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German Pages 362 [364] Year 2019
Praxishandbuch Schreiben in der Hochschulbibliothek
Deutsche Literatur Studien und Quellen
Herausgegeben von Beate Kellner und Claudia Stockinger
Band 25
Praxishandbuch Schreiben in der Hochschulbibliothek Herausgegeben von Wilfried Sühl-Strohmenger und Ladina Tschander Unter Mitwirkung von Martina Straub
ISBN 978-3-11-059116-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059414-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059138-5 Library of Congress Control Number: 2019938421 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Jacob Ammentorp Lund / iStock / Getty Images Plus Lektorat: Meiken Endruweit, Berlin Typesetting: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis IX Wilfried Sühl-Strohmenger, Ladina Tschander Zur Einführung 1
Teil I: Grundlagen und Rahmenbedingungen Einleitung 11 Marcus Schröter, Eric W. Steinhauer Bibliothek und Schreiben – Schreiben und Bibliothek. Versuche einer kulturgeschichtlichen Annäherung 14 Wilfried Sühl-Strohmenger Die Rolle der Bibliothek beim wissenschaftlichen Schreiben aus schreibdidaktischer Sicht 36 Dagmar Knorr Schreibdidaktik und Hochschuleinrichtungen gemeinsam auf dem Weg zu einer akademischen Schreibkultur – Kooperationsmöglichkeiten von Hochschuleinrichtungen zur Förderung studentischen Schreibens 47 Thomas Hapke Wissenschaft und Offenheit – Reflexion über Wissenschaft als Teil der Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben 58 Sylvia Langwald „Studierende dort beraten, wo sie schreiben“ – Schreibberatung als neues Aufgabenfeld der Universitätsbibliothek Marburg 70 Christian Wymann Angebot und Nachfrage – Werbemaßnahmen für die Schreibberatung der Universitätsbibliothek Bern 80 Gabriele Fahrenkrog, Rudolf Mumenthaler, Karsten Schuldt Schreiben im digitalen Raum 87
VI Inhaltsverzeichnis
Teil II: Angebote und Aktivitäten Einleitung 107 Ute Schlüter, Guido Kippelt Informationen anwenden und verknüpfen: Schreiben als ein Teil von Informationskompetenz – am Beispiel der Hochschule Hamm-Lippstadt 110 Katrin Girgensohn, Hans-Jürgen Hertz-Eichenrode, Anja Voigt Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten – Wissenschaftliches Schreiben als Gemeinschaftserlebnis zwischen Pyjama-Party und Klosterstille 121 Timo Guter, Claudia Kocian-Dirr Hochschulbibliothek Neu-Ulm: Weiterentwicklung des Schnellkurses „Wissenschaftliches Schreiben“ zum intracurricularen Blended Learning-Kurs „Bridge the Gap“ 130 Ingrid Sand, Andrea Thiel Idee Schreibwerkstatt – Entwicklung eines schreibdidaktischen Angebots in der Hochschulbibliothek der Technischen Hochschule Mittelhessen 147 Brigitte Mayer, Helene Heller-Künz Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens – illustriert am Beispiel des Schreibzentrums der Bibliothek der FH Vorarlberg 158 Andreas Ledl Die Hochschulbibliothek als Anbieterin von Schreibberatung im Campus-Umfeld am Beispiel der UB Basel 171 Ladina Tschander Literaturverwaltung als Schnittstelle zwischen Wissensdokumentation und Schreiben 180 Tina Rotzal, Dominik Schuh Gute Texte brauchen gute Nachweise – Studierende auf dem Weg zu Informationsqualität und akademischer Integrität begleiten und beraten 190
Inhaltsverzeichnis
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Teil III: Kooperationen und Netzwerke Einleitung 207 Nina Melching, Julia Meyer Netzwerk Schreiben. Kooperation zwischen dem Schreibzentrum der TU Dresden und der SLUB Dresden 210 Susanna Blaser-Meier, Rahel Meier Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken 223 Andreas Hirsch-Weber, Diana M. Tangen Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen am Karlsruher Institut für Technologie – KIT-Bibliothek und Schreiblabor des House of Competence 234 Sabine Rahmsdorf, Melanie Fröhlich Schreibort Bibliothek? Studierende beim Schreiben unterstützen personelle und räumliche Ressourcen an der Universität Bielefeld 251 Carina Gröner, Edeltraud Haas Kollaborationen an der Universität St.Gallen – Offene Schreibberatung in der Bibliothek als gemeinsamer Service von Bibliothek und Writing Lab 263 Stefanie Everke Buchanan, Judith Heeg „Gemeinsam statt einsam“ – Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek zur Förderung wissenschaftlichen Arbeitens von Studierenden 274 Marion von Francken-Welz, Jessica Kaiser, Matthias Pintsch Mit dem Learning Center leichter schreiben – Schreibberatung als Service der UB Mannheim 296 Markus Malo Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart 309 Ladina Tschander, Wilfried Sühl-Strohmenger Perspektiven für die Förderung des wissenschaftlichen Schreibens in der Hochschulbibliothek 319 Literaturverzeichnis 329 Index 351
Abkürzungsverzeichnis APC DBV FaMI FTE HAW HoC HSG HSHL IK ISK IWA KIM KIT LNDS MINT OER OJS QSL SLUB THM WAC WID WTE WTL SQ SZD TV-L ZLL ZBIW ZPID
Article Processing Charges Deutscher Bibliotheksverband Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste Full Time Equivalent (Vollzeitäquivalent/VZÄ) Hochschule für Angewandte Wissenschaften House of Competence Hochschule St.Gallen Hochschule Hamm-Lippstadt Informationskompetenz Informations- und Schreibkompetenz Informationsplattform zum wissenschaftlichen Arbeiten Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum Karlsruher Institut für Technologie Lange Nacht des Schreibens Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik Open Educational Resources Open Journal System Qualitätssicherung von Studium und Lehre Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Technische Hochschule Mittelhessen Writing Across the Curriculum Writing in the Disciplines Writing to Engage Writing to Learn Schlüsselqualifikationen Schreibzentrum der Technischen Universität Dresden Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder Zentrum für Lehren und Lernen Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (Köln) Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation
https://doi.org/10.1515/9783110594140-203
Wilfried Sühl-Strohmenger und Ladina Tschander
Zur Einführung Schreiben ist an Universitäten und Fachhochschulen allgegenwärtig – so wie auch Schreibprobleme im studentischen Alltag häufig auftreten. Wird die richtige Sprache verwendet? Wie kann ich elegant meine Erkenntnisse präsentieren? Zitiere ich die richtige Literatur in korrekter Weise? Habe ich die relevante Literatur für meinen Forschungsüberblick gefunden? Diese Fragen machen deutlich, dass Informationskompetenz und das wissenschaftliche Schreiben sich überschneiden. Und gerade diesen Bereich will dieses Handbuch beleuchten. Gegenstand des Buchs ist die Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens von Studierenden und Promovierenden durch Hochschulbibliotheken in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Denn die Hochschulbibliotheken im deutschsprachigen Raum verstehen Informationskompetenz als einen Leitbegriff ihres Handelns1, unterstützen die Einrichtungen der Lehre durch entsprechende Kurs- und Beratungsangebote bei der Förderung von Informationskompetenz und nehmen dabei auch die Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens ins Visier2. Das Praxishandbuch richtet sich vor allem an das Bibliothekspersonal, welches einerseits mehr über das wissenschaftliche Schreiben in Erfahrung bringen möchte und andererseits eben auch Hinweise darüber erhalten möchte, wie Bibliotheken den Schreibprozess fördern können. Hierbei spielt die Kooperation mit den Schreibzentren eine wichtige Rolle. Hauptzielgruppen des Handbuchs sind demnach Bibliothekarinnen und Bibliothekare an Hochschulbibliotheken, insbesondere Fachreferentinnen und Fachreferenten, Teaching Librarians, Bibliothekare in Aus-, Fortund Weiterbildung, Studierende und Promovierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schreib- und Kompetenzzentren der Hochschulen, Schreibberaterinnen und Schreibberater. Die verschiedenen Beiträge zeigen das Spektrum der aktuell schon existierenden bibliothekarischen Angebote auf, verdeutlichen dadurch, dass Hochschulbibliotheken und Schreibzentren in Zukunft noch enger zusammenarbeiten könnten, um die Schreibkompetenz bei Studierenden und wissenschaftlich Arbeitenden oder Forschenden in der Hochschule nachhaltiger zu unterstützen. Hochschulbibliothe-
1 Siehe dazu beispielsweise: Sühl-Strohmenger, Wilfried u. Jan-Pieter Barbian: Informationskompetenz. Leitbegriff bibliothekarischen Handelns in der digitalen Informationswelt. Wiesbaden: Dinges & Frick, 2017 (B.I.T.online Innovativ 67). 2 Vgl. Ruhmann, Gabriela u. Marcus Schröter: Grenzverschiebungen: Wissenschaftliches Schreiben, Schreibwerkstätten und Informationskompetenz. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitwirkung von Martina Straub. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2017 (Reference), S. 227–244. https://doi.org/10.1515/9783110594140-001
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ken haben ein ausgeprägtes, über einen langen Zeitraum gewachsenes Know-how darüber, wie Wissen dokumentiert werden soll, um dieses wiederzufinden. Weiter sind Hochschulbibliotheken Spezialisten für die Recherche und das Auffinden relevanter Informationen. Beides unterstützt die Studierenden bei der Suche nach einer Fragestellung für ihre Haus-, Seminar- oder Abschlussarbeit, die grundlegend für den Schreibprozess ist. Daher können Hochschulbibliotheken zur Förderung und Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens in der Hochschule einen nachhaltigen Beitrag leisten. Welchen Beitrag die Hochschulbibliotheken genau leisten können, soll hier betrachtet werden. Hierbei sind folgende Fragen wegweisend: – Welche Funktionen haben sie beim Schreiben in der Hochschule? – Welchen Rahmen, welche Dienstleistungen und welche Infrastrukturen bieten sie für das Schreiben? – Welche Formen der Kooperation mit anderen Einrichtungen an der Hochschule existieren bei der Unterstützung des Schreibens? – Inwieweit bieten sie aktiv Einführungen und Kurse zur Förderung der Schreibkompetenz? – Inwieweit gehört die Schreibkompetenz zur Informationskompetenz? – Wie wirken Schreibzentren und Bibliotheken bei der Schreibförderung zusammen? Bislang liegen nur vereinzelte Darstellungen zur Rolle der Hochschulbibliotheken bei der Förderung studentischen Schreibens vor.3 Allerdings finden sie in den einschlägigen Lehrbüchern zum wissenschaftlichen Schreiben im Zusammenhang mit der Recherche durchaus Erwähnung4, aber eben nicht als Akteure, die den Schreibprozess Studierender durch eigene Angebote begleiten und unterstützen, sondern lediglich als Reservoir von Katalogen, Datenbanken und Medienbeständen. Dies zeugt jedoch von einer verkürzten Sichtweise auf die Funktion und die Aufgaben einer modernen Hochschulbibliothek. Nicht mehr der Bestand allein steht im Vordergrund, sondern der Zugang zu verteilten Ressourcen, vor allem aber die Nutzenden und ihre Bedürfnisse bei der Wissensgenerierung. Auch die Bibliotheksflächen
3 Vgl. zum Beispiel: Heller-Künz, Helene u. Brigitte Mayer: Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek. Das Schreibzentrum der Bibliothek der FH Vorarlberg. Ein Praxisbericht. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 2016 H. 3. S. 370–374. DOI 10.1515/bfp-20160062. 4 Vgl. beispielsweise: Esselborn-Krumbiegel, Helga: Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben. 4., aktual. Aufl. Paderborn: Schöningh 2014 (UTB 2334). S. 73–77; Kornmeier, Martin: Wissenschaftliche schreiben leicht gemacht für Bachelor, Master und Dissertation. 6. Aufl. Bern: Haupt Verlag, 2008 (UTB 3154), S. 87–89; Kruse, Otto: Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. 3. Aufl. Konstanz [u. a.]: UVK-Verlagsges. 2018 (UTB 3355). S. 106–109.
Zur Einführung
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wandeln sich von Büchermagazinen zu Learning Spaces und Teaching Libraries5. Diese neuen Strömungen – ausgelöst auch durch die Herausforderungen der Bibliotheken infolge der digitalen Transformation – haben Auswirkungen auf das Serviceangebot der Hochschulbibliotheken. Dennoch besinnen sich die Bibliotheken auf ihre Kernkompetenzen und wie sie diese gewinnbringend zur Unterstützung der Wissensgenerierung einbringen können. Kernkompetenzen sind, eine Wissensbasis aufzubauen und diese so zu strukturieren, dass sie für verschiedene Fragestellungen verwendet werden kann. Zum Dokumentieren des Wissens können auch Zusammenfassungen zählen. Das Wichtigste aber ist, dass für das Finden einer Fragestellung ein Forschungsüberblick notwendig ist, der mit einer fundierten Recherche gewonnen wird. Insofern gewinnt die Förderung von Informationskompetenz immer mehr an Bedeutung. Die Recherche geht Hand in Hand mit dem Entwickeln einer Fragestellung – die Lektürenotizen sind sinnvoll abzulegen – Zusammenfassungen sind verknüpft mit der formalen Aufnahme der Literatur. Die Förderung von Schreibkompetenz bei Studierenden und Promovierenden gehört insofern zu den Aufgaben einer Hochschulbibliothek als Lehr-Lernort, auch in Kooperation mit anderen Einrichtungen der Institution. Hochschulbibliotheken sind Orte des Lernens, des wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens, des Suchens nach Literatur, Information und nach Impulsen oder Anregungen, sie sind auch Orte der Kommunikation, der Konzentration und der Reflexion.6 Häufig münden diese mit dem Bibliotheksbesuch verbundenen studienoder forschungsbezogenen Aktivitäten in das Schreiben von Texten für das Studium oder in das Publizieren für die wissenschaftliche Forschung. Die Hochschulbibliotheken unterstützen das wissenschaftliche Publizieren bereits intensiv, vor allem im Hinblick auf Open Access, auf das Forschungsdatenmanagement und die Verfügbarkeit der Publikationen in Hochschulrepositorien. Damit verbunden übernehmen manche Hochschulbibliotheken die Autorengebühren für Open Access-Veröffentlichungen (Article Processing Charges/APC) und beraten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Lizenz- und Urheberrechtsfragen, hosten teilweise sogar Open Access-Journals, die von Hochschulangehörigen herausgegeben werden, verwenden dabei das verbreitete Produktionsformat Open Journals System (OJS).7
5 Siehe dazu u. a.: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2012 (Monographien zu Bibliothek, Forschung und Praxis 1). 6 Anschaulich und informativ zugleich sind diese vielfältigen Funktionen und Möglichkeiten dargestellt in dem Band zur neuen Bibliothek der Humboldt-Universität (Jacob-und-Wilhelm-GrimmZentrum): Bulaty, Milan (Hrsg.): Bibliothek. Berlin: BV Berlin Verlag 2011. 7 Vgl. Gehrlein, Sabine, Alexandra Büttner u. Stefanie Clormann: Open Journals Systems im deutschsprachigen Raum. Ergebnisse der Umfrage OJS-de.net. In: B.I.T.online (2015) Nr. 6. S. 494–500; zu Open Access in Hochschulbibliotheken vgl. insgesamt: Praxishandbuch Open Ac-
4 Wilfried Sühl-Strohmenger und Ladina Tschander
Demgegenüber wird das studentische wissenschaftliche Schreiben bislang von den Hochschulbibliotheken nicht mit ihrem Engagement für das wissenschaftliche Publizieren vergleichbarer Intensität unterstützt. Häufig wird auf die Schreibzentren oder die Schreibberatungseinrichtungen der Hochschule verwiesen, die sich der Unterstützung des studentischen Schreibens intensiv widmen würden. Diese Sichtweise dominiert, wie oben schon angedeutet, auch in den zahlreichen Einführungen und Ratgebern zum wissenschaftlichen Schreiben: Demnach erfüllen die Bibliotheken vornehmlich die Funktion, die für das Schreiben der verschiedenen an der Hochschule verbreiteten Textgenres notwendigen Bücher, Zeitschriften und sonstigen Quellen sowie die Verfügbarkeit von Datenbanken und digitalen wissenschaftsrelevanten Ressourcen bereitzustellen und Lernplätze für das Schreiben vorzuhalten. Ziel des Handbuchs ist es, aufzuzeigen, dass Bibliotheken mehr bieten als lediglich Medien und Räume zur Verfügung zu stellen. Es wird gezeigt, welche Funktionen und Aufgaben von Hochschulbibliotheken des deutschsprachigen Raums bei der Förderung und Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens übernommen werden. Dies wird auch aus der Sicht der Schreibdidaktik und des Studiums beschrieben. Sodann werden die organisatorischen Implikationen und Formen der Vernetzung mit anderen Hochschuleinrichtungen (Schreibzentren, Schlüsselkompetenzzentren, Graduiertenakademien) dargestellt. Die Beiträge des Handbuchs decken das skizzierte thematische Spektrum dadurch ab, dass die Autorinnen und Autoren Expertise sowohl auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Schreibens als auch im Hinblick auf die Hochschulbibliotheken und ihre Rolle als Lehr-Lernorte haben. Somit wird eine eindimensionale Sichtweise zugunsten eines mehrperspektivischen Ansatzes vermieden. Das wissenschaftliche Schreiben und die Schreibkompetenz sind an der Hochschule hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Studium, für die Seminar- und Abschlussarbeiten und für eine den Anforderungen entsprechende Dissertation, für die Wissensverarbeitung insgesamt8, kaum zu überschätzen. Die Bibliothek bietet als Arbeits- und Lernort mit ihrer Infrastruktur und ihren Serviceangeboten einen günstigen Rahmen für das studentische wissenschaftliche Schreiben, jedoch mangelt es bisher an einer Bestandsaufnahme und einem Überblick über die Rolle und die Möglichkeiten der Hochschulbibliotheken im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Schreiben. Eine Klärung dieser Funktionen wäre sinnvoll und notwendig sowohl mit Blick auf die Studierenden als auch mit Blick auf die Bibliotheksorganisation und -planung.
cess. Hrsg. von Konstanze Söllner u. Bernhard Mittermaier. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2017 (De Gruyter Praxishandbuch). 8 Vgl. dazu u. a.: Kruse, Otto: Kritisches Denken und Argumentieren. Eine Einführung für Studierende. Konstanz: UVK Verlagsges. 2017 (UTB; 4767), hier S. 17–19.
Zur Einführung
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Aus den dargelegten Gründen wird im vorliegenden Praxishandbuch die Position vertreten, dass die aktive Unterstützung des studentischen Schreibens in der Hochschulbibliothek in gleicher Weise zu ihren Aufgaben gehört, wie es bezüglich des wissenschaftlichen Publizierens der Fall ist. Schreiben ist Teil der Förderung von Informationskompetenz. Zudem sehen sich die Hochschulbibliotheken in die Förderung des Lehrens und Lernens auf Hochschulebene eingebunden. Schreibzentren allein sind personell und strukturell erheblich gefordert das Schreiben in der Fläche zu unterstützen, es bedarf insofern der koordinierten Anstrengungen mit den Fächern und mit der Hochschulbibliothek als zentralem Ort des wissenschaftlichen Schreibens. Hochschulbibliotheken betätigen sich bereits auf dem Gebiet der Literaturverwaltungsprogramme, die eine unmittelbare Vorstufe des Schreibprozesses selbst darstellen, sie engagieren sich bereits bei der Plagiarismusprävention – einer eng mit dem Schreiben und der Beachtung akademischer Sorgfalt verbundenen Aktivität – und Bibliothekarinnen und Bibliothekare organisieren, teilweise in enger Kooperation mit den Schreibzentren, Events wie die „Lange Nacht des Schreibens“, sind also auch auf dieser Ebene bereits in die Schreibförderung involviert. Hochschulbibliotheken unterstützen das studentische Schreiben vor allem durch räumlich-technologische Infrastrukturen und flankieren dies durch Beratung9 und Service. Die Beiträge des Handbuchs sind ganz überwiegend praxisorientiert verfasst, dennoch bemühen sich einige Beiträge auch um eine theoretische Fundierung. Es handelt sich aber nicht um ein explizit fachwissenschaftliches Werk, sondern das Handbuch bietet einen ersten praxisbezogenen Überblick über bereits existierende Konzepte der Hochschulbibliotheken, die vielfach in Kooperation mit Schreibzentren oder der Schreibberatung in der Hochschule entwickelt wurden, vor allem zur aktiven Unterstützung des studentischen Schreibens. Im ersten Teil des Praxishandbuchs sind grundlegende Beiträge, auch aus der Sicht der Schreibforschung, versammelt: Dabei geht es um die Rolle der Bibliothek beim wissenschaftlichen Schreiben aus schreibdidaktischer Sicht, sodann wird erörtert, wie Hochschuleinrichtungen – Schreibzentren, studien- und lehrunterstützende Zentren, Fachbereiche – bei der Unterstützung und Förderung des studentischen Schreibens zusammenwirken und wie der besondere Part der Bibliotheken dabei zu sehen wäre (Dagmar Knorr, Lüneburg). Thomas Hapke (Harburg) konzentriert sich auf das Verhältnis von Wissenschaft und Offenheit und auf die Reflexion über Wissenschaft als Teil der Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben. In welcher Weise Angebot und Nachfrage sich als Herausforderungen des Marketings er-
9 Dass seitens der Studierenden ein ausgeprägter Bedarf an Beratung beim Schreiben von Hausarbeiten besteht, belegt beispielsweise eine Befragung an der Universität Rostock: Ilg, Jens: Lernen wie Wohnen? Ergebnisse einer Befragung zum Lernraum Bibliothek. In: B.I.T.online (2014) Nr. 3. S. 231–239, hier S. 238f.
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weisen können, zeigt Christian Wymann (Bern) am Beispiel der Schreibberatung der Universitätsbibliothek Bern. Sodann stellt Sylvia Langwald (Marburg) die Frage, ob Schreibberatung als Aufgabe wissenschaftlicher Bibliotheken zu sehen ist und wie die Universitätsbibliothek Marburg wissenschaftliches Schreiben sinnvoll unterstützen kann. Schließlich geht es in diesem grundlegenden Kapitel um das Schreiben im digitalen Raum, dazu die Möglichkeiten für die Schreibunterstützung in Hochschulbibliotheken (Gabriele Fahrenkrog, Hamburg; Rudolf Mumenthaler, Luzern und Karsten Schuldt, Chur). Im zweiten Teil werden die Angebote, die Veranstaltungsformate und die Aktivitäten der Hochschulbibliotheken (Angebote und Aktivitäten) dargestellt: Die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ und die Rolle der Bibliotheken dabei verdeutlichen Katrin Girgensohn, Hans-Jürgen Hertz-Eichenrode und Anja Voigt (Frankfurt/Oder), die Realisierung und Entwicklung eines Schnellkurses Schreiben zur Schreibunterstützung an der Bibliothek der Hochschule Neu-Ulm stellen Timo Guter und Claudia Kocian-Dirr (Neu-Ulm) vor. Die Idee Schreibwerkstatt zur Entwicklung eines schreibdidaktischen Angebotes in einer Hochschulbibliothek beschreiben Ingrid Sand (TH Mittelhessen, Standort Gießen) und Andrea Thiel (TH Mittelhessen, Standort Friedberg) am Beispiel der Technischen Hochschule Mittelhessen. Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens wird sodann illustriert von Helene Heller-Künz und Brigitte Mayer (Bregenz) am Beispiel des Schreibzentrums der Bibliothek der FH Vorarlberg. Die Universitätsbibliothek wird ferner als Anbieterin von Schreibberatung im universitären Umfeld am Beispiel der UB Basel vorgestellt (Andreas Ledl, Basel), mit Literaturverwaltung an der Schnittstelle zwischen Wissensdokumentation und Schreiben befasst sich Ladina Tschander (Zürich). Wie Hochschulbibliotheken Studierende auf dem Weg zu Informationsqualität und akademischer Integrität in Schreibprojekten begleiten und beraten können, stellen Tina Rotzal und Dominik Schuh (Mainz) in ihrem Beitrag vor. Im dritten Teil geht es um Kooperationen und Netzwerke: Die Zusammenarbeit des Projekts „Schreibzentrum der TU Dresden“ mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) behandeln Nina Melching und Julia Meyer (Dresden) in ihrem Beitrag. Dass Schreiben sich auch in der PeerGroup vollzieht, veranschaulichen Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier (Zürich) am Beispiel von Schreib- und Text-Feedback-Gruppen. Informationen anwenden und verknüpfen: Schreiben als ein Teil von Informationskompetenz wird am Beispiel der Hochschulbibliothek Hamm-Lippstadt von Ute Schlüter und Guido Kippelt dargestellt. Kooperationspartner bei der Förderung des wissenschaftlichen Schreibens sind am KIT Karlsruhe die Bibliothek und das House of Competence, wie Diana M. Tangen und Andreas Hirsch-Weber (Karlsruhe) in ihrem Beitrag veranschaulichen. Welchen Stellenwert räumlich-technische Infrastrukturen bei der Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens in einer Universitätsbibliothek einnehmen, behandeln Sabine Rahmsdorf und Melanie Fröhlich (Bielefeld) anhand des Konzepts der Universität Bielefeld. Kollaborationen an der Universität St.Gal-
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len – Schreibberatung als gemeinsamer Service von Bibliothek und Writing Lab – ist Titel des Beitrags von Edeltraud Haas und Carina Gröner (St.Gallen). Wie Schreibzentrum und Bibliothek an der Universität Konstanz, obwohl institutionell getrennt, aber dennoch bei der Förderung von Schreibkompetenz eng verbunden sind, thematisieren Stefanie Everke Buchanan und Judith Heeg (Konstanz). Schreibberatung als Service der UB Mannheim im Rahmen des dortigen Learning Center stellen Marion von Francken-Welz, Jessica Kaiser und Matthias Pintsch (Mannheim) in ihrem Beitrag vor. Bibliothekarische Kurskonzepte zur Plagiatsprävention beim wissenschaftlichen Schreiben behandelt Markus Malo am Beispiel der Universität Stuttgart.
Teil I: Grundlagen und Rahmenbedingungen
Einleitung Die Grundlagen für das wissenschaftliche Schreiben in der Hochschulbibliothek sind einerseits in der Geschichte der Bibliotheken, der akademischen Bildung, des Buchdrucks und des Publizierens selbst zu suchen, beinhalten andererseits den Medienwandel und die veränderten Formen der Informationsverarbeitung in der gegenwärtigen digital geprägten Wissensgesellschaft. Wie Marcus Schröter und Eric W. Steinhauer in ihrem historisch wie theoretisch weit gespannten Beitrag veranschaulichen, haben sich die Bibliotheken seit ihrer Entstehung im alten Orient und in Ägypten nicht auf das bloße Sammeln und Erhalten der schriftlichen Überlieferung beschränkt, sondern bezogen das Produzieren von Texten schon früh in ihr Wirken mit ein, sichtbar dann vor allem im Kontext der mittelalterlich-klösterlichen Skriptorien, obgleich dort vor allem das Abschreiben der Codices zentral war, noch nicht das Verfassen eigener Texte. Einen Schub erhielt das Schreiben im Hochschulkontext durch die Entstehung großer Lesesäle in den Universitäten, weil diese die Quellen des Exzerpierens, später des Kopierens in der besonderen Aura der Konzentration für das wissenschaftliche Arbeiten darboten, danach die Zugänge zu digitalisierten Ressourcen eröffneten. Damit einher geht allerdings auch eine schwindende Bindung an das Lesen und Schreiben vor Ort in der lokalen Hochschulbibliothek, jedoch wird gleichzeitig ihre Rolle als Arbeitsund Lernort, damit Ort des Schreibens verstärkt, da sie jetzt die für den Umgang mit Information und Medien notwendigen Kompetenzen vor allem der Studierenden fördert, bezüglich der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Publikationsprozess aktiv unterstützt. Bibliothek, Schreiben und Publizieren sind also eine neuerliche Symbiose eingegangen, wenn auch unter gänzlich veränderten Rahmenbedingungen, wenn man an die Gründungszeit der europäischen Universitäten seit dem 11. Jahrhundert denkt. Nicht mehr die Lektüre allein ist dabei nach Schröter und Steinhauer das Charakteristikum dieser Symbiose, sondern der Diskurs. Wie die Funktion der Hochschulbibliotheken als Lehr-Lernorte zur Förderung von Informations- und Medienkompetenz mit den Anforderungen der Schreibdidaktik zusammenfinden könnte, beleuchtet der Beitrag von Wilfried Sühl-Strohmenger. Dabei spielen einerseits die verschiedenen Konzeptionen der Schreibdidaktik eine Rolle, die sich entweder stärker der Förderung des Schreibens in der Disziplin (Writing In the Disciplines) oder aber stärker der Förderung fächerübergreifenden Schreibens (Writing Across the Curriculum) verpflichtet fühlt. Bibliotheken können dabei aktiv mitwirken, vor allem, wenn sie eine dezentrale Struktur aufweisen: In den Zentralbibliotheken könnte dem interdisziplinären Aspekt der Schreibdidaktik entsprochen werden, in den Fakultäts-, Fachbereich- und Institutsbibliotheken wäre das Schreiben in den Disziplinen zu unterstützen. Die Hinwendung zu Schwellenkonzepten bei der Entwicklung von Informationskompetenz, wie sie in US-Bi-
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bliotheken bereits umgesetzt werden, unter Einschluss der Schreibförderung, könnte dabei hilfreich sein. Wie die verschiedenen Akteure in einer Hochschule bei der Unterstützung des studentischen wissenschaftlichen Schreibens zusammenwirken, beleuchtet ein Beitrag (Dagmar Knorr) beispielhaft für die Leuphana Universität Lüneburg. Im Rahmen von drei Aufgabenfeldern wird der Zusammenhang des Schreibens mit dem Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens anhand zahlreicher konkreter Angebote, wie beispielsweise der „Schreibcafés“, aufgezeigt. Die Schreibzentren nehmen demnach in enger Verbindung mit Bibliotheken und Medienzentren auf dem Campus eine starke Vermittlungsposition ein. Thomas Hapke betont die wichtige Rolle der Hochschulbibliotheken im Kontext wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere bezüglich kritischer Wissenschaftlichkeits-Kompetenz, wie sie bei der Stärkung von Informationskompetenz zur Geltung gebracht werden müsse. Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben müssten also stärker in die Reflexion von Wissenschaftlichkeit, der Art ihrer Erkenntnisgewinnung, ihrer Offenheit und ihrer Qualität einbezogen werden. Dass eine Universitätsbibliothek sich die Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens ausgeprägt zu eigen machen kann, zeigt Sylvia Langwald in ihrem Beitrag zum Aufbau einer Schreibwerkstatt an der Universitätsbibliothek Marburg. Die Schreibberatung wird zu einer genuinen Aufgabe der Bibliothek, da nicht nur die nötigen räumlichen und technischen Bedingungen für das Schreiben vorhanden sind, sondern die Hochschulbibliotheken als Lern- und Bildungsorte fundierte Expertise auf den für das Schreiben zentralen Gebieten der Literaturrecherche und der Literaturverwaltung, ferner auch des verantwortlichen Umgangs mit Information und Medien besitzen. In dem Beitrag wird hervorgehoben, dass sich die Bibliothek besonders gut für integrierte Beratungsangebote eignet, an der Schreibzentren und Bibliotheken gemeinsam mitwirken. Die neue Schreibwerkstatt an der UB Marburg arbeitet fachübergreifend und verfolgt einen personen- und prozessorientierten, nicht-direktiven Ansatz. Anders akzentuiert ist das Angebot „Der Schreibberater“, das, wie Christian Wymann in seinem Beitrag beschreibt, die Koordinationsstelle Informationskompetenz der Universitätsbibliothek für den Campus, aber auch für Angehörige der Pädagogischen Hochschule Bern konzipiert und realisiert hat, auch als Ergänzung zu den Dienstleistungen anderer Einrichtungen wie der Psychologischen Beratungsstelle und der Graduiertenakademie. Neben einer offenen Sprechstunde können die Studierenden und Hochschulangehörigen verschiedene Workshops zum Schreibzeitmanagement, zum effektiven Lesen oder zur Gestaltung eines wissenschaftlichen Textes besuchen. Ein besonderer Fokus dieser Strategie liegt auf dem Marketing für das Angebot, seiner möglichst weiten Bekanntmachung, damit die Studierenden und wissenschaftlich Arbeitenden informiert entscheiden können, ob sie eine Schreibberatung oder den Besuch eines Workshops tatsächlich benötigen.
Einleitung
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Das Schreiben in digitalen Räumen erfordert sodann laut Gabriele Fahrenkrog, Rudolf Mumenthaler und Karsten Schuldt digitale Kompetenzen bzw. „digital literacy“, also Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit Werkzeugen der Hardware und der Software umgehen und diese auch für das Schreiben gezielt einsetzen zu können. Damit wird deutlich, dass sich die Schreibpraxis im Kontext von Hochschulbibliotheken heute und in Zukunft immer stärker und umfassender in digitalen Umgebungen entfaltet, wie sie die Bibliotheken auch wegen der von ihnen getragenen und lizenzrechtlich gesicherten vielfältigen Zugänge zu e-Ressourcen bereitstellen.
Marcus Schröter und Eric W. Steinhauer
Bibliothek und Schreiben – Schreiben und Bibliothek. Versuche einer kulturgeschichtlichen Annäherung Abstract: Die Verbindung von Bibliothek und Schreiben ist nicht neu. Jedes Buch und jede Bibliothek ist Ergebnis von Schreibtraditionen – beide wiederum sind Voraussetzung für neue Schreibprozesse. Die Verbindung zwischen Bibliothek und Schreiben liegt auch im Prozess des Lesens. Der Blick auf die Geschichte der Bibliotheken sowie auf lesende und schreibende Individuen verdeutlicht, wie intim dieses Beziehungsgeflecht ist, wobei jede Epoche ihre eigene Verbindung von Bibliothek, Lesen und Schreiben schafft. In der Bibliotheksarchitektur wird die Erweiterung des Skriptoriums durch den Lesesaal und die Entwicklung des Lesesaals zum Skriptorium ausgemacht – ist doch hauptsächliches Ziel vieler Lesesaalbesucher das Schreiben eigener Texte. Diese geistes- und kulturgeschichtliche Perspektive lässt Konturen einer Bibliothek in der digitalen Zukunft von Texten, Lesen und Schreiben aufscheinen. So könnte am Ende der bisherigen Bibliotheksgeschichte das Schreiben in Lernlandschaften digitaler Skriptotheken wieder in die Bibliotheken zurückkehren. Schlüsselbegriffe: Bibliothek, Bibliotheksgeschichte, Kulturgeschichte, Lernraum, Schreiben, Skriptorium Kurzbiografien: Dr. phil. Marcus Schröter ist Fachreferent für Geschichte, Altertumswissenschaften und Musikwissenschaft an der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. und Lehrbeauftragter an der Bibliotheksakademie Bayern. Prof. Dr. jur. Eric W. Steinhauer ist stellvertretender Bibliotheksdirektor an der FernUniversität in Hagen und leitet dort das Dezernat Medienbearbeitung. Er ist Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Umrisse einer bibliotheksgeschichtlichen Landkarte intellektueller Kulturtechniken Das Verhältnis von Bibliothek und Schreiben steht in außerordentlich komplexen Zusammenhängen und ist geprägt durch institutionelle Rahmenbedingungen, individuelle Akteure und sich verändernde Kulturtechniken – Mensch, Schrift, Lektüre, Schreiben, Medien, Bibliothek, Bildung. Am Anfang steht natürlich der Mensch, der liest, der schreibt und dessen Texte Eingang in Bibliotheken finden. Seine Fähigkeit https://doi.org/10.1515/9783110594140-003
Bibliothek und Schreiben – Schreiben und Bibliothek
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der Beherrschung der Kulturtechniken des Lesens und Schreibens ist abhängig von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Bildung, die Kulturtechniken werden wiederum bestimmt durch die Entwicklung der Medien. Der lesende und schreibende Mensch kann in unterschiedlichen Rollen agieren – als zuverlässiger Kopist oder (exzerpierender) Leser fremder Texte oder kreativer Autor eigener Werke. Die Institution Bibliothek ist zugleich Spiegelbild der Kultur- und Geistesgeschichte, in der sie ihre Rolle kontinuierlich neu definieren muss. Im Folgenden wird in wenigen Momentaufnahmen eine konkrete Annäherung an dieses vielfältige Beziehungsgeflecht versucht. Unsere bibliothekshistorischen Vignetten konzentrieren sich auf eine Funktionsgeschichte der Institution Bibliothek, die sich wandelnde Bedürfnisse des lesenden und schreibenden (gelehrten) Individuums zu befriedigen sucht. Bezogen auf das Verhältnis von Lesen und Schreiben können in historisierender Perspektive Akteure, Institutionen und Kulturtechniken in drei signifikante Zusammenhänge gestellt werden, die sich zeitlich als aufeinander folgende Stadien geistigen Arbeitens beschreiben lassen: Produktion, Kontemplation und Kreation. Die Bibliothek als Labor und die Bibliotheksgeschichte als konkreteste Form der Geistesund Wissenschaftsgeschichte1 veranschaulicht, wie der Mensch konkret geistig arbeitet. Spielten sich Denken, Lesen, Sprechen, Schreiben traditionell in realen, begrenzten Bibliotheksräumen ab, so verschränken sich diese künftig mit virtuellen, entgrenzten Räumen digitaler Bibliotheken.2 Das Verhältnis von Bibliothek und Schreiben ist hiervon unmittelbar beeinflusst. Hat der digitale Wandel diese Relationen vielleicht nicht grundlegend verändert, so sind doch vielfältige Grenzverschiebungen zu beobachten, die eine neue Definition dieser Kulturtechniken und ihrer Beziehungen erfordern. In manchen Perioden der Bibliotheksgeschichte war der Schreibprozess von den Bibliotheken getrennt, in manchen aber waren Bibliothek und Schreiben untrennbar miteinander verbunden – nicht zuletzt im Hinblick auf einzelne Schreibtypen und Persönlichkeiten. Ein erweiterter Begriff des Schreibens könnte in digitaler Zeit auch das Programmieren als Kulturtechnik3 inkludieren. Wann ist die Verbindung zwischen Institution Bibliothek und Kulturtechnik Schreiben besonders eng? Welche Rolle spielt hierbei das Lesen? An welchen Schreib(er)typen werden diese
1 Fabian, Bernhard: Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung: zu Problemen der Literaturversorgung und der Literaturproduktion in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. Nach Abschluss des Manuskripts erschien folgende, für uns relevante Literatur: Hoffmann, Christoph: Schreiben im Forschen: Verfahren, Szenen, Effekte. Tübingen: Mohr-Siebeck 2018; Autorschaft und Bibliothek: Sammlungsstrategien und Schreibverfahren. Hrsg. von Stefan Höppner [u. a.]. Göttingen: Wallstein 2018. 2 Knoche, Michael: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft. Göttingen: Wallstein 2018. 3 Krajewski, Markus: Programmieren als Kulturtechnik. In: Historische Grundwissenschaften und die digitale Herausforderung. Hrsg. für H-Soz-Kult von Rüdiger Hohls [u. a.]. Berlin: Clio-online und Humboldt-Universität zu Berlin 2016. S. 37–40 (Historisches Forum 18).
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Fragen individuell fassbar? Welchen Einfluss besitzt die Bibliotheksarchitektur? Welche konzeptionellen Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung von Medien, Kultur und Wissenschaft?
Historisches – die geschriebene Bibliothek Vom Büchermagazin zum Lesesaal oder: Die Geburt der Bibliothek aus dem Geist des Skriptoriums Die spezifische Perspektive der produktiven Verbindung von Bibliothek und Schreiben relativiert das statische Bild, das sich mit Bibliotheken als passiven Wissensspeichern häufig verbindet. Wenn auch das Sammeln von schriftlich fixiertem Wissen als Kernauftrag von Bibliotheken ein dynamischer Prozess ist, so gilt dies nicht minder für das Schreiben als aktives Weiterverarbeiten dieses Wissens – das Schreiben der Menschen verwandelt Statik in Dynamik. Hierbei findet jede Epoche ihr spezifisches Verhältnis von Bibliothek und Schreiben.4 Am Anfang unserer Überlegungen zur „geschriebenen Bibliothek“ steht der Aspekt der Produktion – die Herstellung des zu lesenden Textes, seine Überlieferung, Vervielfältigung und Verbreitung. Die Bibliothek ist hier der Ort, an dem sowohl die Vorlagen für die Erstellung neuer Abschriften oder Ausgaben zu finden sind als auch der Raum, an dem diese lesend rezipiert werden. Historisch ist dies die Zeit der Skriptorien und der von Hand vervielfältigten Kodizes. Die in antiken und mittelalterlichen Bibliotheken zu beobachtende Schreibpraxis bestand im Kopieren vorhandener Bücher oder in der glossierenden Annotation zum besseren Verständnis des zu lesenden Textes. Auch wenn die eigene Produktion der Leser zu dieser Zeit eher selten war, so bedurfte sie jedoch stets der Bibliothek als Überlieferungsund Vervielfältigungsraum. Außerhalb von Bibliotheken kamen Texte und Lektüre praktisch nicht vor. Die Geburt der Bibliothek liegt in den Ursprüngen der Schrift und am Beginn der Überlieferung von Texten im vierten und dritten Jahrtausend v. Chr. im Zweistromland, in Ägypten und in China. Komplexe Stadtgesellschaften erforderten die Verschriftlichung der Verwaltung sowie immer weiterer Lebensbereiche. Bereits der assyrische König Assurbanipal in Ninive (7. Jh. v. Chr.) verfolgte mit der Sammlungspolitik seiner Bibliothek das Ziel, die geistige Kultur der unterschiedlichen
4 Zum Folgenden vgl. Jochum, Uwe: Kleine Bibliotheksgeschichte. 2., aktual. u. erw. Aufl. Stuttgart: Reclam 1999. Eine auch nur annähernde Vollständigkeit kann in diesem Rahmen nicht möglich sein.
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Reichsteile aufzunehmen und seiner Herrschaft nutzbar zu machen. Er entsandte Schreiber, um kulturell kostbare Texte kopieren zu lassen. Die „Verknüpfung von Schrift und Herrschaft“5 wird auch in Ägypten fassbar, wo innerhalb einer überwiegend illiteraten Gesellschaft der Stand der Schreiber-Beamten mit ihrem Gott Thot, dem Erfinder der Schrift, eine exklusive Stellung innehatte. Bibliotheken hatten ihren Ort im Kontext von Staatsverwaltung und Tempeln. Interessanterweise kannte das Ägyptische zwei Begriffe für „Bibliothek“: Das „Bücherhaus“ bewahrte die zur Ausübung des Kultes benötigte Literatur, in dem ebenfalls einem Tempel zugeordneten „Lebenshaus“6 wurden die für das menschliche Leben notwendigen wissenschaftlichen und religiösen Texte verfasst, kopiert und archiviert. Sie waren die „eigentlichen“ Bibliotheken. Das in hellenistisch-griechischer Zeit von Ptolemaios I. (367 v. Chr.–282 v. Chr.) im Palastviertel von Alexandria gegründete Museion symbolisierte ebenfalls die enge Verbindung mit dem Königshof, von Herrschaft, Kult und imperialer Repräsentation. Die Bibliothek des Museions, die in Magazinen, nicht im eigenen Gebäude untergebracht war, hatte den Auftrag der systematischen Sammlung der griechischen Literatur und der Übersetzung der Literatur anderer Völker. Ihre Schreiberwerkstatt kopierte nicht nur die Schriften der am Museion tätigen Gelehrten der Alexandrinischen Schule, sondern auch diejenigen Bücher, die – so wird überliefert – von den im Hafen einlaufenden Schiffen vorübergehend beschlagnahmt wurden. Auch die nach diesem Vorbild von Attalos I. (269 v. Chr.–197 v. Chr.) in Pergamon gegründete Bibliothek war Teil des Palastes in unmittelbarer Nachbarschaft des Athena-Heiligtums. Für unsere Frage nach dem Verhältnis von Bibliothek und Schreiben ist festzuhalten, dass in dieser frühen Zeit die Orte der Bücher und die Orte des Schreibens bereits auf engste Weise miteinander verbunden waren. Im Gegensatz zum imperialen Typ hellenistischer Bibliotheken mit der Verbindung von Tempel und Palast, von Herrschaft, Kult und Kultur sind die ersten bezeugten Bibliotheken im griechischen Mutterland Privatbibliotheken von Aristokraten und gebildeten Bürgern, Philosophenschulen oder vielfach von Gymnasien. Die erste, den hellenistischen Bibliotheken vergleichbare öffentliche Bibliothek in Athen war die im 2. Jahrhundert n. Chr. von Kaiser Hadrian nach dem Vorbild des Museions gestiftete Bibliothek mit Wandelhalle und Unterrichtsräumen. Eine öffentliche Zugänglichkeit ist bei städtischen Bibliotheken, bei Bibliotheken in Heiligtümern sowie in Gymnasien sehr wahrscheinlich. Während in griechischen und helle-
5 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 18. 6 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 20ff.; Nielsen, Inge [u. a.]: „Bibliothek“. In: Der Neue Pauly. Hrsg. von Hubert Cancik [u. a.]. Band 2. Stuttgart [u. a.]: Metzler 1997. Sp. 634–647; Reitz, Christiane: „Bibliothek“. In: Der Neue Pauly. Supplement 4: Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte. Hrsg. von Manfred Landfester [u. a.]. Stuttgart [u. a.]: Metzler 2005. Sp. 494–505; Burkard, Günter: Bibliotheken im alten Ägypten. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (1980) H. 4. S. 79–115 (hier: S. 81ff.). DOI: https://doi.org/10.1515/bfup.1980.4.2.79.
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nistischen Bibliotheken sicher gelesen wurde, dürften die Bibliotheken in Palästen und Gymnasien zugleich Orte des Schreibens gewesen sein. Die Geschichte der Bibliotheken Roms und Griechenlands ist eng miteinander verwoben. Die Attraktivität griechischer Literatur hängt zusammen mit der Vorbildhaftigkeit griechischer Kultur für die römische Oberschicht. Um sich diese anzueignen, erbeutete beispielsweise der Feldherr Lucius Aemilius Paullus (um 229 v. Chr.– 160 v. Chr.) die Bibliothek des makedonischen Königs Perseus, Lucius Cornelius Sulla (um 138 v. Chr.–78 v. Chr.) die auf Aristoteles zurückgehende Bibliothek des Apellikon. Befanden sich Bibliotheken als Statussymbole und Instrumente schriftstellerischer Tätigkeit zunächst nur im Privatbesitz wohlhabender Römer, später auch der Kaiser, so waren diese es auch, die in Rom öffentliche Bibliotheken auf Foren, in Verbindung mit Tempeln und in Thermen gründeten. Repräsentative Lesesäle mit Podium, Nischen für Bücherschränke und Statuen deuten darauf hin, dass griechisch-lateinische Doppelbibliotheken nicht nur Symbole der Macht, Ausdruck des Transfers griechischer Kultur und repräsentative Objekte der Euergesie waren, sondern auch öffentliche Orte des Studiums. Ihre Leser nutzten Kataloge zur Auffindung der Schriftrollen. Das Bibliothekspersonal rekrutierte sich aus Sklaven oder Freigelassenen, war dem procurator bibliothecarum oder praefectus urbi unterstellt und auch für das Abschreiben der Texte verantwortlich – während sich gleichzeitig der Buchhandel entwickelte. In der Spätantike wurden heidnische Literatur und Bibliotheken durch die Bibliotheken christlicher Literaten, Bischofssitze und Kirchengemeinden abgelöst, ersetzte das neue Buchformat des Kodex die traditionelle Buchrolle, löste das Pergament den Papyrus ab. Zugleich entwickelten sich die Skriptorien, in denen das antike Erbe ins Mittelalter überliefert und die christliche Literatur verbreitet wurde wie in der Bibliothek des Origines (185–253) im palästinensischen Ceasarea oder in Cassiodors (um 485–580) Kloster Vivarium. Skriptorien wurden kanonischer Bestandteil mittelalterlicher Klosterarchitektur – Vorbild war Sankt Gallen.7 Die erste uns überlieferte Darstellung eines mittelalterlichen Klosters zeigt die Bibliothek im Herzen der Anlage.8 Als architektonisches Gegenstück zur Sakristei besaß sie als Gefäß geistig-theologischen Rüstzeugs dieselbe Bedeutung für den Gottesdienst wie die Sakristei als Aufbewahrungsort der praktischen Objekte der Liturgie. Und: Als Teile desselben Gebäudes waren die physischen Orte Bibliothek und Skriptorium aufs engste miteinander verbunden – oben Bibliothek („supra bibliotheca“), unten Skriptorium („infra sedes scribentium“).
7 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 48f. – Zur Rolle des mittelalterlichen Schreibers vgl. insbesondere: Trithemius, Johannes: De laude scriptorum. Eingeleitet u. übers. von Klaus Arnold. Würzburg: Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte 1973. 8 Tremp, Ernst: Der St.Galler Klosterplan: Faksimile, Begleittext, Beischriften und Übersetzung. St.Gallen: Verlag am Klosterhof 2014.
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Die Buchproduktion der Skriptorien der Klosterbibliotheken erreichte in der Karolingerzeit einen Höhepunkt, als nicht nur überlieferte Texte kopiert, sondern durch gelehrte Mönche und Bibliothekare neue Werke verfasst wurden. Später kamen neue Orden hinzu: Für die dem Schweigegebot unterliegenden Kartäuser war Schreiben zugleich Gottesdienst. Kirche und Klöster festigten ihre Position als zentrale Orte mittelalterlicher Bildung, des Lesens und des Schreibens. Überlieferte Bücherverzeichnisse und Bibliothekskataloge ermöglichen uns die Rekonstruktion von Sammlungsprofilen, Wissensordnungen und Denkräumen.9 Nicht nur innerhalb der Klöster gingen Bibliothek und Skriptorium Verbindungen ein: In der Aachener Hofschule Karls des Großen, die in Verbindung mit dem Herrschaftssitz den kaiserlichen Anspruch auf weltliche und geistige Macht demonstrierte10, war die Bibliothek nicht nur Ort wissenschaftlicher Studien, in ihrem Skriptorium wurden Texte abgeschrieben, korrigiert, redigiert und in die Klosterbibliotheken des Reiches verteilt. Auch Domschulen an Bischofssitzen in Städten verfügten über Bibliotheken und Skriptorien, die als Handschriftenproduktionsstätten mit den Klöstern konkurrierten und sich im urbanen Kontext in der Nähe der aufstrebenden Universitäten mit weltlichem Bildungsanspruch und -kanon behaupten mussten. Geschrieben wurde fortan nicht mehr nur von mönchischen Schreibern in der Einsamkeit klösterlicher Skriptorien, sondern zunehmend von Lohnschreibern oder schreibenden Studenten in aufblühenden Städten für einen akademischen Markt: An französischen und italienischen Universitäten wurden die für den Unterricht benötigten Texte bei örtlichen Buchhändlern, den stationarii, hinterlegt und dort von gewerblichen Kopisten abgeschrieben. Diesen Markt gab es zunächst in Deutschland nicht, wo Studenten schrieben, was ihnen ihre Lehrer diktierten.11 Büchersammlungen entstanden an mittelalterlichen Universitäten zunächst in Kollegien oder Fakultäten und wurden erst später von zentralen Bibliotheken ergänzt. Diese wurden jedoch für Studierende erst geöffnet, als die Bücher nicht mehr wie in Klosterbibliotheken in Schränken aufbewahrt wurden, sondern als libri catenati auf Pulten angekettet präsentiert wurden. Die Räume des Lesens – und Schreibens – in Bibliotheken nahmen allmählich Gestalt an. Seit dem Hochmittelalter verschob sich die Grenze zwischen Litterati und Illiterati von den Klostermauern hinein in Städte, Domschulen, Universitäten und Fürstenhöfe. Durch die zunehmend weltliche Bildung verbreiteten sich die Kulturtechni-
9 Die anlässlich der 41. Kölner Mediaevistentagung vom 10.–14. September 2018 unter dem Thema „Die Bibliothek: Denkräume und Wissensordnungen“ präsentierten Beiträge befinden sich im Druck in den „Miscellanea Mediaevalia“. 10 Bischoff, Bernhard: Die Hofbibliothek Karls des Großen. In: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. Hrsg. von Helmut Beumann [u. a.]. Band 2: Das geistige Leben. Hrsg. von Bernhard Bischoff. Düsseldorf: Schwann 1966. S. 42–62. 11 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 73f.
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ken des Lesens und des Schreibens – aus Hörenden wurden Lesende und Schreibende. Die sich ausdifferenzierende Bibliothekslandschaft bewirkte einen neuen Umgang mit der Schrift und neue Formen der Verbindungen von Bibliothek und Lesen respektive Schreiben. Kommerzielle Schreibstuben begannen für einen allmählich entstehenden Buchmarkt zu produzieren.12 Wie in Mesopotamien, in Ägypten oder innerhalb des griechisch-römisch-christlichen Kulturaustausches sind mittelalterliche Bibliotheken als geschriebenes kulturelles Gedächtnis verstehbar, das durch Schreibende in Skriptorien (re)produziert wurde. Während die Antike bereits öffentliche Bibliotheken kannte, waren mittelalterliche Bibliotheken vorwiegend exklusive, für Angehörige der Klöster, Domschulen, Universitäten oder Fürstenhöfe zugängliche Wissensarchive. Dies änderte sich radikal mit der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit durch fundamentale intellektuelle und technische Innovationen: Reformation, Humanismus, Papier und Buchdruck.13 Sie definierten die Rolle von Bibliotheken auch im Hinblick auf die Verbindung von Bibliothek, Lesen und Schreiben neu. In der Gutenberg-Galaxis14 wurde die Buchherstellung nicht nur von den Klosterbibliotheken und Skriptorien separiert, sondern in Druckereien als technisch spezialisierten Betrieben in einem bis dahin nicht vorstellbarem Maß professionalisiert. Schreiben war fortan weder Voraussetzung der Buchherstellung noch exklusives Merkmal von Klosterbibliotheken. Produktion und Sammlung von Büchern wurden organisatorisch und örtlich voneinander getrennte Prozesse. Zugleich wurden Bücher handlicher und billiger, was nicht nur den Beginn eines wirtschaftlich nennenswerten Buchhandels, sondern auch den Aufbau größerer Privatbibliotheken ermöglichte. Der Leser dieser Zeit konnte dort auch eigenen literarischen Beschäftigungen nachgehen, waren doch wesentliche Bezugsquellen für Textproduktion stets zur Hand. Das in neuen Texten sich äußernde Gelehrtengespräch war in vollem Gange. Die Bibliothek wurde zu einem Ort der Kreation. Für die Verbreitung eigener Werke des Lesers waren nicht mehr Bibliotheken nötig, das besorgten zuverlässig Offizin und Buchhandel. Mit der Ausweitung der literarischen Produktion, die durch die private Büchersammlung begünstigt wurde, ging zugleich eine Entwertung der eigenen Gelehrtenbibliothek einher – das noch übersichtliche Corpus kanonischer Texte als diskursiver Bezugsrahmen wurde dramatisch erweitert durch immer neue Bücher. Der gelehrte Leser geriet in einen Strudel von Texten, der das verbreitete Bild einer beschaulichen Lektüre des Gelehrten als Fiktion entlarvt.
12 Prominente Beispiele einer immer aktiveren Schreiblandschaft sind die Elsässische Werkstatt von 1418 oder Diebold Lauber in Hagenau (Saurma-Jeltsch, Lieselotte E.: Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung: Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau. 2 Bände. Wiesbaden: Reichert 2001). 13 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 77ff. 14 McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis: das Ende des Buchzeitalters. Düsseldorf: Econ 1968.
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Durch die Humanisten wurde das vorchristliche Wissen der Antike in Gestalt mittelalterlicher Handschriften in Bibliotheken gesucht, entdeckt, gesammelt, abgeschrieben und gedruckt ediert – Texte wurden als geistesgeschichtliche Artefakte historisiert, ihrer Urform nachgespürt und von zeittypischen Rezeptionsmerkmalen befreit. Zugleich vermochte das in großen Mengen hergestellte Papier den Hunger der Städte, Universitäten und Kaufleute nach Texten zu stillen. Bibliotheken, durch ihre Skriptorien zuvor Produzenten von Büchern, wurden zu Käufern, Sammlern und Konsumenten. Dennoch dauerte es, bis gedruckte Bücher die Sammlungen der Bibliotheken vollends eroberten – Handschriften blieben gesuchte Sammelobjekte. Neben den kirchlichen blühten weltliche Bibliotheken unterschiedlicher Trägerschaft auf, die das Schreiben neuer Texte jenseits des christlichen Literaturkanons ermöglichten. Auch der Erfolg der Reformation gründet sich auf die durch den Buchdruck massenhaft an eine breite Öffentlichkeit gelangten Schriften und veränderte das Bibliothekswesen tiefgreifend: Klosterbibliotheken verloren an Bedeutung, wurden geplündert oder bildeten den Grundstock öffentlicher Stadt- oder Kirchenbibliotheken als neue Räume des Lesens und Schreibens für ein wachsendes Laienpublikum. Städtische Gemeindeschulen lösten die mittelalterlichen Kloster- und Domschulen ab. Um den Wissensraum der Bibliothek des Barocks zu strukturieren, wurde mit der Erfindung von Signatur und Katalog eine bibliothekarische Revolution eingeführt. Die frühe Diskussion über eine Theorie der Bibliothek führten bedeutende Gelehrte, die als fürstliche Bibliothekare gewonnen wurden, beispielsweise Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) oder Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) in Wolfenbüttel. Die öffentlich zugängliche Bibliothek als Wissensraum wurde als repräsentative Saalbibliothek inszeniert, die der lesenden und schreibenden Rezeption von Texten einen architektonischen Rahmen verlieh, wie ihn zuvor nur die Antike kannte. In der Aufklärung bedeutete die „neue Haltung dem Lesen gegenüber“15, dass immer weiterer Kreise der Bevölkerung die wesentliche Voraussetzung für ein verändertes Verhältnis zum Schreiben gewannen. Mittelalterliche Strukturen der Wissenschaftsorganisation wurden überwunden: Die 1737 gegründete Universitätsbibliothek Göttingen ist die erste moderne wissenschaftliche Bibliothek, bei der die Benutzung vor der Repräsentation im Sinne barocker Bibliotheken stand. Fester Etat, kontinuierliche Erwerbung, systematische Aufstellung und Katalogisierung boten Voraussetzungen einer effizienten Nutzung der Sammlungen in Form von Lesen und Schreiben. Zugleich veränderten sich die Produkte des gelehrten Lesers und Bibliotheksbenutzers: Mit der Erfindung der Zeitschrift, die das tradtionelle Buch als schriftliches Format des Wissenschaftsdiskurses abzulösen begann, poten-
15 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 147.
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zierten sich der zu rezipierende Lesestoff und die von Bibliotheken vorzuhaltende Literatur. Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert vollzog sich ein „Wechsel von der intensiven zur extensiven Lektüre,“16 der die Dynamik der Bibliotheksentwicklung bis ins 21. Jahrhundert bestimmt. Für unser Thema „Bibliothek und Schreiben“ spielt die Ausbildung des Typs der öffentlichen Bibliothek und die Entwicklung der Bibliotheksarchitektur eine zentrale Rolle.17 Eine architektonische Innovation des in Deutschland neuen Bibliothekstyps „Bücherhalle“18 war der Lesesaal, dessen Vorbilder in französischen und anglo-amerikanischen Bibliotheken liegen.19 Die palastund tempelähnlichen Fassaden der Bibliotheken des 19. Jahrhunderts umhüllten nicht mehr nur traditionelle Büchermagazine, die noch immer einen wesentlichen Teil der Baukörper ausmachten, sondern fortan auch immer komfortablere Räume, in denen Bücher gelesen und eigene Texte geschrieben werden konnten. Durch die Einführung von Lesesälen, die über Beleuchtung, Belüftung, Heizung und sogar Toiletten verfügten, vollzog die Bibliotheksarchitektur einen Paradigmenwechsel, der bis in die Gegenwart fortwirkt. Diese Zukunft begann mit Henri Labrouste (1801–1875),20 in dessen Bibliotheksarchitektur sich der Leser gegenüber dem Buch nicht nur im wörtlichen Sinn Raum verschaffte, sondern erstmals zum Zentrum avancierte. Die Herausforderung einer
16 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 147; Engelsing, Rolf: Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft. Stuttgart: Metzler 1973. S. 56ff.; Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800–1900. 4., neubearb./verb. Aufl. München: Fink 2003. 17 Zum Folgenden Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 149ff. In Deutschland war der Diskurs um die Mission öffentlicher Bibliotheken, der so genannten „Bücherhallen“, eng mit der Idee einer Volkspädagogik verbunden, deren Ziel es war, die Bevölkerung nicht so sehr mit wertneutraler Literatur und Informationen zu versorgen, sondern mit „guten“ Büchern. 18 Öffentliche Lesehalle Jena (1896), Krupp’sche Bücherhalle Essen (1899), Hamburger Öffentliche Bücherhallen (1899); Jochum, Bibliotheksgeschichte, wie Anm. 4, hier S. 159f. 19 Die folgenden Überlegungen fanden substanzielle Bestätigung im wunderbaren Vortrag „Scriptorium und Laptop: die Bibliothek als Arbeitsplatz“ von Ulrich Johannes Schneider auf dem 41. Kölner Mediaevistentag sowie seinen Beiträgen: Schneider, Ulrich Johannes: Der Bibliotheksbau als Maschine. Wie Henri Labrouste die Lesesaalbibliothek erfunden hat. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juli 2018. Schneider Ulrich Johannes: Henri Labroustes Bibliothek. Gegen die giftige Atmosphäre im Lesesaal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Juli 2018; Schneiders Thesen lauten: 1. „Lesen und Schreiben finden im gleichen Medium statt: Der Laptop vereint beide Praxen“, 2. „Bibliotheken werden digital: Texte finden und bearbeiten sind verbundene Arbeitsprozesse“, 3. „Mittelalterliche Skriptorien waren in allen ihren Arbeitspaketen bibliotheksrelevant“, 4. „Das professionelle Schreiben wird situativ in seiner Bibliotheksrelevanz verstärkt.“ 20 Henri Labrouste – Structure Brought to Light. Hrsg. von Corinne Bélier. New York, NY: Museum of Modern Art 2012; Labrouste (1801–1875) – architecte: la structure mise en lumière. Hrsg. von Corinne Bélier. Paris: Chaudun 2012; Des palais pour les livres: Labrouste, Sainte Geneviève, et les bibliothèques. Hrsg. von Jean-Michel Leniaud. Paris: Maisonneuve & Larose 2003.
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optimalen logistischen Verbindung zwischen Buch und Leser, Magazin und Lesesaal hat Labrouste 1851 in der Bibliothèque Sainte-Geneviève als öffentliche Bibliothek im urbanen Raum der Hauptstadt Paris prototypisch gelöst.21 Welchen Zweck besitzt der öffentlich zugängliche Lesesaal – damals wie heute? Seine Architektur bietet zunächst der Ordnung des Wissens in Gestalt der Bücher eine sichtbare Struktur. Viele der in Lesesälen visuell erfahrbaren Wissensordnungen gründen in einer bibliothekarischen Praxis, die zugleich Ausdruck einer theoretisch fundierten Wissensordnung sein kann. Lesesäle formen zugleich die Räume des Denkens der Leser. Aber das Lesen – so hat Ulrich Johannes Schneider22 prägnant formuliert – war wohl niemals alleiniger Zweck eines Lesesaal-Besuchs. Wer einen Lesesaal betritt, tut dies sicher auch mit der Absicht, die Texte der anderen zu lesen – Hauptzweck indessen dürfte sein, eigene Texte zu schreiben: „Man benutzt einen Lesesaal nicht, um lesen zu wollen, sondern um schreiben zu müssen.“23 Tatsächlich wurde die Lektüre von Büchern traditionell als „hohes Geistergespräch“, als Dialog mit in der Regel verstorbenen Geistesgrößen verglichen.24 Ein Gespräch verlangt nach Antworten. Doch wie will man einem Buch antworten, wenn nicht im gleichen Medium? Und so ist es nur natürlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Gelesenen am Ende in einen neuen Text mündet, der seinerseits Ausgangspunkt für weitere Lektüren und neue Texte bildet. Michael Knoche erkennt als wesentliche Motivation von Menschen, die Lesesäle einer Bibliothek aufzusuchen, im „Bedürfnis nach einem Ort, an dem man die historische Dimension der kulturellen Überlieferung spüren und sich selber als Teil einer République des Lettres imaginieren kann.“25 Die Bedingungen für den Leser haben sich durch diesen Paradigmenwechsel der Bibliotheksarchitektur im 19. Jahrhundert grundlegend geändert: Lessing, so bemerkt Ulrich Johannes Schneider, musste in seiner Wolfenbütteler Bibliothek noch frieren, Marx in der British Library in London nicht mehr.26 Die Heizung im Lesesaal ist nicht für die Bücher da, sondern für die Menschen.
21 Weitere Meilensteine dieser neuen Generation von Bibliotheken sind 1857 das British Museum, 1858 die Boston Public Library und 1868 – ebenfalls ein Werk Labroustes – die Bibliothèque Royale in Paris. 22 Schneider, Scriptorium und Laptop (wie Anm. 19). 23 Schneider, Scriptorium und Laptop (wie Anm. 19). 24 Brogsitter, Karl Otto: Das hohe Geistergespräch: Studien zur Geschichte der humanistischen Vorstellungen von einer zeitlosen Gemeinschaft der grossen Geister. Bonn: Bouvier 1958. 25 Knoche, Michael: Wozu noch Bibliotheken? https://www.deutschlandfunk.de/informationsgewinnung-wozu-noch-bibliotheken.1184.de.html?dram:article_id=399277 (Stand: 26.12.2018); Knoche, Idee der Bibliothek (wie Anm 2). 26 Schneider, Scriptorium und Laptop (wie Anm. 19).
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Vom Lesesaal zum Freihandmagazin oder: Die Öffnung der Mauern zwischen Buch und Schreiber In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielten in Deutschland Bibliotheken eine wichtige Rolle bei der Neustrukturierung der Wissenschaftslandschaft. Das „geistige Kapital“27 sollte in Bibliotheken nicht verschlossen archiviert werden, sondern durch freie Zugänglichkeit Studium, Lehre und Forschung barrierefrei fördern. In der Diskussion über das traditionelle zweischichtige Bibliothekssystem aus zentraler Universitätsbibliothek und dezentralen Seminar-, Instituts- oder Fakultätsbibliotheken einerseits, dem einschichtigen Bibliothekssystem mit der Universitätsbibliothek als Zentrum andererseits, gewann ein drittes Modell größten Einfluss: Amerikanische Universitätsbibliotheken, die ihre Sammlungen dem Leser systematisch in Freihandaufstellung präsentierten, galten als Ausdruck demokratischen Selbstund Wissenschaftsverständnisses.28 Dieses Konzept wurde durch die Neugründungen von Universitäten in den 1960er und 1970er Jahren nach Deutschland importiert. Einschichtige Bibliothekssysteme mit Freihandaufstellung öffneten das „Labor Bibliothek“29 für eine noch nicht gekannte Nutzung. Indem die zuvor streng separierten Magazine in Gestalt von Freihandmagazinen für den Leser immer mehr geöffnet wurden, gewann dieser neue Räume für die aktive, schreibende Benutzung der Bibliothek. Bielefeld und Konstanz verzichteten sogar grundsätzlich auf Magazine und ermöglichten dem Leser Zugriff auf den gesamten Bestand. Durch die Einführung des Freihandmagazins als qualitativ neue Nutzungsfläche in unmittelbarer Nachbarschaft zum Lesesaal fand ein Paradigmenwechsel in der Bibliotheksarchitektur statt: Das Verhältnis zwischen öffentlich nicht zugänglichen und öffentlich zugänglichen Bereichen verschob sich immer weiter zugunsten letzteren. Die Bibliothek wurde attraktiver und zog immer mehr Leser an – aber gab es auch Gründe für diese, in der Bibliothek zu verweilen? Das Freihandmagazin konnte einerseits genutzt werden, um benötigte Literatur ohne Zeitverzug durch Bestellvorgänge aus dem Magazin zur Bearbeitung sofort mit nach Hause zu nehmen, andererseits bot die Kombination mit dem Lesesaal die komfortable Möglichkeit, die Literatur vor Ort im Lesesaal produktiv – und zwar durch das Schreiben eigener Texte – zu nutzen.
27 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 185. 28 Jochum, Bibliotheksgeschichte (wie Anm. 4), hier S. 186f. 29 Fabian, Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung (wie Anm. 1).
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Individuelles – die Bibliothek als Labor für Schreibprozesse Von der Rezeption zur Produktion von Texten: Lesen, Kopieren, Exzerpieren, Schreiben Bibliotheken waren die gesamte Geschichte hindurch diejenigen realen Räume, in denen intellektuelle und kulturelle Praktiken, die mit Texten zusammenhängen, ausgeübt wurden und werden: Lektüre- und Schreibpraxis bildeten vielfältigste Spielarten der Auseinandersetzung mit Texten im Kopf und mit den Fingern aus. Nachdem im ersten Kapitel der Frage nachgegangen wurde, in welcher Form Bibliothek und Schreiben institutionell zusammenhängen, widmen sich die folgenden Überlegungen individuellen lesenden und schreibenden Menschen.30 Der Typus des Schreibers, dem allein es zu verdanken ist, dass antike und mittelalterliche Bibliotheken überhaupt entstehen und Texte überliefert werden konnten, wurde im Zusammenhang mit der Institution des Skriptoriums beschrieben. Der mittelalterliche Leser möge aber das Produkt dieser höchst entbehrungsreichen Arbeit stets achten – so der Wunsch eines anonymen Schreibers: O beatissime lector, lava manus tuas et sic librum adprehende, leniter folia turna, longe a littera digito pone. Quia qui nescit scrivere, putat hoc esse nullum laborem. O quam gravis est scriptura: oculos gravat, renes frangit, simul et omnia membra contritat. Tria digita scribunt, totus corpus laborat.31
Doch Schreiben war nicht allein Kopieren von Texten. Das Mittelalter besaß ein differenziertes Bewusstsein für unterschiedliche Arten des Schreibens – nach Bonaventura (1221–1274)32 verkörpert durch Schreiber, Kompilator, Kommentator und Autor: […] quadruplex est modus faciendi librum. Aliquis enim scribit aliena, nihil addendo vel mutando; et iste mere dicitur scriptor. Aliquis scribit aliena addendo, sed non de suo; et iste compilator dicitur. Aliquis scribit et aliena et sua, sed aliena tamquam principalia, et sua tamquam
30 Fabian, Bernhard: Der Gelehrte als Leser: über Bücher und Bibliotheken. Hildesheim [u. a.]: Olms-Weidmann 1998. 31 „O glücklichster Leser, wasche Deine Hände und fasse so das Buch an, drehe die Blätter sanft, halte die Finger weit ab von den Buchstaben. Der, der nicht weiß zu schreiben, glaubt nicht, dass dies eine Arbeit sei. O wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet“ (Notiz eines Schreibers im 8. Jahrhundert), zitiert nach Trost, Vera: Skriptorium. Die Buchherstellung im Mittelalter. Stuttgart: Belser 1991. 32 Bonaventura: Commentaria in quatuor libros sententiarum magistri Petri Lombardi: In primum librum sententiarum. Ad Claras Aquas: Collegium S. Bonaventurae 1882.
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annexa ad evidentiam; et iste dicitur commentator non auctor. Aliquis scribit et sua et aliena, sed sua tamquam principalia, aliena tamquam annexa ad confirmationem et debet dici auctor.33
Thomasin von Zerclaere verfasste um 1215 mit „Der welsche Gast“ ein populäres Lehrbuch höfischer Tugenden, in dem der kunstfertige Kompilator fremder Textteile gelobt wird: […] swer gevuoclîchen kann / setzen in sîme getiht / ein rede, die er machet niht, / der hât alsô vil getân, / dâ zwîvelt nihtes niht an, / als der derz vor im êrste vant. / Der vunt ist worden sîn zehant.34
Dieser Lese- und Schreibkultur liegt ein Autorschaftsbegriff zugrunde, in dem die Grenze zwischen Eigenem und Fremden leicht verwischt. Zu nennen wären hier ferner die Annotationen, Glossen und Scholien von Lesern, Schreibern und Autoren, deren Ziel darin bestand, Texte zu kommentieren. Und wenn sich allgemeine Konzepte von Autorschaft im Mittelalter auch grundsätzlich von modernen Vorstellungen – man denke nur an das Thema Plagiarismus – unterscheiden, spielt doch der konkrete Schreibprozess für das Handeln eines Autors eine zentrale Rolle. So blühte in der Renaissance die bereits in der Antike gepflegte ars excerpendi, die Exzerpierkunst35 als Bestandteil humanistischer Ausbildung: Gemeint ist eine besonders elaborierte Methode des – schreibenden – Lesens, der Kunst, Leseaufzeichnungen anzufertigen, zu sammeln und zu systematisieren, damit eigenes Schreiben ermöglicht wird. Damals wie heute entsteht das Exzerpt an der Grenze des Lesens fremder Texte und des Schreibens eigener Werke, ist eine aktive Methode intellektueller Arbeit mit der Feder oder dem Stift in der Hand. Möglicherweise gab es auch einen Zusammenhang mit der massenhaften Vervielfältigung von Texten durch die technische Revolution des Buchdrucks, die dem Leser neue Strategien abverlangte, der kontinuierlich steigenden Masse an Informationen in Büchern Herr zu werden. Der gelehrte Zwangsleser wurde zum Zwangsexzerpisten eines kontinuierlich expandierenden
33 „Bücher kann man auf vier verschiedene Arten herstellen: Jemand schreibt fremde Inhalte auf, ohne dabei etwas zu ergänzen oder zu verändern; das ist ein Schreiber. Wenn er zusätzlich etwas ergänzt, das nicht von ihm selbst stammt, nennt man ihn Kompilator. Schreibt er fremde Inhalte auf und erläutert sie mit eigenen Worten, ist er ein Kommentator, aber noch kein Autor. Das ist nur jemand, der hauptsächlich Eigenes aufschreibt und Fremdes lediglich zur Bestätigung anführt.“ (Freie Übers. d. Verf.). 34 „Wer in sein Werk ein Textstück, das nicht von ihm selbst stammt, geschickt und passend einzufügen versteht, der hat ohne den geringsten Zweifel ebenso großes Verdienst wie der, der es vor ihm zuerst erfunden hat. Die Erfindung ist in sein Eigentum übergegangen.“ (Freie Übers. d. Verf.; Thomasin von Zirclaria: Der Wälsche Gast. Hrsg. von Heinrich Rückert. Mit einer Einleitung und einem Register von Friedrich Neumann. Quedlinburg: Basse 1852. V. 105ff.). 35 Décultot, Elisabeth (Hrsg.): Lesen, Kopieren, Schreiben. Lese- und Exzerpierkunst in der europäischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Berlin: Ripperger & Cremers 2014.
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Textuniversums. Exzerpte waren Speicher des Gelesenen, Stützen und Entlastung des Gedächtnisses und mobiler handlicher Ersatz für große, gut ausgestattete Bibliotheken, die der gelehrte Leser auf Bibliotheksreisen mit dem Stift in der Hand eroberte. Zufällig oder systematisch erstellte Kollektaneen wurden als Exzerpthefte gebunden, deren Wert nicht nur für den Exzerpierer erheblich war. Indem der Leser gedruckte Texte handschriftlich kopierte, eignete er sich ihren Inhalt auf die intimste Art und Weise an und schuf die Keimzelle eigenen Schreibens. Im Exzerpt wurde das Buch aktiv in Besitz genommen. Nun kam es darauf an, diese Lesefrüchte zu ordnen, zu klassifizieren, um jederzeit effizient auf sie zugreifen zu können. Exzerpte waren zugleich Gegenstand kritischer Kontroversen: Schaden sie nicht mehr dem Erinnerungsvermögen, als dass sie der Memoria nützen? Führen sie nicht eher zu Imitation und Plagiat, als dass sie eigene Erfindungskraft stimulieren? Doch schloss ein derartiger Begriff des mit Schreiben verwobenen Lesens originale Schöpfungen keineswegs aus, sondern verortete diese im Spannungsfeld von Entlehnung, Nachahmung und eigener Kreativität. Dass ein Werk ausführlich exzerpiert wird, galt sogar als Zeichen der Qualität und Bewunderung. Prominente Exzerpierer waren übrigens Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) und Jean Paul (1763–1825), deren Exzerpte längst zu Gegenständen der Forschung avanciert sind. Exzerpte setzen eine jedenfalls für die gelehrte Welt zugängliche Bibliothek notwendig voraus, die in einem Umfang, der begrenzte private Sammlungen weit übertrifft, Bücher zur Lektüre und Auseinandersetzung vorhält. Sieht man von der Möglichkeit einer Ausleihe einzelner Werke einmal ab, so trat jetzt das Lesen in den immer besser ausgestatteten Lesesälen der Bibliotheken an die Stelle einsamer Lektüre im heimischen Studierzimmer. Die Arbeit in einer großen Bibliothek hatte vor allem den Vorteil, dass viele Bücher schnell vor Ort verfügbar waren, sodass die Auseinandersetzung mit bereits publizierten Inhalten eine neue Qualität und Tiefe erreichen konnte. Intensive Lektüre ist hier immer das Lesen mit dem Stift in der Hand. Das Exzerpt ist zunächst nur die Kopie ausgewählter, wichtiger Stellen, manchmal auch deren verdichtete Essenz. Mit dem Aufkommen der Fotokopierer verliert es an Bedeutung und ist mittlerweile als Arbeitstechnik fast verschwunden.36 Durch die Mühe des Abschreibens hatte das Exzerpt gegenüber der gedankenlosen Kopie aber zwei Vorteile: der exzerpierte Inhalt wurde tatsächlich gelesen, reflektiert, mit Blick auf die Brauchbarkeit für die eigene Arbeit bewertet und sorgsam bedacht. Im Exzerpt wird die dritte Beziehung zwischen Lesen und Schreiben besonders sichtbar: die Kontemplation. Die konzentrierte Atmosphäre des Lesesaals verdankt ihre Existenz der mit einem guten Exzerpt zwingend einhergehenden genauen Lektüre. Zusammen mit der stimulierenden Atmosphäre großer Büchersammlungen und der Anwesenheit Gleichgesinnter erweist sich die Bibliothek als attraktiver Arbeitsort. Es
36 Im Zeitalter der Fotokopie können vielleicht Textmarker als Konzentrationswerkzeuge für ein intensives Lesen gelten.
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liegt nahe, auch die eigene Textproduktion sogleich im Lesesaal zu beginnen, zumal die meisten Quellen und Verweise, die man benötigt, mühelos zur Hand sind.
Konzeptionelles – die schreibende Bibliothek Vom Lesesaal zum Laptop oder: die neue Synthese von Lesen und Schreiben Widmen wir uns wieder der Bibliothek als Raum von Lesern, die zugleich zu Schreibern und Autoren werden. Der Lesesaal entwickelte sich insbesondere im akademischen Kontext zum Skriptorium nicht nur der Bibliothek, sondern der gesamten Universität. Gelehrtes Lesen führt in der Regel zum Schreiben, indem der forschende Leser in den ihn interessierenden Diskurs von Textwelten eintaucht, die ihm die Bibliothek im realen Lesesaal zum „close reading“, im virtuellen Lesesaal zum „distant reading“ zur Verfügung stellt. Die von ihm produzierten und publizierten Texte können heute unmittelbar eingespeist werden in die Textreservoirs von Bibliotheken. Das Schreiben im Lesesaal war bis in die allerjüngste Vergangenheit ein Schreiben mit der Hand. Es war langsam, besonnen, konzentriert. Auch dies gehört zur Kontemplation der Lektüre, denn im Augenblick der Niederschrift werden fremde Bücher, auf die man sich bezieht, noch einmal in ihren Aussagen intensiv reflektiert. Eine erste Relativierung dieser Synthese brachte die Fotokopie. Es war nun möglich, ohne eigenes Schreiben im Sinne von Exzerpieren viele Quellen als Kopie mit nach Hause zu nehmen und dort, umgeben von wachsenden Bergen von Papier, das eigene Werk zu verfassen. In diesem Szenario war die Bibliothek nur noch ein Ort der Kopiervorlagen und der Kopiergeräte, aber kein Arbeitsplatz mehr. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das Aufkommen der Personal Computer. Im ausgehenden 20. Jahrhundert war der Lesesaal noch weitgehend frei von fest installierten Computerarbeitsplätzen, weil lesende Schreiber und schreibende Leser hybrid arbeiteten – zunächst mit Bleistift und Papier in der Bibliothek lesend und exzerpierend, später kopierend, schließlich am institutionellen oder heimischen Arbeitsplatz auf dem Personal Computer die eigenen Texte sorgfältig formulierend. Leser verfassen ihre Texte jetzt immer weniger mit der Hand schreibend, sondern gleich am Bildschirm. Die frühen Personal Computer aber waren schwerfällige Geräte, die nur im heimischen Arbeitszimmer, nicht jedoch im Lesesaal genutzt werden konnten. Gleichwohl haben Bibliotheken diese Entwicklung von Anfang an aktiv begleitet und eigene Computer-Pools angeboten, weil nicht jeder über ein eigenes Gerät verfügte. Schreiber schätzten den Personal Computer noch vorwiegend als eine unendlich komfortable Schreibmaschine, indem sie Textverarbeitungsprogramme als Textbearbeitungsprogramme nutzten. Schreiber dieser Zeit – auch mit dem Personal Computer – schrieben offline.
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Nach und nach verbreiteten sich Personal Computer auch in den Lesesälen. Hier waren sie nicht nur Schreibgeräte, sondern boten auch Inhalte über CD-ROMDatenbanken oder erste EDV-Kataloge. Zugleich wurden sie kleiner und handlicher, sodass Leser sie als Laptops oder Notebooks mit in den Lesesaal brachten, um ihre eigenen Texte in unmittelbarer räumlicher Nähe zu Quellen und Referenzwerken zu verfassen. Die Digitalisierung ist währenddessen immer weiter vorangeschritten. Waren die ersten Personal Computer und Notebooks mehr oder weniger lediglich als Schreibmaschinen im Einsatz, so eröffnen sie jetzt über das Internet den Zugang zu immer größeren – digitalen – Bibliotheken. Schließlich ist nicht mehr nötig, Werke am Regal zu konsultieren oder aus dem Magazin in den Lesesaal zu bestellen, denn die gewünschten Inhalte sind jetzt direkt am Bildschirm verfügbar. Ist damit das Ende des historisch engen Zusammenhangs von Bibliothek und Schreiben gekommen? Eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurden durch die immer umfassendere Digitalisierung der Bibliotheken allmählich die quantitativen Grundlagen dafür geschaffen, dass das nachfolgende Jahrzehnt immer kreativere Tools entwickeln konnte, die das Schreiben in Bibliotheken qualitativ grundlegend verwandelten. Nachdem zunächst feste Computerarbeitsplätze Einzug in definierte Areale der Lesesäle hielten, machten schließlich die mobilen Endgeräte der Leser diese Separierung obsolet. Das Notebook – in dieser Bezeichnung werden nicht zufällig die Wörter „Schreiben“, „Buch“ und „Notizbuch“ vereinigt – ist heute nicht nur Instrument des Lesens oder Recherchierens, sondern auch des Schreibens. Gelesen werden mit dem Notebook die von Bibliotheken bereit gestellten E-Books oder E-Journals und sämtliche frei zugänglichen Texte im Internet. Diese werden auf dem Notebook schließlich Teil der eigenen Texte. Ulrich Johannes Schneiders Beobachtung, dass lesende Schreiber und schreibende Leser auf einem multifunktionalen Lese- und Schreibgerät Texte konsumieren und produzieren, ist daher uneingeschränkt zuzustimmen: Durch den „Laptop als Arbeitsform“ fand eine „Befreiung des Schreibens“ statt, da „im Laptop Lesepraxis und Schreibpraxis konvergieren.“37 Die Bibliothek wird daher zum beinahe grenzenlosen Text-Repositorium und Wörtermeer für die eigene Schreibarbeit auf dem mobilen Notebook. Texte suchen, finden, bearbeiten und publizieren sind Komponenten des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses, der inzwischen fast ausschließlich auf dem Notebook stattfindet. Für die traditionelle Bibliotheksarchitektur indessen bedeutet diese Entwicklung, dass der Lesesaal wieder zum Skriptorium und die Bibliothek selbst zur Skriptothek wird. Durch die Digitalisierung sind fortan Bibliothek, Lesen und Schreiben im Notebook oder anderen Endgeräten untrennbar miteinander verschmolzen. Arbeitstechniken wie Copy & Paste – eine digitale Variante der analogen ars excerpendi – oder Hilfsmittel wie Literaturverwaltungsprogramme beschleunigen die eigene Textpro-
37 Schneider, Scriptorium und Laptop (wie Anm. 19).
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duktion und verbinden die Bibliothek als Reservoir fremder Inhalte und das eigene Schreiben zu einem einzigen Workflow. Gleichwohl ist die in der Bibliotheksgeschichte zu beobachtende Symbiose von Lesen und Schreiben in der Bibliothek als Ort brüchig geworden. Diese ist seit der Erfindung des Buchdrucks für die Produktion von Lesetexten und seit der Digitalisierung für die Kreation neuer Texte streng genommen nicht mehr unverzichtbar. Was aber ist mit der Kontemplation?
Laptop, Lesesaal und Lernlandschaften Hier könnte der Bibliothek als (Arbeits-)Ort eine wichtige und dauerhafte Rolle zukommen. Früher begann der klassische Produktionsprozess stets mit der Handschrift. Dies hemmte den Gedanken und zwang zur Konzentration. Digitales Arbeiten ist demgegenüber schneller und in gewisser Weise auch unbedachter. Um nicht am Ende schlechte und wenig durchdachte Texte zu schreiben, sind Strategien der Besonnenheit, Entschleunigung und Konzentration nötig. Dazu gehört für die allermeisten immer noch die intensive Textkorrektur anhand von Ausdrucken mit dem Stift in der Hand. Dazu gehört aber auch die bewusste Wahl des Arbeitsortes. Hier wird der Bibliothek auch künftig eine zentrale Rolle zukommen. Dass es auf absehbare Zeit noch keine totale Digitalisierung gibt und die Nutzung von Printbeständen auch aus Gründen des Lesekomforts zahlreiche Vorteile bietet, ist dabei ein wichtiger Nebenaspekt. Doch der Zusammenhang von Bestand und Arbeitsort wird durch das allgegenwärtige Internet immer mehr relativiert. So kann ein Leser in der Universitätsbibliothek Freiburg, der Angehöriger der Humboldt-Universität zu Berlin ist, über seinen Eduroam-Zugang und sein Berliner Nutzerpasswort zwar in Freiburg lesen und schreiben, aber mit Berliner Ressourcen arbeiten. In einer Welt von Open Access-Publikationen ist die Frage einer ortsgebundenen Sammlung ohnehin obsolet. Die damit immer mehr gegebene Trennung von Ort und Bestand erlaubt es, den Ort selbst und seine besonderen Eigenschaften in den Blick zu nehmen. Geschieht dies unter dem Aspekt des Schreibens, so wird hier nach den bisherigen Überlegungen weder die Produktion noch die Kreation, sondern die Kontemplation im Mittelpunkt stehen. Zur Kontemplation gehört nicht nur das stille Nachdenken bei sich selbst. Es wurde schon auf die stimulierende Wirkung der Anwesenheit von Gleichgesinnten hingewiesen. Zum Nachdenken, zur Kontemplation über das Gelesene gehört immer auch der Diskurs. Die Bibliothek als Ort des Schreibens muss auch dies ermöglichen. Die Zukunft von Bibliotheken ist nicht nur gekennzeichnet durch die Verschmelzung analoger, digitalisierter und digitaler Textwelten, sondern auch durch Verschmelzung früher voneinander getrennter Bibliotheksbereiche – von Magazin, Freihandmagazin, Lesesaal und weiteren Bereichen, in denen Schrei-
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ben relevant ist. Schreiben wird immer stärker eingebettet in Lernlandschaften, in denen Lesen, Schreiben und Sprechen gleichrangig nebeneinanderstehen.38 Damit Schreiben technisch gelingen kann, genügt es aber nicht, lediglich Räume und Zugänge bereitzuhalten. Zum Schreiben gehört auch Kompetenz im Umgang mit den dafür notwendigen Werkzeugen. So ist es folgerichtig, wenn Bibliotheken nicht nur in die Benutzung von Beständen einführen, sondern auch die Werkzeuge des Schreibens als Teil einer umfassend verstandenen Informationskompetenz erklären. Sind die Nutzung von Ressourcen und ihre Weiterverwendung zur Erstellung eigener Inhalte technisch zu einer Einheit verschmolzen, sollte man dies bei der Vermittlung von Informationskompetenz nicht künstlich trennen.
Die Bibliothek als Schreiblabor für die Förderung von Informations- und Medienkompetenz Aus diesen bibliotheks- und kulturgeschichtlichen Beobachtungen heraus lassen sich konkrete Perspektiven für Schreiben in Bibliotheken entwickeln. Das Verfassen von Texten als Teil wissenschaftlichen Arbeitens, in dem Fach-, Informations- und Textproduktionskompetenz zusammenspielen, ist traditioneller Gegenstand insbesondere des Studiums der Geistes- und Kulturwissenschaften.39 Der Inbegriff des Kontinuums von Texten, innerhalb dessen sich geisteswissenschaftliche Forschung vollziehe, ist nach Bernhard Fabian die Bibliothek als Stätte wissenschaftlicher Arbeit, Textspeicher und zentrale Institution der Textkultur. Wissenschaftliches Schreiben kann unterschiedlich gelehrt werden: Innerhalb einzelner Disziplinen durch Fachdozierende oder innerhalb fachübergreifender Institutionen wie Schreibzentren durch ausgebildete Schreibtrainer. Dem ersten Modell liegt die Vorstellung wissenschaftlichen Schreibens als integraler Teil der Fachkompetenz zu Grunde, dem zweiten die im Kontext der Bologna-Reformen wirkmächtige Auffassung des Schreibens als fachunabhängiger Schlüsselqualifikation. Die „prozessorientierte Schreibdidaktik“40 versteht Textproduktion „ganzheitlich als ein(en) komplexen und dynamischen Arbeitsprozess […] so etwa beim Entwickeln einer sinnvollen Fragestellung, beim Auswählen relevanter Literatur, beim Lesen, Verstehen und Wie-
38 Die Universitätsbibliothek Freiburg beispielsweise vereinigt neben frei begehbaren Magazinen Lese- und Lernlandschaften, in denen gleichermaßen geschrieben wird – im Parlatorium nicht weniger intensiv als im Lesesaal. 39 Jakobs, Eva-Maria (Hrsg.): Schreiben in den Wissenschaften. Frankfurt a. M. [u. a.]: Peter Lang 1998. 40 Ruhmann, Gabriela u. Marcus Schröter: Grenzverschiebungen: Wissenschaftliches Schreiben, Schreibwerkstätten und Informationskompetenz. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 227–244, hier S. 238.
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dergeben von Informationen in einem nachvollziehbaren Gedankengang, bei der Steuerung der Formulierungsprozesse usw.“41 Erst in jüngster Zeit fand der Versuch statt, methodische Analogien zwischen Wissenschaftlichem Schreiben und der Vermittlung von Informationskompetenz zu identifizieren.42 Dies ist bemerkenswert, denn die Standards der Informationskompetenz, die Bibliotheken ihren Lehrveranstaltungen zu Grunde legen, zeigen signifikante Gemeinsamkeiten mit den von Schreibzentren vermittelten Kompetenzen für die wissenschaftliche Textproduktion. Ein charakteristisches Beispiel ist der vierte Standard: Dieser beinhaltet unter anderem das Erfassen zentraler Inhalte der ausgewählten Informationsquellen sowie das selbstständige Ausdrücken in mündlicher (z. B. Präsentation, Vortrag) oder schriftlicher (z. B. Essay, Hausarbeit, Qualifikationsarbeit) Form. Die Bibliotheken interpretieren diesen Standard bisher eher formal mit Blick auf die konkrete Informationsverarbeitung und bieten Kurse zur Literaturverwaltung an. Gerade hieran wird deutlich, wie unmittelbar die Prozesse Informations- und Wissensmanagement mittels Literaturverwaltung und Produktion wissenschaftlicher Texte ineinander verwoben sind, indem Studierende die Transformation recherchierter Informationen in den eigenen Schreibprozess hinein realisieren. Die didaktische Herausforderung, curricular vernetzte Lernangebote zu kreieren, die Schulungen zur wissenschaftlichen Informationsrecherche und Literaturverwaltung fest an konkrete Schreibprojekte anbinden, wird diese Verknüpfung ermöglichen. Eine solche bibliothekarische Begleitung empfiehlt sich insbesondere vor dem Hintergrund des durch das „Framework for Information Literacy“43 angestrebten Paradigmenwechsels im Verständnis von Informationskompetenz als wissenschaftspropädeutische Unterstützung akademischer Lernprozesse und Arbeitsroutinen vor dem Hintergrund des ganzheitlichen Konzepts von Metaliteracy. In der traditionellen Förderung wissenschaftlicher Informationskompetenz durch Bibliotheken, die die Standards formal interpretiert und das Finden, Verarbeiten und Vermitteln von Informationen lediglich technisch versteht, geht die intellektuelle Tiefendimension von Informationskompetenz44 verloren, in der es um das verstehende und kritische Verarbeiten relevanter Inhalte für die eigene Textproduktion geht. Genau hierin liegt indessen die Idee von Framework und Threshold Concepts.45
41 Ruhmann u. Schröter, Grenzverschiebungen (wie Anm. 40). 42 Ruhmann u. Schröter, Grenzverschiebungen (wie Anm. 40). 43 Association of College and Research Libraries (ACRL): Framework for Information Literacy for Higher Education 2016. http://www.ala.org/acrl/standards/ilframework (Stand: 01.12.2018). 44 Hapke, Thomas: Informationskompetenz anders denken – zum epistemologischen Kern von „information literacy“. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. 2., neubearb./verb. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 9–21. 45 „Authority Is Constructed and Contextual“, „Information Creation as a Process“, „Information Has Value“, „Research as Inquiry“, „Scholarship as Conversation“, „Searching as Strategic Exploration“.
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Das erste Sondieren dieser komplexen Zusammenhänge lässt das Verständnis von Informationskompetenz als eine zentrale Grundlage der Textproduktionskompetenz zu. Das Thema „wissenschaftliches Schreiben“ wird somit zum Prüfstein, an dem Bibliotheken den Paradigmenwechsel von den Standards hin zum Framework exemplarisch erproben können. Die verlorene Tiefendimension ließe sich durch eine optimale Abstimmung der unterschiedlichen Expertisen der Fachbereiche, Schreibzentren und Bibliotheken einlösen. Wie aber lassen sich diese Perspektiven zusammenbringen? Welches sind geeignete Orte? Bibliotheken bieten sich in besonderer Weise an: Als Wissensarchive sammeln sie für sämtliche an einer Hochschule vertretenen Fächer Informationsressourcen und vermitteln diese als Teaching Libraries. Als zentrale Lernorte bieten sie flexible Räume zum Lesen, Lernen, Lehren, Forschen – und nicht zuletzt zum Schreiben. Die Förderung von Informationskompetenz kann auf diese Weise umfassend als „Kuratieren von Wissensräumen“46 verstanden werden.
Perspektivisches – die Bibliothek als digitale Skriptothek Für eine konzeptionelle Erweiterung des Begriffes des Schreibens in digitalen Wissenschaften Unser gedanklicher Bogen schließt sich, indem wir ein letztes Mal nach St.Gallen zurückkehren, wo Bibliothek und Skriptorium eine physische Einheit bildeten. Es scheint, dass die seit Beginn der Bibliotheksgeschichte so intime, erst in der Gutenberg-Galaxis aufgebrochene, Verbindung von Bibliothek und Schreiben in unserer digitalen Zukunft eine neue Aktualisierung erfährt. Die in Zukunft umfassend digitale Wissenschaft, die fast ausschließlich elektronisch produziert und publiziert, verlangt einen erweiterten Begriff des Schreibens: Als integraler Bestandteil digitaler Arbeitsprozesse umfasst Schreiben nicht mehr nur das traditionelle Formulieren wissenschaftlicher Argumente und Erkenntnisse in Schriftzeichen, sondern gleichermaßen in Formeln, Datenstrukturen und Algorithmen sowie die Anwendung der durch die Digital Humanities entwickelten Werkzeuge.47 Mit dieser konzeptionellen Erweiterung lässt sich der von Bernhard Fabian so treffend formulierte Ver-
46 Bocklage, Thorsten [u. a.]: Informationskompetenz als Kuratieren von Wissensräumen. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. 2. Aufl. (wie Anm. 44), hier S. 427–438. 47 Krajewski, Programmieren als Kulturtechnik (wie Anm. 3); Schröter, Marcus: Teaching Libraries zwischen Vermittlung fachwissenschaftlicher Informationskompetenz und Propädeutik in den Digi-
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gleichs von Bibliothek und Labor verbinden: Für Geisteswissenschaftler besitze, so Fabian, die Bibliothek dieselbe Funktion wie das Labor für Naturwissenschaftler.48 Und da für Geisteswissenschaftler ein Labor aus den Texten besteht, aus denen immer wieder neue Texte entstehen, wird auch in Zukunft die Bibliothek zentraler Schreibort bleiben.
Vom Schreiben zum Publizieren oder: Bibliotheken als Produzenten wissenschaftlicher Inhalte Sollen Bibliotheken das Schreiben selbst lehren? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Bibliothek ist ein prädestinierter Ort, um über das Schreiben nachzudenken und sich über richtiges Schreiben auszutauschen. Wollen Bibliothekarinnen und Bibliothekare hier jedoch Kompetenzen vermitteln, müssen sie sich ernsthaft fragen, ob sie über eigene Schreibpraxis verfügen – die im akademischen Kontext gleichzusetzen ist mit Publikationspraxis. Stand an zahlreichen Höhepunkten der Bibliotheksgeschichte der gelehrte Bibliothekar, so dürfte er, sofern er selbst Autor ist, auch für die Bibliothek als Schreibort unverzichtbar sein. Ist die Bibliothek im digitalen Zeitalter vor dem Hintergrund der schwindenden Bedeutung physisch vorhandener Bestände tatsächlich nur noch ein Ort der Kontemplation? Interessanterweise wird sie für die Produktion von Inhalten wieder eine stärkere Rolle spielen. Es ist deutlich geworden, dass Bibliotheken über eine jahrtausendealte praktische Expertise im Umgang mit unserer Schriftkultur, mit Büchern, Texten und Informationen – und mit den damit verbundenen Kulturtechniken Lesen und Schreiben – verfügen. In der Tradition der alten Skriptorien ermöglichen heute Repositorien und ihnen angeschlossene Universitätsverlage die Publikation neuer Inhalte in einer Weise, die sie für die weitere Rezeption und Lektüre leicht auffindbar machen. Zugleich können diese Inhalte insbesondere über Open Access viel dynamischer als traditionelle Bücher verbreitet werden. Die Bibliothek im digitalen Wandel ist damit nicht nur weiterhin ein exzellenter Ort, um zu lesen und zu schreiben, sondern auch ein kompetenter Partner im hieraus nahtlos anschließenden Publikationsprozess. Daher wird auch in Zukunft gelten, dass Bibliothek und Schreiben eine fruchtbare Symbiose eingehen. Diese Symbiose hat den Buchdruck überlebt und danach in der Praxis der Lesesäle einen ungeheuren Aufschwung erlebt. In der Digitalisierung richtet sie sich wieder neu aus. Stand im Zeitalter der Lesesäle die Lektüre im Mittelpunkt, so wird es in Zukunft vor allem der Diskurs sein. In der Kultur digital
tal Humanities. In: o O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal (2017) H. 1. S. 76–94. https://doi.org/ 10.5282/o-bib/2017H1S76-94. 48 Fabian, Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung (wie Anm. 1).
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(isiert)er Bibliotheken gehen das „Modell Sankt Gallen“ mit der Vereinigung von Bibliothek und Skriptorium in einem Gebäude und das „Modell Sainte-Geneviève“ mit dem eigenständigen öffentlichen Lesesaal eine Synthese ein, die dem Schreiben in Bibliotheken ganz neue Bedeutung verleiht. Vielleicht ermöglicht die Bibliothek der Zukunft als digitale Skriptothek gleichsam eine Rückkehr zu den Anfängen der Geschichte, indem Bibliotheken wieder Texte und Bücher produzieren.
Wilfried Sühl-Strohmenger
Die Rolle der Bibliothek beim wissenschaftlichen Schreiben aus schreibdidaktischer Sicht Abstract: Der Beitrag versucht, die Rolle der Bibliothek bei der Förderung wissenschaftlichen Schreibens im Kontext der Schreibdidaktik näher zu beleuchten. Er ist insofern als heuristisch zu verstehen, als er Fragestellungen und Themen aufwirft, die den bislang nicht deutlich gewordenen Zusammenhang zwischen bibliotheksgestütztem Arbeiten, Informationskompetenz und Schreibprozessen aufweisen und weitere Forschung anzuregen versuchen. Dabei nimmt er Bezug auf die hiesige Schreibdidaktik und die Schreibprozessforschung, aber auch auf US-amerikanische Konzepte, die „library research“ mit „information literacy“ verbinden und die Bibliotheken nicht nur als passive Wissensreservoire sehen, sondern als Akteure bei der Förderung des Schreibens als zentralem Anliegen der Information Literacy im Hochschulbereich unterscheiden! Schlüsselbegriffe: Teaching Library, Schwellenkonzept, Informationskompetenz, Bibliotheksdidaktik, Schreibdidaktik, Schreibzentrum, Commons Kurzbiografie: Wilfried Sühl-Strohmenger war von 1986 bis 2015 an der Universitätsbibliothek Freiburg als Dezernatsleiter und Fachreferent tätig. Sein besonderes Interesse gilt dem Lehr-Lernort Bibliothek (Teaching Library) und der didaktisch fundierten Förderung von Informationskompetenz, eng damit verbunden: Der Förderung wissenschaftlichen Schreibens in der Hochschule (CAS-Zertifikat 2016 ZHAW Winterthur). Er bietet Schreibkurse an verschiedenen Hochschulen in Baden-Württemberg an und ist Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen. Kontakt: [email protected] Homepage: www.informationskompetenz.org
Bibliotheken und Schreibzentren Bibliothek und Schreiben – diese Verbindung ist vor allem im Hochschulbereich eigentlich nicht neu1, dennoch scheint das Verhältnis dieser beiden für das Studium zentralen Sphären nicht geklärt zu sein. Der Bibliothek ist zwar bewusst, dass in ihren Lese- und Lernräumen nicht nur recherchiert und gelesen, sondern auch ge-
1 Vgl. dazu den Beitrag von Schröter u. Steinhauer in diesem Band. https://doi.org/10.1515/9783110594140-004
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schrieben wird, jedoch versteht sie sich nicht als „Schreibzentrum“, obwohl sie es de facto zu einem großen Teil ist. Die Schreibdidaktik ihrerseits propagiert Schreibberatung und die Einrichtung von Schreibzentren als ihren „Markenkern“, sieht aber die Bibliothek nur in einer passiven Rolle als Medienarchiv und Informationszentrum. So fehlt im Index eines wichtigen Sammelwerks mit grundlegenden Texten zur Theorie, Didaktik und Beratung beim Schreiben2 der Begriff Bibliothek und auch in dem Kapitel Schreibzentren3 sucht man vergeblich nach Bezugspunkten zur Rolle der Bibliothek beim Schreiben. Die Schreibzentren selbst, die in Deutschland an einigen Universitäten (z. B. Bielefeld und Bochum) bereits seit rund 25 Jahren bestehen, sind ihrerseits ServiceEinrichtungen, teilweise in Verbindung mit Zentren für die Lehre, und sie verfügen über begrenzte, vielfach zeitlich befristete Personalressourcen, beschäftigen ferner Studierende als Peer-TutorInnen, verfügen in der Regel aber nicht über nennenswerte Kursräume oder Schreibzonen, in denen das Schreiben tatsächlich stattfinden könnte. Insofern können sie eher als „Schreibservice-Zentren“ gesehen werden denn als Schreibzentren, in denen die Studierenden Literatur und Information recherchieren, ihre Studienarbeiten konzipieren und realisieren. Wenn Sie dies nicht am Schreibtisch in ihren privaten Wohnungen oder im Studierendenwohnheim tun, nutzen sie meistens die Zentralbibliothek oder eine der Fakultäts-, Fachbereichs-, Seminar- oder Institutsbibliotheken für das Schreiben. Die Unterstützung und Beratung beim Schreibprozess wiederum wird kaum in der Bibliothek geleistet, sondern gegebenenfalls und im Idealfall von den Fachlehrenden selbst, ansonsten aber von der Schreibberatung und dem Schreibzentrum, sofern die Hochschule so etwas anbietet. Das Schreiben selbst und die Schreibberatung fallen dann zeitlich und räumlich auseinander, vollziehen sich weitgehend getrennt voneinander. Die Frage wäre also, warum Bibliotheken und Schreibzentren ihre jeweiligen Möglichkeiten und Stärken nicht aufeinander abstimmen.4 Die Bibliotheken müssten dazu aus ihrer vielfach noch zu passiven Rolle bezüglich der Schreibunterstützung heraustreten, die Schreibzentren müssten die Bibliotheken deutlich als die eigentlichen Orte des Schreibens erkennen, sich selber also auf die Bibliothek zu bewegen, dort präsent sein und gemeinsam mit Bibliothekarinnen und Bibliothekaren die Schreibprozesse Studierender begleiten und unterstützen. Das kann auf Institutsebene geschehen, also im Zusammenhang mit dem schreibdidaktischen Ansatz
2 Vgl. Dreyfürst, Stephanie u. Nadja Sennewald (Hrsg.): Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen [u. a.]: Verlag Barbara Budrich 2014 (UTB Schlüsselkompetenzen 8604). 3 Vgl. Dreyfürst u. Sennewald (Hrsg.), Schreiben (wie Anm. 2), S. 339–391. 4 Vgl. dazu grundsätzlich: Ruhmann, Gabriela u. Marcus Schröter: Grenzverschiebungen: Wissenschaftliches Schreiben, Schreibwerkstätten und Informationskompetenz. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 227–244.
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Writing in the Disciplines (WID) wie auf übergeordneter Ebene in einem gewissen Zusammenhang mit dem schreibdidaktischen Ansatz Writing across the Curriculum (WAC) in der Zentralbibliothek. Welche grundlegenden Voraussetzungen gäbe es dafür bei der Schreibdidaktik einerseits, bei den Bibliotheken andererseits? Es geht also in diesem Beitrag nicht um konkrete Formen der Kooperation zwischen Bibliotheken und Schreibzentren auf lokaler Ebene – dazu bietet das Praxishandbuch einige Darstellungen –, sondern es geht um das Ausloten von Schnittstellen.
Schreibdidaktik und Schreibprozess Angelpunkt der Schreibdidaktik ist das didaktische Dreieck, das aus den Lernenden, dem Lerngegenstand und den Lehrenden besteht.5 Demnach kreist der erste Aspekt um die individuellen Merkmale der Lernenden (oder der Schreibenden), der zweite beinhaltet die Schreibprodukte und die Schreibprozesse der Lernenden (oder der Schreibenden) und der dritte Aspekt betrifft die individuellen Merkmale und die didaktischen Konzepte der Lehrenden. Nach Feilke unterliegen schreibdidaktische Konzepte einigen Prämissen: Zunächst ist zu klären, was Schreiben überhaupt ist, sodann stellt sich die Frage, warum Schreiben überhaupt erlernt werden soll und welche Fähigkeiten dazu benötigt werden, schließlich muss überlegt werden, wie diese Fähigkeiten gefördert werden können.6 Aktuell sei die kompetenzorientierte Schreibdidaktik verbreitet, die Aufgaben und Prozesse in den Mittelpunkt stelle, jedoch gehe es weniger um SollZustände, die mit pädagogischen Zielkonzepten wie der kompetenzorientierten Schreibdidaktik verbunden seien, sondern um die Deskription des schreibdidaktischen Diskurses.7 Dabei thematisiert Feilke das Lesen und Schreiben: „Im Stoffwechsel einer literalen Gesellschaft wie auch in Schreib- und Leseprozessen selbst sind Lesen und Schreiben eng aufeinander bezogen.“8 Schreibkompetenz entwickele sich also im Sinne zirkulärer Bezüge von Lesen und Schreibenlernen und bedürfe der Schrifttexte mit den ihnen inhärenten Strukturen, die sich modellhaft auf das eigene Schreiben auswirken könnten. In diesem Zusammenhang wären Bibliotheken als Wissensbasis, als Speicher von Texten, Quellen und sonstigen Informationsressourcen – in analoger, digitaler
5 Vgl. dazu u. a. Becker-Mrotzek, Michael (Hrsg.) [u. a.]: Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster: Waxmann 2017. S. 11ff. 6 Vgl. Feilke, Helmuth: Schreibdidaktische Konzepte. In: Becker-Mrotzek (Hrsg.), Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik (wie Anm. 5), S. 153–171, hier S. 153. 7 Vgl. Feilke, Konzepte (wie Anm. 6), hier S. 157. 8 Feilke, Konzepte (wie Anm. 6), hier S. 160.
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und multimedialer Form – sowie als wichtiger Ort der Ausbildung von Schreibkompetenz und des praktischen Schreibens ins Spiel zu bringen. Aber wie wären sie im schreibdidaktischen Diskurs, wie Feilke ihn modelliert, zu verorten? Wie passen sie in das eingangs erwähnte didaktische Dreieck? Vor allem der zweite von Feilke genannte Punkt wäre betroffen: Schreibprodukte und Schreibprozesse. Jedoch soll zunächst grundsätzlich auf das Verständnis des Schreibprozesses eingegangen werden, wie es in vielen Lehrbüchern zum wissenschaftlichen Schreiben vertreten wird: Es kreist nämlich relativ eng um die Mikrostruktur des Schreibens selbst, sieht die Schreibumgebung eher als Randbedingung, wenn überhaupt9, nennen in ihren Modellen des Schreibprozesses zwar die Aufgabenumgebung und betonen die Bedeutung der physischen wie der sozialen Umgebung: „Die Forschung zur sozialen Umgebung ist entscheidend für ein umfassendes Verständnis des Schreibprozesses.“10 Bezüglich der physischen Umgebung betonen sie die Veränderungen des Schreibmediums im Zusammenhang mit computerbasierten Innovationen, die das Schreiben mit Stift und Papier stark beeinflusst hätten. Es geht bei ihnen allerdings eng begrenzt nur um den „Computer“, also das Gerät, noch nicht um eine digital geprägte Informations- und Kommunikationsumgebung, wie sie beispielsweise im Kontext von Bibliotheken existiert. Beim Modell von Flower und Hayes liegt der Akzent fast ausschließlich auf den kognitiven und den affektiven Prozessen innerhalb des Individuums, also den Wirkungen von Kognition, Motivation und Affekt, ferner des Arbeits- und des Langzeitgedächtnissen, wenn die Grundstruktur des neuen Modells von 1996 herangezogen wird. Will die Bibliothek in Rahmen der entsprechenden schreibdidaktischen Arrangements eine größere Rolle spielen, bedürfte es einiger Voraussetzungen: Sie müsste die Förderung des Schreibens in der Hochschule als Zielsetzung in ihr Serviceprofil mit aufnehmen, sie müsste diese Aufgabe in das bestehende Aufgabenspektrum einbeziehen, sodann müsste sie sich mehr als bisher der Einbindung in die Fächer hinein öffnen und sie sollte kooperationsbereit bezüglich der Schreibzentren, sofern sie an den Hochschulen existieren, sein. Da an den kleineren Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sowie an Hochschulen mit fachspezifischer Ausrichtung in der Regel keine zentrale Schreibberatung besteht, wären an diesen Hochschultypen die Bibliotheken eventuell der einzige potentielle Anbieter für die Schreibförderung Studierender. Umso dringlicher wäre dann die schreibdidaktische Qualifizierung und Fortbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Dazu könnte die
9 Vgl. dazu die ins Deutsche übersetzten Originaltexte aus den Jahren 1981 bzw. 1996 von: Flower, Linda u. John R. Hayes: Schreiben als kognitiver Prozess. Eine Theorie. In: Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a.]: Verlag Barbara Budrich 2014 (UTB Schlüsselkompetenzen 8604). S. 35–56; sowie Flower u. Hayes, Kognition und Affekt beim Schreiben. Ein neues Konzept. In: Dreyfürst u. Sennewald (Hrsg.), Schreiben. S. 57–86. 10 Flower u. Hayes, Schreiben als kognitiver Prozess (wie in Anm. 9), hier S. 62.
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gerade aufblühende Bibliotheksdidaktik bzw. Bibliothekspädagogik einen didaktischen Rahmen bilden.
