Pressefreiheit und paritätische Mitbestimmung (Berliner Abhandlungen zum Presserecht) (German Edition) 3428033620, 9783428033621

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Pressefreiheit und paritätische Mitbestimmung (Berliner Abhandlungen zum Presserecht) (German Edition)
 3428033620, 9783428033621

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PETER HANAU

Pressefreiheit und paritätische Mitbestimmung

Berliner Abhandlungen zum Presserecht herausgegeben von Karl August Bettermann, Ernst E. Hirsch und Peter Lerche

Heft 20

Pressefreiheit und paritätische Mitbestimmung

Von

Prof. Dr. Peter Hanau

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte v orbehalten

© 1975 Dunck:er & Humblot, Berlin 41

Gedr uckt 1975 bei Buchdrucker ei Bruno Luck:, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03362 0

Vorwort Der Regierungsentwurf eines Mitbestimmungsgesetzes, das die viel diskutierte paritätische Mitbestimmung in Kapitalgesellschaften mit mehr als 2 000 Arbeitnehmern einführen soll, klammert Unternehmen aus, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet. Dies heißt vor allem: Presseunternehmen soll die paritätische Mitbestimmung nicht vorgeschrieben werden. Es ist eine ernste Frage, ob eine so grundlegende Gesellschaftsreform wie die paritätische Mitbestimmung vor dem gesellschaftspolitisch so wichtigen Bereich der Presse Halt machen darf oder gar muß. Die vorliegende Arbeit versucht darauf eine Antwort zu geben, gestützt vor allem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Grundgesetz. Zugrundegelegt wurde dabei die Ausformung des Paritätsgedankens, wie sie sich in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 7/2172) findet. Ob und in welcher Form dieser Entwurf Gesetz wird, ist zur Zeit noch nicht abzusehen. Die grundsätzliche Problematik einer paritätischen Mitbestimmung in der Presse dürfte aber von der Änderung einzelner Mitbestimmungsmodalitäten nicht berührt werden. Die Arbeit, die aus einem Rechtsgutachten für den Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger hervorgegangen ist, wurde Ende 1974 abgeschlossen. Köln

Peter Hanau

Inhaltsverzeichnis A. Arbeitsteilung und Grundrechtsteilung im Bereich des Art. 5 GG . . . .

13

I. Die beteiligten Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Die institutionellen und finanziellen Träger . . . . . . . . . . . . . . . .

14

2. Die Träger der geistig-ideellen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

3. Die Träger des büromäßigen, technischen und, soweit vorhanden, kaufmännischen Apparats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 11. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen bei Anwendung des geplanten MBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Die betroffenen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

II. Personelle Kompetenzen des Aufsichtsrats nach dem geplanten MBG ...... . ................................................... 20 1. Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2. Sonstige Rechte des Aufsichtsrats einer GmbH bei Anwendung des MBG .......... . .. .............. ... ................. . .... a) Unterrichtung über wirtschaftliche Angelegenheiten . . . . . . b) Überwachung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 25

111. Abstriche von der Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Stichentscheid der Anteilseigner über Bestellung und Ab-

berufung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Der leitende Angestellte im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

3. Stichentscheid der Hauptversammlung gemäß § 111 IV 3 AktG 30 4. Von der Mitbestimmung unberührte Rechte der GmbHGesellschafter gegenüber der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . 31 5. Reservatrechte der Anteilseigner in der GmbH & Co. KG . . . .

34

C. Grenzen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in dem Hochschulurteil des BVerfG vom 29.5.1973 (BVerfG 35, 80) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Art. 5 GG als Organisationsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

8

Inhaltsverzeichnis Il. Beteiligungsrechte der nichtwissenschaftliehen AN im wissenschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ill. Die Garantie der Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

D. Grenzen der Arbeitnehmer- Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung allgemeiner Arbeitnehmervertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Das Postulat einer pluralistischen Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

ll. Die Garantie der privatrechtliehen und privatwirtschaftliehen Pressestruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Ill. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung . . . . . . . . . .

52

1. Das Recht auf freie Gründung von Presseorganen . . . . . . . . . . . .

52

2. Das Recht der Inhaber (Gesellschafter) eines Presseunternehmens auf Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung . . 53 3. Das Recht auf Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung durch den Verleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Die Freiheit der r edaktionellen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor institutionalisiertem Fremdeinfluß . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für das Mitbestimmungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . c) Publizistische Arbeitnehmer-Mitbestimmung im Dienst der Pressefreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 57 60

5. Das Recht zur Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs 62 6. Der wirtschaftliche Tendenzbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten Mitbestimmungsgesetz als allgemeinem Gesetz gemäß Art. 5 II GG . . . . . . . . . . . . 68 I. Grundlagen in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Il. Der verfassungsrechtliche Rang der P ressefreiheit . . . . . . . . . . . . . .

70

III. Der verfassungsrechtliche Rang der qualifizierten Mitbestimmung 71 1. überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

2. Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

3. Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

4. Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

5. Demokratisier ung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Inhaltsverzeichnis IV. Abwägung von Pressefreiheit und Mitbestimmung

9

78

1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

2. Publizistische Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

3. Personelle Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

4. Wirtschaftliche Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

G. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Mitbestimmung in der Presse 84 I. Presserechtliche Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

2. Folgerungen für schuldrechtliche Redaktionsstatute . . . . . . . . . . 85 a) Das Monopol des Betriebsrats für die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Keine Regelung der presserechtliehen Mitbestimmung im BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Folgerungen für Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

4. Landesgesetzgebung

88

5. Bundesgesetzgebung

89

11. "Sozialordnungsrechtliche" Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

H. Die Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf für Zeitungsdruckereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Presserechtlicher Tendenzschutz auch für .,Gewinnstreben" . . . . . .

91

1. Die BAG-Rechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952 . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. § 118 I Nr. 2 BetrVG 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3. § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

li. Zeitungsdruckereien

94

1. Das

Verhältnis zwischen .Z eitungsverlagen und Zeitungsdruckereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

2. Die Rechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. § 118 BetrVG 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

4. § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Mischunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung .... .. . . ...... .. . ... .. 102 c) Lohndruckereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Abkürzungsverzeichnis AfP

Archiv für Presserecht

AG

Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

AN

Arbeitnehmer

Art.

Artikel

AtiR

Arbeit und Recht

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Betriebsberater

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BGH

Bundesgerichtshof

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

DB

Der Betrieb

DJT

Deutscher Juristentag

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

GG

Grundgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

i. V.

in Verbindung

JR

Juristische Rundschau

JZ

Juristenzeitung

KG

Kommanditgesellschaft

KG a.A.

Kommanditgesellschaft auf Aktien

MBG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Entwurf Bundestagsdrucksache 7/2172)

RdA

Recht der Arbeit

UFITA

Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Arbeitsteilung und Grundrechtsteilung im Bereich des Art. 5 GG I. Die beteiligten Gruppen Art. 5 GG gewährleistet u. a. die Freiheit der Presse, des Rundfunks und der Wissenschaft. Nach gedanklichem Ansatz, historischer Entwicklung und systematischer Stellung handelt es sich um Freiheitsrechte der beteiligten Individuen, doch können sie zunehmend nur im arbeitsteiligen Verbund ernstlich wahrgenommen werden. Einzelgänger wie Privatgelehrte, Amateurfunker und der geniale Schriftsteller Karl Kraus mit seinem Ein-Mann-Betrieb der Fackel bilden die Ausnahme. Was zählt, sind die arbeitsteilig organisierten Gebilde der Hochschulen, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Presseverlage. Folgerichtig ist die verfassungsrechtliche Gewährleistung hier nicht rein als Individualrecht formuliert, sondern als Freiheitsgarantie oder wenigstens- postulat für den jeweiligen Tätigkeitsbereich: "Wissenschaft", "Rundfunk", "Presse" sollen frei sein. Gewiß kann ein Tätigkeitsbereich nicht frei sein, wenn die in ihm tätigen Personen nicht frei sind, doch verweist die grundgesetzliche Formulierung zutreffend auf die Einbettung des einzelnen in den arbeitsteiligen Verbund und die Notwendigkeit einer grundrechtskonformen Ausgestaltung dieses Verbundes. Insbesondere kann die volle Tragweite der Pressefreiheit im modernen demokratischen Staat angesichts der verwickelten sozialen Bedingungen der Meinungsbildung, der hier eher zunehmenden Gruppenmacht und des begrenzten Anteil des einzelnen Individuums an diesem Komplex nur in einer umfassenden Sicht entfaltet werden, die von der grundlegenden Rolle der Presse in der Bildung der öffentlichen Meinung ausgeht1 . Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt dies durch die bekannte Lehre von der Ergänzung oder Überwölbung der Individualberechtigungen durch die objektiv-rechtliche oder institutionelle Seite der Grundrechte, insbesondere des Art. 5. Dies zielt nicht darauf ab, den Schutz der Grundrechte zu lockern und sie Einschränkungen eher zugänglich zu machen, sondern sie umgekehrt zu stärken und zusätzlich, insbesondere gegen 1 So Scheuner, Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer 22, 70.

14

A. Arbeitsteilung und Grundrechtsteilung

Zufallsbeeinträchtigungen abzuschirmen2 • Als Beleg sei nur eine typische Formulierung des Bundesverfassungsgerichts wiedergegeben: "Wird damit (d. h. mit der Pressefreiheit) zunächst - entsprechend der systematischen Stellung der Bestimmung und ihrem traditionellen Verständnis - ein subjektives Grundrecht für die im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen gewährt, das seinen Trägern Freiheit gegenüber staatlichem Zwang verbürgt und ihnen in gewissem Zusammenhang eine bevorzugte Rechtsstellung sichert, so hat die Bestimmung zugleich auch eine objektiv-rechtliche Seite. Sie garantiert das Institut freie Presse3." Hervorhebung verdient, daß die Begriffe des institutionellen Schutzes und der objektiven Wertentscheidung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vornehmlich entwickelt worden sind, um den grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich vor einer Relativierung durch solche Regelungen zu sichern, die nicht speziell das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Grundrechtsträger, sondern die Beziehungen von Burgern untereinander betreffen4• Um eine Beziehung von Bürgern untereinander geht es auch bei der Frage nach der Macht- und Rollenverteilung in Presseverlagen. Zu ihrer verfassungsrechtlichen Beantwortung ist daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem die institutionelle Seite der Pressefreiheit auszuwerten. Ergänzend sind die verwandten Kommunikationsgrundrechte der Rundfunkfreiheit und der Wissenschaftsfreiheit heranzuziehen, an d eren Ausübung ebenfalls verschiedene Personengruppen beteiligt sind. Die an der Arbeitsteilung in Wissenschaft, Rundfunk (einschließlich Fernsehen) und Presse beteiligten Personen und Stellen lassen sich übereinstimmend in drei Funktionsgruppen aufteilen: 1. Die institutionellen und finanziellen Träger. 2. Die Träger der geistig-ideellen Aufgabe. 3. Die Träger des büromäßigen, technischen und kaufmännischen Apparats. 1. Die institutionellen und finanziellen Träger

Das sind bei den Hochschulen die Bundesländer; bei Rundfunk und Fernsehen die jeweiligen öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit 2 Werner Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, 1973, 54; Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 1971, 24. 3 BVerfG 20, 175. Ähnlich BVerfG 7, 198, 208; 10, 118, 121; 12, 113, 125; 25, 268. Diese "institutionelle" Betrachtungsweise ist im Schrifttum allerdings nicht unangefochten, wie etwa die Nachweise bei Lerche, Pressekonzentration, 24, zeigen. Daß der Widerspruch des Schrifttums nicht verstummt, zeigen die Ausführungen von H. H. Klein, Der Staat, 1971, S. 145 ff. Die vorliegende Arbeit geht aber von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, da sie zur Zeit die verbindliche Basis zur Beurteilung praktischer Einzelprobleme aus dem Bereich der Pressefreiheit abgibt. 4 Vgl. das Minderheitsvotum der Richter Rupp-von Brünneck und Dr. Simon, BVerfG 35, 154, unter Hinweis auf BVerfG 7, 198 und 25, 256.

I.

Die beteiligten Gruppen

15

ihren Organen; bei der Presse und den presseredaktionellen Hilfsbetrieben die jeweiligen Kapital- oder Personalgesellschaften mit ihren Gesellschaftern und Geschäftsführern. Hier sind auch die Intendanten der Rundfunk- und Fernsehanstalten und die Zeitungsverleger verwurzelt, doch reichen ihre Aufgaben und Befugnisse in den nächsten Funktionsbereich hinein. 2. Die Träger der geistig-ideellen Aufgabe5

Das sind in den Hochschulen die Hochschullehrer, die wissenschaftlichen Mitarbeiter und, insoweit freilich erst in statu nascendi, die Studenten. Für die Rundfunk- und Fernsehanstalten wird der Sammelbegriff des "Programm-Mitarbeiters" verwandt6, Gegenstück zu den "Tendenzträgern" im Pressebereich, zu denen neben den Redakteuren und sonstigen Journalisten auch Fotografen, Archivare und Ähnliche gezählt werden. Hinzu kommen die journalistischen Volontäre. 3. Die Träger des büromäßigen, technischen und, soweit vorhanden, kaufmännischen Apparats

Die Rollenverteilung unter diesen Gruppen wurde bis vor kurzem durch die verwaltungs- bzw. gesellschaftsrechtlich sowie arbeitsrechtlich begründete Weisungsbefugnis der institutionellen Träger und ihrer Organe geprägt. In den geistig-ideellen Tätigkeitsbereichen ließ die Freiheitsgarantie eine unbeschränkte Herrschaft der institutionellen Träger freilich nicht zu. Deshalb kam es hier zu einem Kondominium zwischen der Gruppe 1 und Teilen von Gruppe 2 (Professoren; Programmdirektoren; Chefredakteure usw.), für dessen Leistungsfähigkeit und Problematik die teilautonomen Ordinarienfakultäten und das Zusammenspiel aktiver Verleger und Chefredakteure allbekannte Beispiele bieten. Die übrigen Mitglieder der Gruppe 2 nahmen an der Freiheitsgarantie bis vor kurzem nicht durch kollektive Beteiligungsrechte, sondern durch Individualrechte teil (Freiheit zu eigener wissenschaftlicher Tätigkeit bei den wissenschaftlichen Assistenten; Gesinnungsschutz der Journalisten; Lernfreiheit der Studenten). Die Angehörigen der Gruppe 3 (büromäßig, kaufmännisch oder technisch tätiges Personal) wurden in ihrer beruflichen Tätigkeit bei Angriffen von außen in die Freiheitsgarantie einbezogen, aber nicht in ihrem arbeitsrechts Der Begriff der "geistig-ideellen Aufgabe" wird in dem Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeits- und Sozialordnung zu § 118 BetrVG (zu BT-Drucksache VI, 2729, S. 17) verwendet, um die Tätigkeit der sogenannten Tendenzunternehmen zu charakterisieren. 6 Vgl. zu diesem Personenkreis Hojjmann-Riem, Redaktionsstatute im Rundfunk, 1972, 123.

16

A. Arbeitsteilung und Grundrechtsteilung

liehen Status. Als Gruppe mußten und müssen sie sich sogar verschiedene Rechtsnachteile gefallen lassen: teilweiser Ausschluß von Betriebsverfassung (§ 118 BetrVG 1972) und Personalvertretung; keine Vertretung im Aufsichtsrat von Tendenzunternehmen (§ 81 BetrVG 1952). Heute ist dies, wie bekannt, in Frage gestellt, die Rollenverteilung zwischen den drei Gruppen heiß umstritten. Vor allem die in der Hierarchie unteren Ränge der Gruppe 2 (Assistenten und Studenten, Journalisten) fordern eine wesentlich verbesserte individual- und kollektivrechtliche Position in dem jeweiligen geistig-ideellen Tätigkeits- und Organisationsbereich; die Arbeitsteilung im Bereich des Art. 5 GG soll zur Grundrechtsteilung führen. Aber auch die Angehörigen der Gruppe 3 sind mit der überkommenen Einschränkung ihrer Beteiligungsrechte nicht mehr einhellig einverstanden.

li. Problemstellung Bestrebungen zu einer Änderung der überkommenen Rollenverteilung finden sich zur Zeit vor allem im Bereich der Presse. Hauptangriffspunkt ist hier die von Mitbestimmungsrechten auch nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz nur teilweise eingeschränkte Rechtsposition der Verleger. Würde der von dem Bundesinnenministerium vorgelegte Entwurf eines P·resserechtsrahmengesetzes (Recht der Arbeit 1974, S. 303) ausgeführt, wäre die Rechtsstellung der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger einer grundlegenden Wandlung unterworfen. Gehörten diese Verleger bisher zu den von Mitbestimmungsrechten teilweise freigestellten "Tendenz"-Arbeitgebern, wären sie dann gerade bei den Entscheidungen eingeschränkt, die in der allgemeinen Betriebsverfassung nach wie vor als unternehmerisches Reservat gelten: bei der Bestellung der leitenden Angestellten und bei der Aufstellung der Richtlinien für die Unternehmenspolitik. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die ("paritätische") Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Kapitalgesellschaften mit mehr als 2 000 AN (Bundestagsdrucksache 7/2172) will "Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet", das sind vor allem Presseunternehmen, ausnehmen, doch gibt es auch Bestrebungen zu ihrer ganzen oder teilweisen Einbeziehung7 . Während das Presserechtsrahmengesetz 1 Vgl. die Empfehlung von Ministerialdirigent Dr. Otfried Wlotzke, während der parlamentarischen Beratungen des Mitbestimmungsgesetzes noch einmal darüber nachzudenken, ob der grundsätzlich gebotene Schutz bestimmter Tendenzzwecke einen völligen Ausschluß der Tendenzunternehmen vom Geltungsbereich des Gesetzes erfordere, AuR 1974, 228. Weitergehend

II. Problemstellung

17

gegen die publizistische Position der Verleger gerichtet wäre, würde mit der geforderten Anwendung des geplanten Mitbestimmungsgesetzes ihre wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit beschränkt werden. Unter Berufung auf die Besonderheit der Presse wird die Mitbestimmung des redaktionellen Personals gefordert, wegen der Bindung der Presse an die allgemeinen Gesetze die wirtschaftliche Mitbestimmung aller Arbeitnehmer. Streitig ist dabei vor allem die Abgrenzung des publizistischen Bereichs, der von Redaktionsvertretungen mitbestimmt werden kann, und des wirtschaftlichen Bereichs, der einer Mitbestimmung durch allgemeine ArbeitnehmerVertretungen zugänglich ist. Gegenstand dieser Arbeit ist nur die vorgesehene Ausklammerung der Presseunternehmen aus dem geplanten Mitbestimmungsgesetz. Es soll untersucht werden, ob es sich um den Vollzug eines verfassungsrechtlichen Gebots, eine Folgerung aus der vom Bundesverfassungsgericht anerkannten "institutionellen Eigenständigkeit" der Presse handelt, oder um eine nur politisch bedingte und rechtlich fragwürdige Konzession des Gesetzgebers an die Verleger. Trotz dieser beschränkten Themenstellung kann der Gesamtzusammenhang der Gruppenrivalitäten im Bereich des Art. 5 GG nicht unbeachtet bleiben. Eine Hechtsvergleichung der Mitbestimmungsproblematik im Bereich von Wissenschaft, Rundfunk und Presse empfiehlt sich um so mehr, als das Bundesverfassungsgericht bereits detaillierte Aussagen zur Organisation von Hochschulen und Rundfunkanstalten gemacht hat, während die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Binnenstruktur der Presse noch im Grundsätzlichen verharrt. Im Schrifttum liegen bisher erst wenige und knappe Äußerungen zur verfassungsrechtlichen Beurteilung einer paritätischen oder annähernd paritätischen Mitbestimmung in den Aufsichtsräten von Presseunternehmen vor. Die von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (sogenannte Biedenkopf-Kommission) ist zu dem - nicht näher begründeten - Ergebnis gekommen, das von ihr vorgeschlagene, nicht ganz paritätische Mitbestimmungsmodell solle auch für Tendenzunternehmen gelten, da sich eine Ausnahme nicht mit den Gründen vereinbaren lasse, aus denen sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen rechtfertige 8• Demgegenüber hat Rüthers die Ansicht vertreten, die völlige Ausklammerung der Pressehat der Gewerkschaftstag der IG Druck und Papier 1974 jede Tendenzschutzregelung im BetrVG und in dem geplanten MBG abgelehnt, vgl. Die Feder 1974, Heft 11, S. 6. s Kommissionsbericht V B Nr. 47 (1970 unter dem Titel "Mitbestimmung im Unternehmen" als Buch erschienen). 2 Hanau

A. Arbeitsteilung und Grundrechtsteilung

18

unternehmen aus dem geplanten MBG sei verfassungsrechtlich geboten, da politisch anders gesinnte Arbeitnehmer nicht unbedingt für das wirtschaftliche Gedeihen eines Unternehmers eintreten würden, dessen politische Richtung sie bekämpfen9 • Der Präsident des BAG, Prof. Dr. Gerhard Müller, geht in einer kurzen Bemerkung davon aus, für Presseunternehmen komme allein die Drittelvertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in Betracht10 • Ähnlich sieht Buchner in der vorgesehenen Ausklammerung der Presseunternehmen aus dem MBG eine Bestätigung dafür, daß es mit der Aufgabe der Tendenzunternehmen nicht vereinbar wäre, die Unternehmenspolitik nicht den Tendenzträgern zu überlassen, sondern durch Mitbestimmung zu gewinnen. Wolle man eine freiheitliche, durch Vielfalt geprägte Presse, müsse die Mitbestimmungsforderung zurücktreten11 • Bemerkenswert ist, daß auch Rensehe und Kittner, Rechtsberater des DGB bzw. der IG Metall, annehmen, die institutionelle Auffassung des Art. 5 GG schließe eine egalitäre Mitbestimmung aller Arbeitnehmer in Presseunternehmen aus, weil ihre Funktion in dem durch Art. 5 geschützten Bereich verschieden sei1 2 • Hensche-Kittner lehnen diese institutionelle Auffassung allerdings ab und vertreten die etwas unbestimmte - These, der Gesetzgeber sei frei, für Presseunternehmen eine Unternehmensverfassung zu schaffen, "die zugleich Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer enthält". Der Verfasser hat 1973 die Ansicht vertreten, eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten von Tendenzunternehmen sei verfassungswidrig, da sie die organisierte Ausübung der hinter § 118 BetrVG stehenden Grundrechte unter das Kondominium der AN-Vertreter stelle13• Im folgenden wird geschildert, wie sich eine Anwendung des geplanten MBG auf die Entscheidungstindung in Presseunternehmen auswirken würde (B). Bei der anschließenden verfassungsrechtlichen Würdigung wird unterstellt, daß das MBG verfassungskonform wäre, insbesondere keinen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Anteilseigner und Unternehmer aus Art. 2, 9, 12 u. 14 GG enthielte. Erörtert wird deshalb nur, ob das MBG eine besondere, aus Art. 5 GG abzuleitende Rechtsposition von Verlegern und r edaktionellen Mitarbeitern verletzen würde, wäre es auf Presseunternehmen anwendbar. Dies wird an Hand von Kriterien beurteilt, die sich aus der RechtAfP 1974, 542. MüLLer, Wem das Grundgesetz die Pressefreiheit anvertraut hat, S. 16. u Buchner, ZfA 1974, 172. 12 Hensche/K i ttner, ZRP 1972, 179.

9

10

13

BB 1973, 907.

Il. Problemstellung

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sprechung des BVerfG zu Art. 5 I, III GG ableiten lassen. Aus der institutionellen Ausprägung der Presse-, Rundfunk- und Wissenschaftsfreiheit folgt nach Auffassung des BVerfG keineswegs, daß die Rollenverteilung unter den beteiligten Personen und Personengruppen verfassungsrechtlich nicht vorgeformt sei. Im Gegenteil zieht das Gericht gerade das institutionelle Element des Art. 5 GG heran, um die Rechtsstellung der im Grundrechtsbereich Tätigen aufeinander abzustimmen. In dem Hochschulurteil vom 29. 5. 1973 geht dies bis zum feinsten Austarieren von Stimmverhältnissen. Der verfassungsrechtliche Teil des Gutachtens beginnt deshalb mit einer Untersuchung der Bedeutung dieses Urteils für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (C), nicht so sehr, um direkte Analogien für die Presse zu gewinnen, sondern um vor allem darzutun, wie intensiv die Einwirkung des Art. 5 GG auf Organisationsstrukturen und Mitbestimmungsrechte sein kann, wenn dies zur Durchsetzung der grundrechtliehen Gewährleistung erforderlich ist. In ähnlicher Weise wird die Rechtsprechung des BVerfG zur inneren Ordnung der Rundfunk- und Fernsehanstalten ausgewertet (D). Auf dieser Grundlage wird dann untersucht, welche Folgerungen sich aus der Rechtsprechung des BVerfG zur Pressefreiheit für die Mitbestimmungsproblematik ziehen lassen (E). Dabei ist zu beachten, daß das geplante MBG, anders als möglicherweise ein Presserechtsrahmengesetz oder ein Gesetz über die Fusionskontrolle in der Presse, unzweifelhaft ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 II GG wäre. Deshalb ist auch die Rechtsprechung des BVerfG heranzuziehen, nach der ein Kernbereich der durch Art. 5 umhegten Freiheiten selbst gegen allgemeine Gesetze immun ist. Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung einer Mitbestimmung in Presseunternehmen steht mithin das Grundrecht der Pressefreiheit im Vordergrund. Weniger problematisch ist jedenfalls für das MBG die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Kurz ist aber auch darauf einzugehen (F), zumal das Projekt eines Presserechtsrahmengesetzes zeigt, daß Mitbestimmungsregelungen in der Presse ganz verschiedener Art sein können, nämlich presserechtlich oder "sozialordnungsrechtlich". Der Schluß kehrt zu der positiv-rechtlichen Regelung des geplanten MBG zurück und untersucht, unter welchen Voraussetzungen Zeitungsdruckereien unter die Ausnahmeregelung des § 1 IV Nr. 2 fallen würden (G).

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen bei Anwendung des geplanten Mitbestimmungsgesetzes (MBG) I. Die betroffenen Unternehmen Eine verläßliche Liste der Presseunternehmen, die durch § 1 IV Nr. 2 MBG von der Mitbestimmung freigestellt würden, liegt noch nicht vor. Genaue Feststellungen lassen sich auch schwer treffen, weil die Anwendung des Gesetzes von teilweise sehr verwickelten gesellschaftsrechtlichen Tatbeständen und von der Zahl der Arbeitnehmer (AN) abhängt. Eine ganz große Unbekannte sind die Zeitungsträger. Ob sie allgemein und in der Betriebsverfassung als AN gelten können, ist zweifelhaft. Rechnet man sie dazu, würden wohl die meisten größeren und mittleren Tageszeitungen die Mindestzahl von 2 000 AN aufweisen, die für die Anwendung des MBG verlangt werden soll. Aber auch wenn man die Zeitungsausträger wegläßt, würden zahlreiche Verlage oder Verlagsgruppen über der Grenze von 2 000 AN liegen. Eine vorläufige Aufstellung der Deutschen Angestelltengewerkschaft nennt: Axel Springer AG; Bertelsmann AG; Burda GmbH, Du Mont Schauberg GmbH; Frankfurter Sociätätsdruckerei GmbH; Gruner & Jahr GmbH; Rheinisch-Bergische Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH; Süddeutscher Verlag GmbH; W. Giradet. Diese Aufzählung wird nicht erschöpfend sein. Sie mag aber einen Anhaltspunkt für die Bedeutung der Problematik geben. II. Personelle Kompetenzen des Aufsichtsrats nach dem geplanten MBG 1. Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer

Das wichtigste Vehikel der Mitbestimmung, wie sie von dem MBG eingeführt oder ausgebaut werden soll, ist bekanntlich der Aufsichtsrat. Er soll zur Hälfte mit Vertretern der AN besetzt werden, darunter einem leitenden Angeseilten und, je nach Größe, zwei oder drei Vertretern von Gewerkschaften, die in dem Unternehmen vertreten sind (Einzelheiten in §§ 6 ff. MBG). Während die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei allen unter das Gesetz fallenden Gesellschaftsformen (AG; GmbH; GmbH & CO. KG; KG a. A.; Erwerbs- und Wirtschafts-

II. Personelle Kompetenzen des Aufsichtsrats

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genossenschaft) gleich sein soll, sollen seine Befugnisse mit der Gesellschaftsform variieren. Die Presseunternehmen, die wahrscheinlich die allgemeinen Kriterien des Gesetzes erfüllen würden, werden ganz überwiegend als GmbH betrieben, zum kleinen Teil als GmbH & Co., in einem oder zwei besonders wichigen Fällen (u. a. Axel Springer AG) als AG. Von entscheidender Bedeutung ist deshalb, welche Auswirkung die Geltung des Gesetzes für den Aufsichtsrat solcher Presseunternehmen hätte. Die wichtigste gesetzliche Befugnis des Aufsichtsrats liegt nach dem MBG auf personellem, nicht unmittelbar auf wirtschaftlichem Gebiet. Dem Aufsichtsrat obliegt die Bestellung und der Widerruf der Bestellung der zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organe, bei der AG also der Vorstandsmitglieder, bei der GmbH der Geschäftsführer. Die Bestellung kann höchstens auf 5 Jahre erfolgen, so daß der Aufsichtsrat immer wieder Gelegenheit hätte, seinen personalpolitischen Einfluß geltend zu machen. Diese zeitliche Befristung soll im Gegensatz zum bisherigen Recht auch für die Geschäftsführung der GmbH gelten. Die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers, der für längere Zeit in sein Amt berufen ist, soll nach Ablauf von 5 Jahren seit dem lokrafttreten des Gesetzes jederzeit widerrufen werden können. Auch wenn sich im Aufsichtsrat keine Mehrheit für den Widerruf findet, ist er auszusprechen, wenn es von allen AN-Vertretern im Aufsichtsrat verlangt wird (§ 33 III MBG). Darüber hinaus sollen die von dem Gesetz erfaßten Aufsichtsräte ganz allgemein das Recht haben, die Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Vertretungsorgans zu vertreten (§ 23 I Nr. 2 MBG i. V. mit § 112 AktG). Dies umfaßt vor allem die Festsetzung der Bezüge. Auch wenn man diese als heikel geltende Angelegenheit dem Aufsichtsratspräsidium überläßt, unterliegt sie im mitbestimmten Aufsichtsrat dem AN-Einfluß, zumal ein AN-Vertreter stets Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats sein soll (§ 24 I 2 MBG). Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung sind in Presseunternehmen von besonderer Bedeutung, da sie auch die verlegerisch tätigen Geschäftsführer einschließen. Verleger im Rechtssinn sind nicht allein die Anteilseigner einer Presse-AG oder GmbH, sondern auch oder sogar nur, ein oder mehrere Mitglieder des VertretungsorgansH. Insbesondere können die entscheidenden publizistischen Rechte des Verlegers, nämlich die Grundhaltung der Zeitung mit Wirkung gegenüber 14 Vgl. auch § 2 V des Entwurfs eines Presserechtsrahmengesetzes: Verleger im Sinne dieses Gesetzes ist diejenige natürliche Person oder Personenmehrheit, die als Inhaber, geschäftsführender Gesellschafter oder in vergleichbarer Stellung die tatsächliche Leitung des Verlagsunternehmens ausübt (abgedruckt RdA 1974, 303).

