaltenen Aufgaben der Erforschung der Soldatensprache im engeren und weiteren Wortsinne zu orientieren. Das ist nicht etwa nur Freude am Spiel des Geistes, der gerne in weite und immer weitere Horizonte schweift, es ist vielmehr der Ausdruck einer vollständigen Erkenntnis der heutigen Soldatensprache selbst. Laufen doch vielerlei Kanäle hin und wider zwischen dem heutigen Soldatenargot und der militärischen Amtssprache, der militärischen Terminologie, zwischen dem Soldatenwortschatz der Gegenwart und jenem der bereits oder nahezu historisch gewordenen Perioden unseres Volkslebens. So wird es sich denn eine spätere Zeit angelegen sein lassen müssen, ein wirklich wissenschaftlichen Erfordernissen entsprechendes Wörterbuch der offi-
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ziellen Terminologie des deutschen, des österreichischen und deutsch-schweizerischen Heeres zu schaffen. Sie wird ferner den militärischen Kanzlei- und Amtsstil zu untersuchen haben, der ja auch nach mancher Richtung wieder auf die Umgangssprache der Offiziere abfärbt. Sie wird außerdem den soldatischen Wortschatz des Spätmittelalters und der Neuzeit bis zu dem Zeitpunkte, mit dem die gegenwärtige Soldatensprache einsetzt — also etwa bis an das Jahr 1890 heran —, in großem Stil zu sammeln, zu untersuchen und darzustellen haben. Wenn sie weitsichtig ist, so wird sie gut tun, mit der Sammlung der Soldatensprache etwa aus der Zeit von 1850 bis gegen 1890 nicht zu lange zu warten. Das bringt die Natur dieser besonderen Sammlung mit sich. Es kann sich gewiß nicht darum handeln, die Soldatensprache dieser vier Jahrzehnte vollständig sammeln zu wollen. Dazu ist die Zeit längst versäumt: trotz Horn, der ja naturgemäß nur den Anfang machen, nur eine Auswahl, nur eine Anregung geben konnte, was Übrigens auch für die qoch früheren Perioden der deutschen Soldatensprache gilt. Aber die Sammlung ist deshalb nicht unwichtig, wenn es sich auch nur noch um Reste handeln kann, weil wir im soldatischen Wortschatz des Zeitraumes von 1850 bis 1890 die unmittelbare Vorstufe des Wortvorrates der Soldatensprache des gegenwärtigen Heeres sehen müssen. Der zweite Grund, weshalb diese Einerntung von Resten nicht allzu lange aufgeschoben werden sollte, ist der, daß doch immerhin noch manche Vertreter der in jenen Jahrzehnten soldatisch ausgebildeten Generationen leben und somit zu unserer Verfügung stehen. Ich glaube keinen Augenblick daran zweifeln zu dürfen, daß diese Alten mit Vergnügen in
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ihrer Erinnerung herumsuchen würden, wenn man mit einigen das rückschauende Gedächtnis schärfenden Anhaltspunkten sie unterstützte. Hier wäre auch Gelegenheit gegeben, die mancherlei korporativen Vereinigungei alter Feldzugssoldaten und ehemaliger Heeresangehöriger zu Nutz und Frommen der Wissenschaft und der Geschichte unserer Armee arbeiten zu lassen. Sammeln wir und bearbeiten wir die Soldatensprache des jetzigen Heeres und vergißt eine spätere Zukunft die oben skizzierten Aufgaben nicht, die wir heute in pflichtgemäßer Beschränkung zurückstellen müssen, dann wird der Weltkrieg, so sehr er Werte zerstört, auch wiederum positive Werte schaffen, für die die Germanistik als Wissenschaft vom Deutschtum und unser ganzes Volk, vorab das im Heer organisierte, dankbar sein wird.