Kernanliegen der Bibliotheksdidaktik und der Teaching Library Die Hochschulbibliothek sieht sich als Lehr-Lernort11, fördert die literalen Kompetenzen, nicht nur bezogen auf den Umgang mit digitalen, sondern auch mit analogen Informationen und Medien. Am umfassendsten bringt dies das Konzept der Metaliteracy von Mackey und Jacobson zur Geltung.12 Dies beschränkt sich nicht mehr auf die rezeptive Seite der Informations- und Medienaneignung, sondern bezieht die produktiv-verarbeitende Seite der Informationspraxis von Studierenden und auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit ein, also auch das Schreiben und das Publizieren. Schreibprodukte werden in den Lern- und Arbeitsbereichen der Bibliothek vorwiegend von Studierenden geschaffen, die Schreibprodukte bilden sozusagen das Ende der Informationskompetenz-Kette, die sich von der Aufgabendefinition, der Entwicklung einer Suchstrategie, der Durchführung einer Suche, sodann dem Auffinden der Information, der Informationsauswahl und des Exports der Ergebnisse (z. B. mithilfe eines Literaturverwaltungsprogramms13) bis hin zur Synthese der gesamten Informationsrecherche, also dem Verfassen eines wissenschaftlichen Textes erstreckt. Das Schreiben bedarf also zwingend der vorausgehenden Schritte, die im Kontext von Bibliotheksressourcen oder von Medien, zu denen die Bibliothek Zugänge eröffnet, vonstatten gehen. Um den Prozess erfolgreich zu durchlaufen, sind auf Seiten der Studierenden grundlegende und vertiefte Kompetenzen beim Umgang mit Informationen und Medien notwendig, deren Förderung Bibliotheken mittlerweile als eine Kernaufgabe14 ansehen. Die Bibliotheksdidaktik hält Lehrstrategien und Methoden bereit, um die unterrichtend-vermittelnden Aktivitäten der Hochschulbibliothek didaktisch zu fundie-
11 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2012 (Monographien zu Bibliothek, Forschung und Praxis 1). 12 Vgl. dazu: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Threshold-Konzepte, das ANCIL-Curriculum und die Metaliteracy – Überlegungen zu Konsequenzen für die Förderung von Informationskompetenz in deutschen Hochschulen. In: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal (2017) H. 1. S. 10–25. DOI: http://dx.doi. org/10.5282/o-bib/2017H1S10-25. 13 Vgl. dazu den Beitrag von Ladina Tschander in diesem Band. 14 Vgl. dazu zum Beispiel: Sühl-Strohmenger, Wilfried u. Jan-Pieter Barbian: Informationskompetenz. Leitbegriff bibliothekarischen Handelns. Wiesbaden: Dinges & Frick 2017 (B.I.T.online – Innovativ 67).
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ren.15 Sie bedient sich primär der Verfahren und Konzeptionen aus der Hochschuldidaktik und der Allgemeinen Didaktik. Favorisiert werden dabei aktivierende Lehrstrategien und Lernmethoden, um die eigene Informationskompetenz der Lernenden im Hinblick auf das selbstständige Suchen, Finden, Auswählen, Bewerten und Verarbeiten von Information konstruktiv (nicht: rezeptiv) entwickeln und stärken zu können. Schreibdidaktische Arrangements wären in diesen Rahmen zu integrieren. Das Gleichgewichtsmodell von Piaget, das auf Assimilations- und Akkomodationsprozessen zur Herstellung eines Gleichgewichts (Äquilibrium) bei Lernprozessen beruht, bildet dabei den didaktischen Bezugsrahmen. Wie Steinhoff, in Übereinstimmung mit Feilke und Ortner, dargelegt hat, kommt es bei Schreibprozessen, wie auch beim Erwerb von Informationskompetenz, zu Störungen des Gleichgewichts. Er nennt beispielhaft neue Schreibanlässe, Schreibaufgaben, Schreibkontexte und kommt zu dem Schluss, dass Schreiberinnen und Schreiber immer wieder die Erfahrung machen würden, „dass ihre Textkompetenzen nicht ausreichen, um neue Schreibprobleme zu lösen.“16 Gerade bei der Aneignung von Schreibkompetenz spielen nach Steinhoff die von Piaget aufgezeigten Prozesse der Imitation und der Transposition eine große Rolle, um das Gleichgewicht stets wieder herzustellen, dabei auch neue Schemata entwickeln: „Das Äquilibre ist erreicht, wenn der Sprachgebrauch des Schreibers mit dem wissenschaftssprachlichen Common sense kompatibel ist.“17 Insofern stehen sich die auf eine verbesserte Informationskompetenz abzielenden Lehrstrategien der Bibliotheksdidaktik sowie die auf eine Entwicklung wissenschaftlicher Textkompetenz ausgerichtete Schreibdidaktik durchaus nahe. Bibliothekarinnen und Bibliothekare bedürfen indes einer gewissen schreibdidaktischen Qualifizierung, um ihren Beitrag zur Ausbildung des wissenschaftlichen Schreibens leisten zu können. Diese gewinnen sie durch berufsbegleitende Studiengänge beispielsweise im Rahmen des CAS-Zertifikats Schreiben in der Hochschule an der ZHAW Winterthur oder im Rahmen des Hochschulzertifikats Schreibberatung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.
15 Vgl. dazu: Hanke, Ulrike u. Wilfried Sühl-Strohmenger: Bibliotheksdidaktik. Grundlagen zur Förderung von Informationskompetenz. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016 (Bibliotheks- und Informationspraxis 58). 16 Steinhoff, Torsten: Wissenschaftliche Textkompetenz. Sprachgebrauch und Schreibentwicklung in wissenschaftlichen Texten von Studenten und Experten. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2007 (Reihe Germanistische Linguistik 280), hier S. 136. 17 Steinhoff, Wissenschaftliche Textkompetenz (wie Anm. 16), hier S. 137.
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Rolle der Bibliothek als Lernort und Teaching Library In den einschlägigen Lehrbüchern und den sonstigen Veröffentlichungen zur Schreibdidaktik wie auch generell in den Lehrbüchern zum wissenschaftlichen Arbeiten18 kommt die in den vergangenen zwei Jahrzehnten dynamisch gewachsene Rolle der Hochschulbibliotheken als Orte des Lernens und Lehrens bislang nur ansatzweise zum Ausdruck. Wie oben schon angedeutet gelten Bibliotheken im Wesentlichen als Wissensspeicher, als Reservoir der dem wissenschaftlichen Schreiben zugrunde liegenden Quellen und Medien, nicht aber als nennenswerte Akteure bei der Unterstützung des Schreibens in der Hochschule selbst. Die Schreibzentren verfügen, wie ebenfalls skizziert, selten über eigene Flächen oder Räume, sie sind teilweise in zentrale Einrichtungen (z. B. Zentrum für Lehre/ Weiterbildung an der Uni Stuttgart oder das Staufer Studienmodell an der PH Schwäbisch Gmünd) integriert, so dass die Bibliotheken mit ihren Räumen als Orte des Schreibens assoziiert werden könnten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schreibzentren und Bibliotheken wird seit geraumer Zeit in den USA propagiert und auch praktiziert.19 In dieser Sichtweise werden vornehmlich die Schreibzentren, sofern solche an der betreffenden Hochschule überhaupt existieren, sowie die Fachbereiche und Institute einbezogen, die das „Writing in the Disciplines“ (WID) tragen, während die Schreibzentren eher das „Writing across the Curriculum“ (WAC) unterstützen können, ferner – vor allem in den USA – das „Writing to Learn“ (WTL) und das „Writing to Engage“ (WTE). Diese schreibdidaktischen Ansätze sollen im Folgenden kurz beschrieben werden. Der WID-Ansatz (Writing in the Disciplines) bedeutet, dass Schreibaufgaben dazu verwendet werden, um die Ziele des Schreibens in den Fachdisziplinen zu unterstützen. Den Studierenden sollen die Schreibkonventionen des Fachs nahegebracht werden, sie sollen üben, mit den spezifischen Genres und Formaten, die für eine Disziplin charakteristisch sind, flexibel umzugehen.20 Der WAC-Ansatz (Writing Across the Curriculum) beinhaltet demgegenüber, dass die Förderung des wissenschaftlichen Schreibens in der Verantwortung der gesamten akademischen Community, über Abteilungs- bzw. Fachgrenzen hinweg, liegt. Die Schreibkompetenz ist daher kontinuierlich im Studienverlauf zu entwickeln, zumal sie das Lernen selbst fördern kann. Dennoch bleibt die Verbindung zu den einzelnen Disziplinen erhal-
18 Vgl. zum Beispiel: Rost, Friedrich: Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. 8., vollst. überarb. u. erg. Aufl. Wiesbaden: Springer VS 2018 (Lehrbuch), Kap. 8: Information sowie Literatur suchen und finden. 19 Siehe dazu u. a.: Elmborg, James K. & Sheril Hook: Centers for Learning: Writing Centers and Libraries in Collaboration. Chicago, IL: Publications in Librarianship 2005. 20 Vgl. dazu die Definition von WID in: WAC Clearinghouse. https://wac.colostate.edu/resources/ wac/intro/wid/ (Stand: 04.11.2018).
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ten, da deren Schreibkonventionen anzuwenden sind, auch um dadurch die Kommunikation innerhalb der Disziplin zu fördern.21 Eng damit verbunden ist das WTL-Konzept (Writing to Learn). Die entsprechenden Aktivitäten sind spontane oder informelle Schreibaufgaben, die den Studierenden dabei helfen sollen, Schlüsselkonzepte oder Ideen, die in einem Kurs zur Sprache kommen, zu durchdenken. Häufig sind diese Schreibaufgaben auf weniger als fünf Minuten Unterrichtszeit beschränkt oder werden als kurze, außerunterrichtliche Aufgaben zugewiesen.22 Schließlich ist das WTE-Konzept (Writing to Engage) erwähnenswert, weil das Schreiben hier als ein Mittel betrachtet wird, die Studierenden in das kritische Denken einzubeziehen.23 Aber auch aus anderen Gründen lohnt sich ein Blick in den angloamerikanischen Hochschulraum, weil dort die Rolle der Bibliotheken im Zusammenhang mit dem Lesen und Schreiben seit geraumer Zeit erheblich aktiver gesehen wird als im deutschsprachigen Raum. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass die Bibliotheken in den USA enger in das Fach und in die Lehre eingebunden sind als in Deutschland und dass die Entwicklung von Information Literacy seit einigen Jahren nicht mehr relativ starrer Standards (der ACRL aus dem Jahr 2000) folgt, sondern sich den Schwellenkonzepten (Threshold Concepts)24 verpflichtet fühlen, die jetzt auch im deutschen Bibliothekswesen verstärkt aufgegriffen werden25.
Impulse aus den USA Lesen und Schreiben sind eng miteinander verbunden26, allerdings scheint der Zusammenhang nicht mehr so deutlich wahrgenommen zu werden, wie Haller mit
21 Vgl. dazu die Definition in: WAC Clearinghouse. https://wac.colostate.edu/resources/wac/intro/ include/ (Stand: 04.11.2018). 22 Vgl. dazu die Definition in: WAC Clearinghouse. https://wac.colostate.edu/resources/wac/intro/ wtl/ (Stand: 04.11.2018). 23 Vgl. dazu näher: Kruse, Otto: Kritisches Denken und Argumentieren. Konstanz: UVK Verlagsges. 2017 (Studieren, aber richtig. UTB 4767); vgl. die Definition des WTE in: WAC Clearinghouse. https://wac.colostate.edu/resources/wac/intro/wte/ (Stand: 04.11.2018). 24 Vgl. Maid, Barry & Barbara J. D’Angelo: Threshold Concepts: Integrating Information Literacy and Writing Instruction. In: Information Literacy: Research and Collaboration across Disciplines. Hrsg. von Barbara J. D’Angelo [u. a.]. Fort Collins, CO: WAC Clearing House and University Press of Colorado 2017. S. 37–50; siehe dazu ferner den Beitrag von Everke Buchanan u. Heeg in diesem Band. 25 Vgl. dazu u. a.: Sühl-Strohmenger, Threshold-Konzepte, das ANCIL-Curriculum und die Metaliteracy (wie Anm. 12). 26 Siehe zum Beispiel: Kruse, Otto: Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. 3., überarb. u. erw. Aufl. Konstanz [u. a.]: UVK Verlagsges. 2018 (UTB 3355).
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Blick auf die US-amerikanischen Universitäten betont27, so dass die beiden Sphären wieder mehr zusammengebracht werden müssten. Die Hochschulbibliothek könne dabei laut Haller eine wichtige Rolle übernehmen, im Hinblick auf eine Kritikfähigkeit und kritisches Bewusstsein ausgerichtete Informationskompetenz.28 Haller entwickelt dies vor dem Hintergrund der digitalen Transformation und ihrer Auswirkungen auf die Hochschulbibliothek, die indes nicht verschwunden sei, sondern sich durch innovative Ausstattungen und räumliche Angebote (zum Beispiel Gruppenräume, Cafés, Konferenzräume, Lernbereiche) gewandelt habe, vor allem aber den Fokus auf die Förderung von Informationskompetenz gelegt habe. Diese umfasst Haller zufolge alle für das wissenschaftliche Studium wichtigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, schließt dabei das Lesen und Schreiben als Schlüsselqualifikationen ein. Die von der ACRL im Jahr 2000 verabschiedeten Information Literacy Competency Standards for Higher Education haben dies impliziert, allerdings ist Informationskompetenz, wie auch Haller hervorhebt, bislang nicht wie erhofft in die Fachcurricula eingeflossen, so dass der enge Zusammenhang zwischen Recherchieren, Lesen und Schreiben nicht ausreichend im Studium sichtbar sei.29 Die kritische Rezeption von wissenschaftlichen Texten müsse die Fachrhetoriken und den jeweiligen Kontext beachten, in dem die Texte und deren Verfasserinnen und Verfasser stehen. Man müsse wissen, dass das Schreiben die entscheidende Instanz sei, um innerhalb der Fachcommunity zu kommunizieren, Studienanfänger beherrschten dies aber noch nicht, müssten es erlernen. Schreiben basiere also zwingend auf der Lektüre der Fachtexte, mit denen man sich kritisch befassen will, also auf der Intertextualität. Informationskompetenz dürfe allerdings nicht auf eine bloße Technik der Recherche oder des Umgangs mit dem Computer reduziert werden, sondern die Recherche sei als eine Form des Lesens anzusehen, als „[…] intentional and systematic investigation, motivated by a question or problem.“30 Recherchieren nach diesem Verständnis und das Schreiben gehören zwingend zusammen, sollen also nicht voneinander isoliert werden. Dazu bedarf es aber der Kooperation zwischen Bibliothekaren, Fachlehrenden und den Studierenden sowie zwischen Bibliothek und Schreibzentrum, wie es auch Haller konstatiert. Sie argumentiert noch von den ACRL-Standards aus dem Jahr 2000 her, ohne dass ihre Überlegungen dadurch hinfällig wären. Jedoch bietet das neue von der ACRL im Januar 2016 verabschiedete „Framework for Information Literacy in Higher Education“ einen offeneren Rahmen für die Integration des Lesens und des Schreibens in
27 Vgl. dazu und zum Folgenden: Haller, Cynthia R.: Reuniting Reading and Writing: The Role of the Library. In: Reconnecting Reading and Writing. Hrsg. von Alice S. Horning & Elizabeth W. Kraemer. Anderson, SC [u. a.]: Parlor Press [u. a.] 2013. S. 192–219. 28 Vgl. Haller, Reuniting Reading and Writing (wie Anm. 27), hier S. 195. 29 Vgl. Haller, Reuniting Reading and Writing (wie Anm. 27), hier S. 198. 30 Haller, Reuniting Reading and Writing (wie Anm. 27), hier S. 202.
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das wissenschaftliche Arbeiten der verschiedenen Disziplinen. Bibliotheken spielen dabei eine zentrale Rolle. Forbes und Keeran (2017) plädieren für die Einrichtung von „Commons“ in den Hochschulbibliotheken, also einer Art Allmende, die von der Hochschulgemeinschaft für verschiedene Zwecke genutzt werden kann: „A commons brings together under the library’s roof a variety of services from across campus, such as tutoring, writing, teaching and learning, data visualization, digital media, and technology service centers.“31 Bewusst wird für eine solche zentrale und kollaborativ angelegte Umgebung neben den Tutorenaktivitäten, dem Lehren und Lernen, Dienstleistungen zur Datenvisualisierung, zur Nutzung digitaler Medien sowie eines technologischen Dienstleistungszentrums auch das Schreiben genannt. Konkret wird vorgeschlagen, dass die Bibliothekarinnen und Bibliothekare dort Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit mit den betreffenden Partnern fänden, beispielsweise um die Literatur- und Informationsrecherche in Schreibkurse zu integrieren. Sie wären also in das Schreibzentrum eingebettet, vor allem, um bei Rechercheproblemen zu helfen. Die Hochschulbibliothek bietet als Lernort die entsprechenden Lernflächen und Lernräume (die ein Schreibzentrum nicht ohne Weiteres hat), sie kann diese auch als Learning oder Writing Commons organisieren, so dass die Bibliothek auch das Kuratieren von Flächen als Infrastruktur betreibt.32 Das stärker auszubildende Selbstverständnis von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren als Liaison Librarians oder als Embedded Librarians könnte als Komponente für die fachnahe Schreibunterstützung einen wesentlichen Beitrag leisten.33 In diesem Zusammenhang wäre die Rolle als Personal Librarians, die sich individuell um Studierende kümmern, sozusagen als Mentoren, ebenfalls ein erfolgversprechendes Konzept, das auf studentische Nachfrage treffen könnte.
Fazit Die Bibliothek fungiert als ergiebiges Wissensreservoir für studentisches Schreiben. Die Bedeutung des Schreibens im Kontext von Informationskompetenz wurde bereits angesprochen, wird in einigen Beiträgen dieses Handbuchs thematisiert. Die Schwellenkonzepte, die aus der Hochschuldidaktik Eingang in die Neukonzeption
31 Forbes, Carrie & Peggy Keeran: Reference, Instruction, and Outreach. In: Academic Librarianship Today. Hrsg. von Todd Gilman. Lanham, MD [u. a.]: Rowman & Littlefield 2017. S. 85–100, hier S. 90. 32 Siehe dazu: Bocklage, Thorsten, Julia Rübenstahl u. Renke Siems: Informationskompetenz als Kuratieren von Wissensräumen. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 427– 438. 33 Vgl. Forbes & Keeran, Reference, Instruction, and Outreach (wie Anm. 23).
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der Standards der Informationskompetenz gefunden haben, wären gut geeignet, das wissenschaftliche Schreiben im Kontext der kreativ und dynamisch zu verstehenden Wissensbildung eines Faches aufzugreifen, im Zusammenhang mit den schreibdidaktischen Konzeptionen des Writing in the Disciplines, Writing to Learn und Writing to Engage, wie sie oben skizziert wurden. Schreibdidaktik und Bibliotheksdidaktik können sich bei der Förderung des studentischen Schreibens sinnvoll ergänzen, wenn die Bibliothek stärker in die Fächer eingebettet wäre, wenn sie mehr Kooperationen mit anderen Partnern in der Hochschule, zum Beispiel den Schreibzentren, eingehen würde und wenn die Bibliothekarinnen und Bibliothekare schreibdidaktisches Know-how erwerben würden.
Dagmar Knorr
Schreibdidaktik und Hochschuleinrichtungen gemeinsam auf dem Weg zu einer akademischen Schreibkultur – Kooperationsmöglichkeiten von Hochschuleinrichtungen zur Förderung studentischen Schreibens Abstract: In diesem Beitrag wird aus schreibdidaktischer Perspektive dargestellt, wie die verschiedenen Akteure einer Hochschule einen Beitrag zur Etablierung einer akademischen Schreibkultur leisten können, die sich durch schreibförderliche Rahmenbedingungen auszeichnet. Drei Aufgabenfelder wissenschaftlichen Arbeitens, die in einen Schreibprozess münden, werden thematisiert: Aufgabenfeld 1 umfasst alle Handlungen, die zum Einarbeiten in ein Themengebiet notwendig sind, Aufgabenfeld 2 beinhaltet solche, die in Zusammenhang mit der Aufbereitung und dem Verstehen gefundener Informationen stehen, und in Aufgabenfeld 3 werden die zuvor erarbeiteten Informationen im Schreibprozess benutzt. Die Förderung des Aufbaus schreibspezifischer Medienkompetenz kann unterstützt werden, indem Schulungs- und Beratungsangebote von Bibliotheken, Medienzentren etc. aufeinander abgestimmt werden. Mit Schreib-Events können Studierende und hochschulische Öffentlichkeit auf Angebote zum Schreiben aufmerksam gemacht werden. So können Studierende während einer „Langen Nacht des Schreibens“ oder einem „Schreibmarathon“ Beratungsangebote kennenlernen, ihr eigenes Schreibhandeln reflektieren und eigene Textprojekte voranbringen. Um schreibdidaktische Ideen auch unter den Lehrenden zu verbreiten, wird das Konzept eines „Schreibcafés“ vorgestellt. Im Schreibcafé können Lehrende und Mitarbeitende aus verschiedenen Einrichtungen über das Schreiben sprechen. Denn um eine akademische Schreibkultur etablieren zu können, ist es notwendig, sich fächerübergreifend über die verschiedenen Anforderungen, Bedarfe und Perspektiven auszutauschen, die die Förderung studentischer Schreibkompetenz beitragen können. Schreibzentren nehmen hier eine Schnittstellenfunktion ein, da sie verschiedene Akteure zusammenbringen, zudem verbreiten sie schreibdidaktische Ansätze und vermitteln Schreibkompetenz, so dass sie einen aktiven Beitrag zur Entwicklung einer akademischen hochschulischen Schreibkultur beitragen. Schlüsselbegriffe: Akademische Schreibkultur, Kooperation, Schreibkompetenz, Schreibzentrum, Bibliothek, Medienzentrum, Schreib-Event Kurzbiografie: Dr. Dagmar Knorr studierte an der Universität Hamburg Germanistik, Philosophie und Geographie und promovierte dort 1997 im Graduiertenkolleg Kohttps://doi.org/10.1515/9783110594140-005
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gnitionswissenschaft über „Informationsmanagement für wissenschaftliche Textproduktionen“. Von 1996 bis 1998 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim im Bereich der technischen Dokumentation tätig. Sie war Lehrbeauftragte der Universitäten Aachen und Hamburg sowie an der Universität Modena Lehrbeauftragte und Professore a Contratto. Von 2011 bis 2016 war sie fachliche Leiterin der Schreibwerkstatt Mehrsprachigkeit an der Universität Hamburg. Seit 2017 leitet sie das Schreibzentrum / Writing Center der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Arbeits- und Forschungsinteressen liegen in der angewandten Linguistik und der Schreibwissenschaft. Hierzu gehören im Besonderen: Das Schreiben unter Bedingungen von Mehrsprachigkeit und vor dem Hintergrund heterogener Bildungsbiografien, die Schreibkompetenzentwicklung im Studium sowie die Evaluation von Schreibzentrumsarbeit. E-Mail: [email protected]; Homepage: https://www.leuphana.de/universitaet/personen/dagmar-knorr.html
Einleitung Die Förderung der studentischen Schreibfähigkeiten ist eine Aufgabe für die gesamte Hochschule: „Die Entwicklung von Schreibkompetenz ist mit dem Schulabschluss nicht beendet. Hochschulen müssen daher eine Weiterentwicklung der Schreibkompetenz Studierender ermöglichen, wobei die sprachliche, soziale und kulturelle Diversität der Studierenden zu berücksichtigen ist. Deshalb sollten Hochschulen entsprechende fachübergreifende sowie fachspezifische Maßnahmen zur Verfügung stellen.“1 Jede Ebene einer Hochschule kann dazu beitragen, schreibförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn der Aufbau des Studiums und der Prüfungsordnungen beeinflussen die Art und Weise, welchen Stellenwert das studentische Schreiben in der Lehre bekommt bzw. bekommen kann. Dennoch gilt nach wie vor, dass in den meisten Fächern zum Abschließen des Studiums eine schriftliche Arbeit eingereicht werden muss.
1 Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung (2018): Positionspapier: Schreibkompetenz im Studium. Verabschiedet am 29.09.2018 in Nürnberg. Göttingen: Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung. http://www.gefsus.de/positionspapier_2018.pdf (Stand: 14.04.2019).
Schreibdidaktik und Hochschuleinrichtungen gemeinsam auf dem Weg
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Wissenschaftliches Schreiben und Arbeiten und der Aufbau von schreibspezifischer Medienkompetenz Wissenschaftliches Schreiben ist ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens, da das Schreiben nicht nur auf die Produktion von Texten abzielt, sondern auch zur Gewinnung und Strukturierung von Erkenntnissen und Wissen genutzt werden kann – und sollte. Ich vertrete die Ansicht, dass wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben viele handwerkliche Aspekte enthält, die erlernt werden können. Hierzu gehören fachübergreifende Strategien wie die Literaturrecherche und die Informationsverwaltung ebenso wie der Aufbau fachspezifischen Wissens, bspw. über im Fach eingesetzte Methoden und über die Diskursformen. Aus schreibdidaktischer Perspektive können die Hauptbestandteile wissenschaftlichen Arbeitens in drei Aufgabenfelder gegliedert werden: Aufgabenfeld 1: Einarbeitung in ein Themengebiet – hierfür ist es notwendig, entsprechende Fachliteratur aufzufinden. Benötigt wird also Recherche- und Informationskompetenz. Aufgabenfeld 2: Aufbereitung und Verstehen der gefundenen Informationen auf eine Fragestellung oder ein Thema hin – dies ist kognitiv und technisch anspruchsvoll, da hier Lernprozesse und Informationsmanagement Hand in Hand gehen müssen. Aufgabenfeld 3: Verfassen eines wissenschaftlichen Textes unter Verwendung der aufgearbeiteten Informationen – Intertextualität zeichnet wissenschaftliche Texte aus und ist zudem ein Qualitätsmerkmal. Um den Anforderungen des Aufgabenfeldes 3 zu genügen, sind Fähigkeiten aus den Aufgabenfeldern 1 und 2 Voraussetzung. Um einen guten wissenschaftlichen Text verfassen zu können, ist eine fachgerechten Bearbeitung von Inhalten notwendig. Eine wissenschaftliche Leistung wird nämlich u. a. daran beurteilt, wie gut es dem Schreibenden gelingt, Forschungsdiskurs und eigene Argumentation zusammenzubringen. Hierzu müssen Positionen aus Fachtexten wiedergegeben und eingebettet werden. Dies ist für viele Studierende eine Herausforderung, da sie gleichzeitig fachliche Konventionen berücksichtigen, den Umgang mit der eigenen Rolle als Autor erlernen und nicht zuletzt sprachliche und technische Anforderungen bewältigen müssen. Dieses kann aus schreibdidaktischer Perspektive umso besser gelingen, je besser die ersten beiden Teilprozesse beherrscht werden. Die schreibdidaktische Perspektive zeichnet sich durch eine prozessorientierte Betrachtung des Schreibens aus. Hinzu kommt eine Einbettung in domänenspezifische Handlungsstrukturen und Organisationsbereiche.2 Studentisches wissenschaft-
2 Vgl. Knorr, Dagmar: Wissenschaftliches Schreiben und Arbeiten im Spannungsfeld fachlicher und medialer Kompetenz. In: Formulierungsmuster in deutscher und italienischer Fachkommunikation. Intra- und interlinguale Perspektiven. Hrsg. von Dorothee Heller. Frankfurt a. M. [u. a.]: Lang 2008. S. 83.
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liches Schreiben findet nämlich in einem Lehr-Lernkontext statt und weist „Textformen“3 auf, die es nur innerhalb des hochschulischen Kontextes gibt. Hierzu gehören Haus- und Abschlussarbeiten ebenso wie Unterrichtsreflexionen. Referate und Präsentationen gibt es zwar auch in anderen Kontexten, sind jedoch ebenfalls als „Lernformen“4 zu betrachten. Obgleich die heutigen Studierenden in einer digitalisierten Welt aufgewachsen sind, ist festzustellen, dass auch sie eine Ausbildung in der Nutzung digitaler Werkzeuge für Textproduktion benötigen. Dies betrifft zum einen das Informationsmanagement, zum anderen den Schreibprozess selbst. In Arbeitsfeld 1 werden Recherchekompetenzen benötigt. Wie sinnvoll und effizient recherchiert werden kann, ist ein Aufgabenbereich, der traditionell von Bibliotheken unterstützt wird und auch weiterhin von ihnen durchgeführt werden sollte. Für die Aufgabenfelder 2 und 3 bieten sich Kooperationen mit Schreib- und Medienzentren an. Denn um ein Informationsmanagement im Schreibprozess (Arbeitsfeld 3) effektiv nutzen zu können, bedarf es medialer Kenntnisse, welche Informationen am sinnvollsten in einem Publishing-, einem Datenbank- oder Tabellenkalkulationsprogramm gespeichert werden sollte. Darüber hinaus fehlt es Studierenden häufig an Kenntnis darüber, wie die verschiedenen Programmtypen miteinander interagieren können bzw. welche Funktionen in einem Programm den Fertigstellungsprozess5 erleichtern können. So gibt es immer wieder Studierende, die zwar eine gut gepflegte Literaturverwaltung haben, aber die Quellenverweise per Hand in den Text tippen. Oder sie erstellen das Inhaltsverzeichnis händisch, weil sie die Option zum Erstellen von Verzeichnissen nicht kennen und keine Absatzformatierungen verwendet haben. Gerade bei umfangreichen Texten führt dies vielfach zu Problemen. Die Ausbildung schreibspezifischer Medienkompetenz können Schreibzentren häufig nicht leisten. Daher könnte eine Kooperation mit Bibliotheken und Medienzentren zur Lösung dieser Herausforderung beitragen, da diese sowieso häufig Workshops zur Softwareverwendung anbieten. Aus schreibdidaktischer Perspektive wäre es hilfreich, wenn die Workshops nicht nur den Fokus auf die technische Bedienung legten, sondern auch einen Anwendungsbezug herstellten. Denn eine Verknüpfung von medialem und inhaltlichem Lernen führt dazu, dass Medien als
3 Vgl. Pohl, Thorsten u. Torsten Steinhoff: Textformen als Lernformen. In: Textformen als Lernformen. Hrsg. von Thorsten Pohl u. Torsten Steinhoff. Köln: Gilles & Francke 2010 (Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik / Reihe A 7). S. 5–26. 4 Vgl. Pohl, Steinhoff, Textformen als Lernformen (wie Anm. 3). 5 Der Prozess der Fertigstellung wird von Studierenden häufig unterschätzt. Unzureichende schreibspezifische Medienkompetenz tritt in der Fertigstellungsphase besonders deutlich zum Vorschein: vgl. Knorr, Dagmar: Modell „Phasen und Handlungen akademischer Textproduktion“. Eine Visualisierung zur Beschreibung von Textproduktionsprojekten. In: Schreibberatung und Schreibtraining. Impulse aus Theorie, Empirie und Praxis. Hrsg. von Sandra Ballweg. Frankfurt a. M. [u. a.]: Lang 2016 (Wissen – Kompetenz – Text 11). S. 266.
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Werkzeuge wahrgenommen werden. Auf diese Weise können pragmatisch orientierte mediendidaktische Ansätze6 mit schreibdidaktischen Erkenntnissen, die für eine Aufgabenorientierung plädiert7, verbunden werden. Die Kombination bietet Vorteile, da sie auf das Arbeitsfeld 3, also den Einsatz von Medien beim Schreiben zielt.
Vom Verwalten von Literatur zur Einbindung von Literatur beim Schreiben – Praktisches Umsetzungsbeispiel der Kooperation von Bibliothek und Schreibzentrum Hochschulen bieten ihren Studierenden häufig die kostenfreie Nutzung eines Literaturverwaltungsprogramms, weisen auf frei verfügbare Varianten hin und bieten auch Workshops bspw. zur Nutzung von Citavi, Zotero, Mendeley etc. an. In einem ersten Teil wird das Programm selbst, mit seinen verschiedenen Möglichkeiten der Einspeicherung von Informationen erläutert und deren Nutzung geübt (Aufgabenfeld 2). In einem zweiten Teil geht es dann um die Nutzung der gespeicherten Informationen im Schreibprozess selbst (Aufgabenfeld 3). Hierbei sollten neben technischen Fragen (Wie kann eine bibliographische Angabe aus der Literaturverwaltung in einen Text eingesetzt werden?) auch inhaltliche thematisiert werden: Welchen Nutzen haben Exzerpte? Warum „veralten“ Informationen? Und wann und weshalb ist es trotzdem sinnvoll, Rezeptionsergebnisse (bspw. Exzerpte, Notizen) einzuspeisen? Wann ist es sinnvoll, auf den Fachtext selbst zur Reaktualisierung des Wissens8 zurückzugreifen? Und wie kann sichergestellt werden, dass der Fachtext auch wiedergefunden wird? Gerade letzte Frage stellt Studierende vor Herausforderungen. Stellten im vordigitalen Zeitalter der Umgang mit kopierten Texten Studierende vor logistische Herausforderungen, klagen Studierende heutzutage darüber, dass sie auf ihren Computern nichts mehr wiederfinden. Tipps zur Dateibenennung und Strukturierung dienen nicht nur der besseren Zugänglichkeit von Informationen, sie unter-
6 Vgl. Süss, Daniel [u. a.]: Mediendidaktik. Lehren und Lernen mit Medien. In: Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. Hrsg. von Daniel Süss [u. a.]. Wiesbaden: VS Verlag 2010. S. 149– 172. 7 Vgl. Bräuer, Gerd u. Kirsten Schindler: Authentische Schreibaufgaben – ein Konzept. In: Schreibarrangements für Schule, Hochschule, Beruf. Hrsg. von Gerd Bräuer u. Kirsten Schindler. Freiburg im Breisgau: Fillibach 2011. S. 12–63. 8 Vgl. Jakobs, Eva-Maria: Lesen und Textproduzieren. Source reading als typisches Merkmal wissenschaftlicher Textproduktion. In: Schreiben in den Wissenschaften. Hrsg. von Eva-Maria Jakobs u. Dagmar Knorr. Frankfurt a. M. [u. a.]: Lang 1997. S. 84.
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stützen Studierende auch dabei zu lernen, wie sie die Informationsflut bewältigen. Ziel ist es, die Studierenden dabei zu unterstützen, für sich ein individuell, funktionierendes Informations- und Wissensmanagementsystem aufzubauen. Gleichzeitig muss ihnen deutlich gemacht werden, dass ein solches System sie nicht vom Verstehen entlastet, sondern sie nur beim Aufbau einer Wissensstruktur unterstützen kann, die sie zur Bewältigung eines Schreibprojektes benötigen. Der bewusste Umgang mit Informationen ist ein Baustein des „kritischen Denkens“9 – wie bereits in der Einführung dieses Bandes ausgeführt wird. An der Leuphana Universität Lüneburg kooperiert das Schreibzentrum / Writing Center mit der Bibliothek wie folgt: Fragen zur Funktionalität und Bedienung der verschiedenen Literaturverwaltungsprogramme sowie ihren Einsatz in den Arbeitsfeldern 1 und 2 werden von Mitarbeitenden der Bibliothek in Form von Workshops und Sprechstunden übernommen. Fragen, wie die Programme als Wissensmanagementsysteme im eigenen Arbeits- und Schreibprozess eingesetzt werden können (Arbeitsfelder 2 und 3), werden dann in Workshops zum „Informationsmanagement als Baustein für gelingendes wissenschaftliche Schreiben“ und individuellen Beratungen im Schreibzentrum / Writing Center behandelt. Nach bisherigen Erfahrungen bedarf es einer individuellen Anpassung der zur Verfügung stehenden Technik an die eigene Arbeitsweise. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist für das eigene Arbeiten und Schreiben sinnvoll. Die Erfahrungen aus Sprechstunden und Workshops haben dazu geführt, dass es inzwischen gemeinsame Informationsveranstaltungen und Workshops von Bibliothek und Schreibzentrum / Writing Center für Studierende und Promovierende gibt, auf denen Wissensmanagementsysteme und Literaturverwaltungen im Vergleich vorgestellt und Möglichkeiten, aber auch die mit jedem System verbundenen Einschränkungen ihrer Nutzung beim wissenschaftlichen Schreiben diskutiert werden. Ziel ist es, das Bewusstsein von Studierenden und Promovierenden für die Herausforderungen des Arbeitens zu sensibilisieren und ihnen eine Idee davon zu vermitteln, was sie selbst an gedanklicher Arbeit leisten müssen, und an welchen Stellen ein externes Speichermedium unterstützend wirken kann. Um über inhaltliche Fragen zu diskutieren und sich gegenseitig auch auf den technisch neuesten Stand zu bringen, findet einmal im Semester ein Treffen zwischen Mitarbeiter*innen der Bibliothek und des Schreibzentrums / Writing Centerstatt.
9 Vgl. Kruse, Otto: Kritisches Denken und Argumentieren. Eine Einführung für Studierende. Konstanz [u. a.]: UVK/Lucius 2017 (UTB 4767).
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Veranstaltung von Schreib-Events Um eine attraktive, akademische Schreibkultur10 aufzubauen, ist es notwendig, das Schreiben zu thematisieren. Es bedarf einer guten Marketing-Strategie, um das Schreiben als Gegenstand in das Bewusstsein von Studierenden, aber auch von Präsidium und breiterer Öffentlichkeit zu bringen. Je größer ein Schreib-Event aufgezogen werden kann, d. h. je mehr Einrichtungen einer Hochschule beteiligt werden können, desto besser und größer ist die Wirkung nach innen und außen. Die Wirkung nach außen ist dabei nicht zu unterschätzen: Wird in der Presse über ein Schreib-Event berichtet, wirft dies ein positives Licht auf die Hochschule – was Präsidien schätzen. Und nebenbei strahlt dieses Licht auf die veranstaltenden Einrichtungen. Eine positive Grundstimmung des Präsidiums solchen Veranstaltungen gegenüber kann dann wiederum zum Aufbau einer akademischen Schreibkultur genutzt werden. Je mehr Studierende das Schreib-Event besuchen, desto besser, da auf diese Weise auch hochschulintern das Schreiben Gegenstand wird – und dies letztlich als ein Argument für eine finanzielle Unterstützung genutzt werden kann. Selbstverständlich bedarf es eines guten inhaltlichen Konzepts, um ein SchreibEvent erfolgreich zu machen. Ein Beispiel für eine gelingende Inszenierung des Schreibens an Hochschulen ist die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“, die in diesem Band mit einem eigenen Beitrag dargestellt wird.11. Aber auch andere Formen von SchreibEvents, wie bspw. ein Schreibmarathon12, eine Schreibwoche13, ein Schreibmonat14, ein Schreibaschram15 werden an verschiedenen Institutionen erfolgreich durchgeführt. Allen Schreib-Events ist gemeinsam, dass Personen zusammenkommen, um zu schreiben. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl und damit wird der „Einsamkeit
10 Vgl. Hägi, Sara u. Magdalena Knappik: Wissenschaftlich schreiben lehren. Wege zu einer prozessorientierten Schreibkultur. In: ÖDaF-Mitteilungen (2012) H. 3. S. 37–45. 11 Vgl. den Beitrag von Girgensohn u. Voigt in diesem Band. 12 Für Berichte über durchgeführte Schreibmarathons vgl. bspw.: Universität Hamburg: Modellversuch Universitätskolleg 2 / Schreibwerkstatt Mehrsprachigkeit / Schreibmarathons. https://www. universitaetskolleg.uni-hamburg.de/projekte/tp05/tp05-berichte/tp05-schreibmarathons.html (Stand: 15.06.2018) oder: Europa-Universität Viadrina, Schreibzentrum: Schreibmarathon 2017. https://schreibzentrum.wordpress.com/2017/11/14/schreibmarathon-2017/ (Stand: 15.06.2018). 13 Vgl. bspw.: Rensinghoff, Markus: Eine Woche voller Schreibtage an der Ruhr-Universität. In: WAZ vom 24.02.2015. https://www.waz.de/staedte/bochum/eine-woche-voller-schreibtage-an-derruhr-universitaet-id10387646.html (Stand: 15.06.2018). 14 Vgl. bspw.: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Schreibzentrum: Schreibmonat. http://www.starkerstart.uni-frankfurt.de/45527774/schreibmonat (Stand: 15.06.2018). 15 Vgl. bspw.: Scherübl/Günther GbR: Schreibaschram. Eine Klostersimulation für Schreibende. http://schreibaschram.de/de/ (Stand: 15.06.2018).
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des Schreibers“16 entgegengewirkt. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, die dem Schreibprozess inhärent ist, gelingt besser, wenn sich Schreibende nicht alleine fühlen. Schreib-Events bieten einen Rahmen und eine zeitliche Strukturierung. Beides unterstützt Schreibende, sich den kognitiven Anstrengungen des Schreibens zu stellen und das Schreibprojekt zu bewältigen. Zur Rahmung von Schreib-Events gehört ein Beratungsangebot. Auftretende Fragen, die den Schreibfluss stocken lassen, sollen möglichst schnell und ohne großen Aufwand aus dem Weg geräumt werden. Durch die besondere Atmosphäre sinkt die Hemmschwelle auf Seiten der Studierenden, Beratungsangebote überhaupt zu nutzen. Gerade Schreibberatung ist ein Konzept, das erst verbreitet werden muss. Dies erfordert Schreibberater*innen, die Studierende in allen Phasen des Schreibprozesses unterstützen können. Ausgebildete studentische Schreibberater*innen sind in der Regel fachübergreifend geschult, so dass es ihnen möglich ist, die gesamte Breite auftretender, prozessorientierter Fragen zu bearbeiten (Arbeitsfeld 3). Das Beratungsangebot kann jedoch auch erweitert werden. Wie in dem Abschnitt zuvor ausgeführt, ist die schreibprojektspezifische Medienkompetenz bei vielen Studierenden nicht ausreichend ausgeprägt. Ein Schreib-Event kann und sollte daher um ein Beratungsangebot für Literaturverwaltungs- und PublishingProgramme erweitert werden (Arbeitsfelder 1–3). Hier sind besonders Bibliotheken gefragt: Sie können mit ihren Kompetenzen im Informations- und Recherche-Bereich die Grundlagen für gelingende Schreibprozesse legen. Zusammenfassend hat die Veranstaltung eines Schreib-Events folgende Vorteile: Es erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl, es führt an Beratungsangebote heran, baut Hemmschwellen ab und ist ein ideales Marketing-Instrument.
Umsetzungsbeispiel: Schreibmarathon Damit ein Event gelingt, bedarf es eines geeigneten Termins und einer guten inhaltlichen Inszenierung. Der Termin sollte so gelegt werden, dass er an die hochschulischen Abgabetermine für Hausarbeiten angepasst ist. An der Leuphana Universität Lüneburg ist dies im Sommersemester der 15. September. Der Schreibmarathon findet in der ersten September-Woche statt, so dass nach dem Event noch etwas Zeit bis zum Abgabetermin bleibt. Während des Schreibmarathons soll intensiv geschrieben werden. Damit der Schreibmarathon ein echter Marathon wird, wird die Zeit zum Schreiben mit 42,19 Stunden angesetzt. Da niemand 42,19 Stunden am
16 Vgl. Keseling, Gisbert: Die Einsamkeit des Schreibers: Wie Schreibblockaden entstehen und erfolgreich bearbeitet werden können. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften 2004.
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Stück schreiben kann und sollte, wird diese Zeit auf fünf Tage verteilt. An der Universität Hamburg hat die Verfasserin dieses Konzept mit ihren Schreib-Peer-Tutor*innen mehrfach erprobt und an der Leuphana Universität Lüneburg ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Geschrieben wird täglich von 10:00–18:26 Uhr. Die krumme Uhrzeit dient in der Werbung als Blickfang. Die Tage beginnen mit einem gemeinsamen Warmschreiben. Dies stärkt das Gruppengefühl und stimmt in den Tag ein. Schreibberater*innen sind den ganzen Tag über ansprechbar, so dass Fragen ohne zeitliche Verzögerung geklärt werden können und der Schreibfluss erhalten bleibt. Wünschenswert wäre hier die Unterstützung durch Mitarbeiter*innen der Bibliothek als Ansprechpartner für Fragen rund um Literaturrecherche und -verwaltung. Das leibliche Wohl trägt zu einer guten Arbeitsatmosphäre bei – ein kleines, über Spenden finanziertes Buffet im Beratungsraum genügt hierzu. Zudem hat sich ein bereitgestelltes Journal17 bewährt, in dem die Teilnehmenden ihre Ziele, aber auch das, was sie erreicht haben, festhalten können. Die Reflexion über das eigene Schreibhandeln wird dadurch gefördert und trägt zur Entwicklung der eigenen Schreibkompetenz bei.18 Am Ende des letzten Tages kann eine Teilnahme-Urkunde überreicht werden. Obwohl einige der Punkte scheinbare Kleinigkeiten sind, tragen sie zum Erfolg der Gesamtaktion bei. Um einen Ausgleich für die sitzende Tätigkeit zu schaffen, hat sich die Kooperation mit dem Hochschulsport bewährt. Zur guten Atmosphäre, die die Basis für das Gelingen bildet, sollten in den Räumen ausreichende Stromversorgungen vorhanden sein. Die Teilnehmenden sollten ruhig und in eigenem Tempo arbeiten können. Schilder mit „psst – hier wird geschrieben“ verhindern ein versehentliches Öffnen der Türen. Positiv wurde das Angebot aufgenommen, in einem Raum zeitlich rhythmisiert schreiben zu können. Benötigt wird hierfür ein/e Zeitwächter*in, die den Takt vorgibt und dafür sorgt, dass die Pausenzeiten nicht ausufern. Im Schreibmarathon erfahren Studierende, dass Durchhaltevermögen zum Erfolg führt und dass Schreiben nicht jeden Tag gleich ist. Die Gespräche, die sich unter den Teilnehmenden und den Schreibberater*innen entwickeln, tragen zu einem tieferen Verständnis des Schreibprozesses und des eigenen Schreibhandelns bei.
17 Das Schreibjournal des Schreibzentrums / Writing Center ist verfügbar unter: https://www.leuphana.de/fileadmin/user_upload/sonstige_einrichtungen/Schreibzentrum/Schreibjournal.pdf (Stand: 14.04.2019). 18 Vgl. Heine, Carmen u. Dagmar Knorr: Selbstreflexion akademischen Schreibhandelns anstoßen. Nicht-direktive Gesprächsführung als Haltung des Betreuenden. In: Schreiben im Übergang von Bildungsinstitutionen. Hrsg. von Dagmar Knorr [u. a.]. Frankfurt a. M. [u. a.]: Peter Lang 2017 (Textproduktion und Medium 15). S. 109–131.
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Miteinander ins Gespräch kommen – das Schreibcafé Die Entwicklung von Schreibkompetenz von Studierenden ist – wie oben erwähnt – eine gesamthochschulische Aufgabe. Das Schreiben zum Gegenstand von Gesprächen zu machen, ist hierfür – jenseits von Gremienarbeit – eine Möglichkeit. Das Schreibcafé bietet die Möglichkeit, Erfahrungen und Positionen mit und über das Schreiben und fachspezifische Anforderungen auszutauschen. Angeregt durch die positiven Erfahrungen des Bielefelder Lehrcafés19 wurde an der Leuphana ein Schreibcafé initiiert. Einmal im Monat wird es im Semester für eine Stunde geöffnet und steht allen Mitarbeitenden der Hochschule offen. Zu jedem Termin gibt es ein Thema, über das in lockerer Atmosphäre gesprochen wird, wobei sich die Themenwahl nach den Wünschen der Teilnehmenden richtet. In diesem Zusammenhang lassen sich unterschiedliche hochschulrelevante Themen diskutieren: Von Fragen der Bewertung von studentischen Texten, hin zu der Frage, wie viel Rechtschreibkompetenz Studierende heutzutage haben müssen. Diskutiert wurden Methoden, wie das Schreiben in Lehrveranstaltungen integriert werden kann. Das Schreibcafé lebt von der Bereitschaft der Teilnehmer*innen, sich auf Diskussionen einzulassen und andere an ihren eigenen Erfahrungen partizipieren zu lassen. Je nach Thema könnte es für Mitarbeitende der Bibliothek interessant sein, an Schreibcafés teilzunehmen, um einen Eindruck zu gewinnen, welche Schreib-Themen in der Lehre gerade virulent sind. Auf diese Weise sollen verschiedene Akteure miteinander ins Gespräch gebracht werden, um die Vernetzung voranzubringen. So könnte ein Gespräch über die Rolle der Informationskompetenz beim Schreiben durch Mitarbeitende der Bibliothek befruchtet werden, Anforderungen des fremdsprachlichen Schreibens durch solche des Sprachenzentrums und Übungen zum Schreiben, die in die Lehre integriert werden können, mit Hochschuldidaktiker*innen des Lehrservice diskutiert werden. Zukünftig ist geplant, zu dem Schreibcafé ab und zu „special guests“ einladen, die ihre Sicht auf ein Thema mit einbringen.
19 Vgl. Böhner, Marina [u. a.]: „Richtig einsteigen.“ Mit literalen Kompetenzen an der Universität Bielefeld. In: Akademisches Schreiben (Halbband 1). Vom Qualitätspakt Lehre I geförderte Schreibprojekte. Hrsg. von Dagmar Knorr. Hamburg: Universität Hamburg 2016 (Universitätskolleg-Schriften 13). S. 39–40.
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Eine akademische Schreibkultur etablieren Eine akademische Schreibkultur zu etablieren, bedarf Anstrengungen von allen Akteuren in einer Hochschule. Ein wichtiger Baustein ist dabei, unterschiedliche Akteure zu mobilisieren und als Schreibzentrum die notwendige Schnittstellenarbeit zu leisten, um verschiedene Ansichten und Bedürfnisse auszutauschen und auf diese Weise Bedarfe, aber auch vorhandene Ressourcen aufzuzeigen. Schreibzentren können hier eine gestaltende Funktion einnehmen. Durch die Ausbildung und die Beschäftigung von Schreib-Peer-Tutor*innen und Writing Fellows werden schreibdidaktische Grundlagen an Studierende weitergegeben. Mitarbeitende von Bibliotheken tragen mit ihrer Expertise dazu bei, die Informationskompetenz der Studierenden weiterzuentwickeln, die einen wichtigen Baustein im wissenschaftlichen Arbeitsprozess darstellt. Gut abgestimmte Angebote und eine Vielzahl von verschiedenen Events, Aktivitäten und Maßnahmen können schließlich dazu führen, dass eine schreibförderliche Umgebung entsteht.
Thomas Hapke
Wissenschaft und Offenheit – Reflexion über Wissenschaft als Teil der Lehre zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben Abstract: Die Förderung wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens gehört im Rahmen von Informationskompetenz-Aktivitäten von Hochschulbibliotheken verstärkt zu deren Service-Portfolio. Die Tendenz zu Offenheit, zu Themen wie Open Access und Open Science, als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften betont besonders Fragen von Wissenschaftlichkeit und die Qualität von Wissenschaft. Eine Auseinandersetzung damit kann die Lehre und das Lernen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens befruchten. So wie zu einem ganzheitlichen Begriff von Informationskompetenz eine Reflexion über die Produktion von Information und ihren Medien gehört, so umfasst eine kritische Sicht auf wissenschaftliches Arbeiten als Teil von Bildung ein grundlegendes Verständnis des Funktionierens von Wissenschaft, ein Verständnis darüber, wie die unterschiedlichen Wissenschaften zu ihren Erkenntnissen und Ergebnissen kommen. Eine kritische Wissenschaftlichkeit-Kompetenz hat auch große Bedeutung für die aktuelle politische Diskussion um Fake News und für eine immer notwendiger werdende ökologische Kompetenz. Sie erleichtert in unserer vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt und von der Digitalisierung geprägten Gesellschaft wissenschaftlich begründete Entscheidungen im Alltag, etwa zum Umgang mit Lebensmitteln oder in der Gesundheits-Vorsorge, und in der Politik, etwa bezüglich der Umweltproblematik und des Nachhaltigkeits-Imperativs. Schlüsselbegriffe: Informationskompetenz, wissenschaftliches Arbeiten, Open Science, Wissenschaftlichkeits-Kompetenz, Epistemologie Kurzbiografie: Thomas Hapke, Fachreferent für Verfahrenstechnik sowie stellvertretender Leiter an der Universitätsbibliothek der TU Hamburg. Interessengebiete: Informationskompetenz, Digitale Bibliothek, Geschichte wissenschaftlicher Information und Kommunikation. Weblog: https://blog.hapke.de Twitter: @thapke; Universitätsbibliothek der TU Hamburg, Denickestr. 22, 21073 Hamburg; https://www.tub. tuhh.de/thomas-hapke/, [email protected], ORCID: 0000-0002-5135-2693
https://doi.org/10.1515/9783110594140-006
Wissenschaft und Offenheit
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Bibliotheken, Informationskompetenz und wissenschaftliches Arbeiten information literacy [and the practice of academic writing] is the practice of social epistemology1
Wissenschaftliches Arbeiten und forschendes Lernen beginnen für Forschende und Lernende auch in der Bibliothek. Dienstleistungen zur Unterstützung von Forschung und Lehre sind eine Kernaufgabe wissenschaftlicher Bibliotheken, deren Aufgaben sich durch die wachsende Digitalisierung, die laufenden und noch weiter zunehmenden Veränderungen bei der Hochschulbildung und beim wissenschaftlichen Publizieren weiter verändern werden. Bibliotheken arbeiten verstärkt in Bereichen, die das gesamte Wissensmanagement der Universitäten betreffen. Aktivitäten im Bereich Informationskompetenz und wissenschaftliches Arbeiten, zum Aufbau eines Forschungsinformationssystems, die aktive Sichtbarmachung von Forschungsergebnissen in Open Access-Repositories sowie Beratung zum Publizieren, zu Open Access, zu Forschungsdaten und zum Urheberrecht, aber auch Services im Rahmen von Projekten zur Öffnung der Lehre und zur Förderung von offener Wissenschaft („open science“), zeigen, dass forschungs- sowie lern- und lehrorientierte bibliothekarische Dienstleistungen immer mehr zusammenwachsen. Grundlegende angestrebte Tugenden oder Qualitäten, die das Handeln von Bibliotheken bestimmen, ähneln Werten, die für pädagogische Aktivitäten und auch für Forschungs- und Schreibprozesse genannt werden: „critical thinking, collaboration, production, and openness“.2 Lernangebote und Tutorials zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben, angeboten auch von wissenschaftlichen Bibliotheken, bieten im Optimum nicht nur Tipps und Rezepte sondern regen zum Nachdenken an, über das, was man selbst tut, die Auswirkungen der eigenen Tätigkeit im Kontext wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens, die Reflexion über das, was Wissenschaft kennzeichnet und wie wissenschaftliches Wissen entsteht.3 Das wirkliche Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens erfolgt in der Regel aber erst beim praktischen Handeln,
1 Peter Tagtmeyer als Antwort auf eine Umfrage von Trudi E. Jacobson am 9. August 2016 in der Mailingliste ILI-L, vgl. ihre Zusammenstellung unter Finch, Janette [u. a.]: Information Literacy Resources Suggested for Philosophy (from ILI-L). https://docs.google.com/document/d/1fDgzL5Efca4nomnBhdup3WFtz19YY2ICQaA1ppWL4i0/edit (Stand: 10.08.2018). 2 McCarthy, Seán & Andrew Witmer: Notes toward a Values-Driven Framework for Digital Humanities Pedagogy. In: Hybrid Pedagogy: a Digital Journal of Learning, Teaching and Technology (2016) March 29, 2016. http://hybridpedagogy.org/values-driven-framework-digital-humanities-pedagogy/ (Stand: 15.03.2019). 3 Mit diesen Zielen beteiligt sich die Universitätsbibliothek der TUHH im Jahre 2018 mit dem Projekt „Wissenschaftliches Arbeiten öffnen“ an der Hamburg Open Online University (HOOU). https:// www.tub.tuhh.de/wissenschaftliches-arbeiten/hoou-projekt-2018/ (Stand: 27.10.2018), dies als Nachfolge zu einem Early-Bird-Projekt, vgl. Hapke, Thomas: Wie funktioniert eigentlich Forschung?
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etwa durch Publikationen von Studierenden als Lernprodukt via Open Access und/ oder als Open Educational Resources (OER).4 Informationskompetenz wird zunehmend als Teil einer Kompetenz verstanden, die den gesamten Prozess wissenschaftlicher Kommunikation und des wissenschaftlichen Publizierens umfasst. Deutlich wird dies im amerikanischen „Framework for Information Literacy for Higher Education“5, in dem Wissenschaft als Konversation und Forschung als Prozess verstanden werden sowie Themen wie Autorität, Bewertung und Qualität von Wissenschaft eine Rolle spielen. So wie zu einem ganzheitlichen Begriff von Informationskompetenz eine Reflexion über die Produktion von Information und ihren Medien gehört, so ist für eine explizite Thematisierung wissenschaftlichen Arbeitens als Teil von Bildung ein Nachdenken über den Prozess bzw. die Produktion von Wissenschaft notwendig. Die Auseinandersetzung mit beiden im Rahmen der Lehre umfasst im Kern erkenntnistheoretische (epistemologische) Fragestellungen.6 Der bisher selten thematisierte Zusammenhang von Informationskompetenz mit „scientific literacy“ wird am Ende dieses Essays angesprochen.7 Die Argumentation erfolgt in vier Schritten: Zunächst wird hervorgehoben, dass die Tendenz zu Offenheit, zu Themen wie Open Access und Open Science, als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften besonders Fragen von Wissenschaftlichkeit und die Qualität von Wissenschaft betont. Eine Auseinandersetzung damit kann die Lehre und das Lernen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens befruchten. Nach einem Blick auf das Schreiben als Erkenntnisprozess wird für eine Meta-Sicht auf Wissenschaft hin zu einer kritischen Wissenschaftlichkeits-Kompetenz plädiert, die große Bedeutung für die aktuelle politische Diskussion um Fake News und für eine immer notwendiger werdende ökologische Kompetenz haben kann.
In: HOOU Content Projekte der Vorprojektphase 2015/16 der Hamburg Open Online University. Hrsg. von Kerstin Mayrberger. Hamburg: Universität Hamburg 2017. S. 90–93. 4 Alexander, Laurie [u. a.]: Publishing as Pedagogy: Connecting Library Services and Technology. EDUCAUSE Review. http://er.educause.edu/articles/2016/1/publishing-as-pedagogy-connecting-library-services-and-technology (Stand: 10.08.2018); ein erster Versuch des Autors mit Studierenden: Bibliothek in Zukunft?! Texte von Studierenden zum Wandel von Bibliotheken. Aus dem BachelorSeminar „Wissenschaftliches Arbeiten“ an der TU Hamburg. Hrsg. von Thomas Hapke. Hamburg: TUHH Universitätsbibliothek 2017. https://doi.org/10.15480/882.1425 (Stand: 15.03.2019). 5 Vgl. http://www.ala.org/acrl/standards/ilframework (Stand: 27.10.2018). 6 Vgl. bzgl. Informationskompetenz auch Hapke, Thomas: Informationskompetenz anders denken – zum epistemologischen Kern von „information literacy“. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 9–21; Anderson, Anthony & Bill Johnston: From Information Literacy to Social Epistemology. Insights from Psychology. Cambridge, MA: Chandos 2016, sowie das Zitat am Beginn des Abschnittes. 7 Vgl. Klucevsek, Kristin: The Intersection of Information and Science Literacy. In: Communications in Information Literacy (2017) H. 2. S. 354–365. Dieses Essay geht aber über das in diesem Aufsatz geäußerte Verständnis einer wissenschaftlichen Kompetenz hinaus.
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Offenheit als aktuelle Herausforderung für die Wissenschaften Das eben haben wir mit Wissenschaft gemeint. Daß das Fragen wie das Antworten mit Ungewißheit verbunden ist und daß beides weh tut. Doch daß es keinen Weg drumherum gibt. Und daß man nichts verbirgt, sondern daß alles offen ans Licht kommt.8
Diese treffende und vielleicht auch überraschende Charakterisierung von Wissenschaft verbindet diese mit Unsicherheit und Ungewissheit, und letztlich auch Wissenschaft mit Offenheit. Wissenschaftliches Arbeiten setzt eigentlich von Natur aus auf Offenheit des freien Wissensaustausches. Ein wichtiges Kennzeichen von Wissenschaft ist die Kommunikation. WissenschaftlerInnen, die ihre Forschungsergebnisse nicht publizieren und damit öffentlich machen, sind nicht wirklich Teil der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft. Offenheit als Tugend ist Teil wissenschaftlicher Integrität, d. h. einer ethisch begründeten Haltung bzgl. des eigenen Handelns als Wissenschaftler. Offenheit soll Wissenschaft leichter zugänglich für alle machen. Nur Forschung, die an Offenheit orientiert ist, wirkt langfristig wirklich nachhaltig. Intersubjektivität, nach dem Wissenschaftsphilosophen Holm Tetens eines der fünf anzustrebenden Ideale von Wissenschaft9, umfasst ein kooperatives, arbeitsteiliges Vorgehen, manchmal über mehrere Generationen hinweg und profitiert von Offenheit. Digitalisierung und Open Science verändern das Verständnis von Wissenschaft in wissenschaftlichen Gemeinschaften und Wissenskulturen. Gerade Herausforderungen durch Open Access und Open Science bieten aktuelle Anknüpfungspunkte, um Wissenschaft als solche zum Thema zu machen. Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben sind eine gute Möglichkeit, das Nachdenken über das Funktionieren von Wissenschaft, den Austausch über unterschiedliche Paradigmen in den Disziplinen sowie Qualitätsmerkmale von Wissenschaften im Curriculum in allen Fächern zu verankern. Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston beschreibt von ihr so genannte „moralische Ökonomien der Wissenschaft“ als systemisch organisierte Gefüge von psychologisch und wert-orientiert beeinflussten wissenschaftlichen Haltungen und Handlungen, etwa das Streben nach Quantifizierung, den Empirismus oder auch das, was man mit Objektivität bezeichnet.10 Diese Ökonomien sind historischem
8 Høeg, Peter: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1998. S. 25. 9 Vgl. Tetens, Holm: Wissenschaftstheorie. Eine Einführung. München: Beck 2013. S. 24ff. Die vier weiteren Ideale von Wissenschaft nach Tetens sind übrigens die Ideale der Wahrheit, der Begründung, der Erklärung und des Verstehens sowie der Selbstreflexion. 10 Daston, Lorraine: Die moralischen Ökonomien der Wissenschaft. In: Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2014. S. 157–184.
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Wandel unterworfen. Zur moralischen Ökonomie des Empirismus gehört z. B. die Frage, was eine Tatsache ist. So wurden Tatsachen im 17. Jahrhundert anders gelebt und verstanden, als dies heute passiert, sie waren eher außergewöhnlich und singulär11, etwa die Beschreibung eines Vulkanausbruches oder eines Erdbebens, und nicht etwas, was durch wiederholte Experimente „bewiesen“ worden war. Daston zählt auch die Frage von Wissenschaft und Geheimhaltung zu den moralischen Ökonomien12, so dass man auch Offenheit als eine solche beschreiben könnte. Offenheit als Tugend wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich historisch mindestens bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wenn etwa Robert Boyle Offenheit wissenschaftlichen Wissens gegenüber Kritik fordert, das von anderen weltweit und zu jeder Zeit genutzt werden kann und was durch die Publikation von Ergebnissen gesichert werden sollte.13 Obwohl für Daston das Wort „Ökonomie“ sich eher nicht auf wirtschaftliche Aspekte und die „Produktion und Distribution materieller Ressourcen“14 bezieht, ist für den französischen Philosophen Michel Serres „das erste Problem, das die Wissenschaft aufwirft, deren Verbreitung. Wenn finanzkräftige Unternehmen wissenschaftliche Ergebnisse aufkaufen, werden sie aus Eigeninteresse mit Blick auf einen möglichen Verkauf geheim gehalten und nur noch selektiv publiziert. Alles für Profit und Ruhm […]. Wenn man ansieht, in welchem Maß Forschung von der Finanzierung abhängig geworden ist, welche Blüten die Publikationsbesessenheit treibt […], verbietet der berufliche Ehrenkodex eine Geheimhaltung, die auf kurz oder lang die gesamte Wissenschaft zersetzt und zerstört. Die egalitäre Veröffentlichung allen Wissens, die nichts zurückhält und nichts maßlos forciert und in den Vordergrund spielt, wird damit zur sittlichen Pflicht. Wissen muss öffentlich sein, davon ist nicht nur die Wissenschaft betroffen, sondern auch deren ethische Grundlage.“15 Folgerichtig ist Open Access ebenfalls schon als moralische Ökonomie beschrieben worden.16 In den nächsten Abschnitten soll gezeigt werden, dass eine kritische Sicht auf den wissenschaftlichen Schreibprozess letztlich zu erkenntnistheoretischen und
11 Daston, Ökonomien (wie Anm. 10), hier S. 173. 12 Daston, Ökonomien (wie Anm. 10), hier S. 177. 13 Neylon, Cameron: Openness in Scholarship: A Return to Core Values? In: Expanding Perspectives on Open Science. Communities, Cultures and Diversity in Concepts and Practices: Proceedings of the 21st International Conference on Electronic Publishing. Hrsg. von Leslie Chan & Fernando Loizides. Amsterdam: IOS Press 2017. S. 6–17, hier S. 14. 14 Daston, Ökonomien (wie Anm. 10), hier S. 158. 15 Vorwort zu: Thesaurus der exakten Wissenschaften. Hrsg. von Michel Serres u. Nayla Farouki. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins 2001. S. 37–38. 16 Bacevic, Jana & Chris Muellerleile: The Moral Economy of Open Access. In: European Journal of Social Theory (2018) H. 2. S. 169–188.
Wissenschaft und Offenheit
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ebenso wie die Diskussion um Offenheit zu ethischen Fragestellungen führt und damit ein Nachdenken über Wissenschaft impliziert.
Schreiben als Erkenntnisprozess Keine Information ohne Transformation17
Schreiben ist letztlich Teil des Denkens18, es ist so etwas wie In-Form-Bringen des eigenen Denkens. Durch die Formulierung eigener Gedanken werden diese formiert bzw. formalisiert, andererseits wird dadurch das Denken trainiert. Beim Schreiben kommt man auf neue Gedanken und Assoziationen, es erleichtert zudem das Denken durch die Ablage und Speicherung von Gedanken. Schreiben ist „In-formation“ des Denkens, Information hier benutzt im Sinne einer seiner etymologischen Wurzeln als Einprägen bzw. Formen des Denkens, als „Bildung“ (formation, engl.) des Denkens, im Sinne von Anregen des Denkens. Für den Philosophen Ernst Bloch hat jedes Erkennen zwei Seiten, ein Erkennen von Aspekten der Wirklichkeit und eine Veränderung, eine Formierung der Wirklichkeit.19 Dies ähnelt dem Eingangszitat dieses Abschnittes vom Wissenschaftsphilosophen und -soziologen Bruno Latour. Schreiben ist also einerseits mehr als Aufschreiben, nicht nur Hilfsmittel und Werkzeug, nicht nur Darstellung und Repräsentation von Erforschtem oder Erkanntem sondern immer auch dessen Weiterentwicklung. Schreiben ist Teil des Erkenntnisprozesses, es schafft als Werkzeug ein Bild von Wirklichkeit, ordnet diese und formt diese damit auch. Auch der Wissenschaftssoziologe Ludwik Fleck formulierte in diesem Sinne: „Beobachten, Erkennen, ist immer ein Abtasten, also wörtlich Umformen des Erkenntnisgegenstandes.“20 Andererseits verändert – ausgehend vom informiert-werdenden bzw. sich informierenden Individuum – jede Information das eigene Bewusstsein von einer Sache bzw. das eigene Wissen über diese. Bewusstsein oder Wissen werden also in eine andere „Form“ transformiert. Schreiben als Beschreiben der eigenen experimentellen und praktischen Forschung umfasst auch eine neue Sicht auf diese, ein Neu-
17 Latour, Bruno: Cogitamus. Berlin: Suhrkamp 2016 (Edition Unseld 38). S. 189. 18 Anregung für manche der folgenden Gedanken zu einer „Philosophie“ des wissenschaftlichen Schreibens fand der Autor dieses Essays bei Vorträgen von Bertrand Schütz, die dieser im Rahmen der „Kleinen Nacht des wissenschaftlichen Schreibens“ an der TU Hamburg in den Jahren 2016 bis 2018 mit den Titeln „Sprache als Werkzeug“, „Wissenskultur(en)“ sowie „Schreiben und wissenschaftliche Praxis“ gehalten hat. 19 Vgl. „Erkannt wird […] zum Ziel der In-Formatio über die Welt und der Welt selber.“ Bloch, Ernst: Tübinger Einleitung in die Philosophie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985. S. 44. 20 Fleck, Ludwik: Zur Krise der „Wirklichkeit“ (1929). In: Erfahrung und Tatsache. Gesammelte Aufsätze. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983. S. 46–58, hier S. 53.
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Entdecken des zum Beispiel im Experiment Erkannten. Je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr gewinnt diese für einen selbst an Komplexität, werden Verbindungen zu anderen Dingen sichtbar oder wird man auf Einflüsse aus vielfältigen Richtungen aufmerksam. Man erkennt, dass nichts so einfach ist, wie es am Anfang erscheint. Schreiben als Erkenntnisprozess hat den Charakter eines Experiments, ist offen für Überraschungen, da man dabei auch auf neue Gedanken kommt. Wissenschaftliches Schreiben ist gleichzeitig als Prozess der Einführung in die Wissenskultur der jeweiligen Wissenschaft zu begreifen.21 Fängt man an wissenschaftlich zu schreiben, ist man eigentlich sofort dabei, auf die Schultern von Riesen22 zu steigen. Die gesamte bisherige Überlieferung der Wissenschaften ist latent und verborgen als Möglichkeit der Bezugnahme in Allem vorhanden, was man schreibt. Diese Latenz beim Schreiben kann am Anfang von Studierenden als große Last empfunden werden, von der man sich in einem gewissen Sinne auch freimachen muss, um als Subjekt eigene Gedanken denken zu können.23
Von einer Meta-Sicht auf Wissenschaft zu einer kritischen Kompetenz der Wissenschaftlichkeit Bildung besteht dann darin, einen Schritt hinter die begriffliche Routine zurückzutreten und sich auf einer zweiten Stufe der Aneignung zu fragen, wovon wir da eigentlich reden. […] Was macht etwas zu einem Stück wissenschaftlichen Wissens? Und was ist das überhaupt: Wissenschaft? Woher rührt ihre Autorität? Zur Bildung gehört auch hier historisches Bewusstsein. Wie ist es zu einer Kultur gekommen, in der die Wissenschaft und ihre Technologie eine derart zentrale Rolle spielen?24 Was Wissenschaft vorführt, sind nicht alternativlose Fakten, sondern alternative Aussagen über jene Fakten, die Wissenschaft stets nur durch die Brille ihrer Theorien, Methoden und Verfahren sehen kann.25
21 Kruse, Otto: Wissenschaftliches Schreiben und studentisches Lernen. Zürich: Hochschuldidaktik UZH 2012. S. 7. 22 Vgl. Hapke, Thomas: Auf den Schultern von Riesen. https://www.tub.tuhh.de/wissenschaftliches-arbeiten/2014/10/23/auf-den-schultern-von-riesen/ (Stand: 10.08.2018). 23 Diesen Gedanken verdanke ich Bertrand Schütz. Latenz ist ebenso wie „Möglichkeit“ auch ein Leitbegriff bei Ernst Bloch, vgl. Zeilinger, Doris: Latenz. In: Bloch-Wörterbuch. Leitbegriffe der Philosophie Ernst Blochs. Hrsg. von Beat Dietschy [u. a.]. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2012. S. 232–242. 24 Bieri, Peter: Wie wollen wir leben? 7. Aufl. München: dtv 2016. S. 68–69. 25 Nassehi, Armin: Die Rolle der Wissenschaften in der modernen Welt. Festvortrag im Rahmen der HRK-Jahresversammlung am 8. Mai 2017 in Bielefeld. Bonn: HRK 2017 (Beiträge zur Hochschulpolitik 2017,2). S. 6.
Wissenschaft und Offenheit
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Auf die Frage: „Welche wissenschaftliche Idee ist reif für den Ruhestand?“26 antworteten 2014 wissenschaftliche Experten u. a. „Unsere enge Definition von Wissenschaft“ (Sam Harris), „Die Art und Weise, wie wir Wissenschaft produzieren und fördern“ (Kathryn Clancy), „Nur Wissenschaftler können Wissenschaft betreiben“ (Kate Mills), „Die wissenschaftliche Methode“ (Melanie Swan) oder „Gewissheit. Absolute Wahrheit. Genauigkeit“ (Richard Saul Wurman). Die Antworten zeigen, wie aktuell ein Nachdenken über Wissenschaft(en) und ihre Methoden ist. Kern dieses Essays ist ein Plädoyer für eine Wissenschaftlichkeits-Kompetenz, eine Form von Bildung, um Wissenschaftlichkeit und das Funktionieren von Wissenschaft(en) zu verstehen. Bildung umfasst ein Nachdenken über Wissenschaft, die Reflexion über die eigene Disziplin und deren sozialgesellschaftliche Einbettung in die moderne Gesellschaft.27 Dazu gehören Fragen danach, welche Chancen aber auch welche Grenzen Wissenschaften bieten, welche unterschiedlichen Sichten auf Wissenschaft(en), welche unterschiedlichen Methoden u.a. möglich sind. So wie man zur „bewussten Förderung“ kritischen Denken dieses „selbst zur Sprache bringen“ sollte28, ist für einen im Rahmen von Bildung notwendigen kritischen Blick auf Wissenschaft(en), die Wissenschaft selbst und ihr Anspruch an Wissenschaftlichkeit zur Sprache zu bringen. Kritisches Denken ist wesentlich „metatheoretisch“29. Begründungen für ein explizites Nachdenken über Wissenschaft in der Bildung haben Tradition. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu machte schon 1986 im Rahmen des Collège de France Vorschläge für eine neue Bildung. Während einer seiner Vorträge sagte er, dass „die Wissenschaft in der gegenwärtigen Gesellschaft zu einem Machtinstrument geworden [sei …], den Menschen müßten also ‚Mittel zur Selbstverteidigung‘ an die Hand gegeben werden, mit denen sie sich gegen Manipulation aller Art wehren könnten. Wichtig sei hierfür, daß die Wissenschaften stets innerhalb ihres historischen Zusammenhangs gelehrt würden, damit die geschichtliche Bedingtheit der einzelnen Wissenschaften und auch des Rationalitätsbegriffs offensichtlich würde. Der Unterricht sollte interkulturell angelegt sein und die Pluralität der Kulturen betonen.“30
26 Brockman, John: Welche wissenschaftliche Idee ist reif für den Ruhestand? Die führenden Köpfe unserer Zeit über die Ideen, die uns am Fortschritt hindern. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2016. 27 Vgl. das Eingangszitat von Peter Bieri. 28 Kruse, Otto: Schreiben und kritisches Denken. Systematische und didaktische Verknüpfungen. In: Writing across the Curriculum at Work. Theorie, Praxis und Analyse. Hrsg. von Ursula Doleschal [u. a.]. Wien: LIT 2013. S. 40–64, hier S. 40. 29 Elkana, Yehuda u. Hannes Klöpper: Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft. Hamburg: Ed. Körber-Stiftung 2012. S. 211. 30 Nolte, Dorothee: „Bildung als Selbstverteidigung“. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu zum Bildungswesen der Zukunft. In: Der Tagesspiegel 18.05.1986 (1986). S. 40; vgl. dazu Collège de France: Vorschläge für das Bildungswesen der Zukunft. In: Das Bildungswesen der Zukunft. Hrsg. von Sebastian Müller-Rolli. Stuttgart: Klett-Cotta 1987. S. 253–282.
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Weltweite politische Entwicklungen machen es immer notwendiger, über im Hintergrund stehende philosophische Fragen nach dem Wesen von Wahrheit und Wissen, und damit von Wissenschaft nachzudenken. Die weltweite March-ofScience-Bewegung entstand als Antwort auf Tendenzen in Politik und Gesellschaft, die jeweilige Wirklichkeit nur noch populistisch oder als Fake News wahrzunehmen. Ein Verständnis von Wissenschaft kann selbst bei wissenschaftlich Arbeitenden recht einseitig sein, weisen doch manche der auf diesen zuerst im Frühjahr 2017 stattgefundenen Märsche gezeigten Plakate auf ein eher unkritisches Wissenschaftsverständnis hin, so als ob die Wissenschaft nur das Sagen haben müsste, damit wir in einer Welt voller Objektivität und Wahrheit leben können. Der Soziologe Armin Nassehi beschreibt Plakate mit der Aussage, dass es zu Fakten keine Alternative gäbe, als „Wissenschaftskitsch“.31 Manche Wissenschaftstreibenden haben bei ihrer Teilnahme interessanterweise den Aspekt der Bedeutung von „Open Science“ in diesem Zusammenhang betont.32 Die Förderung von Informationskompetenz, die sich immer mehr vermischt mit Konzepten wie Datenkompetenz, einer „digital literacy“, „epistemic literacy“, „civic literacy“ oder „21st century skills“, verbunden mit einem Verständnis für das Funktionieren von Wissenschaft kann es erleichtern, Fake News zu erkennen. Fake News ist damit auch für Bibliotheken ein Thema.33 Informationsquellen hinsichtlich Fake News kritisch zu bewerten ist ohne ein Verständnis darüber, wie (wissenschaftliches) Wissen entsteht und was unter Wahrheit verstanden werden kann, kaum möglich. Der letzte Abschnitt gibt Hinweise zur genaueren thematischen Ausgestaltung einer Förderung von Wissenschaftlichkeits-Kompetenz, die neben erkenntnistheoretischen immer auch ethische Fragen berührt.
31 Nassehi, Rolle (wie Anm. 25), hier S. 6. Siehe auch das Zitat am Beginn dieses Abschnittes. 3 2 Brem bs, B jörn: W hy I m a rch. htt p://bjoer n.br embs.net /2017 /04/ why-i -marc h/ (Stand: 06.08.2018). 33 Vgl. Anderson, Rick: News and Alternative Facts: Five Challenges for Academic Libraries. In: Insights the UKSG journal (2017) H. 2. S. 7–12 und den Blog der TIB Hannover https://blogs.tib. eu/wp/tib/tag/fake-news/ (Stand: 27.10.2018).
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Wissenschafts-„Innenpolitik“, -„Außenpolitik“ und ökologische Kompetenz […] the research university, for which epistemology was always inextricable from ethics34 ecological literacy […] the ability to ask ‚What then?‘35
Für eine Rückbesinnung auf wissenschaftliche Werte und Tugenden sowie eine Reflexion über die Bedeutung von Wissenschaft und Technik für das Überleben der Menschen auf der Erde sind Betrachtungen zur Vielfalt von Wissenschaft und deren Stellenwert im Rahmen von Wissenschaftsphilosophie, -theorie, -soziologie und -geschichte nützlich.36 Gesellschaftliche Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens umfassen Themen, die implizit oder explizit im Rahmen diesbezüglicher Lehrveranstaltungen behandelt werden können, etwa zu Kontroversen in den Wissenschaften, oder zum Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Demokratie.37 Thematische Aspekte einer Wissenschaftlichkeits-Kompetenz müssen sowohl Wissenschafts-„Innenpolitik“ als auch Wissenschafts-„Außenpolitik“ im Fokus haben. Bildung für Wissenschaft fragt „innenpolitisch“, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt, wie die Kommunikation, also auch das Publizieren, läuft, was etwa Peer Review ist, warum so selten negative Ergebnisse publiziert werden und anderes mehr. Historische wissenschaftliche Kontroversen oder Fallbeispiele, wo Wissenschaft Treibende gegen epistemische wissenschaftliche Tugenden, gegen die sogenannte „Gute wissenschaftliche Praxis“ verstoßen, z. B. bei Fälschungen in der Wissenschaft38, bieten ausreichend Stoff, um Wissenschafts-„Innenpolitik“ zu verstehen.
34 Wellmon, Chad: Organizing Enlightenment. Information Overload and the Invention of the Modern Research University. Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press 2015. S. 8. 35 Ein Zitat von Garret Hardin. In: Orr, David W.: Ecological Literacy. Education and the Transition to a Postmodern World. Albany, NY: State University of New York Press 1992. 36 Beispiele mit teils populär gehaltenen, teils wissenschaftstheoretischem Hintergrund: Ahne, Verena u. Stefan Müller: Fast alles über Wissenschaft und Forschung. Wie Forschung funktioniert und was Wissenschaft eigentlich bedeutet. Wien: Verlag Holzhausen GmbH 2016; Holzer, Jacqueline [u. a.]: Wie Wissen entsteht. Eine Einführung in die Welt der Wissenschaft für Studierende und Führungskräfte. Zürich: Versus 2012; Tetens, Wissenschaftstheorie (wie Anm. 9); Ziche, Paul u. Joppe van Driel: Wissenschaft. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0159-2011112141 (Stand: 10.08.2018). 37 Vgl. Harker, David W.: Creating Scientific Controversies. Uncertainty and Bias in Science and Society. Cambridge: Cambridge Univ. Press 2015; Leuschner, Anna: Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft. Eine wissenschafts- und erkenntnistheoretische Analyse am Beispiel der Klimaforschung. Bielefeld: Transcript 2012; Hagner, Michael: Wissenschaft und Demokratie. Berlin: Suhrkamp 2012 (Edition Unseld 47). 38 Vgl. Hapke, Thomas: Fake-News gibt es auch in der Wissenschaft. https://www.tub.tuhh.de/ wissenschaftliches-arbeiten/2018/07/30/fake-news-gibt-es-auch-in-der-wissenschaft/ (Stand:
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Der amerikanische Historiker Chad Wellmon betont39, dass das Erkennen in der Wissenschaft immer auch mit Ethik, also mit wertorientierten wissenschaftlichen Handlungen, verbunden ist. Gerade die institutionelle Entwicklung der Wissenschaft in Universitäten verbunden mit einer immer stärkeren Ausdifferenzierung der Disziplinen war, wie Wellmon zeigt, eine Antwort auf Fragen, welches Wissen wie legitimiert wird und eine Reaktion auf Entwicklungen des ausufernden Publikationswesens am Ende des 18. Jahrhunderts („information overload“), Herausforderungen, durchaus verwandt mit aktuellen Fragen zur Zukunft von Universitäten und des wissenschaftlichen Wissens. Ein „außenpolitischer“ Blick macht bewusst, wie Wissenschaften und ihre Ergebnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft genutzt, kontrovers diskutiert und dabei nicht selten „falsch“ interpretiert werden. So nutzen in der Klima- und Umweltpolitik unterschiedliche politische Lager und Interessengruppen Wissenschaft für die jeweils eigenen Zwecke. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden bei Themen zur Gesundheit von Zigarettenkonsum, zum Klimawandel oder zum Einsatz von Glyphosat unterschiedlich als Argument verwendet, um Wissenschaft als Legitimation für die eigene Anschauung zu nutzen. Latour rät Studierenden, zur Schärfung des Nachdenkens über die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, eine Art „Bordtagebuch“40 zu führen, um hier Ereignisse, Beispiele und deren Quellen (z. B. aus Tageszeitungen) festzuhalten. Daston weist auf die „formale Verwandtschaft der Tagebuchführung mit dem Anlegen von Experimentalprotokollen bzw. Feldbeobachtungen“ hin.41 Solche Tagebücher könnten dann auch als Pool für Themen im Rahmen von Schreib-Projekten dienen. So wird sichtbar, wie sehr wissenschaftliche Ergebnisse Einfluss auf gesellschaftlich-politische Entscheidungen haben und umgekehrt. Wissenschaftlichkeits-Kompetenz als wichtiger Teil von Allgemeinbildung ist zu unterscheiden von anderen Sichten auf wissenschaftliche oder akademische Kompetenz („scientific literacy“). Gemeint ist nicht Kompetenz zum Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens, um selbst wissenschaftlich tätig sein zu können. Die Ausbildung eines Verständnisses von Wissenschaft, um als Bürger sinnvoll mit Wissenschaft und Technik im Alltag umzugehen, passt eher. Als „critical scientific literacy“ meint Wissenschaftlichkeits-Kompetenz vor allem auch „öko-reflexive“ Bildung, um Wissenschaft kritisch zur Transformation in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung in einer demokratischen und gerechten Gesellschaft zu nutzen.42
10.08.2018); Finetti, Marco u. Armin Himmelrath: Der Sündenfall. Betrug und Fälschung in der deutschen Wissenschaft. Stuttgart: Raabe 1999. 39 Vgl. das Zitat am Beginn dieses Abschnittes. 40 Latour, Cogitamus (wie Anm. 17), hier S. 12. 41 Daston, Ökonomien (wie Anm. 10), hier S. 177. 42 Sjöström, Jesper & Ingo Eilks: Reconsidering Different Visions of Scientific Literacy and Science Education Based on the Concept of Bildung. In: Cognition, Metacognition, and Culture in STEM
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Die hier betonte Wissenschaftlichkeits-Kompetenz könnte die Herausforderung des Umgangs mit unserer Umwelt, mit dem nachhaltigen Erhalt unserer Lebensbedingungen wesentlich beeinflussen. Für individuelle und gesellschaftlich-politische Entscheidungen, die immer mehr durch Wissenschaften und deren Experten beeinflusst werden, von diesen in Frage gestellt aber auch dominiert werden können, ist ein Wissen über Wissenschaftsprozesse, Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und um die Problematik von Fake News immer notwendiger. „Verantworten“ bedeutet auch „fähig sein zu antworten“.43 Verantwortung für unsere Umwelt meint damit, beim Umgang mit der Umwelt Antworten zu finden und diese ins Handeln umzusetzen, damit eine lebenswürdige Umwelt erhalten bleibt. Verantworten bedeutet also auch, fähig sein zu handeln. Der sogenannte „ökologische Fußabdruck“ (Ecological Footprint) stellt ein Maß für die Umweltbelastung durch einen Menschen bzw. den Verbrauch natürlicher Ressourcen durch einen Menschen dar. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation German Watch propagiert ergänzend im Rahmen einer „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ zum Erreichen der Ziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals) das Konzept des Handabdrucks („Hand Print“).44 Dieser impliziert, dass durch das „Hand“eln jedes einzelnen Menschen letztlich auch der ökologische Fußabdruck verringert werden kann. Vielleicht kann die Ausbildung einer Wissenschaftlichkeits-Kompetenz den Handabdruck politisch Handelnder, sei es auf professioneller, ehrenamtlicher oder zivilgesellschaftlicher Ebene, deutlich erhöhen.
Education. Learning, Teaching and Assessment. Hrsg. von Yehudit Judy Dori [u. a.]. Cham: Springer International Publishing 2018. S. 65–88, s. Table 4.1, S. 78 und Fig. 4.2, S. 80. 43 Bertrand Schütz in einem seiner Vorträge. 44 Reif, Alexander u. Marie Heitfeld: Wandel mit Hand und Fuß. Mit dem Germanwatch Hand Print den Wandel politisch wirksam gestalten. Bonn [u. a.]: Germanwatch 2015. Online unter https://germanwatch.org/12040 (Stand: 27.10.2018).
Sylvia Langwald
„Studierende dort beraten, wo sie schreiben“ – Schreibberatung als neues Aufgabenfeld der Universitätsbibliothek Marburg Abstract: Im Herbst 2017 begann das Projekt Schreibwerkstatt in der Universitätsbibliothek (UB) Marburg. Dieser Artikel beleuchtet die Rahmenbedingungen unter denen die Schreibwerkstatt entwickelt wurde und erläutert, warum die UB Marburg Schreibberatung als Aufgabenfeld für sich entdeckt hat. Anschließend wird das Konzept der Schreibwerkstatt und ihre Weiterentwicklung skizziert. Schlüsselbegriffe: Schreibberatung, Schreibwerkstatt, wissenschaftliches Schreiben, Fachreferenten, Informationskompetenz, Universitätsbibliothek Marburg, Kooperation Kurzbiografie: Dr. Sylvia Langwald studierte Anglistik und Germanistik und unterrichtete anschließend britische und nordamerikanische Literaturwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Von 2015 bis 2017 absolvierte sie das Bibliotheksreferendariat an der UB Marburg, wo sie seit Frühjahr 2018 die Fachreferate Anglistik/Amerikanistik, Romanistik und Klassische Philologie sowie das Referat Informationskompetenz betreut. Für Schreibberatung interessiert sie sich seit sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Studierende beim Erlernen des akademischen Schreibens unterstützt hat.
Von der Coffee Lecture zur Schreibwerkstatt Studierende dort beraten, wo sie schreiben – nämlich in der Bibliothek. Diese Idee war der Ausgangspunkt dafür, eine Schreibwerkstatt in der Universitätsbibliothek Marburg einzurichten. Immer mehr Bibliotheken bieten in ihren Räumen Anlaufstellen zum wissenschaftlichen Schreiben für Studierende an – sei es in Kooperation mit Schreibzentren oder als eigenständiges Angebot der Bibliothek. Seit Herbst 2017 betreibt die UB Marburg eine Schreibwerkstatt, die sowohl individuelle Beratung als auch Veranstaltungen für Studierende anbietet. Die Idee zur Schreibwerkstatt entstand bei einer Coffee Lecture mit dem Titel „Wie schreibe ich eine Hausarbeit?“ An diesem Thema zeigten die Studierenden besonders viel Interesse, sodass weitere Coffee Lectures zu Schreibthemen angeboten wurden, die ebenfalls sehr beliebt waren. Die Idee, Schreibberatung in das Angebot einer Bibliothek zu integrieren, https://doi.org/10.1515/9783110594140-007
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stieß auch auf das Interesse der Direktion der UB Marburg, die Anstöße gab, das Thema weiterzuverfolgen. Im Rahmen einer Projektarbeit im Referendariat entwickelte die Verfasserin ein Konzept für eine Schreibwerkstatt in der UB Marburg, die im Herbst 2017 ihre Arbeit aufnahm. In diesem Artikel soll der Weg der UB Marburg zum Aufgabenfeld Schreibberatung von der ersten Coffee Lecture bis zur Bildung des Schreibwerkstatt-Teams nachgezeichnet werden. Die Einrichtung der Schreibwerkstatt in der UB Marburg ist vor allem vor dem Hintergrund des neuen Bibliotheksgebäudes zu verstehen, das eine Neuausrichtung der Organisationsstruktur und des Lernortkonzeptes mit sich brachte. Gleichzeitig spielt die Situation der Schreibberatung an der Philipps-Universität Marburg eine wesentliche Rolle. Der Aufbau der Schreibwerkstatt wurde begleitet von einer Diskussion über die Aufgaben wissenschaftlicher Bibliotheken, die im Folgenden skizziert werden. Anschließend werden das Konzept und das Angebot der Schreibwerkstatt sowie Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung vorgestellt. Dieser Text soll exemplarisch zeigen, wie unter bestimmten Rahmenbedingungen Raum für Schreibberatung an einer Hochschulbibliothek gefunden wurde und wie sie ausgestaltet wurde. Gleichzeitig soll ein Beitrag zur Diskussion um Schreibberatung als Aufgabe von Bibliotheken geleistet werden, indem erklärt wird, wie sich die UB Marburg zu dieser Frage positioniert hat. Die Entscheidung eine Schreibwerkstatt in der Bibliothek aufzubauen ist auch vor dem Hintergrund des bisherigen Schreibberatungsangebots an der Philipps-Universität zu verstehen.
Schreibberatung an der Philipps-Universität Marburg Seit den 2000er Jahren haben sich Schreibberatungen immer stärker in Deutschland etabliert und mittlerweile sind sie an den meisten Hochschulen fester Bestandteil der Beratungsinfrastruktur. Bis Herbst 2017 gab es für Studierende der Philipps-Universität Marburg keine zentrale Anlaufstelle zum wissenschaftlichen Schreiben, sondern einzelne Initiativen von Kolleginnen und Kollegen an den Fachbereichen und den zentralen Einrichtungen: Eine Mitarbeiterin des Sprachenzentrums unterstützt als writing coach alle, die längere Arbeiten auf Englisch schreiben. Die Marburg University Research Academy (MARA), eine Service-Einrichtung für den wissenschaftlichen Nachwuchs, bietet Workshops und Beratung für Promovierende und im Study Skills-Programm der Hochschuldidaktik gibt es Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben für Studierende. Vereinzelt bieten manche Fachbereiche oder Fachschaften Schreibnächte oder studentische Beratung an. Das bisherige Angebot reichte allerdings nicht aus, um den Beratungsbedarf zu decken oder gezielt die wissenschaftliche Schreibkompetenz von Studierenden zu fördern. Für Studie-
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rende in grundständigen Studiengängen, die Arbeiten auf Deutsch schreiben, fehlte das Angebot einer individuellen Schreibberatung. Um Schreibunterstützung an der Philipps-Universität auszubauen, erwies es sich als sinnvoll, eine zentrale Koordinierungsstelle zu schaffen, die die bestehenden Angebote einbindet und erweitert. Die Universitätsbibliothek bot sich aus verschiedenen Gründen als Anlaufstelle an: Sie ist nicht nur ein zentraler Lernort, sondern verfügt auch über eine passende Infrastruktur und hochqualifiziertes Personal, das mit wissenschaftlichen Arbeitsprozessen vertraut ist. Im April 2018 hat die UB Marburg ihr neues, modernes Hauptgebäude im Herzen des geistes- und sozialwissenschaftlichen Campus Firmanei eröffnet. Die neue UB bietet rund 1.250 Arbeitsplätze für unterschiedliche Nutzungsszenarien. An den hellen Einzelarbeitsplätzen auf den Leseterrassen im Freihandbereich kann man direkt am fachlichen Buchbestand arbeiten. Das Medienzentrum bietet technisch hochwertig ausgestattete PC-Arbeitsplätze und im Sonderlesesaal können die Besucherinnen und Besucher den wertvollen historischen Buchbestand nutzen. Das neue Gebäude wurde bewusst als Ort des Austauschs konzipiert: Die Schulungs-, Seminar- und Gruppenräume, der Veranstaltungsbereich mit Vortrags- und Ausstellungsraum, aber auch die Loungebereiche und die Cafeteria CoLibri bieten Raum für Begegnungen und Gespräche. Die neue UB soll jedoch nicht nur ein attraktiver physischer Lernort sein, sondern die Nutzerinnen und Nutzer auch mit einem neu aufgestellten Schulungs- und Beratungsangebot unterstützen, zu dem auch die Schreibwerkstatt gehört. Bisher hatte sich die UB Marburg auf traditionelle bibliothekarische Schulungsthemen konzentriert, war aber auch schon im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens aktiv, z. B. mit Informationsmaterialien zum Thema der guten wissenschaftlichen Praxis. In den letzten zwei Jahren kamen durch Projekte wie FOKUS (Forschungsdatenkurse für Studierende und Graduierte) und das Digital Learning Lab neue Impulse hinzu. Mit dem Umzug wurde das Schulungs- und Beratungskonzept neu ausgerichtet, das nun aus vier thematischen Bausteinen besteht. Der erste Baustein „Orientieren“ umfasst Veranstaltungen, die über die Bibliotheksstandorte und deren Benutzungsmodalitäten informieren, sowie erste Rechercheübungen. Der zweite Baustein „Informationen finden“ legt den Schwerpunkt auf der Vertiefung der Recherchefähigkeiten. Beim dritten Baustein „Wissen organisieren“ geht es um Strategien und Instrumente des Wissensmanagements, zum Beispiel Literaturverwaltungsprogramme und digitale Arbeitstechniken. Der vierte Baustein „Texte und Medien produzieren“ besteht aus den Angeboten der Schreibwerkstatt und des Medienzentrums, das derzeit ein Schulungsprogramm für die Gestaltung von Film und Tonmedien erarbeitet. Nicht nur neue Themen, sondern auch neue Formate wurden in das Kurs- und Beratungskonzept integriert. Neben klassischen Schulungen gibt es Coffee Lectures, Sprechstunden, Labs und Workshops. Die Schreibwerkstatt ist angesichts des neuen Lernortkonzeptes und der Aktivitäten im Bereich der Wissen-
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schaftsunterstützung eine konsequente Weiterentwicklung des Angebots der UB Marburg. Der Umzug in das neue Gebäude brachte neben der Neuausrichtung des Schulungs- und Beratungsangebots auch organisatorische Veränderungen mit sich. Für einige Fachreferentinnen und Fachreferenten sind zum Beispiel Aufgaben, wie die Leitung von Bereichsbibliotheken, aufgrund des Umzugs weggefallen, wodurch Kapazitäten für neue Aufgaben frei geworden sind. Doch nicht nur die hinzu gewonnene Zeit ermöglicht es, die Fachreferentinnen und Fachreferenten in der Schreibberatung einzusetzen. Es sind vor allem ihre Erfahrungen in der Beratung, der Lehre und im wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben, die sie zu geeigneten Ansprechpersonen machen. Dieser Erfahrungsschatz ist ein wichtiger Grund dafür, dass immer mehr Hochschulbibliotheken Schreibberatung als Tätigkeitsfeld entdecken. Dabei gibt es aber auch kritische Stimmen, die hinterfragen, inwieweit Schreibberatung in den Verantwortungsbereich von Hochschulbibliotheken fällt.
Schreibberatung als neue Aufgabe von Hochschulbibliotheken An den meisten Hochschulen findet Schreibunterstützung an eigenständigen Schreibzentren statt. Schreibberatungen sind aber auch oft im Rahmen von Studienberatungen, an Zentren für Schlüsselkompetenzen oder an den Fachbereich Germanistik bzw. den Bereich Deutsch als Fremdsprache angegliedert. Auch wenn Schreibberatung nicht zu ihrem klassischen Aufgabenfeld gehört, gibt es immer mehr Hochschulbibliotheken, die das Thema für sich entdecken. Mit der zunehmenden Ausrichtung auf die Themen Lernort und Forschungsunterstützung hat sich Schreibberatung als Aufgabe erwiesen, die an das traditionelle Arbeitsfeld von Bibliotheken anschließt. In den letzten Jahren wurden die Schnittstellen zwischen Bibliotheken und Schreibberatung in der Fachcommunity vermehrt diskutiert.1 An der UB Marburg haben wir uns dafür entschieden, Schreibberatung in der Bibliothek zu erproben und in Abstimmung mit den universitären Gremien stufenweise einzuführen. In diesem Prozess kam auch die Frage nach den Aufgaben der Bibliothek auf.
1 Vgl. z. B. Christensen, Anne: Zur Zukunft der Benutzungsabteilung in Universitätsbibliotheken. urn:nbn:de:0290-opus4-23342; Heller-Künz, Helene u. Brigitte Mayer: Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek. In: Bibliothek: Forschung und Praxis (2016) H. 40.3. S. 370–374; Ruhmann, Gabriela u. Marcus Schröter: Grenzverschiebungen: Wissenschaftliches Schreiben, Schreibwerkstätten und Informationskompetenz. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 227–244.
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Daher werden im Folgenden einige Argumente angeführt, die für Hochschulbibliotheken als Anbieter von Schreibberatung sprechen. Die Vermittlung von Informationskompetenz ist ein wichtiges Arbeitsfeld von Bibliotheken. Schulungen und Beratung zur Literatursuche und -verwaltung sind Angebote, die unmittelbar den Kern des wissenschaftlichen Arbeitens betreffen. Viele Hochschulbibliotheken sind Ansprechpartner für Themen wie „gute wissenschaftliche Praxis“ und wissenschaftliches Publizieren geworden und verstehen sich als Informations- und Bildungseinrichtungen bzw. als Teaching Libraries. In seinem aktuellen Referenzrahmen definiert der Deutsche Bibliotheksverband Informationskompetenz durch die Teilkompetenzen Suchen, Prüfen, Wissen, Darstellen und Weitergeben.2 Nach dieser Definition ist die Vermittlung von Wissen und Ideen in mündlicher und schriftlicher Form – also auch wissenschaftliches Schreiben – Teil von Informationskompetenz und damit auch Teil der Aufgaben von Bibliotheken. Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die in der Vermittlung von Informationskompetenz aktiv sind, haben Expertise in den Themenbereichen Recherche, Literaturverwaltung und guter wissenschaftlicher Praxis und kennen sich sowohl mit individueller Beratung als auch mit verschiedenen Schulungsformaten aus. Besonders die Fachreferentinnen und Fachreferenten haben Erfahrungen in der Forschung gesammelt und haben selbst wissenschaftliche Texte publiziert – zum Beispiel die eigene Dissertation. Auch durch berufliche Tätigkeiten in der Lehre sind vielen Fachreferentinnen und Fachreferenten die Perspektiven von Schreibenden und Betreuenden vertraut. Natürlich sind sie deshalb nicht automatisch Schreibberaterinnen und -berater3 und nicht alle von ihnen möchten in diesem Bereich arbeiten, aber sie verfügen über viele Fähigkeiten und Erfahrungen, die sie für Tätigkeiten in der Schreibberatung qualifizieren. Trotzdem gibt es wichtige Themen wie Schreibprozessdidaktik oder Deutsch als Fremdsprache, die sie sich im Rahmen von Weiterbildungen noch erschließen müssen. Doch nicht nur die Qualifikationen einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen dafür, dass Bibliotheken in der Schreibunterstützung aktiv werden. Bibliotheken sind zentrale Lernorte, die als Anlaufstelle für Fragen zur Literatursuche und -verwaltung etabliert sind. Schon seit einiger Zeit ist ein Trend zu „integrierten Beratungsangebote[n]“4 zu beobachten. Dabei arbeiten Bibliotheken mit anderen Einrichtungen und Beratungsstellen zusammen, um ihre Nutzerinnen und Nutzer
2 Deutscher Bibliotheksverband: Referenzrahmen Informationskompetenz. http://www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/informationskompetenz/publikationen.html (Stand: 08.07.2018), hier S. 4. 3 Einige Einrichtungen, zum Beispiel die PH Freiburg oder die ZHAW Winterthur, bieten Programme an, in denen man sich zu zertifizierten Schreiberater(inne)n ausbilden lassen kann. 4 Schoenbeck, Oliver: Informationskompetenz als Gestaltungsaufgabe. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (2015) H. 62.2. S. 89.
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umfassend zu unterstützen. Die Kooperation zwischen Schreibzentren und Bibliotheken bei der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“5 zeigt, dass sich die universitären Service-Einrichtungen auf einen steigenden Beratungsbedarf zum wissenschaftlichen Arbeiten einstellen. Die Tatsache, dass die langen Nächte meistens in der Bibliothek stattfinden, verdeutlicht einerseits, dass Bibliotheken über die passende Infrastruktur verfügen und andererseits, dass sie sich als Anlaufstellen für das Thema wissenschaftliches Arbeiten weiter etablieren. Auch die Erfahrungen aus dem Schreibzentrum der Bibliothek an der FH Vorarlberg6 bestätigen, „dass Bibliotheken aufgrund des Know-hows ihrer Mitarbeiter, ihrer Infrastruktur und ihrer organisationalen Verankerung in den Institutionen prädestiniert sind, neben der Vermittlung von Informations- auch die Vermittlung von Schreibkompetenz wahrzunehmen und unter ihrem Dach anzubieten.“7 Die hier aufgeführten Argumente für Schreibberatung in Hochschulbibliotheken waren die Grundlage dafür, dass die UB Marburg sich dafür entschieden hat, Schreibunterstützung anzubieten. Allerdings spielen im Fall der UB Marburg das Fehlen einer zentralen Schreibberatung und die Neuausrichtung des Lernortkonzeptes im neuen Gebäude eine wesentliche Rolle für die Entscheidung, eine Anlaufstelle zum wissenschaftlichen Schreiben für Studierende zu schaffen.
Die Schreibwerkstatt in der UB Marburg Die Schreibwerkstatt zielt darauf ab, eine Koordinierungsstelle in der UB Marburg zu schaffen, bereits bestehende Angebote einzubinden und Schreibunterstützung für Studierende in Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen auszubauen. Für die Schreibwerkstatt wurde eine Herangehensweise gewählt, die zukünftig auch für weitere neue Services angewendet werden soll: Im Sommersemester 2016 zeigte sich bei den neu eingeführten Coffee Lectures, dass die Studierenden viel Interesse an Informationen zum wissenschaftlichen Schreiben, aber auch Bedarf an individueller Beratung bei ihren Schreibprojekten haben. Es folgten weitere Coffee Lectures zu Schreibthemen, die ebenfalls sehr gefragt waren. Daher wurde vorgeschlagen, im Rahmen einer Projektarbeit während des Bibliotheksreferendariats ein Konzept für eine Schreibberatung in der UB Marburg zu entwerfen. Die UB-Direktion und die zuständigen Präsidiumsmitglieder unterstützten diese Idee und entschieden, das vorgelegte Konzept zu erproben. Dazu wurde eine Projektstelle geschaffen, die durch QSL-Mittel (Qualitätssicherung von Studium und Lehre) finanziert wurde, sodass die Schreibwerkstatt zum 30.9.2017 ihre Arbeit aufnehmen konnte.
5 Siehe dazu auch den Beitrag von Girgensohn [u. a.] in diesem Band. 6 Siehe dazu auch den Beitrag von Heller-Künz und Mayer in diesem Band. 7 Heller-Künz u. Mayer, Schreibzentrumsarbeit (wie Anm. 1), hier S. 374.
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Zur Begleitung des Projektes wurde eine Beratungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Universität und ihrer zentralen Einrichtungen, wie zum Beispiel dem Sprachenzentrum, der Studienberatung und der Hochschuldidaktik, eingerichtet. Um das Projekt bekannt zu machen und weitere Rückmeldungen zu erhalten, stellte die Verfasserin es in den Sitzungen der Fachschaftenkonferenz, der StudiendekanInnen und dem Bibliotheksbeirat vor. Neben dem Austausch innerhalb der Universität, gab es auch Vernetzungstreffen mit anderen Bibliotheken, die selbst Schreibberatung anbieten: Der Bibliothek der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen und Friedberg8 und der Universitätsbibliothek Mannheim9.
Aktivitäten und Akteure Die Aktivitäten der Schreibwerkstatt, die im Wintersemester 2017/18 im Wesentlichen aus der individuellen Beratung bestanden, wurden zunächst von der Verfasserin selbst angeboten. Um den Bedarf an Schreibberatung decken zu können, bildete sich ein Team aus dem Kreis der Fachreferentinnen und Fachreferenten, das in der Schreibwerkstatt mitarbeitet. Im Rahmen einer Fortbildung Anfang 2018 bekamen zwölf Kolleginnen und Kollegen einen Überblick über die Grundlagen der Schreibberatung, Schreibdidaktik und Schreibtechniken. Aus dem Kreis der Fortbildungsteilnehmenden kristallisierte sich im Sommer 2018 ein Team von derzeit vier Personen heraus, die Schreibberatung und Workshops anbieten. Die Mitglieder des Schreibwerkstatt-Teams haben geistes- oder sozialwissenschaftliche Fächer studiert. Manche sind lieber in der Beratung aktiv, andere eher in den Workshops und Coffee Lectures. Das Schreibwerkstatt-Team wird ein Mal pro Monat zusammenkommen, um sich auszutauschen und besondere Fälle im Rahmen kollegialer Beratung zu besprechen. Die Schreibwerkstatt steht somit noch am Anfang und es werden weitere Fortbildungen für das Team und mehr Austausch mit anderen Schreibberatungen sowie der Universität nötig sein, um die Schreibwerkstatt weiterzuentwickeln. Das aktuelle Konzept der Schreibwerkstatt richtet sich an Studierende in grundständigen Studiengängen, die Arbeiten auf Deutsch oder Englisch schreiben. Die Schreibberatung ist auch eine Anlaufstelle für internationale Studierende mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache. Das Angebot steht Studierenden aller Fachbereiche offen, allerdings liegt der Schwerpunkt auf dem Schreiben in den Geistesund Sozialwissenschaften, da in diesen Fächern viele schriftliche Prüfungsleistungen gefordert sind und die fachlichen Schwerpunkte des Personals in diesem Be-
8 Siehe zum Angebot der TH Mittelhessen auch den Beitrag von Thiel und Sand in diesem Band. 9 Siehe zum Angebot der UB Mannheim auch den Beitrag von Francken-Welz, Kaiser u. Pintsch in diesem Band.
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reich liegen. Für Promovierende bietet die Marburg University Research Academy Schreibberatung an, sodass sie nicht in den Zuständigkeitsbereich der Schreibwerkstatt fallen.
Angebotsprofil Thematisch umfassen die Angebote der Schreibwerkstatt alle Themen rund ums wissenschaftliche Schreiben, zum Beispiel Recherche, den Umgang mit Forschungsliteratur, effizientes Lesen, Strukturierung der Arbeit, Wissensmanagement, Schreibstrategien und Textrevision. Die Beratungsgrundsätze entsprechen denen der meisten Schreibzentren: Angeboten wird Hilfe zur Selbsthilfe und dabei wird ein personenzentrierter, prozessorientierter und nicht-direktiver Ansatz verfolgt. Das bedeutet, dass Studierenden allgemeine Informationen über das wissenschaftliche Schreiben und zum Schreibprozess vermittelt und sie zu Arbeitstechniken und Schreibstrategien beraten werden. Sie erhalten exemplarisch Feedback zu Texten und mit den Ratsuchenden wird gemeinsam das weitere Vorgehen besprochen. Dabei geht es nicht darum, einen bestimmten Text zu optimieren, sondern darum, die Ratsuchenden dabei zu unterstützen, kompetente Schreibende zu werden, die selbst für ihre Texte verantwortlich sind. Daher übernimmt das Team keine Korrektur- oder Lektoratsarbeiten. Auch eine Bewertung oder Begutachtung studentischer Arbeiten sowie Rechtsberatung wird nicht durchgeführt. Die Schreibwerkstatt arbeitet fachübergreifend, sodass bei Anfragen zu fachlichen, inhaltlichen oder methodischen Aspekten der Arbeit auf die Betreuenden in der betreffenden Fachdisziplin verwiesen wird. Wie sieht also das Angebot der Schreibwerkstatt konkret aus? Die zentralen Bausteine sind die individuelle Beratung und die Veranstaltungen. Für eine individuelle Beratung können die Studierenden entweder zur Hausarbeiten-Sprechstunde kommen oder einen Termin vereinbaren. Die Hausarbeiten-Sprechstunde können die Studierenden spontan ohne Anmeldung besuchen. Sie findet mittwochs von 13:00 bis 15:30 Uhr an der Haupttheke der UB statt. Die Sprechstunde dient als erste Anlaufstelle und es stehen ca. 20 Minuten für ein Gespräch zur Verfügung. Für ausführlichere Gespräche von bis zu 45 Minuten Dauer können Termine vereinbart werden. Bei Bedarf kann die Beratung auch in einem Hintergrundbüro stattfinden. Die individuelle Beratung wird ergänzt durch Veranstaltungen wie Workshops, Coffee Lectures und Schreibevents wie den „Tag der Hausarbeiten“. In den Workshops erhalten die Ratsuchenden Informationen zum wissenschaftlichen Schreiben und haben Gelegenheit das Gelernte direkt umzusetzen. Von der Themenfindung über Schreibprobleme bis zu gendergerechter Sprache decken sie ein breites Spektrum an Themen ab. Die Workshops werden in Kooperation mit dem Study SkillsProgramm der Hochschuldidaktik angeboten. Dabei kümmert sich die Schreibwerkstatt um die inhaltliche Gestaltung, die Räume und die Organisation vor Ort, wäh-
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rend die Hochschuldidaktik einen Teil ihres Budgets für Schreib-Workshops zur Verfügung stellt und die Teilnehmerverwaltung übernimmt. Gleichzeitig fließen die Workshops des Schreibwerkstatt-Teams in das Study Skills-Programm ein. Im Sommersemester 2018 und im Wintersemester 2018/17 konnten so insgesamt 18 Workshops organisiert werden. Im Sommersemester waren acht der neun Workshops ausgebucht und auf den Nachrücklisten standen teilweise bis zu 30 Studierende, die auf einen Platz warteten. Während in den Workshops Input und Übungen im Vordergrund stehen, werden in den Coffee Lectures kurz und knapp Tipps zum wissenschaftlichen Schreiben gegeben. Das Themenspektrum reicht von Plagiatsvermeidung über akademisches Englisch bis hin zu Lese- und Überarbeitungsstrategien. Diesem kurzen Format steht das Schreib-Event „Tag der Hausarbeiten“ gegenüber. Er fand am 9.8.2018 zum ersten Mal statt und bediente sich des Konzepts der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“: Es gab Schreib-, Studien-, Recherche- und Citavi-Beratung, Mini-Workshops und Coffee Lectures sowie die Gelegenheit gemeinsam zu schreiben. Das Programm, das die UB gemeinsam mit den Fachbereichen und anderen zentralen Einrichtungen gestaltet hatte, wurde sehr gut angenommen. Bei den neun Workshops wurden insgesamt 183 Teilnahmen gezählt, zu den sechs Coffee Lectures kamen 93 Zuhörende und es fanden 37 Beratungsgespräche statt. Zu Beginn des Projekts Schreibwerkstatt waren auch Online-Lernmodule mit allgemeinen Informationen zum wissenschaftlichen Schreiben vorgesehen. Dieser Baustein wurde aber vorerst zurückgestellt, damit das Schreibwerkstatt-Team zunächst mehr Erfahrungen mit der individuellen Beratung und den Workshops sammeln kann. Die Einbindung digitaler Lernangebote wird das Team im Weiterentwicklungsprozess des Projekts erneut diskutieren.
Fazit und Ausblick Die Schreibwerkstatt der UB Marburg ist unter besonderen Rahmenbedingungen entstanden: Dem Fehlen eines Schreibzentrums an der Philipps-Universität, dem Interesse vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Schreibberatung sowie der Neuausrichtung des Lernortkonzeptes im neuen Gebäude. Doch nicht nur das fehlende Schreibzentrum und der Bibliotheksneubau sprachen für die Einrichtung einer Schreibwerkstatt für Studierende in der UB. Auch die Erfahrungen und Qualifikationen des Personals sowie Arbeitsschwerpunkte der UB in den Bereichen Recherche, wissenschaftliches Arbeiten und Publizieren waren wichtige Argumente für den Aufbau des Schreibunterstützungsangebots. Das Konzept der Schreibwerkstatt in der UB ist von dieser speziellen Marburger Situation geprägt. Aktuell steht die Schreibwerkstatt noch am Anfang ihrer Entwicklung. Das Workshop-Programm und der „Tag der Hausarbeiten“ waren sehr gut nachgefragt und werden in Zukunft wei-
„Studierende dort beraten, wo sie schreiben“
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ter ausgebaut. Die Einbindung digitaler Lernformen und die Integration von Schreibworkshops in Studiengänge oder Zertifikatsprogramme wird noch weiter diskutiert werden. Zunächst liegt der Fokus des Teams darauf, mehr Erfahrung in der Beratung zu sammeln und sich in weiteren Arbeitsbereichen der Schreibberatung fortzubilden. Für die UB Marburg hat sich Schreibberatung als anschlussfähig an das bestehende Angebot in den Bereichen Recherche und Informationskompetenz erwiesen. Durch die Schreibwerkstatt konnte der Kontakt zu den Studierenden, aber auch zu den zentralen Einrichtungen und zu den Fachbereichen intensiviert werden. Die neue UB bietet ihren Nutzerinnen und Nutzern einen attraktiven Ort zum Schreiben. Mit der Schreibwerkstatt hat sie ihr Kurs- und Beratungskonzept nun um einen weiteren Baustein zum Thema wissenschaftliches Arbeiten ergänzt, der dazu beiträgt, dass die UB nicht nur räumlich, sondern auch auf inhaltlicher Ebene ein neuer Lernort ist.
