Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben: Wegenutzungsverträge in der Energie- und Wasserversorgung 9783110531909, 9783110530728

Many concession agreements will come to an end in the next few years. The second edition of this practical handbook pres

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German Pages 721 [722] Year 2023

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht und Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Bearbeiterverzeichnis
Kapitel 1 Rechtsrahmen und Überblick
Kapitel 2 Kooperations- und Beteiligungsmodelle
Kapitel 3 Ausschreibungsverfahren
Kapitel 4 Rechtsschutz
Kapitel 5 Sonderfälle
Kapitel 6 Praxis der Netzüberlassung
Kapitel 7 Wasserversorgung
Kapitel 8 Wasserstoffkonzessionen
Sachregister
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Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben: Wegenutzungsverträge in der Energie- und Wasserversorgung
 9783110531909, 9783110530728

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Cornelia Kermel, Martin Geipel (Hrsg.) Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben De Gruyter Praxishandbuch

Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben Wegenutzungsverträge in der Energie- und Wasserversorgung 2. neu bearbeitete Auflage Herausgegeben von Rechtsanwältin Dr. iur. Cornelia Kermel, Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, Berlin und Rechtsanwalt Dr. iur. Martin Geipel, Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, Berlin Bearbeitet von Svenja Bayer, Jannic Christensen, Jürgen Deufel, Michèle Gauttier, Christian Hemmersbach, Christopher Lautenbach, Dr. Julian von Lucius, Dr. Florian-Felix Marquardt, Daniel Morgen, Dr. Hagen Peschke, Michael Ruppert, Dr. Mirko Sauer, Matthias Schumann, Dr. Ramon Sieven LL. M., Peter Stauber LL. M., David Vaulont, Dr. Florian Warg, David Zemann  



Zitiervorschlag: Kermel/Geipel/Kermel/von Lucius, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben, Kap. 1 Rn 8 Hinweis: Alle Angaben in diesem Werk sind nach bestem Wissen unter Anwendung aller gebotenen Sorgfalt erstellt worden. Trotzdem kann von dem Verlag und den Autoren keine Haftung für etwaige Fehler übernommen werden.

ISBN 978-3-11-053072-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053190-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053088-9 Library of Congress Control Number: 2023931045 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: ThomBal/iStock/Getty Images Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Das Recht der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben hat seit mehr als zwanzig Jahren große praktische Bedeutung für Kommunen und für Energieversorgungsunternehmen, die ihre Konzessionen behalten oder neue hinzugewinnen wollen. Während Verfahren zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen nach sich gezogen haben, hat sich dies seit Einführung des sog. Rügeregimes im Jahr 2017 weiter verschärft. Regelmäßig werden in Konzessionsverfahren die Gerichte ein- bis zweimal jeweils über mehrere Instanzen angerufen. Die Fülle der Rechtsprechung hat über die letzten Jahre zu einer weiteren Professionalisierung bei den betroffenen Energieversorgungsunternehmen, Beratungsunternehmen und regelmäßig angerufenen Gerichten geführt. Dadurch sind auch die Anforderungen an Neukonzessionierungsverfahren weiter gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist es Kommunen, die regelmäßig nur alle zwanzig Jahre mit der Vergabe von Konzessionen konfrontiert sind, heutzutage kaum noch möglich, aus eigener Kraft solche Verfahren rechtssicher durchzuführen. Zusätzliche Komplikationen ergeben sich, wenn sich die ausschreibende Kommune über ein Beteiligungsmodell selbst an dem Wettbewerb um „ihre“ Konzessionen beteiligen möchte. In diesem Fall kommen vergaberechtliche Aspekte hinzu und verschärfen sich die energie- und kartellrechtlichen Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren. Aber auch soweit sich die Kommune über einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft um die Konzession bewirbt, steht sie vor erhöhten Anforderungen. Das Handbuch gibt aktuelle Informationen und Tipps für die tägliche Praxis. Es ist von Praktikern für Praktiker in Kommunen, Energieversorgungsunternehmen, Behörden und Gerichten geschrieben. Dabei ist es sowohl den erfahrenen Praktikern als auch denjenigen, die sich neu in dieses Gebiet einarbeiten, nützlich. Es richtet sich nicht nur an Juristen, sondern soll auch kaufmännisch, technisch oder energiewirtschaftlich ausgebildeten Lesern Anregungen geben. Das Autorenteam hofft, diesem Anspruch gerecht geworden zu sein. Die Autorinnen und Autoren spiegeln die ganze inhaltliche Vielfalt der Energiewirtschaft wider. Neben Mitarbeitern deutscher Energieversorgungsunternehmen haben unabhängige Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte und Steuerberater mitgewirkt. Ihnen allen gilt unser Dank. Für Bemerkungen, Anregungen und Kritik sind wir stets aufgeschlossen und dankbar. Sie erreichen uns unter: [email protected] oder [email protected] Tel.: +493020942094 www.noerr.com Berlin, März 2023 https://doi.org/10.1515/9783110531909-202

Cornelia Kermel und Martin Geipel

Inhaltsübersicht Vorwort V Inhaltsverzeichnis IX Literaturverzeichnis XXXIII Abkürzungsverzeichnis XLVII Bearbeiterverzeichnis LIII Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Kapitel 7 Kapitel 8 Sachregister

Rechtsrahmen und Überblick 1 Kooperations- und Beteiligungsmodelle Ausschreibungsverfahren 239 Rechtsschutz 423 Sonderfälle 477 Praxis der Netzüberlassung 501 Wasserversorgung 603 Wasserstoffkonzessionen 621 639

143

Inhaltsverzeichnis Vorwort V Inhaltsübersicht VII Literaturverzeichnis XXXIII Abkürzungsverzeichnis XLVII Bearbeiterverzeichnis LIII Rechtsrahmen und Überblick 1 Kapitel 1 A. Überblick 1 I. Historischer Überblick über die Entwicklung des Rechts der Wegenutzungsverträge in der Energiewirtschaft 1 1. Neuerungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Wegenutzungsverträge im Rahmen der EnWG-Novellen 1 a) EnWG 1935 1 b) Einführung der Laufzeitbegrenzung im GWB 1980 2 c) EnWG 1998 5 d) EnWG 2005 6 e) EnWG 2011 8 f) EnWG 2017 9 2. Rechtliche Einordnung der Wegenutzungsverträge 10 II. Abgrenzung der Wegenutzungsverträge im Strom- und Gasbereich zu Dienstleistungskonzessionen 11 B. Abgrenzung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge 12 I. Unterscheidung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge/Abgrenzung 12 § 46 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG 1. Einfache Wegenutzungsverträge 13 2. Qualifizierte Wegenutzungsverträge = Konzessionsverträge 14 II. Abgrenzung Leitungen und Netze 14 1. Direktleitungen, Stichleitungen, Kundenanlagen 14 2. Arealnetze, geschlossene Verteilnetze etc. 16 C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen 16 I. Gegenstand und Inhalt der Wegenutzungsverträge und rechtliche Abgrenzung zu anderen Verträgen 16 16 1. Inhalt der Wegenutzungsverträge nach § 46 EnWG 2. Trennung der allgemeinen Anschluss- und der allgemeinen Versorgungspflicht 17 3. Exkurs: Grundversorgungspflicht 18 a) Haushaltskunden 19 b) Versorgung zu Allgemeinen Bedingungen und Preisen 20 c) Niederspannung/Niederdruck 21 d) Wirtschaftliche Zumutbarkeit 21

X

Inhaltsverzeichnis

e) f) g) h)

Weitere Einschränkungen von der Grundversorgungspflicht 21 Feststellung des Grundversorgers im Gemeindegebiet 22 Folgen des Wechsels des Grundversorgers 22 Zulässigkeit von § 36 Abs. 2 EnWG abweichenden vertraglichen Vereinbarungen? 23 II. Parteien der Wegenutzungsverträge 23 1. Gemeinden (und Städte) und sonstige kommunale Einrichtungen 23 2. Samt- und Verbandsgemeinden 24 3. Landkreise 24 4. Kommunale Zweckverbände 25 5. Interimsregelungen bei Gebietsreformen (Gebietsarrondierung) 25 6. Staatliche Gebietskörperschaften 27 III. Vertragspartner der Gemeinden 27 IV. Öffentliche Verkehrswege 28 1. Gewidmete bzw. Grundstücke, auf denen öffentlicher Verkehr stattfindet 29 2. Fiskalische Grundstücke 30 3. Folgen der Entwidmung öffentlicher Verkehrswege 32 V. Beschreibung der typischen Regelungen und Ausgestaltungen 32 1. Laufzeiten in Wegenutzungsverträgen 32 2. Folgepflicht und Folgekostenpflicht 34 a) Verursacher der Baumaßnahmen 34 b) Folgepflicht 35 c) Folgekostenpflicht 36 3. Weitere Kostenbelastungen aus den Wegenutzungsverträgen 37 a) Konzessionsabgaben 37 b) Beseitigung stillgelegter Verteilungsanlagen 37 c) Altlasten 38 d) Bestellung von Dienstbarkeiten 38 4. Informations- und Datenherausgabepflichten 39 5. Vertragsstrafen 40 6. Außerordentliche Kündigungsrechte 40 7. Endschaftsregelungen 41 VI. Diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung und sachliche Gründe zur Verweigerung 42 1. Pflicht zur diskriminierungsfreien Zurverfügungstellung 43 2. Sachliche Gründe zur Verweigerung eines Vertragsschlusses 44 D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV 46 I. Einleitung 46 II. Sinn und Zweck des Nebenleistungsverbots 49 1. Ursprünglicher Zweck 49

Inhaltsverzeichnis

2.

III.

IV.

V.

Veränderungen des Sinn und Zwecks durch Energierechtsreformen 1998 und 2005? 50 3. Schutz der Wettbewerber um Konzession neuer Zweck? 52 53 Zulässige Nebenleistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 KAV 54 1. Kommunalrabatt (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV) a) Veränderung des Kommunalrabattes seit Inkrafttreten der KAV bis heute 54 b) Gegenstand der Rabattierung 56 c) Berechtigter des Kommunalrabatts 59 aa) Regie- und Eigenbetrieben sowie eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen 59 bb) Eigengesellschaften und Beteiligungen der Gemeinde 60 cc) Verbandsgemeinden, Samtgemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Kreise 61 dd) Kommunale Zweckverbände 62 d) Kommunalrabatt nach Auslaufen des Konzessionsvertrages? 63 e) Rabattgewährendes Unternehmen / Verpflichteter des Kommunalrabatts 63 63 2. Folgekosten (§ 3 Abs. 1 S. Nr. 2 KAV) a) Vergütung notwendiger Kosten 64 b) Öffentliche Verkehrswege der Gemeinde 65 c) Folgekostenpflicht 66 d) Baumaßnahmen Dritter 66 68 3. Verwaltungskostenbeiträge (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV) a) Keine klare Definition 68 b) Leistungen, die bereits mit der Konzessionsabgabe abgegolten sind 69 c) Pauschalisierung oder Schätzung unzulässig 69 70 Die Nebenleistungsbegrenzungen des § 3 Abs. 1 S. 2 KAV 1. Benutzung anderer als gemeindlicher öffentlicher Verkehrswege 70 2. Belieferung von Verteilerunternehmen 70 71 Regelbeispiele unzulässiger Nebenleistungen nach § 3 Abs. 2 KAV 1. Vorbemerkungen 71 2. Sonstige Finanz- oder Sachleistungen ohne angemessene Gegenleistung 73 (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 KAV) a) Finanz- und Sachleistungen 73 b) Unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis 74 c) Zusammenhang zwischen Leistung und Konzessionsvergabe 74 d) Beispiele aus der Rechtsprechung und Praxis (Kooperationsmodelle, Vertragsstrafen etc.) 78

XI

XII

Inhaltsverzeichnis

3.

E.

Ausnahmen vom Nebenleistungsverbot nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV 81 82 a) Energiepolitische Leistungen, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2, 1. Alt 83 b) Maßnahmen, § 3 Abs. 2 Nr. 1, Hs. 2, 2. Alt 84 c) Einschränkung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 letzter Teilsatz „soweit“ d) Angemessenheit 87 4. Wirtschaftlich unangemessene Überlassungsentgelte 87 90 VI. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 3 KAV 1. Zivilrecht 90 a) Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Konzessionsvertrags 90 b) Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit der unzulässigen Vertragsklauseln 92 2. Wettbewerbsrecht 93 3. Kartellrecht 93 4. Strafrecht 93 5. Steuerrecht 97 Recht der Konzessionsabgaben 97 I. Entstehungsgeschichte, Regelungsrahmen und Kritik an der KAV 97 1. Zur Entstehungsgeschichte der KAV 97 2. Was regelt die KAV? 98 3. Kritik an der KAV und Reformbestrebungen 99 II. Systematik der KAV und der Erhebung von Konzessionsabgaben 101 1. Allgemeines zur Systematik und Abgrenzung 101 2. Abrechnung von Konzessionsabgaben in der Praxis 103 3. Erhebung von Konzessionsabgaben nach Ablauf des Konzessionsvertrages 105 III. Abgrenzung von Tarifkunden und Sondervertragskunden 106 1. Definition von Tarifkunden und Sondervertragskunden 106 107 2. Die sog. Schwachlastregelung in § 2 Abs. 2 KAV a) Allgemeines 107 b) Reformbedürftigkeit 108 109 3. Tarifkundenfiktion in § 2 Abs. 7 KAV 4. Abgrenzungsfragen im Gasbereich 112 5. Stromlieferungen an Ladesäulen/-stationen 113 IV. Die Problematik der Weiterverteilung 115 115 1. Das Grundverständnis von § 2 Abs. 8 KAV 115 a) Definition des Weiterverteilers im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV b) Höhe der Konzessionsabgaben in Weiterverteilerfällen 115 c) Abgrenzung von Weiterverteiler und Letztverbraucher 116

Inhaltsverzeichnis

2.

F.

XIII

Praxisfragen 117 a) Weiterverteiler auch ohne geschäftlichen Schwerpunkt in der Energielieferung 117 b) Weiterleitung nur bei Lieferung an den Letztverbraucher gegen Entgelt 118 c) Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen 118 von § 2 Abs. 8 KAV V. Die Grenzpreisregelungen in der KAV 120 1. Grenzpreisregelung Strom 120 2. Grenzpreis- und Grenzmengenregelung Gas 122 a) Grenzmengenregelung für Gaslieferungen 122 b) Grenzpreisregelung für Gaslieferungen 123 3. Fragen der Geltendmachung und Nachweisführung 124 VI. Sonderfragen 125 1. Die Erhebung von Konzessionsabgaben bei besonderen Energieversorgungsnetzen 125 126 a) Einfacher Wegenutzungsvertrag nach § 46 Abs. 1 EnWG 127 b) Geschlossene Verteilernetze im Sinne von § 110 EnWG 128 c) Kundenanlagen im Sinne von § 3 Nr. 24a und 24b EnWG 2. Umsatzsteuer auf Konzessionsabgaben 128 Konzessionsabgaben im Steuerrecht 130 I. Abgabenrechtliche Einordnung von Konzessionsabgaben 130 II. Ertragsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben beim Netzbetreiber 130 1. Betriebsausgabenabzug 131 2. Einkünftekorrektur bei steuerlich maßgeblichem Näheverhältnis zwischen Netzbetreiber und Gemeinde 131 a) Maßgebliche steuerliche Korrekturvorschriften 132 b) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Wassernetze 135 c) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze 137 d) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze 139 3. Ertragsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben bei der Gemeinde 139 III. Umsatzsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben 140

Kooperations- und Beteiligungsmodelle 143 Kapitel 2 A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen 143 I. Grundsätze – Beteiligung von Kommunen an Kooperationen 1. Einleitung 143

143

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Inhaltsverzeichnis

2.

II.

Übersicht über mögliche Kooperations- und Beteiligungsmodelle 143 a) Schuldrechtliche Kooperation (Netzpachtmodell) 143 b) Gesellschaftsrechtliche Netzeigentums-Kooperation (Netzeigentumsmodell) 145 c) Gesellschaftsrechtliche Netzbetriebs-Kooperation (Netzbetreibermodell) 146 d) Einbeziehung anderer energiewirtschaftlicher Geschäftsfelder (Stadtwerke-Modell) 147 e) Regionale Kooperationen 147 Rechtliche Rahmenbedingungen 148 1. Einleitung 148 2. Energierecht 148 a) Anwendbarkeit der energierechtlichen Vorschriften bei Beteiligungsmodellen 148 aa) Ein- und zweistufiges Verfahren 150 bb) Keine freie Konzessionierung als Inhouse-Vergabe 152 cc) Keine Vorfestlegung 155 156 b) § 3 KAV im Zusammenhang mit Beteiligungsmodellen aa) Kriterien für eine Drittvergleichsfähigkeit 156 bb) Exemplarische Einzelfälle 158 (1) Garantiezusagen 158 (2) Kapitalaufbringung 163 (3) Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken 163 (4) Verteilung des Einflusses 164 cc) Bewertung/Gesamtschau 165 dd) Rechtsfolgen 165 3. Kommunalrecht 166 a) Gesetzliche Grundlagen 166 166 aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bb) Kommunalrecht 169 (1) Öffentlicher Zweck 169 (2) Leistungsfähigkeit 171 (3) Subsidiaritätsgrundsatz 171 (4) Besondere Grundsätze für die energiewirtschaftliche Betätigung 172 (5) Zusammenfassung 173 b) Bewertung der Modelle 173 aa) Netzpachtmodell 173 bb) Beteiligungsmodelle 174 (1) Netzeigentumsmodell 174

Inhaltsverzeichnis

B.

(2) Netzbetreibermodell 175 (3) Stadtwerke-Modell 177 c) Rechtsfolgen bei Verstößen 177 Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle 180 I. Entscheidungssituation 180 II. Motive und Ziele der konzessionsvergebenden Kommunen 181 1. Finanzielle und steuerliche Interessen 181 2. Steuerung und Einfluss auf die lokale Netzinfrastruktur 182 III. Typen von Kooperations- und Beteiligungsmodellen 182 1. Betriebsführungsmodell 182 2. Netzpachtmodell 183 3. Gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb 184 4. Gemeinsame Gesellschaft als Dienstleistungsmodell 184 5. Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell 185 6. Stadtwerke-Modell 187 IV. Rechts- und Organisationsformen 188 V. Rechtlicher Rahmen 191 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen 191 2. Kommunalrecht 194 3. Gesellschaftsrecht 195 a) Gesellschaft mit beschränkter Haftung 195 b) GmbH & Co. KG 197 c) Aktiengesellschaft 198 VI. Übertragung auf die unterschiedlichen Modelle 198 1. Betriebsführungs- und Netzpachtmodelle 198 2. Gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb oder als Dienstleistungsmodell 199 3. Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell 199 4. Stadtwerke-Modell 200 5. Kartellrechtlicher Rahmen 200 6. Energierechtliche Besonderheiten 202 a) Entflechtung 202 203 b) Verfahren nach § 46 EnWG 204 c) § 3 KAV im Zusammenhang mit Beteiligungsmodellen aa) Kriterien für eine Drittvergleichsfähigkeit 204 bb) Exemplarische Einzelfälle 206 cc) Bewertung/Gesamtschau 207 dd) Rechtsfolgen 207 VII. Praxisbeispiele 208 1. Netzeigentumsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG 208

XV

XVI

Inhaltsverzeichnis

2.

C.

Netzeigentumsgesellschaft mit mehreren Kommunen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (steueroptimiert) 209 VIII. Bewertung der Modelle 211 Steuerrechtliche Aspekte 212 I. Einführung 212 II. Steuerliche Implikationen der Organisationsform des Netzbetreibers 213 1. Die laufende Besteuerung des Netzbetreibers in Abhängigkeit von dessen Rechtsform 213 a) Ertragsteuern 214 aa) Kapitalgesellschaften 214 (1) Einzelbesteuerung 214 (2) Gruppenbesteuerung 217 (3) Verlustverrechnung im Querverbund 220 (4) Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter 221 (5) Veräußerungsgewinne der Gesellschafter 224 bb) Personengesellschaften 225 (1) Laufende Besteuerung gewerblicher Mitunternehmerschaften 226 (2) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen an gewerblichen Mitunternehmerschaften 228 (3) Gestaltungsoptionen in Bezug auf den Einsatz von Personengesellschaften 229 (4) Option zur Körperschaftsbesteuerung 231 cc) Eigenbetrieb 233 b) Umsatzsteuer 235 2. Auswirkungen der Organisationsform auf Umstrukturierungen des Netzbetreibers 235 a) Kapitalgesellschaft als Netzbetreiber 236 b) Gewerbliche Personengesellschaft als Netzbetreiber 237 c) Eigenbetrieb als Netzbetreiber 238

Ausschreibungsverfahren 239 Kapitel 3 A. Vergabe von Konzessionsverträgen 239 I. Allgemeines 239 1. Einführung 239 2. Reformgedanken 240 II. Datenherausgabe 241 1. Frühere Rechtslage 241 242 2. § 46a EnWG 3. Beispiel: Strukturdatenbereitstellung Stromnetz 4. Vertraulichkeitsvereinbarung 246 5. Datenaktualisierung 247

244

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B.

XVII

6. Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 46a EnWG 247 7. Rechtsschutz der Gemeinde 248 8. Kein Anspruch potentieller Bieter und Interessenten 248 III. Bekanntmachung 249 1. Allgemeines 249 2. Verfahrensfehler 250 3. Mustertext Bekanntmachung (vereinfacht) 251 4. Besonderheiten bei vorzeitiger Verlängerung bzw. Beendigung 252 5. Besonderheiten anderer Fallkonstellationen 252 IV. Interessenbekundungen 254 1. Erklärung des Interesses am Abschluss eines Konzessionsvertrages 254 2. Eignungsprüfung 255 3. Fortgang nach Eingang der Interessenbekundungen 256 257 V. Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG 1. Allgemeiner Regelungsinhalt 257 2. Inhalt der Information 258 3. Rechtsfolge 259 260 VI. Bekanntmachung nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG Allgemeine Verfahrensfragen 261 I. „Vergabe“ von qualifizierten Wegenutzungsverträgen – allgemeine Verfahrensfragen 261 1. Keine Anwendung des Vergaberechts nach GWB 261 2. Diskriminierungsfreiheit und Transparenzgebot 261 a) Marktbeherrschende Stellung 261 b) Diskriminierungsverbot 262 c) Transparenzgebot 263 d) Unbillige Behinderung 263 3. Geheimwettbewerb 264 a) Informationsaustausch zwischen Verfahrensbeteiligten 264 b) Bewerbung konzernverbundener Unternehmen 265 c) Doppelbewerbung 266 d) Kommunale Beteiligung 266 4. Beschleunigungsgrundsatz 266 II. Eignungskriterien und Mindestanforderungen 267 1. Nachweis der Eignung als Netzbetreiber – Das Recht der Gemeinde 267 2. Mögliche Eignungskriterien 269 a) Erfordernis einer Genehmigung nach § 4 EnWG zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. der Auswahlentscheidung 269 b) Erfordernis einer Genehmigung nach § 4 EnWG für das konkrete Konzessionsgebiet 269

XVIII

Inhaltsverzeichnis

c)

C.

Eignung zum Betrieb von Hochspannungs- bzw. Hochdruckanlagen 270 d) Keine Sonderbehandlung kommunaler Eigenbetriebe 271 3. Mindestanforderungen 272 a) Zulässige Mindestanforderungen 272 b) Zulässigkeit weiterer Mindestanforderungen 273 III. Ausschlüsse aus dem Verfahren 275 1. Voraussetzungen eines Ausschlusses 275 a) Eignungskriterien nicht erfüllt 276 b) Mindestanforderungen nicht erfüllt 277 c) Verletzung des Geheimwettbewerbs 277 2. Verfahren 278 a) Ausschluss 279 b) Rügeerfordernis 280 c) Akteneinsichtsrecht 281 3. Externe Berater in Verfahren 281 a) Berater der Bewerber 282 b) Berater der Gemeinde 282 c) Folgen einer anderweitigen Tätigkeit 282 Auswahlverfahren/Kriterien – Allgemeines 283 I. Einleitung 283 II. Formelle und materielle Anforderungen an das Verfahren 283 1. Formelle Anforderungen 283 a) Rechtsunterworfenheit der Gemeinde bei der Aufstellung von Auswahlkriterien 283 b) Nur sachbezogene Auswahlkriterien 285 aa) Beschränkungen aus Grenzen zulässiger Gegenstände von Wegenutzungsverträgen 286 Netzbezug/nicht mehr Versorgungsbezug 286 Energiearten 286 Bezügliches Gebiet 288 Laufzeitenbund 289 bb) Beschränkungen für Auswahlkriterien aus den Grenzen der zulässigen Gegenleistungen für die Einräumung einer Konzession 290 Konzessionsabgaben und Nebenleistungsverbot 290 Einstandsregelung und Endschaft 291 2. Materielle Anforderungen (Ermittlung des besten Netzbetreibers) 291 a) Anforderungen an die Neutralität bzgl. der Ausgestaltung des Verfahrens 293 b) Inhousevergabe 293

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c)

III.

IV.

XIX

Bevorzugung eines bestehenden kommunalen Energieversorgungsunternehmens und (Re)Kommunalisierung 294 d) Beteiligungsmodelle 296 e) Arbeitsplatzaspekte 297 f) Gewerbesteuerzerlegung 297 g) Mandate von kommunalen Entscheidungsträgern in Gremien von Bewerbern um den Wegenutzungsvertrag 297 h) Mitwirkungsverbot 298 i) Rechtsfolgen bei Verstößen 298 Abgrenzung notwendige/fakultative Auswahlkriterien 299 301 1. Notwendige Auswahlkriterien: Kriterien des § 1 EnWG a) Sicherheit 302 aa) Zuverlässigkeit des Netzbetriebs 302 Investitionen in das Netz 303 Instandhaltung des Netzes 304 Zügige Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen 305 Netzqualität 306 bb) Ungefährlichkeit des Netzes für Mensch, Tier und Umwelt 306 b) Preisgünstigkeit 306 c) Effizienz 307 d) Verbraucherfreundlichkeit 309 e) Umweltverträglichkeit 310 2. Fakultative Auswahlkriterien (gemeindliche Belange) 311 a) Konzessionsabgabe und Kommunalrabatt 312 b) Folgepflicht und Übernahme von Folgekosten 313 c) Zusammenarbeit bei Baumaßnahmen 313 d) Gemeindliche Einflussmöglichkeiten auf einen Netzbetrieb 313 e) Endschaftsbestimmung Kaufpreisregelung 314 3. Keine Verpflichtung der Gemeinde zur Konkretisierung der Auswahlkriterien durch weitere Unter-/Unter-Unterkriterien 314 315 4. Gewichtung der Auswahlkriterien (§ 1 EnWG/kommunale Aspekte) 5. Information über Auswahlkriterien, Gewichtung und Bewertungsmethode 316 6. Zulässige Bewertungsmethoden 317 a) Absolute Bewertungsmethode 318 b) Relative Bewertungsmethode 318 c) Mischformen zwischen absoluter und relativer Bewertungsmethode 318 Zulässigkeit von Vertragsstrafen/Nebenleistungsverbot 319

XX

Inhaltsverzeichnis

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit/Effizienz 319 I. Versorgungssicherheit 319 1. Versorgungssicherheit im engeren Sinne – Darstellung der personellen, technischen und wirtschaftlichen Ausstattung 321 a) Technische Ausstattung 321 b) Personelle Ausstattung 322 c) Finanzielle Ausstattung 323 d) SAIDI-Werte 323 2. Ungefährlichkeit des Netzbetriebs 324 3. Netzbewirtschaftung und Instandhaltung 324 a) Instandhaltungskonzept 324 b) Störungsprävention 325 c) Störungsbeseitigung 326 4. Netzentwicklung und Investitionsstrategie 327 II. Effizienz 328 1. Effiziente Ressourcennutzung 329 2. Regulatorischer Effizienzwert 330 E. Kriterien zur Preisgünstigkeit 330 I. Hintergründe 330 1. Preisgünstigkeit durch Netzregulierung 331 2. Zusätzlicher Unterbietungswettbewerb bei der Konzessionsvergabe 331 3. Kritik 332 4. Gesetzgeber 334 5. Rechtsanwendungspraxis 334 6. Fazit 336 II. Auswahlkriterien zu den Kosten der Netznutzung 336 1. Unterkriterien im Überblick 336 2. Künftige Netzentgelte im Konzessionsgebiet 338 a) Datengrundlage 339 b) Netzentgelttarife 339 c) Prognosezeitraum 341 d) Entgeltbildende Faktoren und Prognosevorgaben der Gemeinde 343 aa) Regulatorischer Rahmen 345 bb) Vorgelagerten Netzkosten 345 cc) Übertragung der Erlösobergrenze 347 dd) Einbindungs- bzw. Entflechtungskosten 347 e) Plausibilitätsprüfung und Plausibilisierungsanforderungen 347 aa) Mitteilung der Plausibilisierungsanforderungen 348 bb) Bewertungsrelevanz der Prognosegüte und Plausibilisierung 350 f) Bewertungsmethode 350

XXI

Inhaltsverzeichnis

3.

F.

Vertragliche Einfluss- und Sanktionsmöglichkeiten der Gemeinde a) Informations- und Konsultationsrechte 351 b) Sanktionszusagen 351 4. Aktuelle Netzentgelte der Bewerber 353 III. Auswahlkriterien zu den Kosten des Netzanschlusses 355 1. Hintergründe 355 2. Grundsätzliche Bedenken 357 IV. Gewichtung der Preiskriterien 358 1. Grundsätzliches (Bedeutung der Preisgünstigkeit) 358 2. Kartellbehörden 360 3. Rechtsprechungspraxis 360 a) Gewichtungsverhältnisse zwischen den Zielen 360 b) Untergewichtungsverhältnisse 361 Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität 362 I. Verbraucherfreundlichkeit 362 1. Serviceangebot 362 a) Kanäle der Erreichbarkeit 362 b) Ersetzbarkeit eines Kundencenters durch Vor-Ort-Termine c) Zeitlicher Aspekt der Erreichbarkeit 366 d) Kompetenz der Mitarbeiter 366 2. Beschwerdemanagement 366 3. Informationen für Öffentlichkeit 366 4. Dauer und Bearbeitung Netzanschlussbegehren 367 5. Smart Grids/Smart Metering 368 II. Umweltverträglicher Netzbetrieb 369 1. Energieeffizienz 369 2. Verwendung umweltschonender Materialien 370 3. Maßnahmen zur Schonung von Bäumen 371 4. Ausgleichsmaßnahmen im Konzessionsgebiet 371 5. Erdverkabelung (Strom) 372 6. Klimaneutralität 372 7. Berücksichtigung erneuerbarer Energien 373 III. Treibhausgasneutralität 374 1. Vermeidung der Doppelbewertung 375 2. Mögliche Unterkriterien 376 a) Treibhausgasneutralität des Netzbetreibers im eigenen Netzbetrieb 377 b) Einsatz klimaschutzfreundlichen Fuhrparks 377 c) Schnelle Umsetzung von Netzanschlussbegehren von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge 378

350

364

XXII

Inhaltsverzeichnis

d) H2-Readiness des Netzbetriebs 378 3. Bedeutung für bereits begonnene Konzessionsvergabeverfahren 379 G. Kriterien zu kommunalen Belangen 379 I. Einleitung 379 II. Leistungen nach der KAV 381 1. Zahlung der Konzessionsabgabe 381 2. Kommunalrabatt 382 3. Verwaltungskostenbeiträge 383 Exkurs 384 II. Sonderkündigungsrechte 385 1. Ordentliche Kündigung 385 2. Sonderfall: Change of control 386 3. Außerordentliche Kündigungen 387 IV. Folgepflichten/Folgekosten 387 1. Folgepflichten 387 2. Folgekosten 387 V. Bauabstimmungen mit den Kommunen 388 VI. Informations- und Auskunftsrechte 390 VII. Endschaftsbestimmungen 391 1. Kaufpreis 391 2. Vorbehaltskauf 392 VIII. Vertragsstrafen 393 H. Die Auswahlentscheidung 394 I. Anforderungen an die Neutralität bzgl. der Auswahlentscheidung 394 1. Keine Vorfestlegung 395 2. Personelle und organisatorische Trennung bei kommunaler Beteiligung an einem Bieter 395 a) Anforderungen an Trennung 396 b) Beginn der Trennung 397 c) Folgen bei Verstoß 397 aa) Keine Auswirkung auf Vergabeentscheidung 398 bb) Aufhebung oder teilweise Rückversetzung in vorherigen Verfahrensstadium 398 cc) Ausschluss aus Vergabeverfahren 399 3. Besetzung von Gremien 399 a) Gemeinderat 399 b) Mitwirkungsverbot einzelner Gemeinderatsmitglieder 400 c) Konzessionsausschuss 402 II. Auswertung 403 1. Notwendiges Fachwissen 403 2. Vorprüfung 403

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3.

III.

IV. V.

VI. VII.

Anforderungen an Auswertung 404 a) Beurteilungsspielraum 404 b) Messbare Werte 405 c) Konzepte 406 d) Plausibilisierung 407 e) Zertifikate 409 f) Verstoß gegen Nebenleistungsverbot 409 4. Dokumentation 410 a) Darstellung der Angebote 411 b) Bewertung der einzelnen angebotenen Leistungen 5. Auswertung für Bietergespräch 413 Entscheidung durch Gremien der Gemeinde 414 1. Vorbereitung/Vorberatung 414 2. Beschlussfassung 415 3. Dokumentation 416 Kommunalrechtliche Prüfung 416 Mitteilungen an Bieter 417 1. Mitteilung an unterlegene Bieter 417 a) Form und Inhalt 417 b) Gründe der Vergabeentscheidung 417 c) Beginn Frist für Rüge und Akteneinsicht 417 d) Folgen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Mitteilung 418 2. Mitteilung an obsiegenden Bieter 418 Unterzeichnung des Konzessionsvertrags 418 Information der Öffentlichkeit über die Auswahlentscheidung

Rechtsschutz 423 Kapitel 4 A. Rügeregime und Eilrechtsschutz 423 I. Einleitung 423 II. Allgemeines 425 1. Beginn, Ende und Einhaltung der Rügefrist 427 2. Formanforderungen an die Rüge 428 3. Inhaltliche Mindestanforderungen 428 4. Abhilfe und Nichtabhilfe von Rügen 429 a) Abhilfe 429 b) Nichtabhilfe 430 c) Zeitpunkt der Entscheidung durch die Kommune und Nicht-Entscheidung 430 III. Rüge gegen Bekanntmachung (Stufe 1) 432 1. Gegenstand der Rüge 432

412

420

XXIII

XXIV

B.

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2. Rügefrist 432 3. Typische erhobene Rügen 433 IV. Rüge gegen Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung (Stufe 2) 434 1. Gegenstand der Rüge 434 2. Rügefrist 435 3. Typische erhobene Rügen 435 V. Rüge gegen Mitteilung über die Auswahlentscheidung 435 1. Gegenstand der Rüge 436 2. Rügefrist 436 3. Typische erhobene Rügen 437 VI. Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 437 1. Rügefrist 438 2. Typische erhobene Rügen 438 3. Entscheidungspflicht 439 VII. Eilrechtsschutz wegen Nichtabhilfe von Rügen 439 1. Beginn, Ende und Einhaltung der Rechtsschutzfrist 440 2. Formanforderungen an den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 440 3. Örtliche Zuständigkeit und Rechtsweg 440 4. Inhaltliche Anforderungen an den Antrag 441 5. Zwischenverfügungen 442 6. Prüfungsgegenstand, Prüfungsumfang und Prüfungsmaßstab 443 a) Prüfungsgegenstand 443 b) Prüfungsmaßstab 443 c) Beweismaßstab 444 7. Entscheidung des Gerichts und Vollzug der einstweiligen Verfügung 446 8. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel 447 VIII. Rechtsfolgen der Rügeverfolgung 448 1. Abhilfe 448 2. Nichtabhilfe 449 3. Obsiegen des Bieters vor Gericht 449 4. Obsiegen der Kommune vor Gericht 450 Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 450 450 I. Anspruchsberechtigung nach § 47 Abs. 3 EnWG 1. Unterlegendes Unternehmen 451 2. Obsiegendes Unternehmen? 451 3. Anspruchsberechtigung auch bei Ausschluss während des Auswahlverfahrens (analoge Anwendung)? 452 4. Anspruchsberechtigung auch bei Nichtwahrung der Wochenfrist? 453 II. Umfang der einzusehenden Unterlagen 454 1. Auswertungsunterlagen der Gemeinde 455

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C.

XXV

2. Angebotsunterlagen des obsiegenden Bewerbers? 456 3. Unterlagen betreffend die Auswahlkriterien? 458 III. Begrenzung bzw. Ausschluss der Akteneinsicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 460 1. Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 460 2. Gemeinde als Verpflichtete der Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 461 a) Keine Bindung der Gemeinde an die Vorgaben des Bewerbers, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind 461 b) Folgen für die Gemeinde, wenn sie vermeintliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenlegt 461 c) Folgen für das Unternehmen, das sich zu Unrecht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stützt? 462 3. Anforderungen an die Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 464 4. Abwägung beider Interessen: Kein Vorrang des Geheimhaltungsinteresses vor dem Interesse an der Offenlegung 464 IV. Folgen einer unberechtigten Verweigerung der Akteneinsicht 465 1. Intransparenz der Auswahlentscheidung 465 2. Beginn der Rügefrist bei unvollständiger Akteneinsicht? 465 V. Prozessuale Anforderungen an die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Akteneinsichtsrecht 466 1. Beschränkung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß 466 § 47 Abs. 5 EnWG auf die Rüge einer unzureichenden Akteneinsicht? 2. Zulässigkeit einer isolierten Geltendmachung bei Vorliegen eines Verfügungsgrunds? 467 Hauptsacheverfahren 468 I. Zulässigkeit eines Hauptsacheverfahrens nach Durchlaufen des Rügeregimes 468 1. Keine abschließende Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren 468 a) Wortlaut 469 b) Systematik 469 c) Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung 471 d) Historie 472 2. Keine Obliegenheit zum Durchlaufen beider Instanzen im einstweiligen Verfügungsverfahren 473 II. Klageformen im Hauptsacheverfahren und deren Voraussetzungen 473 1. Klage auf Unterlassung des Vertragsschlusses 474 2. Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages 474 III. Fristen zur Erhebung einer Klage im Hauptsacheverfahren 475

XXVI

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Kapitel 5 Sonderfälle 477 A. Nachvertragliche Konzessionsabgaben und Interims-Konzessionsverträge 477 477 I. Nachvertragliche Konzessionsabgaben, § 48 Abs. 4 EnWG 1. Grundlagen 477 2. Pflicht zur KA-Zahlung nach Vertragsablauf 478 3. Grenzen der Fortzahlungspflicht 478 4. Höhe der KA-Zahlung nach Vertragsablauf 479 5. Fortgewährung weiterer Vertragsleistungen nach Vertragsablauf? 479 II. Interims-Konzessionsverträge 480 1. Ausgestaltung der Interimsvereinbarung 480 B. Netze, die keiner will 481 I. Die Pflicht zum Netzbetrieb 482 1. Ein privater Netzbetrieb wider Willen? 483 a) Pflichten nach Auslaufen des Wegenutzungsvertrages 484 b) Verteilnetzbetreiber und Versorgungssicherheit 485 c) Grundrechtsrelevanz für private Netzbetreiber 487 d) Parallele Wertung beim Vertrieb 489 2. „Auffangverantwortung“ der öffentlichen Hand 489 a) Der Staat in der Gewährleistungsverantwortung 490 b) Kommunale Selbstverwaltung 490 c) Die Gemeinde als ungewollter Neukonzessionär 493 d) Strom und Gas 494 II. Die Pflicht zur Netzübernahme 494 III. Zum möglichen Rückbau von Netzen 496 1. Rückbauverpflichtungen aus Vertrag 497 a) Auslegung der Stilllegungsklauseln 497 b) Grobes Missverhältnis von Aufwand und Leistung, § 275 Abs. 2 BGB 498 498 c) Unzulässige Rechtsausübung und Verwirkung nach § 242 BGB d) Schadensersatz 499 2. Rückbauverpflichtungen aus Gesetz 499 499 a) Mitverursachung gemäß § 254 BGB b) Rechtsmissbrauch und Verwirkung 500 Kapitel 6 Praxis der Netzüberlassung 501 A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag 501 I. Überblick 502 II. Regelungen zur Netztrennung (Entflechtung) 504 III. Regelungen zum eigentlichen Netzkauf, einschließlich Kaufpreis 1. Verpflichtung zum Verkauf und zur Einigung auf die Eigentumsübertragung 506 2. Kaufgegenstand 507

506

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B.

XXVII

3. Kaufpreis 510 4. Sachmängelgewährleistung 511 5. Herausgabe von Daten und Übergabe von Unterlagen 511 6. Vorbehalte 513 7. Übertragung von Verträgen und Rechten 516 8. Ansprüche und Forderungen Dritter 516 9. Streitbeilegungsregelungen 517 10. Vertraulichkeit 517 IV. Arbeitsrechtliche Aspekte 517 V. Regelungen zur Aufteilung der Erlösobergrenze 518 VI. Regelungen zu Grundstücksbenutzungsrechten und -käufen 519 Wertbestimmung 519 I. Der gesetzliche Netzüberlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) 519 1. Unmittelbarer Übereignungsanspruch vs. Kontrahierungszwang 519 a) Entflechtung und kleiner Grenzverkehr 520 521 b) Übertragung einer Erlösobergrenze nach § 26 ARegV 2. Wirtschaftlich angemessene Vergütung – Beweislastverteilung und Beweisbeschluss 523 3. Der objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes gemäß § 46 525 Abs. 2 Satz 4 EnWG a) Auslegung anhand gesetzgeberischer Motive 525 525 aa) Motive/Ziel(e)/Aufgabe des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG bb) Abbildung Kaufering Rspr. des BGH – objektive Kriterien vs. objektivierter Ertragswert? 526 529 cc) Auslegung im Sinne des IDW S 1 i. d. F. 2008 (1) Was ist das IDW? 529 (2) Definition des objektivierten Ertragswertes 530 530 Bewertungskonzeption des IDW S 1 Einordnung des objektivierten Ertragswertes innerhalb der Unternehmensbewertungsmethoden 532 Bewertungsansatz des Gesetzgebers; Gesetzeskonkretisierung durch fachliche Praxis eines Berufstandes 534 b) Auslegung des objektivierten Ertragswertes anhand gutachtlicher/ kaufmännischer Praxis 538 aa) Grundzüge des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze 538 (1) Begriff 538 (2) Abgrenzung des übertragungs- und bewertungsrelevanten Mengengerüstes 539 (3) Bewertungsphasen – Detailplanungsphase/Ewige Rente 540  



XXVIII

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(4) (5) (6) (7) (8) (9)

II.

III.

Prognose der Erträge und Aufwendungen 542 Kapitalisierung und Kapitalisierungszins 544 Behandlung von BKZ/AKB 546 Finanzierungsannahmen 547 Ertragsteuern 548 Trennungs- und Einbindungskosten – Wer trägt welche Kosten? 549 (10) Bewertungsperspektive 549 (11) Weitgehende Typisierung 552 (12) Ansatz von Synergien 552 (13) Bewertungsstichtag – Wurzeltheorie BGH 554 bb) Umsetzbarkeit der gesetzgeberischen Motive durch Anpassungen des an den objektivierten Unternehmenswert nach IDW S 1 angelehnten objektivierten Ertragswert 556 cc) Erwerbertypus und Synergien nach Kaufering-Rechtsprechung des BGH – OLG Düsseldorf in Sachen SW Fröndenberg 557 dd) Berücksichtigung von Vertriebssynergien 560 4. Musterbeweisbeschluss im Sinne eines Praxistipps zur Umsetzung des objektivierten Ertragswertes unter Berücksichtigung notwendiger Anpassungen 560 562 Anspruch auf Besitzüberlassung gem. § 46 Abs. 2 Satz 3 EnWG 1. Miete, Pacht, Leihe, Leasing? 562 2. Basis einer angemessenen Vergütung für Besitzüberlassung? 563 3. Wesentliche Regelungsinhalte eines Netzpachtvertrages als Praxishinweis 565 a) Pachtzinsformel 565 b) Investitionsplanung 566 c) Endschaftsregelung 567 Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung gem. § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG 569 1. Einführung 569 2. Substanzbewertung – Sachzeitwert 570 a) Begriff 570 b) Ermittlung 572 aa) Berücksichtigung von alters-, technologie- und funktionsbedingten Zustandsmerkmalen zum Übertragungszeitpunkt 572 bb) Verfahren zur Sachzeitwertermittlung 572 (1) Vorbemerkungen 572 (2) Tagesneuwertverfahren 572 (3) Indiziertes Sachzeitwertverfahren – Indexverfahren 573 cc) Ansatzfähige Nutzungsdauern 574 dd) Anhaltewerte 575

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c) Einordnung und Beurteilung 575 Regulatorisch anerkanntes Anlagevermögen – kalkulatorischer Restwert 576 a) Begriff 576 b) Ermittlung 577 c) Einordnung und Beurteilung 578 4. Subjektiver Ertragswert – subjektiver Entscheidungswert nach IDW 579 S 1 a) Begriff 579 b) Ermittlung 579 c) Einordnung und Beurteilung 581 5. Vergleichsverfahren – Multiplikatorverfahren in der energiewirtschaftlichen Praxis 581 a) Begriff 581 b) Ermittlung 582 c) Einordnung und Beurteilung 582 IV. Parallele Netzüberlassungsansprüche aus Konzessionsverträgen 583 583 1. Anspruchskonkurrenz – Gesamtgläubiger § 428 BGB 2. Zulässigkeit der Ausgestaltung vertraglicher Überlassungsansprüche 586 Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen 588 588 I. Erlösobergrenzen-Übergang gem. § 26 ARegV 588 1. Vollnetzübergang i. S. v. § 26 Abs. 1 ARegV 590 2. Teilnetzübergang i. S. v. § 26 Abs. 2 ARegV a) Einvernehmlicher Antrag 590 b) Verfahren bei Nichteinigung der überzuleitenden EOG 591 aa) Ermittlung der zu übertragenden Kapitalkosten 591 bb) Ermittlung der zu übertragenden aufwandsgleichen Kosten 592 c) Minderung der Erlösobergrenze beim abgebenden Gasnetzbetreiber aufgrund der Abspaltung von Anlagen mit Wasserstoffbetrieb gemäß 593 § 26 Abs. 2a ARegV. d) Auskünfte bzw. Vertraulichkeitsschutz im Neufestlegungsverfahren 594 3. Behördenzuständigkeit 595 4. Neufestlegungszeitpunkt 596 II. Übertrag der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines 598 Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV III. Der Einfluss der Erlösobergrenzen-Aufteilung auf den ertragsorientierten Wertbeitrag eines Netzerwerbs 599 1. Grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Erlösobergrenzen-Übertragung und ertragsorientierten Wertbeitrag 599 3.

C.

XXIX













XXX

Inhaltsverzeichnis

2.

Berücksichtigung des Übergangssockels im Rahmen der ErlösobergrenzenAufteilung auf den ertragsorientierten Wertbeitrag 600

Kapitel 7 Wasserversorgung 603 A. Einleitung: Grundstrukturen der Trinkwasserversorgung 603 I. Trinkwasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge 603 II. Ausgestaltungsvarianten 603 III. Zulässigkeit von Ausschließlichkeitsrechten im Wasserbereich 605 IV. Allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht 606 1. Inhalt der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht 607 2. Rechtliche Durchsetzung und Grenzen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht 607 B. Verfahren der Konzessionsvergabe 608 I. Rechtsgrundlagen 608 1. Ausnahme vom Vergaberecht 608 2. Anwendbarkeit des Europäischen Primärrechts 609 3. Kartellrecht 610 II. Ausnahmen 611 1. Inhouse-Vergabe 611 a) Grundsätze 611 b) Voraussetzungen 612 aa) Kontrollkriterium 612 bb) Wesentlichkeitskriterium 613 2. Netzeigentum? 614 III. Allgemeine Verfahrensgrundsätze 615 IV. Rechtsschutz 616 C. Inhalt von Wasserkonzessionsverträgen 617 I. Konzessionsabgabenrecht 617 1. Rechtsgrundlage 617 2. Vorgaben aus der Konzessionsabgabenanordnung 618 3. Weitere Vorgaben aus den Anordnungs- und Durchführungsbestimmungen zur KAE 619 a) Konkretisierung des Nebenleistungsverbots 619 b) Unzulässige Heimfallverpflichtungen 619 c) Keine Tarifordnung mit allgemeinen Bedingungen und Tarifpreisen 620 II. Keine im Gesetz vorgegebene Laufzeitbegrenzung 620 Wasserstoffkonzessionen 621 Kapitel 8 A. Beimischung von Wasserstoff in Gasnetzen I. EnWG-Novelle 2011 622 II. Erzeugungsart maßgeblich 623

622

Inhaltsverzeichnis

B.

III. Vertragliche Regelungen 624 Reine Wasserstoffnetze 625 I. Rechtliche Grundlagen 625 1. EnWG-Novelle 2021 625 a) Gesetzlicher Begriff des Wasserstoffnetzes 626 b) Anwendung der Regelungen für Strom- und Gasnetze auf Wasserstoffnetze 626 c) Wegerechte 627 d) Regulatorische Vorgaben 629 2. Entwurf Novelle Gasbinnenmarktrichtlinie 630 II. Wasserstoffkonzessionen 631 1. Vergabe der Wegerechte 631 2. Vertragsinhalte 633 3. Gegenleistung für Kommunen 634 III. Umstellung bestehendes Gasnetz 635 1. Konzessionsvertrag 635 635 a) Überleitung nach § 113a EnWG b) Übernahme des Netzes durch anderes Unternehmen 636 2. Forcieren der Umstellung durch Gemeinde 636 a) Beendigung des Gaskonzessionsvertrags 637 b) Übergang Netz von Gaskonzessionär auf Wasserstoffkonzessionär 638

Sachregister

639

XXXI

Literaturverzeichnis Altmeppen, Holger, Die Einflussrechte der Gemeindeorgane einer kommunalen GmbH, NJW 2003, S. 2561– 2567 (zit. Altmeppen, NJW 2003) Articus, Stephan/Schneider, Bernd Jürgen, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl., 2009 (zit.: Articus/Schneider/Bearbeiter) Assmann, Lukas/König, Carolin, Aktueller Rechtsrahmen zur Ausschreibung von Energienetzen, Vergaberecht Heft 2a/2020, S. 266–270 (zit.: Assmann/König, VergabeR 2a, 2020, 266) Assmann, Lukas/Pfeiffer, Max, BeckOK EnWG, 1. Edition, Stand: 15.7.2021, München (zit.: BeckOK EnWG/ Bearbeiter) Attendorn, Thorsten/Schweitzer, Christian, Verfassungswidrige Zulassung der überörtlichen energiewirtschaftlichen Betätigung durch Kommunen in NRW, NWVBl. 2013, 13 (zit.: Attendorn/Schweitzer, NWVBl. 2013) Bachert, Patric, Die Fortgeltung vereinbarter Gemeinderabatte nach der Änderung der Konzessionsabgabenverordnung durch das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes, Recht der Energiewirtschaft 2006, 76 (zit.: Bachert, RdE 2006, 76) Bachner, Michael/Köstler, Roland/Matthießen, Volker/Trittin, Wolfgang, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang, 3. Aufl., Köln 2008 (zit.: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin) Badura, Peter, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze, DÖV 1998, 818 (zit.: Badura, DÖV 1998) Ballwieser, Wolfgang /Hachmeister, Dirk, Unternehmensbewertung, 6. Auflage, 2021 (zit. Ballwieser/Hachmeister) Ballwieser, Wolfgang/Lecheler, Helmut, Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Absatz 2 EnWG, Baden-Baden 2007 (zit.: Ballwieser/Lecheler/Bearbeiter) Bamberger, Heinz G./Roth, Herbert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., München 2007 (zit.: Bamberger/Roth/Bearbeiter) Bartsch, Michael/Röhling, Andreas/Salje, Peter/Scholz, Ulrich, Stromwirtschaft – Ein Praxishandbuch, Köln 2002 (zit.: Bartsch/Röling/Salje/Scholz/Bearbeiter) Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred, GmbHG, 19. Aufl., München 2010 (zit.: Baumbach/Hueck/Bearbeiter) Baumbach, Adolf/Lauterbach, Wolfgang/Albers, Jan/Hartmann, Peter, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, 69. Aufl., München 2011 (zit.: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Bearbeiter) Baumgart, Caspar, Vertragshandbuch Gaswirtschaft, Frankfurt am Main 2010 (zit.: Baumgart/Bearbeiter) Baur, Jürgen F., Ablauf von Konzessionsverträgen – Versorgungssicherheit und Wettbewerb, Köln 1992 (zit. Baur/Bearbeiter) Baur, Jürgen F./Pritzsche, Kai Uwe/Simon, Stefan, Unbundling in der Energiewirtschaft, 2006 (zit.: Baur/Pritzsche/Simon, Unbundling in der Energiewirtschaft) Bayer, Walter/Koch, Elisabeth, Schranken der Vertragsfreiheit, Baden-Baden 2008 (zit. Bayer/Koch/Bearbeiter) BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., „DSO 2.0 – Verteilnetzbetreiber der Zukunft“, 28.9.2018, aufrufbar unter: https://www.bdew.de/energie/dso20/#:~:text=Das%20Verteilnetz%20ist% 20das%20R%C3;%BCckgrat,und%20Hochspannungsnetze%20der%20Verteilnetzbetreiber%20ein., zuletzt aufgerufen am 16.8.2022 (zit.: bdew, DSO 2.0 – Verteilnetzbetreiber der Zukunft) BDEW, Anwendungshilfe Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, 9.7.2018, BDEW, Positionspapier „Konzessionsabgabenrecht zukunftsfähig gestalten“, 15.11.2021 BDEW, Positionspapier „Konzessionsabgabenrechtliche Behandlung von Stromlieferungen an private, unterbrechbare Ladestationen von Elektrofahrzeugen“, 27.10.2020 BDEW, Positionspapier zur Weitverteilung nach § 2 Abs. 8 KAV, 4.12.2020 BDEW, Leitfaden „Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung“, 9.11.2010 Bechtold, Rainer, Kartellgesetz: GWB, Kommentar, 6 Aufl., München 2010 (zit.: Bechtold)  

https://doi.org/10.1515/9783110531909-205

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Abkürzungsverzeichnis % §

Prozent Paragraph

a. A. a. E. a. F. a. M. A/KAE abgedr. Abs. AcP AEG AEUV AG AktG ÄnderungsVO Anh. Anm. AöR AO ARegV Art. Aufl. Az

anderer Ansicht am Ende alte Fassung am Main Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung abgedruckt Absatz Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeines Eisenbahngesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft Aktiengesetz Änderungsverordnung Anhang Anmerkung Anstalt der öffentlichen Rechts Abgabenordnung Anreizregulierungsverordnung Artikel Auflage Aktenzeichen

Ba.-Wü. BayGO BB BbgGO BbgVerf BDEW BerlK-EnR BerlStrG Beschl. v. BFH BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BHKW BKZ BKartA BMF BMWi

Baden-Württemberg Bayerische Gemeindeordnung Betriebs-Berater (Zeitschrift) Gemeindeordnung des Landes Brandenburg Verfassung des Landes Brandenburg Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Berliner Kommentar zum Energierecht Berliner Straßengesetz Beschluss vom Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blockheizkraftwerk Baukostenzuschüsse Bundeskartellamt Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (bis 2021 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) Bundesnetzagentur









BNetzA

https://doi.org/10.1515/9783110531909-206

XLVIII

Abkürzungsverzeichnis

BR-Drucks. bspw. BStBl. BT-Drucks. BTOElt Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG bzw.

Bundesrats-Drucksache beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundestarifordnung Elektrizität Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise

CAPEX ct ct/kWh

Capital Expenditures (Entgeltbestandteile für Kapitalkosten) Cent Cent pro Kilowattstunde

d. h. D/KAE ders. DÖV DStGB DStR

das heißt Durchführungsbestimmungen zur Konzessionsabgabenanordnung derselbe Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsche Städte- und Gemeindeordnung Deutsches Steuerrecht

EEG EFG EigBG BW

Erneuerbare Energien Gesetz Entscheidungen der Finanzgerichte Eigenbetriebsgesetz – Gesetz über die Eigenbetriebe der Gemeinden Baden-Württemberg Energiekartellbehörde Eigenkapital Energiewirtschaftsgesetz Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft Erlösobergrenze Europäisches Parlament Europäischer Rat Ergänzungslieferung Einkommensteuergesetz Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift) Europäische Union Europäische Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Energieversorgungsunternehmen Magazin für die Energiewirtschaft (Zeitschrift) Zeitschrift des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft



EKartB EK EnWG ENWR-NRG EnWZ EOG EP ER Ergliefg. EStG et EU EuGH EuZW EVU ew EWeRK

f./ff. FG FK Fn

folgende/fortfolgende Finanzgericht Fremdkapital Fußnote

Abkürzungsverzeichnis

FS FStrG

Festschrift Bundesfernstraßengesetz

GasGVV GasNEV GeLi GemO GeschGehG GewStG GG ggf. GIS GmbH GmbHG GO GO BW GO LSA GO Rhpf GPKE GrEStG grds. GuV GWB GVU

Gasgrundversorgungsverordnung Gasnetzentgeltverordnung Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gemeindeordnung Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Geographisches Informationssystem Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung Gemeindeordnung Baden-Württemberg Gemeindeordnung für das Land Sachsen- Anhalt Gemeindeordnung Rheinland- Pfalz Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Strom Grunderwerbsteuergesetz grundsätzlich Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gasversorgungsunternehmen

h. M. HGB HGO Hrsg. HS Hs. HWegG

herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Hessische Gemeindeordnung Herausgerber/in Hochspannung Halbsatz Hessisches Wegegesetz

i. d. F. i. d. R. i. e. S. i. S. i. S. d. i. S. v. i. V. m. IDW iMSys insb. IR IT

in der Fassung in der Regel im engeren Sinne im Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Institut der Wirtschaftsprüfer intelligente Messysteme insbesondere InfrastrukturRecht (Zeitschrift) Informationstechnologie

juris JuS

Juristisches Informationssystem Juristische Schulung (Zeitschrift)





























XLIX

L

Abkürzungsverzeichnis

KA KAE kalk. Kap. Kart. KAV KG KommJur KonzVgV krit. KStG KStR KSzW kV kW kWh KWK-G KV-MV

Konzessionsabgabe Konzessionsabgabenanordnung kalkulatorisch Kapitel Kartellverfahren Konzessionsabgabenverordnung Kommanditgesellschaft Kommunaljurist (Zeitschrift) Verordnung über die Vergabe von Konzessionen kritisch Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuerrichtlinie Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Kilovolt Kilowatt Kilowattstunde tz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-WärmeKopplung Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern

LG li. Sp. LKV LKartB

Landgericht linke Spalte Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Landeskartellbehörde

m. a. W. m. w. N. m. W. v. max. MDR MS MüAnwHB MüKo

mit anderen Worten mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom maximal Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Mittelspannung Münchener Anwaltshandbuch Münchener Kommentar

N&R n. F. n. v. NAKB NAV NDAV NeuregelungsG NEV NGO NJW NKomVG NKomZG Nr. NRW NStZ

Netzwirtschaften und Recht (Zeitschrift) neue Fassung nicht veröffentlicht Netzanschlusskostenbeiträge Niederspannungsanschlussverordnung Niederdruckanschlussverordnung Neuregelungsgesetz Netzentgeltverordnung Niedersächsische Gemeindeordnung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz Niedersächsisches Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht

















Abkürzungsverzeichnis

NVwZ NVwZ-RR NZBau

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht

o. g. OFD OLG OPEX ÖPNV OVG

oben genannt Oberfinanzdirektion Oberlandesgericht Operational expenditure (Entgeltbestandteile für Betriebskosten) Personennahverkehr Oberverwaltungsgericht

RAB RAnz RdE RGBl. RL RLM Rn Rs Rspr. RStBl.

Regulated Asset Base (Regulatorische Kapitalbasis) Reichsanzeiger Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Richtlinie registrierende Leistungsmessung Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt

s. o. s. u. SaarKSVG SächsGO SLP sog. SolzG StGB StromGVV StromNEV StromStG

siehe oben siehe unten Kommunalselbstverwaltungsgesetz für das Saarland Sächsische Gemeindeordnung Standardlastprofil sogenannt Solidaritätszuschlaggesetz Strafgesetzbuch Stromgrundversorgungsverordnung Stromnetzentgeltverordnung Stromsteuergesetz

ThürKO Tz.

Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung Textziffer

u. a. u. U. UmwG UmwStG Urt. UStG UVgO UWG

unter anderem/und andere unter Umständen Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Umsatzsteuergesetz Unterschwellenvergabeverordnung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. VDEW VEnergR

von Verband der Elektrizitätswirtschaft Veröffentlichungen des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln











LI

LII

Abkürzungsverzeichnis

VerbGemG LSA VergabeR VgV VersW VerwArch VG vgl. VKU VO VOB/A VwVfG

Gesetz über die Verbandsgemeinde in Sachsen-Anhalt Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht Vergabeverordnung Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgericht vergleiche Verband Kommunaler Unternehmen Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A Verwaltungsverfahrensgesetz

WHG WM WPO WuW WuW/E

Wasserhaushaltsgesetz Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Entscheidungssammlung Wirtschaft und Wettbewerb

z. B. zit. z. T. ZfBR ZNER ZPO ZwVG

zum Beispiel zitiert zum Teil Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Neues Energierecht Zivilprozessordnung Zweckverbandsgesetz Rheinland-Pfalz





Bearbeiterverzeichnis Svenja Bayer, Studium der Rechtswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg und an der GoetheUniversität Frankfurt am Main, Rechtsanwältin seit 2005, Syndikusrechtsanwältin seit 2016, tätig seit 2015 bei der ENTEGA AG in Darmstadt, Abteilung Energierecht mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Konzessionsrecht. Jannic Christensen, Studium der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaft an der Fachhochschule Nordakademie, der Business Academy Southwest und der WHU Otto Beisheim School of Management, derzeit tätig als Head of Strategy bei der E.ON Energidistribution AB, zuvor als Leiter Angebotsmanagement Konzessionen bei der Schleswig-Holstein Netz AG verantwortlich für die Erstellung von Konzessionsangeboten und die fachliche Überprüfung von Vergabeentscheidungen. Jürgen Deufel, Dipl.-Ing (FH), Studium der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Energietechnik an der Fachhochschule Darmstadt und dem Birmingham Polytechnic in England. Seit 1992 in verschiedenen Positionen bei der heutigen Bayernwerk Netz GmbH und deren Vorgängern tätig. Tätigkeitsschwerpunkte: Netzplanung Mittelund Niederspannung, Kommunalmanagement, Konzessionsvergabeverfahren, Grundsatzfragen Konzessionsverträge, Konzessionsabgaben und Gemeinderabatt. Michèle Gauttier, Studium der Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Universität Luzern, Rechtsanwältin seit 2021, ehemals Syndikusrechtsanwältin bei der EnBW Energie Baden Württemberg AG, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitschwerpunkte: Beratung zu Fragen des Konzessionsrechts, Energiekartellrecht, Energierecht, sowie die Begleitung von Netzaufnahme- und Netzabgabeverhandlungen und die Gestaltung und Verhandlung von Verträgen im Energiesektor. Martin Geipel, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaft an der Technischen Universität Dresden, der University of Sussex und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Promotion an der Freien Universität Berlin, Rechtsanwalt seit 2008, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: Transaktionen in der Energiebranche, die regulatorische Beratung von Industrie- und Gewerbekunden, die Gestaltung und Verhandlung von Verträgen im Energiebereich, die Begleitung von Konzessionsvergabeverfahren. Christian Hemmersbach, Rechtsanwalt und Justitiar, Leiter der Abteilung Konzessionsrecht bei der Westenergie AG (E.ON -Gruppe) bis 2021. Schwerpunkt gerichtliche Netzbewertungsverfahren, rechtliche Begleitung von Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG. Aktuell Leiter der Abteilung Konzessionen und Kooperationen bei der Westenergie AG. Christopher Lautenbach, Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und der University of Connecticut, Rechtsanwalt seit 2018, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: Prozessführung vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten mit besonderem Fokus auf gesellschaftsrechtliche, handelsrechtliche und energierechtliche Streitigkeiten; Begleitung von Konzessionsverfahren in prozessualer Hinsicht. Julian von Lucius, Dr. iur., LL. M. (Cardozo), Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Université Sorbonne-Pantheon, Paris, und der Benjamin N. Cardozo School of Law, New York; Rechtsanwalt seit 2012, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: Vergaberecht, Regulierungsrecht, Telekommunikations- und Medienrecht.  

https://doi.org/10.1515/9783110531909-207

LIV

Bearbeiterverzeichnis

Cornelia Kermel, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaften in Berlin und New York, Promotion an der Freien Universität Berlin, Rechtsanwältin seit 1990, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: Energierecht, Kartellrecht sowie Recht der Konzessionen und Konzessionsabgaben. Florian-Felix Marquardt, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin, Promotion an der Freien Universität Berlin, Rechtsanwalt seit 2008 und Steuerberater seit 2017, tätig bei der Noerr Part-GmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: steuerliche Beratung in Transaktionen und Umstrukturierungen, Konzernsteuerrecht, internationales Steuerrecht, Umsatzsteuerrecht, M&A, Private Equity und Immobilientransaktionen. Daniel Morgen, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück, Rechtsanwalt seit 2012, zuletzt tätig als Leiter der juristischen Dienste der Schleswig-Holstein Netz AG mit den Schwerpunkten: Rechtliche Begleitung von energiewirtschaftsrechtlichen Konzessionsvergabeverfahren und Vergabeverfahren nach sonstigen nationalen/europäischen Verfahrensordnungen, Verhandlung und Gestaltung von Forschungs- und Entwicklungsverträgen, Verhandlung und Gestaltung von sonstigen Verträgen im Energiebereich. Hagen Peschke, Dr., Studium der Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre sowie des Deutschen und Europäischen Wirtschaftsrechts an den Universitäten Siegen und Hagen, Promotion an der University of Gloucestershire (Großbritannien), Syndikus-Steuerberater seit 2012, nach einer mehrjährigen Tätigkeit bei PwC WPg und Ablegung des Wirtschaftsprüferexamens in verschiedenen Leitungsfunktionen im Bereich Finanzen der Süwag-Gruppe (E.ON-Konzern), Tätigkeitsschwerpunkte: Rechnungslegung und Steuern in der Energiewirtschaft, kaufmännische Betriebsführung von und Aufsichtsratsmitglied in Netz- und Erzeugungsgesellschaften. Michael Ruppert, Dipl.-Kfm., Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität zu Köln, Energieanlagenelektroniker, seit 1999 in verschiedenen Unternehmen der Energiewirtschaft tätig, zuletzt bei der Westenergie AG (E.ON-Gruppe) als Leiter Netzmodelle/-bewertungen. Tätigkeitsschwerpunkte: Bewertung regulierter Netze, Konzeption von Netzkooperationsmodellen, Begleitung von Kaufpreisrückforderungsverfahren, Wirtschaftlichkeitsanalysen. Mirko Sauer, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin, Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin, Rechtsanwalt seit 2021, tätig bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Tätigkeitsschwerpunkte: Beratung von Energieversorgern und Energieabnehmern zu regulatorischen und vertraglichen Fragestellungen, Beratung zu Erzeugungsprojekten, Beratung zu Fragen der Netzregulierung, Begleitung von Konzessionsvergabeverfahren. Matthias Schumann, Studium der Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth, seit 2006 als Rechtsanwalt zugelassen, Teamleiter Konzessionsrecht und Netzverträge bei der envia Mitteldeutsche Energie AG in Chemnitz, Mitglied (stv. Vors.) im Fachausschuss Konzessionen des BDEW, Tätigkeitsschwerpunkte: Konzessionsvergaben, Konzessionsabgaben, Kooperationsmodelle, Leitungsrechte, Pachtverträge. Ramon Sieven, Dr, iur., Studium der Rechtswissenschaften an der Georg-August Universität Göttingen und der Queen Mary, University of London, Promotion an der Georg-August Universität Göttingen, Rechtsanwalt seit 2019, Senior Legal Counsel/Public and Regulatory Affairs Manager bei Onyx Power mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich Energierecht, Zivil- und Gesellschaftsrecht sowie Öffentliches Recht.

Bearbeiterverzeichnis

LV

Peter Stauber, Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, der ELTE Budapest (Ungarn), der KU Leuven (Belgien) und an der TU Dresden, Rechtsanwalt seit 2007, tätig bei der Noerr PartGmbB, Tätigkeitsschwerpunkte: Kartellrecht. David Vaulont, Studium der Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Rechtsanwalt von 2014 bis 2017 und seit 2020, von 2017 bis 2020 tätig im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg in der Landesregulierungsbehörde und der Landeskartellbehörde für Energie und Wasser, seit 2020 Syndikusrechtsanwalt der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Lead Counsel Konzessionen und Netzstrategie. Florian Warg, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Sapienza Università di Roma, Promotion an der Humboldt-Universität, Rechtsanwalt seit 2017, Syndikus bei der E.DIS Netz GmbH, Tätigkeitsschwerpunkte: Kommunal- und Konzessionsmanagement, Gestaltung von Konzessionsvergabeverfahren, Schnittstellen von Technik, Wirtschaft und Recht. David Zemann, Studium der Rechtswissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen, von 2016 bis 2023 bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) beschäftigt, Tätigkeitsschwerpunkt: Konzessionsvergabeverfahren, Gestaltung und Verhandlung von unternehmensbezogenen Verträgen, insbesondere zur Abwicklung von Netzübernahmen und -abgaben und Gestattungs- und Pachtverträgen.

Kapitel 1 Rechtsrahmen und Überblick A. Überblick I. Historischer Überblick über die Entwicklung des Rechts der Wegenutzungsverträge in der Energiewirtschaft Das Gesetz verwendet in § 46 EnWG den Begriff der Wegenutzungsverträge. Hiervon erfasst werden sowohl die einfachen als auch die qualifizierten Wegenutzungsverträge. Letztere werden allgemein als Konzessionsverträge bezeichnet.1 Der Begriff des Konzessionsvertrags geht zurück auf die Untersuchungen von Crome und Thoma.2 Crome hatte 1917 die Bezeichnung Konzessionsvertrag in Anlehnung an eine im französischen Recht bekannte Vertragsform, den sog. Contrat de Concession gewählt und so maßgeblich die heute noch übliche Bezeichnung geprägt. Dies ist umso erstaunlicher, als Anlass der Untersuchung Cromes nicht die dogmatische und institutionelle Erfassung des Konzessionsvertrags war, sondern die Erarbeitung von Lösungen für kriegsbedingte Versorgungsprobleme. Der erste Konzessionsvertrag wurde bereits im Jahr 1884 und zwar im Strombereich geschlossen. Darin wurde der Deutschen Edison Gesellschaft (später AEG) gestattet, die Straßen und Bürgersteige im Umkreis von 800 Metern um den Werderschen Markt in Berlin für die Verlegung elektrischer Leitungen zu nutzen. Als Gegenleistung wurde die Zahlung einer Abgabe an die Stadt Berlin vereinbart, deren Höhe sich nach den Bruttoeinnahmen und dem Reingewinn der Deutschen Edison Gesellschaft richtete. Das Recht der Wegenutzungsverträge und der Konzessionsabgaben in der Energiewirtschaft hat im Laufe seiner Entwicklung zahlreiche Änderungen erfahren.

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1. Neuerungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Wegenutzungsverträge im Rahmen der EnWG-Novellen a) EnWG 1935 Das EnWG 19353 enthielt keine Regelungen über Wegenutzungsverträge. Diesbezügliche 5 Bestimmungen fanden sich nur im GWB. So waren nach den bis 1980 geltenden Regelungen in § 103 Abs. 1 S. 1 GWB a. F. Ver- 6 träge von Versorgungsunternehmen mit Gebietskörperschaften, in denen sich eine Gebietskörperschaft verpflichtete, die Verlegung und den Betrieb von Leitungen auf oder  

1 Zu der Begrifflichkeit und Abgrenzung von einfachen und qualifizierten Wegenutzungsverträgen siehe Kapitel 1 B. Rn 56 ff. 2 Crome, AcP 115 (1917), 1 ff.; dazu auch Stern, AöR 84 (1959), 137, 146 f.; Thoma, AöR 38 (1918), 307 ff. 3 Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft (EnWG) vom 13.12.1935 (RGBl. I S. 1451).  



Kermel/von Lucius https://doi.org/10.1515/9783110531909-001





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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

unter öffentlichen Wegen für eine bestehende oder beabsichtigte unmittelbare öffentliche Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet der Gebietskörperschaft mit Elektrizität, Gas oder Wasser ausschließlich einem Versorgungsunternehmen zu gestatten, von den Kartellverboten der §§ 1, 15 und 18 GWB a. F. freigestellt und damit der allgemeinen Wettbewerbsaufsicht entzogen. Die Gemeinde verpflichtete sich in dem jeweiligen Konzessionsvertrag regelmäßig, während der Laufzeit des Konzessionsvertrags keinem anderen Versorgungsunternehmen die Verlegung und den Betrieb von Versorgungsanlagen zur Versorgung innerhalb der Gemeinde zu gestatten. Ausgenommen von diesen ausschließlichen Wegerechten waren nur die sog. Durchgangsleitungen. Gleichzeitig verpflichtete sich die Gemeinde, während der Laufzeit des Vertrags nicht selbst in dem Gemeindegebiet zu versorgen.4 Flankiert wurden die ausschließlichen Wegerechte durch sog. Demarkationsabsprachen, d. h. Gebietsschutzverträge i. S. d. § 103 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. Im Rahmen dieser Verträge verpflichteten sich die EVU untereinander, in Gebieten der jeweils anderen EVU eine öffentliche Versorgung über feste Leitungswege mit Strom, Gas oder Wasser zu unterlassen. Die ein ausschließliches Wegenutzungsrecht in der jeweiligen Gemeinde begründenden Konzessionsverträge mussten nach § 103 Abs. 3 i. V. m. § 9 GWB a. F. lediglich beim Kartellamt angemeldet werden. Konzessionsverträge und Demarkationsabsprachen führten zu geschlossenen Versorgungsgebieten, in denen kein anderes Unternehmen ein Netz zur Durchführung der allgemeinen Versorgung in dem betreffenden Gebiet verlegen und/oder betreiben konnte. Lediglich die Errichtung von Durchgangsleitungen blieb möglich. Eine Verpflichtung, die Vereinbarungen über ausschließliche Wegerechte und Demarkationen zeitlich zu befristen, bestand ursprünglich nicht.  

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b) Einführung der Laufzeitbegrenzung im GWB 1980 11 Eine gewisse Verschärfung der Regelungen erfolgte infolge der Einfügung des § 103a GWB a. F. im Jahr 1980. Nach § 103a Abs. 1 S. 1 GWB a. F. galt die Freistellung der Konzessionsverträge von den Kartellverboten nach § 103 Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F. nur noch unter der Voraussetzung, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit 20 Jahre nicht überschritt. 12 Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung bestehende Konzessionsverträge sah § 103a Abs. 4 GWB a. F. vor, dass die kartellrechtliche Freistellung dieser Verträge aufgehoben und die Geltungsdauer auf 20 Jahre begrenzt wurde. Die Freistellung endete dabei grundsätzlich am 1.1.1995. Soweit zu diesem Zeitpunkt noch nicht 20 Jahre seit Anmeldung der Freistellung des Altvertrages abgelaufen waren, verlängerte sich nach § 103a Abs. 4 S. 2 GWB a. F. die Freistellung bis zum Zeitpunkt des vereinbarten Vertragsablaufs, höchstens jedoch bis zum Ablauf von 20 Jahren nach der Anmeldung.  









