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German Pages 277 [284] Year 1917
Preußen und Rheinland von 1815 bis 1915 Hundert Jahre politischen Lebens am Rhein
Von
Joseph Hansen
Bonn 1918 A. M a r c u s & E. W e b e r s V e r l a g Dr. jur. Albert Ahn ©
Vorwort. D a s vorliegende Buch i(t ein revidierter, in zahlreichen Einzelheiten ver» befferter und an verfchiedenen Stellen auch erweiterter Sonderdruck der Dar« ltellung des politifchen Lebens in der Rheinprovinz, die ich zu dem im ver= garigenen Jahre von mir herausgegebenen Sammelwerke: Die Rheinprovinz 1 8 1 5 — 1 9 1 5 , Hundert Jahre preußifcher Herrfchaft am Rhein (zwei Bände, Bonn, A . Marcus und E. Weber, 1 9 1 7 ) , beigefteuert habe. Auf diefes Sammel* werk beziehen fich auf den folgenden Blättern die Zitate aus Band I und Band II. Wie das ganze Sammelwerk fich die Aufgabe (teilt, den Prozeß der Affimi= lation zwifchen Preußen und den Rheinlanden während des er|ten Jahrhunderts, das fie unter dem preußifchen Szepter verbracht haben, auf den vermiedenen Lebensgebieten zur Anfchauung zu bringen, |o verfolgt die vorliegende Dar= (tellung der politifchen Entwicklung diefes Ziel auf ihrem befondern Felde. Sie führt das politifche Leben der Provinz im Rahmen der preußifchen und deutfehen Gefchichte diefer Zeit vor Augen. Dabei handelt es fich um einen erften Verfuch, der nach Lage des vorhandenen und des zugänglichen Quellenmaterials ebenfo wie im Hinblick auf die vorliegenden älteren Vor« arbeiten nicht ganz gleichmäßig ausfallen konnte. An wifienfchaftlich orien« tierten und zufammengefaßten rheinifchen Quellenpublikationen fehlt es f ü r das ganze »9. Jahrhundert noch fehr. F ü r die Zeit bis 1850 find aber die hand= fchriftlichen Quellen, und zwar fowohl die amtlichen Akten der Berliner Zentral» behörden und der Provinzialbehörden als äuch die fchriftlichen Nachläffe der führenden Perfönlichkeiten, durchweg zugänglich. Seit einer Reihe von Jahren habe ich aus ihnen eine größere Quellenpublikation vorbereitet, deren er|ter Band fich augenblicklich im Drude befindet (vergl. S . 256). Das ijt den erften vier Kapiteln des vorliegenden Buches fehr zu gute gekommen, ebenfo wie die reiche Fülle von gedruckter Literatur über diefe Periode, die neuerdings er« fchienen i(t. F ü r die Zeit nach 1850 find dagegen die amtlichen Quellen größten» teils noch unzugänglich; handfchriftliches Material von Bedeutung lag daher für das fünfte und fechfte Kapitel in erheblich geringerem Umfange vor. Statt feiner trat f ü r diefe Jahrzehnte das Zeitungswefen um fo mehr in den Vorder» grund, als einerfeits die Prefle fich in ihnen, befreit von den Feffeln der Zenfur,
IV
•
Vorwort
ungehemmt und vielfeitig zu entfalten vermochte, anderfeits aber die fonftige gedruckte Literatur, wie unfere öberficht Seite 249—256 erweift, nach 1850 wefentlich dürftiger i(t als f ü r die voraufliegenden Jahrzehnte. Der im Jahre 1 9 1 4 ausgebrochene Weltkrieg und die im Gang befindliche Reform der innern Politik des preußifchen Staates, die fich in feinem Verlauf als unumgänglich erwiefen hat, haben dem erften Jahrhundert preußifcher Herrfchaft am Rhein den Charakter einer in fich völlig abgefchloffenen Periode verliehen. Es ift daher wahrfcheinlich, daß fich die hiftorifche Forfchung nach dem Kriege diefem Zeitraum ftärker als bisher zuwenden wird. Sollte dabei das vorliegende Buch anregend und wegweifend zu wirken vermögen, fo würde das von mir als fein fchönfter Erfolg begrüßt werden. K ö l n , im März 1 9 1 8 .
Hansen.
Inhaltsüberficht. Erftes Kapitel ( 1 8 1 5 )
Seite
1—22
Fremdherrfchaft und Nationalbewußtfein S . 1—4. — Die preußifche Re» form 1 8 0 7 — 1 3 und der nationale Gedanke S . 5—7. — Einwirkung auf die Rheinlande S . 8. — Proviforifche Verwaltung der Rheinlande 1 8 1 4 — 1 5 S . 9. — Regierung und Volk in Preußen 1 8 1 4 — 1 5 S . 1 0 — 1 2 . — Rheinifche Wünfche bezüglich der Volksvertretung 1 8 1 4 S . 1 3 — 1 4 . — Preußifche oder öfterreichifche Vorherrfchaft in Deutfchland, Kaiferidee S . 1 5 — 1 6 . — Befitzergreifung der Rheinlande durch Preußen im Frühjahr 1 8 1 5 S . 17—20.—Verfaffungsverfprechen und Frage der preußifchen Hegemonie S . 2 1 — 2 2 .
Zweites Kapitel
(1815—1824)
22—58
Grundfätzliches über die preußifche Verfaffung und die wefteuropäifchen Konftitutionen, organifcher Aufbau der Verfaffung S . 22—24. — Kompetenzen der Volksvertretung, beratende oder befchließende Stimme S . 25—26. — Volks« fouveränetät und Gewaltenteilung S . 27—28. — Das Vereinbarungsprinzip S . 29. — Fortfehritte der Reaktion in Berlin S . 30. — Die Armee» und Militär» frage S . 3 1 — 3 4 . — Verzicht auf organifchen Aufbau der Verfaffung S . 35. — Abwehrverfuche der Reaktion in der Provinz S . 36. — Das rheinifche Recht S . 37. — Die rheinifche Kommunalordnung S . 38. — Vergebliche Verfaffungs» beftrebungen 1 8 1 7 — 1 8 1 8 S . 39—40. — Der rheinifche Adel S . 41—42. — Stocken der Verfaffungsbeftrebungen, felbftändiges Vorgehen der Regierung in der Armeefrage, im Zollwefen und im Steuerwefen 1 8 1 8 — 1 9 S . 43—45. — Staat und Kirche S . 45—48. — Wiederaufleben der römifchen Richtung im Katholi» zismus S . 49. — Frage der gemifchten Ehen 1 8 1 5 S . 50. — Erfte kirchenpolitifche Spannung 1 8 1 7 — 1 8 S . 5 1 — 5 3 . — Verftändigung zwifchen Staat und Kirche 1 8 2 1 , epifkopalifhfche Strömung S . 53. — Wiederaufgreifen und Vertagung der Verfaffungsbeftrebungen 1819—2 t S . 54. — Entwicklung der Provinzial» (lande 1823 ohne Unterbau in Gemeinden und Kreisverbänden S . 55. — Die rheinifchen Provinzialftände 1824 S . 56—58.
Drittes Kapitel
(1824—1848)
Wiederherftellung des rheinifchen Adels 1826—28 S . 59. — Kampf um die rheinifche Kommunalordnung S . 59—60. — Kirche und Staat, Epifkopalismus und römifche Richtung S . 6 1 . — Ausgleich in Sachen der gemifchten Ehen um 1830 S . 62. — Anwachfen der römifchen Richtung in der Provinz feit 1825 S . 63. — Aufleben der preußifchen Verfaffungs» und deutfehen Einheitsbe» flrebungen am Rheine nach der Juli=Revolution 1830 S . 6y. — Denkfchriften des Fürften J. v. Salm=Dyck und von D. Hanfemann 1830—31 S . 65—69. — Ab» weifende Haltung der Regierung S . 69. — Verfiärktes Einfetzen der Reaktion 1832 S . 70. — Partikulariftifche Strömungen in der Provinz S, 7 1 . — Staat und Kirche nach 1830 S . 72 — Die rheinifchen Bifchöfe und die „Katholifche Glaubensarmee" S. 73. — Die Frage der gemifchten Ehen 1834 S . 74. — Aus» bruch des Kölner Kirchenftreits 1835—37 S . 75. — Entftehung einer Katholifchen Partei S . 76. — Beilegung des Kirchenftreits durch König Friedrich Wilhelm IV. 1840 S . 77. — Nationale Erregung 1840 S . 78. — Preußifche Verfaffungs» bewegung feit 1840 S . 79. — Rheinifche Preffe S . 80. — Die Partei der „Auto»
59—98
VI
•
Inhaltsübersicht
nomen" auf dem rheinifchen Landtag 1841 S . 8 1 . — Rheinifche Zeitung 1842 bis 45 S . 8 2 . — Landtage 1843—45, Strafgefetzbuch, Preßfreiheit, Liberale und Katholiken S . 84. — Liberales Verfaffungsprogramm 1845 S . 87. — Katholifches Verfaffungsprogramm 1845 S . 88. — Erfter Vereinigter Landtag 1847 S . 9 1 . — Liberale und Katholiken S . 93. — Soziale Spannung 1840—47 S . 95.
Viertes Kapitel
(1848—1850)
Seite
98—138
Ausbruch der Revolution, nationale Frage S . 99. — Erregung der Mafien S . 1 0 1 . — Rückwirkung der Berliner Ereigniffe vom 18. März S . 102. — Der rheinifche Liberalismus S . 103. — Minifterium Camphaufen=Hanfemann S . 104. — Zweiter Vereinigter Landtag April 1848, Zufammenbruch des preußifchen Adels S . 105. — Das Vereinbarungsprinzip und die Minifterverantwortlichkeit, parlamentarifches Syftem S . 105. — Parteibildung in der Rheinprovinz: Demo* kraten, Katholiken, Liberale S . 107. — Haltung König Friedrich Wilhelms IV. S . i n . — Armee und Kamarilla S . 1 1 2 . — Der Camphaufen=Hanfemannfche Verfaffungsentwurf vom 20. Mai 1848 S . 1 1 3 . — Die Verfaffungskommiflion der Berliner Nationalverfammlung S . 1 1 4 . — Kirchen» und Schulfragen S . 1 1 5 . — Frankfurter Parlament, Zentralgewalt, Haltung der Rheinprovinz S . 1 1 6 . — Konflikt zwifchen Frankfurt und Berlin, Juli 1848, Armeefrage S . 1 1 7 . — Entlaffung des liberalen Mini(teriums, September 1848 S . 120. — Sieg der Reaktion, November 1848, Steuerverweigerung, Oktroyierung der Verfaffung, 5. Dezember 1848 S . 1 2 1 . — Kirchen» und Schuifragen S . 1 2 3 . — Diepreußifche Hegemonie in Frankfurt, Ablehnung der Kaiferkrone, April 1849 S . 126. — Aufruhr in der Rheinprovinz, Mai 1849 S . 128. — Unionspolitik Friedrich Wilhelms IV. S . 130. — Dreiklaffenwahlrecht, Budgetrecht S . 1 3 1 . — Parla= mentarifches Syftem S . 134. — Kirchen» und Schulfragen S . 1 3 5 . — Verfaffung vom 3 1 . Januar i8yo, Olmützer Punktation vom 29. November 1850 S . 1 3 7 .
Fünftes Kapitel
(1850 —1871)
139 - 1 8 5
Politifche Lage der Rheinprovinz 1850 S . 139. — Sieg der Reaktion S . 140. — Die rheinifchen Parteien und die Preffe S . 1 4 1 . — Kirche und Staat S . 142. — Die Raumerfchen Erlaffe 1852 S . 146. — Gründung der Katholifchen Fraktion November 1852 S . 1 4 7 . — Politik der Katholifchen Fraktion 1852—58 S . 150. — Zollverein, Krimkrieg S . 1 5 3 . — Neue Aera 1858—62, Liberalismus und Katholifche Fraktion S . 154. — Der italienifche Krieg 1859—60 und das Wieder» aufleben der nationalen Einheitsbewegung S . 156. — Der Nationalverein von 1859 und die Rheinprovinz S . 158. — Preußifche Armeevorlage von 1860 S . 160. — Beginn des Verfaffungskonflikts, Fortfchrittspartei und Linkes Zentrum in der Rheinprovinz S . 162. — Unterfchied zwifchen dem vormärz» liehen und dem jungem Liberalismus S . 164. — Niedergang des katholifchen Zentrums S . 166. — Oppofltion der Rheinprovinz gegen die Regierungspolitik 1863 S . 168. — Das Minifterium Bismarck, feine preußifch=deutfche Politik 1863—66 S . 169. — Die deutfehe und die SchIeswig=HoI(teinifche Frage 1864 S . 1 7 1 . — Fortdauer der rheinifchen Oppofltion i86y—66, das rheinifche Abge= ordnetenfeft; 1865 S . 1 7 3 . — Haltung der Rheinprovinz zum Krieg mit Öfter» reich 1866 S . 1 7 ? . — Ende des Verfaffungskonflikts, veränderte Haltung der rheinifchen Parteien, Entftehung der Nationalliberalen Partei, Auflöfung der Katholifchen Fraktion 1866 S . 1 7 7 . — Indemnität und Annexionen, Preis* gäbe des parlamentarifchen Regierungsfy(tems S . 178. — Norddeutfcher Bund, die Wahlen zum Norddeutfchen Reichstag 1867, erfolglofe Beftrebungen zur Gründung einer katholifchen Partei S . 179. — Budgetrecht und Armeefrage S . 180. — Nachlaffen der rheinifchen Opposition; Niedergang der Fortfehritts» partei und des Linken Zentrums; die Nationalliberale Partei S . 182. — Sieg der innern Regierungspolitik über die rheinifche Staatsauffaffung S . 183. — Der Deutfch»Franzöfifche Krieg 1870—71, Aufrichtung des neuen Deutfchen Reichs S . 184.
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Inhaltsübersicht
Sechftes K a p i t e l
(1871—1915)
Seite 185—248
Die Reichsgründung und das politifche Leben am Rhein S . 185. — National» liberale und fozialdemokratifche Partei S . 187. — Der politifche Katholizismus S . 189. — Entftehung der Zentrumspartei 1870 S . 192. — Die Zentrumspartei im preußifchen Landtag und im deutfchen Reichstag S . 193. — Ihre Armee» und Kirchenpolitik S . 194. — Beginn des Kulturkampfes S . »97. •— Einwirkung auf die Rheinprovinz S . 200. — Einlenken der Regierung S . 202. — Die Wirt» fchaftspolitik und der innerpolitifche Umfchwung 1874—75 S . 204. — Armee» frage und Septennat 1874 S . 205. — Trennung der Regierung von der National» liberalen Partei 1879 S . 206. — Die Sozialpolitik S . 208. — Abbruch des Kultur» kampfes durch die Regierung S . 2 1 0 . — Ablehnung des Septennats durch die Zentrumspartei 1880, ihr Gegenfatz zu der Haltung des Papftes S . 2 1 1 . — Die Sozialpolitik und die rheinifchen Parteien um 1880 S . 2 1 2 . — Abbau der Maigefetzgebung 1882—87 S . 2 1 4 . — Der Septennatsftreit 1887 S . 2 1 5 . — Regierungsantritt Kaifer Wilhelms II. 1888 S . 2 1 6 . — Die rheinifchen Partei» verhältniffe um 1890 S . 2 1 8 . — Die Sozialreform von 1890, Regierung und Zentrumspartei S . 229. — Preußifcher Schulgefetzentwurf 1892 S . 2 2 1 . — Die Armeefrage 1895 S . 222. — Umfchwung der Zentrumspolitik feit 1894, Armee» vorläge 1899 S . 223. — Vordringen der Zentrumspartei in den rheinifchen Städten um 1900 S . 225. — Armeevorlage 1905 S . 226. — Volksfchulunter» haltungsgefetz 1906 S . 227. — Konflikt zwifchen der Regierung und der Zen» trumspartei; die BIock=Ära 1906—08 S . 228. — Programmatifche Erklärungen des rheinifchen Zentrums S . 229. — Vereitelung der preußifchen Wahlrechtsreform 1908—10 S . 230. — Die rheinifche Landgemeindeordnung 1 9 1 1 S . 2 3 1 . — Verhältnis der rheinifchen Zentrumspartei zur römifchen Kurie, der Gewerk» fchaftsftreit S . 232. — Konflikte in der Zentrumspartei um 1900, der Modernis» mus S . 234. — Katholizismus und modernes Wirtfchaftsleben, die „Kölner Richtung" S . 235. — Parteireformpläne der „Kölner Richtung" 1906 S . 237. — Gegenfatz der „Integralen" S . 239. — Teilnahme der Jugend und der Frauen am politifchen Leben S . 240. — Fortfehritt der Sozialdemokratie 1 9 1 2 S . 2 4 1 . — Der Konfeffionalismus und die rheinifchen Parteien S . 242. — Einwirkung der äußern Politik des Reiches S. 243. — Ausbruch des Weltkrieges 1914 S . 244. — Die Rheinlande und die bevorftehenden inneren Reformen S . 246. Q u e l l e n s u n d Literaturnachweis
249
Orts= u n d P e r f o n e n r e g i f t e r
257
Sachregifter
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Elftes Kapitel. Die Befitjergreifung der Rheinlande durch Preußen im jähre 1815. Die Vereinigung der Rheinprovinz mit der preußifchen Monarchie ift in einem weltgefchiditlichen Augenblick erfolgt, der für ganz Europa neue politische Verhältnifle heraufführte und für unfer Vaterland in den wichtigjten Fragen der Exiftenz und der Verfaßung eine neue Ordnung fchuf. Soeben hatte (ich das deutfehe Volk im Befreiungskriege aus tiefer Erniedrigung erhoben und von der Herrfchaft Napoleons erlöft. Es hatte eine nationale Wiedergeburt erlebt, und die Träger der deutfehen Idee waren nach dem Siege von der fehnenden Hoffnung erfüllt, ebenfo wie die we(teuropäifchen Völker, mit denen (ie fleh durch alten Kulturzufammenhang verbunden fühlten, die nationale Gemeinschaft durch einen das ganze Deutfchland umfaffenden und fiebernden ftaatlichen Verband zum Ausdruck zu bringen. Diefes Handeln und Hoffen aber fiel in die Epoche, wo ganz We(t* und Mitteleuropa zugleich von einer politischen Bewegung ergriffen war, die, ausgehend von der franzöfifchen Revo» lution von 1789, den fürftlichen Abfolutismus des 18. Jahrhunderts durch moderne, liberale Verfaffungseinrichtungen zu erfetzen fuchte. Die Völker ftrebten nach felb(tändigem Anteil an ihrer Regierung. Das Verlangen nach der nationalen Selbftbe(timmung und nach einer zeitgemäßen. Verfaffung, jedes f ü r fleh und die enge Verflechtung beider, erfüllten im Frühjahr 1815, als Preußen die Herrfchaft über die Rheinlande antrat, die öffentliche Meinung in Deutfchland und fo auch am Rhein. An dem Erwachen diefes deutfehen Nationalbewußtseins, das nach einem langen gefchichtlichen Umweg unfer Volk zu politifcher Einheit geführt hat, waren die Rheinlande felbßändig kaum beteiligt gewefen. Das ideelle Element diefes Bewußtfeins, die Größe und Unabhängigkeit des nationalen Gei(tes= lebens von Lefflng und Herder bis zu Goethe und Schiller, das feit 1750 ein erßes ftolzes Selbftgefühl und Gemeingefühl zu erzeugen begonnen hatte, war in den vorwiegend katholifchen Ländern am Rhein nicht bodenßändig. Die Ideenwelt des Klaffizismus und das ihm verdankte Bewußtfein, daß die deutfehe Nation die edelfte Ausprägung rnenfchhertlicher Ideale dar(telle, erblühte in den proteßantifchen Ländern Deutfchlands, und auch die Romantik, die in den nationalen Wurzeln alles Geifteslebens feinen wahren Wert und feine Eigenart erblickte, hatte ihre erften Mittelpunkte in )ena und Berlin. Erß nach 1800 Preußen und Rheinland 1 8 1 5 — 1 9 1 5 .
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Erstes Kapitel (1815)
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offenbarte am Rhein die jüngere Romantik ihre der katholifchen Weltanfchauung entgegenkommende werbende Kraft, indem (ie die Sehnfucht nach der großen vaterländifchen Vergangenheit im Mittelalter weckte. Seit Friedrich Schlegels Aufenthalt in Köln während der Jahre 1804.—1807, der hier die Verbindung der mittelalterlichen rheinifchen Kun(tblüte mit der ä(thetifch=literarifchen Zeit» ftrömung herftellte, und feit im Jahre 1808 der Koblenzer J. Görres von Heidel« berg, wo er feinen Bund mit Brentano und der Romantik gefchloffen hatte, in die Heimat zurückgekehrt war, fanden diefe Anregungen auf den Gebieten von Kunft und Literatur in den Rheinlanden einen Mittelpunkt. Mit dem politifchen Element des neuen deutfchen Nationalgefühls verhielt es (Idi anders. Das ältere nationalpolitifdie Einheitsgefühl des deutfchen Volks, der kraftlofe und zum Handeln unfähige Reichspatriotismus, war im 18. Jahr« hundert während des Auflofungsprozeffes des alten Reichs in den großen und fortgefchrittenen deutfchen Einzelßaaten, vor allem in Preußen, am ßärkjten gelockert und geradezu vernichtet worden. Dort zog fleh das politifche Bewußt* fein auf den Partikularismus des lebenskräftigen Einzelßaates zurück und gab die Verbindung mit dem allgemeinen Reichsgedanken preis. Dagegen hielt gleichzeitig am Rhein, wo neben den fürftlichen Territorien Jülich=Berg, Kleve, Kurköln und Kurtrier zahlreiche kleine Herrfchaften, im ganzen über neunzig, ihr Dafein frißeten, die kleinftaatliche Zerfplitterung und Rück(tändigkeit mehr von dem überkommenen Reichspatriotismus wach, weil der territoriale Parti« kularismus nicht befriedigte und das Reich in den politifchen Zwerggebilden herkömmlicherweife noch am meiflen Einfluß übte. Als im Jahre 1794 die wehrlofen Länder am linken Rheinufer eine Beute der Armeen der franzöfifchen Republik wurden, blieb daher noch eine Zeitlang die Hoffnung lebendig, daß die fremde Herrfchaft über diefe Länder keine dauernde Trennung von Deutfch« land bedeuten werde. Frankreich erklärte zwar fofort den Rhein als feine natürliche Grenze. Aber die Leitung des franzöfifchen Untertaneneides wurde noch im Jahre 1798 von vielen Rheinländern verweigert. Diefe Haltung hatte indeffen keine einheitliche Urfache. In den preußifchen Ländern am Nieder« rhein, zu denen das Herzogtum Kleve (feit 1609), das Fürfbentum Moers mit Krefeld (feit 1707) und ein Teil des Herzogtums Geldern (feit 1 7 1 1 ) zählten, ging fie auf das Bewußtfein der Zugehörigkeit zu dem mächtigen Staate Friedrichs des Großen zurück. Sie war alfo preußifch«politifch, nicht deutfch«national orientiert. Das wirkte auch auf die Stimmung im rechtsrheinifchen Berg ein, das zwar felbft zu Kurpfalz gehörte, aber doch durch feine örtliche Lage zwifchen Kleve und der durch ftarke Anhänglichkeit an Preußen ausgezeichneten we|fc» fälifchen Graffchaft Mark beeinflußt wurde. In den übrigen linksrheinifchen Gebieten, insbefondere in den geißlichen Kurßaaten Köln und Trier fowie in den Reichsßädten Köln und Aachen, blieb dagegen das Bewußtfein gefchicht« licher, fprachlicher und politifcher Zufammengehörigkeit mit dem übrigen Deutschland beftimmend. Es gravitierte durchweg nach Öfter reich und Süd« deutfchland, war mit einem (tarken Friedensbedürfnis gepaart und erblickte feine wenn auch fchattenhafte politifche Verkörperung in dem habsburgifchen Kaifertum. Preußen war hier als gefährlich fler Gegner diefes Kaifertums wenig beliebt; für feine ftraffe militärifche Zucht und (taatliche Difziplin fehlte das Verjtändnis, da man felbjt von dem Streben nach einer ßarken und unab« hängigen Stellung unter den europäifchen Mächten unberührt war. In Koblenz, alfo im alten Kurjtaat Trier, äußerte noch im Jahre 1800 J. Görres — der (Ich
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Elemente des Nationalbewußtseins
allerdings drei Jahre vorher mit fcharfer Satire gegen Kaifer und Reich gewendet und Frankreich als den einzig rechtmäßigen Erben des linken Rheinufers bezeichnet hatte —, Sprache und Nationalgeijt, Sitten und Gefetze diefer Länder (bänden ihrer Verbindung mit Frankreich mächtig entgegen. Aber Kaifer und Reich traten im Frieden von Luneville 1801 das linke Rheinufer an Frankreich ab, ohne daß in Deutfchland die fürftlichen Regierungen oder die öffentliche Meinung des Volkes [Ich aufbäumten. Und Preußen handelte ähnlich. Friedrich der Große hatte zwar wiederholt daran gedacht, die abgelegenen rheinifchen Außenlande gegen Erwerbungen im Often einzutaufchen, unter feinem Nach« folger war indeflen feit 1786 das Interefle der preußifchen Krone an ihren weßlichen Befitzungen erheblich gewachfen. Dennoch refignierte Preußen jetzt ohne Kampf. Im Jahre 1804 richtete dann Napoleon das kraftvolle franzöfifche Kaiferreich auf, und er befiegte 1805 Ofterreich, 1806 Preußen. Das alte deutfche Reich aber wurde 1806 zu Grabe getragen, nachdem Kaifer Franz 1804 Ofterreich zum Kaiferreich erhoben hatte. In diefen Jahren vermummten am Rhein die Hoffnungen auf Befreiung von dem fremden Eroberer. Trotz der planmäßigen Beeinträchtigung des Deutfchtums im franzöfifchen Schul* und Bildungswefen ging zwar das nationale Bewußtfein als Unterftrömung auch jetzt nicht ganz verloren. Durch Görres in Koblenz, durch Wallraf und Boifleree in Köln blieb das linke Rheinufer in einiger Verbindung mit deutfcher Literatur und Kun(t, und das rechtsrheinifche Berg gab auch jetzt feine engeren Beziehungen zum deutfcheri Geiftesleben nicht auf. Die romantifchen Ideen erfüllten die rheinifche Erinnerung mit glänzenden Bildern aus der deutfchen Vergangenheit. Aber alles das war doch zu fchwach, um zu Handlungen oder auch nur zu lauten Äußerungen zu ermutigen und ein Gegengewicht gegen die Umgeftaltung des ganzen öffentlichen und privaten Lebens in eben diefen Jahren zu bieten. In kürzerer Zeit bewirkte die franzöfifche Her rfchaft den völligen Bruch mit den noch aus dem Mittelalter (tammenden Zuftänden. Hatte fie fchon auf einen Schlag das Elend der Kleinftaaterei befeitigt, das ganze linke Rheinufer in vier Departements zufammengefaßt und dem großen franzöfifchen Staats* wefen eingegliedert, fo wurde nun auch eine einheitliche Gefetzgebung und Verwaltung auf Grund der rechtlidien Abftraktionen der franzöfifchen Republik durchgeführt. Alle gefchichtlichen Traditionen wurden zerfchnitten. Die (tän« difche Gliederung der Bevölkerung hörte auf. Bisher war der Klerus als Organ der katholifchen Kirche, der Adel auf Grund des Vorrechts der Geburt, die Stadt infolge ihrer rechtlichen Differenzierung vom Lande vor dem Bauern« jtand ausgezeichnet. Kirche und Adel hatten perfönliche und dingliche Rechte über die Bauern und (fanden zwifchen ihnen und der (taatlichen Gewalt. Diefe Privilegien wurden befeitigt, und Stadt und Land, die beiden feit dem Mittel« alter rechtlich und wirtfchaftlich getrennten Elemente des (taatlichen Aufbaues, wurden gleichge(tellt. Der ausgedehnte Kirchenbefitz, der insbefondere auf dem Lande (tark überwog, aber auch in den Städten die Entwicklung hemmte, wurde fäkularifiert, zufammen mit dem Kammergut der früheren Regierungen zum Domänengut erklärt, durch öffentliche Verweigerungen parzelliert und in den freien Handelsverkehr gebracht. Das Zeh ntrecht der Kirche, die Grund« ßeuerfreiheit des Adels und der Kirche wurden ebenfo wie ihre Gerichts« und Polizeigewalt über die Bauern aufgehoben. Der Bauer wurde durchweg zum freien Grundbefitzer, ohne alle Verpflichtung zu Frondienften, fo wie es der Stadtbürger feit jeher war. Der Adel galt nach dem franzöfifchen Vorbild von 1*
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Erstes Kapitel (1815)
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1789 als abgefchafft. Seine politifche Rolle fand zufammen mit den alten Terri» torien ein fchnelles Ende. S o f o r t lernte fich die ganze Bevölkerung als ein einheitliches Staatsbürgertum fühlen, das nur den allgemeinen und f ü r alle geltenden Gefetzen unterworfen war und dem Staate gleichberechtigt gegen« überftand. Die franzöfifche Verfafiung vom Jahre 1799 trat an die Stelle der (tändifchen Verfafiungen, die in den rheinifchen Territorien bis in die Zeit der Fremdherrfchaft in Wirkfamkeit geblieben waren, weil der fürftliche Abfo» lutismus hier keinen Vorkämpfer f a n d . Hatten fie die Vertretung der Intereffen des flachen Landes dem Adel allein kraft eigenen Rechts, unter völligem Aus» fchluß der Bauern, und einzelnen Städten die Vertretung der gefamten (tädtifchen Interefien überladen, außerdem aber in den geiftlichen Kurftaaten den katho« lifchen K l e r u s privilegiert, fo verdankten nun Stadt und L a n d der Verfafiung des durch die Revolution verjüngten und demokratifierten franzöfifchen Staates gleichmäßige, nur vom Befitze des (taatlichen Bürgerrechts abhängige und durch Wahlen von Repräfentanten im modernen Sinn ausgeübte politifche Rechte. Die Rheinlande nahmen als franzöfifche Departements teil an der repräfen« tativen Regierungsform des franzöfifchen Staats. Die Bevölkerung wurde durchweg in Gemeinden, wiederum ohne jede rechtliche und (tändifche Unter® fcheidung von Stadt und L a n d , gegliedert. Nach Kommunalbezirken wählte fie die Liften ihrer Vertrauensmänner f ü r die Bezirks» und die Departements» Verwaltung, fowie ihre Vertretung in der gefetzgebenden K a m m e r zu Paris, welche zugleich die jährlichen Abgaben und die Aushebung der Militär»Kon» fkription zu bewilligen hatte. Jeder einzelne Bürger trat fo ohne Zwifchen« glieder in ein unmittelbares Verhältnis zum Staat. Durch Napoleons Allgewalt verkümmerten zwar die kon|titutionellen Rechte im ganzen Kaiferreich, aber die Gleichheit aller Bürger vor dem Recht, die gleichmäßige Verteilung der Steuer« pflicht nach dem Vermögen ohne jede Privilegierung, auch die Freiheit des religiöfen Bekenntnifles waren garantiert. Die Gefetzbücher Napoleons fchufen ein einheitliches Zivil», Straf» und Handelsrecht. Die Öffentlichkeit und M ü n d » lichkeit des Strafprozefles, fowie die Teilnahme der Laien an diefem Prozeß in der Form der Gefchworenengerichte wurden durchgeführt. Gewerbefreiheit trat an die Stelle des lokalen, Stadt und L a n d trennenden Z u n f t z w a n g s . Die freie Verbindung von Kapital und Arbeit begann die Umbildung der Gefell» fchaft im neuzeitlichen Sinne, und von der Tatfache, daß das Rheinland an dem wirtfchaftlichen, durch neue Erfindungen angebahnten Auffchwung f r ü h e r als das innere Deutfchland teilnahm, traten vorderhand nur die gün|tigen Wir» kungen zutage. Die franzöfifche Herrfchaft, die eine an den G r u n d der gefell» fchaftlichen und politifchen Zuftände der Rheinlande reichende Umwälzung bedeutete, führte zwar fchwere Kriegs» und Steuerla|ten, aber doch auch große Fortfehritte auf dem wirtfchaftlichen Gebiet herbei. Durch die Parzellierung und Mobilifierung des Grundbefitzes der Toten Hand und des Adels be= reicherten fich Stadtbürger und Bauern. Handel und G e w e r b e erhielten fo eine rege Kapitalzufuhr. Durch die franzöfifche Regierung w u r d e die rheinifche Indu(trie vielfeitig gefördert. Sie hatte ihre Sitze nicht nur in den Städten, fondern auch auf dem Lande, mit defien Bodenfehätzen und Waflerkräften fie zum T e i l enge verknüpft war. Aus ihr entwickelte fleh eine bürgerliche Ober» fchicht, eine der franzöfifchen Bourgeoifle verwandte G r u p p e von Notabein, deren öffentliches Interelfe fich auf die Wirtfchaftspolitik konzentrierte, weil unter der Fremdherrfchaft der allgemeinpolitifchen Betätigung der Unter*
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Französische Reformen während der Fremdherrschaft
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worfenen natürliche Schranken gefetzt waren. Willkürliche Eingriffe der Re« gierung und mannigfache Mißbräuche der Verwaltung, vor allem die Ge* heimpolizei, forderten wohl die Kritik heraus, aber für Straßen und Verkehrs« wefen wurde zum erjten Male feit den Tagen der Römer von Staats wegen wieder in großem Stil geforgt. Das franzöfifche Kaiferreich bot den Bewohnern des linken Rheinufers ein weites, durch Schutzzölle gedecktes Abfatzgebiet für ihre Gewerbe und Indu(trieen, während allerdings das indultriell am weite(ten vorgefchrittene rechtsrheinifche Großherzogtum Berg, das einen befondern, aber unter ähnlicher Verfa(Tung und Verwaltung (teilenden Staat bildete, durch die Zollgrenze am Rhein und insbefondere durch die Kontinentalfperre nach 1806 empfindlich gefchädigt wurde. Die franzöfifchen Präfekten endlich waren zwar zum Teil raubfüchtige Erpre|fer, zum Teil aber fo ausgezeichnete Beamten, daß ihr glänzender Ruf bei der rheinifchen Bevölkerung nach 1 8 1 5 noch auf Jahrzehnte vorhielt. So fügte man fich nach 1801 ohne Widerjtand und Widerfpruch dem, was unabwendbar fchien. Man fah, wie der Düfleldorfer J. P. Brewer im Juni 1 8 1 6 fchrieb, die franzöfifche Verfaffung und namentlich die Abfchaffung der Fron« dienfte, die gleiche Verteilung der Abgaben, die Mäßigung der Vorrechte des Adels und die Öffentlichkeit der Gerichte als einigen Erfatz für die verlorene Nationalität an. Das deutfche Gefühl verlor von Jahr zu Jahr an Bewußtfein feiner felbft, und bei manchen, insbefondere bei denen, die unter Napoleons Fahnen an dem Ruhm der franzöfifchen Armee teilnahmen, ent(tanden franzö= fifche Sympathieen.' „Wir hatten uns mit den Franzofen abgefunden und refig= niert", äußerte Görres 1818, „die Befreiung des Vaterlandes war fchwerlich von uns zu erwarten." Das Verlangen, daß das deutfche Volk als fichern Hort feiner von der Romantik wiedererfchloflienen nationalen Kultur den nationalen Staat er(treben folle, wurde nicht laut. Nicht vom Rheinlande i|t denn auch der Ruf und Anjtoß zur Befreiung der deutfchen We(tmark vom franzöfifchen Joch ausgegangen. Diefer Ruf kam vielmehr von außen. Er hatte feinen Un» fprung in dem neuen, anders gearteten, lebenskräftigen und wagemutigen Nationalbewußtfein, das fich unter dem Drucke der napoleonifchen Herrfchaft nach der Schlacht von Jena im Jahre 1806 im 0|ten, auf dem alten preußifchen Boden, aus der Verfchmelzung deutfchen Gei(teslebens mit der noch erhaltenen politifchen Kraft des preußifchen Staats entwickelte. Unter der Führung von Fichte und Arndt, Schleiermacher und Humboldt, Stein und Hardenberg, Scharnhorft und Gneifenau gingen diefe beiden Kräfte dort in den Jahren 1 8 0 7 — 1 8 1 2 eine folgenreiche Verbindung ein. Die deutfche Bildung, die aus dem jungen nationalen Geiftesfchaffen, aus Dichtkun|t und Philofophie, erwachfen war und in Schiller, dem Herold der kantifchen Ethik, ihre (tärk(te und ausgebreitet^ Wirkung hervorgebracht hatte, wandte fich dem Staate zu, um ihm durch die volle Hingabe der Bürger an die öffentlichen Aufgaben nicht nur organifches Leben und vermehrte Kraft zu verleihen, fondern auch feine fittliche Würde zu jteigern und ihn auf eine höhere Kultur* ftufe emporzuheben. Das Preußen Friedrichs des Großen war das Mufter des abfoluten Militär« und Beamtenftaats gewefen, ohne jede Teilnahme der bevormundeten bürgerlichen Bevölkerung am öffentlichen Leben. Auch der Mechanismus des am fe(te|ten gefügten deutfchen Staats erwies fich aber 1806 als zu fchwach gegenüber der Umgeflaltung Europas, die durch die braufenden Volkskräfte der franzöfifchen Revolution hervorgerufen wurde. Durch die
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Erstes Kapitel (1815)
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Reformarbeit einer G r u p p e von Patrioten, die felbjt nicht Preußen von G e b u r t waren, aber nach der Schlacht bei Jena an den Staat des großen Königs ihre Zukunftshoffnungen knüpften und feiner Regierung ungerufen, aus freiem Antrieb, ihre Mitwirkung darboten, begann der preußifche Staat (ich nun einer modernen Staatsanfchauung zu erfchließen. U m die politifche Selbftbeftimmung wiederzuerlangen und die G e w a l t Napoleons abzufchütteln, wollte die preußifche Reformpartei eine neue Volks« gefinnung fchaffen und die Machtmittel des Staates mit neuem Geifte erfüllen. D i e M a f f e der Bevölkerung mußte zu diefem Zwecke in enge Verbindung mit dem Leben des Staates gebracht werden. Das wirkte zunächft auf die Armee ein. Vorher war das preußifche Heer eine (tehende Armee gewefen, zufammen« gefetzt aus um L o h n , und zwar durchfchnittlich zwanzig Jahre hindurch, dienen« den Berufsfoldaten, die zur Hälfte geworbene Ausländer waren, und geführt von einem Offizierkorps, das fa(t ganz dem Landadel entflammte. Es beruhte auf dem Gedanken eines vom Bürgertum abgetrennten befondern Soldaten« (tandes und war das eigentliche dynaftifche Machtmittel in der Hand des abfo« luten Königs. N u n (ollte der Wiederaufbau der bei Jena von dem Nationalheer der Franzofen zertrümmerten Armee nach dem Grundfatze der allgemeinen Dienjtpflicht erfolgen. Es follten fortan nur noch preußifche Untertanen, aber die gefamte dienfttaugliche Bevölkerung des Staates vom 20. Lebensjahre an, unter die Waffen gerufen werden. Das Bewußtfein, daß die Verteidigung des Vaterlandes heilige Pflicht aller M ä n n e r fei, follte allgemein werden. Nach dem Wehrgefetz vom 3. September 1 8 1 4 , das das dauernde Ergebnis diefer Be= Itrebungen zufammenfaßte, gehörte ein mäßiger T e i l der wehrhaften M a n n * fchaft als Linientruppe drei Jahre der fchlagfertigen flehenden A r m e e an und wurde fpäter der L a n d w e h r zweiten Aufgebots zugeteilt. Die Mehrzahl aber wurde von vornherein als L a n d w e h r erften Aufgebots eingezogen, und fie hatte außer regelmäßigen einzelnen Exerziertagen eine zufammenhängende jährliche Ubungszeit von nur wenigen Wochen. Sie follte fleh wohl auch mit dem wehrhaften G e i f t der allgemeinen Dienftpflicht durchdringen, aber doch mit dem bürgerlichen Leben in Verbindung und nur im Kriegsfall längere Zeit unter den Waffen bleiben. Die Reform rief den Bürger nicht nur zur Teilnahme am Heer, fondern über« haupt am Staat auf. V o r 1806 war der preußifche Gefamtftaat eine abfolute Monarchie. Nicht in ihm, fondern nur in den einzelnen Territorien, aus denen Preußen zufammengewachfen war, hatte es feit Alters Stände als korporative Organifationen der privilegierten Klaffen, wiederum vorwiegend des Grundadels, gegenüber dem Fürften gegeben. Seit hundert Jahren hatte aber der abfolute Monarch diefe S t ä n d e kaum noch zu Landtagen berufen, vielmehr den ganzen Staat felbftändig mit Hilfe feines Beamtentums regiert, deflen f ü r den Geift der Regierung entfeheidende Stellen aber ebenfo wie das Offizierkorps im wefent« liehen diefem Landadel, als Erfatz f ü r die ihm entzogene (tändifche Betätigung zu eignem Recht, vorbehalten. N u n follte der preußifche Staat zunächft dem G r u n d fatze bürgerlicher Rechtsgleichheit an Stelle (iändifcher Geburtsvorrechte und Selbftfucht erfchloffen, die Privilegierung des Adels follte befeitigt, die Erb« Untertänigkeit der Bauern aufgehoben, dann aber die Monarchie durch eine mo« derne, repräfentative V e r f a f f u n g befchränkt werden. Die K r a f t des Staates follte durch diefe Mitarbeit des Volkes eine Steigerung erfahren. Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, örtliche Selbjtverwaltung der Stadt» und Landgemeinden,
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Preußische Reformbewegung 1807—13
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der Kreife und Provinzen follten die cntfcffcltcn Volkskräfte zu wirkfamer Teilnahme am öffentlichen Leben befähigen und Schulen. Die preußifche Tradition faßte den Staat als Selbßzweck, und fle legte den Nachdruck des Staatszwecks nicht auf die Wohlfahrt und das Glück des einzelnen, [bndern auf die Erhaltung und Stärkung der Gefamtheit. In diefem Sinne hatte Friedrich der Große ("ich als den erften Diener des Staates betrachtet, und die volle Hin« gäbe an den Staat war der Gei[t, in dem das Beamtentum und das Offizierkorps zu wirken gewohnt waren. Diefes Staatsgefühl mit dem kategorifchen Imperativ der Pflicht follte jetzt auch im Volke verbreitet werden. Die Reformer waren vorwiegend von der Staatstheorie Kants beeinflußt, wonach durch eine all» mähliche Umbildung des fürftlichen Abfolutismus, der „die Bürger wie Kinder behandelte", der Staat ein bewußtes bürgerliches Gemeinfchaftsleben mit fltt» lichem Gepräge werden follte. Jeder Bürger habe nicht nur in der Armee mit feinem Leben für den Staat einzutreten, fondern auch (on(t fo zu handeln, daß feine perfönliche M a x i m e zugleid) allgemeines Gefetz fein könne. Dem» gemäß follten die Bürger einen felbßändigen Anteil am Staate, insbefondere an der Gefetzgebung, erhalten, Staatsbürger werden und Staatsbürgerliche Freiheit erlangen, aber diefe Freiheit war fo gedacht, daß jeder einzelne freiwillig im Sinne des Gemeinwesens handelte. Krone und Volk follten fortan gemeinfam als zwei von Vertrauen zueinander erfüllte Faktoren wirken; dem Staat aber wollte man, indem er auf eine breite und volkstümliche, von ethifchen Prinzipien geordnete Grundlage geftellt wurde, die Kraft verleihen, den Schweren K a m p f gegen den feindlichen Unterdrücker (legreich durchzuführen. Das erneuerte preußifche Staatswefen aber hatte (ich nach der Meinung der Patrioten der deutfchen Idee unterzuordnen. Der Wiederaufbau Preußens follte nicht diefen Staat als egoiftifchen Sonderftaat im alten Sinne wiederher«< (teilen, fondern ihn vielmehr zum hingebenden Mitarbeiter an einer größern, nationalen Staatsfchöpfung umgeftalten. Der nationale Staat allein, fo lehrte Fichte 1807, biete der nationalen Kultur Gewähr und Dauer. In einem neuen Deutfchland follte Preußen ebenfo wie die übrigen deutfchen Sonder(taaten aufgehen. Nach Gneifenaus und Jahns 1808 zuerjt ausgesprochenen Wünfchen hatte aber Preußen den Beruf, Vormacht und Haupt des neuen Reiches zu wer« den. Deutschlands Zerfplitterung war die Urfache feiner Schwäche gewefen. Selbft die beiden größten Staaten, 0(terreich und Preußen, mußten noch 1812 Napoleon Schimpfliche Heeresfolge gegen Rußland leiften. Die ganze deutfche Nation Sollte daher in Zukunft durch ein unlösliches (taatliches Band zufammengefaßt und gekräftigt werden. Das deutfche Volk als Ganzes follte fich als politifche Einheit fühlen lernen. Alles das war im Werke, aber noch nicht vollendet, als im Herbjt 1812 die Kata(trophe in Rußland zum Handeln drängte. König Friedrich Wilhelm I I I . hatte, erfchüttert durch das Unglück Seines Staates Seit dem T a g e von Jena, dem Verlangen der Patrioten nach einem freiem und würdigern Verhältnis zwifchen Staat und Volk weit nachgegeben. Sein zweifelnder und zurückhaltender Sinn blieb inde(Sen ftets beforgt, wie es ihm gelingen werde, die alte Autorität der Krone gegenüber dem ftürmifchen Drängen der neuen volksmäßigen Be« wegung zu behaupten. Ihrem brennenden Wunfche zur T a t kam endlich am 17. März 1815 fein Aufruf „An mein V o l k " entgegen. Erfüllt von einem neuen preußifch^deutfchen, politifchen und patriotischen Hochgefühl, und dennoch unter der Führung feiner angeßammten Monarchie, zog das preußifche
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Erstes Kapitel (1815)
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Volk im Begei(terungs|turm des Frühjahrs 1 8 1 3 in den Kampf f ü r die Freiheit. Und diefes Hochgefühl drang während der nächften Monate auch über die preußifchen Grenzen in die übrigen deutfchen Länder hinüber. Aus diefer Entwicklung heraus aber gefchah es, daß im November 1 8 1 2 der durch feine Geburt dem Rheinlande nahegehende Freiherr vom Stein und feine treuen Mitarbeiter E. M . Arndt und J. Gruner während ihres Auf» enthalts am ruffifchen Hofe dem bevorftehenden europäifchen Kriege die Auf* gäbe (teilten, das der Fremdherrfchaft verfallene deutfche Land weltlich vom Rheine bis zu der Scheide, den Ardennen und Vogefen zu befreien und wieder mit dem Vaterlande zu vereinigen. E . M . Arndt wurde fchon im Augujt 1799, wo er zum erftenmal auf dem linken Rheinufer verweilt und den herrlichen Strom erblickt hatte, zornig erregt, als er fah, wie die Franzofen hier ihr Herren= recht übten und das rheinifche Land und Volk feiner natürlichen Eigenart beraubten. Den Feind vertreiben und ein einiges Deutfchland aufrichten, dem auch die Länder am linken Rheinufer wieder zugehörten, das war nun das Programm der Patrioten. Da fie damals in der preußifchen Regierung und Armee die Führung hatten, fo vermochten fie vom Februar 1 8 1 3 ab auch die offizielle preußifche Politik in diefe Bahn zu bringen. Die Aufrufe des Königs appellierten nicht nur an preußifche, fondern an allgemein deutfche G e f ü h l e : Preußen follte das franzöfifche Joch abwerfen und fich zum wehrhaften Schutz« herrn der deutfchen Nation erheben. F ü r diefen nationalftaatlichen Gedanken aber war das Gefühl der Rhein= länder felbft leicht zu entzünden. Daß nur die Zerfplitterung Deutfchlands es den Franzofen ermöglicht hatte, die Teile einzeln zu knechten und die Länder am Rhein zu unterjochen, war hier feit dem Jahre 1794 f ü r niemanden zweifei« haft. Sobald die Nachricht von der Niederlage Napoleons in Rußland eintraf, fchon im Januar 1 8 1 3 , noch ehe Preußen fich zum Krieg entfchloß, kam es auf dem rechten Rheinufer in dem wirtfchaftlich benachteiligten Berg, in Solingen und Elberfeld, zu einem (allerdings vergeblichen) Auf|tand wider die Franzofen. Nach der Leipziger Schlacht vom 18. Oktober 1 8 1 3 aber, als E. M . Arndt die anfeuernde Parole: „ D e r Rhein Deutfchlands Strom, aber nicht Deutfchlands G r e n z e " ausgab, wurde die nationale Stimmung am Rhein allgemein. „ D i e Rheinländer empfingen die Alliierten als ihre Befreier mit offenen A r m e n ; das G e f ü h l der Knechtfchaft war weg, das jeder von uns zur Franzofenzeit mit fich herumtrug", fchrieb der bergifche Predigersfohn J. F . Benzenberg, der in den näch|ten Jahren als der „erße rheinifche Liberale" eine bemerkenss werte publiziftifche Tätigkeit entfaltete. Als dann in der Neujahrsnacht 1 8 1 4 Blücher bei Caub über den Rhein gefetzt war, begann am 25. Januar J. Görres in Koblenz die Herausgabe des Rheinifchen Merkur, des Preßorgans, das als erfte politifche Zeitung Deutfchlands zwei Jahre hindurch am Rhein den Sinn f ü r das öffentliche Leben nicht nur durch heftige Angriffe auf alles Franzöfifdie, fondern auch durch anfeuernde und auffehenerregende Erörterung aller Fragen der Regierung und Verwaltung, der politifchen, der geizigen und der materiellen Intereflen Deutfchlands weckte. Hier knüpfte Görres im patriotifchen Gei(te von Arndt und Gruner wieder an die Gedanken an, die er im Jahre 1800 geäußert und die er in der Zwifchenzeit durch feine Verbindung mit der Romantik ver« tieft hatte, ohne fie indeffen öffentlich zu vertreten. Noch im Jahre 1810 hatte er fich vielmehr verzweifelnd über Deutfchlands nationalpolitifche Zukunft ausgefprochen. „ J a h r e l a n g " , fo fchrieb er jetzt, „dauerte der Widerftand der
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Wiedervereinigung der Rheinlande mit Deutschland
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Deutfchen am linken Rheinufer gegen die ausländifche Macht. Als endlich politifche Verhandlungen ihr Schickfal unwiderruflich beftimmt hatten, fügten fie (ich dem Unabwendbaren und wurden ruhige, gehorfame Untertanen, aber ihr Herz blieb bei ihrer Nation, und fie hörten nicht auf, Deutfche zu fein. Die Maffe des Volkes ift durch alle die Zeit der fremden Herrfchaft fich felbft gleich geblieben. Die verbündeten Heere haben uns einen Beweis gegeben, wie fie die alte Landsmannfchaft in uns ehren, dadurch daß fie gleich beim Ein» rücken uns als Freundesvolk behandelten. Es ift billig, daß wir Freundfchaft um Freundfchaft geben, und wir wiffen, welches die Pflichten find/ deren Er= füllung das Vaterland von jedem fordert." Hatten fich auf die hinreißenden Proklamationen des zum Generalgouverneur ernannten J. Gruner fchon vor Neujahr 1 8 1 4 im Bergifchen Lande taufend Freiwillige f ü r das Feldheer der Verbündeten geftellt und als Landfturm „das Banner des Siebengebirges" entfaltet, fo verlegte Gruner vom Februar 1 8 1 4 ab feine belebende Tätigkeit auf die linke Rheinfeite. Das klangvolle Pathos feiner Aufrufe forderte am 26. Februar die Männer und Jünglinge vom Rhein, von der Mofel und Saar „ z u m freiwilligen K a m p f e f ü r das alte gemeinfame deutfche Vaterland" auf, und am 2. April verfügte er auch die Bildung einer Landwehr des „deutfchen Niederrheins". Damit verband fich die nationale Propaganda des Feuerkopfs Görres. Audi Arndts begeijternde Schrift „ W a s ift Landwehr und L a n d f t u r m ? " und fein „Katechismus f ü r den deutfchen Kriegs= und Wehrmann" wurden in Koblenz und Köln wiederholt gedruckt. Der nationale Gedanke trium= phierte. Ein Unterfchied trat aber deutlich zutage. In den früher preußifchen Gegenden am Niederrhein, wo bis zum Jahre 1801 die Anhänglichkeit an die alte Herrfchaft vielfach zum Ausdruck gekommen war, insbefondere in Krefeld und Kleve, knüpfte die Stimmung unmittelbar an diefe Vergangenheit an. Sie wurde eine Verfchmelzung preußifch=deutfcher Gefühle in der Art der preußifchen Patrioten. „ H i e r ift eine ganz vortreffliche deutfche, befonders aber preußifche Stimmung. Der König kann wohl kaum in feinem Reiche Untertanen haben, welche mit mehr Enthufiasmus an ihm hängen, als die der hiefigen Gegend, der hiefigen S t a d t " , fchrieb ein Krefeld am 2 1 . März 1814. paffierender Lützower Jäger. Der Wunfeh, daß die Wiedervereinigung mit Deutfchland zugleich die Wiedervereinigung mit Preußen bringen werde, war hier vorherrfchend. Im übrigen Rheinland aber, wo diefe dynaftifche Tradition fehlte, wo man fich vielmehr früher zumeift in politifchem und konfeffionellem Gegenfatz zu Preußen gefühlt hatte, bedeutete die Hoffnung, f ü r immer wieder mit dem Deutfchtum verbunden zu fein, nicht zugleich den Wunfeh, preußifcb zu werden. Doch fchätzte man Preußen hoch als den Staat, der durch feine glorreiche volkstümliche Erhebung im Frühjahr 1 8 1 3 die Entfcheidung ange= bahnt hatte und durch feine Wehrmacht als ftarker Bürge deutfeher Freiheit und K r a f t erfchien. Die fchnelle Eroberung von Paris durch die verbündeten Mächte am 3 1 . März 1 8 1 4 dämpfte die kriegerifche Stimmung am Rhein, bevor fie zu Taten führen konnte, und es dauerte noch ein langes Jahr, bis es feftftand, in welcher Form die Angliederung der Rheinlande an Deutfchland fich voll« ziehen follte. Die proviforifche Verwaltung im Namen der Alliierten blieb aber bis zum Frühjahr 1 8 1 5 in der Hand von preußifchen Beamten, und zwar folchen, die der Gruppe der Patrioten angehörten. Neben Gruner war ein anderer früherer Mitarbeiter Steins, J. A. Sack, als Generalgouverneur tätig.