Anmerkungen. 1 Erscheint im ,Sammler* der Manchen• Augsburger Abendzeitung. * Zeitschrift des Allg. Deutschen Sprachvereins 14, 122 ff. ' Es ist vor allem K l u g e s Zeitschrift für deutsche Wort* forschung, die sich auch auf diesem Gebiete der Lexikographie historische Verdienste erworben hat, zu nennen. * Man vergleiche auch hierzu meine Ausführungen a. a. 0 . (Anm. 1) und Jahresbericht der Kommission für die Herausgabe von Wörterbüchern bayrischer Mundarten (Akademie der Wissenschaften in München) 1916, S. 8 u. ff. 4 Wörterbuch der Deutschen Sprache, Braunschweig 1810, Bd. IV s. v. * Rotwelsch, Studentensprache u. fi. ' Andere von Horn als soldatensprachlich aufgeführte Wörter sind allgemein altbayrisch und gehören überhaupt nicht in das Buch: so Fäustling = Handschuh ohne Finger (S. 64), alle S. 82 [Z. 4 v. u. ff.] verzeichneten Redensarten. 8 Das ist bei Montur = Männerkleidung der Fall, das seit langem in vielen Mundarten (altbayrisch z. B. Muntua) allgemein üblich ist, aber aus der Kaserne stammt. 9 Nach der Ähnlichkeit mit dem Setlentopf, einem zu Allerseelen (2. November) hergestellten Gebildebrot in Zopfform, der das Ornament der Achselstücke gleicht. Hier ist das Wort an sich allgemein bayrisch mundartlich, die Spezialbedeutung aber (s. o. S. 6) rein bayrisch soldatensprachlich. 10 Typ Schusterbub (s. o.). " Typ Furztbus (s. o.). 1S Typ *Kartoffelstampfer, Seelenzopf (hinsichtlich der Sonderbedeutung). Man denke an die psychischen Antriebe, unter denen etwa in der Schülersprache die Verhöhnung der Vorgesetzten (Lehrerschelte) zustande kommt! Maußer, Deutsche Soldatensprache. c
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Natürlich wird mancher Aasdruck, dessen Entstehung wir ohne näheres Nachforschen heute zunächst auf den Krieg zurückführen müssen, vielleicht lange vorher schon existiert haben. Die wirkliche Entstehungszeit muß eben in jedem einzelnen Fall erst festgestellt werden, Die Erinnerung der Kriegsteilnehmer an ihre Friedensdienstzeit wird dieser Seite der Chronologie des soldatischen Wortschatzes gute Dienste tun. " Ich bediene mich im folgenden der nachstehend verzeichneten Abkürzungen: allg. = allgemein bad. = badisch bayr. = bayrisch (altbayr. = altbayrisch, niederbayr. = niederbayrisch) hess. = hessisch nordd. = norddeutsch österr. = österreichisch pfälz. = pfälzisch (oberpfälz. = oberpfttlzisch) preuß. = preußisch (ostpreuß. =: ostpreußisch, westpreuß. = westpreußisch) sächs. = sfichsich = schleswigisch Schleswig. schwfib. = schwäbisch westd. : westdeutsch Württemberg. - württembergisch vgl. = vergleiche. Dazu die übrigen allgemein üblichen Kürzungen! " Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 17 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 18 Der Name gehört zu den Kürzungsworten. " Vgl. Bumber, Pumper (Horn S. 31). " Fehlt Horn (S. 81) in dieser Form, die sehr verbreitet ist; s. bei ihm Fussbumber. " Vgl. Feldheimer (auch Feldbumber) Horn S.31; 1870/71 bei den Bayern = Feldartillerist. S. ferner Hasen (Horn S. 40): bei den Bayern und Österreichern die kleinsten Leute einer Abteilung. 31 Fehlt Horn in dieser verschobenen Form; YgL bei ihm Piäcerköppe = Artilleristen bei der Marine (S. 38). a S. Horn S. 31 : schon 1870/71 nachgewiesen.