4 Scholtka, VEnergR 92, 38. Kermel/von Lucius

A. Überblick

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Grund für die Einführung der Laufzeitbegrenzung war es zu verhindern, dass die gesetzliche Freistellung der Gebietsschutzverträge zu einer Bestandsgarantie für die einzelnen Kartellverträge und die Grenzen der darin festgelegten Monopolgebiete führte.5 Durch die Befristung der Konzessionsverträge auf 20 Jahre sollte verhindert werden, dass das System der Gebietsmonopole zum Nachteil der Abnehmer erstarrt und nicht mehr flexibel genug ist, auf die versorgungswirtschaftlichen Erfordernisse zu reagieren.6 Spätestens alle 20 Jahre sollten die Partner eines Konzessionsvertrags völlig frei darüber entscheiden können, ob die Energieversorgung durch den bisherigen Vertragspartner, durch ein konkurrierendes Versorgungsunternehmen oder aber durch die Kommune selbst fortgesetzt werden sollte. Dabei diente § 103a GWB a. F., wie der BGH in der sog. Kaufering-Entscheidung ausgeführt hat, nicht dem Schutz der Parteien des Konzessionsvertrags, sondern dem Schutz der Freiheit des Wettbewerbs. Wenigstens in einem 20-Jahres-Rhythmus sollte ein Wettbewerb um geschlossene Versorgungsgebiete ermöglicht werden, um eine Verbesserung der Versorgungsbedingungen zu erreichen.7 Folge der Laufzeitbegrenzung auf 20 Jahre war, dass Konzessionsverträge zivilrechtlich nur wirksam wurden, wenn keine längere Laufzeit als 20 Jahre vereinbart war. Ein Verstoß gegen die Laufzeitbegrenzung, z. B. durch Umgehungen, die zur faktischen Verlängerung über 20 Jahre hinaus führten, ließ die Freistellung vom Kartellverbot nicht eintreten, die Verträge waren unwirksam. Dies galt für den freistellungsbedürftigen Vertrag insgesamt und nicht nur für die Laufzeitregelung.8 Nach Ablauf der 20-Jahres-Frist konnte gem. § 103a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 S. 1 GWB a. F. der Vertrag unter zwei Voraussetzungen verlängert werden: Die Parteien mussten eine entsprechende Vereinbarung treffen und sie mussten die Vertragsverlängerung dem Kartellamt melden. Dies diente dazu, den Kartellbehörden die Möglichkeit zu verschaffen, die Einhaltung der 20-Jahres-Frist zu wahren. Allerdings kam den Kartellbehörden ein inhaltliches Prüfungsrecht hinsichtlich der Konzessionsverträge nicht zu. Nur bei Demarkations- und Verbundverträgen konnten Kartellbehörden nach der Anmeldung eine inhaltliche Prüfung der Verträge vornehmen und sie ggfs. auch für unwirksam erklären.9 Die Zielsetzung des § 103a GWB a. F. erforderte es nach Auffassung der Kartellbehörden, dass die Befristung auf 20 Jahre durch eindeutige, durch die Kartellbehörden auch praktisch kontrollierbare Anfangs- und Endtermine beachtet wird, und recht-

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5 Immenga/Mestmäcker/Klaue, § 103a Rn 2. 6 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 8/3690, S. 31; BGH NJW 2000, 108, 111 „Kaufering“. 7 BGH NJW 2000, 108, 111 unter Hinweis auf BGHZ 119, 101, 109 „Freistellungsende“; BGH WuW/E 2914, 2917 = RdE 1994, 194 „Nachvertragliche Konzessionsabgabe“; vgl. zur Bedeutung der Laufzeitbegrenzung nach § 46 Abs. 2 EnWG auch BGH, Urt. v. 9.3.2021, KZR 55/19, RdE 2021, 477 ff. – Gasnetz Berlin. 8 Immenga/Mestmäcker/Klaue, § 103a Rn 3. 9 Gesetzesbegründung zu § 103a Abs. 2 und 3 GWB a. F. in: BT-Drucks. 8/3690, S. 32.  



Kermel/von Lucius

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

liche wie faktische Umgehungsmöglichkeiten vermieden werden. Dementsprechend sahen es die Kartellbehörden als klarste, keine Umgehungsgefahr begründende Regelung an, wenn die Vertragsparteien das Datum des Vertragsabschlusses als Beginn der 20-Jahresfrist vereinbarten. Soweit dagegen der Tag der Anmeldung der Freistellung als Anfangstermin bestimmt wurde, wurde dieses Datum nur dann von den Kartellbehörden anerkannt, wenn die Anmeldung unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgte. Ein nach der Anmeldung liegender vereinbarter Anfangstermin sollte nach den Auslegungsgrundsätzen der Kartellbehörden als der Versuch einer „verdeckten“ Überschreitung der 20-Jahresfrist und damit einer Umgehung des § 103a Abs. 1 GWB a. F. anzusehen sein, weil die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen auch bereits vor dem formalen Wirksamwerden des Vertrages zumindest faktische, wenn nicht sogar rechtliche Bindungswirkungen, insb. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, für die Vertragsparteien entfalteten.10 17 Versuchen der Energiewirtschaft, die Laufzeit durch zusätzliche Vertragsregelungen faktisch zu verlängern, wurde auch von Seiten der Rechtsprechung entgegengetreten. So entschied der BGH, dass ein auf 30 Jahre geschlossener Konzessionsvertrag, der ein auf 20 Jahre befristetes ausschließliches Wegerecht mit einer sog. Eintrittsklausel enthielt, die es dem EVU erlaubte, nach Ablauf der 20 Jahre in einen neuen Vertrag einzutreten, unwirksam ist.11 In einem anderen Verfahren entschied der BGH, dass ein Konzessionsvertrag unwirksam ist, der auf insgesamt 50 Jahre geschlossen war und für die ersten 20 Jahre ein ausschließliches und für die verbleibende 30-jährige Laufzeit ein einfaches Wegerecht beinhaltete.12 Dies entsprach der Auffassung der Kartellbehörden, wonach die Konzessionsverträge keine Vereinbarungen enthalten durften, die geeignet sind, die rechtliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Vertragsbeteiligten nach dem Ablauf der Freistellungsfrist einzuschränken.13 18 Weder das GWB a. F. noch das EnWG 1935 regelten ausdrücklich die Folgen eines Wechsels in der Person des Konzessionsnehmers. Daher wurden entsprechende Regelungen vielfach in die Konzessionsverträge aufgenommen. In den sog. Endschaftsbestimmungen wurde etwa geregelt, welche Anlagen in welcher Form auf die Gemeinde zu übertragen sind. Vielfach enthielten die Verträge die Verpflichtung, diejenigen Anlagen zu übertragen, die ausschließlich der Versorgung im Gemeindegebiet dienen. Dabei sahen die Verträge überwiegend die Pflicht zur eigentumsmäßigen Übertragung dieser Anlagen vor. 19 Häufig fand sich auch ein sog. Andienungsrecht des EVU an die Gemeinde in den Endschaftsbestimmungen. Danach war die Gemeinde für den Fall, dass sie den Konzes 



10 Ziffer C.2 der Auslegungshinweise der Kartellbehörden des Bundes und der Länder vom 15.3.1981 zu der Fristenregelung des § 103a GWB, abgedr. bei Immenga/Mestmäcker/Klaue, § 103a Rn 3. 11 BGH RdE 1986, 118 „Eintrittsrecht“. 12 BGH WuW/E 2247 „Wegenutzungsrecht“. 13 Vgl. hierzu im Einzelnen Immenga/Mestmäcker/Klaue, § 103a Rn 3. Kermel/von Lucius

A. Überblick

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sionsvertrag mit dem bisherigen Vertragspartner nicht verlängert, verpflichtet, die Verteilungsanlagen, die der Versorgung im Gemeindegebiet dienen, gegen Zahlung eines Entgeltes, meist in Höhe des Sachzeitwertes, zu übernehmen. Die in den Endschaftsbestimmungen der Konzessionsverträge geregelten Verpflich- 20 tungen konnten sich nur gegen die Gemeinde als unmittelbarer Vertragspartner richten. Eine entsprechende Verpflichtung etwa zu Lasten des neuen Konzessionsvertragspartners war und ist wegen des allgemein geltenden Grundsatzes des Verbotes von Vereinbarungen zu Lasten Dritter nicht möglich. Daher konnte dem neuen Konzessionsvertragspartner in den Konzessionsverträgen kein eigenständiger Anspruch auf Übertragung der Energieverteilungsanlagen eingeräumt werden, da dieser Anspruch mit der Verpflichtung zur Zahlung eines Kaufpreises verbunden war.

c) EnWG 1998 Mit Inkrafttreten des 1. NeuregelungsG am 29.4.1998 erhielt das Konzessionsvertragsund Konzessionsabgabenrecht erstmals Eingang in das Energiewirtschaftsgesetz. So enthielt § 13 EnWG 1998 Regelungen über die Wegenutzungsverträge, während § 14 EnWG 1998 Einzelheiten bezüglich der Konzessionsabgaben regelte. Beide Bestimmungen entsprechen in weiten Teilen den heute geltenden §§ 46 und 48 EnWG. Des Weiteren wurde § 103b GWB a. F. durch Art. 2 des 1. NeuregelungsG in das GWB a. F. eingefügt. Danach fanden die Regelungen in §§ 103 und 103a GWB a. F. auf den Strom- und Gasbereich keine Anwendung mehr. Damit waren ausschließliche Wegerechte im Strom- und Gasbereich wie auch Demarkationsabsprachen fortan nicht mehr zulässig. Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1. NeuregelungsG bestehende Konzessionsverträge sah Art. 4 § 1 vor, dass diese Verträge trotz Wegfalls der Ausschließlichkeit im Übrigen unberührt bleiben § 13 EnWG 1998 unterschied erstmalig zwischen sog. einfachen und qualifizierten Wegenutzungsverträgen. Während § 13 Abs. 1 EnWG 1998 beide Verträge umfasste, fanden die § 13 Abs. 2 bis Abs. 4 EnWG 1998 nur auf die qualifizierten Wegenutzungsverträge, d. h. auf die Konzessionsverträge, Anwendung. Trotz des Verbots ausschließlicher Wege- und Versorgungsrechte wurde die 20-jährige Laufzeitbegrenzung für Konzessionsverträge im EnWG 1998 übernommen. So durften nach § 13 Abs. 2 S. 1 EnWG 1998 Verträge von EVU mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Durchführung der allgemeinen Versorgung nach § 10 Abs. 1 S. 1 EnWG 1998 im Gemeindegebiet höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Das EnWG 1998 sah in § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG 1998 für den Fall, dass die Gemeinde den Konzessionsvertrag mit dem bisherigen Vertragspartner nicht verlängerte, die Verpflichtung des bisher versorgenden Unternehmens vor, seine für die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen EVU gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen. Damit enthielt  



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Kermel/von Lucius

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

das EnWG 1998 erstmalig einen eigenständigen Anspruch des neuen Konzessionsvertragspartners auf Überlassung der Verteilungsanlagen. Von diesem Überlassungsanspruch erfasst waren die für die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen. Welche Anlagen hiervon tatsächlich umfasst waren, hat das EnWG 1998 offengelassen.14 Das EnWG 1998 sah erstmalig ein Bekanntmachungsverfahren als Voraussetzung für den Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags vor. So hatten nach § 13 Abs. 3 EnWG 1998 Gemeinden spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Konzessionsverträgen das Vertragsende in geeigneter Form bekanntzumachen. Für den Fall, dass sich mehrere Unternehmen um den Vertrag bewarben, hatte die Gemeinde ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt zu machen. § 13 Abs. 3 EnWG 1998 regelte nicht, in welchen Veröffentlichungsorganen die Bekanntmachung zu erfolgen hatte. Da das Gesetz im ersten Fall lediglich davon sprach, dass die Bekanntmachung „in geeigneter Form“ zu erfolgen hatte, während die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers „öffentlich bekannt“ gemacht werden musste, wurde vielfach die Auffassung vertreten, „in geeigneter Form“ sei auch dann bekannt gemacht, wenn eine solche lediglich im Amtsblatt der jeweiligen Gemeinde erfolgte.15 § 13 Abs. 3 EnWG 1998 beinhaltete nach seinem Wortlaut auch keine Regelungen über ein Bekanntmachungsverfahren im Falle der vorzeitigen Verlängerung von Konzessionsverträgen. Dies führte zu der streitigen Frage, ob und ggf. wie im Falle der vorzeitigen Verlängerung von Konzessionsverträgen das im Gesetz geregelte Bekanntmachungsverfahren anzuwenden sei. Das OLG Düsseldorf entschied diese Frage dahingehend, dass das Bekanntmachungsverfahren nach seinem Sinn und Zweck auch auf den Fall der vorzeitigen Verlängerung anzuwenden sei.16 § 14 EnWG 1998 enthielt neben der erstmals in einem Gesetz vorgenommenen Legaldefinition der Konzessionsabgaben und der Verordnungsermächtigung Regelungen über die Zahlung von Konzessionsabgaben im Rahmen der Durchleitung sowie über die Fortzahlung von Konzessionsabgaben nach Vertragsablauf.

d) EnWG 2005 32 Mit dem 2. NeuregelungsG, das am 13.7.2005 in Kraft trat, wurde das EnWG neu gefasst. Dabei wurden in §§ 46 und 48 die Vorgängerregelungen der §§ 13 und 14 EnWG 1998 im Wesentlichen übernommen. Unverändert übernommen wurde in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG 2005 u. a. der Anspruch auf Überlassung der Verteilungsanlagen des neuen Konzessionärs. Damit blieb bis zur Entscheidung des BGH in Sachen Stromnetz Homberg im  

14 S. hierzu Kapitel 1 C. IV. 7. 15 So auch Büdenbender, § 13 Rn 79.; a. A. OLG Düsseldorf; Urt. v. 12.3.2008, VI 2 U 8/07 (Kart) – Heinsberg. 16 Vgl. OLG Düsseldorf RdE 2008, 287 ff.  







Kermel/von Lucius

A. Überblick

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Jahr 2014 weiterhin streitig, ob damit eine bloße Besitzüberlassung17 oder eine Übereignung beansprucht werden konnte.18 Gleichwohl hat das 2. NeuregelungsG für den Inhalt von Konzessionsverträgen erhebliche Änderungen gebracht.19 So wird über den Konzessionsvertrag nur noch der Betreiber des Netzes der allgemeinen Versorgung bestimmt, nicht mehr dagegen der allgemeine Versorger. Der allgemeine Versorger, der als Grundversorger bezeichnet wird, wird gem. § 36 EnWG 2005 allein nach der Anzahl der versorgten Haushaltskunden in dem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmt.20 Die Trennung des Netzbetriebs von dem Versorgungsrecht ist Folge der europarechtlich zwingend vorgegebenen Entflechtungsregelungen. Nach § 7 EnWG 2005 haben vertikal integrierte EVU sicherzustellen, dass mit ihnen verbundene Netzbetreiber hinsichtlich ihrer Rechtsform unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sind (rechtliche Entflechtung). Nach § 7a EnWG 2005 haben vertikal integrierte Unternehmen und rechtlich selbständige Betreiber von Energienetzen, die mit vertikal integrierten EVU verbunden sind, die Unabhängigkeit ihrer Netzbetreiber hinsichtlich der Organisation, der Entscheidungsgewalt und der Ausübung des Netzgeschäfts sicherzustellen (operationelle Entflechtung). Weitere Neuregelungen bzw. Konkretisierungen finden sich in § 46 Abs. 3 EnWG 2005 So konkretisiert § 46 Abs. 3 EnWG 2005 in Satz 1 das Medium, in dem das reguläre Auslaufen des Konzessionsvertrages bekanntzumachen ist. Dies ist grundsätzlich der Bundesanzeiger und im Fall, dass mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, zusätzlich das Amtsblatt der Europäischen Union. § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG 2005 enthält überdies ausdrückliche Regelungen über die Durchführung eines Bekanntmachungsverfahrens im Falle der vorzeitigen Verlängerung von Konzessionsverträgen. Danach sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende öffentlich bekannt zu geben. Eine Konkretisierung, dass mit „öffentlich bekanntmachen“ eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger gemeint ist, erfolgte erst durch den BGH in seiner Entscheidung Stromnetz Schierke.21 Anders als Art. 4 § 1 des 1. NeuregelungsG, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes laufende Konzessionsverträge von den Neuerungen des EnWG 1998 mit

17 So OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2012, VI-3 Kart 137/12 (V), RdE 2013, 128 ff.; OLG Frankfurt, RdE 2011, 422, 426; OLG Koblenz, ZNER 2009, 146, 147 ff.; Kermel, RdE 2005, 153, 157. 18 So BGH, Beschl. v. 3.6.2014, EnVR 10/13, Rn 23 ff., RdE 2015, 29 ff. – Stromnetz Homberg. 19 Vgl. auch BGH, Urt. v. 29.9.2009, EnZR 15/08, Rn 18, IR 2010, 84; zum damaligen Meinungsstreit, ob der Status des allgemeinen Versorgers während der Geltung des 1. NeuregelungsG weiterhin an den Konzessionsvertrag geknüpft war, Kermel/Kermel, 1. Aufl. Kapitel 1 A. I. 2. und III. 4. 20 Zu den Einzelheiten des Inhalts des Konzessionsvertrags s. u. Kapitel 1 C., Rn 78 ff. 21 Vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2014, EnZR 33/13, Rn 13 ff., RdE 2015, 130 ff. – Stromnetz Schierke.  















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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Ausnahme des Verbotes von ausschließlichen Wegenutzungsrechten unberührt ließ, bestimmt § 113 EnWG 2005, dass Neuregelungen in §§ 36, 46 und 48 EnWG Auswirkungen auch auf bestehende Verträge haben. Nach dieser Regelung bleiben laufende Wegenutzungsverträge einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben, unbeschadet ihrer Änderung durch die §§ 36, 46 und 48 im Übrigen unberührt.

e) EnWG 2011 38 Weitere Änderungen hat das Konzessionsrecht durch das am 4.8.2011 in Kraft getretene

Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften erfahren. So wurde in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG das Wort „überlassen“ durch „übereignen“ ersetzt. Gleichzeitig wurde ein neuer Satz 3 angefügt. Danach kann das neue Energieversorgungsunternehmen verlangen, dass der bisher Nutzungsberechtigte das Eigentum behält und nur den Besitz überträgt. 39 Des Weiteren wurde in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG 2011 erstmalig eine Regelung zur Datenherausgabe ins Gesetz aufgenommen. Danach ist der bisherige Nutzungsberechtigte verpflichtet, spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung des Auslaufens des Konzessionsvertrags diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen der Bewerbung um den Abschluss eines Konzessionsvertrags erforderlich sind. Dabei kann die BNetzA im Einvernehmen mit dem BKartA Entscheidungen über den Umfang und das Format der zur Verfügung zu stellenden Daten durch Festlegung gegenüber den EVU treffen.22 40 In § 46 Abs. 3 EnWG 2011 wurden in Satz 1 einzelne Worte eingefügt. Die Bekanntmachung muss danach nicht nur das Vertragsende, sondern zusätzlich einen ausdrücklichen Hinweis auf die von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung enthalten. Gleichzeitig wurde die Vorschrift um einen Satz 5 ergänzt. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass bei der Auswahl des Unternehmens die Gemeinde den Zielen des § 1 verpflichtet sind. 41 Keinen Eingang in das EnWG hat dagegen der von dem Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren gemachte Vorschlag gefunden, der BNetzA die Zuständigkeit zur Festsetzung der Kaufpreishöhe zuzuweisen. So hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 17.6.2011 vorgeschlagen, der BNetzA die Befugnis zur Festsetzung der Vergütung „auf der Grundlage der durch den regulierten Netzentgelte zu erwartenden Ertragswerte“ für den Fall einzuräumen, dass über die Höhe der Vergütung keine Einigung zwischen abgebenden und übernehmenden Netzbetreiber erzielt werden sollte.23 In ihrer Gegenäußerung lehnte die Bundesregierung diesen Vorschlag mit der

22 Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.4.2015, EnZR 11/14, Rn 13 ff., RdE 2015, 350 ff. – Gasnetz Springe. 23 BR-Drucks. 343/11 (Beschl.), S. 15.  



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A. Überblick

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Begründung ab, die Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung sei Sache der Gerichte.24

f) EnWG 2017 Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung am 3.2.201725 hat der Gesetzgeber in § 47 EnWG ein mehrstufiges Rüge- und Präklusionsregime im Konzessionierungsverfahren eingeführt.26 Danach sind die Bewerber um den jeweiligen Konzessionsvertrag verpflichtet, bereits während des laufenden Konzessionierungsverfahrens erkennbare Rechtsverletzungen innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen zu rügen. Die Rügepflichten betreffen die Verfahrensabschnitte nach Bekanntmachung des Auswahlverfahrens im Bundesanzeiger, nach Kenntnis der Auswahlkriterien sowie nach Mitteilung der Auswahlentscheidung. Hilft die Kommune der jeweiligen Rüge nicht ab, muss der Bieter innerhalb der im Gesetz festgelegten Frist von 15 Kalendertagen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem zuständigen Gericht stellen. Sehen die Bewerber dagegen von einer Rüge erkennbarer Mängel innerhalb der vorgegebenen Fristen ab oder beantragen sie nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, können sie den erkennbaren und nicht gerügten Fehler zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr geltend machen und sind insoweit entsprechend präkludiert. Zur Vorbereitung einer Rüge gegen die Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG verpflichtet § 47 Abs. 3 EnWG 2017 die Kommune, dem Bewerber auf Antrag Akteneinsicht zu gewähren. Die Akteneinsicht kann seitens der Kommune nur versagt werden, soweit dies zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geboten ist. Eine weitere wesentliche Neuerung sehen § 46 Abs. 2 S. 4 und S. 5 EnWG 2017 vor. Danach ist für die wirtschaftlich angemessene Vergütung grundsätzlich der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Es besteht aber die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung.27 Die Gemeinde bleibt bei der Auswahl des zukünftigen Vertragspartners den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet. Der Gesetzgeber hat in § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG 2017 allerdings klargestellt, dass unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden können. Überdies stellt der Gesetzgeber in § 46 Abs. 4 S. 3 EnWG 2017 klar, dass bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien die Gemeinde berechtigt ist, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen.

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BT-Drucks. 17/6248, S. 21. BGBl. I 2017, 130–132. Zu den Einzelheiten siehe Kapitel 4. Zu den Einzelheiten vgl. Kapitel 6 B. I. 3.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

§ 46 Abs. 5 S. 1 EnWG 2017 verpflichtet die Kommune explizit, die unterlegenen Bewerber über die Gründe für die Nichtannahme ihrer Angebote sowie den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses zu informieren. 47 Der bislang in § 46 Abs. 2 S. 4 und 5 EnWG 2011 geregelte Auskunftsanspruch der Gemeinde findet sich nunmehr in § 46a EnWG. Die Informationen über die wirtschaftliche Situation des Netzes werden dahingehend konkretisiert, dass auch kalkulatorische Netzdaten herauszugeben sind.28 48 Mit der Neufassung des § 48 Abs. 4 EnWG 2017 wird die zuvor bestehende Jahresfrist zur Fortzahlung der Konzessionsabgaben nach Vertragsablauf aufgehoben. Die vertraglich vereinbarten Konzessionsabgaben sind nunmehr bis zur Übertragung der Verteilungsanlagen auf den neuen Konzessionär zu zahlen. Eine Ausnahme gilt für den Fall, wenn die Gemeinde es unterlassen hat, ein Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 EnWG zu führen. 49 Zwar sollen die neuen Regelungen und insbesondere das Rügeregime nach der Gesetzesbegründung nicht rückwirkend in Kraft treten. Der Gesetzgeber hat allerdings in § 118 Abs. 23 EnWG29 eine Übergangsregelung zur Anwendung des § 47 EnWG getroffen. Danach ist das Rügeregime gemäß § 47 EnWG auf laufende Konzessionierungsverfahren, in denen am Tag des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes schon die Auswahlkriterien und deren Gewichtung bekannt gegeben wurden, mit der Maßgabe anwendbar, dass die in § 47 Abs. 2 S. 1 bis 3 EnWG genannten Fristen mit Zugang einer Aufforderung zur Rüge beim jeweiligen Unternehmen beginnen. 46

2. Rechtliche Einordnung der Wegenutzungsverträge 50 Lange Zeit umstritten war die rechtliche Qualifizierung des Konzessionsvertrags. Überwiegend wurde er als öffentlich-rechtlicher Vertrag oder als sog. gemischter Vertrag eingestuft.30 Nach nunmehr gefestigter Meinung31 ist der Konzessionsvertrag dem bürgerlichen Recht zuzuordnen.32 Damit ist für Streitigkeiten aus dem Konzessionsvertrag grundsätzlich der Zivilrechtsweg eröffnet.33 Untermauert wird dies durch die Vorschrift von § 8 Abs. 10 FStrG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen, wonach sich die Einräumung von Rechten zur Nutzung des Eigentums an Straßen nach

28 Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH zu § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG 2011, vgl. Urteil vom 14.4.2015, EnZR 11/14, RdE 2015, 350 ff. – Gasnetz Springe. 29 Ursprünglich war diese Regelung in § 118 Abs. 20 EnWG 2017 enthalten. Wegen einer versehentlichen Dopplung des Abs. 20 wurde dies später korrigiert durch Änderung der Absatzfolge. 30 Zacher, S. 192 ff. m. w. N. 31 Berl.K-EnR/Wegner, § 46 EnWG, Rn 53; a. A. VG Aachen, Beschl. v. 13.4.2011 – 1 L 113/11. 32 BGHZ 15, 113, 115, sowie für straßenrechtliche Wegenutzungen BGHZ 37, 535; BGHZ 52, 229, 239; BGHZ 132, 198, 201; VG München, Beschluss vom 13.8.2018 – M 2 K 18/1675; Morell, S. 59; Tettinger, DVBl 1991, 786 ff. 33 Schoch/Schmitdt-Aßmann/Pietzner/Ehlers, § 40 Rn 346 m. w. N.  















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A. Überblick

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bürgerlichem Recht richtet, wenn der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird.34 Gleiches gilt, wenn wie im Land Berlin die straßenrechtliche Sondernutzung öffentlichrechtlich ausgestaltet ist.35

II. Abgrenzung der Wegenutzungsverträge im Strom- und Gasbereich zu Dienstleistungskonzessionen Bei den Wegenutzungsverträgen im Strom- und Gasbereich handelt es sich nicht um Dienstleistungskonzessionen.36 Eine Dienstleistungskonzession wird definiert als ein entgeltlicher, schriftlich geschlossener Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.37 Indes handelt es sich bei den Wegenutzungsverträgen nicht um Verträge über die Beschaffung einer Dienstleistung für die Gemeinde. Wegenutzungsverträge sind Verträge über die Nutzung von gemeindlichen öffentlichen Wegen, Straßen ec. zum Zweck der Verlegung und des Betriebs von Energieversorgungsanlagen. Durch die Wegenutzungsverträge wird weder eine Ausschließlichkeit noch eine Versorgungspflicht mit Strom oder Gas begründet.38 Auch der europäische Richtliniengeber und der Gesetzgeber gehen davon aus, dass es sich bei Wegenutzungsverträgen im Bereich Strom und Gas nicht um Dienstleistungskonzessionen handelt. So gelten gemäß Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2014/23/EU Vereinbarungen über die Gewährung von Wegerechten hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Liegenschaften für die Bereitstellung oder den Betrieb fester Leitungen und Netze, über die eine Dienstleistung für die Allgemeinheit erbracht werden soll, nicht als Konzession. Diese Erwägungen gelten namentlich für Wegnutzungsverträge im Sinne des § 46 EnWG.39 Dass auch der BGH Wegenutzungsverträge nicht als Dienstleistungskonzessionen im Sinne des Vergaberechts einstuft, wird insbesondere aus seinen Aussagen in der Entscheidung „Gasnetz Berlin“ aus dem Jahr 2021 deutlich. Darin wiederholt der BGH zunächst seine in vorherigen Entscheidungen getroffene Aussage, dass das Kartellvergaberecht weder direkt noch entsprechend auf Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG

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Schoch/Schmitdt-Aßmann/Pietzner/Ehlers, § 40 Rn 346. Vgl. LG Berlin, Urt. v. 9.12.2014, 16 O 224/14 Kart, Rn 43. Vgl. Kment/Huber, § 46 Rn 65. Art. 5 Nr. 1b RL 2014/23/EU. Vgl. Huber in Kment, 2017, § 46 Rn 65; Kermel/Wagner, RdE 2014, 221, 222. BT-Drs. 18/8184, S. 10.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

angewandt werden könne.40 Überdies sei „anders als im Vergaberecht die Neuvergabe von Wegenutzungsrechten keine Umsetzung eines autonomen Beschaffungsbeschlusses der jeweiligen Gemeinde“.41

B. Abgrenzung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge 55 Nach § 46 Abs. 1 EnWG haben die Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die

Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Wegenutzungsverträge sind danach Verträge über die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie dienen.

I. Unterscheidung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge/Abgrenzung § 46 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG 56 § 46 EnWG unterscheidet zwischen verschiedenen Formen von Wegenutzungsverträ-

gen. § 46 Abs. 1 EnWG bezieht sich dabei ganz allgemein auf Verträge über die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet. Erfasst werden von dieser Vorschrift mithin auch Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung i. S. des § 46 Abs. 2 gehören.42 Demgegenüber erfassen § 46 Abs. 2 bis Abs. 6 nur Verträge, die Leitungen zum Gegenstand haben, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Sinne von § 3 Nr. 17 EnWG gehören. Letztere Verträge werden in Abgrenzung zu den einfachen Wegenutzungsverträgen als qualifizierte Wegenutzungsverträge oder Konzessionsverträge bezeichnet. An die qualifizierten Wegenutzungsverträge knüpft das Gesetz, wie noch zu zeigen sein wird, erheblich strengere Anforderungen. Die sprachliche Unterscheidung zwischen einfachen und qualifizierten Wegenutzungsverträgen oder Konzessionsverträgen hat sich in der Rechtspraxis eingebürgert, auch wenn diese Begriffe selbst im Gesetz nicht verwendet werden. In den sich anschließenden Ausführungen werden die in der Rechtspraxis verwendeten Begriffe übernommen. Danach gilt:  

40 BGH, Urt. v. 28.1.2020, EnZR 99/18, Rn 26 ff. – Gasnetz Leipzig. 41 BGH, Urt. v. 9.3.2021, KZR 55/19, Rn 37 – Gasnetz Berlin. 42 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn 26 – Stromnetz Berkenthin.  

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B. Abgrenzung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge

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1. Einfache Wegenutzungsverträge Einfache Wegenutzungsverträge sind Wegenutzungsverträge über die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas im Gemeindegebiet dienen, und bei denen die Leitungen nicht zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören. § 46 Abs. 1 EnWG umfasst alle Leitungen unabhängig von ihrer Ausgestaltung, etwa als Kabel oder als Freileitung, und unabhängig von ihrer Spannungs- oder Druckebene. Damit werden grundsätzlich alle Arten von Leitungen erfasst, d. h. Niederspannungsleitungen, Mittelspannungsleitungen, Hoch- und Höchstspannungsleitungen für den Strombereich und für den Gasbereich Niederdruck-, Mitteldruck- und Hochdruckleitungen, soweit sie der unmittelbaren Versorgung im Gemeindegebiet dienen.43 § 46 Abs. 1 EnWG erfasst alle Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet dienen. Erfasst werden auch diejenigen Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz im Sinne des § 3 Nr. 16 EnWG bzw. zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 3 Nr. 17 EnWG gehören.44 Nicht erheblich ist, ob die Leitungen neben der örtlichen Versorgung auch noch Transportfunktion haben.45 Nicht unter § 46 Abs. 1 EnWG fallen dagegen Leitungen mit ausschließlich weiterverteilendem Charakter. Hier fehlt es an der Letztverbrauchereigenschaft des Kunden. Letztverbraucher sind nach § 3 Nr. 25 EnWG nur diejenigen Kunden, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen. Die Berechtigung zur Nutzung öffentlicher Verkehrswege bezieht sich sachlich nicht nur auf Energieleitungen, sondern auch auf Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör („einschließlich“). Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung dienen notwendigen betrieblichen Steuerungen und stehen damit in einem untrennbaren Zusammenhang zu Energieleitungen. Beispielsweise dienen Rundsteueranlagen dem Ziel, Input und Output über mehrere Verbraucher im Einklang zu halten. Dazu müssen Signale hin- und hertransportiert werden.46 Vom Leitungsbegriff erfasst wird nach § 46 Abs. 1 EnWG auch das Zubehör der Leitungen. Zubehör im Sinne des § 97 BGB sind Sachen, die dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind. Darunter fallen beispielsweise Ortsnetzstationen, Kabelschränke sowie Druckreglerstationen der Gasversorgung.47 Nicht erfasst von dem Begriff der Energieanlagen bzw. des Zubehörs werden dagegen Kraftwerke, gleich welcher Art. Gasspeicher sind dagegen dann als Energieanlagen bzw. Zubehör für die der örtlichen Versorgung dienenden Gasleitungen anzuse-

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BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 38. Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2022, KZR 66/12, Rn 26 – Stromnetz Berkenthin. BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 39. Salje, EnWG, § 45 Rn 30. BerlK-EnR/Wegner, 4. Aufl., § 46 EnWG Rn 38; Büdenbender, § 13 Rn 26; Salje, EnWG, § 46, Rn 32.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

hen, wenn sie für die unmittelbare Endverbraucherversorgung zur Flankierung des Netzbetriebs unverzichtbar sind.48 64 Zusammenfassend werden von § 46 Abs. 1 EnWG alle Teile des Netzes erfasst, die zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet benötigt werden, ohne dass der Anwendungsbereich des § 46 Abs. 1 EnWG hierauf beschränkt ist.

2. Qualifizierte Wegenutzungsverträge = Konzessionsverträge 65 Qualifizierte Wegenutzungsverträge sind demgegenüber Verträge über die Nutzung der

öffentlichen Verkehrswege für den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören. Sie werden im Folgenden auch Konzessionsverträge genannt. 66 Das EnWG definiert in § 3 Nr. 17 Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung als Energieversorgungsnetze, die der Verteilung von Energie an Dritte dienen und von ihrer Dimensionierung nicht von vornherein nur auf die Versorgung bestimmter, schon bei Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer Letztverbraucher ausgelegt sind, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes Letztverbrauchers offen stehen. Merkmal eines solchen Netzes ist mithin die Versorgung Dritter im Sinne von Letztverbrauchern in Abgrenzung zur Eigenversorgung. Darüber hinaus ist ein solches Netz dadurch gekennzeichnet, dass bezogen auf seine Dimensionierung eine unbestimmte Zahl an Anschlussnehmern beabsichtigt ist.

II. Abgrenzung Leitungen und Netze 67 Im Hinblick auf die strengen gesetzlichen Vorgaben bei Vorliegen eines Energieversor-

gungsnetzes der allgemeinen Versorgung bedarf es einer Abgrenzung von Direktleitungen bzw. Stichleitungen oder Leitungen, die nur für die Versorgung bestimmter oder bestimmbarer Kunden errichtet werden oder wurden. Des Weiteren ist das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung i. S. des § 46 Abs. 2 EnWG von den weiteren Netzarten abzugrenzen.  

1. Direktleitungen, Stichleitungen, Kundenanlagen 68 Eine Direktleitung ist ausweislich der Definition in § 3 Nr. 12 EnWG eine Leitung, die

einen einzelnen Produktionsstandort mit einem einzelnen Kunden verbindet, oder eine Leitung, die einen Elektrizitätserzeuger und ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen zum Zwecke der direkten Versorgung mit ihrer eigenen Betriebsstätte, Toch-

48 Büdenbender, § 13 Rn 26. Kermel

B. Abgrenzung einfache und qualifizierte Wegenutzungsverträge

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terunternehmen oder Kunden verbindet, oder eine zusätzlich zum Verbundnetz errichtete Gasleitung zur Versorgung einzelner Kunden. Die zweite Variante der Begriffsbestimmung macht deutlich, dass auch Stichleitungen Direktleitungen sein können. Direktleitungen werden zwar vom Anwendungsbereich des § 46 Abs. 1 EnWG erfasst, sie sind aber schon per Definition nicht Teil eines Netzes im Sinne des EnWG.49 Stichleitungen verbinden ein Energieversorgungsnetz mit einem einzelnen Anschlussnehmer.50 Stichleitungen können Teil eines Energieversorgungsnetzes im Sinne von § 3 Nr. 16 EnWG sein. Direktleitungen und Stichleitungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Regel Leitungen einer Spezialversorgung sind und daher nicht auf eine allgemeine Versorgung abzielen.51 Ebenfalls nicht Teil eines Netzes im Sinne von § 3 Nr. 16 oder Nr. 17 EnWG sind Kundenanlagen im Sinne des § 3 Nr. 24a bzw. Nr. 24b EnWG. Kundenanlagen sind Energieanlagen zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden, mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind, für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. § 3 Nr. 24b EnWG definiert wiederum Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung als Energieanlagen zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden, mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind, fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen oder fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen sowie jedermann zum Zwecke der Belieferung der an sie angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Kundenlagen sind keine Energieversorgungsnetze (§ 3 Nr. 16 EnWG), sondern Energieanlagen zur Abgabe von Energie, die die besonderen Voraussetzungen der § 3 Nr. 24a oder Nr. 24b, dort jeweils die Buchstaben a) bis d), erfüllen. In der Praxis spielt die Kundenanlage im Sinne von § 24a EnWG häufig eine Rolle im Zusammenhang mit Quartierslösungen oder Mieterstrommodellen.

49 Vgl. BGH, Beschl. v. 18.10.2011, EnVR 68/10 Rn 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.0.2015 – VI-5 Kart 9/14 (V), Rn 28, 31. 50 BGH, Urt v. 10.11.2004, VIII ZR 391/03, RdE 2005, 79; Elspas/Graßmann/Rasbach/dies., EnWG, § 3 Rn 47. 51 Vgl. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, § 3 EnWG, Rn 100; Britz/Hellermann/Hermes, Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., § 3 EnWG, Rn 33. Kermel

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Hinzuweisen ist schließlich noch auf reine Durchgangsleitungen. Da sie ausschließlich weiterverteilenden Charakter haben, nicht dagegen Letztverbraucher im Gemeindegebiet versorgen, fallen sie nicht unter § 46 Abs. 1 EnWG.

2. Arealnetze, geschlossene Verteilnetze etc. 75 § 46 EnWG unterscheidet für die Abgrenzung einfacher und qualifizierter Wegenut-

zungsvertrag danach, ob die betreffenden Energieleitungen zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören oder ob es sich allgemein um Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet handelt, die mithin zu einem Energieversorgungsnetz im Sinne von § 46 Abs. 1 EnWG handelt. Da die damit verbundenen Folgen erheblich sind, stellt sich die Frage, wie die anderen Netzformen, insbesondere Arrealnetze oder geschlossene Verteilernetze einzustufen sind. 76 Das Arealnetz kann bei Vorliegen der in § 3 Nr. 17 EnWG genannten Voraussetzungen ein Energienetz der allgemeinen Versorgung sein. Soweit der Netzbetreiber öffentliche Verkehrswege nutzt, gelten die in § 46 Abs. 2 EnWG genannten Beschränkungen. Liegen die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 17 EnWG nicht vor, findet bei der Nutzung öffentlicher Verkehrswege § 46 Abs. 1 EnWG Anwendung. 77 Die Einstufung als geschlossenes Verteilernetz erfolgt nach § 110 EnWG nur, wenn keine Letztverbraucher, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, über das Netz versorgt werden oder nur eine geringe Zahl von solchen Letztverbrauchern, wenn diese ein Beschäftigungsverhältnis oder eine vergleichbare Beziehung zum Eigentümer oder Betreiber des Netzes unterhalten. Solchermaßen definierte geschlossene Verteilernetze fallen, soweit der Netzbetreiber öffentliche Verkehrswege nutzt, in den Anwendungsbereich des § 46 EnWG und können im Einzelfall ein Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung darstellen.52

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen I. Gegenstand und Inhalt der Wegenutzungsverträge und rechtliche Abgrenzung zu anderen Verträgen 1. Inhalt der Wegenutzungsverträge nach § 46 EnWG 78 Gegenstand eines Wegenutzungsvertrags ist die Vereinbarung über die Einräumung

eines Wegerechts zur Nutzung gemeindlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet gegen Zahlung von Konzessionsabgaben zwischen Gemeinde und EVU. Handelt es sich bei diesen Leitungen um solche, die zu einem Energieversorgungs-

52 Vgl. BerlK-EnR/Wegner, 4. Aufl., § 46 EnWG Rn 58. Kermel

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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netz der allgemeinen Versorgung i. S. d. § 3 Nr. 17 EnWG gehören, handelt es sich um einen qualifizierten Wegenutzungsvertrag oder Konzessionsvertrag i. S. d. § 46 Abs. 2 EnWG.  







2. Trennung der allgemeinen Anschluss- und der allgemeinen Versorgungspflicht Der Inhalt des Konzessionsvertrags nach geltendem Recht unterscheidet sich von denjenigen nach dem bis 2005 geltenden Recht erheblich.53 Jedenfalls seit Inkrafttreten des 2. NeuregelungsG wird über den Konzessionsvertrag nur noch der zur allgemeinen Anschlusspflicht nach § 18 EnWG verpflichtete Netzbetreiber bestimmt, nicht dagegen mehr das zur allgemeinen Versorgung verpflichtete Versorgungsunternehmen, das im EnWG als Grundversorger bezeichnet wird. Der Konzessionsnehmer hat als Betreiber des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet nach § 18 Abs. 1 EnWG (nur noch) allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss von Letztverbrauchern in Niederspannung oder Niederdruck und für die Anschlussnutzung durch Letztverbraucher zu veröffentlichen sowie zu diesen Bedingungen jedermann an sein Energieversorgungsnetz anzuschließen und die Nutzung des Anschlusses zur Entnahme von Energie zu gestatten. Dagegen besteht seitens des Konzessionsnehmers aufgrund der konzessionsvertraglichen Beziehung keine entsprechende Verpflichtung hinsichtlich der Allgemeinen Versorgung mit Energie, wie es noch § 10 EnWG 1998 vorgesehen hatte. Die allgemeine Pflicht zur Versorgung der Haushaltskunden, d. h. die Grundversorgungspflicht, obliegt nach § 36 EnWG dem Grundversorger. Die Herausnahme der allgemeinen (Grund-)Versorgungspflicht aus dem Konzessionsvertrag ist Folge der seit den sog. EU-Beschleunigungsrichtlinien Strom54 und Gas55 zwingend vorgegebenen Entflechtung des Netzbetriebs von den übrigen Bereichen wie beispielsweise dem Versorgungsbereich: Um einen effizienten und nichtdiskriminierenden Netzzugang zu gewährleisten, sollen die Netze durch unterschiedliche Rechtspersonen betrieben werden, wenn vertikal integrierte Unternehmen bestehen.56 Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt des Netzbetreibers sollen nach dem

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80

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53 In der Literatur wurde teilweise bereits unter der Geltung des EnWG 1998 die Versorgungsbezogenheit der Konzession nach § 13 Abs. 2 verneint. So insb. Erman, RdE 2003, 171, 174; ders., et 2005, 272; ähnlich Kermel, RdE 2005, 153, 156 f. 54 Richtlinie 2003/54/EG v. 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37). 55 Richtlinie 2003/55/EG v. 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57). 56 Vgl. Erwägungsgrund (8) und Art. 10 und 15 der Richtlinie 2003/54/EG für Übertragungs- und Stromverteilernetzbetreiber; Erwägungsgrund (10) und Art. 9 und 13 der Richtlinie 2003/55/EG für Fernleitungsund Gasverteilernetzbetreiber.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

gemeinschaftsrechtlichen Versorgungskonzept von den übrigen Tätigkeitsbereichen unabhängig sein. Versorgung und Netzbetrieb werden also getrennt. 83 Der deutsche Gesetzgeber hat diese Entflechtungsvorgaben der EU-Beschleunigungsrichtlinien in den §§ 6 ff. EnWG umgesetzt. 84 Darüber hinaus verlangt die Beschleunigungsrichtlinie Strom von den Mitgliedstaaten die Schaffung eines Grundversorgers, indem es sie verpflichtet, dafür Sorge zu tragen,  

„… dass alle Haushaltskunden (…) in ihrem Hoheitsgebiet über eine Grundversorgung verfügen, d. h. das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu wettbewerbsfähigen, leicht und eindeutig vergleichbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Preisen haben“.57  

85 Entsprechend sehen §§ 36 f. EnWG die Bestimmung eines Grundversorgers und eine  

Verpflichtung zur Belieferung von Haushaltskunden zu allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Preisen vor.

3. Exkurs: Grundversorgungspflicht 86 Nach § 36 Abs. 1 EnWG obliegt dem Grundversorger die Pflicht, für Netzgebiete, in de-

nen er die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das EVU aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. 87 Die Regelung beinhaltet eine sondergesetzlich geregelte privatrechtliche Vertragsabschlusspflicht, d. h. einen Kontrahierungszwang zu Lasten des EVU.58 Der Kontrahierungszwang begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, dass allerdings nur die Pflicht zum Abschluss eines Versorgungsvertrags nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts, nicht dagegen die Pflicht zur unmittelbaren Leistung durch Vorhaltung und Lieferung von Energie auslöst.59 Der Pflicht des EVU auf Versorgung entspricht auf Seiten des Haushaltskunden der Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages. 88 Eine besondere Form für den Abschluss von Grundversorgungsverträgen ist nicht vorgesehen. Der Vertrag soll in Textform nach § 126b BGB abgeschlossen werden (§ 2 Abs. 1 S. 1 StromGVV/GasGVV). Er kann aber auch auf andere Weise, etwa mündlich oder durch Entnahme von Energie aus dem Verteilungsnetz zustande kommen.60  

57 58 59 60

Art. 27 Abs. 1 S. 1 Richtlinie (EU) 2019/944. Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 36. Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 36. Zu den Einzelheiten vgl. Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 39 ff.  

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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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a) Haushaltskunden Anspruchsberechtigte der Grundversorgung sind nach § 36 EnWG Haushaltskunden. 89 Diese werden in § 3 Nr. 22 EnWG definiert als „Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen“.

Der Begriff „Haushaltskunde“ hat seine Grundlage in den bereits genannten EU-Beschleunigungsrichtlinien Strom und Gas aus dem Jahr 2003. So werden die Mitgliedstaaten in Art. 3 Abs. 3 der Beschleunigungsrichtlinie Strom verpflichtet, jedenfalls allen Haushaltskunden eine Grundversorgung zur Verfügung zu stellen. Haushaltskunden sind danach alle Kunden, die Elektrizität oder Gas für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, dies schließt gewerbliche und berufliche Tätigkeiten nicht mit ein.61 Auch in der Beschleunigungsrichtlinie Gas ist nur die Rede davon, dass die Mitgliedstaaten für einen angemessenen Schutz schutzbedürftiger Kunden zu sorgen haben.62 Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat sich demgegenüber für ein einheitliches Schutzniveau für Haushaltskunden im Strom- und Gasbereich entschieden. Darüber hinaus hat er von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Schutzbereich der Grundversorgung auch auf andere als im Gemeinschaftsrecht definierte Haushaltskunden auszuweiten.63 Neben den Abnehmern für private Zwecke (1. Alt.) wurden auch solche Abnahmeverhältnisse mit einbezogen, die Energie für nicht private Zwecke (2. Alt) abnehmen. In beiden Alternativen muss es sich um Letztverbraucher handeln, die über ein Netz der allgemeinen Versorgung versorgt werden. Als Letztverbraucher kommen alle natürlichen und juristischen Personen unabhängig von ihrer Gesellschaftsform in Betracht (§ 3 Nr. 25 EnWG).64 Hiervon abzugrenzen sind weiterverteilende Kunden oder Energiehändler. Auch muss die Versorgung über ein Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung erfolgen, um einen Anspruch auf Grundversorgung zu begründen, wie sich aus § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG ergibt. So gelten, wie der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt hat, die Regelungen über die Grundversorgungspflicht nicht für geschlossene Verteilernetze i. S. d. § 110 EnWG.65 Haushaltskunden sind zum einen diejenigen Letztverbraucher, die die Energie überwiegend zum Eigenverbrauch im Haushalt verwenden. Ein Eigenverbrauch zu anderen Zwecken schadet nicht, soweit er den Privatverbrauch nicht übersteigt.66 Für  

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61 Art. 2 Nr. 10 der Beschleunigungsrichtlinie Strom. 62 Art. 3 Abs. 3 der Beschleunigungsrichtlinie Gas. 63 Vgl. BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 9. 64 Durch Gesetzesänderung im Jahr 2016 gilt auch der Strombezug der Ladepunkte für Elektromobile als Letztverbrauch. 65 Vgl. § 36 Abs. 4 EnWG. 66 BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 11. Kermel

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

diese Haushaltskunden hat der Gesetzgeber keine Abnahmemengen festgelegt, deren Überschreitung zum Ausscheiden aus der Grundversorgung führt. Energie, die überwiegend für den privaten Verbrauch im Haushalt bezogen wird, unterfällt also der Grundversorgung unabhängig von dem Jahresverbrauch. 94 Demgegenüber sieht das Gesetz für Letztverbraucher, die die Energie für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke gebrauchen, eine maximale Abnahmemenge von 10.000 kWh vor. Deren Überschreitung führt dazu, dass bezogen auf die Gesamtmenge der für den Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke bezogenen Energie kein Anspruch auf Grundversorgung besteht.67

b) Versorgung zu Allgemeinen Bedingungen und Preisen 95 Die Pflicht zur Versorgung nach § 36 EnWG besteht nur zu Allgemeinen Bedingungen

und Preisen. Eine Versorgungspflicht zu Sonderkonditionen und dementsprechend einen Anspruch auf Gewährung von Bedingungen und Preisen, die von den allgemeinen Bedingungen und Preisen abweichen, wird durch § 36 EnWG nicht begründet.68 96 Allgemeine Bedingungen in diesem Sinne sind die §§ 2 bis 23 StromGVV bzw. GasGVV vom 26.10.2006. Der Verordnungsgeber hat insoweit von der in § 39 Abs. 2 EnWG vorgesehenen Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht. Neben den auf dem Verordnungswege erlassenen Allgemeinen Bedingungen können die EVU auch eigene (ergänzende) Bedingungen erlassen, soweit die Verordnungen dafür Spielraum geben.69 97 Keinen Gebrauch gemacht hat der Verordnungsgeber dagegen von der Verordnungsermächtigung des § 39 Abs. 1 EnWG für die Gestaltung der Allgemeinen Preise. Eine Preiskontrolle kommt hier in der Regel nur über die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht in Betracht. Hier ist insbesondere die Regelung in § 29 GWB70 zu nennen, durch die die Preismissbrauchsaufsicht im Energiebereich verschärft worden ist. Daneben kommt eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle der von den EVU geforderten allgemeinen Preise auf der Grundlage von § 315 BGB in Betracht. 98 Die allgemeinen Preise und Bedingungen sind öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen. Dabei bezieht sich diese Pflicht nicht auf die im Verordnungswege erlassenen Allgemeinen Bedingungen (StromGVV/GasGVV), da diese im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden sind, sondern auf die eigenen (ergänzenden) Bedingungen des Grundversorgers.71

67 Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 78. 68 BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 7. 69 S. hierzu im Einzelnen BerlK-EnR/Busche, § 39 EnWG, §§ 1 StromGVV/GasGVV Rn 3. 70 Eingefügt durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18.12.2007, BGBl. I S. 2966. 71 Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn133 ff.  

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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

c) Niederspannung/Niederdruck Die in § 36 EnWG statuierte Grundversorgungspflicht besteht nach wie vor nur in der 99 Versorgung in Niederspannung (Strom) bzw. in Niederdruck (Gas).

d) Wirtschaftliche Zumutbarkeit Das Gesetz sieht in § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG eine Ausnahme von der Grundversorgungs- 100 pflicht vor. Danach besteht die Pflicht zur Grundversorgung dann nicht, wenn die Versorgung für das EVU aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Diese Ausnahmeregelung ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb geboten, weil die Grundversorgungspflicht in die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit eingreift.72 Anknüpfungspunkt für das Freiwerden von der Grundversorgungspflicht ist die 101 wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Energielieferung. Dabei ist als Maßstab die wirtschaftliche Unzumutbarkeit isoliert für das jeweilige Versorgungsverhältnis zu ermitteln und nicht die Auswirkungen des Einzelgeschäfts auf die Rentabilität des Grundversorgers zu betrachten.73 Abzuwägen ist dabei das Allgemeininteresse an einer Sicherstellung der Grundversorgung für eine möglichst große Zahl potenziell zur Grundversorgung berechtigter Personen gegen das Individualinteresse des Grundversorgers, solche Abnehmer von der Grundversorgung auszuschließen, die hohe Risiken darstellen. Nicht jede wirtschaftlich ungünstige Abweichung von dem in den allgemeinen Preisen und Bedingungen verkörperten „Normalabnahmeverhältnis“ kann insoweit bereits zu einem Freiwerden von der Grundversorgungspflicht führen. Es muss tatsächlich eine erhebliche Abweichung von den typisierten Verhältnissen vorliegen, die es rechtfertigt, dass das Allgemeininteresse an einer Grundversorgung dem Individualinteresse des Grundversorgers weicht.74 Gründe für die wirtschaftliche Unzumutbarkeit können dabei sowohl in der Person 102 des Grundversorgungsberechtigten (z. B. Zahlungsunfähigkeit) als auch in dem Abnahmeverhältnis (z. B. unzureichende Dimensionierung von Leitungsverbindungen) liegen.75  



e) Weitere Einschränkungen von der Grundversorgungspflicht Eine weitere Einschränkung von der Grundversorgungspflicht ist in § 37 EnWG geregelt 103 für den Fall, dass der Energieabnehmer eine Eigenanlage zur Energieerzeugung betreibt oder sich von einem Dritten versorgen lässt.

72 Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 155. 73 BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 20 m. z. N.; zu § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG 1998, BGH WuW/E/BGH 1648, 1649 „Braunlage“; Büdenbender, Rn 793. 74 KG RdE 1997, 239, 244; AG Hamburg RdE 1987, 148, 149, BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 20. 75 Zu den verschiedenen Gründen s. ausführlich Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 158 ff.  





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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

f) Feststellung des Grundversorgers im Gemeindegebiet 104 Wem die Grundversorgungspflicht obliegt, ist in § 36 Abs. 2 EnWG geregelt. Grundver-

sorger i. S. d. Abs. 1 ist jeweils das EVU, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. Bei der Bestimmung des Netzgebietes der allgemeinen Versorgung nach § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG ist grundsätzlich vom jeweiligen Konzessionsgebiet auszugehen, weil die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern i. S. d. § 18 Abs. 1 EnWG typischerweise auf der Grundlage eines Konzessionsvertrags erfolgt.76 105 Festgestellt wird der Grundversorger alle drei Jahre jeweils zum 1.7. für die nächsten drei Kalenderjahre durch den jeweiligen Betreiber des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung. Er hat die Feststellung des Grundversorgers bis zum 30.9. des Jahres im Internet zu veröffentlichen und der nach Landesrecht zuständigen Behörde schriftlich mitzuteilen. Über Einwände gegen das Ergebnis der Feststellungen, die bis zum 31.10. des jeweiligen Jahres bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde einzulegen sind, entscheidet diese nach Maßgabe der Sätze 1 und 2. 106 Wird der Grundversorger für einen 3-Jahreszeitraum festgestellt, stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Grundversorger während der drei Jahre, für die sein Status festgestellt worden ist, seine Geschäftstätigkeit einstellt. In einem solchen Fall gelten nach dem Gesetz (§ 36 Abs. 2 S. 4 EnWG) die Sätze 2 und 3 entsprechend. Damit meint der Gesetzgeber offensichtlich, dass durch den Betreiber des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung nach diesen Regelungen, ein neuer Grundversorger festzustellen ist, ohne an die dort genannten Termine gebunden zu sein.77 Hierdurch soll ein Zustand ohne Grundversorger vermieden werden.  







g) Folgen des Wechsels des Grundversorgers 107 Schließlich regelt § 36 Abs. 3 EnWG, was im Falle des Wechsels eines Grundversorgers

infolge einer Feststellung nach § 36 Abs. 2 EnWG mit den bestehenden Lieferverhältnissen mit Haushaltskunden in der Grundversorgung geschieht: „Im Falle eines Wechsels des Grundversorgers infolge einer Feststellung nach Absatz 2 gelten die von Haushaltskunden mit dem bisherigen Grundversorger auf der Grundlage des Absatzes 1 geschlossenen Energielieferverträge zu den im Zeitpunkt des Wechsels geltenden Bedingungen und Preisen fort“. 108 Aus dieser Formulierung geht nicht zweifelsfrei hervor, ob diese Verträge unverändert

mit dem alten oder dem neuen Grundversorger fortgelten. Schaut man allerdings in die Gesetzesbegründung, wird deutlich, dass die Vertragsverhältnisse mit dem bisherigen Grundversorger unverändert fortgelten. So heißt es dort:

76 Schreiben des BMWi und der Aufsichtsbehörden v. 15.2.2007. 77 BerlK-EnR/Busche, § 36 EnWG Rn 37. Kermel

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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„Absatz 3 stellt klar, dass im Falle eines Übergangs der Verpflichtung zur Grundversorgung nach Absatz 2 auf ein anderes EVU die mit dem bisherigen Grundversorger geschlossenen Lieferverträge nicht auf den neuen Grundversorger übergehen, sondern unverändert mit dem bisherigen Vertragspartner fortbestehen. Die Möglichkeit zur Kündigung des Vertrages bleibt unberührt“.78

h) Zulässigkeit von § 36 Abs. 2 EnWG abweichenden vertraglichen Vereinbarungen? Ausweislich der Regelungen in §§ 36 und 46 EnWG ist die Aufgabe der Gemeinden auf 109 die Auswahl des Betreibers des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung beschränkt. Zwar wurde im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat der Vorschlag eingebracht, den Gemeinden das Bestimmungsrecht für den Grundversorger zumindest in den Fällen zu gewähren, in denen Versorgungsgebiet und Gemeindegebiet identisch sind.79 Ausweislich der Gegenäußerung der Bundesregierung vom 28.10.2004 zu der Stellungnahme des Bundesrates wurde dieser Vorschlag jedoch abgelehnt.80 Den Gemeinden ist folglich das Bestimmungsrecht darüber, wer in ihrem Gemein- 110 degebiet Grundversorger ist, durch Gesetz entzogen worden. Dementsprechend können die Gemeinden in Konzessionsverträgen den Vertragspartner auch nicht verpflichten, die Lieferverhältnisse mit Haushaltskunden in der Grundversorgung nach Ablauf des Konzessionsvertrages auf den neuen Konzessionsnehmer zu übertragen. Der Grundversorgerstatus ergibt sich allein aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 EnWG. Eine Übertragung des Grundversorgerstatus aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung kommt im Hinblick auf die mit der Grundversorgereigenschaft verbundenen Pflichten nicht in Betracht.81

II. Parteien der Wegenutzungsverträge Partei des Wegenutzungsvertrages ist nach dem Wortlaut des § 46 EnWG die Gemeinde 111 auf der einen Seite und das EVU auf der anderen Seite.

1. Gemeinden (und Städte) und sonstige kommunale Einrichtungen Nach dem Wortlaut von § 46 EnWG trifft die Pflicht zur diskriminierungsfreien Zur- 112 verfügungstellung der öffentlichen Verkehrswege die Gemeinden. Hierunter fallen kreisangehörige und kreisfreie Städte sowie Gemeinden bzw. Ortsgemeinden.82 Die Bezeichnung richtet sich nach dem Kommunalrecht des jeweiligen Bundeslandes.

78 BT-Drucks. 15/3917, S. 66. 79 BT-Drucks. 15/3917, S. 89 li. Sp. 80 BT-Drucks. 15/4068, S. 7 li. Sp; so ausdrücklich auch Scholtka, NJW 2005, 2421, 2426. 81 So auch die Auffassung des BMWi sowie der Aufsichtsbehörden der Länder wiedergegeben in einem Schreiben v. 15.2.2007. 82 Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 248; Salje, EnWG, § 46 Rn 13. Kermel

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

2. Samt- und Verbandsgemeinden 113 In manchen Bundesländern werden einzelne Gemeinden zu Verwaltungseinheiten un-

terhalb der Landkreise zusammengefasst. 114 So sieht Niedersachsen die Möglichkeit der Bildung von Samtgemeinden vor.83 Danach können Gemeinden eines Landkreises, die mindestens 400 Einwohnerinnen und Einwohner haben, zur Stärkung der Verwaltungskraft Samtgemeinden bilden. Dabei soll eine Samtgemeinde mindestens 7000 Einwohner haben. Auch gemeindefreie Gebiete können Samtgemeinden angehören. Samtgemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften mit dem Recht der Selbstverwaltung. Sie sind Gemeindeverbände und besitzen Dienstherrnfähigkeit.84 115 Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sehen dagegen die Möglichkeit der Bildung von Verbandsgemeinden vor.85 Verbandsgemeinden sind aus Gründen des Gemeinwohls gebildete Gebietskörperschaften, die aus benachbarten Gemeinden des gleichen Landkreises bestehen. Sie erfüllen neben den Ortsgemeinden öffentliche Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.86 116 Samtgemeinden und Verbandsgemeinden nehmen bestimmte Gemeindeaufgaben originär wahr. Sie sind insoweit selbst Gemeinden im kommunalverfassungsrechtlichen Sinn. Darüber hinaus können ihnen die Ortsgemeinden Selbstverwaltungsaufgaben zur eigenen Wahrnehmung nach Maßgabe des in der Gemeindeordnung geregelten Verfahrens übertragen. Hierzu gehört auch der Abschluss von Wegenutzungsverträgen. Ist dies geschehen, sind diese Samt- oder Verbandsgemeinden Gemeinden i. S. d. § 46 EnWG.87  



3. Landkreise 117 Landkreise sind nach den Kommunalverfassungen der Länder kommunale Gebiets-

körperschaften oberhalb der Gemeindeebene. Allerdings können sie nach § 7 KAV Gläubiger eines Anspruchs auf Konzessionsabgaben sein, soweit ihnen die Gemeinden die Wegerechte gem. § 1 Abs. 2 KAV zur Verfügung stellen. Dies spricht dafür, dass auch Landkreise als eine Art Zusammenschluss von Gemeinden und weil sie nach den Gemeindeordnungen der Länder vergleichbar Gemeinden verfasst sind, vom Gemeindebegriff des § 46 Abs. 1 EnWG erfasst sind.88

83 Vgl. §§ 71 ff. der NGO. 84 § 71 Abs. 3 NGO. 85 §§ 64 ff. GemO R-P; §§ 1 ff. des VerbGemG LSA. 86 § 64 Abs. 1 GemO R-P; § 1 VerbGemG LSA. 87 Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 248; Salje, EnWG, § 46 Rn 14. 88 So Salje, EnWG, § 46 Rn 13; a. A. Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 248; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 Rn 34.  







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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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4. Kommunale Zweckverbände Zweckverbände werden gebildet, um Aufgaben, mit deren Erfüllung eine Kommune al- 118 lein überfordert wäre, in Zusammenarbeit auszuführen. Dies gilt sowohl für den Bereich eigener wie auch für übertragene Angelegenheiten. Mit der Bildung des Zweckverbands erfolgt eine Kompetenzverlagerung auf den Zweckverband.89 Anders als die Landkreise werden die Zweckverbände in der KAV als Berechtigte 119 zur Vereinnahmung von Konzessionsabgaben nicht erwähnt. Allerdings waren sie in der Vorgängerverordnung zur KAV, der KAE, ausdrücklich in § 1 Abs. 1 als Berechtigte aufgeführt. Diese Vorschrift gilt im Wasserbereich fort. Da die KAE jedoch im Stromund Gasbereich keine Anwendung mehr findet, sprechen die besseren Gründe dafür, die Stellung von Zweckverbänden als Vertragspartner eines Konzessionsvertrages im Strom- und Gasbereich zu verneinen.

5. Interimsregelungen bei Gebietsreformen (Gebietsarrondierung) Im Hinblick auf die Laufzeit von Konzessionsverträgen kann es vorkommen, dass es 120 während der Vertragsdauer zu Gebietsänderungen kommt, in deren Folge die vertragsschließende Gemeinde aufgelöst oder Gebietsteile aus dieser Gemeinde ausgegliedert werden. So sieht beispielsweise § 10 GO Rheinland-Pfalz vor, dass aus Gründen des Gemeinwohls – Gemeinden aufgelöst und ihr Gebiet in eine oder mehrere andere Gemeinden eingegliedert werden, – Gemeinden aufgelöst und aus ihrem Gebiet eine oder mehrere neue Gemeinden gebildet werden, – Gebietsteile aus einer oder mehreren Gemeinden ausgegliedert und aus ihnen eine neue Gemeinde gebildet werden, – Gebietsteile aus einer Gemeinde ausgegliedert und in eine andere Gemeinde eingegliedert werden können. In den 70er Jahren wurde in ganz Deutschland eine Gebietsreform durchgeführt. Teils 121 aus historischen Gründen, teils durch unterschiedlich starke Entwicklung waren bis Ende der 60er Jahre große Unterschiede bei der Größe von Gemeindeflächen und Einwohnerzahlen entstanden, die zu einem starken Gefälle in Attraktivität, Wirtschaftskraft und Steueraufkommen führten. Angesichts der vorhandenen, durchweg als zu klein angesehenen Gemeinden und Landkreise wurden durch Zusammenlegungen und Gebietsneufestsetzungen wesentlich größere Einheiten geschaffen. Gebietsänderungen gab es auch nach der Wiedervereinigung.

89 Vgl. §§ 1 ff. NKomZG; §§ 2 ff. ZwVG.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Auch heute finden noch Gebietsänderungen statt. Voraussetzung ist dabei das Vorliegen eines öffentlichen Grunds bzw. eines dringenden öffentlichen Grunds.90 Gründe des öffentlichen Wohls sind alle Interessen der Allgemeinheit an der Grenzänderung, die den unveränderten Bestand der Grenzen überwiegen. In Betracht kommen beispielsweise die Schaffung einer einheitlichen Umwelt- und Lebensqualität, die Erhöhung der Effizienz der kommunalen Verwaltung, die Förderung der Ziele der Raumordnung oder die Stärkung der kommunalen Verwaltungskraft.91 123 Wie aber wirken sich die Gebietsänderungen auf den Wegenutzungsvertrag aus? Bleibt das Vertragsverhältnis bestehen und wenn ja, mit wem? 124 Teilweise finden sich in den Konzessionsverträgen diesbezüglich Regelungen. So heißt es beispielsweise: 122

„Sollte das Konzessionsgebiet ganz oder teilweise in eine andere Gebietskörperschaft eingegliedert werden, wird dadurch das Vertragsverhältnis mit dem EVU nicht berührt. Die vom EVU mit Gas belieferten Gebiete werden auch weiterhin vom EVU beliefert.“ 125 Auch die Gemeindeordnungen enthalten Regelungen über die Wirkungen der Gebiets-

änderung. So sieht beispielsweise § 11 GO Rheinland-Pfalz in seinen Absätzen 6 und 7 vor, dass die an der Gebietsänderung beteiligten Gemeinden untereinander die Folgen der Gebietsänderung durch Vereinbarung regeln können. Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor oder reicht deren Inhalt nicht aus, bestimmt die Aufsichtsbehörde die Folgen der Gebietsänderung. Die Änderung des Gemeindegebiets sowie die Vereinbarung über die Gebietsänderung begründen nach § 12 GO Rheinland-Pfalz Rechte und Pflichten der beteiligten Gemeinden. Sie bewirken den Übergang, die Beschränkung und die Aufhebung von dinglichen Rechten. 126 Die beteiligten Gemeinden werden im Rahmen dieser Vereinbarung unter anderem den Übergang der vertraglichen Verhältnisse mit Dritten auf die „neue“ Gemeinde regeln. Im Verhältnis zu dem am Konzessionsvertrag beteiligten EVU ist eine solche ausdrückliche Regelung zwar möglich, aber nicht erforderlich. Die Rechte und Pflichten gehen auf die „neue“ Gemeinde im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge automatisch über.92 Einer Zustimmung durch das Energieversorgungsunternehmens bedarf es daher nicht. 127 Eine Gebietsänderung führt weder zu einer automatischen Beendigung des Konzessionsvertrages noch wird dadurch ein Sonderkündigungsrecht begründet. Sieht der Vertrag daher kein ausdrückliches Sonderkündigungsrecht vor, ist der Vertrag mit der „neuen“ Gemeinde auch dann fortzusetzen, wenn er keine ausdrückliche Regelung enthält. Dies lässt sich aus dem im Recht geltenden Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) ableiten.

90 Vgl. z. B. § 10 GO RP, Art. 11 GO Bayern, Art. 98 Verfassung des Landes Brandenburg. 91 Geis, § 9 Rn 5. 92 Muth, § 10 Rn 6.  

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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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Probleme können allerdings dann entstehen, wenn beide beteiligten Gemeinden 128 über ihr jeweiliges Gemeindegebiet je einen Konzessionsvertrag geschlossen haben, der vorsieht, dass der Vertrag auch für neu hinzukommende Gemeindegebiete gilt. Sind die Vertragspartner der beiden Gemeinden nicht identisch, könnten aus einer solchen Regelung Schadensersatzansprüche resultieren. Ohnehin sprechen gute Argumente dafür, dass eine solche Regelung unwirksam wäre. Hierdurch würde das in § 46 Abs. 3 EnWG vorgeschriebene Konzessionierungsverfahren umgangen bzw. das Gebot diskriminierungsfreier Vergabe verletzt werden.93

6. Staatliche Gebietskörperschaften Andere öffentliche Gebietskörperschaften wie insbesondere Bund und Länder, die 129 ebenfalls Eigentümer von Straßen und Wegen sein können, werden nicht von dem Anwendungsbereich des § 46 EnWG erfasst.94 Dies ist verständlich, da Bundes- oder Landesstraßen für die unmittelbare Versorgung von Letztverbrauchern nur in Ausnahmefällen benötigt werden. Ist dies der Fall, werden insoweit im Einzelfall Gestattungsverträge nach dem Vorbild des § 8 Abs. 10 FStrG geschlossen. Diese beschränken sich darauf, die Benutzung des Straßengrundstücks oder -körpers unentgeltlich einzuräumen und die Bedingungen hierfür festzulegen.95 Aufgrund der zahllosen Verträge zwischen diesen Wegeeigentümern und den Leitungsunternehmen wurden verschiedene Musterverträge entwickelt. Zu nennen sind hier das Muster eines Straßenbenutzungsvertrages und eines sog. Gegenvertrages sowie eines Rahmenvertrages.96

Praxistipp 1 Gemeinden, Städte sowie Samt- und Verbandsgemeinden können zulässigerweise Vertragspartner von Wegenutzungsverträgen sein. Bei Landkreisen ist dies strittig, aber wohl ebenfalls zu bejahen. Zweckverbände können dagegen nicht (mehr) Vertragspartner von Wegenutzungsverträgen im Strom- und Gasbereich sein.

III. Vertragspartner der Gemeinden § 46 Abs. 1 EnWG begünstigt EVU. Dies sind nach der in § 3 Nr. 18 EnWG enthaltenen De- 130 finition „natürliche und juristische Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer die Verfügungsbefugnis besitzen […]“.

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Siehe hierzu Kapitel 3 C. Vgl. BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 33. Vgl. hierzu ausführlich Kodal/Krämer/Bauer, S. 735. Kodal/Krämer/Bauer, S. 751.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

131 Als Vertragspartner kommt daher auch eine Bietergemeinschaft in Form einer Innenge-

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sellschaft bürgerlichen Rechts ohne eigene Rechtspersönlichkeit in Betracht. Während Vertragspartner eines Konzessionsvertrags ein Netzbetreiber oder ein Netzeigentümer sein kann, kommt bei einem einfachen Wegenutzungsvertrag auch ein die Letztversorgung betreibendes EVU als Vertragspartner in Betracht.97 Vom Anwendungsbereich des § 46 EnWG ausgeschlossen sind dagegen Unternehmen, die Leitungen zur Eigenversorgung betreiben, soweit sie nicht aus anderen Gründen EVU sind.98 Ist danach das EVU Gläubiger des Anspruchs auf Einräumung des Wegenutzungsrechts nach § 46 Abs. 1 EnWG kann Vertragspartner auf Seiten des vertikal integrierten EVU sowohl die Gesellschaft sein, die das Netz betreibt als auch ein anderes dazu gehöriges Unternehmen, solange die entflechtungsrechtlichen Vorgaben des EnWG gewahrt bleiben. Das EnWG verlangt keine Identität von tatsächlichem Netzbetreiber und Konzessionsvertragspartner. Wer letztlich Vertragspartner wird, hängt teilweise von historischen Gegebenheiten und teilweise davon ab, welches Modell innerhalb des vertikal integrierten EVU gewählt wird. Soweit die Netzgesellschaft Eigentümerin werden soll, wird überwiegend der Konzessionsvertrag mit der Netzgesellschaft geschlossen. Demgegenüber kommt bei dem sog. Pachtmodell innerhalb des vertikal integrierten EVU sowohl die Eigentümergesellschaft (Verpächter) als auch der Netzbetreiber (Pächter) als Vertragspartner in Betracht.

IV. Öffentliche Verkehrswege 137 § 46 EnWG erfasst nur solche Leitungen, die „öffentliche Verkehrswege“ in Anspruch

nehmen. Verkehrswege der Gemeinden sind Straßen, Wege und Plätze einschließlich Fahrradwege, Gehwege und zugehörige Parkplätze, soweit sie für eine Leitungsverlegung üblicherweise in Betracht kommen. Nach § 1 Abs. 4 FStrG gehören zu den (Bundesfern-)Straßen der Straßenkörper, der Luftraum über dem Straßenkörper, das Zubehör (z. B. Verkehrszeichen und Bepflanzung), die Nebenanlagen (Straßenmeistereien, Gerätehöfe etc.) sowie die Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen.  

1 Praxistipp Da zu den Straßen auch der Luftraum über dem Straßenkörper zählt, fallen auch solche Leitungen darunter, die oberhalb der öffentlichen Verkehrswege verlaufen. Dies sollte ggf. im Wegenutzungsvertrag klargestellt werden.

97 Salje, EnWG, § 46 Rn 54. 98 BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 23; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 Rn 40. Kermel

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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1. Gewidmete bzw. Grundstücke, auf denen öffentlicher Verkehr stattfindet Ein öffentlicher Verkehrsweg liegt immer dann vor, wenn er dem öffentlichen Verkehr 138 gewidmet ist. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Straßeneigentum und der Stellung als Träger der Straßenbaulast; beide Rechtsstellungen können auseinanderfallen. Im Falle der Trägerschaft der Straßenbaulast geht jedoch das Eigentum auf den neuen Straßenbaulastträger über.99 Die Widmung ist ein hoheitlicher Akt, durch den Straßen, Wege und Plätze einer 139 bestimmten, im öffentlichen Interesse stehenden Nutzung zugeführt werden, der sie dann ausschließlich dienen. Dabei ist die Widmung aber an keine bestimmte Form gebunden, sie kann daher auch durch schlüssiges Handeln erfolgen.100 Durch Widmung überlässt die Gemeinde öffentlichen Grund und Boden einer bestimmten Nutzung im Rahmen des sog. Gemeingebrauchs. Jede abweichende Nutzung stellt dann eine Sondernutzung dar und muss beantragt werden. Dabei reicht es auch aus, wenn die Wege nur beschränkt dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Gemeingebrauch ist das jedermann zustehende Recht, die öffentlichen Straßen, 140 Wege und Plätze im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum fließenden und ruhenden Verkehr in Anspruch zu nehmen.101 Eine öffentlich-rechtliche Sondernutzung liegt dagegen vor, wenn die konkrete Benutzung den Gemeingebrauch beeinträchtigt oder konkret geeignet ist, den Gemeingebrauch zu beeinträchtigen.102 Daneben kennt das Straßenrecht des Bundes und der Länder noch die sog. sonstige Benutzung der öffentlichen Straßen, die sich nach bürgerlichem Recht richtet. Nach § 8 Abs. 10 FStrG ist die sonstige Nutzung die Nutzung von Bundesfernstraßen, die den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, wobei eine Beeinträchtigung von nur kurzer Dauer für Zwecke der öffentlichen Versorgung außer Betracht bleibt.103 Die Verlegung von Leitungen im Straßenkörper ist weder Gemeingebrauch noch Sondernutzung; sie vollzieht sich außerhalb des öffentlichen Rechts nach privatrechtlichen Grundsätzen (§ 8 Abs. 10 FStrG), solange der Gemeingebrauch nicht oder nur kurzzeitig für Zwecke der öffentlichen Versorgung beeinträchtigt wird.104 Da nach Auffassung des BGH und der wohl h. M. die gesamten Rechtsbeziehungen, die bei einer Inanspruchnahme der Straßen durch EVU zwischen den Beteiligten entstehen, durch die Regelung des § 8 Abs. 10 FStrG und durch die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen dem bürgerlichen  

99 Vgl. § 6 FStrG. 100 Schneider/Theobald/Albrecht, § 8 Rn 17. 101 Vgl. § 7 FStrG. 102 Kodal/Krämer/Grote, S. 696 f. 103 Das Berliner und das Hessische Straßenrecht weichen von § 8 Abs. 10 FStrG ab. So bedarf nach dem § 12 des BerlStrG jede Benutzung der öffentlichen Straßen für die Zwecke der öffentlichen Versorgung neben der privatrechtlichen Zustimmung des Straßeneigentümers auch der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis der Straßenaufsicht. §§ 4, 17 des HWegG gehen von einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Straßenhoheit aus und verlangen für die Verlegung von Leitungen in den Straßenkörper stets und ausschließlich eine hoheitliche Erlaubnis der Wegeaufsichtsbehörde. 104 Salje, EnWG, § 46 Rn 24.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Recht unterstellt werden,105 sind neben den Konzessionsverträgen auch die Gestattungsverträge als privatrechtliche Verträge einzuordnen.106 141 Öffentliche Verkehrswege im Sinne von § 46 Abs. 1 EnWG sind aber nicht nur die gewidmeten Straßen i. S. d. Landesstraßengesetze. Vielmehr reicht es für die Bejahung eines öffentlichen Verkehrsweges aus, dass die Gemeinde auf ihrem Grund den öffentlichen Verkehr eröffnet hat und sich dieser im Rahmen des Gemeingebrauchs hält.107 142 Denn die Gemeinde kann auch ohne dass eine Widmung vorliegt, faktisch auf dem in ihrem Eigentum stehenden Weg den öffentlichen Verkehr zulassen. Ob die Gemeinde als Straßenbaubehörde einen Weg als öffentliche Straße widmet oder ihn als Privatweg dem öffentlichen Verkehr zugänglich macht, obliegt ihrer Entscheidung. Diese Entscheidung könne jedoch keinen Einfluss auf ihre Gestattungspflichten nach § 46 Abs. 1 EnWG haben, da ansonsten die Gemeinde durch die Bestimmung des rechtlichen Status ihrer Wege steuernd in die Energieversorgung eingreifen und sich ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 46 Abs. 1 EnWG entziehen könnte. Vor diesem Hintergrund sei das Merkmal der „öffentlichen Verkehrswege“ in dem Sinne zu verstehen, dass es – ungeachtet einer Widmung – ausreicht, wenn der Verkehrsweg tatsächlich dem öffentlichen Verkehr eröffnet worden ist und in rechtlich zulässiger Weise zu Verkehrszwecken genutzt werden könne.108  



1 Praxistipp Auch nicht gewidmete Verkehrswege werden von dem Anwendungsbereich des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG erfasst, wenn auf ihnen öffentlicher Verkehr stattfindet und sich dieser im Rahmen des Gemeingebrauchs hält.