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

den Redakteuren festzusetzen und zu ändern, in diesem Rahmen Richtlinien für die redaktionelle Arbeit aufzustellen sowie den Chefredakteur zu bestellen und abzuberufen, nach außen hin wirksam nur von Mitgliedern des Vertretungsorgans, nicht von bloßen Gesellschaftern ausgeübt werden. Die Anwendung des MBG auf Presseunternehmen würde deshalb nicht weniger bedeuten, als daß den AN-Vertretern im Aufsichtsrat nach Maßgabe ihres Stimmrechts Einfluß auf Bestellung und Abberufung des Verlegers eingeräumt würde. Den Anteilseignern bestehender oder neu zu gründender Pressegesellschaften, die die allgemeinen Kriterien des MBG erfüllen, wäre das Recht beschränkt, nach freiem Entschluß entweder selbst die Geschäftsführung und damit die Verlegerfunktion nach außen zu übernehmen oder Personen ihrer Wahl mit dieser Funktion zu betrauen. Bisher war und ist es zudem bei den in Form einer GmbH oder GmbH & Co. geführten Presseunternehmen möglich, einzelne publizistisch besonders engagierte und befähigte Personen aus dem Kreis der Anteilseigner oder von außerhalb auf Dauer zu Geschäftsführern zu berufen und ihnen damit eine beträchtliche Unabhängigkeit zu verschaffen. Die Anwendung des MBG würde dies ausschließen, da sich auch die Geschäftsführer der unter das Gesetz fallenden GmbHs spätestens alle fünf Jahre der Wahl durch Anteilseigner- und ANVertreter stellen müßten. Dies kann zu einer beträchtlichen Einengung des publizistischen Spielraums von Verlegern zugunsten von Anteilseignern und Arbeitnehmern führen. Dieser Verlust an publizistischer Selbständigkeit würde auch nicht dadurch wettgemacht, daß die Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH nach § 28 MBG i. V. mit § 84 III AktG nur aus wichtigen Gründen abberufen werden können, während das GmbH-Gesetz einen Widerruf jederzeit zuläßt und nur dem Gesellschaftsvertrag gestattet, den Widerruf an das Vorliegen wichtiger Gründe zu knüpfen (§ 38 GmbHG). Denn in den Fällen der hier behandelten Art wird der Gesellschaftsvertrag regelmäßig eine entsprechende Bestimmung vorsehen, die dann sogar den Widerruf stärker erschwert als § 84 AktG, der auch den Vertrauensentzug durch die Anteilseigner als wichtigen Grund ausreichen läßt15 • Durch die Mitwirkung bei Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer würden die AN-Vertreter im Aufsichtsrat einer Presse-AG bzw. GmbH mittelbar Einfluß auf die grundlegenden publizistischen, personellen und wirtschaftlichen Kompetenzen 1s Vgl. Baumbach!Hueck, GmbH, 13. Aufl., § 38, 3, wonach im GmbHRecht das bloße Mißtrauensvotum der Gesellschafter nicht als wichtiger Grund für die Abberufung der Geschäftsführer gilt.

II. Personelle Kompetenzen des Aufsichtsrats

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erlangen, die dem Vertretungsorgan der Gesellschaften zustehen. Dies gilt sogar, wie erwähnt, für so tendenzbezogene Angelegenheiten wie die Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung gegenüber den Redakteuren sowie die Einstellung oder Entlassung des Chefredakteurs. Bei der GmbH wird der so erreichbare Einfluß der AN-Vertreter im Aufsichtsrat allerdings durch das Weisungsrecht der Gesellschafter abgeschwächt (dazu unten S. 31). 2. Sonstige Rechte des Aufsichtsrats einer GmbH bei Anwendung des MBG

Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vertretungsorgans sind nach dem Regierungsentwurf eines MBG die wichtigsten Befugnisse des Aufsichtsrats. Während insoweit kein Unterschied zwischen AG und GmbH besteht, variieren die übrigen Rechte des Aufsichtsrats mit der Gesellschaftsform. Da die Presseunternehmen, die die allgemeinen Kriterien des MBG erfüllen würden, ganz überwiegend in der Form einer GmbH oder GmbH und Co. KG betrieben werden, werden im folgenden nur diese Gesellschaftsformen behandelt. Das geltende GmbHG gibt nur dem auf Gesellschaftsvertrag beruhenden Aufsichtsrat einen eigenen, subsidiären Zuständigkeitsbereich (§52). § 23 I Nr. 2 MBG verweist deshalb auf die §§ 90 III, IV, V S. 1 und 2, 107-116, 118 II, 125 III, 171, 268 II AktG. Es folgt damit dem Vorbild von § 77 BetrVG 1952, der die Rechtsstellung der GmbH-Aufsichtsräte, die zu einem Drittel mit AN-Vertretern zu besetzen sind, ebenfalls durch Bezugnahme auf einzelne Bestimmungen des Aktienrechts regelt.

a) Unterrichtung über wirtschaftliche Angelegenheiten § 90 AktG betrifft die Berichte, die der Vorstand dem Aufsichtsrat zu erstatten hat. In Abs. 1 und 2 ist eine regelmäßige Berichterstattung über alle wichtigen Angelegenheiten der Gesellschaft vorgesehen; dies soll in der mitbestimmten GmbH nicht gelten. Wohl aber soll § 90 III AktG übernommen werden, nach dem der Aufsichtsrat vom Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen kann über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen, sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. Auch ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht, jedoch nur an den Aufsichtsrat, verlangen; lehnt der Vorstand die Berichterstattung ab, kann der Bericht nur verlangt werden, wenn ein anderes Aufsichtsratsmitglied das Verlangen unterstützt.

Ergänzend bestimmt § 171 AktG, der gleichfalls für die mitbestimmte GmbH gelten soll, daß der Aufsichtsrat den Jahresabschluß, den

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

Geschäftsbericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen hat. Für Presseunternehmen würde die Anwendung dieser Vorschriften eine ganz neue Rechtslage bedeuten. Denn § 118 BetrVG 1972 gewährt diesen Unternehmen wie schon das frühere Recht einen "Tendenzschutz", der vor allem darin besteht, daß kein Wirtschaftsausschuß zu errichten ist, die ihm geschuldete Information somit unterbleiben kann. In Tendenzunternehmen gilt nicht einmal die Vorschrift des § 110 BetrVG, nach der der Unternehmer mindestens einmal in jedem Kalendervierteljahr die Arbeitnehmer schriftlich über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens zu unterrichten hat. Die Anwendung des MBG auf Tendenzunternehmen würde diese Regelung durch eine fast uneingeschränkte Informationspflicht ersetzen. Die Geschäftsleitung wäre in der Regel nicht einmal dazu berechtigt, den AN-Vertretern im Aufsichtsrat Geschäftsgeheimnisse vorzuenthalten (vgl. Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, § 90, 7; § 93, 39).

b) Überwachung der Geschäftsführung Weitere Rechte des Aufsichtsrats einer GmbH würden sich bei Anwendung des MBG aus der Verweisung auf § 111 AktG ergeben. § 111 I beruft den Aufsichtsrat zur Überwachung des Vorstandes; Abs. II gibt dem Aufsichtsrat zu diesem Zweck das Recht, Bücher, Schriften und Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zu prüfen. Würde dies auf Presseunternehmen angewandt, wären die AN-Vertreter im Aufsichtsrat mit zur Überwachung der gesamten wirtschaftlichen und publizistischen Tätigkeit der Geschäftsführung berufen. Für den Umfang der Überwachungspflicht könnten die Grundsätze herangezogen werden, die für die nach § 77 BetrVG 1952 mitbestimmten Gesellschaften mit beschränkter Haftung anerkannt sind (vgl. Baumbach-Hueck, GmbHG, 13. Aufl., S. 494). Zu überwachen sind danach vor allem die Geschäftsführer, aber auch die Angestellten. Doch kann der Aufsichtsrat den Angestellten nicht unmittelbar Weisungen erteilen, sondern muß sich an die Geschäftsführer wenden. Zu überwachen ist nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit aller Maßnahmen, und, was für die AN-Vertreter besonders bedeutsam ist, die Berücksichtigung der sozialen Belange. Die Überwachungspflicht liegt jedem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats ob. Die Überwachungspflicht wird also sehr weit gespannt. In Presseunternehmen würde sie bei uneingeschränkter Anwendung nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die publizistischen Angelegenheiten betreffen, soweit sie von der Geschäftsführung überhaupt beeinflußt

Il. Personelle Kompetenzen des Aufsichtsrats

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werden können und nicht zu den Reservatrechten der Redaktion (z. B. Detailkompetenz) gehören. Mit einer so weitgehenden Überwachung der verlegerischen Tätigkeit durch AN-Vertreter würde den bisherigen Wertungen des Betriebsverfassungsrechts, die § 118 BetrVG 1972 noch einmal bekräftigt hat, eine besonders deutliche Absage erteilt. Der "Tendenzschutz", wie er in § 118 verankert ist, beruht auf der Annahme, daß die ANVertreter weder auf die wirtschaftlichen noch auf die geistig-ideellen Angelegenheiten der Tendenzunternehmen Einfluß nehmen sollen. Nur über klar abgegrenzte soziale Tatbestände nach Art der §§ 87, 112 und allenfalls über die sozialen Aspekte personeller Maßnahmen ist ein Mitbestimmungsrecht vorgesehen. An die Stelle dieser sorgsam differenzierenden Regelung träte bei einer Anwendung des MBG die Allzuständigkeit der AN-Vertreter im Aufsichtsrat. Das Überwachungsrecht des Aufsichtsrats schließt allerdings kein Weisungsrecht ein. Erfahrungsgemäß arrangieren sich aber die Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder freiwillig mit ihrem Aufsichtsrat, müssen sie sonst doch mit Abberufung oder Nichtverlängerung ihres Vertrages rechnen. c) Zustimmungsvorbehalte

Zu den Bestimmungen, die nach § 23 I Nr. 2 MBG auf die Aufsichtsräte der mitbestimmten Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar sein sollen, gehört weiterhin § 111 IV AktG. Danach können Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann jedoch bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Da das AktG die Satzung und den Aufsichtsrat selbst gleichermaßen zur Festlegung solcher Zustimmungsvorbehalte ermächtigt, ist der Aufsichtsrat der AG nach herrschender Meinung nicht an eine Begrenzung seiner Rechte durch die Satzung gebunden. Nach Auffassung von Martens (ZHR 1974, 221) kann dies nicht auf die GmbH übertragen werden, weil hier Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung anders als im Aktienrecht in einem Konkurrenzverhältnis um die Durchsetzung ihres gesellschaftspolitischen Einflusses stünden. In der GmbH könnten die Gesellschafter ihr Weisungsrecht (dazu noch unten S. 31) umfassend einsetzen, um die Geschäftsführung zum bloßen Vollzugsorgan zu degradieren, während der Aufsichtsrat nur in Einzelfällen seinen Einfluß geltend machen könne. Jede Ausweitung der geschäftsleitenden Mitspracherechte des Aufsichtsrats impliziere somit nicht nur einen Autonomieverlust der Geschäftsführung,

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

sondern primär eine Einbuße an Entscheidungseinfluß, der sonst den Gesellschaftern zukommt. Die Gesellschafter müßten deshalb das Recht haben, die geschäftsleitenden Mitbestimmungsrechte des Aufsichtsrats im Gesellschaftsvertrag einzugrenzen, dürften diese allerdings nicht auf Null reduzieren, weil sie damit tragende, vom Gesetz vorgesehene Funktionen beseitigen würden. Folgt man dem, liegt es weitgehend in der Hand der Gesellschafter, welche Zustimmungsvorbehalte dem Aufsichtsrat einer mitbestimmten GmbH eingeräumt werden. Und selbst wenn man auch diesen Aufsichtsräten unabhängig von dem Gesellschaftsvertrag das Recht gäbe, den Kreis der zustimmungsbedürftigen Geschäfte festzulegen, könnte ein entsprechender Beschluß gegen das einhellige Votum der Anteilseigner (deren Anwesenheit oder schriftliche Stimmabgabe vorausgesetzt) im Aufsichtsrat nicht gefaßt werden. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß der durch Zustimmungsvorbehalte ermöglichte unmittelbare Einfluß des mitbestimmten Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung keine Schmälerung der bisherigen Machtstellung der Gesellschafter bedeute, da er nicht gegen ihren Willen begründet werden kann. Eine solche Argumentation würde übersehen, daß die Gesellschafter starken Sachzwängen unterliegen, wenn sie im Gesellschaftsvertrag oder durch Aufsichtsratsbeschluß einzelne, besonders bedeutsame Geschäfte an die Zustimmung des Aufsichtsrats binden. Dies beginnt mit dem simplen Umstand, daß die Geschäftsführer der GmbH mit dem Kapital der Gesellschafter wirtschaften, so daß diese schon im eigenen Interesse Einfluß auf die Geschäftsführung nehmen müssen. Hinzu kommt, daß der Aufsichtsrat zu sorgfältiger und gewissenhafter Handhabung der Überwachung verpflichtet ist. Versäumt er dies, wird er der Gesellschaft und mittelbar den Gläubigern haftbar (§§ 93, 116 AktG i. V. mit § 23 I Nr. 2 MBG). Um dieses Haftungsrisiko zu vermindern, kommen die Gesellschafter kaum umhin, besonders schwerwiegende Unternehmungen der Geschäftsführung von der Zustimmung ihrer Vertreter im Aufsichtsrat abhängig zu machen. In der GmbH ist eine Kontrolle der Geschäftsführung durch die Gesellschafter zwar auch durch Informations- und Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung möglich, doch kann aus Zweckmäßigkeitsgründen die Einschaltung eines Aufsichtsrats erforderlich sein. Daraus ergibt sich, daß die Gesellschafter häufig gar nicht umhin können, dem Aufsichtsrat der mitbestimmten GmbH das Recht einzuräumen, durch Zustimmungsvorbehalte in die Geschäftsführung einzugreifen. Bei einer Anwendung des MBG auf Presseunternehmen würde dies den AN-Vertretern im Aufsichtsrat unmittelbaren Einfluß auf die bedeutsamsten wirtschaftlichen und publizistischen Angelegenheiten des Unternehmens einräumen.

III. Abstriche von der Parität

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Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einem Geschäft, können der Vorstand bzw. die Geschäftsführung allerdings verlangen, daß die Hauptversammlung bzw. die Gesellschafterversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Versammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens 3 /4 der abgegebenen Stimmen umfaßt (§ 111 IV AktG). Theoretisch wäre es also möglich, daß die Geschäftsführung einer mitbestimmten GmbH an die Gesellschafterversammlung appelliert, wenn der Aufsichtsrat mit den Stimmen aller oder der meisten AN-Vertreter gegen den Willen aller oder der meisten Gesellschafter-Vertreter die erforderliche Zustimmung zu einem geplanten Geschäft verweigert. Die AN-Vertreter im Aufsichtsrat würden es indessen in der Regel also groben Affront betrachten, wenn ihr paritätischer Einfluß im Aufsichtsrat von der Geschäftsführung durch Einschaltung der Gesellschafterversammlung ausgehebelt würde. Eine Geschäftsführung, die dies unternähme, müßte in der Zukunft, insbesondere bei einer Entscheidung über ihre Abberufung oder Wiederbestellung, mit der Gegnerschaft der AN-Vertreter im Aufsichtsrat rechnen. Man wird deshalb annehmen müssen, daß es in einer dem MBG unterfallenden AG oder GmbH nur selten zu einer Anrufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung gemäß § 111 IV 3 AktG kommen würde. Kommt es aber doch einmal soweit, kann bereits eine Minderheit der Gesellschafter, die über etwas mehr als 25 °/o der Stimmen verfügt, die Erteilung der Zustimmung verhindern. All dies läßt den Zustimmungsvorbehalt zu einem effektiven Instrument der Mitbestimmung werden (ebenso Martens, ZHR 1974, 211, und Thomas Raiser, Festschr. Ludwig Raiser, S. 362, 368, der aufgrund der Feststellungen der EiedenkopfKommission sogar annimmt, daß bei paritätischer Mitbestimmung generell auch die der Hauptversammlung vorbehaltenen Beschlußgegenstände zum Verhandlungsobjekt im Aufsichtsrat werden). Weitere hier nennenswerte Rechte stünden dem Aufsichtsrat einer GmbH nach dem MBG nicht zu. III. Abstriche von der Parität 1. Stichentscheid der Anteilseigner über Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführung

Der Einfluß der AN-Vertreter im Aufsichtsrat ist naturgemäß je größer, desto näher ihre Vertretung an die Parität heran kommt. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines MBG sieht bekanntlich keine vollkommen paritätische Mitbestimmung vor. Das Letztentscheidungsrecht der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung in An-

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

gelegenheiten, zu denen die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist, wurde schon erwähnt. Weitere Abstriche von der Parität betreffen Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung und damit die wichtigste Kompetenz des Aufsichtsrats. Hier ist der Versammlung der Anteilseigner durch einen an viele Kautelen geknüpften Stichentscheid ein gewisser Vorrang eingeräumt (§ 28). Das vorgesehene Verfahren ist aber so langwierig und kompliziert, daß es ein von den AN-Vertretern im Aufsichtsrat einhellig abgelehnter Kandidat für die Geschäftsführung entweder gar nicht oder so angeschlagen überstehen wird, daß er wegen allzu vieler Widerstände bald den Hut nehmen muß. Dies entspricht auch der Absicht der Bundesregierung, die ein so kompliziertes Verfahren gerade gewählt hat, um den Anteilseignern zwar de jure das letzte Wort bei der Bestellung der Geschäftsführung zu belassen, de facto aber zu paritätischer Entscheidung zu kommen. Bei der ersten Lesung des MBG im Deutschen Bundestag hat Bundesminister Arendt dazu geäußert, es handele sich nur theoretisch um eine nichtparitätische Regelung. Praktisch werde man sich auch in Zukunft vorher über die zu wählenden Personen verständigen und sie im Regelfall einstimmig wählen (stenographisches Protokoll der 110. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages, S. 7463). Man wird dieser Ansicht eines hervorragenden Sachkenners nichts entgegensetzen können, zumal sich aus dem Bericht der Eiedenkopf-Kommission entnehmen läßt, daß die Unternehmensleitungen in dem Bereich der Montanmitbestimmung gar nicht erst den Versuch machen, Widerstände des AN-Flügels im Aufsichtsrat durch Anrufung der Hauptversammlung zu überspielen (vgl. Th. Raiser, Festschr. Ludwig Raiser, 1974, S. 360). Deshalb ist bei jeder Würdigung des MBG davon auszugehen, daß den AN praktisch ein paritätischer Einfluß auf die Bestellung der Vertretungsorgane der unter das Gesetz fallenden Gesellschaften eingeräumt werden soll (ebenso Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, 1974, S. 18, 66). Ganz wertlos ist der Stichentscheid, wenn man ihn mit dem Wortlaut des Entwurfs nur auf die Bestellung der Geschäftsführer und nicht auf die F'estlegung ihrer Anstellungsbedingungen bezieht (vgl. Ballerstedt, ZRP 1974, S. 291). Denkbar ist sogar, daß ein Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer gegen den Willen aller Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat bestellt oder abberufen wird, wenn ein Aufsichtsratssitz der Anteilseigner vakant ist. Gemäß § 101 III AktG läßt sich eine solche Vakanz aber durch Bestellung von Ersatzmitgliedern vermeiden. Dies soll nach § 6 MBG für alle unter das Gesetz fallenden Gesellschaftsformen gelten. Die bloße Abwesenheit eines Aufsichtsratsmitgliedes soll dagegen nach dem MBG-Entwurf bei der Bestellung (und ihrem Widerruf) des Mitglieds eines Vertretungsorgans nicht zur Majorität der anderen Seite führen, da

III. Abstriche von der Parität

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§ 28 III für solche Entscheidungen die Mehrheit der Stimmen aller vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder verlangt. § 28 IV spricht allerdings ohne nähere Qualifikation von einer Mehrheit, doch wird man dies nicht anders auslegen können als in Abs. III.

Zu beachten ist weiterhin, daß nach § 84 II AktG i. V. mit § 23 MBG die Benennung des Vorsitzenden des Vorstands oder der Geschäftsführung von dem paritätischen Aufsichtsrat vorgenommen werden soll, ohne daß den Vertretern der Anteilseigner das Recht des Stichentscheides gegeben ist. Zur Beschlußfassung ist hier nicht einmal die Mehrheit aller Aufsichtsratsmitglieder erforderlich, da nach § 26 MBG Beschlüsse des Aufsichtsrats in der Regel nur der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen. Abwesende Mitglieder können ihre Stimmen allerdings schriftlich abgeben(§ 108 III AktG i. V. mit§ 23 I MBG). Nach § 28 V soll die Regelung des Stichentscheides für den Widerruf der Bestellung eines Mitglieds des zur gesetzlichen Vertretung befugten Unternehmensorgans entsprechend gelten. Die Bedeutung des Stichentscheids ist hier besonders gering, da auch ein von den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat einhellig abgelehntes Mitglied des Vertretungsargans bis zum Abschluß des in § 28 II- IV normierten Verfahrens weiter amtieren könnte, wenn er von den AN-Vertretern einhellig unterstützt wird. Die Regelung des Widerrufs der Bestellung ist deshalb von voller Parität nur um Haaresbreite entfernt. Das Widerrufsverfahren könnte allerdings beschleunigt werden, wenn man die entsprechende Anwendung des § 28 nicht auf die Absätze 3 und 4 S. 1 erstreckt, die für den Widerruf nicht passen. 2. Der leitende Angestellte im Aufsichtsrat

Der DGB macht in seinen bekannten öffentlichen Stellungnahmen geltend, daß der Aufsichtsrat nach dem MBG-Entwurf der Bundesregierung nicht paritätisch besetzt sei, da ein leitender Angestellter auf die Arbeitnehmerseite plaziert werden solle. Nach Ansicht des DGB beträgt das Stimmenverhältnis in einem 20köpfigen Aufsichtsrat nach dem MBG-Entwurf nicht 10: 10, sondern 11 (Anteilseignervertreter und der leitende Angestellte als ihr Sympathisant) zu 9 (AN-Vertreter). In der Tat heben sich die leitenden Angestellten von der übrigen Arbeitnehmerschaft durch ihre betonte Verpflichtung auf die Interessen des Unternehmens ab. Die Unternehmerische Funktion der leitenden Angestellten wird in der Rechtsprechung des BAG zu § 5 III BetrVG besonders hervorgehoben (vgl. DB 1974, 826). Dies darf aber nicht mit einer Parteinahme für die Anteilseigner verwechselt werden. Das Unternehmen, insbesondere das mitbestimmte Unternehmen, ist kein alleiniges Instrument der Anteilseigner, sondern eine übergreifende Organisation, in der die Interessen von Anteilseignern und Arbeitneh-

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B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

mern zu berücksichtigen und abzustimmen sind. Der leitende Angestellte wird deshalb durch die Verpflichtung auf das Unternehmen nicht in das Lager der Anteilseigner gerückt, sondern in eine Mittelstellung zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern. Arithmetisch ausgedrückt: Würde das MBG einen für seine Gruppe repräsentativen leitenden Angestellten in den Aufsichtsrat bringen, stünde das Stimmverhältnis in einem 20köpfigen Aufsichtsrat 10 1/2 (Anteilseigner) zu 9 1/2 (Arbeitnehmer). Der Entwurf der Bundesregierung will aber keinen für seine Gruppe repräsentativen leitenden Angestellten in den Aufsichtsrat bringen. Vielmehr ist vorgesehen, daß auch der leitende Angestellte im Aufsichtsrat von einem Wahlmännergremium gewählt wird, in dem leitende Angestellte weit in der Minderzahl sind. Ein Einfluß der leitenden Angestellten auf die Auswahl ihres Vertreters im Aufsichtsrat soll nur dadurch gegeben sein, daß entsprechende Wahlvorschläge von einem Fünftel oder 100 der wahlberechtigten leitenden Angestellten des Unternehmens unterzeichnet sein müssen. Dies wäre unerheblich, wenn die leitenden Angestellten eine homogene Gruppe wären. Das sind sie aber nicht, wie ihr Organisationsverhalten belegt. Während ein Teil der leitenden Angestellten in den Verbänden der ULA organisiert ist, die auf ihre Eigenständigkeit pochen, hat sich ein anderer Teil den DGB-Gewerkschaften angeschlossen und damit weitgehend in die allgemeine AN-Solidarität eingereiht. Es ist zu vermuten, daß die Einführung paritätischer Mitbestimmung weitere leitende Angestellte zur Anlehnung an DGB-Gewerkschaften veranlassen wird, da ein Aufstieg in Spitzenpositionen gegen den Einspruch der im Unternehmen einflußreichen Gewerkschaften bei Anwendung des MBG schwer möglich sein wird. In jedem Fall würde das MBG in der Fassung des Regierungsentwurfs denjenigen Wahlvorschlägen der leitenden Angestellten zum Erfolg verhelfen, die den meisten Arbeitern und nicht-leitenden Angestellten im Wahlmännergremium genehm sind. Deshalb würden überwiegend solche leitenden Angestellten in die Aufsichtsräte einziehen, die der allgemeinen Arbeitnehmerschaft nahestehen, jedenfalls näher als den Anteilseignern. Ein erheblicher Abstrich von der Parität liegt deshalb auch in der Beteiligung leitender Angestellter, wie sie im Regierungsentwurf vorgesehen ist, nicht (ebenso im Ergebnis Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 66, Ballerstedt, ZRP 1974, S. 293). 3. Stichentscheid der Hauptversammlung gemäß § llliV 3 AktG

Dazu schon oben S. 27.

III. Abstriche von der Parität

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4. Von der Mitbestimmung unberührte Rechte der GmbH-Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung

Der Ansatz der Mitbestimmung beim Aufsichtsrat ist besonders bei der AG geeignet, den AN zu weitgehendem Einfluß auf das Geschick der Gesellschaft zu verhelfen. Denn der Aufsichtsrat bestellt die Vorstandsmitglieder, denen die selbständige Führung der Geschäfte obliegt. Da die Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen werden und keinen Weisungen der Anteilseigner unterliegen, werden sie in einer paritätisch mitbestimmten AG ihre Geschäftspolitik möglichst so ausrichten, daß sie die Billigung von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat findet. Dagegen unterliegen die Geschäftsführer der GmbH nach dem geltenden GmbHG den Weisungen der Gesellschafter. Nach § 37 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Auch die Rechte, welche den Gesellschaftern in den sonstigen Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 45 GmbHG). Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, unterliegen der Bestimmung der Gesellschafter nach § 46 GmbHG u. a.: die Feststellung der Jahresbilanz und die Verteilung des Reingewinns; Maßregeln zur Prüfung und Dberwachung der Geschäftsführung; im Innenverhältnis die Entscheidung über die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb. Im Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmt werden, daß die Geschäftsführer bei Ausübung ihrer Befugnisse im publizistischen Bereich die Weisungen eines Herausgebers zu befolgen haben. Während der Vorstand der AG die Geschäfte der Gesellschaft unabhängig und eigenverantwortlich zu führen hat, können die Gesellschafter einer GmbH die Geschäftsführer zu ausführenden Organen machen. Dies will auch der Regierungsentwurf zur Reform des GmbH-Rechts nicht entscheidend verändern (§ 77 III Ziff. 2). Die Effektivität einer nur beim Aufsichtsrat einsetzenden Mitbestimmung wird dadurch stark eingeschränkt. Trotzdem ist schon für die unter die Montan-Mitbestimmung fallenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung überwiegend angenommen worden, daß die Weisungs- und Dberwachungsrechte der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern von der Mitbestimmung

B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

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nicht berührt werden 15a. Ebenso nimmt die Bundesregierung jetzt bewußt in Kauf, daß die mit dem MBG erstrebte Parität bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch die bestehen bleibenden Weisungsrechte der Gesellschafter eingeschränkt wird. Bundesminister Arendt hat dazu ausgeführt, die neue Mitbestimmungsregelung solle auf das geltende Gesellschafts- und Unternehmensrecht aufgestockt werden. AktG, GmbHG usw. sollten nur soweit geändert werden, als dies zur Gewährleistung der Mitbestimmung unerläßlich sei. Für die Verfechter einer echten Mitbestimmung bedeute dies manchen Verzicht, weil auf diese Weise die Mitbestimmung in den einzelnen Unternehmensformen nicht einheitlich und nicht lupenrein praktiziert werden könne. Diese Unvollkommenheiten dürften aber nicht leichtfertig und extensiv ausgenutzt werden. Sonst werde die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern von vornherein aufs Spiel gesetzt (St. Protokoll der 110. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages, S. 7467). Ergänzend hat Ministerialdirigent Dr. Otfried Wlotzke vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erläutert, bei den unter das MBG fallenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung blieben die Möglichkeiten des mitbestimmten Aufsichtsrats, über die Geschäftspolitik mitzuentscheiden, wegen der weiterbestehenden Abhängigkeit der Geschäftsführung der GmbH von der Gesellschafterversammlung erheblich eingeschränkttsb. Eine gewisse Abschwächung des Weisungsrechts der Gesellschafter ergibt sich allerdings daraus, daß die Weisung der Gesellschafter zur Ausführung eines Geschäfts, das der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, nur mit dessen Zustimmung befolgt werden darf1sc. Im Ergebnis könnten die Geschäftsführer der unter das MBG fallenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung in ein Dilemma geraten. Einerseits wären sie weitgehend an die Weisungen der Gesellschafter gebunden und deshalb gegebenenfalls gehalten, die Geschäftspolitik auf deren Interessen auszurichten. Andererseits müßten sich die Geschäftsführer vor dem paritätischen Aufsichtsrat für ihre Geschäftstsa Baumbach!Hueck, GmbH, 13. Aufl., S. 531; Boldt, Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz Eisen und Kohle, 1952, § 3, 3 b; Hachenburg/Schmidt, GmbHG, II, 6. Aufl., §52, Anhang II, 2, 7; anders Müller/Lehmann, Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz Bergbau und Eisen, § 3, Anm. 27 ff.; vermittelnd Spieker, Der Aufsichtsrat der mitbestimmten Montan-GmbH, 1960, 92 ff.; vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach § 77 BetrVG Dietz/ Richardi, BetrVG, Anhang I, § 77, 24; Fitting/Auffarth, BetrVG, 11. Aufl., Anhang VI, § 77, 10. Grundsätzliche Überlegungen dazu bei Ballerstedt, ZHR 135, 1971, S . 502 ff. tsb Arbeit und Recht 1974, 322; ebenso Hoffmann, GmbH-Rundschau 1974,

75.

1sc Martens,

ZHR 1974, 219.

III. Abstriche von der Parität

33

politik verantworten; Bestellung und Wiederbestellung wären von der Zustimmung dieses Aufsichtsrats abhängig. Dies kann die GmbHGeschäftsführer in eine Konfliktsituation bringen und die Verantwortlichkeiten verwischen, da Gesellschafter, Aufsichtsrat und Geschäftsführer ohne genaue Kompetenzabgrenzung auf die Führung der Geschäfte einwirken könnten15d. Welche Kräfte in dieser verwickelten Konstellation die Oberhand gewinnen werden, ist noch nicht abzusehen. Deshalb läßt sich auch nicht genau vorhersagen, welche Seite bei einer Anwendung des MBG zur Beherrschung von Presse-Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Lage wäre, zumal ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist, welche Formen und Auswirkungen das von der Bundesregierung geplante Presserechtsrahmengesetz haben wird. Das Mindeste, was die AN-Vertreter im GmbH-Aufsichtsrataufgrund des MBG erreichen werden, ist eine umfassende Unterrichtung über alle Angelegenheiten der Gesellschaft. Theoretisch könnten die Gesellschafter, wenn sie einig sind, einen weitergehenden Einfluß der ANVertreter verhindern, indem sie bei der Bestellung von Geschäftsführern stets ihre Vertrauensleute durchbringen, notfalls durch Stichentscheid, Zustimmungsvorbehalte möglichst reduzieren oder in der Gesellschaftsversammlung neutralisieren sowie das Weisungsrecht strapazieren. Bedienen sich die GmbH-Gesellschafter dieser Mittel, können sie den Einfluß auf die Geschäftsführung auch bei Anwendung des MBG nur verlieren, wenn sie sich nicht einig sind oder wenn ihnen ein mit ihrem Einverständnis bestellter Geschäftsführer die Loyalität aufkündigt, ohne daß sogleich eine Abberufung zustandekommt. Bundesminister Arendt hat in seiner oben wiedergegebenen Äußerung (St. Protokoll der 110. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages, S. 7467) mit Recht darauf hingewiesen, daß ein solches Ausreizen der den GmbH-Gesellschaftern nach dem MBG verbleibenden Rechte das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern und dem von ihm abhängigen Management einerseits und den AN andererseits erheblich stören würde. Die AN würden es nicht verstehen und kaum hinnehmen, daß ihnen trotz zahlenmäßig paritätischer Besetzung des Aufsichtsrats durch juristische Schachzüge ein entsprechender Einfluß auf die Geschäftspolitik vorenthalten würde. Die Skala der Mittel, mit der sie sich gegen eine solche Praxis wehren könnten, ist lang: Agitation in Betrieb und Öffentlichkeit; Bemühen um Spaltung der Anteilseigner; Demonstrationen; Obstruktion im Aufsichtsrat; Verweigerung der Kooperation in der Betriebsverfassung, ganz abgesehen von der zwar I5d

Martens, ZHR 1974, 222.