Christian Wymann
Angebot und Nachfrage – Werbemaßnahmen für die Schreibberatung der Universitätsbibliothek Bern Abstract: Die Koordinationsstelle Informationskompetenz der Universitätsbibliothek Bern bietet seit 2016 Schreibberatung an. Das Angebot nennt sich „Der Schreibberater“ und zielt auf Studierende und Mitarbeitende der Universität Bern und der Pädagogischen Hochschule Bern ab. Der Beitrag stellt das Angebot vor und zeigt, welche Herausforderungen für die Werbung auftauchen und welche Lösungsstrategien es gibt. Schlüsselbegriffe: Schreibberatung, Werbung, Angebot/Nachfrage, Resonanz, Informationskompetenz, Fachberatung, Lehrende Kurzbiografie: Christian Wymann hat in Soziologie promoviert und ist seit 2013 als wissenschaftlicher Schreibberater tätig. Er arbeitet als Schreibberater für die Universitätsbibliothek Bern und ist Inhaber von Mind Your Writing Schreibberatung (www.myw.schreibcoach.ch). Er hat 2014 den CAS Schreibberatung an der Hochschule an der ZHAW Winterthur absolviert. Er hat mehrere Bücher beim Verlag Barbara Budrich veröffentlicht. Kontakt: [email protected]
Schreibberatung als neue Bibliotheksdienstleistung Eine neue Bibliotheksdienstleistung aufzuziehen und erfolgreich zu bewerben, dürfte in den meisten Fällen eine Herausforderung sein. Handelt es sich dabei noch um ein Angebot, das es bisher so weder in der Bibliothek noch in der gesamten Hochschule gab, dürfte die Lage noch schwieriger sein. Konkret handelt es sich um die Einführung eines Schreibberatungsangebots an der Universitätsbibliothek Bern (UB Bern). Nach einer zweijährigen Pilotphase (2016–2017) können sowohl Erfolge verzeichnet als auch bestehende Herausforderungen festgestellt werden. Im Folgenden soll das Schreibberatungsangebot der UB Bern vorgestellt werden. Der Fokus liegt darauf, wie einerseits das Angebot beworben und andererseits nachgefragt und wahrgenommen wurde. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie die Schreibberatung als eines von vielen Angeboten in der Bibliothek das gewünschte Publikum erreicht.
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Angebot und Nachfrage
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Das Angebot „Der Schreibberater“ Im Januar 2016 startete das Angebot mit dem Namen „Der Schreibberater“, das in der Koordinationsstelle Informationskompetenz verankert ist.1 Das Angebot wurde in einer zweijährigen Pilotphase getestet und evaluiert. Es wurde so konzipiert, dass es bestehende Beratungs- und Kursangebote anderer Institutionen innerhalb der Universität Bern und der Pädagogischen Hochschule Bern ergänzt (z. B. die Psychologische Beratungsstelle, Graduiertenschulen, Angebote zu Wissenschaftsenglisch u. ä.). Die Schreibberatung bietet einerseits eine offene Sprechstunde und andererseits mehrere Workshops zu überfachlichen Schreibthemen. Sie steht allen Studierenden und Angestellten der Universität Bern und Pädagogischen Hochschule Bern offen. Die Beratung wurde absichtlich niederschwellig organisiert, so dass Studierende unverbindlich vorbeikommen können. Sie findet das ganze Jahr statt, ist also unabhängig vom Semester. Die Sprechzeiten finden an einem Tag in der Woche während vier Stunden statt, wobei diese auf den Vor- und Nachmittag verteilt sind. Ratsuchende können ohne Anmeldung vorbeikommen, dürfen sich aber auch bei Bedarf einen Termin reservieren. Für die Beratung ist ein Gruppenraum in einer Bibliotheksfiliale reserviert. Die Workshops tragen die Titel „Zeitmanagement beim Schreiben“, „Effizient Lesen und Schreiben“ und „Was macht einen wissenschaftlichen Text aus?“. Sie dauern jeweils drei Stunden und sind für 15 Teilnehmende geplant. Nach dem ersten Jahr der Pilotphase kam ein Kurzworkshop namens „SchreibFit“ hinzu, in dem bis zu fünf Teilnehmende an ihren Texten schreiben. Ebenso wurde ein dreistündiger Workshop zu Text-Feedback für fünf Teilnehmende gestartet. Die Workshops finden in der Regel nur während der Vorlesungszeit statt. Nebst diesem festen und wiederkehrenden Angebot fanden verschiedene Veranstaltungen auf Anfrage statt. Einerseits veranstaltete die Bibliothek in der Pilotphase mehrere Kurzinputs für Interessierte an einem Bibliotheksstandort. Während der Bibliotheksveranstaltung „Lange Nacht“ wurden mehrere Kurzworkshops zu Schreibthemen angeboten. Andererseits meldeten sich Dozierende aus verschiede-
1 Zur Informationskompetenz der UB Bern vgl. Güntzel, Lennart: Informationskompetenz institutionell verankern am Beispiel der Universitätsbibliothek Bern. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 269–276; für andere Beispiele zu Schreibberatung und Informationskompetenz vgl. Klein, Annette u. Angela Leichtweiß: Nach dem Happy End: Vermittlung von Informationskompetenz an der UB Mannheim 2017 (und darüber hinaus). In: 50 Jahre UB Mannheim: Entwicklung und Perspektiven. Hrsg. von Christian Hänger [u. a.]. Mannheim: Mannheim University Press 2017. S. 189–203, hier S. 198; Heller-Künz, Helene u. Brigitte Mayer: Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek. Das Schreibzentrum der Bibliothek der FH Vorarlberg. Ein Praxisbericht. In: Bibliothek – Forschung und Praxis 40 (2016) H. 3. S. 370–374.
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nen Fächern, um den Schreibberater für eine kurze Vorstellung oder einen Workshop innerhalb einer Lehrveranstaltung einzuladen.
Eine Vielzahl an Werbemaßnahmen Weil es sich bei „Der Schreibberater“ um ein Angebot handelte, das so in der UB Bern oder Universität Bern einmalig war, wurde es entsprechend breit beworben. Zusammen mit dem Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit der UB Bern wurde die Werbung gestaltet. Folgende Werbekanäle nutzte die UB Bern gezielt in der Pilotphase: – Printmedien: Postkarten-Flyer; Plakate; ein Flyer zu den Kursen rund ums wissenschaftliche Schreiben. – Elektronische Medien: Eine Webseite für das Angebot mit Links zu den Kurswebseiten; Informationen über verschiedene Social Media Kanäle der UB Bern; Informationen zum Beratungsangebot auf Info-Screens in mehreren großen Bibliotheksfilialen; Werbung im UB-Newsletter und über eine Mailingliste eines Instituts; Bewerbung von Veranstaltungen auf anderen Webseiten universitärer Einrichtungen. – Veranstaltungen/persönliche Information: eine bibliotheksinterne Veranstaltung zur Information der Angestellten; die oben genannten Kurzinformationsveranstaltungen in einer Bibliotheksfiliale und Auftritte bzw. Information in Fachveranstaltungen für Studierende und Doktorierende2; Werbung durch die FachreferentInnen der UB Bern in den jeweiligen Instituten. Während diese Werbemaßnahmen lanciert wurden, informierte der Schreibberater die eigenen Kontakte innerhalb der Universität und knüpfte neue Kontakte zu bestehenden Angeboten und Einrichtungen (Beratungsstelle etc., siehe oben). Das geschaffene Netzwerk zu Dozierenden und Dienstleistenden sollte Überschneidungen verhindern helfen und Synergien schaffen. So sollte es beispielsweise möglich sein, Ratsuchende weiter zu verweisen, falls deren Anliegen nicht im Rahmen der Schreibberatung bearbeitet werden können. Eine sichtbare Präsenz in der Bibliothek wurde zwar von Anfang an als Werbemaßnahme angestrebt, konnte jedoch in den ersten eineinhalb Jahren nicht optimal umgesetzt werden. In dieser Zeit fand die Sprechstunde in einem Gruppenraum in der bis dato neuesten Bibliothek statt. Der Gruppenraum befand sich jedoch hinter Regalen, was den Blick auf den Raum erschwerte. Abgesehen von den Info-Screens
2 Vgl. Alire, Camila A.: Word-of-mouth marketing: abandoning the academic library ivory tower. In: New Library World 108 (2007) H. 11/12. S. 545–551, die solche Veranstaltungen und Auftritte zum Word-of-mouth-Marketing zählt.
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außerhalb des Bibliothekseingangs verwiesen Plakate an Wänden (dauerhaft) und auf Stelen (am Tag der Sprechstunden) die BibliotheksbesucherInnen auf das Angebot. Mit dem Umzug der Sprechstunden in eine andere Bibliotheksfiliale konnte die Sichtbarkeit wesentlich erhöht werden. Am neuen Standort steht ein Gruppenraum direkt beim Bibliothekseingang und der Ausleihe bereit. Der Info-Screen, eine Plakatstele und weitere Aushänge am Tag der Sprechstunden führen die Ratsuchenden und Interessierten direkter zum Schreibberater.
Wirkung der Werbemaßnahmen Die Werbemaßnahmen erreichten zu Beginn der Pilotphase mehr Ratsuchende als erwartet. Die Sprechstunde wurde in den beiden Jahren ungefähr gleich oft (62 bzw. 67) und von ungefähr gleich vielen Personen in Anspruch genommen (46 bzw. 52). Obschon die Zahlen erfreulich waren, wurde die Kapazität des Schreibberaters noch nicht zur Hälfte ausgeschöpft. Die Sprechstunde wurde vor allem von Bachelor- und Masterstudierenden genutzt. Doch auch Promovierende, Weiterbildungsstudierende und Dozierende bzw. Forschende nahmen das Angebot in Anspruch. Während das erste Pilotjahr bei den drei großen Workshops zufriedenstellend anlief (insgesamt 89 Teilnehmende), sanken die Teilnehmendenzahlen im zweiten Jahr (insgesamt 38). Mehrere Workshopdurchführungen mussten mangels Anmeldungen abgesagt werden. Eine ähnliche Entwicklung ergab sich für den Kurzworkshop „SchreibFit“. Dieser wurde im Frühlingssemester des zweiten Pilotjahres gut besucht (16 von möglichen 20 Teilnehmenden), während er im darauffolgenden Herbstsemester mehrmals ausfiel oder nur wenige Teilnehmende verzeichnete (insgesamt drei). Der Feedback-Workshop, der erstmals im Herbstsemester des zweiten Jahres angeboten wurde, konnte mangels Anmeldungen nicht durchgeführt werden. Die Situation im anlaufenden, dritten Jahr des Angebots (zum Zeitpunkt der Niederschrift) hat sich nicht verändert. Die Auftritte in Lehrveranstaltungen und die zusätzlichen Workshops, unter anderem in Fachveranstaltungen, erreichten teilweise mehr Personen als die regulären Schreibworkshops. Dadurch wurden wiederum Personen aufmerksam, die danach das Angebot nutzten. In der Evaluation der Workshops wurde unter anderem erhoben, auf welchem Weg die Teilnehmenden auf das Angebot gestoßen sind. Einerseits führten die Werbemaßnahmen der UB Bern einige Personen in die Workshops, d. h. über die Webseite, Aushänge, den Newsletter, Besuche von Lehrveranstaltungen des Schreibberaters und den direkten Kontakt mit diesem. Andererseits wurden Teilnehmende über KommilitonInnen, Dozierende und Institutsnewsletter auf das Workshop-Angebot aufmerksam. Da die Teilnehmenden freiwillig die Evaluation ausfüllten und
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nicht immer alle dies taten, gibt es keine verlässlichen Zahlen zu den genannten Informationswegen. Es zeigt sich jedoch, dass sowohl von der UB Bern gesteuerte Informationswege als auch davon unabhängige eine Rolle spielen.
Resonanz und Wahrnehmung des Angebots Kursteilnehmende und Ratsuchende in der Sprechstunde äußerten sich positiv zum Angebot. Einige fanden, es ergänze das Betreuungsangebot im Fach, während andere einen Mangel an Schreibunterstützung im Fach bemängelten und deshalb die Schreibberatung in Anspruch nahmen. Wiederum andere schätzten das neutrale Angebot, das nicht an Institute gebunden ist. Bisher hat sich niemand kritisch oder negativ zur Schreibberatung geäußert. Die positive Resonanz der Ratsuchenden bestätigt also den Bedarf an Schreibberatung und dessen Rolle als ergänzende oder teilweise einzige Schreibunterstützung. Ein Problem gibt es jedoch bei der Wahrnehmung des Angebots durch Studierende (und auch Dozierende). Ratsuchende haben verschiedentlich davon gesprochen, dass sie unsicher waren, ob sie tatsächlich spontan in die Sprechstunde kommen könnten, da sie meinten, sie müssten warten (einige davon vereinbarten zur Sicherheit einen Termin). Die Wahrnehmung des Angebots steht also in Kontrast zur Realität: Studierende meinen, dass viele Studierende das Angebot in Anspruch nehmen und deshalb die Kapazitäten des Schreibberaters ausgeschöpft seien. Demgegenüber steht die Realität, in der nicht die Hälfte der zeitlichen Kapazität ausgelastet ist. Darüber hinaus ist es in den zwei Pilotjahren nur wenige Male vorgekommen, dass Ratsuchende draußen warten mussten, bis sie an der Reihe waren. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Studierende den Besuch der Schreibberatung aufschieben oder ganz auslassen. Ein anderer Grund, wie von einer Ratsuchenden geäußert, ist die Hemmung, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Über die eigenen Schreibschwierigkeiten mit einer fremden Person zu sprechen, fordert von einigen Studierenden Überwindung. Haben sie die Beratung aber dann besucht, schätzen sie genau diese Möglichkeit. Sie bedauern, dass das Handwerk „Schreiben“ kaum im Studium zur Sprache gebracht wird. Umso mehr schätzen sie das Angebot, weil es unabhängig von der Betreuungsperson oder dem Institut organisiert und vertraulich gehalten wird.
Indirekter Weg zum Zielpublikum Das Ziel der Schreibberatung an der UB Bern besteht nicht darin – und ebenso wenig in anderen Bibliotheken –, möglichst viele Studierende, Promovierende und Forschende in die Sprechstunde oder die Workshops zu holen. Das Ziel sollte aber
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darin bestehen, möglichst viele Personen über das Angebot zu informieren, so dass sie entscheiden können, ob sie davon Gebrauch machen wollen. Wer aber nicht darüber informiert ist und nicht bereits über ein ausgeprägtes Problembewusstsein in Sachen Schreiben verfügt, kann auch keine Wahl treffen. Die Person wird weiter mit diffusen Problemen kämpfen, für die sie keine Lösungswege kennt. Wie also erreicht man eine Großzahl an interessierten Personen? Diese Frage beschränkt sich selbstverständlich nicht auf die Schreibberatung, die in der Bibliothek angesiedelt ist; andere Bibliotheksangebote stehen vor einer ähnlichen Herausforderung. Die oben dargestellten Werbemaßnahmen gehören ohne Zweifel mit zum Werbeportfolio einer Bibliothek. Doch es braucht auch einmalige oder wiederkehrende Maßnahmen, um neue Aufmerksamkeit zu schaffen. Dabei müssen nicht unbedingt nur die Studierenden als Zielgruppe direkt adressiert werden, sondern es können ebenso indirekte Wege genutzt werden. Der nächstliegende Weg dürfte der über die Lehrenden sein. Anstatt jedoch darauf zu warten, dass die Lehrenden von sich aus das Bibliotheksangebot nutzen – darauf verweisen, individuell eine Schreibberatung anraten, einen Auftritt des Schreibberaters in einem Kurs organisieren –, kann die Bibliothek auf diese zugehen.
Werbung via Lehrende Die Bibliothek kann mittels gezielt adressierter Information versuchen, die Lehrenden vom Nutzen der Angebote zu überzeugen. Sie muss aufzeigen, dass die Lehrenden sich selbst und den Studierenden einen Dienst erweisen, wenn sie die Angebote kennen und diese einbinden. Dazu müssen Argumente entwickelt werden, weshalb die Bibliotheksangebote wie die Schreibberatung (aber auch z. B. die Rechercheberatung oder Einführung in die Literaturverwaltung) die Lehrenden bei ihrer Lehrund Beratungsarbeit unterstützen. Denn wie sich im Austausch mit Lehrenden zeigt, sind sie nicht nur mit Fachfragen konfrontiert, sondern auch mit solchen, die das wissenschaftliche Schreiben im Allgemeinen betreffen. Die Schreibberatung soll nicht die Fachberatung ersetzen, sondern kann Abhilfe schaffen, wenn Anliegen oder Probleme der Studierenden in der Beratung durch eine Lehrperson nicht geklärt werden können (z. B. wegen Zeitmangel oder ungenügender/fehlender Kompetenzen). Den Weg auch über die Lehrenden einzuschlagen, könnte im Idealfall unter anderem drei Nebeneffekte haben. Erstens werden die Lehrenden auf das Thema Schreiben als Beratungsthema aufmerksam, wodurch sie im besten Fall für entsprechende Anliegen hellhöriger werden. Zweitens zeigen sie den Studierenden mit dem Verweis auf die Angebote der Bibliothek, dass deren Nutzung nicht sanktioniert wird oder gar ein Tabu darstellt. Vielmehr akzeptieren sie, auch wenn vielleicht nur
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unbewusst, dass es in Ordnung geht, professionelle Unterstützung beim wissenschaftlichen Schreiben zu suchen.3 Drittens fällt es ihnen leichter, ihre Kernkompetenzen einzusetzen und Anliegen zu delegieren, für die sie sich nicht zuständig fühlen. Sie stecken dadurch ihr Kompetenzgebiet klarer ab und schaffen sich neue Freiräume.4 Bei der Bewerbung des Angebots für Lehrende soll nicht in Frage gestellt werden, dass diese nicht auch Schreibkompetenzen vermitteln und Schreibanliegen beraten könnten. Wenn es um fachliche Fragen des Schreibens geht, sind sie stets die erste Anlaufstelle. Für alles andere, das überfachlichen Charakter hat, kann aber die Schreibberatung kompetent unterstützen und das unabhängig von Lehrenden, im Sinne einer Drittperspektive, und einer zukünftigen Bewertung.5
Fazit Die Schreibberatung als neues Angebot der UB Bern kommt bei Studierenden und Lehrenden positiv an. Es gilt jedoch auch in Zukunft herauszufinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln das Zielpublikum – Personen, die beim wissenschaftlichen Schreiben Rat benötigen – am effektivsten erreicht werden kann. Ein Portfolio an direkten und indirekten Werbemaßnahmen muss erprobt und angepasst werden, will man die wechselnde und sich verändernde Klientel ansprechen.
3 Wymann, Christian: Schreibmythen entzaubern. Ungehindert schreiben in der Wissenschaft. Opladen [u. a.]: Verlag Barbara Budrich 2016 (UTB 4660). 4 Thomann, Geri [u. a.] (Hrsg.): Zwischen Beraten und Dozieren. Praxis, Reflexion und Anregungen für die Hochschullehre. Bern: hep verlag 2011 (Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung 2). 5 Everke Buchanan, Stefanie u. Heike Meyer: Wissenschaftliches Schreiben lernen – integriert im Fach. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung 11 (2016) H. 2. S. 45–61, hier S. 56; Rotzal, Tina u. Dominik Schuh: Grundlagenlehre: Bibliotheken als Vermittler wissenschaftlicher Arbeitstechniken, Werte und Normen. In: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal 3 (2016) H. 4. S. 61–74, hier S. 67.
Gabriele Fahrenkrog, Rudolf Mumenthaler und Karsten Schuldt
Schreiben im digitalen Raum Abstract: Im vorliegenden Beitrag beschreiben die Autorinnen und Autoren ihre Erfahrungen mit Methoden und Tools, die sie selbst und in Kursen zum Schreiben im digitalen Raum eingesetzt haben. Sie gehen der Fragen nach, wie solche Methoden und Tools in der Bibliothekspraxis verwendet werden können und inwiefern diese von Mitarbeitenden zur Schreibunterstützung von Studierenden genutzt werden können. Schlüsselbegriffe: Hochschulbibliothek, kollaboratives Arbeiten, Methoden, Werkzeuge, Praktiken Kurzbiografien: Gabriele Fahrenkrog, (J&K – Agentur Jöran und Konsorten, Redaktion OERinfo) ist Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerin (MA) und interessiert sich besonders für alle Aspekte des Zugangs zu offenen Informationen und Ressourcen im Internet. Sie ist Herausgeberin und Redaktionsmitglied bei der informationswissenschaftlichen Open Access Zeitschrift Informationspraxis und schreibt als Informationswissenschaftlerin über Bibliotheken und OER im Blog biboer ([email protected]) Rudolf Mumenthaler, seit 2017 Direktor der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, 2012–2017 Dozent für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur, zuvor Leiter Innovation und Marketing an der ETH-Bibliothek, Herausgeber und Redaktionsmitglied bei der Informationspraxis, (www.ruedimumenthaler.ch). Karsten Schuldt, wissenschaftlicher Mitarbeiter (Bibliothekswissenschaft) HTW Chur, Redakteur LIBREAS.Library Ideas, (www.karstenschuldt.info).
Einleitung Wir gehen vom Grundsatz aus, dass man nur Fertigkeiten weiter vermitteln kann, wenn man sie selbst beherrscht. Entsprechend müssen Bibliotheksmitarbeitende, die Studierenden Schreibunterstützung bieten, die Technik des wissenschaftlichen Schreibens beherrschen und eigene Erfahrungen einbringen können. Wenn wir hier auf das Schreiben im digitalen Raum eingehen, sprechen wir also von der seitens der Bibliotheksmitarbeitenden benötigten „digital literacy“, der digitalen Medien-, Informations- und Publikationskompetenz. Es gibt dafür weder einen passenden deutschen Begriff noch eine klare Definition. Aber es gibt dafür eine Definition der IFLA:
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We use the term ‚digital literacy‘ to describe the ability to harness the potential of digital tools. IFLA promotes an outcome-orientated definition – to be digitally literate means one can use technology to its fullest effect – efficiently, effectively and ethically – to meet information needs in personal, civic and professional lives.1
Darunter wird hier die Fähigkeit verstanden, mit digitalen Tools, mit Software und Hardware umzugehen und diese gezielt für die Recherche, kollaborative Bearbeitung und Publikation von Information einzusetzen. Das Team von Autorinnen und Autoren setzt für den aktuellen Schreibprozess für diesen Beitrag die Kollaborationsplattform GoogleDocs ein. Es hat sich früher in der Zusammenarbeit in anderen Schreibprojekten, im ganzen Prozess, bis hin zur Redaktion und mehrfachen Überarbeitung eines Textes und zur Diskussion von unklaren Stellen oder zum Austragen von Meinungsverschiedenheiten sehr gut bewährt. Man braucht dafür wirklich wenig spezifisches Know-how. Auch für „digitale Immigrant*innen“ erschliesst sich Google Docs intuitiv. Die Tools selbst stellen häufig keine allzu hohen Anforderungen: Ein Etherpad ist deutlich einfacher zu handhaben als Microsoft Word. Sogar ein Blog kann nach seiner Einrichtung ohne spezifische Kenntnisse bedient werden. Wir werden im Beitrag auf einige Tools eingehen, doch liegt der Schwerpunkt weniger in einer Anleitung für deren Bedienung, sondern mehr in der Diskussion von Einsatzmöglichkeiten. Welche Aufgaben im Schreib- und Publikationsprozess werden mit welchen Tools und Methoden unterstützt? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sie erfolgreich eingesetzt werden? In einem ersten Teil gehen wir darauf ein, wie angehende Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Studium zum Schreiben ermutigt werden können. Anschliessend verlegen wir den Schwerpunkt auf Erfahrungen und Möglichkeiten, wie das Schreiben bei Bibliothekarinnen und Bibliothekare in ihrem Berufsalltag gefördert werden kann.
Schreibunterstützung in Ausbildung und Bibliothekspraxis Als Dozierende gehört für uns die Schreibkompetenz klar zu den Anforderungen eines Hochschulstudiums, auch an einer Fachhochschule. Entsprechend haben wir – Karsten Schuldt und Rudolf Mumenthaler – in verschiedenen Modulen mit unterschiedlichen Inhalten und unter Einsatz unterschiedlichster Tools Studierende im Schreiben von Texten gefördert. Neben der Nutzung von Tools ist vor allem auch das Lesen wissenschaftlicher Texte wichtig, um das wissenschaftliche Schreiben zu lernen. Ein Aspekt, der leider in der bibliothekarischen Praxis oft vernachlässigt
1 IFLA Statement on Digital Literacy (18 August 2017). https://www.ifla.org/publications/node/ 11586 (Stand: 12.07.2018).
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wird. Damit das Schreiben von Abschlussarbeiten geübt werden kann, haben wir fast alle Leistungsnachweise als schriftliche Arbeit konzipiert. Dabei haben wir öfters feststellen müssen, dass der Besuch des im Studium an unserer Hochschule angebotenen Moduls Wissenschaftliches Arbeiten keine genügende Grundlage dafür lieferte. Der Unterricht in diesem Fach beschränkt sich zu oft auf Formalia (wie zum Beispiel Zitierstile) und ging zu wenig auf das praktische Üben ein. Wenn dann Leistungsnachweise aus längeren Texten bestehen, ist das konstruktive Feedback besonders wichtig. Nach der Ausbildung in der Berufspraxis kann man sich eine erfahrene Kollegin suchen, die die eigenen Schreibversuche gegenliest und ein Feedback gibt. Und man muss es nicht unbedingt so machen, wie Rudolf Mumenthaler es einmal getan hat: Er hat ganz gewohnheitsmässig den vom Kollegen geschickten Text mit Rotstift verbessert. Dies ist dann eher korrigierend-bewertend angekommen als unterstützend. Ein Dokument im Überarbeitungsmodus ist da schon etwas diskreter. Es muss jedoch nicht unbedingt eine wissenschaftliche Abhandlung sein. Schreiben lernt man anhand unterschiedlicher Texte und Formate, deshalb rufen die beiden Zeitschriften, an denen wir beteiligt sind (Informationspraxis und LIBREAS. Library Ideas) öfters zu Einreichung von Berichten, Essays oder andere Textformen auf. Wichtig scheint uns die regelmässige Schreibpraxis, auch nach dem Studium, um die Fähigkeiten zum Verfassen längerer Arbeiten aktiv zu halten. Ein solches häufiges Schreiben hilft auch den – sowohl bei Studierenden als auch Bibliothekarinnen und Bibliothekaren oft perpetuierten – Mythos, dass wissenschaftliches Schreiben schwierig oder voraussetzungsvoll wäre, anzugehen. Und dafür eignen sich wiederum verschiedene Plattformen und Tools sehr gut.
Lerntagebücher und Blogs Felix Lohmeier hat für seinen Unterricht im Fach Bibliotheks- und Archivinformatik an der HTW Chur im Herbstsemester 2017 Lerntagebücher in Form von Blogs als Leistungsnachweis eingesetzt. Nicht nur er als Dozent sondern auch die Studierenden haben damit durchaus positive Erfahrungen gemacht. Vorgegeben war nur das Format eines Blogs. Die Studierenden haben diese Blogs dann auf verschiedenen Plattformen selbst eingerichtet. „Als Prüfungsleistung schreiben Studierende öffentliche Lerntagebücher, in denen sie von ihren Erkenntnissen berichten und sich mit dem Inhalt des Seminars auseinandersetzen. Thematisch relevante Beiträge werden in den jeweiligen Kapiteln im Skript verlinkt.“2
2 Lohmeier, Felix: Kurs Bibliotheks- und Archivinformatik. https://legacy.gitbook.com/book/felixlohmeier/kurs-bibliotheks-und-archivinformatik/details (Stand: 07.11.2018).
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Die Bachelorstudentin Elena C. beschreibt ihre Erfahrung mit den Lerntagebüchern folgendermassen: Ich fand es auch gut, dass wir als Leistungsnachweis Blogbeiträge schreiben durften. Dies hat dabei geholfen, sich nach dem Unterricht erneut mit dem Stoff auseinanderzusetzen und sich Gedanken über das Gelernte zu machen. Damit man es in eigenen Worten und in einem eigenen Stil wiedergeben konnte. […] Ich wusste immer was ich schreiben wollte und konnte die Blogbeiträge schnell zusammentragen.3
Franziska N. beurteilte die Lerntagebücher ebenfalls positiv: Eine super Idee fand ich diese Lerntagebücher. Das Schreiben der Blogs geschah immer sehr schnell und durch die Repetition ist mir der Inhalt des Kurses auch noch heute bekannt. Ich würde diese Art von Prüfungsleistung auch in anderen Kursen begrüssen.4
Und Aline S. schreibt: Wie schon am Anfang angetönt, fand ich den Leistungsnachweis besonders toll! […] Mit diesem Blog habe ich gelernt, mich wirklich mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Zudem habe ich auch Themen, welche auf den ersten Blick für mich beinahe unlösbar schienen, mithilfe des Unterrichts und dem nachträglichen Aufarbeiten für einen neuen Blogpost verstanden. Und mit dem Lesen der anderen Blogposts konnte man sein Wissen noch einmal besser vertiefen, was bei ‚normalen‘ Leistungsnachweisen nicht wirklich möglich ist.5
Diese Lerntagebücher in Form von Blogs haben also verschiedene Aufgaben erfüllt: Zum einen hilft die Aufbereitung als Publikation beim Verständnis des Unterrichts, zum anderen übt man damit das Verfassen von Blogbeiträgen. Beides hat die Studierenden überzeugt. Wie könnte dieses Konzept in die Bibliothekspraxis übernommen werden? Man könnte ein internes Blog aufsetzen, in dem die Mitarbeitenden zum Beispiel Beiträge über besuchte Kongresse und Vorträge veröffentlichen. Anstelle eines Blogs kann auch ein Wiki zu diesem Zweck aufgesetzt werden. Damit könnten Bibliotheksmitarbeitende sich auch vertiefte Kenntnisse im Umgang mit Wikis aneignen. Das wäre dann eine weitere digitale Kulturtechnik neben dem Blog.
3 Elena Capelli: Elena’s Discovery. Eine Entdeckungsreichse durch die Bibliotheks- & Archivinformatik. https://elenasdiscovery.wordpress.com/ (Stand: 07.11.2018). 4 Franziska N.: This is it, Folks. https://bainblogweb.wordpress.com/2018/01/31/this-is-it-folks/ (Stand: 07.11.2018). 5 Aline S.: Auch eine schöne Reise hat ein Ende. https://alinesbiblio.wordpress.com/2018/01/31/ auch-eine-schoene-reise-hat-irgendwann-ein-ende/ (Stand: 07.11.2018).
Schreiben im digitalen Raum
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Arbeiten mit Wikis Im Herbstsemester 2018 setzen wir in einem Projektkurs der HTW Chur zu einer regionalen Online-Plattform ein Wiki (Wikimedia) ein. Ziel ist es, dass die Studierenden die Plattform strukturieren, mit Inhalten befüllen und so einen Einstieg in digitale Sammlungen verschiedener regionaler Institutionen bieten. Wir (Dozenten Benjamin Flämig und Rudolf Mumenthaler) setzen dabei ganz bewusst eine offene Plattform ein, damit die Studierenden auch das Bearbeiten eines Wikis und das Schreiben von unterschiedlichen Beiträgen in einem Wiki lernen und üben können. Wir gehen davon aus, dass dies eine wichtige Grundlage für ihre künftige Arbeit bietet. Über Erfahrungen kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht berichtet werden. Bibliotheken engagieren öfters Wikipedian in Residence, um ihre eigene Präsenz auf Wikipedia zu verbessern. Nachhaltig ist ein solches Engagement besonders dann, wenn Mitarbeitende in der Bearbeitung von Wikipedia-Beiträgen geschult werden und sie diese dann selbst übernehmen.
Unterrichtsdokumentation im Pad Von 2012–2015 organisierte die HTW Chur das Infocamp, ein Barcamp zu Informationswissenschaft. Als Dozierende bauten wir dieses alternative Format Barcamp in den Unterricht zum Thema „Aktuelle Trends“ ein. Die Studierenden nahmen an den Sessions teil und hatten die Aufgabe, diese in einem Etherpad – einem webbasierten Texteditor zur kollaborativen Arbeit an Texten – zu dokumentieren (http:// etherpad.org). Etherpad ist auf einer wachsenden Zahl von Servern installiert, wobei bei diesen Installationen nicht immer sichergestellt ist, dass sie langfristig erhalten bleiben. So hat die Open Knowledge Foundation ihr beliebtes Pad6 kürzlich eingestellt. Deshalb sind die 2015 im Rahmen des an der HTW Chur veranstalteten Infocamps angelegten Pads heute zwar noch zu lesen, aber nicht mehr editierbar.7 Beim Etherpad sticht hervor, dass mehrere Personen gleichzeitig im selben Text arbeiten können. Jeder Autor, jede Autorin wird mit einer anderen Farbe hinterlegt, wobei die Angabe eines Namens fakultativ ist. Mit Hilfe des Pads konnten sich die Studierenden in der Dokumentation abwechseln und während der Session die Arbeit koordinieren. Dieses neue Schreiberlebnis stiess auf Interesse und Zustimmung. Zum Schluss kann das Dokument als HTML, Word, ODT oder PDF exportiert wer-
6 OKI Pad shutdown. https://pad.okfn.org/ (Stand: 07.11.2018). 7 Ein Beispiel aus dem Infocamp 2015 findet sich hier: Estermann, Beat [u. a.]: Herausforderungen bez. Open Data für Informationseinrichtungen. https://pad.okfn.org/p/Infocamp15_Session1_Raum3 (Stand: 07.11.2018).
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den. Angesichts der unsicheren langfristigen Verfügbarkeit der Texte ist dieser Export und die Ablage auf einem sicheren Speicher sehr zu empfehlen. Eine weiterhin aktive Etherpad-Installation findet sich auf etherpad.net.8 Das Pad kann auch für Übungen im Unterricht (oder Projektarbeit in Bibliotheken) eingesetzt werden, zum Beispiel um Resultate einer Recherche zusammenzutragen. Ein Vorteil besteht darin, dass die Studierenden die Dokumentation gleich selber schreiben. Die so verfassten Texte sind in der Regel eher einfach.
Schreibwerkstatt an der Inetbib-Tagung Schreiben sollte sich nicht nur auf das Studium beschränken, sondern gerade in der Berufspraxis weitergeführt werden. Es ist nicht nur ein Instrument zum Lernen, sondern auch zum Reflektieren und Präsentieren der alltäglichen Arbeit. Das schon genannte Pad sollte auch schon zum Verfassen eines kollaborativ erstellten Tagungsberichts eingesetzt werden. Dies bezweckten jedenfalls Lambert Heller, Karsten Schuldt und Rudolf Mumenthaler an der Inetbibtagung 2016. Die Informationspraxis berichtete über dieses Ansinnen: An der 13. Inetbib-Konferenz in Stuttgart haben Kollegen von der LIBREAS (Karsten Schuldt) und von der Informationspraxis (Lambert Heller und Rudolf Mumenthaler) eine Schreibwerkstatt durchgeführt. Den Workshopleitern ging es darum, Hürden beim Schreiben von Beiträgen für Fachzeitschriften abzubauen und zum Schreiben zu ermutigen. Auch alternative Formen der Publikation kamen zur Sprache, wie Blogs und Wikis. […] Als Übung wurde vorgeschlagen gemeinsam einen Konferenzbericht über die Inetbib-Tagung zu schreiben. Dazu wurde ein sogenanntes Pad angelegt, das kollaboratives Schreiben ermöglicht. Somit sind die Teilnehmenden der 13. Inetbib-Tagung auch auf diesem Weg aufgefordert, sich an diesem Tagungsbericht zu beteiligen.9
Ein Blick ins Pad10 belegt, dass der Versuch missglückte. Es fand sich bloss ein Kollege, der nach dem Workshop die Mühe auf sich nahm, einen Bericht zu einem Vortrag zu veröffentlichen. Wie dieses Beispiel zeigt, sind die technischen Mittel vorhanden, für erfolgreiche Schreibprojekte bedarf es aber weiteres Engagement.
8 Schreiben mit Etherpad. https://etherpad.net/p/schreibunterstützung (Stand: 07.11.2018). Oder HackMD. Buodl a community with open collaboration. https://hackmd.io/ (Stand: 07.11.2018). 9 Schuldt, Karsten, Ruedi Mumenthaler u. Lambert Heller: Schreibwerkstatt in der Inetbid-Tagung. http://informationspraxis.de/2016/02/24/schreibwerkstatt-an-der-inetbib-tagung/ (Stand: 06.11.2018). 10 Hochstein, Juliane, Rudolf Mumenthaler u. Norbert Gillmann: Bericht zur Inetbib-Tagung 2016. https://pad.okfn.org/p/inetbib2016_Bericht (Stand: 07.11.2018).
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Verfassen von Zeitschriftenartikeln Deutlich aufwändiger als die doch eher einfachen Publikationsformate Blog, Pad und Wiki sind ausgereifte Zeitschriftenartikel. Zum einen eignen sich die Ergebnisse von Seminaren oder Projektkursen häufig sehr gut für eine Publikation. Allerdings besteht im Studienalltag das Problem, dass ein solcher Beitrag meistens erst nach dem Semesterende geschrieben werden kann. Somit wäre es für Studierende eine freiwillige zusätzliche Leistung, die nicht mit Kreditpunkten honoriert werden kann. Entsprechend schwierig ist die Motivation der Studierenden gerade während der Ferien. Mehrere Seminarberichte haben deshalb die Dozenten Schuldt/Mumenthaler selbst verfasst. In diesen ist natürlich der Lerneffekt für die Studierenden gering. Im Seminar zum Thema Inklusion in Gedächtniseinrichtungen im Frühjahrssemester 2018 ist dies gelungen: Im Oktober 2018 wurde ein Beitrag von neun Studierenden und dem Dozenten Karsten Schuldt bei der Informationspraxis eingereicht.11 Die Redaktionen der Open Access-Zeitschriften aus dem Bibliotheksbereich betonen alle, dass sie gerne Unterstützung beim Verfassen von Texten anbieten. Auch das Open-Peer-Review-Verfahren der Informationspraxis dient weniger dem Abweisen weniger gut gelungener Beiträge, sondern viel mehr der Qualitätssteigerung. Entsprechend kann im Namen der Redaktionen an dieser Stelle dazu ermuntert werden, einen Bericht aus der Berufspraxis oder über ein Projekt einzureichen. Das Schreiben selbst ist zusammen mit einem konstruktiven Feedback der Gutachter eine ausgezeichnete Übung. Mehrfach ist es uns als Dozierende gelungen, Studierende zu einer Kurzfassung ihrer Bachelorarbeit zu motivieren, die dann als Artikel in einer Fachzeitschrift erschien, vorwiegend in der Informationspraxis.12 Die Kurzfassung der Bachelorarbeit war dabei eine ausgezeichnete Übung, um die Ergebnisse auf den Punkt zu bringen. Und im Endeffekt haben diese Beiträge durch die zusätzliche Publikation eine bedeutend höhere Aufmerksamkeit erhalten. Die Hoffnung besteht, dass diese Studierenden dann auch in der Berufspraxis öfters ihre Erkenntnisse in Form von Publikationen mit der Community teilen. Während sich dies für Abschlussarbeiten – die ja alle Antworten auf eine Forschungsfrage liefern sollen – anbietet, wäre es Aufgabe von Bibliotheken ihr Perso-
11 Schuldt, Karsten, Azra Bekiri, Jin Chei, Meltem Dincer, Sigrid Freudl, Johannes Hafner, Sinan Meral, Ronnie Vogt, Vrushali Wyssmann, Sabrina Zaugg: Inklusion in Gedächtniseinrichtungen in der Schweiz: Ein Seminarbericht. 12 Humbel, Marco: Open Data an Wissenschaftlichen Bibliotheken der Schweiz. https://doi.org/ 10.11588/ip.2017.1.34621 (Stand: 07.11.2018); Schultze, Simon: Videospielturniere in öffentlichen Schweizer Bibliotheken. https://doi.org/10.11588/ip.2016.1.27337 (Stand: 07.11.2018); Zehnder, Salome: Fotobefragung in Bibliotheken – Methode zur Erhebung schwer operationalisierbarer Nutzerbedürfnisse wie „Gemütlichkeit“. https://doi.org/10.11588/ip.2017.1.33575 (Stand: 07.11.2018).
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nal dazu anzuhalten, auch über andere Themen aus dem Berufsalltag (Projekte, Beobachtungen, Überlegungen, Denkschriften) zu publizieren. Eine Beratung zum Schreibprozess benötigt eigene Erfahrung in diesem. Ansonsten beschränkt sich die Unterstützung auf Beratung zu Formalia.
Open Educational Resources: Wie verändern sie das Schreiben und Publizieren in der Lehre? Für Lehrende und Lernende an Hochschulen ist das Produzieren, Bearbeiten und Veröffentlichen bzw. Bereitstellen von Lehr- und Lernmaterialien Alltag. Für Lehrbücher und Semesterapparate, Skripte und Handouts, Präsentationen, Übungen und Videos werden außerdem digitale Formen und Verbreitungswege zunehmend von der Ausnahme zum Standard. Die Digitalisierung fordert ganz neue Kompetenzen der Zusammenarbeit und der Kommunikation. Damit einher geht auch eine neue Qualität der Interaktion zwischen Menschen. Sie können Informationen nicht nur speichern, bearbeiten und austauschen, sondern sie können zugleich offen miteinander interagieren und auf vielfältigste Art und Weise in Beziehung treten. Mit Open Educational Resources (OER) verändern sich die Prozesse des Schreibens und Publizierens, denn dem Konzept von OER ist das Verändern, Bearbeiten und Remixen inhärent. Daher eignet sich kaum ein Thema so sehr für die Erprobung und Etablierung kollaborativer Arbeits-, Schreib- und Lernprozesse, wie OER. Was aber ändert sich wie für Lehrende und Lernende mit OER? Was verändert sich beim Schreiben und Publizieren an Hochschulen durch freie Bildungsmaterialien? Welche Rolle nehmen Bibliotheken an Hochschulen bei diesen veränderten Rahmenbedingungen ein und wie können Bibliotheken Lehrende und Lernende unterstützen?
Was ist OER? Open Educational Resources (OERs) are any type of educational materials that are in the public domain or introduced with an open license. The nature of these open materials means that anyone can legally and freely copy, use, adapt and re-share them (vgl. Abb. 1). OERs range from textbooks to curricula, syllabi, lecture notes, assignments, tests, projects, audio, video and animation.13
13 Unesco: Open Educational Resources (OER). http://www.unesco.org/new/en/communicationand-information/access-to-knowledge/open-educational-resources/what-are-open-educational-resources-oers/ (Stand: 08.11.2018).
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Verbreitet werden die Prinzipien von David Wileys „5R“14 zugrunde gelegt, die Nutzenden und Nachnutzenden von OER folgende Rechte zusprechen: – Retain – das Recht, Kopien zu erstellen und zu besitzen mit Kontrolle über deren Vervielfältigungsprozess, – Reuse – das Recht, den unveränderten Inhalt vielfältig weiter zu verwenden (z. B. in einer Studiengruppe, auf einer Webseite, in einem Video), – Revise – das Recht, den Inhalt anzupassen, zu bearbeiten, zu modifizieren und zu verändern (z. B. durch Übersetzung in eine andere Sprache), – Remix – das Recht, den unveränderten oder veränderten Inhalt mit anderen offenen Inhalten zu kombinieren, um etwas Neues zu erschaffen, – Redistribute – das Recht, Kopien des unveränderten oder veränderten Inhalts, der Bearbeitungen, der Remixe mit anderen zu teilen.15
Warum OER? Laut UNESCO16 verfügen OER über die Chance „zur Förderung von Bildung für alle Menschen weltweit“ und „das Potenzial, Bildungsqualität zu verbessern sowie Dialog, Verbreitung von Wissen und Kapazitätsaufbau zu fördern“. Eine globalisierte Welt, die an Nachhaltigkeit orientiert ist, ist immer mehr auf Offenheit angewiesen. Das gemeinsame Schreiben und die gemeinsame Erstellung von Materialien kann die Teilnehmenden motivieren, weil sie sich in diesen Prozessen als Teil einer Gemeinschaft wahrnehmen, die zusammen Inhalte erarbeitet. Lernprozesse können mit Hilfe von OER offen, selbstgesteuert und interaktiv gestaltet werden. OER unterstützt individualisierte und gruppenorientierte Lernprozesse, wobei verschiedenen Aspekte der Zusammenarbeit und des kollaborativen Lernens insbesondere im digitalen Raum erprobt werden können. Das transformative Potential von OER besteht gemäß der UNESCO17 darin, dass: – Inhalte durch einfache Kontextualisierung, Personalisierung und Lokalisierung leichter an spezifische Lernsituationen angepasst werden können; insbesondere indem
14 Wiley, David: Defining the „Open“ in Open Content and Open Educational Resources. http://opencontent.org/definition/ (Stand: 08.11.2018). 15 Muuß-Merholz, Jöran: Zur Definitino von „Open“ in „Open Educational Resources“ – die 5 RFreiheiten nach David Wiley auf Deutsch als die 5 V-Freiheiten. https://open-educational-resources. de/5rs-auf-deutsch/ (Stand: 08.11.2018). 16 Unesco, Open Educational Resources (OER) (wie Anm. 13). 17 Vgl. Deutsche UNESCO-Kommission e. V.: Leitfaden zu open educational resources in der Hochschulbildung. Empfehlungen für Politik, Hochschulen, Lehrende und Studierende. https://www. unesco.de/sites/default/files/2018-01/DUK_Leitfaden_OER_in_der_Hochschulbildung_2015_barrierefrei-1.pdf (Stand: 08.11.2018).
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besondere Bedarfe von Studierenden berücksichtigt werden können, Angebote für Studierende in lokalen Sprachen bereitgestellt werden können, die Qualität von Lernmaterialien durch wiederholte Begutachtung verbessert werden kann, die Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Lernenden und Institutionen sowie auf internationaler Ebene intensiviert werden kann, durch die erhöhte Verfügbarkeit von Materialien die Produktivität gesteigert werden kann, die kreative Durchschlagskraft von OER die Entstehung neuer Bildungsmodelle und Lernkulturen fördern kann, Studierende in Auswahl und Anpassung von OER einbezogen werden können, um sie aktiver in den Lernprozess einzubinden, wodurch Partizipation und die aktive Rolle der Studierenden gefördert werden können, die angebotenen Inhalte auch von Lernenden außerhalb der Hochschule genutzt.
Durch ihr hohes transformatives Potenzial können Inhalte von OER durch Kontextualisierung und Personalisierung leichter an spezifische Lernsituationen angepasst und somit besondere Bedarfe von Studierenden berücksichtigt werden. Auch können Materialien für Studierende leicht in lokalen Sprachen angeboten werden. Dass die angebotenen Inhalte zudem auch von Menschen außerhalb der Hochschule genutzt werden können, trägt zur Förderung des lebenslangen Lernens bei18.
Was für das Engagement mit OER in Hochschulbibliotheken spricht Bibliotheken fällt es oft noch schwer, sich den Veränderungen im Zuge der Digitalisierung zu stellen. Mit OER kann eine Einführung in das Thema gefunden werden, denn durch die einzelnen Details, wie Medienformate, Creative Commons Lizenzen, Suche nach Materialien, Erstellung und Upload eigener Materialien, Wiederverwendung bereits vorhandener Materialien, etc. erwirbt man durch das Tun eine Reihe von notwendigen Kompetenzen. Der Umgang mit Fragen des Urheberrechts und der freien Lizenzen wiederum schult die eigene Kompetenz in diesen Bereichen. So kann die Bibliothek sowohl für die Verwaltung als auch für Nutzer und andere Gruppen ein kompetenter Partner und Ansprechpartner für Fragen zu Urheberrechten und freien Lizenzen werden. Erweist sich eine Bibliothek in diesem Sinne
18 Deutsche UNESCO-Kommission e. V., Leitfaden zu open educational resources in der Hochschulbildung (wie Anm. 17).
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als digital kompetent, wird sie von der Öffentlichkeit, aber auch von Politik und Verwaltung, als solche wahrgenommen. Dies vermittelt ein anderes Bild der Bibliothek in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Kompetenz der Bibliothek in Sachen Digitalisierung wird besonders deutlich, wenn sie selbst Materialien veröffentlicht und vielleicht sogar zu Themen wie OER, Urheberrecht, Kompetenzen für die digitale Welt und ähnlichen Themen.19
Beispiele für Kollaboration und Kooperation mit OER an Hochschulbibliotheken Book Sprint TIB Hannover Unter Mitwirkung von 13 deutschsprachigen Autorinnen und Autoren ist im Book Sprint das Handbuch „CoScience – Gemeinsam forschen und publizieren mit dem Netz“20 geschrieben worden. Das Handbuch ist auf der Plattform21 frei zugänglich und kann dort erweitert und verbessert werden.
OERlabs-Raum @ TU Kaiserslautern In den Räumen der Zentralbibliothek der TU Kaiserslautern können sich Studierende der TU Kaiserslautern zu OER informieren, erhalten Beratung zu eigenen OERProjekten und treiben diese im OERlab22 voran.
Kollaborative Plattformen: Pads, Blogs, GoogleDocs und Co… Google Docs Für längere, komplexere Texte, die in eine hierarchische Struktur von Kapiteln und Abschnitten gegliedert sein sollen, die formatiert werden müssen und gegebenenfalls auch mit Bildern, Tabellen und so weiter versehen werden sollen, eignen sich Online-Office-Werkzeuge wie beispielsweise Google Docs.
19 Vgl hierzu auch Fahrenkrog 2016 und Fahrenkrog/Plieninger 2017. 20 Amring, Ursula [u. a.]: Handbuch CoScience. https://handbuch.tib.eu/w/Handbuch_CoScience (Stand: 07.11.2018). 21 Handbuch.io. https://handbuch.tib.eu/w/Handbuch.io (Stand: 07.11.2018). 22 Technische Universität Kaiserslautern: Oerlab@TUK – ein Raum voller Möglichkeiten in der Bibliothek. https://www.ub.uni-kl.de/kurse-lernorte/oerlab/ (Stand: 07.11.2018).
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Vorteil: Kaum ein Tool eignet sich besser, um gemeinsam kollaborativ an Dokumenten zu arbeiten. Personen, für die die jeweiligen Funktionen freigegeben sind, können in den Texten, Tabellen oder Präsentationen ansehen, kommentieren und bearbeiten. Nachteil: Der Dienst erfüllt nicht die Standards an offene Software und speichert die Dateien zudem noch auf den Servern von Google. Dokumente können nur mit einem Google-Account angelegt werden.
Etherpad In Etherpads kann man auch ohne vorherige Registrierung direkt ein „Dokument“ starten. Bei einem Etherpad handelt es sich um eine simple Eingabemaske im Browser, in der man direkt loslegen kann einen Text zu verfassen. Über die eingebaute „Invite-Funktion“ bzw. den Short-Url-Link auf das eigene Etherpad kann man weitere Autor*innen einladen, die ebenfalls ohne Registrierung direkt loslegen und im Dokument mitarbeiten können. In Etherpads werden die gleichzeitigen Änderungen der teilnehmenden Autorinnen und Autoren in Echtzeit darstellt. Vorteil: Ein Vorteil von Etherpads ist, dass man auch ohne vorherige Registrierung direkt ein „Pad“ starten kann. Jeder Autor und jede Autorin kann eine eigene Schriftfarbe für sich definieren, so lässt sich hinterher leicht nachvollziehen, wer welchen Teil bearbeitet hat. Etherpads eignen sich vor allem für Echtzeitkollaboration und Adhoc-Text-Erstellung. Etherpads sind schnell eingerichtet und niemand muss sich bei einem Dienst registrieren, um an einem Pad mitzuarbeiten. Nachteil: Es hat sehr wenige Formatierungsoptionen und Funktionen im Vergleich zu Office-Programmen. Ein Etherpad ist für alle zugänglich, die über die URL des Etherpads verfügen. Das heißt, dass der Inhalt auch ggf. einfach verändert, oder sogar gelöscht werden kann.
Hackmd.io HackMD23 eignet sich für das gemeinsame Bearbeiten von Dateien im MarkdownFormat, wie in Abbildung 1 veranschaulicht. Vorteil: Es besteht die Möglichkeit, selbst ohne Registrierung und eigenen HackMD-Account Dokumente zu erstellen und auch Personen ohne Login zur Kollaboration einzuladen, indem man einfach den Link zum Dokument an diese weitergibt. Im Gegensatz zu den Etherpads gibt es eine Reihe von Formatierungsmöglich-
23 Jong-kai [u. a.]: HackMD. Build a community with open collaboration. https://hackmd.io/ (Stand: 07.11.2018).
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keiten. HackMD enthält einen Markdown-Editor, der es erlaubt, den Text auf alle erdenklichen Arten zu formatieren. Nachteil: Die Nutzeroberfläche von HackMD ist eventuell gewöhnungsbedürftig, denn man schreibt im linken Teil des Bildschirms in einen Text-Editor mit schwarzem Hintergrund. Auf der rechten Bildschirmseite wird dann der fertig formatierte Text angezeigt.
Abb. 1: Nutzeroberfläche HackMD (Foto: Philippe Wampfler bei Twitter, nicht unter freier Lizenz: https://twitter.com/phwampfler/status/988713923334623233).
Wikis Autoren erarbeiten in Wikis gemeinschaftlich Texte, die ggf. durch Fotos oder andere Medien ergänzt werden. Texte in Wikis können von den Besuchern nicht nur gelesen, sondern auch direkt im Webbrowser bearbeitet und geändert werden. Vorteile: Informationen werden für alle, auch nach außen, sichtbar. Wissen wird geteilt und offen zugänglich. Ältere Versionen sind einsehbar und können rekonstruiert werden. Wiki-Seiten können von den verschiedensten Stellen aus verlinkt werden, ohne Informationen zu vervielfachen. Wikis speichern unterschiedliche Versionen eines Eintrags, die bei Bedarf wiederhergestellt werden können. Nachteile: Trotz des relativ einfach zu bedienenden graphischen Editors erfordert die Arbeit mit einem Wiki eine gewisse Einarbeitung. Die Möglichkeiten Beiträge zu formatieren bei Wikis sind beschränkt.
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Blogs Ein Blog ist ein auf einer Website geführtes und damit – meist öffentlich – einsehbares Tagebuch oder Journal, in dem mindestens eine Person Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert oder Gedanken niederschreibt. Vorteile: Blogs können Menschen mit ähnlichen Interessen dabei helfen, sich zu vernetzen, sie fördern den Wissensaustausch, die Eigeninitiative und Kreativität der Nutzerinnen und Nutzer. Außerdem trainieren sie das individuelle Lern- und Schreibverhalten. Nachteile: Zum kollaborativen Schreiben und Publizieren eignen sich Blogs weniger, da immer nur eine Person zur Zeit an einem Beitrag schreiben kann.
Als Fazit eine Online-Diskussion der Autorin und Autoren Können wir mit digitalen Tools Studierende an Hochschulen beim Schreiben unterstützen? RM: Das Schreiben in Blogs, in Wikis oder in kollaborativen Plattformen sind neue Kulturtechniken, die Bibliotheksmitarbeitende beherrschen sollten. Entsprechend ist es wichtig, dies bereits im Studium zu üben. Ich gehe aber davon aus, dass Studierende an Hochschulen dafür nicht die Bibliothek brauchen, sondern dies im Rahmen ihrer Ausbildung lernen sollten. GF: Das Schreiben in Blogs, in Wikis oder in kollaborativen Plattformen sind neue Kulturtechniken, die Bibliotheksmitarbeitende beherrschen sollten, auch, um sie an Lernende und Studierende weiter zu vermitteln. Bibliotheken an Hochschulen können zur Ausbildung einer digitalen Kompetenz in diesem Bereich beitragen, indem sie über kollaborative Tools mit Studierenden in Kontakt treten und kommunizieren. Beispielsweise könnten Prozesse, die zu Veränderungen im Bibliotheksablauf führen, über entsprechende Tools kommuniziert und mit allen Beteiligten diskutiert werden. Denkbar wäre auch, dass Auskunft und Beratung durch Mitarbeitende der Bibliothek direkt an einem Dokument erfolgt. So könnten Studierende Fragen zur Literatur oder zu Quellen und Zitationen direkt im Dokument als Kommentar an die Bibliothek stellen, die dann ebenfalls in Form eines Kommentars antwortet und Auskunft erteilt. Beteiligen sich Nutzerinnen und Nutzer der Bibliothek an diesen Prozessen, indem sie die zur Verfügung gestellten Möglichkeiten der Kollaboration nutzen, so bilden sie durch das Tun die notwendigen digitalen Kompetenzen aus.
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Welche Formen funktionieren, welche nicht? RM: Die Lerntagebücher überzeugen mich sehr. Sehr oft werden aber durch Policies der Träger grössere Einschränkungen bei der Nutzung solcher Tools gemacht. Gerade Hochschulen müssen hier einen Weg finden, wie sie Freiraum geben und trotzdem Sicherheit gewährleisten können. GF: Es liegen noch nicht ausreichend Beispiele und abgeschlossene Projekte vor, um sagen zu können, was tatsächlich funktioniert und was nicht. Dass sich Blogs, auch in Form der genannten Lerntagebücher, als Format gut dafür eignen, kollaborativ zu schreiben und sich dabei gewissermaßen „nebenher“ notwendige digitale Kompetenzen anzueignen, zeigten aber verschiedene Beispiele24 bereits. Insbesondere durch das gegenseitige Reviewen und Kommentieren der Beiträge werden Kompetenzen wie die Fähigkeit konstruktiv Kritik zu üben, wertschätzendes Feedback zu geben und gemeinsam Inhalte zu gestalten, trainiert. Das Format Blog als Werkzeug des kollaborativen Schreibens ist mittlerweile einigermaßen erprobt und wird daher von Lehrenden der unterschiedlichen Bildungsbereiche eingesetzt. KS: Die Form ist eigentlich egal. Wichtig ist das regelmässige Schreiben. Dabei bieten sich im Bibliothekswesen auch beständig Anlässe und eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Publikationsformen an.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit dies funktioniert? RM: Neugier, Bereitschaft für Neues – es geht hier sehr stark auch um eine Kultur des Ausprobierens. GF: Es braucht die Möglichkeiten es auszuprobieren: Räume und eine Kultur der Offenheit und Wertschätzung, die angstfreies Ausprobieren und Experimentieren erlaubt. Außerdem müssen unter Umständen Regeln oder Konventionen für den kollaborativen Schreibprozess festgelegt werden. Bei gleichzeitigem Arbeiten ist es
24 Z. B. für den Bereich Schule hier: Muuß-Merholz, Jöran: Personalisiertes Lernen in Blog-Projekten – Digitale Medien im Unterricht von Lisa Rosa. https://www.joeran.de/lisa-rosa/ (Stand: 08.11.2018); hier: Muuß-Merholz, Jöran: Ethik-Blog und Geographie-Wiki – Digitale Medien im Unterricht von Mandy Schütze. https://www.joeran.de/mandy-schuetze/ (Stand: 08.11.2018); oder hier beschrieben: Muuß-Merholz, Jöran: Eine Verbindung in die Welt – Digitale Medien im Unterricht von Christiane Schicke. https://www.joeran.de/christiane-schicke/ (Stand: 08.11.2018). Im Bereich der Hochschule („Edu Punk“ Jim Groom und das Projekt „DS106“ hier beschrieben: Rheingold, Howard: Digital Storytelling 106: Open Participatory, Student-Centric, Social ... the Future? https://clalliance.org/blog/digital-storytelling-106-open-participatory-student-centric-socialthe-future/ (Stand: 08.11.2018).
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recht einfach, einen zeitlichen Rahmen vorzugeben. Beim asynchronen Arbeiten muss klar kommuniziert werden, bis wann was abgeschlossen sein soll. Zwischenergebnisse, Zusammenfassungen und Erinnerungen an Termine die den Prozess begleiten, können zum Gelingen des gemeinsamen Vorhabens beitragen. Wie ist es mit individueller Autorenschaft? Das sollte vorweg oder im Laufe des Zusammenarbeitens geklärt werden. Lautet die Antwort ja, also sollen die einzelnen Autor*innen eindeutig identifizierbar sein, muss entsprechend mit der Überarbeitung der Beiträge der jeweils anderen umgegangen werden – einfach löschen oder überschreiben geht dann nicht. Auch sollte vorher klar sein, wer den Text anschließend liest: Bleibt das Ergebnis intern, fällt die Entscheidung unter Umständen anders aus, als wenn der Text einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Wenn letzteres der Fall ist, kann sich die Gruppe überlegen, ob der Text unter einer Lizenz (Creative Commons) veröffentlicht wird, die die Weiterbearbeitung erlaubt – auch das beeinflusst unter Umständen den Umgang mit der individuellen Autorenschaft. KS: Es muss klar sein, dass regelmässiges Schreiben Teil der bibliothekarischen Arbeit, über das Studium hinaus, ist. Dies muss dann von den Einrichtungen unterstützt werden (Aufträge zum Schreiben von Texten, Ermunterung zum Publizieren in verschiedenen Formen, Ermächtigung der Kolleginnen und Kollegen, d. h. zum Teil Aufgeben der Kontrolle von Themen und Texten). Institutionen sollten sich klar darüber sein, dass dies gut für ihr Personal, die Beratungsfähigkeiten des Personals, die Bibliothek selber (lebendige Darstellung des Bibliotheksalltags) und das Bibliothekswesen als Ganzes (mehr Input) ist.
Welche Skills benötigen Bibliotheksmitarbeitende? RM: Neugier, Bereitschaft für Neues – die Tools wandeln sich so schnell, dass es nicht darum geht zu lernen, wie man mit einem Tool umgeht. Sondern es geht darum, dass man sich schnell in neue Anwendungen einarbeiten kann und diese im Berufsalltag ausprobiert. GF: Kollaborative Techniken im Bereich von Hochschulen sind noch nicht sehr weit verbreitet. Als ein Grund dafür kann angenommen werden, dass für die vernetzte Zusammenarbeit neue Skills ausgebildet werden müssen. Zur Ausbildung von Kompetenzen zum kollaborativen Arbeiten braucht es nicht zwingend digitale Tools. Kollaboration bedeutet Arbeiten auf Augenhöhe frei von hierarchischen Strukturen. Kollaboration steht im Gegensatz zum Wettbewerb. Im Wettbewerb miteinander stehen aber Studierende und Lehrende an Hochschulen ständig. Um Finanzierung, Personalstellen, Noten, Reputation usw.
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KS: Das Vertrauen, etwas zu sagen zu haben und die Fähigkeit haben, dies textlich darzustellen. Und wie gesagt: Das Vertrauen wird mit regelmässiger Praxis und der Unterstützung durch die einzelnen Bibliotheken aufgebaut.
Wie können sie diese erwerben und dann weitergeben? RM: Indem sie es tun und selber mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe keinen Kurs für irgendein Tool besucht. Das muss man sich selbst aneignen und dann heisst es „learning by doing“. GF: Kollaboration bedeutet, dass Menschen offen miteinander interagieren und auf unterschiedlichen Ebenen miteinander in Beziehung treten. Durch die Veränderungen, die die zunehmende Digitalisierung mit sich bringt, sind ganz neue Kompetenzen der Zusammenarbeit und der Kommunikation gefragt. Im Wesentlichen sind diese Kompetenzen dadurch zu erwerben, dass man sich selbst ermächtigt es zu tun. Kollaboration ist nicht auf die Prozesse des Schreibens und Publizierens beschränkt. „Learning by Doing“ kann auch bedeuten, dass man gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden, etwa in Form von „Coffee Lectures“ oder ähnlichen Formaten (in denen es nicht mehr die klassischen Rollen von Lernenden und Lehrende gibt, sondern über den Austausch und das Ausprobieren gemeinsam gelernt wird), Tools vorstellt und ausprobiert. RM: Um diesen Gedanken aufzunehmen: Es braucht auch eine entsprechende Kultur innerhalb der Bibliothek, und da sehe ich zunächst einmal die Leitungen in der Verantwortung. Man muss die Zusammenarbeit unterstützen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. KS: Wie ich schon sagte. GF: Ein wichtiger Punkt! Bei dem Kulturwandel der sich vollzieht, handelt es sich eben nicht vorrangig darum, sich technische Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Vielmehr müssen die sogenannten 4K’s25 trainiert werden, Kreativität, Kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation, um in einer digital vernetzten Welt mit zu gestalten, zu lernen und gemeinsam mit anderen Probleme lösen zu können.
25 Wikipedia: 4K-Modell des Lernens. https://de.wikipedia.org/wiki/4K-Modell_des_Lernens (Stand: 07.11.2018).
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Was ist hierbei die Rolle der Bibliothek? RM: Ich bin froh, wenn dies innerhalb der Bibliotheken geschieht. Da besteht auf jeden Fall noch Handlungsbedarf. Wenn Bibliotheken diese Skills an Studierende weitergeben wollen, benötigen ihre Mitarbeitenden gefestigte Kenntnisse und Übung, damit sie einen Wissensvorsprung gegenüber dem Publikum haben. GF: Bibliotheken können Räume und Formate bieten, die das gemeinsame Lernen und Ausprobieren neuer Tools und Techniken ermöglichen. An der TU Kaiserslautern wird etwa ein solcher Raum geboten. Studierende haben die Möglichkeit, gemeinsam mit Tutor*innen OER zu produzieren und Tools und Formate auszuprobieren.26
26 OERLAB@TUK (wie Anm. 22).
Teil II: Angebote und Aktivitäten
Einleitung Der zweite Teil des Praxishandbuchs stellt konkrete Angebote und Aktivitäten von Hochschulbibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Förderung studentischer Schreibkompetenz und zur Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens vor. Guido Kippelt und Ute Schlüter (Hamm-Lippstadt) betrachten die Entwicklung der Schreibkompetenz im weiteren Zusammenhang der Informationskompetenzvermittlung und legen an der Hochschule Hamm-Lippstadt den Schwerpunkt auf die Textproduktion, vor allem im Hinblick auf die Anfertigung von Abschlussarbeiten am Ende des Studiums. Kern des Angebots ist eine vierstufige Workshop-Reihe, die vom Verstehen der Texte und dem Auffinden von Fachinformationen bis hin zum korrekten Zitieren der Quellen reicht. Flankiert werden diese Workshops von diversen weiteren Veranstaltungen in einer Vielzahl von Formaten, zum Beispiel von einem vierstündigen „Schreibtag“, einem 60-minütigen Crashkurs zum wissenschaftlichen Schreiben, einem Webinar zum Verfassen einer Bachelorarbeit oder zehnminütigen Wissenscafés, in denen kompakte Schnellinformation serviert wird. Katrin Girgensohn, Hans-Jürgen Hertz-Eichenrode und Anja Voigt (Frankfurt/ Oder) widmen sich dem mittlerweile an vielen Hochschulen etablierten SchreibEvent der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten, die im März 2008 durch die Europa-Universität Viadrina aus der Taufe gehoben wurde. Die Bibliothek wird dabei ein Coworking-Space, bei dem Arbeits-, Schreib- und Denkprozesse sichtbar werden sollen. Geschrieben wird gemeinschaftlich, unterstützt wird es durch Schreibberatungen und Workshops. Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten entfaltet eine starke Schubwirkung für das Anliegen des Schreibzentrums und der Universitätsbibliothek der Viadrina, die dadurch mit ihren Angeboten bei Studierenden und den weiteren Universitätsangehören mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Timo Guter und Claudia Kocian-Dirr (Neu-Ulm) erläutern in ihrem Beitrag, wie die Bibliothek der Hochschule Neu-Ulm im Verbund mit dem auf der Lernplattform Moodle verankerten Projekt „Bridge the Gap“ ein Blended Learning-Konzept für ihr Schulungsangebot zur Förderung des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens verbessert und gleichzeitig ihr Personal optimal, vor allem auch zeitsparender einsetzt. Die bisher mit Frontalunterricht vermittelten Inhalte des Schnellkurses „Wissenschaftliches Schreiben“ wurden in Videotutorials überführt. Es handelt sich also bei diesem Praxiskonzept um eine intracurriculare Einbindung des Bibliotheksangebots in eine E-Learning-Umgebung. Ingrid Sand und Andrea Thiel (Gießen und Friedberg) beschreiben differenziert das Modell einer Schreibwerkstatt der Universitätsbibliothek an der Technischen Hochschule Mittelhessen in seiner Entstehung von der Idee bis zur Implementierung eines schreibdidaktischen Angebotes in der Hochschulbibliothek der Technihttps://doi.org/10.1515/9783110594140-010
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schen Hochschule Mittelhessen. Dabei wird die Informationskompetenz als eine für das Schreiben notwendige Teilkompetenz gesehen und ein integriertes Angebot zur Informations- und Schreibkompetenz vorgestellt. Eingehend werden die Anforderungen an die personelle, organisatorische und technische Infrastruktur beschrieben, zumal die Hochschule auf mehrere Standorte aufgeteilt ist. Anders als von Schlüter und Kippelt für die Hochschule Lippstadt-Hamm dargestellt, wird hier also das bislang nicht so stark nachgefragte Angebot zur Entwicklung von Informationskompetenz in das neu zu erstellende Konzept der umfassenden Schreibunterstützung integriert. Brigitte Mayer und Helene Heller-Künz (Dornbirn, Vorarlberg) skizzieren die Entstehungsgeschichte, den Gründungsauftrag mit seinen konzeptionellen Besonderheiten und die Aktivitäten des Schreibzentrums der Bibliothek an der Fachhochschule Vorarlberg. Die Angebote zur Förderung und Unterstützung von Schreibund Informationskompetenz sollen mit einem vertretbaren Aufwand in die Bibliotheksarbeit integriert werden und so das Serviceangebot der Bibliothek erweitern. Als Ausgangspunkt vielschichtiger Schreibzentrumsangebote wird das Phasenkonzept zur Erstellung akademischer Abschlussarbeiten exemplarisch vorgestellt. Andreas Ledl (Basel) schildert beispielhaft die Einführung von Schreibberatung als neuen Service der Universitätsbibliothek (UB) Basel in einem universitären Milieu, das bereits schreibfördernde Maßnahmen hervorgebracht hat. Er skizziert die einzelnen Bottom-Up-Schritte von der Idee bis zur Umsetzung der Dienstleistung sowie deren synergetische Einbettung ins virtuelle „Netzwerk Schreiben“ der Universität. Die Programme der Literaturverwaltung verortet Ladina Tschander (Zürich) an der Schnittstelle zwischen Wissensdokumentation und Schreiben. Eine Umfrage bei Studierenden an der Universität Zürich zeigte, dass für die Studierenden beim Schreiben von Hausarbeiten die größten Probleme bei der Formulierung einer Fragestellung auftreten. Sie plädiert dafür, dass die Nutzung der Literaturverwaltung als persönlicher Wissensspeicher als Grundlage für das Finden einer Fragestellung dient. Um den Wissensspeicher effizient nutzen zu können, wird in den Kursen der Bibliothek des Deutschen Seminars die Arbeit mit Thesauri vermittelt. Tina Rotzal und Dominik Schuh (Mainz) befassen sich mit den Anforderungen an akademische Integrität und Informationsqualität beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben. Wer wissenschaftlich schreibt, müsse eigene Gedanken und Fragestellungen entwickeln und sie mit fremden Überlegungen und Lösungsansätzen verknüpfen oder sich argumentativ von diesen abgrenzen. Differenziert stellen sie dar, wie die Thematisierung der Bezugnahme auf andere Texte und ihrer Funktion als didaktischer Ausgangspunkt genutzt werden kann, um Studierenden Techniken der kritischen Informationsbewertung und der Verwendung von Informationen näherzubringen. Der präsentierte Ansatz stützt sich auf Vermittlungserfahrungen im Projekt „Akademische Integrität“, das seit Januar 2013 an der Universität Mainz realisiert wird, und resultiert aus den begleitenden theoretischen Überlegungen sowie
Einleitung
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aus dem Austausch mit der Praxis. Als Bestandteile einer umfassend verstandenen Informationskompetenz, die auch der Plagiatsprävention dient, fallen die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten (auch) in die Vermittlungsverantwortung von Hochschulbibliotheken.
Ute Schlüter und Guido Kippelt
Informationen anwenden und verknüpfen: Schreiben als ein Teil von Informationskompetenz – am Beispiel der Hochschule HammLippstadt Abstract: An der Bibliothek der Hochschule Hamm-Lippstadt ist die Informationskompetenzvermittlung eine Kernaufgabe. Der Informationskompetenzbegriff wird hier sehr weit gefasst und schließt die Schreibkompetenz mit ein. Der Schwerpunkt des Schulungskonzepts liegt auf der Textproduktion und die einzelnen Schulungsangebote sind darauf ausgerichtet, dass die Studierenden zum Ende ihres Studiums nach wissenschaftlichen Kriterien eine Arbeit verfassen können. Schlüsselbegriffe: Wissenschaftliche Bibliothek, Schulungen, Informationskompetenz, Schreibkompetenz, Textproduktion, wissenschaftliches Arbeiten Kurzbiografien: Ute Schlüter studierte Politikwissenschaft, Ethnologie und Angewandte Kulturwissenschaften an der WWU Münster sowie Library and Information Science an der HU Berlin. Nach beruflichen Stationen u. a. in Gelsenkirchen, Münster und Berlin arbeitet sie nun beim Zentrum für Wissensmanagement an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Ihre Arbeitsschwerpunkte und -interessen sind u. a. die Kompetenzvermittlung in den Bereichen Medien und Informationen sowie im wissenschaftlichen Arbeiten, in dessen Rahmen sie als Dozentin tätig ist. Guido Kippelt studierte Politikwissenschaft, Ethnologie und Soziologie an der WWU Münster sowie Library and Information Science an der TH Köln. Seine Arbeitsschwerpunkte und -interessen sind die Bereiche Kompetenzvermittlung von Medien, speziell digitale, und wissenschaftliches Arbeiten sowie Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen. Er ist der Geschäftsführer des Zentrums für Wissensmanagement an der Hochschule Hamm-Lippstadt.
Informationskompetenz und wissenschaftliches Schreiben an Hochschulbibliotheken Bibliotheken unterliegen in den letzten Jahren einem starken Wandel: Die Digitalisierung und das daraus resultierende veränderte Informationsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer zwingen Bibliotheken zum Handeln. Mittlerweile ist es unbestritten, dass sich Bibliotheken in vielen Handlungsfeldern proaktiv weiterentwickeln müssen, wenn sie nicht nur als Orte wahrgenommen werden wollen, an denen https://doi.org/10.1515/9783110594140-011
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Bücher gesammelt und verwaltet werden.1 2 Nur so können Bibliotheken bei der Positionierung innerhalb der Institutionen und bei der Ressourcenverteilung eine entscheidende Rolle spielen. Dadurch sind in den letzten Jahren an vielen Hochschulbibliotheken bereits zahlreiche neue Dienstleistungen entstanden, die sich an den Bedürfnisse der Bibliothekskundinnen und -kunden orientieren: umfangreiche digitale Angebote z. B. in Form von Gaming-Elementen3 und Apps4, attraktive Lernorte für kreatives und kollektives Arbeiten, wie z. B. Makerspaces5 oder serviceorientierte Kooperationen innerhalb der Hochschulen6. Im Rahmen der digitalen Veränderung ist ein bibliothekarisches Arbeitsgebiet von besonderer Relevanz: die Informationskompetenzvermittlung. Dass dieses Thema nach wie vor aktuell ist, wird darin deutlich, dass der Begriff innerhalb der bibliothekarischen Fachöffentlichkeit viel diskutiert wird.7 Die Diskussion zu diesem Thema findet nicht nur innerhalb der Community statt, sondern rückt innerhalb der gesamten Hochschule immer stärker in den Fokus.8 Insbesondere im Kontext der aktuellen Debatten über Fake News und Fake Science bietet sich den Bibliotheken die Möglichkeit, sich in ihrem Kerngeschäft Informationskompetenz zu positionieren und einen entscheidenden Auftrag zu übernehmen. An zahlreichen Bibliotheken wird aufgrund der neuen Entwicklungen an einer Neuausrichtung des Themas gearbeitet. So werden z. B. seit einigen Jahren systematisch didaktische und rhetorische Kompetenzen des bibliothekarischen Fachpersonals geschult, um den unterschiedlichen Zielgruppen Informationskompetenzen
1 Deutscher Bibliotheksverband e. V.: Wissenschaftliche Bibliotheken 2025. Beschlossen von der Sektion 4 „Wissenschaftliche Universalbibliotheken“ im Deutschen Bibliotheksverband e. V. (dbv) im Januar 2018. 2 Deutsche Forschungsgemeinschaft: Stärkung des Systems wissenschaftlicher Bibliotheken in Deutschland. Ein Impulspapier des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2018. 3 Forum Bibliothek und Information: Schwerpunkt: Computerspiele. In: BuB (2017) H. 11. S. 596– 629. 4 Forum Bibliothek und Information: Schwerpunkt: Bibliotheks-Apps. In: BuB (2018) H. 05. S. 244– 271. 5 Bonte, Achim: Vorstoß in neue Wissensräume – Makerspaces im Leistungsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken. In: Strategien für die Bibliothek als Ort. Festschrift für Petra Hauke zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Konrad Umlauf [u. a.]. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2017. S. 85–94. 6 Vgl. z. B.: Ilg, Karin: Learning Services – die Bibliothek als Service Hub. In: b.i.t.-online 19 (2016) H. 5. S. 423–428. 7 Sühl-Strohmenger, Wilfried (Hrsg.): Handbuch Informationskompetenz. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. 8 Hochschulrektorenkonferenz: Hochschule im digitalen Zeitalter: Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders steuern. Entschließung der 13. Mitgliederversammlung der HRK am 20. November 2012 in Göttingen 2012.
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wirksam zu vermitteln9: Zahlreiche neue Veranstaltungsformate, welche optimal auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten sind, z. B. Coffee Lectures10, curriculare Veranstaltungen11 oder Online-Tutorials12 wurden in den letzten Jahren umgesetzt. Einige Bibliotheken haben zudem ihr Themenspektrum erweitert und neue Inhalte, wie z. B. Plagiatsprävention und Zitationsstile, in ihrem Schulungsprogramm ergänzt.13 Diese formalen und inhaltlichen Anpassungen im Bereich der Informationskompetenzvermittlung sind aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen nur folgerichtig und notwendig. Innerhalb der Bibliothekscommunity herrscht zwar breiter Konsens über die Einhaltung von grundlegenden Standards in diesem Bereich (u. a. Informationsbedarf erkennen, Informationen beschaffen, Informationen beurteilen), trotzdem gibt es in den einzelnen Bibliotheken unterschiedliche Begriffsdeutungen und entsprechende Umsetzungen.14 Unabhängig dieser unterschiedlichen Auslegungen sollten Bibliotheken den Informationskompetenzbegriff kontinuierlich weiterdenken und -entwickeln, um als proaktive Akteurinnen konkurrenzfähig zu bleiben. Im Rahmen dieser Weiterentwicklung kann die Vermittlung von Schreibkompetenz ein zentraler Bestandteil sein, so wie es an der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) bereits praktiziert wird. Aufgrund der örtlichen Rahmenbedingungen15 und einer Bedarfsfeststellung konnte die Bibliothek der HSHL das Thema Schreiben besetzen und in ihr Portfolio
9 Zahlreiche bibliothekarische Fort- und Ausbildungsprogramme haben die Themenfelder Didaktik und Pädagogik mittlerweile als regelmäßige Veranstaltung in ihrem Programm. Vgl. z. B. das Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung der TH Köln oder das Weiterbildungszentrum der FU Berlin. 10 Renn, Oliver: Alles, was Sie schon immer über Coffee Lectures wissen wollten. Kurz, informell, informativ: Ein niedrigschwelliges Angebot in Wissenschaftlichen Bibliotheken. In: BuB (2018) H. 07. S. 382–383. Siehe zu den Coffee Lectures auch den Beitrag von Hirsch-Weber und Tangen in diesem Band. 11 Renner, Jens: Bibliotheken an Hochschulen in Bayern: Bestandsaufnahme und Modell Ansbach. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 210–218. 12 Homann, Benno: Situationsorientierte Online-Tutorials zur Förderung von Informationskompetenz: Das FIT-Konzept der Universitätsbibliothek Heidelberg. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 415–426. 13 Vgl. z. B. das Schulungsangebot der Universitätsbibliothek der TU München. https://www.ub. tum.de/kurse/10794 (Stand: 29.12.2018). 14 Somit ist die im Folgenden erläuterte Definition von Informationskompetenz insbesondere auf die Bedürfnisse der Hochschule Hamm-Lippstadt zugeschnitten. 15 U. a. die Neugründung im Jahr 2009 und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten. Vgl. Kippelt, Guido u. Ute Schlüter: IK-Veranstaltungen neu gestalten. Aufbau eines IK-Konzeptes an einer neu gegründeten Hochschule – Chancen, Möglichkeiten und Grenzen. In: O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal (2017) H. 3. S. 27–45.
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mitaufnehmen. Die HSHL-Bibliothek definiert Schreibkompetenz im Zusammenhang mit Informationskompetenz im Kontext des wissenschaftlichen Arbeitens. Hierbei steht der Umgang mit Informationen im Zentrum, woraus sich die weiteren Elemente des wissenschaftlichen Arbeitens ableiten lassen und zusammenspielen, so dass neues Wissen entsteht (vgl. Abb. 1). Das heißt, die Bibliotheken erläutern den Nutzerinnen und Nutzern nicht „nur“, wie relevante Informationen gefunden, eingeordnet und bewertet, sondern darüber hinaus, wie Informationen im Rahmen einer Textproduktion praktisch verwertet und angewendet werden. In der Bibliothek, also an einem Ort, an dem die Studierenden aktiv an ihren Seminar- und Abschlussarbeiten schreiben und die vorhandenen Bibliotheksdienstleistungen hierfür nutzen, ist es zudem naheliegend, dass das Thema „Schreiben“ für die Bibliothek eine Rolle spielen sollte.
Abb. 1: Informationskompetenz im Kontext des wissenschaftlichen Arbeitens.16
16 Vgl. Kippelt u. Schlüter, IK-Veranstaltungen (wie Anm. 15).
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Schreibkompetenz bei Studierenden Schreibkompetenz ist bei Studierenden immer weniger ausgeprägt. Dies wird u. a. an den bedarfsorientierten, im Qualitätspakt Lehre 1 geförderten Projekten17 und den Erfahrungen an der HSHL deutlich. Um diese Defizite zu beheben, wurde das Angebot der HSHL-Bibliothek um die Schreibkompetenzvermittlung erweitert bzw. diese in die Informationskompetenzvermittlung integriert. Hierzu wurde im Vorfeld der Begriff „Schreibkompetenz“ diskutiert und definiert. So beschreiben insbesondere die Überlegungen und Positionen von Feilke18 die Situation und die Erfahrungen an der HSHL gut. Nach Feilke umfasst Schreibkompetenz drei Aspekte, die miteinander in Verbindung stehen: – Kulturaspekt: Der Kulturaspekt wird durch Feilkes Beispiel treffend beschrieben: „Ein Studierender soll eine wissenschaftliche Hausarbeit schreiben, hat aber keine Vorstellung davon, was hier ‚wissenschaftlich‘ eigentlich heißt und was erwartet wird.“19 Dies wird insbesondere dadurch verstärkt, dass aufgrund der starken Praxisorientierung an der Hochschule Veranstaltungen zu Fragen Was ist Wissenschaft und wie wird dort gearbeitet? nur noch vereinzelt oder gar nicht stattfinden. – Handlungsaspekt: Der Handlungsaspekt kann anhand des Unterschieds zwischen dem Produktionsakt des Sprechens (z. B. ein Referat) und des Prozesses der Niederschrift (z. B. das Verfassen der Abschlussarbeit) beschrieben werden. Die Unterschiede liegen in dem zeitlichen Aspekt, nämlich des Prozesses des Redigierens und der Planung des Gesamtprozesses. Vielen Studierenden ist dieser Unterschied aber nicht bewusst, so dass ihnen der zeitliche und inhaltliche Umfang des Schreibprozesses und die damit verbundenen Arbeitsprozesse unbekannt sind. – Strukturaspekt: Die Differenz der wissenschaftlichen Schriftsprache zur allgemein genutzten Sprache beinhaltet der Strukturaspekt. Hierunter werden Kenntnisse über den sprachlichen Anspruch einer bestimmten Textsorte (z. B. eines wissenschaftlichen Fachartikels), Konzeption, Ausdruck und Formmerkmale als Kriterien verstanden. Allerdings haben viele Studierende z. B. kaum Kenntnisse von einzelnen Zitierstilen oder den formalen Kriterien einer Arbeit. Neben der Berücksichtigung dieser drei Aspekte sind Kenntnisse über die Ursachen für die fehlende Schreibkompetenzen ebenfalls relevant, damit diese bei der Pla-
17 Knorr, Dagmar: Akademisches Schreiben. Vom Qualitätspakt Lehre 1 geförderte Schreibprojekte 2016. 18 Feilke, Helmuth: Literalität und literale Kompetenz: Kultur, Handlung, Struktur. In: Leseforum Online-Plattform für Literalität (2011) H. 1. https://www.leseforum.ch/myUploadData/files/ 2011_1_Feilke.pdf (Stand: 29.12.2018). 19 Vgl. Feilke, Literalität (wie Anm. 18), hier S. 3.
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nung und Gestaltung der Schulungsinhalte berücksichtigt werden können. Die Ursachen sind auf folgenden zwei Ebenen zu finden.
Institutionelle Ebene Einige Ursachen für mangelnde Schreibkompetenz sind institutionell begründet. Häufig besteht die Rückmeldung zu einem wissenschaftlichen Text ausschließlich in der Kommunikation der Note ohne weitere Erläuterung.20 Auch die Einrichtung von Campus-Management-Systemen führt dazu, dass ein persönliches Feedback durch die bloße Notenvergabe in ein System ersetzt wird.21 Dadurch fehlt den Studierenden die Möglichkeit sich nochmals kritisch mit ihrem Text auseinanderzusetzen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung u. a. auf die steigende Betreuungsrelation an Hochschulen.22 Im Rahmen der Weiterentwicklung von Hochschulen liegt der Fokus nicht nur auf der reinen Wissensvermittlung in Vorlesungen und Seminaren, sondern auch auf Formaten, in denen den Studierenden anwendungsbezogen Inhalte vermittelt werden sollen, um Kompetenzentwicklungen zu ermöglichen.23 Häufig wird aber gegensätzlich zu diesen Plänen eine einheitliche schriftliche Prüfung (Klausur) als Leistungsnachweis gewählt. So steht am Ende die Standardisierung vor individuell orientierten Ansätzen.24 Aufgrund der hohen Anzahl an Prüfungen, in Form von Klausuren innerhalb eines kurzen Zeitraums, fehlt es den Studierenden auch an Möglichkeiten sich mit den Themen Schreiben und Textlektüre intensiv auseinanderzusetzen. Um das Ziel des individuellen Lernens weiter zu verfolgen, sind ein entsprechender Personalschlüssel und eine höhere Betreuungsdichte relevant, was bisher nicht umgesetzt wurde. Auch wird am Ende eines Studiums das Verfassen einer Abschlussarbeit verlangt25, dass hierfür aber eine entsprechende Schreibkompetenz nötig sein muss, findet nirgends Erwähnung.26
20 Kühl, Stefan: Die publikationsorientierte Vermittlung von Schreibkompetenzen. Zur Orientierung des studentischen Schreibens am wissenschaftlichen Veröffentlichungsprozess. Working Paper (2014) H. 3. S. 1–25, wie S. 1. 21 Kühl, Vermittlung (wie Anm. 20). 22 Statistisches Bundesamt: Hochschule auf einen Blick. Ausgabe 2018. 23 Barth, Carmen: Kompetenzentwicklung im Studium ermöglichen. Die Rolle des reflektierenden Gesprächs. Wiesbaden: Springer 2018. S. 12. 24 Erpenbeck, John u. Werner Sauter: Stoppt die Kompetenzkatastrophe! Wege in eine neue Bildungswelt. 1. Aufl. Berlin: Springer 2016. S. 126. 25 Kultusministerkonferenz: Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i. d. F. vom 04.02.2010. 26 Everke Buchanan, Stefanie u. Heike Meyer: Wissenschaftliches Schreiben lernen - integriert im Fach. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung (2016) H. 2. S. 45–61.
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Kulturelle Ebene Lesen und Schreiben stehen in einem engen Zusammenhang. Das Lesen von wissenschaftlicher Literatur im Studium, unabhängig der Fachrichtung, ist eine Notwendigkeit zur Erstellung von Arbeiten und für das Studium im Allgemeinen.27 Ohne das Lesen und Schreiben von Texten ist das Heranführen und im Studienverlauf die Übernahme von „Konventionen und Verfahrensweisen“28 bei der Erstellung wissenschaftlicher Fachtexte nicht möglich. Lesebereitschaft und kritische Auseinandersetzung mit Texten nehmen in der Wahrnehmung vieler Lehrender bei Studierenden aber ab. Allgemein wird daraus auch ein Rückgang gesamtsprachlicher Kompetenz geschlossen.29 Des Weiteren ändert sich die Mediennutzung von physischen zu digitalen Formen. Digitale Medien und die mobilen Endgeräte gehören bei Heranwachsenden mittelweile zum Alltag30 und konfrontieren damit auch die Hochschulen. Im Studium ist es die Multimodalität (sprachliche und visuelle Darstellung in einer Kommunikationsform), als eine Konsequenz der Digitalisierung, die sich auf die Bereiche Schreiben und Lesen auswirkt. Im Bereich des Schreibens ist es vor allem der Aufstieg der Kommunikationsform der Präsentation: Diese „sind nicht einfach nur visuell ergänzte Vorträge, sondern verlagern einen erheblichen Teil des Inhalts in projizierte Texte und schematisierte Darstellungen.“31 Zudem ändert die intensive Nutzung des Internets den Lesevorgang. Dieser entwickelt sich vom linearen Lesen zu einer Form des Scannings. Dieses veränderte Nutzerverhalten wird auch bei den Quellenangaben in den Textarbeiten der Studierenden deutlich. Hier werden in vielen Fällen Webseiten als reguläre Informationsmittel wahrgenommen, wohingegen Fachartikel und -bücher vernachlässigt werden. Als Gründe werden in vielen Fällen die Länge und die Komplexität der Texte sowie fehlende visuelle Reize angeführt. Die Schreibkompetenz wird somit durch zwei Ebenen stark beeinflusst: zum einen durch die institutionelle Ebene, die die Lücke zwischen Anspruch der Hochschulpolitik und den Hochschulen mit ihren Curricula und der eigentlichen Wirk-
27 Krajewski, Markus: Lesen Schreiben Denken. Zur wissenschaftlichen Abschlussarbeit in 7 Schritten. Köln: Böhlau 2013. S. 44–45. 28 Kruse, Otto [u. a.]: Curriculare Aspekte von Schreib- und Forschungskompetenz. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung (2016) H. 2. S. 9–21, hier S. 10. 29 García, Anja Centeno: Textarbeit in der geisteswissenschaftlichen Lehre. Berlin: Frank & Timme 2016. 30 Kinder-Medien-Studie (KMS). https://kinder-medien-studie.de/wp-content/uploads/2018/08/ KMS2018_Berichtsband_v2.pdf (Stand: 29.12.2018). 31 Lobin, Henning: Die Digitalisierung von Lesen und Schreiben und deren kulturellen Auswirkungen. In: Zeitschrift des Verbandes Polnischer Germanisten (2012) H. 2. S. 193–204, hier S. 199.
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lichkeit aufzeigt32, zum anderen durch die kulturell-gesellschaftliche Ebene, in der eine Veränderung des Leseverhaltens und der Schreibkompetenz festzustellen ist, die mit tradierten Vorstellungen des wissenschaftlichen Arbeitens häufig nicht zusammenpasst. Aufgrund dieser beschriebenen Ursachen und ermittelten Bedarfe seitens der Studierenden wurde an der HSHL-Bibliothek ein umfangreiches Workshop-Angebot aufgebaut, welches stetig weiterentwickelt und angepasst wird.
Die Rolle der Bibliothek im Schreibprozess an der Hochschule Hamm-Lippstadt Das Angebot zielt vorrangig darauf ab ein Schreibprojekt (in erster Linie die Bachelorarbeit) erfolgreich fertigzustellen. Dabei wird der Fokus zwar auf die Textproduktion gelegt, schließt aber auch die dafür notwendigen Faktoren (wie Recherchieren, Nutzung eines Literaturverwaltungsprogramms etc.) ein. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass das Thema Schreiben aufgrund der zwingenden Notwendigkeit (Abgabe einer Abschlussarbeit) bei den Studierenden auf großes Interesse stößt. Durch dieses Interesse hat die Bibliothek die Möglichkeit, die Studierenden auch auf die für das Schreiben notwendigen Schlüsselqualifikationen (u. a. relevante Informationen recherchieren und bewerten) aufmerksam zu machen und entsprechend zu schulen. Vielen Studierenden wird erst beim Schreibprozess bewusst, dass ihnen die dafür notwendige Informationskompetenz fehlt. Somit wird die Vermittlung von Schreibund Informationskompetenz an der HSHL miteinander verknüpft. Auf dieser Basis wird ein zentrales, für alle Studierenden offenes Veranstaltungsprogramm angeboten (vgl. Tab. 1). Hierbei wird der Schwerpunkt auf Workshops, bei denen die Studierenden sich aktiv beteiligen müssen, und auf niedrigschwellige Angebote von zehnminütiger Dauer gelegt. Zusätzlich können Einzelund Gruppenberatungen genutzt werden, um individuelle Fragen zum Schreibprozess zu klären. Des Weiteren finden Kooperationsveranstaltungen innerhalb des Curriculums statt, bei denen den Studierenden nach Absprache mit den Dozentinnen und Dozenten einzelne Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens erläutert werden. Die Veranstaltungen werden je nach Thema von dem entsprechenden qualifizierten Bibliothekspersonal (FaMI, Personal mit Bachelor- oder Master-Abschluss) durchgeführt. Aufgrund der Komplexität des Themas nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich an relevanten Fortbildungen teil. Veranstaltungen, die nicht mit den vorhandenen Kompetenzen des Bibliothekspersonals durchgeführt werden können (z. B. Excel-Workshops), werden von Lehrbeauftragen übernommen. Alle Bibliotheksveranstaltungen verfolgen das Ziel, die Studierenden
32 Vgl. Lobin, Digitalisierung (wie Anm. 31).
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dabei zu unterstützen, die Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens zu verstehen, um am Ende ihres Studiums eine gelungene Abschlussarbeit nach wissenschaftlichen Kriterien abzugeben. Tab. 1: Veranstaltungen der Bibliotheken (Stand: Wintersemester 2018/2019). THEMEN Workshopreihe zum wissenschaftlichen Arbeiten 1. Texte besser verstehen und schreiben, Teil 1 2. Texte besser verstehen und schreiben, Teil 2 3. Fachinformationen besser finden 4. Quellen besser zitieren 1. Workshop: Texte besser verstehen und schreiben, Teil 1 Dauer: ca. 90 Minuten 2. Workshop: Texte besser verstehen und schreiben, Teil 2 Dauer: ca. 90 Minuten
3. Workshop: Fachinformationen besser finden Dauer: ca. 90 Minuten
4. Workshop: Quellen besser zitieren Dauer: ca. 90 Minuten
Schreibtag: So schreibe ich einen wissenschaftlichen Text Dauer: ca. 4 Stunden
Crashkurs: Kleine Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten Dauer: ca. 60 Minuten
LERNZIELE Es besteht die Möglichkeit an einem einzelnen Workshop oder an der gesamten Workshopreihe teilzunehmen. Bei einer Teilnahme an allen vier Veranstaltungen wird ein Zertifikat erworben, welches z. B. den Bewerbungsunterlagen beigelegt werden kann. – Arten von wissenschaftlichen Publikationen nennen und erkennen – Kriterien von wissenschaftlichen Texten erläutern – Formale und inhaltliche Kriterien einer wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigen – Wissenschaftlichen Schreibstil kennenlernen – Forschungsfrage konzipieren Wissenschaftliche Methoden kennenlernen – Suchstrategien entwickeln – Relevante Fachdatenbanken kennen und nutzen – Quellen bewerten und einordnen – Eigenes Informationsverhalten hinterfragen – Sinn von Zitaten bewusstwerden – Plagiat und Zitat unterscheiden – Korrekte Quellenangaben darstellen Direktes und indirektes Zitat unterscheiden – Zitierstile kennenlernen – Formale und inhaltliche Kriterien einer wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigen – Wissenschaftlichen Schreibstil kennenlernen Forschungsfrage konzipieren – Wissenschaftliche Methoden kennenlernen – Zusammenspiel von Forschung, Recherche, Dokumentation und Verschriftlichung verstehen – Handwerkszeug des wissenschaftlichen Arbeitens benennen – Bedeutung von wissenschaftlichem Arbeiten bewusst werden
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THEMEN Workshop: Die Bachelorarbeit/Projektarbeit von A-Z Dauer: ca. 90 Minuten
Webinar: Die Bachelorarbeit/Projektarbeit von A-Z Dauer: ca. 60 Minuten Crashkurs: Zitieren, aber wie? – Zitierstile kurz und knapp erklärt Dauer: ca. 60 Minuten
Workshop: Zitieren nach dem APA-Style Dauer: ca. 60 Minuten Workshop: Citavi – Literatur schnell und einfach organisieren und zitieren Dauer: ca. 120 Minuten Excel-Workshop
Wissenscafés Beim Wissenscafé wird in ca. 10 Minuten alles Wichtige zu einem bestimmten Thema aus dem Bereich „Wissenschaftliches Arbeiten“ vorgestellt (z. B. Recherche, Zitat, Schreiben etc.). Danach werden Fragen beantwortet. Dauer: ca. 30 Minuten Individuelle Einzel- und Gruppenberatungen bzgl. Fragestellungen zum wissenschaftlichen Arbeiten (recherchieren, zitieren, schreiben etc.) (max. 60 Minuten je Termin) Bereitstellung von (elektronischen) Lernmaterialien – Wiki zum Thema wissenschaftliches Arbeiten auf der Lernplattform – Arbeitsmaterial, z. B.: – Formatvorlage für einen wissenschaftlichen Text mit inhaltlicher Anleitung – Arbeitshilfe Konzepterstellung für einen wissenschaftlichen Text – Rechercheprotokoll – Checkliste zur Bewertung von Quellen
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LERNZIELE – Formale und organisatorische Kriterien bei einer Bachelorarbeit berücksichtigen und anwenden – Inhaltliche Kriterien einer wissenschaftlichen Arbeit skizzieren – Formale und organisatorische Kriterien bei einer Bachelorarbeit berücksichtigen – Inhaltliche Kriterien einer wissenschaftlichen Arbeit skizzieren – Formale Kriterien bei Quellenangaben berücksichtigen – Verschiedene Zitierstile unterscheiden – Zitierstil „mit Fußnoten“ anwenden – Zitierstil „im Text“ anwenden – Zitierstil „mit Nummern“ anwenden – Zitierstil „APA“ kennenlernen und anwenden – Citavi anwenden, z. B.: – Literatur erfassen und organisieren – Literaturverzeichnisse erstellen – Zitate in Word einbinden – Excel anwenden, z. B.: – Berechnungen durchführen Diagramme erstellen – Pivottabellen auswerten – Auf neue relevante Inhalte aufmerksam werden und zu einem späteren Zeitpunkt vertiefen
– Individuelle Probleme bzgl. wissenschaftlichem Arbeiten erkennen und lösen – Schreibprojekte reflektieren Eigene Texte verbessern – Einzelne Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens selbständig umsetzen
120 Ute Schlüter und Guido Kippelt THEMEN – Checkliste zur Planung und Umsetzung der Bachelorarbeit – Formulierungshilfen – eLearning-Quiz zum Zitieren – Weiteres Lernmaterial wird fortlaufend entwickelt
LERNZIELE
Fazit Das zentrale Ziel der HSHL-Bibliothek ist es, die Studierenden in ihrem Studienalltag und bei der Erwerbung eines erfolgreichen Abschlusses bestmöglich zu unterstützen. Hierbei wird neben der Bereitstellung von Medien der Schwerpunkt auf die Informationskompetenzvermittlung gelegt. Aufgrund der Bedarfe seitens der Studierenden wird der Informationskompetenzbegriff an der HSHL sehr weit gefasst und schließt die Vermittlung von Schreibkompetenz (als Prinzip der Informationsverarbeitung und -verwertung) mit ein. Da es an der Hochschule keine weitere zentrale Einrichtung gibt, die diese Dienstleistung anbietet, wird dieses Angebot von den Studierenden gut angenommen. Deswegen ist es geplant, dauerhaft an diesem Serviceangebot festzuhalten und es im Rahmen der Möglichkeiten noch zu erweitern.
Katrin Girgensohn, Hans-Jürgen Hertz-Eichenrode und Anja Voigt
Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten – Wissenschaftliches Schreiben als Gemeinschaftserlebnis zwischen PyjamaParty und Klosterstille Abstract: Während eines Schreib-Events wie der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten wird die Bibliothek ein Coworking-Space avant la lettre, bei dem Arbeits-, Schreib- und Denkprozesse sichtbar werden. Das Schreiben in Gemeinschaft, unterstützt durch Schreibberatungen und Workshops, verhilft diesen produktiven Arbeitsräumen zu neuem Schwung und ermöglicht Schreibzentren und Hochschulbibliotheken gleichzeitig Sichtbarkeit für ihre Angebote. Schlüsselbegriffe: Schreibberatung, Schreibzentrum, Peer-Tutoring, Schreibevents, Coworking, Medien, Recherche Kurzbiografien: Katrin Girgensohn hat das Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gegründet und ist Professorin an der Hochschule der populären Künste Berlin. Hans-Jürgen Hertz-Eichenrode ist Fachreferent für Rechtswissenschaften, Philosophie, Theologie an der Bibliothek der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Anja Voigt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schreibzentrum der EuropaUniversität Viadrina in Frankfurt (Oder).
Wie die Idee der „Langen Nacht“ entstand In der studentischen Schreibberatung am Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina wird meistens nicht nur über Texte gesprochen, sondern auch darüber, wie die Schreibenden beim Schreiben vorgehen und wie es ihnen dabei geht. Anders gesagt: Neben dem Produkt des Schreibens steht auch der Prozess im Fokus der Beratungen. Als eine der Schreibenden eines Tages im Jahr 2008 darüber sprach, dass sie nachts am besten schreiben könne, ihre nächtlichen Stunden am heimischen Schreibtisch aber oft als einsam empfinde, kam sie zu dem Schluss: „Für mich müsste das Schreibzentrum nachts aufhaben.“ Die Schreibberaterin berichtete von diesem Gespräch in einer unserer regelmäßigen Teamsitzungen, in denen die studentischen Beratenden ihre Beratungen nachbereiten, sich weiterbilden und austauschen. Dabei zeigte sich: Das nächtliche https://doi.org/10.1515/9783110594140-012
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Schreiben scheint unter Studierenden offenbar weit verbreitet zu sein. Und so stand schnell die Frage im Raum: „Können wir nachts aufmachen?“. Wenn man an die institutionellen Rahmenbedingungen, an Arbeitsschutzregelungen, Wachdienste und Versicherungen denkt, dann hätte die Antwort schlicht lauten müssen: „Nein, können wir nicht.“ Einer der Vorteile von studentischer Schreibberatung ist jedoch der, dass Studierende weder Erfahrung haben mit solchen institutionellen Problemen, noch bereit sind, diese als Hindernis zu sehen, wenn sie eine Idee umsetzen wollen. Und diese Idee war plötzlich in der Welt: Wir machen eine „lange Nacht“ für die Schreibenden. Das Motto war schnell gefunden: „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“, so hatten wir scherzhaft getitelt, denn aufgeschobene Hausarbeiten, das ist etwas, was Studierende vermutlich gut kennen und was sie anspricht. Die erste Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten fand dann im März 2008 im Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina und einigen angrenzenden Räumen statt. Das Schreibzentrum wurde mit Schreibarbeitsplätzen, Sofas und aufmunterndem Blumenschmuck gemütlich und einladend für die Schreibenden vorbereitet. Im Nebenraum wurde die Kaffeemaschine platziert und die Schreibberater*innen spendeten Kuchen und Obst für ein kleines Buffet. Ein Ruheraum wurde mit Isomatten und Schlafsäcken ausgestattet. Alle waren mit viel Elan und Freude dabei, ein kleines Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen. Da wir die ganze Aktion relativ kurzfristig angegangen waren, baten wir die Pressestelle der Universität, eine von uns vorbereitete Presseerklärung zur Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten zu veröffentlichen, um mehr Studierende zu erreichen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass von da an die Telefone nicht mehr stillstehen würden! Das Medieninteresse an unserem Event war erstaunlich groß und wir sahen uns gezwungen, eine Pressekonferenz abzuhalten, um den Journalist*innen von Spiegel, Zeit, FAZ, den Radioreportern und den Fernsehteams gerecht werden zu können und ihnen zu erklären, was ein Schreibzentrum ist, wie studentische Schreibberatung funktioniert und was uns zu dieser Aktion bewogen hatte. Das verursachte zu Beginn der Nacht erstmal viel Trubel, aber die wenigen Pressevertreter*innen, die die ganze Nacht über blieben, fügten sich schließlich ganz nahtlos in die Gruppe der fleißig Schreibenden ein – offenbar hatten auch sie genügend aufgeschobene Texte zu verfassen. Insgesamt nahmen an dieser ersten Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten ungefähr 20 Studierende teil. Wir boten neben den Schreibberatungen im Stundentakt kurze Unterbrechungen an, zum Beispiel Schreibtischyoga, Methodeninputs oder eine Nachtwanderung. Auf der Zielscheibe im Eingangsbereich wurde regelmäßig der Fortschritt der Schreibprojekte markiert und die Ausdauerndsten stießen am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück auf die Erfolge an. Alle waren sich einig: Das müssen wir wiederholen! Auf der nächsten Schreib-Peer-Tutor*innen-Konferenz berichteten unsere Schreibberater*innen von der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten. Die
Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten
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meisten anderen Teilnehmenden hatten schon davon gehört, denn viele der Medienberichte waren überregional erschienen. Schnell wurde man sich darüber einig, die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten künftig nicht nur als gemeinsames Schreiberlebnis, sondern auch als gemeinsames Schreibzentrumserlebnis zu zelebrieren – einfach, weil es den Uni-Akteur*innen wie Studierenden, Promovierenden und Lehrenden die alltägliche Arbeit des Schreibzentrums näherbringt. Im nächsten März fand die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten zeitgleich an mehreren Universitäten statt und es gab eine kurze nächtliche Videokonferenz, um den Schreibenden an den verschiedenen Standorten zu zeigen, wie viele Studierende andernorts mitschrieben. Im Laufe der Jahre sind dann immer mehr Hochschulen dazu gekommen und die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten wird mittlerweile sogar weltweit gefeiert – mit Ablegern in den USA,1 Kanada, Abu Dhabi, Österreich und Island. Im Erscheinungsjahr dieses Bandes jährt sich die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten zum elften Mal. Einiges hat sich bei der Langen Nacht mittlerweile verändert. Zum Beispiel halten wir nicht mehr bis zum nächsten Morgen durch, sondern beenden das Event um ein Uhr nachts. Und statt Videokonferenzen gibt es eine Twitterwall (#LNDAH +Jahr). Zudem findet unsere Lange Nacht mittlerweile in der Bibliothek der Universität statt. Die Grundelemente aber sind die gleichen geblieben: (1) Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten betont das Schreiben in Gemeinschaft mit anderen Schreibenden, (2) sie lädt zu Schreibberatung durch ausgebildete Schreibberater*innen ein, (3) sie macht durch kurze Workshops auf das breite Angebot des Schreibzentrums – und auch der Bibliothek – aufmerksam und (4) sie bezieht die Presse ein, um auch überregional Öffentlichkeitsarbeit für Schreibzentrumsarbeit zu machen. Im Folgenden gehen wir auf diese Aspekte etwas genauer ein und beleuchten abschließend die Zusammenarbeit mit der Bibliothek.
Schreiben in Gemeinschaft In der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten wird geschrieben. Das ist ihr Hauptzweck: Studierende bringen ihre Schreibaufgaben mit und arbeiten an ihren Texten. Hierfür benötigen die Studierenden einen ruhigen Raum, der konzentriertes Arbeiten zulässt, und gleichzeitig ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt. So entsteht für eine Nacht ein spezieller Ort, der die Schreibenden aus ihrem Alltag heraustreten und sie im Idealfall den gemeinschaftlichen Schreibraum als klösterlichen
1 Kiscaden, Nancy & LeAnn Nash: Long Night Against Procrastination: A Collaborative Take On an Internationally Event. In: Praxis – A Writing Center Journal (2015). S. 8–10. Online unter: http:// issuu.com/titospanks/docs/full_issue_pdf/11?e=12817033/12795050 (Stand: 15.12.2018).
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Ort der Konzentration erleben lässt. Winfried Pielow schreibt über das gemeinsame Schreiben an besonderen Orten: Ich liebe die plötzlich eintretende Ruhe, dieses schon ungewohnte, fast archaisch anmutende Schreibgeräusch, dieses Zusammen- und doch Getrenntsein in der Intensität der Schreibbemühung. Konzentration nimmt in dem Maße zu, wie die Schrift auf ihre spezifische Weise einnimmt. Es ist rasch ein unausgesprochenes, partnerschaftliches Einverständnis da, ein kurzes Aufblicken dann und wann, das zu verstehen gibt: es ist ‚echt‘ gut, zusammen zu schreiben, derweil die Umgebung versinkt …2
Viele Studierende haben uns berichtet, dass sie dieses Schreiben in Gemeinschaft als äußerst produktiv und motivierend erleben. Verstärken kann man den Gemeinschaftscharakter durch kleine Rituale. So lassen wir die Studierenden ihre Schreibziele (z. B. ein Kapitel beenden, eine bestimmte Wortzahl schaffen) auf Kärtchen notieren, die auf einer großen Zielscheibe im Laufe der Nacht immer weiter ins Zentrum, also zum Ziel, gerückt werden können. Eine andere Möglichkeit sind stark strukturierte Schreibphasen, bei denen die Studierenden jeweils zu Beginn ansagen, was sie in dieser Schreibphase schaffen möchten und am Ende kurz reflektieren, was sie tatsächlich geschafft haben. Auf diese Weise lernen die Studierenden zudem Techniken kennen, mit denen sie ihre Schreibarbeit strukturieren können, auch dann, wenn sie wieder allein an ihrem heimischen Schreibtisch sitzen.3
Schreibberatung Ein wichtiger Bestandteil der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten ist die Schreibberatung durch ausgebildete Schreibberater*innen.4 In vorher festgelegten Beratungszeiträumen können Studierende die Schreibberatung besuchen und über ihre Schreibprojekte sprechen. Neben dem Textfeedback5 geht es vor allem darum, den Studierenden verständlich zu machen, wie wohltuend und hilfreich es sein kann, mit jemandem über das eigene Vorhaben zu sprechen, Ideen zu diskutieren und vielleicht auch einige Schreibtipps zu bekommen. Essentiell ist dabei, dass
2 Pielow, Winfried: Über die literarische Kultur des Schreibkreises. In: Was bewegt die Schreibbewegung? Kreatives Schreiben – Selbstversuche mit Literatur. Hrsg. von Karl Emert u. Thomas Bütow. Rehburg-Loccum: Evangel. Akad. 1989 (Loccumer Protokolle 63). S. 34. 3 Vgl. Mewburn, Inger [u. a.]: Shut up & Write!: Some Suprising Uses of Cafés and Crowds in Doctoral Writing. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond. Innovations in Practice and Theory. Hrsg. von Claire Aitchison & Cally Guerin. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 218–232. 4 Vgl. Grieshammer, Ella [u. a.]: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2012. 5 Vgl. Grieshammer, Ella: Textentwürfe besprechen. Analysen aus der akademischen Schreibberatung. 1. Aufl. Bielefeld: wbv 2018 (Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft 5).
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die Schreibberater*innen eine profunde, an den Qualitätsstandards der Gesellschaft für Schreibdidaktik- und Schreibforschung orientierte Ausbildung6 durchlaufen haben und somit gut auf ihren Einsatz vorbereitet sind. Das Beratungsangebot zur Langen Nacht wurde nach und nach durch Mitarbeitende der Bibliothek erweitert, die für Fragen zur Literaturrecherche, zu Literaturverwaltungsprogrammen sowie für spezifische Zitationsfragen zur Verfügung stehen.
Unterbrechungen und Workshopangebote Das Schreiben von akademischen Texten erfordert über viele Phasen hinweg extrem tiefe Konzentration.7 Doch zugleich ist es, gerade wenn Schreibende über einen längeren Zeitraum hinweg leistungsfähig sein wollen, wichtig, Pausen einzulegen. Allerdings weisen Studien darauf hin, dass nicht jede Pause automatisch einen Erholungseffekt hat, sondern dass es auch auf die Gestaltung der Pause ankommt.8 Um dies für Studierende erlebbar zu machen, bieten wir im Laufe der Nacht regelmäßig Pausenaktivitäten an. Dazu gehören kurze Bewegungseinheiten (Schreibtischyoga, Nachtspaziergänge) oder Kurzeinführungen in einfache Schreibtechniken, wie z. B. Freewriting. Ein Snacktisch kann dabei helfen, die Energiereserven wieder aufzufüllen und hat zudem eine soziale Komponente: „Good food plays a pivotal role in creating a focused, energetic atmosphere in writing retreats“9. Nicht zuletzt sorgen die Unterbrechungen natürlich auch für den Spaß, den dieses Groß-Schreibevent ebenfalls machen soll – hier stellt sich der Pyjamaparty-Effekt ein, den eine Reporterin einmal bei einem Bericht über die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten feststellte10.