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Erstes Kapitel (1815)
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Audi E . M . Arndt lebte und wirkte vom April bis zum Juni 1814. am Rhein, wo er nun „ d i e rechte Teutfchheit" am fchön(ten ausgeprägt f a n d . Preußen trat alfo in diefer Zeit, wo die Frage der zukünftigen Gewalt der deutfehen Einheit und des Verhältniffes der Einzelftaaten zu einer neuen Zentralgewalt alle G e m ü t e r bewegte, den Rheinlanden mit der edlen und gewinnenden Perfönlichkeit diefer M ä n n e r nahe, die einen engen Bund zwifchen den deutfehen Regierungen und dem felbßtätig mitwirkenden Volk erßxebten und zugleich den Gedanken des Aufgehens von Preußen im neuen Deutfchland verkörperten. Sie haben hier mit ihrem Appell an die Volkskräfte vollen Anklang gefunden und die er(te nationalpatriotifche A u f w a l l u n g lebendig erhalten. Im N o v e m b e r 1 8 1 4 trat dann der Wiener Kongreß zufammen, der die Neuordnung der politifchen Verhältniffe Deutfchlands begann. Als noch vor feinem Abfchluß Napoleon im M ä r z 1 8 1 5 unverhofft von Elba nach Paris zurückkehrte und feine Armee in Belgien bildete, richtete am 24. M ä r z und 5. April 1 8 1 5 J . A . Sack von Aachen aus wiederum den Ruf zu den W a f f e n „ f ü r die Verteidigung des deutfehen Vaterlandes" an die rheinifchen M ä n n e r und Jünglinge. V o n K ö l n aus rief ihnen Arndt am 1 8 . M a i zu, mit Zuverficht und Freude in den Streit zu ziehen. Es gelte zu beweifen, daß deutfehes Blut in ihren Adern fließe und daß fie würdig feien, „ w i e d e r die geliebten K i n d e r eines deutfehen Herr« fchers zu heißen und dem alten heiligen Volke und Reiche der Deutfehen wieder anzugehören. Die deutfehe Sache i(t die gute Sache, und der deutfehe K r i e g ift der gerechte K r i e g " . Freudig und in Scharen find die Rheinländer ohn« Unterfchied dem R u f e gefolgt. U n d diefes M a l kamen (le an den Feind. Bei L i g n y und bei BellenAlliance haben fie im Juni 1 8 1 5 tapfer, und zwar u n W den preußifchen Fahnen, gefochten. S i e waren inzwifchen fclbft Preußen geworden. D e r Wiener Kongreß hatte am 1 0 . Februar 1 8 1 5 , noch ehe er die allgemeine Entfcheidung über die zukünftige Geftaltung Deutfchlands fällte, die Rheinlande nebfl: Weftfalen der preußifchen K r o n e zugefprochen. Aus Wien, vom 5. April 1 8 1 5 , datierten die Proklamationen und die beiden Befitz* ergreifungspatente, durch welche K ö n i g Friedrich Wilhelm I I I . die Rheinlande der preußifchen Monarchie einverleibte. Preußen faßte fo auf G r u n d eines Befchlufles des Wiener Kongre(fes von neuem, und zwar in viel ausgedehnterm M a ß e als vorher, Fuß in der deutfehen Weftmark. Auch Ofterreich, die andere deutfehe Großmacht, hatte f r ü h e r im We|ten als abgefprengte Gebiete Belgien und (am Oberrhein) den Breisgau befeflen. Ofterreich weigerte fleh jedoch, nun wieder die Wacht am Rhein mit= zuübernehmen; es ließ fich vielmehr durch den Wiener Kongreß in Italien ent« fchädigen. Diefe Maßnahmen des Wiener Kongreffes aber erfolgten wie alle feine Befchlüffe, die über die Z u k u n f t Deutfchlands entfehieden, ohne jede Mitwirkung des deutfehen Volkes, in der aus dem Zeitalter des Abfolutismus überkommenen Weife durch die fürftlichen Regierungen allein. Im Augen® blicke der Befreiung der deutfehen Nation von dem äußern Feinde wurde alfo offenbar, daß ein felbftändiger Anteil des deutfehen Volkes an feiner zukünftigen Entwicklung im Geifte modernen Verfaffungslebens noch keineswegs J>ge« fichert war. Eine felbßändige Mitwirkung des deutfehen Volkes neben den Fürften bei der Geftaltung des „wiedergeborenen Deutfchland und feiner V e r f a f f u n g " war zwar in Würdigung der felbßtätigen Volkskräfte, die in der nationalen
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Regierung und Volk während des Befreiungskrieges
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Erhebung wirkfam waren, am 25. März 1 8 1 3 , beim Beginn des Freiheitskrieges» im Namen der preußifchen Regierung ausdrücklich zugeftanden worden. „ J e fchärfer in feinen Grundzügen und Umriffen dies Werk heraustreten wird, aus dem ureigenen Geifte des deutfehen Volkes, defto verjüngter, lebenskräftiger und in Einheit gehaltener wird Deutfchland wieder unter Europas Völkern erfcheinen können." Aber fchon im Auguft 1 8 1 3 hatte Ofterreichs Anfehluß an Preußens und Rußlands Koalition gegen Napoleon zu einer andern Haltung der deutfehen Regierungen gegenüber den Einheitsbeftrebungen der Nation geführt. Ofterreich kannte keine patriotifche Reformbewegung nach Art der preu« ßifchen. Sein leitender Staatsmann Metternich wünfehte vielmehr die Unter« drückung aller nationalpolitifchen B e g e b u n g e n , weil fie in dem bunten Völker« gemifch des habsburgifchen Reiches nur zerfetzend wirken konnten. So ftand er auch der deutfehen Einheitsbewegung von vornherein ablehnend gegenüber. Darin beftärkte ihn die Erwägung, daß in einer Zeit, wo das auflebende nationale Volksbewußtfein fich flls ftaatsbildende K r a f t geltend zu machen fuchte, ein aus zahlreichen Nationen gemifchter Staat wie der öfterreichifche, deflen deutfehe Gebiete kaum ein Viertel des Ganzen ausmachten und deffen Politik dem deutfehen Leben entfremdet war, unmöglich zum beherrfchenden Mittelpunkt eines (tarken deutfehen Reiches werden konnte. Die Idee eines nationalen Reichs führte vielmehr, was allerdings damals nur von fehr wenigen Zeitgenoffen erkannt wurde, mit innerer Notwendigkeit zu einer Hegemonie des preußifchen Staates, der die meiften deutfehen Untertanen zählte und außer feinen deutfehen Elementen nur wenige Bruchftücke fremder Nationen in (ich fchloß. Ein deutfeh« nationales Reich konnte nur durch Preußen gefehaffen und geleitet werden. Eine Vereinigung aller deutfehen Staaten zum Schutze nach außen (tand aller« dings auch mit dem öfterreichifchen Intereffe im Einklang. Aber fie durfte kein auf der nationalen Idee aufgebauter Bundesftaat mit einheitlicher Staatsgewalt werden. Kaifer Franz I. wollte denn auch felbft nicht an die Spitze eines neuen deutfehen Reiches treten, ebenfowenig aber fich einer andern Spitze unter« ordnen. Ein lockeres föderatives Band fouveräner deutfeher Einzelftaaten war f ü r Ofterreich das Erwünfchte. So wurde Ofterreich zum natürlichen Schutz« herrn des Selbfterhaltungstriebes der einzelftaatlichen Souveränetät, während die von der nationalen Bewegung verlangte ftarke Zentralgewalt nur durch eine Verminderung der Autonomie der Einzelftaaten entftehen konnte. Indem Metternich im Oktober 1 8 1 3 durch Geheimverträge mit Bayern und Württem« berg zunächft den beiden füddeutfehen Königreichen f ü r ihren Anfchluß an die Koalition gegen Napoleon ihre volle Souveränetät f ü r die Zukunft garantierte und diefe Garantie fpäter auch den übrigen Rheinbundftaaten bot, fchuf er die erfte von den Leitgedanken der nationalen Erhebung in Preußen abweichende Grundtatfache f ü r die Weiterentwicklung der deutfehen Einheitsfrage. Der ungefchmälerte Fortbeftand des deutfehen Partikularismus trat in erklärten Gegenfatz zu dem populären Einheitsftreben, das eine weitgehende Befchränkung fonderftaatlicher Souveränetät zugunften einer neuen Zentralgewalt vor« ausfetzte. In diefer entfeheidenden Grundfrage aber trat der preußifche König fofort an die Seite von Ofterreich. Die Schwierigkeit des freiwilligen Aufgehens der Einzelftaaten in einer neuen ftaatlichen Einheit Deutfchlands war unüber« windlich, folange die Einzeldynaftieen ftark und gleichberechtigt fortbeftanden,
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und die Idee einer preußifchen Hegemonie in Deutfchland konnte mit den damaligen Kräften Preußens felbjtändig kaum verwirklicht werden, entfprach aber insbefondere der nüchternen Denkart Friedrich Wilhelms I I I . nicht. E r wollte ebenfowenig Kaifer eines neuen deutfehen Reiches werden wie Franz I. von 0|terreich. Seinem konfervativ»legitimi(tifchen Grundzuge lag die Zu|timmung zu der öjterreichifchen Politik näher, die allen großen Entfchließungen auswich, dagegen einen friedlichen Dualismus von Preußen und OJterreich und darin die Ausficht eröffnete, die Zukunft des preußifchen Staates ohne (tarke U m wälzungen an die Vergangenheit anzuknüpfen. Sie bot zugleich einen Rückhalt gegen den neuen Gei(t in Volk und Armee, gegen das überjtarke Anwachfen der liberalen Kräfte in Preußen, die durch die Tätigkeit der Reformer geweckt worden waren. Das Verlangen nach politifcher Freiheit und Selbftbeftimmung der Staatsbürger hatte für den König (tets einen an die fchlimmen Zeiten der franzöfifchen Revolution mahnenden Klang, und wenn er auch damals, in den Tagen der Leipziger Schlacht, wo der (tarke Pulsfchlag deutfehen Gefamt= bewußtfeins die Nation erwärmte, noch nicht an eine völlige Abkehr von dem nationalen Programm der M ä n n e r um Stein und Hardenberg dachte, fo verlor deren Richtung doch Schritt vor Schritt ihren beftimmenden Einfluß auf die preußifche Politik. D e r Staatskanzler Hardenberg fah fich gezwungen, M ä n n e r der gegenfätzlichen Auffaffung wie den bureaukratifchen Minifter des Innern v. Schuckmann und den reaktionären Polizeiminijter Fürjten Wittgenjtein in die Regierung aufzunehmen und dem Wirken eines überzeugten Partikularijten wie F . Ancillon, des Erziehers des Kronprinzen, zuzufehen, der fchon beim Beginn der preußifchen Erhebung den Freiherrn vom Stein als Revolutionär verdächtigt und die Parole ausgegeben hatte, die Preußen feien zu allerer(t Preußen. Durch bindende Geheimabmachungen nicht nur 0(terreichs und Preußens, fondern auch der übrigen europäifchen Kabinette (tand feit dem i . März 1814 feft, daß die Zukunft keine deutfehe Zentralgewalt, fondern nur ein lockeres Bundesverhältnis der in ihrer Souveränetät verharrenden Einzel» ftaaten bringen folle. Dem unvermeidlichen Konflikt mit der öffentlichen Meinung aber gingen die Kabinette nach dem Parifer Frieden vom 50. Mai 1814 dadurch aus dem Wege, daß fie die vor Jahresfrijt verheißene Beteiligung des Volkes an den Verhandlungen über die Löfung der deutfehen Frage kurzerhand verfagten. S i e überwiefen diefe Löfung vielmehr dem Wiener Kongreß, einer ausfchließlichen Zufammenkunft europäifcher Monarchen und Minifter, die fich eine Neuordnung des gefamten europäifchen Staatenfyjtems zum Ziel fetzte. Das deutfehe Volk hatte keinen Zutritt zu diefem Kongreß, feine Tätigkeit und feine Befchlüffe forderten aber unter folchen Umftänden naturgemäß die Kritik der durch den Befreiungskrieg lebhaft erregten öffentlichen Meinung in Deutfchland heraus. D e r Geift diefer Politik war der volle Gegenfatz zu der von der Reform= partei nicht nur um des politifchen Machtintereffes willen, fondern auch aus moralpolitifchen Erwägungen verlangten Hingabe der Bürger an Staat und Vaterland und zu der von ihnen er(trebten aufrichtigen und rückhaltlofen Ver» bindung des Volkes mit feinen Fürften und Führern. Die Regierungen waren indeffen (tark genug, ihren W e g zu gehen, da auf der Volksfeite die Voraus* fetzungen für eine die Einheit erzwingende nationale Bewegung fehlten. D i e nationale Idee erfüllte wohl die geiftige Atmofphäre, aber fie hatte noch wenig tatfächliche Geltung. Das nationalpolitifche Selbftbewußtfein im Volke war
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Ausschaltung des Volkes seit 1814
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noch zu fchwach, um gegen die landfchaftlichen, einzel(taatlichen Regierungen aufkommen zu können. Es hatte feinen Urfprung in der nationalen Griftes® kultur, und diefe (lützte (ich auf die bis vor kurzem unpolitifchen Schichten des gebildeten Bürgertums. Diejenigen Bevölkerungsgruppen, die, wie ins= befondere der Adel, in den Einzelftaaten als die bevorzugten Inhaber der leitenden Stellungen im Beamtentum und in der Armee und als höfifche Um= gebung der Für(ten das ältere politifche Leben verkörperten, waren von dem deutfch*vaterländifchen Gedanken nur fchwach berührt. Sie fühlten fich weniger als Deutfche denn als Preußen, Sachfen, Bayern, Württemberger, und fie hofften, daß die Z u k u n f t ihnen viel von den Privilegien der Vergangenheit erhalten werde. D e r nationale deutfche und in Verbindung damit der liberale ftaatsbürgerliche Gedanke kam in der Preffe und in anderen publiziftifchen Äußerungen der geiftig führenden Schichten viel ftärker zum Ausdruck, als dem tatfächlichen politifchen Einfluß diefer Schichten entfprach. Sobald nur die Regierungen begannen, demgegenüber wieder das Vermächtnis deutfeher Gefchichte, die Einzel|taatsperfönlichkeit, zu betonen und zu offenbaren, daß fie alle nicht gewillt waren, fleh der Idee einer führenden deutfehen Macht unterzuordnen, trat zutage, wie (tark gegenüber dem lauten publiziftifchen Werben f ü r den Einheitsgedanken die zwingende K r a f t des Partikularismus wirkte, und wie fe(t in Armee und Beamtentum, im Adel und in der von ihm noch abhängigen bäuerlichen Landbevölkerung die dynaftifchen Traditionen verankert waren. Die ari(tokratifch=konfervativen K r ä f t e in den Einzelftaaten und insbefondere in Preußen rüfteten jetzt zur Reaktion gegen den nationalen Gedanken, der in Preffe und Literatur ftürmifch an das Licht drängte. Sie wandten fich gegen ihn als den gefährlichen G e g n e r der dynaftifchen Souveräne« tat, der den revolutionären deutfehen Gedanken über die auf Gefchichte und Recht genützte einzelftaatliche Autorität (teile, ein unmittelbares Untertanen» Verhältnis der Bürger der Einzelftaaten zu einer neuen Zentralgewalt begründen wolle und fo, wenn er nicht zurückgedrängt würde, die G e f a h r einer ü b e r = flügelung der alten legitimen Regierungsgewalten durch neue illegitime Volks= kräfte in fich trage. In diefes der Öffentlichkeit nur allmählich enthüllte Ringen großer prinzi= pieller Gegenfätze waren nun auch die Rheinlande fofort nach der Vertreibung der Franzofen mitten hineinge(tellt worden. Da aber in ihrem größten T e i l e keine hemmende dynaftifche, einzelftaatliche Tradition mehr wirkfam war, fo f a n d der neue deutfche Einheitsgedanke hier einen befonders empfänglichen Boden. Er wurde dadurch geftärkt, daß diejenigen M ä n n e r , die zunächft im Namen der Verbündeten die Verwaltung in den Rheinlanden führten, dem K r e i f e der preußifchen Patrioten entftammten, alfo von der nationalen A u f g a b e tief durchdrungen waren. Die rheinifchen Publiziften Görres und Benzenberg fpiegeln die junge Verbindung von nationalem Hochgefühl und politifchem Tatendrang in dem Staatsbewußtfein des rheinifchen Bürgertums wider. An die Stelle des in der Epoche der Fremdherrfchaft geweckten einfeitig wirtfehafts* politifchen Interefles trat im Jahre 1 8 1 4 das Verlangen nach einem Idealbild der deutfehen Z u k u n f t , nach einem großen, freien, jtaatlich vereinigten deutfehen Vaterland. Seine Wortführer aber waren durchweg Vertreter geiftiger B e r u f e . Auf G r u n d der Erfahrungen, die Frankreich feit 1789 mit Republik und Dynaftie gemacht hatte, fah man allgemein die durch eine moderne Volksvertretung befchränkte konftitutionelle Monarchie als die befte, das Glück der Völker
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fiebernde Verfaffungsform an. F ü r das wiedergewonnene deutfehe Vaterland erjtrebte man daher diefe Verbindung von Monarchie und bürgerlicher Freiheit. Man berührte (ich hierin ebenfo nahe wie in der nationalen Frage mit den Leitgedanken der preußifchen Reformer. Von feinen Jugendfympathieen f ü r die Republik hatte Görres fich abgewendet und feit 1800 fein politifches Glaubens« bekenntnis zu einer moraliftifchen Staatsauffaffung gewandelt, wonach der durch das Repräfentativfy(tem geordnete Staat unter aktiver Teilnahme freier Bürger einem hohen Ideal von Kultur und Humanität nachftreben follte. Nach der Kantfchen Staatstheorie war eine Verfaffung dann repräfentativ, wenn (1® die drei (taatlichen Gewalten der Gefetzgebung, der Regierung und der Recht» fprechung voneinander trennte und der Volksvertretung einen beftimmenden Anteil vor allem an der Gefetzgebung gewährte. In den Jahren 1 8 1 4 / 1 5 propa* gierte der Rheinifche Merkur eifrig eine Staatsauffa(fung diefer Art, und auch Benzenberg verlangte eine „rechtliche Verfaffung, nicht allein ihres Wertes wegen, fondern wegen der Würde des Menfchen". Die felbjtändige Mitarbeit des Volkes wurde aber vom Rheinifchen Merkur fchon f ü r die Entftehung des Neubaues des deutfehen Reiches gefordert. Das Blatt legte im Juni 1 8 1 4 — zu einer Zeit alfo, wo die Geheimpolitik der Regierungen fchon entfchloffen war, das Volk auszufchalten, — dar, die Stimme des deutfehen Volkes verlange aller Orten vernehmlich und deutlich eine Ver» faffung, die das fichere, was das Volk mit feinem Blute erworben habe. Die Völker hätten in der T a t gelei(tet, in der T a t wollten fie jetzt den Lohn emp= fangen. Damit etwas Rechtes und Ganzes zuftande komme, müflfe eine kons (tituierende deutfehe Ständeverfammlung mit den fürftlichen Regierungen zufammen die Verfaffung ins Leben rufen. „Deutfchland will eine Verfajfung haben, die Fürft und Volk in T r e u e und Liebe recht nahe zufammenhält, die nach außen ihm Schutz verleiht, nach innen gedeihlich wirkt. Darin (md alle Völkerfchaften einverftanden, das i|t der einzige Preis, um den fie gerungen haben." M a n hatte am Rheine bis dahin unter der franzöfifchen Staats» und Gefellfchaftsordnung gelebt. Diefe ruhte auf der Vorftellung von der Volks= fouveränetät und von der k o n f l u i e r e n d e n Gewalt des Volkes. Den revolutio» nären Ideen von 1789 galt das zu (taatsbürgerlicher Gleichheit entwickelte Volk als die einzige rechtmäßige Quelle aller obrigkeitlichen Gewalt. Die franzöfifche Nationalverfammlung hatte felbftändig die Verfaffung gefchaffen, die fie im Jahre 1791 der Krone lediglich zur Annahme vorlegte. In ähnlicher Weife hatte das englifche Volk fchon nach der Revolution von 1688 von feiner Monarchie die eidliche Anerkennung feiner Rechte erlangt. Auf die Volksfouveränetät aber griff man jetzt am Rhein keineswegs zurück. Man hatte unter franzöfifcher Herrfchaft erlebt, wie aus ihr ein fchrankenlofer Defpotismus erwuchs. M a n trat vielmehr auf den Standpunkt der preußifchen Verheißung vom März 1 8 1 3 , daß die neue deutfehe Verfaffung von Fürften und Völkern Deutfchlands ge* meinfam gefchaffen werden follte. Man verlangte, daß fie durch Vereinbarung entftehe. Sie follte paktiert werden. Sie follte nicht von dem deutfehen Volke, welchem man nach dem Vorgang der preußifchen Patrioten auf Grund feiner nationalen Erhebung die Eigenfchaft eines Rechtsfubjekts und Staatsorgans beilegte, durch Selb(tfetzung gefchaffen, ihm aber auch nicht von feinen bis» herigen Obrigkeiten oktroyiert, als Gnade verliehen werden. Der Wiener Kongreß als einfeitige Veran|taltung der Kabinette bedeutete alfo f ü r die Rheinlande eine jtarke Enttäufchung, weil er durch feine Zufammen»
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Rheinische Wünsche für die Reichsverfassung 1814—15
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fetzung diefe Vereinbarungsidee kurzerhand befeitigte. Um aber vom Verlauf feiner Verhandlungen, die, foweit es ihr Geheimnis zuließ, mit Spannung verfolgt wurden, K u n d e zu geben, benutzte man eifrig das neue Preßorgan des Rheinifchen Merkur. In ihm brachte man zum Ausdruck, wie fehr man einerfeits die politische Einheit, K r a f t und Herrlichkeit der deutfchen Nation erfehnte — auf daß Deutfchland und feine Perle, der Rhein, nie wieder ein Raub fremder "Macht werde —, anderfeits aber auf die Verbindung der erhofften neuen Zentralgewalt mit einer modernen Volksvertretung rechnete. Diefe aus freier bürgerlicher Begeiferung entfpringende Beteiligung der Volkskräfte am Staat follte, wiederum im Geiße der preußifchen Patrioten und ihres moralifchen Idealismus, eine Stärkung und eine Veredlung der Regierungsgewalt bewirken, den einzelnen und den Staat auf eine höhere Stufe fittlicher Würde empor» heben, nicht im Sinne des franzöflfchen Parlamentarismus die Trennung und Schwächung der Staatsgewalt zugunften des Individualismus der EinzeU bürger anftreben. Seit Oktober 1 8 1 4 forderte Görres diefe „allgemeine deutfche Nationalrepräfentation", der Benzenberg den Namen „Reichstag" geben wollte. Beiden fchwebte eine Verfammlung von Deputierten der Einzelftaatsver« tretungen vor, fo wie (le im Februar 1 8 1 4 E . M . Arndt, im Sommer 1 8 1 4 K . T h . W e l c k e r in Gießen in feiner berühmten Rede über Deutfchlands Frei« heit forderte. Die Zentralgewalt felbft aber hoffte man wieder in einem deutfchen Kaifertum verkörpert zu fehen. Das (tarke neue deutfche Reich follte „kein Föderativftaat fein, worin alle gebieten und darum keiner etwas vermag", kein „ S t a a t e n b u n d " , fondern ein „ Staaten ftaat". „ G a n z Deutfchland ruft nach einem K a i f e r " , fo fchrieb der Rheinifche Merkur wiederholt. Wie im übrigen Deutfchland, fo waren aber auch am Rhein die populären Anflehten über den zukünftigen Träger des Kaifertums geteilt. Anknüpfend an den alten Reichspatriotismus, der in den Gebieten der früheren rheinifchen Kurftaaten und Reichsftädte noch nicht erftorben war, trat Görres eifrig f ü r die Wiederherftellung der Kaiferwürde des Haufes Habs» bürg ein. Auch fon(t zeigte die öffentliche Meinung in Deutfchland durchweg Vorliebe f ü r diefe Alternative, trotzdem gerade fle aus nationalen Gründen, wie wir fahen, undurchführbar war. Der Reichsfreiherr vom Stein hielt pe ebenfo für geboten wie der Romantiker Friedrich Schlegel. Im romantifchen Kreife wurden die Wünfche durch die mittelalterliche Vorftellung von der ewigen Dauer des heiligen römifchen Reichs deutfeher Nation mit beeinflußt. Der Rheinifche Merkur berechnete, daß die katholifche Kirche noch immer den größern Teil der deutfchen Nation zu ihren Anhängern zählte, und f ü r ihr künftiges Verhältnis zum Staat verlangte er die Wiederherjtellung der früheren Zuftände. Im Einklang damit wünfehte Görres, daß das katholifche Haus Habsburg die Kaiferwürde des neuen deutfchen Nationalftaats, und zwar jetzt in erblicher Form, erhalte. Zum Neujahrstag 1 8 1 5 forderte der Rheinifche Merkur den Kaifer Franz geradezu auf, „fich wieder als Kaifer feinen deutfchen Völkern zu geben". Der entgegengefetzte, zuerft im Jahre 1808 im Kreife der preußifchen Patrioten erörterte und feit Januar 1 8 1 4 auch von Arndt aufgenommene, keimtragende Zukunftsgedanke, Preußen, dem durch Geiß und Macht zur Herrfchaft berufenen Staate, der eine faffc ganz deutfche Bevölkerung aufwies, gebühre die Hegemonie im künftigen Deutfchland, fand vom Sommer 1 8 1 4 ab unter dem Einfluß Gruners und Arndts auch am Rhein einigen Anklang.
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Görrcs geftand indeffcn, fo willig er die kriegerifchen Verdiente Preußens anerkannte, weil es „zuerft das Schwert zur Abwehr der fremden Tyrannei gezogen hatte", dem proteftantifchen Haufe Hohenzollern nur den Rang nach der neuen deutfehen Kaiferwürde des Haufes Habsburg zu. Der preußifche König follte wohl „Kronfeldherr des Reiches" fein, aber die deutfehe Einheit follte nicht unter preußifcher Führung verwirklicht werden. Ein friedlicher Dualismus von 0|terreich und Preußen, aber unter dem Vorrang des erftern, war das Ziel, das Görres vorfchwebte. In diefer Form hielt er das (tarke deutfehe Reich, das er erfehnte, für möglich und lebensfähig. Die populäre Kaiferidee fchwebte indeffen in beiden Gewalten völlig in der Luft, da die Monarchen der beiden rivalifierenden Großmächte felbft (ich durch die Verhandlungen in Wien endgültig überzeugten, daß auch dann, wenn man eine engere Form der Vereinigung, als feit Jahresfrift geplant war, ins Auge faßte, doch ein großdeutfehes Kaifertum weder unter habsburgifeber noch unter hohenzollernfcher Führung möglich war, weil keiner der beiden Rivalen auf die eigne Großmachttradition verzichten und fich der zwingenden Gewalt des andern unterordnen wollte. Nur ein kleindeutfches Kaifertum war möglich, wenn vorher einer der Rivalen aus dem Reichsverband ausfehied, und nach Maßgabe der Verteilung der deutfehen Bevölkerung auf die beiden Großmächte konnte das nur das Ausfeheiden Ofterreichs bedeuten. Das war indeffen nur auf kriegerifchem Wege zu erreichen, und es führte die Gefahr herauf, daß der verkleinerte deutfehe Staatenbund zu fchwach gegenüber dem Ausland wurde. Die deutfehen Mittelftaaten aber fuchten unentwegt ihre eigene Souveränetät zu behaupten; fie hatten alfo an dem Fortbeftand des Gegen« fatzes der beiden Großmächte Intereffe und richteten ihre Politik demgemäß ein. So fand auf dem Wiener Kongreß bei den Monarchen die Kaiferidee keinen Boden, zum Schmerz aller Nationalgefinnten, dem Görres im April 181 j durch die Klage Ausdruck gab, Deutfchland werde fortan ohne Kraft, ohne Einheit- und Zufammenhang fein, das Gefpötte künftiger Jahrhunderte und der Spielball aller benachbarten Völkerfchaften. Seine Krone fei gebrochen und zu Siegelringen feiner Souveräne umgefchmolzen. Das alte große Haus fei dem Boden gleich gefchleift, und kleine Häuschen feien aus den Trümmern aufgebaut, worin jeder felbftändig feine Wirtfchaft führe. Die Entfcheidung aber, die der Kongreß am 10. Februar 1815 über diepreu» ßifche Zukunft der Rheinlande traf, fiel gerade in die Wochen, wo die am Rhein hochgefpannten nationalen Hoffnungen diefer Enttäufchung entgegengingen. Die Aufnahme, die fie bei den Rheinländern fand, wurde daher von der Entwicklung diefer Hoffnungen -ftark beeinflußt. Wie Ofterreich, fo hatte auch Preußen auf dem Kongreß anfangs wenig Intereffe an dem Befitz der deutfehen We(tmark gezeigt. Seine durch die Er= eigniffe feit 1806 gefchwächte Kraft hätte fich lieber durch Einverleibung des Königreichs Sachfen im Elbegebiet vergrößert und fo die preußifchen Kern» lande abgerundet; der Plan, den katholifchen König von Sachfen an den Rhein zu verpflanzen, wurde in Wien längere Zeit erwogen. In den Rheinlanden felb(t war die Stimmung geteilt. Am Niederrhein dauerten die preußifchen Sympathieen fort. Die Mehrzahl der Rheinländer aber, in deren Namen Görres im Rheinifchen Merkur redete, billigte mit Rückficht auf die geographifchen, befonders aber auf die konfeffionellen Verhältnijfe die abwehrende Haltung der preußifchen Regierung. Arndt überzeugte fich im Februar 1815 am Rhein,
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Preußischer Primat in Deutschland, Anschluß an Preußen
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daß man hier lieber von dem katholifchen OJterreich als von Preußen beherrfcht fein wollte. Im Einklang mit feinem Wunfche, daß das Haus Habsburg die Kaiferkrone zurückerhalte, legte der Herausgeber des Rheinifchen Merkur dem Wiener Kongreß nahe, er folle „ M ü n f t e r , Belgien und was fon|t katholifch ift, wenigftens in der Mehrheit", nicht „ d e m preußifchen S y f t e m " , fondern Öfters reich überweifen. „ D e r Gegenfatz der Religion ift in einem natürlich menfch« liehen Verhältnis begründet und foll feftgehalten w e r d e n . " D a f ü r trat Görres noch im Februar 1 8 1 5 ein, wo Metternich und Talleyrand in Wien durch« fetzten, daß Preußen (tatt der einen Hälfte von Sachfen die rheinifch=we(t» fälifchen Gebiete zugewiefen erhielt. Für den öfterreichifchen wie f ü r den franzöfifchen Staatsmann war dabei der Wunfeh beftimmend, Preußen f ü r die Zukunft zu fchwächen. Die neuen Provinzen grenzten an den unruhigen Nach= bar im Weiten, ohne daß ihnen die wichtigen Feftungen an der Maas, Luxem« bürg und Mainz zugeteilt wurden. Sie waren räumlich vom Zentrum des preußifchen Staates durch das Königreich Hannover und Kurheffen getrennt, „wie eine Infel im Ozean von Preußens Hauptland abgelegen" (Görres). Durch Verfaffung und Gefetzgebung, durch foziale Gliederung, Sitten und Religion der Mehrzahl ihrer Einwohner waren fie auch innerlich von Preußen gefchieden. Unverhofft fahen (ich die Rheinlande nun nach einem überlangen Provi= forium vor die Entfcheidung ge(tellt; fie follten fortan zu Preußen gehören. Die Tatkraft und Zuverläffigkeit der am Rheine wirkenden preußifchen Be= amten hatte man feit Jahr und T a g fchätzen gelernt. Die frühere Abneigung vor dem ftarren Soldatengeift Preußens war gemildert worden, feit die preußifche Wehrmacht im Freiheitskriege eine volksmäßige Organifation erhalten hatte, Landwehr und Landfturm eindrucksvoll neben das (tehende Heer getreten waren. Diefe Nationalverteidigung im Gegenfatz zu den früheren fliehenden Heeren hatte am Rhein die allgemeine Sympathie. Die Landwehr, die man mit Vor= liebe als Landfturm bezeichnete, war hier fofort populär geworden, weil fie fich nicht vom bürgerlichen Leben abwendete, ihr Offizierkorps zum größten Teil aus bürgerlichen Kreifen, und zwar durch Wahlen aus den eignen Reihen bildete, den alten rauhen Kommandoton vermied und von dem nationalen, volksmäßigen und defenfiven Zwecke des Krieges erfüllt war, alfo nicht ein willenlofes Werkzeug in der Hand erobernder Fürften und Kabinette, wie die Soldheere der Vergangenheit, darfteilte. In folcher milizartigen Wehrhaftigkeit des ganzen Volkes begrüßte insbefondere Görres ein wirkfames Gegengewicht der „innern Freiheit" gegen fürftliche Defpotie und Eroberungspolitik. Auch den konflitutionellen Erwartungen der Rheinländer kam Preußens damalige Haltung entgegen. Die Rheinlande hatten, fo fahen wir, bis zu diefem Zeit= punkte den fürfllichen Abfolutismus nicht kennen gelernt, und fie fühlten fich durchweg im Gegenfatz zu diefer Staatsform. So verlangte denn der Rheinifche Merkur vom Wiener Kongreß einen Befchluß, daß in allen deutfehen EinzeU (taaten „innere fländifche Verfaflungen eingerichtet würden, damit der öffent= liehe Geijt, wie er fleh jetzt in Deutfchland entzündet hat, eine verfaffungsmäßige Stimme und eine Einwirkung in das Getriebe der Staatsverwefung erhalte. Starke Völker allein können flarke Fürften machen, und nur die Völker find zu allen Zeiten flark gewefen, die am gemeinen Wefen teilnahmen". Seit im Jahre 1806 der Freiherr vom Stein dafür eingetreten war, der bis dahin nach den Grundfätzen des Abfolutismus regierte preußifche Staat müffe als junges Aggregat heterogener Provinzen ein einheitliches Band erhalten, Preußen und Rheinland 1 8 1 5 — 1 9 1 5 .
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und zwar durch Volksrepräfentation in diefen Provinzen, über denen fich eine allgemeine Volksrepräfentation des ganzen Staates erheben follte, hatte Friedrich Wilhelm I I I . vom Jahre 1 8 1 0 ab unter Hardenbergs Einfluß wiederholt „ d e r preußifchen Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräfentation fowohl in den Provinzen als f ü r das G a n z e " zugefagt. Auf dem Wiener Kongreß traten Hardenberg und Humboldt befonders nachdrücklich f ü r die Gewährung von Landesverfaffungen ein. Das alles fprach alfo in diefem Augenblicke zugun(ten von Preußen, und Görres konftatierte am 2 1 . Februar 1 8 1 5 , die Abneigung gegen Preußen beginne am Rhein abzunehmen. Dennoch blieb der Rheinifche Merkur, als er am 1 . März 1 8 1 5 die Entfcheidung des Kongreffes über die Zukunft der Rheinlande der Öffentlichkeit mitteilte, zurückhaltend. „Das Rheinland von der Wefer bis zur Mofel befteht der größern Hälfte nach aus katholifchen, ehemals von gei(tlichen Fürjten regierten Ländern, in denen die Erinnerung alter, in gemütlicher Ruhe und ungeftörtem Wohljtand verlebter Zeiten noch nicht erlofchen ijt. Aber die Bewohner wiffen, daß alles Sehnen nach dem Unwiederbringlichen, über dem das wirklich Erreichbare verloren geht, eine Torheit i(t. Sie haben überdem bei freier gewordenem Blick die großen Nachteile und Gebrechen jenes Zuftandes eingefehen und erkennen, wie die Zeit auch fie, nachdem fie fo lange gefeiert, mit den anderen zur Tätigkeit ins öffentliche Leben berufen hat. Und fie werden fich zu löfen wiffen. Ob= gleich am fpätejten gekommen, werden fie nicht die letzten fein; fie hoffen, daß Preußen ihnen einen Prinzen des königlichen Haufes fendet und ihnen eine angemeffene Verfaffung gibt, und alle Liebe, die ihnen entgegenkommt, werden fie mit treuer Anhänglichkeit und Ergebenheit erwidern." Einen Bruder des Königs, den Prinzen Wilhelm, fchlug auch Gruner als Statthalter der neuen rheinifchen Provinzen vor, aber unter ganz anderer Vorausfetzung. Gruner war damals ebenfo wie Arndt — trotzdem diefer die Rheinlande als ,,gefahr= volles Ehrengefchenk" f ü r Preußen bezeichnete — der Uberzeugung, der Befitz der Rheinlande fei befonders deshalb f ü r Preußen bedeutfam, weil dadurch feine Gefchicke aufs engfte mit den allgemein deutfehen verbunden wurden und fo der Gedanke der preußifchen Hegemonie in Deutfchland eine breitere Grundlage erhielt. Sie blieben trotz der Ablehnung diefer Hegemonie durch die preußifche Krone ebenfo bei ihrem Verlangen nach der preußifchen Vor» herrfchaft, wie Görres trotz der Ablehnung feitens der habsburgifchen Krone bei feiner Uberzeugung blieb, „Ofterreich gebühre um feiner Macht und Ge» walt und früheren Verdiente willen die Kaiferwürde". Audi nach der Ent= fcheidung über die preußifche Zukunft der Rheinlande verharrte er in diefer Meinungsverfchiedenheit gegenüber den beiden anderen am Rheine wirkenden Patrioten, mit denen ihn fonft vieles verknüpfte. Er bedauerte jetzt noch nach= träglich, daß die erfolgreiche deutfehe Erhebung vom Jahre 1 8 1 3 nicht durch Ofterreich, fondern durch Preußen angebahnt worden war und fo diefen Staat in den Vordergrund gerückt hatte. In den erften Märztagen fetzte nun aber die unvermutete Rückkehr Napo= leons von Elba nach Frankreich und die Begeiferung, womit die franzöfifche Armee zu ihrem ruhmgekrönten Führer überging, ganz Europa und insbe= fondere die deutfehen Grenzlande im Weften in Unruhe. Am 20. März nahm Napoleon den franzöfifchen Thron wieder in Befitz. Auch in den rheinifchen Städten trat vereinzelt bei denen, die früher unter feinen Fahnen gekämpft hatten, Sympathie f ü r ihn hervor. Im allgemeinen aber wurde unter dem
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Preußisch-deutsche Idee in den Rheinlanden
Eindruck diefes V o r g a n g s die S t i m m u n g der R h e i n l a n d e w ä r m e r f ü r P r e u ß e n . G r u n e r fuchte den Augenblick zu n u t z e n . A m 2 5 . M ä r z fchrieb er d e m Staats= kanzler H a r d e n b e r g , der z u f a m m e n m i t d e m K ö n i g noch in W i e n weilte, die möglichft fchnell erlangte G e w i ß h e i t , daß der preußifche S t a a t die R h e i n l a n d e wirklich ü b e r n e h m e u n d i h n e n eine liberale Verfaffung fowie eine m i l d e Ver= waltung zufichere, werde in dem G r e n z l a n d e , das durch die nahegerückte G e f a h r eines neuen europäifchen K r i e g e s b e d r o h t erfchien, günftig w i r k e n . S o regte er eine Befchleunigung d e r entfcheidenden S t a a t s a k t e an. D e r Rheinifche M e r k u r feinerfeits erklärte a m jo. M ä r z , die deutfchen S t ä n d e v e r f a m m l u n g e n m ü ß t e n überall fchnell e i n b e r u f e n , u n d es m ü ß t e n i h n e n die Rechte e i n g e r ä u m t werden, die ihnen von G o t t und u m des F ü r f t e n w o r t s wegen a n g e h ö r t e n . W ä h r e n d a b e r G r u n e r a u ß e r d e m diefen Augenblick, wo P r e u ß e n s militärifche K r a f t w i e d e r u m feine U n e n t b e h r l i c h k e i t f ü r die nationale Sache erwies, zu benutzen fuchte, u m m i t Hilfe d e r „deutfchen G e f e l l f c h a f t e n " , die a u f A r n d t s A n r e g u n g i m H e r b j t 1 8 1 4 auch a m R h e i n in einzelnen S t ä d t e n ins L e b e n getreten waren, d e m G e d a n k e n d e r E i n i g u n g Deutfchlands u n t e r preußifcher H e g e m o n i e eine (tarke S c h w u n g k r a f t zu geben, f o r d e r t e G ö r r e s am 1 5 . und 30. M ä r z i m Rheinifchen M e r k u r , daß m a n jetzt fchnell F r a n z von 0 ( t e r r e i c h als deutfchen K a i f e r ausrufe u n d i h m die oberfte L e i t u n g aller K r i e g s g e w a l t anvertraue. G r u n e r leitete ftatt deffen in denfelben T a g e n eine zunächft i m We(ten und S ü d e n Deutfchlands fich a u s b r e i t e n d e „ g e h e i m e V e r b i n d u n g ein, die die E i n h e i t Deutfchlands u n t e r P r e u ß e n zum Ziele h a t t e " , und er gewann dafür jetzt die Z u f t i m m u n g nicht n u r H a r d e n b e r g s , fondern auch G n e i f e n a u s . D i e f e r , d e r a m 1. April z u f a m m e n m i t Blücher in Aachen den O b e r b e f e h l ü b e r die preußifchen T r u p p e n ü b e r n a h m und fich gegen N a p o l e o n s Aufmarfch in Belgien w a n d t e , hatte fchon im Augu(t 1 8 1 4 eine gute K o n j t i t u t i o n als das fcfteftc B a n d bezeichnet, u m das „echt germanifche V o l k am R h e i n " an P r e u ß e n zu f e f l e l n ; er war a b e r auch feit J a h r e n d e r M e i n u n g , durch b e f t i m m t e s Ein» t r e t e n f ü r freiere R e g i e r u n g s f o r m e n k ö n n e P r e u ß e n a m ehe(ten die S y m p a t h i e der liberalen öffentlichen M e i n u n g der ganzen N a t i o n g e w i n n e n u n d fo durch moralifche E r o b e r u n g e n die E i n i g u n g Deutfchlands u n t e r feiner Ägide an= bahnen. G r u n e r s Abficht, aus der G u n f t des Augenblicks G e w i n n f ü r die preußifch=deutfche Idee zu ziehen, f a n d damals nicht n u r in d e r rheinifchen B e v ö l k e r u n g , fondern durch das W i r k e n der „deutfchen G e f e l l f c h a f t e n " auch in Naflau u n d Heffen, fowie in der öffentlichen M e i n u n g von Süddeutfchland an manchen S t e l l e n A n k l a n g . Zunäch(t a b e r befchleunigte fein E i n g r e i f e n in der T a t die öffentliche Er« klärung des K ö n i g s ü b e r die B e f i t z n a h m e der R h e i n l a n d e . D i e aus W i e n v o m 5. April 1 8 1 5 datierten P r o k l a m a t i o n e n , deren W o r t l a u t a u f H a r d e n b e r g zurück^ ging, b e e n d i g t e n den l ä h m e n d e n proviforifchen Zu|tand der R h e i n l a n d e ; fie waren geeignet, die V o l k s f t i m m u n g a m R h e i n P r e u ß e n a n z u n ä h e r n , zugleich a b e r f ü r den neuen deutfchen K r i e g zu e n t f l a m m e n . Friedrich W i l h e l m I I I . verfprach den R h e i n l ä n d e r n Schutz gegen die ä u ß e r e G e f a h r u n d erklärte ihnen zugleich, die „ B i l d u n g einer R e p r ä f e n t a t i o n werde von i h m a n g e o r d n e t , u n d die S t e u e r n follten m i t ihrer Z u z i e h u n g reguliert und fe(tgeß:ellt werden nach einem allgemeinen, f ü r den ganzen S t a a t zu e n t w e r f e n d e n P l a n " . T r u g das den kon(titutionellen, liberalen W ü n f c h e n R e c h n u n g , fo wirkte es in konfeffio= neiler Hinficht b e r u h i g e n d , daß der K ö n i g den R h e i n l ä n d e r n weiter verfprach, „ihre Religion, das heiligfte, was d e m M e n f c h e n a n g e h ö r t , zu ehren u n d zu 2*
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Erstes Kapitel (1815)
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fchützen". Auf das Nationalgefühl der Rheinländer aber war die Erklärung des Königs berechnet: „Ich trete mit Vertrauen unter euch, gebe euch eurem deutfchen Vaterlande, einem alten deutfchen Fürjten(tamme wieder und nenne euch Preußen. Als ich dem einmütigen Befchluß der zum Kongreß verfammelten Mächte meine Zujtimmung gab, ließ ich die gefahrvolle Lage diefer Grenzlande des deutfchen Reichs und die fchwere Pflicht ihrer Verteidigung nicht uner» wogen. Aber die höhere Rückficht auf das gefamte deutfche Vaterland entfchied meinen Entfchluß. Diefe deutfchen Urländer müffen mit Deutfchland ver= einigt bleiben; fie find die Vormauer der Freiheit und Unabhängigkeit Deutfch= lands, und Preußen, deffen Selbftändigkeit feit ihrem Verlujte hart bedroht war, hat ebenfofehr die Pflicht als den ehrenvollen Anfpruch erworben, fie zu befchützen und für fie zu wachen." Benzenberg fchildert den Jubel, womit diefe Erklärungen des Königs am Niederrhein aufgenommen wurden. Als Worte des Heils und der Freude drangen fie bis in die Hütte des Landmanns. Auch der Rheinifche Merkur führte nun am 19. April mit größerer Wärme als zuvor aus: „Ohne ihre Eigentümlichkeit einzubüßen, kommen die Rheinlande in Berührung und nehmen teil an allem, was in einem großen Staate in Geift, Kraft, Gefetzgebung und Verwaltung fich tüchtiges und heilfames entwickelt. Preußen hinwiederum hat fich in diefen Gegenden ein gutes, treues Volk erworben, heiter wie fein Himmel, (tark wie der Wein, der das Mark feiner Erde ift. Es wird wiederzugeben fuchen nach Vermögen für jede Gabe, die ihm zuteil wird, und Hand in Hand gefchlagen mit den Landsleuten im Norden zum gemeinen Ziele gehen. Was verfchieden ift in beiden, nach des Himmels verfchiedener Art und der Abweichung der Stämme, wird fich mifchen und aushelfen und wechfelfeitig zu einem ftarken Ganzen fich ergänzen." Görres urteilte in diefen national und kriegerifch bewegten Tagen, „Preußens Macht und Kraft erhebe fich hoch und herrlich, feine Regierung mache es nicht zum Gefchäft, den Geiß im Volke niederzuhalten". Am 15. Mai 1 8 1 5 fand fo in gehobener Stimmung die Huldigung der Rheinlande in Aachen ftatt; man bedauerte nur, daß der König fie nicht per= fönlich entgegennahm, und daß fie von Vertretern geleiftet wurde, die von der Regierung, nicht vom Volke ausgewählt worden waren. E. M . Arndt kam wiederum in „Preußens rheinifche M a r k " und wirkte bis zum Herbft perfönlich und publizi(ti(ch in Aachen und Köln für die innere Verbindung diefer Länder mit dem deutfchen Wefen und zugleich für die deutfche Hegemonie Preußens, „das durch Geift und Macht herrfchen und fchützen kann". Der Sieg bei Belle= Alliance am 18. Juni bewirkte in patriotifchen Kreifen am Niederrhein „einen Taumel von Freude und Entzücken". Kurz darauf wurde dann die vom 22. Mai, gleichfalls noch aus Wien, datierte allgemeine Verordnung des Königs bekannt, worin diefer der „preußifchen Nation" als Pfand feines Vertrauens eine Re= präfentation des Volkes und eine fchriftliche Verfaffungsurkunde verhieß. Provinzialjtände in den zehn, am jo. April neu eingerichteten Provinzen des preußifchen Staates follten die Grundlage bilden. Wo folche Provinzialjtände mit mehr oder weniger Wirkfamkeit von früher her noch vorhanden waren — das bezog fich auf die alten Provinzen —, wollte man fie herjtellen und dem Be= dürfnis der Zeit gemäß einrichten; wo keine vorhanden waren — fo war es in den beiden rheinifchen Provinzen —, wollte man fie anordnen. Aus den Provinzialjtänden follte die Verfammlung der Landesrepräfentanten mit dem Sitz in Berlin gewählt werden. Deren zukünftige Wirkfamkeit wurde „auf die
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Huldigung der Rheinlande, Verfassungsversprechen des Königs
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Beratung über alle Gegen(tände der Gefetzgebung erftreckt, welche die per« fönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger, mit Einfchluß der Beiteuerung betreffen". Die Organifation beider Vertretungen und die Ausarbeitung einer fchriftlichen Verfaffungsurkunde aber follten ohne Zeitverluft einer aus einflchts« vollen Staatsbeamten und Eingefeffenen der verfchiedenen Provinzen zufammen«» gefetzten Kommiffion übertragen werden. Durch den Befreiungskrieg war, fo mußte diefe Verordnung von der öffentlichen Meinung gedeutet werden, der preußifche Staat, vorher ausfchließliches Befitztum der Monarchie, zugleich ein Befitztum des preußifchen Volkes geworden. Am 8. Juli wurde die von Hardenberg redigierte königliche Verordnung publiziert. Nach dem neuen Sieg über Napoleon konnte man fich nun am Rheine ficher fühlen, nicht nur f ü r das deutfehe Vaterland wiedergewonnen zu fein, fondern auch einem dem Abfolutismus entfagenden und zum Konjtitutioe nalismusentfchloffenenStaatswefen anzugehören. Aus den königlichen Erklärungen vom 5. April und 22. Mai fprach vernehmlich die Staatsauffaffung der preußifchen Patrioten, die am Rhein fo vollen Anklang gefunden hatte und von der man annehmen durfte, daß fie den Gei|t der in Ausficht (tehenden preußifchen Verfaffung beftimmen werde. In der nationalen Frage brachten allerdings eben diefelben Tage, undjzwar f ü r beide am Rhein vertretenen Richtungen, die fchon lange drohende Enttäufchung. Den Bemühungen Gruners und Arndts, die öffentliche Meinung f ü r den Gedanken der preußifchen Hegemonie in Deutfchland zu gewinnen, hatte am Rheine Benzenberg fich angefchloffen, der aus den Schlachten von Ligny und BelIe=Alliance den vollen Anfpruch Preußens auf die Führung in Deutfchland ableitete. Görres feinerfeits, enttäufcht über die „nebulierende Politik" OJter» reichs, das fich^bei den Friedensverhandlungen nicht einmal energifch f ü r die Rückgabe von Elfaß=Lothringen einfetzte, rühmte jetzt Preußen zwar als „Schirmvogt Deutfchlands" und als „(tarke Säule des Deutfchen B u n d e s " , ohne ihm indeffen in der Kaiferfrage Zuge(tändniffe zu bieten. Der Staats® kanzler Hardenberg aber hatte nicht einmal gewagt, dem König Friedrich Wilhelm I I I . Mitteilung von dem zu machen, was im Stillen f ü r Preußen geplant wurde. So gering fchätzte er die Neigung feines Königs ein, die nationale Idee als Kraftquelle f ü r den preußifchen Staat zu benutzen. M i t den übrigen Fürften verharrtenjdie Monarchen der beiden deutfchen Großftaaten in ihrer allen ftarken Einheitsbeftrebungen abgeneigten Haltung. Die Wiener Bundes® akte vom 8. Juni 1 8 1 5 begründete demgemäß den Deutfchen Bund als viel« köpfige und fchwerfällige völkerrechtliche Vereinigung von 39 fouveränen deutfchen Staaten, die durch einen Kongreß abhängiger Gefandten, den Franke furter Bundestag unter Ofterreichs Präfidium, geleitet wurde. Der Deutfehe Bund, der den Dualismus der Großmächte Ofterreich und Preußen unter Wahrung des ö(terreichifchen Vorrangs einrichtete, bildete weder f ü r die Finanz® und Wirtfchaftspolitik noch f ü r Recht und Juftiz, f ü r Kirchen® und Schulpolitik eine Einheit. Diefe blieben vielmehr ebenfo wie im wefentlichen auch die aus« wärtige Politik und das Militärwefen den Einzel|taaten überlaffen; eine Bundes« kriegsverfaffung follte erft der Bundestag fchaffen. Vom preußifchen Staats® gebiet gehörten dem Bund die Provinzen Preußen und Pofen, vom öfterreichifchen das ganze Transleithanien nicht an. Dem volkstümlichen Einheitsdrang aber fetzten die Regierungen nicht nur durch die lofe Form diefes Bundes, fondern auch dadurch einen Damm entgegen, daß fie ihm keine konftitutionelle Ver«
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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faffung gaben, alfo keinerlei Nationalrepräfentation bei ihm zuließen und fo die werktätige Beteiligung des Volkes an den Gefchäften der deutfehen Politik, die der Rheinifche M e r k u r noch im M a i 1 8 1 5 wiederholt gefordert hatte, un= möglich machten. D e r nationalgefinnte T e i l des Volkes (tand wehrlos vor der traurigen Zerriffenheit des politifchen Gebäudes, das die Regierungen er= richteten und das keine größere Sicherheit gegen äußere Feinde bot als das alte Reich. Arndt fprach in feiner Mitte Juli erfcheinenden Schrift über Preußens rheinifche M a r k von den „kümmerlichen Dyna|tieen", gegen die Deutfchland eines Herrn bedürfe. Von den Rheinländern aber, denen die freudige nationale Zuverficht den Mittelpunkt ihrer jungen politifchen Hoffnungen gebildet hatte, urteilte Benzenberg: „Innerlich ergrimmte das Volk, daß Deutfchlands Ehre in Wien nach den Siegen ebenfo gekränkt wurde, wie 1798 in Raftatt nach den N i e d e r l a g e n . " Die geheime Verbindung Gruners mit den „deutfehen Gefell= fchaften" wurde im Oktober 1 8 1 5 förmlich gelöft. U n d Görres, der auf ein deutfehes Reich gehofft hatte „ a u s einem Stück und, wenn auch aus verfchiedenen Metallen gemifcht, doch in einem G u ß rein a u s g e f o r m t " , kennzeichnete die Bundesakte als ein „elendes M a c h w e r k " . N u r im Einzelftaate blieb dem deutfehen Volke die Hoffnung ai f politifche Betätigung; die Einzelftaaten traten zwifchen das Volk und den feiner S p h ä r e entrückten Deutfehen B u n d . F ü r fie be|timmte Artikel 1 3 der Bundesakte, daß „ i n allen B u n d e s r ä t e n eine landftändifehe Verfaffung ftattfinden follte". In diefer kurzen und vieldeutigen Be|timmung war zufammengefaßt, was nach dem Willen der Regierungen dem deutfehen Volke an Zugeftändniffen auf konftitutionellem Gebiete gebührte. Da keine allgemeine deutfehe Kon(titution als N o r m f ü r die Anpaffung einzeljtaatlicher Konftitutionen vom Wiener Kongreß ausgearbeitet worden war, fo konnte jeder Einzelftaat feinen befon= dern Weg gehen. Der Artikel beftimmte nur fo viel, daß der fürftliche Abfolutismus in ihnen allen befeitigt werden follte. W i e aber die von den Patrioten erfehnte freie M i t w i r k u n g aller am Staate, felbjtändig und doch als Glieder des Ganzen, gehaltet werden follte, das blieb den Einzelftaaten über« laflen. Die Enttäufchung über den Verlauf der deutfehen Einheitsbewegung trug die Schuld, daß die Verhandlungen darüber von vornherein nicht in dem Geifte vertrauensvoller Harmonie zwifchen Fürften und Völkern eröffnet wurden, der den Beginn der deutfehen Erhebung ausgezeichnet hatte. Das traf nun auch f ü r Preußen und Rheinland zu.
Zweites Kapitel ( 1 8 1 5 — 1 8 2 4 ) . Reaktion in Berlin. — Ringen um die VerfaiTung 1 8 1 5 — 1 8 2 0 . — Kirchenpolitifche Spannung 1 8 1 7 — 2 1 . — Einrichtung der Provinzialftände 1 8 2 3 / 2 4 . Was die Verheißungen Friedrich Wilhelms I I I . vom 5. April und 2 2 . M a i 1 8 1 5 in Ausficht (teilten, unterfchied fich wefentlich von dem, was die liberale Doktrin der Zeit auf G r u n d der englifchen und franzöfifchen Zu(tände unter einer modernen Verfaffung verftand. Im preußifchen Staat follten zwar fortan
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Plan einer allgemeinen Staatsverfassung in Preußen
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durch eine „Repräfentation des V o l k s " alle Klaffen der Staatsbürger durch das Mittel der Wahlen am öffentlichen Leben beteiligt werden, aber diefe Wahlen follten nicht, wie es der franzöfifche Individualismus durchgeführt hatte, lediglich nach der Kopfzahl der Wähler erfolgen, fondern in einer „ d e m Bedürfnifle der Zeit gemäßen" Art (tändifch gegliedert werden. Das zielte nicht auf eine Er= neuerung des älteren Ständewefens, das dem Landadel eine erbliche, auf dem Vorrecht der Geburt beruhende, nicht von Wahlen abhängige, politifche Vor= zugs(tellung zugewiefen, den Bauernftand ganz vom öffentlichen Leben aus= gefchloffen und den Städten nur einen mäßigen Einfluß eingeräumt, durchweg aber dahin geführt hatte, daß die Stände fich vorwiegend als Vertreter ihrer befonderen Intereflien betrachteten. Vielmehr follte die Gefamtheit der Staats® bürger an der Verfaffung teilnehmen, und zwar follten in den einzelnen Wahl= kreifen die Angehörigen der Berufsftände, die fich in dem Zeitalter der Gewerbes freiheit und der bürgerlichen Rechtsgleichheit aus der Einheit und Verfchieden= heit der Befchäftigung neu entwickelten und in ihrer S u m m e das homogene Staatsbürgertum in modernem Sinne dar(tellten, — große und bäuerliche Guts= befitzer auf dem Lande, Hausbefitzer in den Städten, Kaufleute, Handwerker und Gewerbetreibende, Gelehrte und Gei(tliche, Angehörige freier Berufe aller Art — ihre Vertreter wählen, diefe fich aber im Sinne des Repräfentativ= fyftems als Vertreter der Gefamtheit, nicht ftändifcher Sonderintereffen, fühlen. 1 ) F ü r die Volksrepräfentation war ferner ein Aufbau in zwei Stufen vorgefehen. Aus den von den neuen Ständen gewählten Vertretungen der verfchiedenen Provinzen follte durch Wahlen die Verfammlung der Landesrepräfentanten her* vorgehen, während nach den we(teuropäifchen Verfaffungen die allgemeine Volks* Vertretung ohne Zwifchenglied vom Volk gewählt wurde. Beide Abweichungen, durch die eine felbftändige, von fremden Vorbildern unabhängige Verfaffungs= entwicklung in Preußen gewährleiftet wurde, (tammten aus dem Ideenkreis der preußifchen Reformer über einen organifchen Aufbau des Staates. Danach hatte nicht, wie in Frankreich, die allgemeine Staatsverfaffung und die allge= meine Gefetzgebung voraufzugehen und die Ordnung der einzelnen Teile des Ganzen auf diefer Grundlage fich anzufchließen, fondern es follte der umgekehrte Weg eingefchlagen werden. Auf den König felbjt aber ging es zurück, wenn in feinen Verheißungen die Rechte der Volksvertretung auf beratende Stimme bei der Gefetzgebung und bei der Befteuerung befchränkt wurden, während die modernen Verfaffungen dem Parlament befchließende Funktion, und ins= befondere das Recht der vollen Steuerbewilligung, zubilligten. In der aus dem Mittelalter ftammenden (tändifchen Staatsordnung waren die Stände gleichfalls im Befitz von Befchlußrechten, insbefondere des Steuer= bewilligungsrechts, gewefen. Diefes war das urfprünglichfte und wefentlichjte Recht der alten Stände. Allerdings bezog es fich nicht auf alle Abgaben. Die Reichs= und Kreis|teuern bedurften nicht der (tändifchen Zuftimmung. Auch verfügte der Fürft frei über feine Regalien und die Einkünfte feiner Domänen. Diefe reichten indeffen nicht aus f ü r die Staatsbedürfniffe, der Mehrbedarf wurde daher durch von den Ständen bewilligte neue Steuern und Anleihen gedeckt. Gerade dadurch war aber lange Zeit die Ent(tehung konzentrierter Staats= !) Neue Stände diefer Art find zuerft in den auf Napoleon zurückgehenden Ver= faffungen f ü r Italien (1802), Königreich We(tfalen (1807), Bayern (1808), Großherzogtum Frankfurt (1810), dann auch in der vom Freiherrn vom Stein beeinflußten Verfaffung von Naffau ( 1 8 1 4 ) eingerichtet worden. Arndt empfahl 1 8 1 4 die Gliederung in drei Stän= de: Adel, Bürger® und Bauernftand, Dahlmann 1 8 1 5 die Vertretung aller Berufsftände.