3 Hanau

34

B. Zuständigkeitsänderungen in Presseunternehmen

rechtswidrigen, da nicht tarifbezogenen, aber nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Proteststreiks. Auch müßten die Gesellschafter der mitbestimmten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, wenn sie die ihnen formal belassenen Rechte voll in Anspruch nehmen, u. U. mit einem Einschreiten des Gesetzgebers rechnen. Martens berücksichtigt diese außerhalb des Gesellschaftsrechts liegenden Möglichkeiten nicht genügend, wenn er annimmt, die geplante Reform des GmbH-Aufsichtsrats laufe faktisch weitgehend leer15e. M. E. ist es im Gegenteil wahrscheinlich, daß die AN durch ihre zahlenmäßig paritätische Vertretung im Aufsichtsrat der unter das MBG fallenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung nahezu ebensoviel Einfluß auf die Auswahl der Geschäftsführer und die Geschäftsführung erlangen würden wie die Anteilseigner. Würden Presseunternehmen unter das MBG fallen, wäre demnach auch bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem nahezu gleichen Einfluß der ANVertreter im Aufsichtsrat auf die Ausübung der verlegerischen Rechte durch die Geschäftsführung zu rechnen. Nahezu der gleiche Einfluß soll heißen, daß nicht mit einem strikten Proporz 50 : 50 zu rechnen ist, die Wünsche der AN im Aufsichtsrat aber in einer Serie von Kompromissen zum Tragen kommen würden. Denn nur so wird sich in mitbestimmten Gesellschaften ein modus vivendi zwischen Anteilseignern, Arbeitnehmern und Geschäftsführung finden lassen. In den mitbestimmten Aktiengesellschaften wird der Einfluß der AN naturgemäß noch dichter an die Parität herankommen, ohne daß man die jeweilige Einflußdifferenz heute schon quantifizieren könnte. 5. Reservatrechte der Anteilseigner in der GmbH & Co. KG

Eine stärkere Rechtsstellung würde den Gesellschaftern in den unter das MBG fallenden Kommanditgesellschaften verbleiben, deren Komplementär eine juristische Person ist. In dem wichtigsten Fall, der GmbH & Co. KG, würde zwar unter gewissen Voraussetzungen (Einzelheiten in § 4 MBG) der Aufsichtsrat der GmbH paritätisch zu besetzen sein. Auch könnte die GmbH von der Führung der Geschäfte der KG nicht ausgeschlossen werden (§ 4 II MBG). Die Geschäftsführer der GmbH, an deren Bestellung und Abberufung die AN-Vertreter beteiligt sind, wären deshalb auch zu Geschäftsführern tse ZHR 1974, 222. Ähnlich Ballerstedt, ZRP 1974, S. 292. Im Sinn des Textes dagegen Thomas Raiser, Festschr. Ludwig Raiser, S. 360 ff., der aus dem Bericht der Eiedenkopf-Kommission ableitet, die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat führe dazu, daß formal der Gesellschafterversammlung vorbehaltene Beschlußgegenstände zum Verhandlungsobjekt im Aufsichtsrat werden.

III. Abstriche von der Parität

35

der KG berufen. Auf diese Weise würden die AN mittelbar Einfluß auf die KG bekommen. Die übrigen Befugnisse des Aufsichtsrats der GmbH, vor allem Information und Überwachung, würden sich aber nicht auf die Geschäfte der KG, sondern nur auf die - in der Regel weniger bedeutenden - Geschäfte der GmbH beziehen. Der in der GmbH & Co. zu bildende Aufsichtsrat ist, wie es Martens ausgedrückt hat15f, sub specie der Mitbestimmung falsch lokalisiert, weil die tragenden Entscheidungen in der KG und nicht in der GmbH fallen. Aufgrund der im Recht der KG bestehenden Vertragsfreiheit kann der Einfluß der Kommanditisten noch weiter ausgebaut werden, wenngleich die GmbH von der Führung der Geschäfte nicht ausgeschlossen werden kann. Martens (aaO) meint sogar, selbst wenn der Aufsichtsrat effektiven Einfluß auf die Geschäftsführer ausüben könne, seien die Kommanditisten bei entsprechender Vertragsgestaltung in der Lage, die Auflagen des Aufsichtsrats mit mehrheitlicher Stimmrechtsmacht auszuräumen und die Unternehmenspolitik somit autonom zu bestimmen. Dies mag übertrieben sein15g, weil Martens auch hier die informellen Machtmittel der AN nicht berücksichtigt. Sicher ist aber, daß das MBG für die GmbH & Co. KG weniger bedeutsam ist als für die GmbH. Auf der Grundlage dieser Annahmen über die Auswirkungen des MBG ist nunmehr die verfassungsrechtliche Prüfung vorzunehmen. Sie beginnt mit einer Untersuchung der mitbestimmungsrechtliehen Bedeutung des Hochschulurteils des BVerfG vom 29. 5. 1973, da das BVerfG in diesem Urteils erstmals zu der Bedeutung des Art. 5 GG für die Mitbestimmung Stellung genommen hat.

ZHR 1974, 224. Vgl. Hoffmann, GmbH-Rundschau 1974, 74, nach dessen Ansicht besondere Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Kommanditisten in der mitbestimmten GmbH & Co. KG mit der Mitbestimmung kollidieren würden. tsf

tsg

C. Grenzen der Arbeitnehmer- Mitbestimmung in dem Hochschulurteil des BVerfG vom 29. 5. 1973 (BVerfG 35, 80) I. Art. 5 GG als Organisationsnorm Schon die Ländergesetze, die die Organe der Hochschulen den Vertretern aller beteiligten Gruppen öffneten, hatten das nicht-wissenschaftliche Personal (Gruppe 3 nach der eingangs verwandten Einteilung) erst an letzter Stelle beteiligt. Das BVerfG hat dies in seinem Hochschulurteil vom 29. 5. 1973 gebilligt und ausgebaut. Für das übergreifende Problem des zulässigen Arbeitnehmer-Einflusses in den von Art. 5 GG umhegten Bereichen sind folgende Aussagen des BVerfG besonders wichtig: "In den Grundrechtsvorschriften der Verfassung verkörpert sich eine objektive Wertordnung, in der eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt und die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt (Hinweis auf die ständige Rechtsprechung)16 ... Aus der Wertentscheidung des Art. 5 III für eine freie Wissenschaft ergeben sich auch verfassungsrechtliche Kriterien für die Organisation der Hochschulen, weil die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung sonst weitgehend beraubt wäre17 ... Organisationsnormen von Hochschulgesetzen sind danach zu beurteilen, ob und in welchem Grade sie das Grundrecht der einzelnen Wissenschaftler auf Freiheit der Forschung und Lehre oder die Funktionsfähigkeit des Instituts ,Freie Wissenschaft' als solche begünstigen oder behindern. Der unmittelbar kausale Zusammenhang zwischen organisatorischen Normen, die lediglich die Bildung und Zusammensetzung von kollegialen Beschlußorganen regeln, und Beeinträchtigungen der freien Ausübung von Forschung und Lehre ist nicht ohne weiteres einsichtig. Es ließe sich einwenden, daß erst Beschlüsse dieser Organe die Wissenschaftsfreiheit faktisch beschränken könnten und daß allenfalls erst von einer beständigen verfassungswidrigen Praxis der Organe her ein Rückschluß auf die Verfassungswidrigkeit ihrer Organisation zulässig wäre. Damit würde jedoch übersehen, daß da, wo ein Grundrecht nur durch Beteiligung an einem vom Staat bereitgestellten Leistungsapparat, d. h. hier durch personelle Eingliederung in den Wissenschaftsbetrieb der Hochschule, wirksam genutzt werden kann, die dem einzelnen offenstehenden Möglichkeiten zur Verwirklichung des Grundrechts von den Organisationsformen jenes Apparats unmittelbar abhängen. Damit wird aber auch der Freiheitsgehalt des durch die Zusammenarbeit der Grundrechtsträger sich formierenden Wissenschaftsprozesses im ganzen von seiner organisatorischen Gestaltung wesentlich beeinflußt. Nicht nur das formale Beratungs- und 16 BVerfG 35, S. 114. 17

s. 116.

I. Art. 5 GG als Organisationsnorm

37

Entscheidungsverfahren der einzelnen Organe, sondern auch der Inhalt ihrer Entscheidungen wird durch ihre Zusammensetzung mindestens tendenziell, in einem allgemeinen qualitativen Sinne, vorausbestimmt mit der Folge, daß die Entscheidungen dieser Organe sich je nach deren Zuständigkeit auf den durch Art. 5 III geschützten Freiheitsraum auswirken können. Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert daher adäquate organisationsrechtliche Vorkehrungen1B." Diese bedeutsamen Thesen beziehen sich ausdrücklich auf den vom Staat bereitgestellten Leistungsapparat der Hochschulen. Schon dies verbietet ihre unmodifizierte Ubertragung auf die privatwirtschaftlich organisierte Presse19 . Außerdem hat die spezifische Funktions- und Grundrechtsteilung zwischen Verlegern und Redakteuren im Bereich der Wissenschaftsfreiheit kein Gegenstück. Andererseits liegt es auf der Hand. daß auch die Pressefreiheit durch organisatorische Vorkehrungen betroffen werden kann. Und ebenso gilt für die Presse wie für die Hochschulen, daß die Entscheidungen eines Beschlußorgans durch seine gruppenmäßige Zusammensetzung vorprogrammiert werden, so daß eine nachträgliche Korrektur von Einzelentscheidungen das Problem der Zuständigkeitsverteilung unter den Gruppen mehr vertuschen als bewältigen würde. Bei aller gebotenen Vorsicht wird man deshalb aus dem Hochschulurteil des BVerfG für die Presse ableiten können und müssen, daß Organisationsstrukturen, insbesondere die g1·uppenmäßige Zusammensetzung von Beschlußorganen, danach zu beurteilen sind, ob und in welchem Grad sie die Freiheit der Presse und der in ihr tätigen Personen begünstigen oder behindern. Die organisationsrechtlichen Anforderungen und Auswirkungen der Freiheitsgarantien der Art. 5 I, III GG müssen um so größer werden, je intensiver der vor allem geschützte geistig-ideelle Tätigkeitsbereich betroffen ist. Angelegenheiten, die mit diesem Bereich nichts oder wenig zu tun haben, werden ganz ohne Rücksicht auf das Grundrecht geordnet werden können. Dazu heißt es in dem Hochschulurteil des BVerfG: "Die Ausstrahlungswirkung des Art. 5 III GG beschränkt sich im Bereich der Organisationsnormen auf die Forschung und Lehre unmittelbar betreffenden Angelegenheiten20 . . . Der Gesetzgeber unterliegt im Blick auf die wertentscheidende Grundsatznorm des Art. 5 III keinen Beschränkungen, wenn er eine organisatorisch€ Regelung zu treffen hat, die auf die freie wissenschaftliche Betätigung der Hochschulangehörigen nicht einwirkt, vielmehr nur bestimmt, von wem und in welcher Art und Weise allgemeine Verwaltungsangelegenheiten der Universität erledigt werden sollen. Hier können insbesondere Vorschriften über die Beteiligung der Universitäts-

18

s. 120, 121.

19 Vgl. Kübler, Verhandlungen des 49. DJT, D 67. 2o BVerfG 35, 131.

38

C. Grenzen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung

angehörigen in weitem Maß allein an dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit orientiert werden2l." Das BVerfG unterscheidet im Hochschulbereich also zwischen unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten und allgemeinen Verwaltungsaufgaben. Zu den unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, deren organisatorische Gestaltung maßgeblich durch das Grundrecht aus Art. 5 III geprägt wird, zählt das Gericht insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, das Aufstellen von Lehrprogrammen und die Planung des Lehrangebots, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, ihre haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, die Errichtung und den Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen sowie Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und der wissenschaftlichen Mitarbeiter22. Wiederum wäre es voreilig, hier statt wissenschaftlich kurzerhand überall publizistisch zu setzen und damit eine völlige Deckung der verfassungsrechtlich strukturierten Organisationsbereiche in Hochschule und Presse zu unterstellen. Der Unterschied zwischen der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Hochschulen und der privatwirtschaftliehen und privatrechtliehen Struktur der Presse läßt auch hier keine unmittelbare Analogie zu. Insbesondere ist zweifelhaft, ob in der Presse wie in den Hochschulen eine Trennung von geistigideellem und sonstigem Tätigkeitsbereich möglich ist, da publizistische und wirtschaftliche Seite der Verlagstätigkeit in enger Wechselwirkung stehen (dazu unten S. 64). Auch ist die Organisationsgewalt des Staates gegenüber den von ihm gegründeten und unterhaltenen Hochschulen naturgemäß größer als gegenüber der von Verfassungs wegen staatsfreien Presse. Gewisse Zuständigkeiten zur Organisation der Presse sind dem Staat aber doch gegeben, da er nach dem GG durch allgemeine Gesetze (Art. 5 Il) und ein Rahmengesetz (Art. 75 I Nr. 2) in diesen Bereich hineinwirken darf. Soweit danach eine Zuständigkeit des Staates zur Organisation der Presse besteht, gilt notwendig auch die Grundannahme der zuletzt zitierten Stellen des Hochschulurteils: das Freiheitsrecht kann und muß, soweit dies zu seiner Sicherung erforderlich ist, die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bis in die Einzelheiten der Organisation lenken oder beschränken. In diesem Sinn trifft Dürigs Beobachtung übereinstimmender "grundrechtsdogmatischer Architektur" von Presse- und Wissenschaftsfreiheit voll zu23. 21 BVerfG 35, 122 f. 22 BVerfG 35, S. 123.

II. Beteiligungsrechte der nichtwissenschaftliehen AN

39

II. Beteiligungsrechte der nichtwissenschaftliehen AN im wissenschaftlichen Bereich Die Ausgrenzung eines Kreises unmittelbar "wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten" und ihrer Organisation ist für das BVerfG Anlaß einer weitgehenden Zurückdrängong von Mitbestimmungsrechten der nichtwissenschaftliehen AN, also der Angehörigen der Gruppe 3 nach der eingangs vorgenommenen Einteilung. Das BVerfG spricht diesem Personenkreis allerdings nicht jedes Mitbestimmungsrecht in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten ab. Der Leitsatz 8 d des Hochschulurteils2'4 sagt vielmehr: Bei allen Entscheidungen über Fragen von Forschung und Lehre ist eine undifferenzierte Beteiligung der Gruppe der nichtwissenschaftliehen Bediensteten auszuschließen. Dies wird so begründet: "Daß diese Hochschulangehörigen nicht eine durch Art. 5 III GG geschützte Tätigkeit ausüben, gibt keinen hinreichenden Grund, sie von der Beteiligung generell auszuschUeßen. Der Gruppe des nichtwissenschaftliehen Personals gehören Fachkräfte an, deren praktisches Wissen gerade auf organisatorischem Gebiet für die Universität nutzbar gemacht werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die wissenschaftliche Tätigkeit in den Hochschulen in zunehmendem Maß der Unterstützung von Nichtwissenschaftlern bedarf, die für die Ausführung der Forschungsarbeiten und Lehrveranstaltungen technische oder verwaltungsmäßige Voraussetzungen schaffen und auch entsprechende Verantwortung tragen. Eine andere Frage ist es, ob nicht nach der Wertentscheidung des Art. 5 III der Ausschluß dieser Gruppe und auch eine Differenzierung innerhalb der Gruppe bei der Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten der Wissenschaftsverwaltung geboten ist25." Zur Beantwortung dieser Frage zieht das Gericht die Kriterien der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit26 heran und kommt zu folgenden Ergebnissen: "Eine undifferenzierte Beteiligung der Gruppe der nichtwissenschaftliehen Bediensteten an der Entscheidung über Fragen der Lehre kann . .. unter keinem der erwähnten Gesichtspunkte gerechtfertigt werden . . . Forschungsentscheidungen setzen einen Überblick über den Stand der Forschung auf dem jeweiligen Gebiet ... voraus ... Die Eignung, bei solchen Entscheidungen zusammen mit anderen Fachkundigen mitzuwirken, (liegt) bei dem nichtwissenschaftlichen Personal . . . in aller Regel nicht vor . . . Besondere Anforderungen sind jedenfalls an das Berufungsverfahren der Hochschullehrer wegen der hervorragenden Bedeutung dieses Vorgangs für die Struktur der heutigen deutschen Universität zu stellen . . . Eine Mitentscheidung der nichtwissenschaftlichen Bediensteten kommt hier von vornherein nicht in Betracht27." 23 Vgl. Dürig, in: Summum Jus-Summa Injuria 1963, 91. 24 BVerfG 35, S. 80; BVerfG 35, 126. 25 BVerfG 35, 126. 26 BVerfG 35, 131 - 134. 27 Dies entspricht der Auffassung von Rebe, Die Träger der Pressefreiheit

40

C. Grenzen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung

Diese Einschränkung der Mitbestimmung im wissenschaftlichen Bereich hat einen Vorläufer im Personalvertretungsrecht, das die Hochschullehrer ganz und die wissenschaftlichen Assistenten teilweise dem Einfluß des Personalrats entzieht (vgl. die Personalvertretungsgesetze von Baden Württemberg [§ 80], Niedersachsen [§ 100], Hessen [§ 81], Berlin [§ 3], Schleswig-Holstein [§58], Saarland [§§ 96, 97] usw.). Auch das neue Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. 3. 1974 ermächtigt die Länder zu Sonderregelungen für Dienststellen, die bildenden, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken dienen (§ 95). Die Aufgliederung von Mitbestimmungsrechten nach Forschung und Lehre paßt freilich nur für die Hochschulen, nicht für die Presse. Wohl aber sind die vom BVerfG zugrundegelegten Kriterien der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit28 geeignet, die Beteiligungsrechte verschiedener Mitarbeitergruppen auch in anderen von Art. 5 GG erfaßten Bereichen verfassungs- und sachgerecht abzugrenzen. Bei der allgemeinen Mitbestimmung, wie sie im BetrVG geregelt ist, sind allerdings keine besonderen Vorkehrungen dafür getroffen, daß die AN-Vertreter nach Qualifikation und Funktion zur Ausübung der Beteiligungsrechte geeignet sind. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, daß die Arbeitnehmer selbst für die Auswahl geeigneter Repräsentanten sorgen werden. Ungeeignete können erst ausgeschieden werden, wenn sie ihre Amtspflichten nachweislich verletzt haben (§ 23 BetrVG). Bei der Mitbestimmung in einem durch Art. 5 GG geschützten geistig-ideellen Tätigkeitsbereich kommt den Kriterien der Funktion, Qualifikation, Verantwortung und Betroffenheit aber eine gesteigerte normative Bedeutung zu, weil die Mitsprache unzuständiger oder unqualifizierter Personen hier zum Einfluß sachfremder Erwägungen und damit zu einer Verfälschung des verfassungsrechtlich geschützten geistig-ideellen Prozesses führen kann. Das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang von einem gegen die Wissenschaftsfreiheit gerichteten "Verfremdungsprozeß" oder noch allgemeiner von "wissenschaftsfremden" Einflüssen, die verhindert werden müssen. Im Bereich von Presse und Rundfunk sind institutionalisierte Fremdeinflüsse ebenso zu vermeiden, da sie den freien publizistischen Prozeß behindern würden. Dies rechtfertigt den weiteren Leitsatz: Mitbestimmungsrechte in den durch Art. 5 GG geschützten geistig-ideellen Tätigkeitsbereichen sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie durch Funktion, Qualifikation, Verantwortung und Betroffenheit der beteiligten Gruppen und nach dem GG, 1969, 49, innerhalb des Kreises der im Pressebereich Tätigen bestimme sich der Umfang der jeweiligen Berechtigung nach Art und Intensität der Mitwirkung am jeweiligen Kommunikationsvorgang, 2s BVerfG 35, 131.

III. Die Garantie der Funktionsfähigkeit

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ihrer Vertreter gerechtfertigt sind und die Gefahr sachfremder Einflüsse soweit wie möglich ausgeschlossen ist. Diese Kriterien sind flexibel genug, um den Besonderheiten einzelner Freiheitsbereiche und Mitarbeitergruppen Rechnung zu tragen. Dabei wird vom BVerfG besonders hervorgehoben, daß in der Gruppe der nichtwissenschaftliehen Mitarbeiter stark differenziert werden könne und müsse. Ähnlich hat der Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Augstein, Bedenken dagegen angemeldet, die im Presserechtsrahmengesetz geplanten Mitbestimmungsrechte · dem redaktionellen Personal vorzubehalten. Soll sich, so fragt Augstein - in bezug auf ein zunächst vorgesehenes Beteiligungsrecht beim Verkauf von Zeitungen-. die "Kochliesel" von "Schöner Essen" beteiligen dürfen und der Chef der elektronischen Datenverarbeitung des Gesamtverlages nicht? "Haben Vertrieb, Werbung und Anzeigenverwaltung keinen Anteil am Erfolg einer Publikation, weht der Geist nur in den Redaktionsstuben29." Mitbestimmungsrechte des nichtredaktionellen Personals treffen allerdings auf ein zusätzliches Hindernis, das im wissenschaftlichen Bereich kein Gegenstück hat: die Bindung der redaktionellen Arbeit an die vom Verleger festgesetzte Grundhaltung der Zeitung. Wissenschaftliche Tätigkeit kann nicht an eine vorgegebene politische oder gesellschaftliche Grundhaltung gebunden sein. Erforderlich ist nur der einschlägige Sachverstand, nach dem die Mitbestimmung im wissenschaftlichen Bereich deshalb auch gestaffelt ist. Die publizistische Tätigkeit einer Zeitungsredaktion hat sich dagegen im Rahmen der verbindlichen Grundhaltung der Zeitung zu halten. Auf diese Grundhaltung sind aber nur die redaktionellen Mitarbeiter, nicht das büromäßig, technisch oder kaufmännisch tätige Personal verpflichtet. Der Verleger hat weder das Recht noch die faktische Möglichkeit, seine Sekretä rinnen, Drucker usw. nach tendenzbedingten Kriterien auszuwählen und auf die Tendenz zu verpflichten. Dies muß bei der Abgrenzung der Mitbestimmung bedacht werden. Den Mitbestimmungskriterien des Hochschulurteils des BVerfG muß deshalb im publizistischen Bereich der Presse die bestehende oder eben nicht bestehende Verpflichtung der verschiedenen Mitarbeitergruppen auf die publizistische Grundhaltung der Zeitung hinzugefügt werden. 111. Die Garantie der Funktionsfähigkeit Das BVerfG hat dem Art. 5 GG Aussagen nicht nur dazu entnommen, wer zur Mitbestimmung im Hochschulbereich berufen ist, sondern 29

Der Spiegel, Nr. 31/1974, S. 23, Fußnote.

C. Grenzen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung

42

auch, wie die Mitbestimmung auszugestalten ist. Detailfragen des Verfahrens interessieren die Verfassung naturgemäß nicht. Wohl aber ist der kritische Punkt jeder paritätischen Mitbestimmung verfassungsrechtlich erheblich: die Blockierung des Entscheidungsprozesses durch "Patt-Situationen". Das vom BVerfG beurteilte niedersächsische Vorschaltgesetz hatte im Bereich der Lehre keine Vorkehrungen dagegen getroffen. Dies ist vom BVerfG beanstandet worden: "Wie dargelegt wurde, ist es in der Gruppenuniversität in erhöhtem Maße zu befürchten, daß die Interessengegensätze vor allem zwischen den Hochschullehrern auf der einen und den Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern auf der anderen Seite zu Polarisierungen aus wissenschaftsfremden Motiven führen können. Dabei kann es namentlich dann, wenn der für das E'unktionieren des Selbstverwaltungsorgans unerläßliche Minimalkonsens fehlt, zu einem totalen Dissens zwischen diesen Gruppen kommen, der sich nach der Zusammensetzung der Gremien als "Entscheidungs-Patt" auswirkt ... Der Gesetzgeber muß diese Gefahr ernst nehmen und darf sich nicht darauf verlassen, daß auch in solchen Situationen letzten Endes doch eine Entscheidung durch einseitiges oder beiderseitiges Nachgeben aufgrund der allgemeinen Pflicht zur Verständigung zustande kommen wird. Er muß vielmehr mit der Möglichkeit rechnen, daß die Mitglieder eines derartigen Beschlußorgans ihr Abstimmungsverhalten ausschließlich an der eigenen Gruppenzugehörigkeit orientieren und zumindesten in einzelnen Fällen zur Koalition über die Gruppengrenzen hinaus nicht gewillt sind. In diesen Fällen wird das Beschlußorgan funktionsunfähig; das wirkt zugleich, soweit es sich um Fragen handelt, die die Lehre unmittelbar betreffen, auf die Freiheit der wissenschaftlichen Betätigung zurück, die sich nicht losgelöst von der Funktionsfähigkeit der Wissenschaftsorganisation entfalten kann. Der Gesetzgeber muß daher organisatorische Vorkehrungen zur Abwehr einer solchen Gefahr treffen. Es ist nicht Sache des BVerfG, dem Gesetzgeber im einzelnen vorzuschreiben, durch welche organisatorischen Maßnahmen er diese Gefahrenquelle auszuschalten hat. Da er auf kein bestimmtes Organisationsmodell der Universitätsselbstverwaltung verpflichtet ist, sind verschiedene rechtliche Möglichkeiten der Abhilfe denkbar, z. B.: Stichentscheid durch den Vorsitzenden des Gremiums, Verpflichtung zur erneuten Beratung mit veränderter Stimmgewichtung oder die Beteiligung des Staates als Schlichter und Vertreter der Allgemeininteressen ...so." Auf eine Mitbestimmung im Pressebereich lassen sich diese Ausführungen ohne weiteres übertragen. Die Fähigkeit zur schnellen Entscheidungstindung ist hier sogar wegen des Zeitdrucks, unter dem die Presse steht, von besonderer Bedeutung. Dem Hochschulurteil des BVe·rfG kann deshalb der Leitsatz entnommen werden, daß jedenfaLLs in den Bereichen Wissenschaft und Presse die Effizienz der verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeit nicht unter mitbestimmungsbedingten Patt-Situationen in Beschlußgremien leiden darf.

30

BVerfG 35, 142.

D. Grenzen der AN-Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen Eine starke Einschränkung von Mitbestimmungsmöglichkeiten der AN durch die verfassungsrechtlich abgesicherte Eigengesetzlichkeit eines geistig-ideellen Organisations- und Tätigkeitsbereichs findet sich auch in den Rundfunk- und Fernsehanstalten. Die Schutzgüter sind freilich, im Vergleich zu den bisher behandelten Hochschulen, verschieden. Im Hochschulbereich sollen die freie wissenschaftliche Tätigkeit der einzelnen Wissenschaftler und der freie Wissenschaftsprozeß insgesamt gegen Behinderung und Verfälschung abgeschirmt werden. In Rundfunk und Fernsehen steht einer Mitbestimmung der Mitarbeiter vor allem entgegen, daß die Beschlußorgane der Anstalten nach der Rechtsprechung des BVerfG in angemessenem Verhältnis mit Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen oder Kräfte besetzt werden müssen, um eine ausgewogene, pluralistische Personalpolitik und Programmgest altung zu sichern31 • Der Rundfunk darf weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen werden. Für eine Beteiligung einer so kleinen gesellschaftlichen Gruppe wie der Arbeitnehmer der Rundfunkanstalten bleibt deshalb nur wenig oder gar kein Raum. Wie groß dieser Raum ist, wird zur Zeit lebhaft erörtert, da die Mitarbeiter der Rundfunk- und Fernsehanstalten auf verbesserte Mitbestimmungsmöglichkeiten drängen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Forderung nach größerer Beteiligung der Programm-Mitarbeiter und auf Ausbau der Mitbestimmung der Personalräte als der allgemeinen Vertretung der Arbeitnehmer. Für die Fragestellung dieses Gutachtens kommt es nur darauf an, welche Beteiligungsrechte den allgemeinen Belegschaftsvertretern in den Rundfunk- und Fernsehanstalten eingeräumt werden können. Dies ist vor allem von Ipsen erörtert wordena~t. Ipsen weist zunächst darauf hin, daß Personalvertreter fast durchweg beratend an den Sitzungen der Rundfunk- bzw. Fernsehräte und Verwaltungsräte teilnehmen dürfen, eine Beteiligung mit Sitz und Stimme BVerfG 12, 205, 263; 31, 314, 326. Mitbestimmung im Rundfunk, Verfassungsfragen zur Mitbestimmung durch Belegschaftsvertreter in Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten, 1972. Dazu ferner Bethge, Rechtsfragen der Mitbestimmung im Bereich des Rundfunks, UFITA 1970, 117; Berg, Verhandlungen des 49. DJT, N 46. 31

32

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D. Grenzen der AN-Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen

aber nur für zwei Personalvertreter in dem neunköpfigen Verwaltungsrat von Radio Bremen vorgesehen ist. Auch in einigen Personalvertretungsgesetzen finden sich Beschränkungen für eine Mitbestimmung im Rundfunkbereich (§§ 100 c ff. PersonalvertretungsG RheinlandPfalz; § 90 PersVG Hessen; für den NDR gilt immer noch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. 4. 1946, für den Südwestfunk ein besonderer Staatsvertrag zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom 3. 2. 1964). Ipsen erklärt dazu, die mitgliedschaftliehe Beteiligung von Belegschaftsangehörigen in den Rundfunk- und Verwaltungsräten der Anstalten würde die Ausgewogenheit der gesellschaftlichen Legitimation und Kontrolle durch Gruppenrepräsentanten in verfassungswidriger Weise verletzen, dem im Prinzip der pluralistischen Gesellschaftskontrolle wirksamen Demokratiegebot widerstreiten und das Gleichheitsprinzip verletzen. Denn der Belegschaftsangehörige sei nicht privilegiert und werde seinerseits bereits durch die den Rundfunkräten angehörigen Gewerkschaftsvertreter repräsentiert, so daß zusätzliche Belegschaftsvertretung ungleiche und damit verfassungswidrige Doppelrepräsentation bewirken würde. Die Belegschaft als solche bilde im übrigen keine gesellschaftlich relevante Gruppe33. Angesichts der Rechtsprechung des BVerfG, die eine Demokratisierung von Rundfunk und Fernsehen durch Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen zu erreichen sucht, dürfte die Ansicht Ipsens unbestreitbar sein. Sie wird dadurch bekräftigt, daß HoffmannRiem, engagierter Anwalt von Redaktionsstatuten im Rundfunk, sogar für die Programm-Mitarbeiter eine ähnliche Konzeption vertritt34 : "Der verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung des Rundfunks - insbesondere der Aufgabe als Medium für ,die (alle) gesellschaftlich relevanten Kräfte' - würde eine Grundrechtsinterpretation widersprechen, die zur Gewährung von Vorrechten an bestimmte Gruppen oder einzelne führen würde. Unzweifelhaft haben die Programm-Mitarbeiter faktisch stärkere Möglichkeiten, ihre Meinungen in den allgemeinen Informationsmarkt einzuführen, als der durchschnittliche Bürger ... Diese faktische Macht ... ist jedoch nicht verfassungsrechtlich durch ein Individualgrundrecht der Programm-Mitarbeiter auf Verbreitung ihrer eigenen Meinung im Rundfunk verstärkt worden. Anderenfalls wäre den Programm-Mitarbeitern die einmalige Macht verliehen, sich selbst als ,gesellschaftlich-relevante Kräfte' zu etablieren und gleichzeitig über die zu verbreitenden Meinungsinhalte zu bestimmen. Den Programm-Mitarbeitern wäre ein politisches Gewicht garantiert, das zu einer verfassungsfremden Privilegierung einer Berufsgruppe führen würde. Die Rundfunkanstalten könnten ihre mediale Funktion nicht mehr erfüllen, da sie gehindert wären, als unparteiische und zur Auswahl berechtigte 33 34

Ipsen, aaO, S. 80. Redaktionsstatute im Rundfunk, 1972, 108 f.