6 SIG „Qualitätsstandards und Inhalte der Peer-Schreibtutor*innen-Ausbildung.“ http://www. schreibdidaktik.de/images/Downloads/RahmenkonzepPeerSchreibtutor_innenausbildg.pdf (Stand: 21.11.2018). 7 Vgl. Olive, T. [u. a.]: The Triple Task Technique for Studying the Process of Writing. In: Contemporary Tools and Techniques for Studying Writing. In: Contemporary tools and techniques for studying writing. Hrgs. von T. Olive [u. a.]. Dordrecht: Kluwer 2002. S. 31–59. 8 Vgl. Wendsche, Johannes: (Kurz-)Pausen – aktueller Stand der Forschung. http://www.arbeitszeitgewinn.de/fileadmin/media/Projektwebsites/Arbeitszeit-Gewinn/Dokumente/Veranstaltungen/ Praesentation_Pausengestaltung_Wendsche.pdf (Stand: 01.08.2018). 9 Aitchison, Claire & Cally Guerin: Writing Groups, Pedagogy, Theory and Practice: an Introduction. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond. Innovations in Practice and Theory. Hrsg. von Claire Aitchison & Cally Guerin. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 13. 10 Haemig, Anne: Uni-Aktion gegen Prokrastination: Gute Nacht, Aufschieberitis!. http://www. spiegel.de/lebenundlernen/uni/uni-aktion-gegen-prokrastination-gute-nacht-aufschieberitis-a684651.html (Stand: 27.08.2018).
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Darüber hinaus bietet die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten aber auch eine wunderbare Gelegenheit, Studierende auf die Vielfalt der Angebote des Schreibzentrums und auch der Bibliothek hinzuweisen. Deshalb bieten wir neben Pausenaktivitäten auch etwas längere Kurzworkshops an, beispielsweise Workshops zur Literaturrecherche, zum kreativen Umgang mit Schreibhemmungen, dem Lektorieren von Texten oder auch Crashkurse zum Schreiben bestimmter Textsorten. Je nach personellen Ressourcen und inhaltlichen Schwerpunkten können hier nicht nur Mitarbeitende aus Schreibzentrum und Bibliothek einbezogen werden, sondern auch andere Einrichtungen, wie die Studienberatung, Medienzentren und Fakultäten. So haben wir in Kooperation mit der Juristischen Fakultät der Viadrina eine Einheit zum Gutachtenschreiben mit einem Juristen organisiert und zusammen mit der Psychologischen Beratungsstelle das Thema Prokrastination in einem Workshop zum Thema gemacht.
Öffentlichkeitsarbeit Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten ist ein Event, das bei den Medien sehr gut ankommt. Unserer Erfahrung nach wird sehr gerne darüber berichtet und sie eignet sich daher bestens, um Aufmerksamkeit auf das Thema Schreiben zu lenken und auf die Arbeit von Schreibzentren aufmerksam zu machen. Es lohnt sich, in Kooperation mit der Pressestelle der Hochschule eine entsprechende Medieninformation herauszugeben. Allerdings sollte diese Form der Öffentlichkeitsarbeit gut vorbereitet und begleitet werden, denn Medienrummel kann äußerst kontraproduktiv zu der konzentrierten Arbeitsatmosphäre sein, die bei der Langen Nacht angestrebt wird. Es empfiehlt sich, eine Person als Medienbetreuung abzustellen und genau zu vereinbaren, wann und wie fotografiert und gefilmt werden darf. Wer bereits im Vorfeld Studierende kennt, die an der Langen Nacht teilnehmen werden, kann frühzeitig eruieren, wer ggf. zu Interviews bereit wäre. Das ermöglicht dann auch eine Vorbereitung auf solche Gespräche, was sehr nützlich sein kann. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass der – ja eher ironisch gemeinte – Titel „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ manche Journalist*innen dazu verleitet, die versammelten Studierenden als notorisch prokrastinierend, faul oder als typische Vertreter*innen einer Generation Studierender darzustellen, die fortwährend „gepampert“ werden müsse. Es lohnt sich, mit Studierenden und Schreib-Peer-Tutor*innen darüber zu reden, aus welchen Gründen die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten
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veranstaltet wird. Dass eine solche Vorbereitung zu sehr positiven Resultaten führen kann, zeigt zum Beispiel ein Artikel von Veronika Widmann11.
Kooperation mit der Bibliothek An vielen Standorten wurde die Lange Nacht zudem von Anfang an in Kooperation mit der Bibliothek angeboten. Bibliotheken sind Orte, die man für gewöhnlich mit Ruhe, dem konzentrierten Durchforsten von Wissensbeständen und vielleicht einsamen Stunden beim Schreiben verbindet. Dabei ist die Bibliothek ein so geschäftiger Arbeitsort für viele – eigentlich eine Art Coworking-Space avant la lettre. Hier wird nicht nur Wissen gelagert, sondern vor allem auch produziert. Schreib-Events wie die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten helfen dabei, die Arbeits-, Schreib- und Denkprozesse, die hier stattfinden, sichtbar zu machen und so auch Bibliotheken zu neuem Charme zu verhelfen. In Frankfurt (Oder) bieten wir die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten mittlerweile gemeinsam mit der Bibliothek an, mit der wir schon zuvor gut kooperiert hatten, z. B. bei der Publikation gelungener Abschlussarbeiten zur Schreibzentrumsforschung12. Die Lange Nacht ermöglicht es, die infrastrukturellen Vorzüge auszukosten und die Lesesäle als geeigneten und gemeinsamen Schreibort erlebbar zu machen. Die exponierte Lage der Bibliothek im Hauptgebäude der Universität sorgt für mehr Sichtbarkeit unserer Themen und das Schreibzentrum sorgt für ein das gemeinsame Schreiben und Lernen unterstützendes Image der Bibliothek. Häufig verfügen Bibliotheken über große, technisch gut ausgestattete Räume, die wir während der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten vor allem für kurze Workshopeinheiten zu Teilaspekten des wissenschaftlichen Arbeitens nutzen.
11 Widmann, Veronika: Lange Nacht der fleißigen Studenten. https://www.zeit.de/studium/uni-leben/2013-03/studenten-lange-nacht-aufgeschobene-hausarbeiten/komplettansicht?print (Stand: 01.08.2018). 12 Vgl. https://www.europa-uni.de/de/struktur/zsfl/institutionen/schreibzentrum/forschung/publikationsreihe-schreiben-im-zentrum/index.html (Stand: 15.12.2018).
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The Swing of Things – der Blick der Universitätsbibliothek auf die „Lange Nacht“ Auch wenn es gemeinhin heißt, Bibliotheken lieben Ordnung(en) über alles, und unbestritten ist, dass Ausnahmen von den täglichen Öffnungszeiten (knapp vor Heißgetränken im Lesesaal) die Mütter aller Angriffe auf Bibliotheksordnung(en) sind: Die Sicht der Bibliothek der Viadrina auf das Projekt „Lange Nacht“ ist uneingeschränkt positiv. Der Eventcharakter nächtlich-abenteuerlichen Arbeitens lässt etwas spielerisch und sehr ernsthaft erleben, was tagsüber von Montag bis Sonntag das alltägliche Angebot der Bibliothek ist – ein hoch effizienter, moderner Arbeitsort für wissenschaftliches Arbeiten. Dabei unterstützen unterschiedlich ausgestattete Binnenräume innerhalb der Bibliothek der Viadrina die vielfältigen Anforderungen und Temperamente: Neben der klassischen Einzelarbeit an Tischen bieten in den Lesesaal integrierte, nach außen geräuschgedämmte, großräumige Arbeitskabinen sowie ein für Teamarbeit und Kursangebote ausgestatteter Mehrzweckraum die Möglichkeit zu Gruppenarbeit oder entspanntem Austausch. Bibliotheken fördern wissenschaftliches Schreiben: Diese Erfahrungen des Projekts „Lange Nacht“ bieten einen nicht erstaunlichen, aber signifikanten Kontrast zu den Stimmen, die Bibliotheken für obsolet erklären, sobald die für das Schreiben oder Lernen wichtigen Dokumente nicht mehr an die Räume von Bibliotheken gebunden seien14. Diese Kontroverse wird sich als anekdotisch erweisen. Örtlich unabhängiger Zugang zu Dokumenten ist bei weitem nicht die einzige Bedingung für die Effizienz von Schreiben, ebenso wenig wie für die Effizienz als Lernort, der weiteren wesentlichen Aufgabe von Universitätsbibliotheken. Sie haben mit Kneipen und Kinos gemeinsam: Elektronische Dokumente, alkoholische Getränke und Filminhalte sind überall verfügbar. Dennoch hat sich die seit 1958 gepflegte Besorgnis um den Bestand von Kinos nicht bestätigt15, zu Kneipen lohnt keine Statistik. Ebenso sollten und werden Bibliotheken mit ihrer Struktur hoch qualifizierten Personals, wissenschaftlich erschließender Dienste (Kataloge; laufend aktualisierte Regelwerke) und Lesesälen mit praktischem Erfolg die pessimistischen Prognosen überdau-
13 Vgl. Songtext der Band a-ha, Scoundrel Days 1986, vgl. https://www.songtexte.com/songtext/ aha/the-swing-of-things-33d51459.html (Stand: 15.12.2018). Into the swing of things: mit neuem Schwung, etwas verbessern, vorankommen – frei nach Cambridge dictionary.org. 14 Furger, Michael: Bibliotheken: Weg damit!. https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/bibliotheken-undbuecher-weg-damit-meint-rafael-ball-ld.147683?reduced=true (Stand: 27.08.2018); Mumenthaler, Rudolf: Sind Bibliotheken überflüssig? Eine Replik. https://ruedimumenthaler.ch/2016/02/08/ sind-bibliotheken-uberflussig-eine-replik/ (Stand: 27.08.2018). 15 Vgl. Spiegel online vom 26.1.1958. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42620839.html (Stand: 15.12.2018); aktuelle Zahlen lassen stabile Prognose erwarten https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165816/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-kinobesucher-seit-2005/ (Stand: 15.12.2018).
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ern: Stets schaffen Umgebung, Gestaltung und Ausstattung von sozialen Begegnungsräumen eine spezifische, nicht ersetzbare Attraktion, sobald sie konzeptionell Anforderungen besonders erfolgreich bedienen. Wissenschaftliche Bibliotheken sind wegen der laufend aktualisierten Adaption ihrer Dienste an die Anforderungen wissenschaftlich Arbeitender aussichtsreiche Beispiele dafür, dass Bewährtes wertgeschätzt bleibt und immer wieder neu entdeckt wird, wenn es in neuen Zusammenhängen wie den „Langen Nächten“ präsentiert wird. Lehreinheiten aus dem differenzierten Fachangebot der Bibliotheken zu Medienkunde und Recherchehandwerk bewähren sich seit Langem. Die Workshops zum Schreiben während einer „Langen Nacht“ werden trefflich mit kurzen Einheiten zu recherchehandwerklichen Themen ergänzt. Das Leitbild der „Langen Nacht“, nämlich alle für das Schreiben wichtigen Fertigkeiten zu verknüpfen, wird um bibliotheksfachliche und recherchehandwerkliche Kenntnisse angereichert und bietet Studierenden einen Einstieg, um systematische Recherchefähigkeiten trainieren. Gerade das Recherche-Training wird im Dazu-finde-ich-schon-was-mit-GoogleZeitalter von Studienanfängern häufig voreilig nachrangig eingeschätzt. Die Lange Nacht kann einen niedrigschwelligen Zugang zu solchen Trainingseinheiten bieten. Die Studierenden können so zum Beispiel erfahren, dass sie die Aufgabe „Wie finde ich Aufsätze in Zeitschriften und Sammelwerken“ mit besserem Lernerfolg behandeln, wenn diese methodische Fertigkeit von vornherein im Dienste einer fachwissenschaftlichen Fragestellung behandelt wird. Solche fachspezifischen Aufgabenstellungen erschließen den Studierenden unmittelbar den Bezug des Handwerklichen zu ihrem Fach und sind für unterschiedliche, vor allem geisteswissenschaftliche Fachgebiete im Angebot vieler Universitätsbibliotheken. Damit können auch die Aufgaben wissenschaftlicher Informationsspezialisten als bewährtes Element des erfolgreichen Portfolios der Universitätsbibliotheken erkannt werden. Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten kann also im Idealfall durch den Eventcharakter Studierende in die Bibliothek locken und ihnen dort das sinnvolle Zusammenspiel von Schreibzentrum, Bibliothek und Fachlehre nahebringen. Das Fazit ist klar: Für den Anteil der „Langen Nächte“ an aufmerksamer Neubewertung lässt die UB der Viadrina sehr gerne die Öffnungszeiten aushebeln und den auch für Gruppenarbeit bestens vorbereiteten Lesesaal zum Coworking-Space umlabeln – into the swing of things.
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Hochschulbibliothek Neu-Ulm: Weiterentwicklung des Schnellkurses „Wissenschaftliches Schreiben“ zum intracurricularen Blended Learning-Kurs „Bridge the Gap“ Abstract: Dieser Beitrag erläutert, wie die Bibliothek der Hochschule Neu-Ulm (HNU) mit einem Blended Learning-Konzept ihr Schulungsangebot für Studierende zur Förderung des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens verbessern und gleichzeitig ihr Personal optimal einsetzen will. Hierzu werden die bisherigen Frontalinhalte des Schnellkurses „Wissenschaftliches Schreiben“ in Videotutorials überführt. Zusätzlich wird die Bibliothek in den vom Stifterverband geförderten Moodlebasierten Kurs „Bridge The Gap“ intracurricular eingebunden. Schlüsselbegriffe: Blended Learning, Digitalisierungsstrategie, Intracurriculare Einbindung, Screencasts, Flipped Classroom, Personalentlastung Kurzbiografien: Timo Guter hat Bibliotheks- und Informationsmanagement (B. A.) in Stuttgart studiert und ist seit 2014 an der Hochschule Neu-Ulm als Schulungsbibliothekar tätig. Er hat das bestehende Schulungsangebot der Bibliothek stark erweitert und beteiligt sich mittlerweile in vielen Studiengängen als fest eingeplanter Gastdozent zum Thema Literaturrecherche, Zitieren oder wissenschaftliches Schreiben. Prof. Dr. Claudia Kocian-Dirr ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Neu-Ulm (HNU). Sie ist Trägerin des Preises für herausragende Lehre des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie Fellow beim Stifterverband. Seit vielen Jahren entwickelt und forscht sie an Didaktik-Konzepten für Blended Learning. Sie hat vielfältige Lehrerfahrung in Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengängen.
Medienkompetenz der Digital Natives als Herausforderung für wissenschaftliches Schreiben Unter den rund 4.000 Studierenden an der Hochschule Neu-Ulm (HNU) herrscht Unsicherheit hinsichtlich des wissenschaftlichen Arbeitens, spätestens kurz vor
https://doi.org/10.1515/9783110594140-013
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dem Schreiben der Bachelorarbeit.1 Dabei gibt es durchaus textbasierte Lernangebote, zum Beispiel eine Informationsplattform zum wissenschaftlichen Arbeiten (IWA) im E-Learning-System Moodle2 Leitfäden zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben der einzelnen Fakultäten oder den Bestand an Fachliteratur der Bibliothek.3 Nun könnte man diese Unsicherheit darauf zurückführen, dass die Studierenden diese Angebote bisher in noch nicht ausreichendem Maße wahrgenommen hätten – entweder wegen mangelnder Bekanntheit oder wegen mangelnder Attraktivität der Angebote. Aber die Bibliothek sowie die Betreuerinnen und Betreuer von wissenschaftlichen Arbeiten haben die Erfahrung gemacht, dass Theorie-Input allein nicht ausreicht, um den Studierenden Sicherheit zu geben: Viele Studierende äußern das Bedürfnis nach praxisnaher, einsteigerfreundlicher Heranführung an das Thema.4 Diese Heranführung im Sinne einer Wissenschaftspropädeutik wird an der HNU sehr heterogen gehandhabt: In manchen Studiengängen gibt es mehrere verpflichtende Seminararbeiten, sodass die Studierenden Kompetenz beim wissenschaftlichen Arbeiten aufbauen können. In anderen Studiengängen gibt es nur ein Seminar, das häufig durch sehr praxisorientierte Themen zu einem Projekt wird. Beim Verfassen der Bachelorarbeit muss dann der eigentliche Inhalt zum Teil zurückstehen, weil die Studierenden mit den Formalien und der Selbstorganisation in den verschiedenen Phasen ihrer Arbeit kämpfen. Die Verunsicherung der Studierenden, wenn das Schreiben der ersten wissenschaftlichen Arbeit ansteht, wurde an der HNU gemessen: Aus einer Umfrage im Sommersemester 2018 bei Studierenden des 5. Semesters im Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation (IMUK) geht hervor, dass 87 % der Studierenden sich nervös fühlen, wenn sie an die anstehende erste Seminararbeit denken. Mehr als 58 % sagen aus, dass sie sogar Angst haben, wenn sie an die erste wissenschaftliche Arbeit denken.5 Anhand von vier Problemclustern wird aufgezeigt, warum und wo genau Studierende an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben so große Probleme haben (vgl. Abb. 1).
1 Vgl. Kocian, Claudia: Bridge the Gap. Wissenschaftliches Arbeiten für Digital Natives. https:// www.stifterverband.org/file/5158/download?token=i3gWIQew (Stand: 25.07.2018). S. 2. 2 Online für Angehörige der Hochschule erreichbar unter https://elearning.hs-neu-ulm.de/course/ view.php?id=72 (Stand: 25.07.2018). 3 Standardwerke wie die von Martin Kornmeier oder von Manuel René Theisen sind auch als EBook vorhanden und somit unbegrenzt und ortsunabhängig verfügbar. 4 Vgl. Kocian, Bridge the Gap (wie Anm. 1), hier S. 2. 5 Vgl. Peters, Melissa: Defizite der Studierenden im Bereich wissenschaftliches Arbeiten an der Hochschule Neu-Ulm. Seminararbeit im Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation. Neu-Ulm 2018.
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Abb. 1: Problembereiche für das wissenschaftliche Arbeiten an HAWs.
Die derzeitigen Studierenden und Studienanfänger sind zwar als „Digital Natives“ mit digitalen Medien aufgewachsen.6 Das bedeutet aber nicht, dass von einer generell hohen Medien- oder Informationskompetenz (digital literacy) ausgegangen werden kann.7 Vielmehr gibt es eine hohe Diversität im Mediennutzungsverhalten.8 Durch die ständige Online-Kommunikation in sozialen Netzwerken ist zudem die Konzentrationsfähigkeit nicht mehr trainiert. Einen längeren, komplizierten Text zu
6 Vgl. Prensky, Marc. Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the Horizon (2001) H. 5. S. 1–6. 7 Vgl. Hochschulforum Digitalisierung: The Digital Turn. Hochschulbildung im digitalen Zeitalter. Berlin 2016 (Arbeitspapier 27). S. 143. 8 Vgl. Schulmeister, Rolf. Gibt es eine „Net Generation“. Dekonstruktion einer Mystifizierung. Erweiterte Version 3.0. http://epub.sub.uni-hamburg.de/epub/volltexte/2013/19651/pdf/schulmeister_net_generation_v3.pdf (Stand: 25.07.2018). S. 83–93.
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lesen, führt Studierende häufig an ihre kognitiven Grenzen.9 Die Vorkenntnisse beim selbstständigen Recherchieren und Auswerten von Quellen sind durch die individuellen Bildungswege sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass Digital Natives bevorzugt kollaborativ arbeiten. Bei der wissenschaftlichen Arbeit soll jedoch selbständig gearbeitet werden. Durch die Bologna-Reform wurden die Grenzen zwischen akademischer und beruflicher Bildung noch stärker aufgeweicht. Da ein Studienabschluss zur Befähigung (Employability) für den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein soll, ist insbesondere in Bachelor-Studiengängen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften eine noch stärkere Ausrichtung hin zur Anwendungsorientierung festzustellen.10 So gibt es nur wenige Kolleginnen und Kollegen, die sich im dicht gedrängten und praxisorientierten Curriculum auf forschendes Lernen einlassen. Auf die Studierenden kommt nach zwei bis drei Semestern des Grundstudiums, das häufig aus dem (Auswendig-)Lernen für ein gedrängtes Curriculum besteht, die Aufgabe zu, von „Null auf Hundert“ wissenschaftlich zu arbeiten. Betrachtet man die bestehenden Leitfäden zum wissenschaftlichen Arbeiten, erscheint es als anachronistisch, dass diese meist in Form von 10-, 20- oder 50-seitigen Textseiten ausgehändigt werden, mit der Anweisung, diese Anleitung nun selbsttätig umzusetzen. Auch die Digitalisierung sowie Blended Learning-Konzepte finden wenig Beachtung bei der Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten. Studieren als Normalfall bedeutet, dass eine zunehmend heterogene Gruppe an Studierenden an die Hochschulen kommt; dies trifft insbesondere auf HAWs zu.11 Die Hochschulrektorenkonferenz fordert, „eine stärkere Bildungsbeteiligung bisher bildungsferner Schichten zu realisieren und beruflich Qualifizierten ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung eine Hochschulausbildung zu Teil werden zu lassen.“12 Für Bibliotheken sowie für Betreuerinnen und Betreuer von wissenschaftlichen Arbeiten heißt es, diese heterogene Gruppe an Studierenden zu betreuen, deren Anzahl in den letzten Jahren insbesondere an den HAWs drastisch erhöht wurde. Im Folgenden wird geschildert, welche Blended Learning-Lösungen die HNUBibliothek derzeit umsetzt, um Studierende beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben besser beraten zu können und gleichzeitig die Personalressourcen optimaler einzusetzen. Im Anschluss daran wird das vom Stifterverband geförderte Projekt „Bridge The Gap“ vorgestellt, bei dem die HNU-Bibliothek mit dem Schnellkurs
9 Vgl. Loh, Kep K. & Ryota Kanai: Higher Media Multi-Tasking Activity Is Associated with Smaller Gray-Matter Density in the Anterior Cingulate Cortex. In: PLoS ONE (2014) H. 9. e106698. 10 Vgl. Hochschulrektorenkonferenz: Perspektiven des Wissenschaftssystems. https://www.hrk. de/positionen/beschluss/detail/perspektiven-des-wissenschaftssystems (Stand: 25.07.2018). 11 Vgl. Centrum für Hochschulentwicklung: Hochschulbildung wird zum Normalfall. https://www. che.de/downloads/Hochschulbildung_wird_zum_Normalfall_2014.pdf (Stand: 25.07.2018). S. 6–7. 12 Hochschulrektorenkonferenz, Perspektiven (wie Anm. 10).
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Wissenschaftliches Schreiben intracurricular in eine verpflichtende Lehrveranstaltung eingebunden wird.
Bestehendes Kursangebot der HNU-Bibliothek Die Bibliothek der HNU bietet seit 2001 Kurse zur Literaturrecherche sowie Datenbankschulungen an, sowohl für Hochschulangehörige als auch für externe Interessenten.13 Seit Ende März 2017 offeriert sie insgesamt vier regelmäßige Kurse, von denen besonders auf den letzten eingegangen werden soll: – Zitieren mit einem Klick: Citavi, – Zitieren mit einem Klick: EndNote, – Schnellkurs Literaturrecherche, – Schnellkurs Wissenschaftliches Schreiben. Jeder der oben genannten Kurse ist eine 90-minütige Präsenzveranstaltung, die im Schulungsraum der Bibliothek für maximal 25 Personen stattfindet, wobei ca. 70 Minuten auf Frontalunterricht und 20 Minuten auf Übungen entfallen. Der Schnellkurs „Wissenschaftliches Schreiben“ folgt prinzipiell dem Prozess des Erstellens einer wissenschaftlichen Arbeit: Planen, Sammeln, Auswerten, Schreiben und Überarbeiten. Weil Sammeln und Auswerten aber bereits im separaten 90minütigen Schnellkurs Literaturrecherche behandelt werden, liegen die drei Schwerpunkte auf Planen (Forschungsfrage, Methodenwahl), Schreiben (Gliederung, Zitieren, Schreiben als Prozess) und Überarbeiten (Überarbeitung vom Großen zum Kleinen).14 Der Schnellkurs Wissenschaftliches Schreiben ist stark nachgefragt, vor allem im Vergleich zu klassischeren Angeboten wie dem Schnellkurs Literaturrecherche.15 Die Teilnehmer des Kurses schätzen neben den konkreten Tipps zum Planen und Schreiben insbesondere den neuen Blick auf den Schreibprozess einer Arbeit an sich, der sich eben wesentlich vom Schreibprozess eines Deutschaufsatzes unterscheidet. Zusätzlich zu den genannten regelmäßigen Kursen bietet die Bibliothek auch Einzelberatungen zum wissenschaftlichen Schreiben an. Diese werden ebenfalls
13 Das gesamte Schulungsangebot der Bibliothek ist online einsehbar unter https://www.hs-neuulm.de/index.php?id=1016 (Stand: 30.12.2018). 14 Schulungsunterlagen online einsehbar unter https://www.hs-neu-ulm.de/fileadmin/user_upload/Bibliothek/Wissenschaftliches_Schreiben/Schnellkurs_Wissenschaftliches_Schreiben.pdf (Stand: 30.12.2018). 15 Von April 2017 bis April 2018 nahmen nach der intern geführten Statistik 340 Personen am Schnellkurs Wissenschaftliches Schreiben teil, am Schnellkurs Literaturrecherche nur 184.
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rege nachgefragt: entweder in Form von 30- bis 60-minütigen Beratungsterminen oder als spontane Hilfestellung bei Einzelfragen. Die Bibliothek berät hier sowohl zu allgemeinen Fragen zum wissenschaftlichen Arbeiten, zum Zitieren und zur Literaturrecherche als auch zu Fragen bei der Nutzung der Literaturverwaltungsprogramme Citavi und EndNote. Denn meist gehen diese Themenbereiche nahtlos ineinander über: Ein Student, der wissen will, wie man ein Internetdokument in Citavi anlegt, wird häufig im Anschluss noch fragen, ob er dieses Werk überhaupt zitieren darf. Die Studierenden fragen die spontanen Hilfestellungen durch den Schulungsbibliothekar sehr rege nach. Dies wird von der Bibliothek darauf zurückgeführt, dass sie durch den neuen Schnellkurs „Wissenschaftliches Schreiben“ als hochschulweiter Ansprechpartner zum wissenschaftlichen Arbeiten sichtbar geworden ist. Zudem sehen die Studierenden die Bibliothek als neutrale Institution: Viele Studierende gaben als Feedback an, dass sie der Bibliothek Fragen stellen konnten, die sie ihren betreuenden Lehrkräften nicht hatten stellen wollen. Zu sehr wird ein möglicherweise nachteiliger Einfluss auf die Notengebung befürchtet. Die vermehrte Anzahl an Präsenzschulungen, an Einzelberatungsterminen und insbesondere an spontanen Hilfestellungen lasten den Schulungsbibliothekar voll aus; ein Mehrangebot an Schulungen ist derzeit nicht denkbar. Gleichzeitig bitten Studierende um Ausweitung des bestehenden Angebots, zum Beispiel durch gesonderte Kurse zum Zitieren oder durch regelmäßiges Feedback zu ihrer Abschlussarbeit. Die Frage für Hochschul- und Universitätsbibliotheken lautet also nicht: „Würde die Einführung eines Kursangebots zum wissenschaftlichen Arbeiten nachgefragt werden?“ – denn dies lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Die Frage muss lauten: „In welcher Form kann die Bibliothek am effizientesten und kundenfreundlichsten das große Schulungsbedürfnis der Studierenden befriedigen?“ Die Bibliothek der HNU scheint hier in einem Dilemma zu stecken: Der Schulungsbibliothekar ist voll ausgelastet, dennoch ist das Schulungsbedürfnis noch nicht befriedigt. Aber dieses Dilemma ist kein echtes: Es lässt sich lösen, indem man die Schulungsangebote als Blended-Learning-Angebot realisiert, wie im Folgenden verdeutlicht werden soll.
E-Learning statt Präsenzlehre mit Frontalunterricht Die frontal unterrichteten Kursinhalte der bisherigen Präsenzschulungen sollen als Screencasts auf der E-Learning-Plattform Moodle angeboten werden. Damit werden Freiräume für mehr individuelle Beratung geschaffen. Hierzu sind folgende Werkzeuge notwendig:
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ein Laptop mit integrierter Webcam, eine Aufzeichnungssoftware für Screencasts, z. B. Camtasia16, ein qualitativ hochwertiges Mikrofon, z. B. das Yeti USB Mikrofon von Blue17, ein ruhiger Raum für störungsfreie Aufnahmen.
Abb. 2: Ausschnitt aus dem Storyboard für ein Moodle-Screencast.
16 Produktdetails online einsehbar unter https://www.techsmith.de/camtasia.html (Stand: 30.12.2018). 17 Produktdetails online einsehbar unter http://www.blue-designs.de/products/yeti/ (Stand: 30.12.2018).
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Die Frontalinhalte sollten in kurze Videos aufgebrochen werden, die jeweils nicht über fünf Minuten dauern. So bleiben die Videos leicht verdaulich und attraktiv – denn auch das beste Video nützt nichts, wenn die Nutzer es nicht ansehen. Falls die Gedankenführung aus der Präsenzveranstaltung nicht einfach übernommen werden kann, hilft ein Storyboard bei der Entwicklung von Screencasts (vgl. Abb. 2). Auf der linken Seite wird dazu ein Screenshot (Bildschirmaufnahme) eines Angebotes verwendet, wie ihn auch Studierende vorfinden. Auf der rechten Seite wird notiert, was im Screencast zu diesem Bildschirm gesagt werden soll. Durch diese Vorbereitung kann das Screencast stringent gehalten werden. Es wird empfohlen, die sprechende Person über die Webcam zu filmen und in den fertigen Screencast einzubinden: Es fällt deutlich leichter, einer sichtbaren Person über längere Zeit zu folgen als einer körperlosen Stimme – insbesondere bei Passagen, in denen etwas erklärt wird, ohne dass im Screencast etwas geklickt oder geschrieben wird. Außerdem bleibt die Schulungsperson so als persönlicher Ansprechpartner für das wissenschaftliche Arbeiten erkennbar. Im Anschluss an die Aufnahme wird das Video editiert: Screencast und Webcam-Aufnahme werden übereinandergelegt, der Ton wird nachbearbeitet (Lautstärke wird angeglichen, Rauschen wird entfernt) und eine kurze Start- sowie eine Endfolie werden eingefügt. Von zeitaufwändiger Bildnachbearbeitung (Zooms, Hervorhebungen etc.) wird weitgehend abgeraten: Generell wird empfohlen, nicht unverhältnismäßig viel Zeit in die Nachbearbeitung zu investieren, insbesondere bei Videos mit schnelllebigen Inhalten wie zum Beispiel der jeweils aktuellen Version von Citavi oder EndNote. Denn die Videos sollen eine Entlastung für die Schulungsperson darstellen – nichts ist gewonnen, wenn sich die Aufgaben der Schulungsperson durch die Videos letztlich nur verschieben oder gar vermehren. Diejenigen Zeitblöcke, die bisher für Präsenzveranstaltungen reserviert waren und nun durch die Online-Videos freigeworden sind, kann die Bibliothek für Tutorien nutzen, also für Veranstaltungen zu fixen Zeiten, die die Studierenden ohne vorherige Anmeldung besuchen und für persönliche Fragen nutzen können. Dies soll die vielen spontanen Hilfestellungen und Einzelberatungstermine verringern und so die Schulungsperson entlasten.
Individuelle Förderung von Studierenden und Freiräume für das Bibliothekspersonal Für die Studierenden ergeben sich durch dieses neue Vorgehen mehrere Vorteile. Zum einen werden die Frontalinhalte im Rahmen der Bibliothekskurse zeit- und ortsunabhängig zugänglich, zum anderen können die Studierenden die bisherigen Frontalinhalte im eigenen Tempo erlernen.
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Für diejenigen Einzelberatungen, deren Inhalte tatsächlich über die bisherigen Frontalinhalte hinausgehen, und für individuelles Feedback stehen nun die frei belegbaren Tutorien zur Verfügung. Denn gerade individuelles Feedback zum eigenen wissenschaftlichen Text wurde in der Vergangenheit von Studierenden rege gewünscht, konnte aber aus Zeitgründen nie mehr als punktuell angeboten werden. Dabei ist es mehr als nachvollziehbar, dass Studierende bei einem Kurs, der das Wort „Schreiben“ im Namen trägt, nicht nur Input möchten: Sie möchten zwar gesagt bekommen, wie man schreibt; sie möchten danach aber auch eigenhändig schreiben und zu diesem Geschriebenen eine professionelle Meinung hören. Die Bibliothek profitiert ebenfalls auf mehrere Weisen: Durch die ständige Verfügbarkeit und Wiederholbarkeit der Videos entfallen nicht nur die bisherigen Frontalinhalte der regelmäßigen Schulungen (was 70 der insgesamt 90 Minuten der bisherigen Kurse entspricht); auch die vielen Anfragen für einführende Einzelberatungsgespräche und spontane Hilfestellungen werden weniger oder lassen sich in kürzester Zeit in andere Kanäle umlenken. Denn grundlegende Fragen können mit einem Hinweis auf das nun vorhandene Videomaterial beantwortet werden, während bei weiterführenden Fragen auf die frei belegbaren Tutorien verwiesen werden kann. Der Schulungsbibliothekar wird um die ständige Wiederholung der Frontalinhalte entlastet und kann in den Tutorien durch die Bearbeitung weiterführender Fragen sein eigenes Wissen noch vertiefen. Falls manche Fragen immer wieder in den Tutorien auftauchen, kann man ein weiteres kurzes Video aufnehmen und online bei den übrigen Frontalinhalten zur Verfügung stellen. Da diese Tutorien frei belegbar sind, fällt auch der gesamte Anmelde- und Terminvereinbarungsaufwand weg. Die Bibliothek muss hierbei nur darauf achten, die Tutorien regelmäßig und oft genug anzubieten, damit sie tatsächlich eine Alternative zu den spontanen Hilfestellungen darstellen, und sie muss diese spontanen Anfragen zuverlässig in die Tutorien umleiten: Nichts ist gewonnen, wenn der Schulungsbibliothekar trotz Videos und Tutorien noch mehrmals täglich an die Servicetheke gerufen wird und dort dann einer Einzelperson in aller Ausführlichkeit Hilfestellung gibt. Und nicht zuletzt wird durch die Videos das Wissen des Schulungsbibliothekars für das übrige Team der Bibliothek dokumentiert und dauerhaft verfügbar gemacht: Vertretungen können auf die Online-Inhalte verweisen und gleichzeitig den eigenen Informationsstand aktuell halten.
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BRIDGE THE GAP – Intracurriculare Einbindung der Bibliothek In diesem Abschnitt wird das Projekt „BRIDGE THE GAP“ vorgestellt. Im Rahmen dieses Projektes wird ein im Curriculum verankertes Blended-Learning-Modul entwickelt, das Studierende schrittweise dabei unterstützt, Kompetenzen zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit aufzubauen. Die Bibliothek ist fest in dieses Projekt eingebunden, da sie zusammen mit den Betreuerinnen und Betreuern einer wissenschaftlichen Arbeit wichtige Ansprechpartnerin und Beraterin ist. Das Projekt wird finanziert durch ein Fellowship für Innovationen in der Hochschullehre des Stifterverbandes.18 Aber auch die Hochschule selbst bringt Mittel in Form von Personal ein, da es der Hochschulleitung ein wichtiges Anliegen ist, das wissenschaftliche Arbeiten sowie die Digitalisierung von Lehrveranstaltungen zu fördern. Der auf Moodle basierende Kurs startet zum Wintersemester 2018/19 im Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation und wird in jedem Semester angeboten. Es handelt sich um das Pflichtfach „Methoden- und Schlüsselkompetenzen“ mit 2 SWS sowie 60 bis 70 Studierenden pro Semester. Die Lehrveranstaltung ist im 5. Semester angesiedelt. Die Seminararbeit folgt dann im 6. Semester, die Bachelorarbeit ist im 7. Semester angesiedelt. Für Seminar- und Bachelorarbeiten wird dadurch eine wichtige Grundlage gelegt.
Abb. 3: Didaktisches Konzept „BRIDGE THE GAP“ – schematische Darstellung.
18 Vgl. Stifterverband: Fellowships Hochschullehre. https://www.stifterverband.org/lehrfellowships/2017 (Stand: 25.07.2018).
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Ziel ist es, die Studierenden durch das Blended Learning-basierte Pflichtmodul an das wissenschaftliche Arbeiten und Schreiben heranzuführen, so dass die Prinzipien des Forschens und Schreibens schrittweise eingeübt werden können. Interaktion und Feedback sind wichtige Elemente, so dass Studierende erfahren, wie gut sie die neuen Anforderungen umsetzen und sich weiterentwickeln können.19 Dazu werden Elemente aus dem Bereich des Gamified Learning sowie des Flipped Classroom eingesetzt (siehe Abb. 3). Neuartig ist die didaktische und technologische Gesamtkonzeption des Moduls. Bislang existieren textuelle Leitfäden, Online-Kurse (zum Beispiel: iversity.org, Wissenschaftliches Denken, Arbeiten und Schreiben; Fernuniversität Hagen, Wissenschaftliches Arbeiten), Bücher, theoretische Vorlesungen etc., die der aktuellen Situation an HAWs und den Potenzialen von Blended- und Gamified Learning-Konzepten wenig Rechnung tragen. „BRIDGE THE GAP“ enthält Content in Form von Videos, interaktiven Lernmodulen mit integrierten Quiz, Screencasts, E-Books oder qualitätsgesicherten Anschauungsobjekten (Best Practice-Beispiele, z. B. sehr gute Bachelorarbeiten). Die Verinnerlichung der Inhalte wird durch interaktive Elemente wie Aufgaben (Tasks), Quiz oder Foren gefördert, so dass auch Feedback gegeben werden kann. Die Studierenden erarbeiten die erforderlichen Meilensteine z. T. in Kleingruppen, so dass sie das von ihnen präferierte Arbeiten in Netzwerken praktizieren können. In Flipped Classroom-Sessions können die Meilensteine der Kleingruppen wie Forschungsfrage oder Schriftproben mit exemplarischen Zitaten vorgestellt, erörtert und iterativ verbessert werden. Um den Studierenden auch zu den Online-Elementen Anreize und personalisiertes Feedback zu geben, werden Elemente des Gamified Learning verwendet.20 Dadurch ist es möglich, mehr Transparenz über den Lernfortschritt zu schaffen, z. B. durch ein Punktesystem, durch Fortschrittsbalken sowie durch ein Leaderboard, auf dem sich Studierende mit anderen vergleichen können.
Aufbau und Durchführung des Moduls zum wissenschaftlichen Schreiben Die Ablaufplanung für die ersten sechs Wochen des Semesters ist in Abb. 4 schematisch dargestellt. Das didaktische Konzept basiert auf vier Phasen, die jeweils unter-
19 Vgl. Kocian, Claudia: Blended Learning für Digital Natives an Hochschulen. Konzept und Umsetzung von Self-Assessments mit Moodle-Tests. Hochschule Neu-Ulm 2014 (HNU Working Paper 28). 20 Vgl. Kocian, Claudia: Digitale Transformation der Hochschulen. Einsichten aus einem Innovation Camp mit Studierenden. In: Die Neue Hochschule (2016) H. 4. S. 110–113.
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schiedliche Kompetenzen erfordern. Das wissenschaftliche Schreiben ist dabei eine der vier Phasen: – Orientieren, – Forschen, – Schreiben, – Präsentieren.
Abb. 4: Ablaufplanung von „BRIDGE THE GAP“, Woche 1–6 von insgesamt 12 Wochen.
In der ersten Woche ist es das Ziel, dass Studierende die Ziele einer wissenschaftlichen Arbeit verstehen und dass sie eine Forschungsfrage einordnen können. Dazu
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gibt es im Moodle-Kurs das Orientierungsvideo „Alina und Oli erstellen eine Seminararbeit“. Studierende können hier in einem 5-minütigen Video im Zeitraffer die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit verfolgen. Kritische Meilensteine werden hervorgehoben. Als Coach bei der Erstellung der Storyboards konnte Christoph Biermann, Autor und Produzent der Sendung mit der Maus, gewonnen werden, so dass die Videos eine hohe Originalität und Einprägsamkeit aufweisen. Die Illustrationen wurden von einer Studentin aus dem Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation im Rahmen des Projekts erstellt (vgl. Abb. 5). In der ersten Flipped Classroom-Veranstaltung wird dann das Kursformat des Blended Learning erläutert. Zudem werden für Kleingruppen Forschungsfragen zu einem Generalthema ausgegeben. Diese Forschungsfrage dient jeder Kleingruppe als Ausgangspunkt für die zweite Woche, wo es um die Suche nach der passenden Literatur geht.
Abb. 5: Alina und Oli: Szenen aus dem Orientierungsvideo.
In der zweiten Woche des Semesters arbeiten die Studierenden die Screencasts (Video-Tutorial) der Bibliothek zum Thema „Literatur suchen“ in Vorbereitung auf die Flipped Classroom Session durch. Es gibt je ein Screencast für die Suche im Bibliothekskatalog, in der Zeitschriftendatenbank, in der statistischen Datenbank sowie in der elektronischen Zeitschriftenbibliothek. Die Flipped Classroom-Session dazu findet im Schulungsraum der Bibliothek statt. Studierende werden so an die
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Services und Ressourcen der Bibliothek herangeführt und können so gleich spezifisch zu ihrem Thema Fragen stellen. Eine Bibliotheksfachkraft führt diesen Flipped Classroom durch, um in eine soziale Interaktion mit den Studierenden zu kommen. Die im ersten Teil des Beitrags beschriebenen Video-Tutorials der Bibliothek werden also intracurricular eingebunden. In der dritten Woche steht das Literaturverzeichnis im Mittelpunkt. Studierende lernen durch ein interaktives Lernmodul, wie ein Eintrag im Literaturverzeichnis grundsätzlich aufgebaut ist. Als Aufgabe müssen sie in Moodle ihr Literaturverzeichnis hochladen. Im Flipped Classroom werden die Literaturverzeichnisse diskutiert und die Studierenden erhalten Feedback. Und so steht jede Woche ein weiteres Thema im Mittelpunkt. In der vierten Woche geht es um Begriffsdefinitionen und das korrekte Zitieren. Über das Zitieren werden die Studierenden nun an das wissenschaftliche Schreiben herangeführt. Die Studierenden haben die konkrete Aufgabe, eine Begriffsdefinition aus vorhandenen Quellen abzuleiten. Quellen müssen gefunden, ausgewertet, verglichen, zitiert und diskutiert werden. Über diesen Einstieg in konkrete Themen kann die anfängliche Schreibblockade überwunden werden. In der fünften Woche geht es um übersichtliches Gliedern und um Visualisierung. Auch anhand dieser Elemente kann das wissenschaftliche Schreiben sehr gut abgeleitet werden. Die Gliederung wird im Kapitel „Aufbau der Arbeit“ typischerweise beschrieben. Abbildungen müssen ebenfalls beschrieben und erläutert werden. In der sechsten Woche präsentieren Studierende ihre Ergebnisse in einem Elevator Pitch, so dass sie auch für ihre wissenschaftliche Kurzpräsentation ein erstes Feedback erhalten. In der siebten Woche erarbeiten die Studierenden in Kleingruppen eine eigene Forschungsfrage, der im Verlauf des Semesters nachgegangen wird. In einem interaktiven Lernmodul lernen sie, welche unterschiedlichen Arten von Forschungsfragen es gibt und wie die Forschungsfrage in ein Exposé eingebunden ist. Durch das Verständnis der grundlegenden Struktur eines Exposés kann das wissenschaftliche Schreiben fundiert werden. Weiterhin im Kurs enthalten ist z. B. ein Video, in dem drei Professorinnen und Professoren in einem Interview erläutern, wie sie eine wissenschaftliche Arbeit lesen und bewerten. Ebenfalls geben sie Frage auf die Antwort, was sie sich in der Zusammenarbeit mit Studierenden während der Bachelorarbeit wünschen. Im zweiten Teil stehen dann Forschungsmethoden, Hypothesengenerierung und einfache Datenauswertung mit Excel im Fokus (vgl. Abb. 6).
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Abb. 6: Ablaufplanung von „BRIDGE THE GAP“, Woche 7–12 von insgesamt 12 Wochen.
Am Ende des Semesters geben die Studierenden eine Studienarbeit ab und erhalten gruppenweise ein Feedback zu ihrer Arbeit von den Dozentinnen und Dozenten des Kurses. Der Moodle-Kurs mit seinen vielfältigen Online-Materialien steht den Studierenden auch nach Abschluss dieser Vorlesung zur Verfügung, so dass er auch für die Seminar- und Bachelorarbeit genutzt werden kann.
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Zusammenfassung und Ausblick Der Schnellkurs Wissenschaftliches Schreiben war rückblickend ein notwendiger und richtiger erster Schritt, denn durch die vielen Veranstaltungen und Einzelberatungen konnte der Schulungsbibliothekar seine Fachkenntnisse vertiefen und die speziellen Bedürfnisse der Studierenden an der Hochschule kennenlernen. Zudem wurde die Bibliothek durch die Veranstaltungen im gut einsehbaren Schulungsraum für alle regelmäßigen Bibliotheksbesucher als Ansprechpartner für das wissenschaftliche Arbeiten bekannter. Der Zuspruch war stets groß – aber das darf kein Grund sein, mit dem bisherigen Konzept zufrieden zu sein. Denn so wie eine wissenschaftliche Arbeit mit einer groben Rohfassung beginnt und danach Stück für Stück zu einer gestrafften, stringenten Endfassung heranreift, so muss auch ein Schulungskonzept kritisch auf Optimierungspotenzial untersucht werden. Und hier wurde klar: Die zu vermittelnden Inhalte sind die richtigen – aber die Form ist alles andere als effizient. Durch das Auslagern der Frontalinhalte in Videos wird nun Raum geschaffen – Raum, der für das von den Studierenden so inständig nachgefragte individuelle Feedback zu ihren wissenschaftlichen Texten verwendet werden kann. Dieser Umstieg ist mit hohem Einmalaufwand (allein schon für die Produktion der Videos) verbunden und muss vom Rest des Teams mitgetragen werden, und auch später müssen Videos aktualisiert und möglicherweise komplett neu konzipiert werden. Deshalb müssen die neuen Prozesse selbst wieder kritisch hinterfragt und weiter optimiert werden, damit am Ende auch tatsächlich eine Entlastung statt einer Mehrbelastung des Schulungsbibliothekars steht. Die Hochschulbibliothek Neu-Ulm hat dabei das Glück, dass sie in das intracurriculare Modul „BRIDGE THE GAP“ eingebunden ist und dadurch nicht alleine vor dem Aufgabenberg steht: Neben anderen fachlichen Experten stehen wissenschaftliche Mitarbeiter als Spezialisten für Bild, Ton und für E-Learning zur Seite. Deshalb kann das Modul auch noch weiter ausgebaut werden, zum Beispiel für Masterarbeiten, und für internationale Studierende ins Englische übersetzt werden. Darüber hinaus kann der Moodle-Kurs exportiert und Kolleginnen und Kollegen anderer Hochschulen zur Verfügung gestellt werden: Er eignet sich nicht nur für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sondern sicherlich auch für Ingenieurs- und andere Wissenschaften. Andere Bibliotheken haben hier vielleicht weniger Unterstützung als die Hochschulbibliothek Neu-Ulm. Aber selbst wenn das Schulungsangebot möglicherweise von nur einer einzigen Person geschultert wird, geben Videoaufnahmen Sinn: Beispielsweise könnte man schlicht die zwei oder drei wiederkehrenden Schulungen von Zeit zu Zeit von einer dritten Person aufzeichnen lassen und den Studierenden zur Verfügung stellen. Bei allen technischen Möglichkeiten sollte letztlich stets eines im Vordergrund stehen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Oberstes Ziel ist es, das bereits vorhan-
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dene Wissen von Bibliotheksfachkräften sowie Dozentinnen und Dozenten zu teilen und den individuellen Lernfortschritt sowie die soziale Interaktion mit den Studierenden zu fördern. Nur dann schafft Digitalisierung einen wirklichen Mehrwert in der Lehre.
Ingrid Sand und Andrea Thiel
Idee Schreibwerkstatt – Entwicklung eines schreibdidaktischen Angebots in der Hochschulbibliothek der Technischen Hochschule Mittelhessen Abstract: Dieser Praxisbericht stellt den Prozess von der Idee bis zur Implementierung eines schreibdidaktischen Angebotes in der Hochschulbibliothek der Technischen Hochschule Mittelhessen dar. Dabei wird die Informationskompetenz als eine für das Schreiben notwendige Teilkompetenz gesehen und ein integriertes Angebot zur Informations- und Schreibkompetenz vorgestellt. Der Bericht beschreibt die personelle, organisatorische und technische Infrastruktur sowie das derzeitige Angebot und endet mit einem ersten Resümee. Schlüsselbegriffe: Praxisbericht, Schreibberatung, Rechercheberatung, Innovation Kurzbiografien: Ingrid Sand studierte an der Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (heute TH Köln) und ist Diplom-Bibliothekarin. Zunächst arbeitete sie ab 1984 im Bereich Organisation der Bibliothek der Gesamthochschule Kassel (heute Universitätsbibliothek Kassel), ab 1987 in der DV-Abteilung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt (heute Deutsche Nationalbibliothek) und ist seit 1990 als Leiterin der Hochschulbibliothek der THM tätig. Zurzeit studiert Sie berufsbegleitend an der TH Köln im Studiengang MALIS. Kontakt: [email protected] Homepage: www.thm.de/bibliothek Andrea Thiel studierte an der Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (heute TH Köln) und ist Diplom-Bibliothekarin. Seit 1988 arbeitet sie in der Hochschulbibliothek der THM und ist als Leiterin der Bibliothek am Standort Friedberg Mitglied der Bibliotheksleitung. Ihr Aufgabenschwerpunkt ist die Förderung von Informations- und Schreibkompetenz. Im Rahmen dieser Tätigkeit absolvierte sie das CAS Schreibberatung an Hochschulen (CAS Zertifikat 2014 ZHAW Winterthur) und leitet seitdem das Team zur Förderung von Informations- und Schreibkompetenz in der Hochschulbibliothek der THM. Sie ist an der THM als Lehrbeauftragte tätig. Kontakt: [email protected] Homepage: www.thm.de/bibliothek/lernortplus
https://doi.org/10.1515/9783110594140-014
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Schreibwerkstatt Hochschulbibliothek – die Grundidee „Welchen Zitationsstil nehme ich?“ „Wie finde ich den Anfang für meine Hausarbeit?“ „Wie gestalte ich eine Gliederung und finde den roten Faden?“ Bibliothekare kennen diese Fragen von Studierenden aus ihren Informationskompetenzschulungen und aus ihrer Beratungstätigkeit. Dahinter steht der Wunsch der Studierenden, sie beim Schreiben zu unterstützen. An einigen Hochschulen haben sich Schreibzentren etabliert, auf die verwiesen werden kann.1 Nicht so an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), welche im Jahr 2013 keine entsprechenden Angebote bereithielt. Mit ca. 17.000 Studierenden ist die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) die drittgrößte Fachhochschule in Deutschland.2 In insgesamt 79 Studiengängen können die Abschlüsse Bachelor und Master erlangt werden. Die Fächergruppen Ingenieurwissenschaften, Informatik und Betriebswirtschaft bilden die Schwerpunkte des Studienangebotes. Einige Studiengänge bietet die Hochschule dual beziehungsweise als Fernstudium an. Stagnierende Ausleihzahlen, der damit einhergehende Rückbau des physischen Ausleihbestandes und der Ausbau des E-Medien-Angebotes führen in vielen Bibliotheken zu der Frage nach Innovationen. Dies zeigen die vielfältigen Diskussionen der Bibliothekskollegen und die Beiträge in der Fachliteratur.3 Auch die Bibliotheksleitung der THM ist gefordert, sich mit der Frage der Zukunftsfähigkeit der Hochschulbibliothek auseinanderzusetzen, um neue, zielgruppengerechte und nachfrageorientierte Angebote zu entwickeln. Neben dem weiteren Ausbau der Hochschulbibliothek der THM zum Lernort, wird daher über die Entwicklung eines Angebotes zur Schreibunterstützung für Studierende nachgedacht. Das bestehende Angebot zur Förderung von Informationskompetenz soll durch neue Dienstleistungen zur Förderung von Schreibkompetenz ergänzt werden. Nach der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema verstärkte sich in der Bibliotheksleitung der Eindruck, dass es für die Zielgruppe der Studierenden ein Schreibberatungsangebot geben sollte und diese Aufgabe von der Hochschulbibliothek übernommen werden kann. Zunächst war es eine Idee, die in ersten Gesprächen mit der
1 Banzer, Roman u. Otto Kruse: Schreiben im Bachelor-Studium. Direktiven für Didaktik und Curriculumentwicklung. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Hrsg. von Brigitte Berendt [u. a.]. Berlin: Raabe 2011. 2 51 11 12. G 4.8, S. 1–37, hier S. 26–27. 2 Statistisches Bundesamt: Studierende an Hochschulen. Wintersemester 2016/2017. Wiesbaden 2017 (Fachserie 11 Reihe 4.1), hier S. 84–110. 3 Ball, Rafael: Was von Bibliotheken wirklich bleibt. Das Ende eines Monopols; ein Lesebuch. Wiesbaden: Dinges & Frick 2013 (B.I.T.online – Innovativ 45).
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Hochschulleitung, mit Professoren und Studierenden bestärkt wurde und in der Zusage der Hochschulleitung mündete, das Thema „Schreibkompetenz“ institutionell in der Hochschulbibliothek zu verankern und die erforderliche Personalentwicklung zu unterstützen. Die Konzeption von Angeboten zur Schreibkompetenz als Alleinstellungsmerkmal der Hochschulbibliothek ist jetzt erklärtes Ziel und nicht länger nur eine Idee.
Schritt für Schritt zur Schreibwerkstatt Die Einführung von neuen Dienstleistungen tangiert viele Arbeitsbereiche einer Bibliothek. Von der technischen Infrastruktur bis hin zum Marketing müssen eine Reihe grundsätzlicher Fragen geklärt, die bestehende Infrastruktur angepasst oder neue Strukturen geschaffen werden. Eine Abteilung oder ein Budget für Innovationsmanagement steht an der THM nicht zur Verfügung. Ebenso bietet die Bibliothek mit 16 Mitarbeiter*innen an zwei Standorten wenig personelle Alternativen. Die Bibliotheksleitung ist daher im besonderen Maße gefordert, Ressourcen zu bündeln und den Prozess zur Einführung von Innovationen zu steuern und zu begleiten. Dieser Praxisbericht beschreibt, wie dies bei der Einführung des Schreibberatungsangebotes in der Hochschulbibliothek der THM, gemeinsam mit der künftigen Schreibberaterin und den Mitarbeitern der Arbeitsgebiete Bibliotheksdatenverarbeitung und Informationskompetenz gelungen ist.
Personelle Entwicklung und Studie zur Schreibkultur Das Angebot einer Schreibberatung erfordert qualifiziertes Personal. Im Vordergrund stand daher die personelle Entwicklung einer Person, die gefunden werden musste, im besten Fall eine Bibliotheksmitarbeiterin mit Potential und Interesse am Thema „Schreiben“. Eine Mitarbeiterin, die bereits über langjährige Erfahrungen im Bereich der Förderung von Informationskompetenz verfügte, konnte hierfür gewonnen werden. Die wissenschaftliche Weiterbildung zur Schreibberaterin erfolgte, nach Sichtung des Weiterbildungsmarktes, innerhalb eines CAS-Lehrgangs4 an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und hatte einen Umfang von 15 ECTS-Punkten (European Credit Transfer System). Die im Rahmen der Weiterbildung geschriebene Studie zur Schreibkompetenz an der THM5 bestätigte die Idee und den Bedarf der gewählten Zielgruppe in zweifa-
4 CAS – Certificate of Advanced Studies. 5 Thiel, Andrea: Bedarfsermittlung für die zielgruppengerechte Konzeption eines außercurricularen, schreibdidaktischen Angebotes in der Hochschulbibliothek der Technischen Hochschule Mit-
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cher Hinsicht: Die Schreibberatung wird von den Studierenden der THM gewünscht und die Hochschulbibliothek wird als kompetenter Anbieter eines entsprechenden Angebotes gesehen. Zusätzlich bildete die Studie die Grundlage für die nachfolgend beschriebene Entwicklung der verschiedenen Angebotsformate und -inhalte.
Konzeption des Angebotes Für die Entwicklung von Angeboten zum Schreiben werden Kenntnisse über die jeweilige Schreibkultur benötigt. Hierfür kann auf die erwähnte Studie6 zurückgegriffen werden, die die Schreibkultur an der THM mit den von Kruse beschriebenen Dimensionen Textsorten, Schreibpraxis und Schreibkompetenzen7 die bereits vorhandenen Angebote zur Förderung von Informationskompetenz analysiert sowie erwünschte Unterstützungsangebote untersucht. Zum Zeitpunkt der konzeptionellen Arbeit am neuen Schreibberatungsangebot sind die bestehenden Angebote der Hochschulbibliothek zur Förderung von Informationskompetenz nur mäßig erfolgreich. Gut nachgefragt sind in Vorlesungen eingebettete Schulungen und ein bereits akkreditiertes Modul. Das Beratungsangebot zur Recherche wird wenig genutzt. Weitere Schulungen gibt es kaum und das Angebot ist nicht bekannt.8 Ziel ist es daher, das bestehende Angebot im Bereich Informationskompetenz in das neu zu erstellende Konzept zur Schreibunterstützung zu integrieren und zu verbessern. Dem Schreibkompetenzmodell von Kruse und Chitez folgend9, wird die Informationskompetenz dabei als Teilkompetenz des Schreibens betrachtet. Nachfolgende Abbildung 1 zeigt die Schulungs- und Beratungsmöglichkeiten, die gemäß Sühl-Strohmenger10 in extracurriculare, intracurriculare und intercurriculare Angebote unterschieden werden.
telhessen. Untersuchung ausgewählter Studiengänge. http://digdok.bib.thm.de/volltexte/2018/ 5248/ (Stand: 03.09.2018). 6 Thiel, Bedarfsermittlung (wie Anm. 5). 7 Kruse, Otto: Perspectives on Adademic Writing in European Higher Education. Genres, Practices, and Competences. In: Revista de Docencia Universitaria. REDU. Número monográfico dedicado a Academic Writing (2013) H. 1. S. 37–58. 8 Thiel, Bedarfsermittlung (wie Anm. 5), hier S. 28–29. 9 Kruse, Otto u. Madalina Chitez: Schreibkompetenz im Studium. Komponenten, Modelle und Assessment. In: Literale Kompetenzentwicklung an der Hochschule. Hrsg. von Ulrike Preußer u. Nadja Sennewald. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang 2012. S. 57–83, hier S. 63 u. 68–70. 10 Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2012 (Bibliothek: Monografien zu Forschung und Praxis 1), hier S. 128–129.
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Abb. 1: Angebotsportfolio.
Neben der Durchführung von intracurricularen, das heißt in Vorlesungen eingebetteten Veranstaltungen, die in enger Abstimmung mit den Professoren konzipiert werden, verantwortet die Hochschulbibliothek akkreditierte Module zum wissenschaftlichen Schreiben und zur Förderung von Informationskompetenz. Der Bereich der extracurricularen Angebote umfasst offene, niedrigschwellige Formate sowie Schulungen und Beratungstermine, für die eine Anmeldung erforderlich ist. Da das Schreiben nicht in allen Studiengängen gelehrt oder angeleitet wird und es hierzu auch keine weiteren Hochschulangebote gibt, geht die Schreibberatung der Hochschulbibliothek über die reine Hilfe zur Selbsthilfe und die Vermittlung von Schreibstrategien hinaus.11 Ratsuchende erhalten auch Informationen zu wissenschaftlichen Arbeitstechniken, z. B. zur formalen Gestaltung ihrer Arbeit oder zum Zitieren.
11 Vgl. z. B.: Bräuer, Gerd: Grundprinzipien der Schreibberatung. Eine pragmatische Sicht auf die Schreibprozesstheorie. In: Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen 2014 (UTB Schlüsselkompetenzen 8604). S. 258–281.
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Innerhalb der Hochschule wurde das neue Konzept zur Informations- und Schreibkompetenz in der Hochschulleitung, in der Runde der Fachbereichsleitungen und in den Fachbereichen vorgestellt.
Organisationsstruktur Die Organisationsstruktur mit Aufbau- und Ablauforganisation ist klar definiert und durch kurze Entscheidungswege geprägt. Hochschulintern wird der Begriff Informations- und Schreibkompetenz (ISK) für das neue Arbeitsgebiet verwendet. Die im Bereich ISK beschäftigten Mitarbeiter*innen, die jeweils am Standort Friedberg oder Gießen arbeiten, gehören zum neu formierten ISK-Team. Das ISK-Team besteht zurzeit aus drei Mitarbeiter*innen. Eine Diplombibliothekarin wurde im Rahmen der Personalentwicklung zur Schreibberaterin ausgebildet und leitet in dieser Funktion das ISK-Team. Zwei Mitarbeiter*innen mit Abschluss Bachelor of Arts vertreten den Arbeitsbereich Informationskompetenz. Ein einstündiges, wöchentliches Arbeitstreffen gemeinsam mit der Bibliotheksleitung dient dem fachlichen Austausch, der Klärung organisatorischer Fragen und der Entwicklung neuer Angebote.
Schaffung einer Corporate Identity Zeitnah wurde an der Corporate Identity für das neue Angebot gearbeitet. Im Sinne eines „One-Stop-Shop[s] für das wissenschaftliche Arbeiten“12 bietet die Bibliothek neben der Bereitstellung von gut ausgestatteten Räumen nun vielfältige Unterstützungs-Angebote für das wissenschaftliche Schreiben. Um dies zum Ausdruck zu bringen, firmieren alle Angebote unter dem Namen Lernort+. Zentrale Beratungsbereiche innerhalb des Lernort+ sind in Signalrot gestaltet und mit den Überschriften „Literatur finden | Wissen organisieren | Wissenschaftlich schreiben“ gekennzeichnet. Einheitliche Schriftzüge für Büros und Hinweistafeln sind festgelegt und die Sprachregelung für das Angebot ist normiert. In Abgrenzung zur Schreibberatung wurde das Beratungsangebot zum Recherchieren von „Auskunft“ in „Rechercheberatung“ umbenannt. Für den mobilen Einsatz werden rote, runde Teppiche mit dem Schriftzug Lernort+ eingesetzt, die die Aufmerksamkeit auf aktuelle Veranstaltungen lenken. Eine
12 Stang, Richard: Räume als Rahmung. Konstitutionen von realen Informations-, Wissens- und Bildungsräumen. In: Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Hrsg. von Olaf Eigenbrodt. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2014 (Age of access 3). S. 49–63, hier S. 58.
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kleine und ebenfalls mobil einzusetzende, akkubetriebene Tischleuchte wurde ausgewählt. Sie steht symbolisch für die Schreibberatung, kommt bei Veranstaltungen zum Schreiben zum Einsatz und wird auf allen Veranstaltungsplakaten der Schreibwerkstatt abgedruckt. Bei allen Überlegungen zur Corporate Identity steht die Profilierung der Angebote im Vordergrund. Studierende sollen auf den ersten Blick erkennen, mit welchen Fragen sie sich an die Rechercheberatung und mit welchen Fragen sie sich an die Schreibberatung wenden können.
Räumliche und technische Infrastruktur Parallel mit der Entwicklung des neuen Angebots zum Schreiben ergab sich die Gelegenheit, die Bibliothek an beiden Standorten im Zusammenhang mit angeordneten Brandschutzmaßnahmen umfassend zu sanieren. Zeitgleich entschied sich die Hochschule für ein neues Webdesign. Das neue Konzept kann daher sowohl bei der Planung der Räume als auch bei der Gestaltung der neuen Website berücksichtigt werden. Nach dem Umbau präsentieren sich die Bibliotheken an beiden Standorten in einem neuen einheitlichen Erscheinungsbild. Bisher als Stellfläche genutzte Bereiche sind zum Lernort umgebaut und bieten Studierenden vielfältige Möglichkeiten für ihre Einzel- oder Gruppenarbeit. Im konkreten Fall konnte ein Schulungsraum als Schreibwerkstatt zweckmäßig umgebaut und eingerichtet werden. Gruppenund PC-Räume, die als weitere Schulungsräume genutzt werden können, erhielten neue räumliche Zuschnitte und eine bedarfsgerechte Ausstattung. Über ein Raumbuchungsprogramm können die Gruppenarbeitsräume für maximal vier Stunden von Bibliotheksnutzern reserviert werden. Die Beratungsbüros befinden sich mitten im Benutzungsbereich der Bibliothek. Durch eine offene transparente Bebauung und mithilfe des Prinzips der offenen Tür wird die Schwellenangst der Ratsuchenden abgebaut. Die Webseite der Hochschulbibliothek stellt die Schulungs- und Beratungsangebote übersichtlich dar. Über ein Terminbuchungssystem können Ratsuchende online einen persönlichen oder telefonischen Beratungstermin buchen. Dabei kann der Bibliotheksstandort für die persönliche Beratung frei gewählt werden. Extracurriculare Termine werden auf der Startseite der Hochschulbibliothek und der zentralen Startseite der Hochschule angekündigt und sind damit innerhalb der Hochschule sehr präsent. Die Anmeldung zu den Schulungen erfolgt online direkt im Veranstaltungs-Tool des Content-Management-Systems Joomla. Einheitliche E-Mail-Identitäten sorgen dafür, dass Ratsuchende auch bei Abwesenheit einer Mitarbeiter*in zeitnah eine Antwort erhalten. Für telefonische Anfragen stehen Mobiltelefone und Headsets zur Verfügung, die eine örtlich unabhängige Bearbeitung von Anfragen
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und parallele Recherchen am PC ermöglichen. Für Veranstaltungen steht umfangreiches Moderationsmaterial bereit und es kann auf ein Konzept für die Gästebewirtung zurückgegriffen werden. In allen Schulungs- und Gruppenarbeitsräumen befinden sich große Monitore, die sich über WLAN mit mobilen Endgeräten verbinden lassen und das kollaborative Schreiben in einer größeren Gruppe ermöglichen.
Standardisierte Schulungsunterlagen Alle Schulungs- und Beratungsangebote beruhen auf kollaborativ erstellten Unterlagen. Abwesenheitsvertretung kann so leichter bewältigt, Redundanz vermieden und gleichbleibende Qualität gewährleistet werden.
Abb. 2: Datenstruktur der standardisierten Schulungsunterlagen. Die Pfeile zeigen die Verlinkung innerhalb der einzelnen Komponenten.
Webbasierte Tools bieten die Möglichkeit, die Unterlagen ortsunabhängig zu pflegen und darauf zuzugreifen. Für zu vermittelnde Lehrinhalte werden sogenannte Bausteine, zum Beispiel zu Suchstrategien, zum Schreibprozess oder zum Zitieren, in einem öffentlichen Wiki gepflegt. Dazu passende, nicht öffentliche Regieanwei-
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sungen enthalten Angaben zu Lernzielen, möglichen Zielgruppen und zur Lehrmethodik (s. Abb. 2). Je nach Zielgruppe werden die Bausteine in standardisierten Inhaltsverzeichnissen verlinkt, welche den Studierenden online zur Verfügung stehen. Standardisierte Inhaltsverzeichnisse gibt es zurzeit für – intracurriculare Veranstaltungen, die meist 180 Minuten pro Semester beanspruchen, – intercurriculare Veranstaltungen (mit 1 bzw. 2 ECTS-Punkten (European Credit Transfer System)), – extracurriculare Veranstaltungen (Citavi, Schreibwerkstatt und Fit für die Thesis). Ein nichtöffentliches Wiki dokumentiert standardisierte Schulungsabläufe und zu jeder Veranstaltung eine ausführliche Beschreibung mit Angaben zur Zielgruppe, zu Ansprechpartnern und zu organisatorischen Rahmenbedingungen. Die Technik dieses Wikis erlaubt es, Wiedervorlagen zu erstellen, eine Funktion, die die Veranstaltungsplanung erleichtert. Reflexionen, die nach jeder Veranstaltung geschrieben werden, dienen der Optimierung der Schulungen. Aufgrund der curricularen Zusammenarbeit mit den Fachbereichen war es zudem erforderlich, den Zugang zu weiteren hochschulweit genutzten, webbasierten Werkzeugen zu erschließen und deren Anwendung zu erlernen. Zu nennen ist hier die Lernplattform Moodle, die für die Abgabe von Hausarbeiten genutzt wird, das Prüfungsverwaltungssystem Hispos sowie das System Evaexam, welches für die Erstellung von Scannerklausuren und deren automatischen Auswertung zur Verfügung steht.
Schreibwerkstatt Hochschulbibliothek – ein in der Hochschule etabliertes Angebot Im Jahr 2018 verfügt die THM über ein gut ausgebautes Schulungs- und Beratungsangebot zur Recherche und zum Schreiben für Studierende. Hochschulinteressierte können sich über die Webseite der Hochschulbibliothek informieren, welche Fragestellungen durch die Angebote abgedeckt werden und welche Unterstützung sie erwarten können. Schreibberatung bedarf meist einer sehr persönlichen Zuwendung an Ratsuchende, die beim Erstgespräch häufig mit Ängsten und teilweise großer Hilflosigkeit behaftet sind. Grundlegende Voraussetzungen für ein erfolgreiches Gespräch sind Vertrauen und eine gute Gesprächsebene. Die Entscheidung der Bibliotheksleitung, das bisherige Beratungs- und Schulungsangebot zur Förderung der Informationskompetenz in das neue Angebot zum
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Schreiben zu integrieren und in einem neuen, verbesserten Konzept darzustellen, führte zu einer Profilschärfung und Verbesserung aller Angebote. Ebenso wie die Angebote zum Schreiben werden die Angebote zur Förderung von Informationskompetenz heute wahrgenommen und intensiv genutzt. Dies belegt die interne Statistik der Schreib- und Rechercheberatung. Nicht zuletzt haben die Bibliotheksangebote zum Schreiben auch in den Fachbereichen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema geführt. Sie beklagen eine schwindende Schreibkompetenz bei ihren Studierenden und möchten durch entsprechende Angebote gegensteuern. In den Fachbereichen wird das Angebot der Schreibberatung immer bekannter, so wirbt beispielsweise der Fachbereich Bauwesen auf seiner Webseite „Abschlussarbeiten“ aktiv für das Schreib- und Rechercheberatungsangebot der Hochschulbibliothek.13 Die Hochschulbibliothek wird als kompetenter Partner gesehen und akzeptiert. Auf Grundlage der Studie, der gesammelten Praxiserfahrungen und der vorliegenden Evaluationen wird das Angebot zum Schreiben und zur Förderung von Informationskompetenz kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei werden auch neue Veranstaltungsformen ausprobiert, wie ein halbjährlich stattfindender Aktionstag „Schreiben am Samstag“.
Schreibwerkstatt – und wie geht es weiter? Angebote zum Schreiben können das Dienstleistungsportfolio von Bibliotheken an Hochschulen und Universitäten sinnvoll ergänzen und stärken. Dies zeigen die Erfahrungen der Hochschulbibliothek der THM. Die steigende Nachfrage und die Rückmeldungen der Teilnehmenden bestätigen, dass das Konzept zur Förderung von Informations- und Schreibkompetenz zielgruppengerecht und nachfrageorientiert gestaltet ist. Die Hochschulbibliothek der THM wird ihre Angebote daher verstetigen und weiter ausbauen. Denkbar ist die Erweiterung auf zusätzliche Angebotsformate und -inhalte sowie die Erschließung von weiteren Zielgruppen. Die Studie zeigt die Präferenz der Studierenden für persönliche Formate. Gleichzeitig wünschen sie sich den Aufbau von Online-Angeboten zum Schreiben, um diese zeit- und ortsunabhängig nutzen zu können.14 Formate, wie Screencasts, Webinare oder der von Kruse und Rapp15 beschriebene und noch in der Entwicklung befindliche Thesis Writer könnten diesen Bedarf decken.
13 Technische Hochschule Mittelhessen (Hrsg.) (2018): Bauwesen. Abschlussarbeiten. Online verfügbar unter https://www.thm.de/bau/studium/service/abschlussarbeiten (Stand: 06.08.2018). 14 Thiel, Bedarfsermittlung (wie Anm. 5), hier S. 25–26. 15 Kruse, Otto u. Christian Rapp: Digitale Anleitung von Abschlussarbeiten mit Thesis Writer. In: JoSch – Journal der Schreibberatung (2018) H. 9 (15). S. 51–64.
Idee Schreibwerkstatt – Entwicklung eines schreibdidaktischen Angebots 157
In Ergänzung zu der Studie wäre eine Befragung der Lehrenden wünschenswert. Wie schätzen die Lehrenden die Schreibkompetenzen der Studierenden ein, sehen sie Unterschiede zur Selbsteinschätzung der Studierenden und wie würden die Lehrenden die im Studium zu erstellenden Textsorten beschreiben? Diesen Fragen könnte in einer Befragung der Lehrenden nachgegangen werden. Für die Untersuchung bietet sich die Verwendung des von Kruse, Meyer und Buchanan16 entwickelten und im Rahmen der Studierendenbefragung bereits erprobten European Student/ Faculty Writing Survey an. Dem Wunsch der Studierenden nach Orientierung und Mustern soll in Form eines hochschulweit angebotenen Online-Leitfadens zur Erstellung einer Thesis entsprochen werden. Grundlage hierfür ist ein vorhandener Leitfaden, der in Kooperation mit einem Fachbereich entwickelt wurde und auf weitere Fach- und Schreibkulturen übertragen werden könnte. Entsprechend dem Papier der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „soll die Stärkung der Informationskompetenz zu einem zentralen Baustein der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden“.17 In diesem Zusammenhang könnte die Bibliothek eine Publikationsberatung aufbauen und so den Schreib- und Veröffentlichungsprozess von Lehrenden und Forschenden unterstützen. Wichtige Beispiele in diesem Bereich sind Fragen des Urheberrechts, Open Access, Plagiate-FinderSoftware und Forschungsinformationssysteme. Nach einer vierjährigen Phase des Aufbaus und der Konsolidierung, kann zur Umsetzung der oben beschriebenen Ideen auf eine gut funktionierende Infrastruktur zurückgegriffen werden. In einem nächsten Schritt wird die Personalentwicklung fortgesetzt und eine weitere Mitarbeiterin des ISK-Teams zur Schreibberaterin ausgebildet.
16 Kruse, Otto, Heike Meyer u. Stefanie Everke Buchanan: Schreiben an der Universität Konstanz. Eine Befragung von Studierenden und Lehrenden. https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/ 55 (Stand: 23.08.2018). 17 HRK Hochschuldirektorenkonferenz: Hochschule im digitalen Zeitalter. Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders steuern. Entschließung der 13. Mitgliederversammlung der HRK am 20. November 2012 in Göttingen. https://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/Entschliessung_Informationskompetenz_20112012_01.pdf (Stand: 21.08.2018). HRK-Papier, hier S. 12.
Brigitte Mayer und Helene Heller-Künz
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens – illustriert am Beispiel des Schreibzentrums der Bibliothek der FH Vorarlberg Abstract: Der Beitrag skizziert die Entstehungsgeschichte, den Gründungsauftrag mit seinen konzeptionellen Besonderheiten und die Aktivitäten des Schreibzentrums der Bibliothek der FH Vorarlberg. Es wird beschrieben, wie Angebote zur Förderung und Unterstützung von Schreib- und Informationskompetenz mit vertretbarem Aufwand in die Bibliotheksarbeit integriert werden können und so das Serviceangebot der Bibliothek erweitern. Als Ausgangspunkt vielschichtiger Schreibzentrumsangebote wird das Phasenkonzept zur Erstellung akademischer Abschlussarbeiten exemplarisch vorgestellt. Schlüsselbegriffe: Hochschulbibliothek, Schreibzentrum, Informationskompetenz, Schreibkompetenz, Abschlussarbeit, Schreibphasen Kurzbiografien: Mag. Helene Heller-Künz, MSc arbeitet seit 1999 in der Bibliothek der FH Vorarlberg und leitet diese seit 2012. Sie studierte an der Universität Innsbruck und absolvierte ihre Bibliotheksausbildung an der Österreichischen Nationalbibliothek. Prof. (FH) Dr. Brigitte Mayer ist seit 1997 Hochschuldozentin an der FH Vorarlberg. Seit 2014 koordiniert sie auch das dortige Schreibzentrum. Sie studierte und promovierte an der Universität Wien. 2012 schloss sie den Zertifikatslehrgang „Schreibberatung an der Hochschule“ an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und 2015 den „Diplomlehrgang für prozessorientierte Arbeit mit Gruppen“ an der Lehranstalt für Ehe- und Familienberatung in Feldkirch ab.
Entstehungsgeschichte des Schreibzentrums der Bibliothek der FH Vorarlberg Der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums erfordert vielfältige Kompetenzen. Im Studienverlauf sind Fachprüfungen und Übungen zu bestehen und Fachtexte zu verfassen. Den „krönenden Studienabschluss“ bildet die schriftliche Bachelor- oder Masterarbeit, deren Ausarbeitung fundierte allgemeine und fachspezifische Informations- und Schreibkompetenzen erfordert. Diese Abschlussarbeiten sind zugleich Lernanlass und Prüfung und sollen sicherstellen, dass AbsolventInhttps://doi.org/10.1515/9783110594140-015
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens
159
nen im Studienverlauf eine wissenschaftliche Grundhaltung und Handlungskompetenz aufgebaut haben: Bevor agiert wird, erfolgt eine fundierte Analyse des Ist-Zustandes. Die daraus abgeleitete Frage- bzw. Aufgabenstellung wird klar definiert, die inhaltliche Auseinandersetzung ist fundiert. Es werden relevante Inhalte und Sichtweisen kritisch hinterfragt, um besser zu verstehen und darauf basierend eigenständige, begründete und nachvollziehbare Aussagen (also Texte) zu verfassen. Studentisches Schreiben ist damit eine Form und eine Schulung des Denkens für eine schrittweise Heranführung an akademisches Selbstverständnis. Denn: „Hochschulsozialisation ist in großem Maße Schreib- und Sprachsozialisation.“1 Akademisches Schreiben erfordert andere Herangehensweisen und Kompetenzen als schulisches Schreiben. Ortner spricht dabei von elaboriertem Schreiben im Medium der Bildungs- und Fachsprache, bei dem über einen längeren Zeitraum ein Langtext entsteht und Spontanschreiben im Medium der Alltags- und ansatzweise der Bildungssprache, bei dem in einem Wurf ein Kurztext entsteht. Schulisches Schreiben ist zumeist Spontanschreiben, akademisches Schreiben zumeist elaboriertes Schreiben. Der Übergang von Spontanschreiben zum elaborierten Schreiben wird notwendig, da akademische Textsorten insbesondere aufgrund der höheren Aufgabenkomplexität erweiterte Schreibkompetenz erfordern.2 Hochschulen sollten diesen Kompetenzaufbau systematisch fördern, um studentisches Schreiben zu unterstützen oder Schreibprobleme zumindest nicht (mit) zu verursachen bzw. zu begünstigen, wie Furchner, Ruhmann und Tente mit Blick auf die allgemeine Hochschullandschaft kritisch anmerken.3 Zur Unterstützung des erforderlichen Kompetenzaufbaus wurde 2014 das Schreibzentrum der Bibliothek der FH Vorarlberg gegründet. Die Bibliothek selbst wird seit 1999 sukzessive aufgebaut. Diese vergleichsweise junge und verhältnismäßig kleine Bibliothek hat während des Semesters knapp 60 Stunden pro Woche geöffnet und beschäftigt aktuell elf Personen (knapp über sechs Vollzeitäquivalente). Die Sammelschwerpunkte richten sich nach den Bedürfnissen und Anforderungen von Studium, Lehre und Forschung der FH Vorarlberg mit ihren ca. 1.300 Studierenden und sechs Forschungszentren in den Bereichen Technik, Wirtschaft, Gestaltung
1 Kruse, Otto u. Eva-Maria Jakobs: Schreiben lehren an der Hochschule. Ein Überblick. In: Schlüsselkompetenz Schreiben. Konzepte, Methoden, Projekte für Schreibberatung und Schreibdidaktik an der Hochschule. Hrsg. von Otto Kruse [u. a.]. 3. Aufl. Bielefeld: UVW UniversitätsVerlagWebler 2014 (HSW Hochschulwesen Wissenschaft und Praxis). S. 19–34, hier S. 20. 2 Ortner, Hanspeter: Spontanschreiben und elaboriertes Schreiben – wenn die ursprüngliche Lösung zu einem Teil des (neuen) Problems wird. In: Wissenschaftliches Schreiben in der Hochschullehre. Reflexionen, Desiderate, Konzepte. Hrsg. von Walter Kissling u. Gudrun Perko. Innsbruck: Studien-Verlag 2006. S. 77–101, hier S. 77. 3 Furchner, Ingrid [u. a.]: Von der Schreibberatung zur Lehrberatung für Dozenten. In: Schlüsselkompetenz Schreiben. Konzepte, Methoden, Projekte für Schreibberatung und Schreibdidaktik an der Hochschule. Hrsg. von Otto Kruse [u. a.]. 3. Aufl. Bielefeld: UVW UniversitätsVerlagWebler 2014 (HSW Hochschulwesen Wissenschaft und Praxis). S. 61–72, hier S. 62.
160 Brigitte Mayer und Helene Heller-Künz
sowie Soziales und Gesundheit. Die Bibliothek versteht sich als Serviceeinrichtung und nimmt neben den klassischen Bibliotheksaufgaben auch weitere Aufgaben innerhalb der Hochschule wahr. Sie verwaltet den Shop der FH Vorarlberg, der innerhalb der Bibliotheksräume angesiedelt ist und ist Druck- und Ausgabestelle der Campuskarten4, wodurch alle Hochschulangehörigen gleich zu Studien- bzw. Arbeitsbeginn bei der Abholung die Bibliothek kennenlernen. Und – wie bereits erwähnt – ist auch das Schreibzentrum der Hochschule Teil der Bibliothek.5 Wie kam es dazu? Bereits dem ersten Leiter der Bibliothek, Dr. Hans Gruber, waren gute Kontakte und der Austausch mit der Lehre wichtig, um das Bibliotheksangebot hinsichtlich Bestandsaufbau und Serviceleistungen bestmöglich zu gestalten. Insbesondere mit der jetzigen Koordinatorin des Schreibzentrums der Bibliothek, zugleich Hochschullehrerin für Wissenschaftliches Arbeiten, bestand seit Anbeginn eine intensive Zusammenarbeit. Gemeinsam mit einer Kollegin der Marketingabteilung absolvierten sie den von Prof. Dr. Otto Kruse an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften geleiteten Lehrgang „Schreibberatung an der Hochschule“. Im Zuge dieser Weiterbildung entstand die Idee, an der FH Vorarlberg ein entsprechendes Serviceund Unterstützungsangebot aufzubauen. Dieses sollte nicht in Konkurrenz zur Lehre stehen, sondern diese unterstützen und ergänzen. Nach einem zwischenzeitlich erfolgten Wechsel der Bibliotheksleitung wurden diese Bestrebungen fortgeführt. Neben der inhaltlichen Konzeption ging es insbesondere darum, ein für die Gegebenheiten an der FH Vorarlberg passendes Organisationsmodell zu finden und die Zusammenarbeit mit der inzwischen ebenfalls neuen Hochschulleitung zu vertiefen. Nach umfassenden Überlegungen zur organisatorischen Einbindung des neuen Aufgabenbereichs entschied sich das Entwicklungsteam, die verschiedenen Unterstützungsangebote zur Vermittlung und Förderung von Schreibkompetenz in die Bibliotheksarbeit zu integrieren. Dafür waren sowohl inhaltliche, organisatorische als auch wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend. Das Angebot sollte sowohl Schreib- als auch Informationskompetenz vermitteln. Denn beim akademischen Schreiben ist der Übergang von der Informationsbeschaffung zur Informationsverarbeitung, also zum Schreiben, fließend. Fundierte Information ist die Substanz, welche im Schreiben aus- und umgestaltet wird, bis ein stimmiger Text vorliegt. Beide Tätigkeiten sind vielschichtig und mannigfaltig miteinander verwoben und sollten daher nicht voneinander losgelöst vermittelt
4 Die Campuskarte ist die hausinterne Multifunktionskarte für den elektronischen Zutritt, die Bibliotheksnutzung, die Nutzung von Kopierern sowie Getränke- und Snackautomaten. 5 Vgl. dazu neben den folgenden Ausführungen auch: Heller-Künz, Helene u. Brigitte Mayer: Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek. Das Schreibzentrum der Bibliothek der FH Vorarlberg. Ein Praxisbericht. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2016) H. 3. S. 370–374. DOI: https://doi.org/10.1515/bfp-2016-0062.
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens
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werden. BibliothekarInnen und SchreibberaterInnen ergänzen sich gegenseitig und lernen voneinander. Durch diese fachliche Kooperation wird – quasi nebenbei – die Vermittlungskompetenz der BibliotheksmitarbeiterInnen erweitert und das bibliothekarische Know-how im Feld der Informationskompetenz sichtbarer.
Abb. 1: Orientierungsplan der Bibliothek, © FH Vorarlberg.
162 Brigitte Mayer und Helene Heller-Künz
Die Bibliothek ist eine etablierte Verwaltungseinheit, in die ausgewählte Serviceund Unterstützungsangebote integriert werden können, ohne neue Strukturen schaffen zu müssen. Einerseits können typische organisatorische Arbeiten, wie beispielsweise Homepagebetreuung, Unterlagenerstellung, Raumbuchung und Workshoporganisation von BibliotheksmitarbeiterInnen erledigt werden. Andererseits ist die Bearbeitung von Angebotsanfragen direkt an der Infotheke der Bibliothek möglich. Je nach Art der Anfragen können diese sofort geklärt oder an FachkollegInnen weitervermittelt werden. Es kann aber auch auf selbsterklärende Unterlagen verwiesen und so zum studentischen Selbststudium aufgefordert werden. Die Bibliothek wird damit Anlauf-, Kontakt- und Schnittstelle des neuen Angebotes. Die Bibliothek kann und soll aber nicht nur die inhaltliche und organisatorische, sie kann auch die „physische Heimat“ eines Schreibzentrums sein. Bibliotheken mit ihrer Infrastruktur und Atmosphäre sind seit jeher Orte des akademischen Arbeitens und Schreibens. Auch bei der Planung der Bibliothek der FH Vorarlberg wurde darauf geachtet, den NutzerInnen in verschiedenen Raumzonen mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten ideale räumliche Voraussetzungen zum wissenschaftlichen Arbeiten zu bieten, wie in Abbildung 1 veranschaulicht. Arbeitsplätze im Lesesaal und absperrbare Studierräume bieten Rückzugsmöglichkeiten und Ruhe zum konzentrierten Lesen, Schreiben und Lernen. Die Anwesenheit anderer Personen, die ebenfalls lernen, lesen und schreiben, wird von vielen Studierenden als inspirierend und motivierend empfunden. Im als „Cafeteria“ bezeichneten und flexibel nutzbaren Zeitschriftenbereich mit seiner kaffeehausähnlichen Atmosphäre kann eine „Schreibstube“ zum gemeinsamen Schreiben, Diskutieren und gegenseitigem Feedbackgeben einladen. Ein Studierraum ist für die Einzelberatungen des Schreibzentrums nutzbar. Für Workshops und Schulungsveranstaltungen können der mit PCs und Beamer ausgestattete Schulungsraum wie auch die Cafeteria der Bibliothek gebucht werden. Und nicht zuletzt stehen in der Bibliothek auch zahlreiche Geräte wie Kopierer, Buchscanner, Drucker oder Bindemaschine zur Verfügung. Neben der Vermittlung von Informations- und Schreibkompetenz „unter einem Dach“ ist die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit eine weitere Besonderheit des entwickelten Konzeptes. In einer eher kleinen Hochschule wie der FH Vorarlberg sind die internen Wege kurz, man kennt die Expertisen und Angebote im Haus. Jene mit Bezug zur Informations- und Schreibkompetenz sollten auf der künftigen Plattform gebündelt dargeboten werden. Beispielsweise könnte dies die Angebote der Stabsstelle für Diversität zur diskriminierungsfreien Kommunikation6 und des Learning Support zur Literaturverwaltung (Programm: Zotero) umfassen. Intensiviert wurden aber auch die Kontakte zu anderen Fachbereichen, insbesondere zu Dozierenden mit Lehraufträgen mit Bezug zum wissenschaftlichen Arbeiten. Nicht
6 Vgl. https://ilias.fhv.at/goto_ilias_fhv_at_pg_10033_341350.html (Stand: 08.12.2018).
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens
163
zuletzt durch diese Kooperationen sollte das neu entwickelte Service- und Unterstützungsangebot mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sein. Alle diese Überlegungen mündeten in ein präsentierbares Konzept, welches die Zustimmung des Geschäftsführers und des Kollegiums der FH Vorarlberg erhielt. Es wurde lediglich angemerkt, dass der damalige Arbeitstitel „Teaching Library“ für Leute außerhalb des Bibliothekswesens unter Umständen nicht verständlich sein dürfte. In längeren internen Abklärungen entwickelten sich zwei Favoriten für die Namensgebung: „ZISK – Zentrum für Informations- und Schreibkompetenz“ und „Schreibzentrum der Bibliothek“. Ausschlaggebend für die Wahl des zweiten Begriffs waren Marketingaspekte, da das kurze Wort „Schreibzentrum“ einfach und werbewirksam im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch einsetzbar ist. Der Zusatz „der Bibliothek“ unterstreicht einerseits, dass es sich beim Schreibzentrum um ein Angebot von und in der Bibliothek handelt und andererseits wird indirekt mitgeteilt, dass neben Schreib- auch der Informationskompetenzaufbau unterstützt wird.
Gründungsauftrag und Aktivitäten des Schreibzentrums der Bibliothek Im Gründungsauftrag des Schreibzentrums ist klargestellt, dass sich die Aktivitäten des Schreibzentrums an den FH-internen Bedarfen der Studierenden und der Studiengänge orientieren sollen. Einzelaktivitäten für externe Nutzergruppen werden nur nach Rücksprache mit der Marketingabteilung durchgeführt, wobei jedoch die ausgearbeiteten Unterlagen für alle Interessierten offen zugänglich sind. Dies erweitert das Angebot der Bibliothek der FH Vorarlberg und bekräftigt deren Serviceorientierung. Die Bedarfsorientierung wird sichergestellt, indem periodisch Gespräche mit allen Studiengangsleitungen und mit Studierendengruppen im Rahmen der Lehrveranstaltungen zum akademischen Schreiben geführt werden. Auch die Einzelberatungsgespräche und die Workshops des Schreibzentrums bringen wertvolle Rückmeldungen zu den bestehenden Angeboten und Impulse für die Angebotsausweitung. Neue Schreibzentrumsangebote werden nur nach Klärung des Wirkungspotentials und in Übereinstimmung mit den vorhandenen Ressourcen angeboten. Die bisherigen Vermittlungsinhalte des Schreibzentrums lassen sich in drei Säulen darstellen. Das klassische Tätigkeitsfeld der Bibliotheken, die Informationskompetenzvermittlung, wird durch Angebote zur Schreib- und Betreuungskompetenzvermittlung ergänzt. Diese Inhalte werden in den Formaten Einzelberatung, Workshop7 und Unterlagen vermittelt. Tabelle 1 bietet einen Überblick und benennt be-
7 Dabei liegt der Schwerpunkt klar auf den in Lehrveranstaltungen eingebetteten Workshops, sodass die größtmögliche Anzahl von Studierenden erreicht wird. Fakultative Workshops werden nur
164 Brigitte Mayer und Helene Heller-Künz
reits umgesetzte Angebote der einzelnen Felder. Dabei nimmt das „Phasenkonzept für Abschlussarbeiten“ eine Sonderstellung ein. Es ist Ausgangspunkt vielschichtiger Angebote und wird daher im nachfolgenden Textabschnitt ausführlicher erläutert. Tab. 1: Vermittlungsinhalte und -formate im Überblick. Vermittlungsinhalte
Einzelberatung
Workshops (fix in Lehrveranstaltungen integriert bzw. auf Anfrage)
Unterlagena
Vermittlungsformate Informationskompetenz – Ad-hoc-Beratung am „point of use“ in der Bibliothek – zeitnahe Beantwortung von E-Mail-Anfragen – Termine online buchbar – Bibliothekseinführungb – Datenbankschulungc Thematische Recherchec – Quellenrelevanz, -kritikc – Literaturverwaltung mit Zoterod
Schreibkompetenz
Betreuungskompetenz
– Ad-hoc-Beratung am – Unterstützung der Plagiatsprävention „point of use“ in der und -detektion auf Bibliotheke – zeitnahe BeantworAnfrage tung von E-Mail-Anfragen – Termine online buchbar – Begleitseminar zur – KleingruppensemiErstellung von narh – Information für und Abschlussarbeitenf – Schreibstube für stuAustausch zwischen dentische KleingrupBetreuungspersonen pene von Abschlussarbei– Seminar für Studieteni rende mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache – Rechercheangebote – Textsortenbeschrei- – Phasenkonzept für Abschlussarbeitene – Recherchetipps bung – Begleitseminarkon– Linksammlung – Formalkriterien zeptf – Literaturverwaltung – Schreibprozess d mit Zotero – Schreibstil – Übungs- und Arbeits- – Sprachleitfadeng – Manuskriptgestalblätter tung – Formatvorlagen – Phasenkonzept für Abschlussarbeitene – Übungs- und Arbeitsblätter
bei Bedarf ab einer Mindestzahl von 5 Personen durchgeführt bzw. studiengangsspezifisch angeboten. Deshalb sind diese Workshops nicht auf der Schreibzentrumshomepage ausgeschrieben.
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens
165
Anmerkungen: –
– – – –
– – –
–
a
Alle Unterlagen sind bis auf interne Formatvorlagen über die Lernplattform der FH Vorarlberg öffentlich zugänglich: https://ilias.fhv.at/goto_ilias_fhv _at_pg_10005_308911.html (Stand: 30.12.2018). b Werden von beinahe allen Bachelorstudierenden des ersten Semesters im Rahmen von einführenden Lehrveranstaltungen besucht. c Werden von Masterstudierenden im Rahmen der Kolloquien zur Masterthesis besucht. d Die Zotero-Schulungen und -Unterlagen werden vom Learning Support der FH Vorarlberg (Dipl.-Päd. Mag. (FH) Frank Weber) angeboten. e Das Phasenkonzept für die Erstellung und Betreuung akademischer Abschlussarbeiten ist Ausgangspunkt vielschichtiger Angebote, wie etwa der Adhoc-Schreibberatung, der Schreibstube und der phasenspezifischen Arbeitsund Übungsblätter. Diese sind im nachfolgenden Textabschnitt erläutert. f Das Begleitseminarkonzept ist über https://ilias.fhv.at/goto_ilias_fhv _at_pg_9843_308911.html (Stand: 30.12.2018) einsehbar. g Der Sprachleitfaden für eine diskriminierungsfreie Kommunikation wird von der Stelle für Diversität und Gleichbehandlung der FH Vorarlberg bereitgestellt. h Das „Kleingruppenseminar“ zur Betreuung von Bachelorarbeiten wurde auf Initiative eines Lehrenden einmalig konzipiert, evaluiert und gemeinsam gehalten. i Für dieses Angebot wurden in Abstimmung mit dem Rektorat externe ExpertInnen beauftragt.
Phasenkonzept als Ausgangspunkt vielschichtiger Schreibzentrumsangebote Das Phasenkonzept für die Erstellung und Betreuung von Abschlussarbeiten gliedert den Erstellungsprozess in zehn Phasen mit jeweiligem Phasenziel und -ergebnis. Dies soll – die Komplexität des Erstellungsprozesses reduzieren und damit die Handlungssicherheit erhöhen, – die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Schreib(zwischen)produkten fördern und – einen Rahmen für die Diskussion des Arbeitsfortschrittes im Betreuungsprozess bieten, sodass wenig bis nicht tragfähige Denk- und Textvorstufen frühzeitig offensichtlich werden und so zeitgerecht reagiert werden kann.
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Dieses Phasenkonzept ist Ausgangspunkt vielschichtiger Schreibzentrumsangebote. Im Anschluss an die allgemeine Konzeptbeschreibung werden exemplarisch die Adhoc-Schreibberatung im Zusammenspiel mit der Schreibstube und den phasenspezifischen Arbeits- und Übungsblättern sowie das Begleitseminar zur Erstellung der Abschlussarbeit ausführlicher dargelegt.
Konzeptbeschreibung Der Schreibprozess setzt sich aus einer Fülle unterschiedlicher Aktivitäten zusammen, welche in Abhängigkeit von der angestrebten Textsorte, der vorhandenen Schreibkompetenz, den organisatorischen und zeitlichen Rahmenbedingungen wiederkehrend ausgeführt werden. Für das Phasenkonzept sind die Modelle von Kruse und Ahrens richtungsgebend. Das Modell von Kruse8 nimmt eine klar prozessorientierte Sicht ein. Es wurde in der Schreibforschungsliteratur vielfach besprochen, übernommen und weiter ausgestaltet. Kruse beschreibt die notwendigen Arbeitsschritte eines wissenschaftlichen Schreibprojektes, erfasst diese in sechs Schreibphasen und gliedert sie in 21 Unterpunkte. Die von ihm definierten Arbeitsschritte erläutern, wie ein Text entsteht – von den ersten Überlegungen zur Themenwahl bis zur Endkorrektur. Das Modell von Ahrens9 ist weniger ein Schreibprozessmodell als ein Gliederungsmodell, auf dem ein Vorgehensmodell aufbaut. Damit bietet es insbesondere für praxisorientierte Arbeiten zusätzliche Orientierung. Für Ahrens ist das übliche Schema – Einleitung, Hauptteil, Schluss – „zwar nicht grundsätzlich falsch, aber weder hinreichend noch nützlich“10, da es zu wenig Orientierung bietet. Sein Vorgehensmodell ist an den durchzuführenden Arbeitsschritten ausgerichtet, welche auch die Grundstruktur der schriftlichen Ausarbeitung bestimmen. Damit bildet es „sowohl die Struktur des Seins als auch den Prozess des Werdens“11 ab. Für das in Abbildung 2 vorliegende Betreuungskonzept bilden die von Kruse definierten 21 Arbeitsschritte für wissenschaftliche Schreibprojekte den bewährten Orientierungsrahmen. Sie werden mit zentralen Aussagen des Vorgehens- und Gliederungsmodells von Ahrens kombiniert und durch Erfahrungswissen ergänzt. Wie eingangs schon dargelegt, beschreibt Kruse die Schrittfolge der notwendigen Tätigkeiten, benennt jedoch keine Schreibzwischenprodukte. Ahrens hingegen hat weniger die Schreibhandlungen selbst im Blick. Seine Überlegungen münden in ein Vorgehens- und Gliederungsmodell, das klar definierte, inhaltlich aufeinander abge-
8 Vgl. Kruse, Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 11. Aufl. Frankfurt am Main: Campus 2005 (Campus concret 16), hier S. 185–245. 9 Vgl. Ahrens, Volker: Abschlussarbeiten richtig gliedern in Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft. Zürich: vdf Hochschulverlag 2014 (UTB 4096). 10 Vgl. Ahrens, Abschlussarbeiten (wie Anm. 9), hier S. 183. 11 Vgl. Ahrens, Abschlussarbeiten (wie Anm. 9), hier S. 180.
Die Bibliothek als Ort des Lesens und Schreibens
167
stimmte Zwischenschritte einfordert. Damit ist eine Kombination dieser beiden Modelle möglich, ohne deren Charakteristik aufzugeben.
Abb. 2: Erstellungsphasen mit den entsprechenden Textzwischenprodukten.
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Jeder der zehn Schreibphasen liegt eine klare Zielsetzung zugrunde, welche den Informationsbedarf definiert. Die Informationsbeschaffung ist dann jeweils zu planen, die benötigte Information zu recherchieren, deren Relevanz zu überprüfen, die Ergebnisse sind aufzubereiten und auszuwerten. Die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen schließen eine Schreibphase ab und sind das Textzwischenprodukt, auf dem die darauffolgende Phase aufbaut. Abbildung 2 zeigt die Erstellungsphasen mit den entsprechenden Textzwischenprodukten im Überblick. Eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Phasen findet sich auf der Lernplattform „Schreiben im Studium“ des Schreibzentrums der FH Vorarlberg Bibliothek12.
Ad-hoc-Schreibberatung am „point of use“ in der Bibliothek Die Ad-hoc-Schreibberatung am „point of use“ in der Bibliothek wird im Zusammenspiel mit der Schreibstube und den phasenspezifischen Arbeits- und Übungsblättern durchgeführt. Die Schreibstube ist ein „verrückbarer“ Treffpunkt für studentische Kleingruppen und ein Ort für individuelle Schreibarbeiten. Man benötigt dazu lediglich einen Raum mit wenigen Tischen und Stühlen, in dem das schriftliche Phasenkonzept mit den dazugehörigen phasenspezifischen Arbeits- und Übungsblättern stimmig dargeboten wird. In den Räumen der Bibliothek ist eine solche Schreibstube fix eingerichtet. Je nach Bedarf können auch weitere Räume zur Schreibstube ausgebaut werden. Die Arbeitsschritte jeder einzelnen Phase sind beschrieben und mit selbsterklärenden Arbeits- und Übungsblättern angereichert. Diese Arbeits- und Übungsblätter unterstützen die individuelle Schreibarbeit mit Formblättern zur individuellen Arbeit und zum Einholen von Feedback. Dabei reichen die phasenspezifischen Blätter von der Schrittfolge zur Erkundung erster Themenideen (Phase 1) bis hin zur Checkliste für die Endkontrolle vor der Abgabe (Phase 10). Sie enthalten konkrete Aufforderungen, sich mit anderen Personen über das eigene Arbeits- und Schreibvorhaben auszutauschen. Denn das Schreiben wissenschaftlicher Texte basiert auf kooperativem Austausch. Jede Aussage bezieht sich auf andere Aussagen (Intertextualität) und kann damit als soziales Handeln in spezifischen Umwelten verstanden werden. Diese „Umwelten bilden zwar die Ausgangs- und Konstitutionsbedingungen, unter denen SchreiberInnen im wissenschaftlichen Kontext Texte verfassen, sie bleiben dabei für die SchreiberInnen aber vielfach implizit.“13 Im kooperativen Handeln können diese impliziten Umwelten leichter explizit und damit direkter handlungs-
12 Vgl. https://ilias.fhv.at/goto_ilias_fhv_at_pg_9843_308911.html (Stand: 08.12.2018). 13 Lehnen, Katrin: Kooperative Textproduktion. In: Schlüsselkompetenz Schreiben. Konzepte, Methoden, Projekte für Schreibberatung und Schreibdidaktik an der Hochschule. Hrsg. von Otto Kruse
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leitend gemacht werden. Schreiben braucht diese fachliche Auseinandersetzung, in der individuelle Denk-Probleme Ausgangspunkt inhaltlicher Vertiefung sind. Doch leider wird dieses Nicht-Verstehen, Fragen und Zweifeln oft genug „nicht als Quell von Ideen und neuen Lösungen gesehen, sondern als Kratzer am Lack“14. Dieser unfruchtbaren Haltung kann ein kontinuierlicher Gedanken- und Erfahrungsaustausch vorbeugen, welchen die Formblätter anregen und strukturieren wollen. Dabei wird zumeist offensichtlich, dass die individuell vorhandenen Schwierigkeiten auch andere in gleicher oder ähnlicher Weise erleben oder erlebt haben. Auch werden Schwierigkeiten häufig durch das Mitteilen selbst schon bearbeitbarer, da das verständliche Mitteilen eine bestimmte Klarheit erfordert, die im Austausch leichter entsteht als durch stilles Grübeln. Und beides, das Gemeinsame der Schwierigkeiten und das bessere Verstehen der Schwierigkeiten reduziert die Selbstzweifel, macht Mut, entlastet und unterstützt damit die Schreibarbeit. Auch fördert der persönliche Austausch das Hinterfragen und Erweitern eigener Arbeitsroutinen, was wesentlich ist, um den komplexen Anforderungen eines längeren Schreibvorhabens gerecht zu werden. Je mehr Arbeitsstrategien zur Verfügung stehen, desto geringer ist die Gefahr von Denk- und Schreibblockaden sowie von Irrwegen. Darüber hinaus eignet sich wertschätzendes, zielgerichtetes Feedback bestens, um Lernprozesse anzustoßen. Suchen Studierende in der Bibliothek Rat für ihre Schreibarbeit, können die BibliotheksmitarbeiterInnen in einem ersten Schritt auf die Schreibstube mit den Arbeits- und Übungsblättern verweisen. Da die Unterlagen selbsterklärend sind, sind diese nach wenigen Erklärungen eigenständig nutzbar. Bei weitergehendem Beratungsbedarf kann auf weiterführende Schreibzentrumsangebote, wie beispielsweise die Einzelberatung nach Terminvereinbarung oder auf einzelne Workshopangebote, verwiesen werden.
Begleitseminar zur Erstellung der Abschlussarbeit Das oben beschriebene Phasenmodell lässt sich gut in einem Begleitseminar für die Erstellung der Abschlussarbeit abbilden. Zu jeder Phase kann ein Seminarblock konzipiert werden, in dem mit phasenspezifischen Lehrinhalten, Arbeits- und Übungsanleitungen für die Einzel- und Peergruppenarbeit der individuelle Kompe-
[u. a.]. 3. Aufl. Bielefeld: UVW UniversitätsVerlagWebler 2014 (HSW Hochschulwesen Wissenschaft und Praxis). S. 147–170, hier S. 149. 14 Kahl, Reinhard: Voll die Leere. In: Universität im 21. Jahrhundert. Hrsg. von Stephan Laske [u. a.]. München: Rainer Hampp 2000. S. 173–298, hier S. 291; zit. nach Stefanie Haacke u. Andrea Frank: Typisch deutsch? Vom Schweigen über das Schreiben. In: Wissenschaftliches Schreiben in der Hochschullehre. Reflexionen, Desiderate, Konzepte. Hrsg. von Walter Kissling u. Gudrun Perko. Innsbruck: Studien-Verlag 2006. S. 35–44, hier S. 44.
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tenzzuwachs und die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung unterstützt wird. Zentrale Elemente in den einzelnen Betreuungsseminaren sind Peer-Feedback kombiniert mit individueller Textarbeit. Ob für jede Erstellungsphase ein eigener Seminarblock konzipiert wird, hängt vom Betreuungsbedarf und dem Zeitbudget der Beteiligungsgruppen ab. Die letzte Erstellungsphase liegt außerhalb des Betreuungsprozesses, für sie ist kein eigener Block zu veranschlagen.
Fazit und Auswirkungen auf die Bibliotheksarbeit Mit Gründung des Schreibzentrums wurde die Bibliothek der FH Vorarlberg sowohl physisch als auch organisatorisch ein Ort der Vermittlung und Förderung von Informations- und Schreibkompetenz. Mittlerweile wird beides als Aufgabenfeld der Bibliothek wahrgenommen. Die Anspruchsgruppen kennen die Bibliothek als Anlaufstelle bei Fragen und Unterstützungsbedarf. Und die hochschulweit intensivere Auseinandersetzung mit den Vermittlungsinhalten des Schreibzentrums rückte auch die Vermittlung von Informationskompetenz per se stärker in den Fokus. Die Koordinatorin des Schreibzentrums der Bibliothek ist keine Bibliotheksmitarbeiterin, sondern Hochschullehrerin, u. a. für Wissenschaftliches Arbeiten. Für ihre Schreibzentrumsarbeit steht ein entsprechendes Zeitkontingent zur Verfügung. Durch den intensiven Kontakt mit der Koordinatorin des Schreibzentrums als Vertreterin der Lehre wurde der Austausch zur Lehre intensiver. Aufgrund der regelmäßigen Gespräche der Koordinatorin des Schreibzentrums mit den Studiengangsleitungen und der Kontakte mit KollegInnen der Hochschullehre fließen auch deren Anregungen und Bedarfe in die Konzeption des Schreibzentrumsprogramms zielgerichtet ein. Und als Dozierende kennt sie auch die Bedarfe der Studierenden. Durch die gemeinsame Vermittlungsarbeit und den dadurch stattfindenden Austausch lernen alle Beteiligten voneinander. Die Bündelung von Know-how und Ressourcen ermöglicht Angebote, die das bibliothekarische Stammpersonal im Rahmen der vorhandenen Zeitkontingente und aufgrund der Fülle von Themen allein nicht bewerkstelligen könnte. Trotzdem ist es notwendig, bei der Angebotsausgestaltung des Schreibzentrums Prioritäten zu setzen. Aus Kapazitätsgründen und im Sinne einer breiten Wirkung werden beispielsweise die Einzelberatungen nicht forciert. Und Stoßzeiten, in denen viele Workshops zur Informationskompetenz nachgefragt werden, erfordern eine klare Prioritätensetzung zu Gunsten der Schreibzentrumsarbeit. Nach über vier Jahren „offizieller“ Schreibzentrumsarbeit in der Bibliothek der FH Vorarlberg kann somit für die organisatorische Einbettung des Schreibzentrums in die Bibliothek eine durchwegs positive Bilanz gezogen werden.
Andreas Ledl
Die Hochschulbibliothek als Anbieterin von Schreibberatung im Campus-Umfeld am Beispiel der UB Basel Abstract: Der Beitrag schildert exemplarisch die Einführung von Schreibberatung als neuen Service der Universitätsbibliothek (UB) Basel in einem universitären Milieu, das bereits schreibfördernde Maßnahmen hervorgebracht hat. Er skizziert die einzelnen Bottom-Up-Schritte von der Idee bis zur Umsetzung der Dienstleistung sowie deren synergetische Einbettung ins virtuelle „Netzwerk Schreiben“ der Universität. Schlüsselworte: Schreibberatung, Universitätsbibliothek, Netzwerk Schreiben, Fachreferat, Sprachenzentrum, Advanced Studies, Fakultäten Kurzbiografie: Andreas Ledl studierte Diplom-Pädagogik an der Universität Regensburg und promovierte in Erziehungswissenschaft an der Universität Flensburg. Nach seinem wissenschaftlichen Volontariat an der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha und dem postgradualen MA-Studiengang „Library & Information Science“ an der Humboldt-Universität zu Berlin ist er seit 2008 Fachreferent für Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Hochschulwesen an der Universitätsbibliothek Basel. 2017/18 erwarb er das Hochschulzertifikat Schreibberatung am Schreibzentrum der Pädagogischen Hochschule Freiburg i. Br. Kontakt: [email protected]
Einleitung Dienstleistungsangebote zur Förderung von Schreibkompetenz sind für Hochschulbibliotheken in den letzten Jahren immer mehr zum Trendthema geworden. Manche sehen darin die Zukunft der Benutzungsabteilungen1, andere erweitern damit ihr Beratungsangebot im Info-Zentrum2 bzw. Learning-Center3 oder gründen gleich ein
1 Vgl. Christensen, Anne: Zur Zukunft der Benutzungsabteilungen in Universitätsbibliotheken. Leipzig 2016. https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/year/2016/docId/2334 (Stand: 29.12.2018). 2 Vgl. Kohl-Frey, Oliver: Bibliothek als Ort, Bibliothek als Organisation, Bibliothek im Wandel. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2016) H. 3. S. 468–475. DOI 10.1515/bfp-2016-0046. 3 Vgl. Gramlich, Maria u. Imma Hinrichs: „Schreibberatung an Hochschulen – auch eine Aufgabe für Hochschulbibliotheken?“. In: o-bib (2017) H. 2. S. 122–126. DOI 10.5282/o-bib/2017H2S122-126. https://doi.org/10.1515/9783110594140-016
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bibliothekseigenes Schreibzentrum4. Mitarbeitende werden zu Schreibberaterinnen und Schreibberatern ausgebildet5, Benutzerumfragen untermauern das Engagement von Bibliotheken im Bereich Schreibberatung als wichtig bis sehr wichtig6 und auch auf dem Campus bereits bestehende Schreibzentren „fremdeln“ nicht7, wenn es um eine enge Beziehung zur jeweiligen Hochschulbibliothek geht. Ins Veranstaltungsportfolio zur Vermittlung von Informationskompetenz werden schreibdidaktische Angebote als fehlendes Puzzleteil gerne aufgenommen8, kurzum: Hochschulbibliotheken haben wissenschaftliches Schreiben für sich entdeckt, konsequent an sich gezogen und bieten es ihren Benutzerinnen und Benutzern aus einem berechtigten Gefühl der Zuständigkeit heraus als neuen Service an. Immer auf der Suche nach innovativen Dienstleistungen, wurde 2016 auch die UB Basel auf akademisches Schreiben als potentiellen Wirkungsbereich aufmerksam und beschloss, sich auf diesem Feld zu engagieren. Doch in anderen universitären Einheiten hatten sich bereits im weitesten Sinne „schreibdidaktische“ Veranstaltungen etabliert. Um keine parallelen Strukturen aufzubauen, war es daher notwendig, das UB-Angebot entsprechend zu schärfen. Dies geschah einerseits in enger Abstimmung mit betroffenen Institutionen, andererseits aber auch anhand einer Analyse der universitätsweiten Angebotsvielfalt. Der UB war es besonders wichtig, nicht als Konkurrentin, sondern als bereicherndes Element wahrgenommen zu werden. Zudem ist die UB von Sparmaßnahmen betroffen9, so dass Doppelspurigkeiten gegenüber der Universitätsleitung nicht vermittelbar gewesen wären.