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''' Zur Bildung vgl. Spielhengst (Horn S. 34) = Spielmann. Vgl. Horn S. 25. Die Benennung wird meist mundartlich, also Hannas ausgesprochen. 26 Vgl. Muschko Horn S. 25 (ohne genaue Angabe des Verbreitungsgebietes !) 27 S. Horn S. 24. 28 Zu Sandhase s. Horn S. 32. Die Erklärung des Wortes *Sehnickel bereitet noch große Schwierigkeiten. 29 Vgl. HornS. 31 Dreckstampf er (wie weit eigentl ich vorbreitet ?). 80 Fehlt Horn in dieser Bedeutung : vgl. S. 32 Maulwürfe — Pioniere. 31 Die Bildung, aus Infan-tristen, wenn man will, verdeutscht, soll sich nur bei Studenten im Heeresdienst finden. 82 Ausdeutung des Namenszuges M-J (Max-Joseph) auf den Achselklappen. 33 Ausdeutung des Namenszuges auf den Achselklappen: M-E = Max-Emanuel. Derartige auf scherzhafter Ausdeutung beruhende Regimentsnamen dürften in den deutschen Kontingenten in sehr großer Zahl umlaufen. 34 Angeblich dadurch entstanden, daß die Angehörigen beim Signal zum Fourageholen für die Kavallerie irrtümlich und mit Schüsseln versehen zum Essenholen antraten. Auch derartige, auf Weilheimereien der betreifenden Regimenter zurückgeführte Namen dürften sehr häufig im Heere zu finden sein. 35 S. Horn S. 30. 30 S. Horn S. 32 (ohne Verbreitungsangabe). 37 S. Horn S. 33 (ohne Verbreitungsangabe). 18 Vgl. leichte Infanterie = Flöhe (wo verbreitet?). Horn S. 106. 39 Die bei Horn S. 40 gebuchta und leider außerordentlich schlecht erklärte Benennung Aluminiumsbataillon = 4. Bataillon kann nur äußerlich verglichen werden. Ich sehe in der Bildung Aluminiumssoldat nichts weiter als ein harmlos-boshaftes Wortspiel, das den Bestandteil Armierungs- zu Aluminiums- umdeutet. Zu dieser Umdeutung, die letzten Endes auch ins Gebiet der Lautsubstitution fällt, mag ja die frühere Bezeichnung Aluminiumbataillcm — 4. Bataillon mitgewirkt haben. Dieser Name scheint übrigens dadurch entstanden, daß die jungen vierten Bataillone mit 25
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den zur Zeit ihrer Errichtung in Aufnahme kommenden Aluminiumgeschirren ausgerüstet wurden, während die Angehörigen der alten Bataillone mit den aus gewöhnlichem Blech hergestellten Feldflaschen usf. sich begnügen mußten. Nachdem Aluminiumsoldat = Schipper einmal gefunden war, war es ein leichtes, in der harmlosen Verulkung, mag sie auch nicht besonders geistreich sein, einen Schritt weiter zu gehen und den armen Schipper vom „Alummiumsoldaten" zum Bleisoldaten zu verwandeln. Bei der Annahme einer anderen Erklärung, die direkt eine Übertragung von „Bleisoldat" = Kinderspielzeug annimmt, scheint mir der Bildungsprozeß nicht richtig erfaßt. 40 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. Vgl. Note 39 und Bleisoldat bei Horn S. 127 = Soldat, der eine Quecksilberkur durchmacht. 41 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 42 Fehlt Horn in dieser Bedeutung; bei Horn S. 82 nur in der Bedeutung „Pioniere" (noch und wo verbreitet?). 43 Fehlt Horn in dieser Bedeutung; vgl. S. 32, 44. 11 Fehlt Horn in dieser Bedeutung für die neuere Zeit (S.28) 45 Zu Spielmops vgl. Horn S. 34 (ohne Verbreitungsangabe!). 46 Vgl. Spielhengst, Blechpfeifer, Blechtuter usf. Horn S. 34. Wie weit verbreitet? 47 S. Horn S. 55. Wie gewöhnlich wiederum ohne genaue Verbreitungsangabe! 48 S. Horn S. 36. 49 Fehlt Horn in diesem Sinn; s. S. 56, 36. 60 S. Horn S. 36; „Ohne Führer ist er verloren." 51 Vgl. Sommerleutnant (Horn S. 54) = Offizier de3 Beurlaubtenstandes. 62 Vgl. Satzkarpfen und Karpfen Horn S. 36. 53 Die „Kopperer" bewähren sich häufig — nach der Mitteilung eines Offiziers — als gute Soldaten und Exerzierer. 64 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 55 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 66 Fehlt Horn in diesem Sinne. Vgl. Gefechtsesel, synonym Gefechtskamel (S. 72) = Pferd des Kompagniechefs, sowie namentlich österreichisch (Horn S. 57) Generalstabsesel = Adjutant (heute noch verbreitet?).