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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gewalt auf geficherter materieller Grundlage verhindert worden. Z w e i gleich (tarke Mächte im Staate lähmen die (taatliche K r a f t , insbefondere kann die Steuerverweigerung den ganzen Mechanismus des Staats in Frage (teilen. D e r für(tlich=(tändifche Dualismus hatte (ich daher in inneren Reibungen verzehrt. Indem der fürftliche Abfolutismus im 1 7 . Jahrhundert daran ging, die Stände bedeutungslos zu machen, gelang ihm der A u f b a u von Groß(taaten mit ein= heitlicher Machtentwicklung, in denen der Monarch als Urquell aller Staats= gewalt und als T r ä g e r der vollen Souveränetät eine allumfaffende Regierungs« gewalt in eigenem N a m e n übte und ("ich in ihrer A u s ü b u n g nur durch felb(t= gefchaffene gefetzliche Beftimmungen befchränkte. W o dann aber der fürftliche Abfolutismus durch Revolutionen befeitigt und das Prinzip der Volksfouveränetät aufgerichtet, demgemäß der rechtmäßige U r f p r u n g aller politifchen Gewalt umgekehrt in das Volk verlegt wurde, wurde die verfa(fungs= und gefetzgebende Tätigkeit des Volkes die ausfchließlichc Quelle einer neuen Regierungsgewalt, die Volksvertretung alfo an Stelle des Fürften das höchfte Organ eines neuen Verfaffungsftaats. W u r d e die Monarchie nicht durch die Republik erfetzt, fo wurden die politifchen Gewalten verfaffungsmäßig in der Weife geteilt, daß dem Parlament in der Gefetzgebung und im gefamten Abgabewefen eine ent= fcheidende S t i m m e , dem Fürften aber die Regierungsgewalt zuftand, während die Rechtfprechung in feinem N a m e n durch unabhängige Richter erfolgte. In Gefetzgebung und Abgabewefen wurde die K r o n e durch das Befchlußrecht des Parlaments bei allen Gefetzen, bei der Steuers und Anleihefeftfetzung, vor allem aber bei der jetzt erft eingeführten jährlichen Budgetbewilligung abhängig von der Volksvertretung. F ü r die Regierungstätigkeit ftanden ihr, dem volksmäßigen U r f p r u n g aller (taatlichen G e w a l t entfprechend, nur die ihr durch die Verfaffung und Gefetzgebung ausdrücklich übertragenen Rechte zu. A u s diefer Kräfteverteilung und aus der konftitutionellen Verantwortlichkeit der Minifter vor dem Parlament zog die K r o n e in England nach 1800 die Konfes quenz, daß fie ihre Minifter nur noch aus der jeweiligen Majorität des Parla= ments entnahm. Die f ü r die Gefetzgebung und Beiteuerung ausfchlaggebende Majorität gewann auf diefe Weife den beftimmenden Einfluß auch auf die Regierung. Nicht nur die Gefetzgebung felbft, fondern auch ihre Durchführung erhielt parlamentarifchen Charakter. Das Minifterium wurde ein Ausfchuß der Parlamentsmajorität, die Regierung alfo Regierung der K r o n e in ü b e r « einftimmung mit der Mehrheit der Volksvertretung, und durch diefes neue Einheitsprinzip wurde die (taatliche Aktivität vor der L ä h m u n g durch das Nebeneinander der vollen Gewaltenteilung bewahrt. Eine einfache Übertragung diefer konftitutionellen G r u n d f ä t z e Weft= europas auf Deutfchland und Preußen war nicht angängig. Denn in Preußen w a r die Krone kein Produkt einer vom Volke ausgegangenen Verfaffung. Die abfolute Krone hatte vielmehr felbft den preußifchen Gefamtftaat aufgebaut, feine europäifche Machtftellung aber durch ihr (teilendes Heer und die zentrale, von ihrem Beamtentum ausgeübte Landesverwaltung gefchaffen, indem fie nach 1 7 0 0 die Stände in den Einzelterritorien zur Bedeutungslofigkeit herabdrückte und Steuern und Abgaben ohne deren Z u f t i m m u n g erhob. D i e bedeutendfte und perfönlichfte Leiftung des preußifchen Königtums im 1 8 . Jahrhundert w a r die A r m e e . Ihrer hervorragenden Tüchtigkeit w u r d e das Emporfteigen der norddeutschen Großmacht unter Königen verdankt, die fich in einer Zeit, w o die abfolute Monarchie in anderen Staaten zur Zügellofigkeit entartete, durch
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Konstitutionelle Grundfragen in Preußen
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hohes Pflichtgefühl und unabläffige Hingabe an das Wohl des Staates aus= zeichneten. Eine Revolution, die ein preußifches Volk als Einheit gegenüber der K r o n e hervorbrachte und den Schwerpunkt im Staate nach diefer Seite verlegte, hatte nicht (tattgefunden. D i e Monarchie (teilte noch immer die Staats= einheit und die ununterbrochene hiftorifche Regierungsgewalt dar. Indem die preußifche K r o n e durch ihre V e r o r d n u n g vom jo. April 1 8 1 5 ( B d . I, 88) f ü r fämtliche zehn Provinzen des Staates einfchließlich der neuerworbenen ein verbe(]ertes Verwaltungsfyjtem nach dem M u f t e r der alten Provinzen einrichtete und in ftraffen Z u f a m m e n h a n g mit der Organifation der Zentralbehörden in Berlin fetzte, dehnte fic aus eigner Vollmacht die Organe ihrer Regierungs= gewalt in Provinzen, Regierungsbezirken und K r e i f e n auch auf die Rheinlande aus. D e r Ausgleich von neuer Volksfreiheit mit überlieferter K r o n g e w a l t konnte in Preußen alfo nicht nach wefteuropäifchem Vorbilde erfolgen. Allerdings hatten die R e f o r m e r die Entziehung eines preußifchen „ V o l k e s " angebahnt und veranlaßt, daß die K r o n e ihm nicht nur wiederholt einen ver= faffungsmäßigen Anteil am Staate verhieß, fondern auch daß der K ö n i g in einem weltgefchichtlichen Augenblick, am 1 7 . M ä r z 1 8 1 3 , einen A u f r u f um freiwilligen felbjtändigen Beiftand „ a n mein V o l k " richtete. Ohne den frei* willigen hingebenden O p f e r m u t feiner Bevölkerung wäre der Staat im Jahre 1 8 1 3 gewiß zufammengebrochen. A b e r in Wirklichkeit exiftierte ein homogenes preußifches Volk im Jahre 1 8 1 5 doch er|t in den neuen Provinzen am Rhein, wo durch die franzöfifche Herrfchaft die bürgerliche Rechtsgleichheit gefchaffen worden war. In den alten Provinzen war dagegen die foziale und rechtliche Abhängigkeit des Bauernjtandes vom Landadel noch erhalten. D i e Bauern= befreiung hatte zwar in den Jahren 1 8 0 7 — 1 8 1 1 begonnen, w a r dann aber durch den Wider|tand des Adels ins Stocken geraten. Die meiften Bauern waren noch abhängig von den adligen G u t s h e r r e n , ihrer polizeilichen und gerichtlichen Hoheit unterworfen und fomit f ü r die Rolle gleichberechtigter Staatsbürger nicht qualifiziert. Ebenfo beftand in den alten Provinzen die rechtliche T r e n n u n g von Stadt und L a n d noch fort. Eine einheitliche, Stadt und L a n d gleichmäßig umfaflende G e m e i n d e o r d n u n g gab es wiederum nur in den franzöfifch organi= fierten Provinzen am R h e i n . Im Often hatten zwar die Städte im Jahre 1808 die vortreffliche Steinfche Städteordnung erhalten; eine L a n d g e m e i n d e o r d n u n g aber erwies fich als unmöglich, da die adligen Rittergüter ihres U m f a n g s , ihrer Grundjteuerfreiheit und fonjtigen Privilegien wegen fich mit den" bäuerlichen Anfiedelungen fchwer in L a n d g e m e i n d e n z u f a m m e n f a f f e n ließen. F ü r die B e m e f f u n g der konftitutionellen Volkskompetenzen dachten die M ä n n e r der R e f o r m , erfüllt von dem Schwung der großen Zeit der E r h e b u n g und von der Idee vertrauensvoller Gemeinfchaft, zu der fich das mündig ge= wordene „ V o l k " nach 1806 freiwillig und ungerufen mit der K r o n e verbunden hatte, an einen die Staatskraft fördernden Zuftand harmonifchen Zufammen= wirkens der alten K r o n g e w a l t mit einer gewählten Volksvertretung auf dem Gebiete der G e f e t z g e b u n g und des enge mit ihr verknüpften Be(teuerungs= rechts. Ober die A b g r e n z u n g der Kompetenzen im einzelnen herrfchte aber keine ü b e r e i n f t i m m u n g unter ihnen. Als im N o v e m b e r 1 8 1 4 auf dem Wiener Kongreß über die G r u n d l a g e n des künftigen Verfaffungslebens in Ofterreich und Preußen verhandelt wurde, traten Hardenberg und H u m b o l d t f ü r beratende Stimme der Volksvertretung bei Gefetzesvorlagen, f ü r befchließende S t i m m e bei Steuervorlagen, d. h. f ü r das Recht der Bewilligung neuer und der E r h ö h u n g
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Zweites KapiteU1815—1824)
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beftehender Steuern, ein. Der Freiherr vom Stein aber, der früher weniger verlangt hatte, forderte jetzt befchließende Stimme in beiden Fällen. Stein hatte fchon in feiner er|ten Denkfehrift an den König (vom 27. April 1806) fich dahin geäußert, der preußifche Staat habe keine Staatsverfaffung, denn die oberfte Gewalt fei nicht zwifchen dem Oberhaupt und der Vertretung der Nation geteilt. Die führenden Staatsmänner der Reform wünfchtenjalfo f ü r Preußen zwar eine (tarke Krone, aber doch eine wirkliche verfaffungsmäßige Teilung der Jtaatlichen Gewalten. Sollte fie auch nicht fo weit gehen, wie es die Staats« theorie von Montesquieu und Kant als unerläßlich f ü r eine repräfentative Ver= faffung betrachtete, fo konnte fie doch dem durch die bourbonifche Reftauration in der oktroyierten Charte König Ludwigs X V I I I . vom 4. Juni 1 8 1 4 gefchaffenen Syftem angenähert werden. Hier aber trat von neuem zutage, wie ftark die Auf» faffung Friedrich Wilhelms I I I . von feinen amtlichen Ratgebern aus der Gruppe der Reformminifter abwich. Hatten fie im Gegenfatz zu ihm den nationalen Einheitsgedanken über den preußifchen Staatsgedanken fetzen wollen, fo ftellte nun fowohl ihre Auffaffung, daß durch die jüng|te Entwicklung in Preußen ein mündig gewordenes Volk freier Bürger zu felb(tändiger Mitwirkung am Staate berufen worden fei, als auch das Maß von Kompetenzen, das fie f ü r diefes Volk verlangten, eine Verfchiebung des innerpolitifchen Schwerpunktes in Ausficht. Der den Reformern nahegehende, im Juli 1 8 1 5 zum erften Oberpräfidenten der Rheinprovinzen ernannte J. A. Sack fprach im Herbjt 1 8 1 5 feine Uber= zeugung aus, „ d i e Hauptftärke der preußifchen Monarchie beruht feit 1806 auf der moralifchen Entwicklung unferes Volkes und auf gei(tigen Stützpunkten, welche ihrerfeits durch Gedanken= und Redefreiheit wefentlich bedingt f i n d " . Demgegenüber hielt aber der König die Kontinuität des (taatlichen Macht= gedankens feft, wie er hijtorifch in der preußifchen Krongewalt verkörpert war und fich in ihrem harten Ringen mit den alten Ständen durchgefetzt hatte. Eine Repräfentation, wie fie den Männern der Reform als der Würde des Volkes angemeffen vorfchwebte, war, wenn fie auch nicht diejvollen Kompe= tenzen weiteuropäifcher Parlamente erhielt und keineswegs als Ausfluß der Idee der Volksfouveränetät gedacht war, doch im|tande, in Konfliktsfällen einen Zwang auf die Krone auszuüben. N u r wenn das Volk mit dem König und der König mit dem Volke ganz einig, wenn Regierung und Volk zu voller Harmonie verfchmolzen waren, war beim Volke die Synthefe von politifcher Freiheit und Hingebung praktifch durchführbar, die den Erneuerern des alten Preußen vorfchwebte. DasjVerfagen der Regierungen in der nationalen Frage hatte aber jtatt deffen fchon offenbart, wie jtark die vorhandenen Gegenfätze waren. Die realiftifche Staatsauffaffung Friedrich Wilhelms I I I . deckte fich keineswegs mit dem Standpunkt feiner Ratgeber. Er wollte die Aufrechterhaltung des monarchifchen Prinzips nicht nur in dem Sinne der Reformminifter und der Charte von 1 8 1 4 , die durch das Zugejtändnis befchließender Mitwirkung an die Kammern bei der gefamten Steuerbewilligung und Gefetzgebung das Prinzip der Gewaltenteilung anerkannte. Die Monarchie follte vielmehr die Trägerin der Souveränetät in der Weife bleiben, daß bei ihr durchweg die Entfcheidung ruhte und fie durch keine andere Macht im Staate zu Handlungen genötigt werden konnte. Wie er in den wiederholten Verheißungen vom Jahre 1 8 1 0 ab ftets nur beratende Stimme in Ausficht geftellt hatte, fo weigerte er fich jetzt, und zwar in öbereinftimmung mit Metternich, benimmt und ausdrücklich, den zukünftigen Volksvertretungen von Preußen und Ofterreich mehr als beratende
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Beratende oder beschließende Stimme der Volksvertretung
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Stimme zuzugeftehen. 1 ) Hardenberg [ah fich gezwungen, nachzugeben. Das von ihm und feinem Vertrauten Staegemann formulierte königliche Verfprechen vom 5. April 1 8 1 5 (teilte den Rheinländern in Ausficht, daß die Steuern mit ihrer Zuziehung (nicht Zuftimmung) reguliert und feftgeftellt werden follten, und die allgemeine Verheißung vom 22. Mai 1 8 1 5 , die gleichfalls ihm und Staegemann ihre Faffung verdankte, erklärte: Die Wirkfamkeit der Landes= repräfentanten erftreckt fich auf die Beratung (nicht Befchlußfaffung) über alle Gegenftände der Gefetzgebung, welche die perfönlichen und Eigentums= rechte der Staatsbürger, mit Einfchluß der Befteuerung, betreffen. Die (tarke Abweichung der Verheißungen des Königs nicht nur vom Wefen der älteren (tändifchen Verfaffungen, in denen lediglich beratende Stände völlig unbekannt waren, fondern auch von der neuern liberalen Doktrin mußte in den Rheinlanden um fo mehr auffallen, als dem lebhaften Sinn der Bevölkerung der Vergleich mit der bis vor kurzem geltenden franzöfifchen Verfaffung fich aufdrängte. Dennoch war, wie die Äußerungen der rheinifchen Publizi(ten ergeben, die Aufnahme freundlich. Von der „franzöfifchen Staatseinrichtung oder Emanation der Volksfouveränetät" erwartete man f ü r die Landesverfaffung ebenfowenig Vorteile wie f ü r die Reichsverfaffung, da fie fich in den letzten Jahren als zu fchwach gegen Napoleons Defpotismus erwiefen hatte. C . A. Zum Bach warnte, man möge fich wohl hüten, das Zukünftige daran anzuknüpfen, fon(t werde „gleich anfänglich der Charakter des Wahren, Wohlgemeinten und Deutfchfinnigen, den es tragen folle, in Zweifel gezogen und die Garantie des Volksglücks dem bitteren Spott aufs neue preisgegeben werden". Für die (tändifche Gliederung der Wahlen konnten fich von den rheinifchen Publizi(ten zwar Benzenberg und Koppe nicht erwärmen, aber Görres, deffen Anfichten über Verfaffung fich nahe mit denen des Freiherrn vom Stein berührten, empfahl fie nachdrücklich, auch er in der Vorausfetzung, daß keinerlei (tändifche Geburts= Privilegien oder andere Sonderrechte Geltung haben, und daß der Lehr(tand, der Wehrftand und der Nährftand — er dachte an eine dreiteilige, zahlreiche Einzelgruppen zufammenfaffende Gliederung diefer Art — durch ihre gewählten Vertreter das Intereffe der Gefamtheit zum Ausdruck bringen follten. Das Prinzip bürgerlicher Rechtsgleichheit, das den Rheinländern feit der franzöfifchen Herrfchaft als die unerläßliche Grundlage des Staatswefens erfchien, fchloß in der T a t eine (tändifche Gruppenbildung der Wähler in diefer Form nicht aus. Auch der Aufbau der Staatsverfaffung auf die Provinzialverfaffung wurde im allgemeinen gebilligt; auf diefe Weife konnte am eheften die Eigenart der Rheinlande Berückfichtigung in der neuen Verfaffung finden, in welcher Richtung fchon Wünfche zum Ausdruck gekommen waren. In bezug auf das M a ß der Kompetenzen, die der Volksvertretung zu(tehen follten, herrfchte gleichfalls keine volle übereinjtimmung. Die Befchränkung der Volksvertretung auf die Rolle eines bloß beratenden Körpers entfprach indeffeti den Wünfchen der Rheinländer durchweg nicht. Aber auch das parlamentarifche Syftem im eng= lifchen Sinne — das Hervorgehen der Regierung aus der Majorität des Parla= ments, „ d i e Minifterariftokratie" —, über das die Männer der preußifchen !) Die oben S . 2 3 , A n m . 1 erwähnte Verfaffung für das Königreich Weftfalen vom J. 1807 verlieh den neuen Ständen auch nur beratende Stimme. Die von Stein beeinflußte Naffauifche Verfaffung von 1 8 1 4 geftand ihnen dagegen die Bewilligung aller direkten und indirekten Abgaben zu (der direkten jährlich, der indirekten nach Gutfinden auf fechs Jahre).
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Reform verfchieden dachten, verurteilte Görres, fo fehr er fon|t den Gemeingeijt und die Selbftändigkeit des englifchen Volkes rühmte. Benzenberg bezeichnete es gleichfalls ( 1 8 1 5 ) als fehlerhaft, wenn Volksrepräfentanten zugleich Mini(ter feien. Die Rheinländer wollten alfo keine Parteiregierung, fondern eine Re= gierung außerhalb der Parteien. Sie berührten fich darin wieder mit einem leitenden Gedanken der Kantfchen Staatstheorie, der es ebenfo als Defpotie erfchienen war, wenn das Volk, das die Gefetze gibt, auch die Regierung hat, wie wenn der Monarch die Gefetze, die er ausführt, felbft gibt. Görres wollte weder das überwiegen der Völker, „ d i e aus dem Taumelbecher franzöfifcher Freiheit getrunken", noch das der Fürften, „ d i e [Ich im Schierlingstrank des Defpotismus betäubt" hatten. An dem hi(torifchen Eigenrecht monarchifcher Regierungen hielt er ebenfo fe(t, wie er mit Nachdruck erklärte, die Rechte der alten Stände, vor allem die Steuerbewilligung, müßten das Minimum der künftigen Volksrechte darfteilen. Und Benzenberg urteilte: „ W e n n die Stände das Recht haben, die Abgaben zu bewilligen, dann haben fie Mittel genug, die Regierung an die Wünfche des Volkes zu erinnern. Sollte die Regierung auf die Wünfche des Volkes keine Rückficht nehmen, dann wird fie fich bald in der Minorität befinden." Der Standpunkt der preußifchen Reformer fand alfo in der Verfaffungsfrage ähnlich wie in der nationalen Einheitsfrage im wefentlichen Zu(timmung. Politifche Eigenrechte der Regierung wie der Volksvertretung, freudiges Zufammenwirken der Krone mit dem heran* gereiften, aus abfolutiftifcher Bevormundung entlaffenen Volke, und zwar in der Abficht, die K r a f t des Staates zu vermehren, das war die grund= fätzliche Meinung der politifch denkenden Kreife in den Rheinlanden. In diefem Sinne war man hier liberal und von der werbenden K r a f t liberaler Ideen überzeugt. Die königlichen Verheißungen vom April und 22. Mai 1 8 1 5 befriedigten daher hier wie in Preußen überhaupt, foweit eine liberale Staatsauffaffung verbreitet war, wefentlich deshalb, weil fic ausdrücklich eine „Repräfentation des Volkes", alfo eine Verfaffung moderner Art, in Ausficht ftellten, und weil Hardenberg als Staatskanzler fie mitgezeichnet hatte. Darauf ging es auch zurück, wenn Benzenberg die Verheißungen des Königs fo interpretierte, „daß die Regulierung und Feftftellung der Steuern an die Volksvertretung geknüpft werden folle, eine Staatseinrichtung, die nur in freien Verfaffungen [tattfinden kann und die jedesmal freie Verfaffungen herbeiführt, fobald fie vorhanden ijt". An Hardenbergs Mitwirkung aber konnten fich die rheinifchen Hoffnungen auf ein befriedigendes Endergebnis um fo eher anlehnen, als die Verordnung vom 22. Mai verfprach, zum 1 . September eine aus Beamten und aus Ver= trauensmännern des Volks zufammengefetzte Kommiffion nach Berlin zu berufen, um gemeinfam die Verfaffungsurkunde fe|tzu(tellen. Denn diefe Abficht fchien dem Vereinbarungsprinzip f ü r die Entjtehung einer Verfaffung zu entfpringen, f ü r das man am Rheine grundfätzlich eintrat. Die bürgerliche Freiheit wollte Görres „nicht durch den Defpotismus begründet" fehen, fie follte dem Volke nicht als eine „ G n a d e " gewährt werden; „ d e r neue Staats® vertrag" erfchien ihm vielmehr als die „einzig wahre und würdige A r t " , wie Regierung und Volk fich über die Verfaffung zu verftändigen hätten, und er verurteilte es aus diefem Grunde mit allem Nachdruck, daß in Frankreich Ludwig X V I I I . die Charte aus königlicher Machtvollkommenheit am 4. Juni 1 8 1 4 oktroyierte, „ u m das Volk mit einem leeren Gaukelfpiel zu täufchen, das ihm
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Gewaltenteilung. Parlamentarismus. Vereinbarung der Verfassung
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wohl den Schein der Macht zuwirft, im Grunde aber der königlichen Gewalt ganz freie Hände läßt". An diefer Klippe aber geriet die Verfaffungsfrage noch während des Som= mers 1 8 1 5 ins Stocken. In denfelben Wochen, wo die vielberufene, im Auguft veröffentlichte Brofchüre des Profeffors A. H. Schmalz in Berlin die geheimen Vereine erfolgreich als die Stätten denunzierte, wo ungeordnete Volkskräfte mit Hilfe der jetzt verpönten nationalen Idee politifche Umwälzungen vor= bereiteten, warnte fein Gefinnungsgenoffe F . Ancillon den König beforgt vor der in Ausficht gesellten Kommiffionsberatung in Berlin. M i t lebhaften Farben malte er die Gefahren einer Revolution, die entftehen müffe, wenn in Preußen eine „Assemblee Constituante" von Volksrepräfentanten berufen würde. Das war eine augenfcheinliche Übertreibung; eine konstituierende, felb(tändig verfaffunggebende Verfammlung ftand nicht in Frage. Aber eine grundfätzliche Erwägung wurde nun in den Mittelpunkt gerückt. Nach dem monarchifchen Prinzip entfteht eine Verfaffung in der Weife, daß der vorher abfolute Monarch die Machtvollkommenheit feiner allumfaffenden Regierungs= gewalt freiwillig befchränkt, indem er eine Volksvertretung fchafft und ihr gewiffe Rechte zuwei|t. Das Volk befitzt demnach durchaus keine autonomen politifchen Rechte, fondern nur folche, die ihm die Krone überträgt. Die Ver= faffung entfteht durch formell freien Willensentfchluß des Monarchen. Eine Vereinbarung der Verfaffung zwifchen Fürft und Volk fetzt aber voraus, daß das Volk eigene Rechte befitzt, durch die es zum Abfchluß eines Vertrages mit der Krone auf dem Fuße der Ebenbürtigkeit legitimiert i(t. Davon konnte allerdings in Preußen in hiftorifchem Sinne um fo weniger die Rede fein, als es ein homogenes preußifches Volk noch nicht gab. Wenn aber die Reformer und die Rheinländer ein mehr oder weniger umfaffendes Mitbeftimmungsrecht f ü r das als politifche Einheit erft im Entftehen begriffene preußifche Volk aus der nationalen Erhebung und dem Freiheitskrieg ableiteten, fo konnten die Reaktionäre das leicht als Ausfluß des revolutionären Prinzips verdächtigen. Hatte doch das kategorifche Volksbewußtfein von Arndt, Stein und Gneifenau in den Stunden äußerfter Gefahr des deutfchen Vaterlandes die felb(tändige Volkserhebung unter Ausfchaltung der Fürjten gepredigt, da diefe fich mit Napoleon verbündet hatten und fo der Idee der deutfchen Einheit und Freiheit im Wege ftanden. Das Zugeftändnis umfaffender Volksrechte konnte ferner dahin führen, daß Preußen einen (törenden Dualismus, wie es ihn früher in feinen (tändifchen, aus zwei verfchiedenen Rechtsfubjekten zufammengefetzten Territorien mit Hilfe des fürftlichen Abfolutismus überwunden hatte, nun im Gefamtftaat aufrichtete. Insbefondere legten auch die am Rhein laut gewordenen Ideen f ü r den Fall von Differenzen zwifchen Fürft und Volksvertretung die Gefahr einer folchen Hemmung des Staatswillens nahe. Demgegenüber (teilte fich die Krone be(timmt auf den Standpunkt des monarchifchen Prinzips, daß das preußifche Volk keinerlei autonomen Anteil am preußifchen Gefamt(taat befitze. So wurde der Gedanke der Verfaffungsberatung und der Ausarbeitung einer Verfaffungsurkunde durch Beamte mit Vertrauensmännern des Volkes, als einen Bruch mit der Vergangenheit darftellend und in dem revolutionären Prinzip politifcher Eigenrechte des Volkes wurzelnd, aufgegeben. Wie der Wiener Kongreß die in Ausficht gelteilte Verhandlung mit der Nation über die Zukunft Deutfchlands verweigert hatte, fo wich die preußifche Regierung jetzt der Verhandlung mit dem eigenen Volke aus. Die Kommiffion wurde
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nicht einberufen, nur die Oktroyierung der preußifchen Verfaffung kam noch in Frage. Wie die franzöfifche Charte vom Jahre 1 8 1 4 , fo follte auch fie dem Gefetzgebungsrechte des abfoluten Monarchen allein ihren Urfprung und ihren Inhalt verdanken. Für diefe Politik aber fand die Krone Rückhalt wieder bei dem konfer= vativen Landadel der öjtlichen Provinzen, auf den fie fich auch f ü r die Durch= führung einer fpezififch preußifchen Intereffenpolitik gegenüber der nationalen Idee (tützte. Im Gegenfatz zu der Reformgefetzgebung, die feit 1806 die Adels= Privilegien zu befeitigen begonnen hatte, wollte der alte führende Stand auf dem Mutterboden des preußifchen Staates keine (taatsbürgerliche Gleichheit, demgemäß auch keine auf diefer Grundlage beruhende und er(t recht keine vereinbarte Gefamtverfaffung. Das aber wurde nun f ü r das Schickfal der kon= (titutionellen Frage entfeheidend. Die (taatsbürgerliche Gleichheit war eine revolutionäre franzöfifche Schöpfung, die auf der Idee des natürlichen, ur= fprünglich gleichen Rechts aller beruhte und vom Dritten Stand, den bürger= liehen Trägern von Bildung und Befitz, auf Koften des Adels in den we(tlichen Staaten des Kontinents und in den Rheinlanden verwirklicht worden war. In Altpreußen aber waren die mei(ten Kleinbauern noch immer abhängig vom Rittergut, feinem adligen Befitzer zu Fronden, Hand= und Spanndienften verpflichtet, feiner Polizei und patrimonialen Gerichtsbarkeit unterworfen, in ihrem perfönlichen Freiheitsverhältnis alfo (tark befchränkt. Seit dem Siege über Napoleon im Frühjahr 1 8 1 4 proteftierte der oftelbifche Adel beim König nachdrücklich gegen „alle franzöfifchen Einrichtungen", d. h. gegen den Gei(t der preußifchen Agrarreform feit 1807, und bat ihn, nicht eine allgemeine Staatsverfaffung zu gewähren, fondern „ d i e alten Provinzial(tände auf eine unferer Zeit angemeffene Art ins Leben zurückzurufen". Friedrich Wilhelm I I I . war zwar beim Beginn feiner Regierung perfönlich f ü r die Bauernbefreiung eingetreten, aber vor dem Widerfpruch des Adels zurückgewichen, bis ihm Stein und Hardenberg den nötigen Rückhalt boten. Jetzt gab er von neuem den Wünfchen des Adels nach, dem nur an der erften der beiden in der Ver= Ordnung vom 22. Mai 1 8 1 5 in Ausficht geftellten Verfaffungsftufen etwas lag. Durch eine an die alten Territorien anlehnende Provinzialverfaffung hoffte der Adel in den öftlichen Provinzen feine überlieferte Privilegierung gegenüber Städten und Bauern zu behaupten; eine allgemeine Konftitution gefährdete dagegen feine foziale Herrenftellung. Nachdem die durch das Edikt vom 30. Juli 1 8 1 2 verfügte Umgejtaltung der ländlichen Gemeinde= und Kreisverfaffung, welche die Polizeiverwaltung der adligen Grundherren und die ariftokratifche Selb(t= Verwaltung durch (taatliche Behörden erfetzen follte, fchon im Mai 1 8 1 4 preis= gegeben worden war, unterbrach die fog. Deklaration wegen Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältniffe, die der König am 29. Mai 1 8 1 6 erließ, auch die Fortführung der Bauernbefreiung und damit der begonnenen Staatsumwälzung von oben her; die Abhängigkeit der M a f f e der Kleinbauern vom Gutsherrn blieb weiter beftehen. Zufammen mit dem monarchifchen Prinzip fchuf diefe Maßregel die entfeheidenden Grundtatfachen f ü r die preußifche Verfaffungsentwicklung. Indem fie den gefellfchaftlichen Liberalismus unwirk= fam machte, entzog fie dem politifchen Liberalismus die Bafis. Bis zur Revo= lution von 1848 blieben die Adligen der alten Provinzen Gerichtsherren, und fogar bis 1872 Polizeiherren ihrer Bauern. Die (taatsbürgerliche Gleichheit wurde alfo in Preußen nicht durchgeführt; in den öjtlichen Provinzen blieb es
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Haltung des Adels in den alten Provinzen. Armeefrage
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vielmehr dabei, daß der adlige Gutsherr befahl und der Bauer gehorchte; f ü r die ebenbürtige Teilnahme aller Klaffen der Staatsbürger an der Verfaffung fehlte der Boden. Aber auch der vorhandene foziale Gegenfatz der Rhein» lande zu den öftlichen Provinzen wurde auf diefe Weife legalifiert und fo allen Beflrebungen nach einer einheitlichen Verfaffung des preußifchen Staates in modernem Geifle ein Riegel vorgefchoben. Nicht nur grundfätzliche Erwägungen waren aber f ü r die Haltung der Krone entfeheidend. Es lagen vielmehr tatfächliche Schwierigkeiten ernfler Art vor. Die liberale öffentliche Meinung, insbefondere auch am Rhein, verlangte f ü r die zukünftige Volksvertretung befchließende Stimme, vor allem bei der Steuerfeflfetzung. F ü r die Höhe der Steuerfe(tfetzung in Preußen war aber in erfler Linie das militärifche Bedürfnis des Staates maßgebend. Die Armee als Lebensnerv Preußens, in dem fich die felbfländige K r a f t der Monarchie am fletigflen auswirkte, hatte einen Umfang und verurfachte eine Steuerlafl, die im Vergleich zur Einwohnerzahl des Landes fehr hoch waren. Die größere Hälfte der Staatseinnahmen wurde f ü r den Unterhalt der Armee benötigt. Konnte die Krone darauf rechnen, daß eine konjtitutionelle Volksvertretung diefen Anker preußifcher Traditionen fchützen werde, und konnte fie die wich= tigflen, in keinem Augenblick entbehrlichen Staatsbedürfniffe von periodifchen, freien Bewilligungen der Volksvertretung abhängig machen? Nach der Meinung der Patrioten, die den Befreiungskampf vorbereitet hatten, gehörte zum deutfehen Volke eine deutfehe Wehrmacht. Sie wollten alle ein flarkes Heer. Jeder deutfehe Mann follte waffenfähig und waffengeübt fein. Aber fie wollten keine einzelflaatliche, fondern eine allgemeine deutfehe Wehrmacht, und fie waren überzeugt, daß eine folche auf den militärifchen Drill und den Kaflengeifl der einzelflaatlichen flehenden Heere verzichten könne. „ D a s haben, fo meinte Arndt, die Deutfehen vor anderen Völkern voraus, daß fie nach der Übung weniger Wochen die Reihen halten und das Feuer aushalten gleich den im Kriege Geübten und Erfahrenden." Der Geifl der Freiheits= kriege wollte die wiedergewonnene Wehrhaftigkeit des ganzen Volkes vor« wiegend in der Geflalt der Landwehr als eines bürgerlichen Milizheeres ver» wirklichen. Das kam in Zeitungen, Zeit= und Flugfchriften immer wieder zum Ausdruck. Es wurde von der öffentlichen Meinung um fo freudiger begrüßt, als man auf diefem Wege erhebliche Erfparniffe erzielen zu können hoffte. Die großen fliehenden Heere wurden befonders auch deshalb getadelt, weil fie „ d a s Mark der Länder aufzehrten". Die Befchränkung des (tehenden Heeres auf ein Mindeflmaß wurde am Rhein, wo man dem „flarren und harten Soldaten^ t u m " des alten Preußen ablehnend gegenüberfland, allgemein gewünfeht. Die Gefinnung war auch hier keineswegs unwehrhaft. M i t flarker Wehr, fo fchrieb vielmehr 1 8 1 4 Görres im Rheinifchen Merkur, müffe ganz Deutfchland um= gürtet fein, das Land der europäifchen Mitte, „auf allen Seiten von flavifchen und lateinifchen Völkern umgeben, die ihm gleich fremd und gleich geneigt find, fich auf feine Koflen zu vergrößern". Die preußifche Idee der allgemeinen Wehrpflicht fand, wie der etwas fpäter am Rhein weilende Claufewitz beobachtete, Beifall. Aber das bezog fich vorwiegend auf Landwehr und Landfturm. Da keine militärifche Tradition vorhanden war, fehlte der Sinn f ü r flraffe Manns= zucht und technifche Schulung. Vor allem aber galt auch hier die Wehrhaftigkeit als Attribut der nationalen Idee. Dem großen deutfehen Vaterlande follte jeder Mann fein Leben zu opfern bereit fein. „Alles flehende Kriegsvolk, forderte
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Görrcs 1 8 1 4 , muß der Gefamtheit angehören und ihr die T r e u e fchwören, es darf nur vom Vaterlande wiffen und ihm nur gehorchen. Behalten die Sou= veräne die ftehende Kriegsmacht, und i(t darüber auch noch der Land(turm zu ihrer Verfügung, dann ift alle Verfaflung ein Spott, die Zeiten des Fauft= rechts kehren zurück." Seit dem Juni 1 8 1 5 war nun aber die Idee einer nationalen Armee durch die Preisgabe der deutfchen Einheit und die Wiederherftellung der einzeln (taatlichen Souveränetät im Deutfchen Bunde von den Regierungen vernichtet worden. Der Einzelftaat war wieder an die Stelle deutfcher Einheit getreten, und er forderte f ü r fich die militärifche Hingabe feiner Untertanen. Jede der fouveränen Einzelregierungen hatte nun Sorge, f ü r fich felbffc alle (taatlichen Machtmittel zu wahren. Preußen insbefondere wollte nicht, wie die klein« deutfchen Patrioten empfahlen, deutfche Macht in dem Sinne werden, daß es feine eigne Stärke erft in der Stärke eines deutfchen Ganzen fuchte. Wenn aber die liberale öffentliche Meinung in Deutfchland, die f ü r den Kriegsfall auf das Zufammenwirken der ganzen Nation rechnete, auch in den Einzel« ftaaten an ihrer Vorliebe f ü r die Miliz fejthielt, fo wurzelte König Friedrich Wilhelm I I I . in der abfolutiftifchen und militärifchen Tradition feines Haufes. Seit diefem bei Beginn des 1 7 . Jahrhunderts zu feinem brandenburgifchen Befitz als Erbfchaften die an den entgegengefetzten deutfchen Grenzen gelegenen Fürftentümer Kleve=Mark und OJtpreußen zufielen, war in ihm das Bewußtfein erwacht, daß es inmitten des politifchen Drucks von Weften und Often nur durch ungewöhnlich (traffe Beamtenorganifation und durch eine befonders (tarke Armee feinen zerriffenen Staatskörper behaupten und zu güri(tigeren Lebens« bedingungen entwickeln könne. Das Werk Friedrichs des Großen war der glänzende Erfolg diefes Bewußtfeins gewefen. An diefe preußifche Großmacht« tradition aber wollte der König anknüpfen, als ihm durch den Wiener Kongreß wiederum ein in zwei Hälften zerriffener, nach Weften und Often gleichmäßig gefährdeter Staat zugewiefen wurde. Je fchwächer feine diplomatifche K r a f t war, um fo zäher verharrte er in der Ideenwelt des (teilenden Heeres, um eine waffenftarke Selbftficherheit Preußens wiederzugewinnen. In der militärifchen Frage bejtand alfo ein fcharfer Gegenfatz zwifchen der preußifchen Monarchie und der liberalen öffentlichen Meinung. Der am Rhein vorherrfchende Wunfeh nach Befchränkung des (teilenden Heeres, die Forderung des Erfatzes der ko(tfpieIigen Armeen durch allgemeine Bewaffnung der Bürger, die Görresfche Kritik der „Erbärmlichkeit des Kamafchendienftes des ftockpreußifchen Soldatentums" und die Fortdauer der nationalen Einheits« idee beim Volke hingen aber fo unmittelbar mit der preußifchen Steuerpolitik zufammen, daß es der noch im Vollbefitz der Staatsgewalt befindlichen Krone nicht nur aus grundfätzlichen, fondern auch aus tatfächlichen Gründen gefährlich erfcheinen mußte, einem Parlamente die konftitutionelle Steuerbewilligung zuzuge(tehen. ü b e r die wichtigfte Frage der (taatlichen Sicherung bejtand keine Übereinftimmung zwifchen Regierung und Volk. Nach Lage der Dinge mußte vielmehr jede Verhandlung der preußifchen Volksvertretung über dieKoften der Armee zu dem publizijtifchen Kampf der öffentlichen Meinung gegen die Injtitution der (teilenden Heere den parlamentarifchen fügen und dabei zugleich immer wieder Anlaß geben, auch die deutfche Frage in einer f ü r die Re« gierung unbequemen Weife aufzugreifen, da nach dem Wunfche der Liberalen die Wehrmacht nun einmal den nationalen Reichsgedanken verkörpern follte.
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Allgemeine Wehrpflicht.
Landwehr und Milizsystem
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Auch in der Armeefrage aber konnte fich die Krone auf den oftelbifchen Adel (tützen. Vor hundert Jahren hatte fie das Verlangen der adligen Stände nach autonomer Mitregierung gebrochen, indem (k dem Adel der alten Provinzen das Offizierkorps als den erften und angefehen(ten Stand in ihrem Staate nahe« zu ganz überließ und die Entwicklung ari|tokratifch=militärifcher Standesehre auf jede Weife förderte. Die Könige fühlten fich felbft als Offiziere, und fie behandelten die Offiziere als Kameraden. In der Armee^hatte fich der Adel am voll(tändig(t en mit monarchifchem Sinn erfüllt; in ihr war er der königstreue Stand geworden, wo die von der Monarchie gefchaffene Gefamtstaatsidee am kräf= tigften Wurzel faßte. Dem preußifchen Militäradel, der gewohnt war, die Offiziersflellung auch als einen Ausdruck des adligen Vorrangs vor den zumei(t aus dem Bauernftand entnommenen Rekruten zu betrachten, erfchien die mehr* jährige Ausbildung aller Truppen mit den Mitteln ftraffer Difziplin f ü r den Gei(t und die Gefechtskraft der Armee ebenfo unentbehrlich wie der Fortbeftand des Offizierkorps und der unter den Waffen (teilenden Mannfchaften als eines von der zivilen Sphäre getrennten, dem Monarchen zu unbedingtem Gehorfam verpflichteten Soldatenjtandes. Nach der die Ideen der Reform widerfpiegelnden Landwehrordnung vom 2 1 . November 1 8 1 5 (tand aber die Landwehr infofern felbftändig neben der Linientruppe, als fte außer den durch diefe hindurch= gegangenen Referviften auch ungediente, nur milizartig ausgebildete Rekruten enthielt und ihr Offizierkorps bis zum Hauptmann felb(t, und zwar vorwiegend aus dem bürgerlichen Kreife, wählte. Zwei Drittel der (damals 80 000) Jahres« rekruten wurden der Landwehr überwiefen oder ganz befreit, nur ein Drittel wurde in die Linie aufgenommen. Am Rhein, wo bis 1 8 1 5 die franzöfifche Konfkription geherrfcht und demgemäß Ausgehobene aus wohlhabenden Kreifen fich meiftens durch Bezahlung einen Stellvertreter verfchafft hatten, hatte man fich 1 8 1 4 / 1 5 f ü r den bürgerlichen „Gei(t der Landwehr und Frei= willigen" erwärmt. Mit dem gemifchten Syftem gab man fich indeffen auch zufrieden, wenn nur bei der Auswahl der Rekruten f ü r Linie, Landwehr oder völlige Befreiung vom Militärdien|t das Gleichheitsprinzip durch Loosziehen gewahrt wurde. Am Hofe wären von der reaktionären Partei manche, denen die allgemeine Wehrpflicht als „organifierter A u f r u h r " erfchien und die bürger= liehen Landwehroffiziere befonders unbequem waren, am liebjten wieder zum alten, vor 1806 herrfchenden Syftem zurückgekehrt. Die Anhänger der allge= meinen Wehrpflicht unter dem oftelbifchen Adel aber wollten diefe nur in einer Weife verwirklicht fehen, die dem (tehenden Heere das Übergewicht wahrte. Jeder Preuße follte verpflichtet werden, zunächft drei Jahre im (tehenden Heere zu dienen, um dann erft in die Landwehr überzutreten. Das hätte indeffen die Koften der Armee fo erhöht, daß die Finanzen des durch den Krieg er« fchöpften Staats es in diefem Augenblick nicht ertragen konnten. Diefem Leit= gedanken gehörte er(t die Z u k u n f t ; f ü r die fpäteren Reformen der Heeres* verfaffung und f ü r das Verhältnis von Linie und Landwehr blieb er bedeut= fam. Daß die Landwehr dem Geifte des Berufsfoldatentums entfpreche, war aber auch der Wunfeh des Königs. Friedrich Wilhelm I I I . verfprach zwar in der Landwehrordnung, ebenfo wie er es am 5. April 1 8 1 5 bei der Be(ltz= ergreifung der Rheinlande zugefagt hatte, durch die Organifation einer ange« meffenen Landwehr werde er in Friedenszeiten dem Lande die Koften der Unterhaltung eines größern (tehenden Heeres erfparen. Aber er wollte doch in feiner aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgehenden Armee möglich(t Preußen und Rheinland 1S15—1915.
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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viel von der alten (traffen Difziplin erhalten und insbefondere die Treue und den unbedingten Gehorfam der ganzen Armee gegenüber dem T r ä g e r der Krone gewahrt wißen. Ihm waren die milizartigen Elemente in der neuen Wehrverfaffung von Anfang an bedenklich gewefen, und feine höflfche Um= gebung hatte ihn 1 8 1 4 gewarnt, Landwehr und Landfturm würden noch zur Revolution führen. Der Dienjt in der Linie war f ü r ihn das Wefentliche. Der „alte Soldatengeift", das „alte, (tarre, fchroffe Preußentum", wie es Görres als Vertreter der öffentlichen Meinung am Rheine kritifierte, wurde gewiß am heften bewahrt, wenn alle Wehrpflichtigen zunächft mehrere Jahre in der (tehenden Armee dienten. So wurde das Band zwifchen der Krone und derjenigen adligen Schicht weiter geftärkt, die den Thron umgab, den Kern des Offizierkorps bildete und gegenüber allen Wünfchen nach jtarker Korrektur der überlieferten Wehrmacht den feften Boden der preußifchen Machttradition wahren wollte. Indem aber die traditionelle, durch die Reformbewegung eine Zeitlang unterbrochene Gemeinfchaft von Krone und Militäradel wieder auf= lebte, kamen die Warnungen Ancillons und feiner politifchen Freunde erjt zu voller Wirkung, die vom Sommer 1 8 1 5 ab öffentlich und in geheimen an den König gerichteten Denkfchriften verficherten, alles Volksmäßige, fo auch die konjtitutionelle Idee, trage die Gefahren der Lehre von der Volksfouveränetät in fich, die Ancillon an Hand der franzöfifchen Entwicklung als das eigentliche Gärungs= und Auflöfungsprinzip, als die wahre Urfache aller wilden Zers ftörungen kennzeichnete. Keime zu gefahrvollen Bewegungen feien auch in Preußen und Deutfchland vorhanden, die Leidenfchaften tobten heimlich in manchem Bufen; man dürfe fie nicht in Berührung mit verderblichen Lehren bringen, nicht zum Ausbruch auffordern. Unerfchütterliche Ehrfurcht vor dem Prinzip der hiftorifchen Rechtmäßigkeit, Vermeidung gefchriebener Ver= faflungen, die mit einem Schlag verliehen werden füllten, langfamer Übergang zu Verfaffungseinrichtungen und Vermeidung des Staatsvertrags bei ihrer Entftehung feien die wirkfamen Gegenmittel. Der Staat Preußen begann fich wieder fo einzurichten, daß feine Struktur mit dem hiftorifchen Aufbau der Gefellfchaftsklaffen in den öfllichen Provinzen in Einklang blieb. Diefe waren mit der Krone nicht nur durch mannigfache Intereffengemeinfchaft, fondern auch durch die fittlichen Bande der T r e u e und Pietät gegenüber dem angeftammten Fürftenhaufe verbunden, Beziehungen, die durch die allgemeine Wendung der Epoche zu romantifcher Staats* und Weltanfchauung wefentlich verjtärkt wurden, in den neuen Provinzen aber nur in den klevifch=märkifchen Gebieten vorhanden fein konnten. In dem Verhältnis der Regierung zu den am Rhein vorhergehenden Iibe= ralen Wünfchen bildeten fich durch diefe Wendung vom Herbft 1 8 1 5 an (tarke Gegenfätze an Stelle der übereinftimmung, die man bei der Wieder® Vereinigung m i t D e u t f c h l a n d vorausgefetzt h a t t e .
D i e p r e u ß i f c h e K r o n e vertrat
jetzt den Standpunkt, daß das Volk kein eigenes Recht auf verfaffungsmäßige Mitarbeit, weder an der Zentralftelle des Deutfchen Bundes noch an der Zentral» (teile des preußifchen Staates, befitze. In den Angelegenheiten des Deutfchen Bundes wollte fie dem Volke auch in Zukunft keine Rechte übertragen wiffen, und feine Wünfche nach einer engern Ge(taltung diefes Bundes wollte fie zurückdrängen. In Preußen felbft aber gedachte fie fich zwar ihren Verheißungen und der Vorfchrift des Art. 13 der Bundesakte gemäß durch eine Verfaflung
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Landwehr. Aufbau der Staatsverfassung auf Gemeinde- und Provinzlalverfassung
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zu befchränken, alfo dem preußifchen Volke politifche Rechte zu übertragen. Bei deren Bemeffung blieb fie indeffen weit hinter dem zurück, was die öffentliche Meinung am Rhein in öbereinftimmung mit den liberalen Ideen in ganz Deutfchland als billig und zugleich im Intereffe des Staates felb(t f ü r die Schulung des Volkes in politifcher Freiheit, Würde und Pflichterfüllung notwendig erachtete. Sie wollte die (taatliche Gewalt nicht mit der Volksvertretung wirklich teilen, fondern diefer nur fo viel zuge(tehen, daß die Gefetzgebung mit Ein= fchluß der Beteuerung in Zukunft von gewählten Repräfentanten auch aus dem Gefichtspunkte des Volkes beraten und erörtert wurde. Die Befchlußfaffung wollte fie fleh felbft dauernd vorbehalten. Einen Zwang f ü r die Krone mochte fie auch auf dem Gebiete der Gefetzgebung und des Abgabenwefens unter keinen Umftänden entftehen laffen. M i t alleiniger Ausnahme diefes Zuge(tändniffes follte fon(t die hiftorifche Regierungsgewalt der Krone, entfprechend der Kona tinuität des monarchifchen Prinzips, in ihrer Unbefchränktheit erhalten bleiben. Die Verbindung der Krone mit den alten feudalen Mächten hatte aber noch eine weitere Folge. Der von den Reformern geplante organifche Aufbau der Staatsverfaffung auf die Provinzialftände empfahl fich aus vielen Gründen. Aber er konnte nur zuftande kommen, wenn die Provinzialverfaffungen wenig= (tens in den Grundzügen übereinftimmten. Die reaktionäre Wendung der Politik führte indeffen dahin, daß in den öftlichen Provinzen, die fich räumlich mit früheren preußifchen Territorien deckten oder nahe berührten, der Adel als Führer der alten Stände nicht nur möglich(te Wiederherftellung feiner Privilegien und Behauptung feiner Herrenjtellung gegenüber den Bauern wünfehte, fondern auch durch die (tändifche Mitarbeit an öffentlichen Dingen mehr den partikularen Provinzialismus als das Intereffe des Gefamt(taats zu fördern trachtete. Im Gefamt|taate gewährte ihm die Krone breiten Raum zur Betätigung, indem fie fich von den Reformern (den „Jakobinern, die auf Vernichtung des Adels abzielten") abwandte und ihm die hohen Staats= und Hofämter wie die Generalität und das Offizierkorps wieder vorbehielt. Hatten aber in den alten Provinzen diefe (tändifchen B e g e b u n g e n des Adels hi|torifche Grundlagen, fo fehlten diefe im Weften, insbefondere in der Rheinprovinz, völlig. Hier hatte man 1 8 1 5 den in Auspicht geftellten Aufbau der Staatsver« faffung auf die Provinzialftände fo verbanden, wie die Reformer ihn meinten. Die Einheit des Staatsbürgertums, die Gleichheit aller vor dem Gefetz ohne jede Privilegierung follte fo, wie fie am Rhein bereits beftand, durch alle Pro= vinzen verbreitet und dann auf homogenen Provinzialverfaffungen die Staats^ verfaffung errichtet werden. Diefe allgemeine Konftitution, „eine liberale, eines freien und großen Volkes würdige V e r f a f f u n g " , die durch einheitliche Verfchmelzung des Volkswillens dem Staat organifch wirkende Kräfte zuführen follte, war f ü r die Rheinländer das eigentliche politifche Ziel. „ D i e Verfaffung ift es, wohin alle unfere Wünfche und Anftrengungen fich richten müffen; fie wird unfere Tugend befeftigen, unfere Kräfte wecken" (J. P. Brewer, 1 8 1 6 ) . Sie allein bot den Rheinländern ebenbürtige Mitarbeit an der Zentral(telle des Staates. Denn Generalität und Hofämter waren ihnen unzugänglich, und im höheren Beamtentum gab es zwar einzelne befonders tüchtige, vom früher preußifchen Niederrhein flammende Männer 1 ), aber das waren politifch be= ') Außer dem Oberpräßdenten J . A . Sack (geb. 1 7 6 4 in Kleve, f 1 8 3 1 in Stettin) der um das Zollgefetz von 1 8 1 8 und den Zollverein hochverdiente G e h . Oberfinanzrat K . G . Maaffen (geb. 1 7 6 9 in Kleve, 1 8 5 0 — 3 4 Finanzminifter, f 1 8 3 4 in Berlin) und
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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deutungslofe Ausnahmen. Das Wiederaufleben der alten preußifchen Ari(to= kratie wirkte alfo, foweit die verfaflungsmäßige Mitarbeit des Volkes in Betracht kam, zugunften des provinzialen Partikularismus. Der führende Stand in den alten Provinzen hatte wohl Interefie an der Provinzialverfaffung, aber nicht an der Staatsverfaffung, und er hinderte den Aufbau diefer auf jene, indem er Zuftände der alten Provinzen zu konfervieren fuchte, die von den modernen Zujtänden der neuen Provinzen weit abwichen. Ebenfo fchnell w i e in Berlin die Ablöfung der Reform durch die Reaktion erfolgte, trat denn auch am Rhein ein Rückfchlag der f ü r Preußen gün(tigen Stimmung ein. Gemildert wurde er dadurch, daß Hardenberg felbft feine Stellung als Staatskanzler zu behaupten vermochte. Der König konnte ihn f ü r die auswärtige Politik nicht entbehren. Aber Hardenberg mußte fachliche und perfönliche Zugeftändnifle in großem Umfange machen, feit im Herb(t 1 8 1 5 der planmäßige Kampf der Reaktion gegen die geheimen Verbindungen und ihre angeblichen revolutionären Um= triebe, gegen die Träger der politifchen Reform und des nationalen Auffchwungs im Beamtentum und in der Armee einfetzte und offenbarte, wie leicht die Krone gegen alle volksmäßigen Be|trebungen ge(timmt werden konnte. Am Rhein verband man fehr bald die neue Lage. Görres wies im Rhei= nifchen Merkur im Dezember 1 8 1 5 unmutig darauf hin, daß die Reaktion „ i h r verjagtes Gefpenjt wieder herbeifchleppe, ihr Altpreußentum in feiner ganzen Herbheit und widerwärtigen Schärfe". Ebenfo wie Gruner und Sack hatte auch Hardenberg bisher die fchützende Hand über Görres gehalten. Obgleich der König fchon im Juni 1 8 1 5 die „Preßfrechheit" des vielgelefenen Rheinifchen Merkur getadelt hatte, ließen fie dem ftarken Freimut und der fchroffen Kritik in feinen Spalten weitgehenden Spielraum. Nun mußten fie zufehen, als der König am j . Januar 1 8 1 6 das Blatt verbot, weil es durch zügellofen Tadel die Unzufriedenheit des Volkes gegen die Regierung errege. Görres felbft, dem Gruner im April 1 8 1 4 unter der proviforifchen Regierung die Direktion des öffentlichen Unterrichts übertragen hatte, wurde im April 1 8 1 6 von der Auf= nähme in den preußifchen Beamtenkörper ausgefchloffen. Gruner aber, ebenfo wie Arndt als „preußifcher Jakobiner" denunziert und fchon im Juni 1 8 1 5 aus feiner rheinifchen Tätigkeit entladen, wurde im Frühjahr 1 8 1 6 in den diplo» matifchen Dienft nach der Schweiz verfetzt. Sack, der erfte Oberpräfident, mußte im März 1 8 1 6 die Rheinprovinzen mit Pommern vertaufchen. Von den beiden rheinifchen Oberpräfidenten, die an feine Stelle traten, (tand zwar Graf Solms in Köln dem Kreife Steins nahe, und auch unter den erften Regierungs= präfidenten hatten mehrere Beziehungen zur Reform, aber die Zentralregierung bevorzugte bei der Stellenbefetzung die altländifchen Beamten. Die Rhein= länder empfanden das als Zurückfetzung und befchwerten fich, daß der „ftarre Mechanismus des preußifchen Beamtentums" nun neben das „alte, harte Soldatentum" trete. Gneifenau war im Oktober 1 8 1 5 als Kommandierender General nach Koblenz verfetzt worden. Wie er die Provinz innerlich für Preußen gewinnen wollte, fo wurde er von der rheinifchen Bevölkerung mit großer Wärme begrüßt. Im März 1 8 1 6 berichtete er an Hardenberg über „das Miß= trauen gegen unfere Regierung, womit leider Zeitlauf und Perfonen die hiefige Provinz angefteckt haben". Männer in der Umgebung des Königs verdächtigten auch ihn und denunzierten feinen Koblenzer Kreis als „Wallenjteins L a g e r " . der um das Gewerbewefen und die Induftrie ebenfo verdiente G e h . Oberfinanzrat P. C h r . W . Beuth (geb. 1 7 8 1 in Kleve, y 1853 in Berlin).
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Die einsetzende Reaktion.
Enttäuschung in den Rheinlanden
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Gekränkt nahm er im Mai 1 8 1 6 feinen Abfchied. Im Juni aber richtete Görres eine förmliche Befchwerde an den K ö n i g : eine peinliche Unruhe habe fich der Gemüter bemächtigt, und jeder T a g fehe die K l u f t größer werden, die ver= wandte, jetzt unter einem gerechten Fürften engverbundene Stämme von einander trenne. In nahem Anfchluß an Hardenberg fuchte zwar Benzenberg vermittelnd zu wirken. Aber er unterfchätzte die tatfächlichen Gegenfätze. Noch 1 8 1 6 rechnete er in feinem Buche „ O b e r V e r f a f f u n g " nicht nur auf eine Vereinbarung der Verfaifung im Sinne der Verordnung vom 22. Mai 1 8 1 5 , fondern er fchlug fogar eine „ U r v e r f a m m l u n g " , bejtehend aus je einem Abge= ordneten auf 20 000 Seelen, als das Organ vor, das die Vereinbarungsver= handlung mit der Regierung führen follte. Hardenbergs vermittelnder Geift rang noch Jahre lang um die Form, wie fich in Preußen parlamentarifche Einrichtungen moderner Art mit dem monarchifchen Prinzip vereinigen ließen. Gegenüber der grundfätzlichen Haltung, die der König eingenommen hatte und in der er von feinen jetzigen Vertrauten geftärkt wurde, war alles vergebens. Mit den alten Männern kehrte auch das alte Syjtem des Polizeiftaats zurück. Preußen geriet in die trübe Ära der Denunziationen und Hausfuchungen wegen angeblicher hochverräterifcher Umtriebe und revolutionärer Pläne, der Befchlagnahme von Briefwechfeln, der Unterdrückung von Turnfahrten und Turnfe(ten, der polizeilichen Beauf= fichtigung von Univerfitäten und der geheimen Überwachung von Profefforen und Studenten. Die Univerfitäten waren die Stätten, wo die nationale Gei|tes= bildung und die aus den Grundgedanken des deutfehen Idealismus entwickelte Weltanfchauung ihre eigentlichen Stützpunkte befaßen. Gerade im Kreife der akademifchen Jugend war auch nachhaltige Leidenfchaft f ü r die nationale Frage vorhanden. Univerfität und Burfchenfchaft erfchienen daher befonders verdächtig. Unter folchen Um(tänden geriet der Verfaffungsgedanke ins Stocken. Aber auch der Einführung der preußifchen Verwaltung, deren Einheit das den Gefamt= (taat zufammenfaffende Band dar(tellte, traten am Rhein Hindernifle in den Weg. Die (traffe Behördenorganifation verknüpfte zwar feit dem 50. April 1 8 1 5 die Rheinlande mit dem Staatsganzen. Auf dem Gebiete der Juftizverwaltung aber, wo im alten Preußen das Allgemeine Landrecht die Provinzialrechte über» wunden und Rechtseinheit gefchaffen hatte, fetzte fchon Ende 1 8 1 5 ein Wider= |tand der Rheinlande zugun(ten des franzöfifchen Rechts ein (Bd. I, 149). Diefes beruhte auf dem Grundfatz (taatsbürgerlicher Gleichheit, während das preußifche Landrecht das Vorrecht adliger Geburt, „die vorzügliche Berechtigung des Adels zu den Ehren(tellen im Staate", und die Rechtsunterfchiede des Adels, des (tädtifchen Bürgertums und der Bauern feftfetzte. Das franzöfifche Recht hatte ferner dem Rheinlande die Schwurgerichte gebracht, die alte, dem fränkifchen Recht entflammende und auf dem Umweg über England wieder® gewonnene Form der Teilnahme des Volks an der Rechtfprechung, fowie die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens, während das Landrecht nur das fchriftliche Verfahren bei verfchloffenen Türen kannte. Die 1 8 1 4 beabfichtigte einfadie Übertragung diefes Rechts auf die Rheinlande erwies fich als unmöglich. Hardenbergs Streben nach einer organifchen Anpaffung führte in dem könig= liehen Erlaß vom 19. November 1 8 1 8 zunächft zur vorläufigen Aufrechterhaltung des „Rheinifchen Rechts". Diefes wurde nun eine Scheidewand zwifchen Alt= preußen und Rheinpreußen und ein wefentliches Element des rheinifchen Partiku= larismus, der fich im Gegenfatz zum altpreußifchen Partikularismus der Reaktion
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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zu entwickeln begann und wohl wertvolle G ü t e r f ü r die Zukunft rettete, die Verfchmelzung des linken Rheinufers mit dem Staatsganzen aber fehr erfchwerte. Der Gegenfatz zwifchen OJt und Weit, wie ihn die Reaktion allen zum Bewußtfein brachte, war fo tiefgreifend, daß ein Ausgleich im Geijte der Reformer jetzt undurchführbar war. Das zeigte fich gleichzeitig auf dem Gebiete des Kommunalwefens und der ihm zugedachten Selbjtverwaltung (Bd. I, 1 1 5 ) . Der OJten befaß die Steinfche Städteordnung von 1808, auf dem Lande dagegen keine einheitliche Gemeindeordnung, fondern eine un= gleichmäßige Lokalverwaltung. Am Rheine war aber die franzöfifche, f ü r Stadt und Land gleichmäßige Kommunalordnung durchgeführt, die ebenfo wie das franzöfifche Recht und die franzöfifche Gerichtsverfaffung den vollen Beifall der Rheinländer hatte. Die Steinfche Städteordnung (teilte die Städte freier als das Land, aber auch freier als die rheinifche Ordnung die Kommunen ins» gefamt (teilte. Sie gewährte ihnen insbefondere die Wahl der Bürgermeifter, während die franzöfifchen Maires und jetzigen Bürgermeijter von der Regierung ernannt wurden. Der Mini|ter des Innern v. Schuckmann wollte die Eins richtungen des OJtens mit geringen, durch die bisherigen Erfahrungen bedingten Modifikationen auf die Rheinprovinz übertragen wiffen und fchrieb am 5. Ok= tober 1 8 1 6 den rheinifchen Behörden, Anfang 1 8 1 7 follte dort die Steinfche Städteordnung eingeführt werden. Sie paßte indeffen fo wenig auf die rhei= nifchen Zujtände, und die Trennung von Stadt und Land, die fie auf Grund der wirtfchaftlichen und fozialen Verhältniffe des OJtens geltend machte, hatte in der rheinifchen Wirklichkeit fo wenig Boden, daß die rheinifchen Oberpräfi= denten, Regierungspräfidenten und Regierungen fofort einmütig widerfprachen und im Gegenfatz dazu f ü r die Rheinprovinz die Ausarbeitung einer gemein* fam f ü r Stadt und Land gültigen Gemeindeordnung in dem freiheitlichen Geijt der Steinfchen Städteordnung befürworteten. Infolge des Ausgreifens der Indujtrie auf das Land trug diefes am Rheine manche Züge (tädtifchen Lebens, die rheinifchen Städte hatten keinerlei Vorrecht vor dem Lande, und auf dem Lande gab es keine adligen Privilegien, wie fie im OJten eine die Gutsbefitzer und die Kleinbauern gleichmäßig behandelnde ländliche Kommunalordnung unmöglich machten. Die rheinifchen Provinzialbehörden waren in diefer Sache durchweg einig mit der öffentlichen Meinung der Provinz, und fie brachten fie gegenüber der Zentralregierung fo (tark zur Geltung, daß diefe keinen Ausgleich zu finden wußte. Auch die rheinifche Kommunalordnung bejtand alfo weiter. Hardenberg aber legte auf die Ordnung des Gemeindewefens befondern Wert, weil er es nicht nur unter dem Gefichtspunkt der kommunalen Selbjtverwaltung, fondern zugleich als den Unterbau der Provinzialverfaffung betrachtete. Nach feinem Plane follten f ü r jede Verwaltungsabteilung der Regierung, von den Orts= gemeinden über die Kreife und über die Provinzen bis zum Gefamtftaat hin, (tändifche Vertretungen gefchaffen werden, von denen fich die höheren auf die niederen aufbauten, und die in ihrer Gefamtheit die Jtufenweife Entwicklung und Erziehung des Volkes zur Teilnahme am (taatlichen Leben darjtellten. So wollte er zwar nicht die rheinifche, f ü r Stadt und Land übereinftimmende Gemeindeordnung allgemein durchführen, aber er wollte doch zur Anbahnung eines Ausgleichs zwifchen Oft und Weft und als Grundlage f ü r eine homogene Provinzialverfaffung auch f ü r den OJten eine ländliche Gemeindeordnung, der indeffen der ojtelbifche Adel aufs entfchiedenfte widerftrebte.
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Rheinisches Recht.