D. Grenzen der AN-Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen

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Instanz die Ausgewogenheit des Programms zu garantieren. Zwar wäre denkbar, daß die Meinung der verschiedenen Programm-Mitarbeiter ein getreues Spiegelbild der Meinungen der ,gesellschaftlich-relevanten Kräfte' darstellten; sicher wäre es jedoch nicht. Es sei der keineswegs utopische Fall erwähnt, daß sich unter den Redakteuren einer Anstalt eine Meinungskonformität bestimmter Richtung herausschält- Der Programm-Mitarbeiter ist im Rundfunk tätig, um dessen mediale Funktion erfüllen zu helfen, nicht aber, um seine individuelle Entfaltungsfreiheit mit Hilfe des Rundfunks auszuüben." Aus diesen Gründen müssen, wie Hoffmann-Riem folgerichtig dartut35, auch die Mitbestimmungsbefugnisse von Redaktionsvertretungen in Rundfunk und Fernsehen beschränkt bleiben. So kann ihnen bei Änderung der Struktur des Programms oder einer Redaktion und bei Personalentscheidungen im Hinblick auf Leitungspositionen nur ein Informations- und Beratungsrecht zugebilligt werden36 . Um wieviel mehr muß das für Beteiligungsrechte des büromäßig und technisch tätigen Personals gelten, das noch weniger als die Programm-Mitarbeiter zu einer Mitsprache bei der Gestaltung des Programms legitimiert ist! Ipsen vertritt sogar die Meinung, die gegen die Mitgliedschaft von Belegschaftsangehörigen in den Rundfunk- und Verwaltungsräten sprechenden Verfassungsgründe seien unabhängig davon maßgeblich, in welcher Quantität die Mitbestimmung stattfinde. Selbst eine bloße Mitberatung in den Verwaltungsräten setze aus Verfassungsgründen voraus, daß das Aufsichtsgremium über Gegenstand, Zeitpunkt, Zeitmaß und Intensität der Mitwirkung frei und widerruflich disponieren könne37 • Erwägt man eine Übertragung dieser Gedanken auf die Presse, wird nachdrücklich eingewendet werden, hier lägen die Dinge gerade umgekehrt: nicht alle "gesellschaftlich relevanten Kräfte" kontrollierten die Presse, sondern ein kleiner Kreis, die Verleger, so daß eine Mitbestimmung der Redakteure, aber auch. der sonstigen Arbeitnehmer, freiheitlicher und demokratischer sei als der heutige Zustand. Auch das BVerfG hat den Unterschied zwischen der öffentlich-rechtlichen Organisation der Rundfunk- und Fernsehanstalten und der privatrechtlichen und privatwirtschaftliehen Organisation der Presse betont. Trotzdem sieht das BVerfG die Presse nicht als das Sprachrohr eines kleinen Berufsstandes (Verleger), sondern wie den Rundfunk als wichtiges, im demokratischen Staat unentbehrliches Instrument der freien Meinungsbildung38 • In dem Lebach-Urteil des BVerfG vom 5. Juni 1973 heißt es sogar ausdrücklich, die Rundfunkfreiheit unterscheide sich 35 Ebenso Ber g, Verhandlungen des 49. DJT, N 50, 51. 36 Hofjmann-Riem, aaO, 166 ff., 178. 37 Ipsen, aaO, 78, 80. ss Einzelheiten unten S. 48 ff.

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D. Grenzen der AN-Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen

wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit. Hörfunk und Fernsehen gehörten in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen sowohl für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen wie für deren Kontrolle als auch für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt39 • Dem liegt die Annahme zugrunde, daß auch in der Presse alle "gesellschaftlich-relevanten Kräfte" Ausdruck finden können, zwar nicht in jeder einzelnen Zeitung, wohl aber in der freien Konkurrenz bestehender oder zu gründender ZE::itungen40 . Soweit diese Annahme zutrifft, läßt sich die vorstehend wiedergegebene Argumentation lpsens und Hoffmann-Riems ohne weiteres vom Rundfunk auf die Presse übertragen. Steht die Presse allen relevanten Kräften und Ideen offen, bedeutet es eine freiheitswidrige Beschränkung der Meinungsvielfalt zugunsten einer kleinen Gruppe, wenn den büromäßig, technisch und kaufmännisch tätigen AN der Presseunternehmen eine publizistisch wirksame Mitbestimmung eingeräumt wird. Je größer die Vielfalt in der Presse ist, desto stärkeres Gewicht muß diesem Argument zukommen. Damit schiebt sich auch hier die vieldiskutierte Pressekonzentration in den Vordergrund. Aus der Sicht der Rundfunkfreiheit erscheint die Pressefreiheit freilich nicht schon bedroht, wenn die gegenwärtige Zeitungsanzahl schrumpft, geschweige denn, wenn sich nicht jedermann die Gründung einer Zeitung leisten kann. Im Rundfunk- und Fernsehbereich haben technische und finanzielle Gründe schon lange zu der Einsicht genötigt, daß die Freiheit des Rundfunks auch dann gewahrt bleibt, wenn nicht jeder, sondern nur die gesellschaftlich relevanten Kräfte an der Gestaltung des Mediums beteiligt werden4oa. Im Pressewesen vollzieht sich die Entwicklung zu größeren Einheiten erst jetzt und bei weitem noch nicht so ausgeprägt. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen können in der Presse immer noch viel größeren und differenzierteren Ausdruck finden als in Rundfunk oder FernBVerfG 35, 222. Vgl. BVerfG 12, 261: entscheidend, daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse existiert. Ähnlich BVerfG 20, 175. 4oa Manches spricht dafür, daß einerseits die Möglichkeiten des Kabelfernsehens, andererseits die zunehmende Pressekonzentration zu einer Umkehr des Verhältnisses beider Medien führen wird. Mußte man bei der verfassungsrechtlichen Analyse bisher von einer geringen Zahl von Rundfunkund Fernsehanstalten und einer großen Zahl von Zeitungen und Zeitschriften ausgehen, könnte in Zukunft eine klein gewordene Zahl von Zeitungen einer viel größeren Zahl an Sendereinrichtungen des Kabelfernsehens gegenüber stehen. Diese Entwicklung ist aber noch nicht soweit gediehen, daß sie hier berücksichtigt werden konnte. 39

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D. Grenzen der AN-Mitbestimmung in Rundfunk und Fernsehen

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sehen, sei es durch eigene Zeitungen, sei es durch die Berichterstattung in fremden. Aus der Perspektive der Rundfunkfreiheit kann deshalb von einer Gefährdung der Pressefreiheit noch keine Rede sein, geschweige denn von der Notwendigkeit, die Vielfalt der Presse durch stärkere Beteiligung der technisch, büromäßig oder kaufmännisch tätigen Mitarbeiter zu erhöhen.

E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung allgemeiner Arbeitnehmervertretungen I. Das Postulat einer pluralistischen Presse Das BVerfG war mit der Mitbestimmung in der Presse noch nicht befaßt. Wohl aber finden sich in seiner Rechtsprechung zahlreiche Aussagen über Sinn und Inhalt des Grundrechts der Pressefreiheit41 • Hält man diese Aussagen mit der Rechtsprechung zur Mitbestimmung im Hochschulbereich und zur Organisationsstruktur des Rundfunks zusammen, lassen sich m. E. verhältnismäßig gesicherte Folgerungen für die Mitbestimmung in Presseunternehmen ziehen. Grundgedanke der Rechtsprechung des BVerfG zur Pressefreiheit ist die institutionelle Sicherung der Presse als Träger und Verbreiter einer vielfältigen öffentlichen Meinung im Interesse der freien Demokratie. Die Pressefreiheit ist danach mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit, da über die individuelle Meinungsfreiheit hinaus die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen gewährleistet ist. Für die innere Struktur der Presse sind die folgenden, viel zitierten Aussagen des BVerfG am wichtigsten: "Die Presse faßt die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in EinzeLfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk vertretenen Auffassungen messen können. So wichtig die damit der Presse zufallende ,öffentliche Aufgabe' ist, so wenig kann diese von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftliehen Grundsätzen und in privatrechtliehen Organisationsformen. Sie stehen untereinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf . . . Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechts41 Vgl. BVerfG 7, 198, 208; 10, 118, 121; 12, 113, 125; 12, 205, 260 ; 20, 56, 98 ; 20, 162, 175; 25, 256, 268.

11. Die Garantie der privatrechtliehen Pressestruktur

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ordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Freie Gründung von Presseorganen, freier Zugang zu den Presseberufen, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folgerungen daraus; doch ließe sich auch etwa an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten42." "Meinungs- und Pressefreiheit wollen die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung in der freiheitlichen Demokratie schützen; sie dienen nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen. Zum Schutz des Instituts der freien Presse muß aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden. Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschließen4a."

II. Die Garantie der privatrechtliehen und privatwirtschaftliehen Pressestruktur Mit der Gewährleistung der privatwirtschaftliehen und privatrechtliehen Pressestruktur hat das BVerfG bereits die Brücke von der Inhalts- und Funktionsbestimmung der Pressefreiheit zu der organisatorischen Ausgestaltung ihrer arbeitsteiligen Ausübung geschlagen. Die Bedeutung dieser Gewährleistung ist oft hervorgehoben worden44, doch sind ihre Konsequenzen für die innere Verfassung der Presse vom BVerfG noch nicht herausgearbeitet worden. Insbesondere ist noch nicht konkretisiert worden, welche der verschiedenen denkbaren privatrechtliehen und privatwirtschaftliehen Strukturen verfassungsBVerfG 20, 175 f. BVerfG 25, 268. 44 Vgl. Ehmke, Festschr. f. Adolf Arndt, 117 f .; Lerche, Pressekonzentration, 45; Rüthers, DB 1972, 2476, und AfP 1974, 542; Scheuner, AfP 1968, 725. Emphatisch Kaiser, Presseplanung, 31: "Private Struktur macht frei". Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, 92 ff., betrachtet die privatwirtschaftliche Pressestruktur dagegen als Vehikel für Meinungsmanipulationen durch Kapitaleigner. Als Beleg dafür dient ihm "der im deutschen Pressewesen noch nie dagewesene Aufwand, mit dem Springer die Zeitschrift ,Jasmin' herausbrachte und auf Anhieb eine Auflage zwischen 1 bis 2 Mill. Exemplare erzielte; dies wäre wohl keinem anderen deutschen Verleger möglich gewesen". Wie wir heute wissen, lehrt der Fall Jasmin das Gegenteil, da es dem Verlag trotz der großen finanziellen Aufwendungen nicht gelungen ist, die Zeitung durchzuhalten. 42

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4 Hanau

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

rechtlich abgesichert sind. Hier bestehen verschiedene Möglichkeiten, deren Spannweite die folgenden Hypothesen zeigen. 1. Geschützt ist die gegenwärtige, verlegerzentrierte Privatrechts-

ordnung der Presse.

2. Jede denkbare privatwirtschaftliche und privatrechtliche Ordnung

ist der Verfassung recht, wenn sie nur diese Bezeichnungen noch verdient, also z. B. auch eine Ordnung unter paritätischer Beteiligung der AN im Aufsichtsrat.

Werner Weber hat dazu die Ansicht vertreten, privatwirtschaftliche Struktur und privatrechtliche Organisationsgestaltung bedeuteten, daß die Presseunternehmen sich in ihren Innen- und Außenbeziehungen nach den Vorschriften des Zivilrechts einschließlich des Handels-, Gesellschafts- und Arbeitsrechts einzuordnen hätten. Welche Stellung im einzelnen der Unternehmer und Arbeitgeber, der Angestellte und Arbeiter oder im Werkvertrag Beschäftigte eines Presseunternehmens habe, bestimme sich nach den allgemeinen zivilrechtliehen, unternehmensrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften und den individuell getroffenen privatrechtliehen Abreden45• Insbesondere sei das Privatrecht und nicht die Pressefreiheit maßgeblich für da.s Verhältnis zwischen Verleger und Redakteuren. Der Verleger begegne dem Redakteuer schlicht, aber auch voll in der Position des Unternehmensleiters und Arbeitgebers nach Maßgabe des Arbeitsvertrages46. Der Gesamtzusammenhang zeigt eindeutig, daß Weber hier nur die gegenwärtige Privatrechtsordnung der Presse im Auge hat. Die zitierten Ausführungen lassen sich aber auch ganz anders verstehen. Wenn nicht die Pressefreiheit, sondern das allgemeine Privatrecht für die Beziehungen zwischen Verleger und Redakteur maßgeblich ist, gibt es keinen Grund dafür, nur das gegenwärtige Privatrecht als verpflichtend anzusehen. Vielmehr müßte folgerichtig jede denkbare Privatrechtsordnung in der Presse gelten können. Wer die vom BVerfG angenommene Gewährleistung auf die gegenwärtige Pressestruktur bezieht, hat schon Schwierigkeiten mit der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts47• Soll man auf die Ordnung der Presse im Jahre 1949, also bei Inkrafttreten des Grundgesetzes abstellen? Dieses Jahr sah das Ende der Lizenzpresse (durch das AHKGesetz vom 21. 9. 1949), die schwerlich als Modell einer freien Presse gelten kann, und die Anfänge eines freien Pressezugangs, dessen Werner Weber, Innere Pressefreiheit, 70. Weber, aaO, S. 71. 47 Vgl. die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung bei Stammle1·, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, 40 ff., 110 ff. 45

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II. Die Garantie der privatrechtliehen Pressestruktur

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Ergebnisse noch unabsehbar waren. Die innere Verfassung der deutschen Presse im Jahre 1949 wird man deshalb nicht für alle Zeit von Verfassungs wegen konservieren dürfen. Soll man stattdessen, wie es das Grundgesetz oft tut, auf die Weimarer Republick zurückgreifen? Damit würde u. a. die HugenbergPresse zum verfassungsrechtlichen Leitbild aufrücken, von der "Völkischen" Presse ganz zu schweigen. Aber auch in der demokratisch gesonnenen Presse der Weimarer Republik findet sich kein verbindliches Leitbild, da die innere Ordnung der Presse in Gesetzgebung und Tarifverhandlungen dieser Zeit umstritten und noch nicht zur Stabilität gekommen war. Schon daran muß m. E. der Versuch scheitern, schlechthin die historisch gewordene Pressestruktur als Schutzgut des Art. 5 I GG anzusehen48. Das BVerfG deutet die Pressefreiheit denn auch nicht als Schutz wohl erworbener verlegerischer Besitzstände, sondern als Absicherung der von der Verfassung erstrebten freien, pluralistischen Bildung einer öffentlichen Meinung. Allerdings geht das Gericht davon aus, daß die gegenwärtige (oder genauer: zur Zeit der jeweiligen Entscheidung bestehende) privatrechtliche und privatwirtschaftliche Struktur der Presse diesem Ziel gerecht werde und insofern den Schutz der Verfassung genieße. In einem Urteil vom 28. 2. 1961 heißt es dazu: "Zwar ist es richtig, daß Zeitungsverlage, Zeitungsdruckereien und Zeitungen nicht in beliebiger Anzahl neu gegründet und unterhalten werden können. Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk besteht aber darin, daß innerhalb des Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung untereinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert49." Auch das Spiegel-Urteil des BVerfG vom 5. 8. 1966 geht davon aus, daß die deutsche Presse so vielfältig ist, daß sie alle maßgeblichen Meinungen und Forderungen in der Gesellschaft und ihren Gruppen hinreichend zur Erörterung stellt. Dies bedeutet nicht, daß das BVerfG den gegenwärtigen Zustand für schlechthin optimal hielte. Das Spiegel-Urteil hält sogar eine Pflicht des Staates für denkbar, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten50. Bestrebungen zu einer Änderung der gegenwärtigen Privatrechtsordnung der Presse können deshalb nicht schon daran scheitern, daß sie 48 Gegen eine Versteinerung der gegenwärtigen Lage, die die gesellschaftliche Spontaneität bedrohen würde, spricht sich auch Lerche, Pressekonzentration, 22, aus. 49 BVerfG 12, 261. so BVerfG 20, 175. 4*

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

das Bestehende ändern wollen. Wohl aber müssen sie sich an dem Postulat einer pluralistischen, die öffentliche Meinung in Freiheit gestaltenden Presse messen lassen. Die Garantie der Pressefreiheit bezieht sich nicht auf das gesamte Erscheinungsbild der gegenwärtigen Presse, wohl aber auf ihre freiheitlichen Komponenten, auf die rechtlichen Grundbedingungen, ohne die im Bereich des Pressewesens eine freiheitliche Meinungsbildung nicht möglich ist51 • Gesetzliche Änderungen der Pressestruktur können deshalb nur zulässig sein, wenn sie diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen besser oder jedenfalls nicht schlechter gerecht werden als die gegenwärtige Ordnung der Presse. Daraus folgt zugleich, daß die Rechtsprechung des BVerfG keinesfalls dahin verstanden werden kann, dem Grundgesetz sei jede Pressestruktur recht, die überhaupt noch als privatrechtlich und privatwirtschaftlieh bezeichnet werden kann. Grundgesetz und BVerfG wollen nicht einem Kult des Privatrechts und der Privatwirtschaft dienen, sondern mit Hilfe dieser Organisationsprinzipien ein bestimmtes Ziel erreichen, eben die pluralistische Bildung der öffentlichen Meinung, Dies schließt jede Beliebigkeit in der Gestaltung der privatrechtliehen Pressestruktur aus.

111. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung Die privatrechtlich-pluralistische Deutung der Pressefreiheit hat wichtige Konsequenzen für die innere Verfassung der Presseunternehmen. Ausgangspunkt ist die Annahme des BVerfG, daß eine hinreichend vielfältige Presse zu erreichen sei, wenn es von Verfassungs wegen allen Einzelpersonen und Gruppen freisteht, ohne Einmischung des Staates oder wirtschaftlicher Machtgruppen Presseorgane zu gründen und zu betreiben. Zur Verwirklichung dieses Rechts sind die folgenden Einzelgarantien erforderlich. 1. Das Recht auf freie Gründung von Presseorganen

Dieses Recht ist vom BVerfG52 ausdrücklich anerkannt und von Lerche53 treffend als unverzichtbarer Ausfluß des Instituts freie Presse bezeichnet worden. Unbestrittene Ergänzungen sind das Recht auf Erwerb und Veräußerung bestehender Presseunternehmen, vorbehaltlich einer Fusionskontrolle.

51 52 53

BVerfG 20, 176. Lerche, Pressekonzentration, 22 f. BVerfG 20, 175. Lerche, Pressekonzentration, 45.

Ill. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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2. Das Recht der Inhaber (Gesellschafter) eines Presseunternehmens auf Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung

Dieses Recht ist in Rechtsprechung und Schrifttum bisher noch nicht hervorgehoben worden, weil es als selbstverständlich gilt. Trotzdem besteht Anlaß zu seiner Beachtung, weil es, wie dargelegt, durch eine Anwendung des MBG auf Presseunternehmen in Frage gestellt würde. Die Gesellschafter einer Presse-AG oder GmbH haben keineswegs automatisch die Position des Verlegers, d. h. das Recht zur Gesamtleitung des Verlages. Ihre wirtschaftlichen und publizistischen Absichten können sie nur durchsetzen, indem sie Vertrauenspersonen aus ihrem Kreis oder von außerhalb in den Vorstand bzw. die Geschäftsführung berufen, denen die Vertretung der Gesellschaft nach außen obliegt, auch die Vertretung in den verlegerischen Funktionen. Bei Anwendung des MBG können die Gesellschafter nur dann hoffen, stets Geschäftsführer ihrer publizistischen Couleur auswählen bzw. dissentierende Geschäftsführer abberufen zu können, wenn es ihnen gelingt, eine Mehrzahl gleichgesinnter Drucker, Setzer, Korrektoren, Stenotypistinnen usw. zu finden. Denn nur dann können die Gesellschafter mit der Unterstützung der AN-Vertreter im Aufsichtsrat rechnen. Die Garantie der privatwirtschaftliehen Pressestruktur und der freien Gründung bzw. des freien Erwerbes von Presseorganen zielt zunächst auf die Verlagsinhaber (Gesellschafter). Dadurch, daß de jure jede Person oder Gruppe ohne Einmischung von außen Inhaber eines Presseunternehmens werden kann, soll ja die Vielfalt der Presse gewährleistet werden. Die freie Inhaberschaft kann aber publizistisch nur wirksam werden, wenn die Inhaber der Zeitungsunternehmen in der Auswahl der Personen frei sind, die ihre wirtschaftlichen und publizistischen Intentionen hauptverantwortlich in die Tat umsetzen sollen, vor allem also der Geschäftsführer. Jede Einschränkung der freien Berufung und Abberufung der Geschäftsführer durch die Inhaber der Presseunternehmen ist deshalb eine Einschränkung der Pressefreiheit. Damit ist noch kein Verdikt über eine paritätische Mitbestimmung der AN in den Aufsichtsräten von Presseunternehmen gesprochen. Allerdings würde eine solche Mitbestimmung das Recht der Inhaber (Anteilseigner, Gesellschafter) auf freie Berufung und Abberufung der Geschäftsführer erheblich einschränken. Daraus ergibt sich zunächst aber nur das Vorliegen eines tatbestandliehen Eingriffs in das Grundrecht der Pressefreiheit, nicht automatisch seine Verfassungswidrigkeit. Denn allgemeine Gesetze wie das geplante MBG können die Pressefreiheit nach Art. 5 II eingrenzen. Das Verdikt der Verfassungswidrig-

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

keit ist erst gerechtfertigt, wenn eine Abwägung den Vorrang der Pressefreiheit ergibt (dazu unten S. 68). 3. Das Recht auf Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung durch den Verleger

In der Diskussion über die innere Pressefreiheit, insbesondere über die Mitbestimmung der Redakteure, hat man die Position des Verlegers vor allem auf sein weitgehend anerkanntes Recht zur Festsetzung und Änderung der Grundhaltung der Zeitung gestützt54 • Die Ausübung dieses Rechtes kann durch paritätische Mitbestimmung beeinträchtigt werden. Durch die Mitwirkung bei Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer könnten die AN-Vertreter Einfluß auf die Auswahl der Personen nehmen, denen die Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung und die Wahrung sonstiger publizistischer Rechte im Verhältnis zu den Redakteuren obliegt. In einer Presse-GmbH wäre es den Gesellschaftern oder von ihnen bestellten Herausgebern allerdings möglich, den Geschäftsführern genaue Anweisungen über die festzusetzende Grundhaltung zu erteilen. Eine ähnliche Bindung ließe sich in einer Presse-AG möglicherweise erzielen, indem die Verfolgung einer bestimmten Grundhaltung in der Satzung als Gegenstand des Unternehmens verankert wird. Bei uneingeschränkter Anwendung des MBG wäre es den AN-Vertretern im Aufsichtsrat aber möglich, die entspr echenden Entschließungen von Gesellschaftern und Geschäftsführern durch Ankündigung von Kooperation bzw. Obstruktion im Aufsichtsrat zu beeinflussen. Deshalb würde die Anwendung des MBG zu einem tatbestandliehen Eingriff auch in diesen Bereich der Pressefreiheit führen. 4. Die Freiheit der redaktionellen Arbeit

a) Schutz vor institutionalisiertem Fremdeinfluß Die Bindung an die vom Verleger festgesetzte Grundhaltung und an die von ihm rechtswirksam gegebenen Richtlinien und Weisungen zieht der redaktionellen Arbeit nur einen mehr oder weniger weiten Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens, der ökonomischen Notwendigkeiten und der allgemeinen Gesetze herrscht die publizistische Freiheit der Redaktion, ein wesentlicher Teil der Pressefreiheit. Sie wahrt, auf die Redakteure bezogen, die "Eigenständigkeit geistigen Schaffens in seiner 54 Arbeitskreis Pressefreiheit, § 4, Musterentwurf eines Landesgesetzes zum Schutz der inneren Pressefreiheit; Ehmke, Festschrift Adolf Arndt, 110 f.; Kaiser, Presseplanung, 44; Kübler, Verhandlungen des 49. DJT, D 89; Mall mann, Verhandlungen des 49. DJT, N 21, 29; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 I, 141; Müller, Wem das Grundgesetz die Pressefreiheit anvertraut hat, 10, 14,

16; Rüthers, DB 1972, 2476.

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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Eigengesetzlichkeit" 55• Damit dient sie zugleich dem öffentlichen Interesse an möglichst freier Unterrichtung über Tatsachen und Meinungen. Rechtswidrige Einmischungen Außenstehender verletzen nicht nur Grundrechte der betroffenen Redakteure, sondern auch die Pressefreiheit des Verlegers, zu deren institutionellem Gehalt die Respektierung der redaktionellen Freiheit nicht weniger gehört als die Beachtung der von ihm festgesetzten Grundhaltung der Zeitung. Vom BVerfG ist diese Seite der Pressefreiheit wohl am deutlichsten im "Blinkfüer-Urteil" 'herausgearbeitet worden: "Meinungs- und Pressefreiheit wollen die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung in der freiheitlichen Demokratie schützen; sie dienen nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen. Zum Schutz des Instituts der freien Presse muß aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werderi56 ." Von dieser Abschirmung der freien publizistischen Arbeit gegen unangemessene Einflüsse wirtschaftlicher Gruppen können das nichtredaktionelle Personal der Presseunternehmen sowie die von ihnen beherrschten Betriebsvertretungen und Gewerkschaften nicht ausgenommen werdenli7 • Auf dem 49. Deutschen Juristentag hat Simitis dazu ausgeführt, es gehe nicht an, so zu tun, als ob die Interessen der Arbeitnehmer eines Pressebetriebes ohne weiteres mit den Aufgaben gleichliefen, die den Trägern der publizistischen Funktion zufallen. Für die AN könne sehr wohl eine maximale Rentabilität des Unternehmens ein entscheidender Gesichtspunkt sein, während die publizistische Aufgabe umgekehrt sehr oft den Verzicht auf Rentabilitätserwägungen verlangen werde. Die durch Art. 5 gestellten Aufgaben ließen sich deshalb nicht einfach Über die allgemeine Mitbestimmung lösen. Wer dies behaupte, eskamotiere fundamentale Konflikte hinwegss. Neben dem von Simitis ins Auge gefaßten finanziellen Konfliktstoff ist mit politisch-publizistischen Gegensätzen zu rechnen, da die nichtredaktionellen AN und die von ihnen beherrschten Vertretungen weder rechtlich noch faktisch auf die Grundhaltung des jeweiligen P resseorgans verpflichtet sind. Eine unmittelbare oder mittelbare Mitbestimmung des nichtredaktionellen Personals in publizistischen AngelegenLerche, aaO, 48; Mallmann, aaO, 22. BVerfG 25, 268. 57 Vgl. Kübler, aaO, D 76: Die redaktionelle Eigenständigkeit darf aus verfassungsrechtlichen und darüber hinaus aus kommunikationspolitischen Gründen nicht durch das undifferenzierte Programm einer strikt egalitären Betriebsverfassung applaniert und beseitigt werden. 58 Simitis, Verhandlungen des 49. DJT, N 85. 55

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56

E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

heiten wäre sogar ein besonders intensiver, gleichsam hautnaher Eingriff in die Tätigkeit der Redaktionen. In der öffentlichen Informationssatzung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu § 118 BetrVG ist dies nicht nur von den Verlegern, sondern auch von dem Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes anerkannt worden: In seinem Verband habe man sich die Frage vorgelegt, ob personelle und wirtschaftliche Mitbestimmung zur Einflußnahme auf die Zielsetzung der Zeitung führen könne, und man sei zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Gefahr bestehe. Die Redakteure strebten die uneingeschränkte geistige Freiheit an und sie würden nicht bereit sein, diese Freiheit gegen eine neue, wenn auch nur mittelbare Einflußnahme und Vormundschaft auszutauschen59 • Aus diesen Formulierungen darf man nicht schließen, daß von den Vertretern des nichtredaktionellen Personals eine solche Einflußnahme oder gar Vormundschaft zur Zeit angestrebt werde. Der Vorsitzende der IG Druck und Papier, Mahlein, hat in derselben Anhörung vielmehr "ganz betont und nachdrücklich" erklärt, "daß wir nicht beabsichtigen, in die geistig-ideelle Zielsetzung eines Presseorgans einzugreifen oder die Mitwirkungsrechte der Betriebsräte auf diesen Bereich auszudehnen" 60 • Solche Äußerungen sind nicht vereinzelt. Vielmehr ist überall das Verständnis dafür gewachsen, daß die Garantie der Pressefreiheit Mitbestimmungsrechten des nichtredaktionellen Personals eine Grenze zieht. Im Betriebsverfassungsrecht war für Presseunternehmen wie andere Tendenzunternehmen schon immer eine Einschränkung der Mitbestimmung vorgesehen. Unter anderem bestimmt der fortgeltende § 81 BetrVG 1952, daß in Tendenzunternehmen keine AN-Vertreter in den Aufsichtsrat aufzunehmen sind. Der Verfassungsbezug dieses "Tendenzschutzes" ist von den Schöpfern des BetrVG 1972 besonders deutlich herausgestellt worden. Insbesondere der federführende Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat seine Beratungen zu § 118 unter den Leitsatz gestellt, daß "eine ausgewogene Regelung zwischen dem Sozialstaatsprinzip und den Freiheitsrechten der Tendenzträger gefunden werden müsse" 61 • Folgerichtig hielt es der Ausschuß "im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film für geboten, im Gegensatz zum geltenden Recht ausdrücklich im Gesetz Protokoll der öffentlichen Informationssitzung am 13./14. 5. 1971, S. 14. Protokoll, aaO, 23, 24. Das ist auch durchaus glaubhaft, schließt aber nicht aus, daß die Betriebsräte eigene publizistische Vorstellungen geltend machen würden, wenn ihnen entsprechende Mitbestimmungsrechte eingeräumt würden. 61 Zu Bundestagsdrucksache VI, 2729, 17. 59

&o

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

57

aufzuführen, daß als Tendenzbetriebe solche Betriebe gelten, die Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 I 2 GG Anwendung findet". Bekanntlich ist diese Formulierung auch Gesetz geworden. Dabei hat der Ausschuß angenommen, daß im Kollisionsfall bei tendenzbezogenen Maßnahmen des AG dem Tendenzschutz der Vorrang vor der Mitbestimmung gebühre. Verfassungssystematisch haben das BetrVG und seine Schöpfer einen doppelten Schritt vollzogen. Sie haben als erstes anerkannt, daß eine Mitbestimmung des nichtredaktionellen Personals und der von ihm beherrschten Betriebsvertretungen einen tatbestandliehen Eingriff in die durch Art. 5 I GG gewährleistete Pressefreiheit darstellen könne. Als zweites haben sie angenommen, daß die nach Art. 5 II gebotene Abwägung zwischen der Pressefreiheit und den sozialstaatliehen Belangen der allgemeinen Betriebsverfassung jedenfalls in wirtschaftlichen und publizistischen Angelegenheiten zugunsten der Pressefreiheit ausgehen müsse. Die im Schrifttum herrschend gewordene Meinung vom Verfassungsbezug des § 118 BetrVG bekräftigt diese Ansicht62• b) Folgerungen für das MBG