4 Vgl. Heller-Künz, Helene u. Brigitte Mayer: Schreibzentrumsarbeit als integriertes Tätigkeitsfeld einer Hochschulbibliothek. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2016) H. 3. S. 370–374. DOI 10.1515/bfp-2016-0062. 5 Vgl. Ohlhoff, Ralf: Zwischen Kooperation und Integration: Neue Angebote im Lernort Bibliothek als Perspektiven für die UB Freiburg. In: Expressum (2014) H. 3/4. S. 26–28. https://ojs.ub.uni-freiburg.de/exp/article/view/817/789 (Stand: 23.12.2018). 6 Vgl. Klein, Annette u. Angela Leichtweiß: Nach dem Happy End: Vermittlung von Informationskompetenz an der UB Mannheim 2017 (und darüber hinaus). In: 50 Jahre UB Mannheim: Entwicklung und Perspektiven. Hrsg. von Christian Hänger [u. a.]. 2017. S. 189–203. https://ub-madoc.bib. uni-mannheim.de/42779/ (Stand: 23.12.2018). 7 Vgl. Everke Buchanan, Stefanie: Fünf Jahre Schreibzentrum an der Universität Konstanz. In: KIM kompakt (2018) H. 102. S. 53–57. https://ojs.ub.uni-konstanz.de/kimkompakt/article/view/7354/ 6560 (Stand: 23.12.2018). 8 Vgl. Kohl-Frey, Oliver: Sanierte Bibliothek – neue Services! In: KIM kompakt (2016) H. 100. S. 8– 11. https://ojs.ub.uni-konstanz.de/kimkompakt/article/download/6748/6067 (Stand: 23.12.2018). 9 Vgl. Universität Basel: Budget 2018 im Zeichen der Sparmassnahmen. https://www.unibas.ch/de/ Aktuell/News/Uni-Info/Budget-2018-im-Zeichen-der-Sparmassnahmen.html (Stand: 28.08.2018).
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Bestandsaufnahme oder: Fehlt noch etwas? An der Universität Basel existieren diverse Angebote, die Anteile von Schreibberatung aufweisen. Die Studentische Körperschaft der Universität Basel (Skuba) bietet jedes Semester das Tutorat „Erfolgreich wissenschaftlich arbeiten“ an, das im PeerTutoring-Verfahren und in Kleingruppen „stockende Schreibprojekte, drohende Schreibblockaden oder schweisstreibende Schreibmarathons“10 von Studierenden vorbeugen soll. Da es sich beim Schreiben um einen gedehnten Sprechakt handelt, befasst sich auch das Sprachenzentrum der Universität mit dem Bereich der Schreibförderung. Die Kurse „Begleitetes Schreiben: Deutsch“ bzw. „Guided Writing: English“ zielen auf „sprachliche Beratung beim Schreiben“. Unabhängig von der Textsorte werden drei bis vier Teilnehmende individuell bei „konkreten sprachlichen und stilistischen Problemen“ unterstützt, um die „richtigen Formulierungen zu finden, um […] Gedanken angemessen und kohärent auszudrücken“.11 Auch ein strukturelles Feedback „zur Argumentation und/oder zum Textaufbau“ ist Teil dieser sich an alle Studierenden und Mitarbeitenden der Universität richtenden, jeweils 60-minütigen, kostenpflichtigen (CHF 20/25) Sessions. Im Rahmen der Advanced Studies, den postgradualen und berufsbegleitenden Weiterbildungsprogrammen der Universität, werden unter der Rubrik „Wissenschaftliches Werkzeugwissen“ mehrere einschlägige Workshops zum Schreiben durchgeführt.12 Inhaltlich besonders hervorstechend sind dabei der ganztägige Basis-Kurs „Effizient wissenschaftlich schreiben: der Weg zum Text“, wo es u. a. um den Schreibprozess, Schreibtypen und Schreibstrategien geht, sowie dessen Vertiefung „Leserorientiert schreiben in den Sozial- und Geisteswissenschaften“. Zielpublikum sind Studierende, Doktorierende und Forschende aller (bzw. der im Kurstitel genannten) Disziplinen. Durchgeführt werden die Veranstaltungen von einer freien Schreibberaterin, die Teilnahmegebühr beläuft sich auf CHF 240, für fakultative Einzelcoachings auf CHF 125. Doktorierende der Universität können kostenlos an den Workshops teilnehmen, da sie gemeinsam mit dem Graduate Center durchgeführt werden.
10 Vgl. Studienberatung Basel: Gut gerüstet durch den Uni-Alltag! Nur wie? Tutorate von Studierenden für Studierende. https://studienberatung.unibas.ch/de/beratung/tutorate-fuer-studierendeskuba/ (Stand: 28.08.2018). 11 Vgl. Sprachenzentrum der Universität Basel: Begleitetes Schreiben: Deutsch. Guided Writing: Englisch. https://sprachenzentrum.unibas.ch/de/angebot/begleitetes-schreiben-guided-writing/ (Stand: 28.08.2018). 12 Vgl. Advanced Studies der Universität Basel: Wissenschaftliches Werkzeugwissen. https://advancedstudies.unibas.ch/studienangebot/kurse/wissenschaftliches-werkzeugwissen-44/1 (Stand: 28.08.2018).
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Daneben existieren in den einzelnen Studiengängen unzählige fachspezifische Einführungskurse in wissenschaftliches Arbeiten, die sich partiell auch mit Aspekten der Schreibberatung wie Themenfindung/-eingrenzung, Materialsuche/-auswertung, Gliederung, Zeitmanagement etc. beschäftigen. Allein an der Fakultät für Psychologie wurden im Herbstsemester 2018 unter dem Titel „Wie schreibe ich eine Bachelorarbeit in …“ sechs Seminare angekündigt, dazu kamen noch zwei zu „Wissenschaftliches Schreiben in …“. Addiert man außerdem die Kurse für Master-Studierende, ergibt sich eine engmaschige Betreuung durch Dozierende, welche allerdings aus schreibdidaktischer Sicht in einen Konflikt geraten: „Die Rolle der Beratenden passt nicht zu der der Bewertenden“.13 Trotz der bereits bestehenden Angebotsvielfalt an der Universität Basel kamen wir aufgrund dieser Analyse zu dem Schluss, dass es für die UB durchaus noch eine Nische gibt, die sie durch eine neue Dienstleistung besetzen könnte. Peer-Tutoring ist einerseits sehr wertvoll, da Beratung auf Augenhöhe stattfindet und durch hohe Fluktuation der Beratenden immer wieder frische Ideen einfließen. Andererseits sind gerade aufgrund des ständigen Wechsels nur selten erfahrene bzw. gut ausgebildete Beratende am Werk, was neben dem Aufwand, kontinuierlich neue TutorInnen zu schulen, auch zu enttäuschten Erwartungen bei den Ratsuchenden führen kann. Als erste Desiderate identifizierten wir konstante Beratungsqualität sowie möglichst zertifizierte SchreibberaterInnen. Wiewohl beide Kriterien am Sprachenzentrum bzw. bei den Advanced Studies in hohem Maße gegeben sind, waren wir der Meinung – ausgehend von der These, dass Hochschulbibliotheken Schreibberatung als Erweiterung der Vermittlung von Informationskompetenz gut zu Gesicht steht –, mindestens Studierenden sollte Schreibberatung als Standarddienstleistung kostenlos zugänglich sein. Im Gegensatz zur Arbeit in Kleingruppen setzen wir auf die individuelle Beratung von Schreibenden in Eins-zu-Eins-Sitzungen, die maximal 45 Minuten dauern. Während bei Dozierenden tendenziell eher das Produkt des Schreibens im Vordergrund steht, geht es in der Schreibberatung um Prozessorientierung. Nicht inhaltliches, sondern strukturelles Feedback ist gefragt und ein Beratungsgespräch gewinnt meist, wenn es von einer fachfremden Person, d. h. einem naiven Lesenden, geführt wird. Außerdem besteht der nicht-direktive Ansatz darin, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, anstatt den Ratsuchenden vorgefertigte Rezepte zur Lösung des Beratungsanlasses zu präsentieren. Aus der Abgrenzung zu den bestehenden Angeboten wird deutlich, dass die von der UB als notwendig erachteten Anforderungen von keinem der vorhandenen Tutorate, Kurse, Workshops oder Seminare erfüllt werden. Sie entsprechen jedoch
13 Grieshammer, Ella [u. a.]: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 3., korr. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2016. S. 7.
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größtenteils jenen „Grundprinzipien“, die Gerd Bräuer 2014 als „Beitrag zur Diskussion um Qualitätskriterien und -standards für die Schreibberatung“14 formuliert hat. Damit lässt sich „klassische“ Schreibberatung als neuer Service an der UB Basel zumindest schon einmal theoretisch rechtfertigen.
Implementierung oder: Wie gehen wir es an? Wegen der bereits vorhandenen Strukturen kam es für die UB nicht in Frage, ein Schreibzentrum in den eigenen Räumlichkeiten auszurufen, zu versuchen, die verteilten Angebote lokal zu zentralisieren oder sich an die Spitze der Schreibbewegung an der Universität Basel zu setzen. Schon im ersten Sondierungsgespräch mit dem Sprachenzentrum begegnete man uns mit einer gewissen Skepsis und es wurde klar kommuniziert, dass man nicht bereit sei, die Führungsrolle beim wissenschaftlichen Schreiben an eine andere, vermeintlich weniger kompetente Gliederungseinheit der Universität abzugeben. Die Gründe für diese anfängliche „Wagenburgmentalität“ sind nachvollziehbar: Erstens muss das Sprachenzentrum der Universität kostendeckend arbeiten und deshalb für Kurse und Services Gebühren erheben, die UB verfügt über ein Globalbudget und kann Dienstleistungen auch gratis anbieten. Zweitens bestreiten viele freie Mitarbeitende oder selbständige TrainerInnen – auch in den Advanced Studies – ihren Lebensunterhalt mit solchen Kursen. Sie könnten im schlimmsten Fall arbeitslos werden, falls Studierende und Doktorierende dann nur noch das kostenlose Beratungsangebot der UB wahrnehmen. Es galt daher für die UB, Demut an den Tag zu legen, immer wieder zu versichern, dass man niemanden verdrängen wolle und die geplante Schreibberatung gar nicht geeignet sei, andere Aktivitäten zu marginalisieren, sondern sich synergetisch in die Gesamtschau schreibdidaktischer Bemühungen der Universität einfügt. Angesichts rund 13.500 Studierender, d. h. potentiell Ratsuchender, müsste – so unsere Überzeugung – eine zusätzliche Initiative zur Förderung von Schreibkompetenz eigentlich als Gewinn aufgefasst werden.15 Mit einem selbstverordneten Grassroots-Ansatz beschlossen wir 2017, einen Mitarbeiter aus dem Fachreferat an der PH Freiburg i. Br. im Fernstudium zum zertifi-
14 Bräuer, Gerd: Grundprinzipien der Schreibberatung. Eine pragmatische Sicht auf die Schreibprozesstheorie. In: Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a.]: Barbara Budrich 2014 (UTB 8604). S. 257–282, hier S. 257. Die Grundprinzipien siehe S. 271–280. 15 Aus der Beratungspraxis wissen wir inzwischen von Studierenden, die z. B. Angebote des Sprachenzentrums in Anspruch genommen haben, dass diese inhaltlich und methodisch einen anderen Ansatz verfolgen als die Schreibberatung.
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zierten Schreibberater ausbilden zu lassen16, um das entsprechende Knowhow in die UB zu holen. Damit folgten wir dem in Bibliotheken üblichen Ansatz, „Veränderungen im Aufgabenportfolio mit Weiterbildungsmaßnahmen und einer guten Portion ‚hands-on‘ anzugehen“17. Gleichzeitig signalisierten wir immer wieder unsere Bereitschaft zur Kooperation mit „anderen kompetenzbildenden Einrichtungen der Universität“ im „Sinne einer kombinierten Lösung“18. Das Fachreferat erschien uns als Ort für die Schreibberatung deshalb besonders geeignet, weil es, im Sinne des „Liaison Librarian“, das „Bindeglied zwischen Bibliothek und Wissenschaft“19 darstellt, individuell auf NutzerInnenbedürfnisse eingehen und so das Gesamtkonzept der Vermittlung von Informationskompetenz durch die UB unterstützen kann. Zudem verfügen FachreferentInnen als wissenschaftliche BibliothekarInnen in der Regel über einschlägige Schreiberfahrung und Textsortenkenntnis sowie ein Grundverständnis für den wissenschaftlichen Schreib- und Publikationsprozess – was unseres Erachtens zwingend gegeben sein sollte. Die fachliche Nähe zu den einzelnen Studiengängen und Fakultäten erschwert es zwar möglicherweise dem Beratenden, in die neutrale Rolle des genuin interessierten Lesenden zu schlüpfen. Seine intensiven Kontakte zu Studierenden, Doktorierenden und Dozierenden kann er jedoch bestens nutzen, um die neue Dienstleistung publik zu machen. So wurde Schreibberatung z. B. in der Fakultät für Psychologie im Rahmen der zuvor erwähnten BA-Einführungsveranstaltungen in wissenschaftliches Arbeiten bzw. der MA-Kurse als neuer Service der UB vorgestellt. Auch fachbezogene Bibliotheksführungen für Erstsemester oder die Recherche-Zusammenarbeit mit Assistierenden für das Erstellen von „Systematic Reviews“ bieten Gelegenheit, auf Schreibberatung hinzuweisen. Indem Lehrende aus der Fakultät als Multiplikatoren eingesetzt werden, können auch sie Psychologie-Studierende, die Schreibprobleme artikulieren oder konkrete Schreibaufgaben nicht bewältigt haben, auf die Schreibberatung der UB aufmerksam machen.
16 Vgl. Pädagogische Hochschule Freiburg: Hochschulzertifikat Schreibberatung. https://www.phfreiburg.de/hochschule/weitere-einrichtungen/schreibzentrum/hochschulzertifikat-schreibberatung.html (Stand: 28.08.2018). 17 Söllner, Konstanze: Bibliotheken ohne Bibliothekar/innen? Qualifikationen für die wissenschaftliche Bibliothek. In: Bibliotheksdienst (2017) H. 10–11. S. 852–863, hier S. 853. DOI 10.1515/bd-20170098. 18 Keller, Claudia Julia: Informationsberatung als zeitgemäßes Dienstleistungskonzept für wissenschaftliche Bibliotheken. Bachelorarbeit im Studiengang Informationsmanagement (BIM) an der Hochschule Hannover. 2015, hier S. 42. https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/deliver/index/docId/591/file/Informationsberatung+als+zeitgem%c3%a4%c3%9fes+Dienstleistungskonzept +f%c3%bcr+wissenschaftliche+Bibliotheken_Claudia+Julia+Keller.pdf (Stand: 23.12.2018). 19 Meyer-Doerpinghaus, Ulrich u. Inka Tappenbeck: Informationskompetenz neu erfinden: Praxis, Perspektiven, Potenziale. In: O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal (2015) H. 4. S. 182–191, hier S. 186. DOI 10.5282/o-bib/2015H4S182-191.
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Überfachlich erwähnen wir das Angebot in diversen IK-Semesterkursen20 oder etwa am alljährlichen, 2017 erstmals vom Sprachenzentrum organisierten „Tag des Schreibens“, an dem sich die UB u. a. mit einem 60-minütigen Schreibtypenanalyse-Workshop beteiligt. Dass die UB eine eher defensive, teilweise sogar nur auf Mund-zu-Mund-Propaganda gestützte Werbestrategie gewählt hat, hängt aber nicht nur mit der Rücksichtnahme auf andere universitäre Institutionen zusammen. Schreibberatung taucht zwar als Service auf unserer Homepage auf21, aber z. B. eine Social Media-Offensive haben wir auch deshalb noch nicht gestartet, weil aus einer universitätsweiten Kampagne schnell ein Ressourcenproblem entstehen könnte. Der zum Schreibberater ausgebildete Fachreferent bietet diese Dienstleistung nicht hauptamtlich, sondern innerhalb seiner „normalen“ 80 %-Stelle an. In Folge dessen erlauben es schon die bescheidenen Kapazitäten der UB nicht, hier eine Führungsrolle zu beanspruchen. Vielmehr trägt die UB mit dem passgenauen Zuschnitt ihres Angebots dazu bei, den Studierenden, Forschenden, Lehrenden und Mitarbeitenden der Universität Basel eine breite Auswahl an schreibfördernden Maßnahmen anzubieten, aus denen Ratsuchende das für ihren konkreten Schreibanlass oder ihre Schreibentwicklung Passende wählen können.
Fazit: „Netzwerk Schreiben“ an der Universität Basel – Ein virtuelles Schreibzentrum?! Girgensohn definiert Schreibzentren an Hochschulen als Orte, an denen „ausgebildete LernbegleiterInnen (studentische Peer-TutorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen) Schreibende in Lehr-Lernformaten und Beratungen“ unterstützen, „die die Schreibenden dabei fördern, eigene Schreibstrategien zu entwickeln und eigene Antworten auf Herausforderungen in Schreibprozessen zu finden“22. Wie die Analyse der Basler Strukturen gezeigt hat, werden diese Anforderungen erfüllt, allerdings – so paradox es klingt, denn ein Zentrum kann ja eigentlich nicht dezentral sein – in einer über den Campus verstreuten Form. In der schriftlichen Nachbetrach-
20 Vgl. Universitätsbibliothek Basel: Fachbezogene Literaturrecherche. https://www.ub.unibas.ch/ ub-hauptbibliothek/dienstleistungen/schulungen-fuehrungen/fuer-die-universitaet-basel/fachbezogene-literaturrecherche/ (Stand: 28.08.2018). 21 Vgl. Universitätsbibliothek Basel: Schreibkompetenz. https://www.ub.unibas.ch/ub-hauptbibliothek/dienstleistungen/schulungen-fuehrungen/fuer-die-universitaet-basel/schreibkompetenz/ (Stand: 28.08.2018). 22 Girgensohn, Katrin: Von der Innovation zur Institution. Institutionalisierungsarbeit an Hochschulen am Beispiel der Leitung von Schreibzentren. Bielefeld: wbv 2017. S. 55. DOI 10.3278/ 6004629w.
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tung des „Tag des Schreibens“ durch das Sprachenzentrum offenbart sich, dass diese Konstruktion gewollt ist. So zeige die Zusammenarbeit mit der UB, „dass es im Interesse verschiedener Institutionen der Universität Basel ist, Schreiben gemeinsam als flexibles Gesamtkonzept zu betrachten“23. Die Schreibberatung der UB ist Teil dieses Netzwerks, dessen Klammer die Webseite https://schreiben.unibas.ch/ bildet. Letztere liefert unter dem Motto „Schreibförderung – Schreibbegleitung – Schreibunterstützung“ eine Übersicht über bestehende Angebote. Die Kurse und Workshops werden in die Rubriken „Schreiben in den Disziplinen“, „Schreiben und Sprache“ sowie „Schreibprozess“ unterteilt, als Publikationsunterstützung werden „Proofreading Service für Bachelor- und Masterstudierende“, „Editing Service für WissenschaftlerInnen“ und „Tutorate für Studierende“ separat aufgeführt. Vorhandene Strukturen und verteilte Verantwortlichkeiten helfen dem Schreibberater der UB so, im „eigenen Kompetenzbereich“ zu bleiben. Er kann Ratsuchende, denen an anderer Stelle besser geholfen werden kann als in der Schreibberatung – deren Beratung gar eine Grenzüberschreitung darstellen würde –, an die Studienberatung (Studienplanung, psychosoziale Schwierigkeiten), die FachbetreuerInnen (inhaltliche Fragen), das Sprachenzentrum (Lektorat) oder die Advanced Studies (Coaching) verweisen.24 Einmal pro Semester findet ein vom Sprachenzentrum organisiertes Netzwerktreffen statt, an dem Vorträge zu akademischem Schreiben gehalten und diskutiert werden. Vor allem soll es aber als Plattform zum Kennenlernen bzw. zum Austausch der Akteure untereinander dienen, die gegenseitige Akzeptanz fördern und künftige Aktivitäten planen und konkretisieren. Sollte es jemals ein tatsächliches Schreibzentrum an der Universität Basel geben, wäre dieses Forum sicherlich geeignet, es organisatorisch aus der Taufe zu heben. Dass man unseren Schreibberater zu den Treffen einlädt, zeigt immerhin, dass die UB als fixer Partner bei der campusweiten Vermittlung von Schreibkompetenz angesehen wird. Derzeit agieren die unterschiedlichen Stellen relativ unabhängig voneinander, doch gibt es einen verbindenden, organisatorischen Aspekt, der für die Weiterentwicklung des losen Zusammenschlusses zu einem festen Gebilde wichtig werden könnte: Sowohl das Sprachenzentrum und die Advanced Studies25 als auch die UB
23 Vgl. Sprachenzentrum der Universität Basel: Tag des Schreibens an der Universität Basel (25. Oktober 2017). https://schreiben.unibas.ch/fileadmin/user_upload/schreiben/Bericht_Tag_des_Schreibens.pdf (Stand: 28.08.2018). 24 Bräuer, Grundprinzipien der Schreibberatung (wie Anm. 14), hier S. 276. 25 Vgl. Universität Basel: Vizerektorat Lehre Organigramm. https://www.unibas.ch/dam/jcr: c672b8cc-6218-4134-8780-86de225fbc16/UniBas_Organigramm_Vizerektorat_Lehre_DE_08_2018.pdf (Stand: 12.11.2018).
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(fachlich durch den Vorsitzenden der Bibliothekskommission)26 sind dem Vizerektorat Lehre unterstellt. Dezentrale Strukturen wie an der Universität Basel sind bei der Vermittlung von Schreibkompetenz gegenwärtig eher die Ausnahme als die Regel. Vergleichbar ist die Basler Situation z. B. mit dem „Netzwerk Informations- und Schreibkompetenz“ der Fachhochschule Bielefeld, wo „die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter […] an den verschiedenen Fachbereichen bzw. in der Bibliothek verortet“27 sind. Und auch auf dem Flensburger Campus herrschen ähnliche Verhältnisse: „Zwei Mitarbeiterinnen haben ihr Büro neben der Studienberatung […], ein Mitarbeiter ist dem International Center zugeordnet und eine weitere Mitarbeiterin hat ihr Büro in den Räumen der Zentralen Hochschulbibliothek“28. Im Unterschied zur Universität Basel handelt es sich jedoch um durch den Qualitätspakt Lehre drittmittelfinanzierte und daher koordinierte Projekte universitärer Institutionen. Doch selbst mit Hilfe übergeordneter Steuerungsmechanismen wirkt sich das Netzwerkmodell negativ „auf die Außenwahrnehmung durch die Zielgruppe der Studierenden“ aus, „da die Schreibangebote keiner Institution und keinem zentralen Gebäude zugeordnet werden können“29. Die Schreibberatung der UB Basel ist sich dieser Problematik bewusst und wird perspektivisch versuchen, sich durch geeignete Werbemaßnahmen zumindest für die von ihr angebotene, spezifische Dienstleistung zur wesentlichen Anlaufstelle zu entwickeln. Seitens der Universität ist bereits der Digital Communications Officer auf die Schreibberatung aufmerksam geworden. Zusammen mit ihm wird die UB ungeachtet des beschriebenen, potentiellen Ressourcenproblems planen, welche universitären Social Media-Kanäle am besten geeignet sind, um den Studierenden die Schreibberatung näher zu bringen. Im größeren Rahmen des virtuellen „Netzwerk Schreiben“ ist hingegen wohl noch erhebliche Lobby- und Institutionalisierungsarbeit zu leisten, um das Thema Schreibkompetenz nachhaltig und kooperativ an der Universität Basel zu verankern.
26 Vgl. Universitätsbibliothek Basel: Universitätsbibliothek Basel Organigramm. https://www.ub. unibas.ch/fileadmin/redaktion/ub/wirueberuns/publikationen/Organigramm_UB.pdf (Stand: 28.08.2018). 27 Diesterbeck, Sarah [u. a.]: Fachbereichsspezifische Förderung von Informations- und Schreibkompetenzen an der Fachhochschule Bielefeld. In: Akademisches Schreiben. Vom Qualitätspakt Lehre 1 geförderte Schreibprojekte. Hrsg. von Dagmar Knorr. 2016. S. 47–50, hier S. 47. https:// www.universitaetskolleg.uni-hamburg.de/publikationen/uk-schriften-013.pdf (Stand: 23.12.2018). 28 Landschoof, Regine u. Judith Theuerkauf: Von Null auf TextLab! Angebote auf dem Flensburger Campus zum wissenschaftlichen Schreiben. In: Akademisches Schreiben. Vom Qualitätspakt Lehre 1 geförderte Schreibprojekte. Hrsg. von Dagmar Knorr. 2016. S. 57–62, hier S. 58. https://www.universitaetskolleg.uni-hamburg.de/publikationen/uk-schriften-013.pdf (Stand: 23.12.2018). 29 Landschoof u. Theuerkauf, Von Null auf TextLab! (wie Anm. 25).
Ladina Tschander
Literaturverwaltung als Schnittstelle zwischen Wissensdokumentation und Schreiben Abstract: Für das Finden einer Fragestellung ist eine Dokumentation der Lektüreergebnisse nach bibliothekarischen Prinzipien hilfreich. Insofern ist die Dokumentation Ausgangspunkt des wissenschaftlichen Schreibens. Eine Umfrage bei Studierenden hat gezeigt, dass gerade hier – bei der Formulierung einer guten Fragestellung – die grössten Probleme bestehen. Das Finden einer Forschungsfrage hängt vom Wissen über den Forschungsstand sowie den eigenen Schlussfolgerungen daraus ab. Beides sollte in einem persönlichen Wissensspeicher abgelegt sein. Gerade hier – beim Aufbau des persönlichen Wissensspeichers – können Bibliothekare und Bibliothekarinnen die Studierenden unterstützen. In ihren Kursen sollten sie nicht nur das Recherchieren, sondern auch das Beschlagworten, Taggen oder allgemein den Aufbau von Thesauri wie auch das Anfertigen von Zusammenfassungen vermitteln. Schlüsselbegriffe: Literaturverwaltung, wissenschaftliches Schreiben, Wissensdokumentation Kurzbiografie: Ladina Tschander studierte in Zürich Germanistik, Biologie und Psychologie und hatte bis 2004 eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle am Informatikum der Universität Hamburg inne. Nach dem „Master of advanced studies in information science“ 2007 an der HTW Chur arbeitete sie am Deutschen Seminar als CoLeiterin der Seminarbibliothek. Im Rahmen dieser Tätigkeit absolvierte sie 2016 den CAS Schreiben in der Hochschule an der ZHAW Winterthur. Sie war 2017 Initiantin der Veranstaltung „Lange Nacht des Schreibens“ an der Universität Zürich (UZH), die sie auch im Rahmen ihrer aktuellen Beschäftigung an der Hauptbibliothek UZH zusammen mit KollegInnen weiterführt.
Bedeutung der Literaturverwaltung fürs Schreiben Eine gut gepflegte Literaturverwaltung führt zu einer ertragreichen Wissensorganisation: Durch die Dokumentation des Gelesenen und deren Verknüpfung mit eigenen Gedanken wird neues Wissen generiert oder neue Fragen entdeckt. Damit ist die Literaturverwaltung die Grundlage für wissenschaftliche Texte.
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Literaturverwaltung als Schnittstelle
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Dass die Recherche eine wichtige Voraussetzung für das Verfassen wissenschaftlicher Texte ist, wird nicht angezweifelt.1 Aber Studierende sehen sich immer wieder vor dem Problem, dass sie vor lauter Literatur ihre Fragestellung nicht finden. Das Finden einer Fragestellung ist ein kreativer Akt, der durch einen gut geführten, vernetzten persönlichen Wissensspeicher – bspw. durch die Nutzung einer Literaturverwaltung – unterstützt werden kann. In diesem Sinne wird hier dafür plädiert, dass die „bibliothekarische Kompetenz“ – Ordnen von Notizen und Zusammenfassungen nach fachlichen und bibliothekarischen Standards – den Anfang des Schreibprozesses bildet. Eine gut bediente Literaturverwaltung ist eine Voraussetzung für gute wissenschaftliche Texte: Durch die individuellen Verknüpfungen im Literaturverwaltungsprogramm werden Inhalte zueinander in Beziehung gesetzt. Mit den Verbindungen der eigenen Notizen mit den Zusammenfassungen entsteht eine Art Dialog2 zwischen dem Lesenden und den wissenschaftlichen Texten. In diesem können offene Fragen entdeckt werden. Weiter entstehen Textfragmente, die in einer schriftlichen Arbeit als Startpunkt eingesetzt werden. Das Generieren einer Fragestellung benötigt also bibliothekarisches Know-how: Nicht nur, weil die frühere Forschung überblickt werden muss, sondern auch weil die Ergebnisse der Recherche, Zusammenfassungen und Notizen, ordentlich abgelegt werden sollten. Der erste Punkt bedingt eine gute Recherchekompetenz, der zweite den Gebrauch einer Klassifikation oder das Erstellen eines Schlagwort (oder Tagging)-Systems. Ausgangspunkt der Kurse zur Vermittlung von Informationskompetenz ist das Recherchieren: Ziel ist u. a., gute Suchstrategien aufzuzeigen, dass die Studierenden schnell relevante Information zu einem Thema finden.3 In Ergänzung dazu wird auch oft das Dokumentieren der Recherche-Ergebnisse in Literaturverwaltungsprogrammen gelehrt.4 Den Konnex zwischen bibliothekarischen Ordnungssystemen
1 Vgl. dazu Esselborn-Krumbiegel, Helga: Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben. 4., aktual. Aufl. Paderborn: Schöningh 2014 (UTB 2334); Kruse, Otto: Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. 3. Aufl. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2018 (UTB 3355). 2 Vgl. dazu auch Ruhmann, Gabriela: Präzise denken, sprechen, schreiben – Bausteine einer prozessorientierten Propädeutik. In: Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen. Hrsg. von Konrad Ehlich u. Angelika Steets. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2003. S. 211–232. https://doi.org/10.1515/ 9783110907766.211. 3 Vgl. dazu Sühl-Strohmenger, Wilfried u. Jan-Pieter Barbian: Informationskompetenz. Leitbegriff bibliothekarischen Handelns in der digitalen Informationswelt. Wiesbaden: Dinges & Frick GmbH 2017 (B.I.T.online Innovativ 67). 4 Stöber, Thomas: Informationskompetenz und Literaturverwaltung. In Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2012. S. 281–289; Zumstein, Philipp u. Matti Stöhr: Zur Nachnutzung von bibliographischen Katalog- und Normdaten für
182 Ladina Tschander
und der studentischen (oder wissenschaftlichen) Wissensorganisation wird in den Kursen aber seltener explizit aufgezeigt.5 In diesem Aufsatz wird der Standpunkt vertreten, dass gerade im Bereich der Wissensorganisation ein Kooperationsfeld von Bibliothek und Fach besteht. Das Ziel der eigenen Wissensorganisation ist der Aufbau eines persönlichen Wissensspeicher (sei dieser analog bspw. als Zettelkasten oder digital in Literaturverwaltungsprogrammen), in welchem alle gefundene und bearbeitete Information zu einem Thema zusammengebracht werden kann. Durch dieses Zusammenführen ist es möglich, neue Zusammenhänge oder Lücken zu entdecken, was zuletzt zu einer eigenen Fragestellung führt. Eine gute Fragestellung zu generieren, erfordert verschiedene Fähigkeiten von den Studierenden. Sie müssen neben der Kenntnis über den Wissenstand durch ihre Lektürearbeit wichtige Begriffe ermitteln, die sie als Schlagworte setzen und mit welchen sie ihre Lektüre-Ergebnisse verbinden. Die Durchsicht des eigenen Wissensspeicher führt idealerweise zu einer Fragestellung.6 Gerade darin, wie das Gelesene oder Erarbeitete abgelegt werden kann, können Bibliothekare einen grossen Beitrag leisten.
Befragung Studierender der Universität Zürich Der Beginn des wissenschaftlichen Schreibens ist die Idee oder die Fragestellung. Darüber sind sich die Ratgeber zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten einig.7
die persönliche Literaturverwaltung und Wissensorganisation. In: ABI Technik (2015) H. 4. S. 210– 221. doi:10.1515/abitech-2015-0037. 5 Diejenigen, die sich mit „Wissensorganisation“ beschäftigen, sehen durchaus eine starke Verbindung zwischen Bibliothek und Wissensorganisation. In der Deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Wissensorganisation (ISKO) beschäftigen sich neben Informationswissenschaftler auch Philosophen, Linguisten, Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Informatiker und Wirtschaftswissenschaftler mit der Thematik. http://www.isko-de.org/organisatorisches/programmatik (Stand: 14.12.2018). Die Gesellschaft möchte die Wissensorganisation als eigenes Fachgebiet begründen. Die enge Verbindung der Wissensorganisation und Bibliothekswelt zeigt sich auch in der Bibliografie der International Society for Knowledge Organization – siehe www.isko.org/lit.html (Stand: 14.12.2018); vgl. dazu auch Kiel, Ewald u. Friedrich Rost: Einführung in die Wissensorganisation. Grundlegende Probleme und Begriffe. Würzburg: Ergon Verlag 2002. 6 Neben dem Finden einer Fragestellung sehen sich die Studierenden auch noch der Herausforderung gegenüber, dass die Fragestellung zu bewältigen ist. Mit der Überprüfung einer Fragestellung beschäftigt sich u. a.: Mayer, Philipp: 77 mal wissenschaftliches Schreiben – eine Anleitung. Basel: Edition / Advanced Study Centre, Universität Basel 2010. S. 21–25; Kruse, Lesen und Schreiben (wie Anm. 1), hier S. 103–106; Plümper, Thomas: Effizient schreiben. Leitfaden zum Verfassen von Qualifizierungsarbeiten und wissenschaftlichen Texten. München: Oldenbourg 2012. S. 15–40. 7 Vgl. dazu u. a. Wolfsberger, Judith: Frei geschrieben. Mut, Freiheit und Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Wien: Böhlau Verlag 2016; Kruse, Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt:
Literaturverwaltung als Schnittstelle
183
Der Student oder die Studentin interessiert sich für ein Thema, kommt über die Methoden „Mindmapping“ oder „Clustering“ zur Fragestellung und kann mit dieser den roten Faden legen. Wie eine Fragestellung jedoch genau gefunden werden kann, was Studierende dabei unterstützen könnte, ist in der Literatur meist nur kurz angesprochen. Das Finden einer Frage ist ein schöpferischer Akt, entspringt der persönlichen Neugierde – oder sie ergibt sich aus einem Literaturüberblick, in welchem eine Lücke gefunden wird. Aber gerade diese Lücke zu finden oder sich auf den eigenen Einfallsreichtum verlassen zu müssen, fällt den Studierenden sehr schwer. Mit einem kleinen Fragebogen versuchte die Autorin zu ermitteln, welches die grössten Probleme der Studierenden beim Verfassen wissenschaftlicher Texte sind und welche Hilfe sie zur Behebung der Probleme nutzen. Ein Resultat war, dass Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften am meisten Mühe haben, eine Fragestellung zu finden.8 Von 229 Studierenden sagen 146, dass dies ihre grösste Schwierigkeit sei. Tab. 1: Ergebnisse der Frage 8 des Fragebogens. Die grössten Probleme bei meinem wissenschaftlichen Schreiben habe ich: (Mehrfachnennung möglich) Mit dem Schreiben zu beginnen (Angst vor dem leeren Blatt) Das Thema zu formulieren Eine Gliederung zu entwerfen Die Forschungsfrage und meine These dazu zu entwickeln Eine konkrete Zeitplanung zu fixieren Wissenschaftlich fundierte Aussagen schreiben Die notwendigen Literaturrecherchen kompetent durchzuführen Die Forschungsliteratur zu meinem Thema in den Text einzuarbeiten Zitierregeln korrekt anzuwenden Den roten Faden beizubehalten Sonstiges
(n=229) 120 92 57 146 91 65 51 41 32 58 35
Die Kommentare unter „Sonstiges“ zeigen ein Gefühl der Verlorenheit bei den Studierenden. Die Vorgaben zum Zitieren oder dem Stil seien von Lehrstuhl zu Lehrstuhl unterschiedlich. Zudem seien diese mehrheitlich vage und somit wenig hilfreich. Das Argumentieren werde nicht geübt, die Wissenschaftssprache werde wenig thematisiert. Die Antworten zu den Fragen, welche Hilfen Studierende nutzen
Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 12., vollständig neu bearb. Aufl. Frankfurt a. M.: Campus Verlag 2007 (campus concret 16); Rienecker, Lotte & Peter Jörgensen Stray: The Good Paper, a Handbook for Writing Papers in Higher Education. Frederiksberg: Samfundslitteratur 2015. 8 Der Fragebogen wurde an alle Fachvereine der Universität Zürich versandt. Beteiligt haben sich aber lediglich Studierende der Philosophischen Fakultät. Im Anhang findet sich der gesamte Fragebogen.
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(Dozierende, Ratgeber oder Kommilitonen) zeigen, dass sie sich prinzipiell wenig Unterstützung holen. Geteilter Meinung sind die Studierenden gegenüber der Hilfestellung der Dozierenden. Die eine Hälfte bejaht, dass die Lehrenden unterstützen. Die andere Hälfte verneint dies. Gefragt wird hier aber nur, ob die Lehrenden aktiv sind. Es bleibt offen, ob die Studierenden auf die Dozierenden mit expliziten Fragen zum Schreibprozess zugehen. Aufgrund der Zusatzäusserungen bei der Frage nach den Schreibproblemen ist zu vermuten, dass dies eher nicht der Fall ist. Die Kommilitonen sind näher und werden lieber gefragt – zumindest 91 Befragte geben dies explizit an. Einführungsliteratur oder Schreibratgeber werden von einem Viertel der Befragten benutzt. Interessant ist, dass 153 von den 229 Befragten durchaus einen Zusammenhang zwischen der Schreibleistung und der persönlichen Medien- und Informationskompetenz sehen. Aber die Studierenden scheinen lediglich zu ahnen, dass zwischen Informationskompetenz und Schreiben einen Zusammenhang bestehen könnte. Betrachten wir die Antworten zur Frage, was unter „Informationskompetenz“ verstanden wird, zeigt sich, dass effiziente Verarbeitung der gefundenen Information für das Schreibvorhaben erst an vierter Stelle zu stehen kommt. Für die Mehrheit entspricht Informationskompetenz dem Beherrschen effizienter Recherchestrategien. Tab. 2: Ergebnisse der Frage 9 des Fragebogens. Was verstehen Sie unter „Informationskompetenz“ (Mehrfachnennungen möglich) Informationsflut bewältigen zu können Überblick über die grundsätzlich wichtigsten Informationsressourcen zu haben Die für mein Fach wichtigsten Informationsressourcen zu kennen Effiziente Recherche der Informationssuche zu beherrschen Wissenschaftlich wertvolle Information von wertlosem „Informationsmüll“ unterscheiden Gefundene Informationen effizient für mein Vorhaben verarbeiten zu können Möglichst viele Informationen ausfindig machen zu können Genau die Informationen zu finden, die ich für mein Thema benötige Sonstiges
(n=229) 118 134 133 167 151 140 12 161 7
Dass Bibliotheken mit dem Suchen und Finden von Informationen zu tun haben, liegt für die Studierenden auf der Hand, steht doch in den Bibliotheksräumlichkeiten die benötigte Literatur. Zudem werden sie immer wieder von den Dozierenden ermahnt, die Bibliothek zu nutzen (zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften). Die Bibliotheken bieten auch zahlreiche Kurse zur Vermittlung von Informationskompetenz an, in welchen der Umgang mit Datenbanken, die Recherche im Bibliothekskatalog und Netz, die Nutzung von Literaturverwaltungsprogrammen und das Vermeiden von Plagiaten Thema sind. Wie die Beantwortung der Frage zeigt, ist die Botschaft „Bibliotheken helfen beim Recherchieren“ bei den Studierenden präsent.
Literaturverwaltung als Schnittstelle
185
Aber Bibliotheken können nicht nur zeigen, wie die von ihnen aufgebauten Datenbanken durchforstet werden können. Bibliotheken können auch vermitteln, wie Datenbanken aufzubauen sind, dass diese dem Nutzenden einen Mehrwert bringen. Und genau um diese Kompetenz dreht es sich bei der Forderung: Bibliotheken müssen mehr Dokumentationswissen statt Recherchewissen vermitteln.
Unterstützung durch die Bibliothek: Kurse zur Literaturverwaltung mit Briefing für Zusammenfassung Ordnen und inhaltlich erschliessen: zwei zentrale Konzepte, wenn es darum geht, Information so abzulegen, dass sie wieder auffindbar ist, zwei zentrale Konzepte, in den Bibliothekswissenschaften9 und zwei zentrale Konzepte, die Bibliotheken im Kern charakterisieren. Bibliotheken sind Orte des nach inhaltlichen Kriterien geordneten Wissens. Das bibliothekarische Know-how können Forschende oder Studierende gut für ihre eigene Wissensorganisation nutzen. Denn sie sehen sich stets vor der Herausforderung, Materialien, Texte oder andere Arten von Informationen sammeln und in neue Zusammenhänge bringen zu müssen. Um den Überblick über all das Gesammelte behalten zu können, bietet sich ein bibliothekarisches Ordnungssystem an. Charakteristisch in Bibliotheken ist, dass zum einen ihre Medien systematisch aufgestellt sind und zum anderen Bibliothekare die Titel mittels Schlagworten im Katalog netzwerkartig verbinden. Die Verwendung derselben Begriffe sowohl als Schlagwort als auch in der Systematik verbindet die beiden Ordnungssysteme. In Bezug auf die individuelle Wissensorganisation gewinnen die Schlagworte (oder Tags) an Gewicht. Sie strukturieren und verbinden nicht nur die gesammelten Informationen, sondern auch die eigenen Gedanken. Ist alles in einem gemeinsamen Wissensspeicher (bspw. in einem Literaturverwaltungsprogramm) abgelegt, kann dieser bei Bedarf über ein thematisch passendes Schlagwort nach relevantem, gesammeltem Wissen abgesucht werden. Wie ein solcher nachhaltiger Wissensspeicher aufgebaut werden kann, um auch Fragestellungen generieren zu können, lehrt die Bibliothek des Deutschen Seminars seit mehreren Jahren in ihrem Programm „Book a librarian“. Hierbei handelt es sich um kurze Inputs, die von Dozierenden gebucht werden können. Die Dauer
9 Vgl. Umstätter, Walther: Bibliothekswissenschaft im Wandel von den geordneten Büchern zur Wissensorganisation. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2009) H. 3. S. 327–332.
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variiert je nach Wunsch des Dozierenden. Die minimale Dauer beträgt 10 bis 15 Minuten – die Dozierenden buchen meist 45 Minuten.
Abb. 1: Das Book-A-Librarian-Programm der DS-Bibliothek.
Der „Top-Seller“ dabei ist „Systematische Recherche – der Weg zum Literaturüberblick“, dicht gefolgt von „Zotero – Literaturverwaltung voll im Griff“. Die Dozierenden holen sich die Expertise nicht nur in der Informationsbeschaffung, sondern wie im Kurstitel klar deklariert auch diejenige in der Informationsverwaltung bzw. der Informationsbearbeitung. Im ersten Kurs wird das Dilemma thematisiert, dass für eine systematische Recherche eine Fragestellung benötigt wird. Idealerweise füllt die Beantwortung eine Lücke, die im Forschungsüberblick entdeckt wurde, für welchen die relevante Literatur gefunden werden musste. Als Lösung dieses Problems wird im Kurs ein iteratives Vorgehen vorgeschlagen: Ausgangspunkt der Recherche ist eine vage Fragestellung, die im Laufe der Recherche geschärft wird. Voraussetzung für einen Forschungsüberblick ist, dass die Argumente aus der Literatur bekannt sind und zueinander in Verbindung gesetzt werden können. Ein unterstützendes Tool hierbei ist die Literaturverwaltung. Ziel des zweiten Kurses „Zotero – Literaturverwaltung voll im Griff“ ist es, die Studierenden zu einer nachhaltigen Dokumentation ihrer Lesearbeit zu führen. Es wird gezeigt, wie in einem Literaturverwaltungsprogramm bibliographische Angaben, Zusammenfassungen und Notizen so organisiert werden können, dass sie sowohl für das aktuelle Schreibprojekt als auch für zukünftige Arbeiten genutzt werden können. In der Applikation gibt es zwei Arten von Notizen. Die eine ist abhängig von einer bibliografischen Aufnahme, in welcher Zusammenfassungen bzw. Argumentsammlungen aufgenommen werden können. Die andere ist eigenständig und dient
Literaturverwaltung als Schnittstelle
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dazu, eigene Gedanken zu dokumentieren. Verbindende Elemente sind Tags. Mit diesen und den bidirektionalen Verweisen zwischen bibliografischen Aufnahmen wird ein persönliches Wissensnetz aufgebaut. Mit den Tags sollen Informationen langfristig verknüpft werden. Für eine temporäre Zusammenstellung von Literatur zum Beispiel zu einzelnen Schreibprojekten, können in Zotero sogenannte „Sammlungen“ erstellt werden. Diese dienen für die Zuordnung der Literatur zu einzelnen Kapiteln einer Hausarbeit.
Objektive Zusammenfassung und subjektive Statements Die Wissensorganisation sollte nachhaltig sein. Damit ist gemeint, dass die Exzerpte wiederverwendet werden können. Eigene Notizen sind meist in Bezug zu einer Frage geschrieben. Es wäre aber nicht richtig, deshalb den Schluss zu ziehen, dass diese nicht dokumentiert werden sollen. Durch das Auffinden der eigenständigen Notizen via Tags können diese bei der Bearbeitung eines anderen Themas gefunden werden und einen interessanten Input liefern. In Zusammenfassungen hingegen wird genau das wiedergeben, was im gelesenen Text steht. Als erstes sind die behandelten Themen zusammenzutragen, sodann wird notiert, welche Sprachhandlungen der Autor ausführt.10 Dadurch werden Zusammenfassungen unabhängig von Fragestellungen erstellt. Das Verfassen solcher Zusammenfassungen ist aber eine hohe Kunst und benötigt viel Zeit. Es ist verständlich, dass aus Gründen der Ökonomie Zusammenfassungen oft unter einem thematischen Fokus geschrieben werden. Dadurch verlieren sie jedoch in gewissem Maße den Aspekt der Nachnutzung. Um den Studierenden dies aufzuzeigen, wird in den Kursen der Bibliothek des Deutschen Seminars zur „Bronnenkritik“ im Rahmen der Niederlandistik das Schreiben von Zusammenfassungen geübt. Alle Teilnehmenden verfassen eine Zusammenfassung zum selben Text. Anschliessend werden die Texte ausgetauscht und daraufhin gelesen, ob die Zusammenfassung nach einem Monat noch verständlich ist. Diese Übung ist hilfreich, um die Objektivität und die Nachhaltigkeit von Zusammenfassungen zu prüfen. Das Feedback der Studierenden war jeweils positiv. Mit dem Realisieren, mit welchem zeitlichen Aufwand das Erstellen von guten Zusammenfassungen verbunden ist, wurde den Studierenden schlagartig klar, wie wichtig eine sorgfältige Recherche ist.
10 Vgl. dazu Ruhmann, Präzises Denken (wie Anm. 2).
188 Ladina Tschander
Fazit: Gute Dokumentation als Voraussetzung für gute wissenschaftliche Texte Die Erfahrung der Bibliothek des Deutschen Seminars ist, dass die Studierenden dankbar für die Einführungen in die Literaturverwaltung und die Verwendung der Tags sind. Gerade auch deshalb, weil das Wissen darüber, wie ein Thesaurus aufgebaut wird, nicht im regulären Unterricht vermittelt wird. Durch die Anreicherung der Literaturverwaltung mit Tags, Zusammenfassungen und Notizen lernen die Studierenden, wie sie ihr persönliches Wissen organisieren können.
Anhang: Fragebogen Im Bachelorstudium habe ich viele Gelegenheiten zum eigenständigen Schreiben Sehr viele Relativ viele Nicht so viele Eher wengie Viel zu wenige
(n=229) 90 108 25 6 2
Beim wissenschaftlichen Schreiben kann ich mich an den formalen Vorgaben meines Instituts oder Seminars orientieren Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229)
Die Lehrenden unterstützen mich beim Schreiben von Seminararbeiten Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229) 114 57 58
Die meisten Anregungen und Hilfen zum Schreiben bekomme ich von meinen KommilitonInnen Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229)
Wenn ich Hilfe beim Schreiben im Studium brauche, verwende ich Einführungsliteratur zum wissenschaftlichen Schreiben Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229)
192 16 21
91 104 34
57 148 24
Literaturverwaltung als Schnittstelle
189
Ich habe bereits Kurse zum wissenschaftlichen Schreiben im Studium besucht Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229) 83 140 6
Meine Informations- und Medienkompetenz hilft mir auch beim wissenschaftlichen Schreiben Ja Nein Bin mir nicht sicher
(n=229)
Die grössten Probleme bei meinem wissenschaftlichen Schreiben habe ich: (Mehrfachnennung möglich) Mit dem Schreiben zu beginnen (Angst vor dem leeren Blatt Das Thema zu formulieren Eine Gliederung zu entwerfen Die Forschungsfrage und meine These dazu zu entwickeln Eine konkrete Zeitplanung zu fixieren Wissenschaftlich fundierte Aussagen schreiben Die notwendigen Literaturrecherchen kompetent durchzuführen Die Forschungsliteratur zu meinem Thema in den Text einzuarbeiten Zitierregeln korrekt anzuwenden Den roten Faden beizubehalten Sonstiges
(n=229)
Was verstehen Sie unter „Informationskompetenz“ (Mehrfachnennungen möglich) Informationsflut bewältigen zu können Überblick über die grundsätzlich wichtigsten Informationsressourcen zu haben Die für mein Fach wichtigsten Informationsressourcen zu kennen Effiziente Recherche der Informationssuche zu beherrschen Wissenschaftlich wertvolle Information von wertlosem „Informationsmüll“ unterscheiden Gefundene Informationen effizient für mein Vorhaben verarbeiten zu können Möglichst viele Informationen ausfindig machen zu können Genau die Informationen zu finden, die ich für mein Thema benötige Sonstiges
(n=229) 118 134 133 167 151
153 23 53
120 92 57 146 91 65 51 41 32 58 35
140 12 161 7
Tina Rotzal und Dominik Schuh
Gute Texte brauchen gute Nachweise – Studierende auf dem Weg zu Informationsqualität und akademischer Integrität begleiten und beraten Abstract: Wer wissenschaftlich schreibt, muss eigene Gedanke und Fragestellungen entwickeln und sie mit fremden Überlegungen und Lösungsansätzen verknüpfen oder sich argumentativ von diesen abgrenzen. Im vorliegenden Beitrag soll dargestellt werden, wie die Thematisierung der Bezugnahme auf andere Texte und ihrer Funktion als didaktischer Ausgangspunkt genutzt werden kann, um Studierenden Techniken der kritischen Informationsbewertung und der Verwendung von Informationen näherzubringen. Der präsentierte Ansatz speist sich dabei aus den Vermittlungserfahrungen im Projekt „Akademische Integrität“ seit Januar 2013, aus den begleitenden theoretischen Überlegungen sowie aus dem Austausch mit anderen PraktikerInnen. Als Bestandteile einer umfassend verstandenen Informationskompetenz, die auch der Plagiatsprävention dient, fallen die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten (auch) in die Vermittlungsverantwortung von Hochschulbibliotheken. Schlüsselbegriffe: Akademische Integrität, Intertextualität, Informationskompetenz, wissenschaftliches Schreiben, Zitieren, Schreibdidaktik, Plagiatsprävention, gute wissenschaftliche Praxis Kurzbiografien: Tina Rotzal M.A., studierte deutsche Philologie, Anglistik und Kulturanthropologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 2014 ist sie Mitarbeiterin im BMBF-Projekt „Akademische Integrität“ an der Universitätsbibliothek Mainz. Im Jahr 2014 arbeitete sie zudem an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im BMBF-Projekt „PHILIS – Studieren im Philosophicum“ im Bereich Schreibberatung. Sie arbeitet an einer Dissertation zur Entwicklung der Großschreibung im Deutschen. Interessensschwerpunkte: Prävention von Fehlverhalten an Hochschulen und Schulen, Vermittlung von Schreib- und Informationskompetenzen. Dominik Schuh beendete sein Studium der Geschichte und der deutschen Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2011 mit dem 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien. Von Oktober 2011 bis Dezember 2012 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt „Historische Kulturwissenschaften“ der Universität Mainz und begann zeitgleich ein Promotionsvorhaben zu Laikalen Männlichkeiten im späten Mittelalter. Seit Januar 2013 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Akademische Integrität“ an der Universitätsbibliothek Mainz, dort beschäftigt er sich mit der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahhttps://doi.org/10.1515/9783110594140-018
Gute Texte brauchen gute Nachweise
191
men zur Prävention, Kontrolle und Sanktionierung akademischen Fehlverhaltens. Seit Oktober 2018 arbeitet er zudem als Referent des Vizepräsidenten für Studium und Lehre an der Universität Mainz. Zu seinen Interessensschwerpunkten gehören: Geschlechtergeschichte, Geschichte des Rittertums, historische Kulturwissenschaften, Informationskompetenz, akademisches Fehlverhalten und Methoden der Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitstechniken.
Fremder Geist in meinem Text. Welche Rolle spielt Integrität beim Schreiben? Wissenschaftliche Texte sind immer Teil eines großen Flickenteppichs, der sich Forschung nennt. Jeder Beitrag ist eine Ergänzung zu oder eine Abgrenzung von vorhandenen Positionen. Veröffentlichungen haben das Ziel einen arbeitsteilig entstandenen Pool von Erkenntnissen zu ergänzen. Das Zitieren hat dabei die Aufgabe, die Bezüge zur existierenden Forschung herzustellen und somit das bereits existierende Wissen von dem neu formulierten zu unterscheiden.1
Das hier von Kruse entwickelte Bild eines „Flickenteppichs, der sich Forschung nennt“, ist seit Beginn der Arbeit im Projekt „Akademische Integrität“2 an der Universitätsbibliothek Mainz fester Bestandteil der Vermittlungseinheiten zum Umgang mit fremdem Geistesgut. Das Bild ruft unseres Erachtens nach zwei zentrale Gedanken auf, die dabei helfen die Funktion des Zitierens im wissenschaftlichen Diskurs verständlich zu machen:3 zum einen die Uneinheitlichkeit wissenschaftlichen Wis-
1 Kruse, Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 5. Aufl. Frankfurt am Main [u. a.]: Campus Verlag 1997. S. 102. In den neueren Auflagen des Werks hat Kruse einige grundlegende strukturelle Änderungen vorgenommen und insbesondere die Darstellung der Arbeit mit fremden Ideen und Formulierungen vollständig überarbeitet, das Bild des Flickenteppichs erscheint dort nicht mehr. 2 Siehe grundlegend zum Projekt, das Teil des BMBF geförderten Projekts „LOB – Lehren. Organisieren. Beraten“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist, die Beiträge in: Themenheft Akademische Integrität. Hrsg. von Nicole Walger. Information. Wissenschaft & Praxis (2014) H. 1. Siehe auch die zugehörigen Webauftritte: http://www.akin.uni-mainz.de (Stand: 26.12.2018) und http://www.lob.uni-mainz.de (Stand: 26.12.2018). Das Projekt beschäftigt sich seit Januar 2013 mit der Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Prävention, Detektion und Sanktionierung akademischen Fehlverhaltens. Zum Konzept der „akademischen Integrität“ siehe Schuh, Dominik: Saubere Arbeit sichern. Akademische Integrität als Vermittlungsgegenstand und -ziel. In: Handbuch Qualität in Studium, Lehre und Forschung (2018). S. 65–86 (D 1.9). Siehe ferner den Beitrag zur Plagiatsprävention von Markus Malo in diesem Band. 3 In terminologischer Perspektive wirft der Bereich des Umgangs mit fremdem Geistesgut immer wieder die Problematik auf, dass etwa „Zitieren“ einerseits auf ganz konkrete Verwendungsweisen (wörtliches oder sinngemäßes Zitieren) referiert andererseits aber oftmals für alle Formen der expli-
192 Tina Rotzal und Dominik Schuh
sens in seinen verschiedenen Repräsentationsformen und (daraus abgeleitet) zum anderen die Funktion der Bezugnahme auf die Veröffentlichungen anderer zur Positionierung neuer Beiträge. Ist damit keinesfalls die einzige Erklärung für die Notwendigkeit transparenter Techniken der Bezugnahme auf andere gegeben, so bietet sie doch einen in der Vermittlungsarbeit ausgesprochen anschlussfähigen Ansatz. Der Eindruck der ungeheuren Vielfalt und einer gewissen Unordnung vorliegender Erkenntnisse und Überlegungen ist den meisten Studierenden leicht vor Augen zu führen. Dass jeder einzelne Forschungsbericht stets neu verdeutlichen muss, an welchem Ende oder in welcher Lücke des etablierten Wissens er verortet sein soll, lässt sich (zumindest) an den meisten Arbeiten exemplarisch nachweisen. Als didaktischer Ausgangspunkt hierfür ist es sinnvoll, die Bezugnahme sowie insbesondere ihre Funktion in wissenschaftlichen Texten anhand konkreter Beispiele zu erläutern. Auf diese Weise können Studierenden die Techniken der kritischen Informationsbewertung und der ethischen Verwendung von Informationen mit Bezug zu ihrem eigenen Arbeitsumfeld nähergebracht werden. Der präsentierte Ansatz speist sich aus den Vermittlungserfahrungen im Projekt „Akademische Integrität“ seit Januar 2013, aus den begleitenden theoretischen Überlegungen sowie aus dem Austausch mit anderen PraktikerInnen. Er folgt der Idee, die Vermittlung von Techniken im Umgang mit fremdem Geistesgut nicht isoliert als Beitrag zur Plagiatsprävention zu betreiben, sondern als elementaren Bestandteil der Entwicklung eines akademischen (mithin wissenschaftlichen) (Schreib-)Habitus. Schon den Projektzielen nach bleibt der Blick auf die präventiven Potenziale einer solchen Vermittlungsarbeit dabei aber nicht außen vor.4 Der Beitrag gliedert sich in drei größere Abschnitte: – Darstellung von Intertextualität als Betrachtungskategorie für wissenschaftliche Texte, verbunden mit der Zusammenfassung von Überlegungen zur Bestimmung des Plagiats als einer Form „inkorrekter Intertextualität“, – Betrachtung der verschiedenen Funktionalisierungen von Textbezügen im Umgang mit wissenschaftlichem Schriftgut unter besonderer Berücksichtigung der damit verbundenen Lernherausforderungen im Rahmen eines wissenschaftlichen Studiums,
ziten Bezugnahme auf fremde Werke im Gebrauch ist. Der höchst uneinheitliche Sprachgebrauch in der akademischen Lehre wie in der forschenden Praxis steht einer Systematisierung in didaktischer Hinsicht im Wege, obwohl sich immer wieder Systematisierungsversuche unterschiedlicher Reichweite finden. So etwa auch bei Kruse, Angst (wie Anm. 1). Das Bild selbst folgt bei Kruse dem entscheidenden Hinweis, dass es wichtig sei, „den Sinn des Zitierens zu verstehen und nicht einfach Regeln zu lernen.“ (S. 102). 4 Zu den Zielen des Projekts siehe: Schuh, Dominik: Auf dem Weg zur akademischen Integrität – Ziele und Maßnahmen des Projekts „Akademische Integrität“. In: Walger (Hrsg.), Integrität (wie Anm. 2), hier S. 41–50.
Gute Texte brauchen gute Nachweise
–
193
Synthese der vorhergehenden Überlegungen mit Blick auf die didaktischen Handlungsmöglichkeiten wissenschaftlicher Bibliotheken bei der Begleitung von Studierenden und wissenschaftlichem Nachwuchs.
Anknüpfen und Abgrenzen: Intertextualität in wissenschaftlichen Schreibprojekten Jeder Forscher, jede Forscherin möchte neue Erkenntnisse gewinnen und zum Pool des Wissens beitragen, aus dem jeder und jede schöpfen kann. Ohne die Auseinandersetzung mit den Gedanken und Ideen anderer wäre wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftlicher Fortschritt jedoch kaum denkbar. WissenschaftlerInnen arbeiten in diesem Sinne intertextuell, d. h. sie nehmen mit ihren Texten aufeinander Bezug. Julia Kristeva, die den Intertextualitätsbegriff in den 1970er Jahren prägte,5 setzte sich zunächst mit den Theorien Michail Bachtins zur Dialogizität auseinander.6 Laut Kristeva entdeckte Bachtin, dass sich „jeder Text […] als Mosaik von Zitaten auf[baut], jeder Text […] Absorption und Transformation eines anderen Textes [ist].“7 Ein Text – oder vielmehr ein Werk – ist für Kristeva nicht allein an den Autor oder die Autorin gebunden, sondern ebenso an all das, was ihn oder sie umgibt und beeinflusst. In einem Interview im Rahmen der Plagiatsdebatte um Helene Hegemanns Roman „Axolotl Roadkill“ fasst sie dies prägnant zusammen: Intertextualität heißt, dass Texte nicht aus dem Nichts heraus entstehen, sondern den Einfluss all dessen widerspiegeln, was der Autor gelesen hat und was den ihn umgebenden Diskurs bestimmt – zum Beispiel Werbung, Malerei, Musik und so weiter. Er zitiert daraus, indem er explizite Anführungszeichen setzt – oder eben auch durch ein Plagiat. In jedem Fall ist sein Werk in eine linguistische Umgebung eingebettet.8
Zeigt sich der Einfluss all dessen in einem Text, so bedeutet es gewendet auch, dass Texte (und andere Werke) sich stets aufeinander beziehen, aufeinander aufbauen.
5 Eine umfassende Zusammenfassung der Debatte um den Intertextualitätsbegriff findet sich bei Jannich, Nina: Intertextualität und Text(sorten)vernetzung. In: Textlinguistik. 15 Einführungen. Hrsg. von Nina Jannich unter Mitarbeit von Klaus Brinker. Tübingen: Narr Verlag 2008. S. 177–196. 6 Siehe Kristeva, Julia: Wort, Dialog und Roman bei Bachtin (1967). In: Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven. Bd. 3: Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Athenäum Verlag 1972. S. 345–375. 7 Kristeva, Wort (wie Anm. 6), hier S. 348. 8 Preissler, Brigitte: „Seitenweise Text abschreiben – das ist keine Intertextualität“. In: Die Welt. https://www.welt.de/welt_print/kultur/article6825629/Seitenweise-Text-abschreiben-das-ist-keineIntertextualitaet.html (Stand: 25.08.2018).
194 Tina Rotzal und Dominik Schuh
Diese Bezugnahmen erfüllen vielfältige Funktionen: Sie reichen von Kommentierungen oder Zusammenfassungen einzelner Texte über humorvolle Anspielungen und Nachahmungen bis hin zum Nachweis fremden Geistesgutes.9 Sie nutzen dazu unterschiedliche Markierungen, etwa die oben erwähnten Anführungszeichen. Der (bewusste oder unbewusste) Gebrauch fremder Ideen ist somit Kern intertextuellen Arbeitens. Zum wissenschaftlichen Arbeiten gehört jedoch auch die transparente Offenlegung aller Quellen und ihrer spezifischen Verwendungsweisen. Es unterscheidet sich damit etwa von künstlerischen Arbeiten, die mitunter ganz gezielt auf die konkrete Benennung verzichten, um die Rezipierenden selbst herausfinden zu lassen, auf wen oder was ein Werk anspielt. Werden in wissenschaftlichen oder auch vorwissenschaftlichen (studentischen) Texten, bei denen die Erwartung an die Kenntlichmachung der Quellen besteht, andere Texte wörtlich übernommen oder paraphrasiert, müssen sie mit den Mitteln, die dem Autor, der Autorin zur Verfügung stehen (Anführungszeichen, Fußnoten, Kurzbelege) angezeigt werden. Geschieht dies nicht oder unzureichend, kann, mit dem Vokabular des Freiburger/ Konstanzer Projekts „ReFairenz“,10 von intertextuellen Fehlern oder „inkorrekter Intertextualität“11 gesprochen werden. Im vorgenannten Projekt wurde dazu z. B. eine Typologie der 20 häufigsten intertextuellen Fehler in studentischen Arbeiten erstellt.12 Im Gegensatz zur Bezeichnung „Plagiat“ sei, so Kohl, der Begriff „inkorrekte Intertextualität“ eine „wertungsneutrale Alternative“, die „[o]hne rechtliche oder moralische Konnotation […] explizit auch die Formen nichtintentionaler Fehler und Auslassungen“ 13 umfasst. Das Projekt beruft sich dabei auf Gérard Genette, der Intertextualität im Vergleich zu Kristeva deutlich restriktiver versteht und als mögliche Ausformungen von Intertextualität das Zitat, das Plagiat und die Anspielung nennt.14 Intertextuelle Bezüge stellen immer „eine Erweiterung der Bedeutung des eigenen Textes“15 dar, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gewinnen, wenn an-
9 Vgl. Jannich, Intertextualität (wie Anm. 5), hier S. 177f., die noch weitere Beispiele anführt. 10 Vgl. https://www.plagiatspraevention.uni-konstanz.de/projekt/information/ (Stand: 25.08.2018). 11 Kohl, Kerstin Eleonora: E-Plagiate und internetbasierte Plagiatsdetektion als didaktische Herausforderung und wissenschaftliche Chance. Inkorrekte Intertextualität in Texten Studierender. In: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik (2011). S. 1–7, hier S. 1. http://www.ph-ludwigsburg.de/2081.html (Stand: 25.08.2018). 12 Krämer, Sabina u. Tony Franzky: Die 20 häufigsten intertextuellen Fehler in studentischen Arbeiten an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Hrsg. vom Projekt „Refairenz“. 20.09.2016. https://www.plagiatspraevention.uni-konstanz.de/typo3temp/secure_downloads/89896/0/ 869cb3b985b8c800442ca31ce26950cdee29c04b/20_haefigste_intertextuelle_Fehler.pdf (Stand: 14.09.2018). CC-BY. 13 Kohl, E-Plagiate (wie Anm. 11), hier S. 1. 14 Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer u. Dieter Hornig. 7. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp (Edition Suhrkamp, NF 683). S. 10. 15 Jannich, Intertextualität (wie Anm. 5), hier S. 178.
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dere ihre Arbeiten verwenden, aber auch Anerkennung: Die Reputation steigt, je häufiger man zitiert wird. Der Nachweis fremden Geistesgutes hat somit aus Sicht der unterschiedlichen Beteiligten auch unterschiedliche Funktionen:16 – Er stellt Transparenz für die Lesenden her, die erkennen können, woher welche Ideen, Ergebnisse, etc. stammen. – Der Nachweis fremder Ideen verdeutlicht zugleich die eigene Leistung der Autorin, des Autors durch die Abgrenzung von anderen. – Der Nachweis dient dem Ausdruck von Anerkennung für den/die Zitierte(n). Den Begriff der Intertextualität in dieser Art auf den Bereich wissenschaftlichen Schreibens anzuwenden und eine Unterscheidung zwischen „korrekten“ und „inkorrekten“ Verwendungsweisen einzuführen, ist zumindest aus literaturwissenschaftlicher Perspektive nicht ganz unproblematisch. Das dahinter stehende Ziel, der Bezeichnung eine neutrale Konnotation zu verleihen, erscheint aber in didaktischer Perspektive bereichernd. Die theoretische Anleihe kann als Anregung verstanden werden, den Diskurs über Plagiate weiterzuentwickeln.
Auf den Schultern von Riesen: Textbezüge als Merkmal von und als Anforderung an wissenschaftliches Schreiben Ist damit ein erster, eher theoretisch geprägter Blick auf das Verhältnis wissenschaftlicher Texte zueinander gewagt, so soll in einem zweiten Schritt die Funktion von Textbezügen in der Wissenschaft als Lernherausforderung betrachtet werden. Meist ist der Beginn eines Studiums nicht mit dem ersten Kontakt mit wissenschaftlicher Literatur verbunden, Schülerinnen und Schüler kennen Texte mit wissenschaftlichem Anspruch aus dem Unterricht – wenn auch oft nur als kürzere Formate oder Auszüge. Viele von ihnen übernehmen im Rahmen von Facharbeiten, besonderen Lernleistungen oder anderen Formen vorwissenschaftlicher Arbeiten sogar schon in der Schulzeit die Rolle der Autorin, des Autors.17 Für die allermeisten gehört zum Studienbeginn aber die Konfrontation mit einer großen Zahl wissenschaftlicher Texte, die in (zumindest gefühlt) kurzer Zeit gelesen und geistig verar-
16 Die folgende Liste enthält natürlich keine abschließende Aufzählung, eine etwas umfangreichere Sammlung findet sich z. B. auch bei Kruse, Keine Angst (wie Anm. 1). Grundsätzlich ist bei der Betrachtung der Funktionen von Nachweisen auf die jeweilige Perspektive Rücksicht zu nehmen (Autor/in, Rezipient/in, Bibliotheken, Wissenschaftssystem als Ganzes). 17 Siehe zur didaktischen Perspektive auf vorwissenschaftliche Arbeiten Esterl, Ursula (Hrsg.): Vorwissenschaftliche Arbeit. Innsbruck: Studienverlag 2014 (Informationen zur Deutschdidaktik 38,4).
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beitet werden müssen. Die Begegnung mit Einführungen, Handbüchern und Forschungsberichten wird von vielen Studierenden als beschwerlich erlebt. Selbst dann, wenn die intrinsische Motivation, sich mit den dargebotenen Inhalten auseinanderzusetzen, sich neues Wissen anzueignen, groß ist, bedarf die Beschäftigung mit den oftmals eher sperrig wirkenden Formulierungen einiger Mühe. Wissenschaftliche Apparate, Kurzbelege, Anmerkungen, Exkurse und Anhänge mögen Uneingeweihten eher hinderlich oder doch störend erscheinen. Als nützliche Ergänzung des im Fließtext Formulierten werden sie erst im Verlauf der tieferen Auseinandersetzung erkennbar. Diese Beobachtung lässt sich sicherlich nicht einfach verallgemeinern, es reicht aber ein Blick in populärere Darstellungen wissenschaftlicher Erkenntnisse, um sich zu versichern, dass die Wahrnehmung, von Belegen und Anmerkungen sollte nur sparsamer Gebrauch gemacht werden – und das auch nur am Ende eines Werkes –, verbreitet ist. Mit Blick auf die „Standards der Informationskompetenz für Studierende“ des Deutschen Bibliotheksverbands e. V. (dbv) bietet sich bei diesen frühen Begegnungen mit wissenschaftlicher Literatur eine gute Möglichkeit,18 Grundlagen für den Erwerb des dritten Standards zu schaffen.19 Sind die Bestimmung des Informationsbedarfs und die konkrete Auswahl der zu nutzenden Informationsmittel zu Beginn eines Studiums noch weitestgehend durch Curriculum und Lehrende vorgegeben, so lernen Studierende im Zuge von Lektüre und gemeinsamer Diskussion bereits spezifische Merkmale wissenschaftlicher Literatur (mehr oder minder bewusst) kennen. Bibliothekarische Angebote können in dieser Studienphase das Curriculum sinnvoll ergänzen und Studienanfängerinnen kompetent unterstützen. Fragen zu wissenschaftlichen Informationsmitteln können hier – gewissermaßen in einem geschützten, nicht-fachlichen Umfeld – mit Nicht-Lehrenden besprochen, pragmatische Hilfestellungen in Anspruch genommen werden. In textwissenschaftlichen (und stark schriftorientierten) Studiengängen ist das Kennenlernen von Literatur meist fester Bestandteil des expliziten Vermittlungsplans von Einführungskursen und wird etwa unter dem (nur noch bedingt zeitgemäßen) Begriff der „Bücherkunde“ verhandelt. Die Differenz zwischen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Texten kann hier z. B. durch die Unterscheidung von historisch-kritischen und „einfachen“ Leseausgaben von Primärtexten verdeutlicht werden. Die Verwendung wissenschaftlicher Apparate, die Darstellung von Varianten, Erläuterungen und ergänzenden Belegen werden vorgestellt und mitunter eingeübt. Wo Forschungsarbeiten gemeinsam gelesen und diskutiert werden, etwa im Kontext von Seminaren, bie-
18 Deutscher Bibliotheksverband e. V.: Standards der Informationskompetenz für Studierende. Vorgestellt auf der dbv Sektion IV, Frühjahrstagung, 25.–26.3.2009 und verabschiedet auf der dbv Vorstandssitzung am 2. und 3. Juli 2009. (Stand: 03.07.2009). Online unter: http://zpidlx54.zpid.de/wpcontent/uploads/2015/02/DBV_Standards_Infokompetenz_03.07.2009_endg.pdf (Stand: 07.10.2018). 19 „Die informationskompetenten Studierenden bewerten die gefundenen Informationen und Quellen und wählen sie für ihren Bedarf aus.“, dbv, Standards (wie Anm. 18), hier S. 3.
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tet sich die Möglichkeit, Studierende auch aktiv an die Arbeit mit Anmerkungen und Nachweisen heranzuführen. Das kann durch den Nachvollzug einzelner Belege geschehen oder durch den Vergleich der Belegstrukturen in unterschiedlichen Werken. Mit Blick auf die hier betrachteten Fragen (Vermittlung von Nachweistechniken und Anregung zu wissenschaftlicher Haltung) können in dieser Studienphase zunächst vier Einsichten vermittelt werden:20 – Wissenschaftliche Texte werden (im Sinne des erläuterten Intertextualitätsbegriffs) als voraussetzungsreiche Produkte verstanden, die in ein größeres Diskurssystem eingebunden sind.21 – Anschließend daran kann die Transparenz der Verortung innerhalb dieses Diskurssystems als wesentliches Merkmal wissenschaftlicher Texte erkannt werden. Dabei wird dieses Verständnis zunächst als äußeres Merkmal betrachtet; vereinfacht formuliert: Ein Text ist dann wissenschaftlich, wenn er Belege für gemachte Aussagen anführt. Diese Belege werden in einer vorgegebenen grafischen Form (Kurzbelege, Fußnoten) präsentiert. – Nachweise eröffnen die Möglichkeit des vollständigen Nachvollzugs der Grundlagen einer Argumentation, d. h. theoretisch können alle gemachten Aussagen bis auf die grundlegendsten disziplinären oder allgemeinen Erkenntnisse und Vorannahmen zurückverfolgt werden. (Praktisch wird der damit verbundene Aufwand im alltäglichen Handeln freilich kaum betrieben.22). – Damit verbindet sich potenziell die Entwicklung einer kritischen Perspektive auf das zunächst äußerliche Merkmal des Vorhandenseins von Apparaten, die nach der inhaltlichen Unterfütterung des Kriteriums fragt. Es kann also geprüft werden, ob es sich um sachlich korrekte Belege handelt oder ob Bezüge und Verwendungsweisen angemessen sind. Diese kritische Perspektive ist im Sinne eines konsequenten Zweifelns integraler Bestandteil einer wissenschaft-
20 Dass sich mit Blick auf die spezifische Form wissenschaftlicher Texte – und ihrer je fachlichen Eigenheiten – eine Reihe weiterer Einsichten verbinden lassen, steht damit natürlich nicht in Frage. Es ließe sich vielmehr diskutieren, inwiefern auch andere, etwa linguistische Merkmale wissenschaftlicher Texte bei der Vermittlung von Informationskompetenz hinzugezogen werden könnten. Eine Analyse solcher Merkmale findet sich etwa bei: Graefen, Gabriele: Der wissenschaftliche Artikel. Textart und Textorganisation. Frankfurt a. M.: Lang 1997. Elektronisch veröffentlicht (2009). urn:nbn:de:bvb:19-epub-13670-0. 21 Vgl. zum Verständnis der Wissenschaft als Diskursgemeinschaft etwa die kurze Darstellung Kruse, Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 12., völlig neu bearb. Aufl. Frankfurt a. M. [u. a.]: Campus Verlag 2007. S. 63–65. 22 Ein ausgesprochen gelungener – und auch in didaktischer Perspektive nützlicher – Versuch des Nachvollzugs einer geläufigen Aussage bzw. ihrer verschiedenen Zuschreibungen findet sich bei Merton, Robert King: Auf den Schultern von Riesen. Ein Leitfaden durch das Labyrinth der Gelehrsamkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983.
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lichen Haltung und eröffnet die Möglichkeit fremde Arbeiten zu kritisieren und Forschungsergebnisse zu diskutieren.23 Begegnen Studierenden wissenschaftliche Texte zunächst gewissermaßen nur als Anschauungsobjekte, so gerät aus der Lehrendenperspektive die Vermittlung von Nachweistechniken meist erst mit der Vergabe von Schreibaufträgen ins Blickfeld. Im Rahmen von Protokollen, (schriftlich ausgearbeiteten) Referaten oder Hausarbeiten muss eine wissenschaftliche Fragestellung unter Zuhilfenahme der relevanten Fachliteratur bearbeitet werden. Idealiter steigt der geforderte Grad der Eigenständigkeit von Fragestellung und Vorgehen im Verlauf eines Studiums gleichmäßig an, sodass Studierende bei Anfertigung ihrer Abschlussarbeiten über einige Erfahrung im wissenschaftlichen Schreiben verfügen. Faktisch variieren das Ausmaß der Übung und die Steigerung der Leistungsanforderungen stark von Fach zu Fach, mitunter auch zwischen verschiedenen Lehrenden. Bei Studierenden kann die Konfrontation mit variierenden Ansprüchen zu Irritationen führen, das betrifft nach unserer Erfahrung insbesondere die Frage des Originalitätsanspruchs. Die Vorstellung bereits in einer frühen Phase des Studiums „Originelles“ leisten, „Neues“ zu einem gut erforschten Thema beitragen zu sollen, ist für manche und manchen Anlass zur gedanklichen Blockade. Erschwerend kommt hinzu, dass das Schreiben wissenschaftlicher Texte auch jenseits der Arbeit mit fremdem Geistesgut eine Vielzahl gedanklicher wie sprachlicher Herausforderungen für Studierende bereithält.24 Hier können bibliothekarische Beratungs- und Vermittlungsangebote – niedrigschwellig beginnend mit der Präsenz in Lern- und Schreibräumen – entlastend wirken, wenn sie in den entsprechenden Arbeitsphasen gebündelt bereitgestellt werden. Die Zusammenarbeit mit Schreibwerkstätten und Fachlehrenden ist dabei von besonderer Bedeutung. Verfügen Studierende bereits über eine kritische, wissenschaftliche Haltung gegenüber fremden Texten, kann ihnen das die Aufgabe wesentlich erleichtern. Sie haben bereits eingeübt, sich in eine wissenschaftliche Diskursgemeinschaft einzufinden, in einem geläufigen Bild ausgedrückt mit anderen Forscherinnen und Forschern bzw. ihren Werken ins Gespräch zu kommen. Forschungsliteratur zu lesen, ist, gerade dann, wenn die Lektüre didaktisch begleitet wird, insofern eine nützliche Vorbereitung für eigene Schreibleistungen.25 Wo die gedankliche Verarbeitung und Bewertung wissenschaftlicher Literatur bereits eingeübt ist, gelingt es leichter, fremde Argumentationsgänge darzustellen und kritische Punkte darin aufzuzeigen. Es bietet sich damit die Möglichkeit eigenständige Überlegungen entweder anzu-
23 Etwa im Sinne des „organisierten Skeptizismus“ nach Merton, Robert King: Die normative Struktur der Wissenschaft. In: Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen: Aufsätze zur Wissenschaftssoziologie. Von Robert King Merton. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985. S. 86–99, hier S. 99. 24 Auch hierzu findet sich bei Kruse eine nützliche und zielgruppengerecht formulierte Zusammenstellung: Kruse, Keine Angst (wie Anm. 20), hier S. 21ff. 25 Dazu als kurze Anregung auch: Kruse, Keine Angst (wie Anm. 20), hier S. 33.
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schließen – und ihre Plausibilität mithin durch Forschungsdarstellungen zu untermauern – oder sich begründet von anderen abzugrenzen.
Die richtige Schreibhaltung finden Zentral für die Arbeit mit Literatur ist stets die Einsicht in das Primat des Verwendungszwecks: Fremde Überlegungen und Formulierungen müssen zur Beantwortung der gewählten Fragestellung beitragen, müssen für die eigene Arbeit nutzbar gemacht werden. Notwendige Voraussetzung dafür ist das Verstehen der Argumentation des fremden Textes. Die Betonung liegt auf dem Aspekt des „Arbeitens mit Literatur“26: Zitate, die nur dazu dienen, den Text zu verlängern, aber keinen inhaltlichen Mehrwert haben, erfüllen diesen Zweck nicht. Das Bedürfnis erworbenes Wissen unabhängig von seinem argumentativen Nutzen sichtbar zu machen, Gelesenes einzubringen, das zur Beantwortung der gestellten Frage nicht beiträgt, ist zwar oftmals nachvollziehbar, darf aber nicht zum leitenden Handlungsprinzip werden.27 Mit der Aufgabe eigene Texte zu produzieren ist daher die Einsicht in die notwendige Selektivität der Bezugnahme auf andere zu verbinden. Studierende müssen also nicht nur über die Fähigkeit verfügen, Literatur auf ihre grundsätzliche wissenschaftliche Eignung hin zu prüfen, sondern auch in die Lage versetzt werden, kompetent zu entscheiden, ob ein konkretes Informationsmittel dem argumentativen Informationsbedarf genügt (im Sinne eines weiten Verständnisses des dritten Standards der Informationskompetenz). Zur Bewältigung dieser Herausforderung ist das Zusammenwirken fachlicher, argumentativer wie informationeller Fähigkeiten notwendig. Eine besondere Schwierigkeit für das Einüben dieses Zusammenwirkens besteht darin, dass keine vorgegebenen Muster für die Auswahl von Informationen zur Verfügung stehen. Studierende können also nicht auf eine Liste von operationalisierten Kriterien zurückgreifen, um eine Auswahl zu treffen. Es ist ihnen vielmehr zu vermitteln, dass für jede getroffene Aussage stets neu die Entscheidung zu treffen ist, ob sie eines Nachweises bedarf, welche Werke wissenschaftlich geeignet sind, als Nachweis zu dienen, und welche Form (wörtliches Zitat, Paraphrase,
26 Die Notwendigkeit darauf hinzuweisen, dass ein Zitat bzw. ein Beleg aus inhaltlichen Erwägungen eingefügt werden und nicht dem formal begründeten Wunsch nach weiteren Fußnoten entspringen sollte, dürfte akademischen Lehrenden aus eigener Erfahrung eingängig sein. Eine schöne Formulierung dieses Anspruchs findet sich etwa bei Franck, Norbert: Lust statt Last: Wissenschaftliche Texte schreiben. In: Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung. Hrsg. von Norbert Franck u. Joachim Stary. 15., überarb. Aufl. Paderborn [u. a.]: Schöningh 2009. S. 117–178, hier S. 150, der hier etwa vor „Zitatenhuberei“ warnt. 27 Siehe dazu auch die Überlegungen bei Groebner, Valentin: Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung. Konstanz: University Press 2012. S. 88ff.
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Beleg, Verweis)28 für den jeweiligen Verwendungszweck angemessen ist. Universelle Kriterien für die Zitierwürdigkeit existieren im Gegensatz zur Zitierfähigkeit nicht, wo wir solche abstrahieren können, schwindet ihr Anwendungsbezug, müssen die Kriterien immer wieder nachjustiert und kontextualisiert werden. Letztlich bleibt die Antwort den Fachpersonen überlassen, kann je nach Diskursposition unterschiedlich ausfallen, sie wird jedoch eine begründete Antwort bleiben müssen. Wer ein Werk verwendet (oder nicht verwendet) muss Rechenschaft darüber ablegen können, warum es geeignet ist, als Beleg für eine bestimmte Information zu dienen, warum es glaubhaft Auskunft über eine Frage geben kann. Die bereits angesprochene Problematik des Originalitätsanspruchs erscheint gerade bei dieser Entscheidung immer wieder als hinderlich, insbesondere dann, wenn Studierende den Eindruck gewinnen, alles Wesentliche sei bereits an anderer Stelle gesagt oder geschrieben worden und es verbleibe ihnen folglich kein Raum, um eigene Beobachtungen oder Schlussfolgerungen zu ergänzen. Diesem Eindruck kann mit dem Hinweis auf die Leistung der Auswahl begegnet werden, die gerade für frühe Arbeiten und umfangreich bearbeitete Themenfelder kaum zu unterschätzen ist. Eine gewisse Selektivität im Umgang mit Informationsmitteln sollte dabei nicht allein auf die praktische Unmöglichkeit vollständiger Nachweise zurückgeführt, sondern mit dem Ziel einer fokussierten und stringenten Argumentation verknüpft werden. Welcher Grad von Selektivität akzeptabel ist, negativ formuliert, wann eine Auswahl im Verhältnis zur verfügbaren Literatur zu eingeschränkt ist, ist nur im Einzelfall zu bestimmen und bedarf bisweilen längerer Erörterungen. Studierende, die sich hier eine schlichte Antwort der Form, „Sie benötigen fünf Aufsätze, zwei Ganzschriften und drei Lexikonartikel“, wünschen, sind angesichts solcher Rückmeldungen zwangsläufig enttäuscht. Die geschilderten Herausforderungen – das Erschließen und Bewerten fremder wie das Entwickeln und Formulieren eigener Texte – bieten über die bereits dargestellten Punkte hinaus, die Möglichkeit zwei eher auf das Wissenschaftssystem als Ganzes gerichtete Einsichten zu gewinnen: Studierende können zum einen ein Verständnis für die Wissensordnung ihrer Disziplin – und potenziell darüber hinaus – gewinnen. Gehört der Blick auf Zitate und Belege als Hinweise auf Wissensordnungen im bibliothekarischen Diskurs gewissermaßen zum Standard und findet insbe-
28 Vgl. zu dieser Unterscheidung: Kruse, Keine Angst (wie Anm. 1), hier S. 103f; in der neu bearbeiteten Fassung seines Schreibratgebers (siehe Anm. 20) unterscheidet Kruse die Verwendungsformen abweichend. Eine Diskussion der Unterscheidungsmöglichkeiten erscheint hier nicht zielführend, da allein auf die Notwendigkeit der reflektierten Differenzierung hingewiesen werden soll, ohne dass zugleich eine bestimmte Form bevorzugt werden soll. Entscheidend ist das Ziel der transparenten, d. h. nachvollziehbaren Angabe der Verwendung.
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sondere im Bereich der Bibliometrie auch darüber hinaus Anwendung29, so wird diese Perspektive auf nachvollziehbare Textbeziehungen und Positionierungen in der akademischen Lehre unserer Erfahrung nach selten produktiv gemacht. Ein Vermittlungsangebot in einem bibliothekarischen und damit überfachlichen Kontext ist daher nicht nur möglich, sondern überaus sinnvoll. Mit Blick auf das zu Beginn des vorliegenden Beitrags angeführte Bild des „Flickenteppichs, der sich Forschung nennt“30, kann Studierenden am Beispiel von Zitationsanalysen verdeutlicht werden, wie wissenschaftliche Textbeziehungen aufgebaut sein können und welche Rückschlüsse sich aus diesen Beziehungen ziehen lassen. Insbesondere dann, wenn Studierende auch über ihren ersten wissenschaftlichen Abschluss hinaus eine Forschungstätigkeit in Betracht ziehen, können solche Betrachtungen für die weitere fachliche Entwicklung nützlich werden. Sie können aber zum anderen auch die Einsicht gewinnen, dass Forschung – gewissermaßen dem Prinzip des organisierten Skeptizismus zum Trotz – auf das gegenseitige Vertrauen der Beteiligten angewiesen ist. Die oben kurz angesprochene Schwierigkeit, in der alltäglichen Arbeit Belege umfänglich zu prüfen, macht das Vertrauen auf die Redlichkeit anderer in der Praxis unentbehrlich.31 Die Arbeit von Forschenden gründet mithin auf der Erwartung, dass einerseits bestimmte Vorannahmen über das Verhältnis von Forschenden und Beforschtem geteilt und dass andererseits bestimmte Verhaltensregeln innerhalb der scientific community eingehalten werden.32 Zum wissenschaftlichen Schreiben gehört damit in zwei Perspektiven die Erwartung einer bestimmten Schreibhaltung: eine wissenschaftsethische Anforderung, die teilweise Überschneidungen zu rechtlich geregelten Handlungsbereichen enthält, und einer diskursiven Anforderung an die Verwendung bestimmter Sprach-
29 Für den bibliothekarischen Bereich sei auf das Verfahren der Zitationsindexierung verwiesen, s. Stock, Wolfgang u. Mechthild Stock: Wissensrepräsentation. Informationen auswerten und bereitstellen. München: Oldenbourg 2008. S. 323ff. 30 Kruse, Keine Angst (wie Anm. 20), hier S. 102. 31 Siehe dazu Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. Weinheim: Wiley-VCH 2013. S. 8 (Vorwort zur ergänzten Auflage) online unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/book/10.1002/9783527679188 (Stand: 07.10.2018): „Wissenschaft gründet auf Redlichkeit. Diese ist eines der wesentlichen Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis und damit jeder wissenschaftlichen Arbeit. Nur redliche Wissenschaft kann letztlich produktive Wissenschaft sein und zu neuem Wissen führen. Unredlichkeit hingegen gefährdet die Wissenschaft. Sie zerstört das Vertrauen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untereinander sowie das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft, ohne das wissenschaftliche Arbeit ebenfalls nicht denkbar ist.“ 32 Siehe zu den Verhaltensregeln: DFG, Vorschläge (wie Anm. 30) sowie Merton, Die normative Struktur (wie Anm. 22), zu den geteilten Vorannahmen wären z. B. gemeinsame erkenntnistheoretische Annahmen zu zählen, so Schurz, Gerhard: Einführung in die Wissenschaftstheorie. 2. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) 2008. S. 26–28.
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muster und Markierungen, aber auch an bestimmte erkenntnistheoretische Grundlagen und daraus resultierende Argumentationsmöglichkeiten.
Begleiten und beraten. Wie wissenschaftliche Bibliotheken Lernprozesse unterstützen können Nun könnte der Einwand laut werden: Die dargestellten Einsichten mögen legitime Lernziele für die universitäre Lehre darstellen, mit den Vermittlungsaufgaben wissenschaftlicher Bibliotheken haben sie aber wenig zu tun. Der Hinweis darauf erscheint insofern berechtigt, als die (inhaltliche) Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur und die Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben klar in der Verantwortung der disziplinären Hochschullehre liegen. Wir möchten diese Perspektive mit Blick auf die Weiterentwicklung und Ergänzung der Vermittlungstätigkeiten wissenschaftlicher Bibliotheken33 aber erweitern. Bibliotheken beteiligen sich im Rahmen der Informationskompetenzvermittlung bereits aktiv – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – an der wissenschaftlichen Ausbildung von Studierenden, indem sie dazu beitragen, dass Lernende in die Lage versetzt werden, selbständig Informationsbedarfe zu erkennen und sich die zur Klärung nötigen Informationsmittel zu beschaffen. Zentral für die hier präsentierten Überlegungen ist es aber, einen Verständnishorizont für Studierende zu entwickeln, in dem Zitation und Informationsbewertung nicht als losgelöste technische Fragen, nicht als schematisch lösbare Aufgaben erscheinen, sondern als Herausforderungen, die nur durch informierte und verantwortliche Entscheidungen bewältigt werden können. Wo Informationskompetenz isoliert als Vermittlungsaufgabe von Bibliotheken betrachtet und von den universitären Curricula getrennt wird, besteht unseres Erachtens nach immer die Gefahr, Recherche, Informationsbewertung und Nachweise ebenfalls getrennt von „eigentlichen“ fachwissenschaftlichen Kompetenzen wahrzunehmen. Ist die curriculare Einbettung von Informationskompetenzangeboten sicherlich das Idealmodell, so gibt es auch niedrigschwellige Möglichkeiten der Einbindung. Angebote zur Förderung
33 Das vorliegende Handbuch ist unseres Erachtens nach nur einer von vielen Belegen für diesen Entwicklungsprozess. Zur Möglichkeit der Erweiterung der Rolle wissenschaftlicher Bibliotheken im Bereich der Vermittlung akademischer Integrität s. Walger, Nicole: Die Vermittlung akademischer Integrität: das Beispiel der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und ihrer Universitätsbibliothek. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2., überarb. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 335–346; s. auch Rotzal, Tina u. Dominik Schuh: Grundlagenlehre: Bibliotheken als Vermittler wissenschaftlicher Arbeitstechniken, Werte und Normen. In: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal (2016) H. 4. S. 61–74. https://www.o-bib.de/article/view/2016H4S61-74 (Stand: 16.10.2018).
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akademischer Integrität haben sich in der Vergangenheit als guter Ansatz erwiesen, Lehrende von der Integration bibliothekarischer Angebote in ihre Kurse zu überzeugen. Bibliotheksmitarbeiterinnen und Bibliotheksmitarbeiter haben (nicht nur in diesem Bereich) didaktisch die Möglichkeit, ihre Rolle als nichtlehrende und insbesondere nichtprüfende Universitätsmitglieder zu nutzen und als Begleiterinnen und Begleiter der Lernenden in Erscheinung zu treten. Aus Perspektive der Studierenden können an sie vergleichsweise unproblematisch Lernschwierigkeiten kommuniziert und Unterstützungsanfragen adressiert werden. Da sich das Angebot isolierter Beratungsformate zur Thematik („Umgang mit fremdem Geistesgut“) in der Vergangenheit als eher schwach nachgefragt erwiesen hat, erscheint die Einbettung in den größeren Kontext allgemeiner Schreibberatung sinnvoll, im Vordergrund stehen dabei oft Fragen der geistigen Verarbeitung von Literatur, der Erschließung von Themen und Forschungsfeldern.34 Im Rahmen klassischer bibliothekarischer Schulungsformate zum Umgang mit fremdem Geistesgut sind die oben ausführlich betrachteten Einsichten stets nur anteilig einzubringen, eine fundierte Kenntnis der mit dem Feld verbundenen Schwierigkeiten einerseits und Entwicklungsmöglichkeiten andererseits eröffnet den jeweils Lehrenden aber die Chance, auf individuelle Lernbedarfe reagieren und Herausforderungen im akademischem Umfeld kontextualisieren zu können. Die gemeinsame Reflexion in der TeilnehmerInnengruppe kann dabei durch Fallbeispiele, also kurze Darstellungen typischer Problemsituationen, angeregt werden. So können etwa Entscheidungen im Schreibprozess oder Beispiel für konkrete Nachweisverfahren diskutiert werden. Besonders wirksam haben sich Vermittlungseinheiten in TutorInnenschulungen erwiesen. Dort bietet sich die Möglichkeit über den Multiplikatoreffekt der Veranstaltungen eine Vielzahl von Studierenden zu erreichen und Inhalte in den meist beweglicheren Curricula der Tutorien zu platzieren. Die beste Möglichkeit zur Begleitung der akademischen Entwicklung von Studierenden eröffnet sich unseres Erachtens aber im Rahmen von Veranstaltungsbesuchen durch Bibliotheksmitarbeiterinnen und Bibliotheksmitarbeiter, d. h. direkte Unterstützung innerhalb der Fachlehre. Dazu bieten sich insbesondere Kurse zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten bzw. Grundlagenkurse der einzelnen Fächer an. Im Anschluss an die Vorstellung der fachwissenschaftlichen Arbeitsformen können hier kurze Inputs zur Funktion wissenschaftlicher Textbezüge eingebracht und anhand von Übungen (Formulierung von Paraphrasen, Lückentexte mit fehlenden Belegen, situative Fallbeispiele) mit den Studierenden vertieft werden. In Absprache mit den jeweiligen Lehrenden des Faches können gezielt Grauzonen und
34 An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gibt es inzwischen eine Vielzahl von Schreibberatungsangeboten, das umfangreichste wird durch die campusweite Schreibwerkstatt über SchreibtutorInnen umgesetzt, siehe http://www.schreibwerkstatt.uni-mainz.de (Stand: 26.12.2018).
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Entscheidungsspielräume in der Arbeit mit Sekundärliteratur sichtbar gemacht und innerhalb des Kurses diskutiert werden. Studierende erhalten so die Möglichkeit, die Auswahl und Verarbeitung von Literatur als Arbeitsprozess zu verstehen und die Erwartung von Musterlösungen zu hinterfragen. Unabhängig von der konkreten Vermittlungsform erweist es sich regelmäßig als hilfreich, Studierende in die Position der Beobachtenden (mithin Bewertenden) zu versetzen. Mithilfe des Perspektivwechsels können Ängste abgebaut und unverstandene Kriterien zur Sprache gebracht werden. Eine so orientierte Vermittlungsarbeit ist dabei stets auch als Beitrag zur Plagiatsprävention zu betrachten,35 insofern sie im Zuge eines Studiums gestellte Herausforderungen kontextualisieren und verstehen hilft und Lösungen wie Gesprächsangebote greifbar macht. Studierende können dadurch angeregt werden, eine angemessene wissenschaftliche Haltung zu entwickeln, aus der die Herausforderungen im Umgang mit Forschungsliteratur verantwortungsbewusst und sachlich bewältigt werden können. Integraler Bestandteil einer so ausgerichteten Begleitung der Lernenden ist stets auch das Hinweisen auf Grauzonen und Grenzen des wissenschaftlichen Arbeitens. Dort, wo diese Grenzen bekannt sind und die individuellen wie systemischen Folgen von Grenzüberschreitungen verstanden werden, wird akademische Integrität als Handlungsgrundlage gestärkt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissenschaftlicher Bibliotheken können hier sowohl Studierenden als auch Lehrenden als unabhängige, überfachliche Berater zur Seite stehen: Erstere können sich bei einer nicht-prüfenden Instanz im Umgang mit Informationen fortbilden lassen bzw. Unsicherheiten mit diesen klären; Letztere erhalten Unterstützung bei der Einbindung von Vermittlungsinhalten der Informationskompetenz in die Fachlehre.
35 S. zur Frage der Prävention akademischen Fehlverhaltens und identifizierbaren Einflussfaktoren und Entstehungsbedingungen: Schuh, Saubere Arbeit sichern (wie Anm. 2); s. auch die Ergebnisse der FAIRUSE-Studie bei Sattler, Sebastian: Schlussbericht nach Muster Nr. 3.2 zum Projekt: FAIRUSE – Fehlverhalten und Betrug bei der Erbringung von Studienleistungen: Individuelle und organisatorisch-strukturelle Bedingungen. Bielefeld 2013.
Teil III: Kooperationen und Netzwerke
Einleitung Im dritten Teil des Praxishandbuchs zum Schreiben in der Hochschulbibliothek werden Kooperationen und Netzwerke aus Deutschland, Österreich und aus der Schweiz zur Unterstützung des Schreibens vorgestellt. Während im vorangegangenen Teil einzelne Praxiskonzepte im Zentrum standen, die durchaus auch kooperative Komponenten beinhalten können, geht es in diesem dritten Teil dezidiert darum, die Bemühungen der Bibliotheken bei der Förderung von Schreibkompetenz Studierender im Kontext von Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Akteuren an der Hochschule zu verorten. Den Anfang machen dabei Nina Melching und Julia Meyer (Dresden), die den Gedanken der Kooperation schon dadurch greifbar machen, dass sie unterschiedlichen Einrichtungen an der Technischen Universität Dresden angehören: Dem Schreibzentrum auf der einen Seite, der Staatsbibliothek, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) auf der anderen Seite. Beide Einrichtungen bieten, wie in dem Beitrag genauer beschrieben wird, vielfältige Angebote und Dienstleistungen zur Unterstützung des akademischen Schreibens. Um Synergien zu nutzen und sich gegenseitig zu unterstützen, wurde 2016 das Netzwerk Schreiben gegründet, das den Impuls zu sich ergänzenden Peer- und Fachexperten-Beratungen gab. Ein gemeinsamer digitaler Veranstaltungskalender präsentiert die aufeinander abgestimmten Angebote zielgruppen- und textsortenspezifisch. Die Zusammenarbeit wird nun im SLUB TextLab ausgebaut, das einen zentralen und ganzheitlich orientierten Schreibraum in der Bibliothek sowie einen Co-Working-Space für das Netzwerk umfassen soll. Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier (Zürich) befassen sich mit der Einrichtung und Durchführung einer Schreibgruppe für Doktorierende und Masterabschließende, die als Kollaboration der beiden Autorinnen in der Bibliothek eines Zürcher Universitätsinstituts eingerichtet worden ist. Der Fokus der Gruppe liegt auf der Textproduktion der Teilnehmenden an einem gemeinsamen Schreibort, nämlich der Bibliothek, zu einem periodisch stattfindenden Termin. Der Schreibfluss wird durch den mündlichen Austausch, Freewriting und konzentrierte, zeitlich begrenzte Schreibphasen angeregt. Text-Feedback findet nur auf Wunsch der Teilnehmenden in separaten Kleingruppen statt. Beide Formate benötigen nur wenig Moderation und verfügen über derart klare Strukturen, dass sie von Bibliotheken mit wenig Aufwand implementiert werden können. Thematisiert werden auch die Schwierigkeiten, die sich insbesondere bei der Rekrutierung der Teilnehmenden und der nachhaltigen Verankerung im Angebot der Bibliothek stellen. Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen (Karlsruhe) diskutieren in ihrem Beitrag institutionelle Aspekte und inhaltliche Anforderungen einer zielführenden akademischen Schreibdidaktik und Schreibberatung aus Sicht der Bibliothek und des Schreiblabors des House of Competence am Karlsruher Institut für Technologie https://doi.org/10.1515/9783110594140-019
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(KIT). Die koordinierte partnerschaftliche Bereitstellung, Weiterentwicklung und Finanzierung von Angeboten zum Erwerb von Schreib- und Informationskompetenzen in allen Phasen des „student-life-cycle“ wird als gemeinsame Herausforderung für beide Einrichtungen angesehen. Neben Beratungsangeboten, Präsenzformaten und Online-Kursen in vielen Variationen werden zahlreiche individuell nutzbare Informations- sowie Unterstützungsangebote mit Schwerpunkt auf den MINT-Fächern vorgestellt. Den räumlich-infrastrukturellen Bedingungen einer erfolgreichen Schreibunterstützung widmen sich Sabine Rahmsdorf und Melanie Fröhlich (Bielefeld). Die Bibliothek sehen sie – wenn auch meist implizit – als einen Schreibort par excellence. In der Universitätsbibliothek Bielefeld werden Studierende in vielfältiger Art und Weise beim Schreiben unterstützt, einerseits gezielt durch eine Schreibberatung die in einem „Lernort.plus“ angeboten wird, zum anderen durch ein ausdifferenziertes räumliches Angebot, das auf unterschiedliche Bedürfnisse beim Schreiben reagiert. Denn je nach individueller Präferenz, Schreibauftrag oder auch fachkultureller Prägung wird sich die Wahl des Ortes beim Schreiben unterscheiden. Im Artikel stellen die Autorinnen die Konzeption der Universitätsbibliothek als Lern- und Arbeitsort vor und stützen ihre Überlegungen auf die Befunde von Studierendenbefragungen der letzten Jahre. Außerdem wird aufgezeigt, wie das Serviceangebot der Bibliothek durch die Kooperation mit dem Zentrum für Lehren und Lernen erweitert wird. Edeltraud Haas und Carina Gröner (St.Gallen) beschäftigen sich mit der Frage, wie durch Zusammenarbeit von Schreibzentrum und Universitätsbibliothek ein Beratungsangebot zum akademischen Schreiben in die Services der Universitätsbibliothek integriert werden kann. Dazu dient das Angebot an der Universität St.Gallen als Best Practice-Beispiel: Seit Herbstsemester 2016 bietet das Schreibzentrum der Universität St.Gallen in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek St.Gallen wöchentlich eine offene Schreibberatung in den Studiensprachen Deutsch und Englisch im Servicebereich der Bibliothek an und ergänzt damit das umfangreiche Informations- und Serviceangebot im Eingangsbereich der Bibliothek um das Themenfeld des akademischen Schreibens. So können für die NutzerInnen die wichtigsten Informationen zum Forschen und wissenschaftlichen Arbeiten zentral in der Bibliothek zur Verfügung gestellt werden. Stefanie Everke Buchanan und Judith Heeg (Konstanz) entwickeln in ihrem Beitrag, welche Modelle sich für die Vermittlung von Kompetenzen aus dem Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens anbieten und wie sich Schreib- und Informationskompetenz integrieren lassen. Ihr Beitrag zeigt am Beispiel der Universität Konstanz auf, wie durch eine Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek vorhandene Ressourcen zur Förderung studentischen wissenschaftlichen Arbeitens kooperativ und gewinnbringend eingesetzt werden können. Im Rahmen eines Literaturüberblickes zeigen sie eingangs auf, dass die Herangehensweise bei der Förderung von Schreib- und Informationskompetenz von Studierenden vergleichbar ist. Anschließend stellen sie die für die Kooperation wichtigen Verständnisse von Infor-
Einleitung
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mationskompetenz und Schreibkompetenz vor. Nach einem Überblick über die Entwicklung der Zusammenarbeit von Bibliothek und Schreibzentrum an der Universität Konstanz werden Beispiele aus der Zusammenarbeit in zwei Fächern gegeben. Zum Schluss wird herausgestellt, warum die Kooperation in dieser Form sinnvoll ist und weiter ausgebaut werden soll. Der Beitrag von Marion von Francken-Welz, Jessica Kaiser und Matthias Pintsch (Mannheim) verortet die Förderung des studentischen Schreibens im Learning Center der UB Mannheim. Ihr Ansatzpunkt ist, dass man die Universitätsbibliothek vornehmlich zur Literaturrecherche, zur Ausleihe und zum mehr oder weniger stillen Lesen am Einzel-Arbeitsplatz nutzt. Neben diesen bekannten Nutzungsszenarien muss sich die neue Idee einer Schreibberatung in den Räumen der Bibliothek erst durchsetzen. Im Bewusstsein, dass die Bibliothek über ihre traditionellen Funktionen hinaus heute studentischer Lebensort und Ort für autonomes Lernen ist, wird jedoch Beratung zum wissenschaftlichen Schreiben als Bibliotheksservice denkbar. Mit Schreibberatung nehmen BibliothekarInnen eine zentrale Lernaufgabe Studierender in den Fokus und entwickeln nicht nur das Bibliotheksservicespektrum weiter, sondern zugleich auch ihre ureigenen Kompetenzbereiche. An der UB Mannheim ist die Idee einer Schreibberatung eng mit der Entwicklung eines Lernraumkonzepts für den studentischen Lebensort und der daraus folgenden Einrichtung des Learning Centers in den Räumen der Bibliothek verknüpft. Im Hinblick auf die Plagiatsprävention befasst sich Markus Malo (Stuttgart) mit einem Kooperationsmodell an der Universität Stuttgart. Die Universitätsbibliothek Stuttgart bietet seit vielen Jahren Plagiatspräventionskurse im Rahmen der Vermittlung von Informationskompetenz an. Die Schreibwerkstatt der Universität offeriert freie und curricular über die Schlüsselqualifikationen integrierte Kurse an, die Studierende beim Schreibprozess unterstützen. In dem Beitrag wird veranschaulicht, wie Bibliothek und Schreibwerkstatt ein vernetztes Angebot praktizieren, das nahezu den gesamten Prozess wissenschaftlichen Arbeitens von der Informationsrecherche und -verwaltung über die Organisation des Schreibprozesses bis hin zur Publikationsberatung vernetzt. Beide Akteure unterstützen die Universität insofern nachhaltig bei der Plagiatsprävention und beim Umgang mit Plagiats(verdachts)fällen administrativ und operativ. Zu diesem Zweck wurde zudem eine „AG Plagiatsprävention“ an der Universität Stuttgart ins Leben gerufen, die einen geregelten und juristisch einwandfreien Umgang mit Verdachtsfällen erarbeiten soll.
Nina Melching und Julia Meyer
Netzwerk Schreiben. Kooperation zwischen dem Schreibzentrum der TU Dresden und der SLUB Dresden Abstract: Das Schreibzentrum der TU Dresden und die SLUB Dresden bieten vielfältigen Service rund um das akademische Schreiben. Um Synergien zu nutzen und sich gegenseitig zu unterstützen, gründeten sie 2016 das Netzwerk Schreiben und bieten seither ergänzende Peer- und Fachexperten-Beratung. Ein gemeinsamer digitaler Veranstaltungskalender präsentiert die aufeinander abgestimmten Angebote zielgruppen- und textsortenspezifisch. Die Zusammenarbeit wird nun im SLUB TextLab ausgebaut, das einen zentralen und ganzheitlich orientierten Schreibraum in der Bibliothek sowie einen Co-Working-Space für das Netzwerk vorsieht. Schlüsselbegriffe: Schreibberatung, Lange Nacht des Schreibens, Schreibraum, TextLab, Makerspace, Netzwerk Schreiben, Peer-Learning, FachreferentInnen, Embodied Writing, Dresden Kurzbiografien: Nina Melching studierte Angewandte Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Sprach- und Kommunikationswissenschaften, Interkulturelle Studien sowie Kulturvermittlung an der Leuphana Universität Lüneburg und an der Universität in Breslau. Sie ist Schreibberaterin/-trainerin und leitet seit 2016 das Schreibzentrum der TU Dresden. Hier ist sie vorrangig für die Qualifizierung und Begleitung von Schreib-Peer-Tutoren/-innen und die schreib-/hochschuldidaktische Beratung und Weiterbildung Lehrender zuständig. Julia Meyer studierte Neuere Deutsche Literaturgeschichte, Philosophie und Soziologie in Freiburg und promovierte an der TU Dresden über Autorschaftsinszenierungen der deutsch-jüdischen Dichterin Mascha Kaléko. Sie arbeitet als Fachreferentin für Germanistik an der SLUB Dresden und berät Studierende und Promovierende in allen Belangen des wissenschaftlichen Arbeitens. Darüber hinaus hält sie Lehraufträge für Kreatives Schreiben, initiierte das Dresdner Netzwerk Schreiben und konzipiert das SLUB TextLab als Schreibraum und Werkstatt für analoge und digitale Arbeit am Text.
Gemeinsam das Schreiben fördern Das Verfassen akademischer Texte – seien es Seminar-, Beleg- oder Abschlussarbeiten, Protokolle oder Projektberichte – ist eine wichtige Kompetenz für ein erfolgreiches Studium und darüber hinaus. Es stellt Studierende vor sehr anspruchsvolle https://doi.org/10.1515/9783110594140-020
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und im Vergleich zu schulischen Textsorten neue Herausforderungen. Dennoch werden Herangehensweisen an das Schreiben und Textsortencharakteristika nicht in jedem Studiengang ausreichend thematisiert oder gar systematisch vermittelt. Nach dem Studium wachsen die Herausforderungen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beim Verfassen von Dissertation, Fachartikeln und komplexen Projektanträgen zur Drittmittelförderung. Doch auch außerhalb des wissenschaftlichen Berufsfeldes steigt die Textproduktion, während die Zeitressourcen dafür knapper werden: E-Mails, Briefe, Konzepte, Gutachten, Analysen, Anträge, Berichte, Webseitentexte, Protokolle, Whitepapers, Blogs und Social Media bestimmen die Berufswelt für Akademikerinnen und Akademiker. Die Informationsgesellschaft lebt vom geschriebenen Wort. Ganz gleich also, welchen späteren Beruf Studierende ergreifen: Schreiben ist als Schlüsselkompetenz überall gefragt. Schreibfähigkeiten zu stärken und das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das akademische Schreiben erlernbar ist und trainiert werden muss, ist ein gemeinsames Ziel des Schreibzentrums der TU Dresden (SZD) und der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Um die Angebote zum akademischen Schreiben am Hochschulstandort Dresden zu bündeln, wurde 2016 das Netzwerk Schreiben gegründet und damit unsere Kooperation ins Leben gerufen. Von diesem gemeinsamen Engagement handelt dieser Beitrag: Wie verknüpfen wir unsere Angebote miteinander? Wie machen wir unsere Angebote für die Zielgruppen gut auffindbar? Worin sehen wir Chancen und Herausforderungen in unserer Zusammenarbeit? Was haben wir uns für die Zukunft im Rahmen des Netzwerks Schreiben und des neu entstehenden TextLab vorgenommen?