Kommunalordnung 1815—1818
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Der Rheinprovinz gegenüber befand die Regierung fich 1 8 1 7 alfo auch hier an einem toten Punkte. Die Kommunalordnung wurde ein zweites Element des rheinifchen Partikularismus, deffen Entwicklung durch das Ausbleiben der Gefamt(taatsverfaffung begünftigt wurde. Deren Vorbereitung hatte Hardenberg im Frühjahr 1 8 1 7 wieder aufgegriffen, und der König hatte am 30. März eine Kommiffion des Staatsrats mit den Vorarbeiten betraut. Am 1 2 . April hatte er Hardenberg wiederum bedeutet, die Landesrepräfentanten follten jeden= falls nur beratende Stimme erhalten und dürften fich nicht in die Verwaltung einmifchen; die Organifation der Provinzialjtände aber mü|Te beendet fein, bevor die Landesrepräfentation beraten werde. In der Staatsratsfitzung vom 7. Juli 1 8 1 7 legte Hardenberg im Geifte der Verordnung vom 22. Mai 1 8 1 5 nochmals dar, die Verfaffung folle eine „allen Klaffen der Einwohner zugute kommende und den Bedürfniffen der Zeit angemeffene Repräfentation der preußifchen N a t i o n " begründen, alfo keine Stände im alten Sinne fchaffen, „ d i e nicht zum Nutzen des Staates wirkten, fondern nur Wächter der Privilegien einzelner Abteilungen der Staatsbürger und wahre Hemmräder der Staatsmafchine waren". Drei Minifter wurden in die Provinzen entfandt, um die Lage und die Wünfche an Ort und Stelle zu unterfuchen. Der neue Kultusmini(ter Alten* (tein weilte zu diefem Zweck im September 1 8 1 7 am Rhein. In Köln wurde um diefe Zeit ern(thaft der Gedanke erörtert, den in der proviforifchen Zeit ( 1 8 1 4 ) abgefchafften, von den fechshundert Höchftbefteuerten gewählten Departementsrat als einftweilige Vertretung der Provinz wieder zu berufen, um der Regierung die Volksfliimmung zu offenbaren und befonders bei der Steuerverteilung mitzuwirken. Der beim rheinifchen Recht und bei der Kommunalordnung angewandte Notbehelf wäre fo auch auf die Verfa(fungs= frage übertragen worden. Aber dazu kam es nicht. Die geheimen Informationen der Vertrauensmänner, an die Altenftein fich hielt, und die gleichzeitigen Äußerungen rheinifcher Publiziften ergaben indeffen auch kein einheitliches Bild. Der monarchifche Gedanke hatte allerdings überall feften Boden, und auch mit der Oktroyierung der Verfaffung an Stelle der Vereinbarung fand man fich durchweg ab. Brewer meinte fogar, die Einführung der Verfaffung könne nur vom Fürften ausgehen, die Geßnnungen und Intereffen der Menfchen feien zu geteilt, als daß man von einer gütlichen Übereinkunft etwas G r o ß e s und Bleibendes hoffen könne. N u r der von Altenftein nicht befragte Görres blieb auf feinem Standpunkt, daß die unverjährbaren Freiheiten fortbeftänden, Oktroyierung der Verfaffung alfo eine „parlamentarifche K o m ö d i e " fei. Be= züglich des Ein= oder Zweikammerfy|tems fowie des Wahlfyjtems waren die Meinungen geteilt. Görres, Brewer und Zum Bach wollten nur eine Kammer, Benzenberg dagegen war f ü r zwei Kammern nach englifchem Vorbild. Neben der berufs(tändifchen Gliederung, die Görres wünfchte, verlangte Benzenberg im Anfchlüß an J. Möfer allgemeines Wahlrecht aller Grundbefitzer, K o p p e in Aachen gleiches Wahlrecht aller Dreißigjährigen, die einen mäßigen Steuer» zenfus entrichteten, Z u m Bach allgemeines, aber indirektes, aktives Wahlrecht aller, paffives der vermögenden Bürger. Nahezu einmütig war der Wunfeh, daß die neuen Provinzialjtände den Unterbau der allgemeinen Repräfentation bilden follten. Vereinzelt kam aber auch die Anficht zum Ausdruck, die Landes= repräfentanten müßten, um ein einheitlich empfindendes preußifches Volk zu ent= wickeln, aus allgemeinen Wahlen der Bürger durch den ganzen Staat hin ohne Zwifchenglied hervorgehen. In keiner Provinz kam bei diefer Enquete von 1 8 1 7
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Zweites Kapitel (1815—1824)
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fo (tark wie am Rheine das Verlangen nach einer einflußreichen Repräfentation f ü r den Gefamtftaat, nicht bloß nach einer provinzialen Volksvertretung zum Ausdruck. Fa(t einmütig aber fprach man fich am Rhein f ü r befchließende Stimme der Volksvertretung, wenigstens bei der Steuerbewilligung, aus. Benzenberg, Zum Bach und der Koblenzer Regierungsrat Breuning empfahlen indeffen doch eine vorfichtige Einfchränkung in dem Sinne, daß gewiffe dauernde Auflagen ebenfo wie eine gewiffe Anzahl von Rekruten f ü r die Armee der regelmäßig wiederkehrenden parlamentarifchen Bewilligung entzogen werden follten. Das entfprach dem Vorbild Englands, wo durch die parlamentarifche Praxis eine Gruppe permanenter Abgaben der jährlichen Etatsgefetzgebung entrückt i(t. Audi am Rhein war alfo die Möglichkeit, eine mittlere Linie zu finden, wie fie nach 1848 f ü r das preußifche Verfaffungsleben maßgebend wurde, fchon 1 8 1 7 geboten. Aber ihr (tand damals das Veto des Königs fchroff entgegen, der durchweg nur beratende Stimme zuge[tehen wollte. Gleichzeitig mit Altenftein verweilten auch der Kronprinz und der König felbft im Auguft und September 1 8 1 7 am Rhein. Der Kronprinz, der große Vorliebe f ü r die rheinifche, insbefondere die kirchliche Kunft zeigte, wurde herzlich begrüßt, und der Wunfeh, daß er jährlich längere Zeit am Rhein refi= dieren möchte, wurde laut. Die kühle Natur des Königs und fein gemeffenes Wefen zogen die Rheinländer weniger an. In den Städten war der politifche Sinn am ftärkften. Die Städte Trier und Köln überreichten dem König Adreflen, worin fie namens der öffentlichen Meinung der beiden Rheinprovinzen, „ d a es ihr an einem konftitutionellen Organe noch gebricht", an die Gewährung einer dem Zeitgeift entfprechenden (tändifchen Verfaffung erinnerten. Die dauernde Befeitigung des Feudalfyftems, gleichmäßige Verteilung aller öffent= liehen Laften, Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gefetz und Richter, Tren= nung der Gewalten, Unabhängigkeit des Richteramts, Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und Beibehaltung des Gefchworenen= gerichts im Strafprozeß wurden als Wünfche, deren „ n e u e Sanktion in der zukünftigen Verfaffung die allgemeine Volksftimme in der Provinz erwarte", im einzelnen namhaft gemacht. Zeigte das fchon, wie weit man von der Auffaffung der Krone abwich, fo gingen die Wünfche der „unwilligen und murrenden, von zunehmender Miß fchen Liberalen fefi in einem Punkte, auf den der König entfcheidenden Wert legte, weil er den Lebensnerv feiner Krone berührte. Das (türmifche Volksverlangen, durch ein deutfches Parlament die allgemeine Reichsverfaffung zu fchaffen, deren Inhalt auch f ü r die Verfaflung der Einzelpaaten maßgebend fein follte, befeitigte jeden Gedanken an einen organifchen Aufbau der deutfchen Ver= faffung von unten her auf Kommunal=, Provinzial= und Landesverfaflungen, der in Preußen feit den Tagen von Stein und Hardenberg vorwaltete (S. 69). Die demokratifche Bewegung betrachtete vielmehr die deutfche Konpitution als Staatsgrundgefetz im franzöpfchen Sinne. Vom Volke durch eine ohne Zwifchenglieder gefchaffene Vertretung ausgehend, follte pe den Quell aller zukünftigen Staatsgewalt darpellen und ihrerfeits die Normen f ü r die Ordnung der unteren Stufen fchaffen. Diefer Gedanke wurde fofort auch auf das preußifche Verfaffungswerk übertragen. Eine radikale, am 2 1 . März von Schiepen aus= gehende und in Berlin aufgegriffene Bewegung forderte, der König folle das bisher einzige gefetzliche Verfaffungsorgan, den Vereinigten Landtag, dem er fo» eben am 6. März die Periodizität zugepanden und den er am 18. März auf den 2. April berufen hatte, um ihm die Verfaffungsfrage zu unterbreiten, wegen feines unkonpitutionellen Charakters preisgeben und nicht zur Überleitung in die neuen Verhältniflie benutzen, vielmehr völlig mit der Vergangenheit brechen und zufammen mit einer aus dem allgemeinen gleichen Wahlrecht hervorgehenden Verfammlung ohne alle Beteiligung des Vereinigten Landtags die neue preußifche Konpitution fepfetzen. Die Erfüllung diefer Forderung hätte eine Anerkennung der Revolution bedeutet, Staat und Krone f ü r die Zukunft auf die Revolution als ihre neue Grundlage gepellt und die Fäden zerfchnitten, die die preußifche, zu eignem Recht bepehende Krongewalt mit der Vergangen« heit verknüpften. In diefer grundlegenden Frage blieben aus eigener über= zeugung die rheinifchen Liberalen trotz des lauten Widerfpruchs der Volks» verfammlungen auf der Seite des Königs. Sie bepanden auf der legalifierenden Mitwirkung des Vereinigten Landtags; denn fie wollten nach Camphaufens Erklärung „ n u r aus der beftehenden Verfaffung heraus und mit den gefetzlichen Mitteln, die pe darbot, in eine neue Verfaffung übergehen, ohne das Band zu
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Viertes Kapitel (1848—1850)
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zerfchneiden, das das Alte an das Neue knüpfte". Daß der König am 2 1 . März öffentlich erklärte, Preußen [olle fortan in Deutfchland aufgehen, und er wolle fich nach dem Zufammenbruch Ofterreichs f ü r die Zeit der Gefahr an die Spitze Deutfchlands (teilen, erfchien den Rheinländern als Erfüllung ihrer deutfehen Hoffnungen. Losgelöft von den Vertretern des alten Preußentums in Adel und Armee, die nach dem „unfeligen" Patent vom 18. März und der Kapitulation des Königs vor der Volkserhebung in Berlin den Zufammenhang mit feiner Politik eine Zeitlang völlig verloren, berief der König am 29. März Camphaufen an die Spitze eines neuen, liberalen Minifteriums, in welchem Hanfemann Finanzmini(ter wurde. Die Führer des rheinifchen liberalen Bürgertums, der Oppofition auf dem 1 . Vereinigten Landtag, traten in den Rat des Königs ein als Nachfolger der Beamtenmini(ter v. Bodelfchwingh und Graf Arnim, die vor ihrer Minifterlaufbahn als Oberpräfident und Regierungspräfident in der Rheinprovinz gewirkt hatten. In einem Punkte fahen fich König und Minifterium durch den Druck der Revolution gemeinfam gezwungen, gegen ihre Überzeugung nachzugeben. Der König hatte am 22. März eine konftitutionelle Verfaffung auf der breiteten Grundlage verheißen. Das brauchte nicht das allgemeine gleiche Wahlrecht zu bedeuten. Der König dachte unter Preisgabe der einfeitigen Bevorzugung des Grundbefitzes an eine (tändifche Gliederung des Wahlkörpers auf breitefter Bafis. Die öffentliche Meinung deutete feine Verheißung aber durchweg als Zufage des demokratifchen Wahlrechts. Sie wollte von keiner (tändifchen Gliederung etwas wiffen. Auch das berufsftändifche Prinzip, das bei den rhei= nifchen Konftitutionellen noch Anhänger hatte, weil es die tatfächliche Schichtung des Volkes zum Ausdruck bringen wollte, fiel dem Siegeszug des demokratifchen Wahlrechts zum Opfer. N u r dadurch, daß das Minifterium fich, wenn auch widerwillig, auf diefen Boden (teilte, bewahrte es genügende Popularität, um der drohenden Anarchie und insbefondere der B e g e b u n g e n der Mafien Herr werden zu können, die die Losreißung der Rheinprovinz von Preußen be= zweckten. „ D i e Forderung des Augenblicks war, gegen beffere Überzeugung das allgemeine Stimmrecht zu befürworten, damit die Popularität meiner Perfönlichkeit die heulenden Wölfe von Schlimmerem abhalte" (Camphaufen). Um eine abfchwächende Wirkung zu erzielen, führte das Minifterium nach badifchem Vorbild das indirekte Wahlfyftem durch und war fo imftande, fich als Schild zwifchen die Monarchie und die Revolution zu (teilen. Camphaufen und Hanfemann, der fofort durchgreifende Maßnahmen zur Aufrichtung des Wirtfchaftslebens und zur Linderung der Arbeitslofigkeit in Stadt und Land traf, insbefondere auch den durch überfpannung der gefchäft= liehen Kreditverhältniffe drohenden Zufammenbruch der Banken verhinderte, benutzten in den Tagen vom 2.—8. April 1848 den 2. Vereinigten Landtag mit vollem Erfolge zur Überleitung Preußens in den Verfaffungs(taat. Durch den (taatlichen Zufammenbruch und die Trennung des Königs von der konferva= tiven Politik war der altpreußifche Adel betäubt und entmutigt. Daß der König eine Verfaffung nach liberalem Mu(ter verhieß, eine deutfehe Politik unternahm, die Armee aus Berlin entfernte und durch eine Bürgerwehr erfetzte, die Ver= eidigung der Armee auf die neue Verfaffung verfprach und fchließlich ein libe= rales Minifterium berief, defien führende Männer bürgerliche Kaufleute aus der Rheinprovinz waren, zerfchnitt f ü r den Augenblick die Verbindung zwifchen der Krone und dem Adel der alten Provinzen. Ohne Widerftand, fo gut wie
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Grundsätzliche Fragen von Kronrecht und Volksrecht
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ein(timmig, genehmigte der Landtag nicht nur am 6. April die konftitutionellen Forderungen, daß der künftigen Volksvertretung jedenfalls die Zujtimmung zu allen Gefetzen, das Steuerbewilligungsrecht und die Zu(timmung zur jähr= liehen Feftfetzung des Staatshaushalts gebühren, fowie daß die Ausübung (taatsbürgerlicher Rechte fortan vom religiöfen Bekenntnis unabhängig fein follte, fondern er genehmigte ebenfo das allgemeine gleiche Wahlrecht, obgleich es den fchroffften Gegenfatz zu der feit 1 8 1 5 zäh behaupteten Privilegierung des Adels bedeutete. Der Adel (tützte aber das liberale Minifterium weiter auch in einer Prinzipienfrage, in der ein Gegenfatz zwifchen den Miniftern und dem Könige beftand, und er half den Miniftern in ihr zum Siege. Am 5. April befchloß der Vereinigte Landtag nahezu einftimmig, die neue Staatsverfaffung folle durch Vereinbarung der Volksvertretung mit der Krone feftgejtellt werden. Seit 1 8 1 5 war offenkundig, daß die Entftehung der preußifchen Verfaffung durch einen Vertrag wider das altmonarchifche Prinzip verftieß (S. 29). M i t ihm vertrug (ich nur die Verleihung der Verfaffung durch den König. Diefer er= blickte denn auch in der jetzt von der öffentlichen Meinung einmütig geforderten Vereinbarung wenn nicht eine Anerkennung der Revolution, fo doch ein Kompro= miß mit ihr. Camphaufen und Hanfemann aber dachten darüber anders. Die Vereinbarung war am Rhein fchon 1 8 1 5 populär gewefen (S. 29, 57). Nach der Julirevolution von i 8 ? o hatte fie Hanfemann von neuem verlangt (S. 67), im Mai 184.7 der rheinifche Liberale K . Stedmann fie auf dem erften Vereinigten Landtag als geboten bezeichnet. Seit das Patent vom 18. März 1848 Preußens und Deutfchlands „ V o l k " wieder wie 1 8 1 3 als Einheiten erwähnt und durch die Erklärung, nur „ i m Verein der Fürften mit dem V o l k e " könne die Bundes* reform durchgeführt werden, das Volk als Staatsorgan anerkannt hatte, for= derten die rheinifchen Liberalen die Vereinbarung allgemein. Sie erfchien jetzt erft recht als angemeffen, da die alte Monarchie nach dem Berliner Barrikadenkampfe zwar fortbeftand, aber fich felb(t durch eine Kette von Verheißungen band, die fie dem Volke gab. Auch die Radikalen forderten die Vereinbarung. Während diefe aber von ihrer Vorbereitung durch den Ver= einigten Landtag nichts wiflen wollten, b e f a n d e n die rheinifchen Minifter darauf, daß es gerade feine Aufgabe fei, fie gemeinfam mit dem König in die Wege zu leiten. Gegen heftigen Widerftand der Minifter A. v. Auerswald und Graf Schwerin fetzten Camphaufen und Hanfemann diefe Form am 30. März im Schöße des Minifteriums durch. Durch ihr unbedingtes Eintreten f ü r den Vereinig* ten Landtag im Befitze des königlichenVertrauens, erlangten fie am 2. April vom Könige die Genehmigung, dem Landtag eine entfprechende Vorlage zu machen. Die Vereinbarung der Verfaffung mit einer auf Grund des demokratifchen Wahlrechts nach Berlin zu berufenden Verfammlung von Volksvertretern war darin als erforderlich bezeichnet, um die Konftitution auf der dem Volke ver= heißenen breiteten Grundlage ins Leben zu rufen. Das war aber ein Zugeftändnis, das gegen den Kern der monarchifchen Auffaffung des Königs verftieß. N u r feine demütigenden Erlebniffe feit dem 18. März und die Überzeugung, daß im Rahmen feiner von den Konfervativen abgelehnten Politik das liberale Mini= (terium feine letzte Schutzwehr gegen die Revolution darftellte, nötigten es ihm ab. Nicht minder ver(tieß die „Vereinbarung" gegen die Anfchauungen und Wünfche des Adels. Diefer aber unterließ jeden Verfuch, fie jetzt wieder wie 1 8 1 5 zu Fall zu bringen. Sie wurde vom Landtag faft einftimmig befchloffen, und die Vertreter des fpeziflfchen Preußentums befchränkten fich auf die refignierten Erklärungen Bis=
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marcks, die Krone felbjt habe die Erde auf ihren Sarg geworfen, das Minifterium Camphaufen aber fei das einzige, das einen geordneten und gefetzmäßigen Zuftand des Landes zurückführen könne. So ließ der König den Dingen ihren L a u f . Er tat das um fo mehr, als jetzt in Süddeutfchland, wo er durch fein wider* fpruchsvolles Verhalten feit dem 18. März bei Fürften und Völkern alle Sym= pathieen wieder verloren hatte, von den radikalen Maffen die deutfehe Republik gefordert und felbft von den Gemäßigten das die Vereinbarung übertrumpfende Prinzip der Nationalfouveränetät auf den Schild erhoben wurde, weil die natio= nale Idee ein Menfchenalter hindurch von den Fürften als revolutionäres Prinzip geächtet worden war und fich nun kein Weg fand, durch eine Verftändigung unter und mit ihnen zum Ziel zu kommen. Das am 3 1 . März ohne Regierungs« vollmacht in Frankfurt zufammentretende Vorparlament (von feinen 500 Mit= gliedern waren 100 Rheinländer) befchloß, die Entfcheidung über die Reichs= verfaflung einem in der Paulskirche auf G r u n d des demokratifchen Wahlrechts zufammentretenden deutfehen Parlament ohne Mitwirkung der Fürften zu übertragen. Hier vollzog die Diktatur des Volkswillens die offene Anerkennung der Revolution und hinderte den König, feine eignen deutfehen Pläne weiter zu betreiben, die er feit dem 18. März in teilweifer übereinltimmung mit den rheinifchen Liberalen verfolgte. So weit wie in Deutfchland wurde der König zwar in Preußen nicht zurückgedrängt. Indexen auch hier fah er fich durch die „Vereinbarung", nicht minder aber durch den konftitutionellen Charakter des neuen Minifteriums in eine feinem monarchifchen G e f ü h l äußer|t widerjtrebende Lage verfetzt. Das liberale Minifterium war „verantwortlich". Die Revolution hatte die vormärzliche Auffaffung über das Wefen des Kon(titutionalismus, die in Deutfchland einen fließenden Charakter gehabt hatte, beftimmter gehaltet. „ I n einem konftitutionellen Staate", fo erklärte jetzt Radowitz, der Freund des Königs, „läßt der Fürft keinen Regierungsakt aus« gehen, der nicht in vollkommener übereinftimmung mit feinen Minijtern lieht. Diefe Minifter aber find die Vertreter der Mehrheit der Kammern, und die Kammern find die Vertreter der Mehrheit des Volkes." Am 28. März gab der König auf das Drängen einer rheinifchen Städtedeputation nach volks= tümlichen Miniftern öffentlich „feinen beftimmten Entfchluß und feinefefte Uber= zeugung von der unerläßlichen Notwendigkeit kund, fich nur mit Räten zu umgeben, die, vor der Volksvertretung verantwortlich, das volle Vertrauen derfelben genießen". Erft jetzt gaben Camphaufen und Hanfemann den Wider= ftand gegen ihren Eintritt in das Minifterium auf. Sie wollten verantwortliche Minifter in dem Sinne des parlamentarifch=kon|titutionellen Prinzips fein, das dem rheinifchen Liberalismus feit 1830 als Ziel vorfchwebte (S.67). Unter Zuftimmung des Königs bezeichnete fich das Minifterium am j o . März 1848 in öffentlicher Be= kanntmachung als der Volksvertretung verantwortlich, und am 6. April er» läuterte Hanfemann auf dem Vereinigten Landtag den „wahren Sinn des Konftitutionalismus" dahin, „daß die Staatsgewalt, die Macht der Krone, in übereinltimmung mit dem Willen des Volks ge|tärkt werde". Der Marfchall des Vereinigten Landtags aber, der Fürft zu Solms=Lich, fchloß den Landtag mit der Erklärung, Preußen könne niemals das tun, was in anderen deutfehen Staaten feit mehr als zwanzig Jahren gefchehen fei, welche wohl die konftitutio» nelle Regierungsform angenommen, aber ihre wefentlichen Konfequenzen abgelehnt hätten. „ A l l e Konfequenzen der konftitutionellen Regierungsform müffen gezogen werden, nicht mehr, das wäre gefährlich f ü r die öffentliche
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Parteibildung in der Rheinprovinz im Frühjahr 1848. Die Demokratie
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Wohlfahrt, nicht weniger, denn jedes Weniger würde eine Reaktion fein, und eine Reaktion kann und darf nicht jtattfinden." Bisher hatte die Krone ihre Minifter frei gewählt, aber regelmäßig aus dem hohen Beamtentum, alfo aus dem konfervativen Adel, entnommen, und die dem Throne naheftehende Adelspartei fetzte diefe Befchränkung auf konfervative, dem König im Geifte des Feudalismus ergebene Männer als felbftverftändlich voraus. Die kon(ti= tutionelle Doktrin beitritt der Krone ebenfowenig das formelle Recht, ihre Mini(ter frei zu wählen, aber fie fetzte voraus, daß es Männer des öffentlichen Vertrauens waren, die in der Regel aus der Majorität des Parlaments hervorgingen, jedenfalls aber mit ihr übereinftimmten. Vor diefem befchränkenden Einfluß einer allgemeinen Volksvertretung, der gewählten Repräfentanten der Kopfzahl, den jetzt der König felbft proklamiert hatte, wollten die Konfervativen die Krone bewahrt wiffen, während die Konftitutionellen ihrerfeits das bisherige Syjtem verwarfen. Die Verwirrung wurde voll(tändig dadurch, daß der König hartnäckig betonte, feine Märzverheißungen feien aus voller und freier Uber= zeugung erfolgt, und daß demnach das Minifterium Camphaufen fie ebenfo wie der Vereinigte Landtag als bindend auffaßte. Er betonte das indeffen nur, weil er die Märzereigniffe um keinen Preis als eine wirkliche Revolution, einen gewaltfamen Umfturz des Staates, anerkennen wollte. Er gedachte weder fein perfönliches Regiment wirklich aufzugeben, weil er ein volkstümliches Mini(terium ernannt und das parlamentarifche Prinzip proklamiert hatte, noch erfchien ihm die Vereinbarung der Verfaffung als eine mit dem monarchifchen Prinzip ver= trägliche Fortentwicklung des preußifchen Staatswefens, weil er fie zugelaflen hatte. Es waren notgedrungene Zugejtändnifle des Augenblicks, an die er fich nicht dauernd gebunden fühlte. Dem von ihm noch immer mißbilligten Kon» (titutionalismus machte er freiwillig, und zwar um der deutfchen Aufgabe Preußens willen, nur fo viel an Zugeftändniffen, wie die füddeutfchen Ver= faffungen von 1 8 1 8 — 1 8 2 0 enthielten. Sie brachten die Prärogative der Krone fo (tark zur Geltung, daß ein Zwang f ü r diefe, das Gouvernement in die Hand von Vertrauensmännern der öffentlichen Meinung zu legen, unmöglich war. Das war die Linie, die der Königzwar momentan verlaffen mußte, auf die er aber zurückkehren wollte, fobald es die Umftände gematteten. Im Augenblick glitten allerdings die wichtigften Mini(ter(tellungen aus der Hand des feudalen Konferva= tismus in die Hand des bürgerlichen Parlamentarismus. Es fchien, als ob fich die Krone fo, wie Hanfemann es 1830 als Wunfeh geäußert hatte, „auf die eigentliche, bürgerliche K r a f t der Nation ftützen" wolle (S. 66) und als ob die Rhein= provinz das politifche Übergewicht über die alten Provinzen erlangt habe. Die Vorbereitungen zu den Wahlen führten im April und Mai zu einer Scheidung der Parteien. Am Rhein teilte fich das am ßärkffcen erregte, das demo» kratifche Element, das im Kölner Kirchenftreit zum erftenmal ungegliedert in die Erfcheinung getreten war, in drei Gruppen. Beherrfchendes Prinzip war f ü r diefe durchweg die Volksfouveränetät. Sie vertraten den Standpunkt, daß das deutfehe Volk fich im März feine Souveränetät erobert habe, und offenbarten durch ihre Stärke und die Leidenfchaft, womit fie die Bevölkerung bis in die T i e f e aufwühlten, wie viel Unzufriedenheit fich in den niederen Klaffen bis zum Mittelftand hinauf angefammelt hatte. Karl M a r x , der im März aus Paris nach Köln zurückkehrte, fammelte die Arbeiter und Proletarier in den größeren Städten und Fabrikgegenden, unter denen fofort von Belgien her Aufrufe zur
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Trennung der Provinz vom preußifchen Staat und zur Gründung einer „rheini= fchen Republik" neben zwei füddeutfchen Republiken verbreitet wurden. Der feit 1819 polizeilich zurückgedrängte Affoziationsgeift entfaltete fich durch die neue Vereins* und Verfammlungsfreiheit in ungeahnter Fülle und Kraft. In den rhei= nifchen Städten entftanden zahlreiche Arbeitervereine, demokratifche Gefellfchaf= ten, Klubs und Vereine. Vom 1. Juni ab wurde die von K . Marx, Fr. Engels und H . Bürgers geleitete „Neue Rheinifche Zeitung" in Köln das führende Organ des rheinifchen Proletariats, dem die jetzt von K . G r ü n redigierte „Trierifche Zeitung" fekundierte. Man wollte eine deutfche Republik mit allgemeiner Volksbewaff= nung, und man gedachte die Allmacht des demokratifchen Staats aufzurichten, um durch foziali(tifch=kommuni(tifche Maßnahmen die Verbefferung der wirt= fchaftlichen Lage zu erreichen, die für dieMaffen im Vordergrunde (tand. Weniger radikal war die bürgerliche Demokratie, die fich in „Demokratifchen Vereinen" und „Vereinen für demokratifche Monarchie" fammelte, ihre Stützpunkte in Düffeldorf, Trier und im ganzen Mofelgebiete befaß und Anhänger nicht nur in den unteren Klaffen, fondern auch im Mittelftand und Beamtentum hatte. Sie hielt, insbefondere für Preußen, weniger für das Reich, an der Mon= archie fe|t, verlangte aber die Unterwerfung aller deutfchen Stämme und Fürften unter die vom fouveränen, durch das Frankfurter Parlament repräfentierten Volk demnächfi: ausgehende Verfaffung. Wie die Arbeiterpartei war fie konfeffio= nell indifferent. Die überzeugten Katholiken unter den Demokraten bildeten aber eine dritte Gruppe, in deren Namen die Koblenzer Rhein* und Mofelzeitung am I. April die Morgenröte der Freiheit begrüßte. Die Richtung von Lamennais wirkte hier nach, deffen Ideal die Verbindung der katholifchen Kirche mit der Demokratie gewefen war. Mit bitterm Unmute wandte man fich gegen die Verblendung der Fürjten, die „die ihnen vom Volke zu Gebot gejtellte Gewalt gegen das Volk felbft gerichtet hätten"; nur vom Boden der eignen Souveränetät aus könne das Volk noch gemeinfam mit ihnen wirken. Die er|te Forderung diefer, Geiftliche und Laien umfaflenden, Gruppe war aber die volle Selb* ftändigkeit der katholifdien Kirche. Den im Rechtsboden diefer Kirche wur« zelnden Forderungen müffe die uralte Geltung wieder verfchafft, die Katholiken dürften nicht „wie Parias und Heloten" behandelt werden. In den ,,Pius= vereinen für religiöfe Freiheit", den Keimzellen des politifchen Katholizismus, die f i ^ feit Ende März von Mainz aus unter der Leitung des Klerus in der Provinz entwickelten, überwog diefe Gruppe. Schon am •ji. März fprach fie aus, das Haus Habsburg müffe die Kaiferkrone zurücknehmen, Preußen aber fich dem fügen, was das Volk in Frankfurt befchließen werde. Für Preußen, mit dem fie fich nur äußerlich verbunden fühlten, hatten die demokratifchen Gruppen allefamt keinerlei Sympathie. Die Drohung mit dem Abfall der Provinz wurde unter ihren Anhängern feit dem März üblich. Die Forderung der Kirchenfreiheit war für die kon(titutionellen Katho= liken, die Vertreter der höheren Bildung im katholifchen Kreife, gleichfalls die wichtigfte. Aber fie, die in Montalembert ihr Vorbild fahen, verkörperten zufammen mit den konftitutionellen Liberalen den Gegenfatz gegen Volks* fouveränetät und Demokratie. Sie waren für die Vereinbarung der Verfaffung mit der Krone auf der Grundlage der Gleichberechtigung. P. Reichensperger hatte 1847 das allgemeine gleiche Wahlrecht innerhalb des monarchifchen Repräfentationsfyftems für ganz unzuläffig erklärt, weil es die Wohlhabenden und Unterrichteten dem Proletariat gegenüber in eine bedenkliche Minorität
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Katholische und liberale konstitutionelle Gruppenbildung
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verfetze und das Königtum gefährde. Mußten die Konftitutionellen in diefer Frage der revolutionären öbermacht nachgeben, fo wurde anderfeits die Politik beider katholifchen Gruppen, unter denen das „ K ö l n e r Wahlkomitee der Katholiken" Mittelpunkt der Agitation wurde, durch das Eingreifen der Hier= archie an freier Entfaltung gehindert. Erzbifchof Geiffel beanfpruchte in dem Ringen um die Neugeftaltung des Verhältniffes von Staat und Kirche für den Epifkopat die Führung. Da die Regierung fortan konftitutionell, d. h. der Hand von verantwortlichen Miniftern anvertraut fein follte, die ohne alle Rückficht auf Weltanfchauung und Konfeffion die jeweilige Majorität der Volks® Vertretung darftellten, und da der zweite Vereinigte Landtag die Neutralität des Staates gegenüber den Konfefponen proklamierte, fo wollten Konftitu= tionelle und Demokraten aller Richtungen die Trennung der alten Verbindung von Staat und Kirche. Auch die Katholiken wollten diefe (taatliche Indifferenz, weil fie im Rahmen einer folchen Konftitution eine ihre Kirche fördernde Ver= bindung von Staat und Kirche f ü r unmöglich hielten. Durch dieTrennung follte die Befreiung der Kirche von dem (taatlichen Kirchenregiment gefichert werden, das man als veraltetes Syjtem im Hinblick auf den Kölner Kirchenftreit unter allen Umftänden befeitigen wollte. Die katholifche Preffe, auch in Süddeutfchland, (tand fchon vom 4. März ab allgemein auf diefem Standpunkt und forderte demgemäß auch Religions* und Gewiffensfreiheit f ü r alle. Am 1 2 . April er= fuchte fie die Bifchöfe, das Prinzip der Trennung zu proklamieren. Geiffel war indeffen anderer Meinung. Seinen bisherigen Widerftand gegen eine Konftitution in Preußen gab er zwar auf. Hatte fein Royalismus vorher damit gerechnet, die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat leichter von der Krone als von einer Volksvertretung erlangen zu können, fo war nun eine andere Zeit angebrochen. Die Bewegung des Jahres 1848 erfchien ihm allgemeiner und tiefergehend als felbft die Reformation im 16. Jahrhundert. Die Freiheit und Selbftändigkeit, die die Revolution allen brachte, wollte er auch der Kirche jichern, die, in der Theorie Gegnerin der Revolution, doch ihre Refultate nutzen konnte. Durch Verfaffungsgarantieen follte fie jetzt felbftändig und un= abhängig werden. Aber fie follte deshalb nicht die Trennung vom Staate fuchen, gegen die fich Gregor X V I . im Jahre 1832 grundfätzlich gewendet hatte. In Preußen fprach nicht nur die Bulle „ D e salute animarum" vom Jahre 1 8 2 1 , durch die der Staat die kirchliche Dotation als Erfatz f ü r die Säkularifation von 1805 übernommen hatte, gegen die Trennung, fondern es erfchienen dem Kölner Erzbifchof auch der allgemeine (taatliche Schutz der Kirche und die Aufgabe der Kirche, den Staat in ihrem Geiße zu beeinfluffen, fo bedeutfam, daß er die Trennung höch(tens anerkennen wollte, wenn fie vom Staate vollzogen wurde, niemals jedoch von feiten der Kirche er(treben mochte. Die Regierung aber gab dem Epifkopat zu erkennen, daß auch fie keine Trennung von der Kirche, fondern Erhaltung der Fäden wünfehte, die fie mit dem Staate ver= knüpften. Hatte die Aachener Regierung fich fchon am j . März „ i n aller Stille der vorfichtigen Einwirkung der Geiftlichkeit zur Aufrechterhaltung der Ord= nung verfichert", fo gingen die Anordnungen befonderer Gebete um Erhaltung des innern Friedens, die Geiffel am 1 5 . und 18. März 1848 erließ, fein Hirtenbrief vom 22. März und die Hirtenbriefe, welche die übrigen preußifchen Bifchöfe in den näch(ten Tagen veröffentlichten, um die kirchliche und die bürgerliche Ordnung und Gefetzlichkeit zu befördern, auf eine Anregung des Kultus= mini(ters Eichhorn zurück, die diefer an die preußifchen Bifchöfe wie an die
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Superintendenten gelangen ließ. Im Minifterium Camphaufen ließ der Kultus* mini(ter Graf Schwerin das vom König gefchützte Syftem fortbeftehen, deffen Träger der feit 1859 wirkende Minijterialdirektor v. Ladenberg und der Direktor der katholifchen Abteilung Aulicke waren. Am 1 5 . April erfuchte Schwerin die Bifchöfe und die Superintendenten, mit „möglichfter Befchleunigung die eif= rigfte Mitwirkung der Geiftlichkeit dafür in Anfpruch zu nehmen, daß die Bevölkerung von Verftößen gegen Gefetz und Ordnung abgehalten und zur Erkenntnis und Befolgung der göttlichen Gebote zurückgeführt werde". Der große Einfluß, den die Hierarchie auf die katholifchen Maffen übte, konnte unter der Herrfchaft des demokratifchen Wahlrechts politifch benutzt werden, wenn das Vertrauensverhältnis erhalten blieb, das feit Geiffels Amtsantritt zwifchen Regierung und Epifkopat neu begründet worden war. Am 20. April erließ Geiffel ein Rundfehreiben f ü r die Wahlen und empfahl den Pfarrern, dabei als Bürger und als Prie(ter ihre Pflicht zu tuen. Für die Kirche feien die Wahlen vielleicht noch wichtiger als f ü r den Staat. Die Grundverfaffung der Kirche werde zwar von einer im Leben der Völker vorgehenden Änderung niemals beeinflußt, aber ihre mit der (taatlichen Ordnung verwachfene äußere Stellung und Wirkfamkeit werde wefentlich davon berührt. Sie müffe fich daher an der Gründung der neuen Ordnung beteiligen. Die Geglichen follten nicht nur felb(t wählen, fondern auch die Gläubigen über die Wichtigkeit der Wahlen belehren und diefe zum Wohl der Kirche geftalten. Die konftitutionellen Liberalen fammelten fich feit Mitte April am Rhein wie anderwärts in konftitutionellen Vereinen, fog. „Bürgervereinen", die fich im Auguft zu einem „Konftitutionellen Gefamtverein f ü r Rheinprovinz und We(tfalen" zufammenfchloffen. Von Anfang an hob fich im pieti(tifchen Wuppers tal eine Gruppe mit konfervativ=royaliftifchem Einfchlag ab. Die Liberalen waren jetzt Regierungspartei, ihr Hauptpreßorgan war die Kölnifche Zeitung. Das verantwortliche Minifterium, geftützt auf den Willen der Parlaments= mehrheit, galt ihnen als die Seele der Regierung. Die konftitutionelle Ver= fchmelzung der Rheinprovinz mit Preußen ging unter dem Antrieb der Revo= lution fchneller Erfüllung entgegen. Die liberalen Verfaffungswünfche berührten fich vielfach mit denen der konftitutionellen Katholiken, auch bezüglich der Trennung von Staat und Kirche. Dabei gingen fie aber von anderen Voraus» fetzungen aus. Die Liberalen erjtrebten die volle Freiheit des Gedankens und Gewiffens, die in der T a t nur durch Trennung von Staat und Kirche verwirklicht werden kann. Sie hofften, daß der preußifche Verfaffungsjtaat, anknüpfend an die Glanzzeit des deutfehen Idealismus, in überkonfeffionellem Sinne Schutz® herr und Hüter hoher Ziele auf dem Gebiete des geiftigen Fortfehritts fein werde. Seine Interefienverknüpfung mit den Orthodoxieen, von denen fich die katholifche Kirche offen als Trägerin konfeffioneller Bevormundung im mittelalterlichen Sinne bekannte, erfchien ihnen ausgefchloffen. Ganz wich ihr Ziel in der nationalen Frage von dem der Katholiken ab. Während deren Sympathie dem Haufe Habsburg gehörte, ohne daß fich ihre nationalen Wünfche zu einem feften Programm verdichteten, erftrebten die Liberalen den deutfehen Bundesftaat unter preußifcher Hegemonie, wobei die meiften von ihnen zunächft damit rechneten, daß Deutfch=Ofterreich nicht ausgefchloffen zu werden brauchte. Das Ergebnis der Wahlen, die in ganz Preußen am t. und 2. Mai ftatt= fanden, zeigte am Rheine, daß, fo laut fich die Demokraten gebärdeten, doch die Konftitutionellen ftärker waren. Liberale und katholifche Kon|titutionelle,
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Preußischer Verfassungsentwurf vom 20. Mai 1848
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unter denen die Geistlichkeit eine lebhafte Tätigkeit entfaltete und zahlreiche Wahlmänner (teilte, blieben (ich zwar ihres Gegenfatzes auf dem Gebiete der Weltanfchauung bewußt, aber fie fchloflen doch vielfach Wahlkompromiffe gegen die Radikalen. Einzelne liberale Führer wurden allerdings von den katholifchen Majoritäten abgelehnt. In Aachen wurde Hanfemann nicht wieder= gewählt, weil er die Bedingung des katholifchen Wahlkomitees, daß er „ f ü r die Freiheit der Kirche wie in Belgien oder Nord=Amerika" eintreten folle, ablehnte. Er wollte die (taatliche Kirchenhoheit nicht völlig preisgeben. In Köln trat neben Camphaufen der Erzbifchof Geiffel. Von den Liberalen zogen manche die Wahl nach Frankfurt vor, weil fie auf die nationale Frage den Nach= druck legten und hofften, daß es dort gelingen werde, einen der Macht und Reife des deutfehen Geiftes entfprechenden Reichsbau aufzuführen. Die Katho= liken legten auf die Wahl nach Berlin größern Wert, weil fich dort die Ent= fcheidung über die Zukunft der katholifchen Kirche in Preußen vorbereitete. An beiden Stellen überwogen unter den bezw. 60 Abgeordneten aus der Rheinprovinz die Kon(titutionellen. Mehrere Rheinländer wurden nicht in rheinifchen, fondern in auswärtigen Wahlkreifen gewählt. In Frankfurt war der rheinifche Liberalismus durch v. Beckerath, Meviffen, Compes und Stedmann vertreten, denen fich die Bonner Profefforen Dahlmann und Arndt beigefeilten; unter den fünf rheinifchen Demokraten traten Raveaux, L . Simon und Wefen= donck Jtärker hervor. Aus dem katholifchen Lager gingen nach Frankfurt die Juri(ten A. Reichensperger, Adams und Bloemer, fowie die Bonner Profefforen Clemens, Deiters, Knoodt, Braun und Dieringer (diefe drei Theologen). Politifch gehörten fie verfchiedenen Richtungen an und traten demgemäß ver« fchiedenen Parteien bei, verabredeten aber auf Anregung des Breslauer Für(t= bifchofs v. Diepenbrock am 14. Juni zur Kirchen= und Schulfrage ein gemein= fames Vorgehen aller gläubigen Katholiken. In Berlin waren die rheinifchen Liberalen außer durch die beiden Mini(ter durch Bredt, Lenfing und Alden= hoven vertreten. Als demokratifche Abgeordnete auswärtiger Wahlkreife machten fich die Rheinländer Jung, D ' E f t e r und Schramm einen Namen. Der katholifch« demokratifche Kaplan von Berg vertrat den Wahlkreis Jülich. Zu den ka= tholifchskonßitutionellen Abgeordneten, die je zur Hälfte Gei(tliche oder Juri(ten waren, zählten P. Reichensperger, Jungbluth, Effer, Ritz, Stupp, Contzen, Graeff und die Bonner Profefforen Bauerband und Walter. Auch fie fchloffen fich ver= fchiedenen Parteien an, wurden aber vom Erzbifchof Geiffel f ü r die Vorberatung der Kirchen= und Schulfragen zu einer befondern G r u p p e zufammengefaßt. Unter den Hinderniffen, die einem Erfolg der Volksbeftrebungen des Jahres 1848 im Wege (tanden, war das (tärkfte doch der fundamentale Gegen= fatz zwifchen den politifchen Prinzipien diefer Be(trebungen und König Friedrich Wilhelm IV., der, fo fchwer er fich zu Entfchlüffen und tatkräftigen Handlungen durchrang, zu einer Preisgabe feiner Grundfätze über das Verhältnis von Für(t und Volk durchaus nicht zu bewegen war. Hier (tand fchroff Prinzip gegen Prin= zip, und in Preußen wurde der Weg zur Reaktion dadurch geebnet, daß das in Frankfurt nicht nur von der Demokratie, fondern auch von den Mittelparteien proklamierte Prinzip der nationalen Souveränetät von Anfang an auch auf die Berliner Verfammlung einwirkte. Es ver(tärkte deren radikale, auf die Berliner Straßendemokratie genützten Elemente, fo daß ihre Haltung fich allmählich weiter nach links entwickelte und dem König, der keine Neigung zeigte, die
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Viertes Kapitel ( 1 8 4 8 - 1 8 5 0 )
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Schärfe der vorhandenen Gegenfätze zu mildern, durch herausfordernde Be= fchlüffe die formalen Handhaben zum Widerflande darbot. Die Stellung des Minifteriums der Rheinländer aber zeigte fich von Anfang an als unhaltbar. Der Verfaffungsentwurf vom 20. Mai, den das Minijterium der Berliner Verfammlung unterbreitete, lehnte fich nicht, wie es am 2. April in Ausficht gebellt hatte, an die deutfehen nach 1 8 1 8 entjtandenen Verfaffungen, fondern an die belgifche Verfaffung von 1831 an. Er enthielt zwar die wefentlichen Beftimmungen zur Begründung bürgerlicher Freiheit und die Verantwort® lichkeit der Minifler, war jedoch unfertig, weil die unruhige Zeit eine gründliche Vorbereitung verhinderte, das Minijterium indeffen unbedingt von Regierungs wegen den Vereinbarungsverhandlungen durch Vorlage eines Entwurfs die Richtung weifen wollte. Die Anlehnung an das belgifche Vorbild aber erfolgte, weil die Minifler inzwifchen erkannt hatten, daß der König in Wahrheit nicht konjtitutionell in ihrem Sinne geworden war, vielmehr den verantwortlichen Miniflern feinen Willen aufzuzwingen, alfo das altmonarchifche Prinzip an Stelle des parlamentarifchen aufrechtzuerhalten fuchte. Sein Verhältnis zur Armee, das im März durch den demütigenden Abzugs® befehl und das Anfinnen des Verfaffungseides um fo (tärker geftört worden war, als erden Schutz feiner Perfon und feiner Refidenz aus der Hand der Armee in die der Barrikadenkämpfer übertrug, hatte Friedrich Wilhelm IV.fchon v o m 2 5 . März ab wiederherzuftellen begonnen. Vom 30. März an waren Teile der Berliner Garnifon wieder eingerückt, und der König war in den folgenden Monaten bemüht, durch vorfichtige Behandlung aller militärifchen Fragen die Harmonie mit der Armee wiederherzuftellen, die in Generalität und Gardekorps vor® wiegend abfolutiftifch und antikonflitutionell gefinnt blieb. Am 30. März hatte er in feine (tändige Umgebung mehrere ihm perfönlich naheflehende orthodox® pietiflifche Generäle aus dem Kreife des preußifchen Adels gezogen, die zwar abweichend von ihm keinerlei Konzeffion an den Konflitutionalismus wollten und f ü r die Selbflbehauptung Preußens ohne Zugefländniffe an die deutfehe Idee eintraten, aber ebenfo wie er felbfl in dem altmonarchifchen Prinzip einen Ausfluß göttlicher Weltordnung erblickten und die mutlofe Haltung ihrer Standesgenoffen auf dem 2. Vereinigten Landtag als einen Fehler und ein Im® flichlaffen des Königs verurteilten. Diefe „ K a m a r i l l a " wurde von ihrem Führer Leopold v. Gerlach als „Miniflere occulte" dem offiziellen Miniflerium gegen® übergeflellt. Von T a g zu T a g erfüllte fie den König mit dem Bewußtfein, daß es möglich und geboten fei, vom Boden der Armee und der in feinen Händen gebliebenen Exekutivgewalt aus an die preußifchen Traditionen wieder anzu® knüpfen. In der Armeefrage aber zeigte fich fofort eine flarke Meinungs® verfchiedenheit zwifchen dem König und dem liberalen Miniflerium, das gegen® über dem flehenden Heere den alten Standpunkt des Liberalismus vertrat. Zu den Schlagworten der öffentlichen Meinung zählte 1848 in ganz Deutfchland die Verminderung der ftehenden Heere und die Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer. „Volk und Heer find nicht zweierlei", führte auf dem 2. Ver® einigten Landtag Beckeraths Adreffe an den König am 2. April aus; „auf beiden Seiten fchlagen Heldenherzen, und die heilige Liebe zum Vaterlande ver= fchmilzt fie zu einem unzertrennlichen Ganzen." Camphaufen und insbefondere Hanfemann hatten fich vor dem 18. März wiederholt öffentlich f ü r die Ver® minderung des fliehenden Heeres ausgefprochen. Wie 1 8 1 5 fah der Liberalismus den Weg zur Höhe nationaler Einheit und zur Geltung Deutfchlands unter den
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Das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit
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Nachbarvölkern nicht in der Stärkung der (tehenden Wehrmacht der Einzeln (taaten, fondern in der Aufrichtung eines deutfehen Verfaffungsftaats, deffen Bürgerfinn zwar die Wehrhaftigkeit nicht ver nach läf(igte, aber in Handel und Verkehr, in gewerblichem Schaffen und in der Pflege geiftigsfittlicher K u l t u r den wahren nationalen Beruf und die G e w ä h r deutfeher Wertfehätzung feitens der Fremden erblickte. Schon M i t t e April zog das Minifterium Reformen der Armee und die Verminderung des (tehenden Heeres in Erwägung. D e r Verfaffungseid der Armee, deffen königliche V e r h e i ß u n g vom 22. M ä r z es bei feinem Amts® antritte vorfand, fchien darauf zu deuten, daß die Annahme volkstümlicher Regierungsgrundfätze durch den K ö n i g auch eine Umgeftaltung der Armee« einrichtungen des Militär« und Beamtenftaats in fich fchließe. A b e r der K ö n i g forderte am 4. Juni für fein „Verhältnis zum Kriegsheer und die erfchütterte Frage, ob der K ö n i g von Preußen der wahre und wirkliche Herr der Armee bleiben foll oder nicht", von feinen Miniftern „ d i e allerzartefte Berückfichtigung. Preußen ift ohne die abfolute Einheit feines K ö n i g s mit feinem Heere gar nicht zu denken, und jedes Antaften diefer abfoluten Einheit würde das Todesurteil Preußens fein im In» und Auslande, bei Volk und Heer, bei Freund und F e i n d . " Er wollte die Armeeangelegenheiten ganz aus der K o m p e t e n z des Minifteriums ausfchalten. Audi die auswärtigen Angelegenheiten wollte er nicht mit dem Minifterrat im ganzen, fondern nur mit dem Minifter der auswärtigen Angelegenheiten perfönlich verhandeln. Er b e t r i t t dem Minifterium überhaupt das Recht, als Einheit ihm gegenüber aufzutreten; felbft im Confeil wollte er mit den Miniftern nur als Einzelperfonen beraten und befchließen. S o hatte das liberale Mini= fterium niemals das Ruder ganz in Händen. D e r K ö n i g trieb eine andere Politik als feine liberalen Minifter, und er griff in dem M a ß e , als er fich wieder perfönlich ficherer fühlte, auf die alten Prärogative zurück. So follte die An= lehnung der Minifter an das belgifche Verfaffungsvorbild zur Sicherung des parlamentarifchen Prinzips beitragen, deffen klarften T y p u s es darftellt. Beide K a m m e r n follten demgemäß gewählt, die erfte K a m m e r nicht, wie Hanfemann 1850 vorgefchlagen hatte, vom K ö n i g ernannt werden. In wichtigen Punkten wich der Entwurf allerdings von dem Vorbild ab. Er erklärte nicht, daß alle politifchen Gewalten vom Volke ausgehen und daß der K ö n i g keine andere G e w a l t befitzt, als die ihm durch die Verfaffung und die in K r a f t der Verfaffung gegebenen Gefetze förmlich beigelegte. D e r K ö n i g aber bezeichnete dennoch den Entwurf fei= nem Freunde Gerlach gegenüber als elendes Machwerk. Er unterzeichnete „ d a s verhängnisvolle, fchickfalsfchwere P a p i e r " nur, weil „ G e f a h r im Verzuge i f t " , und erft nachdem eine Beftimmung eingefügt worden war, wonach „alle durch die VerfaHung nicht berührten Gefetze und Rechtsnormen in voller K r a f t bleiben". Es follte pofitiv z u m Ausdruck gebracht werden, daß die preußifche Verfaffung nicht als Staatsgrundgefetz auch die G r u n d l a g e der königlichen Regierungsgewalt darftelle. D e r Rückgriff auf das hiftorifch erwachfene Wefen der preußifchenMonarchie follte unbedingt offen bleiben (S. i32).Befonders erregt war der K ö n i g darüber, daß der Entwurf die T r e n n u n g von Staat und Kirche vorfah. Davon wollte er nichts wiffen. Noch am 6. Juni wies er das Minifterium an, alle Geiftlichen bei Strafe des Ungehorfams aufzufordern, O r d n u n g , Ge= horfam und T r e u e zu predigen. A b e r er ließ den Dingen zunächft noch einmal ihren L a u f . „ D a s fchauderhafte Experiment mit der gewählten Konftituante muß durchgemacht werden, erft dann kann man weiter f e h e n " , urteilte die Preußen und Rheinland 1 8 1 5 — 1 9 1 5 .
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Viertes Kapitel (1848—1850)
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Kamarilla des Königs, die ihn insgeheim beriet, „während er feine Minifter loswerden will, aber noch nicht kann." Der König aber bezeichnete diefe „ K o n = ftituante" am 2 1 . Mai nur noch als „ d i e zur B e r a t u n g über die Landesver= faffung erwählte Verfammlung", und wenn er am j o . Mai an Camphaufen über „ d i e Erfüllung aller meiner möglicherweife noch erfüllbaren Z u f a g e n " fchrieb, fo offenbarte das, wie frei er fleh perfönlich gegenüber feinen März= Verheißungen bereits fühlte. Wefentlich erweitert und modifiziert wurde der Entwurf durch die Ver= faffungskommiffion der Berliner Verfammlung. An der Redaktion des Kom= miffionsentwurfs vom 26. Juli waren die katholifchen Rheinländer P. Reichens« perger und J. Bauerband ftark beteiligt. Auf G r u n d eines Referats von P. Reichensperger wurden die Rechte von Krone und Volksvertretung durchaus im Sinne des parlamentarifchen Regierungsfyftems verteilt, das damals von allen Konftitutionellen ebenfo einmütig verlangt wurde, wie eine volksmäßige Reform der Armee und ihr Verfaffungseid. Reichenspergers Motive bezeichneten die Unverletzlichkeit des Königs und die Verantwortlichkeit der Minifter als die Fundamentalfätze der konftitutionellen Monarchie. Die Volksvertretung follte entfeheidende Mitwirkung bei der Gefetzgebung und dem Finanzwefen, da= zu ftarken Einfluß auf die Verwaltung befitzen. Der Dualismus von Regierung und Volk follte durch das verantwortliche Minifterium befeitigt werden. Nach bel= gifchem Mufter hatte der Camphaufen=Hanfemannfche Entwurf dem König und den beiden Kammern die gefetzgebende und die Finanzgewalt in der Weife über= tragen, daß keiner der drei Faktoren von den beiden anderen durch über(tim= mung gezwungen werden konnte, jeder vielmehr ein abfolutes Veto befaß. „ D i e Notwendigkeit, alljährlich ein Staatshaushaltsgefetz zuftande zu bringen, i(t der einzige Zwang, den die Verfaffung den drei Gewalten auferlegt, fich über Streitpunkte zu verftändigen, da große Obel f ü r den Staat entftehen, wenn das Gefetz nicht zuftande kommt" (Camphaufen). Diefen Standpunkt teilten auch P. Reichensperger und Bauerband. Der Kommiffionsentwurf geftand aber infolge eines Befchluffes der Majorität ( 1 5 : 1 1 ) dem Könige nur ein auffchiebendes Veto zu. Der dreimaligen unveränderten Annahme eines Gefetzentwurfs durch die Kammern follte er nachgeben müffen 1 ), alfo nur noch ein „parlamentarifches Scheinkönigtum" behaupten, „wonach der Monarch der Majorität der Kammer unbedingt gehorchen m u ß " (Leop. v. G e r lach). Für die Artikel über die Kirchenpolitik hatte Bauerband das Referat, die Unterrichtsfrage wurde damit verbunden. Der Regierungsentwurf verlangte dem Befchluß des 2. Vereinigten Landtags gemäß Freiheit des religiöfen BekenntnifTes und Freiheit der Kirchen f ü r ihr Vermögen und im Verkehr mit ihren Oberen. Die grundfätzlich ausgefprochene Unterrichtsfreiheit follte (was die belgifche Ver= faffung ausdrücklich verbot) doch gefetzlichen Befchränkungen unterliegen. Die Berliner Verfammlung fprach Mitte Juni einmütig die Auffaffung aus, daß der indifferente Staat den Kirchen Selbftändigkeit und freie Entfaltung gewähren müffe. Im Hinblick auf die Trennung von Staat und Kirche verfchärfte der Kom= miffionsentwurf noch den Gedanken der Freiheit und Selbftändigkeit der Kirchen. Auf einer Konferenz in Köln hatten am 1 3 . Mai die Bifchöfe der Kölner Kirchen* !) Reichenspergers Motive erklärten dazu: „ E s wurde zur Vermeidung jeder dauern* den KoHifion zwifchen der Krone und der Volksvertretung f ü r notwendig erachtet, die Genehmigung der erftern nach dreimaliger unveränderter Annahme eines Gefetzvor« fchlages ftillfchweigend vorauszufetzen."