Wenn schon die Mitbestimmung nach dem BetrVG zu einem Eingriff in die Pressefreiheit führen kann, muß dies für eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat erst recht gelten. Freilich stünden dem Aufsichtsrat einer Presse-AG oder GmbH auch bei Anwendung des MBG von Gesetz wegen keine unmittelbaren Eingriffs- und Kontrollrechte gegenüber der Redaktion zu. Die allgemeinen Rechte des Aufsichtsrats -· Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, umfassende Kontrolle der Geschäftsführung, evtl. notwendige Zustim'mung zu einzelnen Maßnahmen der Geschäftsführung - würden den AN-Vertretern mittelbar aber doch Einfluß auf Zusammensetzung und Tätigkeit der Redaktion eröffnen. Die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen dieses Einflusses wurden oben bereits dargelegt. Wie groß dieser Einfluß würde, ist freilich schwer abzuschätzen. Für die Frage, ob die Anwendung des MBG zu einem tatbestandliehen Eingriff in die Frei62 Vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 118, 9; Fitting/Auffarth, BetrVG, 11. Aufl., § 118, 2; Rueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, II 2, 1123 f.; Kaiser, Presseplanung, 52; Mallmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 245;

AR-Blattei, Tendenzbetrieb I, Bl. 9 ff.; Rüthers, Verhandlungen des 49. DJT, N 182. Rensehe hat dagegen auf dem 49. DJT (Verhandlungen N 165) erklärt, daß § 118 BetrVG aufgehoben werden müsse, sei für ihn eine bare Selbstverständlichkeit. Dies dürfte mit der von Rensehe im gleichen Zusammenhang geäußerten Meinung zusammenhängen, daß die publizistische Mitbestimmung langfristig der Kontrolle durch alle AN unterworfen werden müsse. Den Verfassungsbezug des § 118 BetrVG unterstreicht zuletzt Rüthers, AfP 1974, 543. Mayer-Maly,

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

heit der redaktionellen Arbeit führen würde, kommt es auf das Maß des Einflusses aber nicht an63 • Ein tatbestandlieber Eingriff in die Pressefreiheit kann nicht erst angenommen werden, wenn der Gesetzgeber Außenstehenden maßgeblichen Einfluß auf die redaktionelle Arbeit einräumt. Die Verfassung schützt Verleger und Redaktion vor jeder gesetzlichen Institutionalisierung von Fremdeinflüssen; auch ein bißchen Einschränkung der Pressefreiheit ist nicht gestattet. Die Geringfügigkeit eines auf einem allgemeinen Gesetz beruhenden Eingriffs kann nur dazu führen, daß die im Rahmen des Art. 5 II gebotene Abwägung zugunsten des allgemeinen Gesetzes ausgeht (dazu unten S. 68). Freilich mag auch hier der in dem Hochschulurteil des BVerfG erörterte Einwand (oben S. 36) erhoben werden, nicht schon die Mitbestimmung in Beschlußgremien, sondern erst konkrete Beschlüsse der mitbestimmten Gremien könnten die freie Geistestätigkeit behindern und deshalb verfassungswidrig sein. Dem ist aber mit dem BVerfG entgegenzuhalten, daß nicht nur das formale Beratungs- und Entscheidungsverfahren mitbestimmter Gremien, sondern auch der Inhalt ihrer Entscheidungen durch ihre Zusammensetzung mindestens tendenziell, in einem allgemeinen qualitativen Sinn vorausbestimmt wird. Im Pressebereich kommt hinzu, daß unter dem nichtredaktionellen Personal, von den Zeitungsträgern abgesehen, die Angehörigen des grafischen Gewerbes dominieren dürften, also eine gut organisierte und politisch engagierte Gruppe. Es liegt keineswegs außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß unter maßgeblicher Beteiligung dieser Gruppe gewählte AN-Vertreter im Aufsichtsrat eigene politische und publizistische Vorstellungen zur Geltung bringen würden. Während der Rundfunk zunehmend unter den Einfluß der politischen Parteien gerät, könnte sich deshalb bei Anwendung des lVIBG ein zunehmender Einfluß der Gewerkschaften auf die Presse ergeben. Eine solche neuartige Arbeitsteilung zwischen Parteien und Gewerkschaften - die einen beeinflussen den Rundfunk, die anderen die Presse - würde dem Gebot einer pluralistischen Medienverfassung aber nicht gerecht. Eine Legitimation allgemeiner An-Vertretungen zu publizistischer Aktivität in Presseunternehmen läßt sich nicht daraus herleiten, daß auch die nichtredaktionellen AN die Pressefreiheit in Anspruch nehmen können, wenn sie in der E rfüllung ihrer Aufgaben behindert oder zur Preisgabe von Informationen gezwungen werden sollen64 • Die Pressefreiheit soll Verlegern und redaktionellen Mitarbeitern, nicht aber dem büromäßig, technisch und kaufmännisch tätigen Personal publizistische Aktivität ermöglichen. Dieses Personal kann sich auf die Pressefreiheit 63 Ähnlich schon BAG AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952. 64 Zu diesem Schutz BVerfG 15, 223; 25, 304.

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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zum Schutz vertragsgemäßer Aufgabenerfüllung berufen, nicht aber, um in die Aufgaben der Redaktion einzugreifen. Das ist allgemein anerkannt65. Das BVerfG hat allerdings die entsprechende Abgrenzung von geistig-ideellem und administrativ-technischem Bereich in den Hochschulen dadurch aufgelockert, daß es eine nach Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit differenzierende Mitbestimmung des nichtwissenschaftliehen Personals im wissenschaftlichen Bereich zugelassen hat. Wie oben (S. 41) dargelegt wurde, läßt sich dies auf die Presse übertragen, wenn als weiteres Kriterium die Verpflichtung auf die Grundhaltung der Zeitung hinzugefügt wird. Bei der großen Mehrheit des nichtredaktionellen Personals dürften die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine publizistische Einflußnahme nicht gegeben sein. Insbesondere wird dieses Personal von der publizistischen Tätigkeit der Redaktion - anders als von den wirtschaftlichen Entscheidungen der Verleger (!)-nur wenig betroffen. Dagegen dürften einige (mehr oder weniger) leitende Angestellte aus verschiedenen Verlagsbereichen im Hinblick auf die maßgeblichen Kriterien mit dem redaktionellen Personal vergleichbar sein. Dabei ist heute eine doppelte Perspektive erforderlich. Negativ ist zu fragen, welche nicht selbst schreibenden, fotografierenden, recherchierenden oder redigierenden Mitarbeiter so großen Einfluß auf die redaktionelle Arbeit haben, daß ihre Anstellung und Verwendung der Mitbestimmung allgemeiner AN-Vertretungen entzogen sein muß. Daneben steht die positive Fragestellung, welche dieser Mitarbeiter für die redaktionelle Arbeit so kompetent sind, daß sie in eine etwaige Mitbestimmung des redaktionellen Personals - aufgrund eines Presserechtsrahmengesetzes oder eines Redaktionsstatuts - einbezogen werden könnten oder sogar müßten. Die Abgrenzung muß nicht in beiden Fällen gleich ausfallen. Für unser Thema kommt es nur auf die erstgenannte Frage an, wie der Personenkreis abzugrenzen ist, dessen Tätigkeit publizistisch so relevant ist, daß sie der Mitbestimmung von allgemeinen AN-Vertretungen nicht oder nur beschränkt zugänglich sein kann. Zu denken ist hier vor allem an die Angehörigen der Verlagsleitung, die vom Verleger mit der teilweisen Wahrung seiner publizistischen 65 Vgl. Kübler, Verhandlungen des 49. DJT, D 50, 75; Mallmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 21 ; Müller, Wem das GG die Pressefreiheit anvertraut hat, 4; Rebe, Träger der Pressefreiheit, 48; Schwerdtner, JR 1972, 359; Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, 72; ebenso für den Rundfunk Bethge, UFITA 1970, 133; Ipsen, Mitbestimmung im Rundfunk, 27, 42.

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

und personellen Kompetenzen betraut sind, z. B. stellvertretende Verlagsleiter, Leiter der Rechts- und Personalabteilung, der innerbetrieblichen Volontärausbildung, des Archivs usw. Im Betriebsverfassungsrecht gelangt dieser Personenkreis ohnehin kaum ins Blickfeld, weil er überwiegend zu den leitenden Angestellten zählt. Im Rahmen einer. allgemeinen Grenzziehung für Mitbestimmungsrechte in der Presse darf er aber nicht übersehen werden. Geht es hier um die Zuordnung nichtredaktionell Tätiger zum redaktionellen Bereich, kann es in anderen Konstellationen auch einmal erforderlich sein, redaktionell Tätige mitbestimmungsrechtlich dem nichtredaktionellen Personal gleichzustellen. Dies gilt vor allem für Redakteure, die dem Betriebsrat angehören. So kann die Mitbestimmung des Betriebsrats in publizistischen Angelegenheiten nicht etwa damit begründet werden, daß sie insoweit nur von redaktionell tätigen Betriebsratsmitgliedern wahrgenommen werde. Dem steht bereits entgegen, daß allgemeine AN-Vertretungen wie die Betriebsräte von allen AN des Presseunternehmens zu wählen sind und deshalb das Spektrum des redaktionellen Personals nicht widerspiegeln.

c) Publizistische AN-Mitbestimmung im Dienst der Pressefreiheit? Die hier aus der Rechtsprechung des BVerfG abgeleitete Pressefreiheits- und Mitbestimmungskonzeption muß freilich mit dem Einwand rechnen, daß eine Vielfalt der Presse gerade nicht erreicht werde, wenn die publizistischen Entscheidungen den Verlegern und Redaktionen vorbehalten blieben, unter Ausschluß der allgemeinen ANVertretungen. Vielmehr könnte man immerhin erwägen, daß es gerade der Pressevielfalt diene, wenn das Unternehmerische und das intellektuelle Element in der Presse durch demokratisch-soziale Einflüsse aus der übrigen Belegschaft ergänzt würden. Etwas Ähnliches dürfte Rensehe vorgeschwebt haben, als er auf dem 49. Deutschen Juristentag die Forderung erhob, langfristig müsse die publizistische Mitbestimmung der Kontrolle durch alle AN unterworfen werden68 • Ein Ansatzpunkt für so begründete Mitbestimmungsforderungen des nichtredaktionellen Personals könnte sich sowohl aus Art. 5 I GG als auch aus Art. 5 II ergeben. Im Kontext des Art. 5 I müßte man argumentieren, daß eine institutionell begriffene Pressefreiheit durch Erweiterung des Kreises der Mitspracheberechtigten nur gewinnen könne, ein tatbestandlieber Eingriff in die Pressefreiheit also gar nicht vorliege. Dies trifft indessen nicht zu. Die Bedenklichkeit einer publizistisch 66

Verhandlungen des 49. DJT N 165 (1972).

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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wirksamen Mitbestimmung ist am leichtesten bei Kirchen-, Partei- und Verbandszeitungen einzusehen. Zeitungen dieser Art müssen das Sprachrohr ihres Trägers und seiner Organe sein, nicht der jeweiligen Druckerei, Setzerei usw. 67 • Dies fordern sowohl die pluralistisch konzipierte Pressefreiheit als auch die speziellen Verfassungsgarantien der Verbandstätigkeit. Die von der Verfassung geforderte Pressevielfalt setzt als mindestes voraus, daß die organisierten gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit haben, sich in ihren Presseorganen frei darzustellen und für ihre Zwecke zu werben. Dies zieht sogar der redaktionellen Mitbestimmung enge Schranken. Nach Auffassung des HAG-Präsidenten Prof. Dr. Gerhard Müller kann man hier die geistige Freiheit des angestellten und des frei mitarbeitenden Journalisten nicht einmal als ein betont und ausgeprägt zu schützendes Rechtsgut ansehen, wenn sie auch nicht aufgehoben sei68 • Andere Autoren gehen nicht ganz so weit, erkennen aber bei gruppengebundenen Zeitungen ebenfalls einen besonders weitgehenden Gestaltungsbereich, insbesondere eine Richtlinienkompetenz, der Inhaber an69 • Besonders nachdrücklich hat sich Eugen Stotz, Vorstandsmitglied der IG Druck und Papier, dafür eingesetzt, daß der Vorstand einer Partei oder Gewerkschaft entscheiden dürfe, was in dem von ihm herausgegebenen Blatt veröffentlicht werde70 • Gilt dies schon für die Redaktionen, so kann das nichtredaktionelle Personal solcher Presseorgane erst recht keinen Anspruch auf publizistisch wirksame Mitbestimmung haben. Dies gilt auch und gerade, wenn man die demokratische Funktion der Presse berücksichtigt. Denn es ist demokratischer, allen Gruppen der Gesellschaft die Propagierung ihres Gedankenguts in eigenen Presseorganen zu gestatten als überall die Stimme einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, des nichtredaktionellen Personals, mit zu Gehör zu bringen. Verleger, die sich nicht als Exponenten einer organisierten gesellschaftlichen Gruppe ausweisen können, scheinen gegenüber dem demokratischen Anspruch der Pressefreiheit und der Mitbestimmung einen schwereren Stand zu haben. Hier scheint die Pressefreiheit zu dem viel zitierten Grundrecht von 200 reichen Leuten zu werden, wenn es inzwischen nicht schon w eniger geworden sind. Trotzdem hat eine Argumentation etwas Fatales, die Partei- und Verbandspresse hervorWeber, aaO, 42. Müller, Wem das GG die Pressefreiheit anvertraut hat, 12. 69 Glotz und Langenbucher, Beilage zu "Das Parlament" vom 8. 8. 1970, S. 14; Hensche und Kittner, ZRP 1972, 180; Kaiser, Presseplanung, 45; Kübler, Verhandlungen des 49. DJT, D 101; etwas einschränkend Matlmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 38, Fn. 136; zur Parteipresse ausführlich Dagtoglou, Die Parteipresse, 1967. 67

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70

Bekenntnis zur "Zentralorgan-Mentalität", Die Feder 3/74, 18.

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

hebt und pluralistisch-demokratisch legitimiert, während sie die Nutzung der Pressefreiheit durch die freien Verleger in Frage stellt. Denn dies würde die Realität der Presselandschaft auf den Kopf stellen. Mag die existierende Verlegerpresse auch in Teilsektoren nicht mehr die wünschenswerte Vielfalt aufweisen71 , so ist sie doch im Verhältnis zur Partei- und Verbandspresse der viel lebendigere, freiheitlichere und bedeutendere Teil unserer Presse. Rüthers spricht sogar von einem für das Pressewesen wirtschaftlich wie kommunikationspolitisch bedeutungslosen Randbereich einer sich am Existenzminimum bewegenden Ideologie- und Kirchenpresse72 • Die Konzeption der Pressefreiheit muß deshalb die an keine organisierte Gruppe gebundene Zeitung zum Leitbild nehmen, die ihre pluralistisch-demokratische Legitimation weniger aus der Herkunft ihrer Träger als aus dem Erfolg beim Leser bekommt73 • Freilich ist das Votum des Lesers nicht mehr überzeugend, wenn er keine Wahlfreiheit mehr hat, durch Dumping-Preise auf einen bestimmten Leim gelockt oder unterschwellig manipuliert wird. Im Extremfall mag es dann sogar wünschenswert sein, eine monoton und einseitig gewordene Zeitungslandschaft durch publizistisch wirksame Mitbestimmung allgemeiner AN-Vertretungen zu beleben, vorausgesetzt, daß keine anderen Mittel zur Förderung der Pressevielfalt zur Verfügung stünden. So weit ist es aber nicht. Immer noch ist die Palette unserer Zeitungen und Zeitschriften wesentlich vielfältiger als die publizistischen Impulse, die man von den nichtredaktionellen AN der Presse erwarten kann. Dieses Urteil ist keine Geringschätzung dieser Berufsgruppe und ihrer Vertreter, denn es gilt für jede andere Berufsgruppe mit Ausnahme der Redakteure ebenso. Hinzu kommt, daß die organisierte Arbeitnehmerschaft und ihre Gewerkschaften durch das MBG endgültig in die Reihe der gesellschaftlichen Großmächte einrücken würden, deren Kontrolle zu den wichtigsten Aufgaben der Presse zählt. Deshalb wäre es gerade bei einem Irrkrafttreten des MBG geboten, die Presseunternehmen von der Neuregelung auszunehmen. 5. Das Recht zur Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs

Zur Zeit dürfte kaum bestritten werden, daß der publizistische Bereich der Presseunternehmen der Mitbestimmung allgemeiner AN71 So der Schlußbericht der Pressekommission aus dem Jahre 1968, BTDrucksache V, 3122, 14. 72 AfP 1974, 546. 73 Kaiser, Presseplanung, 31 ff., 50, 53; Kilbler, Verhandlungen des 49. DJT, D 61; Mayer-Maly, AfP 1969, 880; Roellecke, AfP 1971, 1.

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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Vertretungen grundsätzlich entzogen ist. Kontrovers ist dagegen, wie die Auseinandersetzung um § 118 BetrVG 1972 zeigt, die Abgrenzung dieses Bereichs gegenüber personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Offenkundig ist der publizistische Bezug aller personellen Entscheidungen in bezug auf das redaktionelle Personal, die sogenannten Tendenzträger74 • Denn was in einer Zeitung geschrieben wird, hängt zum guten Teil davon ab, wer schreibt, redigiert, recherchiert usw. Pressearbeit ist nicht programmiert, sondern läßt Raum für persönliche Ideen und Gestaltung. Dies gilt in besonderem Maße für den Chefredakteur. Ob und wie die vom Verleger festgesetzte Grundhaltung der Zeitung realisiert wird, hängt vor allem von dem Chefredakteur ab. Das Recht des Verlegers zur Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung wäre wertlos, könnte er nicht über Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs befindeni5• Dies mag eine gewisse Mitwirkung der Redaktion nicht ausschließen, da diese auf die Grundhaltung der Zeitung verpflichtet ist. Eine Mitwirkung allgemeiner AN-Vertretungen würde dagegen zu einem Fremdeinfluß auf eine der wichtigsten publizistischen Entscheidungen des Verlegers führen. Sie wäre ein Eingriff in die Pressefreiheit. Der besondere Grundrechtsbezug personeller Entscheidungen in den durch Art. 5 GG umhegten geistig-ideellen Tätigkeitsbereichen ist auch in dem Hochschulurteil des BVerfG herausgestellt worden (vgl. oben 39). Fraglich ist nur, ob und inwieweit die Anwendung des geplanten MBG auf Presseunternehmen Berufung und Abberufung der Chefredakteure beeinflussen könnte. Eine gesetzliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats ist nicht gegeben. Denkbar ist aber, daß Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag einer Pressegesellschaft die Zustimmung des Aufsichtsrats zur Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs verlangen. Legt man die im Aktienrecht herrschende Meinung zugrunde, nach der der Aufsichtsrat unabhängig von der Satzung die Notwendigkeit seiner Zustimmung zu einzelnen Geschäften festlegen kann (dazu oben S. 25), könnten die AN-Vertreter im Aufsichtsrat bereits dann die Erforderlichkeit seiner Zustimmung zu Bestellung und Abberufung Vgl. Simitis, Verhandlungen des 49. DJT, N 85. Kaiser, Presseplanung 52; Kull, Verhandlungen des 49. DJT, N 96, 98; Mallmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 34; Rüthers, DB 1972, 2479; auch 74

75

Arbeitskreis Pressefreiheit. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz freier Meinungsbildung, 59. Ebenso hat der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Baum, nach Pressemeldungen (u. a. Göttinger Tageblatt v. 31. 7. 1974) erklärt: hätte die Redaktionsvertretung ein Vetorecht gegen die Berufung eines Chefredakteurs erhalten, hätte ich nicht sagen können, daß das Presserechtsrahmengesetz mit der Verfassung in Einklang steht.

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

des Chefredakteurs beschließen, wenn sie die Unterstützung eines Aufsichtsratsmitgliedes der Anteilseigner-Seite finden. Noch wichtiger ist der oben (S. 33) bereits betonte Gesamtzusammenhang der Willensbildung in mitbestimmten Unternehmen. Die einzelnen Kompetenzen mitbestimmter Aufsichtsräte dürfen nicht isoliert betrachtet werden, denn es ist anzunehmen, daß das Abstimmungsverhalten der beteiligten Gruppen am Gesamtzusammenhang der jeweils verfolgten Unternehmenspolitik orientiert wird. Würde das MBG vorbehaltlos auf Presseunternehmen angewandt, würden sich die AN-Vertreter gegenüber Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs wohl nicht gleichgültig zeigen, sondern die ihnen zur Verfügung stehenden Kompetenzen ausnutzen, um auch insoweit ihre Vorstellungen einzubringen. In einzelnen Fällen könnte es sogar zu einer Einwirkung des mitbestimmten Aufsichtsrats auf personelle Entscheidungen in bezug auf andere Redakteure kommen. Dies soll hier aber außer acht gelassen werden. 6. Der wirtschaftliche Tendenzbezug

Problematisch ist dagegen, wie weit die Pressefreiheit den wirtschaftlichen Bereich der Presseunternehmen abdeckt. Kann man in der Presse wie - nach dem Urteil des BVerfG- in den Hochschulen zwischen einem verfassungsrechtlich strukturierten, grundsätzlich mitbestimmungsfreien geistig-ideelLen Bereich und sonstigen Angelegenheiten scharf unterscheiden? Oder haben in der Presse auch wirtschaftliche Entscheidungen Tendenzbezug? In der von dem Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung veranstalteten Anhörung zu der Regelung des Tendenzschutzes in dem Entwurf des BetrVG 1972 war dies der Hauptstreitpunkt. So wurde von einem Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger vorgetragen, die wirtschaftlichen Angelegenheiten eines Zeitungsverlages seien von der publizistischen Motivation praktisch nicht zu trennen76• Als Beispiele wurden genannt: die Entscheidung darüber, wann die Zeitung erscheint, wie groß der Sportteil sein soll, ob Sonderausgaben herausgegeben werden, die Gewichtigkeit der verschiedenen Ressorts; Betriebsstillegungen sowie Änderungen des Betriebszwecks, da Betriebszweck im Zeitungsverlag gleich Tendenz sei. Auch der Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes trug vor, die Redakteure gingen von dem Gedanken aus, die Tendenz einer Zeitung könne durch wirtschaftliche Maßnahmen berührt werden77 • Der Vor76 11

Protokoll der öffentlichen Informationssitzung am 13./14. 5. 1971, S. 15, 20. Protokoll, S. 13.

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

65

sitzende der IG Druck und Papier, Mahlein, bezeichnete die Argumentation des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in derselben Anhörung dagegen als Ablenkungsmanöver, da nach den gewerkschaftlichen Erfahrungen fast ausschließlich wirtschaftliche Überlegungen für die Fusionen und Konzentrationsvorgänge im Pressebereich maßgeblich seien78• Auch der Sprecher der DAG trug vor, ihm sei bekannt, daß ein großes Verlagsunternehmen allein aufgrund einer Marktanalyse aus rein wirtschaftlichen Gründen eine Illustrierte nach rechts umfunktioniert habe, obwohl der Verleger und die übrigen leitenden Herren keineswegs nach rechts tendierten79 • Dies zeige, daß tatsächlich die Absicht der Gewinnerzielung im Vordergrund stehe und die Tendenz beeinflusse, nicht umgekehrt. Der Gesetzgeber des BetrVG 1972 ist diesen Überlegungen nicht gefolgt; sogar die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses ist in Tendenzunternehmen nach wie vor ausgeschlossen, obwohl dieses Gremium nur Informations- und Beratungsrechte hat. Begründet wurde dies mit dem "grundsätzlich tendenzbezogenen Charakter der Informationen, die einem Wirtschaftsausschuß zu geben wären"80 • Der sozial-liberale Gesetzgeber des BetrVG 1972 hat sich also nicht die These zu eigen gemacht, daß wirtschaftliche und publizistische Angelegenheiten zu trennen seien, ja daß die publizistische Arbeit der Presse von ihren wirtschaftlichen Zwecken dominiert werde. Mit der Annahme eines grundsätzlich tendenzbezogenen Charakters der Informationen, die einem Wirtschaftsausschuß zu geben wären, ist sogar ein besonders enger Zusammenhang von publizistischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten anerkannt worden. Der von dem BetrVG 1972 eingeführte Anspruch auf Aufstellung eines Sozialplans bei Betriebsänderungen ist dagegen auch den Betriebsräten der Tendenzunternehmen gegeben worden. Damit ist zugleich die durch den Ausschluß von Wirtschaftsausschüssen verhängte Informationssperre etwas durchlöchert worden. Denn der Sozialplan soll nach § 112 I 2 aufgestellt werden, während sich die Betriebsänderung noch im Planungsstadium befindet. Dies ist aber nur möglich, wenn der Betriebsrat rechtzeitig von geplanten Betriebsänderungen unterrichtet wird. Fabricius hält den Ausschluß von Wirtschaftsausschüssen in Tendenzunternehmen für grundsätzlich verfehlt81 • Nach der Institutionalisierung der Betriebsverfassung im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und nach der gesetzlichen Verpflichtung der Betriebsräte zur Protokoll, S. 24. Protokoll, S. 25. 80 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drucksache VI, 2729, S. 17. 81 Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, § 118, 136. 78

79

5 Hanau

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E. Die Pressefreiheit als Schranke für eine Mitbestimmung

vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem AG und der fehlenden Möglichkeit der Betriebsvertretung, in die Entscheidungsfreiheit des Unternehmens einzugreifen, hätte der Gesetzgeber seiner Ansicht nach besser daran getan, die wirtschaftliche Mitbestimmung auch im Tendenzunternehmen eingreifen zu lassen. Ebenso hat es Mallmann für dringlich erklärt, die Information der AN in Pressebetrieben über wirtschaftliche Angelegenheiten zu verbessern82 • Art. 5 GG stehe dem nicht im Wege. Auch der Verfasser hat die Ansicht vertreten, gegen die Einrichtung von Wirtschaftsausschüssen in Tendenzunternehmen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken83• Zu einem fundierten Urteil wird man auch hier nur kommen können, wenn man zwei Fragen auseinanderhält: 1. Inwieweit gehören die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Presse in den Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 I) und nicht nur der allgemeinen Grundrechte wirtschaftlicher Betätigung (Art. 2, 12, 14 GG)? 2. Inwieweit können allgemeine Gesetze (Art. 5 II) in den durch Art. 5 I mitumfaßten wirtschaftlichen Bereich der Presseunternehmen eingreifen?

Für eine Einbeziehung des wirtschaftlichen Bereichs der Presseunternehmen in Art. 5 I GG spricht sehr stark, daß das BVerfG die Freiheit der Presse gerade durch ihre privatwirtschaftliche Struktur gewährleistet sieht (vgl. oben S. 49). Die Bewahrung dieser privatwirtschaftlichen Struktur einschließlich ihrer volks- und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen muß deshalb zum Kernbereich der Pressefreiheit gerechnet werden84 • Dies wird durch die Aussage des BVerfG bestätigt, die wirtschaftliche Verwaltung eines Presseunternehmens, insbesondere die Buchhaltung, hänge mit der Informationsvermittlung so eng zusammen, daß die in ihr Tätigen an der spezifischen Pressefreiheit teilhaben müßten85 • Noch weiter reicht die vom BVerfG angestellte, allerdings nicht zu Ende geführte Erwägung, staatliche Eingriffe in das Anzeigenwesen könnten unzulässig sein, weil die Einnahmen aus dem Anzeigenteil die unentbehrliche wirtschaftliche Voraussetzung für das Bestehen einer vom Staat unabhängigen Presse seien86 • In die gleiche Richtung weist der vom BVerfG ständig hervorVerhandlungen des 49. DJT, N 39. BB 1973, 907. 84 Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 46; Rüthers, AfP 1974, 543. Zuletzt Lerche, AfP 1974, S. 593, unter Berufung auf BVerfG 36, 321. 85 BVerfG 25, 304. 86 BVerfG 21, 279. 82

83

III. Schnittpunkte von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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gehobene Grundsatz, daß die Pressefreiheit für alle Veröffentlichungen ohne Rücksicht auf ihren Wert gewährleistet sei, da eine Beschränkung auf "seriöse", einem anerkannten privaten oder öffentlichen Interesse dienende Produkte auf eine staatliche Bevormundung und Lenkung der Presse hinauslaufe87• Damit ist der Schutzbereich der Pressefreiheit auf die rein kommerzielle Presse ausgedehnt. Im einzelnen können die Beziehungen zwischen wirtschaftlichem und publizistischem Verlagsbereich vielfältige Formen annehmen. Es gibt sogar Beispiele für die Fortführung defizitärer Zeitungen aus publizistischen Gründen (Die ZEIT). Aber auch im Normalfall wird der Verleger ständig vor die Frage gestellt, ob er das Blatt strikt nach dem ökonomischen Prinzip führen oder aus publizistischen Gründen Themen behandeln und Mitarbeiter beschäftigen soll, die keinen maximalen Gewinn versprechen. Und selbst ein Blatt, das mit Enthüllungen aller Art Geld verdienen will, hat noch die Wahl, ob es das Privatleben rechter oder linker Politiker ins Visier nimmt. Das publizistische Element fehlt nicht einmal, wenn eine wirtschaftliche Maßnahme ausschließlich vorgenommen wird, um die Rentabilität einer Zeitung zu wahren oder zu verbessern. Könnte eine solche Maßnahme im Wege der Mitbestimmung verhindert oder verzögert werden, würde der dem Verleger daraus erwachsende finanzielle Nachteil auf seinen publizistischen Spielraum zurückwirken und hier zu verstärkter Berücksichtigung finanzieller Erwägungen, wenn nicht gar zur Einstellung des Blattes zwingen. Ganz allgemein läßt sich sagen, daß jede Maßnahme des Verlegers zur Verbesserung seiner finanziellen Situation im Zusammenhang mit dem publizistischen Bereich seiner Zeitungen steht, weil dieser nun einmal von dem Verleger finanziert wird. All dies zwingt m. E. dazu, die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit der Presseunternehmen grundsätzlich in den Schutzbereich der Presse freiheit einzubeziehen88 • Freilich gewährleistet dies den Verlegern keinen ökonomischen Freiraum. Denn in diesem Bereich muß sich die Bindung der Presse an die allgemeinen Gesetze besonders bemerkbar machen. Darauf ist nunmehr, unter besonderer Berücksichtigung des MBG, einzugehen.