Kooperative Förderung akademischer Schreibkompetenzen Das Schreibzentrum der TU Dresden (SZD)1 ist ein seit April 2016 aus Mitteln des Hochschulpakts 2020 gefördertes Projekt der beiden zentralen Einrichtungen Career Service und Zentrum für Weiterbildung an der TU Dresden und eines von über 70 Schreibzentren oder vergleichbaren Einrichtungen an deutschen Hochschulen. Die Angebote des SZD fördern die Schreibkompetenzen Studierender – neben dem Verwenden des Schreibens als Kommunikationsmittel der Wissenschaft gehört dazu auch das Einsetzen des Schreibens als Mittel des (kritischen) Denkens und des Lernens – sowie den Erwerb der überfachlichen Schlüsselkompetenzen Zeitmanage-
1 Siehe Website des SZD unter www.tu-dresden.de/deinstudienerfolg/szd (Stand: 27.09.2018).
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ment, wissenschaftliches Präsentieren und Kommunizieren, Lern- und Arbeitstechniken sowie Projektmanagement. Die Workshop- und Beratungsangebote für Studierende führen überwiegend Schreib- bzw. Schlüsselkompetenztutorinnen und -tutoren durch, die in den jeweiligen Qualifizierungsprogrammen des SZD auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Das SZD bildet darüber hinaus Lehrende weiter und stärkt sie in ihrer Rolle bei der Begleitung und Bewertung studentischer Schreibaufgaben. So können sich Lehrende z. B. schreibdidaktisch-methodisch beraten lassen oder sich in Workshops umfangreiches Wissen über die wirksame und ressourcenschonende Unterstützung Studierender in ihren Schreibprozessen aneignen. Das SZD unterstützt außerdem bei der Integration von Schreibkompetenzentwicklung in die Lehre, denn disziplinspezifisches Schreiben und damit auch disziplinspezifische Denk- und Handlungsweisen lassen sich am besten direkt in den Fächern vermitteln (integrativ). Schreiben in die Lehre zu bringen heißt auch, das Schreiben zur Förderung von Denk- und Lernprozessen in Lehrveranstaltungen einzusetzen, z. B. können didaktisch sinnvoll eingesetzte Schreibaufgaben das Schreibenlernen und das fachliche Lernen effektiv miteinander verknüpfen (schreibintensive Lehre)2. Insbesondere bei der Entwicklung fachnaher Unterstützungsangebote zum akademischen Schreiben und zu Schlüsselkompetenzen arbeitet das SZD mit Lehrenden und Akteuren in den Fakultäten (Studiendekanate, Studiengangskoordinatorinnen und -koordinatoren, Fachschaftsräte u. a.) zusammen. Um Synergien zu schaffen, vernetzt sich das SZD zudem mit Partnern im Bereich akademisches Arbeiten und Schreiben an und im Umfeld der TU Dresden, wozu auch die SLUB Dresden gehört. Die SLUB zählt zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland. Im Rahmen ihrer Services zur Informationskompetenz deckt sie mit ihren Angeboten zum wissenschaftlichen Arbeiten den gesamten Forschungszyklus ab: Von der Entwicklung der Forschungsfrage über die Literaturrecherche, -verwaltung und -zitation bis hin zum Schreiben des wissenschaftlichen Textes samt Publikation und Bibliometrie.3 Die Angebote richten sich zum einen an Studierende, Lehrende und Forschende der TU Dresden. Zum anderen unterbreitet die SLUB jedoch als Landesbibliothek sämtliche Angebote auch jenen Menschen, die nicht institutionell an
2 Siehe hierzu den Beitrag von Swantje Lahm: Schreiben in der Lehre. Handwerkszeug für Lehrende. Opladen [u. a.]: Verlag Barbara Budrich 2016 (Kompetent lehren 8; UTB 4573). 3 Siehe Website der SLUB unter https://www.slub-dresden.de/service/wissensbar/ (Stand: 25.12.2018); zur Schreibberatung im Rahmen der Vermittlung bibliothekarischer Informationskompetenzen vgl. Ruhmann, Gabriela u. Marcus Schröter: Grenzverschiebungen: Wissenschaftliches Schreiben, Schreibwerkstätten und Informationskompetenz. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. überarb. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 225– 242.
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eine Forschungseinrichtung gebunden sind (citizen science). Es entspricht ihrem Auftrag, Medien und Dienstleistungen allen Nutzern kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Komplementäre Ansätze der Peer- und Fachexperten-Beratung Sowohl das SZD als auch die SLUB bieten individuelle Beratung in allen Phasen des Schreibprozesses. Doch die fachspezifische Schreibberatung durch die Fachreferentinnen und -referenten der SLUB und die Peer-Schreibberatung des SZD unterscheiden sich in ihren Beratungsansätzen. Die Peer-Schreibberatung des SZD wird von Schreibtutorinnen und -tutoren unterschiedlicher Fachbereiche durchgeführt (u. a. Germanistik, Soziologie, Maschinenwesen, Wirtschaftsinformatik), die im Rahmen eines durch das SZD entwickelten Programms4 umfassend qualifiziert wurden. Die Schreibtutorinnen und -tutoren beraten fachübergreifend, das heißt, sie studieren größtenteils nicht dasselbe Fach wie die Ratsuchenden. Zu Fachinhalten wird in der Schreibberatung nicht beraten, selbst dann nicht, wenn Ratsuchende zufällig aus dem selben Fach kommen. Dies erklärt sich aus dem Beratungsansatz, den das SZD zugrunde legt: Die Schreibberatung bietet Unterstützung in Schreibprozessen, für die fachliche Begleitung sind diejenigen verantwortlich, die die Schreibaufgabe stellen und bewerten, also Lehrende bzw. Betreuerinnen und Betreuer. Das SZD arbeitet mit dem Ansatz des Peer-Learning als einer sehr effektiven Form des Lernens im universitären Kontext. Peer-Learning wird auch als Angebot von Studierenden für Studierende bezeichnet. Charakteristika sind ein formal gleicher Status der Beteiligten und damit verbunden die Möglichkeit eines Lernens auf Augenhöhe.5 Zudem wird ein beidseitiger Lernprozess (kollaboratives Lernen), sowohl für die teilnehmenden Studierenden als auch für die Tutorinnen und Tutoren, möglich.6 Bezogen auf die Schreibberatung bedeutet das: In diesem Peer-to-Peer-
4 Das Qualifizierungsprogramm entspricht den Standards der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung e. V. wie sie im Rahmenkonzept für die Ausbildung von Peer-Schreibtutor*innen festgehalten sind: http://www.schreibdidaktik.de/images/Downloads/RahmenkonzepPeerSchreibtutor_innenausbildg.pdf (Stand: 27.09.2018). 5 Vgl. Hempel, Michael [u. a.]: Merkmale und Bedingungen guter Tutorienarbeit – ein Selbstverständnis. In: Vernetzt und eigenständig. Tutorienarbeit an sächsischen Hochschulen. Hrsg. von Michael Hempel [u. a.]. Ulm: LIWF, Klemm+Oelschläger 2016. S. 33. 6 Vgl. Bruffee, Kenneth A.: Peer Tutoring und das „Gespräch der Menschheit“. In: Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a.]: Verlag Barbara Budrich 2014. S. 395f.
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Setting entsteht ein hierarchie- und bewertungsfreier Raum, in dem Ratsuchende über ihre Schwierigkeiten und Schwächen offen reden können. Gespräche über Herangehensweisen an das Schreiben und den Umgang mit Herausforderungen sind Lernsituationen, in denen Ratsuchende und Beratende mit- und voneinander lernen können. Mit der Peer-Schreibberatung werden Studierende nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe darin unterstützt, ihre aktuellen sowie zukünftige Schreibaufgaben reflektiert, strukturiert und motiviert anzugehen. Dabei geben die Schreibtutorinnen und -tutoren keine fertigen Lösungen vor, sondern Ratsuchende entwickeln im Austausch eigene Lösungsansätze. Studierende können mit jeder Art von akademischem Text und in allen Phasen der Entstehung ihres Textes zu einem Gespräch in die Peer-Schreibberatung des SZD kommen. Eine Schreibberatung dauert etwa 45 bis 60 Minuten und ist punktuell oder auch begleitend zu einem Schreibprojekt – einmal wöchentlich – möglich. Wenn Ratsuchende schon etwas geschrieben haben, wünschen sie sich oft ein Gespräch über ihren Text. Die Schreibtutorinnen und -tutoren geben dann anhand von etwa drei Seiten eine Rückmeldung, z. B. zu strukturellen oder stilistischen Merkmalen. Dabei stellen sie den Ratsuchenden ihre Sicht als Leserinnen und Leser zur Verfügung und machen sie so beispielsweise auf Textbestandteile aufmerksam, die die Verständlichkeit oder den Lesefluss erschweren. Häufig ist allerdings nicht der geschriebene Text (das Produkt), sondern der Weg dahin (der Prozess) Gesprächsgegenstand. Themenkomplexe in der Peer-Schreibberatung sind dann z. B.: Sich beim Schreiben organisieren und in Teilschritten vorgehen; den Übergang vom Lesen oder der Laborarbeit zum Schreiben finden; ein Thema suchen; die Fragestellung eingrenzen; Gelesenes für später festhalten; den Text gliedern und strukturieren; einen Rohtext inhaltlich, stilistisch und sprachlich überarbeiten; sich die Merkmale einer Textsorte erarbeiten. Neben diesen Themen, die sich verschiedenen Phasen im Schreibprozess zuordnen lassen, sind auch Einflussfaktoren, die alle Schreibphasen durchziehen, mögliche Beratungsschwerpunkte in der Peer-Schreibberatung: Ablenkungen entgegenwirken; sich die eigenen Ressourcen bewusst machen; eigene Stärken und Schwächen reflektieren; mit Schreibhemmungen oder -tiefs umgehen; eine positive Einstellung zum Schreiben gewinnen; erkennen, dass bestimmte Schwierigkeiten zum Schreiben dazu gehören und es anderen Studierenden ähnlich geht. Ein weiterer Effekt der Peer-Schreibberatung ist nicht zu unterschätzen: Schreibberatung schafft eine Situation, die es Ratsuchenden ermöglicht, in konzentrierter und lockerer Atmosphäre mit jemandem zu sprechen, der oder die aktiv zuhört und ggf. interessiert nachfragt. Durch lautes Denken strukturieren Ratsuchende ihre Gedanken, entwickeln sie weiter oder kommen sogar auf neue Ideen. Die Schreibtutorinnen und -tutoren verweisen bzgl. tiefergehenden Anliegen zu Recherchestrategien, Suchwortgenerierung oder Datenbanken an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SLUB. Im Rahmen des Qualifizierungsprogramms für die
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Schreibtutorinnen und -tutoren lernen sie die Angebote der SLUB kennen und nehmen selber an einer Beratung teil. Neben einer Reihe von Seminaren und Workshops zum wissenschaftlichen Arbeiten bietet die SLUB individuelle Beratung an, die über den Service der Wissensbar online buchbar ist.7 Schon der Slogan „Service mit Gesicht“8 weist darauf hin, dass sich das Beratungsangebot in der Wissensbar durch das persönliche Gespräch auszeichnet. Jede Fachdisziplin wird von einem Fachreferenten oder einer Fachreferentin der SLUB vertreten, die von den Ratsuchenden zu bestimmten Fragestellungen von der Literaturrecherche über die Zitation bis hin zum wissenschaftlichen Schreiben konsultiert werden können. In der Prüfungsphase handelt es sich meist um Probleme beim Erstellen einer schriftlichen Prüfungsleistung, wenn die Studierenden in der Wissensbar Hilfe suchen. Vor allem bei größeren Seminararbeiten oder Qualifizierungsarbeiten umfasst die Schreibberatung die Betrachtung der wissenschaftlichen Fragestellung und Literatur, des methodischen Ansatzes, der Bibliografie, der Gliederung und der Zitation. Diese Komponenten erfordern in der Betreuung der Schreibarbeit eine fachspezifische Betrachtung, weil sie in jeder Disziplin individuell unterschiedlich gehandhabt werden. Im Gegensatz zur PeerSchreibberatung des SZD berät in der Wissensbar eine fachlich höher qualifizierte Person eine sich noch in der akademischen Ausbildung befindende Person. Trotz dieses unterschiedlichen Niveaus muss der Anspruch, „auf Augenhöhe“9 mit den Studierenden zu sprechen, in jedem Fall eingelöst werden. Da die Fachreferentinnen und -referenten eng mit den jeweiligen Instituten der TU Dresden zusammenarbeiten, müssen sie diese etwaige Machtposition bewusst ausgleichen und als „teaching librarians“10 eine vermittelnde Rolle zwischen den Studierenden und den Lehrenden einnehmen. Schreibenden stehen mit der Peer-Schreibberatung und der Schreibberatung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten der SLUB also zwei Angebote zur individuellen Unterstützung beim Verfassen von Texten zur Verfügung. Idealerweise werden beide Angebote sinnvoll miteinander verzahnt und ergänzen sich gegenseitig. Durch die Kooperation besteht nun die Möglichkeit, die Gemeinsamkeiten und jeweiligen Besonderheiten der Beratungsangebote herauszuarbeiten, um diese insbesondere für die gemeinsame Zielgruppe der Studierenden der TU Dresden transparent zu machen. Diesem Prozess widmet sich das Netzwerk Schreiben derzeit ver-
7 Vgl. Mittelbach, Jens u. Antonie Muschalek: Experten beraten passgenau. In: BuB. Forum Bibliothek und Information (2015) H. 6. S. 374–375. 8 Vgl. Lohmeyer, Felix [u. a.]: Informationsservices auf Augenhöhe – So können Bibliotheken den Forschungsprozess proaktiv unterstützen. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. überarb. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u a.]: De Gruyter 2016. S. 289–306. 9 Vgl. Lohmeyer, Informationsservices (wie Anm. 8). 10 Vgl. Scholle, Ulrike: Kompetenzen für Teaching Librarians. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. überarb. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 451.
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stärkt mit dem Ziel, die Angebote als ein stimmiges Gesamtportfolio zu präsentieren und einen Mehrwert zu erzeugen, der allein nicht erzielt werden könnte. Über das komplementäre Beratungsangebot hinaus kooperieren SZD und SLUB regelmäßig bei der der Langen Nacht des Schreibens.
Das Miteinander zelebrieren: Die Lange Nacht des Schreibens Die Lange Nacht des Schreibens (LNDS) ist eine sehr öffentlichkeitswirksame Veranstaltung des SZD in Kooperation mit der SLUB, weiteren im Netzwerk Schreiben aktiven Partnern sowie dem Zentrum für fachübergreifende Bildung an der HTW Dresden. Die LNDS bringt jedes Jahr am ersten Donnerstag im März rund 150 Studierende, Promovierende, Lehrende und am Schreiben Interessierte für einen Abend in der SLUB zusammen, um gemeinschaftlich an Schreibprojekten zu arbeiten. Das auch unter dem Titel Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten bekannte Format findet nicht nur in Dresden, sondern an vielen anderen Hochschulstandorten statt.11 Im Mittelpunkt der Dresdner LNDS steht das gemeinsame Schreiben. In der SLUB gibt es hierfür einen Schreibraum, der für konzentriertes Arbeiten genutzt wird und der eine ganz besondere Atmosphäre des Miteinanders entstehen lässt. Impulse und Pausenbeschäftigung bietet ein Rahmenprogramm, u. a. mit PeerSchreibberatung, den Angeboten der Wissensbar, einem Word- und Excel-HelpDesk, Austausch- und Entspannungszonen, Impulsworkshops und einem sogenannten Schreibprozess-Walk – einer Poster-Galerie mit Informationen, Impulsen und Schreibübungen zu verschiedenen Arbeitsphasen im Schreibprozess wie Orientieren und Planen, Material sammeln und bearbeiten, Strukturieren, Rohfassung Schreiben, Überarbeiten und Korrigieren12.
11 Siehe dazu auch den Beitrag von Girgensohn, Hertz-Eichenrode u. Voigt in diesem Band. 12 Als Grundlage für die Konzeption des Schreibprozess-Walks diente das Modell zu verschiedenen Phasen beim wissenschaftlichen Lesen und Schreiben in Grieshammer, Ella [u. a.]: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 3., korr. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2016. S. 58.
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Digitaler Schreibkalender bündelt Angebote des Netzwerks Neben den Angeboten von SZD und SLUB platzieren zudem die Schreibwerkstatt der Graduiertenakademie13 und die dem Prorektorat der TU Dresden zugehörigen Project Scouts14 Angebote zum wissenschaftlichen Schreiben, die sich an Promovierende und Postdocs richten. Hier unterstützt die Schreibberatung dabei, eigene Forschungsergebnisse in Textsorten wie Dissertation, Habilitation, wissenschaftlicher Blogpost, Fachartikel oder Projektantrag für Drittmittel zu verschriftlichen. Derart komplexe und umfangreiche Schreibprojekte erfordern eine noch größere Aufmerksamkeit in der Planung, Entwicklung und Optimierung der Texte. Die GA-Schreibwerkstatt bietet entsprechende Workshops und Seminare an, beispielsweise zur Themenplanung und zum Exposé, zum Strukturieren und Exzerpieren des Materials, zum stilistischen Überarbeiten des Rohtextes und zur Vermeidung von Fachchinesisch zugunsten des Nachrichtenwerts in wissenschaftlichen Pressetexten. Mit der einwöchigen Schreibklausur am externen Ort wie zuletzt im Kloster St. Marienthal gibt die GA-Schreibwerkstatt ihren Mitgliedern die Möglichkeit, abgeschirmt vom hektischen Alltag konzentriert am eigenen wissenschaftlichen Text zu schreiben und bei Bedarf Beratung in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus unterstützen die Project Scouts Forschende bei der Antragsstellung von Drittmittelprojekten, indem sie über aktuelle Bekanntmachungen informieren, geeignete Förderformate für Projektvorhaben suchen und den Antragsprozess von der Planung bis zum fertigen Textdokument begleiten. Im Rahmen der Exzellenz-Initiative bieten sie neben der individuellen Beratung regelmäßig Workshops zu verschiedenen Förderprogrammen an, sodass in der Summe die gesamte Palette an Angeboten zum akademischen Schreiben für alle Zielgruppen in Dresden abgedeckt ist. Nachteilig daran bliebe lediglich, wenn die Summe aus lauter Einzelteilen bestünde, ohne als Komplettangebot für den gesamten Forschungszyklus in einer gemeinsamen Infrastruktur sichtbar zu werden. Zu diesem Zweck trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter der vier in Sachen wissenschaftliches Schreiben aktiven Einrichtungen und gründeten das Netzwerk Schreiben, um durch die zielgruppenspezifische Ausdifferenzierung des gemeinsamen Portfolios Konkurrenz zu vermeiden und stattdessen Synergien zu nutzen. Im Ergebnis entstand ein gemeinsamer Veranstaltungskalender auf der Website der SLUB, der die verschiedenen Angebote zum akademischen Schreiben bündelt und eine nach Textsorten, Zielgruppe und Veranstaltungsformat differenzierte Suche ermöglicht. Der Kalender zeigt nicht
13 Vgl. Website der Schreibwerkstatt in der Graduiertenakademie unter https://tu-dresden.de/ga/ beratung/ga-schreibwerkstatt (Stand: 30.09.2018). 14 Vgl. Website der Project Scouts an der TU Dresden unter https://tu-dresden.de/forschung/services-fuer-forschende/project-scouts (Stand: 30.09.2018).
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nur die Trefferliste, sondern bietet zudem eine einheitliche Anmeldefunktion, sodass man sich gleich dort für das entsprechende Angebot anmelden kann, ohne auf die jeweilige Website der anbietenden Einrichtung wechseln zu müssen. Das breit gefächerte Portfolio des Netzwerks Schreiben vereint auf einen Blick Services für sämtliche universitären Zielgruppen in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten. Über das virtuelle Dach dieser Website hinaus fehlt dem Netzwerk Schreiben jedoch bisher ein fester Ort für die Kooperation.
TextLab als Schreib- und Lernort für das Netzwerk Schreiben Da das SZD über keine eigenen Beratungsräume auf dem Campus verfügt, berät es gerne in den Schulungsräumen der SLUB. Neben einer wöchentlichen offenen Sprechstunde bietet es dort dreimal in der Woche Termin-Schreibberatung an. Zudem macht das SZD regelmäßig mit Aktionen wie dem Schreibimpulsrad (einer Art Glücksrad, an dem Studierende im Fall eines Schreibtiefs Anregungen für die Weiterarbeit bekommen) oder dem Schreibprozess-Walk (einer Poster-Galerie zu verschiedenen Arbeitsphasen im Schreibprozess) auf sich aufmerksam. Die vom SZD sowie die von der GA-Schreibwerkstatt initiierten Schreibgruppen treffen sich ebenfalls regelmäßig in der SLUB und reservieren dafür selbständig einen Gruppenarbeitsraum über das Raumbuchungssystem. Bereits im Eingangsfoyer der SLUB weisen Aufsteller, Handouts und Flyer auf die Angebote des SZD hin, zusätzlich wird über die Monitore und im gemeinsamen digitalen Schreibkalender auf die Schreibberatung aufmerksam gemacht. Trotz der regen Nutzung durch die Kooperationspartner fehlt im großen Labyrinth des Bibliotheksgebäudes bisher eine feste Anlaufstelle für die Schreibberatung. Das Netzwerk Schreiben hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, von den disparaten Einzelbuchungen der Gruppenräume abzukommen und stattdessen eigene Räume für die Schreibberatung dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Dafür bietet sich die Bibliothek an, die von ihren Nutzerinnen und Nutzern als zentraler Schreib- und Lernort geschätzt wird. Hier trifft man sich nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Austausch oder zum Kaffeetrinken und Entspannen. Die SLUB entwickelt sich zunehmend zum „Dritten Ort“15 und schafft entsprechende
15 Als „Dritten Ort“ bezeichnen sich diejenigen Bibliotheken, die ihre strategische Ausrichtung von der Bücherausleihe hin zum Kommunikationsort und Raum für soziales Handeln entwickeln. Zur kritischen Reflexion des Begriffs und seiner Verwendung im bibliothekarischen Kontext vgl. Haas, Corinna [u. a.]: Ist die Bibliothek ein Dritter Ort? In: Informationspraxis (2015) H. 2. S. 1–36.
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Angebote und Räume, wie in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich.
Abb. 1: Spezielles Mobiliar lädt in der SLUB zum entspannten Arbeiten ein.
Abb. 2: Die Liegestühle sowie weitere Nutzung der Außenanlagen für Rekreation sind in das Raumund Lehrkonzept der SLUB integriert.
Als gemeinsamen Schreibraum für das Netzwerk Schreiben richtet die SLUB ein TextLab als offene Werkstatt für sämtliche Arbeiten am Text ein. Da diese ihrer Natur nach sehr breit gefächert sind, berücksichtigt das TextLab verschiedene Settings, die in der Konzeptionsphase gemeinsam mit dem SZD diskutiert und anschließend in einer Raumnutzungsplanung skizziert wurden. Um einen großen, hellen und einladenden Schreibraum mit ca. 25 flexibel möblierten Arbeitsplätzen gruppieren sich zwei Seminarräume für Workshops und Seminare und ein Schreibcafé. Akustisch abgeschirmte Gruppenarbeitsplätze ergänzen die bereits in der Bibliothek vorhandenen stillen Einzelarbeitsplätze. Die Außenanlagen dienen den Nutzern des
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TextLab als Gemeinschaftsgarten, der im Rahmen eines Urban-Gardening-Projekts zum Grünen Schreibraum gestaltet werden soll. Denn Schreiben bleibt nicht nur reine Geistesarbeit, sondern muss immer auch als ein körperlicher Prozess begriffen werden: „Der Text ist ein symbolisches und ein physisches Ereignis. Ihn zu schreiben strengt an, körperlicher, als man es gemeinhin annehmen mag […] eine Art Steinmetzarbeit im Alphabet.“16 Der ganzheitliche Ansatz des Embodiment betrachtet das Zusammenspiel von Geist, Körper und Psyche aus interdisziplinärer wissenschaftlicher Perspektive und vereint Forschungsergebnisse aus der Kognitionswissenschaft, Psychologie, Neurobiologie und aus der Körperarbeit.17 Auch in der Schreibforschung findet die Lehre vom Embodiment Anklang. Jüngste Studien untersuchen das sogenannte Embodied Writing sowohl im Kontext des Kreativen Schreibens18 als auch in der akademischen Schreibberatung19. Dabei stärkt die Praxis des Embodied Writing nicht allein das schreibende Individuum, sondern kommt darüber hinaus für soziale Gruppenbildungsprozesse in der Schreibarbeit zum Einsatz.20 Das Angebot im TextLab trägt diesen neuesten Ergebnissen aus der Schreibforschung Rechnung. Dementsprechend lädt ein eigener Entspannungsbereich zur Rekreation und zur Körperarbeit ein, die für gesundes und nachhaltiges Lernen unabdingbar sind. Mit Klangschalen lässt sich der Schreibfluss unterstützen, zusätzlich werden Schreibtisch-Yoga und Kurse für Atemübungen angeboten, um den „Flow“21 im Schreiben zu finden. Das Veranstaltungsprogramm des Netzwerks Schreiben kann nach Abschluss der dafür nötigen Maßnahmen in den neuen Räumen des TextLab durchgeführt und ausgebaut werden. Ergänzt wird dieses Portfolio um das Angebot einer offenen Text-Werkstatt, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SLUB und des SZD nach dem bibliothekspädagogischen Modell des Makerspace betreut wird.22
16 Drawert, Kurt: Schreiben. Vom Leben der Texte. München: C.H. Beck 2012. S. 64. 17 Storch, Maja (Hrsg.) [u. a.]: Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Bern: Hans Huber 2010. 18 Sultan, Nevine: Embodied Self-Care: Enhancing Awareness and Acceptance Through Mindfulness-Oriented Expressive Writing Self-Disclosure. In: Journal of Creativity in Mental Health (2018) H. 1. S. 76–91. 19 Clayson, Ashley: Distributed Writing as a Lens for Examining Writing as Embodied Practice. In: Technical Communication Quarterly (2018) H. 3. S. 217–226. 20 Bryant, Kendra N.: Me/We: Building an Embodied Writing Classroom for Socially Networked, Socially Distracted Basic Writers. In: Journal of Basic Writing (2013) H. 2. S. 51–79. 21 Meyer, Julia: Zur Rolle des Stifts in der Digitalen Bibliothek. Wie wir mit der persönlichen Handschrift den „Flow“ finden. In: Bibliotheken in Sachsen (BIS) (2017). H. 3. S. 140–141. 22 Zur Rolle von Makerspaces in wissenschaftlichen Bibliotheken vgl. Bonte, Achim: Vorstoß in neue Wissensräume. Makerspaces im Leistungsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken. In: Strategien für die Bibliothek als Ort. Hrsg. von Konrad Umlauf [u. a.]. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 85– 94.
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Makerspaces in Bibliotheken gibt es, seit Barack Obama 2009 die Kampagne „Educate to innovate“ ins Leben rief und das Institute of Museum and Library Services (ILMS) ein Konzept für neue Lernformen und -arrangements entwickelte. In den USA entstanden daraufhin zunächst rund 30 Learning Labs und seit 2013 auch Makerspaces in Museen und Bibliotheken. Dieser Trend erreichte in den vergangenen Jahren deutsche Bibliotheken, sodass in der SLUB ein Makerspace als neuer Lernort entstand. Gerade wissenschaftliche Bibliotheken sollten verstärkt die aktuellen Ergebnisse der Lernforschung im Blick haben und ihre Services für die Wissensvermittlung darauf abstimmen. Dabei ist das authentische Selber-Machen (DIY) als praktische Form des Lernens in der Bibliothek nicht zuletzt als Komplement der zunehmenden Digitalität zu begreifen: Der eigentliche Kern der Makerspaces ist es, Dinge, Prozesse, Produkte praktisch zu begreifen, selbst zu erfahren, selbst zu produzieren, statt zu konsumieren – und das in einer sozialen Umwelt, die nicht von Konkurrenz, sondern von Mitbeteiligung, Teilen und Interesse geprägt ist. Makerspaces können offensichtlich Menschen etwas (zurück)geben, das vermisst wird: Ein Verständnis dessen, warum etwas wie funktioniert, authentisches Tun, das sich nicht auf Bruchstücke beschränkt, auch Gegenständlichkeit, Sinnlichkeit, Selbstausdruck – kurz ein souveräner und unmittelbarer Zugriff auf eine immer abstraktere und vielfach als entfremdet wahrgenommene Umwelt.23
Nach dieser Definition ließe sich auch die offene Text-Werkstatt im SLUB TextLab als Makerspace bezeichnen.24 Das Verständnis für den Schreibprozess wird durch das Selber-Machen und Mit-Teilen in der Gruppe praktisch erfahrbar. Auch in der Schreibberatung wird die Frage nach der Materialität und Digitalität relevant, da das handschriftliche Schreiben auf Papier für das Lernen und Memorieren eine wichtige Rolle spielt. Diese Erfahrung soll keinesfalls antimodernistisch die alte Handschrift gegen die moderne Tastatur verteidigen, sondern dazu beitragen, den Schreib- und Lernprozess ganzheitlich zu begreifen. Während die Handschrift für die Ideenfindung und für das Training des Schreibflusses hilfreich sein kann, bietet der Computer bei der Recherche und beim Überarbeiten des Textes unerlässliche Dienste. „Handschrift oder Algorithmus“25 sollen nicht ideologisch gegeneinander ausgespielt werden, sondern für die verschiedenen Phasen des Schreibprozesses differenziert zum Einsatz kommen. Das TextLab will dazu einladen, analoges und
23 Mainhardt, Haike: Das Zeitalter des Kreativen Endnutzers. Die Lernlab-, Creatorspace- und Makerspace-Bewegung und die Bibliotheken. In: BuB (2014) Nr. 66. S. 484. 24 Zu Schreibwerkstätten im Makerspace vgl. Meyer, Julia: Kafka im Makerspace. Kooperation in der akademischen Schreibberatung. In: Kooperative Informationsinfrastrukturen als Chance und Herausforderung. Hrsg. von Achim Bonte u. Juliane Rehnolt. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2018. S. 289–301. 25 Heilmann, Till A.: Handschrift und Algorithmus. In: Diesseits des Virtuellen: Handschrift im 20. und 21. Jahrhundert. Hrsg. von Urs Büttner [u. a.]. Paderborn: Fink 2015. S. 47–62.
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digitales Arbeiten am Text zu erproben und aus der Perspektive des Embodiments aufeinander abzustimmen.
Zukünftige gemeinsame Herausforderungen für das Netzwerk Im TextLab erhalten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Netzwerks Schreiben die Möglichkeit, ihre Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und konzeptionell auszubauen. Dafür bietet ein Co-Working-Space flexibel buchbare Büros und Konferenzräume mit moderner Infrastruktur. Die Arbeitsplätze können von Einzelpersonen oder Teams für individuelle Zeitfenster im Raumbuchungssystem kostenfrei gemietet werden. Für den Erfolg des Netzwerks Schreiben bleibt der kontinuierliche kollegiale Austausch relevant, sodass die in der Schreibberatung tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Einblick in die Beratungspraxis des jeweiligen Kooperationspartners erhalten, sinnvoll aufeinander verweisen und Fragen und Probleme gemeinsam erörtern können. Zu diesem Anlass soll ein Hospitationsprogramm entwickelt werden. Daran schließt sich die Aufgabe an, die unterschiedlichen Formate der Schreibberatung (Peer-Schreibberatung für Studierende des SZD, fachspezifische Schreibberatung der SLUB, Schreibberatung für Promovierende der GASchreibwerkstatt) den verschiedenen Zielgruppen in der externen Kommunikation differenzierter zu verdeutlichen, damit diese ihr passendes Format finden. Darüber hinaus sollen die Erfahrungen mit den komplementären Ansätzen von Peer- und Fachexperten-Beratung diskutiert und diese Erkenntnisse in die wissenschaftlichen Fachdiskurse der bibliothekarischen und universitären Schreibdidaktik eingebracht werden. Mit dem SLUB TextLab steht also nicht nur Schreibenden und Lernenden ein Raum für Zusammenarbeit, Austausch und Vernetzung zur Verfügung. Auch für das Netzwerk Schreiben ergeben sich damit neue und spannende Möglichkeiten der Kooperation, des Experimentierens mit schreibdidaktischen Formaten, des Entwickelns neuartiger Konzepte, der Realisierung zündender Ideen, der kritischen Auseinandersetzung sowie der Publikation neu gewonnener Erkenntnisse in der Schreibwissenschaft.
Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken Abstract: Dieser Beitrag befasst sich mit der Einrichtung und Durchführung einer Schreibgruppe für Doktorierende und Masterabschließende, die als Kollaboration der beiden Autorinnen in der Bibliothek eines Universitätsinstituts eingerichtet worden ist. Der Fokus der Gruppe liegt auf der Textproduktion der Teilnehmenden an einem gemeinsamen Schreibort, nämlich der Bibliothek, zu einem periodisch stattfindenden Termin. Der Schreibfluss wird durch den mündlichen Austausch, Freewriting und konzentrierte, zeitlich begrenzte Schreibphasen angeregt. Text-Feedback findet nur auf Wunsch der Teilnehmenden in separaten Kleingruppen statt. Beide Formate benötigen nur wenig Moderation und verfügen über derart klare Strukturen, dass sie von Bibliotheken mit wenig Aufwand implementiert werden können. Thematisiert werden auch die Schwierigkeiten, die sich insbesondere bei der Rekrutierung der Teilnehmenden und der nachhaltigen Verankerung im Angebot der Bibliothek stellen. Schlüsselbegriffe: Schreibgruppe, Textproduktion, Freewriting, Rohtext, Text-Feedback Kurzbiografien: Susanna Blaser-Meier ist Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Bibliothekarin. Sie leitet seit 2009 die Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich. An derselben Universität studierte sie Kunstgeschichte, Mittelaltergeschichte und Klassische Archäologie und wurde 2015 promoviert (Hic iacet regina. Form und Funktion figürlicher Königinnengrabmäler von 1200 bis 1450, Petersberg 2018). An der Humboldt-Universität zu Berlin absolvierte sie 2016–2018 den Masterstudiengang in Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Sie ist Mitbegründerin der Langen Nacht des Schreibens an der Universität Zürich und engagiert sich insbesondere dafür, die Bibliothek als erweiterten Lern- und Schreibort im universitären Leben zu verankern. Rahel Meier ist Mediävistin. Sie studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie des Mittelalters an den Universitäten Zürich, Paris und Basel. Zurzeit beendet sie ihre Dissertation zur Entstehung und Verbreitung der Terra Santa-Legende, die vom Schweizerischen Nationalfonds mit einem Doc.CH Beitrag gefördert wurde. In Florenz, am Kunsthistorischen Institut der Max-Planck-Gesellschaft, lernte sie das Format der Schreibgruppe kennen und gründete seither zwei weitere Schreibgruppen: Eine in Zusammenarbeit mit der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts an der Universität Zürich im Frühjahr 2017, eine weitere am Istituto Svizzero in Rom, wo sie seit September 2018 einen Residenzplatz inne hat.
https://doi.org/10.1515/9783110594140-021
224 Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier
Studentisches Schreiben in Gruppen Um der Einsamkeit zu entkommen, arbeiten viele Studierende und Forschende in den Seminar- und Universitätsbibliotheken, wo sie Gleichgesinnte treffen und sich von der allgemeinen Arbeitsstimmung anregen lassen. Der Lesesaal der Bibliothek dient als informeller Raum des gemeinsamen Arbeitens, ohne dass eine verbindliche Interaktion zwischen denjenigen Personen entsteht, welche die gleiche Tätigkeit ausüben (z. B. an der Dissertation schreiben, einen Förderantrag, ein Abstract oder einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen). Aus der Sicht der Bibliothek stellt sich die Frage, ob sie dieser informellen Gemeinschaft der Schreibenden, dieser implizit vorhandene „community of writers“1, einen fruchtbaren Rahmen bieten kann, in dem institutionalisierte Schreibgruppen und damit verbindliche, wenn auch temporäre Arbeitsgemeinschaften entstehen können. Schreiben in der Gruppe ist produktiv. Von dieser Voraussetzung gehen wir aus. Die Etablierung von Schreibgruppen, die Institutionalisierung oder sogar curriculare Verankerung an Hochschulen ist im deutschsprachigen Raum noch wenig etabliert. Impulse zur Aufnahme dieses neuen Formats kommen aus dem angelsächsischen Raum. Vor allem an amerikanischen und australischen Universitäten wurden seit gut zehn Jahren Initiativen gestartet, um Studierenden aller Stufen Unterstützung beim Schreiben anzubieten. Anfänglich konzentrierte man sich dabei insbesondere auf die Textproduktion von Doktorierenden. Schreibunterstützung zielt dabei sowohl auf die Qualität (es soll besser geschrieben werden) wie auch auf die Produktivität (es soll mehr geschrieben werden). Die gewünschte Produktivitätssteigerung hängt mit einem allgemeinen Druck zu höheren Publikationsraten in der Wissenschaft zusammen. Junge Forschende am Anfang der wissenschaftlichen Karriere sollen angeleitet werden, wie sie ihre Publikationsleistung erhöhen können. Das wöchentliche, fokussierte Schreiben in der Gruppe kann dabei eine Möglichkeit sein, diese Produktivität zu erhöhen. In der Gruppe wird man sich zwar der Konkurrenz bewusst, realisiert aber gleichzeitig, dass alle im gleichen Boot sitzen. Letztlich beflügelt das Arbeiten in der Gruppe nicht nur den eigentlichen Schreibprozess und die Textproduktion der Teilnehmenden, sondern regt zum allgemeinen informellen Austausch über die Fachcommunity, zur gegenseitigen Unterstützung und zur Selbstreflexion an. Vergleichende Untersuchungen von Sarah Haas haben gezeigt, dass unter dem Begriff Schreibgruppe (Writing Group, Writing Circle) unterschiedliche Konzepte subsummiert werden.2 Schreibgruppen unterscheiden sich bezüglich zahlreicher
1 Elbow, Peter & Pat Belanoff: A Community of Writers: a Workshop Course in Writing. New York, N.Y.: Random House 1989. 2 Haas, Sarah: Writing Groups. In: Schreiben(d) lernen im Team: ein Seminarkonzept für innovative Hochschullehre. Wiesbaden: Springer 2012. S. 43–54.
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken
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formaler, organisatorischer und inhaltlicher Kriterien, die Haas in Form einer Typologie zusammengetragen hat, die sowohl als Leitlinie für die Gründung von neuen sowie auch zur Evaluation von existierenden Schreibgruppen herangezogen werden kann.3 Nicht oder nur am Rand berücksichtigt wurde dabei, wer die Initiative zur Gründung ergreift und welche konkreten Orte Schreibgruppen für ihre Treffen bevorzugen. Der Ort des Treffens ist zwar auch laut Haas eines der Formalkriterien, die eine Schreibgruppe vereinbaren muss, sie unterscheidet jedoch insbesondere zwischen physischem und virtuellem Raum. Konkrete Treffpunkte werden in der Literatur denn auch nur selten genannt. Oft sind die Ortsangaben vage, wie beispielsweise „on campus“.4 Häufig haben Schreibgruppen workshop-artige Strukturen, werden durch einen Dozierenden geleitet und finden dementsprechend in den Unterrichtsräumen der Universität statt.5 Bei semi-formellen Gruppen, die neben geleiteten Workshops auch freie Schreibzeit in der Gruppe beinhalten, können die Teilnehmenden den Treffpunkt in der Regel frei wählen.6 Eine Schreibgruppe trifft sich beispielsweise in einem Café, das eine eher lebhafte Atmosphäre aufweist, andere vereinbaren immer wieder unterschiedliche Orte für ihre Zusammenkünfte oder treffen sich bei schönem Wetter gar im Park.7 Daneben finden Schreibgruppen auch in spezialisierten Schreibzentren an Universitäten statt oder werden von professionellen Schreibcoaches veranstaltet.8 Bibliotheken werden im Zusammenhang mit Schreibgruppen kaum genannt, und wenn, dann nur in ihrer traditionellen Funktion von Informationsdienstleistern. So stellte Girgensohn für die von ihr geleitete Schreibgruppe zwar in der Universitätsbibliothek einen Semesterapparat mit theoretischer Literatur zum Thema Schreiben zusammen, die eigentlichen Schreibtreffen fanden jedoch nicht in der Bibliothek statt.9
3 Haas, Sarah: Pick-n-Mix: A Typology of Writers’ Groups. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond: Innovations in Practice and Theory. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 30–47. 4 Faulconer, Johna: The Power of Living the Writerly Life: A Group Model for Women Writers. In: NASPA Journal About Women in Higher Education (2010) H. 1. S. 214. DOI: 10.2202/1940-7890.1047. 5 Aitchison, Claire: Thesis Writing Circles. In: Hong Kong Journal of Applied Linguistics (2003) S. 97–115; Ferguson, Therese: The „Write“ Skills and More: A Thesis Writing Group for Doctoral Students. In: Journal of Geography in Higher Education (2009). S. 285–297. DOI: 10.1080/ 03098260902734968; Aitchison, Claire: Groups for Doctoral Education. In: Studies in Higher Education (2009). S. 905–916. 6 Girgensohn, Kathrin: Neue Wege zur Schlüsselqualifikation Schreiben: autonome Schreibgruppen an der Hochschule. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2007 (VS Research). S. 73. 7 Girgensohn, Neue Wege (wie Anm. 6), hier S. 93; Murray, Rowena: Doctoral Students Create New Spaces to Write: In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond: Innovations in Practice and Theory. Hrsg. von Claire Aitchison & Cally Guerin. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 99; Wolfsberger, Judith: A Weekly Dose of Applause! Connectedness and Playfulness in the „Thesis Marathon“. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond: Innovations in Practice and Theory. London: Routledge 2014. S. 186. 8 Wolfsberger, A Weekly Dose of Applause! (wie Anm. 7). 9 Girgensohn, Neue Wege (wie Anm. 6), hier S. 72.
226 Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier
Bibliotheken werden oft mit einsamer Textproduktion und Isolation assoziiert, die einzig in einem traditionellen Konzept des Schreibprozesses eine Funktion haben, nämlich ein Arbeitsplatz für den „solitary writer“ zu sein.10 Dieses Verständnis missachtet die aktuelle Auffassung, dass wissenschaftliche Bibliotheken einen umfassenden Beitrag zum gesamten Forschungsprozess leisten. Zeitgemäße Bibliotheken bieten eine Vielfalt an Arbeitsräumen an, die vom geschützten Einzelplatz bis zu Erlebnis- und Kreativräumen reichen. Gruppenarbeitsräume, die Platz für unterschiedlich große Gruppen bieten, gehören vielerorts zur Standardausstattung.11 Allerdings werden diese ganz unterschiedlich genutzt. Befragungen haben gezeigt, dass die Gruppenarbeitsräume genauso häufig für Einzeltätigkeiten wie für Gruppenaktivitäten benützt werden.12 Gruppenarbeitsräume in Bibliotheken bieten sich grundsätzlich dafür an, Raum für Schreibgruppen zu bieten. Da Schreibgruppen bislang nicht auf Initiative der Bibliothek entstanden sind, stellt sich die Frage, wie ein Angebot seitens der Bibliothek implementiert werden könnte, um die Nutzerinnen und Nutzer zu ermuntern, einer moderierten Schreibgruppe in der Bibliothek beizutreten. Ein Beispiel einer Schreibgruppe und die Auswertung in einer Umfrage sollen hier vorgestellt werden.
Gründung der Schreibgruppe Die Schreibgruppe wurde auf Anregung der Doktorandin und Mitautorin dieses Textes, Rahel Meier, in Kollaboration mit einer Institutsbibliothekarin gegründet. Die Gründerin lernte das Format der Schreibgruppe an einem Forschungsinstitut mit einem klar definierten Rahmen kennen: Eine überschaubare Anzahl von Promovierenden, die alle im gleichen Fach beheimatet sind, räumliche Nähe, ein bereits vorhandenes Gruppengefühl, da alle am gleichen Institut beschäftigt waren. Diese „Insel-Situation“ lässt sich nur bedingt auf ein großes Universitätsinstitut übertragen. Ein vergleichbarer Rahmen muss zuerst geschaffen werden. Der Einbezug der Bibliothek als bereits vertrauter Arbeitsort der Studierenden ist deshalb für uns eine wichtige Voraussetzung, um die Schreibgruppe erfolgreich zu etablieren. Die Zusammenarbeit der Initiatorin mit der Bibliothekarin dient der nachhaltigen Verankerung und gewährleistet die jederzeitige Durchführung des Angebots.
10 Burke, Bari R.: Legal Writing (Groups) at the University of Montana: Professional Voice Lessons in a Communal Context. In: Montana Law Review (1991). S. 413. 11 Farmer, Lesley S. J.: Library Space: Its Role in Research. In: The Reference Librarian (2016). S. 87–99. Taylor and Francis+NEJM, DOI: 10.1080/02763877.2016.1120620. 12 Oliveira, Silas M.: Space Preference at James White Library: What Students Really Want. In: The Journal of Academic Librarianship (2016) S. 355–367. DOI: 10.1016/j.acalib.2016.05.009.
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken
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Um ein Schreibgruppentreffen durchführen zu können, bedarf es eines geeigneten Gruppenarbeitsraumes mit mindestens zehn Arbeitsplätzen, der sich sowohl für ruhige Gespräche wie für stilles Arbeiten eignet. Der Raum wird für die wöchentliche, immer am gleichen Tag und zur gleichen Zeit stattfindende Schreibrunde reserviert. Die Rekrutierung von Mitgliedern erfolgt einerseits über Mund-zu-Mund-Propaganda, andererseits übernahm es die Bibliothek, die Veranstaltung durch Flyer, Plakate, einen Newsletter und Social Media bekannt zu machen.
Ablauf eines Schreibtreffens Unser Konzept orientiert sich an Peter Elbows Konzept der „teacherless writing class“ und ist im Prinzip ungeleitet.13 Es gibt nur wenig didaktische Inputs, keine Präsentationen und keine geleiteten Diskussionen; das eigentliche Schreiben steht im Vordergrund und kann als Schreiben im Kreise der Peers bezeichnet werden. Dieses Konzept hat den Vorteil, dass es kein in Schreibförderung geschultes Personal benötigt, sondern im Prinzip in jeder Bibliothek, die über einen Gruppenarbeitsraum verfügt, eingeführt werden kann. Der Ablauf der wöchentlich abgehaltenen Schreibsitzung ist immer gleich. Die Gruppe trifft sich an einem fixen Wochentag für eine festgelegte Zeitdauer im Gruppenarbeitsraum der Bibliothek. Die Teilnahme ist jederzeit freiwillig; es gibt keine Verpflichtung an allen Sitzungen teilzunehmen. Die Zusammensetzung der Gruppe fluktuiert. Das Angebot richtet sich ausschließlich an Doktorierende und Schreibende von Masterarbeiten, also Personen, die bereits Erfahrung im Verfassen von wissenschaftlichen Texten haben. Als Einstieg erzählen sich die Teilnehmenden in Zweierteams, woran sie in der aktuellen Sitzung schreiben. Dabei wird die Zeit gestoppt. Jeder und jede erhält je zwei Minuten Zeit, um über sein/ihr Vorhaben zu berichten. Essentiell ist dabei, dass mit einer gezielten Einstiegsfrage, die der jeweilige Zuhörer seinem Gegenüber stellt, bereits die Schreibtätigkeit angesprochen wird. Die Frage „Worüber bzw. was schreibst Du heute (oder während der folgenden 45 Minuten)?“ kann als Initialzündung für das tatsächliche Schreibvorhaben wirken. Die Verbalisierung hilft den Teilnehmenden dabei, ihre Ziele zu konkretisieren. Indem das Schreibvorhaben einem konkreten Adressaten vorgestellt wird, erhält es nicht nur eine gewisse Verbindlichkeit, sondern richtet sich auch bereits an eine potentielle Leserschaft. Die Zuhörenden können den reflexiven Prozess verstärken, indem sie Gegenfragen stellen und auf Verständnisschwierigkeiten oder besonders interessante Aspekte hinweisen.
13 Elbow, Peter: Writing without Teachers. Oxford: Oxford University Press 1998. S. 76–85.
228 Susanna Blaser-Meier und Rahel Meier
Um in den Schreibfluss zu kommen, nutzt die Gruppe die Methode des Freewriting nach Elbow.14 Die Freewriting-Phase dauert sieben Minuten und wird ebenfalls mit der Uhr gestoppt. Daran anschließend folgt die erste, konzentrierte Schreibphase. Der Schreibprozess wird in regelmäßigen Abständen durch feste 10- bis 15-minütige Pausen unterbrochen, die dem sozialen Austausch dienen. Der Arbeitsplatz wird dabei bewusst verlassen, um sich im Pausenraum oder im Freien zu unterhalten und zu stärken. Die einzelnen Schreibphasen können zwischen 25 Minuten (Pomodoro Technique, sehr intensives, konzentriertes Arbeiten)15 und 45 Minuten16 dauern. Die Dauer der Schreibphasen wird von den Teilnehmenden festgelegt. Das Ziel dieser Schreibsitzungen ist nicht, fertig formulierte, perfekte Texte zu generieren, sondern möglichst viel Rohtext zu produzieren. Der so generierte Text kann anschließend in einer Text-Feedback Runde besprochen und in Ruhe überarbeitet, korrigiert, umgestellt und mit Anmerkungen versehen werden. Da die Sitzung einmal pro Woche stattfindet, haben die Teilnehmenden jeweils eine Woche Zeit, aus dem Rohtext einen verbesserten wissenschaftlichen Text herzustellen, bevor in der Folgewoche der nächste Rohtext über das nächste Teilthema geschrieben wird. Dadurch wächst der Text kontinuierlich, Schreibstaus und unproduktive Phasen werden reduziert und bestenfalls vermieden. Diese Art der Schreibgruppe hat einen selbstregulierenden, selbstdisziplinierenden Effekt. Die Gesamtdauer des wöchentlichen Schreibtreffens wird auf drei Stunden festgelegt.17 Bei 45-minütigen Schreibphasen ergibt dies ein Maximum von drei Schreibrunden. Die Moderation der Schreibtreffen beschränkt sich auf eine kurze Begrüßung mit Erklärung des Ablaufs für neue Mitglieder oder zur Wiederholung nach längeren Unterbrüchen einzelner Mitglieder, sowie die Bedienung der Stoppuhr, um die einzelnen Phasen zu terminieren. Idealerweise übernimmt ein festgelegtes Mitglied der Gruppe die Moderation. Begrüßung und Moderation können bei Bedarf jederzeit durch Bibliothekspersonal erfolgen.
14 Elbow, Writing without Teachers (wie Anm. 13), hier S. 4–10. 15 Nöteberg, Staffan: Pomodoro Technique Illustrated: the Easy Way to Do More in Less Time. Raleigh, N.C: The Pragmatic Bookshelf 2009. 16 Wie lange sich ein erwachsener Mensch konzentriert einer Arbeit widmen kann, ist individuell verschieden und hängt von zahlreichen Faktoren wie beispielsweise Alter, Biorhythmus, Tagesform, Vorlieben oder Gewohnheiten ab. 45 Minuten als maximale Dauer für eine Schreibphase ist ein Erfahrungswert, der sich an der Länge von schulischen und universitären Unterrichtseinheiten orientiert, die unsere Teilnehmenden gewohnt sind. 17 Die Dauer eines Treffens ist im Prinzip flexibel und kann von der Gruppe individuell vereinbart werden. Die Dauer von drei Stunden setzt sich aus der 15-minütigen Einstiegsphase sowie drei je 45minütigen Schreibetappen zusammen, die von zwei je 15-minütigen Pausen unterbrochen werden.
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken
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Evaluierung der Schreibgruppe Die Schreibgruppe ist in dieser Form seit dem Frühjahr 2017 aktiv. Die Zusammensetzung der Gruppe fluktuiert dabei ständig. Promovierende nehmen in der Regel über eine längere Zeitdauer an der Gruppe teil als Schreibende von Masterarbeiten, die ihre Texte meist innert weniger Monate schreiben. Insgesamt haben seit Beginn der Schreibgruppe 18 Personen teilgenommen. Pro Sitzung waren jeweils vier bis acht Personen anwesend. In einer kleinen informellen Umfrage unter den Teilnehmenden wurde das Format durchwegs als positiv und gewinnbringend bewertet. Als besonders hilfreich werden die Einstiegsphase mit mündlicher Formulierung des Schreibvorhabens sowie die Freewriting-Phase bewertet. Da die Methoden als besonders fruchtbar zur Überwindung von Einstiegsblockaden und Schreibstaus wahrgenommen werden, wenden die meisten Teilnehmenden sie auch außerhalb der Schreibtreffen an. Auch der vorgegebene rhythmische Wechsel von intensiven Arbeitsphasen und Ruhepausen wird als produktiv erlebt. Das Verfassen von Rohtexten bzw. das schnelle Schreiben von viel Text als Prozess, um das Denken in Fluss zu bringen, wird ebenfalls geschätzt. Grundsätzlich sind die Teilnehmenden also sowohl mit dem Ablauf der Schreibtreffen wie mit dem persönlichen Gewinn, den sie daraus ziehen, sehr zufrieden. Einzig bezüglich der Durchführung wünschten sie die Teilnehmenden, dass für den Fall, dass sie einmal nicht anwesend sein können, ein alternativer Termin zur Verfügung stehen könnte.
Lessons learned Die Teilnahme an unserer offenen Schreibgruppe ist jederzeit freiwillig. Sie ist nicht Teil der universitären Lehre, und es lassen sich damit keine Leistungspunkte erwerben. Aus dieser Unverbindlichkeit ergeben sich für die Organisation und den längerfristigen Erhalt der Gruppe einige Herausforderungen. Wir haben festgestellt, dass es nicht reicht, das Angebot in der Bibliothek einfach bereitzuhalten. Den potentiellen Teilnehmenden müssen die Vorteile und der Nutzen des Schreibens in der Gesellschaft von Gleichgesinnten erklärt werden. Mund-zu-Mund-Propaganda ist deshalb am wirkungsvollsten. Idealerweise werben Personen, welche an der Schreibgruppe teilnehmen, ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen an. Wir haben zudem wiederholt überfachliche Veranstaltungen wie die Schreibnacht der Bibliotheken oder eine Schreib-Retraite dafür genutzt, die offene Schreibgruppe bekannt zu machen. Gerade Schreib-Klausuren sind oft der ideale Hintergrund, Gleichgesinnte zusammenzuführen, die das positive Gruppen-Schreiberlebnis auch in den Alltag hinübertragen und zu diesem Zweck eine Schreibgruppe gründen
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wollen.18 Erfreulich ist, dass aus der hier vorgestellten Schreibgruppe bereits weitere Schreibgruppen entstanden sind, die sich in unterschiedlicher Zusammensetzung an anderen Orten und anderen Wochentagen – teils Institutsbibliotheken, teils alternative Orten – treffen. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist die Unverbindlichkeit der Teilnahme. Selbst wenn der Wochentag zur Durchführung der Schreibgruppe von den Mitgliedern festgelegt wird, sind einzelne Personen aufgrund anderweitiger Verpflichtungen wiederholt verhindert am Treffen zu erscheinen. Die Teilnehmenden bekunden offensichtlich Mühe damit, den Termin der Schreibgruppe fest in ihre Agenden einzutragen oder räumen der Schreibgruppe keine hohe Priorität ein. Diese Problematik drückt sich auch in unserer Umfrage aus, in der mehrfach der Wunsch geäußert wurde, dass für den Verhinderungsfall alternative Termine zur Verfügung stehen sollten. Offene Schreibgruppen mehr als einmal pro Woche und an verschiedenen Wochentagen anzubieten, könnte ein möglicher Ansatz sein, das Angebot in diese Richtung zu erweitern. Mit unserem Angebot wollen wir zwei Zielgruppen ansprechen: Masterstudierende, die ihre Abschlussarbeit verfassen, sowie Promovierende. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch grundlegend. Während die Masterstudierenden ihren Text innert weniger Monate fertig geschrieben haben müssen und meist einen festen Abgabetermin vor Augen haben, sind die Doktorierenden über eine längere Dauer – in der Regel mindestens drei Jahre – mit ihrem Vorhaben beschäftigt. Die Zusammensetzung der Gruppe ändert sich laufend, einerseits weil Neumitglieder hinzukommen, aber auch weil insbesondere die Masterstudierenden ihre Texte nach wenigen Wochen fertig geschrieben und die Gruppe wieder verlassen haben. Diese fluktuierende Zusammensetzung kann nur dann gut funktionieren, wenn eine Ansprechperson die Verantwortung für die Gruppe übernimmt, die Kommunikation unter den Mitgliedern aufrechterhält und im Regelfall die Gruppentermine moderiert. Es empfiehlt sich deshalb, diese Rolle permanent durch die Bibliothekarin zu besetzen. Auch wenn die Gruppe primär als Ort des Schreibens in Gesellschaft dient, hat sie sehr schnell zusätzliche Funktionen erhalten. Die Begrüßungsphase und die Pausen zwischen den Schreibphasen werden aktiv dafür genutzt, Schreiberfahrungen auszutauschen, Probleme anzusprechen und Lösungen zu diskutieren. Dieses Lernen von den Peers wird oft als der eigentliche Gewinn derartiger Gruppenangebote wahrgenommen.19 Neben diesem informellen Lernen ist in der Gruppe der Wunsch aufgekommen, zusätzlich zu konkreten Themen strukturierte Inputs zu er-
18 Murray, Doctoral Students (wie. Anm. 7), hier S. 96. 19 Guerin, Cally: The Gift of Writing Groups. Critique, Community and Confidence. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond: Innovations in Practice and Theory. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 128–141.
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken
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halten. Dabei kann es um schreibnahe Themen, wie der Umgang mit Schreibblockaden, oder um Themen aus dem weiteren Umfeld des wissenschaftlichen Arbeitens, wie Zeit- und Energiemanagement, gehen, die in Form von Kurzreferaten die Schreibsitzung einleiten. Themenvorschläge kommen direkt von den Teilnehmenden oder werden vom Bibliothekspersonal angeregt, das die Vorträge in der Regel durchführt. Schließlich entspringen auch die Textfeedback-Gruppen, die als Ergänzung zur Schreibgruppe entstanden, dem Desiderat, die positive Wirkung der Gruppe noch weiter zu vertiefen.
Textfeedback-Gruppe Studierende sind gewohnt, dass sie im Verlauf des Studiums von ihren Dozierenden zwar Feedback zu ihren schriftlichen Arbeiten erhalten, dieses sich aber oft darauf beschränkt, auf sprachliche, formale, strukturelle und inhaltliche Mängel hinzuweisen. Das Urteil über den Text ist damit immer einseitig und autoritativ: Von der schreiberfahrenen Person zum Studierenden oder Doktorierenden. Feedback als Teil des Entstehungsprozesses eines Textes zu verstehen, wird im deutschsprachigen Raum seitens der Dozierenden kaum gefördert. Dieser hierarchischen Struktur hält die Schreibgruppenkultur ein Modell entgegen, das auf reziprokes Feedback von Gleichgestellten aufbaut und für einen wohlwollenden, achtsamen und konstruktiven Umgang mit den besprochenen Texten plädiert.20 Ein Großteil der in der Literatur beschriebenen Schreibgruppen beinhaltet mindestens teilweise Elemente des Feedbackgebens. Unter den von Haas aufgelisteten Tätigkeiten, die während der Gruppentreffen stattfinden, figuriert auch das Lesen, Korrigieren und Diskutieren von Texten der anderen Teilnehmenden.21 In unserer Schreibgruppe liegt der Fokus auf der Produktion von Rohtext. Aus diesem Grund werden während der Sitzungen bewusst keine Textfeedbacks gegeben. Die Texte der anderen Teilnehmenden werden nicht gelesen. Meistens wächst im Verlauf der Teilnahme an der Schreibgruppe aber das Bedürfnis, die entstandenen Rohtexte auch zu besprechen und Rückmeldung dazu einzuholen. Text-Feedback-Gruppen entwickelten sich in unserem Fall organisch aus dem Schreibgruppen-Angebot. Sie werden als Mikro-Gruppen mit mindestens zwei und
20 Elbow, Writing without Teachers (wie Anm. 13), S. 82–116 ; Elbow & Belanoff, A Community of Writers (wie Anm. 1), Wolfsberger, Judith: Frei geschrieben: Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Wien: Böhlau Verlag 2016 (UTB Schlüsselkompetenzen 3218). S. 199– 210; Aitchison, Claire: Learning from Multiple Voices. Feedback and Authority in Doctoral Writing Groups. In: Writing Groups for Doctoral Education and Beyond: Innovations in Practice and Theory. London [u. a.]: Routledge 2014. S. 51–64. 21 Haas, Pick-n-Mix: A Typology of Writers’ Groups (wie Anm. 3), hier S. 33.
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maximal vier Teilnehmenden durchgeführt und orientieren sich an den von Peter Elbow aufgestellten und von Judith Wolfsberger weiterentwickelten Standards.22 Die Teilnehmenden verpflichten sich, die von uns aufgestellten Regeln einzuhalten. Um zu gewährleisten, dass die Feedback-Runden gut funktionieren, werden zu Beginn jeden Treffens die schriftlich festgehaltenen Regeln, der Ablauf und die standardisierten Fragen von der Moderatorin kurz erläutert. Dieser eng gesteckte Rahmen trägt entscheidend dazu bei, dass bei den Teilnehmenden die Sicherheit entsteht, sich in einem geschützten Raum zu bewegen, denn es braucht Mut und Vertrauen, um sich mit seinem Rohtext dem Peer-Feedback zu stellen. Ziel der Feedback-Treffen ist es, auf der Basis der konstruktiven, positiv formulierten Kritik der Peers, den Rohtext zur ersten Fassung eines logisch aufgebauten sowie sprachlich und inhaltlich verständlichen Textes auszuarbeiten. Für die Text-Feedback-Runde stellt die Bibliothek wiederum den Raum zur Verfügung und hält die schriftlich fixierten Regeln sowie das benötigte Material (Papier, Stifte und Leuchtmarker in verschiedenen Farben) bereit. Das Bibliothekspersonal ist mit den Regeln vertraut, kann diese erklären und eine Feedback-Runde anleiten. Sobald die Regeln klar vermittelt sind, übernimmt eine der teilnehmenden Personen die Moderation, bedient die Stoppuhr und achtet auf die Einhaltung der Regeln. Die Kombination von Schreib-Treffen und Text-Feedback-Runde verbessert die Schreibleistung – gemäß Eigeneinschätzung der Schreibenden – quantitativ und qualitativ. Idealerweise entsteht ein regelmäßiger Zyklus von Rohtextproduktion in der Schreibgruppe, Anregung zur Optimierung in der Text-Feedback-Runde und einer Phase des Rückzugs zur Überarbeitung des Textes, bevor wiederum neuer Rohtext in der Schreib-Gruppe produziert wird.
Fazit Bei unserem Projekt geht es darum, einen Rahmen für die Textproduktion und den Austausch über den Schreibprozess für fortgeschrittene Studierenden und Promovierende an einem Ort zu schaffen, der von den Studierenden bereits als Schreibort gesehen wird, nämlich in der Bibliothek. Es geht dabei nicht darum, den Teilnehmenden Schreibtechniken beizubringen. Einzig die Freewriting-Methode wird den Teilnehmenden vorgestellt, da die einzelnen Sitzungen jeweils mit dieser spezifischen Technik eingeleitet werden, um den Schreibfluss in Gang zu setzen. Das Setting dient verschiedenen Zwecken: Es hilft dabei, 1) die wertvolle Schreibzeit in der Gruppe in den eigenen Arbeitsplan zu integrieren, 2) durch die Einbettung in eine
22 Elbow, Writing without Teachers (wie Anm. 13), hier S. 82–116; Wolfsberger, Frei geschrieben (wie Anm. 20), hier S. 208–210.
Schreibgruppen und Text-Feedback in wissenschaftlichen Bibliotheken
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„Kontrollgruppe“ soziale Interaktion und 3) das Selbstmanagement zu fördern sowie der Prokrastination vorzubeugen. Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass das Angebot einer Schreibgruppe in der Bibliothek als äußerst hilfreich für die Textproduktion empfunden wird. Zudem hilft der Austausch mit den Peers dabei, den Schreibprozess zu reflektieren und schlechte Angewohnheiten abzulegen. Die Durchführung der Schreibgruppe ist grundsätzlich einfach und kann in jeder Bibliothek implementiert werden, die über einen Gruppenarbeitsraum verfügt. Eine Bibliothekarin oder ein Bibliothekar kann die Moderation und Betreuung der Gruppe übernehmen, wobei ein grundsätzliches Interesse an Schreibmethoden sicher von Vorteil ist. Die größte Schwierigkeit seitens der Bibliothek ist es, die Gruppe nachhaltig im Angebot zu verankern. Mit der offenen Form der Schreibgruppe, bei der die regelmäßige Teilnahme an den Schreibtreffen bewusst nicht verpflichtend ist und Einstieg sowie Austritt jederzeit möglich sind, wollten wir die Eintrittsschwelle möglichst tief halten. Das führt aber dazu, dass laufend einzelne Mitglieder die Gruppe verlassen und die Bibliothek sich permanent um neue Mitglieder bemühen muss, um die Kontinuität der Gruppe zu gewährleisten. Unverbindlichkeit für die Mitglieder bedeutet deshalb, dass die Bibliothek als Betreiberin der Schreibgruppe für die Verbindlichkeit des Angebots sorgen muss. Die Verstärkung des Angebots durch weitere Aktivitäten, wie kurze Inputreferate oder „Coffee Lectures“ zu Schreibthemen sowie die Text-Feedback-Runden, unterstützen diese Bemühungen mit Erfolg.
Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen am Karlsruher Institut für Technologie – KIT-Bibliothek und Schreiblabor des House of Competence Abstract: Der Beitrag diskutiert institutionelle Aspekte und inhaltliche Anforderungen einer zielführenden akademischen Schreibdidaktik und Schreibberatung aus Sicht der Bibliothek und des Schreiblabors des House of Competence am Karlsruher Institut für Technologie. Die koordinierte partnerschaftliche Bereitstellung, Weiterentwicklung und Finanzierung von Angeboten zum Erwerb von Schreib- und Informationskompetenzen in allen Phasen des „student-life-cycle“ sehen die Autoren als gemeinsame Herausforderung für beide Einrichtungen. Neben Beratungsangeboten, Präsenzformaten und Online-Kursen in vielen Variationen werden zahlreiche individuell nutzbare Informations- sowie Unterstützungsangebote mit Schwerpunkt auf den MINT-Fächern vorgestellt. Schlüsselbegriffe: Kooperationspartner, Schreibzentrumsforschung, Informationskompetenz, student-life-cycle, Coffee Lectures, e-learning, Onlinekurs Kurzbiografien: Andreas Hirsch-Weber, M.A., Leiter des Schreiblabors des House of Competence am Karlsruher Institut für Technologie. Er entwickelt dort Lehr- und Forschungskonzepte zum Wissenschaftlichen Schreiben in den MINT-Fächern. Medien- und literaturwissenschaftliche Lehraufträge an der Hochschule für Wirtschaft und Technik Karlsruhe und Musikhochschule Karlsruhe. Veröffentlichungen zu Ludwig Tieck (2009), wissenschaftlichen Arbeitstechniken des Germanistikstudiums (2011), Hermann Kinder (2012), Erzählverfahren in Fernsehserien (2014) und insbesondere zum Wissenschaftlichen Schreiben (seit 2015). Diana M. Tangen, Dipl.-Biol., Stellvertretende Leiterin der Abteilung Benutzung der KIT-Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), Bibliotheksleitung der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Fachreferentin für die Fächer Biologie, Kunst, Land- und Forstwirtschaft, Medizin und allgemeine Naturwissenschaften. Seit 2010 Leiterin des Bereichs Informationskompetenz und Mitglied im Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg. Seit 2018 Mitglied der Arbeitsgruppe „Digitales Lernen, Lehren und Vernetzen“ der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen.
https://doi.org/10.1515/9783110594140-022
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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Hinführung Man könnte berechtigterweise die Frage stellen, ob Universitätsbibliotheken, aber auch Schreibzentren überhaupt die richtigen Orte sind, um Wissenschaftliches Schreiben zu lehren. Handelt es sich bei der Schlüsselqualifikation „Schreiben“ um eine Kompetenz, die außerhalb des Faches geschult bzw. trainiert werden kann? Oder gehört die Vermittlung von Fachsprache, Schreib- und Rechercheroutinen nicht vielmehr zur Aufgabe der vielen Disziplinen, die aus gutem Grund ganz eigene Schreib- und Textkonventionen entwickelt und konsolidiert haben? Folgt man der Logik, dass Fächer aus Schreibexperten/innen bestehen, die sehr genau wissen, wie in ihrer Disziplin geschrieben wird und die über didaktische Kompetenz verfügen, wie sie das Schreiben in den Disziplinen Studierenden und angehenden Wissenschaftler/innen vermitteln können, muss die Antwort eigentlich lauten, dass sich alle zentral organisierten universitären Dienstleister aus der Schreibausbildung heraushalten müssten. Das müsste dann aber gleichsam für die Hochschuldidaktik, die Zentren für Schlüsselqualifikationen und eben auch für die Bibliotheken gelten. Denn alle Angebote „von außen“ können niemals die fachliche Schreibsozialisierung ersetzen. Nun ist allerdings auch die Frage berechtigt, ob Wissenschaftler/innen in der Tat immer die ausreichende Expertise – und Zeit – haben, um das Schreiben dergestalt anzuleiten, dass Studierende in erforderlichem Umfang und in der notwendigen Tiefe Schreibkompetenzen erlernen können. Zudem können Zweifel angemeldet werden, ob das Studium insgesamt ausreichend auf Abschlussarbeiten vorbereitet. Denn in Zeiten überbordender Curricula, die vor allem in Fächern, die überwiegend anhand von Klausuren das Fachwissen der Studierenden prüfen, bleiben Schreibaufgaben, die Kenntnisse in der Fachsprache unmittelbar voraussetzen, auf der Strecke. Vor allem in den MINT-Fächern kommt es häufig vor, dass Studierende erst bei der Bachelorarbeit merken, dass ihnen zur sicheren Bewältigung der Prüfungsleistung doch einiges fehlt. Das liegt daran, dass sie oftmals im Studium weder längere Texte schreiben mussten noch Forschungsliteratur recherchieren, geschweige gelesen haben mussten.1
1 Vgl. Hirsch-Weber, Andreas u. Stefan Scherer: Wissenschaftliches Schreiben und Abschlussarbeit in Natur- und Ingenieurwissenschaften. Grundlagen – Praxisbeispiele – Übungen. Stuttgart: Eugen Ulmer 2016; weiterführend zu den Spezifika der Schreibsozialisierung in den MINT-Fächern: Wissenschaftliches Schreiben in Natur- und Technikwissenschaften. Neue Herausforderungen der Schreibforschung. Hrsg. von Andreas Hirsch-Weber u. Stefan Scherer. Wiesbaden: Springer Spektrum 2016; siehe auch: Interdisziplinäre Konzepte: Akademisches Schreiben in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Hrsg. von Regina Graßmann u. Michael Lichtlein. Coburg: Edition Aumann 2016; Die Schreibübung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Hrsg. von Regina Graßmann. Göttingen: Cuvillier 2018.
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Wenn es einer Hochschule nun wichtig ist, welche Texte ihre Absolventen/ innen hinsichtlich wissenschaftlicher Redlichkeit liefern und wie das Fachsprachniveau des künftigen wissenschaftlichen Nachwuchses strukturell aussieht, kommt sie nicht umhin, viele unterschiedliche, untereinander abgestimmte Angebote zu machen, um Schreibkompetenzen und Informationskompetenzen über das gesamte Studium hinweg zu fördern. Dysfunktional wäre es, wenn es zahlreiche „Parallelaktionen“ gäbe, wie sie in vielen Bereichen der dezentral organisierten Hochschule immer wieder vorkommen: Auf eine gute Idee können auch unterschiedliche Akteure zeitgleich kommen. Die Erfahrungen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigen, dass gerade konzertierte Angebote zum wissenschaftlichen Schreiben großen Erfolg versprechen.
Institutionelle Aspekte Für eine gute Kooperation an der Hochschule ist neben den menschlichen Faktoren vor allem auf neuen Tätigkeitsfeldern die „Mission“ einer Einrichtung relevant. Im universitären Miteinander wird immer wieder eingefordert, dass gerade zentrale Einrichtungen sich bewusstmachen, welchen Auftrag sie haben, damit sie sich nicht in das Geschäft „der Anderen“ einmischen. Weit wichtiger als die jeweilige Mission erscheint in Karlsruhe aber die Expertise als Grundlage für eine gute und langfristige Kooperation zu sein. Es sollte also nicht darum gehen, wer etwas aus welcher Perspektive beisteuern darf, sondern vielmehr darum, was wer beisteuern kann. Und hierbei hat sich gezeigt, dass man durch gemeinsame Angebote sich nicht nur gegenseitig befruchten, sondern auch institutionell die Vorteile der jeweiligen Einrichtungen nutzen kann. Expertise ist also das Schlagwort, das unser Bestreben prägt, Wissenschaftliches Schreiben universitätsweit zu vermitteln. Genauer gesagt, geht es um die spezifischen Kompetenzen der Institutionen und der Personen, die an gemeinsam durchgeführten Projekten beteiligt sind. Das Schreiblabor am House of Competence (HoC) versteht sich als wissenschaftliche Teileinrichtung eines Zentrums für Schlüsselqualifikationen2 mit dem Fokus auf einer textorientierten Schreibdidaktik. Das Ziel des Schreiblabors ist es, einerseits Schreibstandards der unterschiedlichen Disziplinen
2 Zum House of Competence (HoC) gehören neben dem Schreiblabor auch das Methodenlabor und das Lernlabor. Während das Methodenlabor überfachliche Methoden (zum Beispiel Kreativitätsmethoden, Qualitative oder Quantitative Forschungsmethoden) und Präsentationskompetenzen vermittelt, liegt der Fokus des HoC-Lernlabors auf dem Zeit- und Selbstmanagement sowie auf Lernund Arbeitstechniken von Studierenden. Die KIT-Bibliothek kooperiert mit allen drei HoC-Laboren. Aufgrund der Ausrichtung dieses Handbuchs auf Schreibkompetenzen werden in vorliegendem Beitrag v. a. die Kooperationen mit dem Schreiblabor benannt.
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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einer Technischen Universität zu erforschen und andererseits die dabei gewonnenen Ergebnisse für die didaktische Praxis, d. h. für die Schreiblehre, die curricular und extracurricular stattfindet, nutzbar zu machen. Die Mitarbeiter/innen des Schreiblabors können also Aussagen darüber treffen, wie beispielsweise Ausdruck und Stil, Gliederungslogiken, Zitationstechniken, Visualisierungskonzepte etc. fachspezifisch unterrichtet werden können. Solche Hinweise zum wissenschaftlichen Arbeiten werden am Schreiblabor mit dem spezifischen Schreibprozess gekoppelt, so dass die Angebote der Schreiblehre am KIT auf dem Stand der bundesweit wachsenden und sich nunmehr etablierenden deutschsprachigen Schreibdidaktik sind.3 Die KIT-Bibliothek wiederum versteht sich nicht nur als Ort, an dem u. a. Wissenschaftliches Schreiben praktiziert wird oder als Dienstleister für die Beschaffung und Bereitstellung von Forschungsliteratur, sondern bietet im Bereich der Informationskompetenzen wichtige Bausteine zur Informationsrecherche und -management. Ferner vermittelt sie die Fähigkeit, fachspezifisch und fachübergreifend themenspezifische Relevanzkriterien an Forschungsliteratur und -daten anzulegen und für eigene wissenschaftliche Fragestellungen – im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis – nutzbar zu machen. Dabei wird auch die Rolle von didaktisch qualifizierten Fachreferenten/innen immer wichtiger.4 Nicht zuletzt profitiert auch der vorliegende Handbuchartikel davon, dass dieser in der Autorenschaft durch eine Fachreferentin der Biologie und einen germanistischen Schreibdidaktiker gemeinsam bearbeitet wird. Denn auf diese Weise kann gezeigt werden, dass die schreibdidaktische Zusammenarbeit am KIT eben nicht nur von institutionellen Interessen geleitet wird, sondern auch wie ein interdisziplinäres wissenschaftliches Vorhaben angegangen wird. Wir begegnen uns dabei also nicht nur als Bibliothekar/in und Schreibdidaktiker/in, sondern v. a. auch als Fachvertreter/in, der/die durchaus einschätzen können, inwieweit neue Angebote für Studierende einer Fächergruppe entwickelt oder angepasst werden müssen bzw. zum wissenschaftlichen Kompetenzerwerb beitragen können. Unsere Erfahrungen an einer Technischen Universität haben gezeigt, dass es gerade bei den hier studierbaren Fächergruppen darauf ankommt, dass diejenigen, die Wissenschaftliches Schreiben kooperativ anleiten wollen, einen fachlichen Hintergrund benötigen, um relevante und fundierte schreibdidaktische Hinweise geben zu können. Beispielsweise kann jemand, der bereits einmal eine Versuchsbeschreibung abge-
3 Vgl. Hirsch-Weber u. Scherer, Wissenschaftliches Schreiben und Abschlussarbeit (wie Anm. 1), hier S. 7–10. 4 Zu bibliothekspädagogischen Ansätzen zur Vermittlung von Informationskompetenzen vgl. Rauchmann, Sabine: Welche Qualifikationen benötigen Bibliothekarinnen und Bibliothekare zur erfolgreichen Förderung von Informationskompetenzen? In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 439–448; Tappenbeck, Inka: Fachreferat 2020: from collections to connections. In: Bibliotheksdienst (2015) H. 1. S. 37–48. DOI 10.1515/bd-2015-0006.
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fasst hat, präzisere Hinweise zu diesem Thema geben, als Dozierende, die bisher ausschließlich hermeneutisch gearbeitet haben. Naturgemäß kann auch das zentrale schreibdidaktische Angebot des KIT nicht alle methodischen Zugänge oder Fachgruppen abdecken. Um aber Studierenden den Transfer von fachübergreifenden Ratschlägen möglich zu machen, ist es aus unserer Sicht zumindest notwendig, dass die Kooperationspartner überwiegend Personen in die gemeinsamen Projekte entsenden, die ein Fachstudium vorweisen können. Somit ist eine wissenschaftliche Bibliothek mit Fachreferenten/innen, die auf ein solches Studium zurückblicken können und zudem qua Amt bereits eine institutionelle Bindung in die Fächer haben, ein guter Ort, um schreibdidaktische Angebote zu verankern. Denn einerseits decken die Fachreferenten/innen die fachliche Vielfalt der jeweiligen Universität ab und können andererseits eine Brücke direkt zu den Fächern schlagen. Warum benötigt man dann eigentlich ein Schreibzentrum? Wissenschaftliches Schreiben an einer Hochschule fachübergreifend zu unterrichten ist nach den Erfahrungen der Schreibdidaktik keine Tätigkeit, die einfach so „nebenbei“ bewerkstelligt werden kann. Die Professionalisierung der akademischen Schreibdidaktik ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass bereits Ansätze zu einer eigenen Fachlichkeit (im Sinne einer sog. Schreibzentrumsforschung) diskutiert werden.5 Eigene Plausibilitäten der Schreibdidaktiker treten vermehrt in den Hintergrund, um einem stichhaltigen kanonischen Wissen – zumindest in Bezug auf den akademischen Schreibprozess und in Teilen auch zur disziplinspezifischen Fachsprachlichkeit – Platz zu machen. Die sog. Schreibzentrumsforschung bearbeitet genau das, was Lehre an Universitäten immer auszeichnen sollte: Forschung und Lehre miteinander zu verbinden. Dabei geht es nicht nur um Konzepte zur Messung der Wirkung schreibdidaktischer Angebote, sondern insbesondere auch darum, Theorien zur Vermittlung wissenschaftlichen Schreibens zu etablieren.6 Schreibzentren können also einerseits Einrichtungen sein, in denen Methoden und Konzepte zum wissenschaftlichen Schreiben forschungsgestützt entwickelt werden, sie sind aber andererseits v. a. auch Orte oder Beratungszentren, in denen das wissenschaftliche Schreiben, der Schreibprozess und die akribische Textarbeit praktiziert werden. Das gemeinsame „Tüfteln“ am Text und das selbstreflexive Verstehen des eigenen Schreibprozesses gehören zu jenen Tätigkeiten bzw. Handlungen, welche die Arbeit von deutschsprachigen Schreibzentren in der universitären Wahrnehmung ausmachen. Doch die Arbeit von Schreibzentren geht inzwischen an einer wachsenden Anzahl von Standorten darüber hinaus. Durch die zunehmende hochschuldidaktische Ausrichtung der Schreibdidaktik wirken sie zum Teil bereits
5 Vgl. Hirsch-Weber, Andreas (Hrsg.) [u. a.]: Forschung für die Schreibdidaktik: Voraussetzung oder institutioneller Irrweg? Weinheim: Beltz-Juventa (im Druck). 6 Vgl. Hirsch-Weber, Forschung (wie Anm. 5).
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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strukturgebend in die universitäre Lehre.7 Ziel ist es dabei fast immer, die Schreibanteile im Studium maßgeblich zu erhöhen und schreibdidaktisch sinnvoll zu gestalten. Zur Unterstützung solcher Maßnahmen liegen bereits sinnvolle und hoch informative Handreichungen vor, die auf jahrelange praktische Erfahrungen gestützt sind.8 Als Desiderat gilt aus Sicht des Schreiblabors am KIT allerdings, dass eben noch kein ausreichendes Grundlagenwissen zum Schreibprozess v. a. aber auch nicht zur Fachsprachlichkeit in den sog. MINT-Fächern vorliegt9, so dass die Bemühungen – gerade in den Kooperationsprojekten zwischen KIT-Bibliothek und KIT-Schreiblabor – immer darauf ausgerichtet sind, herauszufinden, wie die Schreibpraxis an Technischen Universitäten aussieht, bzw. wie sie angeleitet werden kann.
Projekte kooperativ planen und einwerben Unsere Erfahrung zeigt, dass es gerade bei der Finanzierung von schreibdidaktischen Angeboten sinnvoll sein kann, kooperativ vorzugehen. Da auch in Karlsruhe viele Maßnahmen einen Projektstatus innehaben und daher eine nachhaltige Finanzierung nicht vollständig gewährleistet ist, kann nicht immer eine dauerhafte Bedeutung von Einzelprojekten für die Gesamtuniversität garantiert werden.10 Die Herausforderung besteht darin, einen nachhaltigen Eigenanteil einzubringen, der dazu genutzt werden kann, dass Projekte nach Beendigung der Laufzeit weiterhin Wirkung entfalten können. Aus der Perspektive des „kleinen“ Schreibzentrums ist es auch in diesem Zusammenhang institutionell klug, sich mit der „großen“ Bibliothek
7 Vgl. Frank, Andrea u. Swantje Lahm: Das Schreiblabor als lernende Organisation. Von einer Beratungseinrichtung für Studierende zu einem universitätsweiten Programm „Schreiben in den Disziplinen“. In: Wissenschaftliches Schreiben in Natur- und Technikwissenschaften. Neue Herausforderungen der Schreibforschung. Hrsg. von Andreas Hirsch-Weber u. Stefan Scherer. Wiesbaden: Springer Spektrum 2016. S. 9–28. 8 Vgl. hierzu insbesondere: Lahm, Swantje: Schreiben in der Lehre. Handwerkszeug für Lehrende. Opladen [u. a.]: Barbara Budrich 2016; Grieshammer, Ella [u. a.]: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 3., korr. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2016. 9 Vgl. Sielaff, Lisa (i. Dr.): Forschungszugänge Fachsprachlichkeit – Eine Bestandsaufnahme. In: Wissenschaftliches Schreiben in Natur- und Technikwissenschaften. Neue Herausforderungen der Schreibforschung. Hrsg. von Andreas Hirsch-Weber u. Stefan Scherer. Wiesbaden: Springer Spektrum 2016. 10 Zum institutionellen Stand der deutschsprachigen Schreibzentrumsarbeit und insbesondere Schreibzentrumsforschung über Karlsruhe hinaus vgl. Hoffmann, Nora: Schreibzentrumsforschung im deutschsprachigen Raum – Bestandsaufnahme und Desiderate. In: Forschung für die Schreibdidaktik: Voraussetzung oder institutioneller Irrweg? Hrsg. von Andreas Hirsch-Weber [u. a.]. Weinheim: Beltz-Juventa (im Druck).
240 Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen
und den „vielen“ Fächern zusammenzutun. Aber auch für Bibliotheken bieten sich Vorteile. Denn die Ausstattung von Schreibzentren (mit vermeintlich kleiner Ausstattung) und Bibliotheken (mit vermeintlich großer Ausstattung) wird durch Verhandlungen im Universitätsgetriebe oder durch Drittmitteleinwerbung geregelt und befindet sich daher stetig im Fluss. Auch Bibliotheken sehen es durchaus als Herausforderung, Mittel für schreibdidaktische Angebote dauerhaft bereit zu stellen, bisweilen wohl aufgrund hausinterner Regularien oder Zwänge, die es fast unmöglich machen, Mittel für diesen Zweck überhaupt ausgeben zu dürfen. Anstatt also eine vermeintliche personelle oder strukturelle Überforderung und kleine Spielräume zu beklagen und ausschließlich vorhandene Ressourcen zur Synergieerzeugung für gemeinsame Projekte zu nutzen, ist es ratsam, sich gemeinsam um eine Mitteleinwerbung für schreibdidaktische Angebote zu kümmern. Dazu bestehen im Zusammenspiel weitaus erfolgversprechendere Möglichkeiten als bei autonom agierenden Einrichtungen. In Karlsruhe konnten bestehende hochschulinterne Kooperationen sowie Netzwerke beider Einrichtungen gleichermaßen dafür genutzt werden, um bei der Drittmittelakquise glaubhaft zu vermitteln, dass die Angebote am KIT in der Breite Wirkung entfalten würden. Aufgrund der curricularen Verflechtung der HoC-Angebote in die KIT-Studiengänge einerseits und durch die Beschaffenheit der KIT-Bibliothek als „Marktplatz des Wissens“ für Studierende am KIT andererseits, ist das Angebot nicht nur gut sichtbar, sondern auch bereits strukturell, wie weiter unten detailliert aufgeführt wird, auf die Belange unserer Zielgruppe abgestimmt. Diese Angebotsstruktur ermöglicht es, Ausschreibungen relativ zügig daraufhin zu sondieren, ob eine Chance für die Mitteleinwerbung besteht. Dieser Sondierungsprozess wird arbeitsteilig bearbeitet. Es liegt auf der Hand, dass eine Bibliothek ganz andere Förderquellen ins Auge fasst als ein wissenschaftliches Schreibzentrum. Unser gemeinsames Ziel besteht also darin, die Förderinstrumente für Bibliotheken, die Qualitätsmaßnahmen in der Lehre auf Landes- und Bundesebene und die Fördermöglichkeiten im Bereich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Schlüsselqualifikationen11 dahingehend zu „rastern“, ob sie in unsere Strategie passen. Von Vorteil ist gerade für die letzten beiden Bereiche, dass am KIT das Schreiblabor und die Bibliothek jeweils über professorale Vertreter/innen verfügen, welche die wissenschaftliche Qualität der Angebote verantworten bzw. sicherstellen können. Letztlich unterschiedet sich die Kooperation der genannten Einrichtungen am KIT damit kaum noch von Kooperationsvereinbarungen zwischen Instituten oder Fakultäten. Gerade diese Adaption des „gängigen“ wissenschaftlichen Miteinanders bei der Kooperation von zwei zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen ist eine wichtige und notwendige Grundlage für die Anerkennung unserer Arbeit innerhalb und außerhalb unserer Institution.
11 Zur sog. SQ-Forschung siehe Hirsch-Weber, Forschung (wie Anm. 5).
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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Neben dem inhaltlichen und strukturellen Abstimmungsprozess ist es naturgemäß wichtig, die Kooperation personell auszugestalten. Ein entscheidender Vorteil einer gemeinsamen Mittelgewinnung ist, dass die Ausgaben gemeinsam getätigt werden können. Mit anderen Worten: Nicht nur Projektanträge und Projektberichte, sondern auch Stellenausschreibungen und Stellenbeschreibungen werden gemeinsam formuliert. Wenn dann die jeweiligen Stellenbesetzungen einvernehmlich erfolgen, sind gute Voraussetzungen für die gemeinsame Arbeit geschaffen. Grundlegend ist hierfür jedoch immer, dass sich die beteiligten Einrichtungen unbedingt auf Augenhöhe begegnen. Im Grunde handelt es sich hierbei um Selbstverständlichkeiten des Wissenschaftsmanagements. Hervorzuheben sind sie dennoch, weil aufgrund bereits etablierter Gewohnheiten und Arbeitsstrukturen diese in Vergessenheit geraten können. Wie eingangs bereits erwähnt, ist die Vermittlung von Schreib- und Informationskompetenzen an zentraler Stelle abhängig von der Akzeptanz der Angebote durch die Fächer. Zwar fühlen sich deren Vertreter/innen in ihren Lehraufgaben chronisch unterfinanziert, so dass sie die zentralen Maßnahmen bei schreibdidaktischen Themen durchaus gerne annehmen. Dennoch müssen sie sowohl inhaltlich als auch strukturell davon überzeugt werden, dass zentrale Angebote für die jeweiligen Zielgruppen passen, damit sie tatsächlich in die jeweiligen Curricula eingebettet werden können. Daher konzentrieren sich die Bemühungen darauf, dass bei der Aufnahme von neuen Projekten stets auch die Angebotsstruktur und damit die gemeinsame Strategie „vermarktet“ wird.12
Maßnahmen und Projekte Um den Studienerfolg der Studierenden zu sichern, offerieren KIT-Bibliothek13 und HoC differenzierte Angebote für alle Abschnitte des „student-life-cycle“, der in Abbildung 1 in seinen einzelnen Phasen veranschaulicht wird. Er zeichnet den Weg vom Studienbeginn bis zur Forschungstätigkeit mit den Stadien Studienvorbereitung, Grund- und Hauptstudium bis hin zur Spezialisierung als Forschender nach.
12 Vgl. Hirsch-Weber, Andreas und Diana M. Tangen: Posterbeitrag auf dem 105. Deutschen Bibliothekartag Leipzig (6. Leipziger Kongress der BID) 2016. https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Kommissionen/Kom_Infokompetenz/2016_best_practice/karlsruhe_kit_poster_20160054_4.pdf (Stand: 01.09.2018). 13 Im Folgenden ist mit KIT-Bibliothek in erster Linie das Team Informationskompetenz der KITBibliothek gemeint.
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Abb. 1: Studienphasen des student-life-cycle.
Für jede dieser Phasen werden unterschiedliche oder vertiefende Kompetenzen bzw. Qualifikationen benötigt. Hierzu wird ein inhaltlich abgestimmtes Programm angeboten, das sich jeweils methodisch bezüglich des Lehr- bzw. Lernformats unterscheidet. Das Angebot umfasst fachliche Lehrveranstaltungen im Curriculum, überfachliche Seminare im Wahlbereich, Kurz- und Tagesveranstaltungen, individuelle Beratungen sowie Lernmodule auf der e-Learning-Plattform des KIT. Inhaltlich orientieren sich die Angebote am Forschungsprozess, beginnend mit der Formulierung der Forschungsfrage bis hin zur Publikation der gewonnenen Ergebnisse bzw. Einsichten. So werden nicht nur einzelne Fertigkeiten, wie z. B. das Bedienen einer Literaturdatenbank, sondern auch ein Gesamtpaket an Fähigkeiten vermittelt, das die Förderung von Informations-, Recherche-, Schreib-, Publikationsund Forschungskompetenz beinhaltet. Einen Überblick über das gemeinsame Angebotsportfolio während der verschiedenen Studienphasen vermittelt Tabelle 1.
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
243
Tab. 1: Übersicht der gemeinsam organisierten und veranstalteten Formate bzw. Projekte. Studienphasen (nach Abb. 1: student-lifecycle) und Zielgruppe
Veranstaltung
Inhalte
Kooperation
1. Studienvorbereitung Gymnasiallehrer/innen Onlinebasierte und Schüler/innen Übungsaufgaben zur wissenschaftspropädeutischen Vorbereitung in der Handreichung Akademische Lehr- und Lernformen im Gymnasium14
– Gute wissenschaftliche Praxis – Informationskompetenz – Wissenschaftliches Schreiben
Verfasst durch Schreiblabor unter Einbezug von Lehrmaterial der Bibliothek
2. Grundstudium Studierende
z. B. Literaturrecherche, Literaturmanagement (Citavi, Zotero), richtig Zitieren, gute wissenschaftliche Praxis, Ausdruck und Stil, Schreibstrategien, Einleitungen schreiben, Schreibprozesse gestalten
Coffee Lectures
Bibliothek organisiert Coffee Lectures, Schreiblabor und Bibliothek übernehmen Einzelveranstaltungen
z. B. Literaturrecherche Schreibberatung (bis und -verwaltung, 2015) im Auftrag der Schreib- und Lernbera- Bibliothek tung
Coffee Lectures Studierende der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Studierende
Integration von Online- z. B. Geodäsie und Einsatz in der Lehre modulen zum Recher- Geoinformatik, Physik, über Kooperation mit chieren in die Fachleh- Architektur den Fächern re des KIT
Studierende
ECTS-Kurse: Seminare Abschlussarbeiten vorbereiten und schreiben und Onlinekurs Informationskompetenz
3. Hauptstudium Vermittlung von Lern-, Methoden-, Schreibund Informationskompetenzen
Seminare werden durch Schreiblabor und KIT-Bibliothek gemeinsam verantwortet
14 Vgl. Hirsch-Weber, Andreas [u. a.]: Akademische Lehr- und Lernformen im Gymnasium. Leitfaden zur Verbesserung des Übergangs Gymnasium – Universität unter besonderer Berücksichtigung der Exzellenzförderung. Stuttgart: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg.
244 Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen Studienphasen (nach Abb. 1: student-lifecycle) und Zielgruppe Studierende
Veranstaltung
Inhalte
Überfachliche Semina- – Grundlagen des Wisre im Wahlbereich senschaftlichen Schreibens (offen für alle Fächer) – Wissenschaftliches Schreiben in den Natur- und Ingenieurwissenschaften I (Parallelkurs) – Wissenschaftliches Schreiben in den Natur- und Ingenieurwissenschaften II (Parallelkurs) – Wissenschaftliches Schreiben in den Geistes- und Sozialwissenschaften – Wissenschaftliches Schreiben in den Wirtschaftswissenschaften – Einführung in das Wissenschaftliche Schreiben für Studierende der Informatik – Ohne Schreibschwierigkeiten in die Abschlussarbeit – Wissenschaftliches Schreiben für Studierende der Informatik (Mikrobaustein)
Übernahme einer Lehreinheit durch Bibliothek in Lehrveranstaltungen des Schreiblabors
Studierende in der Prüfungszeit
Kick-off Klausurenphase
Veranstaltung in den Räumen der Bibliothek, Beiträge durch Bibliothek und HoC, Organisation durch Lernlabor des HoC
z. B. Angebote zur Literaturrecherche und Literaturmanagement, Beratung zum wiss. Schreiben sowie Vorträge zu Lernthemen (letzteres insb. durch Lernlabor des HoC)
Kooperation
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
Studienphasen (nach Abb. 1: student-lifecycle) und Zielgruppe
Veranstaltung
Inhalte
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Kooperation
4. Spezialisierungsphase / Promotionsstudium Studierende und BeLange Nacht der Abtreuende wissenschaft- schlussarbeit licher Abschlussarbeiten
z. B. Impulsworkshops, Podiumsdiskussion, Beratungsangebote (z. B. Lern-, Methodenund Schreibberatung, Literaturrecherche)
Studierende und Betreuende wissenschaftlicher Abschlussarbeiten
Onlinekurs Informa– Modul A Inhaltliche tionskompetenz: Einführung methodisch planen, re- – Modul B Planen des cherchieren, schreiRechercheprozesses ben. Frei zugänglich – Modul C Methoden über e-Learning-Plattder Literaturrecherform des KIT che – Modul D Durchführung der Literaturrecherche – Modul E Umgang mit gefundener Literatur – Modul F Schriftliche Ausarbeitung
Studierende
Sprechstunde / Beratung
Gemeinsame Organisation durch Schreiblabor und Bibliothek unter Einbeziehung weiterer KIT-Einrichtungen: Personalentwicklung, Career Service, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Karlsruhe House of Young Scientists, Fakultät für Maschinenbau Gemeinsames Projekt
Schreibberatung durch Schreibberatung im Schreiblabor: individu- Lernzentrum der elle Unterstützung für Bibliothek wissenschaftliche Texte im Rahmen des Lernraumkonzeptes der Bibliothek
5. Projekte in Planung Vorbereitung ForEinführungskurs schungsphase Internationaler Studierender
Informations- und Gemeinsames Projekt Schreibkompetenzen (geplant ab 9/2018, unter wissenschaftsFinanzierung bewilligt) kultureller Berücksichtigung
Forschungsphase Studierende und Wissenschaftler
Korrektes wissenGemeinsames Projekt schaftliches Arbeiten, (geplant ab 9/2018, FiZitieren, Urheberrecht, nanzierung bewilligt) Fehlverhalten, Plagiat
Online-Angebot: Gute wissenschaftliche Praxis und Plagiatsprävention
246 Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen
Zu 1: Studienvorbereitung Die Maßnahmen beginnen bereits für Schüler/innen der gymnasialen Oberstufe. Neben Veranstaltungen wie die Einführung in die Benutzung wissenschaftlicher Bibliotheken werden mit der Handreichung Akademische Lehr- und Lernformen in Gymnasien (vgl. Hirsch-Weber/Langemeyer/Scherer i. V.) grundlegende Hinweise für Gymnasiallehrer/innen in Baden-Württemberg zu den Themengebieten Gute wissenschaftliche Praxis, Informationskompetenz und Wissenschaftliches Schreiben geboten. Der Leitfaden des baden-württembergischen Kultusministeriums, in Teilen durch das Schreiblabor unter Einbezug von Lehrmaterial der Bibliothek verfasst, hilft Lehrer/innen dabei, Schüler/innen bei der wissenschaftspropädeutischen Vorbereitung zu unterstützen.
Zu 2: Grundstudium In der Orientierungsphase des Grundstudiums, d. h. studienbegleitend ab der Immatrikulation, bieten die Coffee Lectures15 der KIT-Bibliothek ein niederschwelliges, umfassendes Informationsangebot. Die breit gefächerten Themen sollen die Studierenden für die Bandbreite des Serviceangebotes der Kooperationspartner sensibilisieren. Viele der dabei vermittelten Inhalte, mit denen die Studierenden oftmals erst im Laufe ihres Studiums konfrontiert werden, entziehen sich zunächst ihrer Vorstellungswelt. Genau hier setzen die Coffee Lectures an. Manchen Studierenden reichen die „Infohäppchen“, um sich selbständig ein Thema zu erarbeiten, andere belegen danach umfangreichere Kurse. Zu den Themen der Coffee Lectures gehören u. a. allgemeine Bibliotheksservices, Suchstrategien, Literaturdatenbanken, Literaturmanagement (Citavi, Zotero, Endnote), Software bzw. IT-Technik, korrektes Zitieren, Urheberrecht, „gute wissenschaftliche Praxis“, und in Kooperation mit dem HoCLernlabor: Lerntechniken, Prävention im Hinblick auf Prokrastination sowie Zeitmanagement. Das Schreiblabor behandelt darüber hinaus Themen wie Ausdruck und Stil, Zitieren, Literaturverzeichnisse erstellen, Texte gliedern, Einbinden von Textquellen, Planung eines Schreibprojekts, Einleitung sowie Tabellen und Abbildungen. Da das Format der Coffee Lectures am KIT so erfolgreich läuft, wurde das Modell 2015 ebenfalls an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft in Abwandlung eingeführt. Die Bibliothek der ehemaligen Fachhochschule wird seit 2008 von der KIT-Bibliothek geleitet. Die dortige Schreibberatung wurde aus Sondermitteln
15 Vgl. Tangen, Diana M.: Die Coffee Lectures – Infohäppchen zur Mittagszeit in der KIT-Bibliothek. In: b.i.t.online (2015) H. 6. S. 513–515.
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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2015 über Tutorinnen des Schreiblabors am KIT ermöglicht. Seitdem übernimmt die Hochschule selbst die Schreibberatung. In fachlichen Lehrveranstaltungen im Grundstudium der Architektur, Physik und Geodäsie und Geoinformatik werden Studierende durch einzelne e-LearningModule in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt. Die Themenkomplexe umfassen bspw. Wissenschaftliches Schreiben, Vermittlung von Informationskompetenz im Allgemeinen oder die Vorbereitung auf eigene Schreibprojekte.
Zu 3: Hauptstudium Für das Hauptstudium bietet das Schreiblabor des HoC eine Vielzahl von semesterbegleitenden Seminaren zum Wissenschaftlichen Schreiben an. Das Informationskompetenz-Team der KIT-Bibliothek übernimmt in Absprache mit den jeweiligen Dozenten eine Seminareinheit. Bereits seit acht Semestern finden zudem ECTS-fähige Präsenzseminare statt, die von der Bibliothek und dem Schreiblabor gemeinsam verantwortet werden. Dazu gehört das Seminar Abschlussarbeiten vorbereiten und schreiben. Das co-moderierte Seminar hat u. a. das Ziel, auf den Grundlagenteil (also den Forschungsstand) einer wissenschaftlichen Arbeit vorzubereiten. Ein weiterer Baustein zur Förderung überfachlicher Kompetenzen im Hauptstudium ist die Kick-off Klausurenphase, die vom HoC-Lernlabor organisiert wird. Diese ganztägige Veranstaltung im Coffee Lectures-Format – im 30 Minutentakt werden parallel in zwei Räumen Vorträge zu unterschiedlichen Themen angeboten – dreht sich um das studentische Lernen und wissenschaftliche Arbeiten. Dabei geht es z. B. um Literaturrecherche und -management, Beratung zum wissenschaftlichen Lernen und Schreiben sowie um Vorträge zu Lernthemen. Zu der Veranstaltung kommen jedes Jahr 200 bis 300 Teilnehmende. Ziel ist es, den Studierenden für ihre intensive Lernphase Tipps mitzugeben, die sie dann praktisch umsetzen können.
Zu 4: Spezialisierungsphase Im fortgeschrittenen Studium steigt der Bedarf an themenfokussierten Angeboten, die individuell erreichbar sind. Der Onlinekurs Informationskompetenz methodisch planen, recherchieren, schreiben16 wurde 2015 zu diesem Zweck eingerichtet. Er hat im Vergleich zu den Präsenzkursen den Vorteil, dass er zeitlich und örtlich flexibel
16 Vgl. Dominok, Eliane, Andreas Hirsch-Weber u. Diana M. Tangen: KIT-Bibliothek und House of Competence (HoC) entwickeln den Online-Kurs Informationskompetenz: Methodisch planen, recherchieren, schreiben für Studierende der Natur- und Ingenieurwissenschaften. In: b.i.t. online (2018) H. 3. S. 228–233.
248 Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen
und nach individueller Lerngeschwindigkeit bearbeitet werden kann. Durch die Mitarbeit von Fachwissenschaftlern/innen und Studierenden aus einem breit aufgestellten Fächerspektrum bei der Erstellung des Kurses konnte ein bedarfsgerechtes und zielgruppenorientiertes Onlineseminar entwickelt werden. Auf Kursebene bedeutete dies beispielsweise, dass Übungen für bestimmte Fächer ausdifferenziert wurden. Der Kurs basiert auf einem Lehrtext, der in sechs Modulen den Weg von einer wissenschaftlich motivierten Recherche bis hin zur Verwendung von Quellen im eigenen wissenschaftlichen Text nachzeichnet. Der modulare Aufbau erlaubt es, das Kontinuum zwischen einem reinen e-Learning-Angebot gänzlich ohne Präsenzanteile, über den Einsatz als blended learningFormat mit Onlinephasen und Präsenzanteilen bis hin zur reinen Präsenzveranstaltung mit ergänzenden Onlineanteilen auszuschöpfen. Der Kurs selbst sowie die Kooperation der KIT-Bibliothek mit dem HoC wurden 2015 mit dem zweiten und im Folgejahr mit dem ersten Preis im Best-Practice-Wettbewerb der Gemeinsamen Kommission für Informationskompetenz17 ausgezeichnet. Die Weiterentwicklung des Kurses erfolgte von 2016 bis 2018 über das Förderprogramm „Digital Innovation for Smart Teaching – Better Learning“ des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums. Ein auf den individuellen Bedarf zugeschnittenes Angebot ist auch die „Lange Nacht der Abschlussarbeit“ mit Impulsworkshops, einer Podiumsdiskussion und umfassenden Beratungsangeboten. Gegründet als „Die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ wurde diese Lernform 2010 am Schreibzentrum der EuropaUniversität Viadrina entwickelt18. Die KIT-Bibliothek und das Schreiblabor beteiligen sich seit 2012 an der bundesweiten Initiative. Ein ursprünglicher Anreiz dieser Aktion für Studierende, eine ganze Nacht in der Bibliothek arbeiten zu können, entfällt bei den Karlsruher Studierenden allerdings, weil die KIT-Bibliothek seit 2006 rund um die Uhr geöffnet ist. Das knapp fünfstündige Programm widmet sich allen Facetten rund um das akademische Arbeiten. Dazu ermöglichen es verschiedene Stationen mit Lern- und Recherche-, Schreib-, Methoden- und Präsentationsexperten in individuellen Beratungen oder Gruppengesprächen Probleme zu diskutieren oder sich mit anderen Studierenden in vergleichbaren Situationen auszutauschen. Ebenfalls eingebunden sind Experten/innen der Fakultät für Maschinenbau, des Karlsruher House of Young Scientists (KHYS), der Personalentwicklung und Berufli-
17 Vgl. Gemeinsame Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv: Best-Practice-Wettbewerb 2015: Der Einsatz von E-Learning bei der Vermittlung von Informationskompetenz. https:// www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/informationskompetenz/best-practicewettbewerb/2015.html (Stand: 01.09.2018); Gemeinsame Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv: Best-Practice-Wettbewerb 2016: Kooperationen und Infrastrukturen zur Förderung von Informationskompetenz. https://www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/informationskompetenz/best-practice-wettbewerb/2016.html (Stand: 01.09.2018). 18 Siehe dazu auch den Beitrag von Girgensohn [u. a.] in diesem Band.
Informations- und Schreibkompetenzen in allen Studienphasen
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chen Ausbildung (PEBA) und des Career Service mit jeweils einer Station. Das Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) begleitet die „Lange Nacht“ mit Aktivpausen. Den Höhepunkt bildet eine Podiumsdiskussion mit wechselnden Gästen jeweils aus den Gruppen der Studierenden, Doktoranden, Wissenschaftlern/innen und Professoren/innen. Die Moderation übernimmt regelmäßig der Vizepräsident für Lehre und akademische Angelegenheiten am KIT. Themen waren z. B. einzelne Aspekte zur Abschlussarbeit, wie die persönliche Ausnahmesituation während des Schreibprozesses „Die Abschlussarbeit als Belastung“ (2013), die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit „Alles rechtens? Plagiate vermeiden durch wissenschaftlich korrektes Arbeiten“ (2014) oder die Verantwortung bzw. das Arbeitsverhältnis zwischen Betreuenden und Studierenden „Was wollen Betreuende – was können Studierende? Die Phase der Abschlussarbeit aus zwei Perspektiven“ (2015) und aktuell „Verantwortung Abschlussarbeit – Das Arbeitsverhältnis zwischen Studierenden und Betreuenden gestalten“ (2018). Die Lange Nacht ist zudem ein guter Ort, um auf die wöchentlichen Sprechstunden mit individueller Schreibberatung hinzuweisen. Im Lernzentrum der KIT-Bibliothek wird vom Schreiblabor eine offene Schreibberatung durch speziell geschulte Tutoren/innen angeboten, zu der Studierende ohne Anmeldung kommen können. Anhand von mitgebrachten Texten werden Fragen besprochen und eventuelle Fehler und Verbesserungsvorschläge diskutiert. Zusätzlich können Termine außerhalb der Sprechzeiten mit den Tutoren/innen vereinbart werden.
Zu 5: Projekte in Planung Im Rahmen der Forschungsphase für internationale Hochschulabsolventen ist derzeit ein Einführungskurs Von der Literaturrecherche zum Text geplant. Denn trotz eines Abschlusses in einem anderen Hochschulsystem ist die Zielgruppe internationaler Studierender oft unzureichend für das wissenschaftliche Arbeiten an einer deutschen Universität vorbereitet. Deshalb sind spezifische Unterstützungsangebote für diese Studierenden ein wichtiger Baustein zum wissenschaftlichen Erfolg am KIT. Ein weiteres bereits begonnenes Projekt ist die Erstellung eines neuen e-Learning-Moduls Gute wissenschaftliche Praxis und Plagiatsprävention. Das gemeinsame Projekt wurde von der KIT-Leitung und dem Ombudsmann zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis angeregt. Grundlage sind die KIT-Satzung (2018)19 bzw. DFG-
19 Karlsruher Institut für Technologie 2018: Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). https://www.sle.kit.edu/downloads/AmtlicheBekanntmachungen/2018_AB_032.pdf (Stand: 01.09.2018).
250 Andreas Hirsch-Weber und Diana M. Tangen
Empfehlungen (2013)20 sowie die Standards für richtiges Zitieren und das aktuelle Urheberrecht.
Fazit Um auf die eingangs formulierte Frage zurückzukommen: Schreibzentren und Bibliotheken sind – vor allem verbunden durch eine enge Kooperation – durchaus geeignete Orte, um Schreib- sowie Informationskompetenzen an zentraler Stelle zu vermitteln. Die Karlsruher Erfahrung zeigt, dass eine funktionierende Kooperation zwischen Bibliothek und Schreibzentrum dazu führen kann, dass die kooperierenden Einrichtungen sich nicht gegenseitig Mittel „abgreifen“, sondern diese ganz im Gegenteil für gemeinsame Ziele einwerben können. Dies gelingt aber nur, wenn man ein aufeinander abgestimmtes Angebot in den jeweiligen Lehr- und Angebotsportfolios vorzuweisen hat. Auf diese Weise erwächst Zuspruch nicht nur von den Studierenden, sondern auch von den Fachwissenschaftlern/innen. Aufgrund der Expertisen, die die Mitarbeiter/innen jeweils miteinbringen, können wir begründet behaupten, dass am KIT und darüber hinaus die Angebote zur Förderung des Wissenschaftlichen Schreibens als zuständig, sinnvoll und wirkungsvoll angesehen werden. Wir sind davon überzeugt, dass wir diese Resonanz – würden wir unabgestimmt agieren – so nicht erhalten würden. Das ermutigt uns, weitere Angebote zu entwickeln und auszutesten. Denn der Bedarf an Unterstützungsangeboten für Studierende, das zeigt auch vorliegendes Handbuch, wird auf dem Gebiet des Wissenschaftlichen Schreibens eher wachsen als zurückgehen.
20 Deutsche Forschungsgemeinschaft: Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis: Denkschrift; Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. Weinheim: Wiley-VCH 2013.
Sabine Rahmsdorf und Melanie Fröhlich
Schreibort Bibliothek? Studierende beim Schreiben unterstützen – personelle und räumliche Ressourcen an der Universität Bielefeld Abstract: Die Bibliothek ist – wenn auch meist implizit – ein Schreibort par excellence. In der Universitätsbibliothek Bielefeld werden Studierende in vielfältiger Art und Weise beim Schreiben unterstützt. Einerseits gezielt durch eine Schreibberatung die im Lernort.plus angeboten wird. Andererseits durch ein ausdifferenziertes räumliches Angebot, das auf unterschiedliche Bedürfnisse beim Schreiben reagiert. Denn je nach individueller Präferenz, Schreibauftrag oder auch fachkultureller Prägung wird sich die Wahl des Ortes beim Schreiben unterscheiden. Im Artikel stellen wir die Konzeption der Universitätsbibliothek als Lern- und Arbeitsort vor und fundieren unsere Überlegungen anhand von Studierendenbefragungen der letzten Jahre. Außerdem zeigen wir, wie das Serviceangebot der Bibliothek durch die Kooperation mit dem Zentrum für Lehren und Lernen erweitert werden konnte. Schlüsselbegriffe: Schreibort, Lernort, Raumwahl beim Schreiben, Schreibberatung, bibliothekarische Beratung, Kooperation zwischen Bibliothek und Hochschuldidaktik, Serviceangebote in der Bibliothek Kurzbiografien: Sabine Rahmsdorf studierte Germanistik, Geschichte und Anglistik an der Universität Hannover und hat dort 1997 im Fach Germanistik promoviert. Nach dem Bibliotheksreferendariat für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst an der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, und der Fachhochschule Köln ist sie seit 2001 an der Universitätsbibliothek Bielefeld beschäftigt. Sie ist Baubeauftragte der Bibliothek und seit 2015 Dezernentin für Bibliotheksbenutzung. Kontakt: [email protected] Melanie Fröhlich studierte Angewandte Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Seit 2010 ist sie für das Zentrum für Lehren und Lernen im Team Hochschuldidaktik und Lehrentwicklung tätig. Im Projekt Peer Learning, das über den Qualitätspakt Lehre gefördert wird, ist sie für die Qualifizierung von Tutor/innen verantwortlich und engagiert sich für eine kooperative Studien- und Lehrkultur. Sie hat am Konzept des ersten Lernorts an der Universität Bielefeld mitgearbeitet und 2017 gemeinsam mit ihren Kolleginnen Christiane Henkel und Anna Surmann das Buch „Zusammen schreibt man weniger allein“ geschrieben. Kontakt: [email protected]
https://doi.org/10.1515/9783110594140-023
252 Sabine Rahmsdorf und Melanie Fröhlich
Einführung Es fällt auf, dass für Bibliotheken – soweit sie in ihrer räumlichen Dimension betrachtet werden – von Lesesälen, Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen oder, seit einigen Jahren, von Lern- und Arbeitsorten gesprochen wird, aber nicht explizit von Schreiborten. Das ist auch für die Universitätsbibliothek in Bielefeld der Fall. Dieser Artikel geht dem Schreibort Bibliothek daher auf die Spur und sucht nach Antworten auf die Fragen: Welche Orte suchen Studierende zum Schreiben auf? Wie nutzen sie bislang die Räumlichkeiten der Bibliothek zum Schreiben? Welche Bedürfnisse beim und Vorstellungen vom Schreiben haben sie? Inwiefern unterstützt die Bibliothek Studierende bislang beim Schreiben durch Räume, Ausstattung und Beratung? Welche Weiterentwicklungen wären sinnvoll und vorstellbar? Wir reflektieren dazu die Kooperation zwischen der Bibliothek und dem Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL), wo mit dem Schreiblabor1 und dem Projekt Peer Learning die schreibdidaktischen Angebote verankert sind, stellen die Konzeption der Universitätsbibliothek als Lern- und Arbeitsort vor und fundieren unsere Überlegungen anhand von Studierendenbefragungen der letzten Jahre.
Kooperation zwischen der Universitätsbibliothek und dem Zentrum für Lehren und Lernen An der Universität Bielefeld ist die Kooperation zwischen der Universitätsbibliothek und dem Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL) auf das Engste mit der gemeinsamen Entwicklung eines ersten Lernortes innerhalb der Bibliothek verknüpft. Die Überlegungen waren dabei von Beginn an auf die Bibliotheksnutzer/innen, d. h. hier insbesondere die Studierenden fokussiert. Das gemeinsame Ziel, attraktive und bedarfsorientierte Lernorte für Studierende zu entwickeln, stand dabei an der Wiege der Kooperation. Dazu wurden die verschiedenen, sich ergänzenden Expertisen der jeweiligen Einrichtungen in den Prozess eingebracht und ein neuartiges beratendes Angebot entwickelt. Dieses erweitert wichtige Themenfelder bibliothekarischer Beratung – wie Recherche nach Literatur und Information, deren Bewertung und Verarbeitung, z. B. in der Literaturverwaltung – um eine Schreibberatung und ist dabei unmittelbar in einem Lernort innerhalb der Bibliothek verortet.