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Kirchen- und Schulfragen in Preußen und in Deutschland
provinz gleichfalls gefordert, daß der Staat der katholifchen Kirche volle Unab» hängigkeit f ü r ihre Verwaltung und den Erwerb von Vermögen fowie freies Vereinigungsrecht zu kirchlichen und religiöfen Zwecken gewähre. Sie wollten aber keine T r e n n u n g , fondern Unabhängigkeit verbunden mit Hilfe vom Staate, der der Kirche nicht nur ihre Dotation erhalten und den Z w a n g des weltlichen Arms für zukünftige Gemeindeumlagen zufichern, fondern insbefondere auch im Schulwefen ihren Intereffen Raum geben follte. In konfeffionell gemifchten Staaten gehört die O r d n u n g des Schulwefens zu den fchwierigjten Problemen. In dem ganz katholifchen Belgien hatte die verfaffungsmäßige Unterrichtsfreiheit die Forterhaltung der Schulen in der Hand der Kirche bewirkt. In Preußen aber waren die Schulen Veranftaltungen des Staates. Der Staat geftaltete die Jugendbildung durch den öffentlichen Volks» fchulzwang, wobei er den Kirchen den Religionsunterricht und den Pfarrern die M i t w i r k u n g bei der Schulaufficht in befonderm ftaatlichen Auftrage zu= geftand. Die Bifchöfe waren bei der Verwaltung des Schulwefens nicht be» teiligt. Die Kölner Bifchofskonferenz vom 13. M a i 1848, auf der der T r i e r e r Bifchof Arnoldi äußerte, wegen der vielen antichriftlichen Beftrebungen im Staate müffe jetzt die gänzliche T r e n n u n g der Schule vom Staate erfolgen, be» fchloß unter F ü h r u n g Geiffels, in erfter Linie eine Umftellung des bisherigen Verhältniffes zu erftreben. Das ganze Schulwefen folle verfaffungsmäßig unter die Aufficht und Leitung der Kirche geftellt werden, einfchließlich der Ausbil» dung, Prüfung, Anjtellung und Entfetzung der L e h r e r ; dem durch die Revo» lution erfchütterten Staate folle nur eine M i t w i r k u n g verbleiben. „ D a s Prinzi» pale müffe die Kirche reklamieren, dem Staate ftehe nur das Accefforium z u " (Geiffel). D i e Berliner Verfaffungskommiffion aber dachte anders. Jeder, alfo auch die Kirchen, follte zwar frei unterrichten und Schulen gründen können. A b e r indem der Kommiffionsentwurf einerfeits die Eltern verpflichtete, die Kinder in den Elementargegenftänden unterrichten zu laffen, anderfeits die Unentgeltlich» keit des öffentlichen, (taatlichen Volksfchulunterrichts feftfetzte, erkannte er den Staat doch als den vorwiegenden T r ä g e r des Schulwefens an. Durch die weitere Beftimmung, die öffentlichen Volksfchulen und alle übrigen öffentlichen Unter= richtsanftalten follten unter der Aufficht eigner Behörden ftehen und von jeder kirchlichen Aufficht frei fein, beitritt er zudem den Kirchen jedes eigne Recht an den öffentlichen Schulen, verwies fie vielmehr auf den W e g der Privat» fchulen. Bauerband war zwar gegen die Befeitigung der kirchlichen Aufficht über die Volksfchule, Reichensperger aber (timmte dafür, und Geiffel be= zeichnete die Kommiffionsbefchlüffe „als für uns gar nicht g ü n f t i g " . Inzwifchen hatte das Frankfurter Parlament den Willen des deutfehen Volks zur politifchen Einheit und den Plan einer völligen Umgeftaltung des deutfehen Staatswefens ohne A n w e n d u n g äußerer G e w a l t durchzuführen be= gönnen. D i e liberale Majorität unter F ü h r u n g Heinrichs v . Gagern wurde zwar des Radikalismus Herr, wollte aber die monarchifche Reichsverfaffung erft nach ihrer Fertig[tellung den Fürften zur Annahme vorlegen. Als am 29. Juni durch H. v. Gagerns „ k ü h n e n G r i f f " in dem Reichsverwefer Erzherzog Johann von 0(terreich eine proviforifche Zentralgewalt f ü r den an Stelle des Staatenbundes geplanten deutfehen Bundesftaat gefchaffen wurde, ( t i m m t e n v o n d e n ^ rheinifchen Abgeordneten 28 dafür. V o n ihnen wurde der Liberale v. Beckerath Finanz» mini(ter, der Liberale Meviffen und der Demokrat Wefendonck traten als Unterftaatsfekretäre in das Handels» und Juftizminifterium ein. D i e Liberalen 8*
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Viertes Kapitel (1848-1850)
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gedachten die formelle Bevorzugung Ojterreichs in der Perfon des Reichs« verwefers durch eine (tarke Vertretung Preußens im Reichsmini|terium auszu« gleichen, um fo die fpätere Erhebung des preußifchen Königs an die Spitze der endgültigen Zentralgewalt vorzubereiten. Noch immer hofften fie, beide Groß(taaten in einem neuen deutfchen Reich unter preußifcher Führung zu= fammenfaffen zu können, trotzdem Ofterreich fchon am 24. März förmlich erklärt hatte, es werde kein Vorgreifen Preußens in Sachen der Bundesrevifion dulden. In der katholifchen Rheinprovinz aber traten nun die alten Sympathieen f ü r das Haus Habsburg ftark zutage. Die Rivalität Ojterreich«Preußen, in welche die ältere deutfche Gefchichte ausgemündet war, fchloß die Rivalität zwi|chen Katholizismus und Protejtantismus in fich. Den katholifchen Rhein« ländern erfchien der 29. Juni als der T a g der Wiedergeburt eines einigen Deutfch« land unter habsburgifcher Leitung. Wenn A. Reichensperger im Frankfurter Parlament f ü r den Doppeladler als Reichswappen eintrat, um die Anknüpfung an die Vergangenheit außer Zweifel zu (teilen, fo vereinigte ßch bei den katho= lifch=demokratifchen Rheinländern in der Sympathie f ü r Ojterreich die politifche mit der konfeffionellen Abneigung gegen Preußen. Sie feierten das frohe Ereignis mit Fejlgottesdienften und Illuminationen. Befonders befriedigt war die Rheins und Mofelzeitung über einen Frankfurter Runderlaß vom 16. Juli, der f ü r den 6. Augu(t eine Huldigung aller deutfchen Bundestruppen vor dem Reichs« verwefer verlangte. Sie fah in diefer Huldigung, die von den rheinifchen Libe= ralen nicht gebilligt, aber als eine bloße Formalität betrachtet, von der preußifchen Armee jedoch als verletzende Anmaßung empfunden wurde, ein willkommenes Symptom der Zurückdrängung Preußens. Armee und Militärmonarchie waren f ü r fie Zielfcheiben heftigfter Angriffe. Am liebften wäre ihr die Abtrennung der Rheinprovinz von Preußen gewefen. Am 19. Juli erklärte fie, die Rhein« provinz werde als unmittelbares Reichsland eine paffende Ausjtattung des Erzherzogs Johann, des Reichsverwefers ohne Land, bilden. Die Kölner Säkularfeier der Grundjteinlegung des Domes am 1 5 . Auguft, ein nationales Fe(t, zu dem der König, der Reichsverwefer und das Frankfurter Parlament einträchtig erfchienen, wurde von ihr zu einem Angriff auf Preußen benutzt, „das fein Lebensprinzip, die Verfolgung der katholifchen Kirche, nur dann verleugnen wird, wenn ihm die Mittel dazu genommen werden". Die katholifche Hierarchie vermochte allerdings in diefer Abtrennung keinen Vorteil zu erblicken, und auch unter den kon|titutionellen Katholiken herrfchte die Meinung vor, daß f ü r Ruhe und Sicherheit der Provinz am beften geforgt fein werde, wenn fie mit Preußen verbunden bleibe. In der Kirchen« und Schulfrage hatten die Frankfurter Verhandlungen noch weniger als die Berliner das vom Epifkopat gewünfchte Ergebnis. Audi hier war man f ü r Trennung von Kirche und Staat, f ü r felbftändige Entfaltung der Kirchen, aber für die ftaatliche Volksfchule als Normaleinrichtung, auf die die Kirche als folche keinen Einfluß haben follte. In ihr follten zwar „ d i e chrijtlichen Anfchauungen in ihrer gei(tigen, über die Konfeffion hinaus alles durchdringenden Wefenheit" (Beckerath) herrfchen, die dogmatifchen Unter« fcheidungslehren aber follten nicht dem Schulzwang unterliegen, fondern der freiwilligen Annahme kirchlicher Unterweifung überlaffen bleiben. Das Frank« furter Parlament, in dem die abgeklärte K r a f t felb(tändiger deutfcher Gei(tes= bildung vorherrfchte, wollte ebenfo wie die Berliner Verfammlung, die Bauer«
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Konservative Reaktion seit Juli 1848
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bands Referat gemäß befchloß, das religiöfe Bekenntnis außerhalb der Kognition des Staates zu (teilen, die volle Gewiflensfreiheit des einzelnen. Dem Epifkopat aber fagten weder die „dürftigen und zweideutigen desfallflgen Grundrechte", noch die geplante vorwaltende Macht des Staates über das ganze Schulwefen, noch die ausdrückliche Beftimmung zu, daß die Kirchen trotz der ihnen zuge= (tandenen Freiheiten doch den allgemeinen Staats gefetzen unterworfen bleiben follten. Der deutfehe Epifkopat verfammelte fich unter Geisels Leitung auf einervom 22. Oktober bis 16. November währenden Konferenz in Würzburg. Man war dort, wo man im engften Anfchluß an den römifchen Stuhl „das erfte Lebenszeichen des wiedererwachenden Gefühls der alten Einheit und Größe der deutfehen Kirche" gab und zugleich den unter den katholifchen Laien ent= (tandenen B e g e b u n g e n f ü r Kirche und Schule die Richtung weifen wollte, ebenfo beftimmt gegen die förmliche Anerkennung einer fortdauernden Staats* hoheit über die befreite Kirche, wie man die „unerbittliche Hartnäckigkeit" bedauerte, womit die beiden deutfehen Parlamente den Klerus von der Leitung und dem maßgebenden Einfluß auf die öffentlichen Schulen ausfchloffen. In feiner Pflicht der Jugenderziehung wollte fleh der Epifkopat jetzt, wo die Kirche endlich wieder frei werden follte, durch nichts hindern laffen. In Preußen aber bot ihm nun die Kirchenpolitik der Regierung die Mittel zum erfolg= reichen Widerftand gegen die Politik der Parlamente. Die Regierung befand fich damals fchon nicht mehr in der Hand der rhei= mente. Aber auch in anderen Fragen trat die Fraktion nachdrücklich f ü r die Verfaflung ein und wirkte zufammen mit den Liberalen f ü r die Rechte der K a m m e r und gegen die allgemeine Tendenz des Minifteriums Manteuffel, die dahin ging, das konftitutionelle Syjtem in Preußen fich felbft zu Grunde richten und insbefondere die Volksvertretung als tatfächlich überflüffig erfcheinen zu laffen. M i t den Liberalen, denen Manteuffel eine „abgöttifche Verehruhg f ü r jeden Buchftaben der V e r f a f f u n g " vorwarf, trat die Katholifche Fraktion 1853 f ü r die in der Verfaflung vorgefehene Selbftverwaltung der Gemeinden, Kreife, Bezirke und Provinzen ein. Die beiderfeitigen Stand« punkte (timmten allerdings nicht überein. Die Katholiken wollten wie vor 1848 die Übermacht des Staates durch die lokale Autonomie der einzelnen Teile und durch die Organifation ihrer „fittlichen K r ä f t e " paralyfieren, während nach dem Wunfche der Liberalen eine jtarke Zentralifation des Staates die Vorbedingung und den Rahmen f ü r die den einzelnen Teilen zu gewährende Selbftverwaltung bildete (S. 87, 90}. Gemeinfam bekämpften Katholiken und Liberale 1853 a u c h die reaktionäre Aufhebung der einheitlichen Gemeindeord= nung von 1850 und bemühten fich, wenigltens f ü r die Rheinprovinz diekommu= nale Rechtsgleichheit zu behaupten. DieMehrzahl der adligen Fraktionsmitglieder war allerdings dagegen und fchied aus der Fraktion aus. Das rheinifche Bürgers tum wollte jedoch noch immer nicht dem Verlangen der Regierung gemäß ein® feitig f ü r die Städte die Vorzüge der Selbftverwaltung annehmen. Jetzt erlag aber diefe „Hauptfeftung des Liberalismus, ein Hauptprinzip feiner Gleichmacherei" unter Kleift=Retzows zäher Führung der konservativen Ubermacht, trotzdem der Prinz von Preußen warm f ü r die rheinifche Auffaflung eintrat. Die an die Gemeindeordnung von 1845 (S. 85) anknüpfende, aber von der Landgemeinde^ Ordnung abgetrennte rheinifche Städteordnung vom 1 5 . Mai 1856 führte gegen den Willen der Rheinländer f ü r die Dauer den rechtlichen Unterfchied von Stadt und Land durch. Sie wurde dann allerdings gerade in der Rheinprovinz der Ausgangspunkt einer außerordentlich fruchtbaren und erfolgreichen Ent= wicklung des Städtewefens. Die Selbftverwaltungsrechte der Landgemeinden aber, die gleichzeitig mit denen der Städte zu entwickeln die Rheinländer ver« fucht hatten, kamen weniger zur Entfaltung (Bd. I, 122). M i t den Liberalen bemühten fich die Katholiken während der Jahre 1 8 5 3 — 1 8 5 8 regelmäßig auch um die Aufhebung der trotz der Verfaffung fortbeftehenden Steuerbefreiungen des adligen Grundbefitzes im Often. Die Regulierung der Grundfteuer, fo führten fie aus, fei f ü r die Rheinlande „eine Frage des Rechts, des Intereffes und fogar der E h r e " . Auch diefes Ringen war aber erfolglos. Wenn die Katholifche Fraktion dadurch in den Ruf des Liberalismus kam, fo war das irrig. M i t Nachdruck zählten die beiden Reichensperger fich zu den konfervativften Elementen des Volkslebens und zu den Vorkämpfern der übers lieferten Autorität. Sic betonten im Sinne des alten Autoritätsprinzips, es liege „ i m Wefen und in der Natur des Gefchöpfs, abhängig zu fein", und warfen dem Liberalismus vor, ihm fei der „Begriff der Autorität abhanden gekommen".
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Fünftes Kapitel (1850—1871)
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Im allgemeinen förderte die Fraktion den konfervativen G a n g der innern Ent= Wicklung, und mit den Konfervativen wandte fie fich auch gegen Be|timmungen der Verfaffung, um fie zu Fall zu bringen. In der Frage der Zufammenfetzung der 1 . Kammer wechfelte P. Reichensperger unter dem Beifall der Fraktion völlig feinen Standpunkt. War er 1 8 4 8 — 1 8 5 0 hartnäckig dafür eingetreten, daß auch die 1 . K a m m e r aus Wahlen hervorgehen müffe, fo fprach er fich im März 1853, als die endgültige Bildung diefer K a m m e r zur Beratung (tand, mit demfelben Nachdruck dafür aus, daß fie fo, wie es die Regierung im Gegen» fatze zur Verfaffung vorfchlug, in ein fajt ausfchließlich von der Krone berufenes Herrenhaus umgewandelt werde. Das Prinzip der Volkswahl f ü r beide Kam= mern erfchien ihm jetzt unzuläffig und verderblich; es führe entweder zur Gefährdung des Repräfentativfyftems oder des Königtums. Aus der Rhein» provinz widerfprachen nur die Liberalen, als auf Grund des Gefetzes vom 7. Mai 1853 durch königliche Verordnung vom 12. Oktober 1854 die 1 . Kammer in eine vom König berufene Intereffenvertretung des adligen Grundbefitzes im Often umgewandelt wurde. Herrenhaus und Abgeordnetenhaus (die bisherige 2. Kammer) bildeten feit 1855 den preußifchen Landtag. Da die Verfaffung die übereinftimmung der Krone und beider Kammern f ü r die Entftehung jedes Gefetzes fordert, die Krone aber durch Berufung gefügiger neuer Mitglieder in das Herrenhaus fich ftets eine willige Majorität fchaffen kann, fo bedeutete diefe Verfaffungsänderung eine wefentliche Verftärkung der Krongewalt. Vorder» hand war die Zufammenfetzung des Abgeordnetenhaufes allerdings fo geartet, daß diefe Verftärkung unnötig war. Die Wahlen im Herbit 1855 vermehrten die Zahl der konfervativen Abgeordneten fo, daß fie in der fog. Landratskammer allein über etwa drei Viertel der Stimmen verfügten, und der übermächtige Einfluß, den die extrem konfervative Junkerpartei mit Hilfe der Regierung in wenigen Jahren auf dem Wege des Dreiklaflenwahlrechts zu erlangen ver= mocht hatte, führte fie jetzt fchnell zum grundfätzlichen Verzicht auf das früher fo zäh von ihr verteidigte (tändifche Wahlprinzip. Ohne Erfolg blieben dagegen die B e g e b u n g e n der Katholifchen Fraktion da, wo fie ifoliert vorzugehen gezwungen war. So wenn fie 1853 die Steuerfreiheit des Kirchenvermögens verlangte und 1856/58 wiederholt im Gegenfatz zu der paritätifchen Staatsuniverfität in Bönn die Akademie in Münfter i. W . zu einer nach dem Mufter von Löwen unter der Aufficht des Epifkopats (tehenden katholifchen Univerfität ausgebaut zu fehen wünfehte. In der Schulpolitik gab die Regierung nicht weiter nach, und Regierung und Parteien waren einig, im mittlem und höhern Bildungswefen den kirchlichen Einfluß nicht ßiärker an= wachfen zu laflen. Das Verhältnis der katholifchen Kirche zum Staate blieb daher das einer argwöhnifchen Freundfchaft. Das trat gelegentlich grell zutage. Im Oktober 1855 verlieh Friedrich Wilhelm IV. dem Kardinal Geiffel den Schwarzen Adlerorden. Im November 1856 aber, als auf Anregung liberaler Kreife der Rheinprovinz der Aufruf erging, in Köln ein Denkmal König Friedrich Wilhelms I I I . zu errichten, das der Erinnerung an die Befreiung der Rheins lande von der Fremdherrfchaft und ihre Verbindung mit Preußen im Jahre 1 8 1 5 dienen follte, weigerte fich Geiffel mitzuwirken. In feiner Erinnerung lebte der verdorbene König fort als der Urheber des Kölner Kirchen|treites von 1 8 3 7 . „ D a s ganz unerwartete Projekt r u f t " , fo fchrieb er, „bei den Ka« tholiken große Beunruhigung hervor." Er nannte es „wahrhaft (taunenero regend und unbegreiflich", daß ein Mann wie der Graf Fürffcenberg, den er
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Katholische Fraktion und Liberalismus. Krimkrieg
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früher „den wacker(ten Edelmann des R h e i n l a n d e s " genannt hatte, einen Beitrag zahlte und den Aufruf unterfchrieb, der dem Kardinal als ein Werk von „Prote(tanten, Juden und F r e i m a u r e r n " erfchien. Für(tenbergs Verhalten bezeichnete er als „ M y l t e r i u m der Gutmütigkeit, um nicht zu fagen der Dummheit". D i e innere Politik der Reaktion war feit 1 8 5 0 durchweg von dem K a m p f e gegen die Re(te der Revolution beherrfcht. Auf ihre Erfolge warfen die Mattig= keit und die Mißerfolge der äußern Politik tiefe Schatten. N u r mit M ü h e gelang es 1 8 5 2 / 5 3 , den preußifchen Zollverein zu behaupten. Nach feinem politifchen Erfolg in Olmütz wollte OJterreich auch die wirtfchaftspolitifche Vormacht Preußens brechen und felb(t in den Zollverein eindringen. Der ö(terreichifche Handelsminifter K . L . v. Bruck, ein aus Elberfeld gebürtiger Rheinländer, wollte die wirtfchaftliche Kraft einer ganz Mitteleuropa um» faffenden Zoll« und Handelsvereinigung fammeln und ebenbürtig neben England und Frankreich (teilen. Auf katholifcher Seite war man wie in Süd« deutfchland fo auch in der Rheinprovinz dafür, daß Ofterreich im großdeutfehen Wirtfchaftsleben die Oberhand erlange. F ü r die rheinifchen Liberalen blieb dagegen auch in der deutfehen Handelspolitik die preußifche Hegemonie unver= rückbarer Angelpunkt. S i e vor allem hielt das Vertrauen der F ü h r e r im Wirt= fchaftsleben auf die politifche Zukunft aufrecht. In diefem Ringen um den Zoll= verein (tanden dieKleindeutfchenam Rhein mit den altpreußifchen Konfervativen gegen die katholifchen Großdeutfehen, deren Kölner Organ, die Deutfche Volks= halle, von der Kreuzzeitung 1 8 5 2 geradezu der Preußenfeindfchaft bezichtigt wurde. D e r Zollverein wurde am 4. April 1 8 5 3 erneuert; Ofterreich hatte fich am 1 9 . Februar 1 8 5 3 mit einem befondern Handelsvertrag begnügen müffen. Im Krimkriege von 1 8 5 4 — 1 8 5 6 , der die orientalifche Frage aufrollte und nach vierzigjähriger Ruhe Europa zum erften M a l e wieder mit Waffenlärm erfüllte, verlangte die Deutfche Volkshalle anfangs das Eingreifen aller chrijt» liehen Mächte auf feiten Rußlands gegen die T ü r k e i . Bald aber (limmten Liberale und Katholiken am Rhein für ein kriegerifches Vorgehen Preußens gegen Rußland an der Seite von England und Frankreich, wo 1 8 5 2 das Kaifertum Napoleons I I I . die Republik abgelö(t und einen fchnellen Auffchwung der ftaatlichen Energie bewirkt hatte. Die Liberalen (trebten nach Befreiung Preußens vom ruffifchen Einfluß, die Katholiken aber machten eine Schwenkung, da 0|terreich auf die Seite der Weltmächte trat. D a ß die preußifche Regierung Rußland die verlangte Hilfe verweigerte, anderfeits aber auch nicht mit Rußland brach, fondern neutral blieb und dem Krieg auswich, mißfiel in der Provinz fehr. Die Kölnifche Zeitung kritifierte die Regierungspolitik fo fcharf, daß fie im M ä r z 1 8 5 5 gezwungen wurde, ihren Redakteur Brüggemann durch H . Kruie zu erfetzen, um der Unterdrückung zu entgehen. Die Deutfche Volkshalle aber, damals infolge ihrer feudal=konfervativen Haltung in der innern Politik in (ländiger Fehde mit den katholifchen Parlamentariern, wurde im Juli 1 8 5 5 PoIi= zeilich unterdrückt, weil fie zufammen mit dem katholifchen „ R h e i n s und Mofel« b o t e n " in Koblenz Ofterreichs Intereffen zu offenkundig gegen die Politik der eignen Regierung vertrat. Durch die mangelnde Entfchlußkraft der Regierung wurde Preußens Anfehen in Europa während diefer Jahre ftark erfchüttert. Die Heilige Allianz von 1 8 1 7 wurde durch den Krimkrieg aufgelöft, Frankreich, das im Bunde mit England Rußland befiegte, (tieg empor, und Preußen
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Fünftes Kapitel (1850-1871)
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wurde 1856 er|t im letzten Augenblicke von den übrigen Mächten zur Mit« Wirkung beim Parifer Friedenskongreß zugelaflen. Im Jahre 1857, als Friedrich Wilhelm IV. unheilbar erkrankte, übernahm fein Bruder Wilhelm feine Vertretung, vom Oktober 1858 ab die Regentfchaft. Sein langer Aufenthalt in Koblenz hatte ihm viele Sympathieen in der Rhein= provinz erworben und zur Verknüpfung der Provinz mit dem Staate mannig= fach beigetragen. Die „ N e u e Ä r a " , die nun begann, wirkte in demfelben Sinne. Sie offenbarte auf dem Gebiete der innern Politik den tiefen Gegenfatz, der den Prinzregenten feit Jahren vom Mini(terium wie von der Kamarilla feines Bruders und von der Kreuzzeitungspartei trennte. Sein Regierungsprogramm vom 8. November 1858 fprach fich f ü r Förderung wahrer Religiofität und f ü r möglichfte Parität der chriftlichen Kirchen aus, aber es proteftierte gegen die Heuchelei und Scheinheiligkeit, zu der eine mit den Grundanfchauungen der evangelifchen Kirche unverträgliche Orthodoxie geführt habe, fowie gegen die in beiden Kirchen hervorgetretenen Beftrebungen, die Religion zum Deck= mantel politifcher Bejtrebungen zu benutzen. Preußen müffe in Deutfchland moralifche Eroberungen machen und durch feine Bildungsanftalten an der Spitze geiftiger Intelligenz flehen. Bei den Neuwahlen f ü r das Abgeordnetens haus wurde jede Beeinfluflung durch die Regierung unterfagt: die Wahlen follten die wirkliche Meinung des Landes repräfentieren. Noch am 2. Sep=» tember hatte der Erzbifchof Geiffel gewohnterweife ein Rundfehreiben an die Geiftlichen und Gläubigen feiner Diözefe verfaßt, um fie zu reger und gewiffen= hafter Beteiligung an der Wahl zu veranlaffen, damit eine „gottgefällige W a h l " herbeigeführt und „das Gedeihen der Kirche in ihrer berechtigten freien Lebens® tatigkeit nicht beeinträchtigt werde". Das Schreiben wurde aber „ d e r verän= derten Verhältniffe" wegen am 2. November in gekürzter Faffung veröffentlicht. Auch der Bifchof von Trier hielt in diefer Form an der kirchlichen Einwirkung auf die Wahlen feft. Der Prinzregent aber entließ das Minifterium Manteuffel, mit Ausnahme der beiden Rheinländer v. der Heydt und Simons, ernannte zum Minifterpräfidenten den in Düffeldorf wohnenden gemäßigt liberalen Prinzen Anton von Hohenzollern=Sigmaringen und berief in das Minifterium mehrere altliberale Parteiführer. Der rheinifche Oberpräfident v. Klei{t= Retzow wurde durch v. Pommer=Efche erfetzt. Der Liberalismus in der Rhein= provinz wie in ganz Preußen atmete von dem Alpdruck der Reaktion auf. D e r Prinzregent betonte zwar, das Wohl des Landes beruhe auf gefunden konfervativen Grundlagen, und er warnte vor „ d e r Phrafe, die Regierung müffe fich fort und fort treiben laffen, liberale Ideen zu entwickeln, weil fie fich fon|t von unten Bahn brechen w ü r d e n " , aber diefe Einfchränkungen wurden wenig beachtet. Bei den Wahlen fiegten, fobald der Bruch mit dem bisherigen Re= gierungsfyftem erfolgte, die Liberalen, unterftützt von den Demokraten, über die Konfervativen. Hatten bisher von 352 Abgeordneten 236 zu diefen gezählt, fo wurden jetzt 2 1 0 Liberale der verfchiedenen Schattierungen gewählt, davon 39 in den 61 Wahlkreifen der Rheinprovinz. Wie 1848 erwies fich die Majorität der Volksvertretung, fobald fie frei gewählt wurde, als gemäßigt liberal. Alle Mi= ni(ter erhielten Mandate, drei von ihnen rheinifche. Von den älteren Führern des rheinifchen Liberalismus traten v. Beckerath, v. A m m o n u n d I.Bürgers wieder in die K a m m e r ein. Die Katholifche Fraktion behauptete allerdings ihre Stärke von 56 Mitgliedern, von denen 22, an der Spitze die Brüder Reichensperger, Vertreter rheinifcher Wahlkreife waren. Die Fraktion fah fich aber in ganz
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Beginn der Neuen Ära 1858
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veränderter Lage. Die proteftantifche Orthodoxie war ebenfowenig mehr durch die neue Kammermehrheit wie durch die neue Regierung repräfentiert. Der Minifterpräfident A. v. Hohenzollern war felbft gläubiger Katholik, und der Kultusmini(ter v. Bethmann=HolIweg war Prote(tant ohne konfeffionelle Eng= herzigkeit. Nicht der gläubige Prote(tantismus, fondern der unkonfeflionelle Liberalismus erfchien jetzt als der gefährlichere Gegner. Ihr Fortbeftehen hielt die Fraktion zwar f ü r erforderlich, erwog aber zugleich, daß ihr N a m e , der der L a g e im Jahre 1852 entfprechend ihren Gegenfatz zum Proteftantismus betonte, ihr Zufammengehen mit der konfervativen Partei in zukünftigen K ä m p f e n gegen den Liberalismus erfchweren werde. Sie legte daher „das düflere, oppofitionelle Kleid freudig a b " und nannte fich vom Januar 1859 ab „Fraktion des Zentrums (katholifche Fraktion)". Die „möglichft wirkfame und würdige Vertretung der Rechte und der Intereffen der katholifchen Kirche" beftand zwar als eigentlicher Zweck der Vereinigung fort, doch erklärte fie fich 1861 bereit, auch Andersgläubige aufzunehmen, wenn fie im allgemeinen mit ihren Prinzipien einver(tanden feien, die der Fraktion eine mittlere Linie „zwifchen Kreuzrittern und Liberalen" anwiefen. „ S i e fucht das G u t e zu erreichen, wo und wie fie kann, und darum geht fie zuweilen mit diefer, zu» weilen mit jener Partei." Die Kammerverhandlungen über ein Ehefcheidungs= gefetz und über das Recht der Diffidenten hatten aber inzwifchen fchon feit 1859 ihren prinzipiellen Gegenfatz zum Liberalismus offenbart, und ihre innere Verwandtfchaft mit der Kreuzzeitungspartei als Vertreterin des ortho= doxen Proteftantismus trat von da ab deutlich hervor. A. Reichensperger felbft hielt den Kampf von Kreuz und Antichri(t f ü r unmittelbar bevor(tehend. Andere K ä m p f e traten indeffen in den Vordergrund. Durch die mit Hilfe der Konfervativen gelungene Oktroyierungs= und Revifionstaktik der Re= gierung (teilte die preußifche Verfaffung vom Jahre 1850 einen f ü r die Krone vorteilhaften Ausgleich zwifchen Kronrechten und Volksrechten dar. Die ur= fprüngliche Tendenz des Camphaufen=Hanfemannfchen Verfaffungsentwurfs, der ein aus der jeweiligen Majorität des Abgeordnetenhaufes hervorgehendes Mini(terium und ein parlamentarifches Regierungsfyjtem vorausfetzte, war ausgefchaltet. Aber innerlich war der bürgerliche Liberalismus nicht f ü r diefen Ausgleich gewonnen. Bisher war das Minifterium nicht aus einer begehenden Kammermajorität hervorgegangen, fondern der Ernennung des nur nominell verantwortlichen Minifteriums war die Wahl einer ihm homogenen Majorität gefolgt. Die Krone hatte alfo die Initiative und Führung behauptet. Diefes Regierungsfyftem, die (tarke monarchifche Leitung, gedachte der Prinzregent nun mit dem liberalen Minifterium fortzufetzen, deffen bloße Exiffcenz umgehend die bisher durch behördlichen Einfluß verhinderte Wahl einer liberalen Kammer» majorität herbeiführte. Perfönlich konfervativ und, wie er im Oktober 1861 durch feine feierliche Krönung in Königsberg bezeugte, von dem fakralen Charakter des preußifchen Königtums durchdrungen, war er doch bereit, die Verfaffung und die konftitutionelle Mitwirkung des Volkes bei der Gefetz= gebung loyal aufrechtzuerhalten. Die Regierung wollte er zwar im Sinne der revidierten Verfaffung nach eignem Ermeffen führen, überzeugt, daß die Krone alle Rechte behalten habe, auf die fie in der Verfaffung nicht ausdrücklich ver= ziehtet hatte; der tatfächlichen Stärke der liberalen Strömung im Volke aber wollte er fo weit nachgeben, daß feine konfervative Politik einen liberalen Ein= fchlag erhielt. In Konfliktsfällen follten fich die liberalen Minifter felbft ihm
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fügen und zugleich dafür Jorgen, daß auch die Kammermajorität fich fügte. Die Verfaffung war aber in bezug auf die Verteilung der politifchen Gewalten verfchiedener Deutungen ebenfo fähig wie in bezug auf das Verhältnis von Staat und Kirche. Wenn nun von den liberalen Gruppen fofort der Erlaß des in der Verfaffung ausdrücklich vorgefehenen Gefetzes über die Mini(terverant= wortlichkeit verlangt wurde, fo bewies das, daß fie f ü r die Volksvertretung einen vermehrten politifchen Einfluß beanfpruchten. Auch das liberale Mini(terium vermochte indeffen nicht, die Krone zur Publikation diefes Gefetzes zu bestimmen. Das Syftem aber, das mit liberalen Kräften die Krongewalt und felb(therrs liehe Regierung zu behaupten gedachte, erwies fich als durchführbar in einer alten Streitfrage, worin der Prinzregent auf feiten der Liberalen gegen die Konfer= vativen (tand. Der von der Rheinprovinz feit Jahrzehnten vergebens geforderte Grundfteuerausgleich zwifchen den öjtlichen und weltlichen Provinzen kam jetzt zuftande. Noch 1859 wurde zwar im Hofkreife dem rheinifchen Einfpruch gegen die Privilegierung der oftelbifchen Rittergüter mit dem Vorwurf begegnet, das wahre Unglück Preußens feien feine weftlichen Provinzen. Von einer folchen Unverföhnlichkeit altpreußifcher und rheinifcher Intereffen wollte indeffen der Prinzregent nichts wiffen. Sein Minifterium brachte 1860 einen Gefetzentwurf ein, der im Abgeordnetenhaus fofort Zu(timmung fand. Das Herrenhaus lehnte ihn allerdings ab. Der oftelbifche Adel blieb auf dem Standpunkte, daß fein Groß= grundbefitz im Staate wie in der Provinz, dem Kreis und der Gemeinde wohl bevorrechtet fein müffe, aber nicht (teuerpflichtig fei. Wilhelm I., der am 2. lanuar 1861 feinem Bruder als König auf dem Throne folgte, gab indej]en dem Widerftande der Adelspartei nicht nach. Ein Pairsfchub verftärkte jetzt die Regie= rungspartei im Herrenhaufe, fo daß am 2 1 . Mai 1861 das Gefetz veröffentlicht werden konnte, wodurch die Grundfteuerfreiheit der Rittergüter endlich befeitigt wurde. Damit war auch in Preußen die Rechtsungleichheit des hijtorifchen Sjtändewefens durch den allgemeinen Staatsgedanken im rheinifchen, modernen Sinne endlich überwunden. Die Herftellung der jtaatlichen Steuereinheit an Stelle des 1 8 1 9 eingerichteten Provinzialfyftems lieferte zudem einen Mehr« ertrag von vier Millionen Taler jährlich. Unlösbare Schwierigkeiten traten aber dem geplanten neuen Regierpngs= fyftem da in den Weg, wo Fragen auftauchten, in denen die Krone von den libe= ralen Anflehten abwich. Der italienifche Krieg von 1859 führte die Spannung herbei, in deren Verlauf fich die Rheinprovinz wiederum als die politifch erreg= bar|te Provinz der Monarchie erwies. In Italien, deffen Vergangenheit wie die deutfehe in politifche Zerfplitterung ausgemündet war, fchickte fich feit 1856 eine begei(terte Volkserhebung unter Vorantritt der Krone Sardinien und ihres ausgezeichneten Mini(terpräfidenten Cavour zur Gründung des National* ftaats an. Gejtützt auf Napoleon I I I . , den Befürworter des Nationalitäts» prinzips, beanfpruchte fie zunächft das feit 1 8 1 5 in öfterreichifcher Hand befind» liehe Oberitalien. Das Riforgimento brachte auch in Deutfchland die feit 1850 ruhende nationale und liberale Bewegung wieder in Fluß. Die noch immer (tärkfte der treibenden Kräfte des politifchen Lebens, die nationale, befreite fich von dem Drucke, der auf ihr la(tete, und gegen den undurchführbaren großdeutfehen Gedanken, der nach 1850 neue Nahrung aus der Schwäche der preußifchen Reaktionspolitik gezogen hatte, erhob fich wiederum der zukunftsreiche liberale Gedanke, der durch die Volksbewegung von 1848 be(timmte Geftalt gewonnen hatte. Eine geradlinig zum parlamentarifchen Einheitsftaat verlaufende Ent»
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Das neue Regierungssystem 1859 — 62
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wicklung wie jenfeit der Alpen erwies fich indeffen in Deutfchland von neuem als unmöglich. Die Stärke der Rivalen Ofterreich und Preußen, die Exiftenz des Deutfchen Bundes und die Kräfteverteilung zwifchen Regierung und Volk in Deutfchland fchloffen fie aus. Die L ö f u n g der nationalen Frage verlief hier zwar zeitlich parallel, aber in ganz anderer und viel verwickelterer F o r m . Durch den italienifchen K r i e g entjtand die Frage, ob die Bedrohung Ojterreichs durch Frankreich und Sardinien in feinen nicht zum Deutfchen Bunde zählenden Ländern die übrigen B u n d e s r ä t e n , insbefondere Preußen, zu bewaffneter Hilfe verpflichte. Wie in ganz Deutfchland, fo war auch in der Rheinprovinz, wo das Bewußtfein der nationalen Gemeinfchaft alle Parteien erfüllte, die S t i m m u n g geteilt. Die großdeutfehen Katholiken, die die Fort= dauer des Deutfchen Bundes und der Unterordnung Preußens unter fein öjterreichifches Präfidium wünfehten, verlangten die Hilfsleijtung, und zwar um fo mehr, als die italienifche Revolution eine G e f a h r f ü r den Kirchenftaat bedeutete, f ü r deffen Erhaltung die deutfehe Katholikenverfammlung zu Frei= bürg i. B r . im September 1859 warm eintrat. Die kleindeutfchen Liberalen aber waren dagegen, daß Preußen Ojterreich jtärke und foauch deffen Vormachtftellung im Deutfchen Bunde weiter kräftige. Sie wollten nicht, daß Preußen G u t und Blut feines Volkes f ü r Ojterreichs Befitzftand in Italien o p f e r e ; nur zur Siehe* rung des Bundesgebiets felbjt und zur Abwehr eines franzöfifchen Eingreifens diesfeit der Alpen follte es das Schwert ziehen. Frankreich, feit 1856 führende Macht auf dem Kontinent, machte in der T a t Miene, fich auch in die inneren Angelegenheiten Deutfchlands zu mifchen. Minijterium und Kammermajorität hielten gleichfalls dafür, daß die Ver= wicklung Ojterreichs in Italien den Deutfchen Bund nicht berühre. D e r Prinz« regent aber vertrat nach einigem Schwanken einen andern Standpunkt. Er war wie die Konfervativen und die Katholiken f ü r den Fortbejtand, nicht f ü r die Sprengung des Deutfchen Bundes. Z w a r hatte fich jede Bundesreform bisher als unmöglich erwiefen. Ein Ausgleich zwifchen Ofterreich und Preußen war nicht zu finden, und die Kabinette wollten die Souveränetät der Einzel= ftaaten nicht aufgeben. D e r Prinzregent aber hoffte noch immer, daß wenigjtens die unheilbare militärifche Schwäche des Bundes gehoben und Preußens Stellung in ihm von der Seite der Wehrverfafiung her fo verbeffert werden könnte, daß es imjtande wäre, f ü r die Sicherheit Deutfchlands einzugehen. Er befahl im Juni 1859 die Mobilmachung von fechs Armeekorps als Hilfe f ü r Ofterreich, um die militärifche K r a f t Preußens eindrucksvoll zur Geltung zu bringen und die franzöfifche Regierung zu warnen, vom Oberrhein her durch Süddeutfch= land gegen Ofterreich vorzugehen. Das Minifterium deckte das Vorgehen des Prinzregenten, und die liberale öffentliche M e i n u n g am Rhein beruhigte fich, wenn auch die Mobilmachung der L a n d w e h r als eine tief in das Familienleben einfehneidende Maßregel hart empfunden wurde. In der erwachenden K r a f t Preußens zu politifchem Handeln fahen die rheinifchen Altliberalen ein gutes Vorzeichen f ü r die neu entftehende nationale Bewegung, und fie fuchten nun auch dasMinifterium vertrauensvoll zu unterjtützen. Beckerath fchriebam24. Juni 1859 den Minijtern R . v. Auerswald und v. Patow, alle Erwägungen müßten jetzt „zurücktreten gegenüber der unermeßlichen Wichtigkeit des Stützpunktes, den Preußen in der ü b e r e i n f t i m m u n g zwifchen Regierung und Volk und in der begeiferten Hingebung des Volkes an fein Fürjtenhaus befitzt. Diefes koftbare Gut, auf dem die Hoffnung unferer Z u k u n f t beruht, das allein Preußen die
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K r a f t verleihen kann, feine Stellung als Großmacht zu behaupten und feine deutfche Miffion zu erfüllen, wäre ernftlich gefährdet, wenn die furchtbaren Opfer, welche nach der Befchaffenheit unferer Wehrverfaffung ein großer Krieg dem Lande auferlegt, nicht f ü r einen rein nationalen, auch dem gemeinen Menfchenverftand erkennbaren Zweck verlangt würden, wenn fie in erfter Linie dem abfolutiftifchen, Deutfchlands Entwicklung fyftematifch hemmenden 0(ter= reich und nur mittelbar preußifchen Intereffen zu gute kommen follten, wenn es fich dabei um Geringeres, als um einen Kampf auf Leben und T o d f ü r ein ehrenvolles Dafein Preußens und Deutfchlands handeln würde. Er|t wenn Deutfchlands Grenzen angegriffen oder mit einem Angriff bedroht werden, ift der Augenblick gekommen, wo wir auch ohne England und Rußland das Schwert ziehen und an der Spitze Deutfchlands — wer in diefem dann nicht mit uns i(t, ift wider uns — allen Gefahren trotzen müfien. Dann wird aber nicht weniger als im Jahre 1 8 1 3 , wo ja auch König und Volk eins waren, die hingebendfte Opferwilligkeit in allen Teilen des Landes an den T a g treten und der Sieg der geheiligten Sache des Vaterlandes nicht zweifelhaft fein. Diefe Anfchauungen kann ich als die in der Rheinprovinz herrfchenden auch mit Rückficht auf die Sympathieen bezeichnen, welche in der katholifchen Be= völkerung mehr oder weniger f ü r Ofterreich vorhanden find. N u r der ultra= montane Teil der Geiftlichkeit und fein nicht großer oder doch nicht einfluß= reicher Anhang würde diefen Sympathieen um jeden Preis Folge geben. Bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Katholiken treten fie in den Hinter* grund, fobald ein Konflikt entfteht zwifchen diefer Gefühlsrichtung und der auch in den neu erworbenen Teilen der Rheinprovinz immer tiefer wurzelnden, an Preußen und feinem freifinnigen Staatsieben fefthaltenden Gefinnung." Die Stimmung in Deutfchland fchlug indeffen um, als Ofterreich die preu» ßifche Hilfe ablehnte, weil der Prinzregent fie unter der Bedingung des preu= ßifchen Kommandos über das ganze Bundeskontingent anbot, und als es nach den Niederlagen bei Magenta und Solferino am 1 1 . Juli 1859 einen fchnellen Frieden mit Italien und Frankreich unter Verzichtleifiung auf die Lombardei fchloß. Der ergebnislofe Schritt Preußens wurde nun von vielen Liberalen in Nord und Süd bitter verurteilt. Der Liberalismus des Minifteriums wurde in der innern Politik als zu fchwach empfunden, und in der äußern Politik rückte die öffentliche Meinung die nationale Frage in den Mittelpunkt der Diskuffion. Die eine Zeitlang von Frankreich drohende Gefahr verftärkte das Verlangen der Liberalen, daß die Einigung Deutfchlands jetzt ernftlich erftrebt werden müffe, und zwar in Anlehnung an die Frankfurter Verfaflung vom 28. März 1849. Der Deutfche Bund, die Verkörperung des fich gegenfeitig garantierenden fürftlichen Partikularismus, follte befeitigt werden, Preußen durch „moralifche Eroberungen" an die Spitze eines deutfchen, mehr föderativen B u n d e s r a t e s mit einem Parlament und unter Ausfchluß Ofterreichs treten. Die Ergänzung diefes Bundesftaats durch einen weitern Bund mit Ofterreich follte offen bleiben. Im September 1859 wurde in Koburg unter dem Vorfitz des liberalen Han= noveraners R . v. Bennigfen nach italienifchem Vorbilde der „Nationalverein" gegründet, der in Nord= und Mitteldeutfchland fofort ftarken Anhang f a n d . Beim Prinzregenten aber erweckte diefes Wiederaufleben der nationalen Volksbewegung im Anfchluß an die italienifche Revolution und die europäifche Krifis von 1859 ähnliche Beforgniffe wie ihr Aufflammen im Jahre 1848 bei feinem Bruder. Mit erregten Worten wandte er fich am 1 7 . Juli 1860, als Abs
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Deutsche Einheitsbewegung 1859
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geordnete verfchiedener deutfehen K a m m e r n zu freier Befprechung in Heidel= berg wie 1848 zufammentreten follten, dagegen, daß „in Deutfchland der fchmähliche Anfang von 1848 im S i n n e der Volksbeglückung von unten herauf eine Repetition e r f a h r e " . Die fclbft von dem maßvollen v. Beckerath im M ä r z 1 8 6 0 aufgehellte Forderung „ d e r preußifchen Oberleitung des zu gründenden deutfehen Bundesftaats, nunmehr im Gegenfatz zu Ofterreich und feiner nichts= würdigen antinationalen Politik", war nicht das Ziel Wilhelms I. Er wollte nicht durch einen Bruch mit Ofterreich die preußifche Hegemonie erlangen. D a ß der nationale Liberalismus von neuem die legitimen Gewalten zu über« flügeln drohte, mahnte ihn vielmehr zur Vorficht auch in der innern Politik Preußens. D e r jungliberale Nationalverein ging wiederum davon aus, daß nur einem liberal regierten und zum Aufgehen in Deutfchland entfchloffenen Preußen ganz Deutfchland willig die Führerrolle zugeftehen werde. Die Exiftenz des der liberalen Kammermajorität homogenen Minifteriums erzeugte aber fclbft bei den rheinifchen Altliberalen die Hoffnung, daß fich die preußifche Krone in Zukunft bei der Auswahl ihrer Mini(ter an die Kammermajorität binden, alfo dem parlamentarifchen Sy(tem annähern und fich in die Regierung nicht mehr mit dem konfervativen Adel, fondern mit dem liberalen Bürgertum teilen werde, das fich feit der Freigabe der Wahlen wiederum als die ftärkjte Partei im Staate erwiefen hatte. „ W e n n das Herrfcherhaus, fo fchrieb im Januar 1 8 5 9 Beckerath, fich mit dem jetzigen Zuftande verföhnt zeigt, der feine Macht äußerlich befchränkt, wenn auch fittlich erhöht, dann ift die politifche Ent= wicklung auf einer S t u f e angelangt, welche die beften Hoffnungen für die Zukunft des Volkslebens gewährt." U m der Entwicklung Zeit zu laffen, hielt man fich zwar in der nationalen wie in der innerpreußifchen Frage etwas zurück. Da der Nationalverein von der Regierung als „felbftgefchaffenes Organ der N a t i o n " kritifch betrachtet wurde, wollte man „den Miniftern, die ohnehin den verzweifelten Anftrengungen der Feudalen gegenüber einen harten Stand haben, die Löfung ihrer Aufgabe nicht erfchweren". Die Altliberalen blieben daher mit wenigen Ausnahmen dem Nationalverein fern. Die rheinifchen Ortsgruppen diefes Vereins fetzten fich zumeiß; aus jüngeren liberalen Ele= menten zufammen, unter denen Seyffardt (Krefeld) und Berger (Witten) (tärker hervortraten. I m G e i f t e des Nationalvereins brachten E.Rittershaus und E . Scherenberg (Barmen=Elberfeld) die feit 1848 verftummte politifche Lyrik wieder zu Ehren und gewannen durch ihre freiheitlich=vaterländifchen Gefänge eine große Popularität in der Provinz. In der Regierung aber blieb der nationalen Be» wegung gegenüber der Wille des Prinzregenten beftimmend, der den Deut= fchen Bund nur zu reformieren und die Souveränetät der deutfehen Fürften zu fchonen gedachte. D a m i t (timmte der „Deutfche R e f o r m v e r e i n " überein, eine Gründung der Anhänger des großdeutfehen Gedankens ( 1 8 6 2 ) mit dem Sitze in Frankfurt, dem auch am Rheine die katholifchen F ü h r e r beitraten. „ D e r Dualis® mus Preußen=0|terreich," fo urteilte A. Reichensperger, „i(t notwendig für Deutfchland, in politifcher wie in religiös=konfeffionelIer B e z i e h u n g . " Diefe Richtung vertraten auch die „Kölnifchen B l ä t t e r " , das bürgerlich=katholifche Preß» organ, das am 1. April 1 8 6 0 an die Stelle der 1 8 5 5 unterdrückten feudal=katho= lifchen Deutfehen Volkshalle trat. Als die zuverläffigfte Stütze der preußifchen Krone gegen Volksbewegungen hatte fich aber 1848 die Armee erwiefen, und feitdem hatten die Kriege in der K r i m und in Italien, die den vierzigjährigen Frieden feit 1 8 1 5 unterbrachen, der ganzen europäifchen Welt die Bedeutung der
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Armeen auch f ü r die äußere Politik wieder (tark zum Bewußtfein gebracht. Wilhelm I., im Gegenfatz zu Friedrich Wilhelm IV. in er(ter Linie Militär, hatte fchon in feinem Regierungsprogramm vom November 1858 daran erinnert, die Armee habe Preußens Größe gefchaffen und fein Wachstum erkämpft, fie müffe mächtig und angefehen bleiben, um ein fchweres Gewicht in die poli= tifche Wagfchale werfen zu können. Von der Eigenfchaft Preußens als Militärjtaat aus orientierte fich nun wieder die Regierung, als fie zum zweiten Male vor einer mit der Oberflügelung der Krongewalt durch populäre Strömungen drohenden Verknüpfung äußer= und innerpolitifcher Fragen ftand. In der Wehrfrage aber lebte der Gegenfatz zwifchen Konfervatismus und Liberalismus, zwifchen den alten und den neuen Provinzen Preußens noch fort. Das (tehende Heer war in der Rheinprovinz noch immer wenig beliebt. Das „kriegerifche Element", das Bismarck 1849 als „ d i e hervorragendste Eigen= tümlichkeit preußifcher Nationalitat" bezeichnete, war während der langen Friedenszeit in den 1 8 1 5 erworbenen Provinzen unentwickelt geblieben. N u r feiten wandten fich Rheinländer der Offizierslaufbahn zu, in der zwei Drittel der Stellen, die höheren faft ganz, vom altpreußifchen Adel befetzt waren. Die in der Provinz übliche Redensart, der in der Armee dienende Rheinländer fei „bei den Preußen", bewies, wie wenig hier die militärifche Seite des Staates bisher Wurzel gefaßt hatte. Altliberale wie L . Camphaufen, Meviffen und v. Ammon erkannten zwar auf Grund der bisherigen Erfahrungen die erzieherifche Bedeutung der Armee und insbefondere die Erhöhung des allgemeinen Bildungs» (tandes durch das Inftitut der Einjährig=Freiwilligen an. Sie fahen darin ebenfo wie im allgemeinen Schulzwang einen wertvollen Erfatz f ü r unvermeidliche Opfer an individueller Freiheit. Aber mit der Abfchließung des Soldaten* (tandes vom Bürgertum und mit der fcharfen Trennung des Offizierkorps von der übrigen Armee konnten auch fie fich ebenfowenig befreunden, wie mit der formalen Gleichheit, womit die Dienftpflicht durchgeführt wurde. Glaubten fie, daß dem Staate die zu einem längern Kriege unentbehrlichen Kräfte fehlen wür= den, wenn die militärifche Aushebung nicht auf die Bedürfniffe des Wirtfchafts* lebens (tärkere Rückficht nehme, fo empfanden die Rheinländer im allgemeinen vor allem die militärifche Difziplin drückend. Auffehenerregende Militär« befreiungsprozeffe in Köln und Elberfeld hatten feit 1854 gezeigt, daß Söhne wohlhabender Familien fich vielfach der Dienftpflicht zu entziehen trachteten. Gegenfätze in der Ärmeefrage traten aber fchon im Schöße des Mini(tea riums zutage. Das Minijterium einigte fich über eine vom Prinzregenten veranlaßte Militärvorlage erft, nachdem der dem Liberalismus naheftehende und f ü r das Landwehrfyftem im alten Sinne geftimmte Kriegsminijter v. Bonin im Dezember 1859 durch A. v. Roon erfetzt war, einen ausgefprochenen Kon= fervativen, der den bisher einheitlichen Charakter des Mini(teriums um fo mehr aufhob, als er fortan allein das volle Vertrauen Wilhelms I. befaß, dem fein Gegenfatz zu der nationalen Volksbewegung wachfendes Mißtrauen gegen» über dem Liberalismus nahelegte. Es war ein Probeftück f ü r das liberale Minis (terium wie f ü r die liberale Volksvertretung, wenn er beiden nun am 10. Februar 1860 die Aufgabe (teilte, fich mit dem preußifchen Staat in feiner Eigenart als Militärftaat prinzipiell auseinanderzufetzen. Die Vorlage verlangte, der Bevölkerungszunahme des Staates entfprechend, die Vermehrung der Armee um 49 Linienregimenter. Die Jahresaushebung
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Die Armeevorlage vom Jahre 1860
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folltc von 4 0 0 0 0 auf 63 000 Rekruten (teigen, alfo den Gedanken der allge= meinen Wehrpflicht fchärfer zur Geltung bringen. Die neben der Linie (tehende milizartige Landwehr erften Aufgebots folltc gleichzeitig aufgehoben, Landwehr und Linie follten durchweg in der Weife verfchmolzen werden, daß alle aus= gehobenen Wehrpflichtigen zunächft drei Jahre in der Linie dienten und dann er(t nach fünfjähriger Referve in die Landwehr einrückten. Was nach 1 8 1 5 aus finanziellen Gründen unmöglich gewefen war (S. 33), follte jetzt durch= geführt werden, wo das Land infolge des wirtfchaftlichen Auffchwungs nach 1850 imjtande war, die Mehrkoften in der Höhe von 9 % Millionen Taler jährlich aufzubringen. F ü r die Krone waren bei diefer von den Konfervativen der alten Pro= vinzen gebilligten Vorlage, die eine Verjüngung und wefentliche Verftärkung der Feldarmee bezweckte, fowohl Gründe der Schlagfertigkeit gegen äußere Feinde als auch der Zuverläffigkeit im Innern maßgebend. Das volkstümliche In(titut der Landwehr hatte in der Rheinprovinz bei den Aufwänden im J. 1849 vielfach verfagt; Roon bezeichnete fie als „ z u fehr verbürgert". Bei ihrer Mobil» machung im J. 1859 waren überall technifche Schwierigkeiten zutage getreten. Wilhelm I. wollte, daß der foldatifche Gei(t (traffer Difziplin und unbedingten Gehorfams die ganze Armee durchdringe. Am Rhein aber klagte A. Reichens= perger fogleich „ ü b e r die fatalen Armeevorlagen mit der Zugabe von neun Millionen T a l e r ; aus Soldatenliebhaberei i(t man bemüht, die Monarchie f ü r alle Zeiten zu einer Art Sparta zu gehalten, (tatt zunächft das Bedürfnis der Gegenwart ins Auge zu f a f l e n " . Indem das Abgeordnetenhaus am 1 5 . Mai 1860 den verlangten Kredit nur auf ein Jahr „ z u r Aufrechterhaltung der Kriegs= bereitfehaft" bewilligte, brachte auch die liberale Majorität zum Ausdruck, daß fie zwar im Hinblick auf die Bevölkerungszahl und die europäifche Lage die Vermehrung und Verftärkung der Armee billigte, über die Durchführung der Reform im einzelnen aber noch gehört werden wollte, insbefondere über die dreijährige Dien(tzeit, die von der Krone an Stelle der vorher wiederholt (fo 1833—42) nur zweijährigen Dienftzeit verlangt, deren Notwendigkeit jedoch felbft im Kreife der Generalität vielfach nicht anerkannt wurde. Wilhelm I. aber legte nicht nur auf das dritte Dienftjahr entfeheidenden Wert f ü r die Entwicklung des Geijtes militärifcher Difziplin, fondern er geftand auch der Volksvertretung nicht das Recht zu, darüber mitzubefinden. „Die Organifation der Armee und das Verteidigungsfy|tem des Landes i f t " , fo hatte fein Vorgänger am 9. M ä r z 1851 erklärt, „allein Sache der Krone, und diefes in der Verfaffung ausdrücklich ausgefprochene Recht gedenke ich mir nicht fchmälern zu laffen. Ich werde jeden Befchluß der K a m m e r über die einzelnen Titel des Militäretats als wirkungslos betrachten und erwarte, daß meine Minifter mich dabei unterftützen werden." So dachte auch Wilhelm I., und f ü r Roon war es felbftverftändlich, daß in einer f ü r die Macht des Staates funda= mentalen Frage nur der Wille des Monarchen entfeheidend fein könne. Die liberale Kammermehrheit aber verlangte nicht nur die volle konstitutionelle Mitwirkung bei der Gefetzgebung und dem Staatshaushalt, fondern fie wünfehte auch, daß mit der Verantwortlichkeit der Minifter Ernft gemacht und der Volks= Vertretung durch das parlamentarifche Regierungsfyftem mit feiner organifchen Durchdringung der gefetzgebenden und der ausführenden Gewalt Einfluß auf den Gang der Regierungsgefchäfte zuge(tanden werde. Das aber lehnten Krone, Herrenhaus und Konfervative Partei nicht nur aus grundfätzlichen Erwägungen, Preußen und Rheinland 1815 —1915
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Fünftes Kapitel (1850—1871)
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fondern auch im Hinblick auf die auswärtige Politik und die militärifchen Be» dürfniffe des Staates ab. Preußen könne, fo hatte Manteuffel 1852 in der K a m m e r ausgeführt, die parlamentarifche Regierungsform nur unter der Be= dingung ertragen, „daß die getrennte und zerriffene Lage des Staates zu einer konzentrierten gemacht werde, und daß man ihn mit einem Ozean u m g e b e " . S o barg die Armeevorlage in fleh den alten Gegenfatz über die innere Machtfrage in Preußen, der nun durch die ungefchickte Behandlung von feiten der Regierung wie der Volksvertretung zur Krifis verfchärft wurde. Das zwei= deutige Proviforium, das ebenfowenig vom Abgeordnetenhaufe befchloffen wie vom Minifterium hätte angenommen werden dürfen, da die Armee nach der wenn auch nur proviforifch durchgeführten Reform nicht wieder in d,en frühern Zuftand zurückverfetzt werden konnte, wurde fchwächlicherweife im Juni 1861 noch um ein Jahr verlängert. Da das in fchwieriger Lage befindliche liberale Minifterium fortgefetzt unentfehieden auftrat und keine Sympathie f ü r die an= fchwellende nationale Bewegung offenbarte, fo vereinigten fleh Liberale und De» mokraten zu der „Deutfchen Fortfchrittspartei", deren Programm vom 6. Juni 1861 im Innern „ d i e ftrenge und konfequente Verwirklichung des verfaffungs» mäßigen Rechtsftaats", d. h. ein parlamentarifches Regierungsfyftem, verlangte, zugleich aber erklärte, die Exifienz und Größe Preußens hänge von einer feften Vereinigung Deutfchlands ab, die ohne eine ftarke Zentralgewalt in den Händen Preußens und ohne gemeinfame deutfehe Volksvertretung nicht gedacht werden könne. Bei den Neuwahlen im Dezember 1861 erhielt die Fortfchrittspartei fofort 104 Mitglieder. Das ihr naheftehende Linke Zentrum erhielt 48, während die Altliberalen (Minifteriellen) auf 91 zufammenfchmolzen. Das Katholifche Zentrum behauptete noch 54 Mitglieder — am Rhein, wo Kardinal Geiffel feinen Klerus wieder auf die Bedeutung der Wahlen hingewiefen hatte, 18 von 22 — ; der kleine Reft der Kammer war konfervativ. Da die neue Majorität Spezialifierung des Armee=Etats forderte, die dreijährige Dienftzeit nicht zugeftand und die Regierung in der deutfchen Frage vorwärts zu drängen fuchte, löfte der König fchon am 1 1 . März 1862 das Abgeordnetenhaus auf, um Neuwahlen zu ermöglichen, und entließ am 19. M ä r z das liberale Minifte= rium, das fleh keine Kammermehrheit zu fichern und die Wahlen fo wenig im Sinne der Krone zu geftalten verbanden hatte. Die Neue Ära war zu E n d e , und der Konflikt fpitzte fleh zu. Wenn es unter dem unmilitärifchen Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1848 nicht gelungen war, die monarchifchen Armeetradi = tionen mit den liberalen Wünfchen auszugleichen, fo hätte bei der Bedeutung, die Wilhelm I. perfönlich einer Reform beimaß, von der er fein Verbleiben auf dem Throne abhängig machte, nur ein feftes und erfolgreiches Eintreten f ü r fie das liberale Minifterium ftützen, das vermittelnde Regierungsfyftem erhalten und fo dem Liberalismus dauernden Einfluß im Staate fichern können. Es erwies fich, wie Bismarck bei Beginn der Neuen Ära vorhergefagt hatte, als unmöglich, in Preußen „auf linke Majoritäten geftützt zu regieren". Wie im November 1848 ernannte die Krone am 19. März 1862 ohne Rückficht auf die K a m m e r majorität ein konfervatives Beamtenminifterium, in welchem fie von den bis« herigen Miniftern nur Roon und den Rheinländer v. der Heydt, diefen als Finanzminijter, beließ. „ D e r K r a f t des königlichen Regiments" follte nicht „zu« gunften einer fogenannten parlamentarifchen Regierung Abbruch gefchehen." Trotz weitgehender behördlicher Wahlbeeinfluffung verftärkten aber jetzt die Neuwahlen im Mai 1862 die Oppofition. Die entfehieden Liberalen ( 1 3 3
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Beginn des Verfassungskonflikts 1862