BVerfG 21, 272; 25, 307; 35, 222. Ebenso Rüthers, AfP 1974, 546: in einem privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen ist jede wirtschaftliche Grundsatzentscheidung, wie sie der Aufsichtsrat treffen muß, untrennbar mit der Tendenz, und sei es nur mit ihrer Absatzchance, verbunden. 87

88

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG als allgemeinem Gesetz gemä.f3 Art. 5 II GG I. Grundlagen in der Rechtsprechung des BVerfG Nach Art. 5 II GG finden die in Art. 5 I GG gewährleisteten Rechte, also auch das Grundrecht der Pressefreiheit, ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Das geplante MBG wäre zweifellos ein "allgemeines" Gesetz, da es weder auf die Presse beschränkt noch gegen eine bestimmte Meinung gerichtet wäre. Trotzdem geht Mitbestimmung nicht vor Pressefreiheit. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG begründet Art. 5 II GG nicht schlechthin den Vorrang aller allgemeinen Gesetze, mögen sie noch so unbedeutend sein, vor den Grundfreiheiten des Art. 5 I. Das GG fordert vielmehr eine Abwägung zwischen diesen Freiheitsrechten und den Werten und Interessen, die durch ein allgemeines Gesetz gefördert werden sollen. Dazu hat das BVerfG erläutert: "Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrechten und allgemeinem Gesetz ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die allgemeinen Gesetze aufzufassen; er findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die allgemeinen Gesetze zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen89 ." Das Recht zur Meinungsäußerung muß nach diesem Urteil nur zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden90 • Diese Grundsätze sind von dem Gericht immer wieder bestätigt und variiert worden. So heißt es in dem Spiegel-Urteil vom 5. 8. 1966 unter besonderer Bezugnahme auf die Pressefreiheit: "Die Pressefreiheit birgt die Möglichkeit in sich, mit anderen, vom GG geschützten Werten in Konflikt zu geraten; es kann sich dabei um Rechte und Interessen einzelner, der Verbände und Gruppen, aber auch der GemeinBVerfG 7, 209. Kritisch dazu u. a. (Maunz!Dürig)-Herzog, GG, Art. 5, Anm.251 ff.; B etteTmann, JZ 1964, 601; H. H. Ktein, Der Staat 1971, 151 ff. 9o BVerfG 7, 210. 89

I. Grundlagen in der Rechtsprechung des BVerfG

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schaft selbst handeln. Für die Regelung solcher Konflikte verweist das GG auf die allgemeine Rechtsordnung, unter der auch die Presse steht. Rechtsgüter anderer wie der Allgemeinheit, die der Pressefreiheit im Rang mindestens gleichkommen, müssen auch von ihr geachtet werden. Die in gewisser Hinsicht bevorzugte Stellung der Presseangehörigen ist ihnen um ihrer Aufgabe willen und nur im Rahmen dieser Aufgabe eingeräumt. Es handelt sich nicht um persönliche Privilegien; Befreiungen von allgemein geltenden Rechtsnormen müssen nach Art und Reichweite stets von der Sache her sich rechtfertigen lassen . . . Der Sinn dieses Urteils (d. i. des Lüth-Urteils BVerfG 7, 198), angewandt auf die Pressefreiheit, liegt also darin, diese vor einer Relativierung durch die allgemeinen Gesetze ... zu bewahren und durch den Zwang, die Auslegung der allgemeinen Gesetze stets an dem Grundwert der Pressefreiheit zu orientieren, ihr den angemessenen Raum zu sichern und jede Einengung der Pressefreiheit zu verhindern, die nicht von der Rücksicht auf mindestens gleichwe.rtige Rechtsgüter unbedingt geboten ist. Die objektiv-rechtliche, institutionelle Seite der Pressefreiheit, ihre Auswirkung als Wertmaßstab und Auslegungsgrund für die allgemeine Rechtsordnung tritt hier besonders hervor91." In einem späteren Urteil des BVerfG heißt es ergänzend: "Die Pressefreiheit darf nicht allein vom Blickpunkt der Presseverleger gesehen und nicht als Privilegierung für jegliche der Nachrichtensammlung und -Verbreitung dienende Handlung verstanden werden; vielmehr findet sie, auch bei Berücksichtigung der geschäftlichen Interessen der Presseunternehmen, ihre Grenze dort, wo sie auf andere gewichtige Interessen des freiheitlichen demokratischen Staates stößt und die Erfüllung der publizistischen Aufgabe der Presse nicht den Vorrang der Pressefreiheit erfordert92." So überzeugend diese Grundsätze sind, so schwer sind sie im Einzelfall zu handhaben. Ein Patentrezept für die gebotene Abwägung hat das BVerfG nicht gegeben, wohl aber einige Anhaltspunkte. So heißt es, daß das Recht zur Meinungsfreiheit "zurücktreten" müsse, wenn ihm höherrangige Interessen anderer entgegenstehen93• Die Rücksicht auf gleichwertige Rechtsgüter soll immerhin zu einer "Einengung" der Pressefreiheit führen können94 • Diese Abstufung ist freilich nicht sehr präzise, wie überhaupt eine abstrakte Abwägung zwischen Grundwerten wie Meinungs- und Pressefreiheit einerseits, Staatssicherheit, Sozialschutz, Ehrenschutz, Persönlichkeitsrecht andererseits nur allzu leicht in die Aporie führen kann. Das BVerfG stellt deshalb vor allem darauf ab, in welchem Ausmaß die kollidierenden Grundwerte im Einzelfall auf dem Spiel stehen, in welchem Grade ihre Realisierung gefährdet ist und auf welchem anderen Wege ihre Durchsetzung möglich wäre911• 91 BVerfG 20, 176. 92 BVerfG 25, 306. 93 BVerfG 7, 210. 94 BVerfG 20, 177. 95 Vgl. BVerfG 7, 212; 20, 177; 21, 243; 25, 306; 35, 226.

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F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

Das Lebach-Urteil des BVerfG vom 5. 6. 1973 verlangt "im Einzelfall eine generelle und konkrete Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechtsgüter" 96 . Ergibt die generelle Abwägung, daß das durch Art. 5 I geschützte Freiheitsrecht mit einem gleichwertigen Rechtsgut kollidiert, seien die beiden Verfassungswerte nach Möglichkeit zum Ausgleich zu bringen. Lasse sich dies nicht erreichen, sei unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten habe97. Nach diesen Maßstäben ist auch die Kollision zwischen Pressefreiheit und Mitbestimmung aufzulösen. Freilich ist nicht zu verkennen, daß es hier um eine etwas andere Problematik geht als in den Fällen, in denen das BVerfG bisher eine Abwägung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit vorgenommen hat. Bisher ging es immer um die Auslegung des allgemeinen Gesetzes, um seine Anwendung im Einzelfall. Hier wird dagegen die Frage gestellt, ob das MBG teilweise verfassungswidrig wäre, wenn es Presseunternehmen nicht ausklammern würde. Ein prinzipieller Unterschied liegt darin aber nicht98 . Das BVerfG kann nicht etwa dahin verstanden werden, daß die Meinungs- und Pressefreiheit zwar zu einer restriktiven Auslegung allgemeiner Gesetze, nicht aber zu ihrer teilweisen Verfassungswidrigkeit führen könne. Das vom BVerfG aufgestellte Gebot der Abwägung zwischen Freiheitsrecht und allgemeinem Gesetz begründet keine bloße Auslegungsregel, sondern objektive Grenzen für Eingriffe in den durch Art. 5 I umhegten Bereich. Häufig wird man dieser Grenze durch verfassungskonformer Auslegung allgemeiner Gesetze Rechnung tragen können. Wo dies nicht möglich ist, kann die Abwägung aber auch zur teilweisen Nichtigkeit des allgemeinen Gesetzes führen, soweit dem Freiheitsrecht Vorrang zukommt. II. Der verfassungsrechtliche Rang der Pressefreiheit

Eine Abwägung zwischen Pressefreiheit und paritätischer Mitbestimmung der Arbeitnehmer hat es auf beiden Seiten mit hohen Werten zu tun. Oben wurde bereits dokumentiert, welchen Rang das BVerfG der Pressefreiheit beilegt. Dazu nur noch ein besonders prägnanter Satz aus dem Spiegel-Urteil vom 5. 8. 1966: "Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfenen Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich99." 96 BVerfG 35, 224. 97 BVerfG 35, 225. 98 Bettermann, Verhandlungen des 49. DJT, N 180; ferner Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, 51. 99 BVerfG 20, 174.

III. Der verfassungsrechtliche Rang der Mitbestimmung

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111. Der verfassungsrechtliche Rang der Mitbestimmung 1. Vberblick

Die Verfechter der Mitbestimmung führen ähnlich hohe Werte ins Feld. Der Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (sog. BiedenkopfKommission) hebt folgende Argumente aus der gegenwärtigen Mitbestimmungsdiskussion hervor: Ein erster Ansatzpunkt ist die Würde der menschlichen Person und ihre freie Entfaltung. Die Verbindlichkeit dieses Wertes wird sowohl aus der christlichen Lehre als auch mit dem Hinweis auf verfassungsrechtliche Grundnormen begründet. Die Forderung nach qualifizierter Mitbestimmung wird weiterhin mit der gebotenen Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit begründet. Auch sehen die Befürworter der Mitbestimmung ein grundlegendes Argument in der Notwendigkeit, das demokratische Prinzip auch im wirtschaftlichen Bereich zu verwirklichen. Mitbestimmung gehöre zum Wesen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats1oo. 2. Dlenschenvvürde

Die Eiedenkopf-Kommission selbst leitet die Mitbestimmung der AN aus einer Wertentscheidung ab 101 • Gegenstand dieser Wertentscheidung sei die zutreffende Gestaltung der Stellung des einzelnen in der organisierten Gemeinschaft Unternehmen. Inhaltlich beruhe diese Wertentscheidung auf dem grundlegenden Bekenntnis zur Würde der Person, zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft und zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 und 2 GG). Die Unterordnung des AN unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt sei mit seiner Selbstbestimmtheit nur so lange vereinbar, als sie ihre Entsprechung in Gestalt der Freiheit der Beteiligung an den Entscheidungen finde, die den Arbeitsprozeß regeln und gestalten. Da die Kommission zur Begründung der Mitbestimmung so hoch greift, erscheint es folgerichtig, daß sie ihr (nicht ganz paritätisches) Mitbestimmungsmodell auch auf Tendenzunternehmen erstrecken will, da sich eine Ausnahme nicht mit den Gründen vereinbaren lasse, aus denen sich die institutionelle Mitbestimmung der AN im Unternehmen rechtfertige102• Damit verträgt es sich allerdings schlecht, daß die 100 101

102

Kommissions-Bericht II B Nr. 1 ff. Kommissions-Bericht II B Nr. 2. Kommissions-Bericht Teil V B Nr. 47.

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F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

Kommission den Vertretern der Anteilseigner eine Mehrheit im Aufsichtsrat mit der Begründung zubilligen will, daß sich die Politik des Aufsichtsrats ungeachtet der sozialen und sozialpolitischen Bindung des Unternehmens an der Rentabilität als der primären unternehmerischen Zielfunktion orientieren müsse. Daß die Würde des Menschen, die nach Ansicht der Kommission die Mitbestimmung legitimiert, hinter schlichten Rentabilitätserwägungen zurückstehen soll, ist nicht plausibel. Gegen eine direkte Ableitung ganz oder nahezu paritätischer Mitbestimmung aus der Menschenwürde spricht, daß diese Mitbestimmung auch nach Auffassung der Eiedenkopf-Kommission erst durch Gesetz eingeführt werden muß und nicht unmittelbar von Verfassungs wegen giJt1°3. Zudem wird paritätische Mitbestimmung nur für Großunternehmen gefordert, obwohl doch die Menschenwürde von Arbeitnehmern schwerlich mit der Größe der Unternehmen steigt, in denen sie beschränkt sind. All dies zeigt, daß der grundrechtliche Schutz der Menschenwürde zwar irgendwie hinter der Mitbestimmungsforderung stehen mag, ihre Verwirklichung aber nicht zum Verfassungsgebot erhebt. Schwerdtfeger hat versucht, die verfassungsrechtliche Relation von Menschenwürde und Mitbestimmung näher zu bestimmen104. Nach seiner Ansicht verlangen die Art. 1 und 2 GG vom Gesetzgeber, den Arbeitnehmern möglichst viel Selbstbestimmung und damit Mitbestimmung einzuräumen. Das GG setze diese Gedanken aber nicht absolut. Wegen Art. 14 GG sei auch das Eigentum der Aktionäre Bestandteil der grundgesetzliehen Wertordnung und damit in die Überlegungen des Gesetzgebers einzubeziehen. Schon aus der Existenz des Art. 14 GG folge, daß die häufig anzutreffende Formel ver fehlt sein müsse, der "Personenwert" habe stets Vorrang vor dem "Sachgüterwert". Wie sehr hier notwendig subjektive Wertungen ausschlaggebend seien, zeige sich gerade am Beispiel der Mitbestimmungsdiskussion. Sowohl die meisten Befürworter als auch die meisten Gegner einer Erweiterung der Mitbestimmung bekennten sich zum Grundsatz der 1o3 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 1973, 129 ff., meint allerdings, Art. 1 GG sei mit der überkommenen Eigentumsverfassung in der Weise in Einklang zu bringen, daß zwar die AN-Produzenten nicht wie im demokratischen Modell allein bestimmen, daß aber nichts gegen ihren Willen geschehen könne. Eine unmittelbare Geltung dieses Grundsatzes nimmt aber auch Däubter nicht an, denn er legt den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die tarifvertragliche Begründung von Mitbestimmungsrechten, die nicht nötig wäre, gäbe es wirklich ein verfassungsrechtlich anerkanntes "Grundrecht auf Mitbestimmung". Gegen Däubler auch Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, 1974, S. 51. 104 Schwerdtfeger, Unternehmerische Mitbestimmung der AN und Grundgesetz, 1972, 145.

III. Der verfassungsrechtliche Rang der Mitbestimmung

73

Selbstbestimmung der AN und gleichzeitig zum Eigentum der Aktionäre. Weil sie beide "Werte" unterschiedlich gewichteten, hielten sie teils die bisherige Unternehmensordnung, teils eine Erweiterung der Mitbestimmung unterhalb der Parität, teils die paritätische Mitbestimmung für gerecht. Von offensichtlich eindeutigen Fällen abgesehen, zu denen die qualifizierte Mitbestimmung nicht gehöre, obliege die Entscheidung derartiger Wertkonflikte dem Gesetzgeber. Dieser sei verpflichtet, den Gedanken der Selbstbestimmung der AN durch möglichst viel Mitbestimmung neben anderen Überlegungen in seine Beurteilung einzubeziehen. Es bleibe ihm aber überlassen, ob er diesen Gedanken für seine Entscheidung prägend werden lasse. Diese Ausführungen bestätigen nicht nur, daß eine qualifizierte (paritätische oder nahezu paritätische) Mitbestimmung vom GG nicht verbindlich gefordert wird. Darüber hinaus wird deutlich, daß die Menschenwürde der betroffenen AN von Einführung oder Nichteinführung der qualifizierten Mitbestimmung nicht sehr stark betroffen werden kann, daß die Realisierung der qualifizierten Mitbestimmung mit anderen Worten nicht zum Kernbereich, sondern allenfalls zu den Ausläufern des Grundrechts aus Art. 1 GG gehört. Denn sonst wäre nicht erklärlich, daß die Einführung der qualifizierten Mitbestimmung im Ermessen des Gesetzgebers stehen, ja das es ihm sogar freistehen soll, die Menschenwürde dem Aktieneigentum unterzuordnen. Nach der anthropozentrischen Grundrechtskonzeption des GG müssen Personenwerte stets vor Sachwerten gehen105, soweit sie in gleichem Maße betroffen sind. Dies muß besonders für den vom GG an die Spitze gestellten personalen Höchstwert der Menschenwürde gelten. Der grundrechtliche Eigentumsschutz kann deshalb in Sachen Mitbestimmung nur dann gegen die Menschenwürde ausgespielt werden, wenn die Mitbestimmung die Menschenwürde in viel geringerem Maße berührt als das Aktieneigentum. Dies ist in der Tat der Fall. Es hat sogar etwas Anmaßendes, die nur in der Bundesrepublik Deutschland eingeführte bzw. projektierte qualifizierte Mitbestimmung zum Bestandteil der Menschenwürde zu erklären. Denn damit werden sowohl die anderen privatwirtschaftliehen Ordnungen als auch die staatssozialistische Ordnung zu Systemen minderer Menschenwürde gestempelt. Gewiß lassen sich Selbst- und Mitbestimmung dem Ideenkomplex der Menschenwürde zuordnen. Die qualifizierte Mitbestimmung im Aufsichtsrat, wie sie mit dem MBG erstrebt wird, gibt dem einzelnen AN tos Vgl. Maunz!Dürig/Herzog, GG, Art. 1, I, 33; Nipperdey, in: Die Grundrechte, II, 1954, 23.

74

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

aber nur einen geringen Spielraum zu persönlicher Entfaltung. Zudem ist sie nicht der einzige Weg, auf dem der AN gestaltend in das Arbeitsleben eingreifen kann, denn die arbeitsrechtliche Vertragsfreiheit und das freiheitliche kollektive Arbeitsrecht lassen vielfältige individuelle Initiativen zu. Dies rechtfertigt das Gesamturteil, daß die Menschenwürde der AN von Einführung bzw. Nichteinführung der qualifizierten Mitbestimmung nicht im Kernbereich berührt wird. 3. Sozialstaatsprinzip

Greifbarer ist der Zusammenhang zwischen qualifizierter Mitbestimmung und Sozialstaatsprinzip. Mag die qualifizierte Mitbestimmung auch mit manchen Illusionen verbunden sein, so wird sie doch zu einer gewissen Verbesserung der sozialen Sicherheit der AN führen können, insbesondere im Zusammenhang mit grundlegenden Betriebsänderungen. Die immer drückender werdenden Gebote des Rentabilitätsprinzips lassen zwar auch den mitbestimmten Aufsichtsräten wenig Spielraum, wollen sie nicht das Abenteuer der Unrentabilität mit anschließender "Sanierung" durch den Staat riskieren. Im Rahmen des vorhandenen finanziellen Spielraums wird die qualifizierte Mitbestimmung aber zu einer weiteren Verbesserung der sozialen Sicherheit beitragen können. Dies rückt sie in den Zusammenhang der grundgesetzlichen SozialstaatsklauseL Übereinstimmend betont Rüthers, es gehe bei der Anwendung des MBG auf Presseunternehmen vor allem um die Frage, wo die verfassungsrechtlich vorgegebene Grenze zwischen der sozialstaatlich legitimierten Interessenvertretung der AN und der ebenfalls verfassungsrechtlich begründeten und geschützten Pressefreiheit verlaufe1oG. Ernst Rudolf Huber leugnet allerdings diesen Zusammenhang107 • Nach seiner Meinung ist die erweiterte wirtschaftliche Mitbestimmung weder notwendig noch geeignet, den AN einen zusätzlichen Sozialschutz zur Begrenzung der arbeitsvertraglich begründeten Weisungskompetenz des AG zu bieten. Vielmehr führe die Unterwerfung der Gesamtheit der Unternehmerischen Planungs- und Leitungsentscheidungen unter die erweiterte wirtschaftliche Mitbestimmung, die mit der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats eintritt, zu einer evidenten Unverhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck, weil nur ein geringer Teil dieser Entscheidungen den "Faktor Arbeit" in einem für die Arbeitnehmerschaft möglicherweise nachteiligen Sinn betreffe. Im Vergleich zu dem Rüthers, AfP 1974, 544. E. R. Huber, Grundgesetz und wirtschaftliche Mitbestimmung, 1970, 39 f.; vgl. auch Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, 2. Aufl., 1961, 10 f. 106 101

III. Der verfassungsrechtliche Rang der Mitbestimmung

75

sozialstaatlich gerechtfertigten Zweck, bei Unternehmerischen Entscheidungen über Betriebsänderungen die möglicherweise entstehenden wesentlichen Nachteile für die Belegschaft durch Einflußnahme seitens der Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft zu vermeiden oder zu begrenzen, sei die Unterwerfung der gesamten Planungs- und Leitungskompetenz des Trägers des Unternehmens unter die erweiterte wirtschaftliche Mitbestimmung ein übermäßiger Eingriff. Denn dieser erstrecke sich dann weit überwiegend auf solche Unternehmerischen Planungs- und Leitungsakte, die den Faktor Arbeit entweder überhaupt nicht oder doch jedenfalls nicht in einem der Belegschaft nachteiligen Sinne beträfen. Diese Thesen stammen aus dem Jahre 1970. Heute, bei schlechterer Lage und schlechteren Aussichten der deutschen Wirtschaft, ist jedenfalls eine andere Beurteilung geboten. Heute ist unverkennbar, daß die in den Unternehmen zu fällenden Planungs- und Leitungsentscheidungen das Schicksal der AN ganz entscheidend berühren, mag es sich um Stillegungen, Fusionen, Produktionsverlagerungen in das Ausland oder Investitionen handeln. Heute geht es um das Überleben der deutschen Wirtschaft und der sie tragenden Unternehmen in einer krisenhaften Weltwirtschaft- und dieses Überleben geht die AN sehr wohl etwas an108• Trotzdem kann die qualifizierte Mitbestimmung auch in bezug auf die Sozialstaatsklausel nicht zu dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich gerechnet werden. Schwerdtfeger, gewiß kein Gegner qualifizierter Mitbestimmung, hat dazu ausgeführt, weil den mit der qualifizierten Mitbestimmung angestrebten Vorteilen für die optimale Daseinsgestaltung von Belegschaft und Allgemeinheit Nachteile für das Funktionieren der Volkswirtschaft entgegenstünden, bestehe schon innerhalb der Verpflichtung zur Daseinsvorsorge ein Zielkonflikt, den der Gesetzgeber nach seinem Ermessen zu entscheiden habe109• Denn die Vorstellungen der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen seien so unterschiedlich, daß die Sozialstaatsklausel nach den bisherigen Überlegungen nur das Minimum gemeinsamer Vorstellungen aller Parteien hierzu mit Verfassungsrang in sich aufgenommen habe, zu denen die qualifizierte Mitbestimmung nicht gehöre. Ähnlich hat Ipsen die Ansicht vertreten, auch eine weite Deutung der Sozialstaatsklausel vermöge den Gesetzgeber nicht dahin zu binden, ob und in welcher Weise er den Sozialgestaltungsauftrag konkretisiere, wenn er sich bei der Entscheidung über die Machtverteilung in der 1os Ebenso der Bericht der Biedenkopf-Kommission, Teil IV A III 2. 109 Schwerdtfeger, aaO, 166.

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F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

Wirtschaftsordnung vor Zielkonflikte und Werturteile über den Inhalt sozialer Gerechtigkeit gestellt sehe110 • Diese Auffassung entspricht insofern der allgemeinen Meinung, als von keiner Seite behauptet wird, die Sozialstaatsklausel erzwinge die qualifizierte Mitbestimmung, so daß das geltende Gesellschafts- und Unternehmensrecht verfassungswidrig sei. Dies deckt sich mit dem Befund, der sich oben bei Erörterung des Grundrechts der Menschenwürde ergeben hatte. Freilich lassen sich sozialstaatliche Grundsätze in stärkerem Maße für eine qualifizierte Mitbestimmung ins Feld führen als der mehr auf das Individuum bezogene Gedanke der Menschenwürde. Als durch das Sozialstaatsprinzip unmittelbar geboten kann die qualifizierte Mitbestimmung aber nicht angesehen werden. Denn ein weitgehender Sozialschutz bei für die AN schwerwiegenden Unternehmensentscheidungen ist bereits durch das Kündigungsschutzrecht, § 613 a BGB, tarifvertragliche Rationalisierungsschutzabkommen, wirtschaftliche Mitbestimmung gemäß §§ 111 ff. BetrVG und das Sozialversicherungsrecht gewährleistet. Die qualifizierte Mitbestimmung im Aufsichtsrat geht allerdings weiter, da sie nicht nur die sozialen Folgen wirtschaftlicher Unternehmensentscheidungen beeinflussen kann, sondern diese Entscheidungen selbst. Aber gerade in diesem zusätzlichen Entscheidungsbereich ist der Spielraum für soziale Bestrebungen relativ gering. Stillegungen, Fusionen, Produktionsverlagerungen usw. w erden auch von nicht qualifiziert mitbestimmten Unternehmen nur vorgenommen, wenn es im Interesse der Rentabilität und der Wettbewerbsfähigkeit zwingend geboten erscheint. An diese ökonomischen Daten sind im Rahmen der marktwirtschaftliehen Ordnung auch die AN-Vertreter im Aufsichtsrat gebunden111 • Die AN-Vertreter können im Aufsichtsrat kein neues Wertsystem, keine neue Betriebswirtschaftslehre durchsetzen, sondern nur an der Beurteilung der Erfor dernisse von Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit sowie der Qualifikation des Managements mitwirken. Darüber hinaus können sie die Arbeitsbedingungen und die Gewinnverteilung zugunsten der AN beeinflussen, doch treten sie hier in Konkurrenz mit Tarifvertrag und Betriebsverfassung, die schon seit Jahren dafür sorgen, daß das Einkommen aus unselbständiger Arbeit stärker steigt als das Einkommen aus Aktienbesitz. Nach Auffassung der Eiedenkopf-Kommission sind denn auch Auswirkungen auf das Lohnniveau von der institutionellen Mitbestimmung grundsätzlich nicht zu erwarten112 •

11o 111 112

Mitbestimmung im Rundfunk, 62. In sozialistischen Systemen tritt an ihre Stelle die Bindung an den Plan. Kommissions-Bericht Teil IV, C II 2.

III. Der verfassungsrechtliche Rang der Mitbestimmung

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Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die qualifizierte Mitbestimmung der AN die soziale Sicherung verbessern kann, von der grundgesetzlichen Sozialstaatsgarantie aber nicht gefordert wird. 4. Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit

Für die qualifizierte Mitbestimmung der AN in den Aufsichtsräten der Großunternehmen wird weiterhin das Gebot der Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit angeführt. Der verfassungsrechtliche Gehalt dieses Arguments ist aber verhältnismäßig gering, da der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nur ein Willkürverbot enthält, also ein Verbot von Differenzierungen, für die sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt. Die bisherige Zuordnung von Kapital und Arbeit ist aber nicht in diesem Sinn willkürlich, da sie der Funktionsverschiedenheit der beiden Produktionsfaktoren entspricht113 • Nach Auffassung der Biedenkopf-Kommission sind die Anteilseigner sogar besser imstande, für die Rentabilität des Unternehmens zu sorgen. Hinzu kommt, daß die Einführung paritätischer Mitbestimmung möglicherweise gar nicht zu einer Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit, sondern zu einer "Überparität" zugunsten der AN und ihrer Gewerkschaften führen würde114 • Auf dieses schwierige Problem kann hier allerdings nicht näher eingegangen werden. 5. Demokratisierung der Wirtschaft

Die qualifizierte Mitbestimmung wird schließlich als Beitrag zur Demokratisierung der Wirtschaft befürwortet. Schwerdtfeger hat dem entgegengehalten, alle Aussagen des GG zur demokratischen Struktur zielten ausschließlich auf die Organisation des Staates und der kommunalen Gebietskörperschaften115• Einer erweiternden Auslegung stehe der Verzicht des parlamentarischen Rats entgegen, in das GG verbindliche Vorstellungen über die Sollstruktur der sozialen Ordnung aufzunehmen. Dies dürfte in der Tat zutreffen. Bei der Presse liegt aber eine Besonderheit vor, da ihre Struktur der vom BVerfG immer wieder hervorgehobenen Bedeutung einer freien Presse für die moderne Demokratie Rechnung tragen muß. Insofern wirkt das Demokratiegebot hier doch in den gesellschaftlichen Bereich hinein. Geboten ist 113 Schwerdtfeger, aaO, 186; vgl. auch Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, 1974, S. 52 ff. 114 Vgl. Rü.thers, DB 1973, 1649. 115 Schwerdtfeger, aaO, 187, mit Nachweisen.

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

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deshalb aber nicht die Mitbestimmung des nichtredaktionellen Personals der Presseunternehmen, sondern die Zugänglichkeit der Presse für alle gesellschaftlich relevanten Gruppen und auch für freie Verleger. Daß dies die gegenüber der Mitbestimmung demokratischere Lösung ist, wurde oben (S. 61) dargelegt; darauf kann verwiesen werden. Der Gedanke einer Demokratisierung der Wirtschaft durch Mitbestimmung muß deshalb bei der Abwägung zwischen Pressefreiheit und Mitbestimmung außer Betracht bleiben. IV. Abwägung von Pressefreiheit und Mitbestimmung 1. Ausgangslage

Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, daß eine qualifizierte Mitbestimmung der AN in den Aufsichtsräten der Großunternehmen vom GG nicht gefordert wird. Sie liegt vielmehr auf der Ebene des einfachen Gesetzes, gehört allerdings in den weiteren Zusammenhang des Sozialstaatspostulats und mittelbar auch der Menschenwürde. Demgegenüber würde die Anwendung des MBG auf Presseunternehmen in Rechtspositionen eingreifen, die unmittelbar auf Art. 5 I GG beruhen. Dies wurde oben dargetan in bezug auf das Recht zur freien Gründung von Presseorganen, das Recht der Inhaber (Gesellschafter) eines Presseunternehmens auf Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, das Recht auf Festsetzung der Grundhaltung der Zeitung durch den Verleger, die Freiheit der redaktionellen Arbeit, das Recht des Verlegers zur Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs, die Freiheit der wirtschaftlichen Disposition in Presseunternehmen. Freilich schließt die verfassungsrechtliche Fundierung aller dieser Rechte Einschränkungen durch einfache allgemeine Gesetze nicht aus, denn Art. 5 II GG läßt ja gerade die Einschränkung der speziellen Grundrechte aus Art. 5 I durch allgemeine Gesetze zu. Bei der Abwägung ist jedoch zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß auch das allgemeine Gesetz verfassungsrechtlich fundiert ist; dient es dem Schutz hoher Verfassungswerte, kann es dem Freiheitsrecht aus Art. 5 I eher eine Grenze ziehen116• Das MBG nimmt dabei eine mittlere Position ein, da es nicht unmittelbar von der Verfassung gefordert wird, aber doch nach verbreiteter Ansicht in der Linie wichtiger Verfassungsgrundsätze liegt. 2. Publizistische Mitbestimmung

Die Abwägung zwischen den Ausprägungen der Pressefreiheit, die von einer Anwendung des MBG auf Presseunternehmen berührt 116

BVerfG 35, 225.

IV. Abwägung von Pressefreiheit und Mitbestimmung

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würden, und den für eine qualifizierte Mitbestimmung sprechenden Gründen muß nicht für alle Unternehmensbereiche gleich ausfallen. Vor allem erscheint eine Beteiligung der AN an den wirtschaftlichen Entscheidungen eines Presseverlages eher gerechtfertigt als eine unmittelbar publizistisch wirksame Mitbestimmung. Keiner der Gründe, die sich für eine qualifizierte Mitbestimmung anführen lassen, kann eine Mitbestimmung oder auch nur Mitberatung allgemeiner ANVertretungen in bezug auf die generelle publizistische Haltung einer Zeitung und die Details ihres Inhalts rechtfertigen. Dies gilt auch und gerade für die stärkste gedankliche Stütze qualifizierter Mitbestimmung, das Postulat sozialer Sicherung. Denn die soziale Sicherung der AN in Presseunternehmen wird zwar von den wirtschaftlichen Unternehmensentscheidungen berührt, aber nicht von den rein publizistischen Angelegenheiten. Dem Sozialstaatssatz fehlt hier sein Feld, wie es Prof. Dr. Gerhard Müller, Chefpräsident des BAG, ausgedrückt hat117• Ebensowenig vermag das Konzept einer Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit eine publizistische Mitbestimmung allgemeiner AN-Vertretungen zu rechtfertigen. Diese Annahme stützt sich nicht nur darauf, daß die Verwirklichung einer Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit durch qualifizierte Mitbestimmung verfassungsrechtlich nicht geboten und tatsächlich zweifelhaft ist (dazu oben S. 77). Ausschlaggebend ist hier, daß die publizistische Betätigung von Verlegern und Redaktionen verfassungsrechtlich nicht primär als wirtschaftliche Aktivität, als Kapitalverwertung zu werten ist, sondern als Ausübung der Pressefreiheit. Auch in der bundesrepublikanischen Realität können nur die Publikationen der Unternehmerverbände und die Werkszeitungen als Sprachrohr des Kapitals bzw. des von den Kapitaleignern eingesetzten Managements gelten. Die Publikationen anderer Verbände und Gruppen lassen sich dagegen nicht einfach "dem Kapital" zurechnen, und auch die Zeitungen und Zeitschriften der freien Verleger bieten ein viel zu differenziertes Bild, als daß sie ohne weiteres als publizistische Organe des im Wirtschaftsleben arbeitenden Kapitals qualifiziert werden könnten. Die einfache Gegenüberstellung von Kapital und Arbeit vermag die Gegebenheiten einer freien, pluralistischen Presse nicht zu erfassen. Auch die Menschenwürde der nichtredaktionellen AN von Presseunternehmen verlangt keine publizistisch wirksame Mitbestimmung. Im Gegenteil wäre es eine Privilegierung, wenn von allen nicht unmittelbar publizistisch tätigen Berufsgruppen gerade diesem Personenkreis ein besonderer Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung der Presseorgane eingeräumt würde. 117

Müller,

Wem das GG die Pressefreiheit anvertraut hat, S. 8.