1 Das Schreiblabor wurde bereits 1993 an der Universität Bielefeld nach amerikanischen Vorbildern gegründet und hat als erstes seiner Art in Deutschland damit Vorreiterfunktion.
Schreibort Bibliothek?
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Lernort.plus – ein Ort für Austausch und Zusammenarbeit 2011 schien an der Universität Bielefeld die Zeit reif für die Einrichtung eines ersten Lernortes. In der Bibliothek gab es Überlegungen, das Spektrum der angebotenen Arbeitsplätze um eine neue Qualität zu erweitern, um Orte, die Kommunikation und kollaboratives Arbeiten ebenso ermöglichen, wie Begegnung und Entspannung in einer anregenden Atmosphäre. Diese Überlegungen standen im Kontext der Diskussion in der bibliothekarischen Fachcommunity der letzten Jahre.2 Im Zentrum für Lehren und Lernen wurde zu diesem Zeitpunkt das vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft geförderte Projekt „Wege zu einer neuen Studien- und Lehrkultur“ durchgeführt, das für das Teilprojekt Peer Learning die Etablierung eines studentischen Lernzentrums vorsah. Auf Initiative der Bibliothek wurde eine universitätsweite AG Lernorte initiiert, in der Vertreter/innen aus verschiedenen Einrichtungen3 zusammenkamen und gemeinsam die Thematik der universitären Lernorte in den Blick nahmen.4 In der Bibliothek konnte mit dem Informationszentrum ein Ort identifiziert werden, der für die Entwicklung eines Lernortes in mehrfacher Hinsicht besonders geeignet erschien: – die zentrale bibliothekarische Auskunft und Beratung war und ist hier verortet, – der Raum verfügte über eine großzügige Fläche und durch die Auslagerung von Buchbeständen ins Magazin konnte Platz für weitere Arbeitsplätze geschaffen werden, – der Raum hatte eine relativ zentrale Lage, war gut erreichbar, – sowie hell und freundlich durch Lichtkuppeln. Zum Wintersemester 2011/12 wurde hier ein Lernzentrum mit 100 Arbeitsplätzen für Austausch und Zusammenarbeit eingerichtet: der Lernort.plus5. Das Konzept wurde in Kooperation von Bibliothek und dem am ZLL angesiedelten Projekt Peer Learning entwickelt. Dabei wurden insbesondere Ergebnisse aus der Studierendenumfrage
2 Vgl. z. B. Eigenbrodt, Olaf: Definition und Konzeption der Hochschulbibliothek als Lernort. In: ABI-Technik (2010) Nr. 4. S. 252–260; Gläser, Christine: Die Bibliothek als Lernort: Neue Servicekonzepte. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2008) Nr. 2. S. 171–182; Beiser, Sylvia: Lernort Bibliothek. In: BIT online (2008) Nr. 4. S. 431–437; Wittenauer, Volker; Neumann, Marlene (2015): Von der Bibliothek zum Lernort – Ganzheitliche Konzepte für studentische Lernräume. In: Bibliotheksdienst (2015) H. 10–11. S. 1053–1063. 3 Hochschulrechenzentrum, E-Learning, Referat für Kommunikation; Referentin für Studium und Lehre, Referentin des Baudezernats. 4 Ein Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ist die Erstellung eines Überblicks aller Lernorte an der Universität Bielefeld, die in aktualisierter Form unter nachstehendem Link einzusehen ist: http://www. uni-bielefeld.de/(de)/lernorte/ (Stand: 17.08.2018). 5 Der Lernort wurde zunächst nach seiner räumlichen Lage benannt, der spätere Name Lernort.plus betont das „plus“ an Beratung.
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„Lernorte und Lernformen an der Universität Bielefeld“ zu Grunde gelegt, die im Frühjahr 2011 mit mehr als 1000 ausgefüllten Fragebögen abgeschlossen werden konnte. Die Studierenden wünschten sich vor allem Gruppenarbeitsplätze und – auch auf Grund ihrer langen Verweildauer an der Universität – Entspannungsmöglichkeiten. Insbesondere wünschten sie sich einen frei zugänglichen Raum, um darin unangemeldet und gemeinsam mit anderen zu lernen (75 %), zu schreiben (59 %), zu präsentieren (53 %) und zu lesen (53 %). Selbst für vermeintlich stille und individuelle Aktivitäten wie Schreiben und Lesen wünschten sich Studierende Gruppenarbeitsplätze. Die Überlegungen zur Gestaltung orientierten sich im Wesentlichen an den Ergebnissen der Studierendenumfrage, die vor allem deutlich gemacht hatten, dass es nicht nur um die Schaffung weiterer Arbeitsplätze, sondern um Arbeitsplätze einer anderen Qualität ging. Am besten lässt sich diese Qualität mit dem Begriff des „third place“6 beschreiben, womit Räume des Dazwischens bezeichnet werden, deren Nutzung sich zwischen formell und informell bewegt. In der Umsetzung hieß das, einen Raum zu schaffen, der nicht so restriktiv ist wie beispielsweise ein Lesesaal mit dem hier üblichen Gebot der Stille, der aber dennoch die gute Arbeitsatmosphäre einer Bibliothek aufweist und trotzdem an ein Wohnzimmer erinnert. Weitere leitende Gestaltungsprinzipien waren Flexibilität und Offenheit: Studierende sollen sich ihren Arbeitsplatz nach den jeweiligen Bedürfnissen und Anforderungen selbst „zurechtrücken können“7. Im Zuge der umfassenden Modernisierungsarbeiten am Universitätshauptgebäude (UHG), in dem die Bibliothek untergebracht ist, wurden der Lernort.plus und das Informationszentrum 2014 in einer Interimslösung innerhalb der Bibliotheksflächen verlagert. Nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts im UHG werden beide in eine neue Fläche umziehen, die zentral über den neu zu schaffenden Bibliothekshaupteingang erreichbar sein wird.
6 „Third places are neither home nor work – the first two places – but venues like coffee shops, bookstores and cafés in which we find less formal acquaintances. These comprise the heart of a community’s social vitality where people go for good company and lively conversation.“ In: Florida, Richard: The Rise of the Creative Class: And How It’s Transforming Work, Leisure, Community and Everyday Life. New York, NY: Basic Books 2000. S. 262. 7 Für eine ausführlichere Beschreibung des Konzepts s. Frank, Andrea [u. a.]: Es ist wie im Wohnzimmer, aber trotzdem Uni. Lernräume für eine Kultur der Kommunikation und Kooperation gestalten. In: Forschungsgeleitete Lehre in einem Massenstudium. Bedingungen und Möglichkeiten in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Hrsg. von R. Egger [u. a.]. Springer Verlag: Wiesbaden 2015 (Lernweltforschung 13). S. 127–142.
Schreibort Bibliothek?
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Lernort.plus: Ein „Plus“ für Beratung Der Mehrwert der Kooperation zwischen Bibliothek und dem Zentrum für Lehren und Lernen zeigte sich insbesondere in der Erweiterung des Beratungsangebots vor Ort. Die zentrale bibliothekarische Auskunft und Beratung ist montags bis freitags von 8.00 bis 18.00 Uhr besetzt und steht auch Studierenden, die im Lernort.plus arbeiten, zur Verfügung. Zu bestimmten Sprechzeiten – derzeit dienstags bis donnerstags von 14.30 bis 16.00 Uhr – sind außerdem studentische Schreibberater/innen vor Ort. Für die Schreibberatungen steht ein kleiner Beratungsraum zur Verfügung, der auch für individuelle Beratungen außerhalb der Sprechzeiten genutzt wird. Jährlich führen die Schreibtutor/innen rund 200 Beratungen durch, wobei ein Großteil aus individuellen Anfragen resultiert. Auch der „Lange Tag der aufgeschobenen Hausarbeiten“8 wird von ihnen seit 2012 jährlich mit bis zu 100 Studierenden im Lernort.plus durchgeführt und nutzt die idealen räumlichen Bedingungen für ein nebeneinander Schreiben, das für die Teilnehmer/innen sehr motivierend wirkt. Die studentischen Schreibberater/innen werden über das Modul „Studien- und berufsrelevante Kompetenzen: Schreiben, Lernen, Präsentieren“ ausgebildet, das 10 Leistungspunkte umfasst und im Individuellen Ergänzungsbereich angerechnet werden kann. Mitarbeiter/innen des Zentrums für Lehren und Lernen, insbesondere des Schreiblabors und des Projekts Peer Learning, qualifizieren interessierte Studierende nach Ansätzen der prozessorientierten Schreibdidaktik und des Peer Tutorings.9 Ausgewählte Studierende, die die Qualifizierung abgeschlossen haben, können dann als studentische Mitarbeiter/innen im Team Peer Learning für den Schwerpunkt Schreibberatung tätig werden. Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich die Erwartung, dass sich Beratungen mehrheitlich spontan vor Ort ergeben, wenn Studierende an ihren Schreibprojekten arbeiten, nur bedingt erfüllt. Dies gilt in ähnlicher Weise für die gezielte Inanspruchnahme der bibliothekarischen Auskunft und Beratung durch Studierende, die im Lernort.plus arbeiten. Hier sind die Angebote stärker zu bewerben, um die Zielgruppe besser zu erreichen. Denn Präsenz und Sichtbarkeit der Beratungsmöglichkeiten sind ein wichtiger Serviceaspekt. Aber auch das Label, hier „Lernort. plus“, weckt Erwartungen bei den Nutzer/innen. Mit einer aktuellen Kurzbefragung der Nutzer/innen,10 die ein schlaglichtartiges Feedback bietet, wollten wir heraus-
8 Die bundesweite Veranstaltungsinitiative „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ wird an der Universität Bielefeld als „Langer Tag …“ durchgeführt. 9 Vgl. Henkel, C. u. J. Witt: Das Konzept des Peer Tutoring in der Praxis der Schreibberatung einer Hochschule. Die studentische Schreibberatung skript.um im Schreiblabor der Universität Bielefeld. In: Textwissen und Schreibbewusstsein. Hrsg. von J. Berning. Berlin: LIT Verlag 2011 (Beiträge aus Forschung und Praxis). S. 295–307. 10 Im Juni 2018 haben wir über einen kurzen Fragebogen Rückmeldung von 24 Studierenden erhalten.
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finden, wie der Lernort.plus genutzt wird. Es zeigt sich deutlich, dass er primär als Ort für gemeinsames Lernen und Austausch wahrgenommen wird: 19 (24) kommen hierher, wenn sie sich mit anderen austauschen möchten, 18 (24) wenn sie mit anderen zusammenarbeiten möchten und 16 (24) wenn sie lernen wollen. Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich der Lernort auch als Schreibort, da schließlich auch 11 (24) Befragte hier schreiben. Interessant ist, welche Schreibpräferenzen und -vorstellungen in der weiteren Betrachtung der Befragung deutlich werden. Für 13 (24) der Befragten eignet sich der Lernort.plus nicht zum Schreiben, was hauptsächlich mit der größeren Unruhe begründet wird. 9 (24) geben ganz entgegengesetzt an, dass sie den Lernort.plus gezielt zur Arbeit an Schreibprojekten nutzen, da sie genau diese Lernatmosphäre als angenehm empfinden und es ihnen wichtig ist, sich mit anderen auszutauschen, zusammenzuarbeiten und Hilfe von anderen einholen zu können. Gezielt werden auch die Lernboxen genutzt.11 Neben der individuellen Präferenz bei der Schreibortwahl spielen hier sicherlich auch die Schreibaufträge selbst eine Rolle (bspw. die Anforderung mit anderen zusammen ein Schreibprojekt zu bearbeiten, wie bei einer Gruppenhausarbeit). Sehr deutlich wird, dass Schreiben keine individuelle Tätigkeit sein muss, die ausschließlich im Lesesaal oder am heimischen Schreibtisch ausgeführt werden kann und v. a. Stille und Selbständigkeit verlangt, denn immerhin 25 % betonen, dass andere den eigenen Schreibprozess unterstützen können, sei es durch Austausch, Denkanstöße, Rückmeldung, das Klären von Fragen, Diskussion, gemeinsame Auswertung und Ergebnisüberprüfung.12 Einerseits fällt auf, dass für die Hochschulausbildung gruppen-, team- und projektorientiertes Arbeiten stark an Bedeutung gewinnen,13 andererseits gibt es auch Indizien dafür, dass Austausch auf Peer-Ebene als sehr hilfreich erlebt wird und zum Studienerfolg entscheidend beitragen kann.14 Nichtsdestotrotz scheint bei Studierenden eher ein enger Begriff vom Schreiben vorzuherrschen, der v. a. auf das „Schreiben an sich“ (Rohfassung schreiben, Text überarbeiten, …) fokussiert ist, nicht aber den gesamten Schreibprozess mit all seinen Möglichkeiten für Austausch, Feedback und Zusammenarbeit bei der Planung, Durchführung und
11 Dabei handelt es sich um schallabsorbierende Kabinen für bis zu 4 Personen, die als Raum im Raum-Konzept fungieren. 12 Vgl. Fröhlich, Melanie [u. a.]: Zusammen schreibt man weniger allein. (Gruppen-)Schreibprojekte gemeinsam meistern. Opladen [u. a.]: Budrich 2017. 13 Vgl. Hutzler, Evelinde [u. a.]: Lern(t)räume an der Universität Regensburg. Perspektiven für ein bedarfsorientiertes, gemeinsames Angebot von Bibliothek und Rechenzentrum. In: B.I.T. online (2011) Nr. 4. S. 374. 14 Das belegt einerseits eine Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (vgl. Lah [u. a.] 2017: 40), die nachweist, dass Studierende mit einer hohen sozialen Adaption weniger häufig von Studienabbruch betroffen sind. Andererseits zeigt eine aktuelle Absolventenbefragung der Universität Bielefeld, dass Studierende aller Fächer (74,3 %, n=740) angeben, überdurchschnittlich stark vom Austausch mit Kommilitonen zu profitieren und dies entscheidend zum Erlernen fachspezifischer Schreibfähigkeiten beigetragen habe.
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Überarbeitung15 in den Blick nimmt und eine Präferenz für ruhigere Schreiborte erklärt. Daher könnte es vielversprechend sein, noch stärker Angebote im Lernort. plus zu platzieren, die die räumlichen Möglichkeiten nutzen und speziell auf Formen von Zusammenarbeit beim Schreiben ausgerichtet sind. Denkbar wären u. a. (autonome) Schreibgruppen, d. h. Studierende, die an Schreibprojekten arbeiten und sich dazu regelmäßig mit einer Gruppe treffen, um am Ball zu bleiben, aber auch um über die Schreibprojekte in den Austausch zu kommen. Auch von Schreibtutor/innen können diese Gruppen initiiert und / oder begleitet werden.
Die Universitätsbibliothek als Lern-, Arbeitsort – und auch als Schreibort! Die Universitätsbibliothek ist ein einschichtiges Bibliothekssystem. Als Freihandbibliothek sind rund 95 % des 2,3 Mio. Bände umfassenden Bestandes fachsystematisch in den Lesesälen aufgestellt. Hier bietet die Bibliothek insgesamt rund 2.300 Arbeitsplätze in verschiedener Konstellation an, die als Gesamtheit den Lern- und Arbeitsort Bibliothek bilden. Die Universitätsbibliothek ist in das 1976 fertiggestellte zentrale Universitätshauptgebäude (UHG) integriert, das in der ursprünglichen Konzeption sämtliche Fakultäten und Einrichtungen der Universität unter einem Dach vereinigte. Im Zuge der über mehrere Bauabschnitte und einen längeren Zeithorizont erfolgenden Modernisierung des UHG wurden mehrere Fachbibliotheken aus dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächerspektrum zusammen mit weiteren Fakultäten und Einrichtungen 2014 in einem Neubau („Gebäude X“) untergebracht und damit das zentrale Bibliothekskonzept grundlegend verändert. Die Weiterentwicklung der Bibliothek als Lern- und Arbeitsort richtet sich eng an Wünschen und Anforderungen der Nutzer/innen, primär der Studierenden,16 aus. Hierzu führen wir regelmäßige Nutzerbefragungen durch, darunter zuletzt zwei groß angelegte Studierendenumfragen in den Jahren 2016 (n=622) und 2017 (n=1200).17 Für die Universitätsbibliothek kann aus den Befragungsergebnissen abgeleitet werden, dass
15 Vgl. Fröhlich, Zusammen (wie Anm. 12). 16 Zum Wintersemester 2016/17 waren 24.255 Studierende an der Universität Bielefeld eingeschrieben, vgl. Daten 2017. Statistisches Jahrbuch der Universität Bielefeld, http://www.uni-bielefeld.de/ Universitaet/Ueberblick/Organisation/Verwaltung/Dez_I/Controlling/Statistisches-Jahrbuch2017_Web.pdf (Stand: 29.09.2018). 17 Lern- und Arbeitsort Bibliothek, Studierendenbefragung der Universitätsbibliothek Bielefeld 2016 (n=622); Studierendenbefragung in nordrhein-westfälischen Hochschulbibliotheken 2017 (n=1200). Zusammenfassung der Ergebnisse s. https://www.ub.uni-bielefeld.de/biblio/ranking/ (Stand: 29.09.2018).
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das Angebot an Einzel- und PC-Arbeitsplätzen sehr geschätzt (v. a. auch im Hinblick auf Ruhe) und stark genutzt wird, v. a. beim Ausbau der Gruppenarbeitsplätze Bedarf besteht, aber auch PC-Arbeitsplätze gefordert werden, der Ausbau der Gruppenarbeitsplätze nicht auf Kosten der Einzelarbeitsplätze geschehen sollte, sich Studierende eine klare Zonierung, d. h. eine klare Gestaltung und transparente Ausweisung von ruhigen und kommunikativen Bereichen, wünschen, Verbesserungswünsche stark auf atmosphärische Aspekte (wie bspw. Temperatur, Lautstärke, bequemes Mobiliar, Licht und Beleuchtung) und technische Ausstattung (Steckdosen, PCs, Kopierer, Drucker, Scanner) abzielen.
Diskussionsräume für Zusammenarbeit Um in der Bibliothek gemeinsam lernen, Referate erarbeiten oder Hausarbeiten schreiben zu können, stehen 23 Diskussionsräume mit sechs bis 20 Plätzen für studentische Kleinarbeitsgruppen zur Verfügung. Sie entstanden im UHG durch sukzessive Umwidmung vorhandener Räume ganz unterschiedlicher Größe, in denen z. T. zwei bis drei Gruppen parallel arbeiten können. Im neuen Bibliotheksbereich im Gebäude X konnten zehn Diskussionsräume mit einheitlich sechs bis zehn Plätzen bereits in das Raumprogramm eingebracht und realisiert werden. In allen Räumen stehen in unterschiedlicher Variation Hilfsmittel für das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten, zum Visualisieren und Präsentieren zur Verfügung, mithin also auch für gemeinsame Schreibprojekte. Dazu gehören neben Smartboards und mehreren großen Monitoren, an die z. B. ein privates Notebook angeschlossen werden kann, auch analoge Hilfsmittel wie Whiteboard oder Kreidetafel. Das Nutzungskonzept sieht diese Räume für selbst organisierte studentische Kleingruppen vor. Bestandteil dieses Konzepts ist bisher die Nutzung der Räume ohne Reservierung. Allerdings stößt dieses Konzept mittlerweile bei den besonders beliebten neueren Räumen der Fachbibliothek im Gebäude X an seine Grenzen. Hier übersteigt die Nachfrage die verfügbaren Kapazitäten deutlich. Um mehr Planbarkeit für die Nutzer/innen zu erreichen und die Raumnutzung besser zu steuern, ist daher ein Online-Reservierungstool in Planung.
Zusammen arbeiten – an anregenden Orten, in angenehmer Atmosphäre: im Lernort Der Lernort.plus war der Prototyp für eine neue Kategorie von Gruppenarbeitsplätzen in der Lesesaalfläche. Hinsichtlich der Ausstattung war er zunächst ein Experimentierfeld für flexibles und vielfältiges Mobiliar, mehr Farbe und Abwechslung. Es
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entstand eine bunte Landschaft mit Sitzsäcken, kombinierbaren und farbigen Tischen, Hochtischen mit Barhockern und Sofas. Für Konzentration und Kreativität, Denk- und Schreibarbeit aber auch für informelle Gespräche und Kommunikation wurde ein anregender Raum geschaffen, der zum Wohlfühlen einlädt. Für Zusammenarbeit und Visualisierung stehen ein Smartboard und mehrere Whiteboards zur Verfügung. Drei weitere Lernorte mit vergleichbarer Ausstattung in anderen Teilen der Bibliothek folgten, hier jedoch ohne begleitende Beratungsangebote. Lernorte in einer Lesesaalfläche sind relativ leicht umsetzbar und bleiben leichter modifizierbar als gebaute Strukturen. Das Raumkonzept hat jedoch auch seine Schwachpunkte. Gegenseitige Störungen können nicht ganz vermieden werden. Tatsächlich würden studentische Arbeitsgruppen oftmals einen eigenen Raum bevorzugen, der mehr Diskretion ermöglicht. So wünschten sich Studierende in unserer Befragung zum Lern- und Arbeitsort Bibliothek 2016 mehr Diskussionsräume. Daher sollen Gruppen in den Lernorten nun die Möglichkeit erhalten „ihren“ jeweiligen Platz als „Raum im Raum“ zu gestalten. Zwei Lernboxen stehen im Lernort.plus zur Verfügung. Mobile kleine Stellwände, die zugleich schallabsorbierend sind, eröffnen die Möglichkeit, sich kleinere angedeutete Binnenräume für die eigene Gruppe zu schaffen. Die Mobilität des Mobiliars ist hier ein wichtiger Aspekt, damit die in den Lernorten angebotene Fläche mit ihrer Ausstattung immer wieder neu von den jeweils anwesenden Gruppen gestaltet werden kann.
Wer schreibt schon noch „mit der Hand“? – Den Lesesaalplatz auch als Schreibplatz denken Auch das konzentrierte und stille Selbststudium braucht weiterhin gute und zeitgemäße Orte. So stuften in der Befragung zum Lernort Bibliothek 2016 49 % der Befragten Einzelarbeitsplätze als wichtiger ein als Gruppenarbeitsplätze, 28 % hielten beide Optionen für gleich wichtig und nur 23 % waren Gruppenarbeitsplätze wichtiger als Einzelarbeitsplätze. Allerdings wandeln sich die Anforderungen an den klassischen Lesesaalplatz. Tisch und Stuhl allein reichen nicht mehr aus. Stromanschlüsse und Netzzugang gehören ebenso zur Grundausstattung aller Formen von Arbeitsplätzen. Über WLAN ist im gesamten öffentlichen Bibliotheksbereich eine Netzanbindung gewährleistet. Während der neuere Bibliotheksbereich im Gebäude X von vornherein an jedem Einzelarbeitsplatz eine Steckdose vorsah, sind nach intensiver Nachrüstung auch in den Bibliotheksflächen des UHG inzwischen 78 % der Arbeitsplätze mit Steckdosen ausgestattet, eine lohnende Investition, die die Nutzung der Bibliothek als Ort zum Schreiben sehr unterstützt – denn zumindest längere Texte dürften kaum noch mit der Hand geschrieben werden.
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Ein weiterer „Klassiker“ sind stationäre PC-Arbeitsplätze. Die Nachfrage ist hoch, da sie für Hochschulangehörige nach entsprechendem Login eine integrierte Angebotspalette bereithalten: Internetzugang, Recherchetools und Informationsressourcen der Bibliothek, Zugriff auf Softwarepaket und persönliches Netzlaufwerk des Bielefelder IT-Servicezentrum (BITS). Druckaufträge können über das Print-Managementsystem erstellt und u. a. an in der Bibliothek aufgestellten Multifunktionsgeräten kostenpflichtig ausgeführt werden. Obwohl Smartphone, Notebook und Co. fester Begleiter der Studierenden im Hochschulalltag sind, sind diese Plätze nicht verzichtbar, da sie eine attraktive und integrierte Infrastruktur anbieten, die eine leistungsfähige Alternative zum eigenen mobilen Gerät darstellt. Neben vielen anderen Nutzungsmöglichkeiten ist diese Basisinfrastruktur eben auch notwendige Voraussetzung, um die intensive Arbeit an Schreibprojekten in der Bibliothek zu unterstützen. Aufgrund der Nachfrage wird das Angebot von derzeit 165 Plätzen daher weiter moderat ausgebaut.
Der „eigene“ Platz ist der Liebste Ein Platz zum Arbeiten in der Bibliothek wird immer nur temporär genutzt und ist kein persönlicher Ort. Der Wunsch, einen solchen Platz zumindest für die Dauer der Anwesenheit als „eigenen“ Ort zu erleben, ist aber vielfach da. Wenn ein Gefühl von Privatheit und Individualität am Arbeitsplatz hergestellt werden kann, trägt dies zum Wohlbefinden und damit zur positiven Lernatmosphäre bei. Wir versuchen auf verschiedene Weise dieses positive Erleben des eigenen Arbeitsplatzes zu unterstützen: Examenskandidaten können für die Dauer ihrer Abschlussarbeit einen für sie persönlich reservierten und nach Möglichkeit selbst gewählten Arbeitsplatz im Lesesaal erhalten, an dem benötigte Literatur als Tischapparat verfügbar ist. Dieses durchaus traditionelle Bibliotheksangebot wird ergänzt um insgesamt 150 Rollcontainer, die zur Nutzung an diesem Arbeitsplatz längerfristig entliehen werden können, um persönliche Arbeitsmaterialien sicher zu deponieren. Im Bibliotheksbereich im Gebäude X sind alle Einzelarbeitsplätze mit individuellen Tischleuchten ausgestattet. Um die für Arbeitsplätze vorgesehene Beleuchtungsstärke von 500 Lux zu erreichen, sind sie nicht notwendig. Aber sie ermöglichen eine individuelle Beeinflussung der Beleuchtung und machen den Platz so zum persönlichen und „eigenen“ Ort. Eine Ausdehnung der Tischleuchten auf die gesamte Bibliothek wird immer wieder als Wunsch von Nutzer/innen geäußert. Noch in Planung ist, in ausgewählten Bereichen Einzelarbeitsplätze durch Stellwände oder Auf-Tisch-Blenden stärker zu untergliedern, um so Plätze zu schaffen, die mehr Diskretion ermöglichen.
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„Power Napping“ in der Bibliothek? Während eines langen Unitages auch mal die Beine hochlegen, um die Konzentrationsfähigkeit zu regenerieren – warum nicht in der Bibliothek? Natürlich bietet der Campus auch viele andere Möglichkeiten, eine Pause zu machen. Die Besonderheit der Bibliothek ist jedoch gerade die Ruhe im öffentlichen Raum. Das war der Ausgangspunkt für das Experiment, ca. 50 Relaxliegen an geeigneten Stellen in den Lesesälen aufzustellen. Sie werden zum Power-Napping oder bequemen Lesen gerne genutzt. Im Lern- und Arbeitsort Bibliothek kleine Inseln der Ruhe einfach zur Erholung zu bieten, auch das trägt zum erfolgreichen Schreiben und Lernen bei. In der Gesamtheit bietet die Bibliothek eine vielfältige Infrastruktur, die verschiedene Arbeits-, Lern- und eben auch Schreibszenarien – gemeinsam oder allein – ermöglichen und unterstützen soll. Dabei ist Flexibilität ein wichtiges Element. Diese Infrastruktur umfasst, neben den Räumlichkeiten, den technischen und sonstigen Ausstattungen, die hier im Fokus der Betrachtung standen, natürlich auch die Gesamtheit der hier nutzbaren Medien in analoger oder elektronischer Form. Wie Nutzer/innen diese Angebote tatsächlich nutzen, kann und soll nur moderat gesteuert, aber nicht eindimensional vorgegeben werden. Bei der Gestaltung dieser Infrastruktur sollte das Schreiben in der Bibliothek als eine mögliche Nutzungsform mit spezifischen Bedürfnissen aber durchaus gezielter in den Blick genommen werden als bisher.
Abschluss und Ausblick Bislang existiert an der Universität Bielefeld kein Lernort, der explizit als „Schreibort“ konzipiert wurde und als solcher auch adressiert wird. Und dennoch ist die Bibliothek ein Schreibort par excellence. Es ist zu vermuten, dass überall, wo Studierende in der Bibliothek einen Arbeitsplatz vorfinden, dieser auch zum Schreiben genutzt wird. Je nach individueller Präferenz, fachkulturellen Prägungen und Anforderungen oder Art des Schreibprojekts kann es zu sehr unterschiedlichen Vorlieben bei der Wahl des Ortes kommen. Der Kurs der Universitätsbibliothek, ein ausdifferenziertes Angebot an Arbeitsplätzen zu machen, reagiert hierauf. Dennoch scheint es ebenso lohnenswert gezielt Schreiborte zu schaffen. Für Beratungsangebote rund ums Schreiben, wie sie an der Universität Bielefeld von der Bibliothek und der studentischen Schreibberatung des ZLL gemacht werden, wäre damit die Chance verbunden, Schreibende unmittelbarer in ihrem Tun, d. h. im Schreibprozess selbst zu erreichen. Wo solche Orte entstehen und wie sie ausgestaltet werden könnten, kann sehr unterschiedlich beantwortet werden. Dabei scheint das Ausbalancieren zwischen einer guten Arbeitsatmosphäre, für die Bibliotheken stehen, und einer informellen Atmosphäre, wie sie bspw. eher in Cafés vorherrscht,
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von zentraler Bedeutung zu sein. Von den jeweiligen Rahmenbedingungen und Ressourcen der Bibliotheken und Hochschulen wird es abhängen, ob solche Orte noch in der Bibliothek angesiedelt werden können oder aber die Bibliothek verlassen. Eine Anregung geht noch von einer Studentin aus, die sich wünscht, dass „mehr Studierende aus derselben Fachrichtung am selben Ort zusammen kommen würden“. Es liegt nahe, dass insbesondere Kommilitonen/innen aus dem gleichen Fach als hilfreich empfunden werden, da sie über Erfahrungen mit ähnlichen Schreibaufgaben und Textsorten verfügen, sich mit den fachspezifischen Anforderungen auseinandergesetzt haben und auch mit den fachspezifischen Inhalten vertraut sind. An der Universität Bielefeld wird Schreiben stark als etwas Fachspezifisches verstanden und davon ausgegangen, dass sich Schreiben je nach Domäne unterscheidet, was durch die Inhalte, Forschungsmethoden sowie die Textsorten des jeweiligen Faches bedingt ist.18 All das würde für Schreiborte mit einer räumlichen Nähe zum Fach sprechen. Dann könnten solche Orte die fachliche Anbindung und die Identifikation mit dem Fach stärken. Insbesondere wenn Lehrende oder studentische Tutoren des Faches vor Ort und für Fragen ansprechbar wären, wie das v. a. in mathematischen Lernzentren bereits praktiziert wird. Übertragen auf die Bibliothek, könnten in den Fachbibliotheken solche Ansätze verfolgt werden. Unabhängig von konkreten räumlichen Lösungen, die notwendigerweise immer an lokale Rahmenbedingungen gekoppelt bleiben, ist eine verstärkte Zusammenarbeit und Verzahnung der Angebote von Bibliothekar/innen, Hochschul- und Schreibdidaktiker/innen und Lehrenden ein richtiger Weg, um die jeweiligen Kernkompetenzen zusammenzuführen und sinnvoll ergänzende Angebote zu schaffen, sei es durch Beratung oder Workshops, die Studierende beim Schreiben optimal unterstützen.
18 Im Qualitätspakt Lehre Programm „richtig einsteigen“ der Universität Bielefeld liegt ein Schwerpunkt in der Stärkung literaler Kompetenzen in den Fächern. Die von der Projektleitung Swantje Lahm herausgegebene Reihe „Schreiben im Studium“ heraus, thematisiert v. a. das Schreiben in den Fächern. http://www.utb-shop.de/utbseries/serie/index?utb_series=5922 (Stand: 14.12.2018).
Carina Gröner und Edeltraud Haas
Kollaborationen an der Universität St.Gallen – Offene Schreibberatung in der Bibliothek als gemeinsamer Service von Bibliothek und Writing Lab Abstract: Dieser Text befasst sich mit der Frage, wie durch Zusammenarbeit von Schreibzentrum und Universitätsbibliothek ein Beratungsangebot zum akademischen Schreiben in die Services der Universitätsbibliothek integriert werden kann, dazu dient das Angebot an der Universität St.Gallen als Best Practice Beispiel: Seit Herbstsemester 2016 bietet das Schreibzentrum der Universität St.Gallen in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek St.Gallen wöchentlich eine offene Schreibberatung in den Studiensprachen Deutsch und Englisch im Servicebereich der Bibliothek an und ergänzt damit das umfangreiche Informations- und Serviceangebot im Eingangsbereich der Bibliothek um das Themenfeld des akademischen Schreibens. So können für die NutzerInnen die wichtigsten Informationen zum Forschen und wissenschaftlichen Arbeiten zentral in der Bibliothek zur Verfügung gestellt werden. Schlüsselbegriffe: Schreibberatung, Rechercheberatung, Service, Bibliothek, Informationsraum, Sprechstunde Kurzbiografien: Carina Gröner studierte Deutsche und Englische Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz und promovierte dort 2016 im Fach Literaturwissenschaft. Sie unterrichtet seit zehn Jahren im Bereich Handlungskompetenz an der HSG wissenschaftliches Schreiben und ist Teamleiterin und Schreibberaterin am HSG Writing Lab sowie Assistentin am Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur an der HSG. Edeltraud Haas schloss das Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft und Romanistik an der Universität Innsbruck 1999 als Mag. Phil. ab. An der Universität Wien absolvierte sie 2007 den Master of Information Science. Von 2008–2011 war sie Direktorin der Bibliothek an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und seit Juli 2011 leitet sie die Bibliothek der Universität St.Gallen (HSG).
Bedarfslage an der HSG Als renommierte, international ausgerichtete Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen bietet die Universität https://doi.org/10.1515/9783110594140-024
264 Carina Gröner und Edeltraud Haas
St.Gallen seit 2010 verschiedene englischsprachige Studiengänge an1, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Ein wichtiger Teil des Abschlusses in allen Studiengängen ist das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit, die dokumentieren soll, dass die Studierenden im Laufe ihres Studiums gelernt haben, wissenschaftlich zu denken, zu arbeiten und auch inhaltlich und methodisch komplexere Forschungsprozesse systematisch und zielorientiert zu bearbeiten und die Ergebnisse verständlich darzulegen. Dabei erweist sich das akademische Schreiben nicht nur als Strategie zur Beherrschung und Dokumentation der „complexity of research“2 im universitären Studium, sondern es stellt auch als wichtige mehrdimensionale Textkompetenz3 ein wichtiges Studienziel dar und dokumentiert diese in Form der akademischen Abschlussarbeit. In ihrem Studienalltag jedoch haben Studierende vieler Fachbereiche nur relativ begrenzte Möglichkeiten, die komplexe Fertigkeit des eigenständigen Forschens und des akademischen Schreibens sicher einzuüben, und deshalb erscheint ihnen noch das Verfassen der Abschlussarbeit als große und vor allem komplexe Herausforderung.4 So wie die Bibliothek von jedem Studierenden zu Beginn des Studiums als neuer Informationsraum erst erkundet und erobert werden muss, so muss auch das eigenständige wissenschaftliche Schreiben als neue akademische Kompetenz erst erlernt und eingeübt werden.5 In diesem Zusammenhang bietet sich gerade die Bibliothek als zentraler Wissensraum an, den Studierenden verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten für das eigene Forschen, aber eben auch für das akademische Schreiben anzubieten. Genau das versucht die Universität St.Gallen seit 2016 mit ihrem Kollaborationsprojekt der offenen Schreibberatung in der Bibliothek zu erreichen, einer wöchentlichen, für alle Studierenden zugänglichen Sprechstunde des HSG Writing Lab, des Zentrums für wissenschaftliches Schreiben an der HSG, das damit zentral im Eingangsbereich der Bibliothek einen gemeinsamen Service von Bibliothek und Writing Lab zur Unterstützung studentischer Schreibkompetenz anbietet.
1 Hochschule St.Gallen (HSG): HSG im Portrait. Zahlen und Fakten. 2017. S. 49. https://issuu.com/ universityofstgallen/docs/unisg_zahlen_fakten_d_2017_web2 (Stand: 28.08.2018). 2 Booth, Wayne [u. a.]: The Craft of Research. 4. Aufl. Chicago, IL: The University of Chicago Press 2016. S. 6. 3 Eine genaue Beschreibung des mehrdimensionalen Schreibkompetenzmodells nach Otto Kruse findet sich in: Girgensohn, Katrin u. Nadja Sennewald: Schreiben lehren, Schreiben lernen. Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012. S. 33. 4 Zum studentischen Forschen vgl.: Metzger, Christoph: Lern- und Arbeitsstrategien. Ein Fachbuch für Studierende. 11. Aufl. Oberentfelden: Sauerländer 2011. S. 134–135. 5 Vgl. dazu u. a.: Pohl, Thorsten: Studien zur Ontogenese wissenschaftlichen Schreibens. Tübingen: Niemeyer 2007. Eine besonders leserfreundliche und handlungsorientierte Einführung dazu findet sich bei Kornmeier, Martin: Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht für Bachelor, Master und Dissertation. 8., überarb. Aufl. Bern: Haupt 2018 (UTB 3154).
Kollaborationen an der Universität St.Gallen
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Das Kollaborationsprojekt Offene Schreibberatung zwischen HSG Bibliothek und HSG Die Bibliothek und das Writing Lab der Universität St.Gallen haben schon vor dem Projekt der offenen Schreibberatung in der Bibliothek im Bereich des akademischen Schreibens eng zusammengearbeitet. Erst dieses Projekt jedoch, in dem die Mitarbeitenden von Bibliothek und Schreibzentrum gemeinsam in einem Servicebereich anzutreffen sind, macht die enge Verbindung zwischen dem Wissensspeicherort Bibliothek6 und der wissenschaftlichen Tätigkeit des akademischen Schreibens7 auch für die Studierenden leicht sicht- und erfahrbar.
Der Lern- und Wissensort Bibliothek Die Bibliothek der Universität St.Gallen ist das Kompetenzzentrum für die Informationsversorgung aller Angehörigen der Universität. In ihrer Vision definiert sie sich als „eine zentrale Drehscheibe in der Informationsversorgung für Studierende, Forschende und Lehrende der Universität St.Gallen sowie für die interessierte Öffentlichkeit“. Mit ihren Eckwerten8 – 700.000 gedruckte und elektronische Bücher, Zugang zu über 45.000 lizenzierten E-Journals und Datenbanken, 80 Öffnungsstunden pro Woche, rund 30 FTE – ist die Bibliothek der HSG schlank aufgestellt und hat im Schweizer Benchmarking in Punkto Effizienz immer als eine der besten Bibliotheken abgeschnitten. Der Bibliothek ist es wichtig, bedarfsorientierte Dienstleistungen für ihre Zielgruppen/Stakeholder anzubieten. Deshalb werden regelmäßig Optimierungspotenziale eruiert und die eigenen Services kritisch unter die Lupe genommen. Dabei wird auf Open Innovation, Face-to-face-Kommunikation und institutionalisierte Kunden- und Mitarbeitendenbefragungen zurückgegriffen. Die herkömmliche Hauptaufgabe von Bibliotheken, Medien zu sammeln und zur Verfügung zu stellen9 sowie die in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung
6 Eine gute Übersicht über die historisch veränderliche Funktion von Bibliotheken als Orte des gespeicherten Wissens gibt Jochum, Uwe: Kleine Bibliotheksgeschichte. Stuttgart: Reclam 1993. 7 Zum akademischen Schreiben als wissenschaftliche Tätigkeit vgl.: Franck, Norbert: Handbuch Wissenschaftliches Arbeiten. Frankfurt a. M: Fischer 2014. S. 279–282. 8 Zahlen und Fakten der HSG Bibliothek finden sich online unter https://www.unisg.ch/de/universitaet/bibliothek/ueberuns/zahlenfakten [Universität St.Gallen, Bibliothek] (Stand: 09.08.2018). 9 Hierzu führt Michael Knoche aus: „Wissenschaftliche Bibliotheken haben eine Hauptaufgabe, und zwar seit den ältesten Tagen von Ninive und Alexandria: die Verantwortung für die Verfügbarkeit von Veröffentlichungen. Ihr Zweck ist, Auskunft zu ermöglichen über den jeweils erreichten
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gewonnene Aufgabe, die Bibliothek als Lernort zu präsentieren, gilt es sinnvoll, bedarfsgerecht und zukunftsweisend auszubalancieren. Mit verschiedenen Maßnahmen hat die Bibliothek in den letzten Jahren dieses Ziel verfolgt: Die starke Nutzung durch ca. 50.000 Besucher pro Monat und ca. 2.000 pro Tag über nahezu die gesamten 80 Wochenstunden (8 Uhr bis 22 Uhr, Lernphase bis 23 Uhr) und sehr viel positives Feedback unserer Studierenden sowie die hohe Zufriedenheit als Ergebnis aller bisherigen Umfragen bestätigen uns, dass wir auf gutem Weg sind. Die Bibliothek der HSG wird von den Studierenden als Lernort häufig und gerne aufgesucht. Aber eine wissenschaftliche Bibliothek kann als isolierte Serviceeinrichtung oder als einzelne Institution nicht mehr ihre Hauptaufgabe bewältigen, die Informationsversorgung und Informationskompetenz ihrer Zielgruppen zu gewährleisten, wie es in der analogen Welt der Bücher noch möglich war. Heute gibt es zahlreiche Aufgaben, die zusätzlich zur traditionellen Buchausleihe, Fernleihe und Rechercheberatung und Informationsvermittlung von den Bibliotheken erwartet und wahrgenommen werden: Von der Lizenzierung der E-Journals, Datenbanken und E-Books über die Digitalisierung von alten Drucken bis zur Langzeitarchivierung dieser elektronischen Daten sowie Unterstützung bei Publikationen, Informationen zu Open Access und Urheberrecht, digitales Repositorium, Metadatenmanagement und Forschungsdatenmanagement, um nur einige zu nennen. In diversen Bibliotheken gibt es neuerdings auch Makerspaces, IT- und Schreibberatungen, auch die Universitätsverlage sowie die Universitätsarchive sind häufig in den Bibliotheken angesiedelt. Alle diese Aufgaben können die Bibliotheken nur dank vieler Kooperationen, abteilungs- und hausübergreifend, zusammen mit Experten auch aus anderen Fachgebieten und anderen Bibliotheken wahrnehmen, um die gewünschten Services sinnvoll und verantwortungsvoll anbieten zu können. In unserem Falle ist eine der zahlreichen Kollaborationen mit dem Writing Lab. Gemeinsam gestalten wir „Die lange Nacht des Schreibens“. Eine weitere Kollaboration stellt die seit 2016 regelmäßig angebotene Schreibberatung an der bei den Studierenden bekannten Rechercheberatungstheke im Informationsbereich der Bibliothek dar. Die Recherche- und Schreibberatung werden als verlässliche Beratungsangebote wahrgenommen.
Stand der Erkenntnis.“ In: Knoche, Michael: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft. Göttingen: Wallstein 2018. S. 9.
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Beratungs- und Informationsangebote im Eingangsbereich der HSG Bibliothek Der ideale Raum für eine solch offene, also ohne Anmeldung zu besuchende Schreibberatung ist die Bibliothek. Wir haben uns bewusst für den Informationsbereich der Bibliothek als Standort für die offene Schreibberatung entschieden: Denn hier betreten die Studierenden den Lernort Bibliothek, hier findet die Ausleihe der Medien statt, hier gibt es einen Treff- und Lesebereich mit verschiedenen tagesaktuellen Zeitungen und Magazinen. Auch die spezialisierten Arbeitsplätze für die Recherche in lizenzierten Finanzdatenbanken sind hier platziert. Weiterhin hat hier die bereits gut eingeführte Rechercheberatung der Bibliothek ihren Serviceschalter und es gibt außerdem ein Beratungsangebot der IT, das Studierenden bei Fragen und Schwierigkeiten rund um den Computer behilflich ist. Der Informationsbereich unserer Bibliothek ist also bei den Studierenden bereits bestens als Service- und Beratungsraum bekannt und damit ein idealer Platz, um einen weiteren Service, den der offenen Schreibberatung in der Bibliothek, anzubieten. Denn so sind alle wichtigen Services zur Unterstützung des wissenschaftlichen Arbeitens für die Studierenden an einer für den Studienalltag zentralen Stelle sicht- und benutzbar und können ohne größeren Aufwand und ohne vorherige Anmeldung in Anspruch genommen werden.
Rerchercheberatung Schon seit einigen Jahren haben wir den Informationsbereich der Bibliothek als Serviceraum etabliert. 2010 wurde der gesamte Bereich im Zuge der Einführung der RFID-Selbstverbuchung erneuert. Nach vorgängiger strategischer Überlegung wurde eine Theke mit bis anhin zwei und in Spitzenzeiten drei Mitarbeitendendesks, an welcher Ausleihe und gleichzeitig Beratung stattfand, auf nun zwei räumlich getrennte Theken aufgeteilt: An der Ausleihtheke, direkt nach dem Eingang in die Bibliothek, finden nun hauptsächlich die Selbstausleihe und der sogenannte First-Level-Support (Fragen zu Ausleihe, Verlängerung, Gebühren, Benutzungskonto, Kurier, Fernleihe etc.) statt, alle inhaltlich spezialisierten und daher längeren Beratungsgespräche zu Recherche, Datenbanken, Zitieren, Schreiben und Publizieren werden an der hinteren Theke abgehalten, wie in Abbildung 1 veranschaulicht. Die Theke für diese intensivere Form der Beratung im Second-Level-Support ist montags bis freitags von 09.30 bis 17.30 Uhr mit FachbibliothekarInnen bzw. mit FachreferentInnen besetzt. Zur Mittagszeit werden die Beratungen von FachreferentInnen durchgeführt. Dieser Service wurde zusammen mit Studierenden im Rahmen eines Anwendungsseminars im Jahre 2015 evaluiert. Es wurden diverse Verbesserungsvorschläge erkannt und nach Möglichkeit umgehend umgesetzt, so war zum Beispiel
268 Carina Gröner und Edeltraud Haas
die einfachste Maßnahme die Umbenennung von „Information“ in „Rechercheberatung“ (dt.) und „Search and Find“ (engl.).
Abb. 1: Rechercheberatung im Informationsbereich der HSG Bibliothek.
Hier wird den Studierenden Unterstützung bei ihren Recherchen angeboten, aber es werden auch Fragen zu Zitierweisen, Literaturverwaltungsprogrammen, Publizieren, Open Access etc. beantwortet. Die Zusammenarbeit mit dem Writing Lab bietet sich in diesem Bereich also besonders an, da die Fragen der Studierenden inhaltlich oftmals die reine Recherche übersteigen, andererseits die Beratungstheke mittlerweile als Anlaufstelle bekannt ist und von den BibliotheksbenutzerInnen geschätzt wird. In einem Statistiktool werden die konkrete Fragestellung, Anzahl, Dauer der Beratung und die Studienstufe der Studierenden erfasst, wie in Abbildung 2 beispielhaft für das laufende Jahr dargestellt wird:
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Abb. 2: Nutzungsfrequenz der Rechercheberatung nach Zeitpunkt im Semester und nach Studienstufe der NutzerInnen.
An dieser Graphik ist abzulesen, dass nach der Lernphase auf die zentralen Klausuren im Januar bis zur nächsten Lernphase im Juni die Frequenz an der Rechercheberatung am höchsten ist, weil sich dann viele Studierende mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten beschäftigen. Die Hälfte der BenutzerInnen stellt allgemeine Fragen zur Recherche und Benutzung des Literaturangebotes. Dadurch zeigt sich ein grundlegendes Bedürfnis aller Studierenden auf allen Studienstufen nach Unterstützung zum Thema Recherchieren und Schreiben.
Offene Schreibberatung des HSG Writing Lab in der Bibliothek Schon vor dem Start des Kollaborationsprojektes im Herbstsemester 2016 gab es das Angebot einer individuellen Schreibberatung nach vorheriger Terminabsprache an der HSG. Für viele Studierende aber erwies sich die Planung eines gesonderten Beratungstermins mit einem unbekannten Servicebereich der Universität als ein zu hohes Hindernis, um sich mit scheinbar einfachen Schreibfragen dorthin zu wen-
270 Carina Gröner und Edeltraud Haas
den.10 Aus diesem Grund wurde im Herbstsemester 2016 mit dem Kollaborationsprojekt offene Schreibberatung in der Bibliothek begonnen. Seit Oktober 2016 gibt es nun jede Woche eine anmeldungsfreie Sprechstunde des HSG Writing Lab im Informationsbereich der Bibliothek, in der man spontan Fragen zum Thema Schreiben stellen kann. Die Beratung kann auf Deutsch und Englisch angeboten werden und ist direkt neben der Rechercheberatung der Bibliothek platziert, so dass Fragen, die sich in der Beratung ergeben, aber eher dem Kompetenzbereich der Bibliothek zuzuordnen sind, gleich nebenan bearbeitet werden. Dabei ist es für die Studierenden sehr wichtig, dass sie dort persönlich beraten werden, denn im wissenschaftlichen Schreiben gibt es verschiedene Strategien und Arbeitstechniken, die für die Studierenden, zum Beispiel je nach Lerntyp11, individuell angepasst werden müssen. Die offene Schreibberatung in der Bibliothek findet im Moment durchgehend das ganze Jahr immer dienstags zu einer für die Studierenden stundenplanfreundlichen Uhrzeit statt, nämlich am späten Nachmittag zwischen 17 und 19 Uhr, zu der auch die Bibliothek gut frequentiert ist. Dieses Zeitfenster soll die Studierenden ermutigen, sich nach den Vorlesungen und Seminaren oder anlässlich der Beschaffung von Literatur oder eines Treffens mit einer Präsentationsgruppe noch Hilfestellung beim wissenschaftlichen Schreiben zu holen. Bei wachsender Nachfrage sind weitere feste Termine geplant. Im Herbstsemester 2016 fanden in der offenen Schreibberatung 93 Beratungen und im Jahr 2017 insgesamt 140 Beratungen statt, das sind ca. drei Beratungen pro Termin. In der offenen Schreibberatung arbeiten wir vom HSG Writing Lab im Moment ausschließlich mit graduierten Schreibberatenden12, von denen ein großer Teil auch über eine Ausbildung im Bereich Sprache und Fremdsprachendidaktik verfügt. Dieser Ansatz ist durchaus verschieden von der Praxis an vielen Schreibzentren im deutschsprachigen Raum, die überwiegend mit Studierenden als Beratenden arbeiten13. An unserer Hochschule aber ist die unterstützende Beratung in der Bibliothek durch graduiertes Personal deswegen wichtig, da wir als internationale Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen in der Schweiz nicht nur schweizerische Studierende mit unterschiedlichen Muttersprachen haben, sondern viele Studierende auch in unseren englischsprachigen Programmen studieren. Diese Mehrsprachigkeit in Studium und Lehre führt besonders beim wissenschaftlichen Schreiben in den unteren Studienstufen zu einer erhöhten Unsicherheit im Umgang mit Textsorten und sprachlichem Ausdruck und
10 Vor- und Nachteile eines solchen Settings mit offenen Sprechzeiten diskutieren: Grieshammer, Ella [u. a.]: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. S. 121–123. 11 Eine kurze Übersicht über die verschiedenen Lerntypen gibt Boeglin, Martha: Wissenschaftlich arbeiten Schritt für Schritt. Gelassen und effektiv studieren. 2. Aufl. München: Fink 2012. S. 17–20. 12 Vgl.: Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 5–6. 13 Vgl.: Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 4.
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damit zu einem erhöhten Beratungsbedarf und erfordert für diese Lage sensibilisierte Beratende. Nicht selten erweisen sich in diesem Zusammenhang Anfragen zum Thema Schreibstil und Argumentation am Ende als Unsicherheiten, die aus dem multilingualen Schreiben kommen.14 Das spiegeln auch die Beratungszahlen wieder: So fanden im Jahr 2017 21 % der Beratungen in der offenen Schreibberatung auf Englisch statt oder im Blick auf eine wissenschaftliche Arbeit, die in der Prüfungssprache Englisch zu schreiben war. In der individuellen Schreibberatung mit vorheriger Terminvereinbarung lag der Anteil englischsprachiger Anfragen sogar bei 25 % im Jahr 2017. Dennoch bestimmt „gar nicht so sehr das Niveau in der Fremdsprache […] wie viel Mühe Schreibende beim Verfassen von Texten in einer Fremdsprache haben“15, sondern es erleichtert eine allgemein höhere Schreibkompetenz auch das Verfassen eines fremdsprachigen Textes enorm. Grundsätzlich kommen in die offene Schreibberatung in der Bibliothek vor allem Studierende aus den unteren Studienstufen, wie Assessmentjahr (erstes Studienjahr) und Bachelorstufe.16 Viele der gestellten Fragen beziehen sich auf Themen wie Eingrenzung der Fragestellung, korrektes Zitieren oder die Einarbeitung von Literatur in den Text, Argumentationsstrukturen oder Zeitplanung für die Arbeit. Das sind alles Bereiche, die nach mehrmaligem Einüben einfacher und selbstverständlicher werden und den Studierenden Sicherheit und wachsende Erfahrung im eigenen Forschen geben.17 Es ist aber sehr wichtig, von Seiten der Schreibberatenden immer wieder darauf hinzuweisen, dass es nicht möglich ist, Aussagen über inhaltliche Qualität in der Schreibberatungssituation zu machen18 oder gar Texte zu lektorieren. Die Rolle des Schreibberatenden besteht im Feedbackprozess vielmehr darin „als außenstehender und interessierter Leser eine konstruktive Rückmeldung zum entstehenden Text zu geben“.19 Gerade weil es oft eben kurze und sich häufig wiederholende Fragen sind, die in der offenen Schreibberatung überwiegend gestellt werden, aber auch weil wir keine lange Wartezeit für Studierende haben möchten, sind die Beratungen in der offenen Schreibberatung auf eine Dauer von 10–20 Minuten begrenzt. Bei schwieri-
14 Vgl. dazu: Gröner, Carina: Sprachsensitive Schreibberatung an der Universität St.Gallen. Best Practice Beispiel mit Diskussion. Präsentation (ppt) am UHDP International Writing Symposium 2018 an der Universität Göttingen. 6. April 2018. 15 Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 13. 16 Diese Gruppe von „undergraduates“ adressieren auch die meisten Ratgeber zum Thema wissenschaftliches Schreiben, so auch Booth [u. a.], The Craft of Research (wie Anm. 2), hier S. 3–5. 17 Zur Bedeutung des Erfahrungslernens beim wissenschaftlichen Schreiben vgl.: Plümper, Thomas: Effizient Schreiben. Leitfaden zum Verfassen von Qualifizierungsarbeiten und wissenschaftlichen Texten. 2. Aufl. München: Oldenbourg 2008. S. 8. 18 Das ist ein wichtiger Nachteil bei der 1:1-Beratung besonders durch graduierte Mitarbeitende. Vgl. Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 116. 19 Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 93.
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geren Situationen wie einer Schreibblockade oder wenn ein höherer Beratungsbedarf festgestellt wird, bieten wir weiterführende Termine in der individuellen Beratung im HSG Writing Lab an, in denen mit mehr Zeit an den jeweiligen Themen weitergearbeitet werden kann. Je nach Zeitpunkt im Studienjahr ist die Frequenz von Studierenden in der offenen Schreibberatung sehr verschieden.20 So steigt sie natürlich in den Wochen direkt vor den Abgabeterminen der wichtigen schriftlichen Leistungsnachweise stark an, so dass wir die offene Schreibberatung dann auch mit mehreren Beratenden gleichzeitig besetzen, um die Nachfrage zu bedienen. Dazu können wir neben unseren festen Mitarbeitenden auf einen Pool von Honorarkräften zurückgreifen. In vorlesungsfreien Zeiten hingegen, wie in der Zeit nach den zentralen Prüfungen, kommen dann eher weniger Studierende in die offene Schreibberatung. Dann ist es sinnvoll, einen Mitarbeitenden einzusetzen, der in der Zeit, in der keine Ratsuchenden kommen, zum Beispiel Arbeitsmaterial oder Aufgaben für die Schreibberatung vorbereiten kann. Doch wie erfahren die Studierenden von diesem Serviceangebot der offenen Schreibberatung in der Bibliothek? Neben der zentralen Platzierung des Beratungsplatzes im Informationsbereich der Bibliothek und dessen Kennzeichnung als Schreibberatung zum Beispiel durch ein Transparent machen wir natürlich auch weitergehende Werbung für unser Angebot: Einerseits erscheint das Angebot online, so ist der Service der offenen Schreibberatung sowohl auf der Homepage der Bibliothek als auch auf der des HSG Writing Lab sichtbar. Andererseits bewerben wir unser Angebot durch Flyer, die bei verschiedenen Veranstaltungen ausliegen oder von Dozierenden verteilt werden können, die auf dieses Angebot verweisen wollen. Weiterhin sind wir für eine persönliche Präsentation zum Beispiel an der zentralen Informationsveranstaltung „Markt der Möglichkeiten“ während der Startwoche vor Beginn des Assessmentjahres oder im Dozierendenworkshop des obligatorischen Assessmentjahrkurses „Einführung in das wissenschaftliche Schreiben und Arbeiten“ vor Ort und stellen unser Angebot vor.
Gemeinsamer Serviceraum Bibliothek Insgesamt entwickelt sich der Informationsbereich der HSG-Bibliothek durch die verschiedenen hier angebotenen Services zu einem umfassenden Wissens- und Serviceraum, der von den Studierenden als wichtige Anlaufstelle zur Beschaffung von Wissen und als Informationsort wahrgenommen werden soll. Er vereint verschiede-
20 Das nennt auch Grieshammer als einen der Nachteile einer offenen Sprechstunde. Vgl. Grieshammer [u. a.], Zukunftsmodell Schreibberatung (wie Anm. 10), hier S. 122.
Kollaborationen an der Universität St.Gallen
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ne Bereiche zur direkten Informationsbeschaffung wie Rechercheberatung, Sonderarbeitsplätze mit Zugang zu speziellen Datenbanken und Informationsdiensten oder das Angebot von aktuellen Ausgaben wissenschaftlicher Zeitschriften mit Serviceangeboten zur Unterstützung des Studiums wie der offenen Schreibberatung oder der Sprechstunde der IT-Tutoren. Bei diesem Angebot sind Querverweise auf die verschiedenen Angebote nicht nur willkommen, sondern vor allem im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens ausdrücklich erwünscht und auch immer wieder notwendig. So können auftretende Schwierigkeiten schnell und effektiv gelöst werden. Weiterhin macht auch gerade das räumliche Konzept des festen Wissens- und Serviceraums Bibliothek das wissenschaftliche Schreiben als Aufgabe erkennbar, die viele einzelne Studienbereiche vernetzt und fast alle im Studium erlernten Kompetenzen erfordert. Dabei spielt auch eine Rolle, dass diese Angebote für die Studierenden verlässlich und durch das ganze Studienjahr hindurch angeboten werden, denn oft vergehen zwischen bewusster Wahrnehmung der Services bei Studierenden und der tatsächlichen Inanspruchnahme eines Angebots mehrere Wochen. Diesem Umstand Rechnung tragend, bietet die konstante Präsenz dieser Angebote und die Möglichkeit, ohne Anmeldung „einfach vorbeizukommen“, niedrige Hemmschwellen, einen Service einmal selbst zu nutzen und dann wieder zu kommen, wenn es als hilfreich empfunden wurde. So können wir viele Studierende erreichen, die diesen Service immer wieder nutzen. Für unser Projekt der offenen Schreibberatung in der Bibliothek sowie für die anderen Services ist die Platzierung von verschiedenen Beratungs- und Informationsangeboten zentral in der Bibliothek ein Erfolgsmodell: Durch niedrigschwellige Angebote und für die Studierenden verlässliche Präsenz, die die Vernetzung der Beratungsangebote unterstützt, kann die Beratung sehr effizient und das Lernen zielorientiert unterstützt werden.
Stefanie Everke Buchanan und Judith Heeg
„Gemeinsam statt einsam“ – Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek zur Förderung wissenschaftlichen Arbeitens von Studierenden Wir danken Heike Meyer für ihre hilfreichen Anregungen zu einer frühen Version dieses Artikels.
Abstract: Bei der Vermittlung von Kompetenzen aus dem Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens bieten sich verschiedene Modelle an, wie sich Schreib- und Informationskompetenz integrieren lassen. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel der Universität Konstanz auf, wie durch eine Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek vorhandene Ressourcen zur Förderung studentischen wissenschaftlichen Arbeitens kooperativ und gewinnbringend eingesetzt werden können. Hierzu wird eingangs ein Literaturüberblick gegeben, der aufzeigt, dass die Herangehensweise bei der Förderung von Schreib- und Informationskompetenz von Studierenden vergleichbar ist. Anschließend werden die für die Kooperation wichtigen Verständnisse von Informationskompetenz und Schreibkompetenz vorgestellt. Nach einem Überblick über die Entwicklung der Zusammenarbeit von Bibliothek und Schreibzentrum an der Universität Konstanz werden Beispiele aus der Zusammenarbeit in zwei Fächern gegeben. Zum Schluss wird herausgestellt, warum die Kooperation in dieser Form sinnvoll ist und weiter ausgebaut werden soll. Schlüsselbegriffe: Informationskompetenz, Schreibkompetenz, Bibliothek, Schreibzentrum, wissenschaftliches Arbeiten, Kooperation Kurzbiografien: Stefanie Everke Buchanan ist Mitbegründerin und Co-Leiterin des Schreibzentrums an der Universität Konstanz. Kulturanthropologin; Forschung zu Bilingualismus und Bikulturalismus; Promotion an der Monash University (Australien); wissenschaftliche Mitarbeit und Lehrtätigkeiten an der Universität Konstanz und der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Schwerpunkte in der Arbeit im Schreibzentrum sind die Entwicklung von Lehreinheiten, das akademische Schreiben auf Englisch sowie Forschung zur Schreibkompetenzförderung. Judith Heeg arbeitet als Fachreferentin für Politik- und Verwaltungswissenschaft, Zeitgeschichte und Soziologie sowie als Referentin für Informationskompetenz und Lehrräume im Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum der Universität Konstanz. Lehrtätigkeit im Studiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Universität Zürich im Bereich Informationskompetenz.
https://doi.org/10.1515/9783110594140-025
„Gemeinsam statt einsam“ – Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek
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Einleitung If it takes a village to raise a child, then it also takes a community of educators, learners, colleagues and peers to write the academic paper in the modern post-secondary arena.1
Dieser Beitrag zeigt auf, wie durch eine Kooperation zwischen den Bereichen Informationskompetenz (Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM), hier v. a. Bibliotheksdienste) und Schreibdidaktik (Schreibzentrum) an der Universität Konstanz vorhandene Ressourcen zur Förderung studentischen wissenschaftlichen Arbeitens kooperativ und gewinnbringend für die Gemeinschaft aus Lehrenden und Lernenden eingesetzt werden können. Hierzu wird eingangs ein Literaturüberblick zur Kooperation zwischen Bibliotheken und Schreibzentren gegeben, der aufzeigt, dass die Herangehensweise bei der Förderung von Schreib- und Informationskompetenz von Studierenden durchaus vergleichbar ist. Anschließend werden die für die Kooperation wichtigen Verständnisse von Informations- und Schreibkompetenz vorgestellt. Nach einem Überblick über die Entwicklung der Zusammenarbeit von Bibliothek und Schreibzentrum an der Universität Konstanz werden Beispiele aus der Lehre in zwei Fächern dargestellt. Zum Schluss wird herausgestellt, warum die Kooperation in dieser Form sinnvoll und wünschenswert ist und weiter ausgebaut werden soll.
Kooperation zwischen Bibliothek und Schreibzentrum Schreibdidaktik und Informationskompetenzvermittlung stehen vor ähnlichen Herausforderungen und haben ähnliche Ziele.2 Beide arbeiten darauf hin, Studierende in die Lage zu versetzen, gute Arbeiten zu verfassen und dabei ein Bewusstsein zu vermitteln, dass wissenschaftliches Arbeiten – Recherchieren, Literaturbewertung und Schreiben – ein mehrschichtiger und zirkulärer Prozess ist. Beide Bereiche müssen dabei allerdings immer wieder mit Situationen umgehen, in denen sie als Services wahrgenommen werden, die möglichst zügig konkrete, überprüfbare Kompetenzen vermitteln sollen – und dies am besten in einmaligen Sessions.3 Sie stehen
1 Palomino, Norma Estela & Paula Ferreira Gouveia: Righting the Academic Paper. A Collaboration Between Library Services and the Writing Centre in a Canadian Academic Setting. In: New Library World (2011) H. 3/4. S. 131–140, hier S. 132. 2 Cooke, Rachel u. Carol Bledsoe: Writing Centers and Libraries. One-Stop Shopping for Better Term Papers. In: The Reference Librarian (2008) H. 2. S. 119–127, hier S. 120. 3 Artman, Margaret [u. a.]: Not Just One Shot. Extending the Dialogue about Information Literacy in Composition Classes. In: Composition Studies (2010) H. 2. S. 93–110; Baer, Andrea: Information
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damit vor dem Problem, konkrete Fertigkeiten zu vermitteln, gleichzeitig aber deutlich zu machen, dass es bei der Informations- wie auch der Schreibkompetenz eher um einen längeren Prozess des Lernens und Verstehens, des Hineinwachsens in eine Diskursgemeinschaft geht.4 Beide sehen sich mit der Erwartungshaltung aus den Fächern konfrontiert, diagnostizierte Mängel der Studierenden („können nicht schreiben“, „können nicht recherchieren“) möglichst rasch zu beheben. Und beide laufen dabei Gefahr, vom Rest der Universität missverstanden und als auf basale Fähigkeiten begrenzte Servicestelle wahrgenommen zu werden, wenn sie nicht selbst deutlich betonen, welchen Beitrag sie bei der Vermittlung wichtiger wissenschaftlicher Kompetenzen leisten.5 Sowohl Lehrende als auch Studierende wünschen sich für das Aneignen von Informations- wie auch von Schreibkompetenz effiziente Rezepte, die möglichst auch außerhalb der Fachkurse erlernt werden können, um innerhalb der Kurse mehr Zeit für die Vermittlung fachlicher Inhalte zu haben. Diese Hoffnung ist nachvollziehbar – aber unmöglich zu erfüllen. Wie Frank, Haacke und Lahm es formulieren: „Wer schreibt, backt keinen Kuchen, und deshalb gibt es auch kein Rezept“6. Auch
Literacy and Writing Studies in Conversation. Reenvisioning Library Writing Program Connections. Sacramento, CA: Library Juice Press 2016, S. 7; Sullivan, Brian T. & Karen L. Porter: From One Shot Sessions to Embedded Librarian: Lessons Learned Over Seven Years of Successful Faculty Librarian Collaboration. In: College & Research Libraries News (2016) H. 1. S. 34–37; Sult, Leslie & Vicki Mills: A Blended Method for Integrating Information Literacy Instruction into English Composition Classes. In: Reference Services Review (2006) H. 3. S. 368–388. 4 Bean, John C.: Engaging Ideas. The Professor’s Guide to Integrating Writing, Critical Thinking and Active Learning in the Classroom. 2. Aufl. San Francisco, CA: Jossey-Bass 2011 (The Jossey-Bass Higher and Adult Education Series). S. 253; DeSanto, Dan u. Susanmarie Harrington: Harnessing the Intersections of Writing and Information Literacy. In: At the Helm: Leading Transformation. The Proceedings of the ACRL 2017 Conference. Hrsg. von Association of College & Research Libraries. Chicago, IL: Association of College and Research Libraries 2017. S. 275–282, hier S. 276; Elmborg, James K.: Libraries and Writing Centers in Collaboration. A Basis in Theory. In: Centers Learning. Writing Centers and Libraries in Collaboration. Hrsg. von James K. Elmborg u. Sheril Hook. Chicago, IL: Association of College and Research Libraries 2005 (Publications in librarianship 58). S. 1–20, hier S. 2; Elmborg, James K.: Information Literacy and Writing across the Curriculum. Sharing the Vision. In: Reference Services Review (2003) H. 1. S. 68–80, S. 72; Auch wenn es vor allem darum geht, ein Verständnis für das Prozesshafte beim Entwickeln von Informations- und Schreibkompetenz zu wecken, ist unbestritten, dass die Vermittlung dieser Fertigkeiten ohne ein sinnvolles Produkt und ohne konkrete Fertigkeiten am Ende auch nicht möglich ist. 5 Singh-Corcoran, N. & T. P. Miller: Off-center Collaborations. In: Centers for Learning. Writing Centers and Libraries in Collaboration. Hrsg. von James K. Elmborg u. Sheril Hook. Chicago, IL: Association of College and Research Libraries 2005 (Publications in Librarianship 58). S. 204–219, hier S. 210. 6 Frank, Andrea [u. a.]: Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf. Stuttgart: Metzler 2007, hier S. 11.
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wenn der Wunsch, Rezepte oder Checklisten abzuarbeiten, groß ist, vermitteln Schreibzentren und Bibliotheken, dass wissenschaftliches Arbeiten ein Prozess ist, in den Studierende hineinwachsen müssen und können. Dabei entsteht scheinbar zwangsläufig ein Konflikt, da die Aneignung von Kompetenzen zum wissenschaftlichen Arbeiten in Konkurrenz mit der Vermittlung fachlicher Inhalte zu stehen scheint. Im Folgenden werden wir zeigen, dass Schreibzentren und Bibliotheken als natürliche Verbündete auftreten können, um diesen Herausforderungen zu begegnen und in enger Zusammenarbeit mit den Fächern erfolgreich Schreib- und Informationskompetenz zu vermitteln. Für eine gute Zusammenarbeit ist ein genaues Verständnis der jeweils anderen Seite hilfreich.7 Die Standards der Informationskompetenz und das Framework for Information Literacy einerseits und ein in verschiedene Dimensionen aufgeschlüsseltes Modell von Schreibkompetenz andererseits bilden dabei den Rahmen, in dem unser Verständnis von Schreib- und Informationskompetenz und Möglichkeiten einer gelingenden Vermittlung dieser Kompetenzen verortet sind. Auch hier zeigt sich, dass sich Schreibzentren und Bibliotheken in ihrer Herangehensweise an die Vermittlung der Kompetenzen, die für den Arbeitsalltag der Studierenden nötig sind, ähneln.8 Durch ein vertieftes Verständnis der Arbeitsweise der jeweils anderen Institution ist es möglich, gezielt die Bereiche zu identifizieren, in denen wir Kooperationspartner brauchen, um ein ganzheitliches Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten vermitteln zu können.
Informationskompetenz und Schreibkompetenz Unstrittig gehört die Vermittlung von Informationskompetenz zu zentralen Aufgaben wissenschaftlicher (und öffentlicher) Bibliotheken. Lange bevor sich Begriffe und Konzepte wie Teaching Library oder Informationskompetenz durchgesetzt hatten, boten Bibliotheken Hilfestellungen zum Umgang mit Informationen.9 Abgeleitet
7 Alvarez, Barbara: A New Perspective on Reference. Crossing the Line Between Research and Writing. Paper presented at the 5th „Reference in the 21st-Century“ Symposium at Columbia University 2007; Hook, Sheril: Teaching Librarians and Writing Center Professionals in Collaboration. Complementary Practices. In: Centers for Learning. Writing Centers and Libraries in Collaboration. Hrsg. von James K. Elmborg u. Sheril Hook. Chicago, IL: Association of College and Research Libraries 2005 (Publications in Librarianship 58). S. 21–41, hier S. 21; Nadeau, Jean-Paul u. Kristen Kennedy: We’ve Got Friends in Textual Places: The Writing Center and the Campus Library. In: Writing Lab Newsletter (2000) H. 4. S. 4–6. 8 Baer, Information Literacy (wie Anm. 3), hier S. 8. 9 Exemplarisch u. a. Ingold, Marianne: Informationskompetenz und Information Literacy. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2012. S. 12–35; Lux, Claudia u. Wilfried Sühl-Strohmenger: Teaching library in Deutschland. Ver-
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von den Diskussionen im englischsprachigen Raum10 sind im deutschsprachigen Raum die Standards der Informationskompetenz etabliert und rahmen das Handeln und die Angebote von Bibliotheken. So definiert der dbv Informationskompetenz als „eine komplexe Fähigkeit, Informationen selbstorganisiert und problemlösungsorientiert effizient zu suchen, zu finden, zu bewerten und effektiv zu nutzen“11 und formuliert mit Blick auf Studierende die folgenden Standards: 1. Die informationskompetenten Studierenden erkennen und formulieren ihren Informationsbedarf und bestimmen Art und Umfang der benötigten Informationen. 2. Die informationskompetenten Studierenden verschaffen sich effizient Zugang zu den benötigten Informationen. 3. Die informationskompetenten Studierenden bewerten die gefundenen Informationen und Quellen und wählen sie für ihren Bedarf aus. 4. Die informationskompetenten Studierenden verarbeiten die gewonnenen Erkenntnisse effektiv und vermitteln sie angepasst an die jeweilige Zielgruppe und mit geeigneten technischen Mitteln.
mittlung von Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Wiesbaden: Dinges & Frick 2004 (B.I.T. online – Innovativ 9); v. a. mit Blick auf das Berufsbild: Rauchmann, Sabine: Bibliothekare in Hochschulbibliotheken als Vermittler von Informationskompetenz. Dissertation. Berlin 2009; Söllner, Konstanze: Kernaufgabe „Teaching Library“. Organisatorische Verankerung und Gestaltung des Serviceportfolios von Hochschulbibliotheken. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2012. S. 440–450; eine Außenperspektive auf die Diskussion zum Thema Informationskompetenz in Deutschland bietet Piloiu, Rares G.: Rethinking the Concept of „Information Literacy“. A German Perspective. In: Journal of Information Literacy (2016) H. 2. S. 78–93. 10 Prägend für das Verständnis von Informationskompetenz im deutschen Sprachraum waren Entwicklungen v. a. in den USA, insbesondere American Library Association: Presidential Committee on Information Literacy. Final Report. http://www.ala.org/acrl/publications/whitepapers/presidential (Stand: 26.08.2018); Association of College & Research Libraries: Information Literacy Competency Standards for Higher Education 2000; zu den jüngsten Entwicklungen mit Blick auf die Standards der Informationskompetenz in Deutschland vgl. Franke, Fabian: Standards der Informationskompetenz – neue Entwicklungen in Deutschland, Großbritannien und den USA. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 22–29; aber nicht nur Bibliotheken, sondern auch die Hochschulpolitik insgesamt betonen die Wichtigkeit dieser Kompetenzen, vgl. z. B.: Hochschulrektorenkonferenz: Hochschule im digitalen Zeitalter. Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders steuern (Beiträge zur Hochschulpolitik 1/2013) 2013; Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur: Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder 2011. 11 Deutscher Bibliotheksverband: Standards der Informationskompetenz für Studierende 2009, hier S. 2.
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5.
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Die informationskompetenten Studierenden sind sich ihrer Verantwortung bei der Informationsnutzung und -weitergabe bewusst.12
Vor allem Standard 4 und 5 schaffen Anknüpfungspunkte für die Frage der Zusammenarbeit mit und / oder Integration von Angeboten aus dem Bereich der Schreibförderung, wie im Weiteren deutlich werden wird. Verschiedene Veränderungen – eine ständig komplexer werdende Informationslandschaft, sich schnell wandelnde Anforderungen im Hochschulbereich, aber auch sich veränderndes Informationsverhalten von Studierenden und Lehrenden – führten dazu, dass die Information Literacy Competency Standards kritisch betrachtet und schließlich durch das Framework for Information Literacy13 abgelöst wurden. Boten schon die Standards gute Anknüpfungspunkte für eine Kooperation zwischen Schreibzentren und Bibliotheken, so stellt das Framework einen Rahmen dar, der Bibliotheken aufruft, diese Gedanken innerhalb ihrer Institutionen zu diskutieren, Synergieeffekte durch Kooperation mit anderen Akteuren zu schaffen und der diese Kooperation geradezu einfordert. Das Framework erweitert gegenüber den Standards das Verständnis von Informationskompetenz, es nimmt eine ganzheitliche Perspektive ein, ist deutlich flexibler und schafft einen Rahmen von miteinander verwobenen Kernkonzepten. Es baut auf der Idee der Threshold Concepts auf, also auf Konzepten, die zu nachhaltigen Veränderungen des Verständnisses eines Faches führen.14 Mit der Überarbeitung der Standards ging auch eine Modifizierung der Definition von Informationskompetenz einher: „Information literacy is the set of integrated abilities encompassing the reflective discovery of information, the understanding of how information is produced and valued, and the use of information in creating new knowledge and participating ethically in communities of learning.“15
12 Deutscher Bibliotheksverband, Standards (wie Anm. 11), hier S. 3–4. 13 Association of College and Research Libraries: Framework for Information Literacy for Higher Education 2016. In Deutschland lassen sich mit den Überlegungen zum Referenzrahmen Informationskompetenz, der ursprünglich für Schulen entwickelt wurde, gegenläufige Entwicklungen feststellen. Ob sich Framework oder Referenzrahmen durchsetzen werden oder ob es gelingt, das Beste aus beiden Welten für die Weiterentwicklung von Informationskompetenzangeboten zu vereinen, werden die kommenden Jahre zeigen (vgl. dazu Klingenberg, Andreas: Referenzrahmen Informationskompetenz für alle Bildungsebenen. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. 2. Aufl. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2016. S. 30–41). 14 Dieser Beitrag kann die Ideen der Threshold Concepts nicht detailliert erläutern und beschränkt sich darauf, Anregungen des Konzepts für die Vermittlung von Schreib- und Informationskompetenz aufzugreifen. 15 Association of College & Research Libraries, Framework (wie Anm. 13), hier S. 3.
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Das neue Verständnis von Informationskompetenz gliedert sich in folgende sechs Frames:16 – Authority is Constructed and Contextual (Vertrauenswürdigkeit ist abhängig von Hintergrund und Kontext), – Information Creation as a Process (Informationserstellung als Prozess), – Information has Value (Der Wert der Informationen), – Research as Inquiry (Forschung ist investigativ), – Scholarship as Conversation (Wissenschaft als Dialog), – Searching as Strategic Exploration (Recherche als strategische Erkundung). Dabei werden diese Frames nicht als abgeschlossenes Konzept oder als eine homogene Einheit gesehen, sondern als ein mehrdimensionales Konstrukt, das an den Gedanken der Metaliteracy anknüpft und Informationskompetenz als „overarching set of abilities in which students are consumers and creators of information who can participate successfully in collaborative spaces“17 begreift. Im Vergleich zu den Standards stellt das Framework die Rolle der Studierenden nicht nur als Rezipierende, sondern auch als Produzierende von Informationen in den Mittelpunkt und schlägt damit die Brücke zu den Angeboten der Schreibdidaktik. Zu Recht weist Sühl-Strohmenger in diesem Kontext darauf hin, dass Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens, die Unterstützung wissenschaftlichen Schreibens und Publizierens, Hilfen beim Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien in der Regel nicht in den Zuständigkeitsbereich von Bibliotheken [fallen], sondern […] im Rahmen von Kooperationen zu organisieren [wären]. Bibliotheken müssen also ihre Angebote in den weiteren Lehr- und Forschungskontext der Institution besser und passgenauer einbetten, als dies vielfach bislang der Fall ist: Schulungen zur Literaturrecherche und Literaturverwaltung noch stärker in Seminare integrieren, Kooperationen mit Medienzentren, Rechenzentren und Schreibzentren auf lokaler Ebene ausbauen.18
Das Framework wurde auch in der Schreibdidaktik mit Interesse wahrgenommen, da es Anknüpfungspunkte für die Kooperation bietet. Baer weist beispielsweise auf die Möglichkeiten hin, dass die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken und Schreibzentren im Dialog, basierend auf den Überschneidungen zwischen dem
16 Association of College & Research Libraries, Framework (wie Anm. 13), hier S. 2. Übersetzung: Rasmussen, Ann Marie u. Heidi Madden: Embedded Librarianship. Einbindung von Wissenschaftsund Informationskompetenz in Schreibkurse. Ein US-amerikanisches Konzept. In: BuB: Forum Bibliothek und Information (2016) H. 4. S. 202–205; Um nicht den Eindruck einer Hierarchie zwischen den einzelnen Frames entstehen zu lassen, sind diese schlicht alphabetisch geordnet und bewusst nicht nummeriert. 17 Association of College & Research Libraries, Framework (wie Anm. 13), hier S. 2. 18 Sühl-Strohmenger, Wilfried: Threshold-Konzepte, das ANCIL-Curriculum und die Metaliteracy. Überlegungen zu Konsequenzen für die Förderung von Informationskompetenz in deutschen Hochschulen. In: o-bib. Das offene Bibliotheksjournal (2017) H. 1. S. 10–25, hier S. 23.
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ACRL Framework und dem 2011 vom National Writing Project veröffentlichten Framework for Success in Postsecondary Writing, erweitert und vertieft werden kann.19 Noch deutlicher werden Parallelen von Johnson und McCracken20 angesprochen, die das ACRL Framework mit dem im Schreibdidaktik-Kontext kollaborativ entstandenen Naming What We Know. Threshold Concepts of Writing Studies21 in Bezug setzen, in dem ebenfalls holistisch bestimmte Threshold Concepts des Schreibens thematisiert werden. Insbesondere verweisen die Autorinnen darauf, dass durch die Überschneidungen in den Frameworks ein gemeinsames Vokabular zur Verfügung steht, das Schreibzentren wie Bibliotheken zur curricularen Weiterentwicklung ihrer Angebote nutzen können. Um diese übergeordneten Konzepte auf die Vermittlung von Schreibkompetenz anwenden zu können, ist ergänzend ein weiteres Modell hilfreich. Ebenso wie die oben genannten Frameworks die Metaebene der Informationskompetenz aufschlüsseln und somit greifbar machen, ist auch Schreibkompetenz nicht als einfaches homogenes Ganzes zu verstehen, sondern als mehrschichtig und komplex. Denn um gut akademische Texte verfassen zu können, müssen Studierende in einer ganzen Reihe von Dimensionen kompetent sein. Eine Darstellung von Otto Kruse und der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik der Universität Zürich schlüsselt diese auf als: – Prozess: Die kognitive Steuerung / Denken, – Kontext: Die soziale Seite / Diskursgemeinschaften, – Kontent [sic]: Die inhaltliche Dimension / Fachwissen, – Medium: Schreib- und Kommunikationsmedien, – Produkt: Wissenschaftssprache und Genres.22 Der große Vorteil dieses mehrdimensionalen Modells ist es, dass es Schreibkompetenz in Teildimensionen darstellt. Das ist hilfreich, da somit deutlicher wird, wie Studierende ihre Schreibkompetenz insgesamt verbessern können, wenn sie an den einzelnen Dimensionen arbeiten. Die Anschlüsse zur Informationskompetenz werden dabei insbesondere in den Bereichen Kontent [sic] und Medium deutlich, denn hier sind die Bibliotheken wichtige Ansprechpartnerinnen. Doch auch der Bezug zum Fach kann in diesem Modell herausgearbeitet werden, das als Ort der Diskursgemeinschaft, für die die Studierenden schreiben, unverzichtbar ist und aus dem das benötigte Fachwissen stammt. Wichtig ist in diesem Modell auch, dass die Stu-
19 Baer, Information Literacy (wie Anm. 3), hier S. 10. 20 Johnson, Brittney & Moriah I. McCracken: Reading for Integration, Identifying Complementary Threshold Concepts. The ACRL „Framework“ in Conversation with „Naming What We Know: Threshold Concepts of Writing“. In: Communications in Information Literacy (2016) H. 2. S. 178–198. 21 Adler-Kassner, Linda & Elizabeth A. Wardle (Hrsg.): Naming what we know. Threshold concepts of writing studies. Logan, UT: Utah State University Press 2015. 22 Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich: Wissenschaftliches Schreiben und studentisches Lernen 2012. S. 8.
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dierenden nicht produktorientierte Normen lernen, sondern metakognitive Kompetenzen ausbilden sollen – insbesondere Reflexionsfähigkeit, bewusstes Handeln und ein Vokabular für das, was sie tun. Es geht nicht um ein einfaches Rezept, sondern um ein Hineinwachsen in „scholarship as conversation“. Hierfür benötigen sie verschiedene Formen der Unterstützung. Im Folgenden skizzieren wir zunächst kurz die Entwicklung der Vermittlung von Informations- und Schreibkompetenz an der Universität Konstanz, bevor wir anhand von zwei Praxisbeispielen zeigen, wie in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Bereiche die Studierenden in der Entwicklung ihrer Kompetenzen in den einzelnen Dimensionen gefördert werden können. Den Beispielen ist gemeinsam, dass sie zentrale Ideen und Prozesse aufzeigen, die „students need to grasp in order to progress in their learning, but that are often unspoken or unrecognized by expert practitioners“23. Dieser Ansatz – implizites Wissen sichtbar zu machen und Studierenden damit die Möglichkeit zu geben, sich dieses Wissen anzueignen – spielt eine wichtige Rolle in den Diskussionen mit Fachlehrenden über die Inhalte, die wir als zentrale Einheiten beitragen können. Aus dem oben dargestellten Verständnis für die Ähnlichkeiten in der Herangehensweise lässt sich die Entscheidung für eine Allianz begründen, ohne einander als Konkurrenz innerhalb der jeweiligen Hochschullandschaft zu sehen. Im US-amerikanischen Raum gibt es viele Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Bereiche.24 Allerdings werden oft nur Einzelfälle und Fallstudien dargestellt,25 und bestehende Kooperationen wurden bisher hauptsächlich von Seiten der Bibliotheken aus beschrieben.26 Das Nachdenken über das Verhältnis zwischen
23 Townsend, Lori [u. a.]: Identifying Threshold Concepts for Information Literacy: A Delphi Study. In: Communications in Information Literacy (2016) H. 1. S. 23–49, hier S. 23. 24 Artman [u. a.], Not Just One Shot (wie Anm. 3); Baer, Information Literacy (wie Anm. 3); Brady, Laura [u. a.]: A Collaborative Approach to Information Literacy. First-Year Composition, Writing Center, and Library Partnerships at West Virginia University. In: Composition Forum (2009) H. 19; Cochran, Dory & Sidney Horrocks: Our Powers Combined. Helping Students See How Writing and Research Fit Together. In: College & Research Libraries News (2016) H. 1. S. 31–34; DeSanto & Harrington, Harnessing (wie Anm. 4); Elmborg, James K. & Sheril Hook (Hrsg.): Centers for Learning. Writing Centers and Libraries in Collaboration. Chicago, IL: Association of College and Research Libraries 2005 (Publications in Librarianship 58); Elmborg, James K.: Locating the Center. Libraries, Writing Centers, and Information Literacy. In: Writing Lab Newsletter (2006) H. 6. S. 7–11; Nadeau & Kennedy, We’ve Got Friends (wie Anm. 7); Simons, Alexandra C.: Librarians, Faculty, and the Writing Center Partnering to Build an Interdisciplinary Course. A Case Study at the University of Houston, USA. In: New Review of Academic Librarianship (2017) H. 1. S. 28–41; Sullivan & Porter, From One-Shot Sessions (wie Anm. 3); Sult & Mills, A Blended Method (wie Anm. 3). 25 Baer, Information Literacy (wie Anm. 3), hier S. 10; Artman [u. a.]: Not Just One Shot (wie Anm. 3), hier S. 95. 26 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Ferer in ihrer Literaturanalyse (Ferer, Elise: Working Together: Library and Writing Center Collaboration. In: Reference Services Review (2012) H. 4. S. 543– 557).
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Schreibzentren und Bibliotheken ist in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum angekommen. So stellt beispielsweise Claudia Julia Keller fest, dass es einen Diskussionsbedarf darüber gibt, welche Rolle die Bibliotheken und welche die seit den 1990er Jahren auch an deutschen Universitäten etablierten Schreibzentren bei der Beratung zum wissenschaftlichen Arbeiten haben.27 Ein genauerer Blick auf den oben angesprochenen Diskurs zeigt, dass sich dort viele Argumente für eine Haltung der bewussten Zusammenarbeit im Kontext ihrer jeweiligen Hochschule finden: Norgaard schlägt explizit eine solche Kooperation vor, bei der sich die beiden Seiten als intellektuelle Partner begegnen und deren Arbeit sich gegenseitig befruchtet.28 Elmborg betont, dass die Zusammenarbeit mehr erreichen kann als die Arbeit allein29 und Kibler merkt an, dass durch Kooperation die Qualität des Angebots gesteigert werden kann, in dem sich ergänzende Kompetenzbereiche zusammengeführt werden30. Auch Keller stellt fest, dass Kooperation statt Konkurrenz zwischen diesen Bereichen für „ganzheitliche Unterstützung des Schreibprozesses im Sinne des wissenschaftlichen Arbeitens möglich wird“31. Eine Kooperation allein zwischen den Bereichen Informationskompetenz und Schreibkompetenz an der Hochschule ist allerdings nicht ausreichend, denn zu einem ganzheitlichen Kontext gehört an der Universität die Verknüpfung von Fachlehre und Kompetenzen. Weil Lernen Zeit und einen Kontext braucht32, sind Kooperationen zur Vermittlung von Informations- und Schreibkompetenz besonders dort erfolgreich, wo auch die Fachlehre mit einbezogen wird, um eine enge Verzahnung zwischen Inhalten und Fertigkeiten zu erreichen. Studierende lernen auch im Be-
Zudem scheint es mehrere Diskussionsstränge zu geben, die wenig Bezug aufeinander nehmen. Es scheint kein gemeinsames Forum zu geben, in dem diese Fragen diskutiert werden. Norgaard und Sinkinson weisen darauf hin, dass die Diskussion um die Zusammenarbeit zwischen Schreibzentren und Bibliotheken mit Blick auf Informations- und Schreibkompetenz v. a. innerhalb des Bibliothekswesens geführt wird, die Debatte in beiden Feldern darüber hinaus weitgehend „siloed and directed to an audience of peers within their home disciplines, rather than reaching beyond these boundaries“ bleibt (Norgaard, Rolf & Caroline Sinkinson: Writing Information Literacy. A Retrospective and a Look Ahead. In: Information Literacy. Research and Collaboration across Disciplines. Hrsg. von Barbara J. D’Angelo [u. a.]. Fort Collins, CO: The WAC Clearinghouse 2017 (Perspectives on writing). S. 15–36, hier S. 23). Ein fundierter Literaturüberblick über die vorhandenen Diskussionsstränge übersteigt die Möglichkeiten dieses Beitrags, scheint aber ein wichtiges Forschungsdesiderat zu sein. 27 Keller, Claudia Julia: Informationsberatung als zeitgemäßes Dienstleistungskonzept für wissenschaftliche Bibliotheken. Bachelorarbeit. Hannover 2015, hier S. 25. 28 Norgaard, Rolf: Writing Information Literacy. Contributions to a Concept. In: Reference & User Services Quarterly (2003) H. 2. S. 124–130, hier S. 125. 29 Elmborg, Libraries (wie Anm. 4), hier S. 1. 30 Kibler, Simone: Informationskompetenzvermittlung gemeinsam gestalten: hochschulinterne Kooperationen anbahnen und durchführen. In: Bibliotheksdienst (2017) H. 12. S. 1009–1022. 31 Keller, Informationsberatung (wie Anm. 28), hier S. 46. 32 DeSanto & Harrington, Harnessing (wie Anm. 4), hier S. 278.
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reich der Schreib- und Informationskompetenz am besten, wenn die Lehre sich auf den Kontext des für sie selbst bedeutsamen Tuns bezieht33, ihnen dabei aber die Möglichkeit aufzeigt, das Gelernte auf neue Situationen im Allgemeinen zu übertragen.34 Gleichzeitig stellt es eine Entlastung für Fachlehrende dar, wenn sie unterschiedliches Expertenwissen für die Vermittlung dieser Kompetenzen in ihre Lehre integrieren können. Bestenfalls sollten folglich Inhalte und Kompetenzen Hand in Hand gehen – dann kann sogar eine vertiefte Auseinandersetzung mit Inhalten erfolgen.35
Genese der Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Schreibzentrum an der Universität Konstanz Die Bibliothek ist das Herzstück der Universität: Das gilt in Konstanz ganz augenfällig baulich – die Bibliothek36 ist mitten in die Universität hineingebaut und über verschiedene Eingänge direkt aus den Fächern zugänglich. Es gilt aber auch inhaltlich, denn die Bibliothek ist konsequent einschichtig organisiert und v. a. über die FachreferentInnen in engem Austausch mit den Fächern. Die Bedürfnisse der Fächer und die Angebote der Bibliothek können auf diese Weise eng aufeinander abgestimmt werden. So liegt es nahe, dass auch die Vermittlung von Informationskompetenz in den verschiedenen Fächern an der Universität Konstanz eine lange Tradition hat. Schon bevor sich „Informationskompetenz“ als Begriff und Konzept etablierte und Lehrveranstaltungen der Bibliothek in Studienordnungen integriert wurden, boten v. a. FachreferentInnen und die MitarbeiterInnen der Information Hilfestellung im Umgang mit den Angeboten der Bibliothek. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren die Schulungsangebote allerdings schlecht besucht.37 Der Bologna-Prozess und die Modularisierung der Studiengänge, die unter anderem die Einbindung von beruflich orientierenden Schlüsselqualifika-
33 Elmborg, Libraries (wie Anm. 4), hier S. 7. 34 Elmborg & Hook (Hrsg.), Centers (wie Anm. 24), hier S. 21. 35 Bean, Engaging (wie Anm. 4), hier S. 10–14. 36 2013 schlossen sich Bibliothek, Rechenzentrum und IT der Verwaltung zu einer Organisationseinheit zusammen, dem Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM), das alle IT- und Bibliotheksdienste der Universität unter einem Dach vereint (Hätscher, Petra: KIM – Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum. Die neue zentrale Einrichtung ist geboren. In: Bibliothek aktuell (2014) H. 98. S. 18–19). Dieser Beitrag konzentriert sich im Wesentlichen auf die Angebote, die die Bibliotheksdienste im Bereich der Informationskompetenz machen. Kooperationen mit den KollegInnen aus dem Rechenzentrum – inzwischen IT-Diensten – gab es bereits vor diesem Zusammenschluss, so z. B. wenn es um den Einsatz von Textverarbeitungssoftware ging. 37 Kohl-Frey, Oliver: Modularisierung, E-Learning und die Einbindung in Studienpläne. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2005) H. 1. S. 42–48, hier S. 42.
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tionen in die Studiengänge vorsahen, waren Anlass, innerhalb der Bibliothek über bestehende Angebote neu nachzudenken und mit den Fächern darüber zu diskutieren, wie diese in den entstehenden Bachelor- und Master-Studiengängen verankert werden sollten.38 In den Projekten Informationskompetenz I und II beschäftigte sich die Bibliothek intensiv mit möglichen Inhalten und entwickelte fachübergreifende Musterkurse auf Bachelor-, Master- und Promotions-Niveau, die als Basis für fachspezifische Kurse dienten und an die jeweiligen fachlichen Bedarfe angepasst wurden. Dabei standen die FachreferentInnen in engem Austausch mit den jeweiligen Fächern und konnten Informationskompetenzkurse in verschiedenen Studien- und Prüfungsordnungen verankern. Das Finden, Bewerten und Weiterverarbeiten von Informationen sind zentrale Bereiche von Informationskompetenz, für die in den Musterkursen Lehreinheiten entwickelt und nachnutzbar zur Verfügung gestellt wurden. Die Konzepte und Musterkurse, die Anfang / Mitte der 2000er Jahre entstanden, entwickelten sich in Anpassung an die Erfordernisse aus den Fächern weiter; zusätzliche Formate werden heute in enger Anbindung an die Fachlehre angeboten. Die zentrale Unterstützung studentischer Schreibkompetenz ist an der Universität Konstanz im Vergleich zur Vermittlung von Informationskompetenz noch relativ jung, auch wenn es immer wieder einzelne Initiativen in Fächern gab, die sich dem Thema der Vermittlung des wissenschaftlichen Schreibens widmeten. Im Rahmen des Qualitätspakts Lehre wurde mit Bundesmitteln 2012 an der Universität Konstanz das Projekt „b³ – beraten, begleiten, beteiligen“ initiiert und ein Schreibzentrum gegründet, das zentral im Referat Lehre angesiedelt und mit der Erstellung und Umsetzung eines Gesamtkonzepts zur Schreibförderung beauftragt wurde. Das Schreibzentrum bietet Studierenden, Lehrenden und Studiengangsverantwortlichen sowohl direkte Unterstützung (z. B. durch Schreibberatung, Lehrberatung, Kurse, Workshops und Events) als auch indirekte Angebote (z. B. Materialien, Umsetzung von Schreibfördermaßnahmen). Ziel ist es, die systematische Schreibförderung mit begleitenden zentralen Angeboten und im Rahmen der Studiengänge in enger Zusammenarbeit mit der fachlichen Lehre dauerhaft zu etablieren. Aufgrund der großen Überschneidung zwischen den Bereichen, die oben dargestellt wurde, nahmen die beiden Stellen bereits kurz nach der Gründung des Schreibzentrums Kontakt miteinander auf, auch wenn sie institutionell in unterschiedlichen Abteilungen angesiedelt sind. Daraus entwickelte sich eine vielfältige Kooperation. Im Folgenden werden anhand von zwei Beispielen gelingende Kooperationen zwischen den Fächern, den Angeboten des Schreibzentrums und des KIM geschildert. Dabei werden verschiedene Fachkulturen und unterschiedliche Forma-
38 Jochum, Uwe: Informationsvermittlung. Informationskompetenz, Bibliothekspädagogik und Fachreferate. In: Bibliotheksdienst (2003) H. 11. S. 1450–1462; Kohl-Frey, Modularisierung (wie Anm. 37).
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te der Zusammenarbeit in den Blick genommen. Wichtig für diese Beispiele ist, dass es sich nicht nur um eine bilaterale Kooperation von zwei zentralen Einrichtungen handelt, sondern dass die Fachlehre immer eine tragende Rolle spielt. Die Beispiele, die wir schildern, werden von einem Grundgedanken des Framework getragen, nämlich von dem Frame, dass Wissenschaft immer auch Kommunikation bzw. Dialog ist; in unserem Fall findet auch das Erlernen von Kompetenzen, die für das wissenschaftliche Arbeiten benötigt werden, im Dialog statt.
Unterstützung parallel zu den Fachkursen: integrierte Vermittlung von wissenschaftlichem Arbeiten in einem gemeinsamen Kurs in LiteraturKunst-Medien Im Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften gibt es für den dort angesiedelten Studiengang Literatur-Kunst-Medien seit dem Wintersemester 2015/ 2016 ein Angebot für Studierende im dritten Fachsemester. Aufbauend auf mehreren vorhergehenden Einzelangeboten im Schreibzentrum und im Bereich der Informationskompetenz wurde gemeinsam ein semesterlanger Kurs entwickelt, der gemeinsam von drei Lehrenden (aus dem Fach, den Bibliotheksdiensten und dem Schreibzentrum) unterrichtet wird und in dem jeweils ein/e Mitarbeiter/in aus den drei genannten Bereichen für die zu vermittelnden Kompetenzen steht. Die Studierenden erhalten im Kurs mehrere kleine Schreibaufgaben mit Abgabeterminen während des Semesters. Zusätzlich müssen sie kurz nach Semesterende einen letzten Text abgeben, so dass sie ihr Pensum bereits vor Beginn der traditionellen Hausarbeiten-Schreibzeit erledigt haben. Die Sitzungen sind in der Regel mehrstimmig gestaltet, das heißt, Studierende bekommen Input von den Lehrenden aus zwei oder allen drei Bereichen. Nur vereinzelt gibt es Sitzungen, die komplett von einer Lehrperson übernommen werden (beispielsweise Recherchesitzungen), aber auch diese sind explizit mit den übrigen verknüpft, um für die Studierenden zu verdeutlichen, dass sich alle Teile zu einem großen Ganzen fügen. Im Kurs wird zu Beginn anonym auf Kärtchen abgefragt, was genau die Motivation für die Teilnahme ist. Dies wird mit dem Kurskonzept abgeglichen und ggf. ergänzt. Die Lehrenden nehmen im Kurs immer wieder Bezug auf die in der ersten Sitzung geäußerten Anliegen, und es gibt zur Kursmitte am Jahresende die Möglichkeit, im Rahmen eines One-Minute-Papers39 noch einmal zu formulieren, was Teilnehmende jetzt noch am dringendsten empfinden. Es hat sich bei dieser
39 Bean, Engaging (wie Anm. 4).
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Gelegenheit gezeigt, dass oft ganz andere Dinge hinter einer Formulierung wie beispielsweise „richtig zitieren“ stecken als das, was es auf den ersten Blick zu sein scheint, und dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst im Lauf des Kurses genau benennen können, wo ihre Unsicherheiten liegen. Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass viele Studierende erst das Vokabular dafür brauchen, um ihre Schwierigkeiten benennen zu können. Um Trockenschwimmen zu vermeiden, erarbeiten sich die Studierenden die Informations- und Schreibkompetenzen anhand von Fachinhalten. Dazu können sie Themen, Gegenstände und Fragestellungen einbringen, denen sie in einem aktuellen Fachseminar begegnen und die für sie deswegen relevant sind. Dies erhöht die Motivation der Studierenden, sich mit den Aufgaben intensiv auseinanderzusetzen, die in diesem Kurs gestellt werden, und sie können die mit den Aufgaben geübten Arbeitsmethoden selbständig auch auf andere Kurse und Fachthemen übertragen. Um zu vermeiden, dass dieselbe Arbeit zweimal als Leistungsnachweis eingereicht wird – einmal in diesem Kurs und einmal im Fachseminar – müssen die Studierenden Aufgaben erledigen, die trotz einer thematischen Nähe zu ihrem anderen Seminar spezifisch für diesen Kurs sind. Durch die Bearbeitung dieser Aufgaben können die Studierenden auch die Inhalte ihres Fachseminars besser verstehen und intensiver durchdringen. Um ein konkretes Beispiel für die Verknüpfung der Schreib- und Recherchekompetenz mit der Fachlehre zu nennen, wird im Folgenden eine Aufgabe genauer beschrieben. Studierende werden von der Mitarbeiterin aus dem Schreibzentrum in einer Sitzung angeleitet, ein Cluster zu ihrem Fachthema zu entwerfen. Dieses Cluster wird anschließend in der Sitzung in Partnerarbeit als Mindmap strukturiert und dient der Vorbereitung der Recherche. Studierende können entweder ihr Cluster oder ihre Mindmap dann an den KIM-Lehrenden schicken.40 In der folgenden Sitzung wird anhand der Einreichungen in Kleingruppen zu diesen Themen in verschiedenen Datenbanken und mit verschiedenen Begriffskombinationen recherchiert. So wird gezeigt, wie unterschiedlich die Ergebnisse sind, je nachdem, mit welcher Strategie man vorgeht. Die gefundenen Ergebnisse werden beispielhaft mit dem Lehrenden aus dem Fach besprochen, um zu zeigen, wie Entscheidungen für oder gegen die Relevanz von gefundenen Treffern gefällt werden können. Für geeignet befundene Treffer werden in ein Literaturverwaltungsprogramm eingetragen, auf das in einer späteren Sitzung, wenn es um die Einbindung von Literatur in den Text geht, zurückgegriffen wird.
40 Als Kursleistung wird lediglich verlangt, Cluster oder Mindmap bis zur Semestermitte abzugeben. Ein Anreiz für Studierende, diese Aufgabe zügig zu erledigen ist, dass sie möglicherweise von den im Kurs gefundenen Rechercheergebnissen für ihre Arbeit im regulären Fachkurs profitieren können.
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Durch den Input des Schreibzentrums lernen Studierende in diesem Beispiel, wie sie sich für ihren Schreibtyp geeignete Strategien zurechtlegen und sich selbst organisieren können. Die Informationskompetenz macht an einem konkreten Beispiel erfahrbar, wie fachlich relevante Treffer gefunden und weiterverarbeitet werden können. Die Perspektive aus dem Fach vermittelt, welche Informationen für das Fach interessant sind und welche sich zwar mit dem recherchierten Thema beschäftigen, dies aber aus einer anderen Perspektive und mit anderen Zielen tun. In der Zusammenarbeit der drei Bereiche lernen Studierende, dass Schreiben und Recherchieren eng verknüpfte und auch immer zirkuläre Prozesse sind, in denen sich das Thema zur Fragestellung herausbildet und so bearbeitbar gemacht wird. Auf ähnliche Art und Weise wird im Kurs der gesamte Schreibprozess von der ersten Orientierung im Thema bis hin zur Abgabe behandelt. Studierende finden im Kurs einen geschützten Raum, in dem sie lernen können, wie sie zirkulär ihre Themen entwickeln und recherchieren und dabei anhand eines für sie selbst bedeutsamen Themas erfahren: Sowohl Recherchieren als auch Schreiben sind nicht-lineare Prozesse.41 Die Studierenden lernen dabei nicht nur von den Lehrenden, sondern auch voneinander, weil sie im Kurs immer wieder Gelegenheit zum Austausch untereinander bekommen, Einblick in ihren eigenen Arbeitsprozess geben sollen und dadurch auch die Vorgehensweisen der anderen Teilnehmenden kennenlernen. Aus der Interaktion der drei Lehrenden wird für die Studierenden das Prinzip des „scholarship as conversation“ deutlich. Sie sehen, dass Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens nicht nur isoliert an einer Stelle so wahrgenommen werden, sondern dass es eine allgemeine Einigkeit über bestimmte Konventionen, mögliche Vorgehensweisen und dem Fach angemessene Methoden gibt. Sie verdeutlichen immer wieder, wo Studierende verlässliche Informationen finden, sie klar und strukturiert mit ihrem eigenen Erkenntnisinteresse in Einklang bringen und dem Fach angemessen weiterverarbeiten können. Die Arbeit der Studierenden wird effizienter, da sie sich des Wissens aus allen drei Bereichen bedienen und den Umgang für weitere Arbeiten in der konkreten Anwendung erlernen können. Fach, Informationskompetenz und Schreibdidaktik können hier Hand in Hand ein wichtiges Unterstützungsangebot leisten. Gleichzeitig ergeben sich in der Interaktion der Lehrenden auch immer wieder Momente, in denen deutlich wird, dass auch sie als ExpertInnen gelegentlich auf unterschiedlichen Wegen an ihr Ziel gelangen – beispielsweise, wenn Erfahrungen damit, in welcher Reihenfolge man selbst vorgeht, geteilt werden. So wird deutlich, dass es eben kein Patentrezept für das wissenschaftliche Arbeiten gibt – sondern dass es um übergeordnete Prinzipien (siehe Framework) und das Ausbilden unterschiedlicher Kompetenzen (siehe Dimensionen) geht, denen sich die Studierenden annähern.
41 Sult & Mills, A Blended Method (wie Anm. 3), hier S. 369.
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Systematische Integration in die Fachlehre: Proseminare im Fach Politik- und Verwaltungswissenschaft Praxisbeispiel 2 für eine gelungene Kooperation zwischen Fach, Bibliothek bzw. Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM) und Schreibzentrum ist das Fach Politik- und Verwaltungswissenschaft, für das es schon seit vielen Jahren verschiedene Angebote zur Förderung von Informationskompetenz gibt. Diese Angebote der Bibliothek fügten sich nahtlos in die Tradition des Fachs ein, das starken Wert auf die Methodenausbildung seiner Studierenden legt. Die Vermittlung von Methodenwissen wird dabei als ein Prozess verstanden, der von verschiedenen ExpertInnen getragen wird und der passend zum Studienfortschritt Lehreinheiten zu unterschiedlichen Kompetenzen in den Studienplan integriert. Aus dieser Überlegung heraus entstanden in der Kooperation zwischen Bibliothek und Fach verschiedene Lehrformate; so sind One-Shot-Sessions in Seminaren von Fachlehrenden genauso etabliert wie semesterbegleitende Kurse auf BA- und MA-Niveau. Die Etablierung der One-Shot-Sessions zur Recherche in den Proseminaren des Fachs, auf denen die im Folgenden beschriebene Kooperation zwischen dem KIM, dem Schreibzentrum und dem Fach aufbaut, setzt darauf, dass Inhalte aus dem Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens am sinnvollsten vermittelt und geübt werden können, wenn sie einen konkreten Themenbezug haben. Vorausgegangen waren diesem Format verschiedene andere Lehrformate, u. a. Vorlesungen oder Übungen speziell zum wissenschaftlichen Arbeiten. Als tragfähiges Konzept durchgesetzt hat sich letztlich die Idee, die Fähigkeiten, die man für das wissenschaftliche Arbeiten braucht, im Rahmen der Proseminare zu vermitteln. In der idealtypischen Studienabfolge sind Proseminare die ersten Veranstaltungen, in denen Studierende eine eigene Arbeit verfassen müssen und in denen deswegen parallel zum inhaltlichen Arbeiten auch das wissenschaftliche Arbeiten eingeübt werden soll. Ziel ist es, alle Studierenden eines Jahrgangs in ihrem zweiten Semester zumindest mit einem Ausschnitt von Themen aus dem Bereich der Informationskompetenz vertraut zu machen. Schwerpunkte dieser One-Shot-Sessions sind die Themen Recherchestrategien entwickeln und Arbeit mit ausgewählten Suchinstrumenten. Gleichzeitig soll bei den Studierenden ein Bewusstsein dafür geweckt werden, dass es einen Unterschied zwischen Alltagsrecherchen inklusive der Bewertung von Suchergebnissen und Recherchen für die Wissenschaft gibt; und dass es möglich – und nötig – ist, sich die dafür nötigen Kompetenzen anzueignen. Parallel geht es darum, deutlich zu machen, dass wissenschaftliches Arbeiten – in diesem Fall speziell Recherche – ein iterativer Prozess ist, der an verschiedenen Stellen eines Schreibprojekts mit unterschiedlichen Techniken angewendet wird. Das Fach hat sehr genaue und für alle Lehrenden nachvollziehbare Vorstellungen davon, wie Angebote zum wissenschaftlichen Arbeiten in den Lehrbetrieb inte-
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griert werden, dokumentiert in den Richtlinien zur Gestaltung der Proseminare (internes Dokument). Mit der Einrichtung des Schreibzentrums an der Universität wurden das Konzept und diese Richtlinien durch die Integration eines weiteren externen Experten in die Methodenausbildung fortgeschrieben und entsprechend angepasst. Die Richtlinien bekräftigen die enge Verzahnung der Inhalte aus dem Bereich der Schreib- und Informationskompetenz mit der Fachlehre: „Der Vorschlag der Einrichtung einer für alle Studierenden obligatorischen Vorlesung ‚Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten‘ wurde vom Professorium verworfen, mit der Begründung, dass sich diese Techniken nur schwer im ‚luftleeren‘ Raum erlernen ließen.“ Die Richtlinien legen sehr klar fest, welche Inhalte in beiden Proseminaren vermittelt werden sollen, wie die beiden Proseminare aufeinander aufbauen sollen – und dass für die entsprechenden Inhalte die Expertinnen aus Schreibzentrum und Bibliotheksdiensten hinzugezogen werden sollen. Während im Proseminar I, wie beschrieben, der Bereich Informationskompetenz abgedeckt werden soll, liegt der Schwerpunkt in Proseminar II auf der Vermittlung von Schreibkompetenz. Diese Integration von Informations- und Schreibkompetenz in Form von OneShot-Sessions in zwei aufeinanderfolgenden Semestern gründet sowohl in inhaltlich-konzeptionellen als auch in rein pragmatisch-arbeitsökonomischen Überlegungen. Unabhängig davon, ob es um die Vermittlung von Schreib- oder von Informationskompetenz geht, ist der Dialog mit der jeweiligen Disziplin entscheidend: „Wissenschaftlich Schreiben können […] heißt kollaborativ mit dem Wissen einer Disziplin umgehen können.“42 Sich mit Techniken wissenschaftlichen Arbeitens auseinanderzusetzen braucht, soll es erfolgreich sein, einen inhaltlichen Rahmen, innerhalb dessen diese Techniken eingeübt werden. Um Schreib- und Informationskompetenz erfolgreich in den Arbeitsprozess zu integrieren und anschlussfähig an den Studienalltag zu machen, ist es also geboten, die Vermittlung der Kompetenzen in den Fachdiskurs einzubetten. Die Zusammenarbeit zwischen Fachlehrenden und Mitarbeitenden aus Schreibzentrum und Bibliotheksdiensten, die Studierende dialogfähig in der eigenen Disziplin machen soll, setzt genau dort an. Die inhaltlich-konzeptionellen Überlegungen treffen auf pragmatisch-arbeitsökonomische Überlegungen aller Beteiligten. Fachlehrende greifen gerne auf die Expertise aus den Bereichen Schreib- und Informationskompetenz zurück; denn so müssen sie nicht auf alle Fragen der Studierenden eine Expertenantwort haben, können aber das von den Expertinnen eingebrachte Wissen um die Erfahrungen aus ihrer eigenen Praxis ergänzen. Auch hier zeigt sich wieder, dass Wissenschaft, aber auch das Erlernen grundlegender Fertigkeiten im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens ein Dialog ist.
42 Bauer, Reinhard u. Gabi Reinmann: Förderung wissenschaftlicher Schreibkompetenz durch Writers’ Workshops (Forschungsnotiz 4) 2010. S. 1.