2. Fiskalische Grundstücke 143 Nicht von der Verpflichtung nach § 46 EnWG erfasst werden dagegen sog. fiskalische

Grundstücke der Gemeinde. Hierbei handelt es sich um im Eigentum der Gemeinde stehende Grundstücke, die nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder auf denen kein öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Ein Anspruch auf Nutzung dieser Grundstücke für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Energie im Gemeindegebiet lässt sich für diese Grundstücke aus dieser Bestimmung nicht ableiten.

105 BGHZ 37, 353, 354 f. „Ruhrschnellweg“. 106 Insoweit dürfte die Behauptung von Salje, EnWG, § 46 Rn 23, es handele sich um öffentlich-rechtliche Verträge, rechtsfehlerhaft sein. 107 BGH, Urt. v. 11.11.2008 – KZR 43/07 – „Neue Trift“ Rn 11, N&R 2009, 196, 198 = RdE 2009, 378 ff. 108 BGH, Urt. v. 11.11.2008 – KZR 43/07 – „Neue Trift“ Rn 11, N&R 2009, 196, 198 = RdE 2009, 378 ff.; BerlKEnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 46; Danner/Theobald/Theobald, § 46 EnWG Rn 16.  





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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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Einige dieser fiskalischen Grundstücke werden nun allerdings von der Duldungspflicht nach der NAV/NDAV erfasst. So verpflichtet § 12 NAV Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, für Zwecke der örtlichen Versorgung das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegenden Grundstücke zuzulassen. Im Gasbereich findet sich eine vergleichbare Regelung in § 12 NDAV. Soweit fiskalische Grundstücke an das entsprechende Netz angeschlossen sind, kann deren Nutzung über diese Vorschriften ermöglicht werden. Allerdings besteht nach diesen Bestimmungen eine Duldungspflicht dann nicht, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde. Auch kann der Grundstückseigentümer die Verlegung der Einrichtungen verlangen, wenn sie an der bisherigen Stelle für ihn nicht mehr zumutbar sind. Die Duldungspflicht nach § 12 NAV bzw. NDAV besteht darüber hinaus maximal bis zu 3 Jahre nach Einstellung der Anschlussnutzung. Fiskalische Grundstücke, die nicht an das jeweilige Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung angeschlossen sind, werden in der Praxis häufig durch ausdrückliche vertragliche Regelungen in den Wegenutzungsvertrag mit einbezogen. Dem EVU wird danach das Recht eingeräumt, auch diese Grundstücke im gleichen Maße wie öffentliche Verkehrsflächen nutzen zu können. Gleichzeitig wird ihm von der Gemeinde das Recht eingeräumt, die Nutzung dieser Grundstücke durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB sichern zu lassen. Im Gegenzug verpflichtet sich das EVU, für die dadurch entstehende Wertminderung eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Der Vorteil einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit liegt in der sog. dinglichen Sicherung des Wegenutzungsrechts. Da sie im jeweiligen Grundbuch eingetragen wird, wirkt sie im Falle des späteren Erwerbs durch einen Dritten auch diesem gegenüber. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sind zwar grundsätzlich nicht übertragbar (§ 1092 Abs. 1 BGB). Dies gilt allerdings nicht für solche Dienstbarkeiten, die einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Person zustehen, und die dazu berechtigen, ein Grundstück für Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffen einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen, zu nutzen. Diese können nach § 1092 Abs. 3 BGB übertragen werden. Dagegen kann die Ausübung dieser Dienstbarkeit einem Dritten nur dann überlassen werden, wenn der Grundstückseigentümer die Überlassung gestattet hat (§ 1092 Abs. 1 BGB). Insoweit empfiehlt es sich, die Überlassung zur Ausübung der Dienstbarkeit an einen Dritten von vornherein in den Wegenutzungsvertrag aufzunehmen. Eine solche dingliche Sicherheit in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kommt bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Flächen ebenso wenig in Betracht wie Grunddienstbarkeiten.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

3. Folgen der Entwidmung öffentlicher Verkehrswege 148 Es kommt immer wieder vor, dass während der Laufzeit des Wegenutzungsvertrages

Grundstücke der Gemeinde eine Nutzungsänderung erfahren, was eine Entwidmung des betroffenen Grundstücks zur Folge haben kann. Eine solche findet insb. dann statt, wenn die Gemeinde Grundstücke veräußern möchte. Je nach Ausgestaltung des Wegenutzungsvertrages kann dies zur Folge haben, dass Energieleitungen nicht mehr von § 46 EnWG erfasst und im schlimmsten Fall verlegt werden müssen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass vertraglich, d. h. rein schuldrechtlich eingeräumte Grundstücknutzungsrechte keine Rechtswirkung gegenüber dem neuen Grundstückseigentümer entfalten. Er kann dann ggfs. die Entfernung dieser Leitungen von seinem Grundstück verlangen, soweit nicht die Regelung in § 12 NAV/NDAV dies verhindert. 149 Um zu vermeiden, dass im Falle der Veräußerung von Grundstücken, die zuvor im gemeindlichen Eigentum standen und in bzw. auf den Energieleitungen i. S. d. § 46 EnWG verlegt sind, Leitungsverlegungen notwendig werden, sollte die Gemeinde im Wegenutzungsvertrag entsprechend verpflichtet werden. Dies passiert in der Regel dadurch, dass dem EVU das Recht eingeräumt wird, im Falle der Entwidmung bzw. des beabsichtigten Verkaufs zuvor eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen zu lassen. Auch in diesem Fall muss das EVU allerdings eine angemessene Entschädigung zahlen.  





V. Beschreibung der typischen Regelungen und Ausgestaltungen

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1. Laufzeiten in Wegenutzungsverträgen Ob und welche Laufzeiten bei Wegenutzungsverträgen im Energiebereich zu beachten sind, richtet sich nach der Art des Vertrages. So sieht § 46 EnWG für einfache Wegenutzungsverträge keine Laufzeitbegrenzung vor. Die in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geregelte 20-jährige Laufzeitbegrenzung gilt für diese Verträge nicht. Einfache Wegenutzungsverträge können daher auf unbestimmte oder auch auf eine bestimmte Zeit geschlossen werden. Demgegenüber unterliegen qualifizierte Wegenutzungsverträge oder Konzessionsverträge der in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geregelten Laufzeitbegrenzung.109 Diese Verträge dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren geschlossen werden. Die Laufzeitbegrenzung soll zusammen mit der Verpflichtung zur Übertragung der notwendigen Verteilungsanlagen im Falle des Konzessionswechsels und dem in § 46 Abs. 3 EnWG geregelten Bekanntmachungsverfahren den Wettbewerb um Netze si-

109 Zur Frage, ob die Laufzeitbegrenzung in § 46 Abs. 2 EnWG noch zeitgemäß ist, vgl. Vorauflage Kermel, Kapitel 2 A. III. 5. c).  





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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

cherstellen, indem zumindest alle 20 Jahre ein Wechsel des Betreibers des Netzes der allgemeinen Versorgung ermöglicht wird.110 Die Laufzeitbegrenzung von Konzessionsverträgen darf auch nicht dadurch umgan- 154 gen werden, dass die Gemeinde das Konzessionierungsverfahren nach § 46 Abs. 3 EnWG nicht rechtzeitig beginnt bzw. beliebig in die Länge zieht. Gemeinden sind gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG zur Neuvergabe der Konzession nach spätestens 20 Jahren verpflichtet. Sie können die Absicht, eine Konzession zu vergeben, anders als im Kartellvergaberecht des GWB nicht aufgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt hinausschieben.111 Die Bewerber haben einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf rechtzeitige Durchführung und den rechtzeitigen und rechtmäßigen Abschluss eines fairen wettbewerblichen Verfahrens.112 Aber auch wenn die Gemeinde mit dem Konzessionierungsverfahren rechtzeitig be- 155 ginnt, ist es vielfach nicht möglich, einen (wirksamen) Vertragsschluss vor Ablauf der 20 Jahre herbeizuführen oder gar eine Netzübergabe abzuschließen, ohne dass dies von der Gemeinde gewollt ist. Ursache für die Verzögerung vieler Konzessionsverfahren ist tatsächlich das 2017 eingeführte Rügeregime gemäß § 47 EnWG, obwohl das Rügeregime nicht zuletzt auf eine Beschleunigung der Konzessionsvergabe abzielt.113 So hat der Gesetzgeber den Energieversorgungsunternehmen mit 30 bzw. 15 Kalendertagen sehr enge zeitliche Grenzen zur Erhebung von Rügen und zur gerichtlichen Geltendmachung im Falle der Nichtabhilfe der Rügen gesetzt. Auch hat er in § 47 Abs. 5 EnWG die Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung angeordnet und dadurch zunächst auf zwei Instanzen begrenzt. Allerdings wird die Beschleunigung der Konzessionsverfahren dadurch konterkariert, dass den Gemeinden bezüglich der Entscheidung über die Rügen keine Frist gesetzt worden ist. Die Gemeinden können sich daher mit der Entscheidung über die Rügen Zeit lassen. In der Praxis liegt die Zeitdauer häufig bei mindestens 6 Monaten. Überdies behandeln die Gerichte die Rügeverfahren regelmäßig tatsächlich als 156 Hauptsacheverfahren. Auch dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Verfahrensdauer. Es ist nicht unüblich, dass die häufig über 2 Instanzen laufenden gerichtlichen Verfahren zwischen 1 und 1 ½ Jahren dauern. Berücksichtigt man zusätzlich, dass Hauptsacheverfahren weiterhin zulässig und bis zu 3 Rügeverfahren pro Konzessionsvergabe möglich sind, wird die Wahrscheinlichkeit von erheblichen Verzögerungen und die Nichteinhaltung der 20 Jahresfrist deutlich. Dafür verantwortlich sind aber nicht die Verfahrensbeteiligten, sondern der Gesetzgeber.

110 Vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021, KZR 55/19, Rn 18, 37 -Gasnetz Berlin; BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, Rn 34 – Stromnetz Heiligenhafen; BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 4, 40; Schneider/Theobald/Albrecht, § 6 Rn 67 unter Hinweis auf Gesetzesentwurf der BReg. BT-Drucks. 13/7274, S. 21. 111 Vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021, KZR 55/19, Rn 65. – Gasnetz Berlin. 112 Vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021, KZR 55/19, Rn 65. – Gasnetz Berlin; Kermel/Vaulont, RdE 2021, 466 ff. 113 BT-Drs. 18/8184, S. 16.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Unabhängig davon kommt es allerdings immer wieder vor, dass die Gemeinden auch im Rahmen der Rügeverfahren Konzessionsverfahren zu verzögern versuchen. Hat das Gericht im Einzelfall das Konzessionierungsverfahren beanstandet, versuchen vereinzelt Gemeinden, das Konzessionierungsverfahren weiter zurückzusetzen, als für die Heilung der Rechtsverletzung erforderlich ist. Vielfach sollen damit dem präferierten Bewerber Vorteile eingeräumt werden. So hat das Land Berlin etwa im Konzessionierungsverfahren Gas nicht mit dem eigentlich einzig verbliebenen Bewerber den Konzessionsvertrag geschlossen, sondern das Verfahren auf einen Zeitpunkt zurückversetzen wollen, zu dem der präferierte Bieter noch nicht hätte ausgeschlossen werden müssen. Im Hinblick auf die hierdurch bewirkte Aushöhlung der Laufzeitbegrenzung hat der BGH in der Entscheidung Gasnetz Berlin entschieden, dass auch in einem Verfahren, das fehlerhaft war, weil die Gemeinde die Vergabekriterien materiell oder formell nicht rechtmäßig bestimmt, nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben oder nicht fehlerfrei angewendet hat, es einen Anspruch auf Erteilung der Konzession des einzigen verbliebenen Bewerbers geben kann mit der Folge, dass eine Zurücksetzung unzulässig wäre.114 Dazu müssten sich die Auswahlmöglichkeiten unter den besonderen Umständen des Einzelfalls dahin verdichtet haben, dass trotz des fehlerhaften Verfahrens eine Vergabeentscheidung und die Erteilung der Konzession nur zugunsten des einzig verbliebenen Bewerbers ermessensfehlerfrei sei. Dies sei der Fall, wenn allein auf diese Weise das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren zwar nicht vollkommen, aber unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht werden könnte.115

2. Folgepflicht und Folgekostenpflicht 158 Auch wenn das Gesetz keine Vorgaben macht, sollten in den Wegenutzungsverträgen

Regelungen über Folgepflichten des Energieversorgungsunternehmens infolge von Baumaßnahmen an den öffentlichen Verkehrswegen und die hierdurch entstehenden Folgekosten getroffen werden.

a) Verursacher der Baumaßnahmen 159 Insbesondere die Konzessionsverträge werden in der Regel über die maximal zulässige Laufzeit von 20 Jahren geschlossen. Innerhalb dieses langen Zeitraums ist es wahrscheinlich, dass Baumaßnahmen an den öffentlichen Verkehrswegen erforderlich sein werden, die eine Veränderung an Teilen des Energieverteilernetzes der allgemeinen Versorgung erforderlich machen. Ebenso wahrscheinlich ist die Notwendigkeit von

114 Vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021, KRZ 55/19, Rn 39. – Gasnetz Berlin. 115 Vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021, KRZ 55/19, Rn 39. – Gasnetz Berlin. Kermel

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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Maßnahmen an den Versorgungsleitungen, die auch Maßnahmen an den öffentlichen Verkehrswegen notwendig machen. Dementsprechend kann Verursacher von Baumaßnahmen einmal die Gemeinde 160 und ein anderes Mal der Netzbetreiber sein. Es kommt aber auch vor, dass ein Dritter Baumaßnahmen verursacht, etwa ein anderes Versorgungsunternehmen. Für diese Fälle muss zum einen geregelt werden, ob und ggf. inwieweit das Versor- 161 gungsunternehmen durch Straßenbaumaßnahmen notwendige Veränderungen an seinen Versorgungsanlagen akzeptieren muss (sog. Folgepflicht). Zum anderen muss geregelt werden, wer in welchen Fällen die Kosten für die Veränderung an den Versorgungsanlagen übernimmt (sog. Folgekostenpflicht).

b) Folgepflicht Unter dem Begriff der Folgepflicht versteht man indes nur die vertraglich begründete 162 Pflicht des EVU, in den Fällen, in denen kommunale Maßnahmen Sicherungen, Änderungen oder Umverlegungen an den bestehenden Versorgungsanlagen des EVU erfordern, diese durchzuführen. Als kommunale Maßnahmen sind Gründe des Straßenbaus, der Verkehrssicherheit oder aus sonstigen Gründen des öffentlichen Interesses anzusehen. In den Konzessionsverträgen findet sich dabei etwa die folgende Regelung: „Erfordern kommunale Maßnahmen im öffentlichen Interesse Änderungen oder Sicherungen der bestehenden Versorgungsanlagen des EVU auf Vertragsgrundstücken, so führt das EVU nach schriftlicher Aufforderung durch die Gemeinde die Änderung oder Sicherung in angemessener Frist durch (Folgepflicht).“

Die Folgepflicht des EVU wird im Einzelfall allerdings auch auf die Fälle ausgeweitet, in 163 denen Veränderungen nicht durch die Straße, sondern durch andere Einrichtungen wie beispielsweise Entsorgungseinrichtungen der Gemeinde notwendig werden. Vor dem Hintergrund des in § 3 KAV geregelten Nebenleistungsverbots sind solche Regelungen jedenfalls dann kritisch zu betrachten, wenn dies auf Kosten des EVU erfolgen soll.116 Eine Folgepflicht in dem Sinne, dass die Gemeinde ihre öffentlichen Verkehrswege 164 in vergleichbaren Fällen zu verändern hat, findet sich in den Wegenutzungsverträgen demgegenüber nicht. Soweit Baumaßnahmen oder Veränderungen von Versorgungsleitungen auf den Vertragsgrundstücken durchgeführt werden sollen, ist dies zuvor mit der Kommune abzustimmen. Das EVU hat die in Anspruch genommenen Flächen der Kommune nach Fertigstellung ihrer Anlagen auf ihre Kosten wiederherzurichten. Gleichzeitig haftet sie innerhalb der vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist für auftretende Mängel.

116 Siehe Kapitel 3 D. Kermel

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

c) Folgekostenpflicht 165 Neben der Folgepflicht bedarf es auch einer vertraglichen Regelung darüber, wer dieje-

nigen Aufwendungen zu tragen hat, die aus der Durchführung der Folgepflichten entstehen. Träger der Folgepflicht und Träger der Folgekosten müssen keinesfalls identisch sein. 166 Die Tragung dieser als Folgekosten bezeichneten Aufwendungen hängt zum einen davon ab, wer sie verursacht hat. Ist dies das EVU, trägt es auch die Folgekosten. Vielschichtiger ist dies dagegen in den Fällen, in denen die Gemeinde die Folgekosten verursacht hat. In diesem Fall sehen die Konzessionsverträge vermehrt eine ausschließliche Kostentragungspflicht des EVU vor. Nur noch vereinzelt finden sich in den Verträgen Regelungen, nach denen die Kosten von der Gemeinde und dem EVU je hälftig zu tragen sind. Vereinzelt richtet sich in Wegenutzungsverträgen aber auch die Kostentragung nach dem Alter der Verteilungsanlagen. So findet sich beispielsweise die Regelung: „Erfolgt die Anpassung der Versorgungsanlagen auf Veranlassung der Stadt, werden die Kosten wie folgt getragen: – In den ersten fünf Jahren nach der Errichtung oder Erneuerung der anzupassenden Versorgungsanlagen tragen die Stadt und das EVU die Kosten je zur Hälfte. – Sind seit der Errichtung oder Erneuerung der anzupassenden Versorgungsanlagen fünf Jahre, aber noch nicht zehn Jahre vergangen, trägt die Stadt 1/3 und das EVU 2/3 der Kosten. – Sind die anzupassenden Versorgungsanlagen älter als zehn Jahre, trägt das EVU die Kosten der Anpassung und Sicherung allein.“ 167 Hat dagegen ein Dritter die Veränderung, Verlegung oder Sicherung an Verteilungs-

anlagen verursacht, soll nach dem Willen beider Vertragsparteien dieser auch die Folgekosten tragen. Da der Dritte aber nicht Partei des Wegenutzungsvertrags ist, kann hier zu seinen Lasten keine Verpflichtung begründet werden. Da aber die Gemeinde in der Regel in diesen Fällen näher an diesem Dritten dran ist, fällt es auch in ihren Verantwortungsbereich, dem Dritten diese Kosten aufzuerlegen. Daher treffen Kommune und EVU im Konzessionsvertrag häufig folgende Regelung: „Die Gemeinde trägt die Folgekosten, in den Fällen und in der Höhe, in denen ein Dritter verpflichtet ist oder von der Gemeinde verpflichtet werden könnte, die Folgekosten zu erstatten oder soweit sich ein Dritter an den Kosten der gemeindlichen Maßnahmen beteiligt. Dies gilt nicht für Beiträge, Gebühren, und privatrechtliche Entgelte nach abgaberechtlichen Vorschriften.“ 168 Die vorgenannten Folgekostenregelungen gelten in der Regel nur für Veränderungen an

Versorgungsanlagen, die in öffentlichen Straßen verlegt sind. Das Recht zur Nutzung dieser Grundstücke leitet sich allein aus den Wegenutzungsverträgen ab. Eine dingliche Sicherung, etwa durch Eintragung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten erfolgt bezogen auf diese Grundstücke in der Regel nicht. Allerdings befinden sich Teile des Energieverteilnetzes der allgemeinen Versorgung häufig auch auf fiskalischen bzw. entwidmeten Grundstücken der Gemeinde. Diese Versorgungsanlagen sind dann in der Regel durch eine im jeweiligen Grundbuch eingetragene beschränkte persönliche DienstKermel

C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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barkeit gem. § 1090 BGB dinglich gesichert. Für diesen Fall sieht § 1023 Abs. 1 BGB vor, dass der Grundstückseigentümer zwar die Verlegung der Leitung auf dem Grundstück verlangen kann, allerdings muss er die Kosten der Verlegung tragen. Um dieser gesetzlichen Regelung Rechnung zu tragen, regeln die Wegenutzungs- 169 verträge regelmäßig, dass Folgepflicht- und Folgekostenregelungen, die kraft Gesetzes oder auf Grund anderweitiger schuldrechtlicher Vereinbarungen oder dinglicher Rechte bestehen, von den vertraglich begründeten Folgepflichten bzw. Folgekostenregelungen nicht berührt werden.

3. Weitere Kostenbelastungen aus den Wegenutzungsverträgen a) Konzessionsabgaben Die Gemeinden können für die Einräumung des Rechts auf Nutzung ihrer öffentlichen 170 Verkehrswege zur Verlegung und zum Betrieb von Energieleitungen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Abs. 2 EnWG verlangen. Bereits an dieser Stelle ist deutlich zu machen, dass die Kommunen keine Konzessionsabgaben in beliebiger Höhe verlangen können. Sie sind vielmehr im Energiebereich an die Vorgaben der KAV gebunden. Die KAV enthält Höchstpreisrecht. Eine Überschreitung der dort geregelten Höchstsätze ist verboten.117 Die KAV bildet allerdings keine Rechtsgrundlage dafür, Konzessionsabgaben ver- 171 langen zu können. Ein solcher Anspruch lässt sich nur auf vertraglicher Basis begründen. Wichtig ist daher, die Verpflichtung des Konzessionsvertragspartners zur Zahlung von Konzessionsabgaben in dem Wegenutzungsvertrag zu vereinbaren.

Praxistipp 1 Die Verpflichtung zur Zahlung von Konzessionsabgaben ist zwingend im Wegenutzungsvertrag zu regeln. Weder das EnWG noch die KAV bilden hierfür eine Rechtsgrundlage.

b) Beseitigung stillgelegter Verteilungsanlagen Regelmäßig wird in den Wegenutzungsverträgen die Verpflichtung des EVU geregelt, 172 stillgelegte Verteilungsanlagen unter bestimmten Voraussetzungen zu entfernen. So finden sich etwa folgende Regelungen: „Die Stadt kann die Beseitigung endgültig stillgelegter Gasversorgungsanlagen auf Kosten des EVU verlangen, wenn von ihnen Gefahren ausgehen oder erhebliche Behinderungen von Baumaßnahmen der Stadt entstehen.“

117 BerlK-EnR/Kermel, § 1 KAV, Rn 1 ff.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

„Die Gemeinde kann die Beseitigung endgültig stillgelegter Gasversorgungsanlagen auf Kosten des EVU verlangen. Als stillgelegt gelten Anlagen, wenn sie außer Betrieb genommen und X Jahre nicht mehr in Betrieb genommen worden sind.“ 173 Hinzuweisen ist, dass auch ohne eine solche vertragliche Regelung auf der Grundlage

straßenrechtlicher Regelungen eine Beseitigung verlangt werden kann, wenn diese Anlagen den Gemeingebrauch über die Maßen beeinträchtigen. 174 Problematisch kann werden, wie mit Energieanlagen des Voreigentümers umgegangen wird, dessen stillgelegte Leitungen bei Konzessionsverlust in den öffentlichen Verkehrswegen verblieben sind und im alten Vertrag keine Regelung enthalten ist. Hier wird es maßgeblich davon abhängen, ob diese stillgelegten Leitungen Bestandteil des neuen Konzessionsvertrages geworden sind oder nicht. Da der Altkonzessionär nicht Vertragspartner des neuen Wegenutzungsvertrags ist, bietet sich an, entsprechende Regelungen im Netzübernahmevertrag zwischen altem und neuem Vertragspartner der Gemeinde zu regeln. 1 Praxistipp Die Verpflichtung zum Rückbau sollte auf die Fälle begrenzt werden, in denen ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung besteht. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das EVU mit wirtschaftlich unsinnigen Kosten belastet wird, ohne dass die Gemeinde hiervon einen Mehrwert hat.

c) Altlasten 175 Nur vereinzelt finden sich Regelungen über Altlasten in den Wegenutzungsverträgen. Dies dürfte seine Ursache darin haben, dass nur in wenigen Fällen Altlastenthemen relevant werden. Allerdings kommt es durchaus vor, dass beim Tiefbau für den Leitungsbau in den Verkehrsflächen belastete oder verunreinigte Böden vorgefunden werden. Der Verursacher dieser Verunreinigungen ist häufig nicht mehr zu ermitteln. Da durch den Aushub verunreinigter Böden deutlich höhere Deponiekosten beim Konzessionsvertragspartner anfallen, könnte erwogen werden, der Gemeinde diese Mehrkosten über eine entsprechende vertragliche Regelung aufzuerlegen. Sind dagegen im Konzessionsgebiet detaillierte Kataster über Altlasten ausgewiesen, kann sich der Konzessionsvertragspartner vorher ein hinreichendes Bild über die ggfs. zu erwartenden Kosten machen.

d) Bestellung von Dienstbarkeiten 176 Eine Bestellung von Dienstbarkeiten in Form von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gem. §§ 1090, 1092 BGB erfolgt nur an fiskalischen Grundstücken bzw. an Grundstücken, die während der Laufzeit des Wegenutzungsvertrags entwidmet und veräußert werden sollen.

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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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Nach § 1090 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass 177 derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit). Der Umfang einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bestimmt sich dabei im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten (§ 1091 BGB). Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sind zwar grundsätzlich nicht übertrag- 178 bar. Hiervon macht das BGB jedoch bei Energieleitungen eine Ausnahme. So ist in den Fällen, in denen eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zusteht, die dazu berechtigt, ein Grundstück für Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffe einschließlich aller dazugehöriger Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen, so sind die Dienstbarkeiten übertragbar (§ 1092 Abs. 3 BGB). Der Vorteil solcher dinglichen Sicherheiten ist, dass sie auch dann bestehen blei- 179 ben, wenn die Grundstücke veräußert werden. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb der Grundstücke durch den neuen Eigentümer ist nicht möglich. Er muss diese dingliche Sicherheit gegen sich gelten lassen. Allerdings mindern solche dinglichen Rechte den Wert des Grundstücks. Die Einräumung entsprechender dinglicher Sicherheiten ist daher regelmäßig mit der Zahlung einer Entschädigung an die Gemeinde für die Wertminderung verbunden. Praxistipp 1 Der Wegenutzungsvertrag sollte eine Verpflichtung der Gemeinde enthalten, den Vertragspartner vor Verkauf von Grundstücken hierüber zu informieren. Gleichzeitig sollte dem Vertragspartner in diesen Fällen das Recht eingeräumt werden, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit vor Veräußerung eintragen zu lassen. Im Gegenzug verpflichtet sich das EVU zur Zahlung einer Entschädigung für die Wertminderung aufgrund der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit.

Praxistipp 1 Deswegen der Formulierungsvorschlag: „Bei der Entwidmung oder Nutzungsänderung von öffentlichen Wegen bleiben die gem. § XX vereinbarten Benutzungsrechte bestehen. Vor einem Verkauf an Dritte wird die Gemeinde das EVU rechtzeitig unterrichten und auf Verlangen des EVU zu dessen Gunsten und auf dessen Kosten eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen lassen. Für die etwaige Wertminderung des jeweils zu veräußernden Grundstücks aufgrund der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit leistet das EVU eine einmalige angemessene Entschädigung, die mit Eintragung der Dienstbarkeit fällig wird“.

4. Informations- und Datenherausgabepflichten Trotz der gesetzlichen Regelung in § 46a EnWG empfiehlt es sich, in den Wegenutzungs- 180 verträgen eine Regelung darüber aufzunehmen, welche Daten und Informationen zu Kermel

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

welchen Zeitpunkten der Vertragspartner der Gemeinde zur Vorbereitung des Konzessionierungsverfahrens zur Verfügung zu stellen hat. § 46a EnWG selbst nennt nur beispielhaft, welche Daten und Informationen von dem Anspruch umfasst sind. Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt sich, im Vertrag jedenfalls den Mindestumfang zu konkretisieren. Aber auch dort sollte wegen der regelmäßig langen Laufzeit der Verträge eine abschließende Aufzählung vermieden werden. 181 Soweit abweichend von der gesetzlichen Regelung nicht nur einmalig eine Datenübermittlung drei Jahre vor Auslaufen des Vertrages vereinbart werden soll, sollte allerdings zur Vermeidung von Verstößen gegen das Nebenleistungsverbot nach § 3 KAV die Entgeltlichkeit der Datenübermittlung geregelt werden. 182 Überdies finden sich Regelungen in den Wegenutzungsverträgen, nach denen das EVU in den letzten drei Jahren vor Vertragsende die Gemeinde über die Errichtung von Versorgungsanlagen zu informieren hat. Tut sie dies nicht, ist die Gemeinde zur Übernahme dieser Anlagen nicht verpflichtet es sei denn, die Errichtung dieser Anlagen war zur Erfüllung der Versorgungspflicht bzw. eines sicheren Netzbetriebs erforderlich.

5. Vertragsstrafen 183 Seit einigen Jahren ist es üblich, vertraglich übernommene Pflichten des Energieversor-

gungsunternehmens durch Vertragsstrafen abzusichern. Deren Zulässigkeit war zunächst umstritten. Inzwischen werden sie im Grundsatz für zulässig erachtet, soweit sie zulässige vertragliche Pflichten absichern.118 Werden Vertragsstrafen dem Grunde nach für zulässig erachtet, ist bei der zu vereinbarenden Höhe Vorsicht geboten. Vertragsstrafen dürfen nicht als verdeckte Einnahmequellen der Gemeinden dienen.

6. Außerordentliche Kündigungsrechte 184 Neben bzw. anstelle von Vertragsstrafen werden in den Wegenutzungsverträgen immer

öfter auch Sonderkündigungsrechte als Sanktionsmittel für den Fall aufgenommen, dass das Energieversorgungsunternehmen seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in gehörigem Maße nachkommt. Eine solche Regelung ist jedenfalls bei befristeten Verträgen wegen der gesetzlichen Regelung in § 314 BGB (Kündigung aus wichtigem Grund) entbehrlich. 185 Außerordentliche Kündigungsrechte der Gemeinde werden überdies im Falle der Änderung der Machtverhältnisse in der Eigentümerstruktur des Vertragspartners (change of control-Klausel) oder nach bestimmten Zeiträumen vereinbart. Während die change of control-Klauseln generell als zulässig erachtet werden119, gilt dies für das au-

118 Vgl. KG Berlin, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG; OLG Celle, Urt. v. 26.1.2017, 13 U 9/16 (Kart); a. A. LG Mainz, Urt. v. 23.2.2017, 12 HK O 5/17; LG Stuttgart, Urt. v. 5.4.2016, 41 O 43/14 KfH. 119 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.11.2017, 11 U 51/17 (Kart); KG Berlin, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG.  

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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

ßerordentliche Kündigungsrecht nach Zeitablauf nicht uneingeschränkt. Denn ein solches außerordentliches Kündigungsrecht kann dazu führen, dass es Wettbewerber von vornherein von der Bewerbung um den Konzessionsvertrag abhält. In einem solchen Fall ist das außerordentliche Kündigungsrecht diskriminierend.120 Wann dies der Fall ist, hat der BGH offen gelassen. Problematisch erscheinen hier Laufzeiten von weniger als 10 Jahren, weil eine Amortisation der Ausgaben problematisch ist.

7. Endschaftsregelungen Vor Inkrafttreten des EnWG 1998 enthielten weder das EnWG noch § 103 GWB a. F. Rege- 186 lungen über die Folgen des Wechsels des Konzessionsvertragspartners. Solche sog. Endschaftsbestimmungen wurden dementsprechend regelmäßig in die Konzessionsverträge aufgenommen. Diese sahen vielfach eine Verpflichtung des das Netz abgebenden Unternehmens zur Eigentumsübertragung der Verteilungsanlagen vor. Dabei bestand die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung in der Regel an die Gemeinde. Die Gemeinde hatte für die Übernahme der Anlagen meist einen Kaufpreis in Höhe des Sachzeitwertes zu zahlen. In anderen Fällen war nicht nur die Gemeinde, sondern auch der neue Konzessionär insoweit in den Vertrag mit einbezogen, als die Pflicht des EVU zur Eigentumsübertragung sich auf die Gemeinde oder auf einen von der Gemeinde zu benennenden Dritten erstreckte. Im EnWG 1998 wurde in § 13 Abs. 2 S. 2 für den Fall des Konzessionswechsels die 187 Pflicht des bisher das Netz betreibenden Unternehmens aufgenommen, seine für die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen EU gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen. Dabei ließ das Gesetz zunächst offen, ob mit Überlassen die Pflicht zur Eigentumsübertragung oder lediglich zur besitzweisen Überlassung gemeint war. Dies war in der Folgezeit umstritten und wurde von den Gerichten und in der Literatur unterschiedlich beurteilt.121 In der Stromnetz Homberg Entscheidung vom 3.6.2014 schloss sich der BGH der letzteren Auffassung, dass es sich um eine Pflicht zur Eigentumsübertragung handelt.122 In Bezug auf die Frage, was als wirtschaftlich angemessene Vergütung i. S. des § 13 Abs. 2 EnWG zu verstehen war, fehlt es bis heute an einer höchstrichterlichen Entscheidung. Eine weitere Unklarheit bestand in Bezug auf den Umfang der zu überlassenen Ver- 188 teilungsanlagen. Insbesondere stand in Streit, ob von dem Übertragungsanspruch auch sog. gemischt genutzte Anlagen, d. h. solche, die sowohl die jeweilige Gemeinde als auch  





120 Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin. 121 Als Besitzüberlassungsanspruch z. B. OLG Frankfurt, RdE 2011, 422, 426; OLG Koblenz, ZNER 2009, 146, 147 ff; BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 66 ff; Kermel, RdE 2005, 153, 157; als Eigentumsübertragungsanspruch OLG Schleswig, RdE 2006, 199, 203; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 46 Rn 77. 122 Vgl. BGH, Beschluss v. 3.6.2014, EnVR 10/13, Rn 23 ff. – Stromnetz Homberg.  







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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

andere Gemeinden versorgen, zu übertragen sind. Letzteres wurde in der Zwischenzeit vom BGH im Grundsatz bejaht.123 189 Nachdem der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 EnWG 2011 klargestellt hat, dass es sich um einen eigentumsrechtlichen Übertragungsanspruch handelt, und aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung feststeht, dass im Grundsatz gemischt genutzte Anlagen zu übertragen sind, hat der Gesetzgeber mit der Anpassung in § 46 Abs. 2 EnWG 2017 überdies die Regelungen um die Höhe des Kaufpreises zu konkretisieren versucht. Allerdings begegnet auch die nunmehr gewählte Formulierung, wonach für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des EVU maßgeblich ist, soweit sich die Parteien nicht verständigen, auf Auslegungsprobleme.124 190 Da auch weiterhin Fragen offen sind, empfiehlt es sich, auch weiterhin Endschaftsbestimmungen in den Vertrag aufzunehmen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob vertragliche Regelungen zulässig sind, die ggfs. von der gesetzlichen Regelung abweichen. Für die Bemessung des Kaufpreises folgt dies bereits aus § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG, wonach für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des EVU nur maßgeblich ist, soweit die Parteien nicht von der Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung Gebrauch gemacht haben. Überdies hat der BGH bereits 2009 die Auffassung vertreten, dass der gesetzliche Überlassungsanspruch nach § 46 Abs. 2 EnWG 1998 selbständig neben die konzessionsvertragliche Vereinbarung getreten ist.125

VI. Diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung und sachliche Gründe zur Verweigerung 191 Das EnWG verpflichtet die Gemeinden, ihre öffentlichen Verkehrswege für die Ver-

legung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Damit kann die Gemeinde die Zurverfügungstellung von dem Abschluss eines Vertrages abhängig machen. Eine Zurverfügungstellung ohne einen solchen Vertrag kann grundsätzlich vom EVU nicht verlangt werden. Nach § 154 BGB ist ein Vertrag nur dann als geschlossen anzusehen, wenn sich die Parteien über alle Punkte geeinigt haben, über die nach dem erklärten Willen auch nur einer Partei eine Einigung erzielt werden sollte.

123 Vgl. BGH Stuttgart, Urt. v. 7.4.2020, EnZR 75/18, Rn 23 ff. – Strom- und Gasnetz Stuttgart; BGH, Beschluss v. 3.6.2014, EnVR 10/13, Rn 23 ff. – Stromnetz Homberg. 124 Siehe hierzu Kapitel 6 B. 125 Vgl. BGH, Urt. v. 29.9.2009, EnZR 15/08, Rn 13 ff.  





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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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1. Pflicht zur diskriminierungsfreien Zurverfügungstellung Dabei gewährt § 46 Abs. 1 EnWG grundsätzlich einen Anspruch auf Abschluss eines Wegenutzungsvertrages. Die Gemeinde unterliegt daher einem Kontrahierungszwang. Ein solcher Kontrahierungszwang wurde als notwendig angesehen, da die Gemeinden als Eigentümer der öffentlichen Verkehrswege eine starke Stellung haben.126 Dabei bezieht sich der Kontrahierungszwang zunächst auf Leitungen einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör. Umfasst werden daher auch einzelne Leitungen wie z. B. Stichleitungen. Der Gesetzeswortlaut sieht keine Einschränkungen auf bestimmte Spannungs- oder Druckebenen vor. Es werden auch Energienetze der allgemeinen Versorgung von dem Anwendungsbereich des § 46 Abs. 1 EnWG erfasst.127 Weigert sich die Gemeinde, dem EVU einen entsprechenden Wegenutzungsvertrag anzubieten, stellt dies ein diskriminierendes Verhalten seitens der Gemeinde dar. Etwas anderes gilt nur, wenn sachliche Gründe vorliegen, die eine Verweigerung der Gemeinde auf Abschluss eines Wegenutzungsvertrages rechtfertigen. Verstärkt wird der Kontrahierungszwang nach § 46 Abs. 1 EnWG dadurch, dass er gem. § 46 Abs. 7 EnWG einer Aufsicht durch die Kartellbehörden unterworfen ist. Bei dem Begriff „diskriminierungsfrei“ handelt es sich um einen aus dem Kartellrecht bekannten Begriff.128 Eine Diskriminierung i. S. d. Kartellrechts liegt dann vor, wenn eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund erfolgt. Ein solcher sachlich gerechtfertigter Grund besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH im Kartellrecht immer dann, wenn eine Ungleichbehandlung aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs ausgerichteten Zielsetzung des GWB akzeptabel ist.129 Übertragen auf § 46 Abs. 1 EnWG, bei dem es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots handelt,130 bedeutet dies, dass sachliche Gründe im jeweiligen Einzelfall die Gemeinde zur Ablehnung des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrages berechtigen.131 Dabei spielen die mit dem EnWG verbundenen Ziele der sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten, umweltverträglichen und zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgung eine entscheidende Rolle. Deren Einhaltung kann im Einzelfall eine Ablehnung rechtfertigen.132 Die jeweilige Gemeinde ist nur dann zur Verweigerung der Einräumung eines Wegerechts berechtigt, wenn ihr Interesse an einer Ablehnung gegenüber denjenigen des das Wegerecht Begehrenden unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG Vorrang hat. Da auch dem Wettbewerb durch

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126 127 128 129 130 131 132

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Amtliche Begründung BT-Drucks. 13/7274, S. 20. BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn 26 – Stromnetz Berkenthin. Vgl. §§ 18, 19 GWB. BGHZ 38, 90 ff.; BGHZ 52, 65 ff.; BGHZ 107, 273 ff.; BGH ZIP 2000, 426 ff.; ständige Rechtsprechung. Vgl. BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 40. Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 250. Büdenbender, § 13 Rn 29; Danner/Theobald/Theobald, § 13 EnWG Rn 17.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

§ 46 EnWG Rechnung getragen werden soll, dürfen jedenfalls Drittinteressenten nicht zum Schutze der im kommunalen Besitz befindlichen Netzbetreiber oder anderen Netzbetreibern bzw. EVU von der Leitungserrichtung ausgeschlossen werden. Dies würde dem gesetzgeberischen Willen, ein paralleles Netz zumindest zu ermöglichen, zuwiderlaufen.133 Auch die bloße Berufung auf die Eigentümerstellung (§ 903 BGB) scheidet als sachlicher Grund aus.134 Damit stellt sich die Frage nach den Gründen, die die Gemeinde berechtigen, das Wegerecht zu verweigern.

2. Sachliche Gründe zur Verweigerung eines Vertragsschlusses 197 Das Gesetz nennt selbst keine Gründe, die es der Gemeinde gestatten, die Zurver-

fügungstellung ihrer öffentlichen Verkehrswege zu verweigern. Allerdings sieht § 46 Abs. 1 EnWG das Recht der Gemeinde vor, den Abschluss eines Wegenutzungsvertrages solange zu verweigern, bis Einigung über die Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgaben erzielt worden ist. Aus dieser Formulierung sowie aus der Verwendung des Begriffs der „diskriminierungsfreien“ Zurverfügungstellung lassen sich Verweigerungsgründe der Gemeinden ableiten. 198 Auch wenn die Gemeinde zur diskriminierungsfreien Zurverfügungstellung ihrer öffentlichen Verkehrswege zur Leitungsverlegung verpflichtet ist, muss sie dies nicht unentgeltlich tun. Vielmehr kann sie nach § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG den Abschluss des Wegenutzungsvertrages von der Vereinbarung der Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Abs. 2 EnWG abhängig machen. Dieser Verweis auf § 48 Abs. 2 EnWG ist allerdings insoweit ungenau, als § 48 Abs. 2 EnWG selbst nicht die Höhe der Konzessionsabgaben regelt. Es handelt sich bei dieser Bestimmung lediglich um die Ermächtigungsgrundlage für die KAV. Gemeint ist mit dem Verweis auf § 48 Abs. 2 EnWG aber augenscheinlich der Verweis auf die in der KAV geregelten Höchstsätze.135 199 Das der Gemeinde in § 46 Abs. 1 EnWG eingeräumte Recht, im Rahmen des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrages die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach der KAV verlangen zu können, macht deutlich, dass die Höchstsätze der Konzessionsabgaben unabhängig von der Art des Vertrages (einfacher oder qualifizierter Wegenutzungsvertrag) und unabhängig von dessen Inhalt von der Gemeinde verlangt werden können. 200 Aus dem Recht der Kommune, den Abschluss eines Wegenutzungsvertrages von der Vereinbarung der Zahlung der höchstzulässigen Konzessionsabgaben abhängig zu machen, lässt sich ein weiterer Weigerungsgrund der Kommune ableiten: Solange es der Vertragspartner ablehnt, für die Einräumung des Rechts auf Wegenutzung die Zahlung

133 Vgl. BerlK-EnR/Wegner, § 46 EnWG Rn 40 f.; Büdenbender, § 13 Rn 29. 134 Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 251. 135 Zu den Regelungen der KAV und den Höchstsätzen der Konzessionsabgaben s. u. Kapitel 1 D.  



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C. Inhalt von Wegenutzungsverträgen

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der nach der KAV höchstzulässigen Konzessionsabgaben zu vereinbaren, ist die Gemeinde berechtigt, den Vertragsschluss zu verweigern. Da nach § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG der Abschluss eines Wegenutzungsvertrages Voraussetzung für die Verpflichtung der Gemeinde zur Zurverfügungstellung ihrer öffentlichen Verkehrswege ist, dieser erst bei Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben von der Gemeinde geschlossen werden muss, kann sie solange die Zurverfügungstellung der öffentlichen Verkehrswege verweigern. Diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung öffentlicher Verkehrswege setzt vo- 201 raus, dass diese Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb der Energieleitungen geeignet sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die räumlichen Kapazitäten erschöpft sind und keine Verlegung weiterer Leitungen erlauben.136

Praxistipp 1 Die Frage, ob Gründe vorliegen, die die Gemeinde berechtigen, die Wegenutzung zu verweigern, kann immer nur auf den Einzelfall bezogen beantwortet werden. Es ist daher in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob entsprechende Gründe vorliegen. Dabei sollte die Verweigerung eher vermieden werden, da kaum Gründe bestehen, die dies tatsächlich rechtfertigen.

Fraglich ist, ob die Kommune den Abschluss eines Wegenutzungsvertrages verweigern 202 kann, wenn das den Wegenutzungsvertrag begehrende Unternehmen keine Genehmigung nach § 4 EnWG hat oder nur über eine solche Genehmigung für eine Sparte, z. B. für Strom, verfügt, nunmehr aber auch Leitungen für die Gasversorgung verlegen und betreiben möchte. Nach § 4 Abs. 1 EnWG bedarf die Aufnahme des Betriebs eines Energieversorgungs- 203 netzes der Genehmigung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Ziel einer solchen Betriebsgenehmigung ist die Feststellung der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für den Betrieb des jeweiligen Energienetzes. Damit soll sichergestellt werden, dass die Netzbetreiber die ihnen nach §§ 11 ff. EnWG zugewiesenen Aufgaben erfüllen und damit die in § 1 EnWG genannten Ziele erfüllen. Und obwohl die allgemeine Versorgung im jeweiligen Gemeindegebiet nicht mehr Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG ist, gilt dies nicht für den Betrieb der Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung. Wenn der Betrieb dieser Netze Bestandteil der Aufgaben der Kommunen ist, dann müssen sie auch darauf achten, dass die Betreiber zumindest dieser Netze die entsprechende Leistungsfähigkeit besitzen. Insoweit ist es sachgerecht, dass die Kommunen jedenfalls den Abschluss eines Konzessionsvertrages von dem Vorhandensein einer Genehmigung nach § 4 EnWG abhängig machen können. Es sprechen aber keine wirklichen Argu 



136 Böwing in: Energiewirtschaftsgesetz 1998, § 13, S. 250 f.; Salje, EnWG, § 46 Rn 64.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

mente dagegen, dieses Recht den Kommunen auch bei den einfachen Wegenutzungsverträgen zuzugestehen. 204 Dabei reicht es nicht aus, dass das den Wegenutzungsvertrag begehrende Unternehmen über eine für eine andere Sparte erteilte Genehmigung verfügt. Das Vorliegen einer Genehmigung für den Betrieb des Stromnetzes umfasst nicht den Betrieb eines Gasversorgungsnetzes. Es muss für den Betrieb des Gasversorgungsnetzes eine eigenständige Genehmigung beantragt werden. Allerdings ist die Frage nach dem einer Betriebsgenehmigung nach § 4 EnWG umstritten. So leitet Büdenbender aus dem Gesetzeswortlaut „Energieversorgung“ und damit der darin fehlenden Differenzierung zwischen Strom- und Gasversorgung ab, dass bei Vorliegen einer Betriebsgenehmigung der Wechsel in eine andere Versorgungssparte nicht einer erneuten Genehmigung bedarf.137 Nun ist allerdings nicht davon auszugehen, dass in einem Genehmigungsverfahren für den Betrieb eines Stromnetzes auch die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für den Betrieb eines Gasnetzes überprüft wird. Insbesondere wenn die vorhandene Genehmigung sich auf den Betrieb eines Stromnetzes beschränkt, spricht vieles dafür, dass es einer neuen Genehmigung für den Betrieb eines Gasnetzes bedarf.138

D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV I. Einleitung 205 Seit mehr als hundert Jahren werden in der energiewirtschaftlichen Praxis Konzessi-

onsverträge geschlossen. Mit ihnen gestattet die Gemeinde den Energieversorgungsunternehmen die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Energieversorgungsleitungen, vgl. § 46 EnWG. Als Gegenleistung für die Einräumung des Wegenutzungsrechts zahlt das Energieversorgungsunternehmen gemäß § 48 Abs. 1 EnWG der Gemeinde ein privatrechtliches Entgelt, die Konzessionsabgabe.139 Die Zulässigkeit und Bemessung der Konzessionsabgabe wird in der am 1.2.1992 in Kraft getretenen Konzessionsabgabenverordnung (KAV)140 geregelt, vgl. § 1 Abs. 1 KAV, mit der der Verordnungseber insgesamt drei Hauptziele verfolgt: – die Gewährleistung des Rechts der Kommunen, Konzessionsabgaben für Strom und Gas zu vereinbaren,

137 Büdenbender, § 3 Rn 31. 138 In diese Richtung auch Salje, EnWG, § 4 Rn 36 ff.; ähnlich Büdenbender, § 3 Rn 34, in Fällen einer sog. limitierten Genehmigung. 139 BerlK-EnR/Kermel, § 48 EnWG Rn 16 mit Verweis auf die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274 S. 21; Raspach/Baumgart/Höffken/Schneider, Kap. 11.C Rn 262. 140 Konzessionsabgabenverordnung vom 9. Januar 1992 (BGBl. I S. 12, 407), zuletzt geändert durch Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung vom 1. November 2006 (BGBl. I S. 2477).  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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die Konzessionsabgaben in ihrer Höhe zu begrenzen und Transparenz in Bezug auf die Zahlungen von Konzessionsabgaben für die Verbraucher zu schaffen.141

Obwohl der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KAV vermuten lässt, dass die Verordnung lediglich 206 die Konzessionsabgabe näher ausgestaltet, ist der Anwendungsbereich weiter.142 So regelt § 3 KAV abschließend143, in welchem Umfang zwischen der Gemeinde und dem Wegenutzungsvertragspartner neben oder anstelle der Konzessionsabgabe andere Leistungen, außergesetzlich in der Praxis als sog. Nebenleistungen bezeichnet, vereinbart werden dürfen. Diese Nebenleistungen, die neben die oder anstelle der Konzessionsabgaben treten, sind nur ausnahmsweise zulässig.144 Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll mit der Zahlung der Konzessionsabgabe durch das Versorgungsunternehmen die Einräumung des Wegenutzungsrechts seitens der Gemeinde grundsätzlich abgegolten sein. Weitere Leistungen an die Gemeinde sind – abgesehen von einigen Ausnahmen – verboten. Aus diesem Grunde wird § 3 KAV allgemein als „Nebenleistungsverbot“ bezeichnet. Zu beachten ist, dass die Bestimmungen der KAV weder für die Zahlung der Konzes- 207 sionsabgabe noch für die Gewährung von Nebenleistungen eine Anspruchsgrundlage darstellen. Vielmehr geht die gesamte Verordnung davon aus, dass sowohl die Konzessionsabgabe als auch die ausnahmsweise zulässigen Nebenleistungen zivilrechtlich in dem zwischen Gemeinde und Versorgungsunternehmen zu schließenden Konzessionsvertrag zu vereinbaren sind.145 Die Vertragsfreiheit der Konzessionsvertragsparteien wird dabei durch die als Höchstpreisrecht ausgestaltete KAV beschränkt.146 Dies geschieht zum einen durch die vom Verordnungsgeber festgesetzten Preisobergrenzen bezüglich der Konzessionsabgabe. Zentrale Regelung ist hierbei § 2 KAV, der in seinen Absätzen 2 und 3 insoweit von „Höchstbeträgen“ spricht, welche „nicht überschritten werden dürfen“. § 2 dient mithin dem eingangs erwähnten Ziel, das Konzessionsabgabenaufkommen in seiner Höhe zu begrenzen.147 Zum anderen erfolgt dies durch § 3 KAV, der regelt, welche weiteren Leistungen neben oder anstelle der Konzessionsabgaben erlaubt bzw. verboten sind. Aus den Vorgaben der §§ 2 und 3 KAV ergibt sich, dass die Gemeinde und das Ver- 208 sorgungsunternehmen in dem zu schließenden Konzessionsvertrag weder Konzessions-

141 Vgl. BR-Drucks. 686/91, S. 11 ff. 142 BerlK-EnR/Kermel, § 1 KAV Rn 1. 143 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 Rn 48; BGH Urt. vom 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 34, zitiert nach openjur. 144 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 5. 145 BR-Drucks. 686/91, S. 14; Raspach/Baumgart/Höffken/Schneider, Kap. 11.C Rn 265.; a. A. für KA-Zahlungen nach § 2 Abs. 8 KAV: Morell, § 2 Abs. 8 KAV Erläuterungen zu Abs. 8 Ziffer 2. 146 BR-Drucks. 686/91, S. 14. 147 BerlK-EnR/Kermel, § 2 KAV Rn 5.  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

abgaben in beliebiger Höhe noch wahllos Nebenleistungen vereinbaren können. Vielmehr gibt die KAV den (preis-)rechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen Konzessionsabgaben und Nebenleistungen zulässig sind.148 Folge ist, dass die Gemeinde mit dem Konzessionär unterhalb der verordnungsrechtlichen Höchstgrenzen die Zahlung einer Konzessionsabgabe in beliebiger Höhe vereinbaren kann, die Privatautonomie der Vertragsparteien jedoch mit Erreichen der in § 2 KAV geregelten Höchstbeträge der Höhe nach beschränkt ist. In der Praxis werden üblicherweise die jeweils geltenden Höchstsätze der Konzessionsabgaben voll ausgeschöpft und vertraglich vereinbart. Sind die Parteien im „Wettbewerb um das Netz“ aus diesem Grund in der Möglichkeit zur attraktiven Gestaltung der Konzessionsabgaben konzessionsvertraglich aber beschränkt, liegt der Fokus auf den Nebenleistungen. Insofern stellt das Nebenleistungsverbot einen der zentralen Bewertungsparameter für die Vereinbarungen zwischen Gemeinden und Energieversorgungsunternehmen dar.149 § 3 KAV verhindert, dass die Konzessionsabgaben-Höchstsätze dadurch umgangen werden, indem die Parteien des Konzessionsvertrages bei Vertragsabschluss eine Vielzahl unzulässiger Nebenleistungen vereinbaren. Das Nebenleistungsverbot erweitert und umrahmt somit das Höchstpreisrecht des § 2 KAV in der Beschränkung der Privatautonomie.150 Da sich im Konzessionsvertrag die Auswahlkriterien manifestieren, ist das Nebenleistungsverbot bereits im Konzessionsverfahren sowohl bei den Auswahlkriterien als auch bei der Auswahlentscheidung zu beachten. Die Gemeinde darf keine unzulässigen Nebenleistungen zu einem Kriterium erheben und damit mittelbar fordern und sie darf keinen Bewerber auswählen, der ihr unzulässige und aus ihrer Sicht entscheidungserhebliche Nebenleistungen anbietet.151 209 Verstoßen die Parteien gegen das Nebenleistungsverbot, indem sie unzulässige Leistungen versprechen und gewähren, handelt es sich nach nahezu einhelliger Meinung um einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB.152 Konsequenz des Verstoßes ist zumindest die Nichtigkeit der unzulässigen Nebenleistungsabrede.153 Im schlimmsten Fall führt er zur Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages, nämlich dann, wenn eine unter Verstoß gegen § 3 KAV gewährte Leistung kausal für die Auswahlentscheidung geworden ist.154 Das Nebenleistungsverbot besitzt daher eine große praktische Relevanz.155

148 BerlK-EnR/Kermel, § 1 KAV Rn 2. 149 Groneberg, S. 259. 150 Schöne in Vorauflage, Kapitel 3, Rn 6. 151 Groneberg, S. 268. 152 Neben anderen: Scholtka, S. 211; Büdenbender, EnWG, § 14 Rn 64; BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 8; Hempel/Franke/Strohe § 3 KAV Rn 102; OLG München, Urt. vom 26.9.2013, Az. U 3589/12 in RdE 2014, 82, 86. 153 BGH, Urt. vom 7.10.2014 – EnZR 86/13 in Bezug auf einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV, unter B. III. 2. a) cc), Rn 51 zitiert nach openJur. 154 BGH a. a. O. unter B. III. 2. a), Rn 55, zitiert nach openJur. 155 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 2.  



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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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Grundsätzlich entspricht die Gewährung von Nebenleistungen im Rahmen des Ab- 210 schlusses von Wegenutzungsverträgen einer langen Rechtspraxis. Bereits 1941 wurde das Nebenleistungsverbot mit der Vorgängerregelung des § 6 KAE156 eingeführt.157 Hintergrund war der sich im Zusammenhang mit dem Abschluss von neuen Konzessionsverträgen gebildete „graue Markt“ an Nebenleistungen, welcher für die Zukunft vermieden werden sollte.158

II. Sinn und Zweck des Nebenleistungsverbots Die herausragende Bedeutung des § 3 KAV für die Bewertung, welche Leistungen Ge- 211 meinden und Versorgungsunternehmen neben oder anstelle von Konzessionsabgaben für die Einräumung des Wegerechts vereinbaren dürfen auf der einen Seite, eine nicht sehr ergiebige Gesetzesbegründung159 auf der anderen Seite, sowie der vermeintlich unscharfe Wortlaut des § 3 KAV160 wie auch die Strukturänderung des Energiewirtschaftsrechts durch Einführung des Wettbewerbs um die Netze und der Regulierung der Netzentgelte machen es erforderlich, den Sinn und Zweck der Vorschrift einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

1. Ursprünglicher Zweck Ausweislich der Zielsetzung in der amtlichen Begründung war zum Zeitpunkt des In- 212 krafttretens der KAV im Jahr 1992 Hauptzweck der Regelung, die Belastung der Letztverbraucher durch den weiteren Anstieg der Konzessionsabgaben unter Berücksichtigung der finanziellen Interessen der Kommunen zu begrenzen.161 Umgesetzt wurde dieses Ziel im Wesentlichen durch die Umstellung auf Festbeträge pro kWh und die Einführung von Höchstsätzen in § 2 KAV, nachdem vormals die KA nach einem Prozentsatz der Erlöse aus dem Strom- und Gasverkauf ermittelt worden waren. Folge der ursprünglichen Berechnungsweise war ein Anstieg der KA mit jeder Ausweitung des Energieabsatzes sowie jeder Preiserhöhung.162 § 3 KAV sichert diesen Hauptzweck ab, indem er verhindert, dass

156 Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände vom 4.3.1941, RAnz 1941, Nr. 57, S. 120, aufgehoben durch § 9 S. 2 V vom 9.1.1992 I 12 mit Wirkung zum 1.1.1992. 157 Feuerborn/Riechmann, § 3 Rn 1; vgl. auch Keller-Herder, S. 207; Zur Historie der Vorschrift vgl. auch Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 21. 158 Feuerborn/Riechmann, § 3 Rn 1. 159 Theobald/Kühling/Theobald/Templin KAV § 3 Rn 15. 160 Strohe, RdE 2014, 261 ff. 161 BR-Drs. 686/91, Vorblatt unter A. Zielsetzung: „Begrenzung der der ständig gewachsenen Belastung der Verbraucher mit Konzessionsabgaben unter Berücksichtigung der finanziellen Interessen der Kommunen und Bereinigung einer veralteten unübersichtlichen Rechtslage“. 162 Feuerborn/Riechmann, § 2 KAV Rn 1.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

über einen Umweg – nämlich die Vereinbarung und Gewährung unzulässiger Nebenleistungen – der bei den Konzessionsabgaben verhinderte Preisanstieg doch noch stattfindet.163 Denn jedenfalls unter den energierechtlichen Begebenheiten zum Zeitpunkt des Erlasses der KAV im Jahr 1992 führten zusätzliche Kosten des Energieversorgungsunternehmens aufgrund unangemessener Leistungen an die Konzessionskommune durch Weiterwälzung zu überteuerten Preisen bei den Letztverbrauchern.164 In diesem Sinne sprach der BGH 1996 von der „Kostendämpfungs- und Preisbegrenzungsfunktion“ dieser Bestimmung, wonach insbesondere die sich aus § 2 KAV ergebenden Höchstsätze nicht über den Weg von Neben- oder Zusatzvereinbarungen überschritten werden dürfen“165. Insofern trägt § 3 KAV dem im Energiewirtschaftsrecht vorherrschenden Grundsatz der Preisgünstigkeit (§ 1 Abs. 1 EnWG) Rechnung.166 213 Daneben dient § 3 KAV nach der amtlichen Begründung zu § 3 Abs. 2 KAV nicht zuletzt auch dem Schutz privater Anbieter von Finanz- und Sachleistungen vor Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten167, als es dort heißt: „[§ 3 Abs. 2 ] Nr. 1 lässt allerdings – aus energie- und umweltpolitischen Gründen – ausdrücklich für Leistungen bei der Aufstellung kommunaler Energieversorgungskonzepte und für die Einsparberatung Ausnahmen zu. Darüber hinausgehende Leistungen sind dagegen, wenn sie überhaupt vom Versorgungsunternehmen erbracht werden, zu marktüblichen Preisen abzurechnen. Dies dient nicht zuletzt dem Schutz privater Anbieter derartiger Leistungen vor Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten.“168

2. Veränderungen des Sinn und Zwecks durch Energierechtsreformen 1998 und 2005? 214 Während das EnWG mehrmals geändert bzw. novelliert wurde, hat die KAV durch die Energierechtsreformen 1998 und 2005 nur wenige, lediglich redaktionelle bzw. formale Anpassungen erfahren169. Sie verwendet daher nach wie vor Begrifflichkeiten wie beispielsweise „Tarifkunde“, die sich so im EnWG bzw. weiteren Verordnung nicht mehr wiederfinden. Ein weiteres Beispiel ist das Festhalten an dem Begriff des Versorgungsunternehmens, der nicht ganz zutreffend ist, da nach der Energierechtsnovelle 2005 der

163 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV, Rn 12. 164 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV, Rn 12; Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 16. 165 BGH, Urt. vom 21.3.1996 – III ZR 245/94 S. 9. 166 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 1. 167 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 13; nach Strohe in Hempel/Strohe § 3 KAV Rn 14 spielt der nur auf ganz bestimmte Anbieter bezogene wettbewerbsschützende Zweck gegenüber dem Hauptzweck nur eine untergeordnete Rolle. 168 BR-Drs. 686/91, S. 18 f. 169 Zu den Änderungen und Anpassungen im Einzelnen: BerlK-EnR/Kermel, Vorbemerkung zu § 1 KAV Rn 7.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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Konzessionsvertrag zwischen Gemeinde und Netzbetreiber und gerade nicht mehr zwischen Gemeinde und „Versorger“ geschlossen wird.170 Die Verordnungs- bzw. Gesetzesbegründungen der vorstehend genannten Energie- 215 rechtsreformen enthalten keinerlei Hinweise, dass durch sie der Sinn und Zweck des Nebenleistungsverbots geändert werden sollte. Ganz im Gegenteil war Ziel der auf Grundlage des EnWG 1998 erlassenen Ersten Verordnung zur Änderung der KAV vom 22.7.1998171, den Kommunen das Konzessionsabgabeaufkommen auch im wettbewerblichen Ordnungsrahmen in unveränderter Höhe zu sichern und die wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der Konzessionsabgabe zu erhalten.172 In der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neurege- 216 lung des Energiewirtschaftsrechts vom 14.10.2004 heißt es lediglich: „ Die Vorschrift erhält formale Anpassungen der Konzessionsabgabenverordnung an die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Höhe der Konzessionsabgaben wird nicht berührt.“173 Vor dem Hintergrund, dass die KAV noch zu Zeiten des Systems geschlossener Ver- 217 sorgungsgebiete und vor allen Dingen staatlicherseits unregulierter Netzentgelte erlassen wurde, wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass der Schutzzweck der Preisgünstigkeit aufgrund der im Jahr 2005 eingeführten ex ante Entgeltgenehmigungspflicht und der seit 2009 geltenden kostenbasierten Anreizregulierung entfallen sei. Bereits hierdurch sei die Gefahr, dass unangemessene Kostenbestandteile des Netzbetreibers in die Netzentgelte zu Ungunsten der Netznutzer und damit Letztverbraucher einfließen, gebannt.174 Sowohl das OLG München175 als auch der BGH176 scheinen zwar ebenfalls der Meinung zu sein, dass das Schutzziel der KAV, nämlich den Verbraucher vor überhöhten Netzentgelten zu schützen, die aus der Umlegung des Aufwands des Konzessionärs auf die Netzentgelte resultieren, grundsätzlich bereits durch die Netzentgeltregulierung erreicht wird. Zutreffend weist der BGH allerdings daraufhin, dass das gesetzgeberische Ziel der KAV durch die Regulierung nicht verändert worden sei.177 Vielmehr bezwecke die KAV weiterhin – neben der Regulierung („ebenfalls“) – den Schutz der Energieverbraucher.178 Nur so wird der funktionalen Bedeutung des Nebenleistungsverbots als Flankierung des Höchstpreisrechts Rechnung getragen. Wären die Kommunen und der Konzessionär nicht gehalten, das Gebot der Kostendämpfung der Energieversorgung auch bei der Vereinbarung von Nebenleistungen strikt zu beachten, kann nicht aus-

170 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 5. 171 Erste Verordnung zur Änderung der KAV vom 22.7.1999, BGBl. I 1999 S. 1669. 172 Rasbach/Baumgart/Höffken/Schneider, 11.C Rn 255; BR-Drucks. 358/99 unter A. Zielsetzung und Begründung S. 3. 173 BT-Drucks. 15/3917, S. 77 zu Abs. 40. 174 Templin, ZNER 2012, 570, 571; a. A. Strohe, RdE 2014, 261, 263, der bemängelt, dass es sowohl an rechtlichen als auch empirischen Nachweis fehle. 175 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3589/12 = RdE 2014, 82, 87. 176 BGH, Urteil vom 7.10.2014 – EnZR 86/13 in NZBau 2015, 115, 119 Tz. 43 – „Stromnetz Olching“. 177 BGH a. a. O. 178 BGH a. a. O.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

geschlossen werden, dass trotz Netzentgeltregulierung die Höchstpreise der Konzessionsabgaben nach § 2 KAV ausgehebelt werden. Am Schutzzweck der Preisgünstigkeit hat sich mithin auch im heute geltenden Netzentgeltregulierungssystem nichts geändert.

3. Schutz der Wettbewerber um Konzession neuer Zweck? 218 Wie eingangs erwähnt, hat das Nebenleistungsverbot auch wettbewerbsschützenden Charakter, da es ausweislich der Verordnungsbegründung nicht zuletzt auch dem Schutz privater Anbieter von Finanz- und Sachleistungen vor Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten dient.179 Ob dieser wettbewerbsschützende Charakter auch auf die Mitbewerber im Wettbewerb um die Konzession auszudehnen ist, ist nicht abschließend geklärt.180 Das OLG Bamberg hat in seiner Entscheidung vom 3.11.2010181 unter Berufung auf diese Verordnungsbegründung einen solchen Schutzzweck bejaht: „§ 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV ist eine gesetzliche Vorschrift zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.“ Sie schütze neben dem Kommunen-Energieversorger-Verhältnis und den Endkunden auch die Mitbewerber. Ihm gefolgt sind sowohl das LG München182 als auch das OLG München183. So solle nach Ansicht des LG München die Vorschrift auch einen faireren Wettbewerb für die Bewerber um die Wegerechte gewährleisten.184 Nach dem OLG München führe die Tatsache, dass der Verordnungsgeber das Nebenleistungsverbot trotz Einführung des Wettbewerbs um die Netze und der Regulierung der Netzentgelte nicht verändert habe, dazu, dass die Vorschrift nunmehr auch dem (neuen) Zweck diene, Mitbewerber im Wettbewerb um die Konzession zu schützen.185 Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 7.10.2014 ausdrücklich dahinstehen lassen.186

179 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 13. 180 Ablehnend Templin, ZNER 2012, 570, 571 f., der unter Berufung auf die Verordnungsbegründung die Auffassung vertritt, dass sich der Wettbewerbsschutz des § 3 KAV nur auf den Schutz örtlicher privater Anbieter von „derartigen“ Nebenleistungen bezieht. 181 OLG Bamberg, Urt. v. 3.11.2010, Az.: 3 U 92/10, RdE 2011, 160, 162. 182 LG München, Urt. vom 1.8.2012 – 37 O 19383/10 = ZNER 2012, S. 643 ff. 183 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12. 184 LG München, Urt. vom 1.8.2012 – 37 O 19383/10 = ZNER 2012, S. 643, 646. 185 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 unter B. I. 4. a), Rn 269 zitiert nach openJur; ausführlich hierzu Strohe, RdE 2014, 261, 263 f., der zu dem Ergebnis kommt, dass nunmehr gute Gründe für den Schutz der Mitbewerber um die Konzession sprechen. 186 BGH, Urt. v. 7.10.2014, EnZR 86, 13, Rn 51 in RdE 2015, 122, 127.  







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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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III. Zulässige Nebenleistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 KAV § 3 Abs. 1 S. 1 KAV regelt, welche Nebenleistungen Gemeinden und Energieversorgungs- 219 unternehmen neben oder anstelle von Konzessionsabgaben vereinbaren oder gewähren dürfen. Bei den namentlich genannten zulässigen Nebenleistungen – Kommunalrabatt – Folgekosten – Verwaltungskostenbeiträgen handelt es sich um eine abschließende187 Positivliste188. Sie sind im Rahmen des strengen Nebenleistungsverbots nicht verboten und dürfen für die Einräumung von Wegerechten vereinbart oder gewährt werden, wobei nicht erforderlich ist, dass dies im Konzessionsvertrag selbst erfolgt. Möglich ist es auch, diese (ausnahmsweise) zulässigen Nebenleistungen in anderen Verträgen (z. B. Kooperations- oder Konsortialvereinbarungen) oder auch nur mündlich zu vereinbaren.189 Allerdings besteht ein einklagbarer Anspruch der Gemeinde auf die zulässigen Nebenleistungen nur, wenn sie vereinbart werden, nicht jedoch, wenn die Leistungserbringung durch das Versorgungsunternehmen auf freiwilliger Basis erfolgt.190 Weitere Leistungen, die über die in § 3 Abs. 1 S. 1 KAV aufgeführten Leistungen hinaus gehen, dürfen weder neben noch an Stelle von Konzessionsabgaben vereinbart werden,191 selbst wenn die Höchstsätze der Konzessionsabgaben nicht voll ausgeschöpft sind.192 Irrelevant ist in diesem Zusammenhang mithin, ob die Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstbeträge, in niedrigerer Höhe oder gar nicht vereinbart worden sind.193 Da es sich bei den in § 3 Abs. 1 S. 1 KAV ausdrücklich genannten Leistungen um Ausnahmen194 zum Nebenleistungsverbot handelt, ist der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass diese Ausnahmen eng auszulegen sind. Obwohl das Schutzziel der Preisgünstigkeit zwischenzeitlich grundsätzlich bereits durch die Regulierung der Netzentgelte erreicht wird und daraus folgend das Schutzbedürfnis der Letztverbraucher etwas geringer zu gewichten ist als bei Einführung von § 3 KAV, hat sich an dieser gebotenen restriktiven Anwendung der Ausnahmetatbestände des § 3 KAV nichts geändert.195  

187 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 2. 188 Cronauge, S. 61. 189 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 6. 190 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 7. 191 Die Ausnahmen des § 3 Abs. 2 KAV bleiben selbstverständlich unberührt. Eingehend dazu nachfolgend unter IV. 3. 192 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV, Rn 2. 193 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV, Rn 31. 194 Vgl. Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV, Rn 11 und dort die Überschrift: „D. Weitere Ausnahmetatbestände (§ 3 Abs. 1 S. 2)“. 195 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.9.2021, unter B. I. 1.3.1.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

1. Kommunalrabatt (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV) 220 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV dürfen Versorgungsunternehmen der Gemeinde „Preis-

nachlässe für den in Niederspannung oder in Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Gemeinde bis zu 10 von Hundert des Rechnungsbetrages für den Netzzugang“ unter der Voraussetzung gewähren, dass der sog. Gemeinde- oder Kommunalrabatt in der Rechnung offen ausgewiesen wird. Diese verordnungsrechtlich geforderte Kostentransparenz korrespondiert mit § 4 Abs. 1 S. KAV, nach welchem die Konzessionsabgaben in den Entgelten für die Netznutzung und allgemeinen Tarifen auszuweisen sind und dient letzten Endes auch der Verbraucherfreundlichkeit der Energieversorgung i. S. d. § 1 EnWG.196 Der Gemeinderabatt ist aber nur zu gewähren, wenn dies im Konzessionsvertrag vereinbart ist. Wie bereits eingangs erwähnt, stellt die KAV weder eine Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Konzessionsabgabe noch für die Gewährung von (zulässigen) Nebenleistungen dar. Zudem ist nur der in Niederspannung oder in Niederdruck abgerechnete Eigenverbrauch rabattfähig. Der in höheren Spannungs- oder Druckstufen abgerechnete Verbrauch unterliegt nicht dem Kommunalrabatt.  



a) Veränderung des Kommunalrabattes seit Inkrafttreten der KAV bis heute 221 Die Gewährung des Gemeindesrabatts entspricht ausweislich der Gesetzesbegründung

einer langen Tradition197. Allerdings stimmt die heutige Fassung nicht mehr mit der bis zur Energierechtsreform 2005 geltenden Regelung überein. Ursprünglich konnte der nach Tarifpreisen abgerechnete Eigenverbrauch der Gemeinden, also der gesamte Rechnungsbetrag einschließlich der Kosten für Strom- und Gaslieferungen sowie der Netznutzungskosten198, rabattiert werden (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV in der Fassung vom 9.1. 1992199). Bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14.10.2004200 war die allgemeine Versorgung – mithin die Kundenbelieferung – Gegenstand des Konzessionsvertrags. Insofern war ein Preisnachlass bis zu 10 % für den nach Tarifpreisen abgerechneten Eigenverbrauch gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV a. F. nur folgerichtig. Da seit der Novellierung des Energiewirtschaftsrechts im Jahre 2005 jedoch nicht mehr die allgemeine Versorgungspflicht, sondern nur noch die reine Wegenutzung für den Netzbetrieb Gegenstand des Konzessionsvertrags sein kann, war eine entsprechende Anpassung der Regelungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV erforderlich, welche durch die Beschränkung der Rabatthöhe auf 10 % des Rechnungsbetrages für den Netzzugang sodann konsequenterweise erfolgte201. Nach den Entflechtungsregelungen  





196 Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 16; BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 9; Theobald/Kühling/Theobald/ Templin KAV § 3 Rn 43. 197 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 2. 198 Theobald/Kühling/Theobald/Templin KAV § 3 Rn 39. 199 Konzessionsabgabenverordnung vom 9.1.1992, BGBl. I S. 12, 407. 200 BGBl. I 2005, 1970. 201 BR-Drs. 613/04, S. 72. Bayer

D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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der §§ 6 ff. EnWG hat der Netzbetreiber regelmäßig keine Lieferantenstellung mehr inne. Er kann daher keinen Rabatt auf die Preise für Energielieferungen, die von einem anderen Unternehmen geleistet werden, gewähren.202 Der Umfang des Gemeinderabatts wurde an dieser Stelle mithin begrenzt. Bis zur Neufassung der Regelung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV musste die Gemeinde 222 Tarifkunde sein, um in den Genuss des Rabatts zu kommen. Mit der Ersetzung der Wörter „nach Tarifpreisen“ durch „in Niederspannung“ in der ab dem 13.7.2005 geltenden Fassung der KAV ist für den Umfang des Preisnachlasses allein auf sämtliche gemeindlichen Abnahmestellen abzustellen, unabhängig, ob die Belieferung auf Grundlage von Tarif- oder Sonderkundenverträgen erfolgt. Die vertragliche Kundengestaltung ist seitdem also irrelevant und hat an dieser Stelle zu einer Erweiterung des Umfang des Gemeinderabatts geführt. Aufgrund eines redaktionellen Versehens203 hatte der Verordnungsgeber bei der 223 Novellierung der KAV 2005 zunächst die Worte „oder in Niederdruck“ vergessen. Durch Art. 38a Abs. 4 des Erlasses der Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck vom 1.11.2006204 wurde dieses Versehen berichtigt und § 3 KAV erhielt seine heutige Fassung. Gerichte und Praxis waren an das Versäumnis des Gesetzgebers jedoch zunächst gebunden. D. h. in der Zeit vom 13.7.2005 bis zur Berichtigung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV am 1.11.2006 durften nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift Rabatte für den in Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Gemeinde zunächst nicht mehr gewährt werden. Ausgeschlossen waren Preisnachlässe auf die Lieferung von Gas damit jedenfalls in neu zu schließenden Konzessionsverträgen. Wurde in diesen der Rabatt nach wie vor auf den nach Tarifpreisen abgerechnete Eigenverbrauch entsprechend § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV a. F. gewährt oder eine Rabattierung zwar nach der neuen Fassung vom 13.7.2005 vereinbart, jedoch die Gasnetzentgelte mitumfasst, stellten dies verbotene Nebenleistungen dar. Auch die rückwirkende Rabattgewährung im Anschluss an die redaktionelle Berichtigung des Wortlauts durch die Einfügung „oder in Niederdruck“ stellte eine konzessionsabgabenrechtlich nicht zulässige Nebenleistung dar. Da Konzessionsverträge heutzutage üblicherweise generelle dynamische Verwei- 224 sungsklauseln enthalten, dürfte die Frage, wie sich zukünftige Neuerungen der KAV auf zu diesem Zeitpunkt bestehende Konzessionsverträge auswirken, keine große Praxisrelevanz mehr besitzen. Sämtliche Änderungen der KAV gelten für diese Konzessionsverträge unmittelbar. Offen geblieben ist allerdings die Frage, wie mit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des zweiten Neuregelungsgesetzes 2005 bestehenden Konzessionsverträgen umzugehen ist, die im Widerspruch zur neuen Fassung dem Wortlaut der ursprünglichen Fassung nach noch den Preisnachlass auf den Tarifverbrauch gewähren  





202 Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 173. 203 BR-Drs. 367/06, S. 74. 204 BGBl. I, S. 2477. Bayer

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

und die keine generelle dynamische Verweisung auf die KAV in ihrer aktuellen Fassung enthalten. Die der Diskussion zugrundeliegende Regelung ist insoweit die Übergangsvorschrift § 113 EnWG, nach der laufende Konzessionsverträge „unbeschadet ihrer Änderungen durch die §§ 36, 46 und 48 im Übrigen unberührt“ bleiben. Da in ihr einerseits der Hinweis auf die Neuformulierung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV fehlt, andererseits aber § 48 EnWG, der in seinem Absatz 2 die Rechtsgrundlage für die KAV bildet, ausdrücklich genannt wird, liefert § 113 EnWG zumindest keine eindeutige Antwort. In der Literatur wird daher einerseits eine Pflicht zur Anpassung des bestehenden Konzessionsvertrages gesehen, hergeleitet aus dem Zusammenhang zwischen § 48 EnWG und der KAV, wodurch letztere in die Verweisung des § 113 EnWG 2005 einbezogen werde.205 Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass über § 48 Abs. 2 EnWG, der die Rechtsgrundlage der KAV bildet, sich Änderungen in der KAV auch auf bestehende Konzessionsverträge auswirken, d. h. dass sie die bestehenden Konzessionsverträge unmittelbar ändern würden.206 Die entgegengesetzte Auffassung erkennt weder eine Pflicht zur Anpassung noch eine unmittelbare Geltung über den Verweis in § 48 Abs. 2 KAV. Sie geht vielmehr unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 113 EnWG davon aus, dass die bei Inkrafttreten des 2. Neuregelungsgesetzes 2005 bestehenden Konzessionsverträge unberührt bleiben.207 Wieder andere Meinungen sprechen den Vertragsparteien ein Wahlrecht zu.208 Je nach vertretener Auffassung führt die Frage, ob bei Altverträgen die Gewährung von Preisnachlässen auf mehr als lediglich den Netzzugang im Rahmen des § 3 Abs. S. 1 Nr. 1 KAV eine Verletzung des Nebenleistungsverbots darstellt, zu unterschiedlichen Ergebnissen.209 Soweit ersichtlich, ist dieser Streit gerichtlich nicht geklärt. Grund hierfür dürfte sein, dass viele Vertragspartner bestehender Konzessionsverträge zwecks Erlangung von Rechtssicherheit Nachtrags- und Ergänzungsvereinbarungen abgeschlossen haben bzw. die zum Zeitpunkt der Änderungen bestehenden Konzessionsverträge mittlerweile ausgelaufen sind.  

b) Gegenstand der Rabattierung 225 Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV knüpft die Rabattierung an den „Rechnungsbetrag für

den Netzzugang“ an. Was genau hierunter zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Einigkeit besteht darüber, dass Preisbestandteile, die im Zusammenhang mit der Stromerzeugung oder insbesondere dem Stromvertrieb stehen, nicht Gegenstand des Kommunalrabatts sein können. Der Preisnachlass wird somit nicht mehr auf den vollständig

205 Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 18. 206 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 14; BerlK-EnR/Kermel, § 113 EnWG Rn 8; Theobald/Kühling/Theobald, § 113 EnWG, Rn 10. 207 Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 201; Bachert, RdE 2006, 76 ff.; Scholtka/Keller-Herder, RdE 2010, 279, 286. 208 Dedy/Fuchs, DStG-Dokumentation Nr. 63 (2006), S. 12 f. 209 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV, Rdnr. 41.  