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Fortfchrittler und 96, weniger demokratifch gerichtete, Mitglieder des Linken Zentrums) erlangten allein die abfolute Majorität (229 von 352). Alle anderen Parteien hatten (tarke Verlufte, und kein einziger Minijter erhielt ein Mandat als Abgeordneter. In der Rheinprovinz vertiefte fich die Spaltung des Libera® lismus. Die Altliberalen, deren preußifche Staatsgefinnung nach einer Ver® (tändigung verlangte, blieben hinter den jüngeren Richtungen weit zurück. Von den 61 rheinifchen Mandaten erlangten fie nur noch fechs (Elberfeld® Barmen (2), Mettmann, Schleiden (2), Moers), und ihre namhaften Vertreter im Abgeordnetenhaufe waren jetzt, da die älteren rheinifchen Führer ganz aus dem parlamentarifchen Leben zurücktraten, Männer aus anderen Provinzen, wie Simfon und R . v. Auerswald. Wenn Meviffen im Juli 1862 dem Minifter v.der Heydt fein Bedauern darüber äußerte, daß „innerer Hader die Schöpfungs® kraft des Landes in einem Augenblicke lähmt, wo Preußen aller Anftrengung bedarf, um die Löfung feiner hiftorifchen Miffion in Deutfchland anzuftreben", fo erhielt das Linke Zentrum in dem Bonner Hiftoriker H. v. Sybel, dem Abgeordneten f ü r Krefeld, einen Wortführer, der zwar ohne radikale Schärfe, aber doch mit allem Nachdruck f ü r die Bewahrung des Rechtsbodens eintrat. Diefe in der Rheinprovinz jetzt fiärkjle Partei (27 Mandate) war bereit, in die Umgeltaltung der Landwehr trotz aller bürgerlich=liberalen Bedenken einzu® willigen, aber nur gegen das Zugeftändnis der zweijährigen Dienstzeit. Eben= foviel Anklang fand aber die bürgerlich=demokratifche Fortfchrittspartei, die 25 rheinifche Sitze eroberte. Ihre demokratifchen Grundfätze gingen nicht mehr fo weit wie die der bürgerlichen Demokratie von 1848. Sie blieb viel« mehr auf dem Boden der Verfaflung von 1850. Aber fie wollte „Fortfehritt mit der Verfaffung, nicht Rückfchritt gegen die V e r f a f f u n g " . Ihre Ideale waren freies Bürgertum und folidarifche Friedensintereffen der Völker. Sie wünfehte den Ausbau der Heeresverfaflung im Sinne des Landwehrfyftems, alfo mög® lichfte Verringerung des (teilenden Heeres und feine Umgeftaltung zur Volks= wehr. Dadurch fühlte fie fich zwar in Verbindung mit den Ideen Scharnhorfts und der preußifchen Reformzeit von 1 8 0 7 — 1 8 1 4 . Aber fie verkannte den fundamentalen llnterfchied der allgemeinen Staatsgefinnung, der fie von jener Epoche trennte. Unter den Gründern der Fortfchrittspartei (v. Forckenbeck, v. Hoverbeck, Schulze=Delitzfch, T w e f i e n u. a.) befand fich kein Rheinländer, und der im Stillen fortfehreitende Verfchmelzungsprozeß der Rheinprovinz mit dem Staatsganzen trat darin zutage, daß man fich auch auf diefer Seite der Führung einer in den alten Provinzen wurzelnden Partei unterwarf und Männer wie Grabow, Virchow, F . v. Roenne und F . Duncker wählte, während man bisher durchweg eignen Führern gefolgt war. Als einigendes Mittel diente aber eine Wefensart des Liberalismus, die fehr verfchieden von der Staatsanfchauung war, wie fie vor 1848 die Verbindung zwifchen dem rheinifchen und oftpreußifchen Frühliberalismus geknüpft hatte. Die Fortfchrittspartei fußte wirtfchaftlich auf der freihändlerifchen Doktrin. Die Theorie vom freien Spiel der Kräfte hatte zwar feit 1807 Einfluß auf die preußifche Handels® und Zollpolitik geübt, war aber auch unter der Herr® fchaft des Zollgefetzes von 1 8 1 8 (oben 5 . 4 3 , 9 5 ) mannigfach eingefchränkt ge= blieben. In der Rheinprovinz hatte fich feitdem eine freihändlerifche und eine fchutzzöllnerifche Strömung entwickelt, von denen die eine in den Handels® (tädten, befonders in Köln, die andere in den Induftriebezirken ihre Stütz®
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punkte hatte. Unter dem Einfluß der Manchefterfchule fiegte aber die Freihandels® lehre nach 1850 in der theoretifchen Nationalökonomie Deutfchlands, und fie befaß feit 1858 in dem jährlich tagenden „ K o n g r e ß deutfcher Volkswirte" ein außerordentlich einflußreiches Organ, das ihre Herrfchaft in den Kreifen von Handel und Indußxie von ganz Deutfchland bis nach dem Kriege von 1870/71 ficherte. Sie forderte die äußerfte Befchränkung des Staates auf dem wirtfchaft« liehen Gebiete, damit der Einzeltätigkeit freier Raum und weitefte Geltung zuteil werde. Der politifche Liberalismus aber bezog diefe Forderung nun nidit nur auf das Wirtfchaftsleben, fondern er entlehnte aus der englifchen Staats« auffaffung auch den weitern Wunfeh nach allgemeiner Einfchränkung der Bureau* kratie und des Regierungseinfluffes. Der Staat follte feinen Bürgern überhaupt möglichft wenige Pflichten und Opfer auferlegen. E r follte ihnen im wefentlichen nur die Sicherheit gewährlei(ten, nach ihren Fähigkeiten und Bedürfniffen ein glückliches Dafein zu f ü h r e n ; der einzelne follte im übrigen durch den Staat ebenfowenig gefördert als gehemmt werden. Diefe Auffaffung des ftaatlichen Gehenlaffcns, die nach 1860 vorhergehend wurde, ftand mit der preußifchen Tradition und den erprobten Lebenskräften des preußifchen Staates in Widerfpruch. Den preußifchen Staat hatten im Zeit» alter des Abfolutismus die Schwierigkeiten feines politifchen Aufjtiegs inmitten eiferfüchtiger Nachbarn beftimmt, ungewöhnlich hohe Anforderungen an feine Beamten wie an feine Untertanen zu (teilen und im Intereffe des Ganzen die individuelle Freiheit (tark zu befchränken. Die liberale Idee der Aufklärungs« epoche vom Selbftzweck des Individuums im Gegenfatz zu der Idee vom Selb|t= zweck des Staates hatte hier nie volle Geltung gefunden. Die preußifche Reform von 1 8 0 7 — 1 8 1 4 hatte diefe Idee von 1789 vielmehr überwunden. Indem fie die Uberzeugung vertiefte, daß der Staat als Gefamtheit Aufgaben höherer Art zu bewältigen und ein über dem Glücke des einzelnen (tehendes Eigenleben zu führen hat, hatte fie f ü r den Staatsbürger, den fie entwickeln wollte, ein Lebens« ideal aufgeteilt, das ihn mit allgemeinem Inhalt erfüllte und ihn feine perfön« liehen Leiftungen f ü r den Staat nicht als Zwang, fondern als freie fittliche Tätigkeit f ü r das Gemeinwohl erkennen lehrte. Gerade die freiwillige Hingabe an den Staat follte diefen (tärken und dem Bürger die Möglichkeit voller perfön« licher Entfaltung und des Dien(tes f ü r die höchjten menfchlichen Güter bieten. Diefem Ideal diente das Verfaffungs(treben, das um 1 8 1 5 auflebte ( S . 6, 1 5 , 28), ihm fchloflen fich auch die führenden K ö p f e des rheinifchen Frühliberalismus feit 1830 an (S. 67, 82, 87), und der aus Dahlmanns „ P o l i t i k " fchöpfende Liberalismus des Frankfurter Parlaments von 1848 war von diefem Ideal erfüllt. Der Verlauf des Revolutionsjahres hatte aber einen durch die Wedtung fittlicher Volkskräfte veredelten Ausbau des Staatslebens in diefem freiheitlichen Sinne unterbunden. Durch den Mißerfolg enttäufcht und zum dritten Male einer politifchen Reaktion verfallen, die vor keinem Gewaltmittel zurückfcheute, um die Entftehung des liberalen Volksjtaats und der nationalen Einheit, in der er gipfelte, zu hindern, wandte fich das bürgerliche Leben der Nation vor« wiegend rein materiellen Zielen, dem wirtfchaftlichen Erwerbsftreben und der technifchen Ausbildung f ü r praktifche Berufe, zu. Ein gewaltiger wirtfchaftlicher Auffchwung auf allen Gebieten kennzeichnet die folgenden Jahrzehnte. In der Rheinprovinz wurde die Hebung des Wohlftandes durch gefteigerte induftri« eile Tätigkeit, vor allem durch Bergbau und Hüttenbetrieb, die laute Parole des Tages. Diefer wirtfchaftliche Fortfehritt war unentbehrlich, follte die natür«
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Der vormärzliche und der jüngere Liberalismus
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lidie Grundlage von Volk und Staat in unfcrm Vatcrlandc die notwendige Er* breiterung erfahren. Aber er entzog fleh nun einer organifchen Verbindung mit dem Staat. Der konfequentefie Vertreter des rheinifchen Frühliberalismus, G . Meviflen, hielt zwar unentwegt daran fe|t, daß der fittliche Charakter des Staates fein ordnendes Eingreifen in das Wirtfchaftsleben bedinge, und daß die wirtfchaftlichen Kräfte felbjt, insbefondere die korporative Form der zukunfts= reichen Aktienunternehmungen, in organifche Verbindung mit dem Staate und „den Grundfätzen einer erleuchteten, die materielle und gei|tige Entwicklung aller Kräfte anftrebenden Staatswirtfchaft" gebracht werden müßten. Die einfeitige Wiederaufrichtung der ari(tokratifchen Stützen der Regierung durch die Reaktion und ihr zeitliches Zufammentreffen mit den Lehren der Frei= handelsfchule führte aber das Bürgertum immer weiter ab von dem überzeugten Aufgehen im Staatsgedanken, verlieh vielmehr den individuali(tifch=liberalen Ideen die Ubermacht. Die bürgerliche Gefellfchaft, die den Staat wieder vor= wiegend als bevormundende Macht und als bureaukratifchen Behördenapparat drückend empfand, war ein fruchtbarer Boden nicht nur f ü r die egoijtifchen Triebe des wirtfchaftlichen Laissez faire, fondern auch f ü r die Vor(tellung, daß der Staat das Vielregieren aufgeben und fich der Beeinfluflung feiner Untertanen zu enthalten, ihnen alfo möglich^ viel Freiheit zu gewähren habe. In der Rhein= provinz überwand das Zeitverlangen nach Einfchränkung der Staatsfunktionen auf wirtfchaftlichem und politifchem Gebiet, alfo der Staatsbegriff des manche(ter= liehen Kapitalismus, den Frühliberalismus am volI(tändig(ten da, wo man fich an ältere freihändlerifche Tendenzen anlehnen konnte und kein Gegengewicht in B e g e b u n g e n fand, die nach einem die gefamte nationale Wirtfchaft ins Auge faffenden Schutzzollfy(tem im Sinne von Friedrich Lift verlangten. Gegenüber der Kölnifchen Zeitung, die wenigjtens auf dem politifchen Gebiete dem alt= liberalen Standpunkt naheblieb, vertrat vom 1 . Januar 1865 an als Organ der Fortfchrittspartei den vulgären Liberalismus die in Düffeldorf, fpäter in Köln, erfcheinende „Rheinifche Zeitung", die unter der Redaktion von Dr. H. Becker, H . Bürgers, W . Kaulen, G . Wolff u. a. bis 1867 weite Verbreitung fand. Ihr Programm aber bezeichnete den Staat im Sinne des englif&=franzöfifchen Libe= ralismus als die Form, durch die die Völker (Ich den Genuß der allgemeinen Menfchenrechte, des freien Erwerbs und des freien Verkehrs fichern. Die Auflockerung des Verhältniffes von Staat und Untertan hatte aber in der Rheinprovinz eine Stütze in der katholifchen Anfchauung, die der Aus= dehnung der Staatsgewalt grundfätzlich widerftrebt, um Raum f ü r die Kirchen= gewalt zu gewinnen. Die neuliberalen Parteien fanden hier Anklang in dem katholifchen Bevölkerungselement, das neben dem allgemeinen rheinifchen Sinn f ü r Recht und Gefetz die noch fortdauernde Unterftrömung gegen den fe|t= gefügten, zu Bevormundung geneigten preußifchen Staatsorganismus verkör* perte. Trotzdem Kardinal Geiffel durch einen Erlaß vom 1 2 . April 1862 wieder« um auf die Wahlen einwirkte, verlor das Katholifche Zentrum bei den Wahlen im M a i zwölf Mandate. N u r noch fechs (Geilenkirchen, Geldern=Kempen, Rees, Kleve, Siegkreis) blieben ihm erhalten. Der Verfaffungskonflikt lenkte das Intereffe der katholifchen Wähler von den kirchenpolitifchen Fragen um fo mehr ab, als die katholifche Kirche, feit 1862 wieder ein „ M a n n guten Willens", der prote|tantifch=orthodoxe H. v. Mühler, Kultusmini|ter geworden war, Aus= ficht hatte, (ich ungehemmt entfalten zu können. „ D a s gegenwärtige Mini(terium iß unferen Intereffen viel mehr zugetan, als vielleicht irgend ein früheres",
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urteilte A. Reichensperger. Die Fraktion felbft wünfehte allerdings noch immer ihr Fortbeftehen. Aber fie wußte im Armeekonflikte ihre Einheit nicht zu bewahren. Ihre Majorität zählte zwar zur Oppofition, und fie (timmte darin mit den „Kölnifchen Blättern" überein, die am IJ. Mai 1862 fchrieben, es handle fich darum, das preußifche Militärwefen auf die realen Grundlagen einer gefunden innern und äußern Politik zurückzuführen. „ W e n n die Regierung bedenkt, daß fie zwifchen der Demokratie, vielleicht zwifchen der deutfehen Revolution, und der Ermäßigung ihrer Forderungen f ü r das Heer zu wählen hat, fo muß unferm Ermeflen nach der rechte Weg klar vor ihr liegen. Diefe Alternative fcheint notwendig zu fein, um das Streben Preußens, fich Deutfch= land anzugliedern, ein Streben, welches fich bewußt oder unbewußt auch in dem Drange nach Vermehrung des Heeres geltend macht, als ein haltlofes und verderbliches hinzu(tellen. Wenn die Krifis den Krankheitsftofif diefes „deutfehen B e r u f s " aus dem preußifchen Staatskörper austreibt, wird das demokratifche Fieber bald genug einem ruhigem Blutumlaufe Platz machen." Der rheinifche Fraktionsführer P. Reichensperger hatte fich allerdings im Juni 1861 zur ü b e r * rafchung feiner Fraktionsgenoffen unvermutet aus einem Gegner in einen Befürworter der Armeevorlage verwandelt. Gegenüber dem Anwachfen der Demokratie und der kleindeutfchen Agitation, die nach ihrer Auffaflung die Grundfeften der Ordnung in Staat und Kirche untergrub, fuchten einzelne katholifche Führer Anfchluß an die Autorität der Krone. A. Reichensperger aber hatte im November 1861 zeitweife fein Mandat niedergelegt. „ D a s notwendige Lavieren, fo fchrieb er, hat unfere Fraktion auch im katholifchen Volke etwas diskreditiert." Der veränderten Situation (trebte die Fraktion gerecht zu werden, indem fie ihren 1859 verfchleierten konfeffionellen Charakter ganz verhüllte und fich feit dem Mai 1862 nur noch „Fraktion des Zentrums" nannte. Aber die inneren Schwierigkeiten b e f a n d e n fort, und den katholifchen Wählern fehlte das fie allein einigende Moment, der Glaube an eine politifche Ge* fährdung der katholifchen Kirche, trotz A. Reichenspergers Überzeugung, „ d a ß der Atheismus zu einer großen Entfcheidungsfchlacht gegen den Katholizismus, den einzigen noch wahrhaft lebendigen Repräfentanten des Chriftentums, fich rüftet, und daß alles andere im Grunde nur Scharmützel und Plänkeleien f i n d " . Ahnlich wie 1846 (oben S . 86) gaben die meiften rheinifchen Katholiken jetzt den Kandidaten ihre Stimme, die am beftimmteften f ü r Verfaffung und Volks= rechte eintraten, und (tärkten fo die linksliberalen Parteien, trotzdem „deren Ziele und Wege von den unfrigen teilweife himmelweit abftehen". Statt der Verftändigung, auf die nach Lage des preußifchen Verfaffungs= rechtes die drei Faktoren der Gefetzgebung angewiefen waren, entwickelte fich 1862 ein alles vergiftendes Mißtrauen, und aus der ernften Frage der Wehr= haftigkeit des Staates entftand ein Gegenfatz zwifchen Regierung und Volks« Vertretung, trotzdem beide fich von der Pflicht durchdrungen fühlten, die Ver= faffung zu behaupten. Oktroyierung und Revifion der Verfaffung von 1 8 4 8 — 1 8 5 0 hatten eben keinen auf beiden Seiten anerkannten Ausgleich der konftitutio« nellen Kronrechte und Volksrechte erzielt. M i t den formalen Machtmitteln, in deren Befitz die Krone durch die Oktroyierung gelangt war, hatte fie die Majorität der 2. Kammer nur äußerlich überwältigt. Während die Volksver« tretung nach dem Vorbilde der wejteuropäifchen Staaten und dem Geifte des Camphaufen=Hanfemannfchen Verfaffungsentwurfs in einem parlamentarifchen Regierungsfyftem die konftitutionelle Form des gemeinfamen Wirkens der
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Wirkung des Verfassungskonflikts auf die Rheinprovinz
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Monarchie und der Volksvertretung erblickte, interpretierte die Regierung die Verfaflung fo, daß fie gegebenenfalls das Gouvernement auch im Gegenfatz zur Volksvertretung führen könne. Art. 109 der Verfaflung garantierte ihr die (tändige Fortdauer der Staatseinnahmen, machte fie alfo in diefer Hinficht unabhängig. Es ging um den Befitz der politifchen Gewalt, um die höchfte Frage des Staatslebens, wenn der König das Zugeftändnis der zweijährigen Dienftzeit, das von der überwältigenden Majorität der Volksvertretung gefordert wurde, als einen Verftoß gegen feine Pflicht, feine Ehre und fein Gewiffen bezeichnete und demgemäß ablehnte. Als daraufhin am 23. September 1862 das Abgeordnetenhaus feinerfeits den feit Mai 1860 proviforifch bewilligten Kredit f ü r die Heeresreform verweigerte, war der offene Verfaflungskonflikt, die Kraftprobe zwifchen Krone und Volksvertretung, gegeben. In Bismarck aber, den der König am 24. September auf Roons Veranlaffung an die Spitze der Regierung berief, fand er den Konfliktsminifter, der den Willen und die K r a f t befaß, den Kampf rückfichtslos f ü r die Krone durchzuführen. Wenn das Abgeordnetenhaus der Regierung das Recht beitritt, ohne Budget zu regieren, weil nach Art. 99 der Verfaflung alle Ausgaben nur auf G r u n d des jährlich feftgefetzten Budgets erfolgen durften, fo erklärte Bismarck, das preu* ßifche Königtum „fei noch nicht reif, einen rein ornamentalen Schmuck des Verfaffungsgebäudes zu bilden und als ein toter Mafchinenteil dem Mecha= nismus des parlamentarifchen Regiments eingefügt zu werden". K a m zwifchen Regierung und Landtag kein Budget zuftande, fo offenbarte fich nach feiner Meinung eine „Lücke der V e r f a f l u n g " , es trat ein Notftand ein, während deffen die Regierung berechtigt und verpflichtet war, „gegen die Verfaflung zu manö* verieren" und ohne Budget zu regieren. Die Verfaflung war eben in Preußen nicht die Quelle der königlichen Regierungsgewalt. Das altmonarchifche Prinzip, jtärker als die Verfaflung, füllte die „Verfaflungslücke" aus, gegen die aller= dings das Abgeordnetenhaus unentwegt fein Ausgabebewilligungsrecht geltend machte und die L . Camphaufen am 10. Oktober auch im Herrenhaufe als „kun(t= reiche Interpretation" ablehnte, „ d i e dartun foll, daß der Regierung neben der Macht auch das Recht zur Seite ftehe". Da aber das Volk die Steuern tatfächlich weiterzahlte, fo konnte die Res gierung ihren Standpunkt trotz aller Prote(te behaupten. Die rheinifchen Alts liberalen fachten andauernd nach einer Vermittlung. Der Standpunkt des Abs geordnetenhaufes war zwar juri(tifch, aber angefichts feiner Mitwirkung bei der proviforifch durchgeführten Reform nicht tatfächlich haltbar, und fie gaben die Hoffnung nicht auf, durch Zufammengehen mit der Krone allmählich Zu= geftändniffe in der Richtung auf ein liberales Sy(tem zu erlangen. Beckerath legte am 19. November 1862 dem Könige perfönlich dar, eine budgetlofe Regierung bedrohe die flttlichen Grundlagen des Staats und lähme den monarchifchen Sinn wie den freudigen Gehorfam des Volkes. Der König blieb aber fe(t. Je mehr der Zeitgei(t eine grundfätzliche Einengung der (laatlichen Einflußfphäre forderte, und je mehr der König fich veranlaßt fah, im Wirtfchaftsleben dem Prinzip des Laissez faire Spielraum zu geben, um durch ungehemmte Ent= faltung der Unternehmungslujt die materiellen Grundlagen des Staates zu ftärken, um fo wichtiger mußte ihm das dritte Dienftjahr erfcheinen, das unab= hängig vom Konftitutionalismus und von politifchen Doktrinen, die f ü r den preußifchen Staat bedenklich waren, die Unterordnung der einzelnen im Geifte militärifchen Gehorfams und (traffer Difziplin unter die Krone als die Trägerin
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des Staatsgedankens fichcrftelltc. Das Abgeordnetenhaus wolle, [o erklärte er Beckerath, die Auflöfung des flehenden Heeres herbeiführen und es durch ein fogenanntes Volksheer erfetzen; bewillige er jetzt die zweijährige Dienftzeit, fo werde man bald die einjährige verlangen. Audi eine gemeinfame Adreffe, die die rheinifchen altliberalen Notabein am 6. Januar 1863 an den König richteten, blieb erfolglos. Sie gab die Notwendigkeit eines ftarken Heeres zu, betonte aber, das Fundament der kon(titutionellen Monarchie, das Recht, werde ver* letzt, wenn die Regierung die Finanzverwaltung ohne die Grundlage eines verfaffungsmäßig fe(tge|tellten Etats führe. Der Könife blieb indeffen über» zeugt, nicht gegen die Verfaffung zu ver(toßen, und war empört, als am 22. Mai 1865 das Abgeordnetenhaus erklärte, es habe kein Mittel der Verständigung mit dem Minifterium Bismarck mehr, nur durch einen Wechfel der Perfonen und des Syftems könne die K l u f t zwifchen den Ratgebern der Krone und dem Lande ausgefüllt werden. Das war die Forderung des parlamentarifchen Sy(tems, fo wie fie Ende M ä r z 1848 Friedrich Wilhelm IV. geftellt worden war (S. 106). Die Minifter follten nur fo lange im Amte bleiben, als fie das Vertrauen der Kammermehrheit befaren. Wilhelm I. wies den Verfuch, „eine verfaffungs« mäßige Alleinherrfchaft des Abgeordnetenhaufes anzubahnen", ab, und Bis« marck erlangte nun fogar die Zuftimmung des Königs zu den Ordonnanzen vom 1 . Juni 1865, die den Behörden die Handhaben zur Unterdrückung unbe* quemer Zeitungen boten und eine Erbitterung ohnegleichen hervorriefen. Selbft der Kronprinz proteftierte öffentlich gegen diefe Vergewaltigung, und einem Manne wie Treitfchke erfchien die Revolution nur noch als eine Frage der Zweckmäßigkeit; fie müffe, fo fchrieb er, gewagt werden, fobald fie aus* fichtsvoll fei. In der Rheinprovinz wuchs die Erregung des Bürgertums von T a g zu T a g . Sie zerfetzte die Katholifche Partei. Deren rheinifche Führer fuchten zwar, ähnlich wie die Altliberalen, wenn auch aus anderen Gründen, zu ver* mittein. Der katholifchen Partei bot in Preußen das parlamentarische Regierungs* fyftem keinen Vorteil, weil fie felbft als Vertretung einer konfeffionellen Minori* tat keine Mehrheitsminijter (teilen konnte. P. Reichensperger fprach (ich im Mai 1863 fo entfehieden gegen diefes Syftem aus, daß ihm von fortfehrittlicher Seite entgegengehalten wurde, er trete als Anwalt des Minifteriums Bismarck auf. Diefes hatte feinerfeits im Februar Verbindung mit dem Katholifchen Zentrum gefucht und ihm in Ausficht ge(tellt, daß ihm fpäter doch jedenfalls ein Teil der Macht und Autorität zufallen werde, die es fo gut wie die Re= gierung gegen die Demokratie ficher|tellen müffe. Auf die Führer wirkte das um fo mehr ein, als fie aus kirchenpolitifchen Erwägungen und wegen der bisherigen Haltung der Regierung in der deutfehen Frage keinen Bruch mit ihr wünfehten. Aber die Demokratie, f ü r die derVerfaffungskonflikt alle anderen Gefichtspunkte in den Schatten (teilte, erwies fich als ftärker. Die „Kölnifchen Blätter" erklärten die Fortexiftenz der Katholifchen Fraktion geradezu f ü r unnötig, da ihre Mitgliederzahl weiter — auf 52, davon nur 8 Rheinländer — fank und ihre Mitglieder in grundfätzlichen Fragen gegeneinander (timmten. „ D e r konfeffionelle Boden, auf welchem fie noch beifammenjteht, i(t nicht breit genug, um ihr im Abgeordnetenhaufe einen weitgreifenden politischen Einfluß zu ge(tatten." Audi die katholifche Preffe legte alfo den Nachdruck auf eine große und ftarke, alle „verfaffungstreuen" Elemente umfaflende Partei* bildung, und Kardinal Geiffel mit dem Klerus hielt fich jetzt zurück. So ließen
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Rheinischer Widerstand gegen die Regierungspolitik
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die meijten katholifchcn Wähler die Führer im Stich, und die Rheinprovinz erwies fleh als befonders geeigneter Boden f ü r linksliberale Demonßxationen. Am 18. Juli 1863 feierte fie in Köln ein raufchendes Feit zu Ehren der 79 ,,ver» faflungstreuen" Abgeordneten aus Rheinland=We|tfalen, von denen 53 per= fönlich erfchienen. Die Leitung hatte der Kölner Stadtverordnete J. Cla|Ten= Kappelmann, ein überzeugter Anhänger der Fortfchrittspartei. Als Redner traten auf diefem Fe(t des „bewußt freifinnigen und felbftändigen Bürgertums" die beiden Abgeordneten Dr. H. Becker, der Demokrat von 1848 und fpätere Oberbürgermeifter von Köln ( 1 8 7 5 — 1 8 8 5 ) , und H. v. Sybel befonders hervor. Begei(tert wurden neben der Verfaffungstreue „das deutfehe Vaterland und das deutfehe Volk, waffenkundig und waffenfreudig wie kaum ein anderes", ge= feiert. „ D i e gefetzlichen Anfprüche der Volksvertretung muffen auch von der Regierung des Königs refpektiert werden. Niemand im Staate darf fagen, ein gefetzliches Votum der Volksvertretung foll nicht ausgeführt, nicht beachtet werden, weil es nach feiner Meinung nicht klug, nicht zweckmäßig i f t . " Der ge= fchloffenen bürgerlichen Oppofition gegenüber war es der Regierung nicht unlieb, daß im Herbft 1863 im Wuppertal die fozialiftifche Agitation F . Laffalles, der „ d i e Saturnalien der Bourgeoifie" verhöhnte, die mit ihrer wirtfchaftlichen Lage unzufriedenen Induftriearbeiter zu organifieren begann. Diefe Agitation bereitete aber nicht nur den bürgerlichen Parteien momentane Unbequemlich« keiten, fondern legte auch den Grund zu der dauernden politifchen Spaltung zwifchen dem mittlem Bürgertum und dem Proletariat, das ähnlich wie vor 1848 f ü r den Verfaffungskampf felbft wenig Intereffe zeigte. Der Ausgang des Konflikts war ungewiß, wenn auch die (tärkere K r a f t auf feiten der Regierung und ihrer feftgewurzelten Autorität lag. Seine Löfung zu ihren Gunjten führte Bismarck herbei, indem er fchöpferifches (taatsmännifches Wirken an die Stelle der „paffiven Planlofigkeit" Preußens fetzte. Während die Volksvertretung nach den gewohnten innerpolitifchen Gefichtspunkten weiter« kämpfte, trat (le unverfehens in das eiferne Zeitalter des überragenden Staats* mannes ein, der von der äußern Politik her Europa umgejtaltete und einem Menfchenalter feinen Stempel aufdrückte. Indem er Preußens Macht nach außen neu entfaltete und überrafchend fchnell die deutfehe Einheit auf unvorherge= fehenen Wegen fchuf, legte er auch den Grund zur Löfung des Verfaffungs= konflikts. Seinem Auftreten 1 8 4 8 — 1 8 5 0 entfprechend galt er der Öffentlichkeit noch immer als reaktionärer, fpezififch preußifcher Junker. Aber er war nicht mehr der Anwalt der Politik von Olmütz. In Sachen der Armee und der Krongewalt in Preußen (timmte er, der 1849 gegen jedes Budgetrecht der Volksvertretung ge= eifert hatte, zwar auch jetzt noch mit der Kreuzzeitungspartei überein. Aber in den Jahren 1851 — 1 8 5 7 , wo er preußifcher Gefandter beim Bundestag in Frankfurt gewefen war, waren feine konfervativen Sympathieen f ü r Ojterreich zugleich mit der vollen Einfeitigkeit feines Preußentums verfchwunden. Er hatte (ich überzeugt, daß der Deutfehe Bund „ein Injtrument zur Erhöhung Ofterreichs, zur Erniedrigung Preußens" war und nichts anderes werden konnte, da Öfters reich Preußen die Gleichberechtigung verweigerte, daß aber ebenfo unzer= trennlich von der Bundesverfafjfung die dauernde deutfehe Ohnmacht nach außen war. S o klärte ("ich der Blick des von preußifchem Ehrgeiz und politifchem Tatendrang erfüllten Junkers f ü r die hifiorifche Miffion Preußens in Deutfch= land, auf die anknüpfend an Friedrich den Großen die Männer der preußifchen Reform feit 1808 hingewiefen hatten. Hatte die Mißgunft der Mächte 1 8 1 5
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auf dem Wiener Kongreß ein europäifches Syjtem gefchaffen, das Preußens Staatskörper zerftückelte, feinen kraftvollen Ausbau hemmte und dem deutlichen Volke den Weg zu einer (taatlichen Einheit, wie fie die glücklicheren Nachbarn Iängft befaßen, hoffnungslos verlegte, fo war die Vereinheitlichung des unfertigen preußifchen Staats, die Sprengung des Deutfchen Bundes und fein Erfatz durch ein anderes politifches Gebilde, das die deutfchen Staaten außerhalb Öfter* reichs der preußifchen Führung unterwarf, die Aufgabe, die fich nun die Schöpferkraft Bismarcks (teilte. Diefe Aufgabe näherte ihn den Beftrebungen der Union von 1849 und des Liberalismus, des alten Trägers der Nationalitäts= idee, der 1848 die kleindeutfche Form der nationalen Einheit als die einzig durch= führbare erwiefen hatte. Aber er fah einen ganz andern Weg vor fich als diefer. Er glaubte nicht daran, daß der Übergang Preußens zum Liberalismus die übrigen deutfchen Staaten zur freiwilligen Opferung dyna|tifch=partikulari(tifcher Inter= effen und zur Vereinigung unter preußifcher Führung be(timmen werde. M i t dem Erfolge „moralifcher Eroberungen" Preußens wollte er nicht rechnen. Er wollte vielmehr das preußifche Staatsfchiff auf die hohe See europäifcher Politik hinausführen und zunächft in Norddeutfchland dem preußifchen Staate Rang und Umfang einer wirklichen, waffenftarken und an ihren konfervativen Grundlagen fefthaltenden Großmacht fichern. Diefe erfte Stufe feines Planes verband ihn unlöslich mit König Wilhelm I., dem die Wefenserhaltung des Bollwerks der Monarchie und die militärifche Kraftvermehrung feines Staates die eigentliche Lebensaufgabe war. Das verftärkte Preußen follte aber nach Bismarcks Plan auch in ganz anderm Sinne Rückgrat von Deutfchland werden, als es den kleindeutfchen Liberalen und dem Nationalverein vorfchwebte, die noch immer mit dem Aufgehen Preußens in Deutfchland, nicht mit einer „ g r o ß s preußifchen Ausgeftaltung Deutfchlands" rechneten. F ü r eine ausgreifendeMacht= Politik Preußens in Deutfchland konnte Bismarck gleichfalls hoffen, den konfer» vativen König allmählich zu gewinnen, wenn er ihm feine weitausfehauenden Pläne auch nur fchrittweife offenbaren durfte. Denn die Krone hatte das Be= wußtfein ihrer im Jahre 1 8 1 5 übernommenen Pflicht, Deutfchland nach Welten zu fichern, nie verloren. Im Kreife des Junkertums war zwar oft geklagt worden, es wäre f ü r Preußen beffer gewefen, wenn es die Erwerbung der „fremdartigen Provinzen" vermieden hätte. Aber gerade der Befitz der rheinifchen Weftmark hatte Preußen unlösbar mit der deutfchen Schickfalsfrage verknüpft, die jetzt in ein neues Stadium trat, als Frankreichs nie preisgegebenes Verlangen nach der Rheingrenze durch feinen fchnellen Aufjtieg nach 1850 neue Anregung erhielt. Als im März 1860 Napoleon I I I . die Provinzen Nizza und Savoyen als Dank Italiens f ü r feine Hilfe empfing und die franzöfifche Interventionsluft nun auch Preußen Vorteile in Deutfchland in Ausficht (teilte, falls es zu Abtretungen auf dem linken Rheinufer bereit wäre, gab Wilhelm I. am 25. Mai auf einer Reife ins Saargebiet die öffentliche Erklärung ab, Preußen werde niemals dulden, daß ein Fußbreit deutfchen Landes verloren gehe. Nach Bismarcks Uberzeugung führte der preußifche Weg zur deutfchen Einheit unbedingt über Schlachtfelder, und feine Gewißheit, daß der Grenzdruck, den ein (tarkes deutfehes Reich durch die Verfchiebung des bisherigen Gleichgewichts in Europa dauernd hervorrufen mußte, nur dann ertragen werden konnte, wenn das militärifche Wefen Preußens den unerfchütterlichen Schwerpunkt Deutfchlands bildete und Deutfch= land durchdrang, ließ ihm das liberale deutfehe Einheitsideal und feine Ver= wirklichung auf friedlichem Wege als ausfichtslos erfcheinen.
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Preußisch-deutsche Politik Bismarcks 1863—66
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Bismarcks Pläne waren fein Geheimnis u n d m u ß t e n es bleiben, wenn fie gelingen follten. Seine Andeutung, Preußens Grenzen feien einem gefunden Staatskörper nicht günftig u n d die großen Fragen der Zeit w ü r d e n nicht durch Reden u n d Majoritätsbefchlüffe entfchieden, fondern durch Blut u n d Eifen, w u r d e nicht gewürdigt, weil m a n ihn lediglich als herausfordernden Abfolu= tiften einfchätzte, dem m a n weder die Fähigkeit, Preußen z u m Range einer anerkannten Großmacht zu erheben, noch die Abficht zutraute, die nationale Einheit zu fchaffen. So dauerte der Verfaffungskonflikt zunächjt fort, ohne daß felb(t am Rheine die Entwicklung der deutfchen Frage, die hier im Vordergrunde (tand u n d zu deren L ö f u n g Bismarck E n d e 1865 den Hebel anfetzte, die S p a n n u n g zu mildern vermochte. Ofterreich hatte foeben den aus dem Verfaffungskonflikt entftehenden Ge= genfatz der öffentlichen M e i n u n g gegen Preußen f ü r fich durch Anregung einer Bundesreform auszunutzen verfucht, die ihm den Vorrang in Deutfch= land d a u e r n d fichern follte. ü b e r z e u g t , daß eine Reform des Deutfchen Bundes in der f r ü h e r von ihm felbft er|trebten Weife u n d u r c h f ü h r b a r war, hatte fich Wilhelm I. neuerdings wohl dem Gedanken eines engern Bundes nach Art der Union von 1849 genähert u n d wenigftens f ü r eine fpätere Z u k u n f t die preußifche F ü h r u n g ins Auge gefaßt. Aber er dachte noch nicht an gewaltfame Auseinanderfetzung mit Ofterreich. Als Kaifer Franz Jofeph auf den 16. Auguft 1863 einen deutfchen Fürftentag nach F r a n k f u r t berief u n d dort gleichzeitig eine aus Delegierten der einzel(taatlichen Parlamente zufammengefetzte Ver= fammlung zur Beratung von Bundesreformen veranlaßte, gelang es Bismarck n u r mit großer M ü h e , den König von der T e i l n a h m e abzuhalten u n d zu über« zeugen, daß Schritte diefer Art unmöglich z u m Vorteil Preußens f ü h r e n w ü r d e n . U m den Delegiertentag in der öffentlichen M e i n u n g zu ü b e r t r u m p f e n , erklärte er, die deutfche Nation könne n u r in einer wirklichen Vertretung, die nach M a ß g a b e der Bevölkerung jedes Bundes(taats aus diefer felbft durch unmittelbare Wahl hervorgehe, das berechtigte Organ ihrer Einwirkung auf die gemein* famen Angelegenheiten finden. Er kam fo den im Nationalverein verkörperten populären Wünfchen nach einem deutfchen Parlament entgegen; niemand w u ß t e indeffen mit diefer Erklärung des Konfliktsminijters etwas anzufangen. D e n Ausgangspunkt aber zur L ö f u n g der preußifch=deutfchen Frage in feinem Sinne bot ihm die fchleswig=hol(teinfche Verwicklung. Im N o v e m b e r 1863 er= öffnete der kinderlofe T o d König Friedrichs V I I . von D ä n e m a r k die Ausficht auf die Vereinigung beider Herzogtümer mit Deutfchland. W ä h r e n d die öfter= reichifche Regierung u n d das königliche Haus von Preußen ebenfo wie die öffentliche M e i n u n g in den Ländern des Deutfchen Bundes u n d in den beiden Herzogtümern felbft f ü r das zweifelhafte Erbrecht des Herzogs Friedrich von Auguftenburg eintraten u n d mit dem Anfchluß Schleswig=Holfteins als neuen Glied|taats an den Deutfchen Bund rechneten, wollte Bismarcks fichere H a n d von hier aus zunäch(t die Stellung Preußens in Deutfchland verftärken. Nach feinem Willen follte „ a n der N o r d g r e n z e zwifchen 0(t= u n d N o r d f e e nicht etwa ein fchwächliches Herzogtum entjtehen, fondern eine wahre N o r d m a r k zu Sdiutz u n d T r u t z f ü r Deutfchland zu Lande u n d zur S e e " . Da der Herzog von Augu(tenburg fich der preußifchen F ü h r u n g nicht unterordnen wollte, fo kam f ü r Bismarck n u r die Annexion in Frage, die er denn auch in den Jahren 1864/1866 mit meifterhaftem Gefchick nicht n u r durchführte, fondern zugleich zur Löfung der deutfchen Frage im Gegenfatz zu den ö[terreichifchen Bundesre»
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formplänen benutzte. Er fand anfangs nirgendwo Verftändnis und Beifall. In der Rheinprovinz hielt die Kölnifche Zeitung, die feit 1860 f ü r eine aus« greifende Machtpolitik Preußens war und dafür eintrat, daß Preußen „ m e h r Ehrgeiz haben" müffe, dennoch die öfterreichifchen Reformvorfchläge f ü r er« wägenswert. Die katholifche Preffe empfand zwar, daß die öfterreichifchen Anträge „ i n den Augen unferer leitenden Staatsmänner den Grundfehler haben, daß fie eine Majorifierung Preußens durch Ofterreich oder durch die Mittel« (taaten möglich machen", aber fie war doch f ü r Aufnahme der Verhandlungen; denn die Katholiken verharrten bei ihrem Wunfche nach föderativer Einigung von ganz Deutfchland unter ö(terreichifcher Führung. „ D i e von Friedrich I I . her datierende Marotte von Preußens hiftorifchem B e r u f " , fo fchrieb A. Rei= chensperger, „hat feine gefunden Säfte infiziert und führt es an den Rand des Abgrundes." Der fortschrittliche Liberalismus aber hatte zwar keine Sympathie f ü r Ofterreich. Nach feinem Ermeffen follte jedoch nicht die preußifche Regierung, fondern wie 1848 nur das deutfche Parlament K r a f t und Recht befitzen, den deutfchen Einheitstraum zu erfüllen und Preußen auf liberaler Grundlage die Führung im neuen deutfchen Bundesftaat zu übertragen. „ E i n e Löfung der deutfchen F r a g e , " fo fchrieb die Rheinifche Zeitung ganz im Sinne des Nationalvereins, „i(t nicht eher möglich, als in Preußen der innere Konflikt im Geifte eines konftitutionellen Regiments gefchlichtet i(t." N u r Preußen könne an die Spitze eines neues Reiches treten, aber nicht durch Annexion der übrigen Staaten von feiten Preußens dürfe diefes Reich entjtehen, fondern auf dem friedlichen Wege der Gefetzgebung. Habe Preußen liberale Einrichtungen, fo würden die übrigen deutfchen Staaten fich ihm gerne fügen. Ofterreich fei ein in der Auflöfung begriffener Staat, deffen deutfche Provinzen, wenn man ihn nur feinem Schickfal überlaffe, fich von felb|t anfchließen würden. Die in der Rheinprovinz jetzt vorwaltende Richtung erwärmte fich alfo an dem Glanz des alten liberalen Ideals „durch die Freiheit zur Einheit". „ E i n König, der in Preußen mit der Volksvertretung wetteifern wollte, den modernen Rechts= (taat zu vollenden, dem Feudale und Polizeißaat auf ewig den Rücken kehrend, hätte nicht Preußen allein, fondern ganz Deutfchland zu feinen Füßen, und feine Macht würde fo hoch wachfen, daß auch ohne Vermehrung des Budgets und des Heeres kein Iüfierner Blick von Oft oder We|t mehr auf Deutfchland fiele." Vor allem und zuerft alfo verlangte man Löfung des preußifchen Vers faffungskonflikts; „auf dem foliden Boden der preußifchen Freiheit follen dann die ehernen Säulen errichtet werden, |tark genug, ein Dach f ü r ganz Deutfch» land zu tragen". Seit den Herb(twahlen 1863 zählten von den 61 rheinifchen Abgeordneten 29 zum Linken Zentrum, 25 zur Fortfchrittspartei, und diefe beiden Parteien allein verfügten über 247 ( 1 0 6 + 1 4 1 ) von den 352 Sitzen des Haufes. Die Alts liberalen (8) befaßen am Rheine noch 2 (Mörs und Schleiden), das Katholifche Zentrum (26) noch 5 Mandate (Kleve, Geldern=Kempen, Geilenkirchen, Siegkreis). Während die Volksvertretung die fchleswig=holfteinfche Frage noch als deutfche Bundesfache betrachtete und Bundesexekution gegen Dänemark forderte, verftändigte fich wider Erwarten Bismarck am 16. Januar 1864 mit Ofierreich allein über den Krieg und bereitete, indem er fich zunächft durch den Rivalen deckte, den Boden f ü r die fpätere Auseinanderfetzung mit ihm. M i t 275 : 51 Stimmen verweigerte das Abgeordnetenhaus am 22. januar jede Kriegs* anleihe, aber der Krieg wurde trotzdem begonnen, denn die Regierung befand
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Die deutsche und die schleswig-holsteinsche Frage 1864
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fich im vollen und ausfchließlichen Bcfitz der Machtmitteides Staates. Im April offenbarte der fchnelle Vormarfch und die Erftürmung der Düppeler Schanzen, ein wie tatenfroher und erfolgreicher Führer jetzt am preußifchen Ruder (tand. Der er|te große nationale Erfolg feit fünfzig Jahren wurde ihm und der nach den Plänen des Königs umge(talteten Armee verdankt. Nach der Eroberung von Alfen, am i . Juli 1864, fchrieb Meviffen: „ K o m m e n keine neue Verwicklungen hinzu, fo wird Bismarcks Glück die deutfehe Frage mächtig fördern." Bismarcks Politik blieb aber auch weiterhin undurchfichtig, und am Rheine nahm man es befonders übel, daß er nicht an das Selbß:be|timmungsrecht der Bewohner der Herzogtümer appellieren wollte. Die Kölnifche und die Elberfelder Zeitung näherten fich zwar jetzt der Anficht, daß der Anfchluß der Herzogtümer an Preußen das be(te fei. Die Rheinifche Zeitung aber blieb dabei, die preußifche Führung in einer deutfehen Frage müffe von der entfeheidenden Mitwirkung des Volkes abhängig bleiben, und deren Vorbedingung fei die Beendigung des preußifchen Verfaffungskonflikts. Ganz offen legten die katholifchen „Kölnifchen Blätter" am 1 1 . Oktober 1864 ihre Bedenken dar. „ B e i der Geftaltung Schleswig=Holfteins handelt es fich um die demnäch|tige Neugeftaltung des ganzen deutfehen Vaterlands. Schon jetzt ijt Preußens Stellung in Norddeutfch= land fo, daß es bei jeder ernjtlich drohenden Verwicklung die angrenzenden Staaten ohne weiteres als militärifches Operationsfeld f ü r fich in Anfpruch nehmen muß, und fein Übergewicht jenen Staaten gegenüber ift fo groß, daß fie nur mit M ü h e noch eine politifche und kommerzielle Autonomie bewahren können. Der Anfchluß eines durch feine Lage, feinen Verkehr, feine Mittel, namentlich feine maritimen Vorteile fo bedeutenden Landes wie Schleswig=Hol(tein muß alfo jenem fchon jetzt fchwankenden Gleichgewicht notwendig den völligen Ausfchlag geben zugunften der preußifchen Macht. Schleswig=Holftein ift der kleine Finger Germanias. Wer diefen nimmt, wird auch die Hand nehmen, und wer die Hand nimmt, wird die Braut heimführen. Wird Schleswig=Hol= (tein preußifch, fo wird Deutfchland preußifch, bleibt Schleswig=Hol|tein deutfeh, fo muß auch Preußen deutfeh bleiben." Hier war alfo noch immer fo wie in den Jahren 1848/49 (S. 127, 137) die Furcht vor großpreußifcher Machtpolitik fchlecht= hin entfeheidend, und die Zeitung war unzufrieden mit P. Reichenspergers Haltung; fie verlangte von ihm, der fogar f ü r die Kriegsanleihe geftimmt hatte, „ d a ß er mit unferen gemeinfamen Prinzipien Ernft mache". Wie in Preußen überhaupt, fo blieb die bürgerliche Oppofition auch in der Rheinprovinz in diefer Zeit, wo Bismarck durch eine Staatskun(t ohnegleichen den erjlen deutfehen Einigungskrieg beendete und die von England, Frankreich, Rußland und aller Welt drohenden Gefahren fernzuhalten verftand, der Ober» zeugung, die wichtig(te Aufgabe der preußifchen Volksvertretung fei fein Sturz. Nach dem Wiener Frieden vom 30. Oktober »864, der proviforifch eine gemein« fame preußifch=ö|terreichifche Verwaltung der Herzogtümer einrichtete, verfteifte fich die Oppofition immer mehr auf doktrinäre und ausfichtslofe Negation, ohne indeflen ihrerfeits zum Handeln fähige K ö p f e hervorzubringen. Dem gefeierten Präfidenten der „Konfliktskammer" Grabow widmeten die Kölner liberalen Wahlmänner im Jahre 1865 eine filberne Bürgerkrone. Im Mai 1865, wo fünfzig Jahre feit der Verbindung der Rheinprovinz mit Preußen verfloffen waren, fand fich keine Möglichkeit, daß Regierung und Volk das Erinnerungsfeft einträchtig feierten. Die offiziellen Festlichkeiten in Aachen und Köln am 1 5 . und 16. Mai führten nur die Vertreter der Regierung und der Kirchen mit ihrem
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nächften Anhang zufammen. Die rheinifchen Mitglieder des Abgeordneten« haufes erhielten keine Einladung. Wie aber die Oppofition in den alten Pro= vinzen gcfliffcntlich dynaftifche und politifche Fefttage ignorierte, fo brachten auch die Rheinländer es nicht über fich, an diefem T a g e das (taatliche und pa= triotifche Gefühl allein fprechen zu laufen. In der Preffe fand allerdings die Kölnifche Zeitung warme Worte, von denen Treitfchke urteilte: „ D a fingt der alte Rhein fclbft zum Jubelfefte: Ich bin ein Preuße, will ein Preuße fein ! " Die laute Agitation der Provinz gipfelte im Juli 1865 in dem zweiten Kölner Ab« geordnetenfeft. Die Thronrede, mit der am 1 7 . Juni der Landtag gefchloflen wurde, warf der Mehrheit vor, fie habe nicht das Wohl des Vaterlandes zum ober|ten Gefetz genommen. Demgegenüber follte das auf den 22. Juli anbe= räumte Fe(t, deffen Vorbereitung wiederum der „gute B ü r g e r " J. Claffen* Kappelmann übernahm, den verfaffungstreuen Abgeordneten der ganzen Monarchie Anerkennung und Ehre zollen. Diefe Demonftration wurde aber im Widerfpruch mit dem konjtitutionellen Verfammlungsrecht polizeilich unter= fagt und zuletzt mit militärifcher Gewalt verhindert. Aus ganz Deutfchland, von Königsberg bis München, wurde Claffen=Kappelmann durch Adreffen und Deputationen gefeiert. Da der Vorfall zeitlich mit einem Vorjtoß der Regierung gegen die Redefreiheit der Abgeordneten zufammentraf, fo wollte die Oppo* fition nun den Konflikt durchführen, „ b i s das Junkertum innerhalb der Militär® monarchie nicht mehr über die Gefamtmittel des Staates verfügen k a n n " . Audi die Altliberalen {timmten teilweife zu. Beckerath legte in der Kölnifchen Zeitung Verwahrung gegen die Mißbrauch der richterlichen Gewalt ein. Im Ab= geordnetenhaus wurde am 9. und 16. Februar 1866 gegen die Maßlofigkeit der Regierung fcharf proteftiert, und am 22. Februar wurde P. Reichenspergers Vorfchlag, durch eine verklaufulierte Adreffe an den König einen letzten Ver« fuch zur Anerkennung des Budgetrechts und zur Beilegung des Konflikts zu machen, als unzeitgemäß und ungenügend nahezu einftimmig abgelehnt, worauf Bismarck im Namen des Königs die Seffion fofort fchloß. „ D e r Ab= folutismus", fo fchrieb damals H. v. Sybel, „i(t jetzt fo maffiv und real vorhanden, daß ich nur einen Gewinn fehen kann, wenn er genötigt wird, die letzte ver« hüllende Maske abzulegen." Erft der Krieg mit Ofterreich löfte die Verwirrung, die von der Armee« frage aus zu einem Konflikt von prinzipieller Tragweite f ü r alle Gebiete des Staatslebens geführt hatte. Bismarck drängte zu diefem Kriege, weil er ihn als unvermeidlich be= trachtete, um die preußifche K r a f t endlich von aller lähmenden Rivalität frei» zumachen. Um der Lebensnotwendigkeiten Preußens und Deutfchlands willen brach er mit der Politik des konfervativen Legitimismus dem Haufe Habsburg gegenüber ebenfo wie er die Rückfichten auf den „ganz unhiftorifchen, gott= und rechtlofen Souveränetätsfchwindel der deutfehen F ü r f t e n " eine Zeitlang beifeite fetzte und fich nicht fcheute, mit Italien und Frankreich, den aus der Revolution hervorgegangenen Mächten, Verbindung zu pflegen. Sein Wirklichkeitspnn näherte ihn den Grundfätzen, die auf liberaler Seite Hanfemann fchon 1 8 3 1 empfohlen hatte (oben S . 7 1 ) , die jedoch von vielen Konfervativen, erft recht aber von den Großdeutfchen und Katholiken mißbilligt wurden, da diefe von der Erzwingung des kleindeutfchen National(taats mit Waffengewalt nichts wiffen wollten. Die Konvention von Gajtein vom 14. Augu(t 1865 hatte nur für kurze
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Rheinisches Abgeordnetenfest 1865. Allgemeines gleiches Wahlrecht
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Zeit die aus der gemeinfamen Verwaltung von Schleswig=Hol(tein entftandene Spannung gemildert, von der Bismarck wünfehte, daß fie den Anlaß zur Löfung der preußifch=öfterreichifchen Frage herbeiführen werde. Im Februar 1866 trat der Krieg in Sicht, und es gelang Bismarck, den letzten Widerftand des Königs zu überwinden. Um auf die öffentliche Meinung zu wirken und ins= befondere in Süddeutfchland Sympathieen zu gewinnen, griff er nun noch ftärker als 1863 auf die volkstümlichen Ideen von 1848 zurück. Er nahm das allen kon= fervativen Traditionen widersprechende allgemeine gleiche Wahlrecht in fein deutfehes Programm auf. Am 9. April beantragte er beim Deutfchen Bunde nicht nur die Berufung eines deutfchen Parlaments, fondern forderte zugleich für diefes das demokratifche Wahlrecht. Es war feit 1848 mit der Idee des deutfchen Parla= ments enge verknüpft, es machte Ofterreichs Verbleiben im deutfchen Verband unmöglich, und andere Wahlrechte fchienen Bismarck keine Vorteile zu bieten. Aus dem preußifchen allgemeinen, aber abgeftuften, Dreiklaffenwahlrecht, das nach 1859 den bürgerlichen, begüterten Schichten das Übergewicht verliehen hatte, war die zähe Oppofition hervorgegangen und von Jahr zu Jahr gewachfen, die im Verfaffungskonflikt mit ihm rang. Mit Hilfe der adligen Grundherren im Often und des katholifchen Klerus im Weften hoffte er durch das gleiche Wahlrecht ein gefügigeres deutfehes Parlament zu erzielen, befonders dann, wenn die Induftriearbeiter, deren politifchen Zufammenfchluß die Agitation Laffalles feit 1863 begonnen hatte, den bürgerlichen Liberalismus bekämpften, alfo der Regierung von unten her halfen. Seit dem Winter 1863/64 hatte er auf Grund von Befprechungen mit Laffalle fogar die Oktroyierung des demo= kratifchen Wahlrechts in Preußen ins Äuge gefaßt, alfo die Zurücknahme des am 30. Mai 1849 oktroyierten Dreiklaffenwahlrechts und die Rückkehr zum Wahlgefetz der oktroyierten Verfaffung vom 5. Dezember 1848. Vom Regierungs= (tandpunkt erfchienen ihm überdies wichtiger als die Zufammenfetzung die Kompetenzen einer Volksvertretung, und über die minimalen Rechte, die er dem deutfchen Parlamente zugeftehen wollte, ließ er zunächft nichts verlauten. Bei der öffentlichen Meinung erzielte Bismarck nicht den erwarteten Erfolg. Nur die demokratifchen Elemente der linksliberalen Parteien, nicht die gemäßigt Liberalen waren für das gleiche Wahlrecht. Auch deflen Anhänger aber hielten feinen Vorfchlag für bloße Gaukelei. Und als er nun den Gegenfatz zu Qfterreich zufpitzte, indem er es in Widerfpruch zum formellen Bundesrecht zu fetzen ver» (tand und am 16. Juni 1866 die deutfchen Regierungen unter Ausfchluß 0(ter= reichs zum Abfchluß eines neuen Bundes an Stelle des für erlofchen erklärten Deutfchen Bundes einlud, blieb nicht nur Süddeutfchland, auf das dcch die Libe= ralen ftets gezählt hatten, an der Seite von Ofterreich, fondern auch die nord« deutfchen Staaten Hannover, Sachfen, Heffen=Kaffel und Naffau ftellten fich gegen Preußen. Es war alfo Krieg mit nahezu dem ganzen übrigen Deutfchland in Ausficht, und auch in Altpreußen wähnten viele die Übermacht auf der andern Seite. In der Rheinprovinz herrfchte (tarke Erregung gegen den Krieg. „Preußen greift", fo fchrieb das Organ der Fortfchrittspartei am 5. Juni, „wie es von Anfang an beabfichtigt war, Deutfchland an, um fich den Befitz von Schleswigs Holftein gegen deutfehes Recht und gegen den Willen der Herzogtümer zu flehern." Die Kölnifche Zeitung wurde zwar feit dem Vertrage von Gaftein all= mählich Regierungsorgan, und einige rheinifche Handelskammern zeigten fich bereit, mit der Regierung zu gehen, aber auch ihre Vertrauensmänner wollten, daß zunächft Friede mit der eignen Volksvertretung gemacht werde. Vollends
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Fünftes Kapitel (1850—1871)
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entrüftet waren die Katholiken. Wie in anderen Provinzen, fo wurden auch am Rheine zahlreiche Volkss und Wählerverfammlungen abgehalten, in denen gegen den „entfetzlichen B r u d e r k r i e g " protejtiert wurde. Friedenspetitionen gingen an den K ö n i g : das Volk habe kein Verjtändnis f ü r diefen unheilvollen Krieg, die Rheinländer wollten die deutfche Einheit nicht aus dem Blut ihrer deutfchen Brüder emporwachfen fehen. „ W e n n Preußen und Oßerreich fleh aufeinanderflürzen", fo frugen die Kölnifchen Blätter am 1 6 . M a i , „welche Macht roll dann Napoleon I I I . die Revindikation der Rheingrenze mit Erfolg v e r w e h r e n ? " Auch der nach längerer Sedisvakanz am 8. M a i 1866 eingeführte neue Kölner Erzbifchof P. Melchers befchwor den K ö n i g brieflich, den Frieden zu erhalten. D i e Mobilifierung des rheinifchen Armeekorps am 5. M a i ver« urfachte große Aufregung, Referven und L a n d w e h r zeigten fleh an manchen Stellen widerwillig. Gefchäftliches Mißtrauen breitete fleh im Wirtfchaftsleben aus, die kaufmännischen Kredite wurden eingezogen, die Annahme des Papiers geldes fließ auf Schwierigkeiten. Bismarck aber trotzte allen Widerftänden und ging feinen Weg. Die Rheinifche Zeitung wollte ihm „keinen M a n n und keinen Grofchen bewilligen, und fländen die Ofterreicher vor den T o r e n " . A m 9. M a i wurde das Abgeordnetenhaus, von dem wiederum keine G e n e h m i g u n g einer Kriegsanleihe zu erwarten war, aufgelöft. D e r gefchäftsgewandte, 1862 beim Beginn des Konfliktes ausgefchiedene Finanzminifter v. der Heydt trat am 5. Juni 1866 wieder ein und f ü h r t e die finanzielle Rüftung ohne Hilfe der Volkss Vertretung durch. A m 1 8 . Juni begann der K r i e g , der nun, umgekehrt wie 1 8 5 0 die Olmützer Krifls, Ofterreich vor die Notwendigkeit (teilte, mit den Waffen um die Vorherrfchaft in Deutschland zu kämpfen. D i e neuorganiflerte preußifche Armee befland die Feuerprobe glänzend. Ihre Schlagkraft verlegte fofort den Kriegsschauplatz überall auf den feindlichen Boden, und ihre Überlegenheit kam in einer Reihe von Gefechten auf über« rafchende Weife zur Geltung. Rheinifche Regimenter nahmen an den K ä m p f e n in Böhmen und in Süddeutfchland ruhmvollen Anteil. Schon am j . Juli fiel bei Königgrätz die Entfcheidung gegen Ofterreich, Preußen bewies durch feinen Schnellen Sieg, daß ihm die Führung in Deutfchland gebührte. D i e nächften Wochen brachten auch die Entfcheidung in N o r d s und Süddeutfchland. Die Friedensverhandlungen fetzten Preußen am 23. Auguft nicht nur in den Befltz von Schleswig=Hol(tein, fondern auch Hannover, He(Ten=Kaiyel, Naflau und Frankfurt a. M . wurden ihm jetzt einverleibt. Seine Einwohnerzahl wurde um ein Fünftel (von 19 auf 24 Millionen) vermehrt, fein um ein Viertel ver» größerter Staatskörper bildete jetzt wie der der übrigen Großftaaten ein zu= fammenhängendes Ganzes, das lückenlos von der franzöflfchsbelgifchen bis zur rufflfehen Grenze reichte. Was ihm die Eiferfucht der Mächte 1 8 1 5 verfagt hatte, hatte mit fchnellen Schlägen fein Schwert errungen. D e r Deutfche Bund wurde aufgelöft, Ofterreich aus Deutfchland ausgefchaltet, und Preußen fchlug den Regierungen von 19 noch begehenden norddeutfehen Staaten die G r ü n d u n g des Norddeutfehen Bundes unter feiner Hegemonie vor. D i e Vereinigung von Nord= und Süddeutfchland wurde, mit Rück(icht auf einen franzöflfehen Inter= ventionsverfuch und um zunächft den Norden an die preußifche Führung zu ge» wohnen, vertagt; befondere Bü ndnisverträge mit den füddeutfehen Staaten bahnten indes die Ausdehnung des Bundes über den M a i n hinüber fchon jetzt an. Unter dem überwältigenden Eindruck diefer Erfolge, die zu einer Neu® Orientierung aller Parteien führten, f a n d der preußifche Verfaffungskonflikt ein
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Der Krieg von 1866.
Wirkung auf die innere Politik
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fchnelles Ende. Die Neuwahlen zum Abgeordnetenhaufe hatten am 25. Juni und Juli 1866, dem T a g e von Königgrätz, (tattgefunden. In einem A u f r u f vom 28. M a i hatte die Regierung den Wunfeh nach dem innern Frieden zu erkennen gegeben. Es handle fich jetzt um Preußens deutfehen Beruf und weltgefchicht= liehe Stellung. Werde das bei den Wahlen beherzigt, fo werde die neue K a m m e r die Z w e i f e l über das Verfaffungsrecht im Einverftändnis mit der Regierung unfehwer löfen. In den öftlichen Provinzen bewirkten die Wahlen denn auch einen völligen Umfchwung. D i e Konfervativen gewannen 1 4 2 Mandate, während die Fortfchrittspartei und das Linke Zentrum ftarke Verlufte erlitten. Es war zwar noch keine fichere Regierungsmajorität, wohl aber die Möglichkeit einer Verföhnung gegeben, da Bismarck die Hand zur Beilegung des Konflikts bot. Unter Einwirkung v. der Heydts erklärte er fich bereit, um Indemnität beim Abgeordnetenhaufe nachzufuchen, und er beltimmte den K ö n i g zu dem Einge{tändnis der T h r o n r e d e vom 5. Auguft, daß die Staatsausgaben der letzten Jahre „ d e r gefetzlichen Grundlage entbehrten". Mitglieder der Fortfchrittspartei und des Linken Zentrums, die fich durch die fchöpferifchen T a t e n der Regierung und der Armee ins Unrecht gefetzt fühlten und nach den Jahren unfruchtbaren Streites an den großen bevorjtehenden Aufgaben mitarbeiten wollten, näherten fich der Regierung und vereinigten fich bald auch mit altliberalen Elementen, die jetzt ebenfo wie 1849 in Gotha ( S . 1 3 7 ) zu Konzeffionen bereit waren, zu der Nationalliberalen Partei unter der F ü h r u n g von v. Forckenbeck, Twe|ten und Lasker. Auch aus der Konfervativen Partei, von der die einen noch in letzter S t u n d e den „unchriftlichen" K r i e g hatten verhindern wollen, während andere jetzt in der Indemnität eine Schwächung des monarchifchen Prinzips erblickten oder aus legitimiftifchen Bedenken gegen die Annexionen waren, löfte fich eine „ f r e i k o n f e r v a t i v e " G r u p p e , die mit Bismarck zu gehen ents fchloffen war. Auf die Rheinprovinz aber wirkten diefe mittelparteilichen Bildungen zunächft wenig ein, wenn auch fünf rheinifche Abgeordnete feit September 1866 an der Entftehung der National liberalen Partei mitarbeiteten. Vor den Wahlen war der Wunfeh hier allgemein gewefen, daß die alten Abgeordneten einfach wiedergewählt werden follten. Die Kölnifche Zeitung verlangte allerdings, daß „ f i e alle an Preußen, feiner V e r f a f f u n g und feinem deutfehen Beruf fefthalten m ü ß t e n " . Die Rheinifche Zeitung aber forderte noch am 2 3 . Juni Friede mit Deutfchland und ein kon(tituierendes Nationalparlament, und in Wahlverfammlungen wurde noch am 24. Juni zu unverföhnlichem K a m p f gegen die Regierung und ihr S y f t e m aufgerufen. A m fchrofffien wider(trebte der K r i e g gegen Ofterreich den Katholiken. Als der K ö n i g am 1 8 . Juni befondere kirchliche Fürbitten f ü r den Sieg der preußifchen Waffen anordnete, traf zwar der Erzbifchof Melchers entfprechende Anwei= fungen. Die „Kölnifchen Blätter" aber wünfehten (tatt deffen Gebete f ü r den Sieg des Rechts, und die Abneigung des Klerus gegen den K r i e g kam während der Wahlbewegung auf den Kanzeln vielfach zum Ausdruck. Nach der Schlacht bei Königgrätz aber fchrieb A . Reichensperger, es „ k o f t e fehr viel M ü h e , fich in folche Ratfchlüffe Gottes zu f ü g e n " . E r und feine Freunde „beklagten den Zufammenfturz des hiftorifchen Europa und des Rechts"; fie fahen „ i n der traurigen, zerfahrenen, f a f t hoffnungslofen Zeit den T r i u m p h der modernen Barbarei des M i l i t a r i s m u s " . Die Wahl vom j . Juli bedeutete denn auch in der Rheinprovinz wiederum den Sieg der Oppofition. D i e 61 Abgeordneten fetzten fich aus 28 Mitgliedern des Linken Zentrums und 22 Fortfchrittlern zufammen, P r e u ß e n und R h e i n l a n d
1815 — 1915.