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" Zu Wichter s. Horn S. 39: ohne jede Verbreitungsangabe. M Zu der Gedankensphfire, ans der heraus das .Kaffeeweib" entstanden ist, vgl. die österreichische Bezeichnung des Offiziersburschen (Horn S. 39) als bliteblauer Zuckerbäcker. M = FestungsS. Horn S. 36. 59; vgl. Festungttchtcamm soldat in Österreich (Horn S. 78). M Fehlt Horn in diesem Sinne. 41 Vgl. die Bezeichnung der dreijährig Freiwilligen in der Friedenszeit als dreijährig Mutwillige (Horn S. 37). 41 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. " Vgl. Horn S. 55. 44 Die Bedeutung Latte = Feldwebel ist Horn ebenfalls unbekannt. Vgl. aber Spieß und den Umstand, daß .Spieß' wie „Latte* zunächst den vom Feldwebel wie Offizier getragenen Säbel und Degen bezeichnet (Horn S. 55, 68). 41 Vielleicht aus „Portep^ejunge* entstanden. Man kann auch darauf verweisen — gerade angesichts des sehr satirischen Charakters dieser Bildung —, daß nach Horn (S. 38) früher der Offiziersbediente Junge hieß. 64 S. (Horn S. 50) Häckselmajor = Gefreiter als Stellvertreter des Futtermeisters bei der Kavallerie. 47 S. Horn S. 33; schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts nachweisbar. 44 Fehlen Horn in dieser Bedeutung. Man kann vielleicht auf österreichisch Militärbube = Kadett (Horn S. 56) verweisen. 44 Fehlt Horn in diesem Sinne. 70 Horn kennt das Wort (S. 59) im Offiziersjargon als Silbstbezeichnung eines Offiziers, der abkommandiert war und wieder zu seinem Truppenteil zurückgekehrt ist. Vgl. aus dem Jahre 1870/71 (Horn S. 59) Etappenonkel = Etappenkommandeur. Diesem Onkel steht eine Etappenseele, d. i. ein Bürosoldat, zur Seite. Leben beide Ausdrücke im jetzigen Krieg? " Fehlt Horn (S. 57) in dieser Bedeutung. S. dort Blechtchmiede — Geschäftszimmer des Adjutanten (unter Offizieren üblich). 13 Nur der Feldwebel trägt nach Horn zu dessen Zeit (S. 55) und zwar bei bayr. Kontingenten diese Benennung. Der bayr. Soldat nennt den Feldwebel heute noch so.
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" Fehlt Horn in dieser Bedeutung. S. oben S. 26. 30. '* Die Benennung ist zweifellos vom Helm hergenommen, der gerade bei bayrischen Truppen nicht ungeine Kübel genannt wird. (Vgl. oben S. 29, Note 134.) ™ Die Bezeichnung rührt angeblich daher, daß der Franzose, getroffen, sofort mit 0 lala! zu jammern anfängt. 78 Fehlt Horn in dieser Bedeutung; s. dort S. 24 Schangel als eine bei den altdeutschen Kameraden übliche Benennung des elsftßischen Soldaten. " Daa Wort ist geprägt nach dem französischen, unseren Truppen besonders als Sturmbefehl bekannten Kommando Tont le monde en avant! " Die Benennung geht aus von dem Geschoßgeräusch beim Einschlag, das als Peng gehört wird. Die Analogie zu italienischen Familiennamen ist klar. ™ Die Benennung ist gebildet nach dem Gchöreindruck, den die Arbeit eines Maschinengewehrs macht und der an die Tätigkeit des Dachdeckers erinnert. Vgl. oben S. 24 Nähmaschine = Maschinengewehr. M Franzi bei Horn in anderer Bedeutung vorhanden! Vgl. u. S. 23 verzweifelter Emil = eingespanntes tiewehr (bayr.) usw. und die Personennamen fQr Geschütze, Batterien, Munition, Maschinengewehre S. 2 0 - 25. S. Horn S. 41; auch dort speziell für sächsische Truppen gebucht (für den Krieg 1870/71!). " Nach der österreichischen Koseform Schani = Hans. •* Vielleicht nach der gelben Farbe der Stehkragen an der Uniform gewählte Benennung? M Vgl. Spritze = Gewehr (Horn S. 65); s. auch Kugelspritze = Mitrailleuse und das folgende Wort. "3 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. Bei ihm (S. 95) wird der Schnaps als „sanfter Heinrich' bezeichnet. M S. S. 21. Vgl. den Geschütznamen .Wilder Mann" aus dem 16. Jahrh. (bei Fronaperger, Horn S. 45). M VgL zur Benennung der Geschütz« mit Taofnamen Horn 8. 45 ff. Von den nicht zu vielen dort verzeichneten Namen, nnter denen besonders anch eine ziemliche Anzthl weiblicher sich be-