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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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„integrierten“ Preis, sondern nur noch auf den des reinen Netzbetriebs bezogen. In der Praxis umfasste der Rabatt in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Literaturmeinung bislang häufig sämtliche Bestandteile der Netzzugangskosten, die sich im Wesentlichen nach den Bestimmungen der Strom-/GasNEV richten, mithin u. a. den Grundpreis, den Arbeitspreis, das Messentgelt (soweit dieses durch den Netzbetreiber erhoben wird, beim separaten Messstellenbetreiber ist es nicht anrechnungsfähig) und Abrechnung, Mehrkosten gemäß dem KWKG und die Konzessionsabgaben.210 Bereits aufgrund des Beschlusses des BGH vom 20.6.2017211, in welchem er entschie- 226 den hatte, dass der „Anspruch auf Befreiung von den Entgelten für den Netzzugang im Sinne des § 118 Abs. 6 EnWG nicht die gesetzlichen Umlagen, die Konzessionsabgaben und die Entgelte für den Messstellenbetrieb, die Messung und die Abrechnung erfasst“, war unklar, ob diese Rechtsprechung auf § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV zu übertragen ist und damit die Gewährung des Kommunalrabattes auf die vorstehend benannten Preisbestandteile überhaupt noch möglich ist. Insbesondere vertrat und vertritt die Bundesnetzagentur die Auffassung, dass das 227 Urteil (zumindest in Teilen) auf den Kommunalrabatt übertragbar sei. Dies hätte zur Folge, dass Grundlage der Rabattierung lediglich das Netzentgelt ausschließlich des Entgelts für Messstellenbetrieb und Messdienstleistung, des Abrechnungsentgelts und der Konzessionsabgabe wäre. Zur Begründung wird angeführt, dass für den „Rechnungsbetrag für den Netzzugang“ im Ergebnis jedenfalls hinsichtlich der gesetzlichen Umlagen nichts anderes gelten könne als bei § 118 Abs. 6 EnWG. Auch hier verfange die Argumentation des BGH, die Umlagen seien nicht Teil des Netzentgelts, sondern würden nur anlässlich der Netznutzung vom Netzbetreiber zusammen mit dem Netzentgelt erhoben und dienten nicht der Deckung der Kosten der Netzzugangsgewährung durch den abrechnenden Netzbetreiber. Diese seien deshalb nicht rabattierfähig.212 Folge dieser Auffassung wäre bei Beibehaltung der Rabattierung auch des Entgelts für Messstellenbetrieb und Messdienstleistung, des Abrechnungsentgelts und der Konzessionsabgabe ein Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot.213 Andererseits wurde und wird in der Literatur vorherrschend die Meinung vertre- 228 ten214, dass eine Übertragbarkeit des BGH-Beschlusses auf den Kommunalrabatt nicht gegeben sei. Unter anderem wird hierfür der unterschiedliche Wortlaut der beiden Vorschriften angeführt. So habe der BGH für § 118 Abs. 6 EnWG das „Entgelt für den Netzzugang“ definiert, Bezugsgröße des Kommunalrabatts sei aber der „Rechnungsbetrag für den Netzzugang“. Insofern bestehe ein Unterschied. Letzterer könne neben dem Ent 

210 Vgl. nur Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 207; BDEW-Anwendungshilfe Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, Stand 9.7.2018, Ziff. 2.4.4.1.1. 211 BGH, Beschl. v. 20.6.2017 – EnVR 24/16. 212 Vgl. BDEW-Anwendungshilfe Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, Ziff. 2.4.4.1.1. 213 Zu den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Nebenleistungsverbot siehe unten VI. 214 Schüler/Tittel, RdE 2018, S. 359 ff.; Deutscher Städte- und Gemeindebund, Dokumentation Nr. 163 „Auslaufende Konzessionsverträge“, 4. Auflage August 2021, S. 21.  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

gelt für den Netzzugang auch weitere Komponenten enthalten. Keinesfalls seien die Begriffe synonym zu verstehen. Dies ergebe sich insbesondere aus der KAV selbst, die in § 2 Abs. 6 KAV den Begriff der Netz(nutzungs)entgelte und in § 4 Abs. 1 KAV den Begriff Entgelte für den Netzzugang verwende, im Unterschied dazu in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAV jedoch vom „Rechnungsbetrag“ spreche. Zudem lege die Entstehungsgeschichte des § 3 KAV eine solche Auslegung nahe. 229 Das OLG Düsseldorf hat nun im Rahmen eines Beschlusses215 zu der regulierungsrechtlichen Frage, ob die vom Netzbetreiber im Zuge des Kommunalrabatts gewährten Preisnachlässe auf Abgaben, Umlagen und Entgelte für den Messstellenbetrieb, Messung und Abrechnung erlösmindernd bei der Bestimmung der erzielbaren Erlöse nach § 5 Abs. 1 S. 1 ARegV seien, die bislang vorherrschende Literaturmeinung abgelehnt und die Auffassung der Bundesnetzagentur gestützt: Der für den Kommunalrabatt maßgebliche „Rechnungsbetrag für den Netzzugang“ sei dahingehend zu verstehen, dass eben dieser „Rechnungsbetrag“ die Netzentgelte, d. h. den Arbeits-, Leistungs- und Grundpreis, nicht aber die gesetzlichen Umlagen, Konzessionsabgaben und Entgelte für den konventionellen Messstellenbetrieb umfasst. Aufgrund des auch nach seiner Auffassung nicht „unmissverständlich“ eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV und der Auswirkungen auf die Praxis der Netzbetreiber hat das OLG Düsseldorf jedoch die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Sollte sich der BGH der Auffassung des OLG Düsseldorf anschließen, wären die konzessionsrechtlichen Auswirkungen immanent. Eine vertragliche Abrede zwischen Gemeinde und Konzessionär, die die Gewährung des Kommunalrabattes auch auf die Umlagen und Konzessionsabgaben (u. a.) vorsieht, wäre dann nicht von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAV gedeckt und daher nach § 134 BGB (teil-)nichtig.216  



1 Praxistipp Da die Frage bislang nicht zweifelsfrei geklärt ist, verwenden aktuelle Konzessionsverträge häufig nachfolgende Regelung: „Es werden die zulässigen Höchstsätze von 10 % des Rechnungsbetrages für den Netzzugang ausgezahlt. Bislang rabattiert der Elektrizitätsverteilnetzbetreiber auch die weiteren Bestandteile der Netznutzungsrechnung. Hierzu gehören Messstellenbetrieb, Konzessionsabgabe und Umlagen, solange dies rechtlich zulässig ist.“  

230 Zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Kommunalrabatts wird auf die Ausführun-

gen in Kapitel 1 F. verwiesen.

215 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.9.2021, Az. VI-3 Kart 207/20 (V); ebenso argumentierend OLG Schleswig-Holstein im Beschluss vom 15.3.2021, Az. 53 Kart 17/20, welches allerdings die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits anhängig. 216 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.9.2021, Az. VI-3 Kart 207/20 (V) unter B. I. 2.1.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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c) Berechtigter des Kommunalrabatts Begünstigter des Rabatts auf den Eigenverbrauch ist nach dem Wortlaut nur die Ge- 231 meinde, also die kommunale Gebietskörperschaft. Zum Eigenverbrauch zählt diejenige Energiemenge, die diese Gebietskörperschaft in den von ihr unterhaltenen Anlagen, Liegenschaften und Betriebsstätten verbraucht217. Soweit die Gebietskörperschaft Vertragspartner des Konzessionsvertrages ist, kann 232 also jeder ihr unmittelbar zuzurechnender Energieverbrauch zulässige Grundlage einer Rabattierung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV sein. Bleibt die Frage, welcher Energieverbrauch ihr unmittelbar zuzurechnen ist. 233

aa) Regie- und Eigenbetrieben sowie eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen Nach allgemeiner Ansicht und ohne, dass dies verordnungsrechtlich speziell geregelt ist 234 bzw. im Konzessionsvertrag im Rahmen der Regelung zum Gemeinderabatt ausdrücklich vereinbart werden muss, fällt unter den der Gemeinde zuzurechnenden Eigenverbrauch auch der Verbrauch von Regie- und Eigenbetrieben sowie eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen der Gemeinde. Allen drei Organisationsformen der kommunalwirtschaftlichen Betätigung ist gemein, dass sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und daher ihr Handeln im Verhältnis zu Dritten ausschließlich der Gemeinde zugerechnet wird. Der Eigenbetrieb ist im Rahmen der Entstehungsgeschichte der KAV bewusst in die 235 Regelung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV einbezogen worden. Nachdem nach dem ursprünglichen Verordnungsentwurf zunächst nur „der Eigenverbrauch der Gemeinde, der ausschließlich aus dem Haushalt der Gemeinde finanziert wird“ rabattiert werden sollte, wurde dieser zuvor zitierte Halbsatz auf Empfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses durch den Bundesrat mit der Begründung „Eigenbetriebe sollten – wie bisher – in die Regelung einbezogen bleiben“ gestrichen.218 Wäre dieser Zusatz bestehen geblieben, hätte der Verbrauch der Eigenbetriebe nicht rabattiert werden können, da Eigenbetriebe nicht aus dem gemeindlichen Haushalt finanziert werden, sondern ein finanzwirtschaftlich verselbständigtes Sondervermögen der Gemeinde sind.219 Soll damit die geltende Fassung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV den vergleichsweise ver- 236 selbständigten Eigenbetrieb ausdrücklich erfassen, muss dies erst recht für die wirtschaftlich unselbständigen und daher enger in die Kommunalverwaltung eingebundenen Regiebetriebe und eigenbetriebsähnliche Einrichtungen gelten.220

217 218 219 220

Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 204. BR-Drucks. 686/1/91, S. 12. Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 203 m. w. N. Ausführlich hierzu siehe Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 34 ff.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

bb) Eigengesellschaften und Beteiligungen der Gemeinde 237 Nicht abschließend geklärt ist, ob auch der Verbrauch von beispielsweise in Form einer

GmbH oder AG betriebenen Eigengesellschaften der Gemeinden rabattiert werden kann. Gleichermaßen stellt sich die Frage bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, an denen neben der Kommune auch Private beteiligt sind, und gemischt-öffentlichen Unternehmen bei Beteiligungen anderer Kommunen, bei denen sich die Gesellschaftsanteile nur anteilig in der Hand der Konzessionsgemeinde befinden. Im Gegensatz zu den Regie-, Eigenbetrieben und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen besitzen diese in privatrechtlicher Rechtsform ausgestalteten Organisations- und Handlungsformen eine eigene Rechtspersönlichkeit. 238 Aufgrund einer rein formalen Betrachtungsweise leitete insbesondere die ältere Literatur aus dieser rechtlichen Selbständigkeit den Ausschluss der Rabattierung ab.221 Noch weiter ging eine vereinzelt gebliebene Auffassung, die den Preisnachlass auf Eigengesellschaften bereits „definitionsgemäß“ nicht gelten lassen will.222 Diese rein formale Sichtweise ist jedoch abzulehnen, da sie nicht nur außer Betracht lässt, dass die kommunale Aufgabenerfüllung in verschiedensten Organisationsformen durch die Gemeinde vorgenommen werden kann,223 sondern auch die Möglichkeit der gemeindlichen Einflussnahme auf die Eigengesellschaft bzw. auf die Beteiligung unberücksichtigt lässt. 239 In diese Richtung hat auch das OLG Frankfurt argumentiert, als es entschied, dass gegen die Regelung eines Rabatts auf den Eigenverbrauch der Gemeinde einschließlich der von ihr beherrschten Unternehmen im Ergebnis keine Bedenken bestehen, „weil insoweit die Unterscheidung zwischen Eigenbetrieb und eigenständiger juristischer Person nicht von erheblicher Bedeutung erscheint“224. Bedauerlicherweise hat das OLG Frankfurt a. M. es unterlassen, weitere Ausführungen zu der Ausgestaltung der einzelnen Organisationsformen vorzunehmen und so für eine nötige Rechtsklarheit in der Praxis zu führen. Das zu dieser Entscheidung ergangene revisionsgerichtliche Urteil des BGH enthält zu dieser Problematik keine Feststellungen.225 240 Ausgehend von der schlichten Begründung des OLG Frankfurt a. M., der im Streitfall eine Rabattvereinbarung zugrunde lag, die ausschließlich beherrschte Unternehmen der Gemeinde betraf, wird teilweise gefolgert, dass Eigengesellschaften grundsätzlich  



221 Morell, Steinhauer/Münch, § 3 Abs. 1 Erl. 6; Scholtka, S. 208; Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 203 f. 222 Feuerborn/Riechmann, § 3 Rn 3. 223 Vgl. hierzu das Praxisbeispiel der Kindergarten-GmbH in Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 48; Geipel, VersW 2011, 197, 198. 224 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 29.1.2008 – 11 U 20/07 in RdE 2008, 146 ff – Rn 71. 225 BGH Urt. vom 29.9.2009, EnZR 14/08.  



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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

rabattfähig sind226 und selbiges für Beteiligungssituationen gilt, bei welchen Anteile mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen.227 Diese Ansicht dürfte jedoch zu weitgehend sein. Zu folgen ist daher der vermittelnden 241 Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, nach der der Eigenverbrauch von vollständig in kommunaler Hand liegenden Eigengesellschaften, die sich nicht wirtschaftlich betätigen, als rabattfähig anzusehen ist.228 Nicht wirtschaftlich agierende Eigengesellschaften können gleichermaßen in Form von rechtlich unselbständigen Eigenbetrieben geführt werden, so dass eine Ungleichbehandlung dieser Organisationsformen in Bezug auf die Rabattfähigkeit willkürlich wäre und daher nicht angezeigt ist.229

Praxisbeispiel 5 „Rabattfähige Lieferstellen sind nur solche Lieferstellen, die dem Eigenverbrauch der Stadt zuzuordnen sind. Der Rabatt wird auch gewährt für Eigen- und Regiebetriebe, eigenbetriebsähnliche Einrichtungen und Betriebe gewerblicher Art sowie, soweit rechtlich zulässig, kommunale Eigen- und Mehrheitsgesellschaften. Für Unternehmen der Stadt, die im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Wettbewerb stehen, wird dieser Nachlass nicht gewährt.“

cc) Verbandsgemeinden, Samtgemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Kreise Ob ein Preisnachlass auf den Eigenverbrauch auch von kommunalrechtlichen Organisa- 242 tionseinheiten gewährt werden darf, ist nach wie vor nicht vollumfänglich geklärt. Hierzu zählen die je nach Bundesland unterschiedlich ausgestalteten und bezeichneten Organisationseinheiten wie Verbandsgemeinden (Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt), Samtgemeinden (Niedersachsen) und Verwaltungsgemeinschaften (Bayern und Thüringen) usw., die auf der Stufe zwischen (Orts-)Gemeinde und Kreis angesiedelt sind. Soweit ersichtlich, ist nach allgemeiner Meinung der Eigenverbrauch der höheren Organisationsstufen jedenfalls dann rabattierfähig, sofern diese selbst Vertragspartner des Konzessionsvertrages sind.230

226 Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 50; wohl auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 29.1.2008 – 11 U 20/07; LG Mainz, Urt. vom 19.12.2019 – 12 HK O 38/19 (Kart) unter Berufung auf o. a. Urteil des OLG Frankfurt – 11 U 20/07. 227 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, KAV § 3 Rn 47; Groneberg, S. 263; Templin, S. 343 f., die nicht zwischen wirtschaftlich und nichtwirtschaftlich betriebenen Eigengesellschaften unterscheiden. 228 Geipel, VersW 2011, 197, 198; Wolf, Dörfler, VersW 2015, 40; DStGB, Dokumentation Nr. 144, S. 28; LG München I, Beschluss vom 29.2.2016 – 37 O 3123/16, EnWZ 2016, 378 ff.; OLG Schleswig, Urt. vom 18.5.2020 – 16 U 66/19 Kart. unter V. 29. Kommunalrabatt; a. A.: LKartB BW, nach der die Einbeziehung des Verbrauchs von Eigengesellschaften auch dann unzulässig ist, wenn die Gemeinde zu 100 % deren Gesellschafterin ist. 229 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 17. 230 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 16; BMWI Auslegungshinweise, abgedruckt in RdE 1993, 35, 36; BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 18; Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 47.  











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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Nicht geklärt ist allerdings die Frage, ob bei Abschluss des Konzessionsvertrages mit der höheren Verwaltungsstufe auch der (Orts-)Gemeinde ein Rabatt gewährt werden kann bzw. bei Abschluss des Konzessionsvertrages mit der Orts-(Gemeinde) auch die höhere Verwaltungseinheit einen Rabattanspruch hat. Hier wird teilweise ein Rabattanspruch sowohl der Orts- als auch der Verbandsgemeinde als berechtigt angesehen, wenn sie beispielsweise bei einer Verwaltungsgemeinschaften nach dem Landesrecht eine Funktionseinheit bilden und daher nach einer wertenden Betrachtung beide als Teil der Verwaltungseinheiten anzusehen sind und es daher irrelevant ist, wer von beiden letztlich den Konzessionsvertrag geschlossen hat.231 Teilweise wird unter Verweis auf eine entsprechende Anwendung des § 7 S. 4 KAV empfohlen, dass beide Organisationseinheiten Vertragspartner des Konzessionsvertrages mit dem Konzessionär werden.232 244 Vor dem Hintergrund, dass der Kommunalrabatt nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV eine Leistung im Zusammenhang mit der Gewährung von Wegenutzungsrechten ist, wird er richtigerweise jedoch nur demjenigen zustehen können, der auch Partner des Konzessionsvertrages ist.233 245 Gleichermaßen verhält es sich mit (Land-)Kreisen. Auch diese können nur in den Genuss eines Kommunalrabatts kommen, sofern sie selbst Vertragspartner des Konzessionsvertrages sind. Hierfür wiederum ist es erforderlich, dass sie die Wegenutzungsrechte nach § 1 Abs. 2 KAV zur Verfügung stellen können. Nach § 7 S. 1 KAV können Gemeinden ihre Wegenutzungsrechte auf die Landkreise übertragen, die ihrerseits für das von den Gemeinden abgeleitete Recht Konzessionsabgaben mit dem Konzessionär vereinbaren können. Nach § 7 S. 2 KAV finden in diesen Fällen die Vorschriften der KAV Anwendung, mithin auch die des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV. 243

dd) Kommunale Zweckverbände 246 Kommunale Zweckverbände hingegen sind nicht (mehr) berechtigte Empfänger eines

Kommunalrabatts. Nachdem dies unter der Vorgängernorm des § 1 Abs. 1 S. 1 KAE noch der Fall war, werden Zweckverbände in der KAV im Unterschied zu den Landkreisen nicht ausdrücklich als berechtigter Empfänger von Konzessionsabgaben genannt.234 Sofern an sie aber bereits keine Konzessionsabgabe gezahlt werden darf, kann ihnen auch keine neben oder anstelle der Konzessionsabgabe zulässige Nebenleistung gewährt werden, worunter der Kommunalrabatt fällt.

231 232 233 234

Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 202; Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 28. Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 45. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 18; Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 206. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 19.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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d) Kommunalrabatt nach Auslaufen des Konzessionsvertrages? Vermehrt finden sich in aktuellen Konzessionsverträgen Regelungen, die den Netz- 247 betreiber unter dem Vorbehalt des rechtlich Zulässigen verpflichten, den Gemeinden den Kommunalrabatt so lange einzuräumen, wie er gemäß § 48 Abs. 4 EnWG zur Fortzahlung von Konzessionsabgaben verpflichtet ist. Die h. M. sieht dies als unzulässig an, da das Gesetz ausdrücklich nur von Konzessi- 248 onsabgaben spricht und die Gewährung weiterer konzessionsvertraglicher Leistungen wie Gemeinderabatt, Folgekosten oder Verwaltungskostenbeiträge nicht vorsieht.235 Allerdings ist § 48 Abs. 4 EnWG kein Verbotsgesetz, sondern stellt „lediglich“ eine Anspruchsnorm dar. Da neben der Konzessionsabgabe keine weiteren Leistungen explizit genannt werden, gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf diese. Die Einräumung eines nachvertraglichen Kommunalrabatts dürfte nach § 3 KAV aber nicht verboten sein, da er neben einem faktischen Wegenutzungsrecht gewährt wird.  

e) Rabattgewährendes Unternehmen / Verpflichteter des Kommunalrabatts Rabattgewährendes Unternehmen und damit Verpflichteter des Kommunalrabatts kann 249 nur der Konzessionär sein. Dies ergibt sich zwangsläufig aus dem Umstand, dass sich aus der KAV weder ein Anspruch auf die Zahlung von Konzessionsabgaben noch für die Gewährung von (zulässigen) Nebenleistungen herleiten lässt.236 Soll der Gemeinde ein Kommunalrabatt gewährt werden, muss dieser ausdrücklich im Konzessionsvertrag geregelt werden. Damit kann die Gemeinde einen Anspruch auf Einräumung eines Rabatts aber nur gegenüber ihrem Vertragspartner geltend machen, also dem Konzessionär. Dieser wird in den meisten Fällen der Netzbetreiber sein. Aber auch beim Auseinanderfallen von Netzbetreiber und Konzessionär, beispielsweise bei der Netzverpachtung, bleibt (vertraglich) Verpflichteter der Konzessionär.

2. Folgekosten (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV) Es ist üblich, in Konzessionsverträgen Regelungen zu sog. Folgepflichten und Folgekos- 250 ten aufzunehmen. Sie regeln die Frage, wie bei Baumaßnahmen an den öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinde mit den vorhandenen Leitungen des Konzessionärs umzugehen ist und wer die (oftmals hohen) Kosten zu tragen hat. Hierbei ist zu unterscheidenden, wer der jeweilige Veranlasser der Baumaßnahme ist. Neben den Parteien des Konzessionsvertrages – Gemeinde oder Konzessionär – können auch Dritte in Betracht kommen.237

235 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 5 A., Rn 11. 236 BR-Drucks. 686/91, S. 14. 237 BDEW Anwendungshilfe: Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, Stand 9.7.2018, S. 27; zur Frage, wer als „Dritter“ anzusehen ist, siehe nachfolgend unter d) „Baumaßnahmen Dritter“. Bayer

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251

Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Die Folgepflicht regelt die Frage, ob der Konzessionär bei kommunalen Baumaßnahmen aus Gründen des Straßenbaus, der Verkehrssicherheit oder aus sonstigen Gründen des öffentlichen Interesses eine Sicherung, Veränderung oder Umlegung seiner Leitungen vornehmen muss.238 Sofern nicht bereits bilaterale Verträge zwischen dem Konzessionär und dem Dritten (beispielsweise Kreuzungsverträge mit der Deutschen Bahn) bestehen, bietet es sich an, im Konzessionsvertrag zu regeln, ob und ggfs. in welchem Umfang der Konzessionär bei Vorhaben Dritter folgepflichtig sein soll. Als Folgekosten werden diejenigen Kosten bezeichnet, die entstehen, wenn der Konzessionär seiner Folgepflicht nachkommt239 bzw. diejenigen (Mehr-)kosten, die der Gemeinde bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an ihren Verkehrswegen durch die Existenz von Leitungen entstehen.240 Die Folgekostenpflicht regelt, wer die Folgekosten nach den konzessionsvertraglichen Vereinbarungen zu tragen hat.241

a) Vergütung notwendiger Kosten 252 Als ausdrücklich zulässig normiert § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV die Vergütung von notwendi-

gen Kosten, die bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinden durch Versorgungsleitungen entstehen, die in oder über diesen Verkehrswegen verlegt sind. In Konzessionsverträgen darf also vereinbart werden, dass der Konzessionär Aufwendungen übernimmt, die der Gemeinde entstehen, weil in oder über ihre Verkehrswegen Versorgungsleitungen verlegt sind. Der dahinter stehende Zweck ist die Entlastung der Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast von etwaig straßenfremden Kosten.242 253 Gleichwohl ist diese Nebenleistungsregel – im Hinblick auf den im Energierecht vorherrschenden Grundsatz der Preisgünstigkeit und der daraus resultierenden, eingangs bereits erwähnten „Kostendämpfungs- und Preisbegrenzungsfunktion“ – eng auszulegen.243 Es soll vermieden werden, dass der Konzessionär mit zusätzlichen Kosten belastet wird, die letzten Endes der Letztverbraucher zu tragen hätte.244 254 Die Begrenzung findet durch den Begriff „notwendig“ statt. Notwendig im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV sind marktübliche Kosten für Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen, die nicht zweckwidrig sind und im Zusammenhang mit der Substanz- und Werterhaltung der Versorgungsleitungen in oder auf den öffentlichen Verkehrswegen

238 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 55. 239 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 92. 240 Scholtka, S. 210, ist der Ansicht, dass der in Konzessionsverträgen verwendete Begriff der „Folgekosten“ im Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV irreführend ist und daher durch den Begriff der „notwendigen Kosten“ ersetzt werden sollte. Ihm wohl folgend: Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 94. 241 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 92. 242 Büdenbender, EnWG, § 14, Rn 70. 243 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 25; Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 EnWG Rn 218. 244 Büdenbender, EnWG, § 14 Rn 70.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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der Gemeinden stehen.245 Die Marktüblichkeit kann beispielsweise durch die Einholung von Vergleichsangeboten oder Sachverständigengutachten belegt werden.246 Zudem ist aus dem Begriff der Notwendigkeit das Gebot des wirtschaftlichen Handelns abzuleiten. Die Höhe der Kosten für die Baumaßnahmen selbst und die Höhe der (zu übernehmenden) Folgekosten sollten nicht außer Verhältnis stehen. Die Kosten müssen durch die Versorgungsleitungen bedingt sein. Hierunter fallen 255 alle Kosten die bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen anfallen, also beispielsweise für Aufgrabungen, Versiegelungen und das hierfür notwendige Material und Personal, bis hin zu Sicherung- und Planungskosten für Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen.247 Die Erstattung behaupteter oder fiktiver Wertminderungen der betroffenen Ver- 256 kehrswege durch die Leitungsverlegung ist nach dem eindeutigen Hinweis in der Verordnungsbegründung unzulässig.248 Gleichermaßen verboten ist die Zahlung pauschaler Beiträge.249 Erstattungsfähig sind nur die konkret nachgewiesenen Kosten.250 Wie bereits mehrfach erwähnt, stellen die Bestimmungen der KAV weder für die 257 Zahlung der Konzessionsabgabe noch für die Gewährung von Nebenleistungen eine Anspruchsgrundlage dar. Ein Anspruch auf Kostenvergütung kann sich allein aus dem zwischen den Parteien zu schließenden Konzessionsvertrag ergeben, nicht dagegen aus § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV. Ergibt sich der Anspruch aber allein aus dem Konzessionsvertrag, kann er sich auch nur auf das dort geregelte Medium und dessen Leitungen beziehen.251

b) Öffentliche Verkehrswege der Gemeinde Öffentliche Verkehrswege der Gemeinden sind die Gemeindestraßen im Sinne der Stra- 258 ßengesetze der Länder; demnach die gemeindeeigenen Straßen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.252 Da die Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen „an“ öffentlichen Verkehrswegen der 259 Gemeinden wegen bereits „verlegter“ Versorgungsleitungen durchgeführt werden müssen, setzt dies voraus, dass sowohl Straßen253 als auch Versorgungsleitungen254 bereits existieren und die bereits existierenden Versorgungsleitungen ursächlich255 für die zu-

245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255

Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 63. Kermel/Brucker/Baumann/Keller, S. 207. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, KAV § 3 Rn 61. Amtl. Begründung zur KAV, BR-Drucks. 681/91, S. 18. Kermel/Brucker/Baumann/Keller, S. 208. Morell, Zweiter Teil, 2. Abschnitt IV § 3. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 64. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 24. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 59. Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 65. Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 51.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

sätzlichen Kosten256 sind. Der Neubau von Verkehrswegen und die damit verbundene Neuverlegung von Versorgungsleitungen wird von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV nicht erfasst.257 Diese sind bereits von der Konzessionsabgabe abgedeckt.258

c) Folgekostenpflicht 260 Nach alledem und ausgehend von der eindeutigen Verordnungsbegründung, nach der

die Kosten für Leitungsarbeiten, die der Konzessionär auf eigene Veranlassung durchführt, auch von ihm selbst zu tragen sind,259 war und ist es üblich, die Gemeinde an den daraus resultierenden Kosten für beispielsweise die Oberflächenwiederherstellung und Tiefbauarbeiten nicht zu beteiligen, soweit sie als Straßenbaulastträgerin gar nicht tätig geworden ist.260 5 Praxisbeispiel „Erfolgt die Änderung der Versorgungsanlagen und -leitungen auf Veranlassung des Konzessionärs, so trägt der Konzessionär die entstehenden Kosten“.

261 Verändert hat sich im Laufe der Zeit jedoch die Folgekostenpflicht, sofern die Gemeinde

Veranlasserin der Leitungsänderung oder Leitungssicherung ist. In der Vergangenheit waren in diesem Fall gestaffelte Regelungen zur Kostentragung üblich, die sich primär am Alter der Versorgungsleitungen orientierten. Danach wurden bis zu einem Alter von beispielsweise 5 Jahren die Kosten zur Anpassung, Änderung oder Sicherung der Versorgungsanlagen und -leitungen von der Gemeinde entweder zu 100 Prozent oder aber hälftig getragen. Mit zunehmenden Alter der Versorgungsanlagen sank der Kostenanteil der Gemeinde schrittweise von 100 bzw. 50 bis 0 Prozent. 262 Heutzutage ist es üblich, Regelungen zu vereinbaren, die eine Kostentragung des Konzessionärs zu 100 Prozent unabhängig vom Alter der Versorgungsanlagen und -leitungen vorsehen.

d) Baumaßnahmen Dritter 263 Oftmals wird der Konzessionär durch Baumaßnahmen Dritter (Investoren, Träger öffentlicher Belange) im öffentlichen Straßenraum veranlasst, seine Versorgungsanlagen

256 Zu den einzelnen Kosten, die hierunter zu subsumieren sind, vgl. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 61. 257 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 59; BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 23; Rosin u. a./ Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 222. 258 Schöne in Vorauflage Kapitel 3, Rn 64. 259 Wie vor. 260 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 56.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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und -leitungen zu sichern, zu verlegen oder zu ändern. Diese, dem Konzessionär hierdurch entstehenden Kosten, sollten auch vom Verursacher getragen werden. Die Konzessionsvertragsparteien sollten daher den Fall einer Drittverursachung im Konzessionsvertrag regeln. Üblich ist eine Klausel, die die Vertragspartner verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass die dem Konzessionär hierdurch entstehenden Kosten dem Verursacher auferlegt werden. Gleichermaßen sollte der Fall von Zuschüssen oder sonstigen Zuwendungen (bspw. vom Bund/Land) zugunsten der Gemeinde für die Anpassung der Versorgungsanlagen vertraglich festgehalten werden. Im Falle bereits bestehender gesetzlicher oder vertraglicher Folgepflicht- und Folgekostenregelungen sollte klargestellt werden, dass diese durch die konzessionsvertraglichen Regelungen nicht berührt werden.261

Praxisbeispiel 5 „Der Konzessionsnehmer/Netzbetreiber vergütet der Stadt die notwendigen Zusatzkosten, insbesondere zusätzliche Baukosten, die der Kommune bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen aus Gründen des Straßenbaus, der Verkehrssicherheit oder aus sonstigen Gründen des öffentlichen Interesses an öffentlichen Verkehrswegen durch die notwendige Rücksichtnahme auf Versorgungsanlagen des Konzessionsnehmers/ Netzbetreibers entstehen, die in oder über diesen Verkehrswegen verlegt sind, soweit sie nicht als Erschließungsbeitrag im Sinne des Baugesetzbuches oder aufgrund anderer gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen Dritten auferlegt werden können, von Dritten bezuschusst werden oder die Kommune Ersatzansprüche gegenüber Dritten hat. Der Konzessionsnehmer/Netzbetreiber ist möglichst frühzeitig über die beabsichtigten Baumaßnahmen der Kommune und die ggf. zu tragenden Kosten zu informieren. Folgepflicht- und Folgekostenregelungen, die kraft Gesetzes oder aufgrund anderweitig schuldrechtlicher Vereinbarungen oder dinglicher Rechte bestehen, werden durch diesen Vertrag nicht berührt.“ 264

Dritte in diesem Sinne sind unstreitig lnfrastrukturunternehmen wie z. B. die Deutsche Bahn oder Telekommunikationsunternehmen. Ob auch kommunale Unternehmen und die Gemeinde selbst außerhalb ihrer Tätigkeit als Straßenbaubehörde (z. B. bei der Verlegung von Abwasserleitungen, Breitband, Straßenbahnbau oder sonstiger Nahverkehr, Bau in anderer Energieverteilsparte) „Dritte“ sind, ist bislang nicht geklärt. Nach Auffassung des BDEW262 zählen sie als Dritte mit der Folge, dass die Auferlegung solcher Kosten durch den Konzessionsvertrag einen Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot darstelle.263 Für diese Auffassung dürfte der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAV sprechen. Erforderlich sind Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Verkehrswegen. Schwerpunkt und Zweck der Maßnahmen müssen also in der Instandhaltung bzw. Instandsetzung der öffentlichen Verkehrswege liegen, um erfasst zu sein.  



261 BDEW Anwendungshilfe: Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, Stand 9.7.2018, S. 29. 262 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. 263 BDEW Anwendungshilfe: Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, Stand 9.7.2018, S. 29.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Sofern die Gemeinde jedoch neue Abwasserkanäle, ein neues Breitbandnetz oder Straßenbahnschienen verlegt, handelt es sich nicht um Maßnahmen an öffentlichen Verkehrswegen, sondern an andersartigen Leitungen.264 265 Sofern man entgegen der hier vertretenen Auffassung straßenbaufremde kommunale Unternehmen (z. B. solche im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs tätige) nicht als Dritte ansehen möchte, ergeben sich weitere Fragen. So ist bislang gerichtlich nicht geklärt, ob die Übernahme mittelbarer Kosten, wie die Einrichtung eines Schienenersatzverkehrs durch Busse, im Einklang mit § 3 KAV stehen. Da – wie eingangs erwähnt – die Folgekostenregelung in § 3 KAV nach einhelliger Meinung eng ausgelegt werden muss und somit die Kosten im Zusammenhang mit der Substanz- und Werterhaltung der Versorgungsleitungen in oder auf den öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinde stehen müssen, dürfte ein gewisses Risiko bestehen, dass es sich bei den Kosten für die Durchführung des Schienenersatzverkehrs nicht um „notwendige“ Kosten handelt und diese nicht erstattungsfähig sind. Zwar fallen unter Kosten im Zusammenhang mit der Substanz- und Werterhaltung der Versorgungsleitungen in oder auf den öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinde auch damit zusammenhängende Maßnahmen wie Vorbereitungshandlungen oder Planungskosten. Diesen Kostenpositionen ist aber gemein, dass sie sich auf die Baumaßnahme an öffentlichen Verkehrswegen selbst beziehen. Die Einrichtung eines Schienenersatzverkehrs steht aber nicht im engen Sachzusammenhang mit der Baumaßnahme selbst. Es handelt sich bei diesen mittelbaren Kosten daher nicht um Kosten an öffentlichen Verkehrswegen.  

3. Verwaltungskostenbeiträge (§ 3 Abs. 1 S. Nr. 3 KAV) 266 Regelmäßig wird in Konzessionsverträgen auch die dritte in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV formulierte Ausnahme vom Nebenleistungsverbot vereinbart. Danach dürfen Verwaltungskostenbeiträge der Versorgungsunternehmen für Leistungen, die die Gemeinde auf Verlangen oder im Einvernehmen mit dem Versorgungsunternehmen zu seinem Vorteil vornimmt, vereinbart oder gewährt werden. Erforderlich ist also eine aktive Leistung der Gemeinde. Der Anwendungsbereich ist aber eher gering.

a) Keine klare Definition 267 Bislang ist nicht abschließend geklärt, welche konkreten Kosten hierunter fallen. An-

ders als die Vorgängervorschrift enthält die KAV keine Definition. Nach Ziff. 46 S. 1 und 2 D/KAE265 waren Verwaltungskostenbeiträge Beiträge zu den Kosten gemeindlicher Dienststellen, die auch für ein Versorgungsunternehmen tätig werden. Hierzu zählten

264 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 94. 265 D/KAE Durchführungsbestimmungen vom 27.2.1943 zur Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände – Konzessionsabgabenanordnung vom 4.3.1941 (KAEAnO). Bayer

D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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auch die Lohnkosten, wie Urlaubs- oder Ruhegehälter.266 Weitgehend Einigkeit herrscht in der Literatur darüber, dass unter Verwaltungskostenbeiträgen jedenfalls nicht Kosten zu subsumieren sind, die die Gemeinden aufgrund von kommunalabgabenrechtlicher Bestimmungen bzw. öffentlich-rechtlicher Gebührenordnungen oder ähnlicher gemeinderechtlicher Bestimmungen ohnehin erheben dürfen oder müssen. Es muss sich mithin um Verwaltungskostenbeiträge außerhalb dieser bestehender Rechtsnormen handeln.267 Nur dann ergibt eine vertragliche Regelung einen Sinn.

b) Leistungen, die bereits mit der Konzessionsabgabe abgegolten sind Einigkeit herrscht ebenfalls darüber, dass keine Verwaltungskosten für Leistungen der 268 Gemeinde erhoben werden dürfen, die der Straßennutzung durch den Konzessionär im Rahmen des Konzessionsvertrages dienen. Diese sind bereits mit der Konzessionsabgabe abgegolten. Streitig ist allerdings, welche hierunter zu fassen sind. Als bereits mit der Konzessionsabgabe „bezahlt“ gelten nach einem Teil der Literatur Leistungen der Gemeinde für die Koordination aller Leitungsbaumaßnahmen und die Überwachung dieser Maßnahmen268, die Bearbeitung von Aufbruchgenehmigungen bzw. die Abwicklung und Kontrolle von Baumaßnahmen.269 Eine andere Ansicht hält diese für zulässige Verwaltungskostenbeiträge.270 Festzuhalten bleibt damit, dass alles andere als Klarheit hinsichtlich der mit den Konzessionen abgedeckten Kosten und den darüber hinaus § 3 KAV konformen und damit gewährungsfähigen Beiträgen herrscht.271 Letztendlich wird die Rechtsprechung klären müssen, welcher Spielraum für über § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV vergütungsfähige Leistungen verbleibt. Die Grenzen jedenfalls sind eng.272 Auf der einen Seite wird die Tätigkeit der Gemeinde ohnehin über Gebühren vergütet. Auf der anderen Seite könnte sie bereits über die Konzessionsabgabe abgedeckt sein.273

c) Pauschalisierung oder Schätzung unzulässig Die Pauschalisierung oder Schätzung der Verwaltungskostenbeiträge ist unzulässig. Die 269 noch in der Vorgängerregelung § 6 Abs. 4 KAE enthaltene Möglichkeit, Verwaltungskostenbeiträge zu schätzen bzw. zu pauschalisieren, ist nicht in die KAV übernommen wor-

266 Zu § 6 Abs. 1, 3, 4 Ziff. 46 D/KAE, RAnz. Nr. 75 (1943). 267 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 26; Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 223; Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 72. 268 Schöne in Vorauflage, Kapitel 3, Rdnr. 74. 269 Morell, § 3 KAV, Begründungen und Erläuterung Ziff. 8., S. 114b. 270 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 72. 271 Rosin u. a./Gerbatsch/Walter, § 48 Rn 224. 272 Geipel, VersW 2011, 197, 199. 273 Schöne in Vorauflage, Kapitel 3, Rdnr. 74.  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

den.274 Die Gemeinde hat daher ihre zum Vorteil des Konzessionärs erbrachten Leistungen konkret und unter exakter Aufschlüsselung im Einzelfall abzurechnen. Es soll verhindert werden, dass durch besonders „großzügig“ pauschalisierter oder geschätzter Verwaltungskosten das Nebenleistungsverbot umgangen wird.275 5 Praxisbeispiel „Der Netzbetreiber zahlt an die Stadt Verwaltungskostenbeiträge für Leistungen, welche die Stadt auf Verlangen oder im Einvernehmen mit dem Netzbetreiber zu deren Vorteil erbringt. Die Stadt hat die Kosten jeweils aufzuschlüsseln. Eine pauschalierte Kostenerstattung ist unzulässig.“

IV. Die Nebenleistungsbegrenzungen des § 3 Abs. 1 S. 2 KAV 270 Nach § 3 Abs. 1 S. 2 KAV dürfen weder für die Benutzung anderer als gemeindlicher öf-

fentlicher Verkehrswege noch für die Belieferung von Verteilerunternehmen und deren Eigenverbrauch Konzessionsabgaben vereinbart oder gewährt werden. Zulässig ist allein die Vereinbarung von Folgekosten (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV) und Verwaltungskostenbeiträgen (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV). Ausweislich der Verordnungsbegründung dient § 3 Abs. 1 S. 2 KAV „der Klarstellung und insbesondere der Abgrenzung der Zulässigkeit von Konzessionsabgaben. Soweit sie nicht zulässig sind, dürfen nur die Leistungen erbracht werden, die einer Gemeinde zusätzlich zu Konzessionsabgaben gewährt werden können.“276

1. Benutzung anderer als gemeindlicher öffentlicher Verkehrswege 271 Für den Fall, dass andere als gemeindeeigene Verkehrswege, wie etwa Kreisstraßen

277

, benutzt werden, ergibt sich die Unzulässigkeit der Vereinbarung von Konzessionsabgaben bereits aus dem Umstand, dass die Gemeinde hieran keine Rechte besitzt, die sie zur Verfügung stellen könnte.278

2. Belieferung von Verteilerunternehmen 272 Ähnliches gilt für die Lieferungen an Verteilerunternehmen. In Abgrenzung zu § 2

Abs. 8 KAV sind hier reine Durchgangsleitungen, durch die eine Belieferung von Kunden außerhalb des Gemeindegebiets erfolgt, gemeint. Dies ergibt sich aus der Verord-

274 275 276 277 278

Morell, § 3 KAV, Begründungen und Erläuterung Ziff. 8., S. 114b. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 28. BR-Drucks. 686/91, S. 18. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 85. Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV, Rn 11. Bayer

D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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nungsbegründung zur „Ersten Verordnung zur Änderung der Konzessionsabgabenverordnung“ vom 9.6.1999279, mit dem § 2 KAV u. a. der Abs. 8 angefügt wurde. Dort heißt es: „Der neue Absatz 8 konkretisiert den Grundsatz des § 1 Abs. 2. Danach sind Konzessionsabgaben Entgelte für die Einräumung des Rechts zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas im Gemeindegebiet mittels Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen. § 3 Abs. 1 Satz 2 ergänzt dies durch ein generelles Verbot von Konzessionsabgaben für Lieferungen an Verteilerunternehmen.“ Weiter heißt es in der Verordnungsbegründung, dass durch dieses generelle Verbot von Konzessionsabgaben für Lieferungen an Verteilerunternehmen sichergestellt wird, dass für die Belieferung eines Letztverbrauchers auch bei ggfs. mehrfach gestufter Lieferverhältnisse nur einmal Konzessionsabgabe gezahlt wird und dadurch Wettbewerbsverzerrungen durch überzogene Belastungen einzelner Kunden oder Kundengruppen vermieden werden. Dieser Effekt würde aber eintreten, wenn eine Gemeinde auch für Strom- und Gasmengen, die von einem über im Gebiet dieser Gemeinde errichtete Leitungen (=Durchgangsleitungen) an Letztverbraucher in einer benachbarten Gemeinde geliefert werden, Konzessionsabgaben verlangen könnte.280 Daraus ist insgesamt zu schließen, dass Konzessionsabgaben für reine Durchgangs- 273 leitungen (anders aber: „gemischt genutzte Anlagen“) weder vom Konzessionär noch von einem Nichtkonzessionär gewährt werden dürfen.281  

V. Regelbeispiele unzulässiger Nebenleistungen nach § 3 Abs. 2 KAV 1. Vorbemerkungen Während § 3 Abs. 1 S. 1 KAV anhand einer abschließenden Positivliste regelt, welche 274 Leistungen im Rahmen des strengen Nebenleistungsverbots ausnahmsweise nicht verboten sind und daher zulässigerweise für die Einräumung von Wegerechten neben oder anstelle von Konzessionsabgaben vereinbart oder gewährt werden dürfen, beschreibt § 3 Abs. 2 KAV in seinen Ziffern 1 und 2 unzulässige Nebenleistungen, die nicht neben oder anstelle von Konzessionsabgaben vereinbart werden dürfen. Das Wort „insbesondere“ verdeutlicht, dass es sich dabei um keine abschließende, sondern vielmehr um die beispielhafte Aufzählung typischer Fallkonstellationen handelt, die zur Umgehung des konzessionsabgabenrechtlichen Höchstpreisrechts geeignet wären.282 Der auf § 3 Abs. 1 KAV rückbezogene § 3 Abs. 2 KAV283 dient insoweit der Klarstellung der in § 3 Abs. 1 KAV getroffenen Grundaussage, nach der weitere Nebenleistungen als der Gemeinderabatt,

279 280 281 282 283

BR-Drucks. 358/99. Siehe zu alledem BR-Drucks. 358/99, S. 7. Vgl. mit näherer Begründung dazu Schöne in Vorauflage, Kapitel 3, Rn 78 und 79. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 31 m. w. N. BGH, Urt. v. 7.10.2014, Az. EnZR 86/13, Rn 34, zitiert nach openJur – „Stromnetz Olching“.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

die Folgekostenvergütung und die Verwaltungskostenbeiträge grundsätzlich unzulässig sind.284 275 Zu der Klarstellungsfunktion besitzt § 3 Abs. 2 KAV jedoch auch eine eigenständige Bedeutung. Neben Nennung der insbesondere nicht zulässigen Leistungen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 HS 1 KAV (Verbot der Gewährung von Finanz- und Sachleistungen unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis) und in § 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV (Verbot der Übertragung von Versorgungseinrichtungen ohne wirtschaftlich angemessenes Entgelt) enthält er in § 3 Abs. 2 Nr. 1 HS 2 KAV zwei Ausnahmen.285 So bleiben „Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte oder Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen“, vom Verbot unberührt. Allerdings wird diese Ausnahme durch den sich anfügenden Teilsatz „(…), soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen.“ wieder eingeschränkt. Welche Bedeutung diese Regelung im Hinblick auf Leistungen für Energiekonzepte und Energiesparmaßnahmen hat, ist nicht abschließend geklärt. Nach Auffassung des BGH ist der Inhalt der Bestimmung nicht eindeutig.286 276 Auch wenn sich § 3 Abs. 2 KAV auf Abs. 1 bezieht, wonach Konzessionär und Gemeinde nur die dort aufgezählten Leistungen vereinbaren oder gewähren dürfen, sind nach § 3 Abs. 2 KAV auch Leistungen von dem Konzessionär an Dritte, etwa an die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde, örtliche Vereine, das Theater oder ortsansässige Unternehmen, unzulässig. So soll eine Umgehung des Nebenleistungsverbots vermieden werden.287 Anderenfalls könnten sich Kommunen Leistungen zwar nicht an sich selbst, aber an ortsansässige Betriebe oder Privatpersonen versprechen lassen, an denen an deren Begünstigung diese ein Interesse hätten.288 277 Ebenfalls stellt es einen Verstoß gegen das das Nebenleistungsverbot dar, wenn die unzulässige Leistung der Gemeinde nicht vom Konzessionär, sondern von einem Dritten versprochen oder gewährt wird.289 Bei dem Dritten handelt es sich häufig um ein mit dem Konzessionär gesellschaftsrechtlich verbundenes Unternehmen. Sofern die Leistungen an die Gemeinde als Gegenleistung für die Wegerechtseinräumung erbracht werden, kann es keinen Unterschied machen, ob dies durch den Konzessionär selbst oder mittelbar durch einen Dritten geschieht.290

284 285 286 287 288 289 290

Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV, Rn 12. LG München I, Urt. v. 1.8.2012, Az.: 37 O 19383/10, unter A. I.1.a). BGH, Urt. v. 7.10.2014, Az.: EnZR 86/13, Rn 33 zitiert nach openJur – „Stromnetz Olching“. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 90. Kermel/Brucker/Baumann, S. 215; Morell, § 3 Abs. 2 KAV, Erläuterungen 1., S. 114c. LG München I, Urt. v. 18.12.2013, 37 O 1781/13, S. 21 f. n. v. Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 113.  





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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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2. Sonstige Finanz- oder Sachleistungen ohne angemessene Gegenleistung (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 KAV) § 3 Abs. 2 Nr. 1 HS 1 KAV verbietet sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgelt- 278 lich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden. Zur Verhinderung von Umgehungen des Nebenleistungsverbots ist der Begriff der „Leistung“ grundsätzlich eher weit auszulegen.291

a) Finanz- und Sachleistungen Die weite Auslegung des Leistungsbegriff ergibt sich nicht zuletzt aus der Verwendung 279 des Begriffes „sonstige“. Alle nicht von § 3 Abs. 1 KAV erfassten Finanz- und Sachleistungen sollen dem Verbot unterfallen.292 Finanz- und Sachleistungen i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV sind daher jegliche Leistungen geldwerter oder vermögensrechtlicher Art.293 Eine Leistung i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV ist demnach etwa das Anbieten, Verspre- 280 chen oder Gewähren einer Geldleistung an die Gemeinde zur Abgeltung von zuvor von der Gemeinde an den bisherigen Konzessionär geleisteter Zahlungen für Bauund/oder sonstiger Maßnahmen.294 Gleichermaßen liegt eine (unzulässige) Leistung vor, wenn sie einen personellen Aufwand erfordert. Denn ein solcher stellt einen geldwerten Vorteil dar.295 Nach Auffassung des BGH ist es dabei irrelevant, ob die geldwerten Leistungen im Konzessionsvertrag bereits im Einzelnen konkret bestimmt sind (z. B. die Zurverfügungstellung der für ein Energiekonzept erforderlichen Daten)296 oder aber nur eine generelle Unterstützungspflicht (im Hinblick auf kommunale Energiekonzepte)297 aufgenommen wird. Selbst eine unter dem Vorbehalt einer noch fehlenden Abstimmung sowie des konzessionsvertraglich Zulässigen vertraglich geregelte Zuschussvereinbarung stellt eine geldwerte Leistung dar, sofern jedenfalls dem Grunde nach ein Zuschuss zu zahlen ist.298 Die nicht näher konkretisierte vertragliche Zusage, die Eigenerzeugung von Strom durch die Gemeinde zu unterstützen, ist hingegen trotz der gebotenen weiten Auslegung nicht als Leistungsverpflichtung im Sinne von § 3 Abs. 2 KAV anzusehen, sondern stellt vielmehr lediglich eine allgemeine Absichtserklärung dar.299 Ob für die Leistung ein Markt vorhanden ist, ist irrelevant. Entscheidend ist allein, dass nach dem Zweck des Nebenleistungsverbots die für die Konzessi 









291 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 27 zitiert nach openJur, RdE 2015, 122, 124. 292 Groneberg, S. 268. 293 Vgl. nur OLG München, Urt. v. 26.9.2013, Az. U 3589/12 Kart unter B. III. 3. a); Templin, ZNER 2012, 570, 574 m. w. N. 294 OLG Bamberg, Urt. v. 3.11.2010, Az. 3 U 92/10, B. II. 3. 295 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 25, 27, zitiert nach openJur – „Stromnetz Olching“. 296 BGH, a. a. O., Rn 25, zitiert nach openJur. 297 BGH, a. a. O., Rn 27 zitiert nach openJur. 298 BGH, a. a. O., Rn 28 zitiert nach openJur. 299 BGH, a. a. O., Rn 29 zitiert nach openJur.  







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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

onsabgaben festgelegten Höchstsätze nicht ausgehöhlt werden. Dieser Schutzzweck ist aber auch dann betroffen, wenn ein Markt für die vereinbarte Nebenleistung nicht existiert.300

b) Unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis 281 Weiter dürfen die Leistungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht unentgeltlich oder zu ei-

nem Vorzugspreis vereinbart oder gewährt werden. Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn es an der Vereinbarung einer angemessenen Gegenleistung fehlt. Keine angemessene Gegenleistung ist die Gewährung der Konzession durch die Gemeinde. Denn ausgehend von dem Sinn und Zweck des § 3 KAV, andere Leistungen als Konzessionsabgaben für die Konzessionsgewährung bis auf die ausdrücklich geregelten Ausnahmen zu verbieten, ist nach dem BGH die Formulierung „unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis“ sinngemäß als „nicht zu marktüblichen Preisen“ zu verstehen.301 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sowohl die Vereinbarung als auch die Gewährung solcher Leistungen zulässig sind, für die die Gemeinde eine marktübliche Gegenleistung erbringt, die nicht in der Einräumung von Wegerechten liegt. 282 Was unter einem marktüblichen Preis zu verstehen ist, ist sodann im Einzelfall genauer zu prüfen.302 Im Rahmen von Kooperations- und Beteiligungsmodellen (vgl. dazu nachfolgende Ziffer d)) wird üblicherweise auch auf einen Fremd- bzw. Drittvergleich abgestellt.303 Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, ob der Bewerber um eine Konzession eine der Gemeinde gewährte Nebenleistung unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns auch dann gewährt hätte, wenn er sich nicht um die betreffende Wegerechtseinräumung bewirbt.304

c) Zusammenhang zwischen Leistung und Konzessionsvergabe 283 Die Finanz- oder Sachleistungen müssen einen Zusammenhang zur Konzessionsver-

gabe aufweisen. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ergibt sich bereits aus dem Regelungszusammenhang zwischen § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KAV.305 Denn nach § 3

300 OLG München, Urt. v. 26.9.2013, Az. U 3589/12 Kart, B. III. 3. b), EWeRK 2014, 46, 51. 301 BGH, a. a. O., Rn 29 zitiert nach openJur. 302 Groneberg, S. 294 ff. hat hierzu eine rechtsübergreifende Analyse des Marktpreises angestellt und stellt fest, dass die unterschiedlichen Bestimmungen des Zivilrechts hierunter den Durchschnittspreis verstehen. 303 LG München, Urt. v. 18.12.2013, Az.: 37 O 1781/13, S. 17 n. v.; Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang von wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011, S. 7; siehe hierzu auch Kapitel 2 B., Rn 267 ff. 304 Groneberg, S. 311. 305 Theobald/Kühling/Theobald/Templin § 3 KAV, Rn 121.  















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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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Abs. 1 KAV ist es Gemeinden und Versorgungsunternehmen verboten, für Wegerechte neben oder anstelle von Konzessionsabgaben andere als die in § 3 Abs. 1 S. Nr. 1–3 KAV aufgeführten Nebenleistungen zu vereinbaren oder zu gewähren. § 3 Abs. 2 KAV nennt ergänzend solche Leistungen, die insbesondere nicht neben oder anstelle von Konzessionsabgaben vereinbart oder gewährt werden dürfen. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass eine Leistung überhaupt nur dann dem Verbot des § 3 KAV unterliegen kann, wenn sie im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages und damit einer Konzessionsvergabe oder einem bestehenden Konzessionsvertrag steht. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Besteht ein solcher Zusammenhang nicht, ist der Anwendungsbereich des § 3 KAV nicht eröffnet. Nach der Rechtsprechung des BGH unterfallen solche Finanz- oder Sachleistungen 284 dem Nebenleistungsverbot, die als Gegenleistung für die Einräumung von Wegerechten vereinbart oder gewährt werden.306 Leistung und Abschluss des Konzessionsvertrages müssen derart miteinander verknüpft sein, dass beide Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen.307 Nicht erforderlich hingegen ist es, dass die unzulässige Nebenleistungen im Konzessionsvertrag selbst geregelt sind.308 Würde das Nebenleistungsverbot nur solche Vereinbarungen betreffen, die im Konzessionsvertrag niedergelegt sind, könnte das Verbot und der ihm innewohnende Schutzzweck der Preisbegrenzung sehr einfach dadurch umgangen werden, dass die unzulässigen Leistungen in einem anderen Vertrag, etwa einer Kooperationsvereinbarung vereinbart würden.309 Das Nebenleistungsverbot findet daher auf sämtliche (auch mündlich geschlossene) Verträge Anwendung, die der Bewerber um eine Konzession und die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages vereinbaren.310 Ein Kausalzusammenhang zwischen der angebotenen Leistung und der Auswahl- 285 entscheidung der Gemeinde ist ausgehend vom Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht erforderlich.311 Da nur solche Finanz- oder Sachleistungen dem Nebenleistungsverbot unterfallen, 286 die als Gegenleistung für die Einräumung von Wegerechten vereinbart oder gewährt werden, ist eine gewisse zeitliche Nähe und ein innerer Zusammenhang zwischen Leistung und Konzessionsverfahren erforderlich. Die beiden Merkmale zeitliche Nähe und innerer Zusammenhang spielen insbesondere bei dem Verfahren zur Suche eines strategischen Partners oder der Etablierung von Beteiligungsmodellen eine entscheidende Rolle. So kann vor allem in Fällen, in denen sich die Gemeinde entschließt, das Auswahlverfahren um die strategische Partnerschaft und das Konzessionsverfahren zeitlich

306 307 308 309 310 311

BGH, Urt. v. 29.9.2009 – EnZR 15/08, Rn 30. BGH a. a. O., Rn 31. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 40. LG München I, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 25, n. v. Groneberg, S. 285. OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3589/12 Kart, B. III. 3. d), EWeRK 2014, 46, 52.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

getrennt voneinander durchzuführen (sog. zweistufiges Verfahren), schwierig zu beurteilen sein, ob eine unzulässige Nebenleistung im Zusammenhang mit dem Konzessionsverfahren vereinbart wurde. Ab welchem Zeitpunkt eine zeitliche Nähe zwischen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der Konzessionsvergabe zu bejahen ist, die zur Beachtung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV auch bzgl. der im Vertragswerk zur strategischen Partnerschaft/zum Beteiligungsmodell getroffenen Regelungen führt, ist gerichtlich nicht geklärt. Allerdings lassen sich Anhaltspunkte aus einer Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2013 zum zweistufigen Verfahren ableiten.312 Danach dürfte ein zeitlicher Zusammenhang zu bejahen sein, wenn zwischen Abschluss des Auswahlverfahrens eines strategischen Partners und dem Konzessionsverfahren ein Zeitraum von weniger als 2 bis 3 Jahren liegt. Dies ergibt sich aus dem Erfordernis, dass bei dem zweistufigen Verfahren die Suche des strategischen Partners abgeschlossen sein muss, bevor mit dem eigentlichen Konzessionsverfahren begonnen wird.313 Das eigentliche Konzessionsverfahren beginnt, je nach Sichtweise, entweder bereits im Zeitpunkt, zu dem der aktuelle Konzessionär zur Herausgabe der Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes verpflichtet ist, vgl. § 46a S. 1 EnWG), oder im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Auslaufens des Konzessionsvertrages im Bundesanzeiger gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG. Im ersten Fall würde das Konzessionsverfahren bereits drei Jahre, im zweiten Fall zwei Jahre vor Auslaufen des bestehenden Vertrages beginnen. Zudem bestehe bei Leistungen, die nach Abschluss eines Konzessionsvertrages erbracht werden, nach einer Ansicht in der Literatur regelmäßig zumindest der Verdacht, dass die nicht marktübliche Leistung im Zusammenhang mit dem Konzessionsverfahren erfolgt ist.314 Innerhalb dieses 3-bis-4-Jahres-Zeitraums (2–3 Jahre vor Auslaufen des alten Konzessionsvertrages und 1 Jahr nach Abschluss des neuen Konzessionsvertrages) sind sämtliche Vereinbarungen zwischen der Gemeinde und dem ausgewählten Konzessionär, die die strategische Partnerschaft oder sonstige Beteiligungsmodelle betreffen, am Maßstab des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV zu messen, sofern auch der nachfolgend dargestellte innere Zusammenhang besteht. Neben dem Erfordernis einer zeitlichen Nähe muss auch ein innerer Zusammenhang zwischen der Leistung im Rahmen der Suche nach einem strategischen Partner bzw. dem Aufsetzen eines Beteiligungsmodells und dem Abschluss eines Konzessionsvertrages bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang ist bei dem einstufigen Verfahren stets gegeben. D. h., das Nebenleistungsverbot ist regelmäßig unmittelbar auf das die Partner 

312 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII-Verg 26/12, Rn 90 ff., zitiert nach juris – Münsterlandgesellschaft. 313 Hinweise der Niedersächsischen Landeskartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG, S. 16 unter 3.2.2. 314 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, 108. EL September 2020, § 3 KAV Rn 124.  

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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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schaft begründende Vertragswerk anzuwenden und bei der Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen zu beachten.315 Ob auch im Falle eines zweistufigen Verfahrens ein innerer Zusammenhang zwischen Auswahlverfahren hinsichtlich des strategischen Partners und dem Abschluss eines Konzessionsvertrages gegeben ist, ist im Einzelfall gesondert zu prüfen. Das OLG Düsseldorf hat diesen inneren Zusammenhang zum Abschluss eines Konzessionsvertrages in seinem Beschluss vom 9.1.2013 verneint. Zur Begründung führte es an, dass beide Verfahren weder tatsächlich noch rechtlich verbunden seien und daher das auf der ersten Stufe (strategische Partnersuche) gewählte Auswahlkriterium der erzielbaren Rendite des Gesamtprojekts nicht an dem Nebenleistungsverbot nach § 3 Abs. 2 KAV zu messen sei. Zugesagte Renditen seien als nach § 3 Abs. 2 KAV unzulässige Finanzleistungen nur zu berücksichtigen, wenn sie als eine spezifische Gegenleistung für die Einräumung von Wegenutzungsrechten vereinbart oder gewährt werden und dies im Prozess auch festgestellt werden könne.316 Der Nachweis, dass in den zeitlich vorgelagerten gesellschaftsrechtlichen Verträgen bzgl. der Partnerschaft oder der Beteiligung vereinbarte Leistungen spezifische Gegenleistungen für die spätere Einräumung von Wegerechten sind, dürfte nur schwer zu führen sein, zumal den unterlegenen Bewerbern in der Regel die Einsichtnahme in die Verfahrensakten verwehrt wird.317 Sofern jedoch die Eingehung einer strategischen Partnerschaft ersichtlich Voraussetzung ist, dass sich die Gemeinde überhaupt erst am Konzessionsverfahren beteiligen kann oder aber vom Ausgang des Konzessionsverfahrens abhängt, ob sich das strategische Partnerschaftsmodell überhaupt realisiert, dürfte ein innerer Zusammenhang gegeben sein.318 Im Rahmen von Beteiligungsmodellen scheint die Landeskartellbehörde BadenWürttemberg einen inneren Zusammenhang bereits dann anzunehmen, wenn die Beteiligung von dem Bestehen und dem Bestand eines Konzessionsvertrages abhängig gemacht wird. Jedenfalls überprüft die Landeskartellbehörde offenbar regelmäßig kommunale Beteiligungsmodelle auf ihr Marktüblichkeit.319 Das Vorliegen einer zeitlichen Nähe zum Auslaufen des Konzessionsvertrages und eines inneren Zusammenhangs zwischen dem Abschluss einer strategischen Partnerschaft oder der Realisierung einer Beteiligung und dem Eingehen eines Konzessionsverfahrens macht eine strategische Partnerschaft bzw. ein Beteiligungsmodell nicht unzulässig. Folge der Bejahung einer zeitlichen Nähe sowie eines inneren Zusammenhangs ist vielmehr

315 LG München, Urt. v. 12.12.2013, 37 O 1781/13, S. 25. n. v.; BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 41. 316 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII-Verg 26/12, Rn 90 ff., zitiert nach juris – Münsterlandgesellschaft. 317 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 41. 318 Groneberg, S. 288. 319 Vgl. nur die Ermittlungen gegen verschiedene Kommunen und die badenova GmbH & Co. KG wegen des seinerzeit angebotenen Kompassmodels.  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

lediglich, dass die konzessionsabgabenrechtlichen Vorgaben auch im Rahmen der strategischen Partnerauswahl bzw. des Beteiligungsmodells beachtet werden müssen. 1 Praxistipp Ein zeitlicher Zusammenhang indiziert keinen inneren Zusammenhang. Ob eine Leistung als Gegenleistung für die Einräumung von Wegerechten vereinbart oder gewährt wird, ist also stets für den Einzelfall gesondert zu prüfen. Eine Vermutungswirkung existiert nicht. Dies gilt ebenfalls für den in der Praxis häufig anzufindenden Fall, dass Konzessionsverträge und Straßenbeleuchtungsverträge in einer Gemeinde zeitgleich auslaufen bzw. gleichzeitig neu geschlossen werden. Aus der zeitlichen Koinzidenz folgt also nicht per se, dass etwaig im Rahmen des Straßenbeleuchtungsverfahrens vereinbarte Leistungen stets konzessionsabgabenrechtlich als kritisch oder gar unzulässig zu bewerten sind. Vielmehr sind sie es nur dann, wenn diese Leistungen nachgewiesenermaßen spezifische Gegenleistungen für die Einräumung von Wegerechten darstellen.

d) Beispiele aus der Rechtsprechung und Praxis (Kooperationsmodelle, Vertragsstrafen etc.) 295 Sofern sich die Gemeinde und der strategische Partner im Rahmen von Kooperationsmodellen darauf einigen, dass die angebotene Beteiligung dem gesetzlichen Leitbild entsprechen soll, bestehen hinsichtlich des Nebenleistungsverbots keine Bedenken.320 Berücksichtigen die Gesellschafter also entsprechend der gewählten Rechtsform die einschlägigen Vorgaben des HGB (Handelsgesetzbuches), GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) oder AktG (Aktiengesetz) und legen bei der wirtschaftlichen Teilhabe an den Chancen und Risiken sowie dem gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss die jeweilige Beteiligungsquote zugrunde, ist dies marktüblich und nicht zu beanstanden. Nicht der Marktüblichkeit entsprechend und damit als unzulässig i. S. des § 3 KAV angesehen werden hingegen insbesondere sog. asynchrone Gesellschafterstellungen, bei denen der Gleichlauf von Chancen und Risiken aufgelöst wird. Ebenfalls unzulässig sind asynchrone Verteilungen der Finanzierung einerseits sowie Einwirkungsrechte (Beteiligungen/Stimmrechte) andererseits. Überdies als unzulässig angesehen werden Zuwendungen sonstiger wirtschaftlicher Vorteile ohne gleichwertige Gegenleistung (z. B. kommunale Teilhabe an vertrieblichen Gewinnen des Konzessionärs, ohne dass die Kommune zugleich am unternehmerischen Risiko des Vertriebs teilnimmt).321 296 Dementsprechend hat das LG München es einer Drittvergleichsprüfung nicht standhaltend und damit als marktunüblich angesehen, wenn sämtliche wirtschaftlichen Ri 



320 Groneberg, S. 321. 321 LG München, Urt. v. 12.12.2013, 37 O 1781/13, S. 17 f. n. v.; Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang von wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gasbereich vom 5.12.2011, S. 7.  



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siken von einem Minderheitsgesellschafter getragen werden.322 Als gleichermaßen unzulässig hat es die in einer Kooperationsvereinbarung vereinbarte Garantiedividende der Gemeinde in Höhe von 8,25 % beurteilt. Eine solche Rendite sei am Kapitalmarkt für sichere und langfristige Kapitalanlagen nicht zu erzielen. Sie scheitere daher am Drittvergleich und sei wirtschaftlich unangemessen.323 Gleichermaßen unzulässig ist nach der Auffassung des LG München die einseitige Übernahme von Entflechtungs- und Einbindungskosten.324 Regelungen hierzu halten nur dann einem Fremdvergleich stand, wenn beide Gesellschafter zu gleichen Teilen für die Entflechtungs- und Einbindungskosten aufkommen.325 Auch die einseitige Übernahme des Prozesskosten- und Kaufpreisrisikos wertete das Gericht als unzulässige Finanzdienstleistungen i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV.326 In Bezug auf die kostenlose Verlegung weiterer Leitungen, insbesondere den Aufbau eines Glasfasernetzes, herrscht innerhalb der Rechtsprechung Uneinigkeit. Während das OLG Bamberg327 in der Zusage von Unterstützungsleistungen für den Aufbau eines Glasfasernetzes schon bereits keine Leistung sah und dementsprechend keinen Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot annahm, wertete das LG München diese Unterstützung als Sachleistung und – da unentgeltlich vereinbart – als Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV.328 Im Rahmen von Auskünften zu Leitungen, die entweder digital oder als PDF erteilt werden, hält das OLG Frankfurt am Main Gestaltungen, die unentgeltlich, gegen einen Pauschalpreis oder gegen einen Rabatt von 10 % erfolgen, im Hinblick auf § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 KAV für problematisch.329 Gleichermaßen erachtet es Formulierungen in Vergabeunterlagen, in denen die Netzbetreiber aufgefordert werden, mit Blick auf das Nebenleistungsverbot aus § 3 KAV eine „kommunenfreundliche Lösung“ zu finden, für intransparent und nicht zulässig. „Es werde mehr intendiert als nur eine rechtskonforme Lösung oder nur noch ein noch marktkonformer, aber günstiger Preis.“330 Unzulässig sind in jedem Fall alle Formen von Spenden an die Gemeinde oder sonstige geldwerte Zuwendungen, etwa die Zusage, die Gemeinde mit stromsparenden Waren auszustatten. Da solchen Leistungen grundsätzlich keine Gegenleistung gegenübersteht, handelt es sich regelmäßig um eine unentgeltliche Leistung i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Insbesondere in den Fällen, in denen die Gemeinden mittelbar oder unmittel 



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322 323 324 325 326 327 328 329 330

LG München, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 21, n. v. LG München, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 18 und 24, n. v. LG München, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 18, n. v. Groneberg, S. 329. LG München, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 18, n. v. OLG Bamberg, Urt. v. 27.12.2013 – 3 U 63/12. LG München, Urt. v. 12.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 18, n. v. OLG FFM Urt. v. 12.8.2021 – 11 U 1/21 (Kart) unter II. 2. d) cc) (17). Ebenda.