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

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3. Personelle Mitbestimmung

Die Anwendung des geplanten MBG auf Presseunternehmen würde den AN-Vertretern im Aufsichtsrat freilich keinen unmittelbaren Einfluß auf publizistische Entscheidungen einräumen. Im Vordergrund stünde vielmehr die (nahezu) paritätische Mitwirkung bei der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer. Mittelbar würde diese Kompetenz aber den AN-Vertertern Einfluß sowohl auf die publizistischen als auch auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Verlages verschaffen, da Vorstand bzw. Geschäftsführer für beides zuständig sind118• Wie oben (S. 52 ff.) dargelegt wurde, würde der so erzielbare publizistische Einfluß wichtige Ausprägungen der Pressefreiheit einschränken. Wir können jetzt hinzufügen, daß der Vorrang des allgemeinen Gesetzes (Art. 5 II GG) diese Einschränkung nicht zu rechtfertigen vermag, weil die für eine qualifizierte Mitbestimmung sprechenden Gründe eine publizistisch wirksame Mitbestimmung nicht legitimieren können. Dies bedeutet nicht, daß jede Form personeller Mitbestimmung in bezug auf leitende oder redaktionelle Mitarbeiter von Presseunternehmen verfassungswidrig sein muß. So lassen sich einige der im BetrVG geregelten Tatbestände personeller Mitbestimmung auch auf "Tendenzträger" anwenden, soweit sie den Einfluß des Betriebsrats auf soziale Aspekte personeller Maßnahmen beschränken119 • Eine solche Beschränkung ist in dem MBG aber nicht vorgesehen. Vielmehr würde es das Gesetz den AN-Vertretern im Aufsichtsrat erlauben, eigene publizistische Konzeptionen bei Bestellung oder Abberufung der Verlagsleitung wirksam werden zu lassen. Die Anwendung des Gesetzes auf Presseunternehmen würde deshalb in den publizistischen Bereich eingreifen, der einer Mitbestimmung allgemeiner AN-Vertreter von Verfassungs wegen verschlossen ist. 4. Wirtschaftliche Mitbestimmung

Im wirtschaftlichen Bereich ist die Kollision zwischen Pressefreiheit und Mitbestimmungsanspruch härter. Daß der Gesetzgeber allgemeinen AN-Vertretungen keinen Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung der Presseorgane verschaffen darf, ist verhältnismäßig leicht einzusehen. Bei der Beratung des BetrVG hat der Vorsitzende der IG Druck und Papier, Mahlein, sogar "ganz betont und nachdrücklich" erklärt, "daß wir nicht beabsichtigen, in die geistig-ideelle Zielsetzung eines Presseorgans einzugreifen oder die Mitwirkungsrechte der Betriebsräte auf 118 119

Vgl. Vgl.

Rüthers, AfP 1974, 546. Hanau, BB 1973, 907, allerdings

Wamhoff, DB 1973, 2187.

sehr bestritten, vgl. zuletzt

Gaul/

IV. Abwägung von Pressefreiheit und Mitbestimmung

81

diesen Bereich auszudehnen" 120 • Dagegen ist das Interesse der AN an einer Mitbestimmung über die wirtschaftlichen Unternehmensentscheidungen im Pressebereich nicht geringer als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Anwendung des geplanten MBG auf Presseunternehmen ist das aber unerheblich. Denn die durch das MBG oder aufgrund dieses Gesetzes erreichbaren Informations-, Kontroll-, Zustimmungs- und Mitentscheidungsrechte der AN-Vertreter im Aufsichtsrat beschränken sich nicht auf wirtschaftliche Angelegenheiten, sondern reichen weit in den publizistischen Bereich hinein. Die Anwendung des MBG auf Presseunternehmen wäre schon deshalb verfassungswidrig121. Erwägenswert ist allenfalls eine teilweise Anwendung des MBG, die den Einfluß der AN-Vertreter strikt auf den wirtschaftlichen Bereich der Presseunternehmen beschränkt. Die Konzeption des geplanten MBG läßt eine Trennung zwischen publizistischem und wirtschaftlichem Bereich aber nicht zu, da sie die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer in das Zentrum der Mitbestimmung rückt, also gerade eine Maßnahme, deren publizistische und wirtschaftliche Aspekte sich nicht trennen lassen. Ebenso erstrecken sich die Kontrollrechte des Aufsichtsrats notwendig auf die publizistischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der Geschäftsführung. Eine Trennung von wirtschaftlichen und publizistischen Entscheidungsgegenständen ist auf der Ebene des Aufsichtsrats noch weniger durchführbar als auf der Ebene der Betriebsverfassung122 • Im Augenblick ist es deshalb eine hypothetische Frage, in welchem Umfang und in welcher Form eine wirtschaftliche Mitbestimmung allgemeiner AN-Vertretungen in Presseunternehmen verfassungsrechtlich haltbar wäre. Dazu sei deshalb nur das folgende erwogen: Wie oben (S. 64) dargelegt wurde, sichert die Pressefreiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze auch die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Presseunternehmen, da sie mit der publizistischen Freiheit vielfältig und untrennbar verknüpft ist. Ein tatbestandlicher Eingriff in die Pressefreiheit läge auch in Informations- und Beratungsrechten allgemeiner AN-Vertretungen in bezugauf die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Presseunternehmen, da auch solche Rechte Außenstehenden Einfluß auf die Verlagsgeschäfte verschaffen können. Die relative Schwäche bloßer Informations- und Beratungsrechte fällt

120 121

ZRP 122

Vgl. zu Fn. 60.

Ebenso die oben Fn. 9 -11 zitierten Autoren; anders Hensche/Kittner, 1972, 179. Rüthers, AfP 1974, 547.

6 Hanau

82

F. Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem geplanten MBG

dagegen bei der gebotenen Abwägung ins Gewicht, wenn solche Rechte durch allgemeine Gesetze begründet werden. Bei der Beratung des BetrVG ist in dem Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung sehr deutlich gesehen worden, daß der zulässige Umfang von Mitbestimmungsrechten in Tendenzunternehmen durch Abwägung zwischen den Freiheitsrechten und dem Sozialstaatsprinzip gefunden werden muß. Trotzdem sind in§ 118 BetrVG nicht nur echte Mitbestimmungsrechte, sondern vor allem die Informations- und Beratungsrechte des Wirtschaftsausschusses ausgeschlossen worden. Dies hat zur Folge, daß die AN von Presseunternehmen immer wieder mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden, wenn Zeitungen eingestellt oder mit anderen Publikationsorganen verschmolzen werden. Es ist nicht ohne weiteres einleuchtend, daß eine so weit gehende Geheimhaltung im Interesse der Pressefreiheit unerläßlich ist, zumal die Mitglieder der Betriebsvertretungen zur vertraulichen Behandlung von Geschäftsgeheimnissen verpflichtet sind. Der von Art. 5 II GG geforderten Abwägung zwischen Freiheitsrechten und allgemeinen Gesetzen entspricht es m. E. besser, ein Informations- und Beratungsrecht über die grundlegenden wirtschaftlichen Angelegenheiten der Presseunternehmen zuzulassen123• Der Verknüpfung von wirtschaftlichen und publizistischen Angelegenheiten würde hinreichend Rechnung getragen, wenn die Tätigkeit von Wirtschaftsausschüssen in Presseunternehmen unter dem Vorbehalt der Eigenartsklausel des § 118 I S. 1 BetrVG stünde. Anders muß die Abwägung ausfallen, wenn durch allgemeine Gesetze Mitentscheidungsrechte allgemeiner AN-Vertretungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten von Presseunternehmen begründet würden. Angesichts der oben (S. 64) dargelegten Verflechtung wirtschaftlicher und publizistischer Angelegenheiten würde ein solches Mitentscheidungsrecht tief in die Pressefreiheit eingreifen. Dagegen wäre das Postulat der sozialen Sicherung, das die wirtschaftliche Mitbe123 Ebenso Arbeitsgericht Hagen, DB 1973, 2197; Fabricius, Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, § 118, 136; MaUmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 39; Mayer-Maly, AR-Blattei, Tendenzbetrieb I, 10 R. Auch der Verfasser hat schon 1973 die im Text näher ausgeführte Ansicht vertreten, daß die Anwendung der Vorschriften über Wirtschaftsausschüsse auf Presseunternehmen grundsätzlich zulässig wäre (BB 1973, 907). Nicht aufrechterhalten kann ich dagegen die im gleichen Zusammenhang angedeutete Ansicht, in Presseunternehmen sei auch die 1/a Beteiligung der AN im Aufsichtsrat gemäß §§ 76, 77 BetrVG 1952 verfassungsrechtlich zulässig. Denn dies verträgt sich nicht mit der bereits damals dargelegten (BB 1973, 902) und in der vorliegenden Arbeit (S. 58) bekräftigten Annahme, daß die Pressefreiheit jede gesetzliche Verankerung einer Einflußnahme von Personen, die nicht zum verlegerischen oder redaktionellen Bereich gehören, auf die publizistischen Angelegenheiten von Presseunternehmen ausschließt, auch wenn die Einflußnahme hinter der Parität zurückbleibt.

IV. Abwägung von Pressefreiheit und Mitbestimmung

83

stimmung legitimiert, nicht so stark berührt, wenn eine etwaige allgemeine Regelung wirtschaftlicher Mitbestimmung in Presseunternehmen auf Informations- und Beratungsrechte über grundlegende wirtschaftliche Angelegenheiten beschränkt bliebe. Denn die große Masse der AN außerhalb der Presse wäre von einer solchen Ausnahmeregelung gar nicht betroffen. Und auch die AN des Pressebereichs verlören nur ein Mittel zur Verbesserung ihrer sozialen Sicherung, während das übrige Instrumentarium des Sozialstaats auch ihnen nach wie vor zu Gebote stände. Das verbleibende sozialstaatliche Defizit wäre nicht groß genug, um einen so weitgehenden Eingriff in den verfassungsrechtlichen Höchstwert der Pressefreiheit zu rechtfertigen wie die Bindung wirtschaftlicher Verlagsentscheidungen an die Zustimmung allgemeiner AN-Vertretungen124. Wirtschaftliche Mitentscheidungsrechte allgemeiner AN-Vertretungen müssen deshalb ebenso ausgeschlossen sein wie die Vergesellschaftung von Presseunternehmen125.

124 Vgl. Kühler, Verhandlungen des 49. DJT, D 75: Sozialstaatlichkeit läßt sich nur in einer Weise deuten, die mit der verfassungsmäßig gebotenen Kommunikationsstruktur vereinbar ist. 12s Zum Verbot der Vergesellschaftung von Presseunternehmen: Denninger! Beye, in: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz freier Meinungsbildung und Dokumentation des Arbeitskreises Pressefreiheit, 1970, 30; Ehmke, Festschrift für Adolf Arndt, 117; Forsthoff, Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 45; L erche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 47; eine Vergesellschaftung erwägt allerdings Groß, DVBl. 1970, 341. s•

G. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Mitbestimmung in der Presse I. Presserechtliche Mitbestimmung 1. Grundlagen

Im Bundesinnenministerium ist der Entwurf eines Presserechtsrahmengesetzes erarbeitet worden, das Art. 75 Nr. 2 ausfüllen und u. a. die Mitbestimmung des redaktionellen Personals regeln soll. Dies verdeutlicht den bisher wenig beachteten Umstand, daß zwei verschiedene Gesetzgebungskompetenzen für Mitbestimmungsregelungen in der Presse in Betracht kommen. BetrVG, Montanmitbestimmung und das geplante Gesetz über die paritätische Mitbestimmung in den Großunternehmen gehören zu der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Die Betriebsverfassung ist in Art. 74 Nr. 12 ausdrücklich erwähnt, während die Mitbestimmung im Aufsichtsrat im Schnittpunkt der Zuständigkeiten für bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Arbeitsrecht (Art. 74 Nr. 1, 11 u. 12 GG) steht. Das Presserechtsrahmengesetz zählt dagegen die Mitbestimmung des redaktionellen Personals zu den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Presse im Sinne des Art. 75 Nr. 2, soweit sie nicht soziale, sondern pressespezifische Absichten verfolgt. Insoweit bestünde daher nur eine Rahmenkompetenz des Bundes. Diese Einordnung war nicht immer anerkannt. Noch im Jahre 1970 hat der jetzige parlamentarische Staatssekretär im Bundeswissenschaftsministerium, Dr. Peter Glotz, die Ansicht vertreten, Mitbestimmung der Redakteure gehöre zur Betriebsverfassung (Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament" vom 8. 8. 1970, S. 12). Auch die Tarifpartner des Pressegewerbes scheinen davon ausgegangen zu sein, daß die redaktionelle Mitbestimmung zu den Fragen des Arbeitsverhältnisses und der Betriebsverfassung gehöre, auf die sich die Tarifautonomie nach §§ 1, 3, 4 TVG erstreckt. Erst seit 1971 ist die Ansicht herrschend geworden, daß eine vornehmlich pressespezifischen Zwecken dienende Mitbestimmung von Redakteuren zum Presserecht und nicht zum Arbeitsrecht gehöre126• Art. 75 Nr. 2 GG besteht darauf, daß der 126 Arbeitskreis Pressefreiheit, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz freier Meinungsbildung, 1972, 1 ff., 39, 40; Ehmke, Festschrift für Adolf Arndt, 111; Kübter, Verhandlungen des 49. DJT, D 82, 94; Lerche, JZ 1972, 472; Hans Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, 1971, 36 ff. Die Besonderheit einer publizistischen Mitbestim-

I. Presserechtliche Mitbestimmung

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Bund nur durch ein Rahmengesetz pressespezifische Regelungen treffen darf. Dies schließt es aus, die konkurrierende Zuständigkeit des Bundes für die Betriebsverfassung für solche Regelungen in Anspruch zu nehmen. Aus dieser Einordnung der pressespezifischen Mitbestimmung ergeben sich wichtige Folgerungen für alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen einer solchen Mitbestimmung. 2. Folgerungen für schuldrechtliche Redaktionsstatute a) Das Monopol des Betriebsrats für die betriebsverfassungsrechtliche AN-Vertretung

Mitbestimmungsrechte von Redakteursvertretungen sind zuerst in sogenannten Redaktionsstatuten festgelegt worden, die im Rahmen der schuldrechtlichen Vertragsfreiheit zwischen einzelnen Verlegern und ihren Redakteuren vereinbart wurden. Eine verbreitete Meinung sieht in einer solchen vertraglichen Installierung von Redakteursvertretungen einen Verstoß gegen das Repräsentationsmonopol des Betriebsrats127. Dies ist richtig, soweit den Redakteursvertretungen durch Vertrag die selbständige Wahrnehmung wirtschaftlicher und sozialer Interessen der Redakteure aufgetragen wird. Denn das BetrVG 1972 läßt die Errichtung von Sondervertretungen einzelner AN-Gruppen keineswegs unbeschränkt zu. Vielmehr können nach § 3 I 1 BetrVG zusätzliche Vertretungen der AN bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche (nur) durch Tarifvertrag eingerichtet werden, und auch das nur, wenn es nach den Verhältnissen der vom Tarifvertrag erfaßten Betriebe der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den AN dient. Eine weitere Erschwerung liegt darin. daß derartige Tarifverträge der Zustimmung der obersten Arbeitsbehörde bedürfen. Daraus, daß § 3 I BetrVG nur den Tarifvertrag erwähnt, darf nicht gefolgert werden, nur der Tarifvertrag, nicht aber Betriebsvereinbarung und Einzelvertrag hätten das Vertretungsmonopol des Betriebsmung ist auch in den Verhandlungen der presserechtliehen Abteilung des

49. DJT mehrfach hervorgehoben worden, vgl. Mallmann, N 40; Recken, N 79; Simitis, N 85. Mayer-Maly erklärte dagegen vor dem 49. DJT, es

handele sich bei dem Streben um Redaktionsvertretungen nur um eine Auswirkung des arbeitsrechtlichen Mitbestimmungsgedankens auf die Presse

(N 83). 121 Mayer-Maly, AfP 1969, 881, und 1972, 301; DB 1971, 335; ihm folgend Galperin, AfP 1971, 55; Henkel, AfP 1973, 418; Kaiser, Presseplanung, 1972, 47 ; KuH, AfP 1970, 907; Rüthers, Verhandlungen des 49. DJT, N 54, 58, und DB 1972, 2474; Dietz!Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 118, 97 ff.; Weber, NJW 1973, 1953; anders Schwerdtner, BB 1971, 838, und JR 1972, 360.

86

G. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Mitbestimmung

rats zu respektieren. Es wäre merkwürdig, ja unverständlich, wenn der Gesetzgeber die von ihm selbst als zwingend bezeichneten128 Organisationsnormen der Betriebsverfassung zur Disposition der Betriebs- und Arbeitsvertragsparteien gestellt und nur eine tarifvertragliche Abänderung ausgeschlossen hätte. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Zwingendes Recht schließt abweichende Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen aus und läßt allenfalls abweichende Tarifverträge zu. So ist auch § 3 BetrVG zu verstehen: die Organisation der Betriebsverfassung kann durch Einzelvertrag und Betriebsvereinbarung überhaupt nicht, durch Tarifvertrag nur in dem durch § 3 abgesteckten Umfang geändert werden129 . Der Spielraum für die Errichtung von Sondervertretungen einzelner Gruppen von AN, die nicht wie die leitenden Angestellten ganz aus dem Betriebsverfassungsrecht herausgenommen sind, ist also sehr beschränkt. Das Vertretungsmonopol des Betriebsrats beinhaltet nicht nur, daß ihm keine Kompetenzen weggenommen werden dürfen. Das Gesetz geht weiter und erlaubt nicht einmal, daß Sondervertretungen einzelner AN-Gruppen durch Arbeits- oder Kollektivvertrag Vertretungsbefugnisse zur selbständigen Ausübung neben dem Betriebsrat eingeräumt werden. Nicht nur die Ausschaltung von Zuständigkeiten des Betriebsrats, sondern schon die Kumulierung selbständiger Zuständigkeiten von Betriebsrat und Sondervertretung soll vermieden werden13°. Dies folgt aus § 3 I Nr. 1 BetrVG, der Sondervertretungen nur zuläßt, wenn dies der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den AN dient. Man mag zweifeln, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Sondervertretung sein muß. Sicher ist jedenfalls, daß eine Sondervertretung einzelner AN-Gruppen nicht der vom Gesetzgeber geforderten zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den AN dient, wenn die Tätigkeit der Sondervertretung grundsätzlich selbständig und unabhängig vom Betriebsrat sein soll. In Angelegenheiten, die ihrer .Art nach zur Zuständigkeit des Betriebsrats gehören, können deshalb nach der gegenwärtigen Rechtslage Redaktionsvertretungen nur tätig werden, wenn sie auf staatlich genehmigten Tarifverträgen beruhen und ihre Tätigkeit nach den Verhältnissen des Betriebes der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusam12s

Vgl. den Regierungsentwurf des BetrVG, BT-Drucksache VI, 1786,

s. 35 f .

129 Fitting!Auffarth, BetrVG, 11. Auf!., § 3, 8, 9; Stege/Weinspach, BetrVG 1972, 196. 130 Brecht, BetrVG, 1972, § 3, 6; Fitting/Auffarth, BetrVG, 11. Auf!., § 3, 15; Frauenkron, BetrVG, 1972, § 3,3; Gnade/Kehrmann!Schneider, BetrVG, 1972,

§ 3, 2.

I. Presserechtliche Mitbestimmung

87

menarbeit des Betriebsrats mit den AN dient (§ 3 I Nr. 1 BetrVG). Auch neuartige, auf Vertrag beruhende Mitbestimmungsrechte sind- soweit die vertragliche Erweiterung der Mitbestimmung überhaupt zulässig ist -- grundsätzlich dem Betriebsrat zu übertragen. b) Keine Regelung der presserechtliehen Mitbestimmung im BetrVG All dies gilt nicht, soweit Redakteursvertretungen gebildet werden, die ausschließlich pressespezifische Interessen der Redaktion wahrnehmen sollen. Solchen Vertretungen steht das BetrVG nicht entgegen. Man mag darüber streiten, ob es sie überhaupt ausschließen wollte 131 • Entscheidend ist, daß es sie gar nicht ausschließen konnte, da es sich hier, wie oben dargelegt, um presserechtliche, nicht um betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung handelt. Diese Form der Mitbestimmung kann vom Bund aber nach Art. 75 I Nr. 2 GG nur durch ein Rahmengesetz geregelt werden, nicht durch eine Kodifikation nach Art des BetrVG. Und das schlichte Verbot von Vereinbarungen über pressespezifische Mitbestimmung, das von einigen dem BetrVG entnommen wird, kann schon gar nicht als durch Landesgesetze ausfüllungsfähige Rahmenregelung gelten. Die Abgrenzung von betriebsverfassungsrechtlicher und pressespezifischer Mitbestimmung ist nicht einfach. Pressespezifisch ist die Mitbestimmung jedenfalls, soweit sie die publizistische Freiheit der Redaktion, insbesondere in der Abgrenzung zu den Rechten des Verlegers, betrifft. Die gebotene Beschränkung der presserechtliehen Mitbestimmung auf pressespezifische Angelegenheiten ist nur gewahrt, wenn sie tatbestandlieh festgelegt132 und gerichtlich nachprüfbar ist. Dies gilt sowohl für Widerspruchsrechte der Redaktionsvertretung als auch für Abfindungsansprüche von Redakteuren aus Anlaß einer vom Verleger gegen das Votum der Redaktionsvertretung durchgeführten Maßnahme. 3. Folgerungen für Tarifverträge

Auch bei tarifvertragliehen Mitbestimmungsregelungen für die Presse ist die Unterscheidung von betriebsverfassungsrechtlicher und presserechtlicher Mitbestimmung zu beachten. Freilich stoßen tarifliche Regelungen in beiden Bereichen auf rechtliche Schranken. 131 Bejahend die Fn. 127 zitierten Autoren; verneinend Fitting/Auffarth, BetrVG, 11. Aufl., § 118, 20; Frey, AuR 1972, 168; Kübler, Gutachten zum 49. DJT, D 73; Mallmann, Verhandlungen des 49. DJT, N 26, 35, 36; NeumannDuesberg, BB 1970, 1057; Schwerdtner, BB 1971, 838, JR 1972, 360. 132 Ebenso wohl Kübler, Gutachten zum 49. DJT, D 49.

88

G. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Mitbestimmung

Eine betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung mit sozialer Zielsetzung kann ein Tarifvertrag in der Presse entweder durch entsprechende Kompetenzen für Redakteursvertretungen oder durch Erweiterung der Mitbestimmung des Betriebsrats anstreben. Redaktionsvertretungen können in der Tat durch Tarifvertrag geschaffen und mit betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechten versehen werden, soweit dies durch § 3 I Nr. 1 BetrVG legitimiert ist. Inwieweit die Mitbestimmung des Betriebsrats durch Tarifvertrag erweitert werden kann, ist sehr streitig und kann hier nicht vertieft werden.

Presserechtliche Mitbestimmung kann durch Tarifvertrag m. E. gar nicht geregelt werden. Der Verfasser hat dazu früher (BB 1973, 908) dargelegt, daß Tarifverträge nach dem TVG nur Arbeitsverhältnis und Betriebsverfassung, nicht aber Presserecht einschließlich publizistischer Mitbestimmung regeln dürften. Für eine presserechtliche Tarifhoheit fehlt im TVG jeder Anhalt. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob das zunächst vorkonstitutionelle TVG überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Tarifmacht auf das Presserecht auszudehnen. Auch der Rechtsberater der IG Druck und Papier, Assessor Ihlefeld, geht davon aus, daß tarifvertragliche Regelungen der publizistischen Mitbestimmung nicht als Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen im Sinne des TVG angesehen werden können133• Trotzdem sei die Legitimation der Tarifparteien auch insoweit gegeben; für sie spreche der Grundsatz der sozialen Autonomie, das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Sachnähe. Auch der Tarifpartner der IG Druck und Papier, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, befürwortet eine tarifvertragliche Regelung der Beziehungen zwischen Verleger und Redakteuren. Dagegen hat Mallmann die Ansicht vertreten, die Entscheidung von Fragen, bei denen es um mehr als um den Ausgleich von Interessengegensätzen, nämlich um die Realisierung der Verfassungsgarantie eines freiheitlichen Kommunikationsprozesses gehe, könne nicht den Tarifvertragsparteien überlassen werden133a. Tarifverträge über publizistische Mitbestimmung sind also problematischer, als gemeinhin angenommen wird. Als sichere Grundlage steht den Tarifparteien bei Vereinbarungen über publizistische Mitwirkungsrechte nur die schuldrechtliche Vertragsfreiheit zu Gebote. 4. Landesgesetzgebung

Landesgesetzliche Regelungen einer Mitbestimmung in der Presse sind bis zum Erlaß eines Presserechtsrahmengesetzes in gleichem Umtaa AfP 1974, 517. taaa Verhandlungen des 49. DJT, N 24.

II. Sozialordnungsrechtliche Mitbestimmung

89

fang zulässig wie schuldrechtliche Vereinbarungen: Betriebsverfassungsrechtliche Regelungen, sei es über Rechte des Betriebsrats, sei es über die Wahrnehmung sozialer Interessen durch Redakteursvertretungen. sind dem Landesgesetzgeber verwehrt, da diese Materie durch das BetrVG abschließend geregelt ist. Zuständig ist die Landesgesetzgebung dagegen für das Presserecht einschließlich der pressespezifischen Mitbestimmung. 5. Bundesgesetzgebung

Regelungen der pressespezifischen Mitbestimmung können, soweit sie mit den Individualrechten von Verlegern und Redakteuren vereinbar sind, in einem Presserechtsrahmengesetz getroffen werden. Die Rahmenkompetenz des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse reicht aber nicht mehr aus, wenn ein "Presserechtsrahmengesetz" zugleich Rechte des Betriebsrats regelt oder Redaktionsvertretungen soziale Aufgaben wie die Mitwirkung bei der Festsetzung des Arbeitsentgelts zuweist. Denn das ist Arbeitsrecht, nicht Presserecht. Solche Regelungen können deshalb nur auf die konkurrierende Zuständigkeit des Bundes für Arbeitsrecht und Betriebsverfassung (Art. 74 Nr. 12 GG) gestützt werden. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung kann der Bund allerdings auch durch bloße Rahmengesetze tätig werden134 • Ein Presserechtsrahmengesetz kann deshalb Fragen der presserechtliehen und der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung in der Presse regeln, soweit Art. 5 GG Spielraum für eine Mitbestimmung läßt.

II. Sozialordnungsrechtliche Mitbestimmung Das geplante MBG würde auch bei Anwendung auf Presseunternehmen keine pressespezifischen Mitbestimmungsrechte enthalten. Es würde sich vielmehr um "sozialordnungsrechtliche" Mitbestimmung135 handeln, um eine allgemeine Regelung der Unternehmensverfassung. Die Gesetzgebungskataloge des GG erwähnen diese Materie nicht ausdrücklich. Schwerdtfeger meint, einschlägig seien evt. Art. 74 Nr. 12 (Arbeitsrecht einschließlich Betriebsverfassung), sonst Nr. 11 (Recht der Wirtschaft). oder Nr. 15 (Überführung von Produktionsmitteln in eine Form der Gemeinwirtschaft)l 35a. In der Tat bestehen Berührungsflächen mit allen diesen Bereichen. Entscheidend ist aber der gesellt:t4 Maunz!Dürig!Herzog, GG, Art. 75 Anm. 5, 18, 21; anders wohl MayerMaly, AR-Blattei, Tendenzbetrieb I, Bl. 2.

1~5 Dies ist ein von BVerfG 25, 392, 404, 407 geprägter Ausdruck für die unternehmensverfassungsrechtliche Mitbestimmung. 135a Schwerdtfeger (Fn. 104), S. 145.

90

G. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Mitbestimmung

schaftsrechtliche Ansatz des MBG. Juristisch handelt es sich um eine Umgestaltung des Rechts der Kapitalgesellschaften und deshalb ist die Gesetzgebungskompetenz einschlägig, auf der das Aktiengesetz, GmbHG usw. beruhen136 •

136

Einschlägig ist hier Art. 74 Nr.ll GG (Recht der Wirtschaft); so Maunz/ Art. 74, 22.

Dürig/Herzog, GG,

H. Die Bedeutung des§ I Abs. 4 Nr. 2MBG-Entwurf für Zeitungsdruckereien I. Presserechtlicher Tendenzschutz auch für "Gewinnstreben" Die Tendenzschutzklausel des § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf schließt sich fast wörtlich an § 118 I Nr. 2 BetrVG 1972 an. Ein Unterschied besteht nur darin, daß § 118 auf "Unternehmen und Betriebe" abstellt, während § 1 IV Nr. 2 MBG nur Unternehmen erfassen will, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 I S. 2 GG Anwendung findet. Die Beschränkung auf Unternehmen ergibt sich daraus, daß die am Aufsichtsrat ansetzende Mitbestimmung nur die Unternehmensebene betrifft, während die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung Ansatzpunkte in Betrieb und Unternehmen hat. 1. Die BAG-Rechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952

Wegen der weitgehenden Übereinstimmung der beiden Tendenzschutzklauseln ist ein großer Teil der Diskussion über die Auslegung des § 118 I Nr. 2 BetrVG 1972 auch für § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf bedeutsam. Hauptstreitfrage ist hier, ob die Absicht der Gewinnerzielung den Tendenzschutz ausschließt. Dies war schon unter dem alten BetrVG sehr umstritten. In einem Beschluß vom 22. 2. 1966 hatte das BAG ausgeführt, die "Bestimmungen" nach § 81 I BetrVG 1952 seien dadurch gekennzeichnet, daß es sich um Betätigungen auf geistig-ideellem Gebiet handele. Es müsse daher der Unternehmer eine Tätigkeit nach außen hin erkennbar gerade darauf abgestellt haben, ein geistig-ideelles Gut im Sinne des § 81 I zu fördern. Der Unternehmer müsse gleichsam von der Idee der Förderung gerade dieses Guts erfüllt sein und seine Tätigkeit maßgeblich und entscheidend um der Förderung dieses Guts willen ausüben137. In zwei Beschlüssen vom 27. 8. 1968 wurde das dahin abgeschwächt, es sei nicht allein entscheidend, ob das Unternehmen mit seiner Betätigung auch ein Gewinnstreben verfolge. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein solches Gewinnstreben vorliege, um eine Betätigung für die 137 BAG AP Nr. 4 zu § 81 BetrVG 1952.

H. Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf

92

Bestimmungen des § 81 I BetrVG 1952 zu ermöglichen. Diene aber die Betätigung auf einem Gebiete des § 81 I vornehmlich dem Gewinnstreben, so sei das jedenfalls ein gewichtiges Anzeichen dafür, daß für die Betätigung nicht das Anliegen, die in § 81 genannten Bestimmungen zu fördern, entscheidend sei, sondern nur Unternehmerische Erwägungen138. In einem Beschluß vom 29. 5. 1970, in dem das BAG seine Rechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952 noch einmal grundsätzlich überprüfte, trat das Kriterium des Gewinnstrebens weiter zurück. "Die Verwirklichung ganz besonderer Werte wird durch ein gleichzeitiges Gewinnstreben nicht berührt", hieß es nun. Etwas anderes könne nur gelten, wenn das Unternehmen nicht aus einer geistig-ideellen Zielrichtung heraus betrieben werde, sondern lediglich zum Zwecke des Geldverdienens139. 2. § 118 I Nr. 2 BetrVG

Zur Auslegung des § 118 I Nr. 2 BetrVG 1972 hat das BAG noch nicht Stellung genommen. In der Literatur, die schon unter dem BetrVG 1952 uneins war, setzt sich der alte Streit fort. Mit besonderem Nachdruck verwendet sich Fabricius dafür, den Tendenzschutz nur Unternehmen mit ideeller, nicht wirtschaftlicher Zielsetzung zuzubilligen140. Im Fall des § 118 I Nr. 2 hat diese Ansicht freilich gegen sich, daß die Pressefreiheit der gesamten Presse garantiert ist, auch wenn sie keinen höheren Zweck verfolgt141 • Das BVerfG zählt sogar die privatwirtschaftliche Struktur, d. h. die Markt- und Gewinnorientierung der Presse, zu den Garantieelementen der Pressefreiheit (BVerfG 20, s. 175 f.). Fabricius setzt sich darüber mit folgendem Kunstgriff hinweg142 : § 118 I Nr. 2 BetrVG erfasse gar nicht alle Unternehmen, deren Gegenstand die Herausgabe von Zeitungen oder Zeitschriften sei: wenn die Formulierung in Ziff. 2 des§ 118 im Sinne von "Gegenstand" des Unternehmens aufgefaßt werden sollte, hätte von Zwecken der bestimmten Art die Rede sein müssen. Mit dem jetzigen Wortlaut könne aber nur gemeint sein, daß Berichterstattung und Meinungsäußerung Mittel 138 139 140 zum

AP Nr. 10, 11 aaO. AP Nr. 13 aaO. Fabricius, Anm. zu AP Nr. 13 aaO und in : Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 118, 60 ff.; ähnlich Gnade/Kehrmann/Schneider, BetrVG,

§ 118, 4.