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zu denen nur 4 Mitglieder des Katholifchen Zentrums (Kleve, Geldern, Geilen» kirchen, Siegkreis) und 7 Altliberale (Elberfeld, Mettmann, Gummersbach, Moers, Erkelenz, Schleiden, Mayen) kamen. Die letzteren, die |tets ein fiarkes Preußen an der Spitze Deutfchlands erftrebt hatten, fühlten ("ich jetzt dem Ziel ihrer Wünfche nahe. „ W i r find nun wieder, fchrieb Meviffen, was zu fein wir von der Vorfehung beftimmt find, ein gegen die begehende Ordnung pro« teftierender, revolutionärer Staat. Wir vertreten wieder das Prinzip der Bewegung." Wie die linksliberalen Abgeordneten f ü r Bonn, E|Ten, Krefeld, Trier (2) und Saarburg (2) gingen die Altliberalen fortan mit den Nationalliberalen. Die fortfchrittlichen Liberalen und Demokraten blieben aber im allgemeinen um fo prinzipienfefter, je mehr ihre Parteien zugleich den konfeffionellen Gegenfatz gegen die preußifche Vorherrfchaft in Deutfchland in fich tragen. Die der Regierung am 3. September 1866 mit 230 175 Stimmen bewilligte Indemnität war ein voller Erfolg f ü r fie. Hatten die Liberalen noch am 22. Februar 1866 ausgeführt, fie fähen „ d a s Wefen der konftitutionellen Monarchie darin, daß fie die Regierungsgewalt nötigt, in übereinftimmung mit dem wiederholt und unzweideutig ausgefprochenen Volkswillen zu handeln", fo er= klärte jetzt die Krone zwar, fie betrachte als das Normale das verfaffungsmäßige, mit den Kammern zu befchließende Etatsgefetz, erachte fich aber nicht unbedingt daran gebunden, werde vielmehr bei Exiftenzfragen des Staates auch in Zukunft ohne Mitwirkung der Volksvertretung weiterregieren, bis das Ein= verftändnis hergeftellt fei. Durch ihr Votum gejtand die große Majorität nun der Krone das Recht zu, auch ohne die Volksvertretung die letzte Entfcheidung über die Interpretation und Handhabung der Verfaffung zu treffen. Damit war die Machtfrage in Preußen von neuem zugunften der Krone entfchieden. Preußen blieb in erjter Linie Herrfchaftsftaat der Dynaftie, wurde nicht Volksftaat. Das höhere Recht blieb bei der Krone, und das wefentliche Ziel des Liberalismus, ein parlamentarifches Regierungsfyftem, wurde preisgegeben. Bismarck machte, indem er die nationalen Hoffnungen der Liberalen erfüllte, vielen von ihnen die innerpolitifche Niederlage erträglich. Von den rheinifchen Abgeordneten (timmten allerdings 29 gegen und nur 20 f ü r die Indemnität. Audi unter den 14 ( ¡ 2 7 3 ) Abgeordneten, die am 7. September gegen die Annexion der neuen Provinzen (timmten, waren 9 rheinifche, darunter die Abgeordneten der Städte Köln, Düffeldorf und Koblenz. Das Katholifche Zentrum, das im ganzen nur noch 1 5 Mitglieder zählte, löfte fich jetzt auf. Audi feine letzten vier rheinifchen Mitglieder waren uneins. P. Reichensperger beklagte am 29. Auguft „ d i e fpezififche Machtvergrößerung des preußifchen Staates". E r betonte, „ d a s Prinzip der freiheitlichen Entwicklung (tehe in umgekehrtem Verhältnis zur (taatlichen MachtVergrößerung", und er bezeichnete die Zuftimmung der Einwohner der annektierten Provinzen vor den Annexionen als notwendig. In der deutfchen Frage allerdings (teilte er fich jetzt auf den Boden der Tatfachen, trotzdem fie alle groß» deutfchen Hoffnungen zerftört hatten. „ D e r Deutfche Bund i|t gefprengt, und OJterreich iß: ausgefchieden aus Deutfchland. Das deutfche Volk aber will und muß fich unter ein Dach bringen, unter dem es fich und feine Zukunft fichert, und Preußen ift unzweifelhaft der einzige deutfche Staat, der diefes Dach bilden kann. Es ift die Pflicht jedes deutfchen Patrioten, diefe vollendete Tatfache unbedingt anzuerkennen und als Richtfchnur des eignen Denkens, Handelns und Wollens zu nehmen." Die Kölnifchen Blätter beitätigten ihm, daß er damit „ i m großen ganzen der Stimmung der Katholiken den richtigen Ausdruck gegeben habe",
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Neue Parteibildung 1866/67. Der Norddeutsche Bund 1867
aber die Zukunft zeigte, daß es fich bei vielen nur um einen duldenden Ge= horfam handelte, der noch keine innere Uberein(timmung bedeutete. A m 9. Februar 1867 war der von Bismarck herrührende und von den 21 beteiligten Regierungen gebilligte Entwurf der Norddeutfchen Bundesver« faffung vollendet. Die Wahlen f ü r den Norddeutfchen Reichstag, mit dem die Verfafiung vereinbart werden follte, fanden am 1 2 . Februar (tatt. Wie im ganzen Bundesgebiet, fo fielen auch in der Rheinprovinz die Wahlen auf Grund des allgemeinen gleichen Stimmrechts gün(tig f ü r die Regierung aus. Bismarcks Verfuch gelang alfo. Von 75 (unter 297) Mandaten, die auf die Provinz entfielen, errang die Fortfchrittspartei (19) nur eines (Solingen). 6 rheinifche Abgeordnete hielten fich zu der dem Linken Zentrum des Abgeordnetenhaufes verwandten Freien Vereinigung (14), 7 zur Nationalliberalen (79), 1 zur Konfervativen (59), 14 zur Freikonfervativen Partei (40); 6 zählten zu den „ W i l d e n " (19). Eine Frak= tion nach Art der fich eben jetzt auflöfenden des Abgeordnetenhaufes, die vom Standpunkte der katholifchen Weltanfchauung aus Politik zu treiben gedachte, bildete fich nicht. An Bejtrebungen, den Konfeffionalismus auch in den neuen B u n d e s r a t zu verpflanzen, fehlte es allerdings keineswegs. Ein Erlaß des kölner Erzbifchofs vom 1 . Februar 1867 ermahnte zur Wahl „ v o n guten Katholiken oder, wenn das unmöglich ift, wenigftens von gläubigen Chri(ten". Der Un= glaube und „fein Streben, die Religion aus dem Staate, aus der Schule und Familie zu verbannen", dürfe nicht zum Siege gelangen. Der Erlaß betonte aber zugleich, daß der Erzbifchof „allen politifchen Parteibe(trebungen gänzlich fern(tehe". Melchers nahm alfo, wohl im Einvernehmen mit der Regierung, einen andern Standpunkt ein als fein Vorgänger Geiffel. In den „Kölnifchen Blättern" wurde hervorgehoben, daß „feitens der Geiftlichkeit wenig für die Aufklärung des Volkes über Tragweite und Bedeutung der Wahl gefchah". Hier aber wurde es zugleich als „eine nicht mehr zu qualifizierende Z u m u t u n g " gerügt, daß man evangelifche Abgeordnete in katholifchen Wahlkreifen wählen follte. Daß es (ich, wie man annahm, bei der Verfaffung des Nord» deutfehen Bundes „ u m Einführung der Parität auch in denjenigen Staaten handelt, die wie Mecklenburg bisher den Katholiken die T o r e verfchloffen", war allerdings ebenfo irrtümlich wie die Sorge des Erzbifchofs, daß durch die neue Bundesverfaffung die in der preußifchen Verfaffung garantierten Kirchen* rechte beeinträchtigt werden könnten. Denn im Gegenfatz zur Frankfurter Reichsverfaffung von 1849 befchränkte der Bismarckfche Entwurf die Zu(tändig= keit des Norddeutfchen Bundes auf das militärifch=dipIomatifche und das wirt* fchaftliche Gebiet. Wie Beckerath 1846 vorausgefehen (S. 100) und der National* verein feit 1860 befürwortet hatte, wurde das materielle Intereffezum eigentlichen Bindemittel f ü r die getrennten deutfehen Stämme. Die Kölnifchen Blätter aber wünfehten die katholifche Intereffenvertretung im Norddeutfchen Bunde jedenfalls fo orientiert zu fehen, daß fie fich auf ihre feit 1862 immer enger gewordene Ver= bindung mit der Fortfchrittspartei ftützte, die, im Gegenfatz zu dem verföhn= liehen Opportunismus der Nationalliberalen und Freikonfervativen, in Preußen jede weitere Stärkung der Regierungsgewalt und im Norddeutfchen Bunde jede Stärkung der preußifchen Hegemonie zu hindern fuchte. „ E s müffen Männer von politifcher Einficht gewählt werden, die die rechte Vermittlung zwifchen der nötigen Einheit der Bundesgewalt und den Sonderrechten der Einzelftaaten zu finden wiflen, welche auch f ü r das Norddeutfche Parlament die wichtigften Verfaffungs= ¡2*
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Fünftes Kapitel ( 1 8 5 0 — 1 8 7 1 )
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rechte, zumal das Budgetrecht, die Redefreiheit der Abgeordneten und die Preßfreiheit, unverkümmert in Anfpruch nehmen, f ü r wahre Parität und Unab« hängigkeit der Kirche wirken, die Intereffen der Volkswirtfchaft und das Volks« wohl nach allen Seiten fördern werden." In Köln felbft gelang es, gegen L . Camphaufen'den katholifchen Pfarrer E . T h . Thiffen zu wählen als „echten Volks« mann, der nicht nur die Militärlaften zu würdigen weiß, die das ganze Volk und insbefondere den Arbeiterftand am fchwerften drücken, und zu deren Erleichterung in Friedenszeiten der Abgeordnete ftets alles aufbieten muß, fondern der auch f ü r das allgemeine direkte Wahlrecht mit geheimer Ab(timmung ent= (chieden eintritt und dahin trachtet, daß es f ü r alle Wahlen im Staats« und Gemeindeleben eingeführt werde", überall fpielte infolge diefer er(t kurz vor den Wahlen einfetzenden katholifchen Agitation die Konfeffion der Abge« ordneten bei der Wahl mit. Von den 21 katholifchen Abgeordneten der Pro« vinz entfprach indeffen keiner ganz den Wünfchen der Kölnifchen Blätter. Die große Mehrzahl, auch der „ g u t e n " Katholiken, war vielmehr regierungs« freundlich. 10 hielten fich zur Freikonfervativen, 1 zur Nationalliberalen Partei, 4 zur Freien Vereinigung, 6 waren Wilde. P. Reichensperger unterlag in dem rheinifchen'jWahlkreife Kleve=Geldern, wurde aber in Weftfalen gewählt. A. Reichensperger blieb feit 1863 dem politifchen Leben fern. Die auf Ver(tändigung mit der Regierung hinarbeitenden Gruppen hatten auf dem die Verfaffung beratenden Reichstag überhaupt die Mehrheit. Der Rückgang der politifchen Eigenart und Selbßändigkeit der Rheinprovinz machte weitere Fortfehritte. Wenn fich im Abgeordnetenhaufe demokratifche Fortfchrittsmänner aus den alten Provinzen wie Virchow und F . Duncker noch immer als Vertreter rheinifcher Wahlkreife hervortaten, fo gehörte im Nord= deutfehen Reichstag der Berliner R . Gneift als Abgeordneter f ü r Elberfeld zu den nationalliberalen Führern, neben dem fich von Rheinländern nur der Düffeldorfer H. v. Sybel geltend machte. Der Reichstag war kein konftituierendes Parlament wie die Frankfurter Nationalverfammlung 1848, keine Verkörperung der Selb(t= beftimmung der Nation, fondern eine von den Regierungen ins Leben gerufene, von Bismarcks überragender K r a f t gebändigte Verfammlung. Die Bereit« Willigkeit, fich feiner Machtpolitik unterzuordnen, wurde bei der Mehrheit während der Tagung dadurch geftärkt, daß in der Luxemburger Krifis das Ver« langen Frankreichs, auf dem linken Rheinufer Kompenfationen f ü r Preußens Erfolge von 1864—1866 zu erlangen, offen zutage trat. Anderfeits wurde aber die Vereinbarung der Verfaffung erfchwert durch den äußerjt fchmalen Zu« fchnitt der Volksrechte, die Bismarcks Entwurf abweichend von der Frankfurter Verfaffung insbefondere auf den Gebieten des Budgetrechts und des Armee« wefens zugeftand, das jetzt als Bundeskriegswefen von Preußen auf den Nord« deutfehen Bund überging. Bismarck wollte nach den Erfahrungen des preußifchen Verfaffungskonflikts die Armee um fo mehr von den Schwankungen der Paria« mentsmehrheiten unabhängig machen, als Napoleons Haltung feit der Schlacht bei Königgrätz die militärifche Gefahr der Zukunft, mit der er ftets geredinet hatte, in der Nähe zeigte. Er fchlug im Einver(tändnis mit den Konfervativen einen „eifernen Etat" vor, der die Armee ganz aus der periodifchen Bewilligung des Reichstags hinaushob. Ein folches „ A t e r n a t " aber bedeutete eine Befchnei« dung des knappen bisher in Preußen verfaffungsmäßig begehenden Budgetrechts. „ V o n dem preußifchen Geldbewilligungsrecht darf zugunften der Militärverwal« tung nicht das mindere abgetreten werden", fchrieben die „Kölnifchen Blätter"
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Politischer Umschwung in der Rheinprovinz
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am 22. Februar 1867. Das Zufammengehen der Katholiken mit der Fortfchrittss partei follte insbefondere „ d i e in der preußifchen Verfaflung verbrieften Rechte des Volkes gegen jeden offenen oder ver|teckten Angriff verteidigen". „ W a s hülfe es Preußen", fo rief der Abgeordnete f ü r Kempen, Michelis, ein katholifcher Prie(ter, am 9. März im Reichstag aus, „ w e n n es die ganze Welt gewänne und doch Schaden an feiner Verfaflung n ä h m e ? " Der fortfchrittliche Abgeordnete f ü r Düffeldorf, Groote, brachte fogar einen eigenen, gegen Bismarcks Entwurf gerichteten Verfaffungsentwurf ein. Er wollte einen unitarifchen Bundes(taat mit verantwortlichen Mini(tern, zwei Kammern und reduzierter Armee. Den Nationalliberalen v. Forckenbeck und v. Bennigfen gelang es, ein Kompromiß zu erzielen. Die Friedenspräfenz von 3 0 0 0 0 0 Mann ( 1 % der Bevölkerung) wurde nur f ü r eine Übergangszeit von vier Jahren, bis Ende 1 8 7 1 , feftgefetzt, aber gleichzeitig nach dem Vorbilde des Art. 109 der preußifchen^Verfaffung be(timmt, daß die Koften von 67 Millionen Taler jährlich fo lange von den einzelnen B u n d e s r ä t e n an die Bundeskafle fortgezahlt werden müßten, bis fie durch ein Bundesgefetz,alfo mit Zuftimmung der Regierungen, geändert würden. Dafür waren die liberalen Parteien bereit, „ v o n ihren bisherigen' Anforde» rungen eines parlamentarifchen Regimes erheblich nachzulaffen" und im Nord= deutfehen Bunde ebenfo, wie fie es in Preußen hatten tun müffen, auf verant= wortliche Miniflier im konftitutionellen Sinne zu verzichten. Von den rhei= nifchen Abgeordneten war die Mehrzahl f ü r diefe Verftändigung. Da fich mehrere Katholiken, darunter befonders der Weftfale v. Mallinckrodt, laut gegen die Regierung und ihre Politik von 1866 ausfprachen und manche von ihnen fich der von dem frühern hannöverfchen Minipier Windthorffc^geführten „Bundes(taatlichen Fraktion" anfchloffen, die gegen das Anwachfen der preu= ßifchen Macht den Föderalismus auf die Fahne fchrieb, fo bemühte fich der Abgeordnete f ü r Aachen, Scherer, den Eindruck zu verwifchen, als ob die rhei= nifchen „ g u t e n " Katholiken fich durchweg in der Oppofition befänden. Bei der am 16. April mit 230 : 53 Stimmen erfolgten Annahme der Bundesver= faffung ftimmten außer P. Reichensperger nur 5 rheinifche Abgeordnete da= gegen: die Vertreter von Düffeldorf, Düren, Bonn, Köln=Land und Solingen, ü b e r das demokratifche Wahlrecht entband, da Bismarck perfönlich dafür ein= trat und das preußifche Dreiklaffenwahlrecht geradezu als das elendejte abwies, keine fchärfere Debatte. Der Nationalliberale v. Sybel machte indeffen die alten liberalen Bedenken (S. 87, 98) nachdrücklich geltend. Preußens Macht wurde durch die Bundesverfaffung vom 1 . Juli^i 867 er= heblich vermehrt. Präfidium und Militärhoheit des Norddeutfchen Bundes — eines Bundesßaats, keines Staatenbundes nach Art des früheren Deutfehen Bundes — lagen in der Hand des Königs von Preußen. Daß der neue Bund den Waffen unter Führung Preußens verdankt wurde, milderte jetzidie einzel(taat= liehen Bedenken bezüglich der Wehrmacht (S. 119). Die Zentralgewalt (tand nicht, wie es nach der Frankfurter Verfaflung von 1849 der Fall gewefen wäre, über Preußen, fondern fie war in feine Hand gelegt und unzertrennlich an den durch die Annexionen von 1866 vergrößerten Staat gebunden. Der föderative Charakter des Bundes kam indeffen (iärker als in dem Unitarismus der Frank» furter Verfaflung zur Geltung. Den nach 1866 fortbeftehenden Dyna(tieen blieb als den vornehm(ten Stützen der Bundesverfaffung ein großer Teil ihrer Selb» Itändigkeit dauernd erhalten. Der Schwerpunkt der (taatlichen Macht lag aber durchweg nicht bei der Volksvertretung, fondern bei den Regierungen. In Fragen
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der Gefctzgcbung waren fie zwar an die Zustimmung der Volksvertretung ge= bunden, im allgemeinen aber bewies die Bundesverfaffung auch in ihrer vom Reichstag in 41 Punkten abgeänderten Geftalt, wie gut es dem Lenker der preußifchen Politik gelungen war, die nationale — liberale und demokratifche — Volksbewegung, deren Beiftand er angerufen hatte, zu meißern. Er felbjt wurde als Bundeskanzler der einzige Bundesminifter, als folcher aber verantwortlich nur in dem abgefchwächten Sinne des preußifchen Minifteriums. Daß indeffen diefe Verteilung der Macht zwifchen Regierung und Volks® Vertretung bei den rheinifchen Parlamentariern der Konfliktszeit wenig Beifall fand, bewiefen die Verhandlungen des preußifchen Abgeordnetenhaufes im M a i 1 8 6 7 . D e r Reichslag hatte die Bundesverfaffung nicht endgültig mit den Regierungen vereinbart, fondern den einzelftaatlichen Landtagen war auf ihr Verlangen die G e n e h m i g u n g vorbehalten worden. Den Antrag auf V e r w e r f u n g der Bundesverfaffung, den im preußifchen Landtag 66 Mitglieder der Fort« fchrittspartei (teilten, unterzeichneten 20 rheinifche Abgeordnete. P. Reichens= perger allerdings fprach fleh jetzt f ü r die Annahme aus. Bei der A b f t i m m u n g am 8. M a i aber, die über diefe Annahme mit 226 : 91 Stimmen entfehied, waren 26 rheinifche Abgeordnete (darunter die Vertreter der Städte K ö l n , Düffeldorf, Koblenz, Bonn, Düren) gegen und nur 24 f ü r die Annahme. D i e aus linksliberalen und katholifchen Elementen zufammengefetzte Majorität vertrat den Standpunkt der „Kölnifchen B l ä t t e r " : „ D i e Bundesverfaffung befriedigt die Norddeutfchen nicht, fie (tößt die Süddeutfchen zurück, legt Ichwere Laften und Pflichten auf und gewährt der Volksvertretung zu be* fchränkte Rechte; die Nationalliberalen haben durch den Abfall von den frei= heitlichen Beftrebungen, die fie f r ü h e r zu verfechten vorgaben, eine klägliche Rolle gefpielt und, geblendet von den glänzenden Erfolgen der G e w a l t hul= digend, die wichtigften verfaffungsmäßigen Rechte des preußifchen Volkes preisgegeben." Diefe Haltung änderte fich auch nicht, als am 8. Juli 1867 der Zollverein erneuert und dabei auf wirtfchaftlichem Gebiete durch ein aus M i t * gliedern des Norddeutfchen Reichstags und aus füddeutfehen Abgeordneten zufammengefetztes Zollparlament eine ver[tärkte Einigung von N o r d und S ü d angebahnt wurde. Es war die etwas modifizierte Verwirklichung eines Gedankens, f ü r den Hanfemann in den Jahren 1845/1847 lebhaft eingetreten war (oben S . 100). Auf katholifcher Seite f a n d diefe Einrichtung, die durch die Zollparlamente vom April 1868, Juni 1869 und April 1 8 7 0 in Wirkfamkeit trat, wenig Sympathie, weil fie Preußens Einfluß in Deutfchland vermehrte. Inzwifchen verlor aber doch die Oppofition in der rheinifchen Bevölkerung zufehends an Stärke. Die Wahlen zum erften Reichstage des Norddeutfchen Bundes am 3 1 . Auguft 1867 und die Neuwahlen zum preußifchen Abgeord» netenhaufe im N o v e m b e r 1867 brachten erhebliche Erfolge f ü r die Regierung. Z w a r fuchte die katholifche-Preffe von neuem die Verbindung mit der Fort* fchrittspartei fo eng wie möglich zu gehalten. D e r D ü f f e l d o r f e r Eugen Richter bereifte als Generalbevollmächtigter der Fortfchrittspartei die Rheinprovinz. In 24 Bezirken wurden Kandidaten der „vereinigten fortschrittlichen und katho« lifch=freifinnigen Partei" a u f g e t e i l t und von den „Kölnifchen Blättern" emp® fohlen. D e r Erfolg war jedoch mäßig. Fortfehritt und Linkes Zentrum er= langten zufammen 8 Mandate, während 1 0 Nationalliberale und 7 Freikonfer= vative gewählt wurden. Erzbifchof Melchers wies in einem Erlaß vom 1 7 . Juli feine Geiftlichen an, fich von politifchen Parteibeftrebungen fernzuhalten,
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Nachlassen der rheinischen Opposition 1867
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weder als Wahlkandidaten aufzutreten noch, wie 1866, auf den Kanzeln „politifche Raifonnements" anzufallen und zu agitieren. Diefer Erlaß, fo klagten die Kölnifchen Blätter, „ b a n d der Geiftlichkeit die Hände und ver» urfachte eine (tarre Gleichgültigkeit des K l e r u s " . Kein Geiftlicher wurde zum Abgeordneten gewählt. Die meiften katholifchen Abgeordneten „ m i t zweifellos kirchlicher G e f m n u n g " waren „klerikaUgouvernemental", vertraten alfo nicht die gewünfchte „entfchieden freifinnige politifche Richtung". Sie bildeten keine befondere Fraktion, fondern fchloflen (ich der Freikonfervativen Partei oder der „Freien parlamentarifchen Vereinigung" (v. Bockum=Dolffs) an. Die Wahlen brachten zum er(tenmal auch Vertreter der fozialijtifchen Arbeiterpartei ins Parlament. Zwei von den 7 Angehörigen der neuen Partei, die die (taat» liehe Macht in die Hände der arbeitenden Klaffen hinüberleiten wollte, ver« traten die rheinifchen Wahlbezirke Barmen= Elberfeld und Lennep*Mettmann. Im November 1867 befiegelten die Wahlen zu dem infolge der Annexion nen vergrößerten preußifchen Abgeordnetenhaufe den Niedergang der Fort= fchrittspartei am Rhein. Von den 61 rheinifchen Wahlkreifen behauptete der Fortfehritt nur 4, das Linke Zentrum 9. Die Altliberalen dagegen gewannen 7, die Nationalliberalen 18, die Freikonfervativen und Konfervativen zufammen 20 Mandate. Die als gläubige Katholiken gewählten, meiftens Landkreife ver= tretenden Abgeordneten traten in die Freikonfervative Partei ein. N u r der den „Kölnifchen Blättern" nahegehende Abgeordnete f ü r Kleve bildete mit 8 katholifchen Weftfalen, 2 Weftpreußen und einem Sachfen eine befondere katholifche Gruppe, die zwar keine Fraktion mehr darftellte, aber doch einen gewiffen Zufammenhang aufrecht erhielt. Sie blieben „ W i l d e " , (banden aber dem Linken Zentrum nahe. P. Reichensperger unterlag nun auch in feinem^alten rheinifchen Landtagswahlkreife einem gouvernementalen Katholiken. Von den Städten waren Köln, Bonn, Düffeldorf, Krefeld, Elberfeld, Solingen jetzt natio« nalliberal, Koblenz, Trier, Kreuznach konfervativ vertreten. Audi die Volks« Vertretung nach dem Dreiklaffenfyftem wurde alfo unter dem Eindruck der großen Zeitereigniffe völlig umgeftaltet. Die in Bismarck verkörperte polis tifche Energie Altpreußens hatte, indem fie die Parlamentarifierung des Staates abwies und die ungebrochene Autorität der Krone behauptete, zugleich die bisher am Rheine vorhergehende Staatsauffaffung überwältigt. Die monarchifch=kon« (titutionelle Staatsform im Sinne der Wiener Schlußakte von 1820 (oben S . 54) wurde nun auch in der Rheinprovinz als die gegebene anerkannt. Der fort= fchrittliche Liberalismus war beflegt, und der politifche Katholizismus, der fich 1852 als Oppofition gegen die Regierung zufammengefchloffen hatte,^war aufgelöft. Das letztere hatte der Epifkopat befördert. Er legte erhöhten Wert auf gute Beziehungen zur Regierung, weil er trotz des 1866 zwifchen Preußen und Italien geknüpften Bündniffes auf ihren Beistand f ü r den Pap(t und den Kirchen® (taat in der (ich zufpitzenden römifchen Frage hoffte, die um diefe Zeit in Adreffen, Petitionen und Maflenverfammlungen viel erörtert, in Bismarcks öffentlichen Kundgebungen aber wohlwollend behandelt wurde. Ihrerfeits hielt die Regie= rung die Beziehungen zur katholifchen Hierarchie in den traditionellen Formen aufrecht. Auf Veranlaffung des Kultusminifters v. Mühler verfügte der Kölner Erzbifchof am 14. November 1868, daß die feit 1852 während der Dauer der Landtagsfeffionen eingerichteten allgemeinen Kirchengebete „ f ü r die Erleuch» tung des Geiftes der Abgeordneten" fortan auch während aller Tagungen des Reichstags des Norddeutfchen Bundes und des Zollparlaments (tattfinden follten,
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Fünftes Kapitel (1850—1871)
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Stütze der Regierung im Landtag und im Reichstag wurde f ü r die nächften zehn Jahre die Nationalliberale Partei, die dauernd eine arbeitsfähige Majorität zu(tande brachte, wenn auch keine parteimäßige Homogenität zwifchen dem Minifterium und der Kammermehrheit beftand. In der äußern Politik folgte fie der Autorität Bismarcks, und fic ermöglichte durch ihr Zufammenarbeiten mit der Regierung auf allen Gebieten des wirtfchaftlichen Lebens eine frucht» bare Reformpolitik, die eine fyftematifche Befreiung der materiellen Kräfte von beengender gefetzlicher Bindung herbeiführte. Die rheinifchen Abge* ordneten traten dabei nicht führend hervor, in die Leitung der Partei teilten fich vielmehr Vertreter der alten Provinzen und aus der neugewonnenen Pro« vinz Hannover die nationalliberalen Führer v. Bennigfen und Miquel. Im Minifterium aber blieb der Rheinprovinz ein wichtiger Poften zunächft noch erhalten. An die Stelle des Finanzminifters v. der Heydt, mit dem Bismarck fich über die Grundzüge einer Reform des fchwachen, auf die Matrikularbei= träge der Bundesstaaten aufgebauten Bundesfinanzwefens nicht verftändigen konnte, trat am 26. Oktober 1869 der bisherige Präfident der Seehandlung Otto Camphaufen, ein Bruder des Märzminifters, der als Vertreter der Frei» handelsprinzipien neben R . Delbrück bis zum Jahre 1878 Bismarck in den wirtfchaftlichen Fragen beriet. Ein fchon im Mai 1868 von den Nationalliberalen unternommener Verfuch, vom Zollparlament aus die politifche Verbindung des Norddeutfchen Bundes mit Süddeutfchland enger zu gehalten, fcheiterte an föderaliftifchen Gegenbeftrebungen, an deren Spitze Windthorß: ftand. Die Gewißheit aber, daß Frankreich als „Revanche f ü r S a d o w a " deutfehe Gebiete am Rhein verlangte, fchlug die Brücke über die Mainlinie doch fchneller, als Bismarck 1866 vorausgefetzt hatte. Die Haltung des Erbfeindes im Wejten, als der fich Frankreich jetzt dem Volksbewußtfein wieder darftellte, (teigerte das deutfehe Nationalgefühl zu unwiderftehlich einigender K r a f t . Im Juli 1870 bahnte die franzöfifche Kriegserklärung die Verfchmelzung von Nord und Süd an. Die 1840 beim erften Auftauchen der franzöfifchen Gefahr (S. 78) entftandene „Wacht am R h e i n " wurde nun der braufende Volksgefang der Kriegsjahre 1870/71. Im Gegenfatz zu den Kämpfen von 1864 und 1866 war diefer Krieg auch f ü r die Rheinprovinz ein wahrer Volkskrieg. Der Aufmarfch der Armeen erfolgte zum Teil mitten durch die Provinz, durch dasMofeltal, und rheinifche Regimenter zählten zu den er|ten, die die Siegesbahn eröffneten. Ein Sturm der Be* geifterung begrüßte den greifen König, als er mit feinen Paladinen durch des Rheinland an die Spitze der Armee eilte. Noch 1888 rühmte Bismarck den freudig» lauten Zuruf am Kölner Bahnhof, „als die Wogen der Volkszuftimmung uns in den Krieg hineintrugen". Der deutfehen Waffenbrüderfchaft war auf den franzöfifchen Schlachtfeldern eine fortgefetzte Reihe unerhörter Kampferfolge befchieden, und aus dem gemeinfamen Sieg erftand das neue Deutfehe Reich. Im liberalen Kreife trat nach der Schlacht bei Sedan lebhafte Neigung f ü r den nationalen Einheits|taat im Sinne von 1848/49 hervor, alfo mit (tarker Be= fchränkung der einzelftaatlichen Souveränetät und mit verantwortlichem Reichs* minifterium, und der Kronprinz Friedrich Wilhelm (tand auf diefer Seite. Wilhelm I. und Bismarck aber hielten die Entwicklung in der föderativen und konfervativen Bahn. Das deutfehe Kaiferreich, an deffen Spitze Wilhelm I. am 18. Januar 1 8 7 1 trat, ruhte wie der Norddeutfche Bund von 1867 auf Ver» trägen zwifchen den fouveränen Regierungen, denen die einzelnen Landes= Vertretungen und der Reichstag zuftimmten. Aus dem Begriffe des Bundes«
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Aufrichtung des neuen Deutschen Reichs 1871
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(taats hatte die Frankfurter Verfaffung von 1849 die Forderung abgeleitet, daß der Kaifer allein als konftitutioneller Monarch Träger der Souveränetät des Reichs fein follte, an der die Einzelftaaten keinen Anteil mehr hatten. D i e Reichsverfafjung von 1871 aber richtete die Kollektivfouveränetät der Einzelftaaten und den Bundesrat als ihr Organ ein, beließ alfo den EinzeU regierungen einen Anteil an der Souveränetät. Da das Reich im allgemeinen die Norddeutfche Bundesverfaffung übernahm, fo war es auch in der U m s grenzung der bürgerlichen Grundrechte befchränkter und in feinen Zielen weniger umfaffend als der Reichsbau, den 1848 das Frankfurter Parlament zu zimmern verfucht hatte. M i t deffen kleindeutfchem U m f a n g e deckte es fich im wefentlichen — es fchloß nicht alle Deutfchen in fich und war nicht rein deutfeh — , es ließ indeflen den Einzelftaaten größere Selbftändigkeit, war dafür aber auch nicht nur Idee fondern Realität. Preußen hatte fich nicht, wie es die liberale Doktrin verlangte, unter die Autorität eines nationalen Paria« ments gebeugt; es war nicht durch Deutfchland „ m e d i a t i f i e r t " worden. D e r Einheitsgedanke war verwirklicht, ohne daß die fürftliche Staatsgewalt eine fie wefentlich fchwächende V e r b i n d u n g mit dem populären Freiheitsbegriff und Freiheitsbedürfnis einging. D i e preußifche K r o n e wurde vielmehr fo, wie ihr Wille und ihre T a t k r a f t im eignen Staate die Herrfchaft behauptet hatten, auch der ftarke Grundpfeiler des neuen Deutfchen Reiches, deffen Lebensfülle imftande war, die 1866 f ü r Preußen errungene Großmachtftellung dauernd zu behaupten. Im Jahre 1815 hatten die Rheinländer, indem fie preußifch wurden, vor allem wieder deutfeh werden wollen. Durch die heroifchen [leben Jahre 1 8 6 4 — 1871 und die G r ü n d u n g des neuen Reiches war ihre Verfchmelzung mit Preußen durchweg vollzogen. M i t den bisher in der Provinz vorherrfchenden Grund= gedanken über einen fiarken Volksanteil nicht nur an der gefetzgebenden, fondern auch an der ausübenden Gewalt verblaßten zugleich die meiften Refte des rheinifchen Partikularismus vor dem kräftigen preußifch=deutfchen Selbft* bewußtfein, das alle Provinzen durchdrang, feit das deutfehe Nationalgefühl unter preußifcher F ü h r u n g die konkrete Wirklichkeit eines tragfähigen Reichs kennen und fchätzen lernte.
Sechftes Kapitel ( 1 8 7 1 — 1 9 1 5 ) Politifche Parteibildung in der Provinz. — Der Kulturkampf, Umfchwung der Regierungspolitik. — Neue Wirtschaftspolitik 1879. — Die Sozialpolitik 1881—89. — Die legten fünfundzwanzig Jahre. Während der vier Jahrzehnte, die feit der Neugeftaltung Deutfchlands verflogen find, fpielte (ich das politifche Leben der Rheinprovinz in dem größern Rahmen der Landtags« und Reichstagsparteien ab, an deren Entflehung die Provinz zwar wefentlichen Anteil hatte, deren dauernde F ü h r u n g jedoch nicht am Rheine lag und deren Gefchichte noch nicht gefchrieben iffc. Es können daher f ü r diefe Zeit nur die wefentlichen Gefichtspunkte hervorgehoben werden. Durch die Reichsgründung wurde die deutfehe Wirtschaftseinheit, die Preußen durch den Zollverein von 1854 angebahnt hatte, vollendet. In diefer
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Sechstes Kapitel ( 1 8 7 1 - 1 9 1 5 )
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Vereinigung kamen unter dem Schutze des Reichs die natürlichen Vorzüge der Rheinprovinz zur vollen Entfaltung. Handel und Indu|trie nahmen in der (türmifchen Bewegung der folgenden Jahrzehnte den gigantifchen, allen anderen Provinzen weit voraneilenden Auffchwung, der dem rheinifchen Leben diefer Zeit feinen Charakter aufprägte. Gleichzeitig hatte aber der endgültige poli« tifche Sieg der Krone und des Beamtenftaats über das Parlament die dauernde Folge, daß die im Wirtfchaftsleben der Provinz führenden K ö p f e fich nicht wieder der Politik zuwandten wie nach 1830, wo fie gehofft hatten, im parla» mentarifch=kon(titutionelIen Syftem die Gleichberechtigung von Krone und Volksvertretung zu erringen und die organifche Durchdringung des Staates mit den Kräften von Handel und Induftrie anzubahnen, indem fie felb(t (tarken Einfluß im Staate erlangten. Diefe Hoffnung war 1849 u n d J 866 gefcheitert. In PreußensDeutfchland hielt die monarchifch=kon(titutionelle Staatsform das Syftem aufrecht, wonach der Weg zu den leitenden Stellen nicht durch die allen Provinzen verfaffungsgemäß zugängliche Volksvertretung, fondern durch das kon= fervative Beamtentum führte und die Regierung ihren Standpunkt außerhalb der Parteien zu wahren trachtete. S o blieb das politifche Ubergewicht der alten Provinzen auch weiter beftehen. Angefichts der Regierungserfolge und der allge= meinen Weltlage fchloflen fich aber die rheinifchen Indu(triellen und Kaufleute ebenfo wie die mit ihnen verbundenen intellektuellen Kreife vorwiegend der Nationalliberalen Partei an, die von einer Wiederaufnahme des Ringens um die Macht im Staate abfah, vielmehr mit vollem Vertrauen und aufrichtiger Hingabe das Streben der Regierung, den materiellen Auffchwung als Grund* läge machtpolitifcher Geltung zu verwerten, anerkannte und förderte. Durch ihr rückhaltlofes Eintreten f ü r die militärifche und die ökonomifche Stärkung des Reichs fagte fich die Nationalliberale Partei in einer Lebensfrage Deutfch« lands von den ßaatsauflockernden Prinzipien des Liberalismus der Frei» handelsära los und kehrte zu dem Leitgedanken des rheinifchen Frühlibera» lismus zurück, der durch hingebende Mitarbeit des Bürgertums am Staate gerade deffen Kräftigung im Innern wie nach außen erftrebte (S. 164). Z w a r hatte er diefe Kräftigung damals nicht vorwiegend auf militärifchem Felde gefucht. Seit den Erfolgen der Bismarckfchen Staatskunfi war aber deffen Be= deutung nicht mehr zu verkennen. Gejtützt auf die wirtfchaftliche Blüte feit t 8 j o hatte die militärifche K r a f t das neue Reich gefchaffen. Begründet durch zwei fchnell aufeinander folgende glückliche Kriege, mußte es durch die äußer(te Anfpannung militärifcher Kräfte gegen die Stärke der Nachbarn behauptet werden. Seit der Entfcheidung von 1866 und feit der franzöfifchen Armeereform des Marfchalls Niel vom Jahre 1867, die der Ausgangspunkt eines euro= päifchen Rüftungswettbewerbs wurde, war auch am Rheine die gemäßigt liberale Partei entfchloffen, die Armeefrage nicht mehr zu budgetrechtlichen Kraftproben zu benutzen, fondern der Regierung den weitern Ausbau der militärifchen Macht des Reichs zu erleichtern. Sie behandelte die Armeefrage als Frage der äußern Politik, in der fie Bismarck die Führung unbedingt zu» gejtand. An die Stelle der Ohnmacht des Deutfchen Bundes, in den fich ein» zumifchen auf Grund der Wiener Kongreßakte die auswärtigen Mächte das anerkannte Recht hatten, hatte diefer das Deutfche Reich gefetzt, das den ftolzen Anfpruch erhob, jede fremde Einmifchung abzulehnen. Das aber war nur bei fortgefetzter fiarker Rü(tung durchführbar. „ W a s wir in einem halben Jahre mit den Waffen errungen haben, das mögen wir ein halbes Jahrhundert mit
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Leitende politische Strömungen in der Rheinprovinz
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den Waffen fchützen, damit es uns nicht wieder entriffen werde." Diefe Mahnung Moltkes wurde von der Nationalliberalen Partei, die zur Zeit der Reichsgründung in der öffentlichen Meinung der Provinz die Führung und in der „Kölnifchen Zeitung" ein wirkfames Preßorgan hatte, dauernd beherzigt, wenn auch vorher auf liberaler Seite die Hoffnung vorhergehend gewefen war, daß die Erlangung der deutfehen Einheit eine Befchränkung der militärifchen Rüftung in Deutfch= land und in Europa möglich machen werde. Die Partei fiellte 1871 zwölf rhei= nifche Abgeordnete f ü r den Landtag, fünf f ü r den Reichstag. Die Zahl der Linksliberalen, die von der konftitutionellen Selbflregierung des Volks in der wefteuropäifchen Form nicht ablaßen wollten und auf militärifchem Gebiete mit der Fortfchrittspartei einverftanden blieben, alfo im Oktober »869 im Norddeutfchen Reichstage Verminderung der Militärlaften und diplomatifche Verhandlungen zum Zweck allgemeiner Abrüftung verlangten, fchrumpfte zufammen. Die Provinz entfandte fortan nur noch aus zwei Wahlkreifen (Mettmann und Lennep=Solingen) Vertreter diefer Richtung in die beiden Parlamente, und auch das nur mit Unterbrechungen. Stärker entfaltete fleh in ihr, die 1848 den Kern der fozialißifchen Bewegung in Preußen gebildet hatte, die Arbeiterpartei, die fleh nach 1870, geflützt auf das von Bismarck verliehene demokratifche Wahlrecht, auszubreiten begann. Beim Bürgertum wie bei der Regierung trübten die Auflöfung der alten wirt= fchaftlichen Verbände durch die Gewerbefreiheit und die Herrfchaft der man= chefierlichen Wirtfchaftsordnung den Blick f ü r die politifche Bedeutung der Arbeiterfrage. Als natürliche Norm galt die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital, die mechanifche Regelung des Gewinns und des Arbeitslohnes nach dem Gefetz der freien Konkurrenz. Von feinen fozialen Pflichten und Aufgaben hatte der Staat noch keine zutreffende Vorftellung, die Sclbflhilfc der Arbeiter aber war durch die Bundestagsverordnung vom 1 3 . Juli 1854, die alle politifchen Arbeitervereinigungen verbot, unterbunden. An einzelnen Gegenbemühungen fehlte es zwar in der Rheinprovinz nicht. Der Katholifche Gefellenverein des Kaplans Kolping, der 1849 v o n Elberfeld (oben S . 96) nach Köln übertragen worden war und fleh des Handwerks erfolgreich annahm, hatte fleh feitdem nicht nur über alle größeren Städte der Provinz ausgebreitet, fondern auch außerhalb Wurzel gefaßt. Da die alten zunftmäßigen Handwerks» verbände enge mit der katholifchen Kirche verknüpft gewefen waren, trat die katholifche Landtagsfraktion, die nicht im Unternehmertum, fondern im Mittel« ftand und in akademifchen Berufen wurzelte, eine Zeitlang auch f ü r die be« drängte Arbeiterfchaft ein. P. Reichensperger und die Aachener Abgeordneten Contzen und Hahn verlangten 1861 die Freiheit des korporativen Zufammens fchluffes^zum Schutze der Arbeit gegen das Kapital. Auch die antikapitali|tifche Forderung eines Anteils der Fabrikarbeiter am Unternehmergewinn wurde um diefe Zeit des Wiedererwachens der deutfehen Arbeiterbewegung im katholifchen Kreife der Provinz erörtert. Der Mainzer Bifchof v. Ketteier entfaltete feit 1864 eine hier vielbeachtete publiziftifche Tätigkeit über die foziale Frage. Wie vor 1848 die fozialen Gewiflensregungen des Frühliberalismus (S. 96), traten aber auch diefe Bemühungen vor dem zum zweiten Male alles öffentliche Intere(Te des Bürgertums^erfchöpfenden Verfaffungskampfe in den Hintergrund. 1863 fchien Bismarck unter dem Einfluß von Laffalle, deffen Agitation das Klaffengefühl der Arbeiter im bergifchen Induftriebezirk weckte, die Gefetzgebung zugunften des Vierten Standes in Bewegung fetzen zu wollen. Laffalles „Allgemeiner deutfeher
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Arbeiterverein" fand in Barmen=Elberfeld, Ronsdorf, Solingen, Iferlohn, Rem* fcheid, Wermelskirchen, Effen, Duisburg, Düffeldorf und Köln viele Anhänger. Weder die Regierung noch die Parteien waren aber zu einer fozialen Gefetzs gebung reif, und nach Laffalles frühem T o d e (1864) bemühte fich J. B. v. Schweitzer vergebens, die niederrheinifche Arbeiterbewegung in der nationalen Bahn feines Vorgängers zu erhalten und ihren öbergang zu dem Internationalist mus von K . M a r x und Fr. Engels zu verhindern, die Laffalles „königlich preu= ßifchen Regierungsfozialismus" verhöhnten. Die gedrückte Lage des Prole= tariats verfchärfte den Klaffengegenfatz und machte die Arbeiter revolutionär= kommuni(tifchen Phantomen zugänglich. Der liberalen Forderung der wirt= fchaftlichen Bewegungsfreiheit fetzte die Sozialdemokratie die der organifierten Zwangsgefellfchaft entgegen. In Elberfeld=Barmen, Solingen, Köln, Kalk u. a. bildeten fich Sektionen der im September 1864 in London gegründeten „Inter= nationalen Arbeiteraffoziation". Die 1868 in Deutfchland einfetzende Gewerk= fchaftsbewegung geriet von Anfang an unter diefen Einfluß. Die Gewerbes Ordnung des Norddeutfchen Bundes von 1869, bei deren Beratung die 1861 erfolglofen katholifchen Abgeordneten ihre Bemühungen zugunften der Arbeiter nicht wiederholten, hob das Koalitionsverbot auf, und im Sommer 1869 wurden die erften Streiks der Zimmerleute in Köln und der Kohlenarbeiter in Effen mit Hilfe der Internationalen Affoziation erfolgreich durchgeführt. An ihren Kongreffen in Genf 1866, Laufanne 1867, Brüffel 1868, Bafel 1869 nahmen auch Delegierte der rheinifchen Sektionen teil, unter ihnen neben M . Heß und M . Rittinghaufen auch F . A. Lange, der Verfaffer der Gefchichte des Materia= lismus. Nachdem beide Gruppen Ojtern 1869 auf der Generalverfammlung des Arbeitervereins in Elberfeld aufeinandergeftoßen waren, fiegte im Juli 1869 in Eifenach die internationale, von Bebel (geb. 1840 in Deutz) und Liebknecht geführte Richtung, die ihren Mittelpunkt in Sachfen hatte und durch eine radikale Verbindung der politifchen mit der fozialen Entwicklung die Klaffen= herrfchaft der Arbeiter aufrichten wollte, um die kapitali(tifche Gefellfchafts= Ordnung zu befeitigen und die materiellen Intereffen der unteren Schichten in kommuniltifchem Geifte zu fichern. Den Wahlerfolgen f ü r den Norddeutfchen Reichstag, die die Sozialdemokratie 1867 in den Wahlkreifen Barmen=Elberfeld und LennepsMettmann errang (S. 183), gefeilte fich 1869 Duisburg bei. Sie vertrat den demokratifchen Grundfatz, daß alle Macht der Regierung vom Volke (tammt und von der Zu(timmung der Regierten abgeleitet werden muß, (trebte aber auch nach der fozialiftifchenRepublik, (tand alfo in voller Oppofition zur preußifch« deutfehen monarchifchen Staatsordnung und lehnte jedes Kompromiß mit dem Militärftaat ab, dem fie ihr kosmopolitifches Humanitätsideal entgegenfetzte. Die großen Ereigniffe von 1870/71 unterbrachen die Entwicklung, die in der Rheinprovinz auch dadurch gehemmt wurde, daß katholifche Kapläne feit 1869 in Effen und im Aachener Induftriebezirk den fozialdemokratifchen Arbeiters vereinen chri(t!ichsfoziaIe Arbeitervereine auf demokratifcher Grundlage ents gegenfetzten. Bei den Wahlen f ü r den erften deutfehen Reichstag im März 1871 erlangte die Sozialdemokratie kein rheinifches Mandat. Und wenn fie 1874 Barmen=Elberfeld, 1877 Solingen erkämpfte, fo wurde die Provinz doch kein vorwiegender Rückhalt der Sozialdemokratie. Das wurde fie vielmehr f ü r die neue Zentrumspartei, die jetzt von der Rheinprovinz ihren Ausgang nahm. In ihr lebte die während des Verfaffungskonfliktes zerfallene Katholifdie Fraktion wieder auf, nachdem am 1 1 . Juni 1870 P. Reichensperger in der „Kölnifchen
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Die rheinische Parteibildung nach 1871
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Volkszeitung", dem führenden katholifchen Preßorgan, das am i . Januar 1869 an die Stelle der „Kölnifchen Blätter" getreten war, einen Aufruf zur Sammlung veröffentlicht hatte. Der Verfaflungskonflikt hatte bewiefen, daß die entfehiedenen Katholiken politifch genommen keine Einheit bildeten. Von den konfervativen und liberalen Fraktionen aber, auf die fie fich feit 1866 verteilt hatten, „genügte keine den politifchen und religiöfen Gefühlen und Anfchauungen der ihrer Kirche treu ergebenen Katholiken", weil fie, der katholifchen Kirchenidee fremd gegen= übersehend, keine Neigung zeigten, fich f ü r die befonderen Wünfche ihrer katholifchen Minoritäten zu erwärmen. „ D i e katholifchen Deputierten", fo fchrieb die Kölnifche Volkszeitung am 26. November 1870, „befinden fich in einer wefentlich andern Stellung als ihre proteftantifchen Kollegen. Der Proteftantismus hat, indem er von der kirchlichen Einheit fich losriß, der je= weiligen Staatsform fich anfehmiegen müffen. Das Intereffe der proteftantifchen Kirche, foweit von einer folchen die Rede fein kann, fällt mei(t mit dem ftaat= liehen Intereffe zufammen oder i|t wenig(tens nicht im(tande, dem Staate gegen® über fich geltend zu machen. Anders die katholifche Kirche, die dem Staate in ihrem Wefen und ihrer Leitung felbftändig und unabhängig gegenüberfteht, die ihren Schwerpunkt nicht im Staate hat, wie fie auch des Staates zu ihrer Entfal= tung nicht bedarf, deren Intereffen aber dem Staate gegenüber der Vertretung bedürftig fein können." Diefer grundfätzlichen Sonderftellung der katholifchen Kirche und ihrer überzeugten Anhänger zum Staate konnte in einer Zeit der allgemeinen Gärung auf politifchem, religiöfem und fozialem Gebiete nur eine eigene Partei genügen, deren Hauptzweck eben der Schutz des katholifchen Prinzips war. Gegnerin diefes Prinzips war zunächft die Regierung, infoweit fie den Anfpruch auf unbedingte Selbftbeftimmung des Staates verkörperte. Als im Augu(t 1867 in Koblenz der gut katholifche Geheimrat und Kammerherr v. Savigny zum Abgeordneten vorgefchlagen wurde, warnten die „Kölnifchen Blätter" die katholifchen Wähler, die „ d i e Erfahrung noch nicht gemacht zu haben fcheinen, daß die gouvernementalen Katholiken der Sache, die ihnen am Herzen liegt, der Freiheit der Kirche, am gefährlich(ten f i n d " . Seitdem aber erweckte die Annäherung Bismarcks an das liberale Bürgertum, auf deffen Mitarbeit er angewiefen war, weil es die nationale Einheitsidee verkörperte, auch die Beforgnis, daß die Gefamtrichtung der innern Politik fich dem Libera= lismus anpaffen, diefer alte Gegner alfo den katholifchen Intereffen auf poli= tifchem Gebiete gefährlich werde. „ D i e Liberalen unferer T a g e " , fo fchrieb die Kölnifche Volkszeitung am 28. Dezember 1870, „ f i n d in ihrer Art diefelben, wie die Konfervativen von 1852. Sie möchten wie diefe Preußen wieder zum proteftantifchen Staat machen; der Unterfchied befteht nur darin, daß fie den Proteftantenverein mit feiner freien geiftigen Bewegung, diefe den pofitiven Proteftantismus zur Grundlage des proteftantifchen Staats Preußen machen möchten." Das Ringen des katholifchen Prinzips mit dem modernen Staatsprinzip und mit dem der liberalen Weltanfchauung entfprungenen Bildungsftande der Epoche war alfo jetzt die Triebfeder f ü r die politifche Abfonderung. Seit 1850 war der im inner(ten Wefen der katholifchen Kirche begründete und vom rheinifchen Epifkopat durch programmatifche Forderungen (S. 146) betonte Gegenfatz durch das unter dem Einfluß des Jefuitenordens handelnde Papfttum wefentlich verfchärft worden, während gleichzeitig die freie Weltanfchauung
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Sechstes Kapitel (1871—1915)
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aus dem jüng(ten Auffchwung der allem Dogmenglauben abgewandten Natur= wiffenfehaft und Gefchichtsforfchung neue K r ä f t e zog. 1854 verkündete Pius I X . das Dogma von der unbefleckten Empfängnis, 1864 veröffentlichte er die En= zyklika und den Syllabus, die Gregors X V I . Verdammung der Gewiffens» freiheit und Preßfreiheit wiederholten, die Gleichberechtigung der Konfeffionen und die Freiheit der religiöfen Kulte verweigerten, die Notwendigkeit des kirchlichen Offenbarungsglaubens und die Verbindlichkeit der Bekenntnis= formein betonten, die Unverföhnlichkeit des Papfttums mit der modernen, auf Gewiffensfreiheit und Toleranz beruhenden Zivilifation f ü r immer feftftellten und dem Staate die von ihm beanfpruchte volle Souveränetät be(tritten. Von der Aachener Katholikenverfammlung (1862) ging in Deutfchland felb(t eine Bewegung f ü r eine „ f r e i e " , d. h. nur vom Pap(t abhängige, katholifche Uni nifche Briefe und Akten zur Gefchichte der politifchen Bewegung von 1 8 1 5 — 1 8 5 0 , wird in den nächßen Jahren veröffentlicht werden, — Beim Königlichen Oberpräfldium in Koblenz beruht eine Sammlung von Berichten der rheinifchen Landräte über die eins zelnen Kreife der Provinz f ü r die Z f i t von 1 8 1 5 — 1 9 1 4 . Die Gefchichte der preußifchen Verwaltung im Regierungsbezirk Düffeldorf (teilt B a m m e l dar in der Feftfchrift zur Einweihung des neuen Regierungsgebäudes in Düffeldorf, 1 9 1 1 , S . 5—70.
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A
B
Aachen 2, 10, 19, 20, 4 1 , 49, 52, 70, 72, 74, 75, 109, »»if »81, 195, 200, 209, 233. — Bistum (1803—24) 46, 4 9 ; Generale vikariat 5 3 ; Kontroverspredigten ( 1 8 1 7 , 1837) 5 1 , 7 5 ; Monarchenkongreß ( 1 8 1 8 ) 42, 5 2 ; Tumulte (1830) 65, (1848) l o i ; Katholikenverfammlung (1862, 79), 1 9 0 , 2 1 3 ; H u l d i g u n g ( 1 8 1 5 ) 20, (1865)170. Adams Franz, Juftizrat in Koblenz, Abge= ordneter (1848) 1 1 1 . Aldenhoven Franz, Gutsbeptzer in Zons, Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Altenftein, Karl v., Kultusminifter ( 1 8 1 7 bis 38) 39Amerika 1 1 1 , 1 4 1 . Ammon Friedr. v., Appellationsgerichtsrat in Köln, Abgeordneter (1848—58) 133, 1 3 5 , 154. 160. Ancillon Fr., Staatsmann und Minifter ( 1 8 1 5 — 1 8 1 8 ) 1 2 , 29, 34, 56. Andrée K . , Redakteur der Kölnifchen Zeitung 84. Antwerpen 65. Arndt Ernft Moritz, Profeffor in Bonn (1818—60) 5, 8 — 1 0 , 1 5 , 1 6 — 2 2 , 23, 29, 3 1 , 36, 5 1 , 77, 99, 1 1 1 . Arnim=Boitzenburg A. H., G r a f , Regie» rungspräfident in Aachen (1834—37), Minifter des Innern (1842—45), Minifter« präfldent (1848) 7 1 , 75, 8 1 , 102, 104. Arnoldi Wilhelm, Bifchof von Trier (1842 bis 64) 85, 150. Auerswaid Alfred v., Minifter des Innern (1848) 105. — Hans v., Oberft, Abgeordneter (1848) 118. — Rudolf v., Regierungspräfident in Trier (1842—48), Minifter des Innern (1848), Oberpräfident der Rheinprovinz (1850 bis 5 1 ) 1 3 9 , 140, 1 5 7 , 1 6 3 . Augsburg 74. Auguftenburg, Friedrich Herzog v. (1863) 171. Aulicke Matthias, Minifterialdirektor (1848 bis 52) 1 1 0 , 1 4 3 .
Bachem Julius, Zentrumspolitiker (1906) 237/ 239. Baden Großherzogtum 42, 66, 83, 85, 128, 129; — Verfaffung 5 5 ; Aufftand (1849) 128, 129. Barmen 129, 1 6 3 , 1 8 3 , 188, 240. Baffermann Friedrich, Abgeordneter (1847 bis 48) 100, 1 0 1 . Bauer Bruno, Privatdozent in Bonn (1842) 83. Bauerband J. J., Profeffor in Bonn, Abge* ordneter (1848) 1 1 1 , 1 1 4 , 1 1 5 , 1 3 6 . Bayern Königreich 1 1 , 1 3 , 42, 49, 65, 83, 1 1 9 , 137. >49. 193 f f . ; Verfaffung ( 1 8 1 8 ) 23, 55* Bebel Auguft, Führer der Sozialdemokratie 188. Becker Hermann, Redakteur an der RheU nifchen Zeitung (1848—63), Oberbürger= meifter von Köln (1875—85) 129, 1 6 5 , 169. — Nikolaus 78. Beckerath Hermann v., Abgeordneter (1843 bis 1859) 8 1 , 84, 86, 87, 92, 93, 100, 1 1 1 , 1 1 2 , 1 1 5 , 116, 1 1 9 , 122, 133, 137, 138, 1 4 1 , 154, 157, 159, 167, 168, 174, 179. Belgien Königreich, 10, 1 7 , 19, 5 1 , 52, 64, 7», 72, 73/ 7?. 77/ 89, 107, 1 1 1 , 1 1 5 , 147, 245. — König Leopold I. ( 1 8 3 1 ) 64; Revo= lution (1830) 64, 65, 7 1 , 7 2 ; Verfaffung ( 1 8 3 1 ) 64, 66, 1 1 2 ; Lage der katholifchen Kirche 72, 7 3 , 88, 89. BellesAUiance, Schlacht bei io, 20, 2 1 . Bennigfen Rudolf v., Politiker (1859—67) 158, 1 8 1 , 184, 205, 206 f f . Benzenberg J. F., Publizift ( 1 8 1 5 — 2 0 ) 8, 13, 15, 20—22, 27, 28, 37, 39, 40, 42, 5>f 52, 57, 58, 98. Berg, Großherzogtum 2, 3, 8, 9, 4 1 , 48, 1 2 7 . Berg v., Kaplan und Abgeordneter (1848) 111. Berlin 20, 22, 25, 43, 56, 60, 62, 7 1 , 79, 80, 9 1 , 1 0 1 , 102 ff., i n , 1 1 2 , 1 1 7 , 143, 209, 2 1 4 , 225, 2 3 3 .
Preußen und Rheinland 1815—1915.