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bar den Empfänger der jeweiligen Spende bestimmen dürfen, liegt eine unzulässige Spende vor.331 301 Hingegen sind auf vertraglicher Grundlage basierende Sponsoringmaßnahmen, bei denen beispielsweise der örtliche Sportverein eine finanzielle Unterstützung erhält und dem Sponsor als Gegenleistung das Recht auf Werbemaßnahmen einräumt, dem Grunde nach zulässig. Da insoweit keine Unentgeltlichkeit vorliegt, kann eine Sponsoringleistung nur dann unzulässig sein, wenn sie hinsichtlich der Höhe nicht der Marktüblichkeit entspricht.332 302 Gemeinden haben während der Laufzeit des Konzessionsvertrages so gut wie keine Einwirkungsmöglichkeiten auf den Konzessionär, sollte dieser schlecht leisten oder aber die im Rahmen des Konzessionsverfahrens gemachten und im Konzessionsvertrag niedergelegten Zusagen bzw. Verpflichtungen nicht einhalten. Eine Kündigung kommt aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, ein zeit- und kostenintensives Ausschreibungsverfahren durchführen zu müssen, nicht in Betracht. Daher sehen Gemeinden zunehmend Vertragsstrafen als probates Mittel an, die Erfüllung der konzessionsvertraglichen Pflichten durch den Konzessionär zu erreichen.333 In aktuellen Verfahrensbriefen werden daher vermehrt Vertragsstrafen abgefragt, wobei es die Gemeinden häufig unterlassen, konkrete Vorgaben zu machen, sondern die Bieter auffordern, § 3-KAV-zulässige Vorschläge zu unterbreiten. Üblich ist es, beispielsweise den Infrastrukturbericht oder andere vertragliche Pflichten und die Vertragsstrafen zu verbinden und transparent für die Gemeinde aufzubereiten. Im Vertrag wird also eine konkrete Verpflichtung normiert. Zu dieser Pflicht erhält die Gemeinde ein spezielles Informationsrecht und bei Nichteinhalten eine konkrete, auf den Einzelfalls abgestimmte und angemessene Vertragsstrafe. 303 Soweit ersichtlich, werden Vertragsstrafen von der Rechtsprechung als zulässiges Auswahlkriterium angesehen.334 Im Hinblick auf ihre konzessionsabgabenrechtliche Zulässigkeit wird die Frage diskutiert, ob die Vereinbarung von Vertragsstrafen überhaupt eine Leistung i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV darstellen. Da nach dem Bestreben der Parteien die Pflichtverletzung gerade nicht eintreten soll, mithin die Vertragsstrafe daher günstigstenfalls gerade nicht fließen soll, handele es sich eher um eine Bestrafung des Konzessionärs für sein Fehlverhalten, als um eine „Leistung“.335 Aber auch wenn man in Vertragsstrafeversprechen eine Leistung i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV sehen wollte, müssen sie nicht grundsätzlichen einen Verstoß gegen § 3 KAV darstellen. Da Leistungen des Konzessionärs jederzeit zulässig sind, solange sie zu marktüblichen Konditionen erbracht werden, dürften Vertragsstrafen nur dann problematisch sein, wenn ihnen kein berechtigtes Interesse der Gemeinde gegenübersteht, sie generell besonders hoch  







331 Siehe zu alledem Groneberg, S. 330 m. w. N. 332 Groneberg, S. 330 f. 333 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 89. 334 Siehe nur LG Köln, Urt. v. 22.12.2015 – 88 O (Kart) 64/15; OLG Celle, Urt. v. 17.3.2016 – 13 U 141/15 (Kart); OLG Celle, Urt. v. 26.1.2017 – 13 U 9/16 (Kart); KG Berlin, Urt. vom 24.9.2020 – 2 U 93/19. 335 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 89.  





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sind oder im Verhältnis zur Pflichtverletzung besonders hoch sind.336 Das berechtigte Interesse fehlt beispielsweise, wenn die Pflichtverletzung für die Gemeinde eher unbedeutend ist, der Eintritt aber sehr wahrscheinlich ist und so die Möglichkeit geschaffen wird, der Gemeinde über die Vertragslaufzeit ein Zusatzeinkommen zu verschaffen.337 Jedenfalls unzulässig dürften Vertragsstrafenregelungen sein, die nach Addition aller möglichen, im Vertrag vorgesehenen Geldbußen pro Jahr die jährlich erzielbare Konzessionsabgabe übersteigen.338

3. Ausnahmen vom Nebenleistungsverbot nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV Nachdem § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 KAV sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgelt- 304 lich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, grundsätzlich verbietet, enthält § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV von diesem Verbot eine Ausnahme.339 Danach sind Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte (1. Alternative) oder für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen (2. Alternative), zulässig („bleiben unberührt“), soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen. Der Inhalt bzw. die Reichweite und Bedeutung des letzten Teilsatzes von § 3 Abs. 2 Nr. 1, Hs. 2 KAV („soweit…“) sind in der Vergangenheit kontrovers diskutiert worden. Nach zwei Urteilen des OLG München340 schien die Frage der Reichweite der Einschränkung des letzten Teilsatzes bezüglich der Ausnahme von dem Nebenleistungsverbot geklärt. Allerdings hat der BGH diese Frage im Revisionsverfahren341 ausdrücklich offen gelassen, merkte aber an, dass der Inhalt dieser Bestimmung nicht eindeutig sei.342 Insofern ist nun der Verordnungsgeber gefordert. Vergleiche zu alledem nachfolgenden Absatz c).

336 Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 90. 337 Ebenda. 338 Zutreffenderweise weist Strohe in Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 90, darauf hin, dass Vertragsstrafen zusätzlich gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstoßen können. Dies gilt insbesondere, wenn Stadtwerke oder sonstige Kooperationsmodelle mit gemeindlicher Beteiligung am Konzessionsverfahren beteiligt sind. Diese können – salopp gesagt – aufgrund der „rechte Tasche – linke Tasche“Politik gefahrlos deutlich höherer Vertragsstrafen anbieten als ihre Wettbewerber; vgl. zu alledem ebenfalls Kapitel 3 C., Rn 276 ff. 339 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 249, zitiert nach openJur. 340 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, abrufbar unter openJur und U 3589/12 in ZNER 2014, 90. 341 Nur das Urteil des OLG München vom 26.9.2013 – U 3587/12 Kart war Gegenstand des Revisionsverfahrens. 342 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 33, zitiert nach openJur.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

a) Energiepolitische Leistungen, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2, 1. Alt 305 Nach einhelliger Auffassung sind mit Leistungen des Konzessionärs bei der Aufstellung

kommunaler oder regionaler Energiekonzepte i. S. der 1. Alternative des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV nur nicht-investive – also in der Regel beratende – Leistungen gemeint.343 306 Unter „Energiekonzepte“ fallen im Wesentlichen Energieberatungen jeglicher Art (also sowohl Energieeinsparungen als auch Energiekonzepte) sowie Informationen über energetische Förderprogramme und/oder Fördermittel. Insbesondere haben die zulässigen Energieberatungen mit Blick auf Energieeffizienz und Erfassung von Energieverbräuchen an Bedeutung gewonnen. Als Beispiele kommen Konzepte zur Ausweisung des Energieverbrauchs einzelner Geräte oder Modelle zur Verwendung bestimmter Energieträger oder zur andersartigen Nutzung vorhandener Ressourcen in Betracht. Gleichermaßen sind unter den Begriff „Energiekonzepte“ Beratungen zum Thema Klimaschutz und zur Reduzierung von CO2-Emissionen zu fassen.  

1 Praxistipp Obwohl der Begriff der „Leistungen“ im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 HS 2, 1. Alternative KAV dem Wortlaut nach etwas anderes vermuten lässt, erfasst er im Wesentlichen die Energieberatung. Üblicherweise wird die Beratung durch den Konzessionär durchgeführt werden; dies ist aber nicht zwingend. Möglich ist auch, dass der Konzessionär Dritte mit der Beratung beauftragt. 307 Die Energieberatung ist – anders als die 2. Alternative des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV

(„Maßnahmen“) – nicht auf die konzessionierte Energieart beschränkt, sondern umfasst den gesamten Bereich des energetischen Umweltschutzes.344 Hierfür spricht der eindeutige Wortlaut. So sind die beiden Alternativen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV durch das Wort „oder“ getrennt mit der Folge, dass sich der Nebensatz „die dem […] Umgang mit der vereinbarten Energieart dienen“ nur auf das unmittelbar voranstehende Substantiv, also die 2. Alternative („Maßnahmen“) beziehen kann. Die Zusammenfassung beider Varianten erfolgt erst durch den nachfolgenden Satzteil „[…] bleiben unberührt […]“. 308 Zutreffenderweise wird man die Beratung sogar auf die Energiearten erstrecken dürfen, die nicht von der KAV erfasst sind. Denn eine energetisch sinnvolle Beratung muss naturgemäß auch andere Energieträger wie z. B. Wasserstoff oder Holzpellets erfassen. Im Rahmen von Konkurrenzenergien ist die Einbeziehung weiterer Energiearten sogar notwendige Voraussetzung, um bei einem Energiekonzept aus der Untersuchung beider Energiearten überhaupt erst eine Aussage über diejenige sinnvolle und effizientere Energieart treffen zu können.  

343 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 14. 344 Geipel, VersW 2011, 197, 200; Hempel/Franke/Strohe, § 3 KAV Rn 71; Groneberg, S. 274. Bayer

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Praxistipp 1 Die energetische Beratung ist weder auf die konzessionierte Energieart noch auf die konzessionierbaren Energiearten beschränkt. Sie kann damit auch Wasserstoff oder Holzpellets umfassen.

Eine energetisch nachhaltige und praktisch wirksame Energieberatung im Rahmen des 309 örtlichen oder regionalen Energiekonzepts ist nicht nur auf die Beratung der kommunalen Verwaltung beschränkt, sondern umfasst auch die Beratungsleistungen ihrer Einwohner.345 Praxistipp 1 Ein Konzessionär darf neben der Beratung der Konzessionskommune auch die Beratung von deren Einwohnern zusagen.

b) Maßnahmen, § 3 Abs. 2 Nr. 1, Hs. 2, 2. Alt Als 2. Ausnahmealternative nennt § 3 Abs. 2 Nr. 1, Hs. 2 KAV „Maßnahmen, die dem ra- 310 tionellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen“, wobei nach einhelliger Meinung konkret investive Maßnahmen gemeint sind.346

Praxistipp Hierzu zählen sowohl Finanzhilfen als auch Werksleistungen z. B. zu – der Wärmedämmung des Rathauses, – der Anschaffung von Energiesparlampen oder sonstiger energiesparender Geräte, – dem Anteilskauf für Windpark-Beteiligungsgesellschaft oder – der Erdverkabelung.

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Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut sind die investiven Maßnahmen nach allge- 311 meiner Meinung auf die vertraglich vereinbarte Energieart beschränkt.347 Wortlaut und Historie sowie Sinn und Zweck der Regelung lassen keine andere Auslegung zu. In dem ursprünglichen Regierungsentwurf zur KAV sollten zunächst nur „Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler Energieversorgungskonzepte oder für die Beratung für einen rationellen und sparsamen Umgang mit Energie“ von dem Verbot ausgenommen sein.348 Erst später ist auf die Initiative des Bunderates die Ausnahme von dem Verbot auch auf die Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart

345 346 347 348

Groneberg, S. 273. Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 217. Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 14. BR-Drucks. 686/91 vom 8.11.1991, S. 4.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

dienen, mit der Begründung erweitert worden, dass das Energieversorgungsunternehmen als langfristig versorgungsberechtigtes und versorgungsverpflichtetes Unternehmen auch über reine Beratungsleistungen hinausgehende Leistungen erbringen können muss.349 Auch die systematische Auslegung stützt diese Auffassung, nennt doch § 1 EnWG ausdrücklich den Umweltschutz.350 Sofern die Einschränkung der „vertraglich vereinbarten Energieart“ beachtet wird, können die Maßnahmen auch auf der Umsetzung eines Energiekonzeptes beruhen.351 Zudem sind nicht nur „Energiemaßnahmen im eigentlichen Sinne“ gemeint, sondern nach zutreffender Lesart z. B. „Elektromobilisierung“ oder „smart grid“.352 312 Sind in einem Konzessionsvertrag jedoch beide Energiearten vereinbart, so sind sämtliche darauf bezogenen Maßnahmen zulässig.353 Gibt es umgekehrt Maßnahmen, die energetisch sowohl Strom wie auch Gas betreffen können (z. B. BHKW-Errichtung), so ist die Maßnahme zumindest anteilig zulässig, wenn ein Konzessionsvertrag nur über eine der beiden Energiearten der KAV besteht.  



c) Einschränkung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 letzter Teilsatz „soweit“ 313 Vorab noch einmal zur Systematik: § 3 Abs. 1 KAV regelt, welche Nebenleistungen zuläs-

sig sind. § 3 Abs. 2 KAV zählt beispielhaft („insbesondere“) nicht zulässige Nebenleistungen auf. So dürfen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 KAV sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, nicht vereinbart oder gewährt werden. Der nachfolgende Halbsatz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV) enthält zu diesem speziell geregelten Verbot eine Ausnahme und legt fest, dass Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte oder für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, vom Nebenleistungsverbot unberührt bleiben, soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen. Wie bereits eingangs erwähnt ist der Inhalt und die Reichweite des letzten, mit „soweit“ eingeleiteten Teilsatzes nicht eindeutig. 314 Die bisherige überwiegende Meinung in Literatur354 und in Praxis ging unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Ausnahmeregelung nebst Einschränkung davon aus, dass sich der Soweit-Halbsatz nur auf Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, beziehen solle; Beratungsleistungen zu Energiekonzepten hiervon

349 BR-Drucks. 686/1/91 vom 9.12.1991 zu § 3 Abs. 2. 350 So auch Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1, 8. 351 Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV Rn 15. 352 So auch Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1, 7. 353 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 44. 354 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 42; Feuerborn/Riechmann, § § KAV Rn 14; vgl. auch Raspach/Baumgart/Höffken/Schneider, Kap. 11.C Rn 365 ff.  

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aber unberührt bleiben sollen.355 Wie bereits oben erwähnt, ist der 2. Halbsatz im Rahmen der Beratungen im Bundesrat geändert worden. Während nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf nur Leistungen zur Aufstellung kommunaler Energieversorgungskonzepte sowie die Beratung für einen rationellen und sparsamen Umgang mit Energie ohne die Einschränkung, dass dies nicht für Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen gelten sollte („soweit“), vom Nebenleistungsverbot unberührt bleiben sollten,356 hat der Bundesrat auch Leistungen für konkret (investive) Maßnahmen als weitere Ausnahme vom Nebenleistungsverbot vorgesehen.357 Parallel wurde der einschränkende „Soweit“-Halbsatz aufgenommen. Aus diesen gleichzeitig erfolgten verordnungsrechtlichen Anpassungen wurde gefolgert, dass die mit „soweit“ beginnende Einschränkung nur auf Maßnahmen, nicht aber auf Leistungen zur Aufstellung von Energiekonzepten anzuwenden sei.358 Das OLG München ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Vielmehr gelangte es durch 315 eine strikt am Wortlaut orientierte Auslegung der Regelung zu dem Ergebnis, dass die Einschränkung im letzten Teilsatz des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV „soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen“, nicht nur für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, gelte, sondern auch für Leistungen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte.359 Neben dem Wortlaut würden auch Sinn und Zweck des § 3 KAV dafür sprechen, unentgeltliche oder zu Vorzugspreisen erbrachte Leistungen zur Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen als unzulässig anzusehen.360 Der BGH hat diese Frage offengelassen. In einem obiter dictum merkte er aber an, 316 dass die Bestimmung auch nicht eindeutig sei. Mit dem OLG München stimmt er überein, dass sich dem Wortlaut nach die Einschränkung des letzten „Soweit“-Teilsatzes eindeutig auf den gesamten 2. Halbsatz des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV beziehe und nicht nur auf die 2. Ausnahmealternative „Maßnahmen“. Im Ergebnis würde dies allerdings dazu führen, dass der Ausnahme vom Nebenleistungsverbot in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV kein Anwendungsbereich bliebe.361 Denn § 3 Abs. 2 KAV ist rückbezogen auf § 3 Abs. 1 KAV, der die Grenzen und Möglichkeiten von Leistungsvereinbarungen neben oder anstelle von Konzessionsabgaben bei der Einräumung von Wegerechten bestimmt. Die Leistungsvereinbarungen nach § 3 Abs. 2 stehen daher per se im Zusammenhang mit dem Abschluss

355 Feuerborn/Riechmann, § § KAV Rn 14; Templin, ZNER 2012, 570, 577; Danner/Theobald/Theobald/ Templin, KAV § 3 Rn 187. 356 BR-Drucks. 686/91 vom 8.11.1991, S. 4. 357 BR-Drucks. 686/91 (Beschluss), S. 3. 358 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 42. 359 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 250, zitiert nach openJur. 360 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 252, zitiert nach openJur. 361 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 35, zitiert nach openJur. Bayer

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

oder der Verlängerung eines Konzessionsvertrages.362 Wörtlich führt der BGH aus: „Der Wortlaut der Norm legt daher nahe, dass die für die Vereinbarung von Leistungen für Energiekonzepte und bestimmte Energiesparmaßnahmen in Konzessionsverträgen in § 3 Abs. 2 N. 1 KAV zunächst gewährte Privilegierung durch den letzten Halbsatz wieder vollständig aufgehoben wird.“363 317 Gleichermaßen stimmt er mit dem OLG München überein, dass sich aus der Entstehungsgeschichte die von der Literatur vertretene Auffassung, dass sich die Einschränkung nur auf Maßnahmen beziehe, nicht entnehmen lasse. Aus der bloßen Gleichzeitigkeit der Erweiterung der Regelung um eine weitere Ausnahme („Maßnahmen“) mit der Aufnahme der Einschränkung des „Soweit“-Halbsatzes kann nicht gefolgert werden, dass sich die Einschränkung nur auf diese bezieht, wenn dies der Wortlaut nicht hergibt und eine Begründung für das Einfügen der Einschränkung fehlt.364 318 Anders als das OLG München ist der BGH der Meinung, dass auch das vom Verordnungsgeber verfolgte Ziel keinen eindeutigen Aufschluss über die Bedeutung des „Soweit“-Halbsatzes liefert, aber Sinn und Zweck365 des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV möglicherweise für eine enge Auslegung der Einschränkung des „Soweit“-Halbsatzes anzuführen sein könnten. Danach sei die Ausnahmebestimmung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nur auf solche Leistungen (also sowohl Leistungen bei Energiekonzepten als auch für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen), die während der Laufzeit eines Konzessionsvertrages für dessen Verlängerung erbracht werden oder die den Abschluss eines späteren, neuen Konzessionsvertrages vorbereiten oder ihm zugrundliegen sollen. Da die Leistungen, die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV vom Nebenleistungsverbot ausgenommen sind, dazu dienen, im Interesse der Allgemeinheit einen effizienten und umweltverträglichen Netzbetrieb i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG zu gewährleisten, könnte nach Ansicht des BGH hierfür auch die gegenüber der KAV höherrangige Zweckbestimmung des § 1 Abs. 1 EnWG sprechen.366 Damit wären die Ausnahmeleistungen nur bei laufenden Konzessionsverträgen zulässig.367 319 Hingegen sieht er es auch nicht als ausgeschlossen an, dass es sich bei der Ausnahme vom Nebenleistungsverbot in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV um eine überholte und jedenfalls seit der Entflechtung von Energieversorgung und Netzbetrieb bedeutungslose  



362 Kment/Huber, § 48 EnWG, Rn 14. 363 BGH, Urt. v. 7.10.2014, Rn 35, zitiert nach openJur. 364 BGH, Urt. v. 7.10.2014, Rn 36, zitiert nach openJur. 365 BGH, Urt. v. 7.10.2014: „Zweck des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV ist es, aus energiepolitischen Gründen den Versorgungsunternehmen Leistungen bei der Aufstellung kommunaler Energiekonzepte oder für Maßnahmen zu ermöglichen, die dem rationellen, sparsamen und ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen (vgl. Begründung der Bundesregierung zur KAV, BR-Drs. 686/91, S. 18; Beschluss der Bundesrats zur KAV, BR-Drs. 886/91, S. 4.)“, Rn 39, zitiert nach openJur. 366 Ebenda. 367 So schon Morell, § 3 KAV, Erläuterungen zu Abs. 2, Ziff. 2., S. 114c. Bayer

D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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Regelung handelt und dass diese in sich widersprüchliche Ausnahmeregelung aus Versehen bei der Novellierung des Energiewirtschaftsrechts unverändert beibehalten wurde. Deshalb mag es hinzunehmen sein, wenn die Norm jedenfalls inzwischen gemäß ihrem Wortlaut keinen Anwendungsbereich mehr hätte.368 Bislang hat der Verordnungsgeber trotz des eindeutigen Hinweises des BGH bezüg- 320 lich § 3 KAV Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV keine Klarheit geschaffen. Bleibt zu hoffen, dass die vom Deutschen Städte- und Gemeindebund angestoßene Diskussion über eine Reform der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) in der nächsten Legislaturperiode zu einer wie auch immer gearteten Anpassung des § 3 KAV Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV führt.

Praxistipp 1 Datenbereitstellungen, die nicht ohnehin beim Netzbetreiber vorliegen und einen personellen Aufwand erfordern, sollten nicht unentgeltlich angeboten werden.

d) Angemessenheit § 3 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 KAV ist als Ausnahme vom Nebenleistungsverbot eng auszulegen.369 321 Daher müssen die Leistungen des Konzessionärs für Energiekonzepte oder Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, angemessen sein.370

4. Wirtschaftlich unangemessene Überlassungsentgelte Als weiteres Beispiel einer unzulässigen Nebenleistung untersagt § 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV, 322 Verpflichtungen zur Übertragung von Versorgungsanlagen ohne wirtschaftlich angemessenes Entgelt zu vereinbaren oder zu gewähren. Diese Regelung korrespondiert mit § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, wonach Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ zu übereignen sind. Auch wenn § 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV nur von der Verpflichtung zur Übertragung spricht, ist davon auszugehen, dass naturgemäß auch der Verfügungsakt – die Übertragung selbst – ohne angemessenes Entgelt unzulässig sein soll.371 Versorgungseinrichtungen sind alle Sachen i. S. von § 90 BGB, die der Energiever- 323 sorgung dienen.372 Nach dem BGH sollen unter Verteilungsanlagen in § 46 Abs. 2 S. 2  

368 369 370 371 372

BGH, Urt. v. 7.10.2014, Rn 40, zitiert nach openJur. OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 252, zitiert nach openJur. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 43. Feuerborn/Riechmann, § 3 KAV, Rn 16. BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 48.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

EnWG alle Anlagen im Konzessionsgebiet fallen, die für die Versorgung aller vorhandenen Netznutzer notwendig sind.373 324 Der Verordnungsbegründung lässt sich entnehmen, dass Übertragungen ohne angemessenes Entgelt ebenso verhindert werden sollen wie überzogene Entgeltforderungen, damit der „Wettbewerb um die Netze“ nicht durch überhöhte Entgeltforderungen unangemessen erschwert wird.374 Was wirtschaftlich angemessen ist, wird hingegen in der KAV offen gelassen. Es handelt sich mithin um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung nach wie vor zu juristischen Diskussionen375 und zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Unsicherheit bei der Übertragung von Versorgungsnetzen führt. 325 Der Verordnungsgeber selbst hat den Sachzeitwert als diejenige Entgeltvereinbarung benannt, welche der Praxis entspreche und auch – vorbehaltlich anderweitiger kartellrechtlicher und preisrechtlicher Entwicklungen – nicht zu beanstanden sei.376 Dadurch, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber weder in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG noch in § 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV eine ausdrückliche Berechnungsmethode vorgegeben hat, wollte er es der Rechtsprechung überlassen, den Begriff der „wirtschaftlichen Angemessenheit“ zu konkretisieren.377 In der Vergangenheit wurde nach der noch zum alten Rechtsrahmen vor Inkrafttreten des EnWG 2005 ergangenen „Kaufering“-Entscheidung des BGH378 im Zusammenhang mit der Ermittlung des Preises für die Überlassung von Versorgungsanlagen eine Berechnung auf der Basis des Sachzeitwerts für zulässig erachtet.379 Hiernach sind solche Regelungen unzulässig, bei welchen der Preis in Höhe des Sachzeitwerts prohibitiv wirke, was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Sachzeitwert den Ertragswert des Netzes erheblich übersteige.380 Die Berechnung des Ertragswerts hat nach kaufmännischen Vorgaben zu erfolgen, die die obergerichtliche Rechtsprechung im Einzelnen instruktiv und fachkundig aufgestellt hat.381 Die Ermittlung des Preises für die Überlassung von Versorgungsanlagen auf der Basis des Sachzeitwerts galt auch auf der Grundlage des Inkrafttretens des EnWG 2011 fort. So hat der BGH mit Beschluss vom 3.6.2014 bestätigt, dass die am Ertragswert orientierte Vergütungshöhe auch unter den aktuellen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen gilt.382 326 Der Gesetzgeber hat im Rahmen der EnWG-Novelle mit Wirkung zum 3.2.2017 mit dem neu eingeführten § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG versucht, mehr Rechtssicherheit zu schaf-

373 BGH Urt. v. 7.4.2020 – EnZR 75/18, Rn 27, zitiert nach openJur. 374 BR-Drucks. 686/91, S. 19. 375 Vgl. im Einzelnen Kapitel 6 B. 376 BR-Drucks. 686/91, S. 19. 377 Raspach/Baumgart/Höffken/Schneider, Kap. 11.C Rn 374. 378 BGHZ 143, 168 ff. 379 OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 11.11.2010 – U 646/08.Kart, RdE 2011, 191; LG Hannover, Urt. v. 22.2. 2011 – 18 O 383/06, RdE 2011, 198. 380 Grundlegend BGHZ 143, 168 ff.; OLG München ZNER 2006, 84 f.; ebenso etwa OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 11.11.2010 – U 646/08.Kart RdE 2011, 191 ff.; LG Hannover ZNER 2011, 203 ff. 381 OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 11.11.2010 – U 646/08.Kart, RdE 2011, 191, 192 f. 382 BGH, Beschl. v. 3.6.2014, EnVR 10/13 = RdE 2015, 29, 35 – Stromnetz Homberg.  











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D. Höchstpreisrecht und Nebenleistungsverbot der KAV

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fen. Danach ist für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Nach der Gesetzesbegründung erfolgte dies vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit zahlreiche Netzübernahmen durch prohibitiv hohe Kaufpreisforderungen des vormaligen Konzessionärs erheblich verzögert wurden und dadurch der „Wettbewerb um das Netz“ verhindert wurde.383 Laut Gesetzesbegründung kann der Ertragswert, dem ein Zukunftsverfahren zu- 327 grunde liegt, bei dem die zukünftigen jährlichen Ertragsüberschüsse, die im Zusammenhang mit dem Netz über die Laufzeit des Konzessionsvertrages zu erzielen sind, addiert und auf den heutigen Wert abgezinst werden, auf Basis der Netzentgelt- und Anreizregulierungsverordnung berechnet werden. Insoweit könne auf den gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Wegerechten für Strom- und Gas verwiesen werden.384 Letzten Endes hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung385 die Kaufering-Entscheidung des BGH normiert.386 Dennoch ist nach wie vor unklar, wie genau die Berechnung des objektivierten Er- 328 tragswerts zu erfolgen hat. Fraglich ist, was geschieht, wenn die Berechnung nach dem objektivierten Ertragswert dazu führt, dass die angemessene Vergütung unter dem Sachzeitwert liegt. Dies ist der Fall, wenn der bisherige Konzessionär ein unterdurchschnittliches Investitionsverhalten gezeigt hat und das Energieverteilnetz bereits weitgehend abgeschrieben ist. Im theoretischen Fall einer vollständigen Abschreibung könnte er wegen des Verbots der „Abschreibung unter Null“ auch keine weiteren Erträge erwirtschaften mit der Folge, dass er das Verteilnetz effektiv verschenken müsste. Eine solche Vorgehensweise würde erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen.387 Auch ist unklar, was im konkreten Fall in die notwendigen Prognosen der Erträge und Aufwände einzubeziehen ist. Zudem ist umstritten, ob Synergieeffekte, die nur einer der beteiligten Verfahrensteilnehmer erzielen könnte, in den Ertragswert einzubeziehen sind.388 Es bleibt somit abzuwarten, wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung positionieren wird. Gem. § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG besteht die Möglichkeit für Alt- und Neukonzessionär, 329 sich im Gegensatz zum Ertragswert auf eine anderweitig basierte Vergütung zu einigen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Möglichkeit in der Praxis kaum eine Rolle spielen wird. Weder wird der Käufer zur Zahlung einer höheren Vergütung als den auf der Grundlage der Ertragswertmethode ermittelten Kaufpreis bereit sein noch wird sich der Verkäufer mit einer niedrigeren Vergütung begnügen.

383 BT-Drucks. 18/8184, S. 9. 384 BT-Drucks. 18/8184, S. 12. 385 Ebenda. 386 BerlK-EnR/Wegner, 4. Auflage 2019, § 48 EnWG Rn 78. 387 BerlK-EnR/Kermel, § 3 KAV Rn 54 f. 388 BDEW, Anwendungshilfe „Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung“, Stand 9.7.2018, Ziff. 2.6.2.2.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

VI. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 3 KAV 1. Zivilrecht 330 Wie bereits eingangs erläutert, flankiert § 3 KAV das Höchstpreisrecht der KAV, indem er verhindert, dass die in § 2 KAV festgelegten Höchstbeträge der Konzessionsabgabe bei Abschluss von Konzessionsverträgen nicht durch die Vereinbarung unzulässiger Nebenleistungen umgangen und ausgehöhlt werden („nicht vereinbart oder gewährt werden dürfen“). § 3 KAV stellt damit nach ganz herrschender Meinung ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB dar.389 Unerheblich ist hierbei, dass es sich bei § 3 KAV nicht um ein formelles Gesetz handelt, da § 134 BGB auch Verordnungen und Satzungen umfasst.390 Gleichzeitig handelt es sich um eine Höchstpreisregelung und stellt damit eine Bestimmung des Preisrechts dar.391

a) Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Konzessionsvertrags 331 Als Folge der Vereinbarung einer unzulässigen Nebenleistung nach § 3 Abs. 2 KAV resul-

tierte hieraus nach bislang unterinstanzlicher Rechtsprechung sowie Teilen des Schrifttums die Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages nach § 134 BGB.392 Konsequenz der Gesamtnichtigkeit war, dass der Neukonzessionär seinen Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht erfolgreich durchsetzen kann, da ein solcher einen wirksamen Konzessionsvertrag voraussetzt.393 Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV konnte also nach dieser bisherigen Meinung in letzter Konsequenz dazu führen, dass das gesamte Ausschreibungsverfahren um die Konzession zu wiederholen war.394 332 Der BGH ist der Ansicht der Vorinstanzen in seiner Entscheidung zum Stromnetz Olching nicht gefolgt. Vielmehr geht er bei Verstößen gegen das Nebenleistungsverbot von einer Teilnichtigkeit der Preisabrede aus.395 Eine Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages verneint er jedenfalls dann, wenn die unzulässigen Leistungen weder Kriterium für die Auswahl des Konzessionärs waren noch sich in anderer Weise auf die Auswahlentscheidung der Gemeinde ausgewirkt haben. Der BGH stützt dieses Ergebnis im Wesentlichen auf drei Argumente. 333 Zunächst führt er seine ständige Rechtsprechung zu Verstößen gegen Preisvorschriften an. Diese hätten nicht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge,

389 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.9.2021, Az. VI-3 Kart 207/20 (V) unter B. I. 2.1; BGH, Urteil vom 7.10. 2014 – EnZR 86/13 unter B. III. 2. a) aa), Rn 45, zitiert nach openJur. 390 Grüneberg/Ellenberger § 134 Rn 2. 391 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 45, zitiert nach openJur. 392 LG München I, Urt. vom 18.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 27 (nicht veröffentlicht); OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 244 ff., zitiert nach openJur; Schöne, in Vorauflage, Kapitel 3, Rn 120 f. 393 OLG München, Urt. v. 26.9.2013 – U 3587/12 Kart, Rn 246 ff., zitiert nach openJur. 394 Kment/Huber, § 48 EnWG, Rn 15. 395 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 44 ff., zitiert nach openJur.  







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sondern führten nur zur Teilnichtigkeit der Preisabrede.396 Der Grundsatz, dass das Rechtsgeschäft nichtig sein soll, sofern sich das Verbot – wie bei § 3 KAV – gegen beide Vertragsparteien richtet, gelte nicht ausnahmslos. Vielmehr folge unter Anwendung der Auslegungsregel in § 134 Hs. 2 BGB aus dem Sinn und Zweck des § 3 KAV als Bestimmung des Preisrechts, dass diese nur die Vereinbarung eines unzulässigen Preises, nicht aber das Rechtsgeschäft insgesamt verhindern wollen.397 Dieses Ergebnis werde auch vom Schutzzweck des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV gestützt. Auch der Konzessionär sei durch die Vereinbarung einer unzulässigen Nebenleistung belastet und daher schutzbedürftig. Denn aufgrund der marktbeherrschenden Rolle der Gemeinde bei der Konzessionsvergabe bestünde das grundsätzliche Risiko, dass sie für die Einräumung des Wegenutzungsrechts unzulässige Gegenleistungen fordern. Insofern sei es zum Schutz des Konzessionärs geboten, den Konzessionsvertrag ohne die unzulässige Nebenleistung aufrecht zu erhalten.398 Zum Zweiten folge eine Gesamtnichtigkeit des streitgegenständlichen Konzessions- 334 vertrages auch nicht aus § 139 BGB.399 Grundsätzlich könne sich eine Gesamtnichtigkeit zwar aus § 139 BGB ergeben. Dem stehe auch nicht eine im Konzessionsvertrag vereinbarte sog. „salvatorische Klausel“ entgegen. Diese führe bei der Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten aber dazu, dass denjenigen, der den Vertrag für unwirksam hält, die Darlegungs- und Beweislast trifft. In dem zu entscheidenden Fall kam den unzulässigen Klauseln nach Ansicht des BGH jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu und waren dem hauptsächlichen Regelungsgehalt – Einräumung der Wegerechte und Übertragung des Netzbetriebs gegen Zahlung der vereinbarten Konzessionsabgabe – eindeutig nachgeordnet. Entscheidend sei zudem, dass die vereinbarten Klauseln im Falle ihrer Unzulässigkeit mit keinem Netzbetreiber hätten vereinbart werden dürfen, die Gemeinde aber gleichwohl zum Abschluss eines Konzessionsvertrages verpflichtet gewesen wäre, was den BGH zu der Schlussfolgerung führte, dass die Gemeinde und die Klägerin den Vertrag auch ohne die unzulässigen Klauseln abgeschlossen hätten. Schließlich erfordere entgegen der Auffassung der Vorinstanzen der Schutz der Mit- 335 bewerber nicht schon allein der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. KAV die Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages. Diese Folge komme vielmehr erst dann in Betracht, wenn die unzulässige Leistung kausal für die Auswahlentscheidung des Konzessionärs war.400 Dies konnte in dem vom BGH zu entscheidenden Fall jedoch nicht nachgewiesen werden. Weder sei festgestellt worden, dass die Klauseln ein Auswahlkriterium waren, noch dass sie sich in anderer Weise auf die Vergabeentscheidung ausgewirkt haben. Wenn sich ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV jedoch nicht auf die Konzessionsvergabe aus-

396 397 398 399 400

BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 46, zitiert nach openJur. BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 48, zitiert nach openJur. BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 49, zitiert nach openJur. BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 52 ff., zitiert nach openJur. BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 55, zitiert nach openJur.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

gewirkt habe, könne der Schutz der Mitbewerber auch nicht die Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages erfordern.

b) Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit der unzulässigen Vertragsklauseln 336 Etwas unklar nimmt der BGH zu dem Schicksal der jeweils unzulässigen Vertragsklau-

seln selbst Stellung, sofern er zunächst ausführt, dass ein Verstoß gegen Preisvorschriften nach seiner ständigen Rechtsprechung nur zur Teilnichtigkeit der unzulässigen Preisabrede führe und an die Stelle der unzulässigen Preisabrede der gesetzlich zulässige Preis trete. Hieraus könnte geschlossen werden, dass auch die unzulässige Klausel selbst nur teilnichtig und nicht gesamtnichtig sein solle. Allerdings hält er im Folgenden sodann als Ergebnis fest, dass der Konzessionsvertrag ohne die Verpflichtung zu unzulässigen Nebenleistungen aufrechtzuerhalten sei401 und allein die Vertragsklauseln nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 KAV nichtig seien402. Insofern ist davon auszugehen, dass die Nebenleistungsabreden selbst gesamtnichtig sein sollen und keine Restgültigkeit bzgl. eines zulässigen Entgelts haben sollen. 337 Dies ist bei Nebenleistungen, die unter das Verbot aus § 3 Abs. 2 KAV fallen, auch sachgerecht. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei den Nebenleistungen nach § 3 Abs. 2 KAV um „insbesondere“ nicht zulässige Nebenleistungen handelt. Diese sollen also verhindert werden. Der Erhalt einer Restgültigkeit würde dem Zweck der Vorschrift mithin zuwiderlaufen. Ohne die Möglichkeit, eine unzulässige Nebenleistung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit zu sanktionieren, hätte § 3 KAV keinerlei Wirkung.403 Bei den grundsätzlich zulässigen Nebenleistungen gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1–3 KAV dürfte jedoch (nur) von einer Teilnichtigkeit der die zulässige Nebenleistung übersteigenden Abrede auszugehen sein. So geht auch das OLG Düsseldorf davon aus, dass die Gewährung von Kommunalrabatten unzulässig sei, wenn sie nicht von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV gedeckt sei, und die vertragliche Abrede über ihre Einräumung nach § 134 BGB (teil-)nichtig sei.404 1 Praxistipp Leistungen für Energiekonzepte sollten im Rahmen einer Konzessionsvergabe nicht unentgeltlich als Wertungskriterium festgelegt bzw. in Konzessionsverträgen vereinbart werden.

401 402 403 404

BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 49, zitiert nach openJur. BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn 51, zitiert nach openJur. So auch Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 211. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.9.2021 – Az. VI-3 Kart 207/20 (V) unter B. I. 2.1. Bayer

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2. Wettbewerbsrecht Das OLG Bamberg hat sich in einer früheren Entscheidung nicht nur eingehend mit 338 dem Verstoß gegen das in § 3 KAV geregelte Nebenleistungsverbot, sondern auch mit der Folgefrage auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang aus dem Verstoß gegen § 3 KAV wettbewerbsrechtliche Ansprüche resultieren.405 Gegenstand der Entscheidung war eine Vereinbarung über eine unentgeltliche flächendeckende Erschließung des Gemeindegebiets mit einer schnellen Breitband-Internetverbindung (DSL-Verkabelung), welche die Beklagte (Neukonzessionär) der Gemeinde im Gegensatz zur Klägerin (Wettbewerber) beim Abschluss des Konzessionsvertrages versprochen hatte. Diese Vereinbarung kannte in tatsächlicher Hinsicht allein den Abschluss des Stromkonzessionsvertrags als Gegenleistung. Das Angebot wertete das OLG Bamberg als Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV. Infolgedessen hat jeder Mitbewerber406 einen Anspruch auf Beseitigung und Un- 339 terlassung nach § 8 UWG. § 3 Abs. 2 KAV stelle eine gesetzliche Vorschrift i. S. d. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a. F.) dar, da sie dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie schütze sowohl den Endkunden als auch den Mitbewerber um die Konzession.407  





3. Kartellrecht Stellt ein Verstoß gegen § 3 KAV gleichzeitig einen Verstoß gegen das kartellrechtliche 340 Missbrauchsverbot (§ 19 GWB) dar, kann die zuständige Kartellbehörde entweder eine Missbrauchsverfügung auf Abstellen des kartellwidrigen Verhaltens erlassen, § 32 GWB, oder aber im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens Bußgelder verhängen.

4. Strafrecht Die Vereinbarung und/oder Gewährung unzulässiger Nebenleistungen i. S. des § 3 KAV 341 kann strafrechtliche Folgen für die Beteiligten nach sich ziehen.408 In Betracht kommt sowohl eine Strafbarkeit gemäß § 333 StGB (Vorteilsgewährung) 342 als auch gemäß § 334 StGB (Bestechung) der auf Seiten des Konzessionärs handelnden Personen. Spiegelbildlich kann sich der Amtsträger nach § 331 StGB (Vorteilsannahme) oder § 332 StGB (Bestechlichkeit) strafbar machen. Denkbar ist zudem eine Strafbarkeit nach § 108e StGB (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern). Zu beachten ist hierbei, dass die Straftatbestände des §§ 331 ff., 108e StGB im Gegensatz zum Nebenleistungsverbot gemäß § 3 KAV, welches bei Leistungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Wegerechten greift, auch außerhalb von Konzessionsvergaben erfüllt sein können.  



405 406 407 408

OLG Bamberg, Urt. v. 3.11.2010 – 3 U 92/10, RdE 2011, 160 ff. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. OLG Bamberg, Urt. v. 3.11.2010 – 3 U 92/10 Rn 96, zitiert nach openJur. Kermel/Brucker/Baumann, S. 216.

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Hintergrund für die strengen Vorschriften ist, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Lauterkeit der Amtsführung durch Amtsträger besonders geschützt werden soll. Hier geht es um die generelle Möglichkeit, als Amtsträger nicht mehr über jeden Zweifel erhaben zu sein. Deshalb ist bereits der Anschein der Einflussnahme auf einen Amtsträger strafbewehrt. Nach § 331 Abs. 1 StGB – Vorteilsannahme – wird u. a. ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Bestechlichkeit, § 332 Abs. 1 StGB, liegt vor, wenn die in § 331 genannte Person mit der Diensthandlung, auf die sich die Zuwendung bezieht, ihre Dienstpflichten verletzt oder verletzen würde. Hier droht eine Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Nach § 333 Abs. 1 StGB wird, wer u. a. einem Amtsträger oder einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Eine Bestechung, § 334 Abs. 1 StGB begeht, wer u. a. einem Amtsträger oder einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde. Hier droht eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In minder schweren Fällen drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Die Gewährung einer Nebenleistung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages kann je nach Ausgestaltung die zuvor dargestellten Straftatbestände erfüllen. Dafür muss einem Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder einem für einen öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ein Vorteil für sich oder einen Dritten angeboten, versprochen oder gewährt werden. Ein Vorteil ist jede Zuwendung, auf die die Amtsperson keinen Rechtsanspruch hat und die ihre wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv messbar verbessert.409 Eine unzulässige Nebenleistung kann einen solchen Vorteil darstellen. Nach der Neufassung der Vorschrift des § 331 Abs. 1 StGB durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz410 reicht es für die Strafbarkeit eines Amtsträgers wegen Vorteilsannahme aus, wenn der Amtsträger den Vorteil für einen Dritten fordert, versprechen lässt oder annimmt.411 Der Vorteil muss nicht mehr als Gegenleistung für eine bestimmte oder zumindest hinreichend  





409 Lackner/Kühl/Heger StGB § 331 Rn 4. 410 Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13.8.1997, BGBl. I 2038. 411 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.4.2010 – 2 (7) Ss 173/09-AK, NStZ 2011, 164 f.  

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bestimmbare Diensthandlung des Amtsträgers gedacht sein.412 Es genügt nunmehr, dass der Vorteil von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer allgemein im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Dienstausübung des Amtsträgers inhaltlich verknüpft ist.413 Das Gegenseitigkeitsverhältnis muss in dem Sinne bestehen, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Vorteilsgeber sich das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkaufen bzw. allgemein „Klimapflege“ betreiben will.414 Korrespondierend wurde der Tatbestand der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) in gleicher Weise neu gefasst. Ein Konzessionsbewerber macht sich folglich wegen Vorteilsgewährung gem. § 333 Abs. 1 StGB strafbar, wenn er einer Amtsperson für eine rechtmäßige Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt. Wegen Bestechung gem. § 334 Abs. 1 StGB dann, wenn er den Vorteil für eine Vornahme einer bestimmten pflichtwidrigen Diensthandlung der Amtsperson anbietet, verspricht oder gewährt. Dass keine großen Hürden an die Tatbestandsmäßigkeit der §§ 331 ff. StGB gestellt werden, zeigt ein Fall des BGH, welcher die Zurverfügungstellung von Wahlkampfunterstützung für einen Oberbürgermeister zum Gegenstand hatte.415 Dort hatte der Oberbürgermeister ein Angebot zur Finanzierung seines Wahlkampfes angenommen416. Diese Vorteile hat sich der Angeklagte für seine Dienstausübung versprechen lassen. Für die Tatbestandsmäßigkeit des § 331 StGB war es ausreichend, dass er die Absicht des Mitangeklagten erkannte, ihm die Wahlkampfunterstützung „aufgrund seiner dienstlichen Stellung als Oberbürgermeister und seiner investorenfreundlichen Politik“ zukommen zu lassen. Auch und gerade im Bereich des Abschlusses von Konzessionsverträgen besteht die Gefahr, dass Bürgermeister einer Konzessionsgemeinde aus investorenfreundlicher Politik gegenüber dem (Neu-)Konzessionär unzulässige Nebenleistungen als Vorteil annehmen. Am Konzessionsverfahren beteiligte Dritte, wie beispielsweise Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte können als Teilnehmer der Straftatbestände in Betracht kommen und sich wegen Beihilfe an oder Anstiftung zu den §§ 331 ff. StGB strafbar machen. Des Weiteren bestehen Risiken einer strafrechtlichen Verfolgung im Bereich von Sponsoringmaßnahmen417. Dies verdeutlicht eine Entscheidung des LG Offenbach, das einen Bürgermeister der Vorteilsnahme gem. § 331 I StGB schuldig gesprochen hat, der  

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412 Vgl. BGHSt 32, 290; BGHSt 39, 45. 413 BGHSt 49, 275, 281; BGHSt 53, 6, 14 f. 414 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.4.2010, 2 (7) Ss173/09 – AK 1010/09, NStZ 2011, 164 f. 415 BGH, Urt. vom 28.10.2004 – 3 StR 301/03, NJW 2004, 3569 ff. 416 Vgl. BGH Urt. vom 28.10.2004 – 3 StR 301/03, NJW 2004, 3569 ff. 417 Vgl. hierzu im Überblick Säcker, Franz Jürgen, Gesetzliche und satzungsmäßige Grenzen für Spenden und Sponsoringmaßnahmen in der Kapitalgesellschaft, BB 2009, 282 ff.  









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im Rahmen des Abschlusses des Konzessionsvertrags auf das Angebot des Konzessionärs einging, der Gemeinde eine Sonderspende für einen kulturellen Zweck zukommen zu lassen418. Zwar wurde diese Entscheidung durch das OLG Karlsruhe wieder aufgehoben, gleichwohl lassen sich anhand dieses Beispiels die strafrechtlichen Risiken des Sponsorings für die Partner des Konzessionsvertrags sowie die politisch nicht abschätzbaren Folgen aufzeigen. 353 Kommunale Mandatsträger wie Stadtverordnete, Ortsbeiratsmitglieder oder Kreistagsabgeordnete sind keine Amtsträger. Im Jahr 2014 wurde allerdings der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB erweitert.419 § 108e StGB (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern) setzt seitdem eine sogenannte Unrechtsvereinbarung voraus. Nach § 108e Abs. 1 StGB wird bestraft, wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse. Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für dieses Mitglied oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, § 108e Abs. 2 StGB. Nach § 108e Abs. 3 StGB sind seit der im Jahre 2014 erweitertem Fassung ausdrücklich auch Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft (Stadt- und Gemeinderäte, Vertretungen von Gemeindeverbänden und Kreistagen) und Mitglieder eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit (z. B. Ortsbeiräte, Bezirkstagräte) den oben genannten Mitgliedern gleichgestellt. Im Jahr 2021 hat der Straftatbestand eine Verschärfung des Strafrahmens erfahren. Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Montane kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen.420 354 Unternehmen, die eine geldwerte Leistung ohne eine Gegenleistung gewährt haben, können sich ebenfalls wegen Untreue gem. § 266 StGB insbesondere dann strafbar machen, wenn durch die Gewährung einer unangemessen hohen Nebenleistung durch einen unmittelbaren Beteiligten das Vermögen des jeweiligen Konzessionärs pflichtwidrig geschädigt oder gefährdet wird.  

418 Unveröffentlichte Entscheidung des LG Offenbach; vgl. aber OLG Karlsruhe Beschl. v. 27.4.2010, 2 (7) Ss173/09 – AK 1010/09, NStZ 2011, 164 f. 419 § 108e StGB in der Fassung vom 1.9.2014, BGBl. I S. 410. 420 § 108e Abs. 5 StGB in der Fassung des Artikels 3 Gesetz zur Verbesserung der Transparenzregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages und zur Anhebung des Strafrahmens des § 108e des Strafgesetzbuches G. v. 8.10.2021, BGBl. I S. 4650 m. W. v. 19.10.2021.  







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5. Steuerrecht In Fällen, in denen zwischen der Konzessionärin und der die Konzession gewährenden 355 Gemeinde ein steuerlich relevantes Näheverhältnis besteht, müssen sämtliche in dem Konzessionsvertrag getroffenen Vereinbarungen für steuerliche Zwecke dem Fremdvergleich entsprechen. Soweit die Vereinbarungen in dem Konzessionsvergleich nicht dem Fremdvergleich entsprechen, erfolgt die Besteuerung der Konzessionärin und der Gemeinde nicht auf der Basis der tatsächlich geleisteten Entgelte, sondern auf der Grundlage fremdüblicher Leistungsbeziehungen. Dies führt zu steuerlichen Korrekturen (Gewinnerhöhung, steuerpflichtige Gewinnausschüttung) auf der Basis derjenigen steuerlichen Korrekturvorschriften, die für die Rechtsform der jeweiligen Konzessionärin sowie etwaiger weiterer Gesellschaften in der Beteiligungskette zwischen der Gemeinde und der Konzessionärin einschlägig sind.421 Die steuerlichen Folgen bereits erbrachter nicht fremdüblicher Leistungen können 356 grundsätzlich nicht dadurch beseitigt werden, dass nach der Beanstandung durch die Finanzverwaltung eine rückwirkende Anpassung der geleisteten Entgelte auf den aus Sicht der Finanzverwaltung fremdüblichen Betrag vereinbart und eine entsprechende Ausgleichszahlung geleistet wird.422 Vielmehr kann lediglich durch eine in die Zukunft gerichtete Änderung verhindert werden, dass es zukünftig zu weiteren nicht fremdüblichen Leistungen kommt, die steuerliche Korrekturen nach sich ziehen würden. In Fällen, in denen zwischen der Gemeinde und der Konzessionärin ein steuerlich relevantes Näheverhältnis besteht, sollte die steuerliche Fremdüblichkeit der Vereinbarungen in dem Konzessionsvertrag daher unbedingt im Vorfeld des Abschlusses des Konzessionsvertrags geprüft werden.

E. Recht der Konzessionsabgaben I. Entstehungsgeschichte, Regelungsrahmen und Kritik an der KAV 1. Zur Entstehungsgeschichte der KAV Die KAV trat am 1.1.1992 als Rechtsverordnung des Bundes in Kraft. Sie ersetzte für die 357 Sparten Strom und Gas die Regelungen der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände (KAE) von 1941.423

421 Zu den steuerlichen Folgen nicht fremdüblicher Vereinbarungen in Konzessionsverträgen in Fällen eines steuerlich relevanten Näheverhältnisses zwischen Gemeinde und Konzessionär siehe Kapitel 1 F. II., Rn 478 ff. 422 Oppenländer/Trölitzsch/Weber, § 39 Rn 71 f. 423 Vgl. §§ 7 Abs. 1, 12 EnWG v. 13.12.1935 (BGBl. III Gliederungs-Nr. 752-1), zuletzt geändert durch Gesetz v. 19.12.1977 (BGBl. I S. 2750).  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Neu gefasst wurde die KAV vor dem Hintergrund des am 29.4.1998 in Kraft getretenen sog. 1. Neuregelungsgesetzes durch die Erste Verordnung zur Änderung der KAV vom 22.7.1999 (1. ÄnderungsVO), um der Einführung eines wettbewerblichen Marktes bei Strom- und Gaslieferungen gerecht zu werden. 359 Änderungen erfuhr die KAV durch den Gesetzgeber darüber hinaus in Art. 3 Abs. 40 des sog. 2. Neuregelungsgesetzes, das am 13.7.2005 in Kraft trat. Ziel war dabei die Anpassung an die neuen Entflechtungsregelungen des EnWG. 360 Eine weitere Änderung erfolgte durch Art. 3 Abs. 4 der Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck vom 1.11.2006.424 358

2. Was regelt die KAV? 361 Die KAV regelt die Zulässigkeit und den Umfang von Konzessionsabgaben. Dabei ver-

folgt die KAV verschiedene Zwecke, so insbesondere: – die Gewährleistung des Rechts der Gemeinden, Konzessionsabgaben für Strom und Gas zu vereinbaren, – die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der zu zahlenden Konzessionsabgaben und – die Begrenzung der Konzessionsabgaben durch Abkopplung von der Energiepreisentwicklung.425 362 Nach § 1 Abs. 2 KAV sind Konzessionsabgaben „Entgelte für die Einräumung des Rechts

zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Strom und Gas dienen.“ Diese Definition entspricht derjenigen in § 48 Abs. 1 EnWG mit Ausnahme der Begriffe Strom und Gas, welche im EnWG unter dem Begriff „Energie“ zusammengefasst sind. Sowohl § 48 Abs. 1 EnWG als auch § 1 Abs. 2 KAV stellen klar, dass Konzessionsabgaben für die Einräumung des Wegerechts, nicht (mehr) dagegen für die Einräumung des Versorgungsrechts gezahlt werden.426 Die Pflicht zur Zahlung der im Konzessionsvertrag vereinbarten Konzessionsabgaben besteht mithin losgelöst davon, ob der Partner des Konzessionsvertrags Grundversorger im Konzessionsgebiet ist oder nicht. Dies ist die Konsequenz aus der Trennung des Netzbetriebs von der Versorgung, die auch im Konzessionsrecht ihren Niederschlag gefunden hat.427

424 Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck vom 1.11.2006, BGBl. I S. 2477. 425 Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 11 ff. 426 Zur Frage, inwieweit nach altem Recht Konzessionsabgaben Gegenleistung auch für das Versorgungsrecht waren, vgl. BerlK-EnR/Kermel, § 48 EnWG Rn 13 ff. 427 Siehe hierzu Kapitel 1, Rn 79 ff.  





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E. Recht der Konzessionsabgaben

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Die KAV ist in ihrer Ausprägung als Höchstpreisrecht konzipiert. Sie legt den Rah- 363 men fest, in dem Konzessionsabgaben und sonstige Leistungen zulässig sind. Die KAV bildet folglich keine Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Konzessionsabgaben, sondern setzt eine solche voraus.428 Der Anspruch auf Zahlung von Konzessionsabgaben ergibt sich aus den konzessionsvertraglichen Regelungen im Sinne von Verträgen nach § 46 EnWG. Allerdings wird der vertragliche Gestaltungsspielraum der Parteien, Entgelte oder sonstige Leistungen zu vereinbaren, durch die KAV beschränkt.429 Die genaue Höhe der zulässigerweise zu vereinbarenden Konzessionsabgaben rich- 364 tet sich ausweislich § 2 KAV danach, ob es sich um Strom- oder Gaslieferungen handelt und ob Tarif- oder Sondervertragskunden beliefert werden. Darüber hinaus erfolgt bei der Belieferung von Tarifkunden eine weitere Differenzierung der Höchstsätze entsprechend der Einwohnerzahl der Gemeinde. Diese Differenzierung soll die unterschiedliche Wertigkeit der Wegerechte und der Ertragskraft abbilden.430 Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 KAV ist für die Einwohnerzahl allein die vom statistischen Landesamt amtlich fortgeschriebene Einwohnerzahl maßgeblich. Der dafür relevante Stichtag bestimmt sich in aller Regel nach landerechtlichen Bestimmungen.431

3. Kritik an der KAV und Reformbestrebungen Die KAV hat seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.1992 kaum Änderungen erfahren. Keine der 365 umfangreichen Gesetzespakete zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und der darauf beruhenden Rechtsverordnungen (u. a. 1998, 2005, 2011) hatte grundlegende Änderungen der KAV zu Folge. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat nicht einmal eine sprachliche und systematische Angleichung der KAV an das EnWG vorgenommen. Das Ergebnis dieser Beständigkeit ist sicherlich auch, dass in der gerichtlichen Entscheidungspraxis und in der rechtswissenschaftlichen Literatur allenfalls § 2 und 3 KAV eine Rolle spielen, die übrigen Regelungen dagegen nur wenig Beachtung finden. Daher verwundert es nicht, dass schon seit vielen Jahren Rufe nach einer Anpas- 366 sung der KAV laut werden. Dabei geht es nicht immer nur um Einzelfragen, sondern vielmehr auch um das System der Konzessionsabgabenerhebung als solches. Allein die bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung 367 der entsprechenden Vorschriften zur Grenzpreisregelung Gas (§ 2 Abs. 5 KAV), zum Schwachlastnachweis (§ 2 Abs. 2 KAV) und zur Anwendung der sog. Tarifkundenfiktion (§ 2 Abs. 7 KAV) bei der Nutzung intelligenter Messsysteme führen zu erheblichen Praxisproblemen und einem hohen Umsetzungsaufwand bei den Beteiligten. Waren gerichtliche Verfahren, die die Anwendung der KAV zum Gegenstand haben, in den ver 

428 Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 14 und allgemeine Auffassung, vgl. statt vieler Feuerborn/ Riechmann, § 1 Rn 1. 429 Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 14 f.; Säcker, et 2004, 349, 351. 430 BR-Drs. 686/91, S. 16. 431 So z. B. § 125 SächsGemO, der den 30.6. als Stichtag festschreibt.  



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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

gangenen Jahrzehnten eher eine Seltenheit, ist derzeit eine Zunahme an entsprechenden Gerichtsverfahren zu beobachten. 368 Unabhängig von diesen Praxisproblemen wird verstärkt auch das gesamte System der KAV hinterfragt. Derzeit hängt die Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgabe für die meisten Letztverbraucher im Wesentlichen vom Verbrauch, von der Einstufung als Tarif- oder Sondervertragskunde und von der Einwohnerzahl der Gemeinde ab. Bereits die Differenzierung des Konzessionsabgabensatzes nach der sog. Gemeindegrößenklasse in § 2 Abs. 2 KAV kann hinterfragt werden, da der „Wert des Wegerechtes und die Ertragskraft“432 nicht mehr zwangsläufig von der Einwohnerzahl der Gemeinde abhängt, sofern diese Begründung überhaupt jemals tragfähig war. Darüber hinaus enthält die KAV nach wie vor Privilegierungen für Letztverbraucher mit einem hohen Energieverbrauch, die entweder geringere oder gar keine Konzessionsabgabe zahlen müssen (z. B. § 2 Abs. 3 bis 5 KAV). Dadurch werden mitunter Fehlanreize gesetzt, die unter Klimaund Umweltgesichtspunkten kritisch zu betrachten sind.433 369 Es ist also nicht verwunderlich, dass bereits 2013/2014 Versuche unternommen wurden, ein Positionspapier zur Reform der KAV zu erarbeiten. Das fiel zusammen mit der Veröffentlichung eines Gutachtens zur Reform des Konzessionsabgabenrechts durch die Denkfabrik Agora Energiewende.434 In dem Gutachten wurde dargelegt, ob und wie die immer noch geltende bundeseinheitliche verbrauchsabhängige Konzessionsabgabe auf eine leistungsbezogene gemeindescharfe Konzessionsabgabe umgestellt werden könnte. Obgleich in dem Gutachten konkrete Änderungen des Verordnungstextes vorgeschlagen wurden, fehlte mutmaßlich der politische Wille zur Umsetzung. 370 Zuletzt hat der BDEW ein eigenes Positionspapier vorgelegt.435 Leitgedanke war und ist die Stabilisierung des Konzessionsabgabenaufkommens für die Gemeinden bei gleichzeitiger Vereinfachung der Rechtsanwendung und damit die Schaffung von Rechtssicherheit. Vorgeschlagen wird dabei ebenfalls eine Entkoppelung der Konzessionsabgabe vom Energieverbrauch und eine stärkere Orientierung an der tatsächlichen Inanspruchnahme der Wegenutzung. Dem liegt die Feststellung der Bundesnetzagentur aus dem Jahre 2015 zugrunde, dass die Konzessionsabgabe für die kommunale Wegenutzung entschädigt und es daher naheliegt, „die Konzessionsabgaben anhand von Parametern zu berechnen, die diese Wegenutzung abbilden“.436 Konkret schlägt der BDEW vor, den Konzessionsabgabenanspruch der Gemeinde zu Beginn einer jeden Regulierungs 

432 Siehe Verordnungsbegründung zur KAV, BR Ds. 686/91 vom 8.11.1991, Seite 16. 433 So auch BDEW Positionspapier „Konzessionsabgabenrecht zukunftsfähig gestalten“ vom 15.11.2021, Ziffer 1. 434 Reform des Konzessionsabgabenrechts, Gutachten vorgelegt von RAUE LLP im Auftrag der Agora Energiewende, September 2013. 435 BDEW Positionspapier „Konzessionsabgabenrecht zukunftsfähig gestalten“ vom 15.11.2021. 436 Bundesnetzagentur, Bericht der Bundesnetzagentur zur Netzentgeltsystematik Elektrizität, Bonn, Dezember 2015, Seite 94. Deufel/Schumann

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periode437 anhand von Indizes anzupassen, die sich jedenfalls langfristig auch mit der Versorgungsaufgabe verändern.438 Die Ermittlung der gemeindespezifischen Indizes erfolgt dabei für das jeweilige Basisjahr. Im Übrigen bleibt der Konzessionsabgabenanspruch innerhalb einer Regulierungsperiode konstant. In diesem Modell werden die Konzessionsabgaben allerdings nicht Bestandteil der Erlösobergrenze,439 sondern sachgerecht und eigenständig auf alle Netzkunden umgelegt. Die konkrete Ausgestaltung der Umlage lässt das Positionspapier offen. Denkbar wäre eine mengenabhängige, aber auch eine mengenunabhängige Umlage. Für den Netzbetreiber wäre ein solches Umlageverfahren ergebnisneutral und – sicherlich erst nach einer gewissen Erprobungsphase – mit weniger Abwicklungsaufwand verbunden. Gleichzeitig steigt für die Gemeinden die Planungssicherheit, da sie jedenfalls für eine Regulierungsperiode mit konstanten Einnahmen rechnen können. Unklar bleibt allerdings weiterhin, wie und in welcher Höhe eine konkrete Belastung der Letztverbraucher mit einer etwaigen Umlage erfolgen kann. Zu Recht weist der BDEW darauf hin, dass höhere Belastungen der Letztverbraucher ebenso vermieden werden sollten wie Verwerfungen im Markt oder sonstige unerwünschte Nebeneffekte.440 Es bleibt abzuwarten, welchen politischen Anklang das Positionspapier des BDEW 371 findet und ob mittelfristig mit einer Reform des Konzessionsabgabenrechts zu rechnen ist. Vielleicht finden aber auch andere Gedanken und Vorschläge neuen Anklang, die bislang eher fernliegend waren.441

II. Systematik der KAV und der Erhebung von Konzessionsabgaben 1. Allgemeines zur Systematik und Abgrenzung Das Grundgerüst und die Systematik der KAV haben sich seit 1991 nicht wesentlich geän- 372 dert. In § 1 KAV wird der Anwendungsbereich der KAV dahingehend beschrieben, dass zunächst in § 1 Abs. 2 KAV – ähnlich § 48 Abs. 1 Satz 1 EnWG – die Konzessionsabgaben als Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege definiert werden. Wesentlich für die richtige Bemessung der Konzessionsabgaben nach § 2 KAV ist die Abgrenzung zwischen Tarif- und Sondervertragskunden, die in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 KAV definiert werden.442

437 Zum Begriff und den entsprechenden Zeiträumen vgl.§ 3 Anreizregulierungsverordnung (ARegV). 438 BDEW, Positionspapier „Konzessionsabgabenrecht zukunftsfähig gestalten“ vom 15.11.2021, Ziffer 2 unter Verweis auf Bericht der Bundesnetzagentur zur Netzentgeltsystematik Elektrizität, Seite 94. 439 Dazu § 4 ARegV. 440 BDEW, Positionspapier „Konzessionsabgabenrecht zukunftsfähig gestalten“ vom 15.11.2021, Ziffer 2. 441 Beispielhaft genannt sei der Gedanke, die Konzessionsabgabe eher als Infrastrukturabgabe zu verstehen, die für den konkreten Netzanschluss ermittelt wird und ggf. sogar durch die Gemeinde selbst – ähnlich der Grundsteuer – eingezogen werden könnte. 442 Dazu Kapitel 1 E. III. 1.  

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Tarifkunden sind nach § 1 Abs. 3 KAV somit:443 Haushaltskunden, die von dem Strom- oder Gasversorgungsunternehmen auf der Grundlage von Grundversorgungsverträgen im Sinne von § 36 EnWG versorgt werden sowie Letztverbraucher, die in der Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG versorgt werden.

374 Haushaltskunden sind nach § 3 Nr. 22 EnWG Letztverbraucher, die Energie überwie-

gend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen. 375 Alle anderen Kunden sind Sondervertragskunden gemäß § 1 Abs. 4 KAV. Hiervon erfasst werden demnach: – Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung sowie – Letztverbraucher außerhalb der Ersatzversorgung. 376 Ausgehend davon folgen in § 2 KAV umfassende Regelungen zur Bemessung der jeweils

geltenden Konzessionsabgaben. Während § 2 Abs. 2 KAV die Höchstbeträge („Tarife“) für Haushaltskunden regelt, beinhaltet § 2 Abs. 3 KAV die Höchtsbeträge für Sondervertragskunden. Dem schließen sich wiederum die Regelungen zum Grenzpreis Strom (§ 2 Abs. 4 KAV) und Gas (§ 2 Abs. 5 KAV) an. Eine Sonderregelung für Strom, mit der bestimmte Lieferungen an Sondervertragskunden konzessionsabgabenrechtlich als Tarifkunden betrachtet werden (sog. Tarifkundenfiktion), findet sich in § 2 Abs. 7 KAV. Eine vergleichbare Regelung für Gas gibt es nicht. Mit den ersten Liberalisierungsbemühungen der Energiemärkte und der Trennung von Netz und Vertrieb wurde eine Regelung notwendig, die den Gemeinden auch dann Konzessionsabgaben sicherte, wenn die Belieferung an Letztverbraucher im Wege der Durchleitung durch Dritte erfolgte. Diese Regelung wurde in § 2 Abs. 6 KAV im Jahre 1998 eingeführt.444 In diesem Zusammenhang wurde auch eine Regelung für die sog. Weiterverteilung in § 2 Abs. 8 KAV getroffen. 377 Obgleich ebenfalls in der KAV enthalten, betrifft § 3 KAV weniger das Konzessionsabgabenrecht i. e. S. Als Ausfluss des sog. Höchstpreisrechts stellt § 3 KAV den Grundsatz auf, dass für die Einräumung des Wegenutzungsrechts durch die Gemeinde nur die in § 2 KAV enthaltenen Entgelte zulässig sind. Daneben dürfen nur wenige andere Leistungen vereinbart oder gewährt werden, so der Preisnachlass auf Netznutzung („Kommunalrabatt“), Verwaltungskostenbeiträge und die Vergütung notwendiger Kosten für Umverlegungsmaßnahmen („Folgekosten“).445 Zulässig bleibt hingegen die Vereinbarung von entgeltlichen Leistungen, die die Gemeinde marktüblich vergütet.  



443 Auf die Darstellung der inzwischen obsoleten Übergangsvorschriften in § 115 Abs. 2 EnWG und § 116 EnWG soll an dieser Stelle verzichtet werden. 444 Erste Verordnung zur Änderung der Konzessionsabgabenverordnung vom 22.7.1999, BGB 1999 I, Seite 1669. 445 Zu den Einzelheiten siehe Kapitel 1 D. Deufel/Schumann

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E. Recht der Konzessionsabgaben

Fragen zur Ausweisung der Konzessionsabgaben trifft § 4 KAV, wobei sich hieraus 378 wenige Fragestellungen ergeben.446 Praktisch relevanter sind die Vorgaben zu Abschlagszahlungen und das Verbot der Vorauszahlungen in § 5 KAV.447 Die Vorschriften der § 6 bis 9 KAV haben für die Praxis kaum Bedeutung. 379

2. Abrechnung von Konzessionsabgaben in der Praxis Die Abrechnung der Konzessionsabgaben führt in der Praxis häufiger zu Streitigkeiten. In aller Regel erhalten die Gemeinden laufende Abschlagszahlungen durch entsprechende Gutschriften und eine Schlussrechnung durch das Energieversorgungsunternehmen.448 Gibt es keine wesentlichen Veränderungen bei den Netzkunden und Energieverbräuchen, resultieren aus der Schlussrechnung häufig keine größeren Nachzahlungen oder Rückforderungen. Problematisch aus Sicht aller Beteiligten sind allerdings die bisweilen sehr spät eingereichten Testate im Zusammenhang mit der sog. Grenzpreisunterschreitung (§ 2 Abs. 4 und 5 KAV), aus denen Rückzahlungen von Konzessionsabgaben an den Netzkunden in nicht unerheblicher Höhe entstehen können. Sind die Konzessionsabgaben bereits an die Gemeinde ausgezahlt, müssen diese durch das Energieversorgungsunternehmen zurückgefordert werden, was bei großen Summen zu Liquiditätsproblemen bei der Gemeinde führen kann. Spätestens mit Übersendung der Schlussrechnung werden der Gemeinde auch die entsprechenden Testate durch das Energieversorgungsunternehmen zur Verfügung gestellt. Damit wird die Richtigkeit der Schlussrechnung bestätigt. Die Testate sollen dabei den Hinweisen des Instituts der Wirtschaftsprüfer entsprechen (sog. IDW-Hinweise449). Die Schlussrechnung enthält darüber hinaus oftmals eine Aufschlüsselung der Konzessionsabgaben nach Mengen, Abnahmeverhältnissen bzw. Kundenstruktur, so dass für die Gemeinde nachvollziehbar ist, welche Konzessionsabgabensätze im Sinne von § 2 KAV mit welchem Volumen zur Anwendung gekommen sind. Im Falle des noch immer vorherrschenden Pachtmodells verpachtet das Energieversorgungsunternehmen als Eigentümer und Konzessionsvertragspartner das Energieversorgungsnetz an einen Netzbetreiber. Dadurch kann die Auszahlung und Abrechnung der Konzessionsabgaben mit der Gemeinde – je nach vertraglicher Ausgestaltung – auch durch den Netzbetreiber direkt erfolgen. Die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Konzessionsvertrag müssten dann auf den Netzbetreiber übertragen werden. In Ergänzung und Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen werden zwischen der Gemeinde und dem Energieversorgungsunternehmen zumeist konkretisierende Regelungen getroffen, die Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten enthalten. Der Wettbewerb um Konzessionen hat hierbei zu einem – in mancher Hinsicht unsinnigen – 446 447 448 449

Vgl. dazu den umfassenden Überblick bei Theobald/Kühling/Theobald/Templin § 4 / Rn 1 ff. Dazu sogleich in Ziffer 2. Hier verstanden als Konzessionsvertragspartner der Gemeinde. Zu den IDW-Hinweisen siehe auch Kapitel 1 E.VI.3.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Wettbewerb um die kürzesten Zahlungsintervalle und Abrechnungstermine geführt. Waren früher quartalsweise Abschlagszahlungen der Konzessionsabgaben üblich, ist zunehmend die Forderung nach monatlichen Abschlagszahlungen zu beobachten. Ebenso wird die Schlussrechnung für das abgeschlossene Kalenderjahr häufig bereits zu einem derart frühen Termin (mitunter der 31.1. des Folgejahres) gefordert, der bei Anwendung der sog. rollierenden Abrechnung450 und im Falle der Testierung aller notwendigen Unterlagen kaum eingehalten werden kann. Konzessionsverträge sehen darüber hinaus zuweilen ein Anpassungsrecht der Gemeinden vor, das es diesen ermöglicht, die Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten einseitig anzupassen. 384 Sinnvoll erscheinen hingegen Regelungen im Konzessionsvertrag zur Anpassung der Konzessionsabgabenzahlungen für Fälle, in denen die Gemeinde entweder in eine andere Gemeindegrößenklasse rutscht oder sich die Höchstbeträge der KAV generell ändern. Aus Sicht der Gemeinden werden dabei – soweit gesetzlich zulässig und der Verordnungsgeber eine gewisse Gestaltungsfreiheit belässt – Regelungen bevorzugt, die eine Anpassung bei einer möglichen Erhöhung der Konzessionsabgaben zeitnah, bei einer möglichen Verringerung der Konzessionsabgaben hingegen möglichst spät vorsehen. 385 Gleichfalls sinnvoll ist die Aufnahme einer sog. Umsatzsteuerklausel, die die aktuelle Rechtslage abbildet und klarstellt, dass die Konzessionsabgaben im Zweifel zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe ausgezahlt werden.451 1 Praxistipp Bei aller Freiheit der Vertragspartner müssen jedoch zwei gesetzliche Vorgaben des § 5 KAV beachtet werden. Zum einen schreibt § 5 Abs. 1 Satz 1 KAV vor, dass Abschlagszahlungen nur für abgelaufene Zeiträume geleistet werden dürfen. Bei einer quartalsweisen Abschlagszahlung bedeutet das beispielsweise die Zahlung im April des Kalenderjahres für das 1. Quartal (Januar bis März des Kalenderjahres), bei monatlicher Abschlagszahlung folglich die Zahlung im Februar des Kalenderjahres für Januar des Kalenderjahres. Die konkrete Höhe der Abschlagszahlung orientiert sich dabei an den zu erwarteten Konzessionsabgabenaufkommen.

386 Damit korrespondiert in § 5 Abs. 2 KAV das Verbot, Vorauszahlungen, also Zahlungen

für künftige Zeiträume, zu leisten. Vor erbrachter Gegenleistung dürfen folglich keine Zahlungen an die Gemeinde erbracht werden. 387 Innerhalb dieses Rahmens sind dennoch Gestaltungsmöglichkeiten denkbar und zulässig. Nach überwiegender Auffassung sind sowohl Darlehen als auch abgezinste Vorauszahlungen zulässig.452 Die Gewährung eines verzinsten Darlehens kann dergestalt erfolgen, dass das Energieversorgungsunternehmen der Gemeinde ein Darlehen in der Höhe des zu erwartenden Konzessionsabgabenaufkommens gewährt und die Rückzah-

450 Im Gegensatz zur Stichtagsablesung findet bei der sog. rollierenden Ablesung die Ablesung nicht zwingend zum Jahresende statt, sondern häufig über das gesamte Kalenderjahr verteilt. 451 Zur Umsatzsteuerproblematik generell siehe Kapitel 1 E. VI. 2. und Kapitel 1 F. II. 4. 452 Ausdrücklich BR-Drs. 686/91 vom 8.11.1991, Seite 21.  









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E. Recht der Konzessionsabgaben

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lung des Darlehens einschließlich Zinsen durch Verrechnung mit den Abschlagszahlungen erfolgt. Abgezinste Vorauszahlungen sind ebenfalls denkbar, da hier der Gemeinde gerade kein Zinsvorteil als wirtschaftlicher Vorteil entsteht und die Gemeinde damit am Ende keine Mehreinnahmen erzielt.453 Generell sollten bei allen zulässigen Gestaltungsvarianten transparente und marktübliche Regelungen getroffen werden.