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finden, kann eigentlich nur einer mit den Geschützbezeichnungen des jetzigen Krieges verglichen werden: der im Feldzug von 1818 für ein russisches Geschütz gebrauchte Name de olle Fritz. Die „dicke Berta" wird auch Brummer genannt: diese Geschützbenennung ist nicht modern, sie begegnet schon im 18. Jahrh. für eine bestimmte Geschützgattung (Horn S. 66). 89 Diese Benennung ist jedenfalls 'wiederum nach dem gehörsmäßigen, an den Auerhahnruf gemahnenden Eindruck gebildet. 90 Vgl. HÖllerihund als Name für eine Kanone in der Armee des Kurfürsten August von Sachsen (Horn S. 45). 91 Vgl. an älteren Geschütznamen der einschlägigen Art bei Horn 8. 45 ff.: Faule Grete, löse Else, faule, scharfe Mets (== Mechtild), Sybille, Helena und andere antikisierende Namen, sowie als einzigen männlichen den oben erwähnten ollen Fritz (Anm. 88). 92 Das Geschütz ist so benannt 1. wegen seiner Kleinheit und 2. wegen seiner relativen Wirkungslosigkeit. 93 Vgl. die Synonymbezeichnung Lausbubengesehütz und Anm. 92. 94 Vgl. Horn S. 114: es bummt vom Explosionsgeräusch beim Schießen, gebraucht in der Feldsprache des Jahres 1870/71 (bei welchen Truppenteilen?). — Man vgl. zu diesen und den folgenden Benennungen des französischen 7,5 cm-Gesehützes, die außerordentlich deutlich vom Gehörseindruck eingegeben sind, ähnliche ältere, zum Teil schon oben gestreifte Geschützbenennungen, also z. B. die großen Brummers (18. Jahrh.); Knalldroschke (wann aufgekommen ?); Purrhindurch, Kerrerin, eine alte Bezeichnung, die ich vom Explosionsgeräusch hergenommen finde und mit dem Verbum leerren, Tcirren = weinen, winseln, gurgelnd heulen zusammenbringe. „Kerrerin" wäre also dann = Heulerin, „Keiferin". Vgl. diese Namen bei Horn S. 46, 66. Horn hat auf das akustische Prinzip in der Benennung der Geschütze weniger geachtet, als es am Platz gewesen wäre. 95 Man vgl. zu dieser Benennung der Batterien und der Munition mit Vornamen die oben Anm. 88, 91 besprochenen, für einzelne Geschütze gebrauchten Taufnamen. Es ist sehr fraglich, ob man bei der Benennung der Munition mit dem Namen Emil an die schon von Horn gebuchte, dem Offiziersjargon angehörende Bezeichnung feiner Emil — dandyartiger, gigerlmäßiger Offizier er-
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innern darf. Man sollte den Gründen der Benennung gerade der Munition mit Taufnamen einmal genau nachgehen. Die Feldzugsteilnehmer könnten darüber wohl Aufschluß geben. 66 Vgl. Knalldrosclike als Geschützname, Horn S. 66. 97 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. Der württembergische Soldat sieht nach Horn (S. 104) „den schwarzen Mann", wenn er schlapp wird. Doch dürfte schwerlich eine innere Beziehung zwischen dem Geschütznamen und jenem württembergischen Ausdruck für den Eintritt körperlicher Schwäche bestehen. 98 Fehlt Horn als Grundwort; siehe dort (S. 67) Zuckerhütchen — Granaten, belegt aus Ditfurth, Historische Volkslieder der Zeit von 1756—1871. 99 Fehlt Horn in dieser Bedeutung. 300 S. Bäbe = Aschkuchen, Gugelhupf (sächs.). 101 Infanterieausdruck, Horn (S. 45 ff., 67) in dieser Bedeutung fehlend. Horn kennt Halsabschneider (S. 86) als Benennung des Bottliers auf dem Schiffe, des Schiffkantinenwirts, so genannt, weil er zu teuer ist. 102 Vgl. Knalldrosclike (Horn S. 66) und Knalldrosclikenkutseher = Feldartillerist (Horn S. 31; wo üblich?). 103 S, u. S. 39. 104 S. o. Anm. 94. 105 Der Einsender bemerkt: „Vielleicht eine Erinnerung an die dunkel gestrichenen "Wagen der Wohlfahrtspolizei in Dresden, grüne Minna' genannt." In diesem Falle wäre an Bildungen wie „Leichemca