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Aus der Perspektive der beiden wissenschaftsunterstützenden Institutionen würden sich drängende Kapazitätsfragen stellen, sollten jeweils für einen ganzen Jahrgang (ca. 200 Studierende) semesterbegleitende Veranstaltungen angeboten werden. Die One-Shot-Sessions bieten eine gute Gelegenheit, mit den Studierenden in einen Dialog zu treten, der sich über mehrere Semester fortsetzt, weil die Lehreinheiten Studierende für Methoden und Techniken aus dem Bereich der Schreib- und Informationskompetenz sensibilisieren. Gleichzeitig schaffen diese Einheiten ein Bewusstsein dafür, dass sich Kompetenzen entwickeln müssen – und können – und dass Studierende dafür auch Ansprechpersonen außerhalb ihres Faches finden. Was auf den ersten Blick wie eine klassische One-Shot-Session sowohl seitens des Schreibzentrums als auch seitens der Bibliotheksdienste aussieht, ist durch das Konzept des Fachs in einen größeren Kontext eingebettet: Die Verteilung der Inhalte auf zwei Proseminare und damit auf zwei Semester lässt mehr Raum, sich mit den einzelnen Inhalten zu beschäftigen, gleichzeitig macht es die Verzahnung zwischen den beiden Bereichen deutlich.
Round Table als Austauschformat für ProseminarLehrende Um die Lehreinheiten noch enger mit der Fachlehre zu verzahnen, wurde ein Round Table für die Proseminar-Lehrenden des Fachs eingerichtet. Dieser findet einmal im Semester statt und wird gemeinsam moderiert von der Studiengangskoordinatorin des Fachs, der zuständigen Kollegin aus dem Schreibzentrum und der Fachreferentin. Ging es zunächst vor allem darum, das neue Konzept bekannt zu machen und die Unterstützungsangebote der zentralen Einrichtungen vorzustellen, fördert die Veranstaltung inzwischen besonders den Austausch von Lehrenden der Proseminare, die sich in dieser Konstellation sonst nicht systematisch treffen würden. In der Diskussion über Best Practice-Beispiele entstehen gemeinsam mit Schreibzentrum und Bibliotheksdiensten Ideen zur Weiterentwicklung der Schreib- und Informationskompetenzförderung. Außerdem geben die beiden Expertinnen Anregungen, wie Proseminare so gestaltet werden können, dass eine systematische Förderung von Informations- und Schreibkompetenz möglich wird. Die Verbindung zwischen Proseminar I und II und die aufeinander aufbauenden und eng miteinander verzahnten Kompetenzen werden in dieser Runde immer wieder neu diskutiert und anhand von Lehrbeispielen für die Gestaltung der eigenen Seminare vorgestellt und nutzbar gemacht. Ziel dieser Treffen ist aus Perspektive des Schreibzentrums und der Bibliotheksdienste auch, die Lehrenden zu einem Perspektivwechsel zu ermutigen: Es geht weniger darum, Defizite bei den Studierenden zu beklagen, sondern vielmehr darum, die zentralen Herausforderungen – thresholds (!) – zu identifizieren, die Studieren-
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de einmal gemeistert haben müssen, damit sie weiter in die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden hineinwachsen. Damit einher geht außerdem die Einsicht, dass die Vermittlung dieser zentralen Kompetenzen in den Proseminaren einerseits wichtiger Bestandteil für die Sozialisation im Fach ist, andererseits aber aufgrund der Komplexität der zu erlernenden Kompetenzen nicht mit ein bis zwei Lehreinheiten abgeschlossen sein kann. Ergänzt werden die One-Shot-Sessions, die die Studierenden adressieren, um die Möglichkeit der Lehrberatung, um einzelne Lehrende über die allgemeinen Richtlinien hinaus bei der Gestaltung ihrer spezifischen Proseminare individuell zu unterstützen. Lässt man die verschiedenen Formate, die es im Fach Politik- und Verwaltungswissenschaft zur Vermittlung von Informations- und Schreibkompetenz schon gab, Revue passieren, zeigt sich, dass Umwege die Ortskenntnis erhöhen: Die verschiedenen Kooperationen – Fach und Bibliothek, Fach und Schreibzentrum – trugen dazu bei, Formate weiterzuentwickeln, Erfahrungen zu sammeln und zur aktuellen Best Practice zu gelangen. Aber auch Best Practice ist letztlich Work in Progress und so tragen jede Evaluation, jede Rückmeldung von Lehrenden und Studierenden, aber auch Erfahrungen aus anderen Fächern dazu bei, unsere Angebote beständig zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Diese enge Kooperation zwischen den beiden zentralen Einrichtungen bewährt sich sehr. Obwohl die Angebote in verschiedenen Semestern stattfinden, gibt es ein großes wechselseitiges Verständnis für die Perspektiven und Lehrinhalte des anderen, so dass Fragen und Anregungen von Lehrenden und Studierenden direkt aufgegriffen werden können und bei Bedarf an die jeweils andere Institution verwiesen werden kann. Diese Möglichkeit schafft den Freiraum, die eigenen Angebote an die sich wandelnden Anfordernisse anzupassen und sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Die regelmäßig stattfindenden Round Tables fördern nicht nur den Austausch der Fachlehrenden mit den zentralen Einrichtungen, sondern tragen auch dazu bei, die Kooperation zwischen den beiden Einrichtungen zu stärken und sich weiter mit der Expertise der anderen Institution vertraut zu machen. Gleichzeitig wird dadurch für die Fachlehrenden deutlich, dass wir zwar aus unterschiedlichen Bereichen kommen, aber gleiche Ziele und Ideen bei der Förderung von Informations- und Schreibkompetenz verfolgen.
Schlussfolgerungen für die Kooperation Wir halten die bewusste Kooperation zwischen Schreibzentren und Bibliotheken für wichtig und sinnvoll, um Studierenden ein ganzheitliches Angebot machen zu können, mit dem der Übergang von Schule ins Studium gelingen kann und mit dem darüber hinaus Kompetenzen über den gesamten Studienverlauf immer wieder ein-
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geübt und erweitert werden. Dazu, informations- sowie schreibkompetent zu werden und diese Kompetenzen auch im Fachstudium umsetzen zu können, gehört es auch zu wissen, wo man weitere Informationen bzw. Hilfe bekommen kann und wer die kompetentesten Ansprechpersonen sind – eine Perspektive, die auch in den von uns vorgestellten Modellen von Schreib- und Informationskompetenz deutlich wird. Die Dimensionen der Schreibkompetenz implizieren jeweils die dort wichtigen Kontakte im Fach (Diskursgemeinschaft, Fachwissen), in der Bibliothek (Recherche, Medien) und im Schreibzentrum (Prozess, Produkt). Das ACRL-Framework betont auch, dass es angesichts einer immer komplexer werdenden Umwelt, innerhalb derer Studierende ihre Fach-, Schreib- und Informationskompetenz entwickeln und ausbauen müssen, naheliegt, ihnen kooperierende Partnerinstitutionen zur Seite zu stellen, die ihre jeweiligen Kompetenzen einbringen. Das Framework betont die Bedeutung einer engen Kooperation zwischen Fächern und zentralen Einrichtungen bei der Erstellung eines Curriculums, das zur ganzheitlichen Ausbildung von Kompetenzen beiträgt und in dem sich alle Beteiligten darauf konzentrieren können, ihre jeweiligen Stärken einzubringen. Mit unseren Beispielen für gelungene integrierte Angebote von Schreibzentrum, Bibliotheksdiensten und – für den Erfolg dieser Angebote wichtig – Fächern zeigen wir, dass von einer guten, die Stärken der Partnerinstitution wertschätzenden Kooperation alle Beteiligten profitieren können. Neben der inhaltlichen Nähe, die wir eingangs mit Blick auf die Vermittlung von Informations- und Schreibkompetenz beschrieben hatten, kann auch die räumliche Nähe zwischen den Schreibzentren und Bibliotheken ein wichtiger Anstoß für sinnvolle Kooperationen sein, von denen die Studierenden in ihrer Lernentwicklung profitieren können.43 An der Universität Konstanz ist diese räumliche Nähe vorhanden und die Kooperation wird dadurch immer wieder sichtbar. So findet die Peer-Schreibberatung des Schreibzentrums in den Räumen der Bibliothek statt, und die jährliche Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit, an vielen Hochschulen ein gutes Beispiel für die Kooperation zwischen Schreibzentren und Bibliotheken, ist auch in Konstanz ein festes Angebot. Aber nicht nur dort, wo Schreibzentrum und Bibliothek einen physischen Raum teilen, sondern im gesamten Bildungsraum der Universität finden Kooperationen statt. Jenseits der direkten Unterstützung von Studierenden adressieren unsere Angebote auch die Lehrenden und Studiengangsverantwortlichen, da die Kooperation mit den Fächern für die Akzeptanz des Konstanzer Angebots entscheidend ist. Über die oben genannten Beispiele hinaus gibt es Round Tables, Lehreinheiten in verschiedenen Fächern sowie Überlegungen zur systematischen Integration von Schreib- und Informationskompetenz in weitere Fächer.
43 Artman [u. a.], Not Just One Shot (wie Anm. 3), hier S. 104; Elmborg, Locating (wie Anm. 24), hier S. 9.
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Dabei sind individuelle Kooperationen mit einzelnen Fachlehrenden häufig der Motor für die Weiterentwicklung der Angebote hin zur systematischen Förderung aller Studierenden eines Faches. Nicht zuletzt die Einrichtung einer Begleitgruppe des Schreibzentrums44 zeigt aber auch, dass Kooperationen strukturell eingebettet sein sollten, um die Nachhaltigkeit zu sichern. Derzeit ist das Schreibzentrum noch an die Fördermittel des BMBF gebunden, die in dieser Runde Ende 2020 auslaufen. Durch die strukturelle Integration in die Fächer wie auch durch die enge Kooperation mit den zentralen Einrichtungen arbeitet das Schreibzentrum darauf hin, die Verstetigung zu erreichen. Vor allem zwei Gründe befördern die Verstetigungsabsichten innerhalb der Universität. Zum einen werden die Angebote von den Studierenden sehr gut angenommen. Zum anderen nehmen auch die Lehrenden in den Fächern die Möglichkeit, sich Kompetenzen von außen zu holen, gerne in Anspruch. Schreibzentren und Bibliotheken bringen wie beschrieben Kompetenzen und Expertenwissen von außen. Durch die gute Kooperation und das Wissen um die Expertise und Stärke der jeweils anderen fördern beide Einrichtungen das Bewusstsein an der ganzen Universität dafür, welche Kompetenzen und Ressourcen vorhanden sind und genutzt werden können. Dabei kann durch die Außenperspektive auch auf in anderen Bereichen vorhandene Expertise verwiesen und auf Best Practice aus anderen Fächern zurückgegriffen werden. Das führt sowohl zu einer Entlastung in den Fächern, von der die Lehre profitieren kann, als auch zu einer besseren Verteilung der Arbeit zwischen Schreibzentrum und Bibliothek. Die jeweilige Institution bzw. das jeweilige Fach kann sich auf die Qualität des eigenen Angebots konzentrieren und sich darauf verlassen, dass komplementäre Inhalte durch die jeweils andere Einrichtung angeboten werden. Die Verantwortung, Studierende informations-, fach- und schreibkompetent zu machen und in die Wissenschaft zu begleiten wird auf mehrere Schultern verteilt. Und „scholarship as conversation“ wird für alle sichtbar – nicht nur in den Fächern, sondern auch in der Kooperation mit zentralen Einrichtungen. Studierende brauchen für ein erfolgreiches Studium Kompetenzen aus allen oben angesprochenen Frames und Dimensionen. Die Mehrdimensionalität der von ihnen benötigten Kompetenzen kann zentralen Bereichen aus dem Blick geraten, wenn sie sich lediglich auf ihr eigenes Angebot konzentrieren. In der Zusammenarbeit der Bereiche Informationskompetenz, Schreibkompetenz und Fach wird für uns an der Universität Konstanz immer wieder deutlich, an welchen Stellen uns der Blick von außen hilft, unser Angebot zu verbessern. Wir können dieses reflexive,
44 Die Begleitgruppe ist ein beratender Zusammenschluss von VertreterInnen der drei Sektionen der Universität, des KIM, des International Office, des Sprachlehrinstituts sowie der Studierenden, die einmal pro Semester gemeinsam mit dem Schreibzentrum tagt.
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multidimensionale Vorgehen nur empfehlen, denn nicht zuletzt profitieren wir auch untereinander davon, wenn wir im Kontext der Hochschule nicht nur als Dienstleisterinnen für die eingangs angesprochenen basalen Fertigkeiten, sondern als wichtige Partnerinnen im wissenschaftlichen Dialog wahrgenommen werden.
Marion von Francken-Welz, Jessica Kaiser und Matthias Pintsch
Mit dem Learning Center leichter schreiben – Schreibberatung als Service der UB Mannheim Abstract: Der Service Schreibberatung ist an der UB Mannheim eng mit der Grundidee des Learning Centers verzahnt, einen optimalen studentischen Lernort zu gestalten. Das etablierte Beratungsangebot aufnehmend und erweiternd, berät ein kleines FachreferentInnenteam beim wissenschaftlichen Schreiben. Um Hilfestellung von der Idee bis zur Fertigstellung einer wissenschaftlichen Arbeit geben zu können, müssen fortlaufend zusätzliche Kompetenzen in Gesprächsführung, Erkenntnissen und Methoden der Schreibdidaktik sowie im Bereich Textwissen und Textsortenkompetenz erworben werden. Insbesondere als Anlaufstelle für Unsicherheiten hinsichtlich der formellen und inhaltlichen Anforderungen an wissenschaftliche Arbeiten hat sich die Schreibberatung gut etabliert. Diesen Service sozusagen „nebenbei“ zu betreiben, stellt für die Bibliothek durchaus eine Herausforderung dar, etwa was die Organisation des Services betrifft, die didaktischen Methoden, die man den Studierenden an die Hand gibt, oder die Qualitätskontrolle des Angebots. Die fachliche Horizonterweiterung und nicht zuletzt die positive Resonanz der Studierenden machen für uns an der UB Mannheim den Einsatz für die Schreibberatung auch zukünftig lohnenswert. Schlüsselbegriffe: Learning Center, Schreibberatung, Kompetenzerweiterung, Serviceorganisation Kurzbiografien: Dr. Marion von Francken-Welz ist seit Oktober 2013 Fachreferentin für Rechtswissenschaft an der UB Mannheim und arbeitet seit rund drei Jahren im Team der Schreibberatung mit. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft, der Promotion und dem Rechtsreferendariat absolvierte sie das Bibliotheksreferendariat am BIS Oldenburg. Jessica Kaiser M.A. ist seit 2015 Benutzungsleiterin an der UB Mannheim und zugleich hauptverantwortlich für die Schreibberatung. Nach dem Studium der Germanistik, Neueren Geschichte und Rechtswissenschaft und dem Bibliotheksreferendariat an der ULB Düsseldorf arbeitete sie von 2002 – 2013 als Fachreferentin für Rechtswissenschaft an der UB Mannheim. Auf die Stationen Bereichsbibliotheksleitung und Ausbildungsleitung erfolgte 2006 mit der Übernahme der stellvertretenden Abteilungsleitung der Einstieg in das Aufgabengebiet Benutzungsorganisation und -entwicklung. Dipl.Vw. Matthias Pintsch ist seit 2012 Fachreferent an der UB Mannheim, zuerst für Sozialwissenschaft, nun für Betriebswirtschaft. Nach dem Studium der Volkshttps://doi.org/10.1515/9783110594140-026
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wirtschaft arbeitete er in einem Informationsprojekt an der ETH Zürich, erwarb berufsbegleitend an der Universität Zürich einen Master in Bibliotheks- und Informationswissenschaft und übernahm im Anschluss das Fachreferat Wirtschafts- und Sozialwissenschaft an der UB Bern.
Entwicklung des Learning Centers und die Idee einer Schreibberatung an der UB Mannheim Die Universitätsbibliothek betritt man zur Literaturrecherche, zur Ausleihe und zum mehr oder weniger stillen Lesen am Einzel-Arbeitsplatz. Neben diesen altbekannten Nutzungsszenarien mutet die Idee, eine Schreibberatung in den Räumen der Bibliothek anzubieten, noch befremdlich an. Erst im Bewusstsein, dass die Bibliothek über ihre traditionellen Funktionen hinaus heute studentischer Lebensort und Ort für autonomes Lernen ist, wird Beratung zum wissenschaftlichen Schreiben überhaupt als Bibliotheksservice denkbar. Mit Schreibberatung nehmen BibliothekarInnen eine zentrale Lernaufgabe Studierender in den Fokus und entwickeln nicht nur das Bibliotheksservicespektrum weiter, sondern zugleich auch ihre ureigenen Kompetenzbereiche. An der UB Mannheim ist die Idee einer Schreibberatung tatsächlich eng mit der Entwicklung eines Lernraumkonzepts für den studentischen Lebensort und der daraus folgenden Einrichtung des Learning Centers in den Räumen der Bibliothek verknüpft. Das Angebot an Arbeitsplätzen für BesucherInnen der vier großen Freihandund Präsenzbibliotheksbereiche der UB Mannheim wurde bereits bis zum Jahr 2010 deutlich erweitert. Dennoch waren diese Arbeitsplätze gut bis sehr gut ausgelastet, selbst in den Abendstunden und an den Wochenenden. Darüber hinaus zeichnete sich eine wachsende Nachfrage seitens der Studierenden nach zusätzlichen Arbeitsplätzen ab, speziell auch nach Arbeitsräumen, die den regen verbalen Austausch studentischer Lern- und Arbeitsgruppen unterstützen. Auch an der Universität Mannheim wurde – wie andernorts – die Bibliothek zunehmend als Lernort genutzt.1 Dabei erwies es sich als Herausforderung für die Bibliotheksbereiche, dem berechtigten Interesse an Einzel- und Gruppenarbeit oder gar dem Bedürfnis nach
1 Zum Wandel des Benutzungsalltags an der UB Mannheim vgl. Kaiser, Jessica u. Angela Leichtweiß: Service im Wandel und Wandel für den Service – der Benutzungsalltag an der UB Mannheim. In: 50 Jahre UB Mannheim: Entwicklung und Perspektiven. Hrsg. von Christian Hänger [u. a.]. Mannheim 2017. S. 177–187.
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einem Ort für informellen Austausch gleichermaßen gerecht zu werden, bei obendrein steigenden Besucherzahlen. Gruppenarbeitszonen in den Bibliotheksbereichen zu definieren, war ein naheliegender erster Schritt. Der bisherige zentrale Lesesaal in der damals sogenannten Zentralbibliothek wurde als geeigneter Ort für ein fachübergreifendes neues Lernraumangebot identifiziert, im Jahr 2010 von Buchbeständen befreit und ausschließlich mit Gruppenarbeitsplätzen möbliert. Parallel zu diesem pragmatischen Stühlerücken erarbeitete die Bibliothek bereits ein umfassenderes Konzept für den – so der Arbeitstitel – „studentischen Arbeitsplatz der Zukunft“ in der UB Mannheim nach dem Vorbild der anglo-amerikanischen information commons: Ziel war ein Lernort, an dem Studierende insbesondere für kooperatives, aber auch für informelles Lernen jederzeit eine optimal unterstützende und variable Umgebung mit modernster technischer Ausstattung vorfinden.2
Als sich drei Jahre später die Möglichkeit zu einer umfassenden baulichen Umgestaltung des zentralen Lesesaals zu einem Learning Center bot, waren die Säulen dieses Gesamtkonzepts für die Gestaltung des Lernraums bereits definiert: eine innovative Raumgestaltung mit durchdachter Zonierung der verschiedenen Arbeitsbereiche und flexibler Möblierung, modernste technische Infrastruktur – und last but not least ein Beratungsangebot für die Studierenden.3 Bibliothekarische Beratung sollte im Learning Center stärker als das bisherige Angebot auf studentische Lern- und Arbeitsprozesse ausgerichtet sein. Das war sogar wörtlich zu verstehen, indem die Beratung weniger an die Informationstheke gebunden, sondern direkt an den studentischen Arbeitsplatz verlegt wurde: AuskunftsbibliothekarInnen waren als „roving librarians“ im Learning Center unterwegs, um bestenfalls ganz spontan in einer Lernsituation zu unterstützen.4 Zum anderen sollten Themen aus der Lern- und Arbeitswelt der Studierenden das Spektrum der Informationsvermittlung vor Ort erweitern, wie etwa Zeitmanagement in der Prüfungsvorbereitung oder der Umgang mit Präsentationsprogrammen.5 Ausstattung und Beratung im Learning Center wurden konzipiert, um die Studierenden beim Erarbeiten fachlicher Inhalte und Methoden und beim Einüben von Präsentationstechniken zu unterstützen. In diesem Zusammenhang war die Überlegung nicht fern, vor Ort auch eine Beratung für das Wissenschaftliche Schreiben zu etablieren, welches schließlich eine
2 Rautenberg, Katharina [u. a.]: Vom Lesesaal zum Learning Center – Ein neues Raum- und Nutzungskonzept an der UB Mannheim. In: B.i.T. online 2014, hier S. 321. 3 Vgl. Rautenberg, Lesesaal (wie Anm. 2), hier S. 321. 4 Weder die klassische Thekenauskunft noch die „roving librarians“ haben sich als Beratungsangebote im Learning Center der UB Mannheim bewährt. 5 Diese und viele andere Themen werden im Rahmen der Vortragsreihe „Zwölfdreißig“ im Learning Center aufgegriffen, der Mannheimer Variante des Angebotsformats „Coffee-Lectures“.
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oft als mühevoll empfundene Arbeit für Studierende darstellt, der zugleich eine immens große Bedeutung als Studien- und Prüfungsleistung zukommt. Die Idee eine Schreibberatung in der Bibliothek anzubieten, ist somit quasi organisch aus der Entwicklung des Angebotsportfolios für das Learning Center entstanden.
Verortung der Schreibberatung im Serviceportfolio der Universitätsbibliothek und der Universität Obgleich Schreibberatung nah an klassischen bibliothekarischen Beratungsthemen wie beispielsweise Literaturrecherche und Bewertung von Informationsquellen angesiedelt ist und das Thema Lernraum in Bibliotheken geradezu omnipräsent, fand sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Learning Centers im Mai 2014 noch an keiner deutschen Universitätsbibliothek ein entsprechendes Angebot. Während an anderen Hochschulen außerhalb von Bibliotheken aber durchaus Schreibzentren, Schreibwerkstätten oder Labore dieses Themenfeld umfassend abdeckten,6 gab es auf dem Campus der Universität Mannheim zu diesem Zeitpunkt keinen zentralen „Schreibberatungsplayer“. Neben punktuellen Beratungsmöglichkeiten für Wissenschaftliches Schreiben an den Fachbereichen bot allein die Psychosoziale Beratungsstelle des Studierendenwerks (PBS) eine fachübergreifende Anlaufstelle, welche allerdings naturgemäß auf psychologische Probleme im Schreibprozess ausgerichtet war und ist.7 Frei von inneruniversitären Zuständigkeitsfragen konnte die UB Mannheim das Thema angehen und den Prozess des Wissenschaftlichen Schreibens in den Mittelpunkt eines neuen innovativen Services rücken. Von Bedeutung für die Anfangsphase waren nicht zuletzt auch aktuelle Sondermittel des Landes, aus denen die Bibliothek für die ersten anderthalb Jahre acht Wochenstunden Personaleinsatz nach TVL-13 finanzieren konnte. Etablierte Beratungskompetenzen und klassische Beratungsthemen werden mit der Schreibberatung um neue Inhalte erweitert und richten sich an Studierende aller Fächer von der ersten Hausarbeit bis zur Masterarbeit. Der Service trägt somit
6 Ältestes und prominentestes Beispiel ist wohl das Schreiblabor an der Universität Bielefeld. Schreiblabor / Universität Bielefeld. http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/SLK/ schreiblabor/ (Stand: 22.10.2018). Eine baden-württembergische Einrichtung, die zudem auch Qualifizierung von SchreibberaterInnen bietet, ist das Schreibzentrum an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Schreibzentrum /Pädagogische Hochschule Freiburg. https://www.ph-freiburg.de/ hochschule/weitere-einrichtungen/schreibzentrum/ueber-das-schreibzentrum.html (Stand: 22.10.2018). 7 Beratung und Service / Studierendenwerk Mannheim. https://www.stw-ma.de/Beratung+_+Service/PBS+Psych_+Beratung/Schreibcoaching.html (Stand: 22.10.2018).
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auch zur Verzahnung der Bibliothek mit den Wissenschaftsfächern der eigenen Universität bei. Die Verankerung der Schreibberatung im Learning Center ist in Mannheim von Anfang an eine doppelte: Zum einen finden die Beratungsgespräche direkt vor Ort statt. Die Sprechstunde ist in einer sogenannten „Sitzkoje“ angesiedelt, die als Raum im Raum eine optisch abgeschirmte und schallgeschützte Gesprächssituation ermöglicht und dabei zugleich die Wahrnehmung des Angebots garantiert.8 Zum anderen werden Themen aus der Schreibberatung immer wieder innerhalb einer Veranstaltungsreihe mit Kurzvorträgen im Learning Center aufgenommen.9
Organisation der Schreibberatung an der UB Mannheim Wir haben uns an der UB Mannheim gegen eine „peer-Beratung“ entschieden, obgleich diese von zahlreichen Schreibzentren praktiziert wird. Dabei ist die Leitung der Schreibberatung meist einer akademischen Stelle zugeordnet, während der Großteil der Beratungsgespräche studierenden „peer-Beratern“ obliegt. Ein Angebot von Studierenden für Studierende ist zweifellos niedrigschwellig und trägt zu einer lockeren Gesprächsatmosphäre bei. Außerdem muss kein im Zweifelsfall schon mit reichlich anderen Aufgaben gesegnetes Bibliothekspersonal für diese Aufgabe freigestellt werden.10 In der Praxis von Nachteil bei der peer-Beratung ist allerdings vor allem der permanente Aufwand für die Einarbeitung der künftigen BeraterInnen, auch aufgrund der zwangsläufig hohen Fluktuation im Beraterstab. Womöglich ist auch der Aspekt Qualitätskontrolle eher ein Argument gegen die Peer-Beratung. Nach unserem Mannheimer Modell ist Schreibberatung eine Erweiterung des Beratungsportfolios auf der Ebene des Fachreferats – ein weiteres Betätigungsfeld von FachreferentInnen, welches die Kooperation mit der universitären Lehre stärken kann. FachreferentInnen können ihre eigene Vertrautheit mit den Anforderungen des Wissenschaftlichen Schreibens für die Beratungsaufgabe einsetzen sowie auch ihre vielfältigen Erfahrungen im Bereich Informationskompetenz. Der gefühlte „Abstand“ der FachreferentInnen zu den Studierenden muss nicht zwangsläufig eine Hürde für das Beratungsgespräch darstellen. Indem wir eine offe-
8 Schreibberatung / Universitätsbibliothek Mannheim. https://www.bib.uni-mannheim.de/schreibberatung/ (Stand: 22.10.2018). 9 Veranstaltungsreihe ZWÖLFDREISSIG / Universitätsbibliothek Mannheim. https://www.bib.unimannheim.de/learning-center/veranstaltungsreihe-zwoelfdreissig/ (Stand: 22.10.2018). 10 Zur Organisation einer Schreibberatung, hier nach dem Modell einer Peerberatung vgl. Grieshammer, Ella u. Franziska Liebetanz: Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013.
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ne Sprechstunde mitten im Learning Center anbieten, vermeiden wir, dass Studierende zum Beratungsgespräch ein Dienstbüro aufsuchen müssen. Um den Einarbeitungsaufwand überschaubar zu halten und den FachreferentInnen auch möglichst schnell eine gewisse Beratungspraxis zu verschaffen, ist die Schreibberatung an der UB Mannheim aktuell auf nur drei FachreferentInnen verteilt, welche aus unterschiedlichen Fachkulturen kommen. Die Schreibberatung wird während der Vorlesungszeit und während der vorlesungsfreien Zeit zu einem festen wöchentlichen Termin als Eins-zu-eins-Gespräch in einer offenen Sprechstunde angeboten. Studierende können ohne Anmeldung mit ihren aktuellen Schreibprojekten im Learning Center vorbeikommen und direkt eine Beratung in Anspruch nehmen, gegebenenfalls mit Wartezeit. Wer diesen Termin nicht wahrnehmen kann oder eine Beratung im geschützten Raum bevorzugt, kann einen Termin außerhalb der Sprechstunde vereinbaren. Das Gespräch findet dann meist im Dienstzimmer der oder des Beratenden statt.
Inhalte der Schreibberatung Das Ziel unserer Schreibberatung ist, bei allen Schritten zwischen Idee und Fertigstellung einer wissenschaftlichen Arbeit – von der ersten Hausarbeit bis zur Masterarbeit – kompetente Ansprechpartner zu sein. Das beginnt mit Fragen zur Literaturrecherche, zum Lesen und Erschließen akademischer Texte und der Entwicklung von möglichen (Forschungs-)Fragen für eine eigene Arbeit. Weitere thematische Schwerpunkte sind die Entwicklung einer Gliederung, Hinweise zum richtigen Zitieren sowie Fragen zur Überarbeitung eines Textes. Aber auch ergänzende Informationen zu den Eigenheiten verschiedener Schreibtypen, den Sprachkonventionen der Wissenschaft oder Techniken zur Überwindung von Schreibblockaden gehören dazu. An der Stelle muss zugleich deutlich gesagt werden, was die Schreibberatung nicht ist – nämlich inhaltliche, fachliche Beratung. Wir können und wollen keine Ratschläge bezüglich der zu wählenden Forschungsmethode, der zu verwendenden Literatur oder zur inhaltlichen Richtigkeit geben. Dies wird mitunter missverstanden und sollte dann im Beratungsgespräch klar ausgesprochen werden. Die Schreibberatung ersetzt nicht eine eventuell nicht verfügbare oder unzureichende inhaltliche Betreuung durch wissenschaftliche Lehrkräfte. Soweit als möglich geben wir Textfeedback, das heißt wir besprechen den konkreten Text der Studierenden, so wie er gerade vorliegt. Das erleichtert das Problemverständnis und ermöglicht ein möglichst zielorientiertes Beratungsgespräch. Dabei arbeiten wir exemplarisch an einem Textabschnitt von zwei, maximal drei Seiten und nicht an längeren Texten. Im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ können an einem kürzeren Text die Fragen grundlegend besprochen werden und die Studie-
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renden haben dann die Möglichkeit, die Gesamtarbeit anzupassen. An dieser Stelle erweist es sich oft als hilfreich, wenn wir die Texte schon vor dem Beratungsgespräch zur Ansicht und Vorbereitung erhalten haben. Man kann natürlich auch in einer offenen Beratung spontan Texte besprechen – wobei dann aber sicher nicht jeder Aspekt Beachtung findet. Wir bieten unsere Schreibberatung sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch an. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Studiengänge und auch der Studierendenschaft an der Universität Mannheim besteht ein wachsender Bedarf für englischsprachige Beratungen. Mitunter fehlt ausländischen Studierenden noch stärker die Erfahrung mit dem selbständigen Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, so dass sie hinsichtlich solcher Aspekte wie Zitieren, dem Verarbeiten von Primärliteratur oder der Entwicklung einer eigenen Forschungsfrage vor grundlegenden Problemen stehen. In anderen Fällen suchen ausländische Studierende auch Unterstützung bei sprachlichen Unsicherheiten. In manchen Beratungsgesprächen entsteht der Eindruck, dass sich hinter den Schreibproblemen tiefergehende persönliche Krisen verbergen. An dieser Stelle verweisen wir auf die Psychologische Beratungsstelle des Studierendenwerks (PBS), wo die nötigen Kompetenzen hierfür vorhanden sind.
Neue Kompetenzen für Bibliothekarinnen und Bibliothekare Die Schreibberatung knüpft an Services und Kompetenzen an, die in der UB bereits vorhanden sind. Trotzdem lässt sich Schreibberatung nicht aus dem Stegreif anbieten. BibliothekarInnen müssen zusätzliche Kompetenzen und Kenntnisse erwerben.
Gesprächsführung Als erstes zu nennen ist die Art und Weise der Gesprächsführung. Die Schreibberatung bedient sich eines nicht-direktiven, auch personenzentriert genannten11, oder systemischen12 Ansatzes. Denn in der Schreibberatung stehen Selbstreflexion und
11 Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 98; Bräuer, Gerd: Grundprinzipien der Schreibberatung. Eine pragmatische Sicht auf die Schreibprozesstheorie. In: Schreiben: Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a.]: Budrich (UTB 8604). S. 257–282, hier S. 271–280. 12 Lange, Ulrike u. Maike Wiethoff: Systemische Schreibberatung. In: Schreiben: Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Sennewald. Opladen [u. a.]: Budrich (UTB 8604). S. 283–299, hier S. 283–288.
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Eigenverantwortung der Studierenden im Vordergrund. Die damit verbundenen Gesprächstechniken13 unterscheiden sich möglicherweise vom intuitiven Gesprächsablauf in gewohnten Beratungssituationen, in denen etwa Recherchetechniken vermittelt werden. Daher müssen BibliothekarInnen für die Schreibberatung theoretische Grundlagen der Gesprächsführung kennenlernen und ihre Anwendung in der Praxis üben.
Erkenntnisse und Methoden aus der Schreibdidaktik Um Schreibberatung anzubieten, genügt es nicht, selbst schon einmal eine wissenschaftliche Arbeit verfasst zu haben. Um die Schwierigkeiten der Studierenden beim Schreiben zu erkennen und einzuordnen, sind Kenntnisse aus der Schreibdidaktik wie das Wissen über den Schreibprozesses und die unterschiedlichen Schreibtypen und Schreibstrategien unerlässlich. Ist man selbst ein „Pläneschmieder“14, neigt man vielleicht dazu, das planvolle Vorgehen als Königsweg anzusehen. Möglicherweise haben auch Studierende ideale Vorstellungen vom Schreiben und sind deshalb verunsichert oder zweifeln an der eigenen Schreibkompetenz.15 Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer: Zum einen verläuft der Schreibprozess rekursiv.16 Zum anderen existieren ganz unterschiedliche Schreibtypen: Ella Grieshammer u. a. unterscheiden neben dem Pläneschmieder den Spontanen, den Remixer, den Redakteur und den Puzzler.17 Jede Schreibstrategie ist berechtigt und hat Stärken und Schwächen, die den Schreibprozess ins Stocken bringen können.18 Dann ist es angezeigt, neue Schreibtechniken auszuprobieren, die die eigene Strategie ergänzen.19 Solche Schreibtechniken sollten Beratende kennen und beherrschen, um sie in der Schreibberatung einzusetzen oder als Werkzeuge an die Studierenden weitergeben zu können. Zu den bekanntesten gehören sicher Clustern, Mindmapping und
13 Dazu Bräuer, Grundprinzipien (wie Anm. 11), hier S. 278; Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 153–160. 14 Vgl. Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 34–35. 15 Vgl. Sennewald, Nadja: Schreibstrategien. Ein Überblick. In: Schreiben: Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a.]: Budrich (UTB 8604). S. 169–190, S. hier 188–189. 16 Girgensohn, Katrin u. Nadja Sennewald: Schreiben lehren, Schreiben lernen. Eine Einführung. Darmstadt: WBG 2012 (Einführungen Germanistik), hier S. 101. 17 Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 30. 18 Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 29. 19 Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10).
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Freewriting. Daneben leisten uns aus der Vielzahl an Schreibtechniken zum Beispiel die Pomodoro-Technik20, der Rote Faden21 und der Textpfad22 gute Dienste.
Textwissen und Textsortenkompetenz Zudem ist es hilfreich, die eigene Textsortenkompetenz zu erweitern: Wenn Bibliothekarinnen und Bibliothekare Schreibberatung fachübergreifend anbieten, verschafft es Sicherheit, auch mit anderen Textsorten als mit denen des eigenen Studienfachs vertraut zu sein. Nützlich ist auch, über die allgemein gültigen Grundsätze des Zitierens hinaus zumindest einen Überblick über Zitiergewohnheiten und Zitierstile verschiedener Fachgebiete zu haben.
Erfahrungen aus der Praxis Die Schreibberatung der UB Mannheim wird seit nunmehr drei Jahren von drei FachreferentInnen der UB betrieben, die sich des Themas nebenbei, zusätzlich zu ihren sonstigen Verpflichtungen annehmen. Die Vorbereitung auf diese Aufgabe erfolgte durch zwei themenbezogene Workshops, durch Hospitation in einer Schreibberatung und durch das Studium von Fachliteratur. Kompetenzerweiterung findet auch durch Learning by Doing während der Beratungsaktivität selbst statt, gerade was die Techniken der Gesprächsführung betrifft. In den letzten drei Jahren hat sich unser Angebot gut etabliert, ohne dass wir dabei an Kapazitätsgrenzen gestoßen wären. Sowohl die wöchentlichen offenen Sprechstunden, als auch individuelle Beratungen werden regelmäßig genutzt. Wir erhalten dabei sowohl kleinere, als auch umfangreichere Anfragen. Kleinere Anliegen können etwa konkrete Fragen zum Zitieren oder Formulieren behandeln, größere hingegen umfassen Themen wie den Aufbau einer Arbeit oder die grundlegende Argumentationsstruktur. Die Schreibberatung wird über verschiedene Kanäle beworben, etwa über die Homepage der UB, Social Media, Flyer oder auch Bildschirmschoner in den Bibliotheksbereichen. Zudem wird auch in Schulungen und anderen Veranstaltungen der
20 Cirillo Consulting GmbH: The Pomodoro Technique. https://francescocirillo.com/pages/pomodoro-technique (Stand: 01.08.2018). 21 Scheuermann, Ulrike: Die Schreibfitness-Mappe. 60 Checklisten, Beispiele und Übungen für alle, die beruflich schreiben. Wien: Linde 2011, hier S. 96–97; Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 204–205. 22 Scheuermann, Schreibfitness-Mappe (wie Anm. 21), hier S. 98–99.
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UB auf diesen Service hingewiesen. Die Sichtbarkeit der offenen Sprechstunden im Learning Center erzeugt weitere Präsenz. Hinsichtlich der Nutzung des Angebots ist der starke Zuspruch seitens ausländischer Studierender bemerkenswert, welche entweder ein Gastsemester bei uns verbringen oder auch in grundständigen Studiengängen immatrikuliert sind. Sie bringen häufig grundsätzliche Fragen vor, wie überhaupt eine wissenschaftliche Arbeit aussehen soll, welche Ziele dabei verfolgt werden und wie mit der verfügbaren Literatur korrekt umgegangen wird. Hier scheinen teilweise grundverschiedene Wissenschaftskulturen durch, die von den Studierenden erst verstanden werden müssen. Aber auch die Herausforderung des Wissenschaftlichen Schreibens in einer Zweitsprache spielt hier eine Rolle und muss der bei der Schreibberatung beachtet werden.23 Generell lassen sich bei den teilnehmenden Studierenden einige wiederkehrende Anliegen feststellen. Öfter bestehen gerade bei Studienanfängern oder bei Fächern mit wenig direktem Kontakt zu wissenschaftlicher Literatur Verständnisfragen dazu, was mit einer eigenen Arbeit erreicht werden soll und wie der Umgang mit der Literatur auszusehen hat. Wenn in der Lehre hauptsächlich mit Skripten oder allgemeinen Lehrbüchern gearbeitet wird, fehlt die Erfahrung, was wissenschaftliche Literatur ausmacht und mit welchen Techniken man sie effizient verarbeitet. Auch gibt es Unsicherheiten hinsichtlich der formellen und inhaltlichen Anforderungen an (studentische) wissenschaftliche Arbeiten. Manche Studierende nehmen an, dass im Rahmen einer Bachelorarbeit tatsächlich neue Forschungsergebnisse generiert werden sollen, wo es doch nur um die Darstellung des Forschungsstandes geht. Oder bezüglich der Literatur wird nicht verstanden, welcher Zweck mit dem Zitieren verfolgt wird oder wozu der Forschungsstand mit eigenen Worten wiedergegeben werden soll, wo er doch in der Literatur schon gut zusammengefasst verfügbar ist. Bei diesen Anliegen werden einerseits Unwissenheit bezüglich der akademischen Gepflogenheiten, andererseits wohl aber auch unklare Anforderungen von Seiten der Dozierenden erkennbar. Im Kontakt mit den Studierenden kommt es auch immer wieder zu Missverständnissen hinsichtlich dessen, was von der Schreibberatung zu erwarten ist. Die Spannweite reicht hier vom Sprachkorrekturdienst für ganze Arbeiten, über inhaltlich-methodische Betreuung, bis hin zum „Absegnen“ zentraler Aspekte der studentischen Arbeiten. Hier ist es im Beratungsgespräch wichtig, von Anfang an offen und direkt zu kommunizieren, welche Unterstützung verfügbar ist und welche auch nicht. Wichtig ist dabei auch der Aspekt, dass die Schreibberatung zwar Hinweise
23 Siehe dazu: Grießhaber, Wilhelm (Hrsg.) [u. a.]: Schreiben in der Zweitsprache Deutsch. Ein Handbuch. Berlin [u. a.]: De Gruyter Mouton 2018.
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und Ratschläge anbietet, die letztliche Verantwortung für die Arbeit aber bei den Studierenden verbleibt. An der Stelle zeigt sich auch ein interessanter Aspekt – viele Studierende kommen nicht nur in die Schreibberatung, um sich faktische Informationen abzuholen, sondern um mit jemanden über ihre Arbeit zu sprechen. Oft bemerkt man, dass den Studierenden Ansprechpartner fehlen, mit denen sie sich intensiv über ihr Schreibprojekt austauschen können. Dies erkennt man gut daran, dass sie spontan und detailliert darüber berichten, warum sie sich für ein bestimmte Fragestellung oder Struktur entschieden haben, oder wie ihre Argumentation aufgebaut sein soll. In dem Fall besteht die Hauptaufgabe als Schreibberatung darin, aktiv zuzuhören und die richtigen strukturierenden Fragen zu stellen. Im Idealfall kommen Studierende so selbst zu Lösungen und die „Last der Beratung“, dass man sofort eine richtige Antwort auf alle Fragen parat haben muss, wird sehr viel kleiner. Es ist für beide Seiten im Beratungsgespräch besser, wenn Studierende mehr reden als Beratende.
Herausforderungen der Schreibberatung und ein persönliches Fazit Wir halten die Schreibberatung für eine sinnvolle und naheliegende Ergänzung unserer Services: Die Universitätsbibliothek ist der Ort, an dem Studierende schreiben. Die Literaturrecherche, die Auswertung und Bewertung von Quellen, das korrekte Zitieren – klassische bibliothekarische Themenfelder – sind Teile des Schreibprozesses. Die Schreibberatung knüpft nahtlos daran an. Wie die meisten neuen Angebote ist allerdings auch die Aufnahme von Schreibberatung in das Service-Portfolio mit inhaltlichen, organisatorischen und persönlichen Herausforderungen verbunden.
Inhaltliche Herausforderungen BibliothekarInnen müssen zusätzliche Kenntnisse und Kompetenzen erwerben, um Schreibberatung anzubieten. Nicht-direktive Methoden der Gesprächsführung müssen erlernt, geübt und reflektiert werden. Zudem müssen sich BibliothekarInnen Wissen über den Schreibprozess und Methoden der Schreibdidaktik aneignen. Mit Fortbildungen, geeigneter Literatur und dem ein oder anderen Selbstversuch lassen sich zumindest Grundkenntnisse recht schnell erwerben. Vor größere Schwierigkeiten stellt uns die fachübergreifende Beratung. Zwar muss es nicht nachteilig sein, fachfremd auf einen Text zu blicken: Für fachfremde Leser werden Schwächen in der Struktur oder Logik eines Textes, die sie nicht mit eigenem Hintergrundwissen überbrücken können, schnell offensichtlich. Inhaltli-
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che Fragen sind ohnehin nicht Aufgabe der Schreibberatung. Jedoch sind wir als FachreferentInnen nicht nur mit fachfremden Themen wenig vertraut. Wir kennen auch nicht alle Fachkulturen gleich gut. Ohne Kenntnisse von Textsorten, mit denen wir aus dem eigenen Fachgebiet bisher nicht vertraut sind, und von Schreibund Zitierkonventionen anderer Fachgebiete tun wir uns in der Beratung oft schwer. Allerdings ist dieses Wissen ein weites Feld. Als Ausweg bietet sich an, transparent zu machen, was man leisten kann und was – zumindest vorläufig – nicht, und die Studierenden in die Klärung besonderer fachspezifischer Anforderungen einzubinden.
Organisatorische Herausforderungen Weitere Herausforderungen ergeben sich aus der Entscheidung über die Art und Weise, in der Schreibberatung angeboten werden soll. Im Schreibberatungsteam der UB Mannheim gibt es keine ausgebildeten SchreibberaterInnen. Wir sind wissenschaftliche BibliothekarInnen und haben überwiegend andere Aufgaben, von denen sich die Schreibberatung deutlich unterscheidet. So sind wir immer wieder gefordert, den nötigen Freiraum für die Schreibberatung zu schaffen und uns auf das Thema, die Beratungssituation und die besondere Form der Gesprächsführung einzustellen. Als SchreibberaterInnen „in Teilzeit“ können wir uns auch nur begrenzt Wissen aneignen, Erfahrungen sammeln und Kompetenzen aufbauen. An unsere Grenzen stoßen wir etwa beim Einsatz von Schreibtechniken: Wir beherrschen nur eine Auswahl von Methoden, die wir den Studierenden an die Hand geben. Wünschen würden wir uns mehr Zeit, um uns fortzubilden, weitere Inhalte anzueignen und den Einsatz von Gesprächstechniken und schreibdidaktischen Methoden zu professionalisieren, aber auch um zusätzliche Veranstaltungen und Formate zu konzipieren. Dennoch scheint uns das, was wir mit dem aktuellen Zeiteinsatz leisten können, gut genug, um nicht auf das Angebot zu verzichten. Dafür spricht auch das meist positive Feedback der Studierenden in der Beratung. Zu den organisatorischen Fragen gehört auch, in welcher Form und mit wieviel Aufwand eine Qualitätskontrolle gewährleistet werden soll. In Betracht kommen etwa eine Evaluation durch die Studierenden, eine Selbstreflexion in Beratungsprotokollen oder -tagebüchern, und eine Supervision wie in der kollegialen Fallberatung24. Wir legen im Anschluss an jede Beratung ein Gedächtnisprotokoll zur Selbstreflexion an. Dies sieht auch eine Einschätzung vor, was in der Beratung gut oder nicht so gut war. So können wir als Beratende erkennen, welche Informationen oder Kompetenzen wir noch brauchen. Inhaltliche und methodische Fragen oder
24 Dazu Grieshammer, Zukunftsmodell (wie Anm. 10), hier S. 268–269.
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schwierige Beratungssituationen können natürlich im Team besprochen werden. Für einen intensiven, institutionalisierten Austausch fehlt uns jedoch wiederum die Zeit.
Persönliche Herausforderungen Eine persönliche Herausforderung liegt im Umgang mit den Erwartungen der Studierenden. Unserer Erfahrung nach wünschen Studierende sich häufig Ratschläge und Empfehlungen, wie sie etwas machen sollen, oder gar ein „Absegnen“ ihrer Arbeit. Das kann Beratende unter Druck setzen. Es bleibt jedoch nur zu erklären, was die Schreibberatung leistet und was nicht. Das kann allerdings bedeuten, dass wir Studierende enttäuschen und beide Seiten die Beratung nicht als Erfolg wahrnehmen. Aber auch die eigenen Erwartungen können eine Herausforderung darstellen: Oft haben wir an uns selbst den Anspruch, jede Frage sofort beantworten zu können. In der Schreibberatung kommt es jedoch häufig vor, dass wir fachspezifische Anforderungen an Texte nicht kennen oder bei der Fülle des Themas „wissenschaftliches Arbeiten“ nicht alles Wissen parat haben. Insofern ist jede Beratung ein Sprung ins kalte Wasser. Wissenslücken kann man nur offen benennen und die Information in der Beratung gemeinsam suchen oder per E-Mail nachliefern. Es kann aber auch sein, dass es eine einfache Antwort nicht gibt, etwa bei Fragen zu Struktur oder Logik eines Textes, und den Studierenden damit auch gar nicht gedient wäre, weil sie ihre Schreibaufgabe selbständig bewältigen sollen. Dann macht es gerade die Beratung aus, sich zurückzunehmen und die Studierenden durch aktives Zuhören, Spiegeln, offene Fragen und Feedback dabei zu unterstützen, selbst Lösungen zu finden. Eine Beratungssituation, in der das Gegenüber sich öffnet, und die Belastung, die Schreibprozesse für manche Studierende bedeuten, können weitere Untiefen bergen. Wie können wir angemessen reagieren, wenn Ursachen für Schreibschwierigkeiten außerhalb des Schreibprozesses liegen, oder wenn Studierende sich vor allem mit der Selbstorganisation schwertun oder gar seelische Probleme haben? In solchen Fällen haben wir im Blick, dass wir Studierende auch an die Psychologische Beratungsstelle (PBS) des Studierendenwerks verweisen können. Andererseits profitieren wir auch von den Erfahrungen in der Schreibberatung. Über die Beratung lernen wir andere Fachkulturen kennen und erweitern unsere Kenntnisse im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Wir kommen direkt in Kontakt mit den Studierenden, lernen ihre Situation und Bedürfnisse besser kennen und erfahren so mehr über die Hauptnutzergruppe der UB. Oft haben wir den Eindruck, dass die Studierenden mit neuen Erkenntnissen und Impulsen zufrieden aus der Beratung gehen, was zuletzt der beste Lohn für unseren Einsatz ist.
Markus Malo
Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart Abstract: Die Universitätsbibliothek Stuttgart bietet seit vielen Jahren Plagiatspräventionskurse im Rahmen der Vermittlung von Informationskompetenz an. Die Schreibwerkstatt der Universität bietet freie und curricular über die Schlüsselqualifikationen integrierte Kurse an, die Studierende beim Schreibprozess unterstützen. Mittlerweile bieten Bibliothek und Schreibwerkstatt ein vernetztes Angebot an, das nahezu den gesamten Prozess wissenschaftlichen Arbeitens von der Informationsrecherche und -verwaltung über die Organisation des Schreibprozesses bis hin zur Publikationsberatung vernetzt. Beide Akteure unterstützen die Universität bei der Plagiatsprävention und beim Umgang mit Plagiats(verdachts)fällen administrativ und operativ. Zu diesem Zweck wurde eine „AG Plagiatsprävention“ an der Universität Stuttgart ins Leben gerufen, die einen geregelten und juristisch einwandfreien Umgang mit Verdachtsfällen erarbeiten soll. Schlüsselbegriffe: Informationskompetenz, Plagiarismus, Kooperation, Schreibwerkstatt, curriculare Integration, Verwaltung, Sanktionsmechanismen Kurzbiografie: Markus Malo ist Bibliothekar an der Universität Stuttgart und als Fachreferent für Sprach- und Literaturwissenschaft und Benutzungsleiter tätig. Seine wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der deutschen Literaturgeschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart sowie im Bereich der Wissenschaftssoziologie.
Informationskompetenz und Plagiarismus Informationskompetenz und Plagiarismus sind zwei Themen, die ungefähr zeitgleich zu Beginn des Jahrtausends in den Fokus der bibliothekarischen Öffentlichkeit gerückt sind. Plagiarismus als Problem wurde dabei im bibliothekarischen Umfeld schon früh als zum Themenfeld der Informationskompetenz gehörig betrachtet und der Fokus bei der Konzeption diesbezüglicher Veranstaltungen auf die Prävention gelegt. Damit haben die Bibliotheken ein weiteres Mal ein Feld besetzt, das zuvor – wenn es überhaupt eine Rolle gespielt hat – zu den klassischen wissenschaftspropädeutischen Aufgaben gehört hat und in den Einführungsveranstaltungen der jeweiligen Studiengänge behandelt wurde.
https://doi.org/10.1515/9783110594140-027
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Eine breitere Öffentlichkeit wurde auf das Problem des Wissenschaftsplagiats durch eine Artikelserie der Berliner Professorin Deborah Weber-Wulff in „Spiegel online“ aufmerksam,1 die sich im November und Dezember 2002 ihren Ärger über unredliches Verhalten in der Wissenschaft, vor allem aber im Studium von der Seele schrieb. Weber-Wulff hat hier öffentlichkeitswirksam auf ein Phänomen hingewiesen, das natürlich nicht neu ist und sowohl im ökonomischen als auch im wissenschaftlichen Bereich seit Jahrhunderten diskutiert und – wenn möglich – sanktioniert wird.2 Allerdings haben sich mit der Entwicklung und Verbreitung des Internets als Plattform für das wissenschaftliche Arbeiten die Möglichkeiten sowohl des Plagiierens als auch der Plagiatsdetektion deutlich verbessert. Immer mehr wissenschaftliche Texte sind ubiquitär abrufbar, Online-Tools, die maschinelle Rohübersetzungen anfertigen, erleichtern Übersetzungsplagiate, aber gleichzeitig sind die Detektionsmöglichkeiten durch dieselben Instrumente ebenfalls gestiegen. War es im analogen Zeitalter äußerst aufwendig, einen plagiierten, eventuell nicht am Ort vorhandenen Text ausfindig zu machen, muss man in der digitalen Welt nicht einmal den Schreibtisch verlassen, um ein Plagiat aufzuspüren. Hat eine breite Öffentlichkeit Interesse an der Plagiatejagd gefunden, kann man auf die Schwarmintelligenz der Internet-Community zurückgreifen.3 Selbst Fachkenntnisse sind nicht mehr vonnöten, um eine wahrscheinliche Plagiatsquelle aufzuspüren. Grundkenntnisse in der Verwendung von Suchmaschinen sind ausreichend, um vermittels einer Stringsuche alle frei im Netz zugänglichen Textquellen abzugrasen; hat man das Glück Angehöriger einer Institution mit Zugang zu reichhaltigen lizenzpflichtigen Beständen zu sein, bekommt man sogar die Quellen der großen Wissenschaftsverlage problemlos auf den Bildschirm. Die mittlerweile allgegenwärtigen, teilweise sogar kostenfrei nutzbaren, juristisch aber mitunter zweifelhaften Plagiatsdetektionsprogramme nehmen den Plagiatsjägern einen Großteil der Recherchearbeit ab. Bereits einige Jahre zuvor, 1998, haben die Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, die 2013 in zweiter, überarbeiteter Auflage erschienen sind, auf das Problem des Plagiarismus hingewiesen4 und es damit zugleich in den größeren Zusammenhang wissenschaftlichen Fehlverhaltens auf allen Qualifizierungs-
1 Vgl. Weber-Wulff, Deborah: Eine Professorin auf Plagiate-Jagd. 4 Teile. In: Spiegel online (2002). 2 Vgl. zur Entstehung des Plagiatsbegriffs etwa Malo, Markus: Plagiat und Zitat: eine skizzenhafte Problemgeschichte. In: Handbuch Informationskompetenz. 2. Aufl. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitarb. von Martina Straub. Berlin [u. a.]: De Gruyter 2016. S. 323–334. 3 Bekanntestes Beispiel ist die Suche nach Plagiaten in Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation, die unter http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki archiviert ist. Aktive Plagiatsjagden sind unter http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Home gelistet und laden zur Mitarbeit ein. 4 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Denkschrift. Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. Ergänzte Auflage. Weinheim: Wiley 2013. http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/download/empfehlung_wiss_praxis_1310.pdf (Stand: 27.11.2018).
Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart
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und Karriereebenen gerückt. Diese Vorschläge sollten vor allem dazu dienen, den wissenschaftlichen Institutionen eine Basis für eigenverantwortlich im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltung der Wissenschaft erstellte Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis zu geben. Wie bei Weber-Wulff gab es auch für die DFG konkrete Anlässe gravierenden wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die zu der Denkschrift geführt haben und teilweise auch in der breiten Öffentlichkeit rezipiert worden sind. Die Konjunktur der „Informationskompetenz“ steht ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Verbreitung des Internets als Medium wissenschaftlichen Recherchierens, Arbeitens und Publizierens. Initialzündung im deutschsprachigen Raum, Informationskompetenz im Schul- und Hochschulbereich durch bibliothekarische Angebote zu fördern, war hierbei die sogenannte „SteFi“-Studie von 2001,5 in der den Studierenden massive Defizite im Umgang mit elektronischen Informationsressourcen nachgewiesen wurden. Die Bibliotheken identifizierten daraufhin die Förderung von Informationskompetenz als neues Aufgabenfeld und besetzten so wissenschaftspropädeutische Tätigkeiten, zu denen eben auch das Themenfeld Plagiatsprävention und Plagiatsdetektion gehörten. Als erste Maßnahmen wurden in den einzelnen Verbundregionen Arbeitsgemeinschaften und Netzwerke gegründet, die das Themenfeld institutionell etablierten, Inhalte und Formate, die sich in einzelnen Hochschulen entwickelt und bewährt hatten, austauschten und mit den, an Standards im amerikanischen Hochschulbereich angelehnten „Standards der Informationskompetenz für Studierende“ einen ersten Handlungsrahmen absteckten. Im fünften Standard der vom Deutschen Bibliotheksverband verabschiedeten Fassung werden folgende Kompetenzen von den Studierenden gefordert: Die informationskompetenten Studierenden 1. befolgen Gesetze, Verordnungen, institutionelle Regeln sowie Konventionen, die sich auf den Zugang und die Nutzung von Informationsressourcen beziehen, 2. sind sich der ethischen, rechtlichen und sozio-ökonomischen Fragestellungen bewusst, die mit der Nutzung von Information und Informationstechnologie verbunden sind.6 Einen Überblick über die von den Bibliotheken bespielten Handlungsfelder, die zur Herausbildung dieser Kompetenzen führen, bietet ein 2009 erschienener Tagungs-
5 Klatt, Rüdiger [u. a.]: Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der Hochschulausbildung. Barrieren und Potenziale der innovativen Mediennutzung im Lernalltag der Hochschulen. Endbericht. Dortmund, Juni 2001. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:900-opus4-2984 (Stand: 24.11.2018). 6 Vgl. Standards der Informationskompetenz für Studierende (Stand: 03.07.2009). DBV-Dienstleistungskommission 2009. S. 4. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Kommissionen/Kom_Dienstleistung/Publikationen/Standards_Infokompetenz_03.07.2009_endg.pdf (Stand: 24.11.2018).
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band zu einer Churer Tagung unter dem Titel „Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel? Aktuelle Herausforderungen für die Bibliothek und ihre Partner im Prozess wissenschaftlichen Arbeitens“.7
Plagiatsprävention, -detektion und -sanktion als Handlungsfelder von Hochschulbibliotheken Im Zentrum bibliothekarischer Beschäftigung mit dem Thema Plagiarismus standen zunächst Maßnahmen zur Plagiatsprävention im studentischen Umfeld, die entweder als eigenständige Bibliotheksveranstaltungen konzipiert sind, für die sich die Studierenden bei der Bibliothek anmelden müssen, oder sie wurden in Kooperation mit Fachbereichen oder Studiengängen konzipiert und in die wissenschaftspropädeutischen, curricular integrierten Veranstaltungen aufgenommen. In jüngster Zeit werden Veranstaltungen zur Plagiatsprävention zunehmend im Rahmen der in den meisten Bachelor- und Masterstudiengangsordnungen verankerten Schlüsselqualifikationsmodule angeboten. Häufig werden diese Module entweder von den Hochschulbibliotheken komplett eigenständig angeboten oder gemeinsam mit Schreibwerkstätten konzipiert. Diese Module werden zumeist als Präsenzveranstaltung abgehalten und verfügen parallel dazu über online nutzbare Tutorials und Lernmodule, die auch außerhalb dieser mit ECTS-Punkten versehenen Schlüsselqualifikationsmodule durchgearbeitet werden können. Neben der Plagiatsprävention werden Bibliotheken aber auch immer häufiger in der Plagiatsdetektion an Hochschulen und Universitäten aktiv. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sie in die Evaluations- und Auswahlprozesse geeigneter Tools aufgenommen werden und ihre Expertise bei der Bewertung und Erkennung von Plagiaten sowie der rechtlichen Würdigung der Tools herangezogen werden. Je nach Organisation der Hochschule werden die ausgewählten Tools dann auch über die jeweiligen Bibliotheken beschafft und gegebenenfalls gehostet. Auch bei einer möglichen dezentralen Anschaffung von Plagiatsdetektionsprogrammen wird häufig die Beratungskompetenz von Universitäts- und Hochschulbibliotheken herangezogen. Plagiatsprävention, -detektion und -sanktion sind aber in den letzten Jahren auch zu administrativen Themen an Hochschulen und Universitäten geworden. Mit der zunehmenden Verbreitung des Plagiarismus bzw. mit der immer häufigeren
7 Vgl. Barth, Robert (Hrsg.) [u. a.]: Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel. Plagiate als Herausforderung für Lehre, Forschung und Bibliothek. Beiträge der Internationalen Tagung Die Lernende Bibliothek, Chur, 6.–9. Sept. 2009 (Churer Schriften zur Informationswissenschaft 33). https://www.htwchur.ch/fileadmin/htw_chur/angewandte_zukunftstechnologien/SII/churer_schriften/CSI33-Die_Lernende_Bibliothek.pdf (Stand: 24.11.2018).
Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart
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Aufdeckung von Plagiatsfällen in der Lehre ist der Handlungsdruck auf die Akteure, vor allem auf die Prüfenden, gestiegen. Hier besteht teilweise eine erhebliche Unsicherheit sowohl in Definitionsfragen (Was ist ein Plagiat? Was ist ein Plagiat in meinem Fach? Ab wann ist eine Seminar- oder Abschlussarbeit als „nicht bestanden“ zu bewerten? Wie sind Gespräche mit den Prüflingen über den Plagiatsverdacht rechtssicher zu führen und zu dokumentieren?) als auch bei den möglichen Sanktionen und ihrer Umsetzung (Wie lassen sich Wiederholungsfälle rechtssicher dokumentieren, z. B. wenn Plagiate ein und derselben Person bei verschiedenen Prüfenden vorkommen?). Hier sind die Universitäten gefordert, eine institutionelle Policy zum Umgang mit Plagiatsvorwürfen zu entwickeln, die in begründeten Verdachtsfällen einen rechtlich abgesicherten Rahmen für die Sanktionsmechanismen bildet.
Der „Stuttgarter Weg“ der Plagiatsprävention: Die UB als Partner in der Universität Die Universitätsbibliothek Stuttgart ist auf allen im Exkurs genannten Feldern aktiv und tritt als Partner von Lehre und Verwaltung bei den Maßnahmen zur Plagiatsprävention, -detektion und -sanktion auf. Das bedeutet, dass die Bibliothek nicht nur die mittlerweile üblichen, eigenständigen Angebote zur Plagiatsprävention für Studierende im Rahmen ihrer Informationskompetenzveranstaltungen anbietet, sondern darüber hinaus curricular integrierte Angebote macht und gemeinsam mit der Schreibwerkstatt der Universität8 zahlreiche Formate entwickelt hat, bei denen die Studierenden sich maßgeschneiderte Angebote selbst zusammenstellen können, die als „Schlüsselqualifikationen“ anrechenbar sind. Darüber hinaus ist die UB Mitglied in der AG Plagiatsprävention, die im Auftrag des Rektorats eine Anti-PlagiatsPolicy für die Universität entwickelt.
„Zitat und Plagiat“ als eigenständiges Bibliotheksangebot und als curricular integriertes Modul Die Universitätsbibliothek bietet seit über zehn Jahren eine eigenständige Veranstaltung im Rahmen ihres Konzepts zur Vermittlung von Informationskompetenz9 an. Diese 90minütige Veranstaltung hat sich über die Jahre zwar verändert, bildet aber
8 Universität Stuttgart: Schreibwerkstatt für wissenschaftliches Schreiben. http://www.schreibwerkstatt.uni-stuttgart.de/ (Stand: 04.12.2018). 9 Vgl. Malo, Markus: Vermittlung von Informationskompetenz an der UB Stuttgart. In: Bibliotheksdienst (2006) H. 5. S. 625–630.
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immer noch die Grundlage für zahlreiche modifizierte Veranstaltungen in anderen Kontexten wie z. B. für Dozierende und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Instituten. Da über dieses Format bereits mehrfach in unterschiedlichen Publikationen10 und bei verschiedenen Tagungen11 berichtet wurde, soll das an dieser Stelle genügen. Über die Jahre hinweg hat sich diese Veranstaltung von einem absoluten Nischenprodukt zu einem Format entwickelt, das – obwohl ursprünglich von einem Geisteswissenschaftler für Geisteswissenschaftler konzipiert – sich vor allem in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern einer gewissen Beliebtheit erfreut. Dieser Popularitätsgewinn des Formats ist sicher zu einem großen Teil der gesteigerten Berichterstattung über diese Problematik in Publikumsmedien seit dem Guttenberg-Skandal zu verdanken. Jedenfalls wird die Veranstaltung mittlerweile häufig von Dozierenden nachgefragt, die im Rahmen eines Seminars oder einer Vorlesung eine Doppelstunde diesem Thema widmen und dazu einen Referenten aus der Bibliothek einladen. Diese Einladungen sind zumeist an die Bedingung geknüpft, bestimmte Schwerpunkte zu setzen. Zentrales Thema ist dabei zumeist die Einbettung der Plagiarismus-Problematik in den Kontext der DFG-Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Da diese Empfehlungen fachspezifisch unterschiedliche Relevanz (Literaturwissenschaftler interessieren sich nur bedingt für wissenschaftliches Fehlverhalten bei Laborversuchen) und Ausprägung (Wie lässt sich geistiges Eigentum in stark arbeitsteilig organisierten Arbeitsgruppen abgrenzen?) besitzen, bedient sich der Dozent hierbei eines Baukastens verschiedener Folien, die je nach wissenschaftlicher Disziplin unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Im günstigsten Fall prallen hier unterschiedliche Wissenschaftsverständnisse aufeinander, die produktive Diskussionen auslösen können und dadurch erst die Relevanz des Themas zeigen. Weniger positive Erfahrungen hat die Bibliothek deshalb mit Einführungsveranstaltungen für Studienanfänger gemacht, weil die Studierenden hier häufig noch kein ausreichendes Problembewusstsein für diese Fragestellung entwickelt haben, was sicherlich damit zusammenhängt, dass Studierende im ersten oder zweiten Semester weder eigene Schreiberfahrung noch Forschungspraxis vorweisen können.
10 Vgl. Malo, Markus: Das Schreiben der Anderen – Informationskompetenz und Plagiarismus. In: Handbuch Informationskompetenz. Hrsg. von Wilfried Sühl-Strohmenger. Berlin [u. a.]: De Gruyter Saur 2012. S. 290–300. 11 Malo, Markus: „Zitat und Plagiat“ – eine Veranstaltung zur Vermittlung von Informationskompetenz an der UB Stuttgart und ihre Integration in die Lehre an der Universität. In: Barth, Wissensklau (wie Anm. 7), hier S. 159–168.
Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart
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Schlüsselqualifikationen In Kooperation mit der am Sprachenzentrum der Universität angesiedelten Schreibwerkstatt12 bietet die UB zahlreiche Module an, die den Studierenden den Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten und das wissenschaftliche Schreiben erleichtern sollen. Das gemeinsame Angebot ist dabei so aufgebaut, dass sich die Studierenden aus einer Vielzahl von „Minikursen“, die von verschiedenen Dozentinnen und Dozenten geleitet werden, ein individuell passendes Angebot zusammenstellen können. Diese „Minikurse“ haben einen Umfang von 90 bzw. 180 Minuten.13 Haben die Studierenden „Minikurse“ im Umfang von mindestens 28 Unterrichtseinheiten erfolgreich absolviert, können sie sich für dieses Schlüsselqualifikationsmodul „Wissenschaftliches Schreiben à la carte“ drei Leistungspunkte anrechnen lassen. Die Erfolgskontrolle für das SQ-Modul erfolgt über Aufgabenblätter und einen Abschlussbericht, die von den jeweiligen Kursleiterinnen und -leitern kontrolliert werden. Daneben existieren an der Schreibwerkstatt weitere Angebote in Präsenz- und Onlinelehre sowie Selbstlernmaterialien, mit denen Studierende ihre Defizite beim wissenschaftlichen Arbeiten, Organisieren und Schreiben erkennen und ggf. beheben können. Die Universitätsbibliothek bietet innerhalb dieser „Minikurse“ Module zur Literaturrecherche und Literaturverwaltung, zum Umgang mit dem Textsatzsystem LaTeX sowie zum Thema „Zitat und Plagiat“ an. Vor allem das letztgenannte Modul weist dabei zahlreiche Schnittstellen zu Themen auf, die von der Schreibwerkstatt abgedeckt werden. Das sind vor allem die Module „Techniken zur Texterfassung: Effektives Lesen und Zusammenfassen“ und „Paraphrasieren und Zitieren“14. Die Bibliothek beschränkt sich an dieser Stelle deshalb neben einem historischen Überblick über die Genese der Problematik des Plagiierens und des korrekten Zitierens im Zusammenhang mit der Ausbreitung des standardisierten Publizierens durch den Buchdruck und die wissenschaftshistorisch vor allem im 19. Jahrhundert anzusiedelnde Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Wissenschaften mit der Ausbildung von disziplinspezifischen Distinktionsmerkmalen.15 Da die Minikurse von Studierenden aller Fakultäten belegt werden und die Teilnehmenden aus sehr unterschiedlichen Fachkulturen mit jeweils spezifischen Zitationskulturen und -stilen kommen, ist es sehr schwierig auf diese Unterschiede im Detail einzugehen.
12 Hier danke ich Susanne Klug von der Schreibwerkstatt, die mir ergänzende Informationen zum Portfolio der Schreibwerkstatt hat zukommen lassen. 13 Universität Stuttgart: Schreibwerkstatt. Minikurse. http://www.schreibwerkstatt.uni-stuttgart. de/workshops/minikurse.html (Stand: 27.11.2018). 14 Lux, Barbara: Zitieren und Paraphrasieren. Einstiegsbroschüren zum wissenschaftlichen Arbeiten. http://www.schreibwerkstatt.uni-stuttgart.de/nuetzliches/Broschueren/Zitieren_Paraphrasieren.pdf (Stand: 27.11.2018). 15 Vgl. Malo, Plagiat und Zitat (wie Anm. 11).
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Wichtig ist hier vor allem, bei den Studierenden das Bewusstsein für diese Heterogenität zu schaffen und weiterführende Hinweise auf institutseigene Regelungen zu schaffen bzw. Handreichungen zu den fachspezifischen Methoden und Konventionen anzubieten. Die Schreibwerkstatt sammelt die Leitfäden der Institute der Universität Stuttgart zentral auf ihrer Homepage.16 Auch darf an dieser Stelle ein Hinweis auf die unterschiedlichen Zitationsstile und ihre Anwendungsmöglichkeiten in den einschlägigen Literaturverwaltungsprogrammen – sowie das entsprechende Kursangebot „Literaturverwaltung mit Citavi“ sowie „Einführung in die Literaturverwaltung PUMA“ nicht fehlen, die beide an der Universität Stuttgart für alle Mitglieder und Angehörige der Universität zur Verfügung stehen. Ein Desiderat sowohl in den Angeboten der Schreibwerkstatt als auch in den IK-Kursen der Universitätsbibliothek in diesem Zusammenhang ist das Fehlen der Vermittlung von ganz banalen Kompetenzen im Umgang mit Textverarbeitungsund Satzprogrammen. Mangelhafte Kenntnisse bei den Studierenden im Umgang mit den Schnittstellen zwischen Literaturverwaltung und Textverarbeitung sowie mangelnde Kompetenzen bei der Anpassung bzw. Erstellung neuer Zitationsstile sind häufig zu beobachten. Ein weiterer Kooperationspunkt von Bibliothek und Schreibwerkstatt ist die offene Beratungssprechstunde zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben, die die Schreibwerkstatt in den Räumlichkeiten der Universitätsbibliothek sowohl am Campus Stadtmitte als auch am Campus Vaihingen anbietet. Hintergrund dieser Kooperation ist die Idee, dass die Studierenden sich hauptsächlich in der Bibliothek aufhalten, wenn sie an ihren Arbeiten schreiben und diese jetzt auch als direkten Anlaufpunkt für Schwierigkeiten beim Schreibprozess nutzen können.17
Arbeitsgemeinschaft Plagiatsprävention im Studium an der Universität Stuttgart Im Jahr 2017 hat sich an der Universität Stuttgart eine Arbeitsgemeinschaft konstituiert, die unter Leitung der Ombudsperson Lehre die Voraussetzungen für einen – soweit im Rahmen unterschiedlicher Fachkulturen überhaupt möglich – einheitlichen Umgang mit der Plagiarismusthematik schaffen soll. Die Arbeitsgemeinschaft besteht aus Vertreterinnen und Vertretern aus den Fakultäten – überwiegend Studien-
16 Universität Stuttgart: Schreibwerkstatt. Leitfäden der Institute zum Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit. http://www.schreibwerkstatt.uni-stuttgart.de/nuetzliches/leitfaeden.html (Stand: 27.11.2018). Genannt sei hier außerdem der Zitierleitfaden der TU München: https://mediatum.ub.tum.de/doc/1231945/1231945.pdf (Stand: 04.12.2018). 17 Universität Stuttgart: Schreibwerkstatt. Individuelle Beratung. http://www.schreibwerkstatt.unistuttgart.de/beratung/index.html (Stand: 27.11.2018).
Die Bibliothek als Partner – Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart
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gangsmanagerinnen und -manager –, einer Vertreterin aus dem Dezernat Studierendenangelegenheiten, einem Vertreter aus der Bibliothek sowie weiteren Teilnehmern, die bei Bedarf eingeladen werden. Die erste Aufgabe der AG bestand darin, ein einheitliches Verständnis des Plagiatsbegriffs zu entwickeln, auf dessen Basis dann Arbeitshilfen für Lehrende und Studierende zur Verfügung gestellt werden sollen, die auf einheitlicher begrifflicher Grundlage sowohl – für die Studierenden – Plagiate verhindern sollen als auch – für Lehrende – Handreichungen für den Umgang mit Verdachtsfällen und entdeckten Plagiaten bieten sollen. Hier wird der Fokus vor allem darauf gelegt, einheitliche, in Übereinstimmung mit den „Vorschlägen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ und der „Satzung der Universität Stuttgart zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft“18 stehende Prozeduren zu entwickeln, die den Umgang mit solchen Fällen regeln. Besondere Schwierigkeiten in dieser AG bereitete die Definition dessen, was als ein Plagiat anzusehen ist. Aus dem Kreis der im täglichen Prüfungsgeschäft stehenden Lehrenden kam der Wunsch, nicht nur eine allgemeine Definition des „Plagiats“ an die Hand zu bekommen, sondern darüber hinaus eine Beispielsammlung, anhand der sich konkrete Verdachtsfälle zuordnen lassen. Deshalb wurde aus dem Kreis der Lehrenden sowie aus dem Rektorat der Wunsch geäußert, eine Plagiatsdetektionssoftware zu erwerben. Die Erwartung an dieses Tool besteht u. a. darin, nach der Überprüfung eingeladener Arbeiten ein Ergebnis über den Plagiatsgrad der Arbeit zu erhalten sowie eine detaillierte Dokumentation der Stellen an denen und aus welchen Quellen plagiiert wurde. Einmal mehr besteht hier daher die Aufgabe der Bibliothek darin, allzu hoch gesteckte Erwartungen zu korrigieren und Funktion und Nutzen, aber auch Grenzen dieser Tools anhand von Beispielen zu erklären.19 Schlussendlich konnte die AG eine allgemeine Definition des Plagiats und der unterschiedlichen Plagiatstypen erarbeiten, die den Gesprächsleitfäden beigegeben wird. Derzeit befindet sich die Universität in einer Evaluationsphase, um geeignete Tools zur Plagiatsdetektion zu prüfen und den Einsatz eines solchen Tools als unterstützendes technisches Hilfsmittel in Verdachtsfällen vorzubereiten. Die AG plant dazu einen universitätsweiten Workshop, in dem unterschiedliche Tools vorgestellt und ihre Funktionsweise, Möglichkeiten und Grenzen erklärt werden sollen.
18 Universität Stuttgart: Satzung der Universität Stuttgart zur Sicherung der Integrität wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft. Vom 31. Juli 2013. https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/bekanntmachungen/dokumente/bekanntm_62_2013.pdf (Stand: 27.11.2018). 19 Vgl. hierzu Weber-Wulff, Debora: Plagiarism Detection Software: Promises, Pitfalls and Practices. In: Handbook of Academic Integrity. Hrsg. von Tracey Bretag. Puchong, Selangor D.E.: Springer Singapore 2016. S. 625–638.
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Dieser Gesprächsleitfaden, soll es den Lehrenden erleichtern, mit den unter Plagiatsverdacht stehenden Studierenden den Sachverhalt in einem von gegenseitigem Respekt geprägten Gespräch ergebnisoffen zu klären. Nicht jeder Plagiatsverdacht muss schließlich begründet sein bzw. „in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang […] geistiges Eigentum anderer verletz[en]“20 – das ist die Grundlage, um Sanktionen nach dem Landeshochschulgesetz zu verhängen. Die zum Gespräch geladenen Studierenden erhalten in diesem Gespräch die Gelegenheit, ihre Arbeitsweise zu erläutern und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Lehrenden sollen den Studierenden die Plagiarismusproblematik anhand des vorgelegten Dokuments detailliert erläutern und gegebenenfalls plagiierte Stellen nachweisen. Außerdem haben sie die Möglichkeit, aus einem solchen Gespräch mögliche Defizite der wissenschaftspropädeutischen Ausbildung zu erkennen und Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre zu ergreifen. Unabhängig vom Ausgang des Gesprächs ist sicherzustellen, dass Lehrende und Studierende auch im weiteren Studienverlauf ohne vorangegangene gegenseitige ungeklärte Anschuldigungen miteinander umgehen können – besonders an kleineren Instituten und Fakultäten ist das eine Voraussetzung für den von allen beteiligten angestrebten Studienerfolg der Studierenden, weil man sich hier meistens nicht aus dem Weg gehen kann. Weiterhin ist durch das Gespräch und die sorgfältige Dokumentation der beanstandeten Arbeit sicherzustellen, dass die festgestellten Täuschungsversuche einwandfrei dokumentiert und anderen Prüfenden zur Verfügung gestellt werden können, um mögliche Wiederholungsfälle zu erkennen und allerspätestens dann entsprechend sanktionieren zu können. Hier sind sowohl wissenschaftsethische Fragestellungen aber auch prüfungs-, datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Aspekte zu beachten, um die Sanktionen revisionssicher zu begründen.
Ausblick Die voranstehenden Ausführungen haben gezeigt wie die Bibliothek an verschiedenen Stellen in die Plagiatsprävention an der Universität Stuttgart eingebunden ist. In einem nächsten Schritt wird derzeit der Umgang mit Plagiatsverdachtsfällen und gesicherten Plagiatsfällen auf eine gesicherte rechtliche Basis gestellt. Nachdem die AG Plagiatsprävention hier Handlungsfelder benannt und Lösungsvorschläge erarbeitet hat, die von der Universität beschlossen und umgesetzt werden müssen, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Plagiatsprävention, -detektion und -sanktion in den Studien- und Prüfungsordnungen zu verankern. Auch hierbei wird – neben dem verantwortlichen Justitiariat – die AG mitwirken.
20 Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (LHG BW) § 3, (5).
Ladina Tschander und Wilfried Sühl-Strohmenger
Perspektiven für die Förderung des wissenschaftlichen Schreibens in der Hochschulbibliothek Erkenntnisse aus den Beiträgen dieses Praxishandbuchs für das (studentische) wissenschaftliche Schreiben in der Hochschulbibliothek Bibliotheken werden traditionell mit dem Bewahren der in Handschriften und gedruckten Texten überlieferten geistig-kulturellen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse verbunden. Verfasst wurden die Werke bibliotheksnah, zum Beispiel in den mittelalterlichen Skriptorien, oder in den Bibliotheken selbst. Lange Zeit waren insbesondere in den Geisteswissenschaften Seminarund Institutsbibliotheken Orte der Rezeption wie der Produktion von Veröffentlichungen. Im Lauf des 20. Jahrhunderts verlagerte sich das wissenschaftliche Schreiben immer mehr an den – vielfach häuslichen – Arbeitsplatz der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers. Hochschulbibliotheken wurden immer mehr von Studierenden als Lern- und Schreibort genutzt, weil sie eben nur bedingt über geeignete Arbeitsplätze außerhalb der Hochschule verfügen. Bibliotheken gewannen als Lernund auch als Schreiborte an Bedeutung, zumal sich dort auch Angebote zur Förderung der Informations- und Medienkompetenz etablierten. Aber zu welchen Zwecken schreiben Studierende? Wie Kruse und Chitez darlegen, sind im deutschsprachigen Raum die Anforderungsstrukturen heterogen1, jedoch stehen die Seminararbeiten und die Essays im Mittelpunkt, um die selbstständige Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen oder die reflexive Beschäftigung mit Seminarthemen zu üben. Dies setzt das „Lesen, Zitieren, Zusammenfassen und Strukturieren von Texten“2 voraus, jeweils in die Anforderungen der betreffenden Disziplin eingebunden. Denn nach Kruse und Chitez gehe es bei dem studentischen Schreiben weniger um die Entwicklung von Kompetenzen als um „die Selbst-
1 Vgl. Kruse, Otto u. Madalina Chitez: Schreibkompetenzen im Studium. Komponenten, Modelle und Assessment. In: Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Hrsg. von Stephanie Dreyfürst u. Nadja Sennewald. Opladen [u. a]: Verlag Barbara Budrich 2014 (UTB 8604). S. 107–126. 2 Kruse u. Chitez, Schreibkompetenzen (wie Anm. 1), hier S. 109. https://doi.org/10.1515/9783110594140-028
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sozialisation in einer Diskursgemeinschaft“3. Aber die Schreibkompetenz ist die Grundlage dafür und die Dimensionen Wissen, Prozessorientierung, Kommunikation, Genre, Medien und Sprache sind für deren Ausbildung nach Kruse und Chitez wesentlich. Können die Hochschulbibliotheken angesichts dieser Bedingungen für das studentische Schreiben eine Rolle spielen? Die Beiträge dieses Praxishandbuchs belegen, dass die Frage positiv beantwortet werden kann. Zwar können Bibliotheken nicht allein die Förderung der oben genannten Schreibkompetenzen gewährleisten, aber sie sind ein frequentierter Ort des Schreibens und in Zusammenarbeit mit den Schreibzentren unterstützen sie die Produktion von Texten, vor allem im Rahmen der Förderung von Informationskompetenz. Die im Handbuch geschilderten Praxismodelle und Konzepte von Hochschulbibliotheken lassen sich demzufolge den Bedingungen für das studentische Schreiben zuordnen, was im Folgenden im Sinne einer Zusammenfassung der Beiträge durchgeführt werden soll.
Ansätze von Hochschulbibliotheken, die auf die Förderung des individuellen Schreibens fokussiert sind Schreibberatung Ein solcher Service der Bibliothek könnte im Rahmen von Sprechstunden und Workshops erfolgen, mit werbender Absicht, wie sie die Schreibberatung „Der Schreibberater“ an der UB Bern beinhaltet, mit Sprechstunden und überfachlichen Workshops, mit Werbung durch indirekte Kontakte über Studierende, Promovierende, Lehrpersonal der Fachbereiche, die für das Schreiben im Fach weiterhin höchste Priorität behalten. Eine offene Schreibberatung in der Bibliothek wäre auch denkbar nach dem Vorbild der Universität St.Gallen, in Zusammenarbeit zwischen HSG-Bibliothek und HSG-Writing Lab, angesiedelt im Informationsbereich der Bibliothek, verbunden mit Rechercheberatung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten.
Plagiarismusprävention Das Konzept der Plagiarismusprävention an der Universität Stuttgart im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Schreibwerkstatt könnte modellhaft
3 Kruse u. Chitez, Schreibkompetenzen (wie Anm. 1), hier S. 110.
Perspektiven für die Förderung des wissenschaftlichen Schreibens
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sein. Der fünfte Standard der Informationskompetenz4 bietet sich dabei als Grundlage an. Veranstaltungen der Bibliothek, wie beispielsweise der Kurs „Zitat und Plagiat“ der UB Stuttgart, wären als curricular integrierte Module denkbar die, im Rahmen eines Seminars oder einer Vorlesung, von den Dozierenden angefragt werden können – wie das Book-A-Librarian-Programm an der Universität Zürich: Minikurse oder Coffee Lectures der UB zur Literaturrecherche, zur Literaturverwaltung oder zum Zitieren würden das Spektrum abrunden.
Sicherung von Informationsqualität Auch der Ansatz an der UB Mainz zur Wahrung akademischer Integrität und Informationsqualität passt in diesen Zusammenhang. Die UB wirkt dabei im Sinne des Verständnisses umfassender Informationskompetenz mit, in Richtung die Vermittlung von Techniken beim Umgang mit fremdem Geistesgut, die als elementare Bestandteile der Entwicklung eines akademischen Schreib-Habitus gesehen werden, wie es Rotzal und Schuh in diesem Band formulieren. Die Bibliotheksmitwirkung erfolgt durch Einbettung in die Fachlehre. Dabei wird die Informationskompetenz in die Seminare zum wissenschaftlichen Arbeiten in Verbindung gebracht. Die Informationskompetenz verbindet sich mehr mit den Fachcurricula und damit im Sinne von Lernbegleitung mit den fachwissenschaftlichen Kompetenzen.
Förderung der Schreibkompetenz im Kontext der Entwicklung von Informationskompetenz Das Zentrum für Wissensmanagement an der Hochschule Hamm-Lippstadt realisiert einen anderen Ansatz, bei dem die Bibliothek Schreibkompetenz im Rahmen eines umfassenden Angebots zur Entwicklung von Informationskompetenz vermittelt und fördert. Dabei wirken Bibliothekspersonal, Fachlehrende und Lehrbeauftragte mit. Das zentrale, für alle Studierenden offene Veranstaltungsprogramm ist jeweils an einem Schreibprojekt ausgerichtet, in der Regel der Bachelorarbeit. Die Formate sind Workshops, sodann Einzel- und Gruppenberatungen.
4 Gemäß den Standards der Informationskompetenz der Studierenden des deutschen Bibliotheksverbands lautet der 5. Standard: „Die informationskompetenten Studierenden sind sich ihrer Verantwortung bei der Informationsnutzung und -weitergabe bewusst.“ http://zpidlx54.zpid.de/wpcontent/uploads/2015/02/DBV_Standards_Infokompetenz_03.07.2009_endg.pdf (Stand: 20.12.2018).
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Schaffung einer Koordinierungsstelle für das hochschulweite Schreiben Hier wäre auf den Ansatz der UB Marburg zu verweisen, die eine eigene Schreibwerkstatt aufbaut, welche sich als zentrale Koordinierungsstelle für die Universität versteht, in der die Beratungsangebote zusammenfließen. Zu nennen ist auch die UB Basel, die ein erweiterndes Angebot zur Schreibförderung im Campus-Umfeld aufbaut und entwickelt (bottom-up), also kein eigenständiges Angebot anstrebt.
Bibliothek als Akteur der Schreibförderung in der Hochschule mit Teilaufgaben Für die Leuphana Universität Lüneburg ist es wesentliches Anliegen, wie die verschiedenen Stellen und Akteure in der Universität an der Förderung des Schreibprozesses, der schreibspezifischen Medienkompetenz mitwirken können, und zwar auf drei Aufgabenfeldern, von denen das erste dem Recherchieren vorbehalten ist, Aufgabenfeld 2 dem Aufbereiten der Information, Aufgabenfeld 3 dem Schreiben selbst, der Informationsverarbeitung, dem Informationsmanagement (auch Literaturverwaltung). Auch hier steht die Kooperation von Schreibzentrum und Bibliothek im Vordergrund. Das Projekt „Schreibcafé“ (ins Gespräch kommen), der Schreibmarathon und die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten tragen entscheidend dazu bei, um eine akademische Schreibkultur zu schaffen.
Unterfangen von Hochschulbibliotheken, die die Bildung von (Diskurs-)Gemeinschaften stärken Intracurriculare Einbindung des Bibliotheksangebots zum Schreiben Die intracurriculare Einbindung eines bibliothekarischen Angebots zur Schreibunterstützung könnte realisiert werden durch Integration in hochschulweite Programme, wie das Neu-Ulmer Beispiel „BRIDGE THE GAP“ belegt. Dabei könnte ein Blended Learning-Angebot mithilfe einer Lernplattform wie Moodle platziert werden, eventuell mit Einsatz von Videos oder Erklärfilmen, mit interaktiven Lernmodulen, mit Quiz, mit Screencasts, die von der Bibliothek beigesteuert werden könnten, oder auch mit E-Books, Arbeit in Kleingruppen und mit dem Flipped Classroom. Das Modell der Hochschule Neu-Ulm zeigt, dass eine Entlastung der Präsenzlehre möglich ist und die Organisation erleichtert werden könnte, da die Bibliothek in das intra-
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curriculare Modul „BRIDGE THE GAP“ im Sinne eines kooperativen Ansatzes, in dem die Bibliothek einen begrenzten Part übernimmt, eingebunden wird.
Beteiligung der Bibliothek an Schreib-Events Die Europa Universität Viadrina Frankfurt/Oder hat ursprünglich das Event der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ konzipiert und realisiert. Bewährt hat sich dabei die Kooperation zwischen Schreibzentrum und Bibliothek. Im Mittelpunkt stehen Beratung und Workshops mit Beteiligung der Fächer: Beispielsweise mit Vorträgen zur Prokrastination durch das Fach Psychologie oder zum Schreiben von Gutachten durch die Rechtswissenschaft. Im Wesentlichen geht es bei diesem Anlass darum, dem Aufschieben von Schreibaufgaben entgegenzuwirken, Schreibanlässe zu schaffen und das gemeinsame Schreiben in einem EventRahmen – durchaus öffentlichkeitswirksam – anzuregen.
Bibliothek als Raum für Schreibgruppen Nach dem Beispiel der Universität Zürich kann die Bibliothek für Schreibgruppen und Text-Feedback Räume zur Verfügung stellen. Schreibgruppen können sich dort regelmäßig treffen, die Bibliothek hält jedoch nur den Gruppenarbeitsraum und die Materialien bereit. Das Bibliothekspersonal ist mit den Regeln des Text-Feedbacks vertraut, kann Gruppen auch moderieren, jedoch organisieren sich diese im Wesentlichen selbst. Die Bibliothek schafft nach diesem Ansatz also den Rahmen für die Textproduktion an einem Ort, an dem sich die Studierenden ohnehin aufhalten und dort lernen und arbeiten.
Zusammenarbeit zwischen Bibliothek, Schreibzentrum und Fachlehre Das kooperativ angelegte Konzept der Universität Konstanz bringt die Förderung von Informationskompetenz und von Schreibkompetenz zusammen und integriert diese in den Fachdiskurs, mit Beteiligung der Fachlehrenden, der Fachreferenten und Fachreferentinnen aus Bibliothek und Schreibzentrum. Zudem dient ein Round Table dazu, um die One-Shot-Einführungen zum Recherchieren und zum wissenschaftlichen Schreiben mit den Fachlehrenden zu besprechen. Informationskompetenz, Schreibkompetenz und Fach wirken bei diesem überzeugenden Praxisansatz zusammen, Bibliothekarinnen und Bibliothekare können als Embedded Librarians Erkenntnisse der neuen Schwellenkonzepte zur Förderung von Informationskompe-
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tenz im direkten Kontakt mit den Fächern zur Geltung bringen und das Schreiben als Ziel aller Prozesse der Informationsverarbeitung unmittelbar unterstützen.
Lernort.plus und Netzwerkbildung Das Modell der Universität Bielefeld konturiert die Bibliothek als Schreib- und Lernort, der mit dem Schreiblabor und dem Peer Learning beim Zentrum für Lehre und Lernen (ZLL) kooperiert. Bezeichnet wird dieses Konzept als „Lernort.plus“, der eben mehr bieten soll als lediglich Lern- und Arbeitsplätze für Studierende. Die Schreibberatung und die Förderung der Schreibkompetenz werden an einem solchen erweiterten Lernort zentral von allen beteiligten Akteuren angeboten. Die Bibliothek kann sich zudem als ruhiger Arbeits- und Schreibort präsentieren, ferner bietet sie Gruppen- und Diskussionsräume. Ähnlich strukturiert ist das Konzept „Netzwerk Schreiben“ an der TU Dresden. Das Schreibzentrum stützt sich dabei auf eine auf Peer-to-Peer-Schreibberatung, jedoch sind daneben weitere Institutionen involviert, darunter die Bibliothek. In Dresden an der SLUB bietet die Wissensbar dabei ausgezeichnete Möglichkeiten, vor allem in Bezug auf Recherche, Zitation und auch wissenschaftliches Schreiben. Dazu kommt eine individuelle Beratung seitens der Fachreferentinnen und Fachreferenten, also durch höher qualifiziertes Personal, als es bei der Peer-Schreibberatung der Fall ist. Die Teaching Librarians sind schreibdidaktisch weiterqualifiziert, das TextLAB in der SLUB fungiert als zentraler Schreib- und Lernort für das Netzwerk Schreiben, verfügt dazu über eine moderne technische Ausstattung und über Schulungs- und Gruppenarbeitsräume. Eine offene Textwerkstatt wird von Schreibzentrum und Bibliothek gemeinsam betreut, im Rahmen des bibliothekspädagogischen Konzepts für den Makerspace. Hinzu kommt eine Forschungsunterstützung der SLUB für die Digital Humanities, sodann eine Schreibwerkstatt der Graduiertenakademie, die ebenfalls zum Netzwerk Schreiben gehört.
Schreibkompetenz als Schlüsselqualifikation in Verbindung mit Informationskompetenz Am KIT Karlsruhe hat sich eine gut funktionierende Kooperation zwischen Bibliothek und House of Competence, das die Förderung der Schlüsselqualifikationen für das Studium trägt, entwickelt. Bei diesem Modell bedarf es einer Art Schreiblabor oder Schreibwerkstatt, wo speziell die Schreibkompetenz Studierender gestärkt wird. Hier gehen aufgrund der angeschlossenen Angebote der Bibliothek die Schreib- und Informationskompetenz eine fruchtbare Allianz ein. Angelehnt ist diese Kooperation in Karlsruhe an den Student-Life-Cycle, der die Studienvorbereitung, das Grund- und Hauptstudium, sodann die Spezialisierungsphase und ein
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Promotionsstudium umfasst. Es orientiert sich zudem am Forschungsprozess, der mit der Forschungsfrage beginnt und mit der Publikation der Ergebnisse endet. Das Schwellenkonzept der Informationskompetenz, entsprechend dem in einigen Beiträgen dieses Handbuchs thematisierten „Framework for Information Literacy for Higher Education“, könnte hier sinnvoll integriert werden, weil es die Entwicklung von Informationskompetenz analog den epistemischen und prozesshaften Charakter des wissenschaftlichen Forschungsprozesses favorisiert. Schreiblabor und Bibliothek arbeiten also Hand in Hand und arbeitsteilig. Der Karlsruher Ansatz gewinnt dadurch an weiterer Attraktivität, dass er eine breite Palette kurzer Coffee Lectures und einen umfassenden Online-Kurs zur Informationskompetenz umfasst. Wenn auch andere Hochschulen diesem Modell folgend wollen, bedarf es auch dort eines aufeinander abgestimmten Angebots der Bibliothek und des Schreiblabors bzw. der Schreibberatungseinrichtung.
Perspektiven für die Förderung des studentischen wissenschaftlichen Schreibens im Kontext der Hochschulbibliothek Aufbau einer Schreibwerkstatt durch die Bibliothek Denkbar wäre der Aufbau einer Schreibwerkstatt in der Bibliothek selbst, wie sie an der Universitätsbibliothek Marburg entwickelt wird. Dabei sind individuelle Beratung und Veranstaltungen von zentraler Bedeutung. Für eine individuelle Beratung können die Studierenden entweder in eine offene Sprechstunde kommen oder einen Termin vereinbaren, um beispielsweise Fragen zu einer anstehenden Hausarbeit zu klären. In Marburg können Studierende die Hausarbeiten-Sprechstunde spontan ohne Anmeldung besuchen, es stehen ca. 20 Minuten für ein Gespräch zur Verfügung, für ausführlichere Gespräche wäre bei Bedarf auch mehr Zeit einzuplanen. Eine solche individuelle Beratung sollte durch Veranstaltungen wie Workshops, Coffee Lectures und Schreibevents wie den „Tag der Hausarbeiten“ ergänzt werden.
Gründung eines Schreibzentrums oder einer Schreibwerkstatt der Bibliothek Zweifellos wäre es ein ehrgeiziges Unterfangen, ein Schreibzentrum in der Bibliothek selbst einzurichten, wie es zum Beispiel die Fachhochschule Vorarlberg unternommen hat: Dort offeriert die Bibliothek ein Service- und Unterstützungsangebot für die Lehre zur Vermittlung von Schreib- und Informationskompetenz, sozusagen
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an der Schnittstelle von Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung. Nach diesem Modell würde die Bibliothek als Anlauf-, Kontakt- und Schnittstelle für die Schreibunterstützung Studierender fungieren. Zur Verfügung gestellt werden müssten dazu Arbeits- und Übungsblätter sowie Kurse, vornehmlich mit Blick auf das Schreiben einer Abschlussarbeit. Möglich wäre auch der Aufbau einer Schreibwerkstatt, nach dem Muster der Hochschulbibliothek an der TH Mittelhessen: Dort existiert ein integriertes Konzept zur Förderung von Informations- und Schreibkompetenz. Das betreffende Personal wäre schreibdidaktisch zu qualifizieren (beispielsweise an der PH Freiburg). Man müsste technisch und organisatorisch die nötigen Voraussetzungen schaffen, eine Art Corporate Identity entwerfen, sollte die Kursangebote nach Möglichkeit curricular einbinden (inter-, intra- oder extracurricular), sodann eine Zusammenarbeit mit den Fächern aufbauen und Lernmaterialien auf einer Lernplattform einpflegen.
Schreibberatung im Rahmen eines Lernzentrums Nach Vorbild des „Learning Center“ und der Schreibberatung der UB Mannheim, mit einem Konzept der Information Commons im Hintergrund, könnten Fachreferenten und Fachreferentinnen in diesem Rahmen aufgrund ihrer Expertise auf dem Gebiet wissenschaftlichen Schreibens schreibberatend tätig werden. Zu realisieren wäre dies im Rahmen einer offenen Sprechstunde, in der Fragen bei der Literaturrecherche, bei der Verarbeitung von Texten, bei der Formulierung einer Forschungsfrage, bei der Gliederung von Schreibvorhaben, beim Zitieren und bei der Überarbeitung einer Arbeit angesprochen werden könnten. Die Bibliothekare erwerben zusätzliche Kompetenzen auf den Gebieten der Gesprächsführung, der Schreibdidaktik, des Textwissens, ohne dass zwingend eine systematische schreibdidaktische Weiterqualifizierung erforderlich wäre. Zu lösen wäre das Problem der fächerübergreifenden Beratung, ferner sind einige organisatorische und auch persönliche Herausforderungen für ein solches Schreibberatungsangebot nicht zu unterschätzen.
Fazit Es existiert also kein bestimmtes oder gar „ideales“ Konzept zur Förderung von Schreibkompetenz seitens der Hochschulbibliotheken. Vielmehr sind verschiedene Realisierungen der Schreibunterstützung durch Bibliotheken möglich, abhängig von den lokalen und strukturellen Voraussetzungen oder auch von hochschulstrategischen Prämissen. Als wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bibliothek eine wichtigere Rolle bei der Unterstützung des studentischen Schreibens übernehmen
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kann, muss die schreibdidaktische Qualifizierung des Bibliothekspersonals genannt werden. Bei der Förderung von Informationskompetenz ist der Aspekt der Informationsverarbeitung herauszustreichen und stärker zu akzentuieren gegenüber der Informationssuche und der Informationsauswahl. Das Bearbeiten der Information, der Aufbau des eigenen Wissensspeichers und das Pflegen der Literaturverwaltung ist Grundlage für das wissenschaftliche Schreiben und Arbeiten. Entscheidend aber für eine erfolgreiche Integration der Schreibförderung in das Dienstleistungsportfolio der Bibliothek ist die Offenheit für Kooperationen mit klarer Aufgabenteilung zwischen den beteiligten Einrichtungen. Finden Bibliotheken diese, haben sie eine breite Palette von Möglichkeiten, wie sie das studentische Schreiben unterstützen und fördern können.
Diskussion und Ausblick Das studentische wissenschaftliche Schreiben wird in den kommenden Jahren an Bedeutung nicht verlieren, sondern eher noch an Stellenwert für ein erfolgreiches Studium gewinnen, trotz und gerade wegen der Digitalisierung. Diese trägt einerseits dazu bei, dass traditionelle Schreibgewohnheiten weiter zurückgehen, zum Beispiel zugunsten von Copy + Paste, dass dennoch das Verfassen von Texten in der gesamten Breite von notwendigen Genres, auch mit Blick auf spätere berufliche Anforderungen unumgänglich bleibt. Allerdings nehmen die Klagen von Hochschullehrenden zu, dass es Studierenden an den für die Studierfähigkeit notwendigen Voraussetzungen immer stärker mangelt. So kommt der Bonner Hochschullehrer Volker Ladenthin (2018), der seine Studierenden in den Anfangssemestern seit sieben Jahren vergleichbare Klausuren (mittlerweile insgesamt um die 1.000) schreiben lässt, zu folgenden Ergebnissen: „Kommaregeln werden so gut wie gar nicht systematisch angewandt; Rechtschreibfehler betreffen inzwischen die unsicher gewordene Groß- und Kleinschreibung. Etwa 80 Prozent der Klausuren weisen ein unregelmäßiges, oft nur schwer lesbares Schriftbild auf. Ich habe Seminararbeiten zu korrigieren, die bei zehn Seiten Umfang bis zu 100 Fehler aufweisen.“ Und weiter: „Die Studierenden können Theorien, die in der Lehre zuvor sprachlich einfach dargestellt wurden, mehrheitlich angemessen memorieren und reproduzieren. Hingegen fällt die eigenständige Erschließung von Theorien aus einfachen wissenschaftlichen Texten (zum Beispiel Karl Popper) mehrheitlich schwer; die Erschließung von Thesen aus historischen oder syntaktisch komplexen Texten (Humboldt, Hegel, aber auch Comenius) bedarf erheblicher Unterstützung. Bei diesen Texten bereitet dann auch eine angemessene eigensprachliche Reproduktion Schwierigkeiten. Die Texte können in der Regel nicht komplex, systematisch vollständig und in eigenen Worten zusammengefasst
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werden.“5 Die Studierenden seien mehrheitlich kognitiv weder zu Abstraktionen noch zum Transfer fähig. Obgleich solche Einzelbeobachtungen nicht überschätzt werden dürfen, so sind sie dennoch ein Indikator für zunehmende Probleme Studierender nicht nur bei den grundlegenden Schreibfertigkeiten, sondern auch bezüglich kognitiver Leistungen, die das wissenschaftliche Schreiben zwingend voraussetzt. Um den vielfältigen Herausforderungen, denen sich das Schreiben in der Hochschule ausgesetzt sieht, erfolgreich begegnen zu können, müssen sich alle Akteure, die im Hochschulbereich das Schreiben fördern oder unterstützen – vor allem die Fächer selbst, sodann die Schreibzentren, die SQ-Einrichtungen, die Bibliotheken – in gemeinsamer Anstrengung engagieren. Dieses Praxishandbuch ist ein erster Schritt, um einen dieser Akteure, die Gruppe der Hochschulbibliotheken, stärker in den Fokus der Bemühungen zu rücken. Weitere Schritte müssen allerdings folgen.
5 Ladenthin, Volker: „Da läuft etwas ganz schief“. In: Forschung & Lehre (2018) H. 8. https://www. forschung-und-lehre.de/lehre/da-laeuft-etwas-ganz-schief-894/ (Stand: 17.10.2018).
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Index Abschlussarbeit 2, 4, 50, 89, 93, 107–108, 113– 118, 127, 135, 156, 158, 164–166, 169, 182, 198, 210, 230–231, 235, 237, 243–245, 247–248, 260, 264, 313, 326, 329, 337, 340–341, 348–349 Bachelorarbeit 93, 107, 117, 119–120, 131, 139– 140, 143, 165, 176, 283 Barcamp 91 Bibliometrie 201, 212 Bibliotheksdidaktik 36, 40–41, 46, 336 Bibliothekspädagogik 40, 285, 338 Blended Learning 107, 130, 140, 142, 248, 322 Blog 89–90, 92, 97, 100–101, 211 Coffee Lecture 70–72, 75–78, 103, 112, 233– 234, 243, 246–247, 325, 345, 348 Coworking 107, 121, 127, 129 Creative Commons 96, 102 Datenbank 2, 4, 29, 184–185, 214, 265–267, 273, 287 Digital Literacy 13, 66, 87–88, 132 Digital Natives 130–132, 140, 340, 344 Digitalisierung 16, 29–30, 34, 58–59, 61, 94, 96–97, 103, 110, 116–117, 130, 132–133, 139, 145, 266, 327, 337, 342 E-Learning 107, 131, 135, 145, 234, 248, 253, 284, 335, 340 Embodied Writing 210, 220, 331 Etherpad 88, 91–92, 98, 346 Evaluation 48, 83, 225, 292, 307 Exzerpieren 26, 331 Exzerpt 26–27, 51, 187 Fachbibliothek 257, 262 Fachlehre 129, 203–204, 243, 283, 285–287, 289–291, 321, 323 Fachlehrende 37, 44, 47, 80, 85–86, 94–95, 102–103, 116, 176, 196, 198, 203, 212–213, 216, 239, 248, 250, 262, 265, 276, 282, 289–292, 294, 317–318, 323, 332, 341 Fachliteratur 49, 131, 148, 198, 304 Fachreferent/in 1, 70, 73–74, 76, 82, 176, 215, 237–238, 267, 284–285, 300–301, 304, 307, 320, 323–324, 326 Fake News 58, 60, 66, 69, 111 Flipped Classroom 130, 140, 142–143, 322 Forschendes Lernen 59, 133 Forschungsfrage 93, 118, 134, 140–143, 180, 183, 189, 212, 242, 302, 325–326 https://doi.org/10.1515/9783110594140-030
Framework 32–33, 44, 60, 277, 279–281, 286, 288, 293, 325, 329, 338, 345 Freewriting 125, 207, 223, 228–229, 232, 304 Gamified Learning 140 Google Docs 88, 97 Graduiertenakademie 4, 12, 81, 217, 324, 346 Hochschuldidaktik 41, 45, 64, 71, 76–77, 86, 235, 251, 281, 329, 341, 348 Information Literacy 32, 36, 43–44, 59–60, 275–279, 281–283, 325, 329, 331–334, 338–339, 342–345, 348 Informationsbewertung 108, 190, 192, 202 Informationsflut 52, 184, 189 Informationskompetenz 1–3, 5–6, 11–12, 31– 33, 36–37, 40–41, 44–45, 49, 56–60, 66, 70, 73–74, 79–81, 108–113, 117, 132, 147– 152, 155–158, 160, 164, 170, 172, 174, 176, 181, 184, 189–191, 196–197, 199, 202, 204, 208–209, 212, 215, 234, 237, 241, 243, 245–248, 266, 274–275, 277–281, 283– 286, 288–291, 293–294, 300, 309–311, 313–314, 321, 323–325, 327, 330, 332, 334–339, 342–343, 345–348 Informationsmanagement 48–50, 52, 130–131, 139, 142, 176, 322, 339, 344 Informationsrecherche 32, 40, 45, 209, 237, 309 Informationsverarbeitung 11, 32, 120, 160, 322, 324, 326–327 Intertextualität 44, 49, 168, 190, 192–195, 338, 340, 344 Kollaboratives Arbeiten 87, 91, 253 Kollaboratives Schreiben 101 Kritisches Denken 4, 43, 52, 65, 103, 340 Lange Nacht des Schreibens 6, 53, 75, 78, 107, 121–127, 129, 210, 216, 223, 248, 255, 322–323 Leistungsnachweis 89–90, 115, 287 Lernbox 256, 259 Lernort 3–4, 11, 33, 36, 40, 42, 45, 72–74, 79, 111, 128, 148, 152–153, 172, 208, 218, 221, 251–255, 258–259, 261, 266–267, 296– 298, 324, 330, 332–333, 335, 344, 349 Lerntagebuch 89–90, 101 Lernzentrum 245, 249, 253
352 Index
Lesesaal 11, 14, 16, 18, 22–24, 27–31, 34–35, 127–129, 162, 224, 252, 254, 256–261, 298, 345–346 Liaison Librarian 45, 176 Literaturrecherche 12, 49, 55, 125–126, 130, 134–135, 177, 209, 212, 215, 243–245, 247, 249, 280, 297, 299, 301, 306, 315, 321, 326 Literaturverwaltung 5–6, 12, 29, 32, 50–52, 72, 74, 85, 108, 135, 162, 164, 180–181, 185– 186, 188, 252, 280, 315–316, 321–322, 327, 348–349 Makerspace 111, 220–221, 266, 330 Marketing 12, 53–54, 82, 87, 149 Masterarbeit 158, 165, 299, 301 Medienkompetenz 11, 31, 47, 49–50, 54, 130, 189, 278, 319, 322, 342 Medienzentrum 12, 47, 50, 72, 126, 274–275, 280, 284, 289, 337 Metaliteracy 32, 40, 43, 280, 347 Minikurs 315, 321, 348 Öffentlichkeitsarbeit 82, 123, 126 Online-Tutorial 112, 338 Onlinekurs 234, 243, 245, 247 Open Access 3, 30, 34, 58–62, 87, 93, 157, 266, 268 Open Educational Resources 60, 94–95, 333, 343, 348–349 Peer Learning 251–253, 255, 324 Peer-Tutoring 121, 173–174 Plagiarismus 26, 157, 194–195, 249, 309–310, 312–314, 317, 330, 340, 342, 349 Plagiarismusprävention 5, 7, 78, 109, 112, 164, 190, 192, 204, 209, 245, 249, 309, 311– 313, 316, 318, 320 Pomodoro-Technik 228, 304, 331 Prokrastination 125–126, 233, 246, 323, 336 Psychologische Beratungsstelle 12, 81, 126, 302, 308 Psychosoziale Beratungsstelle 299 Rechercheberatung 85, 147, 152–153, 156, 263, 266–270, 273, 320 Recherchekompetenz 50 Recherchestrategie 184, 214, 289 Schlüsselqualifikation 44, 117, 209, 235–236, 240, 285, 309, 313, 315, 324 Schreib-Event 53–54, 77–78, 107, 121, 325 Schreib-Peer-Tutor/in 55, 57, 122, 126 Schreibaschram 53
Schreibberater/in 1, 12, 54–55, 80–83, 122– 125, 174, 176–178, 255, 299, 307, 320 SchreibberaterInnen 161 Schreibblockade 54, 166, 169, 173, 183, 191, 197, 231, 301, 339, 341 Schreibcafé 47, 56, 219, 322 Schreibdidaktik 4, 11, 31, 36–38, 41–42, 46– 48, 76, 125, 159, 168, 190, 207, 213, 222, 234, 236, 238–239, 255, 275, 280, 288, 296, 303, 306, 326, 330, 333–335, 337– 338, 341–342 Schreibgruppe 207, 218, 223–226, 228–233, 257, 323, 335 Schreibhemmung 126, 214 Schreibkompetenz 1–4, 7, 38–39, 41–42, 47– 48, 55–56, 71, 75, 88, 107–108, 110, 112– 116, 120, 147–150, 152, 156, 158–160, 162– 164, 166, 170–171, 175, 177–179, 207, 209, 264, 271, 274–277, 281–283, 285, 290– 294, 303, 320–321, 323–324, 326, 330, 335, 341 Schreibkultur 26, 47, 53, 57, 149–150, 322, 336 Schreibmarathon 47, 53–55, 322 Schreibmonat 53 Schreibort 34, 127, 207–208, 223, 232, 251– 252, 256–257, 261, 319, 324 Schreibphase 124, 158, 166, 168, 207, 214, 223, 228, 230 Schreibprozessdidaktik 74 Schreibstrategie 77, 151, 173, 177, 243, 303, 346 Schreibstube 162, 164–166, 168–169 Schreibtischyoga 122, 125 Schreibtyp 15, 173, 177, 301, 303 Schreibwerkstatt 6, 12, 48, 53, 70–72, 75–79, 92, 107, 147–149, 153, 155–156, 203, 209, 217–218, 222, 309, 313, 315–316, 320, 322, 324–326, 346, 348 Schreibwoche 53 Schwellenkonzept 11, 32, 43, 279, 281–282, 329, 338, 342, 345, 348 Screencast 130, 135–137, 140, 142, 156, 322 Skriptorium 11, 14, 16, 18–22, 25, 28–29, 33– 35, 319 Social Media 179 Social Media 82 Sprachenzentrum 56, 71, 76, 171, 173–175, 177– 178, 315 Student-life-cycle 208, 234, 241–245
Index 353
Teaching Library 3, 33, 36, 40, 42, 74, 150, 163, 277–278, 346–347 TextLab 179, 207, 210–211, 218–222, 341 Textproduktion 20, 28, 30–32, 50–51, 55, 107, 110, 113, 117, 168, 207, 211, 223–224, 226, 232, 323, 337–339, 342 Urheberrecht 59, 96–97, 157, 245–246, 250, 266 Video 94, 137–138, 140, 142, 145, 322 Webinar 156 Werbung 55, 80, 82, 85, 177, 193, 272, 320 Wiki 90–93, 99–101, 119, 154–155, 310, 343 Wissenschaftlichkeits-Kompetenz 12, 58, 60, 65–69
Wissensdokumentation 6, 108, 180 Wissensmanagement 32, 59, 77, 110, 321 Wissensverarbeitung 4 Writing Fellows 57 Writing Lab 7, 263–266, 268–270, 272, 277, 282, 320, 333, 343 Zeitmanagement 81 Zielgruppe 84, 86, 111, 155–156, 173, 211, 217– 218, 222, 230, 241, 265–266 Zitieren 107, 119–120, 130, 134–135, 143, 151, 154, 183, 189–191, 243, 245–246, 250, 267, 271, 301–302, 304–306, 315, 319, 321, 326, 342
Deutsche Literatur Studien und Quellen
Herausgegeben von Beate Kellner und Claudia Stockinger
Band 25