3. Erhebung von Konzessionsabgaben nach Ablauf des Konzessionsvertrages Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrech- 388 ten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017 wurde die bislang bestehende Jahresfrist in § 48 Abs. 4 EnWG a. F. gestrichen. Während bis dahin die Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgabe nur für ein Jahr nach Ablauf des Konzessionsvertrages fortgalt, ist die starre zeitliche Begrenzung nunmehr entfallen. Die Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgabe besteht fort bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Energieversorgungsnetz auf das neue Energieversorgungsunternehmen im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG übertragen wurde. Die Gemeinde ist damit grundsätzlich vor dem Ausfall ihres Konzessionsabgabenaufkommens geschützt. Gleichzeit entfällt eine in der Praxis kaum umsetzbare Ersetzung der Konzessionsabgaben im Sinne von § 2 KAV durch einen bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatz nach § 812 BGB.454 Die Gemeinde ist aber dann nicht schützenswert, wenn sie es unterlassen hat, ein 389 Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 EnWG durchzuführen.455 Die Ausnahmeregelung darf aber nicht dahingehend interpretiert werden, dass die der Anspruch auf Fortzahlung der Konzessionsabgaben in jedweder Hinsicht die Durchführung eines wirksamen Konzessionsverfahrens verlangt.456 In Anbetracht der vielen strittigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Konzessionsverfahren und teilweise divergierender Entscheidungen der Land- und Oberlandesgerichte ist eine solche Auslegung weder sachgerecht noch zumutbar. Vielmehr entfällt die Pflicht zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe nur dann, wenn die Gemeinde es unterlässt, ein Konzessionsverfahren zu initiieren und zügig voranzutreiben.457 Die Gemeinde darf also nicht generell untätig bleiben, sondern muss die im Gesetz angelegten Verfahresschritte, beginnend mit der Datenanforderung beim Altkonzessionär und der Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG, zumindest starten. Allein aufgrund der Komplexität der Konzessionsverfahren und der möglichen Rügen nach § 47 EnWG kann der Gemeinde ohnhin keine zeitliche Vorgabe für die Dauer des Konzessionsverfahrens gemacht werden. Insofern kann ein „zügiges Vorantreiben“ des Konzessionsverfahren auch dann noch gegeben sein, wenn das Verfahren mehrere Jahre Zeit in An 

453 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 5 KAV/Rn 18. 454 OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2016, Az. VI-2 U (Kart) 1/15, RdE 2017, Seite 145. Vgl. dazu auch BGH JZ 1996, Seite 1127 mit Anm. Kühne/Scholtka und OLG Rostock, RdE 2001, 1127. 455 So BT-Ds. 18/8184, Seite 22/23. 456 Ebenso Theobald/Kühling/Theobald/Schneider, EnWG, § 48 Rn 33. 457 So auch die Gesetzesbegrüdnung BT-Ds, 18/8184, Seite 17. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

spruch nimmt. Anders liegt der Fall sicherlich, wenn es die Gemeinde generell unterlässt, die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG durchzuführen oder das Konzessionsverfahren nach Bekanntmachung für einen langen Zeitraum nicht weiterführt.458 Unklar ist allerdings, ab wann das Nichtbetreiben des Konzessionsverfahrens zu einem „Unterlassen“ der Durchführung im Sinne von § 48 Abs. 4 Satz 2 EnWG führt.459 390 § 48 Abs. 4 EnWG stellt dem Wortlaut nach nur auf die Fortzahlung von Konzessionsabgaben ab. In der Praxis hat sich daher der Abschluss von sog. Interimsvereinbarungen etabliert, die neben der Fortzahlung der Konzessionsabgaben weitere Regelungsinhalte treffen (z. B. Weitergewährung des Preisnachlasses auf Netznutzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAV). Solche vertraglichen Vereinbarungen sind neben der gesetzlichen Regelung zulässig, da nach herrschender Meinung § 48 Abs. 4 EnWG insoweit nicht abschließend ist.460  

III. Abgrenzung von Tarifkunden und Sondervertragskunden 1. Definition von Tarifkunden und Sondervertragskunden 391 Die KAV enthält erst seit Inkrafttreten des EnWG 2005 am 13.7.2005 eine Definition des

Tarif- und des Sondervertragskunden, wobei die Sondervertragskunden nur durch negative Abgrenzung von den Tarifkunden definiert sind. 392 Gemäß § 1 Abs. 3 KAV sind Tarifkunden i. S. d. KAV Kunden, die im Rahmen der Grund- bzw. Ersatzversorgung nach §§ 36 und 38 EnWG beliefert werden. § 36 EnWG regelt die Grundversorgung von Haushaltskunden, zu allgemeinen Preisen und Bedingungen. § 3 Nr. 22 EnWG definiert Haushaltskunden als „…Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen.“ 393 Sondervertragskunden sind gem. § 1 Abs. 4 KAV Kunden, die nicht Tarifkunden sind. Erfasst sind hier folglich auch Haushaltskunden, die außerhalb der Grundversorgung beliefert werden. 394 Die Konzessionsabgabensätze für Sondervertragskunden sind unabhängig von der Gemeindegröße bundeseinheitlich festgelegt und betragen gemäß § 2 Abs. 3 KAV für die Belieferung mit Strom 0,11 ct/kWh bzw. für die Belieferung mit Gas 0,03 ct/kWh. Diese Beträge sind deutlich geringer als bei Tarifkunden. Begründet wird dies mit der Annahme, dass Sondervertragskunden i. d. R. in höheren Spannungs- bzw. Druckstufen angeschlossen sind. Da die öffentlichen Verkehrswege bei diesen Netzen deutlich weniger  







458 BerlKommEnR/Kermel EnWG § 48 Rn 50. 459 Geschieht über einen langen Zeitraum (z. B. 3 Jahre) gar nichts, wird man sicherlich von einem „Unterlassen“ sprechen müssen. 460 BerlKommEnR/Kermel EnWG § 48 Rn 53.  

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in Anspruch genommen werden als bei Niederspannungs-/-drucknetzen, ist ein niedrigerer Abgabensatz gerechtfertigt.461 Für die Belieferung von Tarifkunden sind die Konzessionsabgabensätze nach Ein- 395 wohnerzahl gestaffelt und betragen entsprechend § 2 Abs. 2 KAV je nach Gemeindegröße – bei Strom der als Schwachlaststrom geliefert wird einheitlich 0,61 ct/kWh, ansonsten zwischen 1,32 ct/kWh und 2,39 ct/kWh – bei Gas, das ausschließlich für Kochen und Warmwasser verwendet wird, zwischen 0,51 ct/kWh und 0,93 ct/kWh; für sonstige Tariflieferungen zwischen 0,22 ct/kWh und 0,40 ct/kWh. Die Konzessionsabgaben für Schwachlaststrom bzw. Kochen und Warmwasser stellen 396 demnach Sonderformen der Tarifkundenkonzessionsabgabe dar. Sie unterliegen damit auch der Definition nach § 1 Abs. 3 KAV.

2. Die sog. Schwachlastregelung in § 2 Abs. 2 KAV a) Allgemeines Die KAV definiert in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit a) KAV Strom, der im Rahmen eines 397 Schwachlasttarifs nach § 9 BTOElt462 oder der dem Schwachlasttarif entsprechenden Zone eines zeitvariablen Tarifs geliefert wird, als Schwachlaststrom. Für diesen gilt ein verminderter Konzessionsabgabensatz. Gemäß Verordnungsbegründung soll ein energie- und umweltpolitisch erwünschter Anreiz zur Verlagerung von Stromanwendungen in lastschwache Zeiten erreicht werden. Daher ist in Anlehnung an die in diesen Zeiten ohnehin niedrigeren Strompreise ein verminderter Abgabensatz geboten.463 Gemäß § 9 Abs. 2 der zwar außer Kraft getretenen, aber in den Regelungen der KAV 398 weiterlebenden BTOElt erfolgt eine Differenzierung zwischen dem Verbrauch, der im Zuge einer Schwachlastregelung verlagert wird und dem ohnehin in Schwachlastzeiten anfallenden Verbrauch. Letzterer darf bei Anwendung einer Schwachlastregelung jedoch ebenfalls begünstigt werden. Umgekehrt bedeutet dies, dass lediglich die separate, messtechnische Erfassung von Verbräuchen in Schwachlastzeiten nicht ausreichend ist, um den niedrigeren Abgabensatz anzuwenden. Es muss stets auch ein Lastverlagerung angestrebt werden. Die Veröffentlichung der lastschwachen Zeiten erfolgt durch den Netzbetreiber. 399 Aufgrund unterschiedlicher Gegebenheiten können diese von Netzbetreiber zu Netzbetreiber variieren. Lieferanten müssen daher darauf achten, dass ihr tarifliches Zeitfenster für die Schwachlast gleich dem des jeweiligen Netzbetreibers ist bzw. sich innerhalb

461 BR-Drs. 686/91 S. 16. 462 Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) vom 18.12.1989, BGBl. I, Seite 2255. 463 BR-Drs. 686/91 „Änderungen und Entschließungen zur KAV“, S. 2. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

diesem bewegt. Nur so kann ein Anreiz für eine gezielte Lastverlagerung geschaffen werden. 400 Darüber hinaus ergibt sich aus der Verordnungsbegründung zur Schwachlastregelung, dass der Strompreis für den Schwachlasttarif ohne Hinzurechnung der Konzessionsabgabe geringer sein muss. Der Bundesgerichtshof hat dies in seinem Urteil vom 20.6.2017464 nochmals klargestellt: „§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KAV setzt voraus, dass der Tarif für die Abnahme innerhalb der Schwachlastzeit auch ohne rechnerische Einbeziehung der Konzessionsabgabe einen geringeren Arbeitspreis vorsieht als für die Abnahme in den übrigen Zeiträumen.“ 1 Praxistipp Die wesentlichen Merkmale für das Vorliegen einer Schwachlastvereinbarung sind also das Vorliegen eines Potentials zur Lastverlagerung, die separate messtechnische Erfassung des Schwachlastverbrauchs, die Übereinstimmung des Tarif- mit dem Schwachlastzeitfenster sowie die Preisspreizung zwischen Schwachlast- und übrigem Zeitraum.

b) Reformbedürftigkeit 401 In der Praxis zeigen sich immer wieder Notwendigkeiten, über eine Reform oder Klar-

stellung der Regelungen zur Schwachlast-Konzessionsabgabe („Schwachlast-KA“) nachzudenken. Der gesetzgeberische Grundgedanke der Schwachlast-KA war die Schaffung finanzieller Anreize zur Verlagerung von Stromabnahme in lastschwache Zeiten.465 402 Ein solches netzdienliches Verhalten liegt aber in den heutigen Zeiten dezentraler Erzeugungsanlagen auch dann vor, wenn Abnehmer ihren Stromverbrauch gerade nicht in die aus der Vergangenheit bekannten lastschwache Zeit verlegen (z. B. 22 Uhr bis 06 Uhr), sondern in die Zeiten mit hoher Einspeisung und Last im Netz. Lenken Abnehmer ihren Verbrauch verstärkt in solche Zeiten mit einem Überangebot an Energie im Netz, kann beispielsweise eine Abregelung von Erzeugungsanlagen reduziert werden. Ebenso ist dann vielleicht nicht immer ein teurer Netzausbau notwendig. Beide Effekte sind volks- und betriebswirtschaftlich sinnvoll. 403 Allerdings gibt es derzeit keinen finanziellen Anreiz zur Verlagerung des Abnahmeverhaltens in Zeiten mit hoher Einspeisung und Last im Netz. Bei der Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen waren die heutigen Gegebenheiten, die durch die Vielzahl dezentraler Erzeugungsanlagen entstanden sind, unbekannt und nicht vorhersehbar. 404 Die bestehende Gesetzeslage lässt es daher nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres zu, dass Netzbetreiber die zu veröffentlichenden Schwachlastzeiten dahingehend festlegen,  

464 BGH EnZR 32/16. 465 BR-Drs. 686/91 „Änderungen und Entschließungen zur KAV S. 2. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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dass nunmehr Zeiten hoher Einspeisung als Schwachlastzeiten festgelegt werden. Zwar erfolgt in aller Regel eine solche Festlegung durch den Netzbetreiber in eigener Verantwortung, dennoch muss die Festlegung transparent, diskriminierungsfrei466 und mit der geltenden Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen sein. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) KAV sprechen dagegen, dass Schwachlastzeiten (lastschwache Zeiten) in Zeiten hoher Einspeisung, also laststarke Zeiten, liegen können. Ein Reformbedarf ist aber nicht nur bei der Festlegung der Schwachlastzeiten er- 405 kennbar, sondern auch bei den Voraussetzungen, die zu einer Privilegierung der Energieabnahme im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) KAV führen. Es stellt sich die Frage, ob von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) KAV auch solche Anwendungsfälle erfasst werden sollen, in denen aufgrund von sehr konstantem Abnahmeverhalten kein Verlagerungspotential in lastschwache Zeiten erkennbar ist. Beispielhaft genannt sei hier der Betrieb von Mobilfunkanlagen. Der Betrieb von Mobilfunkanlagen zeichnet sich gerade durch eine sehr gleichmäßige Leistungsaufnahme aus. Eine Verlagerung des Energiebedarfs in lastschwache Zeiten ist kaum denkbar. Dennoch nehmen Betreiber von Mobilfunkanlagen die sog. Schwachlast-KA nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) KAV für den in Schwachlastzeiten verbrauchten Strom in Anspruch. Der Netzbetreiber hat das bei Vorlage eines entsprechenden Testats im Sinne von § 2 Abs. 6 Satz 2 KAV hinzunehmen und die niedrigere Schwachlast-KA zu gewähren. Im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung wäre denkbar, die Gewährung der Schwachlast-KA beispielsweise davon abhängig zu machen, dass zumindest ein Nachweis über die technische Möglichkeit einer Verbrauchsverlagerung in lastschwache Zeiten vorgelegt wird.

3. Tarifkundenfiktion in § 2 Abs. 7 KAV Unbeschadet von der in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 KAV enthaltenen Definition des Tarif- und 406 Sondervertragskunden stellt § 2 Abs. 7 KAV mit der sogenannten Tarifkundenfiktion für Stromlieferungen eine ergänzende Regelung dar. Danach gelten Stromlieferungen aus dem Niederspannungsnetz konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden, es sei denn, die gemessene Leistung des Kunden überschreitet in mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 kW und der Jahresverbrauch beträgt mehr als 30.000 kWh. Die KAV sieht für Strom damit ausdrücklich eine Leistungs- und Mengengrenze vor, bis zu deren Erreichen Lieferungen konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden gelten. Die Anwendung beschränkt sich dabei auf Stromlieferungen im Niederspannungs- 407 netz; bei Lieferungen in höheren Spannungsebenen findet die Regelung keine Anwendung. Dabei ist der Begriff des Niederspannungsnetzes trotz des ergänzenden Klammerausdrucks „(1 Kilovolt)“ eng auszulegen. Wie bereits dargelegt, resultiert der geringere

466 BDEW Anwendungshilfe Konzessionen, Seite 56. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Konzessionsabgabensatz für Sondervertragskunden aus dem geringeren Umfang der Nutzung öffentlicher Verkehrswege bei höheren Spannungsebenen. Findet nun die Belieferung in der Ebene Umspannung Mittel-/Niederspannung statt, erfolgt zwar die Übergabe an den Kunden mit einer Spannung bis 1 Kilovolt, jedoch ist der Umfang der Wegenutzung mit der Netzebene Mittelspannungsnetz vergleichbar, da kein Niederspannungsnetz in Anspruch genommen wird. Belieferung in Umspannung Mittel-/Niederspannung sind daher nicht der Fiktionsreglung zu unterwerfen. 408 Zu beachten ist, dass Stromlieferungen für Schwachlast bzw. unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen gemäß §§ 7 und 9 BTOElt bei der Bestimmung der Verbrauchsgrenze nach § 2 Abs. 7 KAV nicht berücksichtigt werden. Für diese Lieferungen ist nach den allgemeinen Regeln Konzessionsabgabe zu zahlen.467 409 § 2 Abs. 7 KAV wurde in seiner ursprünglichen Fassung 1999 in die KAV aufgenommen468 und durch Art. 3 Abs. 40 Nr. 3a EnWR-NRG 2005 neu gefasst.469 Ausweislich der amtlichen Begründung soll hierdurch verhindert werden, dass das Konzessionsabgabenaufkommen im Wettbewerb dadurch gemindert wird, dass der bisherige Versorger seine Verträge trotz der wettbewerbsneutralen Ausgestaltung der Konzessionsabgaben zwischen Lieferunternehmen im Interesse seiner Kunden an niedrigeren Strompreisen in Sonderverträge umwandelt. Aus diesem Grund gelten diese Stromlieferungen im Niederspannungsnetz grundsätzlich unabhängig von ihrer sonstigen rechtlichen Ausgestaltung als Lieferungen an Tarifkunden.470 Gleichzeitig soll es aber ermöglicht werden, dass üblicherweise in höheren Spannungsebenen angeschlossene Kunden auch über das Niederspannungsnetz versorgt werden können, ohne ihren Status als Sondervertragskunden zu verlieren.471 410 Mit der Einführung neuer Zähler im Messwesen stellt sich die Frage, ob diese für den Nachweis der Überschreitung der 30 kW-Grenze herangezogen werden können. Neben der typischen Viertelstundenmessung sind auch intelligente Messsysteme (iMSys) in der Lage, einen Leistungswert zu ermitteln. Der Einsatz der iMSys beschränkt sich derzeit auf Verbrauchsfälle unter 100.000 kWh, für die nach § 17 Abs. 6 StromNEV bei Zählerstandsgangmessung oder einer anderen Form der Arbeitsmessung nur ein Arbeitspreis und gegebenenfalls ein Grundpreis festzulegen ist. Dies wirft die Frage auf, ob ein von einem iMSys ermittelter Leistungswert geeignet ist, die Sonderkundeneigenschaft nachzuweisen. Dabei ist zu bedenken, dass durch den Rollout der iMSys eine hohe Zahl heute als typische Tarifkunden eingestufte Kunden in die Lage versetzt würden, in den Sonderkundenstatus zu wechseln. Dies hätte ein Absinken des Konzessionsabgabenaufkommens der Gemeinden zur Folge, was der Verordnungsgeber vermeiden wollte.

467 468 469 470 471

BR-Drs. 358/99 S. 6. BR-Drs. 613/04, S. 47. BT-Drs. 15/3917, S. 96 f. BR-Drs. 358/99, S. 5. BR-Drs. 358/99, S. 5.  

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E. Recht der Konzessionsabgaben

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Entsprechend der Verordnungsbegründung ist die Leistungsgrenze nach § 2 Abs. 7 411 KAV „nur anzuwenden, wenn die vom Kunden beanspruchte Leistung ohnehin gemessen wird.“472 Es muss also ein zwingender Grund für die Messung der Leistung vorliegen – i. d. R. ist dies die Anwendung eines Arbeits-/Leistungspreismodells bei der Netznutzung. Die Prüfung auf Überschreitung der 30kW-Grenze wäre dann nur ein nachgelagerter Prozess. Auch ein Hinweis in der Verordnungsbegründung, wonach für § 2 Abs. 7 KAV „die vom Versorgungsunternehmen allgemein angewendete Leistungsmessung entscheidend ist, typischerweise also die Viertelstundenmessung“,473 spricht dafür, dass ein Einbau einer Leistungsmessung ausschließlich zum Nachweis der Überschreitung der Leistungsgrenzen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 S. 1 KAV (gemessene Leistung) nicht erfüllt.474 Die Fragestellung beschäftigt inzwischen auch die ordentlichen Gerichte. Mit Urteil 412 vom 26.1.2021 hat das OLG Schleswig im Leitsatz festgestellt, dass die Abrechnung einer Sondervertragskunden-Konzessionsabgabe durch den Netzbetreiber anstelle der (höheren) Tarifkunden-Konzessionsabgabe nach dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 7 Satz 1 KAV erfordert, dass es sich bei den dort genannten Schwellenwerten um Größen handelt, die für die Entgeltberechnung ohnehin gemessen werden. Das ergäbe sich aus dem im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gekommenen Willen des Verordnungsgebers. Die beliebige Messung des Nutzers oder des Letztverbrauchers sei dagegen konzessionsabgabenrechtlich unbeachtlich. Eine Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.475 Unstreitig ist, dass bei Anwendung eines Leistungs-/Arbeitspreismodells für die 413 Netznutzung, die Leistungswerte Berücksichtigung finden. Der Anwendung dieses Preismodells steht bei Jahresverbräuchen unter 100.000 kWh auch § 17 Abs. 6 StromNEV nicht entgegen. Die Anwendung eines Grund-/Arbeitspreismodells ist nur für den Fall vorgegeben, dass es sich bei der Messung um eine reine Arbeitsmessung handelt. Durch die Änderung von § 27 Abs. 7 MessEV476 ist davon auszugehen, dass nun auch die aus einem geeichten Zählerstandsgang rechnerisch ermittelten Leistungswerte eines iMSys für die Abrechnung eines Leistungspreises Verwendung finden dürfen. Durch die im Vergleich zur registrierenden Leistungsmessung kostengünstigeren iMSys wird damit der Wechsel in ein Leistungs-/Arbeitspreismodell für den Kunden gesamtwirtschaftlich, also unter Betrachung der Kosten für die Messung, attraktiver.  



472 BR-Drs. 358/99, S. 6. 473 BR-Drs. 358/99, S. 6. 474 Säcker BerlK-EnR4/Kermel S. 2926 Rd. 69. 475 OLG Schleswig 16 U 125/20 vom 26.1.2021. 476 Mess- und Eichverordnung vom 11.12.2014 (BGBl. I S. 2010, 2011), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 26.10.2021 (BGBl. I S. 4742) geändert worden ist. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

4. Abgrenzungsfragen im Gasbereich 414 Trotz zahlreicher Bemühungen wurde für den Gasbereich eine vergleichbare Fiktions-

regelung wie in § 2 Abs. 7 KAV nicht aufgenommen. Der Verordnungsgeber lehnte sowohl 1999 als auch 2005 die Einführung einer solchen Regelung ab. Begründet wurde dies vom Verordnungsgeber mit dem bei Erdgas üblichen Substitutionswettbewerb im Wärmemarkt und der damit verbundenen Praxis, gleichartige Verbrauchsfälle der Heizgasversorgung sowohl nach Tarif- als auch nach Sonderabnehmerverträgen abzuwickeln. Eine Tarifkundenfiktion, wie sie § 2 Abs. 7 KAV für Strom vorsieht, würde Erdgas im Wettbewerb mit anderen Konkurrenzenergien, wie z. B. Heizöl, im Wärmemarkt massiv benachteiligen.477 Aufgrund der fehlenden Fiktionsregelung kam auch der BGH im Zusammenhang mit der Auslegung eines Liefervertrags als Tarif- oder Sonderkundenvertrag zu dem Ergebnis, dass es bei der maßgeblichen Abgrenzung von Tarif- und Sondervertragskunden nicht auf das Abnahmeverhalten, sondern auf die vertragliche Ausgestaltung des Lieferverhältnisses ankommt. Dies gilt unabhängig von den Regelungen des § 2 Abs. 6 KAV.478 Eine Vereinbarung von Mengengrenzen in Konzessionsverträgen, die eine Abgrenzung von Tarif- und Sondervertragskunden ermöglichen sollen, ist daher unzulässig. Damit bestätigt der BGH die bereits vom Bundeskartellamt in seinem Beschluss vom 16.9.2009 getroffene Feststellung.479 Somit steht für die konzessionsabgabenrechtliche Einordnung von Gaslieferungen nur die Definition nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 und § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV zur Verfügung. Damit beschränkt sich die Anwendung der Konzessionsabgabe für Tarifkunden auf Lieferungen, die auf der Grundlage von Grund- oder Ersatzversorgung erfolgen. In allen anderen Fällen, insbesondere bei Belieferung durch einen Lieferanten, der nicht Grundversorger ist, kommt demnach die niedrige Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden zur Anwendung. Neben der Abgrenzungsfrage zu Tarif- oder Sondervertragskunden, ist auch die Einstufung von Gaslieferungen als Lieferungen, die ausschließlich für Kochen und Warmwasser gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) KAV dienen, mit Fragen behaftet. Die Regelung stellt gemäß der Gliederung der KAV eine Sonderform der Konzessionsabgabe für Tarifkunden im Gasbereich dar. In der Folge ist diese Konzessionsabgabe nur bei Lieferungen in Grund- oder Ersatzversorgung anzuwenden. Die Herausforderung ist es jedoch, Kenntnis über den Verwendungszweck des Gases zu erlangen. Da die früher üblichen Tarifaufnahmen in den Kundenanlagen (Erfassung der Verbrauchsgeräte) seit vielen Jahren nicht mehr praktiziert werden, fehlt dem Netzbetreiber in der Regel die notwendige Kenntnis. Häufig wird sich daher mit einer  

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477 Amtliche Begründung zu § 2 Abs. 7 KAV, BR-Drs. 358/99, S. 7; BerlK-EnR/Kermel, Anh. zu § 48 EnWG Rn 56. 478 BGH, Urt. v. 6.11.2012 – KVR 54/11 (GAG Ahrensburg). 479 Bundeskartellamt, Beschluss vom 16.9.2009, Az. B 10-11/09, WuW/E DE-V 1803 ff.  

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E. Recht der Konzessionsabgaben

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Mengengrenze beholfen, die den Einsatzzweck Kochen und Warmwasser vom Heizgas abgrenzen soll. Diese Vorgehensweise wurde von der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg 419 kritisiert, da auch ein bestimmtes Verbrauchsverhalten oder nur zeitweise Nutzung der Verbrauchsstelle zu einem geringen Verbrauch führen kann.480 Dem gegenüber steht die Meinung des Bundeskartellamtes, das eine Mengengrenze für Kochgas bis 2.500 kWh für vertretbar hält, da es sich um geringfügige Verbräuche handelt, die nicht im Fokus des Wettbewerbs stehen.481 Eine alternative Möglichkeit ist die Klassifizierung im Rahmen der Anmeldung 420 durch den Lieferanten – in diesem Fall nur der Grundversorger. Im Rahmen der Marktkommunikation kann über den Konzessionsabgabensatz das entsprechende Merkmal übermittelt werden. Es bleibt dabei allerdings offen, ob der Lieferant im Rahmen seiner Kundenbeziehung tiefergehende Kenntnisse über den Verwendungszweck des Gases hat.

5. Stromlieferungen an Ladesäulen/-stationen In der Rechtspraxis war lange Zeit umstritten, ob der Betrieb von Tankstellen zum Auf- 421 laden von Automobilen mit Strom, mithin die Versorgung von Energietankstellen in Form von Ladesäulen oder Ladestationen und die Belieferung dieser Tankkunden, eine Pflicht zur Zahlung von Konzessionsabgaben auslöst. Klarheit wurde über die im Rahmen der EnWG-Novelle 2016 ergänzte Letztverbraucherdefinition des § 3 Nr. 25 EnWG um folgende Formulierung geschaffen: „…auch der Strombezug der Ladepunkte für Elektromobile steht dem Letztverbrauch im Sinne dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen gleich.“ Überträgt man diese Definition auf das Konzessionsabgabenrecht, sind Lieferungen an Stromtankstellen Letztverbrauch. Erfolgen diese unter Nutzung öffentlicher Verkehrswege, fallen Konzessionsabgaben an. Die Höhe der anzuwendenden Konzessionsabgabe wird nach den allgemeinen 422 Grundsätzen der KAV ermittelt. Durch die Zunahme der Elektromobilität und damit der entstehenden Lademöglichkeiten stellt sich zukünftig auch die Frage nach einer netzverträglichen Integration dieser Anlagen. Nach § 14a Satz 2 EnWG gelten als steuerbare Verbrauchseinrichtung im Sinne von § 14a Satz 1 EnWG auch Elektromobile. Damit können auch steuerbare Ladeeinrichtungen in den Genuss niedrigerer Netzentgelte kommen. Welche Konzessionsabgabe in solchen Fällen anzuwenden ist, ist derzeit noch um- 423 stritten. Steuerbare bzw. unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen finden sich bereits in § 7 BTOElt – dort ist die Rede von Wärmepumpen und anderen unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen. Für Wärmepumpen bzw. unterbrechbare Verbrauchseinrich-

480 Rundschreiben des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 22.6. und 25.9.2009. 481 BKartA, Beschluss vom 3.6.2009, Az. B 10 – 71/08 IV. 26. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

tungen zur Erzeugung von Raumwärme hat das Bundeskartellamt in seinem Heizstromverfahren bzw. seinem Bericht aus dem Jahre 2010 festgestellt, dass die niedrige Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden anzuwenden ist.482 Der Schluss liegt also nahe, dies über § 7 BTOElt auch auf andere unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen wie Ladesäulen zu übertragen. 424 Die Landeskartellbehörde für Energie und Wasser Baden-Württemberg hat sich mit Schreiben vom 28.5.2018 dagegen ausgesprochen, dass in derartigen Fällen die Voraussetzungen für eine niedrigere Konzessionsabgabe nach § 2 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 3 Alt. 1 KAV in Verbindung mit § 7 BTOElt vorliegen. Ihrer Auffassung nach beschränkt sich der Anwendungsbereich von § 7 BTOElt auf Wärmepumpen und andere unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen, die ebenfalls dem Zweck der Raumheizung dienen. 425 Damit stellt sich die Frage, ob Anlagen, die § 7 Abs. 4 BTOElt unterfallen sollen, immer noch einen Heizzweck erfüllen müssen. Aus dem unmittelbaren Wortlaut der Regelung ist dies nicht zu entnehmen, die Formulierung stellt die Unterbrechbarkeit in den Vordergrund. Dafür spricht auch die Einschränkung in § 7 Abs. 4 Satz 3 BTOElt, andere Verbrauchseinrichtungen, die zur Raumheizung dienen, von der Anwendung der Regelung auszuschließen. Bezöge sich § 7 Abs. 4 BTOElt ausschließlich auf unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen zur Erzeugung von Raumwärme, wäre der explizite Ausschluss überflüssig. Der BDEW hat sich diesbezüglich in einem Positionspapier geäußert.483 Danach unterfallen unterbrechbare Ladevorrichtungen für Elektroautos dem Anwendungsbereich von § 7 Abs. 4 BTOElt, sofern eine separate Zählung erfolgt und die Möglichkeit zur Steuerung technisch gegeben ist. 426 Ein weiterer Aspekt, der für die Anwendung der Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden spricht, ist der gesetzgeberische Wille, netzdienliches Verhalten zu fördern. Über die Regelungen des § 14a EnWG wird das netzdienliche Verhalten mit einem verminderten Netzentgelt honoriert und so ein Anreiz geschaffen, Anlagen vom Netzbetreiber steuern zu lassen. Es ergibt sich eine Situation, die der bei Einführung der Schwachlastkonzessionsabgabe sehr ähnlich ist. Auch dort sollte gesamtsystemdienliches Verhalten gefördert werden (Lastverlagerung). Ausgangspunkt war dort der in Nachtstunden günstige Strompreis, dessen Anreizwirkung nicht durch eine hohe Konzessionsabgabe konterkariert werden sollte. Ähnlich kann auch bei Anlagen nach § 14a EnWG argumentiert werden. Ein hohe Konzessionsabgabe würde auch hier den durch das verminderte Netzentgelt gegebenen Anreiz verringern. Aufgrund der betragsmäßig geringen Höhe der verminderten Netzentgelte, scheint die Anwendung der Konzessionsabgaben für Sondervertragskunden adäquat.

482 BKartA B10-12/09 bis 50/09. 483 Positionspapier des BDEW „Konzessionsabgabenrechtliche Behandlung von Stromlieferungen an private, unterbrechbare Ladestationen von Elektrofahrzeugen“ vom 27.10.2020. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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IV. Die Problematik der Weiterverteilung 1. Das Grundverständnis von § 2 Abs. 8 KAV Würde man nur die Definition der Konzessionsabgaben in § 48 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 1 427 Abs. 2 KAV zugrunde legen, könnten Konzessionsabgaben in den Fällen nicht vereinbart werden, in denen die Belieferung zunächst an einen Dritten (Weiterverteiler) erfolgt, der diese Energie dann innerhalb des Gemeindegebietes an Letztverbraucher weiterleitet. Denn insoweit fehlt es an der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern durch das Energieversorgungsunternehmen, das die öffentlichen Verkehrswege nutzt. Um auch diese Fälle konzessionsabgabenrechtlich zu erfassen, sieht § 48 Abs. 1 S. 2 EnWG vor, dass eine Versorgung von Letztverbrauchern im Sinne dieser Bestimmung auch dann vorliegt, wenn ein Weiterverteiler über öffentliche Verkehrswege mit Elektrizität oder Gas beliefert wird, der diese Energien ohne Benutzung solcher Verkehrswege an Letztverbraucher weiterleitet. Korrespondierend dazu erlaubt § 2 Abs. 8 KAV ausdrücklich die Vereinbarung oder Zahlung von Konzessionsabgaben für die Belieferung von Weiterverteilern über öffentliche Verkehrswege, sofern diese die bezogene Energie an Letztverbraucher weiterleiten, ohne solche Verkehrswege zu benutzen.

a) Definition des Weiterverteilers im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV Das Gesetz enthält keine Definition des Weiterverteilers. Ein Weiterverteiler ist jede na- 428 türliche oder juristische Person, die über öffentliche Verkehrswege mit Energie beliefert wird, dann aber die Energie ohne Nutzung öffentlicher Wege an Letztverbraucher weiterleitet.484 Wesensmerkmal solcher Konstellationen ist, dass der Letztverbraucher nicht unmittelbar an das Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen ist, sondern der Weiterverteiler – aus welchen Gründen auch immer – „dazwischengeschaltet“ ist. Typische Anwendungsfälle dafür sind Arealnetze, Kundenanlagen oder sonstige Werksnetze.

b) Höhe der Konzessionsabgaben in Weiterverteilerfällen Für die an den Weiterverteiler gelieferte Energie können Konzessionsabgaben bis zu 429 der Höhe vereinbart oder gezahlt werden, in der dies auch ohne deren Einschaltung zulässig wäre.

Praxistipp 1 Der Netzbetreiber kann im Verhältnis zum Weiterverteiler die Konzessionsabgaben in der Höhe berechnen, die er auch ohne Einschaltung des Weiterverteilers, d. h. bei einer unmittelbaren Belieferung des Letztverbrauchers hätte zulässiger Weise berechnen dürfen. Dabei gelten auch hier die Vorschriften des § 2 Abs. 1 bis  

484 BerlK-EnR/Kermel, § 48 EnWG Rn 25. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

6 KAV. Im Regelfall ist daher der Weiterverteiler zunächst mit der hohen Tarifkundenkonzessionsabgabe zu belasten. Nur wenn entsprechende Nachweise für eine geringere Konzessionsabgabe (§ 2 Abs. 7 KAV) oder für eine Grenzpreisunterschreitung (§ 2 Abs. 4 und 5 KAV) vorlegt werden, können niedrigere Konzessionsabgaben in Rechnung gestellt bzw. im Fall der Grenzpreisunterschreitung gezahlte Konzessionsabgaben erstattet werden.

c) Abgrenzung von Weiterverteiler und Letztverbraucher 430 Als Weiterverteiler wird derjenige angesehen, der über das Netz des örtlichen Netz-

betreibers mit Strom oder Gas beliefert wird und diese Energie an Letztverbraucher weiterleitet.485 Demgegenüber sind Letztverbraucher nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 25 EnWG Kunden, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen. 431 Die Feststellung, ob es sich bei einem Netzkunden um einen Weiterverteiler oder um einen Letztverbraucher handelt, kann in Einzelfällen bedeutsam werden. So hängt die Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgaben von der Einordnung des Letztverbrauchers als Tarif- oder Sondervertragskunde ab. Maßgeblich dafür ist jedenfalls im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 KAV der Umfang der bezogenen elektrischen Leistung und Arbeit (Menge). 5 Beispiel Soweit die gelieferte Energie nicht bei dem Netzkunden verbleibt, weil er sie z. B. auf seinem Grundstück an verschiedene Unternehmen weiterliefert (z. B. Gewerbepark, Betriebsgelände), ist zu prüfen, auf welche Lieferung für die Ermittlung der Konzessionsabgaben abzustellen ist. Wird der Netzkunde als Weiterverteiler eingestuft, sind konzessionsabgabenrechtlich die Mengen- und Leistungsverhältnisse der auf dem Grundstück belieferten Letztverbraucher maßgeblich. Diese dürften häufig nicht die in § 2 Abs. 7 KAV enthaltenen Leistungs- und Mengengrenzen erreichen mit der Folge, dass die Tarifkunden-Konzessionsabgaben zu zahlen wäre. Sind dagegen die Leistungs- und Mengengrenzen beim Netzkunden maßgeblich, weil dieser trotz der Belieferung auf dem Grundstück als Letztverbraucher und nicht als Weiterverteiler einzustufen ist, wird in den meisten Fällen § 2 Abs. 7 KAV nicht zur Anwendung kommen, entweder, weil der Netzkunde selbst am Mittelspannungsnetz angeschlossen ist oder aber zumindest die in § 2 Abs. 7 KAV enthaltenen Grenzen überschreitet. In diesen Fällen ist lediglich die deutlich niedrigere Sonderkunden-Konzessionsabgabe an.  



432 Strittig ist im o. g. Beispiel vor allem die Frage, ob und wie § 2 Abs. 7 KAV im Rahmen der  

Weitererteilung Verwendung findet. Auch für den Fall der Weiterverteilung im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV ist § 2 Abs. 7 KAV anwendbar, da letztlich die selben Regelungen Anwendung finden, die ohne Einschaltung eines Weiterverteilers, d. h. etwa bei einem unmittelbaren Anschluss an das Netz der allgemeinen Versorgung, gelten würden. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm: „… in der dies auch ohne seine Einschaltung zulässig wäre“. Unerheblich ist insoweit, dass § 2 Abs. 8 Satz 2 KAV  

485 Siehe zuvor IV.1. lit a). Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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lediglich auf Abs. 6 Satz 2 und 3 verweist, nicht aber auf Abs. 7. Mit dem Verweis auf § 2 Abs. 6 Satz 2 und 3 KAV soll letztlich nur gewährleistet werden, dass auch der Weiterverteiler geltend machen kann, auf seine Lieferungen an Dritte entfalle eine niedrigere oder keine Konzessionsabgabe und er diesbezüglich die Nachweiserleichterungen nach § 2 Abs. 6 Satz 3 KAV in Anspruch nehmen kann.486 Im Falle des Weiterverteilers kommt es mithin darauf an, wie der Letztverbraucher 433 aus dem Netz bzw. der Energieanlage des Weiterverteilers versorgt wird. Erfolgt die Versorgung über das Niederspannungsnetz des Weiterverteilers (z. B. auf dem Werksgelände), ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 KAV eröffnet. Irrelevant ist hingegen, dass der Weiterverteiler selbst aus dem Mittelspannungsnetz heraus versorgt wird.487  

2. Praxisfragen Bisweilen stellen sich in der Praxis Fragen zum konkreten Anwendungsbereich und den 434 Rechtsfolgen des § 2 Abs. 8 KAV. Der Abgleich diverser Meldungen von weitergeleiteten Energiemengen führt nicht selten zum Ergebnis, dass der Netzkunde zwar von sog. weitergeleiteten Mengen nach EEG und KWK-G ausgeht, gleichzeitig aber keinen Fall der Weiterverteilung im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV annimmt. Hintergrund dieser Annahme ist zum Teil ein falsches Verständnis des Begriffs der Weiterverteilung im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV.488

a) Weiterverteiler auch ohne geschäftlichen Schwerpunkt in der Energielieferung Die meisten Fälle der Weiterverteilung zeichnen sich dadurch aus, dass die Weiterver- 435 teiler, also die Eigentümer und/oder Betreiber der Areal- und Werksnetze, in der Regel einen anderen Geschäftszweck haben als die Belieferung von Letztverbrauchern mit Energie, bspw. den Betrieb eines Chemieparks, den Betrieb eines Messegeländes oder eines Flughafens. Würde man der Ansicht folgen, dass die Anwendung von § 2 Abs. 8 KAV voraussetzt, dass der Weitverteiler den geschäftlichen Schwerpunkt in der Energiebelieferung von Letztverbrauchern hat, würde § 2 Abs. 8 KAV praktisch nur noch in wenigen Fällen zur Anwendung kommen. Der eigentliche Gesetzeszweck, nämlich die Sicherstellung des Konzessionsabgabenaufkommens, wäre damit nicht mehr erfüllbar. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht abzulehnen, die den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 8 KAV auf solche Weiterverteiler beschränken will, deren Hauptgeschäftszweck die Energiebelieferung von Letztverbrauchern ist.

486 Siehe auch Jacob in Berliner Kommentar zum EnWG, KAV / Rn 26. 487 Für die konkrete Betrachtungsweise zwischen Weiterverteiler und Letztverbraucher, siehe Jacob in Berliner Kommentar zum EnWG, KAV / Rn 26 und LG Stuttgart, Urteil vom 22.2.2005, Az. 32 O 139/04 KfH. 488 Siehe dazu umfassend BDEW-Positionspapier zur Weitverteilung nach § 2 Abs. 8 KAV vom 4.12.2020. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

b) Weiterleitung nur bei Lieferung an den Letztverbraucher gegen Entgelt 436 Ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 8 KAV setzt die Weiterverteilung voraus, dass

Energie an Letztverbraucher weitergeleitet wird. Insofern ist Tatbestandsvoraussetzung, dass der Dritte, an dem die Energie weitergeleitet wird, auch ein Letztverbraucher ist. Richtigerweise (vor allem wegen der Ermächtigungsgrundlage in § 48 Abs. 2 EnWG) wird man für die Bestimmung des Letztverbrauchers im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV auf die Legaldefinition des § 3 Nr. 25 EnWG zurückgreifen müssen. Danach sind Letztverbraucher insbesondere natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen. 437 Unklar ist allerdings, was unter dem Begriff des „Kaufens“ zu verstehen ist, vor allem ob stets ein Kaufvertrag oder kaufähnlicher Vertrag im Sinne des BGB vorauszusetzen ist. Mit dem IDW ist der Begriff weit zu fassen, um den Anwendungsbereich nicht zu sehr einzuschränken. Das IDW geht davon aus, dass „die Weiterleitung das Bestehen eines Lieferverhältnisses voraussetzt, i. d. R. einen Stromliefervertrag. Das bloße Vorliegen einer Abrechnung über den Strom dürfte als Stromliefervertrag gewertet werden. Im Ergebnis kommt es insofern auf die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen im Einzelfall an.“489 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, zumal dadurch dem weiten Wortlaut des § 2 Abs. 8 KAV Rechnung getragen wird. Denn dort wird lediglich vorausgesetzt, dass die Energie „weitergeleitet“ wird, gleich ob dem ein Kauf oder eine andere Form der Lieferung zugrunde liegt. Daraus könnte man durchaus auch den Schluss ziehen, dass es dem Gesetzgeber allein um die faktische Weitergabe der Energie an Dritte geht. 438 Für den Tatbestand des § 2 Abs. 8 KAV genügt daher, dass der Weiterverteiler die Energie gegen Entgelt an einen Letztverbraucher weiterleitet. Auf die konkrete vertragliche Gestaltung kommt es hingegen nicht an. Erfasst sind daher unter Umständen auch Fälle, in denen die Lieferung von Energie zwar nicht gegen ein ausdrücklich vereinbartes oder ausgewiesenes Entgelt erfolgt, die Energielieferung aber gleichwohl in der Leistungsbeziehung berücksichtigt und „eingepreist“ wird. Davon abzugrenzen ist lediglich die unentgeltliche Weitergabe der Energie an Dritte.  



c) Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 2 Abs. 8 KAV 439 Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 8 KAV

trägt nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Netzbetreiber als Anspruchsteller. Dazu gehört grundsätzlich auch das Tatbestandsmerkmal der „Weiterleitung an Letztverbraucher“. Allerdings wird der Netzbetreiber in aller Regel durch den Weiterverteiler selbst über die Weiterleitung von Energie an Dritte informiert. 440 Der Weiterverteiler ist nach § 7 Nr. 9 Satz 5 des Muster-Netznutzungsvertrags der BNetzA (NVV) verpflichtet, die Weiterleitung dem Netzbetreiber mitzuteilen und ggf. die

489 Vgl. IDW Berichterstattung über die 99. Sitzung des Arbeitskreises „Prüfung nach KWKG und EEG“ am 28. Januar 2020 einschließlich des Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2020. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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erforderlichen Angaben zur Ermittlung der Höhe der auf die Entnahme entfallenden Konzessionsabgabe zur Verfügung zu stellen. Erhebt der Weiterverteiler Anspruch auf eine niedrigere Konzessionsabgabe oder eine Befreiung hiervon für seine selbst verbrauchten oder für die weitergeleiteten Strommengen, hat er dem Netzbetreiber die Berechtigung in nach der KAV geeigneter Form nachzuweisen (vgl. § 7 Nr. 8 Satz 3 NNV). Vor diesem Hintergrund besteht zumindest eine vertragliche Verpflichtung des Weiterverteilers, die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Der Nachweis kann grundsätzlich durch ein Wirtschaftsprüfertestat oder in anderer, geeigneter Form erfolgen. Das IDW hat für verschiedene Fallkonstellationen unterschiedliche Formen der 441 Nachweiserbringung vorgeschlagen:490 Unmittelbarer Netzkunde („Weiterverteiler“ bzw. W)

Empfänger der Weiterleitung i. S. der KAV („Dritter“ bzw. D)

Nachweis möglich über

SVK (Sondervertragskunde)

ohne Weiterleitung i. S. der KAV

rechtsverbindliche Mitteilung des SVK (z. B. Geschäftsbrief) unter Darlegung der nicht selbst verbrauchten Strommengen nach dem EEG 2017







SVKW (Sondervertragskunden Weiterleiter) mit GPUnterschreitung

TK (Transportkunde)

IDW PH 9.970.60, wobei in der Erklärung zur Unterschreitung des Grenzpreises weitergeleitete Mengen anzugeben sind

SVKW ohne GP-Unterschreitung (0,11 ct/kWh)

TK (Transportkunde)

z. B. Eigenbestätigung untermauert durch Stromrechnungen

SVKW mit GP-Unterschreitung

SVKD (Sondervertragskunde Dritter) mit GP-Unterschreitung

IDW PH 9.970.60 zum Nachweis für SVKW Nachweis für SVKD: durch IDW PH 9.970.62 durch den SVKW (transparente Lösung) oder alternativ IDW PH 9.970.60 durch den SVKD, sofern nur Weiterlieferung an diesen einzigen SVKD

SVKW mit GP-Unterschreitung

SVKD ohne GP-Unterschreitung (0,11 ct/kWh)

IDW PH 9.970.60 zum Nachweis für SVKW Nachweis für SVKD: IDW PH 9.970.62 durch den SVKW (transparente Lösung) oder alternativ Vorlage von Nachweisen zur Anschlussebene und von Messdaten



490 IDW Berichterstattung über die 99. Sitzung des Arbeitskreises „Prüfung nach KWKG und EEG“ am 28. Januar 2020 einschließlich des Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2020. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Unmittelbarer Netzkunde („Weiterverteiler“ bzw. W)

Empfänger der Weiterleitung i. S. der KAV („Dritter“ bzw. D)

Nachweis möglich über

SVKW ohne GP-Unterschreitung (0,11 ct/kWh)

SVKD mit GP-Unterschreitung

Nachweis für SVKD: IDW PH 9.970.62 durch den SVKW alternativ IDW PH 9.970.60 durch den SVKD, sofern nur Weiterlieferung an diesen einzigen SVKD

SVKW ohne GP-Unterschreitung (0,11 ct/kWh)

SVKD ohne GP-Unterschreitung (0,11 ct/kWh)

Nachweis für SVKD: IDW PH 9.970.62 durch den SVKW alternativ Vorlage von Nachweisen zur Anschlussebene oder von Messdaten



V. Die Grenzpreisregelungen in der KAV 442 Die zulässige Höhe von Konzessionsabgaben hängt grundsätzlich davon ab, ob eine

Energielieferung an einen Tarifkunden oder an einen Sondervertragskunden erfolgt. Ergänzend ist in § 2 Abs. 4 KAV geregelt, dass für Stromlieferungen an Sondervertragskunden keine Konzessionsabgaben vereinbart oder gezahlt werden dürfen, wenn ihr Durchschnittspreis den Durchschnittserlös für alle Sondervertragskunden – den sog. Grenzpreis – unterschreitet. Für Gaslieferungen ist in § 2 Abs. 5 KAV neben dem Grenzpreis auch eine sog. Grenzmenge definiert. Da es sich bei der KAV um eine Höchstpreisverordnung handelt, können Energieversorgungsunternehmen und Gemeinde höhere Grenzpreise bzw. niedrigere Grenzmengen vereinbaren. 443 Die Grenzpreisregelung wurde eingeführt, um die energieintensiven Sondervertragskunden und damit insbesondere die Großindustrie zu entlasten.491 Für den Strombereich wird die Regelung damit begründet, dass Lieferungen zu Preisen unterhalb des Grenzpreises typischerweise über Hoch- und Höchstspannungsnetze abgewickelt werden, für die öffentliche Verkehrswege in aller Regel nicht benutzt werden.492

1. Grenzpreisregelung Strom 444 Für den Grenzpreis ist nach § 2 Abs. 4 KAV der in der amtlichen Statistik des Bundes je-

weils für das vorletzte Kalenderjahr veröffentlichte Wert des Durchschnittserlöses für die Belieferung von Sondervertragskunden ohne Umsatzsteuer maßgeblich. Diesem Grenzpreis ist der pro Kalenderjahr ermittelte Durchschnittspreis je kWh, der sich aus

491 Auslegungshinweise des BMWi zur KAV, Nr. 13. 492 Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 17. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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der Belieferung des Kunden ergibt, gegenüberzustellen. Liegt dieser von dem Sonderkunden gezahlte Durchschnittspreis unter dem maßgeblichen Grenzpreis, dürfen für diese Stromlieferungen keine Konzessionsabgaben vereinbart oder gezahlt werden. Damit dieser Vergleich sachgerecht erfolgt, muss die Ermittlung des Durchschnitts- 445 preises analog der Ermittlung des Grenzpreises erfolgen. Nach dem Wortlaut der KAV wird bei der Ermittlung des Durchschnittserlöses nur die Umsatzsteuer außer Acht gelassen. Andere Steuern, Abgaben und abgabenähnliche Bestandteile des Lieferpreises sind in die Ermittlung des Durchschnittserlöses einzubeziehen. Dies gilt folglich auch für die Stromsteuer nach dem StromStG.493 Hingegen sind Stromsteuererstattungen nach einer Entscheidung des BGH nicht bei der Ermittlung des Durchschnittspreises zu berücksichtigen.494

Praxistipps 1 Die Ermittlung des Durchschnittspreises für die Belieferung des Kunden muss getrennt je Lieferung eines Lieferanten an der jeweiligen Betriebsstätte oder Abnahmestelle erfolgen. Eine Gesamtbetrachtung bzw. Zusammenfassung von Lieferungen ist unzulässig. Soweit das mit dem jeweiligen Sondervertragskunden vereinbarte Abrechnungsjahr vom Kalenderjahr abweicht, ist der Durchschnittserlös dem Kalenderjahr – mit vertretbarem Aufwand – möglichst genau zuzuordnen.495

Zu den Lieferungen an Sondervertragskunden, auf die die Grenzpreisregelung in § 2 446 Abs. 4 KAV anwendbar ist, zählen auch Stromlieferungen an Nachtspeicherheizungen.496 Auch wenn in § 2 Abs. 4 KAV nicht explizit genannt, sind gemäß den Ausführungen 447 des BMWi daneben auch vertragliche Vereinbarungen zulässig, nach denen oberhalb bestimmter Abnahmemengen keine Konzessionsabgabe gezahlt werden soll (Vertragsfreiheit).497 Auch im Strombereich sind damit Grenzmengenregelungen zumindest auf vertraglicher Basis möglich, jedoch unüblich. Daneben muss jedoch die Grenzpreisregelung des § 2 Abs. 4 S. 1 KAV stets beachtet werden.498 Eine „Übersteuerung“ der Grenzpreis- durch eine Grenzmengenregelung wäre aufgrund des Charakters der KAV als Höchstpreisregelung allerdings unzulässig; die Grenzpreisregelung gilt somit vorrangig.

493 494 495 496 497 498

Vgl. LG Mainz, Urt. v. 10.9.2006 – 10 HK. O 60/06 – Rn 30. BGH, Urteil vom 1.2.2011, EnZR 57/09. Auslegungshinweise des BMWi zur KAV, Nr. 11. Auslegungshinweise des BMWi zur KAV, Nr. 10. Auslegungshinweise des BMWi zur KAV, Nr. 14, abgedr. bei: Morell, S. 199. Auslegungshinweise des BMWi zur KAV, Nr. 14, abgedr. bei: Morell, S. 199.

Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

2. Grenzpreis- und Grenzmengenregelung Gas 448 Für Gaslieferungen an Sondervertragskunden enthält § 2 Abs. 5 KAV eine dem Strom-

bereich entsprechende Grenzpreisregelung.499 Darüber hinaus enthält die KAV für Gaslieferungen – anders als beim Strom – auch eine Grenzmengenregelung. Beide Regelungen stehen selbständig nebeneinander,500 eine Befreiung von der Konzessionsabgabenpflicht kann daher aufgrund des einen oder des anderen Tatbestandes erfolgen. Das Energieversorgungsunternehmen und die Gemeinde können gem. § 2 Abs. 5 S. 2 KAV niedrigere Grenzmengen oder höhere Grenzpreise als die in Satz 1 geregelten Sätze vereinbaren.

a) Grenzmengenregelung für Gaslieferungen 449 Im Gasbereich ist die Festlegung von Grenzpreisen durch starke Preisschwankungen

erschwert. Der Verordnungsgeber hat deshalb als alternatives Kriterium eine Grenzmenge für den Jahresverbrauch festgelegt, bei deren Überschreiten die Zahlung von Konzessionsabgaben entfällt.501 Insbesondere um Härten zu vermeiden, bleibt die Grenzpreisregelung im Gasbereich ergänzend gültig. 450 Gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KAV ist die, Grenzmenge bei deren Überschreitung Konzessionsabgaben nicht vereinbart oder gezahlt werden dürfen, auf 5.000.000 kWh pro Jahr und Abnahmefall festgelegt. Diese Festlegung schafft für das Energieversorgungsunternehmen und die Gemeinde eine bessere Planungssicherheit in Bezug auf das Konzessionsabgabenaufkommen. 451 Durch die Einführung des Begriffes „Abnahmefall“, für den sich in der Verordnung bzw. deren Begründung keine weitergehende Definition findet, wurde allerdings ein bis heute offener Interpretationsspielraum geschaffen. Es ist unklar, ob es sich bei der Begriffswahl um ein Versehen handelt. Oft wird davon ausgegangen, dass als Abnahmefall i. S. d. § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KAV alle Lieferungen an einen Kunden, die aufgrund eines einheitlichen Vertrages erfolgen, gemeint sind. Dies ist jedoch nur eine der denkbaren Auslegungen.502 452 Da es sich bei der Grenzmengenregelung nur um eine Vereinfachung der Grenzpreisregelung– mitunter ein Ersatzkriterium – handelt, spricht dies dafür, die gleichen Maßstäbe wie beim Grenzpreis anzulegen. Auch würde eine Ausweitung der Reglung zu Bündeleffekten führen, bei denen durch Aufsummierung verstreuter, kleinerer Liefermengen Letztverbraucher begünstigt werden, die originär nicht im Fokus der Regelung stehen. Ziel der Regelung ist eine Privilegierung großer Sondervertragskunden. Dies gilt auch, wenn die Gaslieferungen an ihn – z. B. aus technischen Gründen oder im Hinblick auf die räumliche Ausdehnung seiner Betriebsstätte – auf mehrere Abnahmestellen ver 





499 500 501 502

Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 17. Feuerborn/Riechmann, § 2 Rn 40. Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 17. Morell, S. 103. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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teilt werden.503 Auch dies spricht für ein enge Auslegung des Begriffes „Abnahmefall“. Eine Bündelung vieler, kleinerer Abnahmestellen, würde durch den hohen Umfang der damit verbundenen Wegenutzung auch dem Sinn der Grenzpreis/-mengenregelung widersprechen, die sich ja am geringeren Wegenutzungsumfang in höheren Spannungsebenen bzw. Druckstufen orientiert.

Praxistipp 1 Eine höchst- oder obergerichtliche Entscheidung zum Begriff und zum Umfang des Abnahmefalls gibt es allerdings nicht. Da das Energieversorgungsunternehmen und die jeweilige Gemeinde jedoch individuell eine niedrigere Grenzmenge vereinbaren können, ist die Betrachtung des Abnahmefalls zumindest auf ein konkretes Konzessionsgebiet zu beschränken.

b) Grenzpreisregelung für Gaslieferungen Die Grenzpreisregelung in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV ist als Analogie zur Grenzpreisrege- 453 lung Strom zu verstehen. Anders als bei Strom, soll sich der Grenzpreis jedoch mit der Preisentwicklung beim Gasversorgungsunternehmen verändern.504 Der für den maßgeblichen Grenzpreis geltende Durchschnittspreis liegt bei 1,5 ct je 454 kWh und entspricht dem Durchschnittserlös aller Gasversorgungsunternehmen (GVU) aus der Belieferung von Sondervertragskunden im Jahr 1989.505 Dieser Durchschnittserlös ist in dem Maße zu verändern, in dem die Durchschnittserlöse des jeweiligen GVU im Jahr 1989 zu den Durchschnittserlösen des GVU im jeweiligen Kalenderjahr stehen.506 Der im Gasbereich maßgebliche Grenzpreis kann danach mit der folgenden Formel507 abgebildet werden: Grenzpreis ¼ 1; 50 ct 

Durchschnittserlös des GVU aus allen SV­Lieferungen im jew: Jahr Durchschnittserlös des GVU aus allen SV­Lieferungen im Jahr 1989

Sofern ein Gasversorgungsunternehmen erst nach dem 1.1.1992 die Gasversorgung von 455 Sondervertragskunden aufgenommen hat, ist anstelle der vorgenannten 1,50 ct/kWh der gemäß dem in der amtlichen Statistik des Bundes (DEStat) und anstelle des Wertes im Jahr 1989 der für das Jahr der Aufnahme der Versorgung von Sondervertragskunden veröffentlichte Wert (DEAuf) ohne Umsatzsteuer zugrunde zu legen.

503 504 505 506 507

OLG Naumburg, Urteil v. 26.2.2016, 2 U 98/14 Rd. 37. Amtliche Begründung, BR-Drs. 686/91, S. 17. Feuerborn/Riechmann, § 2 Rn 43. Feuerborn/Riechmann, § 2 Rn 43. Bund-Länderausschuss Energiepreise, Protokoll v. 29./30.4.1992, abgedruckt bei: Morell, S. 104.

Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

Grenzpreis ¼ DEStat 

Durchschnittserlös des GVU aus allen SV­Lieferungen im jew: Jahr DEAuf

456 Für den Grenzpreis bei Gas ergeben sich also anders als bei Strom individuelle Werte je

Gasversorgungsunternehmen bzw. Lieferant. Durch die Liberalisierung des Gasmarktes und die Einführung der Entflechtungsregelungen, kann der Netzbetreiber den Grenzpreis nicht mehr ermitteln. Aufgrund der vielen Marktteilnehmer herrscht Unsicherheit, ob jeder Lieferant nun einen eigenen Grenzpreis ermittelt und auf welches Liefergebiet bei der Ermittlung Bezug genommen werden soll. In einem Urteil des OLG Naumburg aus 2016 wurde eine lieferantenindividuelle Grenzpreisermittlung bejaht, allerdings auch zusätzlich entschieden, dass der Grenzpreis je Konzessionsgebiet zu ermitteln sei.508 In der Praxis dürfte das Urteil vor allem diejenigen Lieferanten vor Probleme stellen, die bereits sehr lange Sonderkunden beliefern und bei denen aufgrund des Ablaufs der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen (10 Jahre) keine Unterlagen mehr zur Rekonstruktion eines konzessionsgebietsscharfen Grenzpreises vorliegen. Das Urteil ist rechtskräftig, allerdings liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vor.

3. Fragen der Geltendmachung und Nachweisführung 457 Für die Geltendmachung der dargestellten Grenzpreisunterschreitungen nach § 2 Abs. 4 bzw. Abs. 5 KAV ist ein Nachweis gemäß § 2 Abs. 6 Satz 3 KAV erforderlich. In der Regel ist dies das Testat eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gegenüber dem Netzbetreiber. Die Form des Nachweises als Testat dient dem geschäftlichen Geheimhaltungsinteresse des Lieferanten.509 Eine gesetzliche Regelung zu den Anforderungen an Form und Inhalt der Testate existiert bislang nicht. Dies hat in der Praxis bereits zu gerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Anerkennung von Testaten geführt. 458 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in den letzten Jahren daher Prüfungshinweise zu verschiedenen Nachweisen gemäß KAV erarbeitet (IDW PH 9.970.60 ff.).510 Darunter finden sich auch Prüfungshinweise zum Thema Grenzpreisunterschreitung Strom und Gas. Die Grenzpreisunterschreitung selbst wird in diesen Fällen durch den Lieferanten bzw. Letztverbraucher mittels Eigenerklärung dargelegt und ist als Bestandteil im Testat enthalten. Der Wirtschaftsprüfer prüft die Eigenerklärung und bestätigt in seinem Prüfungsurteil, dass die Eigenerklärung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. 459 In der Praxis können die Nachweise zur Grenzpreisunterschreitung bei Strom sowohl vom Lieferanten als auch vom Letztverbraucher eingereicht werden, da in beiden  

508 OLG-Naumburg vom 26.2.2016, 2 U 98/14. 509 Amtliche Begründung, BR-Drs. 358/99, S. 5. 510 Die Prüfhinweise sind jeweils in der Mitgliederzeitschrift IDW Life veröffentlicht und darüber hinaus im Mitgliederbereich des IDW verfügbar. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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Fällen die erforderlichen Informationen zur Erstellung des Testates vorliegen.511 Ein Testat zur Grenzpreisunterschreitung bei Gas durch den Letztverbraucher ist aufgrund des lieferantenspezifischen Grenzpreises hingegen ausgeschlossen. Bei den durch Lieferanten eingereichten Testaten handelt es sich oft um Sammeltestate, die den Nachweis für verschiedene Letztverbraucher führen. Je nach Detaillierungsgrad der Testate ergibt sich für den Netzbetreiber die Mög- 460 lichkeit, das Testat zu kontrollieren. Neben der fristgerechten Einreichung sollte das Testat die folgenden Angaben enthalten: – eindeutige Zuordnung der betroffenen Abnahmestelle unter Einbeziehung der Marktlokationsnummer – Angabe des Betrachtungszeitraumes (Bezugsjahr, Lieferjahr) – Liefermenge unter Angabe weitergeleiteter Mengen bzw. Selbstverbrauch – Bestätigung über den korrekt ermittelten Durchschnittspreis unter Einbeziehung aller Preisbestandteile sowie die Unterschreitung des relevanten Grenzpreises – bei Sammeltestat der Bezug auf das Gebiet des Netzbetreibers – beim Grenzpreistestat Gas ist aufgrund der nicht abschließenden Rechtslage die Ermittlungssystematik für den Grenzpreis anzugeben und dessen Richtigkeit zu bestätigen

Praxistipp Das Testat ist zu siegeln (§ 48 Abs. 1 Satz 1 WPO) und im Original oder beglaubigter Abschrift vorzulegen.512

1

Aufgrund der z. T. noch offenen Fragen zur Anwendung fiktiver oder tatsächlicher Kos- 461 ten bei der Durchschnittspreisermittlung bzw. der Ermittlung des Grenzpreises Gas kann es im Testat zur Einschränkung des Prüfungsurteils kommen. Akzeptiert der Netzbetreiber ein solches Testat, übernimmt er damit auch das Risiko nachträglicher Korrekturzahlungen.  

VI. Sonderfragen 1. Die Erhebung von Konzessionsabgaben bei besonderen Energieversorgungsnetzen Die Erhebung von Konzessionsabgaben ist nicht beschränkt auf den Betrieb von Ener- 462 gieversorgungsnetzen der allgemeinen Versorgung im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1

511 Getrennt davon ist allerdings die Frage zu beantworten, ob der Lieferant oder der Letztverbraucher auch einen etwaigen Anspruch auf Rückforderung von Konzessionsabgaben geltend machen kann. Ein solcher Anspruch richtet sich nach § 812 Abs. 1 BGB und ist anhand der Leistungsbeziehungen zu beurteilen. 512 Zu den Anforderungen an das Testat vgl. LG Köln, Urteil vom 2.12.2014 – 90 O 164/13. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

EnWG. Zwar macht das den weitaus größten Teil des Anwendungsbereichs des Konzessionsabgabenrechts aus, allerdings gibt es auch eine Vielzahl von Anwendungsfällen außerhalb des § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG.

a) Einfacher Wegenutzungsvertrag nach § 46 Abs. 1 EnWG 463 Ein praktisch wichtiger Anwendungsfall ist dabei der sog. einfache Wegenutzungsver-

trag nach § 46 Abs. 1 EnWG. Dieser wird in aller Regel für bestimmte Anlagen und Leitungen, die entweder nicht zum Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören (z. B. reine Durchgangsleitungen) und/oder im Eigentum eines Energieversorgungsunternehmens stehen, welches keinen Konzessionsvertrag im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG mit der Gemeinde abgeschlossen hat (z. B. bei der Versorgung von „Enklaven“ mittels Direkt- oder Stichleitung oder in Fällen des sog „kleinen Grenzverkehrs“), relevant. 464 Die Gemeinde ist grundsätzlich zum Abschluss eines einfachen Wegenutzungsvertrages verpflichtet,513 darf den Abschluss nach § 46 Abs. 1 Satz 2 EnWG nur verweigern, wenn gleichzeitig die Zahlung von Konzessionsabgaben (richtigerweise im Falle des § 46 Abs. 1 EnWG wohl „Wegenutzungsentgelt“) verweigert wird. Werden durch die dem einfachen Wegenutzungsvertrag unterfallenden Leitungen daher Letztverbraucher im Gemeindegebiet versorgt (z. B. durch Direktleitung, durch Stichleitung oder im Falle des „kleinen Grenzverkehr“), hat die Gemeinde auch einen Anspruch auf die Zahlung eines Wegenutzungsentgeltes in Höhe der Höchstsätze für Konzessionsabgaben. Erfolgt hingegen keine Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet, was typischerweise bei reinen Durchgangsleitungen der Fall ist, besteht ein solcher Zahlungsanspruch der Gemeinde nicht. Allenfalls können hier – sofern überhaupt ein einfacher Wegenutzungsvertrag abgeschlossen werden soll – die nach § 3 KAV erlaubten Nebenleistungen vereinbart und gewährt werden.514  





1 Praxistipp Im Übrigen können sich die Regelungen eines einfachen Wegenutzungsvertrages weitgehend an den typischen Regelungen eines Konzessionsvertrages orientieren, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung öffentlicher Verkehrswege, die Abstimmung bei Baumaßnahmen und die Regelung zu Folgepflichten und Folgekosten. Eine Besonderheit besteht ledliglich darin, dass der einfache Wegenutzungsertrag in seiner Laufzeit nicht begrenzt ist und daher auch nicht dem Vergaberegime des § 46 Abs. 2 EnWG unterliegt.

513 BGH, Urteil vom 28.6.2005, Az. KVR 27/04. 514 Feuerborn/Riechmann, Seite  28/Rn 11. Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

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b) Geschlossene Verteilernetze im Sinne von § 110 EnWG Energieversorgungsnetze, die der Versorgung von Kunden in einem geografisch begrenzten Industrie- und Gewerbegebiet oder einem Gebiet dienen, in denen Leistungen gemeinsam genutzt werden, können auf Antrag als geschlossene Verteilernetze eingestuft werden, wenn die in § 110 Abs. 2 EnWG genannten Voraussetzungen vorliegen. § 110 Abs. 1 EnWG zählt dabei abschließend auf, welche Vorschriften des EnWG auf geschlossene Verteilernetze keine Anwendung finden.515 § 46 EnWG und § 48 EnWG sind in dieser Aufzählung nicht enthalten, so dass im Umkehrschluss beide Vorschriften dem Grunde nach auch auf geschlossene Verteilernetze anwendbar sind. Allerdings zeichnen sich geschlossene Verteilernetze in aller Regel dadurch aus, dass diese nicht für die Versorgung eines jeden Letztverbrauchers offenstehen und damit im Sinne der Legaldefinition in § 3 Nr. 17 EnWG kein Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung sind. Daher unterfallen solche Netze auch nicht § 46 Abs. 2 EnWG. Demgegenüber können auch Betreiber von geschlossenen Verteilernetzen auf die Nutzung öffentlicher Straßen und Wege angewiesen sein, beispielsweise um den Anschluss an das vorgelagerte Netz zu ermöglichen oder im Falle von Straßenkreuzungen bei der Versorgung verschiedener „Areale“ eines geschlossenen Verteilernetzes. In diesem Fall besteht ebenfalls ein Anspruch auf Abschluss eines einfachen Wegenutzungsvertrages im Sinne von § 46 Abs. 1 EnWG.516 Ob der Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes selbst konzessionsabgabenpflichtig ist, hängt hingegen von vielerlei Faktoren ab, die stets konkret zu prüfen sind. Dabei stellt sich bereits die Frage der Anschlusssituation des geschlossenen Verteilernetzes an das vorgelagerte (Verteiler-)Netz. Besteht ein Anschluss an das Höchstspannungsnetz oder Fernleitungsnetz, entfällt schon deswegen die Konzessionsabgabenpflicht, weil der vorgelagerte Übertragungs- bzw. Fernleitungsnetzbetreiber nicht dem Regime des § 46 Abs. 2 und 48 EnWG unterliegt. Gleiches gilt bei einem Anschluss direkt an Durchgangsleitungen oder Umspannwerke, wenn und soweit keine öffentlichen Wege und Plätze zur Versorgung des geschlossenen Verteilernetzes genutzt werden.517 In allen anderen Fällen gelten dem Grunde nach die Regelungen des § 48 EnWG und der KAV, so dass ein Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes gleichzeitig Weiterverteiler im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV sein kann, wenn innerhalb des geschlossenen Verteilernetzes Letztverbraucher gegen Entgelt mit Energie beliefert werden.

515 Staebe in Ortlieb/Staebe (Hrsg.), Praxishandbuch Geschlossene Verteilernetze und Kundenanlagen, 2014, Kapitel 1 / Rn 6. 516 Ortlieb in Ortlieb/Staebe (Hrsg.), Praxishandbuch Geschlossene Verteilernetze und Kundenanlagen, 2014, Kapitel 5 / Rn 143; BDEW-Anwendungshilfe Konzessionen, Seite 7. 517 Ähnlich Ortlieb in Ortlieb/Staebe (Hrsg.), Praxishandbuch Geschlossene Verteilernetze und Kundenanlagen, 2014, Kapitel 5 / Rn 156. Deufel/Schumann

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

c) Kundenanlagen im Sinne von § 3 Nr. 24a und 24b EnWG 470 Im Gegensatz zu geschlossenen Verteilernetzen sind Kundenlagen keine Energieversor-

gungsnetze (§ 3 Nr. 16 EnWG), sondern Energieanlagen zur Abgabe von Energie, die die besonderen Voraussetzungen des § 3 Nr. 24a oder Nr. 24b EnWG erfüllen. In der Praxis spielt die Kundenanlage im Sinne von § 3 Nr. 24a EnWG häufig eine Rolle im Zusammenhang mit Quartierslösungen oder Mieterstrommodellen. Die konzessionsabgabenrechtliche Beurteilung hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Versorgung von Energie innerhalb der Kundenanlage erfolgt. Wird innerhalb der Kundenanlage selbst Energie erzeugt und diese dann ohne Nutzung öffentlicher Verkehrswege an die Letztverbraucher innerhalb der Kundenanlage geliefert, besteht keine Konzessionsabgabenpflicht. Erfolgt hingegen ein Bezug der Energie vom vorgelagerten Netzbetreiber unter Nutzung öffentlicher Verkehrswege, gilt die Kundenanlage als Weiterverteiler im Sinne von § 2 Abs. 8 KAV.518 471 Da der Betreiber der Kundenanlage seine Energieanlage jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher mit Energie zur Verfügung stellen muss,519 kann auch jeder Lieferant Kunden in der Kundenanlage beliefern. In diesem Fall wird der der Kundenanlage vorgelagerte Netzbetreiber dem Lieferanten die Konzessionsabgabe nach den üblichen Regelungen in Rechnung stellen.

2. Umsatzsteuer auf Konzessionsabgaben 472 Mit der entgeltlichen Vergabe von Konzessionen erbringen die Gemeinden aus umsatz-

steuerlicher Sicht umsatzsteuerbare sonstige Leistungen an die Konzessionsnehmer. Weil die Gemeinden bei der Vergabe der Konzessionen auf privatrechtlicher Grundlage tätig werden, finden die Vorschriften zur Einschränkung des Unternehmerstatus‘ von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 2b UStG bzw. § 2 Abs. 3 UStG a. F. nach der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und der Finanzrechtsprechung keine Anwendung. Ob die Konzessionsabgaben, die im Rahmen der Konzessionsverträge an die Gemeinden zu zahlen sind, der Umsatzsteuer unterliegen, hängt aus diesem Grund allein davon ab, inwieweit die Umsatzsteuerbefreiung hinsichtlich der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken bzw. Gewährung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken aus § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a) und c) UStG in dem jeweiligen Einzelfall einschlägig ist.520 473 Die Frage, ob und inwieweit die Umsatzsteuerbefreiung aus § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a) und c) UStG einschlägig ist bzw. in welchem Verhältnis die vereinbarten Konzessionsabgaben auf umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Leistungen auf 

518 Anders wohl Ortlieb in Ortlieb/Staebe (Hrsg.), Praxishandbuch Geschlossene Verteilernetze und Kundenanlagen, 2014, Kapitel 5 / Rn 150, die darauf abstellt, dass in der Kundenanlage mangels Vorliegen eines Energieversorgungsnetzes keine Verteilung von Energie im Sinne von § 3 Nr. 37 EnWG stattfindet. 519 § 3 Nr. 24a Buchst. c) und § 3 Nr. 24b Buchst. c) EnWG. 520 Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Konzessionsabgaben siehe Kapitel 1 F. III., Rn 501 ff.  

Deufel/Schumann

E. Recht der Konzessionsabgaben

129

zuteilen sind, kann im Einzelfall mit Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sein. Aus Sicht der Gemeinde empfiehlt es sich daher, in den Konzessionsvertrag eine Umsatzsteuerklausel aufzunehmen, die den Konzessionsnehmer verpflichtet, sämtliche im Hinblick auf die Konzessionsabgaben zu entrichtenden Umsatzsteuern zusätzlich zu den vereinbarten Konzessionsabgaben an die Gemeinde zu zahlen. Der Konzessionsnehmer wird dabei durch die Verpflichtung zur zusätzlichen Zahlung von Umsatzsteuer nicht wirtschaftlich belastet, weil ihm insoweit ein Recht zum Vorsteuerabzug zusteht. Zwar geht das BMF auch auf eine mögliche Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 474 Buchst. a) und c) UstG ein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dem Energieversorgungsunternehmen als Konzessionsnehmer durch den Konzessionsvertrag ausschließliche Verfügungsrechte eingeräumt werden, die es erlauben, ähnlich einem Eigentümer jeden Dritten von einer Nutzung auszuschließen. Diese Voraussetzung ist allerdings im Falle eines Konzessionsvertrages nach § 46 Abs. 2 EnWG nicht gegeben. Denn anders als unter Geltung des EnWG 1935 und der sog. „Demarkationsverträge“ wird durch den Konzessionsvertrag gerade kein ausschließliches Recht zur Nutzung der öffentlichen Verkehrswege gewährt. Vielmehr schließt die Gemeinde für ihre öffentlichen Verkehrswege eine Vielzahl von Wegenutzungs- oder Gestattungsverträgen ab, die es Ver- und Entsorgungsunternehmen (Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Fernwärme) sowie Telekommunikationsunternehmen erlauben, die öffentlichen Verkehrswege nebeneinander zu nutzen. Damit ist das durch den Konzessionsvertrag eingeräumte Wegenutzungsrecht nicht mit einer ausschließlichen Besitzüberlassung vergleichbar, die typischerweise durch Miet- oder Pachtverträge exklusiv dem jeweiligen Mieter oder Pächter eingeräumt wird.

Praxistipp 1 Da die Umsatzsteuerbarkeit der Konzessionsabgaben nach der Auffassung der Finanzverwaltung feststeht und die Konzessionsabgaben daher nur insoweit nicht der Umsatzsteuer unterliegen, wie eine Umsatzsteuerbefreiung einschlägig ist, sollten Konzessionsverträge dahingehend überprüft werden, ob diese die Zahlung der Konzessionsabgaben netto oder brutto vorsehen. Ist gar keine Regelung dazu getroffen, könnte unterstellt werden, dass die vereinbarten Konzessionsabgaben die Umsatzsteuer beinhalten („Brutto-Abrede“). Aus diesem Grunde ist eine Anpassung der Konzessionsverträge oder eine Ergänzung mittels Zusatzvereinbarung zu empfehlen. Gegenstand einer solchen Vereinbarung kann beispielsweise folgende Klausel521 sein: Wenn und soweit die Konzessionsabgaben der Umsatzsteuer unterliegen sollten, sind die vereinbarten Konzessionsabgaben als Nettoentgelt zu verstehen und schuldet das Energieversorgungsunternehmen zusätzlich zu diesem Nettoentgelt die darauf entfallende Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe.

521 Die Klausel dient nur als Beispiel und enthält den Mindestregelgehalt. In der Praxis werden darüber hinausgehend meist noch weitere Vereinbarungen dazu getroffen. Deufel/Schumann

130

Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht 475 Für die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes für die Verlegung und den Betrieb von

Versorgungsleitungen des Strom-, Gas, Wasser- oder Fernwärmenetzes müssen die Netzbetreiber nach Maßgabe des mit der betreffenden Gemeinde abgeschlossenen Konzessionsvertrags Konzessionsabgaben an die Gemeinde zahlen.