17
258
Berlin, Märzrevolution (1848) 1 0 2 — 1 0 5 ; Bürgerwehr (1848) 102, 104, t 2 i ; Ver= fammlung zur Vereinbarung der Ver= faffung (1848) 1 0 3 , 1 0 4 , 1 1 1 , 1 1 4 — 1 2 0 , 1 2 9 . Beuth Peter Chriftian, Geh. Oberfinanzrat und Direktor des Gewerbeinftituts ( 1 8 1 7 bis 53) 36. Bilk (b. Düffeldorf) 5 1 . Binterim A . }., Pfarrer in Bilk ( 1 8 1 7 — 2 4 ) 5 1 , 63. Bismarck Otto v., 105, 106, 120, 128, 1 3 2 , 1 3 4 , 138, 160, 167, 2 1 8 , 223, 230, 240, 244, 246. Bitter Franz, Abgeordneter (1909) 239. Blanc Louis, fozialißifcher Publizift (1848) toi. Bloemer F . , Juftizrat, Abgeordneter (1848 bis 59) i n . >49Blücher G . L , , Fürft v. 8, 19. Blum Robert, Abgeordneter (1848) 1 1 9 . BockumaDolffs F l . H . v., Abgeordneter (1867) 1 8 3 . Bodelfchwingh«Velmede Ernft v., Ober= präfident der Rheinprovinz (1834—42), Minifter des Innern (1842—48) 7 1 , 75, 98, 102, >04. Boifferee Sulpiz, Kunfigelehrter und Samm* ler ( 1 8 1 5 ) 3. Bonin Eduard v., Kriegsminifter (1852—59) 160. B o n n 63, 74, 76, 129, 178, 183. — Kurkölnifche Univerfltät (1786) 47; Univerfltät ( 1 8 1 8 ) 52, 53, 63, 76, 1 5 2 , 2 0 2 , 2 1 8 , 2 4 7 ; Niederiaffung der Jefuiten (1854) 150. Boyen Hermann v., Kriegsminifter ( 1 8 1 9 ) 43Brandenburg, Provinz 44, 45, 728, 730. — Stadt 1 2 1 , 1 2 2 . — Friedrich Wilhelm, Graf v., komman= dierender General und Minifierpräfldent (1848) 1 2 1 , 128, 1 2 9 . Brandts Franz, Fabrikbeßtzer in M.=Glad» bach, Vorfitzender des KatholifchenVolks= Vereins ( 1 8 8 0 — 9 0 )
•
Orts- und Personenregister
213.
Braun, Profeffor in Bonn, Abgeordneter (1848) t u . Bredt, Regierungsaffeflor und Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Brentano Chriftian 63. — Klemens 2, 63. Breslau, fchleflfcher Landtag ( 1 8 4 1 ) 79. Breuning, Regierungsrat in Koblenz ( 1 8 1 7 ) 40. Brewer J. P „ Profeffor der Phyfik in Düffel« dorf ( 1 8 1 6 ) 5, 35, 39, 48. Bruck (aus Elberfeld) K . L . v., ö|terreich. Handelsminifter (1853) ' 5 3 Brüggemann K . H., Redakteur der Köl= nifchen Zeitung (1845—55) 84, 1 5 3 . Brüflel 188.
Bülow B. Fürft v., Reichskanzler 228 ff., 242. — sCummerow Ern|t v., Politiker (1848) 120. Bürgers Heinrich, Publizift 108, 165. — Ignaz, Juftizrat und Abgeordneter (1848 bis 58) 1 3 7 , i4»r 154-
c Camphaufen Ludolf, Präfident der Handels^ kammer in Köln (1840—48), Mini(ter= präfident (1848) 6 8 , 6 9 , 7^,79, 81—84, 86—88, 9 1 , 92, 102 ff., 1 1 1 , 1 1 2 ff., 1 1 9 , 133/ »36, 139/ 14»/ 160, 167. — Otto, Präfident der Seehandlung,Finanz^ minifter (1869—78) 184, 202, 206. Caprara, Kardinal (1804) 49, 50. Caprivi G . L . Graf v., Reichskanzler (1890) 2 1 7 , 221 f f . Carey H. Ch., Nationalökonom 204. Cavaignac E . L . , General (1848) 1 1 8 . Cavour Camillo, Minifterpräfident (1859) 156. Cetto Karl, Abgeordneter f ü r S . Wendel (1836) 7 1 . Champagne 245. Claffen=Kappeimann ]., Stadtverordneter in Köln (1863—65) 169, 1 7 4 . Claufewitz K . v., General 3 1 . Colmar J. L . 62. Compes G . J., Advokatanwalt und Abge= ordneter (1848) 1 1 1 . Contzen J., Regierungsaffeffor und Abge= ordneter (1848—61) 1 1 1 , 187. Cuny v., Regierungspräfident in Aachen (1837—44) 7>. Czerski J. 85.
D
Dänemark, König Friedrich V I I . (1863) 1 7 1 . Dahlmann F . Ch., Profeffor in Kiel und Bonn, Abgeordneter ( 1 8 1 5 — 6 0 ) 23, 84, 1 1 1 , 1 3 3 , 164. Dardanellen 245. Delbrück Rud., Staatsfekretär 184, 206. Delius, Regierungspräfldent in Trier ( 1 8 1 6 bis 1825), in Köln (1825—34) 6 i , 7 1 . D'Efter Karl, D r . med. und Abgeordneter (1848) 1 1 1 , 1 2 2 . Deutfcher Bund ( 1 8 1 5 — 4 8 ) 2 1 , 22, 34, 43, 54, 65, 67 ff., 78, 98, 1 0 1 , 1 3 0 ; (1850—66) 1 3 8 , 1 5 7 , >58, 169 ff., 175, 176, 178. — Bundestag 2 1 , 70, 1 0 1 , 169, 1 8 6 ; Bundes» zentralunterfuchungskommifflon ( 1 8 1 9 ) 43/ 70'. Deutfehes Reich ( 1 8 7 1 — 1 9 1 5 ) : Kaifer WiU helml. 184, 2 0 9 , 2 1 6 , 2 1 9 ; KaiferFriedrich I I I . 2 1 6 ; Kaifer Wilhelm II. 2 1 6 ff., 2 3 3 , 243. — Verfaffung, Reichstag 1 8 5 , 188, 193, 196, 2 1 7 , 228. — Flottengefetze 223,
•
Orts- und Personenregister
224, 2 4 3 i Finanzreform 229; Bündnis mit Ofterreich (1879) 2 3 5 ; Bürgerliches Gefetzbuch 223, 224. Piepenbrock Melch. v. r Für|tbifchof von Breslau (1848) 1 1 1 , 124. Dieringer F r . X . , Profeffor in Bonn, Ab= geordneter (1848) 1 1 1 . Diefterweg Adolf, Pädagoge 1 9 1 . Dietr H., Stadtrat und Führer der Katholifchen Partei in Koblenz (1825—45) 6 3 , 86.
Drofte zu Vifchering, Klemens Aueuft Freiherr v., Erzbifchof von Köln (1835 bis 4 2 ) 53» 74 ffDüren 1 8 1 , 182, 2 3 3 . Düffeldorf 74, 95, 108, 1 2 1 , 129, 154, 178, 180—83, 188, 240, 241 ; Straßenunruhen (1848)
101.
(1910)
241.
Duesberg Franz v.,Finanzminifier(i847)98. Duisburg, Parteitag der Konfervativen Duncker Franz, Abgeordneter (1863) 163, 180.
E Eichhorn J. A., Kultusminifter (1848) 109. Eichmann, Oberpräfident der Rheinprovinz (1845—50) 97, 124, 126, 127, 128, 150.
—
Aufftand
(1813)
8;
Straßen=
unruhen (1848—49) 1 0 1 , 1 2 9 ; Militärs befreiungsprozefle 1 6 0 ; Arbeiterverein (1869)
188.
(1901)
243.
Elfaß 2 1 , 49, 5». Engels Friedrich, Führer der Sozialdemo* kratie 95, 97» >°8, 188. Engers 40, 42. England 5, 14, 37» 4, 44» 50, 1 5 3 , »58, 173, 2 1 2 , 229, 243. — König Eduard V I I. Erfurt, Reichstag (1850) 1 3 7 ; Programm der Sozialdemokratie (1891) 2 2 1 . Effen 5 1 , 129» 178, 188, 209, 223, 233, 240. Effer J. H. T h . , Juftizrat und Abgeordneter (1848)
111.
Eynern Friedrich v., Abgeordneter (1850) 1 4 1 ; Ernft v., Abgeordneter (1892) 222, 225.
F
Failly Guftav de (1842) 8 1 . Falk A., Kultusminifter (1872—79) 202, 210.
Fonck M a r t . Wilh., Generalvikar in Aachen (1818)
53.
Forckenbeck M a x v., Abgeordneter (1861 bis 67) 1 6 3 , 1 7 8 , 1 8 1 . Frankfurt a. M . 23, 176. — Bundestag 2 1 , 1 0 1 , 169; Wachenfturm (1833) 7o;Vor78. Michelis, Abgeordneter (1867) 1 8 1 . Minden 75. Miquel }., Abgeordneter und Minifter (1869/91) 184, 223, 225. Mirbach=Harff, Frh. J. W. v. ( 1 8 1 6 , 28), 4», 59Möller Ed. v., Regierungspräfident in Köln (1849—67) 146. Mörs 223. Möfer Juftus 39, 57. Mohr P. L . , Abgeordneter (1836) 7 1 . Moltke H. v., Generalfeldmarfchall 187. Montalembert Ch. F . Graf v. (1844) 82, 108. Montesquieu Ch. de 26. Mofel 9, 4 1 , 65, 69, 95, 108, 184. Mühler H. v., Kultusminifter (1862—72) 165, 183, 1 9 1 , 199. Mülheim a. Rhein 5 1 . Mülheim a. d. Ruhr 240. Müller Adam (1809) 57. — Hermann, Redakteur der Deutfchen Volkshalle (1850) 142. Münfter i. W . 1 7 , 1 5 2 .
N Napoleon I. 1 , 3 — 5 , 8, 10, 1 1 , 18, 19, 2 1 , 23, 29, 30, 45, 46, 50, 53. — I I I . 1 5 3 , 170, 176, 180. Naffau 19, 23, 27, 1 7 5 , 1 7 6 ; Verfaffung ( 1 8 1 4 ) 23, 27. Nelleffen L . , Oberpfarrer in Aachen ( 1 8 1 7 , 24) 5 1 , 53, 63. Neffelrode Graf v. ( 1 8 1 7 ) 42. Neuwied 1 9 5 . Niederlande, Königreich der 4 1 , 64, 66, 89; Verfaffung ( 1 8 1 5 ) 55. — König Wilhelm I ( 1 8 1 5 ) 49. Niel Ad., Marfchall (1867) 186. Norddeutfcher Bund 176, 179, 1 8 1 , 184, 188. — Reichstag 180, 182 ff., 1 9 1 f f . Nordfee 245.
262
•
Orts- und Personenregister
O Ofterreich 2, 3, 7, 10—12, 16—18, 2 1 , 25, 26, 42, 50, 54, 68, 79, 9 1 , 97, 99, 104, 1 1 6 , 127, 137, 138, 143, 149, 153» i f 7 bis 160, >69—172, 175, »78, »93 ff., 205, 2 1 2 ; Revolution (1848) 102, 1 2 1 ; Ver« faffung(i849) 129, ihre Aufhebung(1851) 138; Handelsvertrag mit Preußen (1853) 1 5 3 ; Konkordat mit dem Papft (1855) 194; Krieg mit Italien (1859) 156—59, mit Preußen (1866) 174, Verfaffung (1867) 194; Bündnis mit dem Deutjchen Reich (1879) 2 1 2 . — Kaifer Franz 1.(1804—35) 3, 1 1 , 12, 15, 16, 19, 52; Franz Jofeph I. (1848—1916) 1 7 1 ; Erzherzog Johann, Reichsverwefer (1848) 1 1 5 , 1 1 6 , 1 1 9 . Offenburg, Verfammlung der füddeutfchen Radikalen (1847) 100. Olmütz, Punktation (1850) 138, 140, 153, 169, 176. Olpe 216. Ottweiler 2 1 3 , 240.
P Pacca Bartolomeo, Kardinal (1832) 86, 89. Papfttum und Päpfte vergl. Rom. Paris 4, 10, 58, 7 1 , 81, 97, 107, 1 1 7 . — Friede (1814) 1 2 ; Juli«Revolution (1830) 64—67, 105; Februarrevolution (1848) 97—100, 1 1 7 ; Friedenskongreß (1856) 154. Patow R. F. v., Handelsminifter (1848—59) 1 1 7 » 157Peftel Phil, v., Regierungspräfident von DüfTeldorf (1816—31), Oberpräfident der Rheinprovinz (1831—34) 64, 7 1 . Pfalz 2, 65; Aufftand (1849) 129. Pfuel E. H. v., Minifterpräfident (1848) 120. Pieper Aug., Generalfekretär des kathol. Volksvereins (1890) 220. Polen 228, 245. Pommer=Efche v., Oberpräfident der Rhein* provinz (1858—71) 154. Pommern 44, 45. Pofen 2 1 ; Provinziallandtag (1841) 79. Preußen, Königreich 2 ff., 65 ff., 82 ff., 143, «48, i?7r «99, 208. — König Friedrich II. d. Große 2, 3, 5, 7, 32, 69, 169, 172. — Friedrich Wilhelm III. 7, 10, 12, 18, 19, 2 1 , 22, 26, 30, 32, 33, 40, 50, 52, 54, 69, 73, 76; Denkmal in Köln 152. — Friedrich Wilhelm IV. 40, 42, 52, 77 ff., 93, 99 ff., 1 1 1 ff., 127 ff., 142, 143, 145, 150, 152, 154, 160 ff., 168, 200, 212, 2 1 7 ; (Gerücht von feinem bevorftehenden übertritt zur kathol. Kirche 52, 143). — Wilhelm I. 91, 120, 129, 139, 140, 142, 1 5 1 , 154—60, 168, 170, 1 7 1 , 184, 203 ff.,
2 1 3 , 2 1 6 ; Gemahlin Augußa 140. — Friedrich III. 168, 184, 216. — Wilhelm II. 217 ff. (vgl. Deutfehes Reich, Kaifer). — Prinz Wilhelm, Generalgouverneur von Rheinland.Weftfalen (1831) 18,64,65, 7 1 . — Minifterium 96, 97, 1 1 2 ff., 132, 139, 1 4 1 , 148, 194 ff., 182, 184 (vergl. Sach» regifter: Minifterverantwortlichkeit). Minifter des Äußern 1 1 3 ; Kultusminifter 77, 84, 144, 198, 214, 231 (kathol. Ab« teilung 77, 143, 198); Mini|t£re occulte, Kamarilla (1848 ff.) 1 1 2 ff., 120, 122, 128, 1 3 3 , 140» Hi» H 5 , »54— Heilige Allianz (1817—54) 50, 1 5 3 ; Union (1849—50) 129 ff.; Olmützer Punktation f. Olmütz; Verträge von 1866 196; Kriege (1864) 1 7 1 , (1866) 174—76, (1870—71) 184. Preußen, Provinz 2 1 , 44. Prüm, Aufwand (1848) 129. Püttmann Herrn., Sozialift (1845) 97.
R Radowitz Jof. v., General und Minifter (1845—1850) 79, 99 ff- '06, 1 1 9 , 127, 129, «37r 146, 149. Raeß A., Bifchof von Straßburg 62, 63. Raumer K . O. v., Regierungspräfident in Köln (1845—48), Kultusminifter (1850 bis 58) 144, 146, 150. Raveaux Fr., Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Rees 165. Reichensperger Gebrüder 93, 193, 195, 199; Augu|t, Abgeordneter 76, 81, 92, 1 1 1 , 1 1 6 , 123, 127, 130, 137» >45—47. >49/ 1 5 1 , 154, 155, 159, 1 6 1 , 166, 172, 177, 180, 190, 194, 196 ff., 2 1 2 , 224; Peter, Abgeordneter 81, 89, 94, 103, 108, 1 1 1 , 1 1 4 , 123, 132, 133. 135, 145. 150—152, 154, 166, 168, 173, 174, 178, 180—82, 187, 188, 1 9 1 , 193, 195, 199, 206, 2 1 1 ff. Reiman v., Regierungspräfident in Aachen (1816—34)
71.
Rheinlande, Rheinprovinz: Proviforifche Verwaltung ( 1 8 1 4 — 1 5 ) 9 f f . ; Anfchluß an Preußen 1, 10, 17, 19 f f . ; Huldigung (1815) 20, (1865) 173, 1 7 4 ; Selb(!ver= waltung vgl. Sachregifler: Provinzial» verband; GeneraUGouverneur Prinz Wil» heim (1831) 18, 64, 65, 7 1 ; Obfervations» korps an der belg. Grenze (1831—32) 65; Plan einer adminiftrativen Abtren» nung 7 1 , 1 2 1 ; Ausftattung des Reichs« verwefers (1848) 1 1 6 ; Militärgouverneur Prinz Wilhelm (1850—57) 139, 140. Richter Eugen, Abgeordneter (1867) 182. Rintel K . G., Publizift (1844) 81. Rittershaus Emil (1860) 159. Rittinghaufen M „ Sozialift (1868) 188.
•
Orts- und Personenregister
Ritz W., Regierungsrat und Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Roenne F . v., Abgeordneter (1863) 163. Roeren Hermann, Abgeordneter (1910) 228, 238. Rom (und Papfttum) 49, 52, 53, 61, 62, 63, 74- 76, 77r 150, 196, 197, 200, 2 1 1 , 214. — Papft Benedikt X I V . (1740—58) 49; Pius V I I . (1800—23) 48, 50; Pius V I I I . (1829—30) 62; Gregor X V I . (1831—46) 72, 75, 78, 8 1 , 86, 89, 109, 190, 2 1 0 ; Pius IX. (1846—78) 93, 143, 190, 200; Leo X I I I . (1878—1903) 210 ff., 216 ff., 231, 233, 240; Pius X . (1903—14) 234 ff.; Benedikt X V . (1914) 240. — Dogma von der unbefleckten Empfang» nis (1854)190; Syllabus (1864) 190, 227; Vatikanifches Konzil (1869—70) 190; Unfehlbarkeitsdogma (1870) 190, 198; Collegium Germanicum 146. Ronge J. 85. Roon A. v., Kriegsminifter 160—62, 167. Rotteck K . W. v. 66, 88. Rotteis Th., Redakteur der Rheins und Mofelzeitung (1846) 93. Ruge A., Politiker und Herausgeber der Hallefchen Jahrbücher (1842) 83. Ruhrgebiet, Streik der Bergleute (1889) 218. Rußland 7, 8, 50, 158, 173, 205, 2 1 2 , 226, 243. — Kaifer Alexander I. 42, 54; Krimkrieg (1854—56) 153, «59-
s Saar 9, 170. Saarbrücken 240. Sachfen Königreich, 13, 16, 17, 46, 128, 129, 175, 188. — Provinz 45. Sack Joh. Aug., GeneraUGouverneur (1814 bis 15), Oberpräfident der Rheinprovinz (1815—16), 9, 10, 35, 36, 48. Saint«Simon Claude de 236. Salm=Dyck, Fürft Jof. v. (1831—34) 65, 70. Sattler K., Abgeordneter (1899) 225. Savigny K . Fr. v., Juftizminifier (1842) 189. Schaesberg Graf v. (1877) 202. Schaper v., Oberpräfident der Rheinprovinz (1842—45) 8 1 , 97. Scharnhorft Gerh. v. 5. Schell Herrn., Profeffor der Theologie in Würzburg (1897) 234. Scherenberg Ernft (1860) 159. Scherer, Abgeordneter (1867) 1 8 1 . Schlegel Friedrich v. 2, 15, 57. Schleiden 163, 172, 178. Schießen 45, 46, 197, 201. SchleswigsHolftein 1 7 1 , 173, 175, 176.
263
Schmalz A. H., Profeffor in Berlin (1815) 29. Schnabel, Landrat in Mülheim (1833—4«) 7>r 72- 77Schopen Edmund, Kaplan (1910) 239, 255. Schorlemer=Alft, Frhr. Burkard v. (1892), Abgeordneter 222. Schorlemer=Liefer Frhr. Clemens v., Ober= präfident der Rheinprovinz(1905— 1 o) 228. Schramm Rudolf, Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Schuckmann Friedr. Frhr. v., Minijter des Innern (1814—34) 12, 38, 45. Schurz Karl 129, 1 4 1 . Schweitzer Joh. Bapt. v., Sozialift (1864) 188. Schweiz 36. Seidell A., Kaplan (1825) 63. Settega|t, Dr. med. in Koblenz (1825) 63. Seyffardt L . F., Abgeordneter (1860) 159, 207. Siegburg, Zeughausfturm (1849) 129. Siegkreis 172, 178. Siegen 165. Simon Ludwig, Abgeordneter (1848) 1 1 1 , 122. Simons, Juftizminifter (1849) 123, 154. Simfon Eduard, Abgeordneter 163. Sittard (Rotes Buch, 1836) 74. Smith Adam, Nationalökonom 43. Solferino, Schlacht bei (1859) 158. Solingen 179, 1 8 1 , 183, 187, 240; Aufwand (1813) 8, (1849) 129. Solms»Laubach, Graf Friedr. v., 1816—22 Oberpräfident von Jülich*Kleve=Berg 36, 40, 4 1 . 45, 52, — =Lich, Fürft zu, Landtagsmarfchall( 1848) 106. Spiegel, Graf Ferd. Aug., Erzbifchof von Köln (1824—35) 53, 57, 61—63, 73r 74» 2 3 9 . Staegemann F . A., Staatsrat (1815) 27. Stedmann Karl, Abgeordneter (1847—48) 105, t u , 1 1 8 . Stein, Frhr. K . vom 5, 8, 9, 12, 15, 17, 23, 26, 2 7 , 29, 30, 65, 95, 103, 246. Stiehl Ferd., Minifterialrat 144. Stöcker Ad., Hofprediger und Abgeordneter 210. Straßburg 42, 62. Stumm Freih. K . F. v., Abgeordneter (1880) 2 1 3 . Stupp H. J., Juftizrat und Abgeordneter (1848) 1 1 1 . Sybel Heinr. v., Profeffor in Bonn und Ab= geordneter (1849—75) 137, 163, 169, 174, 180, 1 9 1 , 202, 216, 247.
T Talleyrand Ch. M . , Diplomat 17. Thiffen E. Th., Pfarrer und Abgeordneter (1867) 180.
•
Orts- und Personenregister
264
Tille Alex. (1900) 236. Tirpitz Alfr. v., Staatsfekretär des Reichs= marineamts 224. Tölcke C . W., Sozialst (1875) 208. Transleithanien 2 1 . Treitfchke, Heinr. v. (1863) 168, 174. Trier 2, 40, 46, 49, 53, 57, 63, 7 1 , 73, 8or 95, 108, 178, 183, 2 1 3 , 238. — Tumult (1848) 101 ; Ausftellung des hl. Rocks (1844) 8?. Tweften Karl, Abgeordneter ( 1 8 6 1 , 66) 163, 177.
V Vencdey J., Abgeordneter (1848) 1 1 8 , 122. Verviers 73. Vialc Prelä, päpftl. Nuntius (1852) 143. Virchow R., Abgeordneter (1862) 163, 180. Vorft=Gudenau, Frhr. v. ( 1 8 1 6 ) 4 1 .
w Wallraf Ferd. Fr., Kunftgelehrter Sammler ( 1 8 1 5 ) 3. Walter Ferd., Profeffor in Bonn und geordneter (1848) 1 1 1 , 1 2 3 , 1 3 3 , 1 3 5 , Welcker Karl, Profeffor 15, 67. Wefel 85. Wejendonck, Abgeordneter (1848) 1 1 1 ,
Weflfalen 64, 74, 147, 169, 180, 1 9 1 , 1 9 3 , 197, 2 4 5 ; Königreich (1807) 23, 27. Wien 16, 19, 20, 22. Wiener Kongreß ( 1 8 1 4 , 15) 10, 12, 14, 1 6 — 1 8 , 25, 29, 3 2 , 4 3 , 4 6 , 4 9 , 57, 99, 170, 186; Bundesakte 2 1 , 2 2 ; MinifteriaU konferenzen 54, 7 0 ; Schlußakte (1820) 5 4 ; Revolution (1848) 1 0 2 ; Wiener Frieden (1864) 1 7 3 . Windifchmann K . J., Profeffor in Bonn 63. Windthorft L . , Abgeordneter 1 8 1 , 184, 193, 194, 196 ff., 2 1 4 ff., 226, 2 3 2 ; Windthorft= bund 240. Wittgenftein, Fürft v., Polizeiminifter (1818) 12. Württemberg 1 1 , 1 3 , 42, 73, 1 3 6 ; Ver= faffung (1818) 55. Würzburg, Bifchofskonferenz (1848) 1 1 7 , 124, 1 2 5 . Wuppertal 82, 85, 95, 97, 1 1 0 , 169; Tu= multe (1830) 6 5 ; Sozialiftifche Agitation (1845) 97, (1863) 169, 187. Wylich, Herr v. ( 1 8 1 7 ) 42.
und
z
Ab= 136.
Zedlitz=Trützfchler, Graf Rob. v. ( Kultus= minifter (1891—92) 2 2 1 . Zum Bach A., Kreisrichter, Oberlandes» gerichtsrat und Publizift ( 1 8 1 5 , 20) 27, 39- 40, 53 •
115.
Sachregifter. (Zur Ergänzung ift das Orts» und Perfonenregifier heranzuziehen.)
Abgeordnetenfeft (1863) 169, (1865) 174. Adel 6, 1 3 , 23, 25, 30, 35, 4 1 , 55, 59 ff., 66, 69, 76, 84, 88, 90, 92, 95, 98, 102, 104 ff., 1 1 7 ff-, 140—142- 1 5 1 , 156, 159, 1 7 5 , 197, 206, 242. — Grundfteuerfreiheit in den alten Pro= vinzen 3, 25, 42, 44, 1 1 9 , 139, 1 5 1 , 1 5 6 ; Gerichts® und Polizeigewalt 3 , 25, 30, 117, 134. — Geburtsvorrechte 3, 5, 23, 27, 30, 37, 3 8 ; Fideikommiffe 59; Jagdprivilegien 1 1 7 ; Degradation 84; Majorate 59, 74—76; Autonomie der Rheinifchen Ritterfchaft (1837) 76, 79, 8 1 , 86, 90 (vgl. Parteiwefen). Allianz, Heilige ( 1 8 1 8 ) 50, 1 5 3 . Altkatholizismus vergl. Kirchen. Annexionen (1866) 176, 178, 1 8 1 , 183. Anti=Modernifteneid ( 1 9 1 0 ) 234. Arbeiter und Arbeiterfrage 96, 1 2 2 , 232 f f . ; Arbeiterfchutz (1839) 9 5 ! Zentralverein zum Wohle der arbeitenden Klaffen (1844) 96, 220; Allgemeiner deutfcher Arbeiterverein (1863) 187, 1 8 8 ; Chrift:lich= foziale Arbeitervereine (1869) 1 8 8 ; Ka= tholifche Arbeitervereine 209, 2 3 2 ; Ar= beiterwohl (1880) 2 1 3 , 2 1 9 , 220; Inter« nationale Arbeiteraffoziation (London (1864) 188; Internationale Arbeiterkonfe= renz (Berlin 1890) 220; Gewerkfchaften 188, 232 f f . ; Gewerkfchaftsftreit (1900) 2 3 3 — 2 3 7 . — Vgl. Sozialdemokratie, Soziale Frage. Armee vgl. Heer. Ausfchüffe Vereinigte ( 1 8 4 1 ) 80, 8 1 , 94. Autonomie vgl. Adel, Parteiwefen.
B Banken und Bankwefen 69, 95, 104, 236. Bauernverein, Rheinifcher (1882) 2 1 9 , 2 3 3 ; Trierer (1884) 2 1 9 ; Bauernbefreiung 30. Beamtentum 24, 37, 45, 66, 80, 83, 88, 150. Beamtenminifterien 67, 88, 120, 1 6 2 ; vgl. Minifter.
Berufsftändifche Vertretung vgl. Wahlrecht. Block=Aera (1906—08) 228. Borromäus=Enzyklika ( 1 9 1 0 ) 239. Buch Rotes (i83)/36) 74, 8 1 . Budgetrecht 24, 27, 28, 3 1 , 40, 4 1 , 54, 88, 90, 9 1 , 92, 1 3 1 — 1 3 3 . «45, «46, 162 ff., 167, 169, 1 7 2 , 176, 180, 199, 228. Bürgermeifterwahl 38, 84 ff., 2 3 1 ; vgl. Ge« meinden. Bürgervereine (1848) 1 1 0 , «22, 128. Bürgerwehr (1848) 102, 104, 1 2 1 .
0 Deutfche Frage, nationales Einheitsftreben 1 , 5, 8, 9, 1 1 , 1 3 , 1 5 , 19, 2 1 , 26, 32, 45, 67, 68, 70, 78, 98, 100, 102, 104, 1 1 0 , 1 1 5 , 126, 128, 1 3 0 , 136, 138, 1 4 1 , 1 5 6 — 160, 169, 170, 180, 184. — Deutfche Vor« herrfchaft a) Preußen (kleindeutfch) 1 1 , 1 2 , 1 5 , 1 6 , 18, 19, 2 1 , 67, 99, 102, 1 0 3 , 104, t i o , 1 1 9 , 126, 1 2 7 , 130, 1 5 7 , 159» 169, 170, 1 7 2 , 1 7 3 , 174. 1 7 6 , 193- 194. 1 9 5 ; b) Ofterreich (großdeutfch) 1 1 , 1 5 , 16, 18, 68, 99, 108, 1 1 0 , 1 1 9 , 126, 1 2 7 , 1 4 3 , 1 5 3 , I57r »59. 1 7 4 . »94. »95- — Deutfehes Parlament (Reichstag) 68, 69, 100, 1 0 1 , 108, 1 1 0 , 1 1 1 , 1 1 5 — 1 3 0 , 1 3 7 , 156, 180, 182, 196. — Deutfche Union (1849) 130, 1 3 7 , 1 3 8 , 1 7 1 . — Deutfcher Reformverein (1862) 159, vgl. National» verein. Deutfche Gefellfchaften ( 1 8 1 5 ) 19. DeutfchsKatholizismus (1844) 85. Diffldenten 1 3 5 . Domänen 3, 2 3 .
E h e , Zivilehe 48, 50, 74, 75, 1 1 7 , 200; Gemifchte 49, 50, 62, 73, 74, 75, 86, 1 5 0 ; Ehefcheidung 1 4 5 , 1 5 5 . Eifenbahnverftaatlichung 7 1 , 77, 207. Epifkopalismus vgl. Kirchenwefen. Erzfeldherr, Preußens König als deutfcher 16, 99. Evangelifche Kirche vgl. Kirche.
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Sachregister
266
F Febronianismus 47, 63. Fideikommiffe vgl. Adel. Finanzwefen 44; vgl. Steuerwefen. Flotte, Deutfcne 1 1 8 , 223, 224, 243. Föderalismus 17.?, 1 8 1 , 184, 185, 195, 199, 205, 207. Frauen» und Kinderarbeit 95, 209. Frauenfrage 2 4 1 . Freihandelsprinzip 87, 163, 203, 204, 206—209. Freimaurer 49. Friedhöfe, konfefllonell oder fimultan 242. Frühliberalismus vgl. Liberalismus.
G Oallikanismus 46, 49, 63. Geheimbünde 19, 29. Geheimpolizei vgl. Spionage. Gemeinden, Gemeindeordnung 25, 30, 38, 39, 45, 57, 59, 60, 84, 85, 103, 1 1 7 , 150, >39/ 14°! 15»» 216, 225, 230, 2 3 1 ; Selbft» Verwaltung 6, 55, 1 5 1 , 230, 2 3 1 ; vgl. Bürgermeifterwahl. Gefellenverein, katholifcher (1847) 96, 187. Gewaltenteilung 26, 88, 1 1 4 . Gewerbe 4, 5, 36, 207; Gewerbefreiheit 4, 6, 23, 1 8 7 ; Gewerbeordnung (1869) 188; Handwerk 95—97, 187. Gewerkfchaften vgl. Arbeiter. Gewiffensfreiheit 46, 48, 49, 5 1 , 52, 72, 73, 89, 109, 1 1 4 , 1 1 7 , 1 2 3 , »26, 1 3 5 , 136, 190, 198. Glaubensfreiheit 88, 89, 108. Gothaer, Partei der (1849) 137, 177Gründerperiode ( 1 8 7 1 — 7 3 ) 203. Grundfteuerausgleich 44, 45, 1 1 7 , 139, 140, 15», 156. Gu(iav=Adolf=Verein 85, 94.
H Handel 69, 1 1 3 , 1 6 4 , 1 8 6 , 2 3 5 , 243 ; Handels= kammern 69; Handelsverträge 69; Han= delsfperre 5. Handwerk vgl. Gewerbe. Heer 6, 17, 24, 3 1 — 3 3 , 40, 43, 75, 9 1 , 92, 102, 104, 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 6 , 1 1 7 — 1 2 0 , 129, 139, >59—>64, 166 ff., 180, 1 8 1 , 186, 194, 4, 7 2 , 9 9 , 1 6 4 , ( 1 8 3 0 ) 64 f f . , 7 1 f f . , 1 0 5 , ( 1 8 4 8 ) 9 8 — 1 2 8 ; „Anerkennung der Revolution" 103, 107. R i t t e r g ü t e r 2 5 , 5 5 — 5 7 , 5 9 , 60, 7 0 , 1 5 6 .
Fniverfitäten 87, 145, 190, 198, 2 3 4 ; Polizeiaufpcht 3 7 , 7 0 , 8 0 ; k a t h . S t u d e n t e n « Verbindungen 85, 190. Unternehmer, wirtfchaftliche 2 2 0 ; Verhältnis zur katholifchen Kirche 2 3 5 ff.
s
V
Baint=Simonismus 73, 236. S c h i f f a h r t 8, 69, 7 1 . S c h u l w e f e n 3 , 46, 4 7 , 6 1 , 6 2 , 9 4 , 1 1 4 f f . , 1 3 5 , 1 9 0 ff., 1 9 7 ff., 2 4 2 ; V e r h ä l t n i s zu S t a a t und Kirche 2 1 , 1 3 1 , 1 3 5 , 1 4 2 , 1 4 4 , 1 4 7 , 1 5 2 , 2 3 1 , vgl. Kirchen; Schulgefetz 94, 1 1 5 , 1 2 5 , 1 3 6 , 1 9 1 , 2 1 4 , 2 2 1 , 2 2 2 , 2 3 1 ; Schulunterhaltungsgefetz (1906) 227, 2 3 1 ; k o n f e f l l o n e l l e Schulen 2 0 1 , 2 1 4 , 2 2 1 , 2 2 7 ; Simultanfchulen 2 0 1 , 2 2 1 , 227; Schulaufficht 1 1 5 , 1 4 4 ; Schulauffichts» g e f e t z ( 1 8 7 2 ) 1 9 9 , 2 0 2 ; L i b e r a l e r Schul» verein f ü r Rheinland» Weftfalen ( 1 8 8 1 ) 214. Schutzzoll v g l . Zollveefen. S e l b f t v e r w a l t u n g 6 , 3 8 , 5 5 , 90, 1 5 1 ; v g l . Gemeinden, Kreife, Provinzialverband, Städte. S o z i a l d e m o k r a t i e 1 8 8 , 2 0 1 , 2 0 8 , 2 0 9 , 2 1 8 ff., 2 3 2 ff., 2 4 4 ; E i f e n a c h e r T a g u n g ( 1 8 6 9 )
Verantwortliche M i n i f t e r v g l . M i n i f t e r . Vereinbarungsprinzip vgl. Verfaffung. V e r e i n e , Vereinsrecht 4 3 , 64, 7 0 , 94, 1 0 0 , 1 1 5 , 129. 1 3 9 ; Geheime Verbindungen 3 6 ; demokratifche V e r e i n e 1 0 8 ; kirchlichc, religiöfe V e r e i n e 88, 1 9 0 ; katholifche A r b e i t e r v e r e i n e 2 0 9 , 2 3 2 ff.; B a u e r n » v e r e i n e 2 1 9 ; V o l k s v e r e i n f ü r das kath. Deutfchland ( 1 8 9 0 ) 2 1 3 , 2 2 0 , 2 3 2 , 2 3 3 ; Borromäusverein (1844) 88; Gefeilen» verein 9 6 , 1 8 7 ; K l e m e n s v e r e i n ( 1 8 4 0 ) 8 8 ; V e r e i n akademifch g e b i l d e t e r K a t h o l i k e n 2 4 2 ; Katholifcher F r a u e n b u n d (1904) 241 ; Windthorftbund (1895) 240; Verein f ü r Sozialpolitik ( 1 8 7 2 ) 2 1 0 ; Deutfcher Verein (1874) 202, 216; Liberaler Schulverein ( 1 8 8 1 ) 2 1 4 ; N a t i o n a l l i b e r a l e r Jugendverein (1899) 2 4 1 ; Reichsverband (1900) 2 4 1 . V e r e i n i g u n g , Deutfche in B o n n ( 1 9 0 7 ) 2 2 8 .
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269
Sachregister
V e r f a f f u n g s w e f e n , S t a a t s v c r f a f f u n g : Allge= meines, V e r f a f f u n g s b e f t r e b u n g e n 6, 1 0 , 1 1 — i ? , 1 7 , 29, 3 4 — 3 7 , 3 9 , 4 1 , 4 2 , 54, 5 7 , 58, 6 4 — 6 7 , 69, 7 8 — 8 1 , 86, 89, 9 1 , 95» 94/ 9 6 — 1 0 0 , 1 0 2 , 1 0 3 , 1 0 7 , 1 1 2 — 1 3 9 , 1 4 1 , 1 5 1 , 1 5 2 , 169 f f . , 1 7 8 , 1 8 5 , 1 8 8 , 1 8 9 , 1 9 8 , 2 1 4 . — Franzöfifche Charte ( 1 8 1 4 ) 26, 28, 64. — Süddeutfche V e r f a f f u n g e n ( 1 8 1 8 — 2 0 ) 4 2 , 1 0 2 , 1 1 2 . — Preußifche Provinzialverfaffung ( 1 8 2 3 / 2 4 ) 5 5 — 5 8 . — Belgifche V e r f a f f u n g ( 1 8 3 1 ) 64, 1 1 2 , 113. — Kurhefflfche ( 1 8 3 1 ) 67. — Preußifche V e r f a f f u n g ( 1 8 4 8 — 5 0 ) : Camp= haufen=Hanfemannfche Vorlage (Mai 1848) 1 1 2 , 1 1 3 , 1 3 1 , 1 3 2 ; Entwurf der V e r f a f f u n g s k o m m i f f l o n (Juli 1848) 1 1 4 , 1 3 1 , 1 4 5 ; Oktroyierte V e r f a f f u n g (5. D e z . 1848) 1 2 1 , 1 2 3 , 1 2 6 , 1 3 1 , 1 3 2 , 1 7 5 ; Revi= dierte V e r f a f f u n g ( 3 1 . Jan. 1 8 5 0 ) 1 2 2 , 1 3 0 — 3 6 , 1 4 2 , 1 4 3 , 1 5 5 . — Deutfche Reichsverfaffung ( F r a n k f u r t 1849) 1 2 7 , 1 3 7 f f . — Norddeutfche B u n d e s v e r f a f f u n g ( 1 8 6 7 ) 1 7 9 f f . — Deutfche Reichsver= f a f f u n g ( 1 8 7 1 ) 1 8 5 , 193 f f . — Vereinbarungsprinzip 1 4 , 28, 29, 3 7 , 3 9 , 4 2 , 67, 87, 1 0 ? , 1 1 2 , 1 2 2 , 1 2 3 , 180, 1 8 2 . — Oktroyierung 28, 39, 4 2 , 58, 66, 87, 1 2 2 , 1 2 3 , 1 2 6 , 1 6 6 , 1 7 5 . — Ver= faffungskonflikt in Preußen ( 1 8 6 2 — 6 6 ) 1 6 1 — 1 7 7 ; Verfaffungslücke 1 6 7 . — Ver= f a f f u n g s e i d der kath. Geiftlichen 1 4 4 , der Armee 104, 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 4 , 1 2 3 . Verkehrswefen 5 . Verficherungswefen: Krankenverficherung ( 1 8 8 3 ) 2 1 3 ; Unfallverpcherung ( 1 8 8 4 ) 2 1 3 ; Invaliditäts= und Altersverflcherung (1889) 2 1 9 ; Reichsverficherungsordnung 238. V e t o , abfolutes und fufpenfives 1 1 3 , 1 1 4 , 123, 145. Volksfchulen vgl. Schulwefen. Volksrepräfentation 4 2 , 68, 8 0 ; VoIksver= tretung im Reich 1 5 , 68, 69, 100 f f . , 1 7 1 f f ; in Preußen 1 8 , 3 9 , 40, 54, 66, 80, 9 1 ; Ein= oder Z w e i k a m m e r f y f t e m 3 9 , 54, 6 7 , 87, 90, 1 1 3 ; ihre Kompetenzen (beratende oder befchließende S t i m m e ) 2 5 — 2 8 , 3 5 , 40, 4 1 , 44, 5 4 , 87, 88, 90, 9 1 , 1 7 5 , 180, 1 9 8 ; organifcher A u f b a u 2 3 , 3 ? , 66, 68, 69, 87, 1 0 3 ; autonome Volksrechte 2 8 , 29, 3 4 ; vgl. Budgetrecht. Volksfouveränetät 24, 26, 2 7 , 3 4 , 69, 7 2 , 7 3 , 87, 106, 1 0 7 , 1 1 1 , 1 2 8 , vgl. National» fouveränetät. Volksverein f ü r das katholifche Deutfchland 2 1 3 , 220, 232, 233. Volksverfammlungen 100, 1 2 0 — 2 2 .
w Wahlrecht und Wahlgefetze 2 3 , 3 9 , 57, 66, 87, 1 2 9 , 1 3 0 , 2 2 5 , 2 2 9 ; auf G r u n d b e f i t z geftützt 56, 57, 98, 1 4 0 ; Zenfuswahlrecht 39, 66, 87, 98, 1 2 3 ; Ausfchliefjung d e r Vertreter geiftiger Bildung 5 5 ; B e r u f s * ftändifche G l i e d e r u n g 2 3 , 2 7 , 3 0 , 4 1 , 5 5 , 57» 87, 9 1 , 1 0 4 , 1 5 2 ; Dreiklaffenfyftem ( 1 8 4 5 , 49) 85, 1 3 0 , 1 5 2 , 1 7 ? , 2 2 5 , 2 3 0 ; Allgemeines gleiches Wahlrecht 3 9 , 69, 87, 98, 1 0 1 , 1 0 3 , 1 0 4 , 1 0 8 , 1 1 0 , 1 2 3 , 1 3 0 , 175* 197r 2 0 4 ; Indirektes W a h l f y f t e m 3 9 , 66, 69, 87, 1 0 4 ; Wahlen und Agitationen 1 1 0 , 147, 154, 162, 163, 172, 177, 179. 1 8 0 , 1 8 2 , 1 8 3 , 2 2 8 ; Wahlbeeinfluffung durch die Regierung 59, 1 4 1 , 1 6 2 ; durch die Bifchöfe (Hirtenbriefe) und Prie|ter 1 0 9 , 1 1 0 , 1 2 8 , 1 5 4 , 1 6 2 , 1 7 5 , 1 7 7 , »79. 1 8 2 , 1 8 3 , 1 9 2 , 1 9 7 . — Gemeindewahl» recht 2 2 5 , 2 3 0 , 2 3 1 . Waifenhäufer, konfefponelle 2 4 2 . Weinbau a. d . M o f e l 69, 9 5 . Wirtfchaftsleben, Wirtfchaftspolitik 4 , 2 1 , 68, 69, 82, 8 3 , 1 0 4 , 1 4 3 , 1 5 3 , 1 6 0 , 1 6 4 , 165, 176, 184, 203, 2 1 1 , 218, 227, 236; Wirtfchaftsethik 2 3 5 f f .
z Zeitungen, Zeitfchriften 70, 78, 79 f f . , 84, 85, 89, 168, 2 0 1 ; Z e n f u r ( 1 8 1 9 ) 4 3 , 5 5 , 5 9 ; Zenfurerleichterung ( 1 8 4 1 ) 8 0 ; ka= tholifch=konfervativer Preßverein ( 1 8 5 2 ) 142, 143. — Berliner Konftitutionelle Zeitung ( 1 8 3 0 ) 1 3 8 ; Civiltà cattolica 1 4 9 ; Deutfche Brüffeler Zeitung (1848) 9 7 ; Deutfche Volkshalle ( K ö l n 1849) 1 3 3 , 1 4 2 , 1 4 3 , 1 4 7 , 1 4 9 , 1 5 3 , 1 5 9 ; Deutfche Zeitung (Heidelberg 1847) 100; Düffeldorfer Zeitung too, 1 4 2 ; Elberfelder Z e i t u n g 82, 85, 1 4 2 , 1 7 3 ; G e r m a n i a (Berlin 1 8 7 0 ) 1 9 3 — 1 9 5 , 2 3 3 , 2 3 8 , 2 3 9 ; Gefellfchafts= fpiegel (Elberfeld 1 8 4 5 ) 9 7 ; Hiftorifch» politifche Blätter (München) 2 3 9 , 2 4 0 ; D e r Katholik ( M a i n z 1 8 2 1 ) 6 2 , 7 8 ; Kölnifche Blätter (1860), Kölnifche Volks» zeitung (1869) 1 5 9 , 1 6 6 , 1 6 8 , 1 7 3 f f . , 2 2 1 , 2 2 2 f f . , 226, 255 ; Kölnifche Zeitung 80, 84, 94, 96, 1 1 0 , 1 2 7 , 1 3 4 , 1 4 2 , 1 5 3 , 1 6 ? , 1 7 2 f f . , 1 8 7 , 207, 2 3 4 , 2 5 5 ; K ö n i g s b e r g e r Zeitung 8 3 ; K r e u z z e i t u n g (1848) 1 2 0 , 124, 1 3 5 , 142, 1 5 3 ; Luxemburger Zeitung (1844/45) 8 1 , 82, 85, 86, 89, 96, 1 4 2 ; Petrusblätter ( T r i e r 1 9 1 1 ) 2 3 9 ; Poli* tifches Wochenblatt (Berlin) 7 9 ; Preu= ßifches Wochenblatt (Berlin) 1 4 2 ; Rhein» und Mofelbote ( K o b l e n z ) 1 5 3 ; Rhein« und M o f e l z e i t u n g (Koblenz) 67, 82, 85,
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Sachregister
93, 1 0 8 , 1 1 6 , 1 2 5 , 1 5 2 , 1 4 2 ; Rheinifcher Beobachter (Köln 1844) 82, 8 5 ; Rheinifche Jahrbücher f ü r gefellfch. R e f o r m ( 1 8 4 5 ) 9 7 ; Rheinifcher M e r k u r ( 1 8 1 4 / 1 6 ) 8, 1 4 f f . 3 1 , 36, 46, 49, 52, 2 5 5 ; Rheinifche Volks* halle ( K ö l n 1848) 1 2 1 , 1 2 7 , 1 4 2 , 1 9 3 ; Rheinifche Volksftimme ( K e m p e n 1890) 2 3 3 ; Rheinifche Zeitung ( K ö l n 1842/43) 82 ff., 2 5 6 ; N e u e rheinifche Zeitung ( K ö l n 1848/49) 108, 1 2 9 ; Rheinifche Zeitung (Köln=Düffeldorf 1 8 6 2 — 6 7 ) 1 6 5 , 1 7 2 f f . ; Stände=>Ordnung (Koblenz 1906)
•
2 4 0 ; Trierifche Zeitung 97, 1 0 8 ; Weft« deutfche Zeitung 1 2 9 . Zentrumspartei vgl. Parteiwefen. Zinsverbot, kirchliches 2 5 5 . Zölibat 7 3 . Zollwefen, Zollgefetz, Zolltarif, Zollverein 5 f r 45 r 44 ff - 68 ff., 87, 95, 100, 1 4 3 , 155f 1 6 5 , 1 8 5 , 2 2 6 ; Schutzzollpolitik 5, 1 6 5 , 204, 2 1 3 , 2 1 8 , 2 2 6 ; Eifenzölle 2 0 3 ; Zollparlament 1 0 0 , 1 8 2 , 1 8 3 , 184. Zunftwefen 4, 89.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Die Rheinprovinz 1815-1915 Ein Jahrhundert preußischer Herrschaft am
Rhein
In Verbindung mit
L. Baeck, J. Buschmann, W. Cohen, E. v. Czihak, J. Hashagen, Th. Ilgen, W. Kähler, K. Kehrmann, R. Klapheck, Br. Kuske, E. Landsberg, H. Lehmann, K. Ohlert, W. Platzhoff, F. Schultz, M. Schwann, Ed. Simons, F. Stier-Somlo, J. Stübben, U. Stutz, W. Tuckermann, K. Wiedenfeld, A. Wirminghaus, E. Wolff und W. Wygodzinski bearbeitet und herausgegeben von
Joseph Hansen 2 Bände gebunden, Preis 20 Mark.
A
us der ganzen zweitausendjährigen Geschichte der Rheinlande ist das von i 1815—1915 verflossene Jahrhundert eine der reichsten und bewegtesten Zeitspannen. Im Laufe dieses von rastlosem Arbeitsdrang erfüllten Jahrhunderts hat das äußere Leben der Völker im allgemeinen, insbesondere aber des deutschen, auf dem wirtschaftlichen Gebiete Umwälzungen erfahren, wie nie zuvor. Die Rheinprovinz hat diese Entwicklung als ein Glied des preußischen Staates mitgemacht. Sie ist während dieser Zeit schnell und vielseitig aufgeblüht und zusammen mit dem angrenzenden westfälischen Industriegebiet zum wirtschaftspolitischen Schwerpunkt von Staat und Reich geworden. Der vorliegende Überblick über die Geschichte der Rheinprovinz während ihres ersten Jahrhunderts unter preußischer Herrschaft tritt an die Öffentlichkeit zu einer Zeit, wo eine feindliche Koalition von unerhörter Dimension Deutschland bedroht und nicht nur das blühende Leben der gesegneten rheinischen Lande austilgen, sondern auch die Verbindung der Provinz mit Preußen und Deutschland lösen möchte. Eine solche Zeit führt der Provinz die Segnungen ihrer vor hundert Jahren erfolgten Aufnahme in den Verband des waffenstarken preußischen Staates besonders deutlich vor Augen.
Studien zur Rheinischen Geschichte Herausgeber: Dr. jur. Albert Ahn
Heft 1: Niederrheinisches Geistesleben im Spiegel klevischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts. Von Dr. Paul Bensei. Preis 6,— M., mit Teuerungszuschlag 6,60 M. Heft 2: Die Rheinlande und die Preußische Verfassungsreform auf dem ersten Vereinigten Landtag (1847). Von Dr. E.
H e m m e r 1 e.
Preis 6 , — M., mit Teuerungszuschlag 6,60 M.
Heft 3: Preußens Verfassung und Verwaltung im Urteile rheinischer Achtundvierziger. Von Dr. phil. H e l e n e Nathan.
Preis 3,60 M„ mit Teuerungszuschlag 3,90 M.
Heft 4 : Die Rhein- und Moselzeitung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden. Von Dr. phil. Friedrich Mönckmeier. Preis 4 , — M., mit Teuerungszuschlag 4,40 M.
Heft 5 : Beiträge zur Geschichte des Kölner Kirchenstreites von 1837. Von Dr. phil. P a u l V o g e l . Preis 3 , — M., mit Teuerungszuschlag 3 , 3 0 M.
Heft 6 : Das höhere Schulwesen in der Stadt Köln zur französischen Zeit. 1794—1814. Von Dr. phil. W i l h e l m Leyhausen. Preis 2,— M., mit Teuerungszuschlag 2,20 M. Heft 7 : Joseph Görres und die Anfänge der preußischen Volksschule am Rhein. 1814—1816. Von Dr. phil. A l f o n s S c h a g e n . Preis 3 , — M., mit Teuerungszuschlag 3,60 M. Heft 8: Beiträge zur preußischen Finanzpolitik in den Rheinlanden während der J a h r e 1815—1840. Von Dr. phil. E m i l
K ä d i n g.
Preis 3,80 M., mit Teuerungszuschlag 4,20 M.
Heft 9 : Gottfried Kinkel im Kreise seiner Kölner Jugendfreunde nach einer beigegebenen unbekannten Gedichtsammlung. Von Privatdozent Dr. C a r l E n d e r s . Preis 2 , 8 0 M., mit Teuerungszuschlag 3,10 M.
Heft 10: Gottfried Kinkels Kämpfe um Beruf und Weltanschauung bis zur Revolution. Von Dr. M a r t i n B o l l e r t . Preis 3,60 M„ mit Teuerungszuschlag 3,95 M.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Deutsche Gedenktage Reden von
Prof. Dr. Chr. Eckert Geh. Regierungsrat Studiendirektor der Kölner Hochschulen Preis gebunden Mk. 2,90
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as Buch durchzieht der Glaube an Deutschlands Zukunft, aber die wachsende Erkenntnis zugleich, daß Deutschland nach dem Krieg nicht mehr wie vordem werden könne und daß Opfer wie Anstrengungen auch weiterhin notwendig sind, damit unsern Nachfahren gleich Schreckliches erspart bleibt und sie einer besseren Zukunft entgegensehen dürfen. Es enthält Gedanken eines ernsten Vaterlandfreundes mit ausgeprägtem Sinn für die lebendigen Forderungen seiner Zeit, eines Mannes, der selbst seit Kriegsbeginn den feldgrauen Rock trägt. Die Reden sind eine Lektüre für alle Patrioten, die sich über brennende Fragen der Gegenwart unterrichten und die eigenen Anschauungen überprüfen wollen. Sie eignen sich auch für die Schützengräben und lehren die draußen Kämpfenden, daß die Heimat ihrer stets gedenkt und ihnen hilft durchzuhalten bis zum guten Ende. Viele, die die Kriegsereignisse aufmerksam beobachten, werden den vorgetragenen Anschauungen zustimmen, können in ihnen eine Bestätigung des eigenen Wollens und Ansporn zu neuen Leistungen finden.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Grund« und Zukunftsfragen deutscher Politik Von Dr. Fritz Stier-Somlo Professor des öffentlichen Rechts Preis: geheftet 6,— M., mit Teuerungszuschlag 6,60 M., gebunden 7,20 M., mit Teuerungszuschlag 7,90 M.; Feldpostausgabe in 2 Teilen geheftet: 6, - M., mit Teuerungszuschlag 6,60 M.
Auszuge aus Besprechungen: . . . In einer Zeit, wo sich die Gedanken aller Gebildeten in einer bisher kaum beobachteten Weise sowohl mit den Zielen und Methoden der auswärtigen Politik, sowie mit den nach dem Kriege der Erledigung harrenden Fragen der inneren und der Finanz-Politik beschäftigen, mußte es als eine Lücke in dem Schrifttum empfunden werden, daß es an einem handlichen, einheitlich geschriebenen Buche fehlte, das einen annähernd vollständigen Ueberblick über die bedeutsamsten Verfassungs- und Verwaltungsangelegenheiten, sowie über die wichtigsten Fragen der hohen Politik gegeben hätte. Diese Lücke ist das vorliegende Buch auszufüllen geeignet. . . . ( D i e P o s t , Berlin.) . . . Es sei auf das wertvolle Buch Stier-Somlos verwiesen, der auch diese Frage in klarer Darstellung ziemlich erschöpfend beantwortet, und dadurch zugleich die Bedeutung der Politik und die N o t w e n d i g k e i t d e r P o l i t i s i e r u n g nachweist. ( R h e i n . - W e s t f ä l . Z e i t u n g , Essen-Ruhr.) . . . Da ist denn nun geben will auf die Fragen, besonderer Freude nennen (Aus einem
ein Buch erschienen, das dem Deutschen Antwort die auf ihn einstürmen, — ein Buch, das man mit kann Aufsatz in der . D e u t s c h e n W a r t e " , Berlin.)
. . . Wir wünschen seinem prächtigen Buche im Interesse des Vaterlandes die weiteste Verbreitung, da es ein vorzüglicher Erzieher zum politischen Deutschtum zu werden verspricht. . . . (Leipziger Tageblatt.) . . . Jeder, auch der erfahrene Politiker, wird in ihm reiche Anregung und Anlaß finden, über manche Frage unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verfassers sich von neuem Rechenschaft zu geben und die Fülle des Stoffes, die doch nirgends ermüdend oder erdrückend ist, begrüßen. (Oberverwaltungsgerichtsrat L o t z im „T a g", Berlin.) . . . Darum bedeutet dieser vollständige Ueberblick über alle hochwichtigen Fragen der inneren und äußeren Politik eine freudig zu begrüßende Tat. ( A l l g e m e i n e Z e i t u n g , Chemnitz.)
Moderne Wirtschaftsgestaltungen Herausgegeben von Kurt Wiedenfeld Heft 1: Wiedenfeld: Das rheinisch-westfälische Kohlensyndikat. Textband und Anlagenheft (Pläne und Diagramme). Preis 7,50 M., mit Teuerungszuschlag 8,25 M. Das mit zahlreichen Tabellen ausgestattete und klar geschriebene Buch darf wohl als die bisher beste wissenschaftliche Arbeit über das volkswirtschaftlich so bedeutsame deutsche Syndikat gelten. (Frankfurter Zeitung.) Die Beschäftigung mit der Wiedenfeldschen Arbeit kann ganz besonders denjenigen nur dringend angeraten werden, die an der Regelung wirtschaftlicher Fragen nach irgend einer Richtung beteiligt sind. (Marine-Rundschau.)
Heft 2. Joh. Kempkens: Die Ruhrhäfen, ihre Industrie ihr Handel. Industrieplan.
und
Mit Diagrammen und einem großen Hafen- und Preis 5,60 M , mit Teuetungszuschlag 6,15 M.
Dem Verfasser des Heftes ist es gelungen, unter geschickter Benutzung der für seine Arbeit zur Verfügung stehenden Quellen eine von gutem Verständnis für den einschlagigen Stoff zeugende Darstellung Uber die Entwicklung der Ruhrhäfen und ihre Beziehungen zu Handel und Industrie zu geben. (Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen.) Durch fleißiges Materialstudium verbunden mit Ortskenntnis hat Kempkens eine beachtenswerte Arbeit geleistet. (Kölnische Zeitung.)
Heft 3: Wiedenfeld: Sibirien in Kultur und Wirtschaft. Preis 2,20 M., mit Teuerungszuschlag 2,40 M.
Heft 4: Wiedenfeld: Ein Jahrhundert rheinischer Montanindustrie. (Bergbau — Eisenindustrie — Metallindustrie — Maschinenbau 1815—1915.) Preis 5,— M, mit Teuerungszuschlag 5,50 M., geb. 6,— M., mit Teuerungszuschlag 6,60 M. Wer sich mit den Verhältnissen in diesem wichtigen Industriezweig vertraut machen will, der greife zu dem Buch Wiedenfelds, in dem die Materie nicht nur gründlich wissenschaftlich, sondern auch anschaulich und interessant geschildert ist. (Berliner Tageblatt.) Rein sachlich werden die wirtschaftlichen Kräfte aufgezeigt, welchen das Rheinland den Aufschwung seines Großgewerbes verdankt. Auch dem Unternehmertum wird der Verfasser gerecht, obwohl er seine Studien vorwiegend auf Auskünften Beteiligter aufbaut. Gerade in der jetzigen großen Zeit ist es von besonderem Reiz, den Werdegang der Unternehmungen zu verfolgen, welche unsere siegesgewohnten Waffen schmieden. (Köln. Vol k s z e i tung.)
Heft 5: Dr. J. R e m m e : Die Güterschiffahrt auf der Saale und Unstrut. Preis 3,30 M.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Kölner Studien zum Staats« und Wirtschaftsleben Heft 1: Dr. J. Hirsch, Die Filialbetriebe im Detailhandel. Preis 6,— M , mit Teuerungszuschlag 6,60 M.
Heft 2: Wladimir W. Kaplun-Kogan, Die Wanderbewegungen der Juden. Preis 4,— M., mit Teuerungszuschlag 4,40 M. Heft 3: Dr. H. Cl. Schmid-Burgk, Der Wartestand nach deutschem Beamtenrecht. Preis 1.80 M., mit Teuerungszuschlag 2,— M. Heft 4: E. Reinhardt, Die Kupferversorgung Deutschlands und die Entwicklung der deutschen Kupferbörsen. Preis 3,20 M., mit Teuerungszuschlag 3,40 M.
Heft 5: H. Krüer, Die Markthallen und ihre Hilfskräfte als Faktoren der Lebensmittelversorgung in unseren Großstädten. Preis 2,80 M., mit Teuerungszuschlag 2,50 M.
Heft 6: Kurt Rein, Konkurrenzmöglichkeiten der deutschen Feinkeramik am Weltmarkt unter besonderer Berücksichtigung der Porzellanindustrie. Preis 2,20 M., mit Teuerungszuschlag 2,40 M.
Heft 7: Professor Dr. Adolf Weber, Die Lohnbewegungen der G e werkschaftsdem okrati e. Preis 2,— M., mit Teuerungszuschlag 2,20 M.
Heft 8: Dr. Bruno Kuske, Die städtischen Handels- und Verkehrsarbeiter und die Anfänge städtischer Sozialpolitik in Köln bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Preis 3,— M., mit Teuerungszuschlag 3,30 M.
Heft 9: Walter Mahlberg, Über asiatische Wechselkurse. Mit 28 Diagrammen.
Preis 8,40 M., mit Teuerungszuschlag 9,25 M.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Druck der Kölner Verlags-Anstalt und Druckerei, A.-G., Colli.