141 Vgl. BVerfG 21, 272; 25, 307; 35, 222. BVerfG 35, 222 legt zugleich dar, daß Berichterstattung und Meinungsäußerung auch die Unterhaltung umfassen. 142 Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, § 118, 92 ff.

I. Presserechtlicher Tendenzschutz auch für "Gewinnstreben"

93

weiterer Zwecke seien. Die Formulierung des § 118 I Nr. 2 umschreibe nichts anderes, als daß es sich um einen nichtwirtschaftlichen Zweck handeln müsse. Berichterstattung oder Meinungsäußerung zu betreiben, die von Art. 5 I S. 2 GG gedeckt ist, reiche für die Anwendung des § 118 BetrVG nicht aus. Rüthers hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß Fabricius' Auffassung alle wesentlichen Presseunternehmen aus dem Schutzbereich des § 118 BetrVG abdrängen würde, weil die Absicht der Gewinnerzielung mit der privatwirtschaftlich strukturierten Presse untrennbar verbunden sei1 43 • Stelle man, so Rüthers, auf die nichtwirtschaftliche Zielsetzung ab, werde der Tendenzschutz auf die kommunikationspolitischen Randerscheinungen der notorisch wirtschaftlich fußkranken Partei- und Kirchenpresse reduziert. Daß dies der Normzweck des§ 118 BetrVG sei, der erstmals die Presseunternehmen ausdrücklich in den Tendenzschutz einbeziehe, könne nicht angenommen werden144 • Ähnlich hat Richardi ausgeführt, nicht die Einstellung des Unternehmers, sondern die Art des Unternehmens begründe die Tendenzeigenschaft. Denn es gehe nicht um ein Privileg zu mitbestimmungsfreier Betriebsund Unternehmensgestaltung; die Beschränkung der Mitbestimmung in Tendenzunternehmen solle vielmehr im gesellschaftlichen Interesse eine ungebundene Entfaltung der Betätigung im geistig-ideellen Bereich gewährleisten145• 3. § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf

Die geplante Übernahme des Tendenzschutzes in das MBG liefert weitere Argumente dafür, alle Presseorgane einzubeziehen, die unter den Schutz des Art. 5 I 2 fallen. So ist zu bedenken, daß der Tendenzschutz nicht nur die Verleger, sondern auch die Redakteure gegen nichtredaktionelle Einflüsse abschirmen soll. Ist schon die Motivation (Gewinnstreben?) der Verleger schwer zu ergründen, so dürfte eine Motivforschung bei den zahlreichen Redakteuren unmöglich sein. Auch würde sie kaum zu einheitlichen Ergebnissen führen. Entscheidend ist aber, daß der pressebezügliche Tendenzschutz im BetrVG wie im MBG nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte alle Rüthers, AfP 1974, 546. Ebenso im Ergebnis die herrschende Meinung, vgl. Fitting/Auffarth, BetrVG, 11. Aufl., § 118,7 (ohne Anzeigenblätter); Frey, Der Tendenzschutz im BetrVG 1972, 35 (unter Einbeziehung von "Landserheften und Porno", aber ohne Anzeigen- und Rätselzeitungen); Mayer-Maly, AR-Blattei, Tendenzbetrieb I, G III (unter Einbeziehung von Anzeigenblättern); Arbeitsgericht Rosenheim 13. 3. 1974, 1 BV 1i74; Arbeitsgericht Bamberg 21. 9. 1973, BV 3/73 (Ausnahme für Anzeigenblätter). 145 Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 118, 18 - 24, 42 (ohne Anzeigenblätter). 143

144

94

H. Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf

Unternehmen erfassen will, für die Art. 5 I 2 GG gilt. Als Grund für den Tendenzschutz ist bei der Ausarbeitung sowohl des BetrVG als auch des MBG-Entwurfs der erforderliche Schutz der Freiheitsrechte angegeben worden146• Dem Gesetzgeber war betont und erkennbar daran gelegen, eine Sonderregelung für den ganzen Bereich der Pressefreiheit zu schaffen, und deshalb ergibt schon die einfache Auslegung, daß sich der Anwendungsbereich des presserechtliehen Tendenzschutzes mit dem Anwendungsbereich der verfassungsrechtlich verbürgten Pressefreiheit deckt. Damit ist die große Masse der Presseorgane erfaßt, ohne Rücksicht auf die mehr oder minder kommerzielle Motivation ihrer Verleger und Verfasser. Randerscheinungen wie die AnzeigenZeitungen können hier außer Betracht bleiben. Diese Anhindung des Tendenzschutzes an die Pressefreiheit bedeutet auf der anderen Seite, daß der Kreis der vom presserechtliehen Tendenzschutz erfaßten Unternehmen und Betriebe nicht weiter gezogen werden darf, als es die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Pressefreiheit erfordert. Schwierigkeiten bereitet diese Grenzziehung vor allem bei den Zeitungsdruckereien. II. Zeitungsdruckereien 1. Das Verhältnis zwischen Zeitungsverlagen und Zeitungsdruckereien

Die organisatorischen und gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den Zeitungsverlagen und den jeweiligen Zeitungsdruckereien können verschieden gestaltet sein. Eine Übersicht gestattet eine Umfrage, die der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger im Jahre 1974 bei 30 großen und mittleren Zeitungsverlagen unternommen hat. Gefragt wurde vor allem, ob Verlag und Druckerei zu demselben Unternehmen gehören oder zu verschiedenen Unternehmen. Bei Verschiedenheit der Unternehmen wurde nach etwaigen gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen gefragt. In 20 der befragten Verlage (bzw. Verlagshereichel gehören Verlag und Druckerei zu demselben Unternehmen. In 19 dieser Verlage dient die Druckerei überwiegend der Herstellung von Zeitungen oder Zeitschriften; nur in einer dieser Druckereien werden überwiegend andere Druckerzeugnisse hergestellt. Nicht festgestellt wurde allerdings, ob in der Druckerei nur die eigene oder auch fremde Zeitungen hergestellt werden. 146 Vgl. den Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum BetrVG 1972, zu BT-Drucksache VI, 2729, 17; Begründung des Regierungsentwurfs eines MBG, Bundestagsdrucksache 7/2172, S. 20.

II. Zeitungsdruckereien

95

In 8 der befragten Verlage gehören Verlag und Druckerei zu verschiedenen Unternehmen, die jedoch gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind. Dabei entsprechen in 4 Fällen die von den Inhabern bzw. Gesellschaftern gehaltenen Anteile an dem Druckereiunternehmen den Anteilen am Verlagsunternehmen. In einem Fall hält das Verlagsunternehmen die Mehrheit der Anteile des Druckereiunternehmens. In einem weiteren Fall hält umgekehrt das Druckereiunternehmen die Hälfte der Anteile des Verlagunternehmens. In 2 Fällen sind Sonderformen einer engen gesellschaftsrechtlichen Verflechtung vertreten. Alle 8 dieser Druckereien stellen überwiegend Zeitungen und Zeitschriften her; wiederum wurde allerdings nicht festgestellt, ob es sich nur um Objekte des jeweils gesellschaftsrechtlich verbundenen Verlages handelt. Bei nur insgesamt 2 Verlagen und einem Verlagsteilbereich werden die Zeitungen von einem fremden Unternehmen gedruckt, mit dem das Verlagsunternehmen gesellschaftsrechtlich nicht verflochten ist. Diese Übersicht zeigt, daß die herkömmliche Unterscheidung von Mischunternehmen und Lohndruckereien der Wirklichkeit und der rechtlichen Problematik nicht gerecht wird. Denn es gibt nicht zwei, sondern drei Formen der Kooperation zwischen Zeitungsverlagen und Druckereien: die Vereinigung in einem Unternehmen (Mischunternehmen); die gesellschajts1·echtliche Verflechtung; den Lohndruck im Werkvertrag. Weitaus am häufigsten sind die beiden ersten Formen einer engen Verbindung von Verlag und Druckerei. Dadurch heben sich die Zeitungsdruckereien deutlich von Papierfabriken und ähnlichen Unternehmen ab, die die Herausgabe von Zeitungen erst möglich machen, ohne aber mit ihnen typischerweise organisatorisch eng verbunden zu sein. 2. Die Rechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952

Unter der Geltung des alten BetrVG hat sich das BAG mehrfach mit der Anwendung des Tendenzschutzes auf Zeitungsdruckereien auseinandergesetzt. In einem ersten Beschluß vom 13. 7. 1955 lag der Tatbestand gesellschaftsrechtlicher Verflechtung zwischen Zeitungsverlag und Druckerei vor. Diese Verflechtung bestand darin, daß die Druckerei zu 45 °/o am Stammkapital des Verlages beteiligt war und daß Verlag und Druckerei denselben Geschäftsführer hatten. 67 °/o des Gesamtumsatzes der Druckerei entfielen auf Aufträge des verbundenen Verlages; der Rest des Umsatzes wurde durch Formular- und Akzidenzdruck aufgebracht. Wegen dieser Umstände wurde die Druckerei vom BAG als Tendenzunternehmen eingestuft147• 147

BAG 13. 7. 1955, AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952 = BAG 2, 91.

H. Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf

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In drei späteren Beschlüssen des BAG ging es um Mischunternehmen, die gleichzeitig Verlag und Druckerei betrieben148• Zu ihrer Einstufung entwickelte das BAG die "Geprägetheorie": Mischunternehmen sei Tendenzschutz nur einzuräumen, wenn die geistig-ideelle Zielsetzung eindeutig überwiege und dem Gesamtunternehmen das Gepräge gebe. In dem letzten einschlägigen Beschluß des BAG vom 29. 5. 1970 wurde die Geprägetheorie dahin modifiziert, für den Tendenzschutz von Mischunternehmen seien qualitative und nicht quantitative Maßstäbe ausschlaggebend149 • Auf die Prozentzahlen von Umsatz und Ertrag komme es nur an, wenn der recht unbestimmte, gleichwohl aber nicht zu entbehrende Begriff des Gesamtgepräges nicht ohne sie feststellbar sei. In diesem Fall müßten aber die Prozentzahlen ganz eindeutig sein; geringe Zufallsmehrheiten seien nicht entscheidend. Wenn überhaupt hinreichende Anhaltspunkte für eine Wertverwirklichung der in § 81 I BetrVG 1952 genannten Art vorlägen, sei im Zweifel, wegen des Gewichts dieser Werte, die Vorschrift anzuwenden. Dabei müsse die Persönlichkeit des Unternehmers in den Hintergrund treten, da das Gesetz auf das Unternehmen abstelle. Eine Tradition des Unternehmens könne von Bedeutung sein, wenn sie noch lebendig sei und in der Art, wie das Unternehmen betrieben wird, erkennbar zum Ausdruck komme. Zusätzlich wurde für Lohndruckereien ausgeführt, hier greife der Tendenzschutz nur ein, wenn die Druckerei auf den Inhalt der von ihr gedruckten Publikationen Einfluß nehmen könne oder wenn sie betrieben werde, um dadurch den Bestand eines anderen, tendenzbezogenen Teils des Unternehmens zu sichern. 3. § 118 BetrVG 1972

Dies war der Stand der Rechtsprechung, als das neue BetrVG geschaffen wurde, in dem auch der Begriff des Tendenzunternehmens neu formuliert wurde. In dem Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, auf den die neue Formulierung zurückgeht, heißt es dazu: "Um den Ausnahmecharakter zu betonen und den Tendenzschutz auf Unternehmen und Betriebe zu beschränken, deren unternehmerisches Gepräge von einer geistig-ideellen Aufgabe bestimmt wird, soll der Tendenzschutz nur platzgreifen, wenn die Unternehmen oder Betriebe unmittelbar und überwiegend der genannten Aufgabe dienen ... Bei Mischbetrieben muß nach Ansicht des Ausschusses auf das Gesamtgepräge des Betriebes abgestellt werden 1so." AP Nr. 4, 10, 11 aaO. AP Nr. 13 aaO. 1so Zu BT-Drucksache VI, 2729, 17. 148 149

II. Zeitungsdruckereien

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Mit dem Hinweis auf das Gesamtgepräge schließt sich der Ausschuß an die vorstehend geschilderte Rechtsprechung des BAG an. In diesem Rahmen werden die Akzente allerdings etwas anders gesetzt. Während der Beschluß des BAG vom 29. 5. 1970 (oben S. 96) bei Mischunternehmen im Zweifel Tendenzschutz gewähren wollte, spricht das neue gesetzliche Erfordernis des Überwiegens mehr dafür, im Zweifel gegen den Tendenzschutz zu entscheiden. Geblieben ist aber der jedenfalls nicht ausschließlich quantitativ bezogene Begriff des Gesamtgepräges. Eine BAG-Entscheidung zu diesen Fragen liegt meines Wissens noch nicht vor. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist uneinheitlich. In einem Beschluß des LAG Hamm vom 14. 3. 1974 ging es wieder um einen Fall gesellschaftsrechtlicher Verflechtung zwischen Druckerei und Verlag151 • Die Druckerei wurde in Form einer GmbH & Co. KG geführt; ihre Kapazität diente ganz überwiegend der Herstellung einer Tageszeitung. Die Anteile an der Komplementär-GmbH lagen bei der KG selbst; Kommanditist war das Zeitungsunternehmen (GmbH). Komplementär-GmbH und Zeitungs-GmbH hatten dieselben Geschäftsführer. Für Druckerei und Verlag bestanden einheitlich die Stellvertretung der Geschäftsführung, die Finanz- und Hauptbuchhaltung, das Gehaltsbüro, das Lohnbüro, die Kostenkontrolle, die Revision, die Sozialbetreuung, die Hausverwaltung, das graphische Atelier, die Rechtsabteilung, der Steuer- und Betriebsberater. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen waren auch Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten dieselben. Entgegen dem Arbeitsgericht152 wertete das LAG die Druckerei-KG nicht als Tendenzunternehmen, so daß hier ein Wirtschaftsausschuß zu errichten sei. Die beiden Fälle, in denen eine Lohndruckerei nach der Rechtsprechung des BAG Tendenzschutz habe, seien nicht gegeben. Mit dem Betrieb der Druckerei werde nicht die Absicht verfolgt, den Bestand des Verlages zu ermöglichen; sie solle lediglich die technische Seite der tendenzorientierten Publikation sichern. Auch könne die Druckerei keinen Einfluß auf den Inhalt der Publikation ausüben. Die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen änderten nichts daran, daß es sich rechtlich um eine selbständige Gesellschaft handele. Die ZeitungsGmbH könne ihren Kommanditanteil jederzeit veräußern. Eine Lohndruckerei könne nicht sozusagen über Nacht zum Tendenzbetrieb aufrücken, nur weil sie gesellschaftsrechtlich mit einem Zeitungsunternehmen verbunden werde. Solange beide Gesellschaften ihre rechtliche Unabhängigkeit bewahrten und Druckerei und Verlag als selbständige Betriebe nebeneinander 151 LAG Hamm 14. 3. 1974, 8 Ta BV 103/73, teilweise veröffentlicht, DB 1974, 1240. 152 Vgl. Arbeitsgericht Hagen DB 1973, 2195. 7 Hanau

H. Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf

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fortgeführt würden, könne die Tendenz des Verlages nicht kurzerhand der Druckerei zugerechnet werden. Ob Verlag und Druckerei auf Unternehmensebene zusammengefaßt seien, gebe in bezug auf § 118 nicht den Ausschlag. Von wesentlicher Bedeutung sei vielmehr die Tatsache, daß es sich um zwei betriebsverfassungsrechtlich selbständige Betriebe handele. Die in dem letzten Absatz wiedergegebene Erwägung des LAG Hamm ist unzutreffend, da die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses nur auf der Ebene des Unternehmens möglich ist. Daß Verlag und Druckerei selbständige Betriebe waren, war daher ganz unerheblich. Die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses kam nur in Betracht, wenn die Druckerei nicht bloß ein selbständiger Betrieb, sondern ein selbständiges Unternehmen im Sinne der Betriebsverfassung war. Mit der vorstehend geschilderten Rechtsprechung des BAG zu § 81 BetrVG ist der Beschluß des LAG Hamm unvereinbar. Denn das BAG hat eine Zeitungsdruckerei, die mit einem Zeitungsverlag gesellschaftlich eng verflochten war und überwiegend für ihn arbeitete, als Tendenzunternehmen angesehen147• Soweit Zeitungsverlag und Druckerei zu denselben Unternehmen gehören, scheint auch das LAG Hamm von dem Vorliegen eines einheitlichen Tendenzunternehmens auszugehen. Die entscheidende Frage ist deshalb, ob es für die "Tendenzeigenschaft" einer Zeitungsdruckerei darauf ankommt, ob sie zu demselben Unternehmen gehört wie der Verlag oder ob sie mit dem Verlag nur gesellschaftsrechtlich verflochten ist. Im übrigen liegen bisher zwei erstinstanzliehe Beschlüsse vor, die Tendenzschutz gewähren, wenn Verlag und Druckerei zu demselben Unternehmen gehören. In einem Beschluß des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21. 9. 1973 ging es um ein Verlags- und Druckereiunternehmen, dessen Druckereiumsatz zur Hälfte auf eine in dem Verlag herausgegebene Zeitschrift, zur anderen Hälfte auf Lohndruck entfiel. Der auf das eigene Verlagsgeschäft entfallende Umsatzteil unter Einbeziehung des dazu gehörenden Druckereiumsatzes war insgesamt erheblich größer als der Umsatzanteil aus fremden Aufträgen. Demgemäß begründete das Arbeitsgericht den Tendenzschutz des Gesamtunternehmens mit einer quantitativen Abwägung. Das Arbeitsgericht fügte hinzu, der in § 118 I Nr. 2 BetrVG genannte Zweck gebe dem Untern ehmen aber auch erkennbar das Gepräge, da die Verlagstätigkeit ausschließlich und die Tätigkeit der Druckerei etwa zur Hälfte der Berichterstattung diene und daher sowohl nach außen hin wie der Belegschaft gegenüber deutlich im Vordergrund stehe163. 153

Arbeitsgericht Bamberg

21. 9. 1973,

BV 3/73.

11.

Zeitungsdruckereien

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Eine ähnliche Verteilung der Umsatzanteile lag in einem Fall vor, über den das Arbeitsgericht Rosenheim zu entscheiden hatte154. Hier bestand nur die Besonderheit, daß Teile der Zeitung in Form von Matern von einem anderen Verlag übernommen wurden. Dies wurde von dem Gericht aber für unerheblich erklärt, da bereits die Auswahl, woher Berichte und Meinungen bezogen würden, eine freie Entscheidung im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit bedeute, die grundsätzlich ebenso schutzwürdig sei wie die Erarbeitung des Zeitungsinhalts in einer eigenen Redaktion. Der Tendenzcharakter des Gesamtunternehmens wurde vom Arbeitsgericht wiederum quantitativ begründet, da sämtliche Arbeitnehmer irgendwie mit der Herstellung der Tageszeitung befaßt waren und nur 25 °/o der Arbeitszeit auf Fremdaufträge entfielen. Bemerkenswert ist, daß hier der Druck der Zeitung mit zu dem Tendenzbereich gezählt wurde. Ergänzend wurde auf die entsprechenden Umsatzanteile verwiesen. Im Schrifttum zeigt sich ein ähnlicher Problemstand. Dietz-Richardi155 unter scheiden zwischen Mischunternehmen, bei denen Verlag und Druckerei eine Einheit bilden, und Lohndruckereien. Bei den Mischunternehmen soll auf das Gesamtgepräge abgestellt werden, nicht auf eine quantitative Abwägung. Unter welchen Voraussetzungen das Mischunternehmen von dem Verlag geprägt wird, wird nicht näher ausgeführt. Mayer-Maly, der die Grundauffassung von Dietz-Richardi t eilt, nennt als Elemente des Gesamtgepräges Tradition und Eigenart eines Unternehmens sowie die Art seines Engagements156 • Lohndruckereien werden von Dietz-Richardi grundsätzlich nicht als Tendenzunternehmen betrachtet157 • Die vom BAG (oben S. 96) gemachten Ausnahmen werden von Richardi mit folgenden Modifikationen gebilligt: wenn die Druckerei auf den Inhalt der Publikationen Einfluß nehmen könne, handele es sich nicht um eine reine Lohndruckerei, sondern um ein Unternehmen mit geistig-ideeller Zielsetzung. Werde die Druckerei betrieben, um dadurch den Bestand des Verlages zu ermöglichen oder zu sichern, sei zu berücksichtigen, daß nicht die Lohndruckerei als selbständiges Unternehmen, sondern lediglich als Teil des Unternehmens gemeint sei, es sich also um das Problem des Mischunternehmeps handele. Die Gegenposition wird besonders von Frey vertreten158. Lohndruckereien seien stets tendenzfrei. Bei Mischunternehmen sei eine 154 Beschluß vom 13. 3. 1974, 1 BV 1/74. 155 Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 118, 17, 55; ebenso Brecht, BetrVG, § 118, 2; Mayer-Maly, AR-Blattei, Tendenzbetrieb I, E III. 156 Mayer-Maly, aaO. 157 Dietz! Richardi, § 118, 49. 7*

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quantitative Abgrenzung vorzunehmen, da die Geprägetheorie dem neuen gesetzlichen Kriterium des Überwiegens nicht entspreche. Als Gegenstand der quantitativen Abwägung werden Umsatz, Ertrag und Belegschaft nebeneinander genannt, als zeitlicher Bemessungsraum 1 Jahr. Dahingestellt bleibt, ob nur Fremdaufträge oder auch der Druck der eigenen Zeitung dem tendenzfreien Unternehmensbereich zugeschlagen werden sollen. Klarer ist in diesem Punkt der Kommentar von Fitting-Auffarth159 • Die Druckerei des Zeitungsverlages müsse quantitativ überwiegend der jeweiligen Tendenz dienen, von dort aus ihr Gepräge erhalten. Der Druck der eigenen Zeitung wird hier also zum Tendenzbereich gezählt. Weniger klar ist in diesem Kommentar allerdings die Vorfrage, ob die Abgrenzung quantitativ oder qualitativ vorzunehmen sei. Zunächst (§ 118,4) heißt es, bei Mischbetrieben sei das Gepräge maßgebend, nicht nur rein quantitative Gesichtspunkte. Anschließend (§ 118,8) wird aber gesagt, bei Mischbetrieben müsse ein quantitatives Übergewicht unmittelbar tendenzbezogener Tätigkeit vorhanden sein. Im Ergebnis dürfte der Kommentar eine Kombination quantitativer und qualitativer Elemente befürworten. Lohndruckereien, die als rechtlich selbständige Unternehmen für Tendenzunternehmen Lohnaufträge durchführen, genießen nach Auffassung des Kommentars keinen Tendenzschutz160 • Die vom BAG anerkannten Ausnahmen seien überholt, da der Betrieb unmittelbar den geschützten Interessen dienen müsse. 4. §liV Nr.2 MBG

a) Mischunternehmen

Vorstehende Rechtsprechungs- und Literaturübersicht dürfte gezeigt haben, zu welchen Problemen die Anwendung des § 1 IV Nr. 2 MBGEntwurf im Hinblick auf Zeitungs-Druckereien führen kann. Dabei ist nochmals hervorzuheben, daß die verbreitete Unterscheidung von Mischunternehmen und Lohndruckereien der Wirklichkeit und der rechtlichen Problematik nicht gerecht wird. Denn es gibt eben nicht zwei, sondern drei Formen der Kooperation zwischen Verlag und Druckerei: die Vereinigung in einem Unternehmen (Mischunternehmen); die gesellschaftsrechtliche Verflechtung; den Lohndruck im Werkvertrag. Bei den Mischunternehmen wird die Anwendbarkeit des§ 118 I Nr. 2 BetrVG überwiegend anerkannt, wenn die Druckerei ausschließlich oder 158 Frey, Der Tendenzschutz im BetrVG 1972, 43 ff.; ebenso Gnade/Kehrmann/Schneider, BetrVG, § 118, 2. 159 160

§ 118, 8, 20. § 118, 19.

II. Zeitungsdruckereien

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quantitativ überwiegend mit der Herstellung der in dem Unternehmen verlegten Zeitungen befaßt ist, ohne Rücksicht darauf, in welchem quantitativen Verhältnis insoweit Personal und Umsatz von Verlag und Druckerei stehen161 • In diesen Fällen bestimmt der Zeitungsverlag eindeutig das Gesamtgepräge des Unternehmens. Für§ 1 IV Nr. 2 MBG muß dies erst recht gelten. Denn sonst könnte es dazu kommen, daß ein Zeitungsunternehmen nur deshalb der paritätischen Mitbestimmung unterstellt wird, weil die Zeitung in dem gleichen Unternehmen gedruckt wird. Dieser Umstand kann aber eine so schwerwiegende Einschränkung der Pressefreiheit wie die paritätische Mitbestimmung nicht rechtfertigen. Denkbar ist weiter, daß sich in einem Mischunternehmen redaktionelle und technische Herstellung von Presseorganen des Verlages einerseits. Lohndruck andererseits nach Umsatz und Personal im großen und ganzen die Waage halten. Bei einer quantitativen Interpretation des Merkmals "überwiegend" müßte hier bereits der Tendenzschutz verneint werden. Dies stellt den Verleger in einem solchen Fall vor die Wahl, entweder die Anwendung des BetrVG oder gegebenenfalls des MBG auf seinen Verlag hinzunehmen oder den Verlagsbereich in einem selbständigen Unternehmen zu führen. Diese Zwangslage wird etwas gemildert, wenn man - mit dem BAG und dem Ausschußbericht zu § 118 BetrVG - auf das Gesamtgepräge des Unternehmens abstellt. Nur wird gerade in den Fällen, in denen sich tendenzbezogener und tendenzfreier Anteil die Waage halten, ein Gesamtgepräge schwer feststellbar sein. Nach dem Wortlaut des § 118, der ein Überwiegen des Tendenzanteils verlangt, müßte man dann aufgrund rein quantitativer Abwägung den Tendenzschutz verneinen. Die Regel "im Zweifel kein Tendenzschutz" für Mischunternehmen wird aber spätestens problematisch, wenn sie auf § 1 IV Nr. 2 MBGEntwurf übertragen wird. Denn hier liefe diese Regel darauf hinaus, der Mitbestimmung im Zweifel den Vorrang vor der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit zu geben. Ein solcher Vorrang ist aber verfassungsrechtlich nicht haltbar, auch nicht im Rahmen der durch Art. 5 II gebotenen Abwägung. Vielmehr gilt hier, wie § 1 IV Nr. 2 MBG Entwurf grundsätzlich anerkennt, daß Pressefreiheit vor paritätische Mitbestimmung geht. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Abwägungsgrundsatz bei Mischunternehmen in sein Gegenteil verkehrt werden soll. Andererseits ist es richtig, daß die mitbestimmungsverdrängende Wirkung der Pressefreiheit je geringer sein muß, desto größer der tendenzfreie Fremdanteil in der Tätigkeit von Mischunternehmen wird. 161 Mayer-Maly, Fitting!Auffarth, Arbeitsgericht Rosenheim, aaO (Fn. 144); wohl auch Dietz!Richardi und Frey, aaO (Fn. 157, 158).

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H. Bedeutung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 MBG-Entwurf

Auch ist bei der Abwägung gemäß Art. 5 II GG zu beachten, ob die Pressefreiheit bei Anwendung des allgemeinen Gesetzes auf andere Weise gesichert werden kann. Wägt man all dies ab, wird man Pressefreiheit und Mitbestimmung bei Mischunternehmen in folgender Weise harmonisieren können: Betreibt ein Unternehmen, das die allgemeinen Voraussetzungen des MBG erfüllt, Zeitungsverlag und -druckerei, ist § 1 IV Nr. 2 MBG anwendbar, wenn redaktionelle und technische Herstellung der Zeitung (en) eindeutig einen größeren Anteil ausmachen als sonstige, nicht tendenzgeschützte Unternehmensbereiche. Im umgekehrten Fall (klares Überwiegen der nichttendenzbezogenen Tätigkeit) ist der Tendenzschutz in der Regel zu verneinen. Halten sich beide Tätigkeitsbereiche etwa die Waage, ist § 1 IV Nr. 2 MBG-Entwurf anwendbar, wenn es nicht zurnutbar ist, den Tendenzbereich als selbständiges Unternehmen zu führen.

b) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung Werden Verlag und Druckerei einer Zeitung nicht in einem, sondern in zwei, gesellschaftsrechtlich verflochtenen Unternehmen betrieben, lassen sich zum Tendenzschutz die folgenden Ansichten vertreten: (1) Das Druckereiunternehmen unterliegt nicht dem Tendenzschutz, da es nicht unmittelbar der Tendenzverfolgung dient. (2) Das Druckereiunternehmen unterliegt dem Tendenzschutz, wenn es von dem Zeitungsverlag beherrscht wird und redaktionelle und technische Herstellung der Zeitung(en) in der Tätigkeit der beiden Unternehmen überwiegen. Der Beherrschung der Druckerei durch den Verlag steht es gleich, wenn umgekehrt die Druckerei den Verlag beh errscht oder wenn dieselben Personen Verlag und Druckerei beherrschen. (3) Soweit das Druckereiunternehmen nicht als Tendenzunternehmen angesehen wird, ergibt sich ein zusätzliches Problem aus § 4 MBG-Entwurf, falls Druckerei und Verlag als Komplementär bzw. Kommanditist einer GmbH & Co. KG verbunden sind. Sind dann die AN des Verlages gemäß § 4 den AN der Druckerei hinzuzurechnen, obwohl der Verlag unter § 1 IV Nr. 2 fällt? Dies ist aber wohl mehr eine theoretische Frage. Eine abschließende Stellungnahme zu den beiden unter (1) und (2) skizzierten Meinungen ist hier nicht möglich, da nicht hinreichend geklärt ist, aus welchen Gründen und mit welchen Auswirkungen Zeitungsverlage und Druckereien teils in einheitlichen Unternehmen, teils in selbständigen, aber gesellschaftsrechtlich verflochtenen Unternehmen geführt werden. Denkbar ist, daß es sich nur um eine steuerlich bedingte, formale Unterscheidung handelt, die an der Realität der

li. Zeitungsdruckereien

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Tendenzverfolgung nichts ändert. In diesem Fall wird man bei der Anwendung der Tendenzschutzbestimmungen nicht differenzieren dürfen.

c) Lohndruckereien Lohndruckereien, die aufgrund von Werkverträgen Zeitungen herstellen, sind keine Tendenzunternehmen. Die beiden vom BAG ins Auge gefaßten Ausnahmen (oben S. 96) werden sich nicht bei reinen Lohndruckereien, sondern nur bei gesellschaftsrechtlich verflochtenen Unternehmen finden.

Ergebnisse I. Die an der Arbeitsteilung in Wissenschaft, Rundfunk (einschließlich Fernsehen) und Presse bet