I. Abgabenrechtliche Einordnung von Konzessionsabgaben 476 Bei den Konzessionsabgaben, die die Netzbetreiber für die Nutzung des öffentlichen

Straßenlandes auf der Grundlage des jeweiligen Konzessionsvertrags an die Gemeinden zahlen müssen, handelt es sich um vertragliche Leistungsentgelte und nicht um Steuern im Sinne von § 3 Abs. 1 AO oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben.522 Durch das öffentliche Recht werden lediglich Höchstbeträge für die Konzessionsabgaben, die die Gemeinden in den Konzessionsverträgen mit den Netzbetreibern vereinbaren dürfen, vorgegeben. Hinsichtlich der Strom- und Gasnetze sind die preisrechtlichen Vorgaben für die Bemessung der Konzessionsabgaben in der Konzessionsabgabenverordnung vom 9.1.1992523 (KAV) geregelt, während für die Bemessung der Konzessionsabgaben für Wassernetze weiterhin die Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände vom 4.3.1941 (Konzessionsabgabenanordnung, KAE)524 sowie die auf deren Grundlage erlassene Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung vom 27.2.1943 (A/KAE)525 gelten. Für Fernwärmenetze, die regelmäßig auf der Grundlage von Gestattungsverträgen errichtet und betrieben werden, gibt es keine gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Bemessung der Konzessionsabgaben.

II. Ertragsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben beim Netzbetreiber 477 Die ertragsteuerliche Behandlung der Konzessionsabgaben bei den Netzbetreibern

hängt davon ab, ob zwischen dem die Konzessionsabgaben entrichtenden Netzbetreiber und der die Konzessionsabgaben erhaltenden Gemeinde ein Näheverhältnis im steuerlichen Sinne, das zu einer Korrektur der steuerlichen Einkünfte des Netzbetreibers führen kann, besteht oder nicht.

522 Vgl. dazu Kapitel 1 A., Rn 50. 523 BGBl. I 1992, 12; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 4 der Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck vom 1. November 2006, BGBl. I 2006, 2477. 524 RStBl. I 1941, 529. 525 RAnz 1943, Nr. 75. Marquardt

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

131

1. Betriebsausgabenabzug Die Aufwendungen, die die Netzbetreiber im Einklang mit dem jeweiligen Konzessions- 478 vertrag für Konzessionsabgaben an die jeweilige Gemeinde tätigen, sind aus Sicht des Netzbetreibers durch den Betrieb des jeweiligen Versorgungsnetztes veranlasst. Mithin verkörpern die Aufwendungen für Konzessionsabgaben im Ausgangspunkt Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG, die den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Netzbetreibers aus dem Betrieb des jeweiligen Versorgungsnetzes mindern. Die abschließende steuerliche Behandlung der Aufwendungen des Netzbetreibers 479 für Konzessionsabgaben ist indes davon abhängig, ob zwischen dem Netzbetreiber und der betreffenden Gemeinde ein steuerliches Näheverhältnis besteht. Bei Netzbetreibern, die als Gesellschaft des Privatrechts organisiert sind, kann sich ein solches steuerlich maßgebliches Näheverhältnis aus einer direkten oder indirekten gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Gemeinde am Netzbetreiber ergeben. Bei als Eigenbetrieben von juristischen Personen des öffentlichen Rechts organisierten Netzbetreibern besteht ein steuerlich maßgebliches Näheverhältnis hingegen nur zwischen dem Netzbetreiber und dessen Trägerkörperschaft.526 In Fällen, in denen zwischen dem Netzbetreiber und der betreffenden Gemeinde 480 kein steuerlich maßgebliches Näheverhältnis existiert, steht die betriebliche Veranlassung der vom Netzbetreiber getätigten Aufwendungen für Konzessionsabgaben nicht in Frage. Der Netzbetreiber kann die von ihm getätigten Aufwendungen für Konzessionsabgaben in dieser Konstellation daher in voller Höhe als Betriebsausgaben von seinem Gewinn aus Gewerbebetrieb absetzen, ohne dass es einer steuerlichen Prüfung der Höhe der Konzessionsabgaben bedürfte.527

2. Einkünftekorrektur bei steuerlich maßgeblichem Näheverhältnis zwischen Netzbetreiber und Gemeinde In Konstellationen, in denen der Netzbetreiber und die betreffende Gemeinde durch ein 481 steuerlich maßgebliches Näheverhältnis verbunden sind, steht der steuerliche Betriebsausgabenabzug des Netzbetreibers hinsichtlich der von ihm getätigten Aufwendungen für Konzessionsabgaben unter dem Vorbehalt der Fremdüblichkeit. Welche steuerlichen Bestimmungen für diesen Fremdvergleich und eine gegebenenfalls erforderliche steuerliche Korrektur der Einkünfte des Netzbetreibers anzuwenden sind, richtet sich dabei nach der Rechts- bzw. Organisationsform des Netzbetreibers.

526 BFH, Urteil vom 31. Januar 2012 – I R 1/11, BStBl. II 2012, 694; BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./III./1.2; OFD Düsseldorf, Verfügung vom 9. Februar 1987 – S 2744 A-St 131, KSt-Kartei NW § 8 KStG Karte E 4. 527 BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./III./1.1. Marquardt

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

a) Maßgebliche steuerliche Korrekturvorschriften 482 Bei Netzbetreibern, die als Kapitalgesellschaft oder Eigenbetrieb einer juristischen Per-

son des öffentlichen Rechts (Betrieb gewerblicher Art im Sinne des Steuerrechts) organisiert sind, ist der steuerliche Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Angemessenheit der geleisteten Konzessionsabgaben das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Nach Maßgabe von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dürfen verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen der Körperschaft nicht mindern. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht, zu verstehen.528 Soweit es durch die Aufwendungen des Netzbetreibers für die Konzessionsabgaben zu einer durch das direkte oder indirekte Gesellschaftsverhältnis zu der betreffenden Gemeinde veranlassten Gewinnminderung kommt, ist der Gewinn des Netzbetreibers auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG um den Betrag dieser Gewinnminderung wieder zu erhöhen. 483 Bei Leistungsentgelten, die eine Kapitalgesellschaft auf der Grundlage eines mit einem direkten oder indirekten Gesellschafter geschlossenen Vertrages an den betreffenden direkten oder indirekten Gesellschafter zahlt, kommt es für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung darauf an, ob das vereinbarte und geleistete Entgelt durch den Austauschvertrag oder das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt dann vor, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung gegenüber einer Person, die nicht Gesellschafter ist, unter sonst gleichen Umständen nicht hingenommen hätte.529 Bei vertraglichen Leistungsentgelten, die eine Kapitalgesellschaft an einen direkten oder indirekten Gesellschafter leistet, ist mithin im Rahmen des Fremdvergleichs zu prüfen, ob fremde Dritte das betreffende Leistungsentgelt in gleicher Höhe vereinbart hätten. 484 Bei Netzbetreibern in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist im Zusammenhang mit dem Abschluss von Konzessionsverträgen mit einer direkt oder indirekt beteiligten Gemeinde zudem die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur formellen verdeckten Gewinnausschüttung zu beachten, wenn die Gemeinde eine beherrschende Beteiligung an dem Netzbetreiber hält. Denn im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaften und einem beherrschenden Gesellschafter vertritt die Finanzverwaltung den Standpunkt, dass Aufwendungen der Kapitalgesellschaft für vertragliche Entgelte an den beherrschenden Gesellschafter – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Angemessenheit – bereits dann als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzuse-

528 R 8.5 Abs. 1 Satz 1 KStR 2015. 529 H 8.5 KStR 2015 unter III. Marquardt

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

133

hen sein sollen, wenn es an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist, oder wenn nicht einer klaren Vereinbarung entsprechend verfahren wird.530 Dabei soll es nach Ansicht der Finanzverwaltung ausreichen, wenn die beherrschende Stellung entweder nur im Zeitpunkt der Vereinbarung oder nur im Zeitpunkt des Vollzugs der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung vorliegt.531 Dies hat zur Folge, dass die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur formellen verdeckten Gewinnausschüttung einerseits auch nach Beendigung der beherrschenden Beteiligung eines Gesellschafters in Bezug auf die während der beherrschenden Beteiligung mit dem betreffenden Gesellschafter abgeschlossenen Verträge und andererseits auch nach Begründung einer beherrschenden Beteiligung in Bezug auf die vor Begründung der beherrschenden Beteiligung abgeschlossenen Verträge mit dem betreffenden Gesellschafter Anwendung findet. Gegen die Rechtmäßigkeit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur formel- 485 len verdeckten Gewinnausschüttung bestehen erhebliche Bedenken. Zum einen fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die steuerliche Nichtanerkennung fremdüblicher Aufwendungen aus formellen Gründen. Zum anderen ist aber auch keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, einem inhaltlich dem Fremdvergleich entsprechenden Schuldverhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter die steuerliche Anerkennung zu versagen, weil das betreffende Schuldverhältnis nicht schriftlich vereinbart wurde oder die schriftliche Vereinbarung nicht dem von der Finanzverwaltung definierten Qualitätsanspruch entspricht. Vielmehr ist die von der Finanzverwaltung formulierte Forderung nach einem vor Beginn des Leistungsaustauschs abzuschließenden schriftlichen Vertrag, der für sämtliche während der Dauer des Schuldverhältnisses zu erbringenden wechselseitigen Leistungen eindeutige konkrete Regelungen enthält, auch unter dem Aspekt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kritisch zu sehen. Denn das Zivilrecht sieht für die betroffenen Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren beherrschenden Gesellschaftern gerade kein generelles Schriftformerfordernis vor. Außerdem kollidiert die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung mit den zivilrechtlichen Instrumenten der Vertragsauslegung und der ergänzenden Vertragsauslegung, die die vertragliche Bewältigung von regelungsbedürftigen Sachverhalten, die die Parteien beim Vertragsschluss übersehen oder nicht antizipiert haben, auch ohne die von der Finanzverwaltung postulierte eindeutige konkrete Regelung ermöglichen. Auch wenn aus den vorstehend genannten Gründen signifikante Zweifel an der 486 Rechtmäßigkeit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur formellen verdeckten Gewinnausschüttung bestehen, sollte die Verwaltungsmeinung in der Praxis beim Abschluss von Konzessionsverträgen so weit wie praktisch möglich beachtet werden. In

530 R 8.5 Abs. 2 Satz 1 KStR 2015. 531 R 8.5 Abs. 2 Satz 2 KStR 2015. Marquardt

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

den Fällen, in denen die die Konzession gewährende Gemeinde direkt oder indirekt eine beherrschende Beteiligung an dem Netzbetreiber hält oder eine solche beherrschende Beteiligung während der Laufzeit des Konzessionsvertrags begründet werden könnte, sollten die von der Finanzverwaltung postulierten Anforderungen an die Gestaltung von Verträgen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren beherrschenden Gesellschaftern bei der Ausformulierung des Konzessionsvertrags Beachtung finden. Alle Bestimmungen in dem Konzessionsvertrag sollten daher grundsätzlich so detailliert und präzise wie möglich gestaltet werden. Zudem sollten alle als regelungsbedürftig oder potentiell regelungsbedürftig identifizierten Sachverhalte in dem Konzessionsvertrag adressiert werden. Dabei gilt es zu beachten, dass idealerweise möglichst viele Sachverhalte, die beim Vertragsschluss nicht als zwingend regelungsbedürftig erscheinen, aber während der Laufzeit des Konzessionsvertrags möglicherweise Bedeutung erlangen könnten, identifiziert und vertraglich geregelt werden sollten. 487 Für Netzbetreiber in der Rechtsform einer Personengesellschaft hat die verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG hingegen keine unmittelbare Bedeutung. Bei diesen Netzbetreibern erfolgt die Korrektur des steuerlichen Gewinns im Fall von Aufwendungen für Konzessionsabgaben, die nicht dem Fremdvergleich entsprechen, auf der Grundlage der für Personengesellschaften maßgeblichen Korrekturvorschriften. Und zwar wird bei Personengesellschaft ein Leistungsentgelt an den Gesellschafter, das über das zwischen fremden Dritten übliche Entgelt für die betreffende Leistung hinausgeht, als Entnahme qualifiziert und auf der Basis von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Gewinn der Personengesellschaft wieder hinzugerechnet. Die inhaltliche Prüfung der geleisteten Aufwendungen für Konzessionsabgaben auf ihre Fremdüblichkeit erfolgt dabei anhand derselben wirtschaftlichen Kriterien wie bei der Prüfung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung im Fall der als Kapitalgesellschaften organisierten Netzbetreiber. Das steuerliche Instrument der verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG kann im Zusammenhang mit den als Personengesellschaften organisierten Netzbetreibern allerdings nur dann zum Tragen kommen, wenn die Gemeinde an dem Netzbetreiber indirekt über eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. In dieser Konstellation würde das beim Netzbetreiber in der Rechtsform der Personengesellschaft entnommene nicht fremdübliche Entgelt durch die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft aus steuerlicher Sicht im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verdeckt ausgeschüttet. 488 Das Bundesministerium der Finanzen hat seine Rechtsauffassung, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für Konzessionsabgaben im Rahmen von Konzessionsverträgen mit Gemeinden, die ein steuerliches Näheverhältnis zum Netzbetreiber aufweisen, als betrieblich veranlasst anzusehen sind, in einer Verfügung vom 9.2.1998532 artikuliert. In dieser Verfügung differenziert das Bundesministerium der Finanzen in

532 BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209; zuletzt geändert durch BMF, Schreiben vom 27.9.2002 – IV A 2-S 2744-5/02, BStBl. I 2002, 940. Marquardt

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

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Anlehnung an die divergierenden regulatorischen Höchstpreisgrenzen zwischen Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze sowie Konzessionsabgaben für Wassernetze und Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze.

b) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Wassernetze Konzessionsabgaben, die Versorgungsbetriebe in Beteiligungsfällen für Wassernetze 489 an die Gemeinde zahlen, sind nach Auffassung der Finanzverwaltung ohne weitere Nachprüfung als betrieblich veranlasst und damit als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln, wenn (i) die geleisteten Konzessionsabgaben die von der Größe der betreffenden Gemeinde abhängigen preisrechtlichen Höchstsätze gemäß § 2 KAE nicht übersteigen und (ii) dem Versorgungsbetrieb nach Abzug des Aufwands für die Konzessionsabgaben ein angemessener handelsbilanzieller Jahresüberschuss (Mindestgewinn) verbleibt.533 Angemessen ist der Mindestgewinn dabei nur, wenn dieser 1,5 % des zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres vorhandenen eigenen oder gemieteten Sachanlagevermögens des Versorgungsbetriebs nicht unterschreitet.534 Der postulierte Mindestgewinn in Höhe von 1,5 % des Sachanlagevermögens repräsentiert dabei wirtschaftlich die durch § 5 KAE vorgegebene Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 5 % bezogen auf ein angenommenes Mindesteigenkapital in Höhe von 30 % des Sachanlagevermögens. Bleibt der handelsbilanzielle Jahresüberschuss des Versorgungsbetriebs in einem 490 bestimmten Geschäftsjahr hinter dem Mindestgewinn in Höhe von 1,5 % des Sachanlagevermögens zurück, qualifizieren die Aufwendungen des Versorgungsbetriebs für die Konzessionsabgaben in Höhe des Betrages, um den der tatsächliche Jahresüberschuss hinter dem Mindestgewinn zurückbleibt, als verdeckte Gewinnausschüttung und mindern den steuerlichen Gewinn des Versorgungsbetriebs in dem betreffenden Wirtschaftsjahr nicht.535 In Bezug auf die Konzessionsabgaben für Wassernetze gilt es dabei zu beachten, dass die KAE zur Sicherstellung des Mindestgewinns die Kürzung der laufenden Konzessionsabgaben unter Nachholung der gekürzten Beträge in den folgenden fünf Jahren zulassen. Soweit der jeweilige Konzessionsvertrag für ein Wassernetz die Kürzung und Nachholung der laufenden Konzessionsabgaben vorsieht und der Versorgungsbetrieb trotz der Nachholung der gekürzten Beträge den Mindestgewinn in dem Wirtschaftsjahr der Nachholung erreicht, können die Aufwendungen für die Konzessionsabgaben in voller Höhe als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt  









533 BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./III./2. 534 BMF, Schreiben vom 27.9.2002 – IV A 2-S 2744-5/02, BStBl. I 2002, 940. 535 BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./III./1.2; in Fällen, in denen die Unterschreitung des Mindestgewinns auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz beruhte, konnte nach Tz. A./VII. aus Billigkeitsgründen eine Korrektur des erzielten Jahresüberschusses um den Betrag der Sonderabschreibungen vorgenommen werden. Marquardt

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

werden.536 Im Bereich Wasser lassen sich verdeckte Gewinnausschüttungen auf Grund einer Unterschreitung des Mindestgewinns mithin dadurch vermeiden, dass in dem Konzessionsvertrag die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Konzessionsabgaben mit einer Verpflichtung zur Nachholung etwaiger Kürzungsbeträge in den Folgejahren unter den Vorbehalt eines ausreichenden Mindestgewinns gestellt wird. 491 Ist ein Versorgungsbetrieb im Rahmen eines Verbundbetriebs oder im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft mit anderen Betrieben zusammengefasst, ist bei der Prüfung, ob der Versorgungsbetrieb den für den Betriebsausgabenabzuge erforderlichen Mindestgewinn erreicht hat, wie folgt zu verfahren: Im Fall der ertragsteuerlichen Organschaft, die einen Gewinnabführungsvertrag erfordert, sind die Gewinnabführung bzw. der Verlustausgleich auf Grund des Gewinnabführungsvertrags bei der Ermittlung des handelsbilanziellen Jahresüberschusses des Versorgungsbetriebs außer Betracht zu lassen.537 Ist der Versorgungsbetrieb hingegen auf der Ebene eines Rechtsträgers mit anderen Betrieben zusammengefasst, kommt es darauf an, ob die anderen Betriebe des Rechtsträgers ebenfalls Versorgungsbetriebe verkörpern oder ob es sich um andersartige Betrieb handelt. Umfasst der Verbundbetrieb eines Rechtsträgers neben Versorgungsbetrieben auch andersartige Betriebe, ist für die Prüfung der Abzugsfähigkeit der Konzessionsabgaben zwingend eine Spartentrennung vorzunehmen, d. h. der handelsbilanzielle Jahresüberschuss und der Mindestgewinn sind für jeden der Betriebe gesondert zu ermitteln und die Abzugsfähigkeit der Konzessionsabgaben ist auf der Grundlage des für den Versorgungsbetrieb ermittelten Jahresüberschusses und Mindestgewinns zu beurteilen.538 Besteht der Verbundbetrieb ausschließlich aus Versorgungsbetrieben, ist eine Spartentrennung hingegen nicht erforderlich und die Erreichung des Mindestgewinns kann anhand des ungeteilten handelsbilanziellen Jahresüberschusses des Rechtsträgers und eines ungeteilten Mindestgewinns verifiziert werden.539 Verfehlt der Verbundbetrieb allerdings den Mindestgewinn, erfolgt eine Spartentrennung und es ist für jeden der Versorgungsbetriebe der Jahresüberschuss und der Mindestgewinn isoliert zu bestimmen. Dabei wird der abzugsfähige Betrag der Konzessionsabgaben für jeden der Versorgungsbetriebe auf der Grundlage des jeweiligen Jahresüberschusses und des jeweiligen Mindestgewinns gesondert ermittelt.540 492 Während die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 9.2.1998 starre Vorgaben für den Betriebsausgabenabzug von Konzessionsabgaben formuliert hat, gehen die Finanzgerichte in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Veranlassung geleisteter Konzessionsabgaben anhand aller  

536 537 538 539 540

BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./VI./1. BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./V./2. BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./V./1. BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./IV. BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./IV./2 und A./VI./2. Marquardt

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

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Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist.541 Für die Konzessionsabgaben in dem Versorgungsbereich Wasser dürften sich daraus in der Praxis regelmäßig jedoch keine Abweichungen gegenüber den von der Finanzverwaltung formulierten Anforderungen an die betriebliche Veranlassung von Konzessionsabgaben ergeben. Denn wenn und soweit die geleisteten Konzessionsabgaben die preisrechtlich zulässigen Höchstgrenzen übersteigen, kann ein alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigender Fremdvergleich nicht über die von der Finanzverwaltung formulierten Kriterien hinaus zum Betriebsausgabenabzug führen, weil auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines unabhängigen Netzbetreibers unter keinen Umständen Konzessionsabgaben über die preisrechtlich zulässigen Höchstbeträge hinaus leisten könnte. Dabei gilt es zu beachten, dass die von der Finanzverwaltung angewandten Kriterien für den Betriebsausgabenabzug von Konzessionsabgaben in dem Versorgungsbereich Wasser sowohl in Bezug auf die anwendbaren Höchstbeträge (§ 2 KAE) wie auch das Mindestgewinnerfordernis (§ 5 KAE) die einschlägigen preisrechtlichen Vorgaben reflektieren.

c) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze Für den Betriebsausgabenabzug von Konzessionsabgaben, die die Betreiber von Strom- 493 und Gasnetzen an die Gemeinden entrichten, gelten im Ausgangspunkt die gleichen Vorgaben der Finanzverwaltung wie für den Betriebsausgabenabzug von Konzessionsabgaben für Wassernetze. Die Betreiber von Strom- und Gasnetzen können die Aufwendungen für Konzessionsabgaben mithin als Betriebsausgaben zum Abzug bringen, wenn und soweit (i) die geleisteten Konzessionsabgaben die maßgeblichen preisrechtlichen Höchstsätze gemäß der KAV nicht übersteigen und (ii) dem jeweiligen Versorgungsbetrieb nach Abzug des Aufwands für die Konzessionsabgaben ein angemessener handelsbilanzieller Jahresüberschuss (Mindestgewinn) verbleibt. Vor dem Hintergrund, dass die preisrechtlichen Vorgaben der KAV für die Bemes- 494 sung von Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze – anders als die KAE in Bezug auf Wasserkonzessionen – die Gewährleistung eines Mindestgewinns des Netzbetreibers nicht vorsehen, vermag die Unterschreitung des Mindestgewinns in einem einzelnen Geschäftsjahr bei Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze indes für sich betrachtet noch nicht das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung zu begründen. Vielmehr bedarf es im Fall der Unterschreitung des Mindestgewinns bei Betreibern von Strom- und Gasnetzen einer Einzelfallprüfung, ob und inwieweit der Teilbetrag der Konzessionsabgaben, der zur Unterschreitung des Mindestgewinns in dem betreffenden Geschäftsjahr geführt hat, durch das Näheverhältnis zu der Gemeinde

541 BFH, Urteil vom 31.1.2012 – I R 1/11, BStBl. II 2012, 694; BFH, Urteil vom 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; FG Köln, Urteil vom 9. August 2018 – 13 K 1200/15, EFG 2018, 1951; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2003 – 10 K 219/00, EFG 2004, 683. Marquardt

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

veranlasst war. Hierfür ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob der Versorgungsbetrieb in dem Geschäftsjahr, in dem der Mindestgewinn verfehlt wurde, und den darauffolgenden fünf Jahren im Durchschnitt den Mindestgewinn von 1,5 % des maßgeblichen Sachanlagevermögens erreicht hat.542 Um diese Prüfung verfahrensrechtlich zu ermöglichen, sind die Körperschaft- und Gewerbesteuerfestsetzungen des Netzbetreibers erforderlichenfalls zunächst vorläufig gemäß § 165 AO vorzunehmen. 495 Abweichend von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, die im Fall der Verfehlung der von ihr definierten Mindestgewinnvorgaben zwingend eine verdeckte Gewinnausschüttung annimmt, geht die Finanzrechtsprechung davon aus, dass das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung anhand des Kriteriums der Fremdüblichkeit auf der Grundlage aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist.543 Die Verfehlung der von der Finanzverwaltung postulierten Mindestgewinne führt deshalb aus Sicht der Finanzrechtsprechung keineswegs zwingend zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.544 Vielmehr sind die geleisteten Konzessionsabgaben ungeachtet der Verfehlung des Mindestgewinns in dem betreffenden Geschäftsjahr in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn ein von der Gemeinde unabhängiger Netzbetreiber zur Zahlung von Konzessionsabgaben in identischer Höhe bereit gewesen wäre. Dies kann beispielsweise in Fällen, in denen zu Beginn des Konzessionsvertrags wegen der Kosten für den Erwerb der Netzinfrastruktur und der damit verbundenen Finanzierungskosten Anlaufverluste über das von der Finanzverwaltung im Rahmen der Sechsjahresbetrachtung tolerierte Ausmaß hinaus entstehen, dazu führen, dass Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze über die von der Finanzverwaltung gezogenen starren Grenzen hinaus als Betriebsausgaben abzugsfähig sein können.545 Einzelne Finanzgerichte sind sogar noch weiter gegangen und haben das Postulat der Finanzverwaltung nach der Gewährleistung eines Mindestgewinns des Netzbetreibers in Konzessionsverträgen für Strom- und Gasnetze mit dem Argument, dass diese Forderung auf für diesen Versorgungsbereich überholten preisrechtlichen Vorgaben beruht, grundsätzlich in Frage gestellt.546 496 Anders als bei Konzessionsabgaben für Wassernetze ist bei den Konzessionsabgaben für Strom- und Gasnetze eine Kürzung und Nachholung von Konzessionsbeträgen zur Gewährleistung des Mindestgewinns und der Vermeidung verdeckter Gewinnaus 

542 BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./III./3. 543 BFH, Urteil vom 31.1.2012 – I R 1/11, BStBl. II 2012, 694; BFH, Urteil vom 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; FG Köln, Urteil vom 9. August 2018 – 13 K 1200/15, EFG 2018, 1951; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2003 – 10 K 219/00, EFG 2004, 683. 544 BFH, Urteil vom 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; FG Köln, Urteil vom 9. August 2018 – 13 K 1200/ 15, EFG 2018, 1951; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2003 – 10 K 219/00, EFG 2004, 683. 545 BFH, Urteil vom 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12. 2003 – 10 K 219/00, EFG 2004, 683. 546 FG Köln, Urteil vom 9. August 2018 – 13 K 1200/15, EFG 2018, 1951; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2003 – 10 K 219/00, EFG 2004, 683. Marquardt

F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

139

schüttungen nicht möglich, weil die preisrechtlichen Vorgaben der KAV eine solche Gestaltung der Konzessionsverträge für Strom- und Gasnetze nicht zulassen.547

d) Steuerlicher Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze In Ermangelung entsprechender gesetzlicher Regelungen kann der steuerliche Fremd- 497 vergleich im Fall von Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze nicht auf diesbezügliche preisrechtliche Vorgaben gestützt werden. Die Finanzverwaltung behilft sich damit, die höchstzulässigen Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze für Zwecke des steuerlichen Fremdvergleichs auf der Grundlage der KAE zu ermitteln.548 Ausgehend von dieser Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gelten die von der Finanzverwaltung angewandten Maßstäbe für den steuerlichen Fremdvergleich bei Konzessionsabgaben für Wassernetze im Bereich der Konzessionsabgaben für Fernwärmenetze entsprechend.

3. Ertragsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben bei der Gemeinde Die Vergabe von Konzessionen für die Nutzung des öffentlichen Straßenlands zur Ver- 498 legung von Leitungen der Versorgungsnetze durch die Gemeinden begründet keinen Betrieb gewerblicher Art der die Konzession gewährenden Gemeinde.549 Die Erträge, die die Gemeinden aus den Konzessionsabgaben der Netzbetreiber erwirtschaften, fallen daher bei den Gemeinden in die nicht steuerpflichtige Sphäre und unterliegen mithin nicht der Körperschaftsteuer. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn der Netzbetreiber als Per- 499 sonengesellschaft organisiert und die die Konzession gewährende Gemeinde als Mitunternehmer an dem Netzbetreiber beteiligt ist. Denn das Straßenland, auf dessen Nutzung sich der Konzessionsvertrag bezieht, ist in solchen Konstellationen dem hoheitlichen Bereich der Gemeinde zuzuordnen und rechnet nicht zum Sonderbetriebsvermögen der Gemeinde bei dem Netzbetreiber. Die Konzessionsabgaben, die der Netzbetreiber an die Gemeinde entrichtet, sind daher ungeachtet der Beteiligung der Gemeinde als Mitunternehmer nicht als Sonderbetriebseinnahmen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Var. EStG zu erfassen und erhöhen nicht den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Netzbetreibers.550 Zu einer Besteuerung der Konzessionsabgaben auf der Ebene der Gemeinde kommt 500 es mithin nur, wenn und soweit die Konzessionsabgaben dem Fremdvergleichsmaßstab nicht entsprechen und in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert werden. In diesem Fall werden die betreffenden Teilbeträge der Konzessionsabgaben auf der Ebene der Gemeinde als Gewinnausschüttungen besteuert.

547 548 549 550

BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./VI./1. BMF, Schreiben vom 9.2.1998 – IV B 7-S 2744-2/98, BStBl. I 1998, 209, Tz. A./II./3. OFD Karlsruhe, Verfügung vom 7. Mai 2002 – S 2241 / S 2706 A – St 331, DStR 2002, 1529. OFD Karlsruhe, Verfügung vom 7. Mai 2002 – S 2241 / S 2706 A – St 331, DStR 2002, 1529.

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Kapitel 1. Rechtsrahmen und Überblick

III. Umsatzsteuerliche Behandlung von Konzessionsabgaben 501 Im Rahmen der Konzessionsverträge gestatten die Gemeinden den Netzbetreibern die

Nutzung des öffentlichen Straßenlandes der jeweiligen Gemeinde für die Verlegung von Leitungen des konzessionierten öffentlichen Versorgungsnetzes gegen Zahlung der vereinbarten Konzessionsabgaben. Die entgeltliche Überlassung des öffentlichen Straßenlandes für die Verlegung von Leitungen der Versorgungsnetze verkörpert eine unternehmerische Tätigkeit der Gemeinde im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG. Die Unternehmereigenschaft der Gemeinde entfällt dabei nicht auf Grund von § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG, weil die Gemeinde mit ihren Leistungen unter dem Konzessionsvertrag keine Tätigkeit, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt, ausübt, sondern Leistungen auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags erbringt.551 502 Mit der Gewährung des Rechts zur Nutzung des öffentlichen Straßenlands für die Leitungen des konzessionierten Versorgungsnetzes gegen Zahlung von Konzessionsabgaben erbringt die die Konzession gewährende Gemeinde im Rahmen ihres umsatzsteuerlichen Unternehmens eine umsatzsteuerbare sonstige Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an den Netzbetreiber. Diese umsatzsteuerbare sonstige Leistung unterliegt der Umsatzsteuer, soweit nicht eine Umsatzsteuerbefreiung zum Tragen kommt. Ob und inwieweit eine Umsatzsteuerbefreiung für die Leistungen einer Gemeinde unter einem Konzessionsvertrag einschlägig ist, hängt dabei von dem Inhalt des jeweiligen Konzessionsvertrages und der Art der von der Gemeinde unter dem jeweiligen Konzessionsvertrag erbrachten Leistungen ab. Im Fall von Konzessionsverträgen sind namentlich die Umsatzsteuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken aus § 4 Nr. 12 Satz 1 lit. a) UStG sowie die Umsatzsteuerbefreiung für die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken aus § 4 Nr. 12 Satz 1 lit. c) UStG von praktischer Bedeutung. 503 Wenn durch die Konzessionsabgaben ausschließlich die Vermietung und Verpachtung des öffentlichen Straßenlandes der Gemeinde bzw. die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts an dem öffentlichen Straßenland vergütet wird, sind die Konzessionsabgaben in voller Höhe gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 lit. a) UStG bzw. § 4 Nr. 12 Satz 1 lit. c) UStG umsatzsteuerbefreit.552 Erbringt die Gemeinde auf der Grundlage des jeweiligen Konzessionsvertrags jedoch neben der Vermietung und Verpachtung des Straßenlandes und der Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten an ihrem Straßenland weitere selbstständige Leistungen, die durch die Konzessionsabgaben entgolten werden, sind

551 BMF, Schreiben vom 5.8.2020 – III C 2 – S 7107/19/1007, BStBl. I 2020, 669, Tz. 1. Entsprechendes gilt für Gemeinden, die noch bis zum 31.12.2024 auf der Grundlage der Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 22a UStG anstelle von § 2b UStG die Vorgängerregelung aus § 2 Abs. 3 UStG a. F. anwenden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verkörpert die auf privatrechtlicher Grundlage erfolgende Vermietung unbeweglichen Vermögens auch im Rahmen der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. eine umsatzsteuerbare unternehmerische Tätigkeit, vgl. BFH, Urteil vom 15.4.2010 – V R 10/09, BStBl. II 2017, 863. 552 BMF, Schreiben vom 5.8.2020 – III C 2 – S 7107/19/1007, BStBl. I 2020, 669, Tz. 2.  



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F. Konzessionsabgaben im Steuerrecht

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die Konzessionsabgaben nur insoweit anteilig umsatzsteuerbefreit, als die Konzessionsabgaben auf die steuerbefreiten Leistungen entfallen. Ob der Netzbetreiber eine gegebenenfalls anfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu 504 den vereinbarten Konzessionsabgaben an die Gemeinde zahlen muss, richtet sich nach dem Zivilrecht.553 In Fällen, in denen eine Umsatzsteuerpflicht der Konzessionsabgaben mit Blick auf das vereinbarte Leistungsspektrum nicht ausgeschlossen werden kann, ist es daher aus Sicht der die Konzession gewährenden Gemeinde ratsam, eine Umsatzsteuerklausel in den Konzessionsvertrag aufzunehmen, nach der die vereinbarten Konzessionsabgaben für umsatzsteuerliche Zwecke als Nettoentgelte zu verstehen sind und der Netzbetreiber eine etwaig anfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu den vereinbarten Nettobeträgen der Konzessionsabgaben an die Gemeinde zahlen muss. Da der Netzbetreiber das örtliche Versorgungsnetz vollständig im Rahmen seines Unternehmens nutzt und mit diesem ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, wäre der Netzbetreiber im Hinblick auf etwaige an die Gemeinde zu zahlende Umsatzsteuern auf die Konzessionsabgaben zum Vorsteuerabzug berechtigt und würde durch eine solche Umsatzsteuerklausel nicht wirtschaftlich belastet.

553 BMF, Schreiben vom 5.8.2020 – III C 2 – S 7107/19/1007, BStBl. I 2020, 669, Tz. 3. Marquardt

Kapitel 2 Kooperations- und Beteiligungsmodelle A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen I. Grundsätze – Beteiligung von Kommunen an Kooperationen 1. Einleitung Mit Auslaufen vieler Konzessionsverträge stellt sich für die Kommunen die Frage, ob 1 und wie sie auf den privatisierten Netzbetrieb wieder verstärkt Einfluss nehmen können. Die Ziele einer Rekommunalisierung reichen von einer effizienten Durchsetzung der Energiewende bis zur finanziellen Teilhabe – allerdings fehlt den meisten Kommunen sowohl Personal als auch das notwendige Know-how. Daher bietet sich für den Betrieb eine Zusammenarbeit mit einem Fachpartner an. Vor dem Hintergrund einer Vielzahl möglicher Kooperations- und Beteiligungs- 2 modelle, die im Zusammenhang mit der Vergabe von Konzessionsverträgen denkbar sind, bedarf es zunächst einer typisierenden Strukturierung, die allerdings nur beispielhaft sein kann.1 Es sind darüber hinaus – basierend auf den Bedürfnissen und Wünschen im Einzelfall – weitere, unterschiedlich ausgestaltete Varianten denkbar. Kooperations- und Beteiligungsmodelle können im Rahmen einer groben Struk- 3 turierung beispielsweise nach dem Grad der Zusammenarbeit von einer rein schuldrechtlichen Kooperation bis zu einem ausgefeilten Beteiligungskonstrukt reichen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich etwa die nachfolgend beschriebenen Kooperationsmodelle zu Grunde legen.

2. Übersicht über mögliche Kooperations- und Beteiligungsmodelle a) Schuldrechtliche Kooperation (Netzpachtmodell) Die Zusammenarbeit kann sich auf eine rein schuldrechtliche Ebene beschränken, die 4 nicht durch eine gemeinsame Gesellschaft der Kommune mit einem Fachpartner untermauert ist. In diesem Modell hat die kommunale Gebietskörperschaft, etwa über einen Eigen- 5 betrieb oder eine 100 %ige Tochtergesellschaft, die Konzession inne und ist Eigentümerin des Netzes.  

1 Siehe zu möglichen Fallgestaltungen auch Kap. B. I. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011.  

Kermel/Stauber https://doi.org/10.1515/9783110531909-007

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Der operative Netzbetrieb wird durch Verpachtung der Netz-Vermögensgegenstände auf einen Fachpartner übertragen. Dieser übernimmt damit insbesondere die kaufmännische und technische Betriebsführung. Dieser Fachpartner ist ein energiewirtschaftlich versiertes Unternehmen, das die notwendige Expertise und das notwendige Personal hat, um das Netz zu betreiben. Das schuldrechtliche Kooperationsmodell setzt das Eigentum der kommunalen Gebietskörperschaft am Netz voraus, so dass die Kommune das Netz ggf. zunächst vom Altkonzessionär erwerben muss, bevor sie es an den Fachpartner verpachten kann. Dadurch muss die kommunale Gebietskörperschaft auch das Kaufpreisrisiko aus der Netzübernahme tragen. Der wirtschaftliche Ertrag für die kommunale Gebietskörperschaft ergibt sich aus dem vereinbarten Pachtzins. In diesem Kooperationsmodell werden bei der Ausgestaltung der Pachtzins-Formel oftmals alle Risiken durch den Fachpartner übernommen, einschließlich der Risiken aus Änderungen des regulatorischen Umfelds sowie aus dem laufenden Betrieb. Aufgrund der sicheren Rendite durch den Pachtzins entspricht die Stellung der kommunalen Körperschaft dem eines reinen Finanzinvestors. Für die Berechnung des Pachtzinses wird in der Praxis häufig die regulatorisch zugestandene Rendite des Netzeigentümers als Berechnungsgrundlage vereinbart. Der Pachtzins wird entsprechend der Rendite bemessen, die aus der regulatorisch anerkannten Vermögensbasis fließt. Diese Rendite bestimmt sich dann nach § 14 Abs. 2 S. 3 ARegV2 i. V. m. den Festlegungen der Bundesnetzagentur.3 Je nach Ausgestaltung der Pachtformel wird der Pachtzins über die Vertragslaufzeit auf Basis der bei Vertragsabschluss anzuwendenden regulatorischen Vorgaben ermittelt und festgeschrieben (fixer Pachtzins). Alternativ kann vereinbart werden, dass sich der Pachtzins analog den Veränderungen im anwendbaren regulatorischen Ordnungsrahmen verändern soll (variabler Pachtzins). Die letztgenannte Alternative führt zu einer Beteiligung der Kommune an den Regulierungsrisiken. Des Weiteren können die Vertragsparteien regeln, ob die Kommune an operativen Effizienzgewinnen teilhaben soll. In der Praxis soll oft allein der Fachpartner sämtliche operativen Risiken tragen. Soweit sich die Kommune wirtschaftlich auf ihre Netzeigentümerrolle beschränkt, ist diese Risikoverteilung auch folgerichtig, da die operativen Effizienzgewinne aus der Netzbetreibertätigkeit herrühren. Eine Beteiligung der Kommune an operativen Effizienzgewinnen wäre somit systemwidrig, jedenfalls solange sie sich nicht zugleich an den Kosten bzw. Risiken der Netzbetreibertätigkeit beteiligt.  

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2 Anreizregulierungsverordnung vom 29.10.2007 (BGBl. I S. 2529), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 27.7.2021 (BGBl. I S. 3229), Fassung vom 14.9.2016. 3 Die Bundesnetzagentur legt gemäß § 7 Abs. 6 StromNEV und GasNEV die Höhe der Eigenkapitalzinssätze fest. Durch die Beschlüsse vom 5.10.2016 (BK4-16-160 für Strom und BK4-16-161 für Gas), wurde für die Dauer der dritten Regulierungsperiode für Neuanlagen ein Eigenkapitalzins in Höhe von 6,91 % vor Steuern und für Altanlagen in Höhe von 5,12 % vor Steuern festgelegt.  



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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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In der Praxis sind aber auch Kooperationsmodelle zu finden, bei denen der Pacht- 12 zins abweichend von den vorstehenden Vorgaben berechnet wird. Hierbei wird der Kommune ein höherer Pachtzins gezahlt. Dies dürfte im Einzelfall problematisch sein.4 Beim Netzpacht-Modell kann die Kommune nur begrenzt auf den Netzbetrieb Ein- 13 fluss nehmen. Das ist indes kein spezifischer Nachteil des Netzpacht-Kooperationsmodells. Auch gesellschaftsrechtliche Kooperationsmodelle gehen nicht zwingend mit mehr bzw. weitgehenden Einflussrechten einher. Maßgeblich ist insoweit grundsätzlich immer die Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und damit, in welchem Ausmaß die Kommune sich auch an den Risiken des Netzbetriebs beteiligt. Die Gefahr, dass eine Partei ihre eigenen Interessen über die gemeinsamen Interessen stellt, lässt sich sowohl in schuld- wie in gesellschaftsrechtlichen Kooperationsmodellen eingrenzen. Entscheidend ist dabei letztlich nicht das gewählte Modell, sondern die Risikoverteilung zwischen den Parteien.

b) Gesellschaftsrechtliche Netzeigentums-Kooperation (Netzeigentumsmodell) Eine gesellschaftsrechtlich ausgeprägte Form einer kommunalen Finanzbeteiligung ist 14 die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mit einem Fachpartner, die das Eigentum an dem Netz übernimmt (Netzeigentumsmodell). Das Eigentum am Netz wird dann entweder durch diese Gesellschaft vom Altkonzessionär erworben oder dieser bringt als Mitgesellschafter das Netz bei Gründung ein. Das Netzeigentumsmodell ist als reine Eigentumsgesellschaft ausgeprägt. Mit dem 15 Netzbetrieb wird sodann regelmäßig der Fachpartner auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung beauftragt. Zumeist handelt es sich um eine Betriebspacht. Insoweit gleicht dieses Modell dem Netzpacht-Kooperationsmodell. Im Netzeigentumsmodell muss die kommunale Gebietskörperschaft ebenfalls keine energiewirtschaftliche Expertise aufbauen und bleibt – wie auch im Netzpacht-Kooperationsmodell – ein reiner Finanzinvestor. Die kommunale Beteiligung an der Netzeigentumsgesellschaft kommt durch Er- 16 werb und Übertragung von Anteilen an einer bestehenden Gesellschaft oder durch Gesellschaftsgründung und Leisten einer entsprechenden Bar- oder Sacheinlage zustande. Der Kaufpreis oder der Wert der Bar- bzw. Sacheinlage bemisst sich allein auf Basis der Netzeigentümerstellung, da sich die Kommune nur an der Marktrolle des Netzeigentümers beteiligt. Für die Bewertung zum Bewertungsstichtag wird das Substanz- oder das Ertragswertverfahren angewendet. Hierbei müssen die Marktrolle des Netzbetriebs und die damit ggf. zu erzielenden weiteren Erlöse unberücksichtigt bleiben, da diese bei einer reinen Netzeigentumsgesellschaft von der Kommune nicht mit bezahlt

4 Der Pachtzins muss in einer Gesamtschau drittvergleichsfähig und damit marktüblich sein, um im Zweifel das in § 3 KAV festgelegte Höchstpreisrecht nicht zu umgehen. Siehe dazu ausführlich: B.II.2.a). Kermel/Stauber

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

werden. Dementsprechend stehen die Erlöse aus dem Netzbetrieb allein dem Netzpächter (zumeist der Fachpartner) zu. 17 Mit ihrer Beteiligung partizipiert die Kommune beteiligungsquotal an den Erträgen, die der Netzeigentumsgesellschaft zufließen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Erträge aus der Verpachtung des Netzes. Der Pachtzins wird dabei entsprechend der Rendite bemessen, die aus der regulatorisch anerkannten Vermögensbasis fließt. Hierbei handelt es sich letztendlich – wie beim Netzpacht-Modell – um die regulatorisch anerkannte Eigenkapitalverzinsung für die Netzeigentümerstellung. Eine Teilhabe an z. B. den operativen Effizienzgewinnen findet demgegenüber nicht statt, da diese die Kommune über ihren Kaufpreis nicht mitfinanziert hat. 18 In der Praxis finden sich aber auch Beteiligungsmodelle, bei denen der Pachtzins abweichend von den vorstehenden Vorgaben berechnet wird. Hierbei wird der Netzeigentumsgesellschaft und damit mittelbar der Kommune als deren Gesellschafter ein höherer Pachtzins gezahlt. Ebenso wie im Netzpacht-Modell dürfte dies im Einzelfall problematisch sein, da die Kommune nur die Marktrolle des Netzeigentümers erworben und finanziert hat.5  

c) Gesellschaftsrechtliche Netzbetriebs-Kooperation (Netzbetreibermodell) 19 In Erweiterung des Netzeigentumsmodells kann sich die Kommune auch für die Betei-

ligung am Netzbetrieb entscheiden. Hierdurch kann die Kommune sich auch an den Erträgen des Netzbetriebs beteiligen. Dies kann zum einen durch entsprechende Gestaltung des Pachtzinses erreicht werden. Zum anderen kommt in Betracht, dass die gemeinsame Gesellschaft der Kommune und des Fachpartners zusätzlich auch die Rolle des Netzbetreibers übernimmt und dadurch in den vollständigen Genuss der aus dieser Tätigkeit stammenden Erträge kommt. 20 Im Vergleich zum Netzeigentumsmodell können im Netzbetreibermodell höhere Erträge erzielt werden. Der Kaufpreis oder der Einlagewert, den die Kommune für den Anteil an der gemeinsamen Netzbetreibergesellschaft investieren muss, ist deshalb entsprechend den regulatorisch erzielbaren Erträgen zu bemessen, einschließlich z. B. der operativ erzielbaren Effizienzgewinne. Im Vergleich mit dem Netzeigentümermodell führt dies auf Basis der einschlägigen Bewertungsmethoden zu einem höheren Kaufpreis bzw. Einlagewert für die Kommune. Inwieweit die Kommune sich an den wirtschaftlichen Risiken der ggf. notwendigen Netzübernahme von dem Altkonzessionär beteiligt, ist im Einzelfall zu regeln. Da im Netzbetreibermodell die Kommune an den gesamten wirtschaftlichen Chancen und Risiken teil hat, wird sie sich üblicherweise auch an den Risiken der Netzübernahme beteiligen müssen.  

5 Siehe dazu auch B.II.2.b)aa) und B.III.1.a). Kermel/Stauber

A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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d) Einbeziehung anderer energiewirtschaftlicher Geschäftsfelder (Stadtwerke-Modell) Schließlich besteht im Zuge der Neuvergabe auslaufender Konzessionsverträge die Mög- 21 lichkeit für die Kommune, ein voll-integriertes Stadtwerk aufzubauen. Dabei kommt sowohl eine rein kommunale Gesellschaft als auch ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem Fachpartner in Betracht. Die Kommune gründet vor der Konzessionsvergabe eine Stadtwerksgesellschaft, die 22 nicht nur das Netzeigentum erwerben und den Netzbetrieb übernehmen soll, sondern auch weitere energiewirtschaftliche Geschäftsfelder, wie etwa den Vertrieb, Handel oder die Erzeugung aus konventionellen oder regenerativen Energiequellen. Das Stadtwerke-Modell ermöglicht es der Kommune, Einfluss auf die örtliche Energielandschaft zu nehmen oder etwa die lokale Wertschöpfung zu sichern. Die Stadtwerke-Gesellschaft zahlt an die Kommune Konzessionsabgaben. Zusätzlich fallen der Kommune – entsprechend ihrer Beteiligungsquote – die Gewinne der Gesellschaft zu.6 Die Bezeichnung „Stadtwerk“ sollte für die gemeinsame Gesellschaft nur gewählt 23 werden, wenn die Kommune den unmittelbaren oder mittelbaren Mehrheitsanteil an der Gesellschaft innehat.7

Praxistipp 1 Es sei darauf hingewiesen, dass in einem Stadtwerke-Modell die im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe anzuwendenden Vorschriften, insbesondere die konzessionsrechtlichen Bestimmungen, aber auch die Entflechtungsvorgaben beachtet werden müssen, um Verfahrensfehler zu vermeiden.8

e) Regionale Kooperationen Möglich und in der Praxis nicht unüblich ist es, dass sich auf kommunaler Seite eines 24 Kooperations- oder Beteiligungsmodells nicht nur eine, sondern zwei oder mehr Kommunen gemeinsam beteiligen.9 Die Kommunen gründen beispielsweise zunächst jeweils eine eigene Netzgesellschaft, die anschließend wiederum eine gemeinsame regionale Netzgesellschaft gründen.

6 Tugendreich, ZfBR 2014, 547, 547. 7 BGH, Urteil v. 13.6.2012 – I ZR 228/10 = GRUR 2012, 1273, 1273 f.: die Bezeichnung als „Stadtwerk“ für eine Gesellschaft ohne kommunale Mehrheitsbeteiligung kommt einer irreführenden Angabe zur Mehrheitsbeteiligung gleich und verstößt ggf. gegen §§ 3, 5, 8 UWG. 8 Siehe unter Kapitel 2 B., Rn 27 ff. 9 Siehe dazu unter anderem OLG Düsseldorf; Urt. v. 9.1.2013, VI-Verg 26/12.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

II. Rechtliche Rahmenbedingungen 1. Einleitung 25 Bei den vielfältigen Gestaltungsvarianten für Kooperations- und Beteiligungsmodelle müssen die rechtlichen Grenzen beachtet werden. Neben energie-, kommunal- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften sind ebenso gesellschafts- und steuerrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. 26 Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf einige wesentliche Problemkreise, die im Zusammenhang mit Beteiligungsmodellen bei der Vergabe von Konzessionen eine wichtige Rolle spielen.

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2. Energierecht a) Anwendbarkeit der energierechtlichen Vorschriften bei Beteiligungsmodellen Beim schuldrechtlichen Kooperationsmodell (Netzpacht) finden für die Verpachtung und Betriebsführung die energiewirtschaftlichen Regelungen unmittelbar Anwendung. Bei gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsmodellen sind für die Gründungsphase zunächst die gesellschaftsrechtlichen Regelungen, etwa das Aktiengesetz oder das GmbHGesetz, zu beachten.10 Allerdings wird das Beteiligungsmodell nicht im luftleeren Raum angeboten und verhandelt: Der Zweck des Netzbetriebs durch die Netzgesellschaft kann nur erreicht werden, wenn diese Gesellschaft im späteren Vergabeverfahren die Netzkonzession erhält. Das von der Kommune nachgefragte Beteiligungsmodell kann ohne die Konzessionsvergabe nicht umgesetzt werden. Daher stellt sich die Frage, inwieweit die energierechtlichen Vorschriften für Konzessionen im Zusammenhang mit den Beteiligungsmodellen beachtet werden müssen. Bei der Beantwortung dieser Frage muss danach unterschieden werden, ob die Kommune die Suche nach einem strategischen Partner und die Konzessionsvergabe in einem einstufigen Verfahren oder einem zweistufigen Verfahren durchführt.11 Nach Auffassung des OLG Düsseldorf sind bei der Suche nach einem strategischen Partner – insbesondere im zweistufigen Verfahren – weder die Vorschriften des § 46 EnWG, die Ziele des § 1 EnWG noch § 3 Abs. 2 KAV bei der Auswahl des strategischen Partners zu berücksichtigen.12 Zentral war dabei insbesondere die Frage nach der Anwendbarkeit des Nebenleistungsverbots aus § 3 KAV.13 Das OLG Düsseldorf führte dazu aus, dass Leistungen nach § 3 KAV nur dann zu berücksichtigen seien, wenn sie eine „spezifische Gegenleistung für die Einräumung von

10 11 12 13

Siehe dazu ausführlich: Frankenberger, RNotZ 2018, 649, 649 ff. Ausführlich in B.II.1.a). OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII VergR 26/12 = NZBau 2013, 120, 126, 127. Siehe dazu ausführlich: B.II.2.  

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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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Wegenutzungsrechten seien, was im Prozess feststellbar sein muss.“14 Diese Voraussetzung ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 KAV: Die Vorschrift untersagt Leistungen die „neben oder anstelle von Konzessionsabgaben für einfache oder ausschließliche Wegerechte“ gewährt werden. Voraussetzung ist also ein Zusammenhang zwischen Leistung und Konzessionsvergabe. Nicht relevant hingegen ist, ob die Leistungen im Konzessionsvertrag oder anderweitig vereinbart wurden.15 Für die Suche nach einem strategischen Partner im zweistufigen Verfahren sah das OLG Düsseldorf den Zusammenhang von Gegenleistung und späterer Konzessionsvergabe für nicht ausreichend belegt.16. Die Ausgestaltung der Vergabe im zweistufigen Verfahren darf jedoch auch nicht zu einer Umgehung des Verbotes führen. Lässt sich ein hinreichender Zusammenhang zwischen der vereinbarten Leistung und der Konzessionsvergabe nachweisen, erscheint eine Anwendung von § 3 Abs. 2 KAV sachgerecht. Die Suche nach dem strategischen Partner erfolgt im zweistufigen Verfahren jedoch in der Regel zeitlich weit vor dem Konzessionsvergabeverfahren, so dass der Zusammenhang zur Konzessionsvergabe in diesen Fällen nicht zwingend offensichtlich ist. Welcher zeitliche Abstand gewählt werden sollte, um einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 KAV auszuschließen, ist bislang nicht gerichtlich geklärt. Auch § 46 EnWG muss von der Kommune bei der Suche nach einem strategischen 32 Partner im zweistufigen Verfahren wohl nicht berücksichtigt werden – vielmehr können in diesem Fall die kartellrechtlichen Vergabevorschriften Anwendung finden.17 Im einstufigen Verfahren ist hingegen durch die Kommune sicherzustellen, dass 33 das gesamte Verfahren den Anforderungen der §§ 46, 1 EnWG und § 3 Abs. 2 KAV genügt.18

14 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.1.2013 – VII VergR 26/12 = NZBau 2013, 120, 126; vgl. auch Kapitel 3.2.1. des Hinweispapiers der Niedersächsischen Kartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG vom 25. August 2015. 15 LG München, Urteil v. 18.12.2013 – 37 O 1781/13, S. 17 f.; vgl. auch BerlKommEnR/Kermel, § 3 KAV Rn 40. 16 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII VergR 26/12 = NZBau 2013, 120, 126 f. 17 Siehe dazu: B.II.1.c); Aus den Leitfäden und Hinweispapieren mehrerer Länder sowie des Bundes ergibt sich ebenfalls, dass die §§ 46 EnWG sowie § 19 GWB im zweistufigen Verfahren für die Suche nach dem strategischen Partner keine Anwendung finden sollen: Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 26 f.; Hinweispapier der Niedersächsischen Kartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG vom 25.8.2015, Kapitel 3.2.1.; Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes Schleswig-Holstein zum Abschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Strom bzw. Gasversorgung vom 4.6.2015, Kapitel II.3.1. 18 BerlKommEnR/Kermel, § 3 KAV, Rn 34 ff.; Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 28 f.; Hinweispapiers der Niedersächsischen Kartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG vom 25.8.2015, Kapitel 3.2.3.; Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes  









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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Unzweifelhaft ist hingegen, dass im Rahmen des Netzbetriebs durch eine gemeinsame Netzgesellschaft gemäß §§ 6 ff. EnWG gewährleistet sein muss, dass die Bereiche der Erzeugung und des Vertriebs vom Netzbereich entflochten sind, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.19 Daher müssen selbständige Organisationseinheiten als neutrale Plattform für Wettbewerb aller Marktteilnehmer gebildet werden. Vor allem im Rahmen der Durchführung des Stadtwerke-Modells sind die gesetzlichen Vorgaben zur Entflechtung zu berücksichtigen.  

aa) Ein- und zweistufiges Verfahren 35 Die Kommune kann wählen, ob sie die Suche nach einem Fachpartner mit der Konzessi-

onsvergabe kombiniert (einstufiges Verfahren) oder ob sie zunächst den Fachpartner wählt und im Anschluss die Konzession vergibt (zweistufiges Verfahren).20 36 Das einstufige Verfahren beansprucht weniger Zeit, allerdings muss die Kommune dabei besonders beachten, dass die Suche nach einem Fachpartner für ein Kooperationsmodell die Konzessionsvergabe nicht beeinflussen darf. Weder dürfen Angebote mit Beteiligungsmöglichkeiten gegenüber reinen Konzessionsbewerbern bevorzugt werden, noch dürfen Kriterien aufgestellt werden, die mittelbar zu einer solchen Bevorzugung führen.21 37 Ist keine der angebotenen Kooperationsmöglichkeiten im Konzessionsverfahren unter den besten Geboten, liegt der Vorteil des einstufigen Verfahrens darin, dass die Kommune keine gemeinsame Gesellschaft mit dem Fachpartner gegründet hat, die sie nun auflösen müsste.22 38 Zu beachten ist auch, dass die Beteiligung der Kommune an einer Netzgesellschaft dem kartellrechtlichen Vergaberecht unterliegen kann. Kommunen sind als öffentlichrechtliche Gebietskörperschaften öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB für welche die Vergaberegeln der §§ 97 ff. GWB Anwendung finden, sofern zusätzlich ein Beschaffungszweck verfolgt wird.23 Die reine Beteiligung an einer Netzgesellschaft ist  





Schleswig-Holstein zum Abschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Strom bzw. Gasversorgung vom 4.6.2015, Kapitel II.3.2. 19 Vgl. dazu Kapitel B. VI. 5. a). 20 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – Az. VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 123; Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 27. 21 Folgende Kriterien hat der BGH mit Urteil v. 17.12.2013 – Az. KZR 66/12, NZBau 2014, 514, 522 für unzulässig erklärt: Kommunaler Anteil an Netzen, Kommunaler Vermögenszuwachs, Höhe des kommunalen Kapitaleinsatzes für den Netzerwerb, Möglichkeiten der Geschäftsfelderweiterung, Mitgestaltungsrechte/Einflussmöglichkeiten, Höhe der wirtschaftlichen Risiken, soweit diese Risiken nicht mit zulässigen Bewertungskriterien verbunden sind. 22 Morell, Praxis der Kommunalverwaltung, 3.2.3. 23 Pünder/Schellenberg/Wegener/Pünder, VergabeR, § 103 GWB Rn 32.  





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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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mangels Beschaffungsvorgang weder ein Öffentlicher Auftrag i. S. d. § 103 GWB noch eine Konzession i. S. d. § 105 GWB. Je nach Ausgestaltung der Beteiligungsvereinbarung kann bei Eingehen einer Leistungsverbindlichkeit durch den Fachpartner jedoch eine Beschaffung angenommen werden. Dies hätte zur Folge, dass die Kommune für die Wahl des Beteiligungsmodells die kartellrechtlichen Vergabevorschriften und für die Konzessionsvergabe die energierechtlichen Vorgaben beachten muss.24 Im zweistufigen Verfahren wird zunächst der Fachpartner gewählt. Die Kommune 39 und der Fachpartner gründen sodann gemeinsam eine Gesellschaft, die sich im Konzessionsvergabeverfahren bewirbt. Die Kommune muss dabei sicherstellen, dass die gemeinsame Gesellschaft bei der Konzessionsvergabe nicht bevorzugt wird.25 Die Gesellschaft ist als eine, den anderen Bewerbern gleichwertige, Bewerberin zu behandeln.26 Insbesondere darf die gemeinsame Gesellschaft keinen Wissensvorsprung gegenüber anderen Bewerbern haben.27 Diese Anforderung stellt in der Praxis of eine Herausforderung für die Kommune dar.28 Es besteht daher im zweistufigen Verfahren ein erhöhtes Risiko, dass andere Bewerber mögliche Verfahrensfehler gemäß § 47 Abs. 1 EnWG oder dem GWB geltend machen.29 Ebenfalls müssen die Kommune und der Fachpartner das Risiko einkalkulieren, 40 dass die gemeinsame Netzgesellschaft die Konzession im Vergabeverfahren nicht erhält. Es bietet sich daher an, die gesellschaftsrechtliche Beteiligung mit dem Zuschlag bei der Konzessionsvergabe zu verbinden. Ebenfalls muss der zusätzliche Zeitaufwand im zweistufigen Verfahren bedacht werden, da vor der Konzessionsvergabe möglicherweise noch ein Vergabeverfahren durchgeführt werden muss.  







24 Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015; Hinweispapiers der Niedersächsischen Kartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG vom 25.8.2015, Kapitel 3.2.1.; Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes Schleswig-Holstein zum Abschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Strom bzw. Gasversorgung vom 4.6.2015, Kapitel II.3.1. 25 Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 27. 26 Vgl. zB. Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes Schleswig-Holstein zum Abschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Strom bzw. Gasversorgung vom 4.6.2015, Kapitel II.3.1. 27 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 125. 28 vom Dahl, N&R 2015, 194, 197 f. 29 vom Dahl, N&R 2015, 194, 197 f.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

bb) Keine freie Konzessionierung als Inhouse-Vergabe 41 Erteilt eine Kommune eine Konzession an einen rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb, 42

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muss sie gemäß § 46 Abs. 6 EnWG30 die Verfahrensvorschriften der Abs. 2 bis 5 befolgen. Sie muss das Auslaufen der alten Konzession öffentlich bekanntmachen, sachgerechte Entscheidungskriterien aufstellen und anhand dieser eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Interessenten treffen und begründen.31 Bei der Auswahl ist die Kommune den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet. Der Regelung des § 46 Abs. 6 EnWG bedarf es, um auch die Erteilung von Konzessionen durch gemeindliche Satzung in den Anwendungsbereich von § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG zu bringen, die lediglich auf Verträge abstellen.32 Da es sich bei Eigenbetrieben nicht um selbständige juristische Personen handelt, kann zwischen einer Kommune und ihrem Eigenbetrieb kein Vertrag geschlossen werden. Dass die Verfahrensvorschriften der § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG ebenfalls für die Vergabe an kommunale Eigenbetriebe gelten, setzt implizit voraus, dass sie erst recht auf die vertragliche Erteilung einer Konzession an ein rechtlich selbständiges, im Alleineigentum der konzessionserteilenden Gemeinde stehendes Unternehmen (Eigengesellschaften) anwendbar sind.33 Dieses Verständnis entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, „Ewigkeitsrechten vorzubeugen“.34 Auch in Fällen, in denen die Kommune selbst die Konzession übernehmen möchte, soll ein „Wettbewerb um das Netz“ stattfinden und so die Durchsetzung des Wettbewerbsgedanken gewährleistet werden; unabhängig davon, in wessen Eigentum sich das Netz befindet.35 Die vergaberechtlichen Grundsätze zur Inhouse-Vergabe sind auf die Auswahlentscheidung einer Gemeinde nach § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG nicht übertragbar.36

30 Die Vorschrift des § 46 Abs. 4 EnWG entspricht § 13 Abs. 4 EnWG a. F. von 2005, bzw. § 8 Abs. 4 RegE EnWG 1998 (BT-Drucks. 13/7274). 31 BKartA, Beschluss v. 18.10.2011 – B10-6/11, Rn 22 ff. 32 BT-Drucks. 13/7274, S. 21; Theobald/Kühling/Theobald/Schneider, § 46 EnWG Rn 141. 33 BGH Urteil v. 17.12.2013 – KZR 65/12 = NZBau 2014, 303, 306, Rn 42; Kment/Huber, § 46 EnWG Rn 114; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 EnWG Rn 85; Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 22. 34 BT-Drucks. 13/7274, S. 21; BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 65/12 = NZBau 2014, 303, 306, Rn 36; Kment/Huber, § 46 EnWG, Rn 111. 35 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 EnWG Rn 87; Kment/Huber, § 46 EnWG, Rn 112. 36 BGH, Urteil v. 9.3.2021 – KZR 55/19 = NZBau 2021, 625, 628 f.; BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 65/12 = NZBau 2014, 303, 305; BGH, Urteil v. 18.10.2016 – KZB 46/15 = NZBau 2017, 236, 238 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII-Verg 26/12 = NZBau 2013, 120, 124; OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.3.2018 – VI-2 U (Kart) 6/16, BeckRS 2018, 11739, Rn 37; Kment/Huber, § 46 EnWG Rn 67; Dietl, Die Öffentliche Verwaltung, 2018, 407, 412; Assmann/König, VergabeR 2a, 2020, 266, 269; Morell, Praxis der Kommunalverwaltung, D1c Bund, 3.2.1.; Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 22; Hinweispapier der Niedersächsischen Kartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG vom 25.8.2015, Kapitel 3.2.1.  







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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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Die Gegenposition37 in der Literatur überzeugt nicht. Die Argumentation, dass über § 46 Abs. 6 EnWG ausschließlich Eigenbetriebe nach § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG berechtigt und verpflichtet werden sollen, nicht aber die Kommune bei der Vergabe an Eigenbetriebe, überzeugt nicht.38 Mangels Rechtspersönlichkeit der Eigenbetriebe richten sich sowohl die Rechte als auch die Pflichten jeweils an die Kommune.39 Dafür spricht auch, dass die Anwendbarkeit von § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG auf einen Eigenbetrieb als Normadressat kaum möglich wäre, da ausschließlich die Kommune das Auswahlverfahren durchführt. Die Anwendung der Bekanntmachungspflicht auf einen Eigenbetrieb nach § 46 Abs. 3 EnWG wäre überflüssig, wenn es der Kommune möglich wäre, nach der Bekanntmachung die Konzession einfach an ihren Eigenbetrieb zu vergeben.40 In der Neufassung der gesetzlichen Regelungen hat der Gesetzgeber in § 46 Abs. 4 Satz 2 und 3 EnWG zudem die Möglichkeit der Kommune eingefügt, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu berücksichtigen.41 Dadurch wird deutlich, dass keinesfalls ein Recht der Kommune besteht, aus Zielen der Rekommunalisierung einen Eigenbetrieb zu bevorzugen, sondern dass sie den Wunsch nach Rekommunalisierung lediglich ebenfalls berücksichtigen darf. Die Kommune ist bei der Vergabe vielmehr an ein diskriminierungsfreies Verfahren gebunden. Im Rahmen der Energiekonzessionsvergabe konkretisiert § 1 EnWG die Ziele, die dabei zwingend beachtet werden müssen. Diese Ziele müssen mit einer Gewichtung von über 50 % in die Entscheidung eingehen.42 Auch die Gesetzesbegründung zur 10. EnWG-Novelle erteilt der Zulässigkeit der Inhouse-Vergabe eine eindeutige Absage: Die Forderung, eine Inhouse-Vergabe zuzulassen, wurde bei der Novellierung explizit nicht aufgriffen.43 Nicht überzeugen kann daher das Argument, dass der Gesetzgeber aufgrund der Unionsrechtsprechung, welche eine Inhouse-Vergabe für Dienstleistungen als zulässig ansah, den § 46 EnWG entsprechend hätte anpassen müssen, sofern er eine Inhouse-Vergabe hätte ausschließen wollen.44

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37 Theobald/Kühling/Theobald/Schneider, § 46 EnWG Rn 144; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 EnWG Rn 88a; Haupt/Slavinski, IR 2012, 122; Hellermann, EnWZ 2013, 147, 149. 38 So Ortner, EWeRK 11/3/2011, 111, 113; Haupt/Slavinski, IR 2012, 122, 123. 39 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 EnWG Rn 88. 40 BGH 17.12.2013 – KZR 65/12 = NVwZ 2014, 817, 820. 41 Siehe BT-Drs. 18/8184 v. 1.12.2016; in Kraft getreten am 3.2.2017. 42 OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.9.2013 – 10 ME 88/12 = RdE 2014, 41, 45; OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.12. 2015, VI-2 U 4/15 = ZNER 2016, 243, 243; KG Berlin, Urteil v. 4.4.2019 – 2 U 5/15 = openJur 2020, 38652, Rn 82; Wiedemann/Scholz, § 34 Rn 262; Assmann/König, VergabeR 2a, 2020, 266, 267 m. w. N. 43 Vgl. BT-Drs. 73/16 Seite 1 (C.). 44 So noch Theobald/Kühling/Theobald, in der 110 EL Januar 2021, § 46 EnWG Rn 155.  

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Der Anwendung der § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG steht zudem auch die Konzessions-RL 2014/23/EU nicht entgegen: Die Konzessions-RL ist 2014 in Umsetzung der EuGH Rechtsprechung in Kraft getreten und sieht in ihrem Art. 17 eine Inhouse-Privilegierung vor. Mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz und der KonzVGV wurde die Richtlinie 2016 in deutsches Recht umgesetzt. Ob die Richtlinie auf Fälle der Energiekonzessionen anwendbar ist, wird unterschiedlich beurteilt.45 Aus Erwägungsgrund 16 der Konzessions-RL geht hervor, dass die Vergabe von Wegerechten für den „Betrieb von […] Leitungen oder Netzen, über die Dienstleistungen an die Allgemeinheit erbracht werden sollen“, keine Konzessionen im Sinne der Konzessions-RL sind, sofern „in den Wegerechtsvereinbarungen weder eine Lieferverpflichtung, noch der Erwerb von Dienstleistungen durch den Auftraggeber für sich oder die Allgemeinheit vorgesehen ist“. In der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 105 GWB46 legt der Gesetzgeber den Erwägungsgrund 16 dahingehend aus, dass die Konzessions-RL für Wegenutzungsrechte nicht anwendbar sei.47 Dagegen wird eingewandt, dass dem Netzbetreiber durch die Konzession nicht ausschließlich ein Wegerecht eingeräumt wird.48 Vielmehr können in der Verpflichtung zur Leistung an den Endverbraucher regelmäßig ein Beschaffungsvorgang der Kommune gesehen werden – Voraussetzung sei eine rechtsverbindliche Verpflichtung des Konzessionsnehmers, die in aller Regel im Konzessionsvertrag enthalten sei.49 Im Streit um die Auslegung und Anwendung der Konzessions-RL wird dabei häufig übersehen, dass ihre Anwendbarkeit auf die Vergabe von Wegerechten im Ergebnis offen gelassen werden kann. Denn die Konzessions-RL steht strengeren Regelungen, die auf einen freien Wettbewerb zielen, nach zutreffender Ansicht jedenfalls nicht entgegen.50 Die europarechtlichen Vorgaben sollen den Mitgliedstaaten Freiräume verschaffen, geben den Gemeinden aber kein Recht auf ein Inhouse-Privileg.51

45 Siehe etwa: Brück von Oertzen/Kreggenfeld, EWeRK 1/2016, 12 ff. 46 Siehe BT-Drs. 18/6281 v. 8.10.2015, Seite 76. 47 Zustimmend: Assmann/König, VergabeR 2a, 2020, 266, 267; vgl. auch Gemeinsamer Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers Zweite, in überarbeiteter Auflage vom 21.5.2015, Rn 14 ff. 48 Vgl. dazu ausführlich: Weiß, NVwZ 2014, 1415, 1419 f. 49 Brück von Oertzen/Kreggenfeld, EWeRK 1/2016, 12, 13; Pünder/Schellenberg/Friton/Stein, VergabeR, § 105 GWB Rn 22 ff; Hofmann/Zimmermann, NZBau 2016, 71, 73 f. 50 Kühling/Seiler, EnWZ, 2017, 99, 103ff.; Brück von Oertzen/Kreggenfeld, EWeRK 2016, 11, 16; Podszun/ Palzer, NJW 2015, 1496, 1497 m. w. N.; Tugendreich, ZfBR 2014, 547, 552; Weiß, NVwZ 2014, 1415, 1420. Für diese Auslegung spricht auch Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003 Die Norm richtet sich insbesondere an das Verhalten von marktbeherrschenden Akteuren. Gemeinden, welche bei der unternehmerischen Tätigkeit der Erteilung von Konzessionen für örtliche Wegerechte marktbeherrschend sind, werden somit erfasst. 51 Kühling/Seiler, EnWZ, 2017, 99, 103.  













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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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Offen bleiben kann ebenso die Anwendbarkeit des deutschen Vergaberechts. Hielte 56 man die vergaberechtlichen Vorschriften auf die Vergabe von Wegenutzungsrechten für anwendbar, stünde es dem Gesetzgeber dennoch offen, mit § 46 EnWG strengere Regelungen festzusetzen. Die Vergabe von Wegenutzungsrechten müsste sich dann am Maßstab beider – und letztlich der jeweils strengeren – Gesetze messen lassen.52 Auch die kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gewährt den Kom- 57 munen nach zutreffender Ansicht kein Recht auf die Nutzung eines Inhouse-Privilegs.53 Als Teil der Daseinsvorsorge zählt die Energieversorgung zwar grundsätzlich in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung.54 Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist jedoch nicht schrankenlos, sondern garantiert diese nur „im Rahmen der Gesetze“, so dass eine Einschränkung durch § 46 EnWG grundsätzlich möglich ist. Der Gesetzgeber hat sich für den Wettbewerb um das Netz entschieden, um eine 58 effiziente und kostengünstige Strom- und Gasversorgung für Endverbraucher zu erreichen. Hierdurch werden die Kommunen zwar eingeschränkt, jedoch keinesfalls den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung angetastet. Weder wird den Kommunen untersagt, sich ebenfalls im Rahmen der Konzessionsvergabe für den Netzbetrieb zu bewerben, noch ist das Ergebnis des Vergabeverfahrens vorbestimmt. Den Kommunen verbleiben durch die Durchführung und Gestaltung des Auswahlverfahrens ausreichend Möglichkeiten der Einflussnahme. § 46 EnWG greift daher nicht in den Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 GG ein, da es der Kommune nicht vollständig ihrer Aufgabe beraubt.55

cc) Keine Vorfestlegung Die Vergabe im zweistufigen Verfahren birgt die Gefahr, dass sich die Gemeinde be- 59 reits durch die Wahl des strategischen Partners auch für die Konzessionsvergabe vorfestlegt. Denn nach Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft wird die Gemeinde ein Interesse daran haben, die Konzession auch an „ihre“ Netzgesellschaft zu vergeben.56 Die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg stellte dazu im Jahr 2011 in ei- 60 nem Positionspapier Grenzen auf, die eine Gemeinde beachten müsse, um sich nicht dem Vorwurf der Vorfestlegung auszusetzen: Es muss der Gemeinde demnach zwar möglich sein, im Vorfeld der Konzessionsvergabe Verhandlungen mit etwaigen Fachpartnern zu führen, da sie anderenfalls die Angebote nicht ausreichend bewerten könn-

52 Brück von Oertzen/Kreggenfeld, EWeRK 1/2016, 12, 16. 53 A. A.: Haupt/Slavinski, IR 2012, 125; Hellermann, EnWZ 2013, 147, 149; Weiß, NVwZ 2014, 1415, 1418 spricht sich aufgrund der europarechtlichen Zulässigkeit der Inhouse-Vergabe für eine stärkere Gewichtung des Selbstverwaltungsrechts aus. 54 Siehe dazu: Kühling/Seiler, EnWZ, 2017, 99, 104. 55 Kühling/Seiler, EnWZ, 2017, 99, 104 f.; Podszun/Palzer, NJW 2015, 1496, 1498. 56 Tugendreich, ZfBR 2014, 547, 551.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

te. Die Vorverhandlungen dürfen aber weder bereits in einen Vertrag gemündet sein, noch darf sich die Gemeinde durch ihr Verhalten Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung vorvertraglicher Schuldverhältnisse aussetzen.57 61 Das OLG Düsseldorf erklärte hingegen die verbindliche vorherige Auswahl des strategischen Partners im zweistufigen Verfahren für zulässig.58 Allein die Tatsache, dass die Gemeinde zuvor in einen vergaberechtlichen Verfahren den Fachpartner gesucht hat, genügt nicht für die Vermutung, dass sie sich für das anschließende Konzessionsverfahren vorfestgelegt hat.59 Auch der Wille der Gemeinde, den Netzbetrieb zu rekommunalisieren, ist nach Auffassung des OLG Karlsruhe für diese Vermutung nicht ausreichend.60 Allerdings muss die Gemeinde, um das Neutralitätsgebot nicht zu verletzen, darauf achten, dass sie eine personelle Unabhängigkeit gewährleistet.61

b) § 3 KAV im Zusammenhang mit Beteiligungsmodellen aa) Kriterien für eine Drittvergleichsfähigkeit 62 62 Das Konzessionsabgabenrecht begrenzt als gesetzliches Höchstpreisrecht die Möglichkeiten für eine Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität von Angeboten im Zusammenhang mit Konzessionsvergaben, so dass alle in diesem Zusammenhang getroffenen Abreden diesen strikten Vorgaben gerecht werden müssen. Dabei ist ein weites Verständnis geboten, da anderenfalls das in der KAV statuierte Höchstpreisrecht ausgehöhlt werden könnte.63 63 Auch für Kooperations- und Beteiligungsmodelle, die im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe nachgefragt, angeboten und abgeschlossen werden, kann die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der KAV zu berücksichtigen sein.64 Vor allem die Bestimmungen zum Nebenleistungsverbot sind in diesem Kontext von Bedeutung. 64 Mit dem Nebenleistungsverbot in § 3 Abs. 2 KAV wurde bestimmt, dass mit Ausnahme der ausdrücklich zugelassenen Vereinbarungen andere Leistungen nicht neben oder anstelle der Konzessionsabgabe vereinbart werden dürfen. Insbesondere sind sonstige

57 Kap. B.IV. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 58 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 4.2.2013 – VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321, 325 f. 59 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 = openJur 2021, 28925, Rn 99 ff. 60 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 = openJur 2021, 28925, Rn 99 ff. 61 BGH, Urteil v. 28.1.2020, EnZR 99/18 = NZKart 2020, 318, 319; Assmann/König, VergabeR 2a, 2020, 266, 269. 62 BGH, Urteil v. 7.10.2014, EnZR 86/13 = KommJur 2015, 62, 66; vgl. im Einzelnen Kapitel 1 D. 63 Feuerborn/Riechmann, § 3 Rn 1. 64 Zur Anwendbarkeit des § 3 KAV auf Kooperations- und Beteiligungsmodelle siehe B.II.1.; ebenfalls: BerlKommEnR/Kermel, § 3 KAV Rn 34 ff.; Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 130 ff.  









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Finanz- und Sachleistungen,65 die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, konzessionsabgabenrechtlich untersagt (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV). Besteht ein hinreichend zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Konzessionsvergabe und dem Beteiligungsmodell, ist auch für die gesellschaftsrechtlichen Abreden das Nebenleistungsverbot zu beachten.66 Im Fokus der rechtlichen Bewertung stehen dabei die Drittvergleichsfähigkeit67 und damit die Marktüblichkeit der Konditionen der Kooperations- bzw. Beteiligungsmodelle. Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls nicht vor, wenn für ein Modell keine marktgerechten Konditionen vereinbart werden.68 Zunächst ist festzuhalten, dass selbstverständlich alle Angebote, die dem grundsätzlichen gesetzlichen Leitbild entsprechen, den Vorgaben des § 3 KAV entsprechen müssen. Gestalten etwa die Gesellschafter ihre wirtschaftliche Teilhabe an den Chancen und Risiken sowie den gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss, wie z. B. die Verteilung der Stimmrechte oder die Vertretung in den Gesellschaftsorganen, entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote, ist dies insoweit nicht zu beanstanden. Je weiter dagegen die Verteilung des Einflusses sowie die Teilhabe an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken von der jeweiligen Beteiligungsquote entkoppelt werden, umso mehr stellt sich die Frage nach den Gründen hierfür und der Drittvergleichsfähigkeit. Es stellt sich die Frage, wie die Drittvergleichsfähigkeit und damit Marktüblichkeit festgestellt werden kann, wenn eine direkte Ableitung aus gesetzlichen Vorgaben nicht möglich ist. Für Beteiligungsmodelle, die im Zusammenhang mit Konzessionsverträgen stehen, kommt es auf den Markt für Gesellschaftsbeteiligungen als den relevanten Vergleichsmarkt an. Vordergründig erscheint ein Vergleich mit bereits bestehenden Beteiligungsmodellen in anderen Gebietskörperschaften naheliegend. Handelt es sich aber um Modelle, die in anderen Branchen nicht vorzufinden sind, verbleiben auch dort Zweifel. Deshalb sollte eine Marktüblichkeit nur angenommen werden, wenn sich darüber hinaus vergleichbare Gestaltungen am Markt in anderen, aber vergleichbaren Branchen finden lassen. Soweit es um monetäre Aspekte, wie beispielsweise die Höhe der Garantieverzinsung geht, kann eine Marktüblichkeit über öffentlich zugängliche Werte nachgewiesen werden. Einer der transparentesten Nachweise ist dabei eine Notierung am Kapitalmarkt. Aber auch Vorgaben der Regulierungsbehörden, die in monopolistisch geprägten Märkten die Marktmechanismen durch Regulierungsvorgaben ersetzen, sind als marktüblich anzusehen – nicht zuletzt weil sie sich aus den gesetzlichen und verordnungs-

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65 Siehe dazu Kapitel 1 D. 66 Siehe dazu B.II.1. 67 Zur Drittvergleichsfähigkeit, ausführlich Kapitel 1 D. sowie B.II.2.a); LG München, Urteil v. 18.12.2013, 37 O 1781/13, S. 17 f. 68 Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 216.  

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rechtlichen Regulierungsvorgaben69 ableiten. Weiterhin ist es möglich, die Marktüblichkeit durch ein Gutachten – beispielsweise eines öffentlich bestellten Sachverständigen oder eines Wirtschaftsprüfers – nachzuweisen. Inwieweit derartige Gutachten allerdings anerkannt werden, ist eine Frage des Einzelfalls. Vor dem Hintergrund, dass die Gutachten vom Auftraggeber bezahlt werden, bleibt immer ein Restzweifel aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten wirtschaftlichen Abhängigkeit des Gutachters. 70 Die Marktüblichkeit kann hingegen nicht dadurch nachgewiesen werden, dass in dem konkreten Fall sämtliche Bieter entsprechende Angebote vorlegen. Denn dieses Ergebnis kann sich schlicht aus den Vorgaben bzw. Erwartungen der Kommune ergeben. Sie sind also kein Beleg dafür, dass sich derartige Angebote ohne Weiteres am Markt ergeben würden. Die Kommune agiert im Rahmen der Vergabe einer Konzession als Wegerechtsmonopolist, so dass die Bieter keine andere Wahl haben, als den Vorstellungen der Kommune möglichst nahe zu kommen. Sie müssten ansonsten befürchten, aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Rechtswidrige Angebote werden nicht dadurch üblich, dass alle Bieter von den Kommunen gezwungen werden, derartige Angebote abzugeben. Vielmehr bedarf es idealerweise eines Vergleichs mit Angeboten aus anderen Branchen, um die Marktüblichkeit nachweisen zu können.

bb) Exemplarische Einzelfälle 71 Da die Frage der Drittvergleichsfähigkeit und damit Marktüblichkeit von Angeboten nur in konkreten Einzelfällen geprüft und nachgewiesen werden kann, ist eine Bewertung der einzelnen Regelungen jenseits ihrer Zuordnung zu einem bestimmten Modell von Bedeutung. Dieser Problemkreis soll nachfolgend anhand exemplarischer Einzelfälle verdeutlicht werden.

(1) Garantiezusagen 72 Seitens der Kommune wird immer wieder gefordert, dass der Fachpartner sie mittels einer Garantiezusage, sei es in Form einer fixen Garantierendite oder einer Mindestrendite, zumindest zeitweise von den Risiken der gemeinsamen Gesellschaft freistellen soll. Für die Bewertung der Marktüblichkeit der im Einzelfall vereinbarten Bedingungen spielen die Parameter – rechtliche Ausgestaltung, – Beteiligungsanteil und Einflussrechte desjenigen, der eine Garantiezusage erhält, – Höhe der Garantiezusage sowie – Dauer der Zusage eine wesentliche Rolle.

69 Siehe etwa §§ 21 Abs. 2, 29 Abs. 1 EnWG; § 7 Abs. 4 bis 7 GasNEV; § 7 Abs. 4 bis 7 StromNEV; § 14 Abs. 2 ARegV. Kermel/Stauber

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Einen ersten Anhaltspunkt bei der Prüfung der Marktüblichkeit bietet die rechtliche Ausgestaltung: Gesteht der Fachpartner etwa dem kommunalen Minderheitsgesellschafter in einem Unternehmensvertrag – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 304 AktG – eine Ausgleichszahlung zu und wird der Unternehmensvertrag auch steuerlich als Organschaft anerkannt, so ist dies nicht zu beanstanden und marktüblich. Bei rein schuldrechtlichen Abreden gelten dieselben Grundsätze, wenn und soweit sie sich am Modell des § 304 AktG anlehnen.70 Ein weiterer Prüfungspunkt ist die Höhe der zugesagten Rendite. Nach dem Positionspapier der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg ist zumindest die Zusage einer Mindestrendite von 5,55 % vor Steuern auf das eingesetzte Eigenkapital aus kartellrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, da insoweit nur eine Rendite im Bereich der Verzinsung sicherer Anlagen zugesagt wird.71 Wollen die Parteien des Beteiligungsmodells darüber hinausgehen und vereinbaren einen Unternehmensvertrag, regelt § 304 AktG die Bemessung der Ausgleichszahlung: Es wird zum einen das nachhaltige, um Sondereffekte bereinigte Ergebnis der letzten bis zu fünf Geschäftsjahre ermittelt sowie eine Ergebnisvorschau für das nachhaltige Ergebnis der Gesellschaft für die nächsten bis zu fünf Geschäftsjahre erstellt.72 Daraus wird ein Durchschnitt gebildet, der die Grundlage für die Ausgleichszahlung bildet, die nach § 304 AktG zuzusagen ist (ggf. mit einem kleineren prozentualen Abschlag).73 Für Netzgesellschaften kommt es bei der Ergebnisermittlung im Rahmen des § 304 AktG darauf an, wie sich die Erlöse entwickeln, die sich aus dem regulatorischen Rahmen ergeben. Beim Netzeigentumsmodell muss auf die regulatorisch zugestandene Rendite für die Marktrolle des Netzeigentümers abgestellt werden. Für das Netzbetreibermodell sind die weiteren Erträge aus der Marktrolle des Netzbetreibers mit in die Kalkulation einzubeziehen. Letztlich werden über § 304 AktG die jeweiligen, regulatorisch zugestandenen Erlöse abgebildet. Diese Vorgehensweise ist als gesetzlich festgelegte Rendite ohne weiteres drittvergleichsfähig.74

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70 In der Praxis sind derartige schuldrechtliche Modelle bisher nur in Einzelfällen diskutiert worden. Dies ist auch dadurch begründet, dass die schuldrechtlichen Modelle entgegen der gesetzlichen Gestaltung keine steuerliche Organschaft mit den im Rahmen des steuerlichen Querverbunds vorhandenen Verrechnungsmöglichkeiten bieten. Eine Verankerung würde durch entsprechende Abreden der Gesellschafter in dem Gesellschaftsvertrag oder dem Konsortialvertrag erfolgen. 71 Kap. C. I.3 des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 72 Im Einzelnen zur Berechnung eines festen Ausgleichs vgl. Emmerich/Habersack/Emmerich, § 304 Rn 38 ff. 73 Ein Abschlag könnte dadurch gerechtfertigt werden, dass die Netzbetreiber die regulatorisch anerkannte Eigenkapitalrendite aufgrund rechtsstruktureller Mängel ohnehin nicht erreichen können – so Büdenbender, RGutachten, S. 100. 74 So bereits erwähnt unter B.II.2.a).  



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Dasselbe gilt folglich auch, wenn eine Garantiezusage nicht entsprechend den Vorgaben des § 304 AktG gestaltet wird. Solange der Garantiegeber, im Falle der Netzgesellschaft der Fachpartner, der Kommune als Garantienehmer lediglich eine Rendite zusagt, welche die Regulierungsbehörde der Gesellschaft als wirtschaftliches Ergebnis zugesteht, handelt es sich bezüglich der Höhe um eine marktübliche und damit drittvergleichsfähige Ausgestaltung. In diesen Fällen bildet die Garantiezusage nur das Ergebnis der Gesellschaft ab und steht den Gesellschaftern damit ohnehin beteiligungsquotal zu. 78 Zwischen der rechtlichen Konstruktion auf Basis der gesetzlichen Vorgaben des § 304 AktG und einer vertraglichen Regelung, die dessen Vorgaben nicht erfüllt und welche nur die regulatorisch zugestandene Rendite zugesteht, gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied: Die Vorschrift des § 304 AktG geht bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung davon aus, dass die Ergebnisrück- und -vorschau auf Basis des Status quo durchgeführt werden muss. Folglich wird die Ausgleichszahlung nur einmal fixiert und anschließend solange geschuldet, wie der Unternehmensvertrag Bestand hat. 79 Demgegenüber stellt sich bei einer anderen vertraglichen Gestaltung die Frage, ob es nicht ratsam sein könnte, die Garantiezusage auf dasjenige zu beschränken, was jeweils seitens der Regulierungsbehörde zugestanden wird. Denn es wurde bewusst darauf verzichtet, sich der gesetzlichen Regelung des § 304 AktG zu unterwerfen und stattdessen von der grundsätzlichen Vertragsfreiheit Gebrauch zu machen. Folglich sollte bei der vertraglichen Ausgestaltung der Garantiezusage jenseits des § 304 AktG gegebenenfalls darauf geachtet werden, dass nach Vertragsabschluss eintretende Anpassungen des regulatorischen Rahmens75 sich auch in der Garantiezusage niederschlagen. Ansonsten liefe die vertragliche Ausgestaltung bei einer 20-jährigen Laufzeit Gefahr, einen zwischenzeitlich wesentlich veränderten Regulierungsrahmen nicht mehr abzubilden. Es ist zweifelhaft, ob eine Garantiehöhe, die aus einem mittlerweile überholten Regulierungsrahmen abgeleitet wurde, in einer späteren Regulierungsperiode noch als marktgerecht betrachtet werden kann. Demgegenüber wäre eine dynamische Bezugnahme auf den jeweils geltenden regulatorischen Rahmen drittvergleichsfähig. Eine Analogie zu dem Regime des § 304 AktG bietet sich dagegen nur an, wenn eine Vergleichbarkeit der Rechts- und Interessenlage gegeben ist. 80 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass Kooperations- und Beteiligungsmodelle, die letztendlich nur die jeweils gesetzlich oder regulatorisch zugestandenen Erlöse absichern, drittvergleichsfähig und damit marktüblich im Sinne des § 3 KAV sind.76 77

75 Vgl. die neue Festlegung für die Eigenkapitalzinssätze für die dritte Anreizregulierungsperiode: Beschluss der Bundesnetzagentur vom 5.10.2016, BK4-16-160 für Strom und BK4-16-161 für Gas. Danach beträgt für die Dauer der dritten Anreizregulierungsperiode der Eigenkapitalzins für Neuanlagen 6,91 % vor Steuern und für Altanlagen 5,12 % vor Steuern (Stand 5.10.2016). 76 A. A. für den Bereich der Mindestrendite-Zusagen wohl Kap. C. I.3 des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversor 







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Deutlich schwieriger wird der Nachweis der Marktüblichkeit, wenn eine Rendite versprochen wird, die über den regulatorischen Rahmen hinausgeht. Ein Vergleich mit Renditen, die bei mündelsicheren Wertanlagen, etwa Bundesanleihen zu erzielen sind, hilft nicht weiter, denn die Renditen dieser Anlageform liegen regelmäßig unter den regulatorisch anerkannten Renditen.77 Weiterhin wäre ein Renditevergleich mit börsengehandelten Wertpapieren von Unternehmen möglich. Eine Vergleichbarkeit setzt aber voraus, dass eine zu dem Beteiligungsmodell einer Netzgesellschaft vergleichbare wirtschaftliche Chancen- und RisikoSituation gegeben ist. Ob der Vergleich einer reinen Netzgesellschaft mit börsennotierten Unternehmenspapieren überhaupt möglich ist, erscheint insoweit fraglich, da die meisten Gesellschaften, die an der Börse notiert sind oder deren Anleihen etc. dort gehandelt werden, ein integriertes Geschäftsmodell einschließlich Vertrieb, Handel oder Erzeugung aufweisen. Auch der Vergleich mit anderen regulierten Sektoren, wie etwa der Telekommunikationsbranche trägt nicht, da sich das Geschäftsmodell wesentlich unterscheidet und neben dem reinen Netzgeschäft auch andere Tätigkeitsbereiche, insbesondere vertrieblicher Natur beinhaltet. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Ausgestaltung der Einflussrechte der Gesellschafter. Grundsätzlich stellt der Fachpartner als Mehrheitsgesellschafter die Kommune als Minderheitsgesellschafterin mittels der Ausgleichzahlung gemäß § 304 AktG von den wirtschaftlichen Risiken frei. In der Praxis der Ausschreibungen von Konzessionsvergaben mit Beteiligungsmodellen kommt es jedoch häufig vor, dass die Kommunen in ihrem Kriterienkatalog für das Beteiligungsmodell die Mehrheitsposition in der gemeinsamen Gesellschaft bei gleichzeitiger Zusage einer Garantierendite durch den Fachpartner einfordern. Der Mehrheitsgesellschafter soll also durch den Minderheitsgesellschafter von den Risiken freigestellt werden.78 An der Marktüblichkeit derartiger Gestaltungen bestehen erhebliche Zweifel. Jenseits der Vorgaben von Kommunen als Wegerechtsmonopolisten im Zuge der Ausschreibung von Konzessionsverträgen dürfte eine solche Situation in der Praxis kaum zu finden sein. Dies verwundert nicht, da es eine Anomalie ist, dass der Mehrheitsgesell-

gungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 77 Im regulatorischen Rahmen dienen die Wertanlagen zwar auch als Grundlage der Zinsberechnung. Es treten jedoch noch weitere Berechnungsfaktoren hinzu, wie etwa eine Marktrisikoprämie oder BetaFaktoren. Dadurch ist der regulatorische Zinssatz im Ergebnis höher als der Zinssatz von mündelsicheren Wertanlagen, so dass diese Wertanlagen nicht als Nachweis herangezogen werden können (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV, § 14 Abs. 2 Satz 5 ARegV). 78 Eine solche vertragliche Abrede im Rahmen eines Unternehmensvertrages ist zwar aktienrechtlich möglich, findet aber steuerlich keine Anerkennung, da die für eine Organschaft nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG notwendige finanzielle Eingliederung fehlt (vgl. Gosch/Neumann, § 14 Rn 125 ff.).  

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schafter, der aufgrund seines Mehrheitseinflusses die operativen Geschicke der Gesellschaft steuert, gleichzeitig aufgrund einer Ausgleichszahlung wirtschaftlich nicht von den Ergebnissen seines operativen Einflusses profitiert. Das Auseinanderfallen des operativen Einflusses und die Übernahme wirtschaftlicher Chancen und Risiken spricht daher grundsätzlich gegen die Marktüblichkeit.79 87 Abschließend stellt sich die Frage nach der zulässigen Laufzeit einer Garantiezusage. Für den Fall eines Unternehmensvertrags ist diese Frage leicht zu beantworten: Sie gilt für die Laufzeit des Vertrages. Diese muss mindestens fünf Geschäftsjahre betragen, um steuerlich anerkannt werden zu können (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Für rein schuldrechtliche Abreden, auf die eine analoge Anwendung des § 304 AktG in Betracht kommt,80 gilt dasselbe. 88 Bei abweichenden, mit § 304 AktG nicht vergleichbaren Formen muss dagegen die Ausgestaltung der Garantiehöhe mit berücksichtigt werden. Wenn die Garantiehöhe nur die jeweils regulatorisch zugestandene Rendite abbildet, ist eine Laufzeit über die gesamte Dauer des Konzessionsvertrages möglich. Bei einer festen Renditehöhe stellt sich dagegen die Frage, wie ein adäquater Nachweis gelingt. Hier muss die zugesagte Rendite auf Basis der zugesagten Laufzeit mit entsprechenden am Markt gehandelten Papieren korrelieren, um drittvergleichsfähig zu sein. 89 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Nachweis der Marktüblichkeit und damit die Drittvergleichsfähigkeit einer Garantiezusage eine wertende Betrachtung aller Einzelaspekte der Garantiezusage erfordert. Soweit die vertragliche Konstruktion nicht unter die Ratio des § 304 AktG zu subsumieren ist und dessen Vorgaben vollständig abbildet, bedarf es einer Zusammenschau von Renditehöhe, Laufzeit und Einflussrechten. Dabei gilt, dass eine Rendite oberhalb der nachweislich aus dem regulatorischen Rahmen zu erzielenden Rendite nur auf Basis eines nachvollziehbaren Markttests gerechtfertigt werden kann. Wird diese Garantiezusage gegenüber einem Minderheitsgesellschafter abgegeben, sind erhebliche Zweifel an der Marktüblichkeit angebracht. Dies gilt umso mehr, wenn die Garantiezusage über die gesamte Vertragslaufzeit der Konzession gelten soll. Diese Zweifel können gegebenenfalls im Einzelfall ausgeräumt werden, wenn der Nachweis gelingt, dass die Kommune nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung trotz Mehrheitsbeteiligung keinen maßgeblichen operativen Einfluss hat.

79 So auch Kap. C. I.2. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 80 Emmerich/Habersack/Emmerich, § 293 Rn 47 f.; Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Weßling, § 9 Rn 176 ff.  





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Praxistipp 1 Am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine Vergleichbarkeit von Renditehöhen in der Praxis oftmals daran scheitert, dass die steuerlichen Einzelheiten ausgeblendet werden. Eine Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn klar ist, ob es sich um eine Rendite vor oder nach Gewerbesteuer und/oder Körperschaftsteuer handelt.

Für die Frage der Drittvergleichsfähigkeit sollte auf eine Vorsteuerbetrachtung abge- 90 stellt werden,81 da die steuerliche Situation Einzelner für die Marktüblichkeit keine Rolle spielt. So stellt sich beispielsweise die Kapitalmarktrendite immer vor der individuellen Steuersituation der Marktteilnehmer ein. Im Übrigen spricht für eine VorsteuerBetrachtung die sich regelmäßig ändernde Steuergesetzgebung.

(2) Kapitalaufbringung Ein weiterer Aspekt bei der Analyse der Drittvergleichsfähigkeit und Marktüblichkeit ist 91 die Frage, wie die Gesellschafter die Kapitalaufbringung der gemeinsamen Gesellschaft geregelt haben. Klassischerweise bringen die Gesellschafter bzw. Aktionäre ihr Kapital entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligungsquote auf (vgl. § 19 Abs. 1 GmbHG bzw. § 54 Abs. 1 AktG). Eine Abweichung hiervon bedarf deshalb eines nachvollziehbaren, sachlichen Grundes. Denkbar wären hier insbesondere die Fälle, in denen ein Gesellschafter über einen sog. „Tracking Stock“82 nur an einzelnen Geschäftsfeldern beteiligt ist. Dies ist aber bei Netzgesellschaften gerade nicht der Fall. Höchstens im Stadtwerke-Modell wäre theoretisch eine derartige Fallgestaltung denkbar. Dies kommt in der Praxis indes eher selten vor. Im Ergebnis sind daher erhebliche Zweifel angebracht, ob disquotale Kapitalaufbringungen als marktüblich angesehen werden können.

(3) Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken Das Gesetz geht von einer beteiligungsquotalen Verteilung der wirtschaftlichen Chan- 92 cen und Risiken aus.83 Dies gilt für sämtliche denkbaren Risiken, wie die allgemeinen unternehmerischen Risiken, aber auch die Kaufpreis- und Prozessrisiken im Zusammenhang mit einer ggf. notwendigen Netzübernahme vom Altkonzessionär.

81 Im Ergebnis ebenso Kap. C. I.3. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 82 Zu Tracking Stocks vgl. im Überblick Sieger/Hasselbach, BB 1999, 1277 ff; Cichy/Heins, AG 2010, 181; kurz: Beck’sches Notarhandbuch/Heckschen, § 23 Rn 110 ff. 83 LG München, Urt. v. 12.12.2013, 37 O 01781/13, S. 17 n. v.  







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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Abweichungen von dem Grundsatz der beteiligungsquotalen Chancen- und Risikoverteilung sind nur unter engen Voraussetzungen und in Abhängigkeit von der gewählten Gesellschaftsform möglich. Dabei ist darauf zu achten, dass der Einfluss mit der gewählten Konstruktion korreliert und eine belastbare rechtliche Grundlage für die Risikofreistellung geschaffen wird, sei es auf Basis des § 304 AktG oder auf einer anderen, zulässigen gesetzlichen, regulatorischen oder vertraglichen Grundlage. 94 Ähnliche Prinzipien gelten auch für Endschaftsregelungen im Rahmen der gemeinsamen Beteiligung. Es ist für die Drittvergleichsfähigkeit auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Marktrollen darauf zu achten, dass die Gesellschafter eine angemessene wirtschaftliche Teilhabe im Rahmen der Auseinandersetzung erhalten. 95 Im Falle des Netzeigentumsmodells bedeutet dies, dass die Kommune im Rahmen der Auseinandersetzung die fortgeschriebene Vermögensbasis der Netzeigentümer-Rolle erhält, während dem Fachpartner das restliche Auseinandersetzungsguthaben, das etwa aus der Marktrolle des Netzbetreibers resultiert, zusteht. Erhält die Kommune eine darüber hinausgehende Abfindung, ist hierfür grundsätzlich keine Rechtfertigung vorhanden. Vielmehr spricht ein derartiger Auseinandersetzungs-Mehrerlös dafür, dass die Kommune bei der Verhandlung und dem Abschluss des Vertragswerks ihre Stellung als Wegerechtsmonopolist ausgenutzt und einen Vorteil erhalten hat, der auf einem Wettbewerbsmarkt nicht üblich ist. 96 Demgegenüber ist in dem Netzbetreibermodell die wirtschaftliche Teilhabe der Kommune auf alle mit dem Netzeigentum und -betrieb verbundenen Erlöse und geschaffenen Werte bezogen. Folglich erhält die Kommune einen beteiligungsquotalen Anteil am gesamten Auseinandersetzungserlös. Gleiches gilt für das Stadtwerke-Modell. 93

(4) Verteilung des Einflusses 97 Analog zu den vorgenannten Ausführungen gilt, dass auch die Einflussrechte entspre-

chend der Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken zu verteilen sind. Üblicherweise ist derjenige, der die wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt, auch der für das operative Geschäft Verantwortliche.84 Im Detail können dabei Unterschiede vereinbart werden, die diesen Grundsatz aber insgesamt nicht in Frage stellen dürfen. 98 Vorrangig geht es dabei um die Stimmenverteilung in den Gesellschaftsorganen. Der Gesellschafter, der die wirtschaftlichen Chancen und Risiken bzw. deren überwiegenden Teil trägt, sollte auch mittels seiner Stimmrechte den operativen Einfluss haben. Dies betrifft zum einen das Recht, der Geschäftsführung Weisungen erteilen zu können. Dabei sind selbstverständlich die entflechtungsrechtlichen Vorgaben über die Unabhängigkeit der Geschäftsführung in operativen Netzfragen einzuhalten. Zum anderen sollte sich der operative Einfluss auch in der Besetzung des geschäftsführenden Organs (Vorstand oder Geschäftsführung) widerspiegeln: Der operativ Verantwortliche, der die

84 LG München, Urt. v. 12.12.2013, 37 O 01781/13, S. 17 n. v.  

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Chancen und Risiken trägt, sollte auch den maßgeblichen Einfluss bei der Besetzung des geschäftsführenden Organs haben. Demgegenüber ist die Anzahl der Vertreter in ggf. vorhandenen Aufsichtsgremien solange zweitrangig, wie durch die Ausgestaltung der Beschlussmehrheiten in dem betreffenden Organ sichergestellt ist, dass keine operativen Themen gegen den Willen der Vertreter des operativ Verantwortlichen beschlossen werden können. Für den Fall, dass diese Grundsätze nicht eingehalten werden, ist ein starkes Indiz 99 dafür gegeben, dass eine nicht marktübliche Konstruktion vereinbart wurde – beispielsweise wenn die Kommune trotz einer Minderheitsbeteiligung, in Kombination mit einer Garantiezusage, einen wesentlichen Einfluss auf das operative Geschäft erhält, der über einen reinen Minderheitsschutz hinausgeht.

cc) Bewertung/Gesamtschau Für die Bewertung der Marktüblichkeit und damit Drittvergleichsfähigkeit im konkre- 100 ten Einzelfall bedarf es einer Gesamtschau der Umstände. Marktunüblich ist ein Modell, bei dem die Kommune über eine Mehrheitsbeteiligung den wesentlichen operativen Einfluss hat, gleichzeitig aber durch eine Garantiezusage des Fachpartners von wesentlichen operativen Risiken freigestellt wird. Aber auch eine Garantiezusage allein, die über die gesamte Laufzeit des Vertrages zugunsten der Kommune erteilt wird und die der Kommune eine erheblich über der regulatorisch zugestandenen Verzinsung liegende Rendite zugesteht, ist marktunüblich, da sie das spezifische Risiko eines Netzgeschäfts mit einer zu anderen Branchen vergleichsweise niedrigen Risikostruktur nicht angemessen abbildet.

dd) Rechtsfolgen Der Verstoß gegen § 3 KAV kann zur Gesamtnichtigkeit des gesamten Vertragswerks ein- 101 schließlich des Konzessionsvertrages und der Konzessionsvergabe führen.85 Allerdings ist eine Gesamtnichtigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann anzunehmen, wenn die unzulässige Leistung kausal für die Auswahlentscheidung der Gemeinde im Konzessionsvergabeverfahren war.86 Zu beurteilen ist dies stets anhand der Umstände des Einzelfalls.

85 So z. B. Höch/Kalwa, RdE 2010, 364, 364; Rosin/Semmler/Hermeier, et 2010, 88, 91; ausführlich zu den Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot vgl. Kapitel 1 D. sowie B. II. 2. d). 86 BGH, Urteil v. 7.10.2014 – EnZR 86/13 = NZBau 2015, 115, 117 ff. Das OLG München hatte in der Vorinsanz noch die gegenteilige Auffassung einer Gesamtnichtigkeit vertreten, Urteil v. 26.9.2013 – U 3587/12 = openJur 2014, 13945, Rn 266 ff; zustimmend im Anschluss an das Urteil des BGH: OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4. 2017 – 6 U 151/16 Kart = openJur 2021, 28925, Rn 115; OLG Brandenburg, Urteil v. 1.4.2020 – 11 U 187/18 = openJur 2020, 38382, Rn 11; für eine Teilnichtigkeit auch: Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 205ff.; für eine Gesamtnichtigkeit hingegen: BerlKommEnR/Kermel, KAV § 3 Rn 59, 60.  







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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Ist das Rechtsgeschäft insgesamt nichtig, ist die Kommune verpflichtet, das gesamte Konzessionsvergabeverfahren neu aufzurollen, andernfalls ist nur die entsprechende Vertragsklausel nichtig.87 103 Ein Verstoß gegen § 3 KAV kann ebenfalls Auswirkungen auf die im Rahmen der Kooperations- oder Beteiligungsmodelle abgeschlossenen Verträge haben. Sind die Beteiligungsmodelle am Nebenleistungsverbot zu messen, sind Vertragsklauseln nichtig, die eine unzulässige Leistung vorsehen. Die gewährten Leistungen sind folglich zu erstatten. 104 Diese Konsequenz veranschaulicht die Notwendigkeit, die Konzessionsvergabe, aber insbesondere auch das Kooperations- oder Beteiligungsmodell strikt an den gesetzlichen Regelungen auszurichten, um nicht am Ende mit leeren Händen dazustehen. 105 Im Übrigen ist auch die strafrechtliche Relevanz eines Verstoßes gegen das Nebenleistungsverbot zu beachten, welche in der Praxis von den Beteiligten leider häufig verkannt wird. Bei der Gewährung unzulässiger Nebenleistungen kommen insbesondere die Tatbestände der Untreue nach § 266 StGB sowie der Amtsträgerdelikte nach §§ 331 ff. StGB in Betracht.88 102



3. Kommunalrecht 106 Die Kommunen müssen bei der Ausgestaltung eines Kooperations- oder Beteiligungs-

modells auch die verfassungsrechtlichen und landesrechtlichen Vorgaben für eine kommunale wirtschaftliche Betätigung beachten.

a) Gesetzliche Grundlagen aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG 107 Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG.89 Hieraus lässt sich zwar mangels konkreter spezifischer Aufgabenzuweisungen für den Bereich der Energieversorgung lediglich eine generelle Gewährleistungsfunktion der Kommunen ableiten.90 Gleichwohl ist die Kommune im Rahmen der gesetzlichen Schranken in ihrer Entscheidung frei, sich in einem Kooperationsoder Beteiligungsmodells (energie-)wirtschaftlich zu betätigen. 108 Für die wirtschaftliche Betätigung lassen sich dabei spezifische inhaltliche Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 GG ableiten. Die Selbstverwaltungsgarantie gewährleistet den

87 Vgl. dazu: Theobald/Kühling/Theobald/Templin, § 3 KAV Rn 210 ff. 88 Zu den strafrechtlichen Rechtsfolgen vgl. Kapitel 1 D. 89 Im Einzelnen siehe etwa Sachs/Engels, Art. 28 Rn 32 ff.; vgl. auch Maunz/Dürig/Mehde, Art. 28 Abs. 2 GG Rn 92 f. 90 Vgl. eingehend BerlKommEnR/Pielow, Band 1, Gemeindliche Energieversorgung und Kommunalverfassungsrecht, Rn 21 ff., welcher im Bereich der Netzwirtschaften von einer sog. „Infrastrukturverantwortung“ spricht.  







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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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Kommunen nicht weniger, aber auch nicht mehr als das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft setzt ein aktives Handeln der Kommune voraus. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz gilt zudem nur für solche Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder in einem spezifischen Bezug dazu stehen.91 Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 GG auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Die Rechtsprechung sieht die Energieversorgung als eine dem Gemeinwohl dienende Aufgabe von besonderer Bedeutung und eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.92 Aus diesem Grund wird die örtliche Energieversorgung den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG zugerechnet.93 Allerdings sichert die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung die wirtschaftliche Betätigung nur insoweit, wie sie durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.94 Auch die Literatur zählt die örtlichen Energieversorgung überwiegend zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft.95 Die Übernahme der Energieversorgung muss aktiv betrieben werden und einen hinreichenden Bezug zum Gemeinwohl und den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen, um in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu fallen. Die Reichweite des Rechts der Kommunen auf wirtschaftliche Betätigung wird zwar erst durch die unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen näher bestimmt. Bei der Anwendung und Auslegung der kommunalwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen spielt der Art. 28 Abs. 2 GG aber eine maßgebliche Rolle.96

91 BVerfG, Beschluss v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83 = NVwZ 1989, 347, 350 f.; BVerfG, Urteil v. 21.11.2017 – 2 BvR 2177/16 = NVwZ 2018, 140 145; BGH, Urteil v. 20.12.2018 – I ZR 112/17 = NJW 2019, 763, 765, BVerwG, Urteil v. 11.11.2004 – 3 C 36.03 = LKV 2005, 166, 168. 92 BVerfG, Beschluss v. 20.3.1984 – 1 BvL 28/82 = NJW 1984, 1872, 1873; BVerfG, Beschluss v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02= WM 2009, 422ff. 93 BVerfG, Beschluss v. 16.5.1989 – 1 BvR 705/88 = NJW 1990, 1783; BGH, Urteil v. 16.3.2017 – I ZR 13/16 = NJW 2017, 3153, 3156; BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 = NVwZ 2014, 807, 810 m. w. N.; BVerwG, Urteil v. 11.11.2004 – 3 C 36.03 = LKV 2015, 166, 168; BVerwG, Urteil v. 18.5.1995 – 7 C 58.94 = RdE 1995, 240, 241 f. 94 VerfGH RhPf Urteil v. 28.3.2000 – N 12/98 = NVwZ 2000, 801, 803; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 8.7. 1982 – 2 BvR 1187/80 = NJW 1982, 2173, 2175. 95 So z. B. Hellermann, EnWZ 2013, 147, 148; sowie Püttner, RdE 1992, 93 f. der die Energieversorgung unter Verweis auf die Daseinsvorsorge zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltungsangelegenheiten zählt; Schmidt-Aßmann, FS Fabricius, 1989, S. 259 differenziert bei der Beurteilung nach den Wertschöpfungsstufen, wonach jedenfalls der Netzbetrieb und die Energieerzeugung zu den örtlichen Angelegenheiten zählen; ablehnend hingegen: Gern, Rn 82, da aufgrund der großräumigen Verflechtung keine örtliche Angelegenheit mehr angenommen werden könne; kritisch: Kühling/Seiler, EnWZ 2017, 99, 104. 96 Vgl. nur Badura, DÖV 1998, 818; Schink, NVwZ 2002, 129, 136.  









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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Im Rahmen der grundgesetzlichen Mindestgarantien endet der verfassungsrechtlich garantierte Schutzbereich jedenfalls dort, wo die kommunale Tätigkeit nicht mehr am Maßstab des Gemeinwohlanliegens zu rechtfertigen ist oder keinen spezifischen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft aufweist.97 Zweifel sind mithin immer angebracht, wenn der innere Zusammenhang zwischen Inhalt und Ausgestaltung der tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Betätigung mit den Sachaufgaben der Daseinsvorsorge und der Verfolgung eines öffentlichen Zweckes nur schwer herzustellen ist. Wenn der Versorgungsauftrag der Kommune wegen des – nicht zuletzt aus der Gewährleistungsfunktion folgenden – Gemeinwohlbezugs verfassungsrechtlich legitimiert ist, sind (Zusatz-) Aktivitäten der Kommune, welche mit dem eigentlichen Versorgungsauftrag nichts oder nur wenig zu tun haben, in ihrer Zulässigkeit streng zu überprüfen. Aus Sicht des Verfassungsrechts können ausschließliche Erwerbsinteressen niemals für sich genommen ein kommunalwirtschaftliches Engagement rechtfertigen.98 Soweit also die Kommune im Bereich der Energiewirtschaft lediglich eine Finanzbeteiligung eingeht, in deren Rahmen der Fachpartner die Kommune etwa mittels einer Garantiezusage von den Risiken der Beteiligung freistellt, degeneriert die (vermeintliche) wirtschaftliche Betätigung der Kommune zu einer reinen Geldanlage. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob dies dem Verständnis entspricht, das dem grundgesetzlichen Bestandsschutz zugunsten der Kommunen zu Grunde liegt. Dieses Ergebnis wird letztlich auch aus dem Rollenverständnis der Kommunen bei der Konzessionsvergabe gestützt. Die Kommune hat durch das ihr eingeräumte Recht zur Konzessionsvergabe eine wesentliche Lenkungsfunktion im Rahmen der örtlichen Energieversorgung in ihrem Gemeindegebiet inne.99 Diese Lenkungsbefugnis der Kommune wird auch aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG hergeleitet und folgt aus der engen Verknüpfung des gemeindlichen Wegeeigentums mit der örtlichen Elektrizitätsversorgung.100 Die Kommune wird dieser Ordnungs- und Lenkungsbefugnis gerecht, indem sie über die Neuvergabe der Konzession entsprechend den energierechtlich vorgegebenen Entscheidungskriterien entscheidet. Möchte sie über das gesetzliche Grundmodell hinaus im Rahmen eines Kooperations- und Beteiligungsmodells selbst an der Konzessionsvergabe beteiligen, muss sie auch hier ihrer grundgesetzlich gesicherten Gestaltungsrolle aktiv gerecht werden. Steht am Ende der Konzessionsvergabe nur eine reine Finanzbeteiligung, missbraucht die Kommune ihre Ordnungs- und Lenkungsbefugnis für ihre eigene Erlösoptimierung. Steht bei der Kommune das finanzielle Interesse im Vordergrund, ist sie nach

97 v. Mangoldt/Klein/Stark/Tettinger/Schwarz, Art. 28 GG Rn 168 ff. 98 BerlKommEnR/Pielow, Band 1, Gemeindliche Energieversorgung und Kommunalverfassungsrecht, Rn 30; Maunz/Düring/Mehde, Art. 28 GG Rn 94. 99 Templin, S. 165.; Büdenbender, EnWG, Rn 973; Hellermann, S. 279 ff. versteht den Konzessionsvertrag gar als privatförmige Wahrnehmung einer Selbstverwaltungsaufgabe – so auch bestätigt in Hellermann, EnWZ 2013, 147, 154. 100 Vgl. Templin, S. 181 ff. m. w. N.  









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der gesetzlichen Systematik dann aber auf den Abschluss des reinen Konzessionsvertrags reduziert, der ihr die gesetzlich vorgeschriebenen Zahlungszuflüsse gewährleistet.

bb) Kommunalrecht Die Gemeindeordnungen aller Bundesländer enthalten Regelungen, die die kommunal- 119 wirtschaftliche Betätigung der Kommunen näher bestimmen.101 Ziel der landesrechtlichen Bestimmungen ist zum einen die Konzentration der kom- 120 munalen Aktivitäten auf die politische Gestaltung und zum anderen der Schutz der Kommunen und ihres Haushaltes vor den Risiken, die mit jeder wirtschaftlichen Betätigung verbunden sind.102 Trotz unterschiedlichen Ausgestaltung in den Ländern findet sich in allen Vor- 121 schriften dieselbe Grundstruktur: die Schrankentrias.103 Voraussetzung für die Zulässigkeit der wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist demnach, dass ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Kommune eingehalten sind und der Subsidiaritätsgrundsatz gewahrt wird.104

(1) Öffentlicher Zweck Die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune ist stets als Instrument öffentlicher Auf- 122 gabenwahrnehmung zu verstehen.105 Die Kommune ist folglich auch bei privatwirtschaftlicher Betätigung dem Gemeinwohl verpflichtet.106 Möchte eine Kommune ein kommunales Wirtschaftsunternehmen errichten, ist ihr dies daher nur erlaubt, sofern ein öffentlicher Zweck die wirtschaftliche Betätigung rechtfertigt beziehungsweise erfordert.107

101 Vgl. §§ 107 ff. GO NRW; §§ 85 ff. GO RhPf; §§ 108 ff. NGO; §§ 102 ff. GO BW; Art. 86 ff. BayGO; §§ 91 ff. BbgKVerf; §§ 121 ff. HGO; §§ 68 ff. KV M-V; §§ 108 ff. SaarKSVG; §§ 94a ff. SächsGO; §§ 116 ff. GO LSA; §§ 101 ff. GO S-H; §§ 71 ff. ThürKO. 102 Burgi, siehe Literaturverzeichnis § 17 Rn 37; vgl. auch Theobald/Kühling/Grünewald, Energierecht, Gemeinden und Energiewirtschaft, B Kommentar, Rn 24. 103 Vgl. hierzu Pogoda, LKV 2012, 159, 159 – ausführlich insbesondere zur Subsidiaritätsklausel; Sonder, LKV 2013, 202, 202 f. 104 Vgl. zB. § 107 Abs. 1 GO NRW; in einigen landesrechtlichen Vorschriften finden sich spezielle Regelungen, die für die wirtschaftliche Betätigung im Rahmen der Energieversorgung weniger strenge Anforderungen stellen – vgl. § 71 ThürKO Abs. 2 und § 85 Abs. 1 GO RhPf. 105 Vgl. BerlKommEnR/Pielow, Band 1, Gemeindliche Energieversorgung und Kommunalverfassungsrecht, Rn 28. 106 BVerfG, Beschluss v. 19.7.2016 – 2 BvR 470/08 = NJW 2016, 3153, 3154. 107 Gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW muss der Öffentliche Zweck die wirtschaftliche Betätigung „erfordern“; § 85 GO RhPf spricht hingegen beispielsweise davon, dass der öffentliche Zweck die wirtschaftliche Betätigung „rechtfertigen“ muss.  













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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Der unbestimmte Rechtsbegriff des „öffentlichen Zwecks“ geht dabei über die Aufgaben der Daseinsvorsorge hinaus – im Rahmen Ihrer kommunalen Zuständigkeitsbereiche aus Art. 28 Abs. 2 GG können die Kommunen vielmehr „zahlreiche und vielgestaltige“ Aufgaben durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen wahrnehmen.108 Das Gemeindewirtschaftsrecht untersagt den Kommunen demzufolge eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, die keinen hinreichenden Bezug zu ihren öffentlichen Aufgaben aufweist. Nach den Feststellungen des OVG Münster zum § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW a. F. ist der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung der Kommune betriebs- und nicht handlungsbezogen.109 Für die Errichtung und den Betrieb gemischtwirtschaftlicher Unternehmen bedeutet dies, dass es nicht auf jede einzelne unternehmerische Handlung ankommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Unternehmensgegenstand einem öffentlichen Zweck dient. Verfolgt die Kommune mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung allein die Absicht einer Gewinnerzielung erfüllt sie damit keinen öffentlichen Zweck. Ausschließliche Erwerbsinteressen können eine kommunale wirtschaftliche Betätigung nicht legitimieren.110 Anders herum ist ein öffentliches Interesse aber nicht sofort ausgeschlossen, sobald die Kommune Gewinne erzielt.111 Dass eine Eigenkapital-Verzinsung und damit eine gewisse Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen kommunalrechtlich grundsätzlich erwünscht ist, ergibt sich aus den Gemeindeordnungen vieler Bundesländern.112 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Forderung einer Kommune nach einer Garantiezusage als reine Gewinnerzielung bewertet werden muss, welche für das Erfordernis eines öffentlichen Zwecks nicht ausreicht. Dabei kommt es nicht auf das konkret vereinbarte Kooperations- oder Beteiligungsmodell an, da die Vereinbarung einer Garantiezusage in allen Modellen möglich ist. Sofern die Garantiezusage dazu dient, der Kommune eine marktübliche Eigenkapitalverzinsung zu gewährleisten, steht eine derartige Vereinbarung grundsätzlich mit dem Kommunalwirtschaftsrecht im Einklang113 – vorausgesetzt die übrigen Anforderungen an die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung werden eingehalten.  

108 BVerwG, Urteil v. 22.2.1972 – I C 64.69 = BVerWG 39, 329 Rn 17 f. 109 OVG Münster, Beschluss v. 13.8.2003 – 15 B 1137/03 = NVwZ 2003, 1520, 1522; ebenso anschließend VG Münster, Urteil v. 8.5.2015 – 1 K 94/14 = NVwZ 2015, 1399 1400; VG Köln, Urteil v. 6.4.2009 – 4 K 4737/08, openjur, Rn 24. 110 BerlKommEnR/Pielow, Gemeindliche Energieversorgung und Kommunalverfassungsrecht, Rn 30; Articus/Schneider/Söbbeke, Erl. § 107, S. 484; Lange, NVwZ 2014, 616, 617. 111 Maunz/Dürig/Mehde, Art 28 Abs. 2 GG Rn 94 m. w. N. 112 Vgl. zB. § 109 Abs. 2 GO NRW, wonach der Jahresgewinn der wirtschaftlichen Unternehmen mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erreichen soll. Ähnliche Regelungen finden sich zB. in § 121 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 HGO; § 114 Abs. 2 S. 1 NGO, § 85 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 GO RhPf, § 107 Satz 2 GO S-H oder § 12 Abs. 3 S. 2 EigBG BW. 113 So auch Buchmann, S. 63.  





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Den Erträgen des kommunalen wirtschaftlichen Unternehmens muss zudem eine 129 operative Verantwortung und damit letztendlich die Übernahme von wirtschaftlichen Risiken zugrunde liegen.114

(2) Leistungsfähigkeit Weiterhin muss die wirtschaftliche Betätigung der Kommune nach Art und Umfang in 130 einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Kommune stehen. Mit diesem Erfordernis sollen die vielfältigen Risiken, die mit dem unternehmerischen Tätigwerden verbunden sind und der Kommune sowie dem Gemeindehaushaltsrecht anders als den Unternehmen der Privatwirtschaft an sich fremd sind, auf ein Mindestmaß begrenzt werden.115 Beim Abschluss von Kooperations- und Beteiligungsmodellen stellt sich im Beson- 131 deren die Frage, ob mit den vorhandenen kommunalen Ressourcen z. B. die mit diesen verbundenen Kaufpreis-, Regulierungs- oder Betriebsrisiken getragen werden können oder ob die wirtschaftliche Betätigung im Einzelfall die personellen, finanziellen und sachlichen Kräfte der Kommune übersteigt. Insbesondere mit Blick auf die letztgenannten erforderlichen Ressourcen einer Kommune ist deren jeweilige Größe von erheblicher Bedeutung. Eine kleinere Kommune verfügt in aller Regel lediglich über vergleichsweise geringe personelle, finanzielle und sachliche Ressourcen für die Bewältigung der mit der (energie-)wirtschaftlichen Betätigung verbundenen Aufgaben. Die Frage der Leistungsfähigkeit muss daher stets auch unter Berücksichtigung ihrer Größe beurteilt werden. Bei der Vielzahl der sich in der Haushaltssicherung befindlichen Kommunen lässt 132 sich zudem trefflich darüber streiten, ob diese neben der Bewältigung ihrer bereits vorhandenen Haushaltsrisiken auch noch weitere Risiken, die sich aus den Kooperationsund Beteiligungsmodellen ergeben, eingehen sollten.116  

(3) Subsidiaritätsgrundsatz Schließlich muss die Kommune im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung den 133 Grundsatz der Subsidiarität beachten. Danach ist ein kommunales Engagement nur zu-

114 Diese Voraussetzung ergibt sich beispielsweise aus dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 1 GO NRW, der von „Führen“ Steuern“ spricht. Vergleichbare Formulierungen finden sich zB. in auch § 121 Abs. 8 Satz 1 HGO; § 85 Abs. 3 Satz 1 GO RhPf; noch deutlicher wird hingegen § 114 Abs. 1 Satz 2 NGO, der nach kommunaler Mehrheitsbeteiligung („steuern und überwachen“) und kommunaler Minderheitsbeteiligung („hinwirken“) differenziert: unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen wird also das Erfordernis einer aktive Einflussnahme durch die Kommune betont. 115 Vgl. Articus/Schneider/Söbbeke, § 107, S. 485. 116 Dazu ausführlich im Rahmen der folgenden Bewertung der einzelnen Modelle. Kermel/Stauber

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

lässig ist, wenn der öffentliche Zweck durch andere (private) Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.

(4) Besondere Grundsätze für die energiewirtschaftliche Betätigung 134 Neben den allgemeinen Grundsätzen für eine wirtschaftliche Betätigung haben einige

Bundesländer einen gesonderten Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen geschaffen.117 Die energiewirtschaftliche Betätigung wird dadurch nicht zu einer neuen gemeindewirtschaftsrechtlichen Kategorie, sondern ist ein spezieller Unterfall wirtschaftlicher Betätigung.118 135 Demgemäß knüpft auch die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommune an die Erfordernisse des öffentlichen Zwecks sowie dem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit an. Lediglich das Prinzip der Subsidiarität wird gesetzlich aufgehoben.119 Ein öffentlicher Zweck ist nach den landesrechtlichen Vorschriften immer dann anzunehmen, wenn die Kommune eine energiewirtschaftliche Versorgungsaufgabe wahrnimmt. Mit dieser gesetzlichen Ausgestaltung wird der elementaren Bedeutung einer gesicherten Versorgung mit Strom, Gas und Wärme Rechnung getragen.120 136 Nicht jede Tätigkeit im Bereich der Energiewirtschaft soll demnach einem öffentlichen Zweck dienen, sondern ausschließlich die Tätigkeit der Versorgung. Der Begriff der Versorgung wird in § 3 Nr. 36 EnWG legaldefiniert. Danach ist unter dem Begriff der „Versorgung“ die Erzeugung oder Gewinnung von Energie zur Belieferung von Kunden, der Vertrieb von Energie an Kunden und der Betrieb eines Energieversorgungsnetzes zu verstehen. 137 In Bezug auf die Kooperations- und Beteiligungsmodelle ist insbesondere das Merkmal des Betriebs eines Energieversorgungsnetzes von Bedeutung und dient als Maßstab dafür, ob das kommunale Engagement (noch) als Tätigkeit der Versorgung gewertet werden kann. Die Anknüpfung an den „Betrieb“ eines Netzes legt nahe, dass hiermit zuvörderst die operative Steuerung gemeint ist. Ist die Tätigkeit der Kommune beim Abschluss eines Kooperations- oder Beteiligungsmodells hingegen im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie keine operative Verantwortung und infolgedessen

117 So z. B. In § 107a GO NRW; § 128 II KVG LSA; § 97 I SächsGO; § 85 I Nr. 3 RhPf GO; § 68 II S. 3 KV-MV und § 101a I GO S-H. 118 Vgl. Änderungsantrag zu LT-Drucks. 15/27, S. 13; Siehe im Anhang zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, LT-Drucks. 15/867. 119 Eine Ausnahme stellt hier § 68 II S. 3 KV-MV dar: der Subsidiaritätsgrundsatz wird hier auch für die kommunale Energieversorgung nicht aufgehoben; vielmehr stellt die Norm fest, dass der öffentliche Zweck auch bei einer wirtschaftlichen Betätigung im Rahmen der Energieversorgung außerhalb des Gemeindegebietes erfüllt ist. 120 Änderungsantrag zu LT-Drucks. 15/27, S. 13; Siehe im Anhang zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, LT-Drucks. 15/867; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss v. 20.3.1984 – 1 BvL 28/82 = NJW 1984, 1872, 1873; BVerfG, Beschluss v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02 = WM 2009 Heft 9, 422, 423.  

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keine wirtschaftlichen Risiken eingeht, bestehen erhebliche Bedenken, ob ihre passive Rolle noch als Betrieb eines Energieversorgungsnetzes gewertet werden kann. Noch deutlichere Zweifel sind angebracht, wenn sich die wirtschaftliche Teilnahme 138 der Kommune nicht mehr als Ausdruck ihrer verfassungsrechtlich garantierten Gewährleistungsverantwortung darstellt, sondern lediglich als Finanzinvestition. Eine reine Finanzinvestition stellt keine Versorgungstätigkeit dar, so dass nach den landesrechtlichen Vorschriften bereits tatbestandlich keine wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom- und Gasversorgung gegeben ist. Liegt indes eine wirtschaftliche Betätigung der Kommune im Bereich der Energie- 139 versorgung vor, die einem öffentlichen Zweck dient, so ist darüber hinaus erforderlich, dass diese wirtschaftliche Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der betreffenden Kommune steht.121

(5) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich aus den grundgesetzlichen und den kom- 140 munalrechtlichen Vorschriften die folgenden Kriterien für eine zulässige wirtschaftliche Betätigung von Kommunen hinsichtlich der Ausgestaltung von Kooperations- und Beteiligungsmodellen ableiten lassen: – Die Kommune muss eine Versorgungsaufgabe wahrnehmen, also eine aktive Rolle in dem Kooperations- oder Beteiligungsmodell einnehmen. Damit verträgt es sich nicht, wenn sie sich allein auf eine Finanzinvestoren-Rolle zurück zieht und lediglich die Erzielung einer garantierten, risikofreien Rendite anstrebt. – Vor dem Hintergrund der Vorgaben zur Leistungsfähigkeit muss die Kommune sehr sorgfältig prüfen, ob sie überhaupt selbst in der Lage ist, die sich aus einem Kooperations- oder Beteiligungsmodell ergebenden Risiken und Probleme zu beherrschen. Hier gilt der Grundsatz: Je kleiner die Kommune, umso größer die Zweifel an einer rechtlichen Zulässigkeit ihrer wirtschaftlichen Betätigung. Einer besonders intensiven Prüfung bedarf es, wenn sich die Kommune in der Haushaltssicherung befindet.

b) Bewertung der Modelle aa) Netzpachtmodell Beim Netzpachtmodell trägt die Kommune vor allem das Kaufpreisrisiko beim Netz- 141 erwerb.122 Die Betriebsrisiken werden hingegen durch den Pachtvertrag auf den Fachpartner übertragen – die Kommune erhält einen Pachtzins. 121 Das Erfordernis der Leistungsfähigkeit wird in den landesrechtlichen Sondervorschriften für die Energieversorgung beibehalten – folglich muss sich auch die Zulässigkeit der Energieversorgung an der Leistungsfähigkeit der Kommune messen lassen. 122 Vgl. zur Ausgestaltung des Kooperationsmodells A. I.1.  

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Die kommunale Leistungsfähigkeit muss daher vor allem hinsichtlich des Kaufpreises für den Netzerwerb beurteilt werden. Maßgeblich ist vor allem die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune – es ist zu prüfen, ob sich die Kommune den Erwerb überhaupt leisten kann.123 Auch etwaige weitere wirtschaftliche Verpflichtungen der Kommune aus dem Pachtvertrag sind zu berücksichtigen. 143 Die kommunale Leistungsfähigkeit hängt dabei von Faktoren wie der Größe, der finanziellen Ausstattung oder etwaigen Verschuldungen der Kommune ab, wobei auch künftige Entwicklungen von Faktoren wie der Bevölkerungsstruktur oder Einwohnerzahl berücksichtigungsfähig sind.124 144 Unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit125 bedarf die Zulässigkeit eines Netzkaufs im Einzelfall stets einer besonderen Rechtfertigung, da die Kommune im Netzpachtmodell das vollständige Risiko des Netzkaufs trägt. Somit kann nicht pauschal gesagt werden, ob der Netzerwerb durch eine Kommune kommunalwirtschaftsrechtlich zulässig oder unzulässig ist. Befindet sich eine Kommune in der Haushaltssicherung, sollte die Leistungsfähigkeit sorgfältig hinterfragt werden.126 145 Weiterhin ist für die rechtlichen Bewertung die Ausgestaltung der Pachtzins-Formel zu berücksichtigen. Erhält die Kommune einen risikolosen Pachtzins, liegt die Annahme einer reinen Finanzbeteiligung nahe, so dass erhebliche Zweifel bestehen, ob eine solche Beteiligung eine zulässige wirtschaftliche Betätigung darstellt. 142

bb) Beteiligungsmodelle 146 Für Beteiligungsmodelle stellt sich insbesondere die kommunalrechtliche Frage, ob mit

der Beteiligung an einer Netzgesellschaft ein öffentlicher Zweck verfolgt wird.

(1) Netzeigentumsmodell 147 Bei dem Netzeigentumsmodell erwirbt die Kommune eine Beteiligung an einer Gesell-

schaft, der zwar das Netz gehört, die aber den Netzbetrieb einem Dritten überlässt. Im Netzeigentumsmodell trägt die Kommune im Vergleich zum Kooperationsmodell nicht das vollständige Kaufpreisrisiko des Netzerwerbs, sondern nur das ihrer Beteiligungsquote entsprechende Risiko. 148 Ein geringeres Risiko der Kommune beim Netzkauf ist mit dem Erfordernis der angemessenen Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen. Nichtsdestotrotz bedarf es auch hier im Einzelfall einer genauen Überprüfung der kommunalen Finanzsituation.

123 Henneke/Ritgen, S. 97. 124 BerlKommEnR/Pielow, Einl. Rn 361; Kommentar KommunalVerf Brandenburg/Tomerius, § 91 3.3.; vgl. auch Widtmann/Grasser/Glaser u. a. – Kommentar BayGO/Glaser u. a., Art. 87 Rn 30ff. 125 Hoppe/Uechtritz/Oebbecke, § 9 Rn 7 f. m. w. N.; siehe z. B. § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW; § 92 Abs. 2 HGO. 126 Siehe hierzu auch unter B.II.3.  











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Da der Netzbetrieb im Netzeigentumsmodell durch einen Dritten übernommen 149 wird, erhält die Kommune – je nach der Ausgestaltung der Pachtzins-Formel – über die Netzpacht eine feste Rendite, ohne sich selbst über die Beteiligungsposition hinaus unternehmerisch zu betätigen. Diese unternehmerische, aktive Betätigung ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Annahme einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung der Kommune. Eine kommunale Beteiligung im Rahmen eines Netzeigentumsmodells stellt sich je 150 nach Ausgestaltung der Pachtzins-Formel als eine reine Finanzbeteiligung dar. Folglich bestehen auch hier erhebliche Zweifel, ob eine derartige Beteiligung eine zulässige wirtschaftliche Betätigung darstellt.

(2) Netzbetreibermodell Bei dem Netzbetreibermodell beteiligt sich die Kommune an dem eigentlichen Netzbetreiber. Hier ist im Einzelfall fraglich, ob die Kommune die notwendige Leistungsfähigkeit für eine Beteiligung am Netzbetreiber hat. Denn unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss die Kommune auch die notwendigen sonstigen Leistungsfähigkeiten, insbesondere das notwendige Know-how vorweisen. Die Risiken einer Beteiligung am Netzbetrieb gehen wesentlich über die Risiken einer Beteiligung im Rahmen des Netzeigentumsmodells hinaus. Bei den netzbetrieblichen Risiken geht es zusätzlich um die fachliche, technische und personelle Leistungskraft der Kommune bezüglich der mit dem Netzbetrieb zusammenhängenden Themenkreise und hier ganz besonders bei der Beurteilung und Steuerung der regulatorischen Rahmenbedingungen.127 Den hohen Investitionskosten der Kommune beim Eingehen der Beteiligung steht durch die schwer kalkulierbare Netzentgeltregulierung folglich ein erhebliches Refinanzierungsrisiko gegenüber, das erkannt und bewältigt werden muss. Spezielles Augenmerk ist diesem Aspekt bei kleineren Netzgesellschaften zu widmen. Denn hier stellt sich in besonderem Maße die Frage, ob die für einen profitablen Netzbetrieb notwendigen Effizienzen überhaupt realisiert werden können. Effizienzvorteile stellen sich oft erst ab einer gewissen kritischen Größe ein. Kleine Netzbetreiber können durch den regulatorischen Aufwand im Rahmen eines umfassenden Anreizregulierungssystems überproportional belastet sein.128 Ihnen fällt es oft wesentlich

127 So haben etwa unter dem derzeitigen Regime der Anreizregulierung Netzineffizienzen einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnissituation der Gesellschaft. Gelingt es dem Netzbetreiber nicht, die beeinflussbaren Kostenanteile innerhalb einer Regulierungsperiode abzubauen, ist die Wirtschaftlichkeit des Netzbetriebs gefährdet. Es bedarf also umfangreicher Konzepte und Maßnahmen, um die erforderlichen Effizienzvorgaben umzusetzen. Dazu ist auch ein entsprechendes Know-how erforderlich. 128 BerlKommEnR/Petermann, ARegV § 24 Rn 2; so auch BR-Drucks. 417/07, S. 68. Kermel/Stauber

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schwerer als größeren Netzbetreibern, die regulatorischen Entscheidungen der Regulierungsbehörden im Einzelnen nachzuvollziehen.129 155 Effizienzgewinne sind aber die wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass sich die kommunale Beteiligung rechnet. Insgesamt erscheint es angesichts dieser Komplexität der Regulierungsvorgaben im Hinblick auf die fachliche, technische und personelle Leistungsfähigkeit von kleineren Kommunen sehr fraglich, ob die Beteiligung an einer Netzbetreiber-Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit steht. Sollte dies nicht der Fall sein, läge keine kommunal-rechtlich zulässige wirtschaftliche Betätigung der Kommune vor. 1 Praxistipp Deshalb liegt es für die Kommunen nahe, sich nur gemeinsam mit einem Fachpartner an einer NetzbetreiberGesellschaft, der die notwendigen Kenntnisse mitbringt, zu beteiligen. Hierin ist so lange eine den kommunalrechtlichen Vorgaben entsprechende wirtschaftliche Betätigung zu sehen, wie die Kommune entsprechend ihrer Beteiligungsquote an den Chancen und Risiken des Modells beteiligt ist und entsprechende Einflussrechte hat. Dem Fachpartner sollte indes der operative Einfluss, sprich die Mehrheitsbeteiligung eingeräumt werden, um keinen Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Kommune aufkommen zu lassen. Denn die Gesellschaft sollte von demjenigen gesteuert werden, der die hierfür notwendigen Kenntnisse mitbringt.

156 Die kommunalrechtliche Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung der Kommune

wird umso unwahrscheinlicher, je mehr die Kommune durch den Fachpartner von den wirtschaftlichen Risiken frei gestellt wird. Wird die Kommune über eine umfassende Garantiezusage freigestellt, ist mangels wirtschaftlicher Betätigung zweifelhaft, ob die Beteiligung der Kommune an dem Netzbetreiber kommunalrechtlich gerechtfertigt ist. 157 Dies gilt umso mehr, wenn die Kommune trotz Risikofreistellung dennoch Mehrheitsgesellschafterin ist und damit den steuernden operativen Einfluss hat. In derartigen Konstellationen stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der verfassungsrechtlich geforderte Gemeinwohlbezug noch erkennbar ist: Bei einer disquotalen Verteilung von Chancen, Risiken und Einflussrechten kann schnell der Verdacht naheliegen, dass das eigentliche Engagement der Kommune eine kommunalrechtlich unzulässige (Zusatz-) Aktivität darstellt, welche mit der reinen Versorgungstätigkeit nichts mehr zu tun hat und ausschließlichen Ertragsoptimierung dient. 158 Demzufolge sollte die Kommune an den Chancen und Risiken der gemeinsamen Gesellschaft entsprechend ihrer Beteiligungsquote teilhaben, damit sie nicht in Gefahr kommt, eine reine Finanzbeteiligung einzugehen.

129 Vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 68; Der Verordnungsgeber hat in der ARegV von 2007 die Notwendigkeit für ein vereinfachten Verfahrens nach § 24 für kleine Netzbetreiber gesehen. Kermel/Stauber

A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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(3) Stadtwerke-Modell Die vorgenannten Grundsätze gelten in besonderem Maße auch für das Stadtwerke-Mo- 159 dell, da hier die Kommune sich nicht nur an der Netzsparte, sondern auch an weiteren Geschäftsfeldern beteiligt. Hier ist insgesamt zu prüfen, ob die Kommune die notwendige Leistungsfähigkeit hat, um den Ansprüchen an die Gesellschafterstellung bei einer derartigen Beteiligung gerecht zu werden. Denn neben den bereits beschriebenen netzspezifischen Risiken kommen hier wei- 160 tere Risiken aus den anderen Geschäftsfeldern hinzu. Im Bereich des Energievertriebs muss etwa die Beschaffungsseite so bewirtschaftet werden, dass die Bezugskonditionen marktfähige Angebote auf der Absatzseite ermöglichen, nicht zuletzt um eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals130 erreichen zu können. Hierfür bedarf es eines ausgefeilten Portfoliomanagements, um die Beschaffungs- und Absatzrisiken zu minimieren. Ähnliches gilt für andere Geschäftsfelder, wie etwa die Erzeugung. Insgesamt dürfte es sich vor dem Hintergrund der vielfältigen Risiken empfehlen, derartige Modelle nur gemeinsam mit einem Fachpartner aufzubauen.

c) Rechtsfolgen bei Verstößen Ist die wirtschaftliche Betätigung der Kommune kommunalrechtlich unzulässig, stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Bei der Ausübung ihres Rechts auf Selbstverwaltung werden die Kommunen von der Kommunalaufsicht überwacht, die sicherstellen soll, dass die Kommunen im Rahmen der Gesetze handeln – nicht zuletzt auch zum Schutz der Kommune selbst.131 Die Kommunalaufsicht ist das notwendige Gegenstück zur Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen.132 Auch Vereinbarungen der Kommunen über Kooperations- und Beteiligungsmodelle müssen von der Kommunalaufsicht auf ihre kommunalwirtschaftsrechtliche Zulässigkeit überprüft werden. Die kommunale Beteiligung bzw. Kooperation ist weder eine Weisungs- noch eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, sondern eine Selbstverwaltungsangelegenheit. Die Kommunalaufsicht beschränkt sich daher auf eine Rechtsaufsicht.133

130 Siehe § 109 Abs. 2 GO NRW; § 121 Abs. 8 HGO; § 85 Abs. 3 GO RhPf; § 75 Abs. 2 KV M-V; § 107 GO Schleswig HS; § 92 Abs. 4 BbgKVerf; § 114 Abs. 2 NGO, § 75 Abs. 2 ThürKO. 131 OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.9.2013, B10 ME 87/12, 10 ME 88/12 = Juris, Rn 42; Maunz/Dürig/Mehde, Art. 28 Abs. 2 GG Rn 109. 132 BVerfG, Beschluss v. 21.6.1988 – 2 BvR 602/83, 2 BvR 974/83 = BVerfGE 78, 331, 341; BVerfG, Urteil v. 23.1. 1957 – 2 BvF 3/56 = BVerfGE 6 104, 118. 133 Die Aufsichtsbehörden haben somit keinerlei Weisungsbefugnisse oder Befugnisse für eine Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern prüfen lediglich die Einhaltung der Vorgaben des formellen und materiellen Rechts; vgl. Burgi, § 8 Rn 32 ff.  

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Das Kommunalaufsichtsverfahren richtet sich nach der jeweils anwendbaren Gemeindeordnung. Die meisten Gemeindeordnungen sehen eine Pflicht der Kommunen vor, die Entscheidung für eine Kooperation oder Beteiligung sowie einer Gesellschaftsgründung in diesem Zusammenhang bei der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen.134 Vor dem Hintergrund der Komplexität einzelner Kooperations- und Beteiligungsmodelle ist bereits vor der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung eine umfassende Abstimmung der Kommune mit den Aufsichtsbehörden dringend geboten, um eine Beratung durch die Kommunalaufsicht zu ermöglichen und etwaige Beanstandungen zu vermeiden. Zur Abwendung eines aus der Sicht der Kommunalaufsicht fehlerhaften Verhaltens einer Kommune bei der Vereinbarung von Kooperations- und Beteiligungsmodellen stehen den Aufsichtsbehörden unterschiedliche repressive Aufsichtsmittel zur Verfügung, welche in den jeweiligen Gemeindeordnungen für die einzelnen Länder gesetzlich bestimmt und abschließend geregelt sind. Im Zusammenhang mit Kooperations- und Beteiligungsmodellen ist das Mittel der Beanstandung und Aufhebung135 von besonderer Bedeutung.136 Mit der Beanstandung kann die Kommunalaufsichtsbehörde die Rechtswidrigkeit von Beschlüssen und Entscheidungen der Kommunen feststellen und darüber hinaus verlangen, dass die von der Kommune getroffenen Beschlüsse sowie Maßnahmen, die auf der Grundlage dieser rechtswidrigen Beschlüsse getroffen worden sind,137 aufgehoben werden.138 Der Beanstandungsgegenstand ist somit in einem weiten Sinne zu verstehen und erfasst auch die privatrechtliche Tätigkeit der Kommune, wie beispielsweise Vertragsabschlüsse.139 Im Falle einer aufsichtsrechtlichen Beanstandung und Aufhebung ist auch auf der Rechtsfolgenseite die innere Verbundenheit von Konzessionsvertrag und Beteiligungslösung zu beachten. Selbst wenn die Beanstandung bzw. die Aufhebung keine konkrete

134 So etwa nach § 115 GO NRW; § 96 Abs. 1 BayGO; § 110 Abs. 1 Nr. 1 BbgGO; § 127a Abs. 1 HGO; § 77 Abs. 1 KV M-V; § 108 Abs. 1 Satz 1GO S-H; § 118 Satz 1 SaarKSVG, § 116 Abs. 1 NGO, § 72 ThürKO. Die Anzeige ist obligatorisch und muss alle für die rechtliche Beurteilung durch die Aufsichtsbehörde erforderlichen Angaben und Unterlagen erhalten, vgl. Hoppe/Uechtritz/Oebbecke, § 8 Rn 84; siehe zur Anzeigepflicht weiterhin Brüning/Vogelsang, Rn 191; Oebbecke, NVwZ 2020, 1478. 135 § 121 Abs. 1 GO BW; § 122 Abs. 1 GO NRW; § 112 Abs. 1 BayGO; § 138 HGO; § 130 Abs. 1 Satz 1 NGO; § 121 Satz 1 GO RhPf; § 114 Abs. 1 Satz 1 SächsGOp; § 113 Abs. 1 BbgKVerf; § 120 Abs. 1 ThürKO; § 123 Abs. 1 GOSH; § 130 KSVG; § 81 Abs. 1 KV M-V; § 136 Abs. 1 GO LSA. Fehlt im Landesrecht eine entsprechende Befugnisnorm zur Aufhebung, muss die Aufsichtsbehörde auf das Mittel der Ersatzvornahme zurückgreifen; vgl. Brüning/Vogelsang, Rn 260 ff. 136 Als Aufsichtsmittel kommen grundsätzlich in Betracht: Beanstandungsrecht, Aufhebungsrecht, Anordnungsrecht, Ersatzvornahme, Bestellung eines Beauftragten, Auflösung einer Vertretungskörperschaft oder Beendigung der Amtszeit des Bürgermeisters; vgl. hierzu im Einzelnen Gern, Rn 330 ff. 137 Gern, Rn 332; Schoch, JURA 2006, 188, 192. 138 Eine Sperrwirkung des Beanstandungs- und Aufhebungsrechts wegen einer zuvor erteilten Genehmigung besteht nicht; vgl. Brüning/Vogelsang, Rn 214. 139 Vgl. OVG Weimar, Beschluss v. 7.12.2006 – 4 EO 534/06 = DÖV 2007, 261, 262.; VG Weimar, Beschluss v. 8.12.2000 – 2 E 2653/00 = NVwZ-RR 2002, 137, 138.  



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A. Energie- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen

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Vertragsbestimmung der Beteiligung zum Gegenstand hat, sondern die Zustimmung zum Wegenutzungsvertrag, stellt die Beteiligungsvereinbarung möglicherweise eine Maßnahme dar, die nur wegen des Abschlusses des Wegenutzungsvertrages getroffen wurde. Die Beanstandung und Aufhebung der kommunalen Zustimmung zum Abschluss des 170 Wegenutzungsvertrag kann zur Folge haben, dass der Abschluss des Vertrages rückgängig gemacht und die Konzession neu ausgeschrieben werden muss .Dadurch kann auch die gesellschaftsrechtliche Vertragsgestaltung der Beteiligung „infiziert“ werden mit der Folge, dass auch die gesellschaftsrechtlichen Verträge rückabgewickelt werden müssen. Für die Kommune besteht dann die Gefahr etwaiger Schadensersatzansprüche.140 Kommt die Kommune ihrer Pflicht aus der Beanstandung nicht nach, kann die Auf- 171 sichtsbehörde die Maßnahmen selbst vornehmen.

Praxistipp 1 Bestehen im Einzelnen Unsicherheiten über die Reichweite der kommunalwirtschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Betätigung der Kommune, empfiehlt es sich in der kautelarjuristischen Praxis zur Abwendung rechtlicher und wirtschaftlicher Nachteile, gegenüber dem Fachpartner ein entsprechendes Rücktrittsrecht für den Fall einer kommunalaufsichtsrechtlichen Beanstandung zu vereinbaren.

Wie bereits dargestellt, befinden sich zahlreiche Kommunen wegen ihrer defizitären, je- 172 denfalls angespannten Finanzsituation in der Haushaltssicherung. Diese dient dem Ziel, die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune sicherzustellen.141 Ist ein Haushaltssicherungskonzept142 nicht genehmigungsfähig, befinden sich die Kommunen im sogenannten Nothaushalt.143 Auch wenn in der Praxis örtliche Kommunalvertreter eine kommunale Beteiligung an einem Energieversorgungsunternehmen mit den verständlichen Argumenten eines „klaren Bekenntnisses der Politik zu einem Wirtschaftsstandort“ oder einer „Stärkung sog. weicher Standortfaktoren“ zu rechtfertigen versuchen,144 muss die konkrete haushaltsrechtliche Zulässigkeit streng geprüft werden. Befinden sich Kommunen im Nothaushalt, hat dies zur Folge, dass sie nur noch sol- 173 che Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten dürfen, zu denen sie rechtlich verpflichtet, oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind.145 Als Grundlage derartiger Leistungspflichten sind auch Pflichten aus

140 Vgl. Schwokowski, LKV 1992, 69, 70. 141 Vgl. z. B. § 76 Abs. 2 Satz 1 GO NRW. 142 Siehe zB. § 75 Abs. 4 GO NRW; § 53a Abs. 1 ThürKO; § 43 Abs. 7 Satz 1 KV M-V; § 82 Abs. 6 Satz 1 NGO; auch „Haushaltssanierungsplan“ bezeichnet, vgl. § 82a Abs. 1 Satz 1 SaarKSVG. 143 Henneke/Pünder/Waldhoff/Faber, § 34 Rn 64. 144 So Eggert, Der Gemeindehaushalt 2007, 127, 127. 145 Vgl. z. B. § 82 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Gesellschaftsverträgen der Kommune im Rahmen einer kommunalen Beteiligung denkbar, sofern sie bereits Bestand haben. 174 In Nothaushalts-Kommunen gelten demgemäß strengere kommunalaufsichtsrechtliche Maßstäbe. Angesichts des sehr engen kommunalen Handlungsspielraums wird die Kommunalaufsichtsbehörde im Einzelfall stets genau zu prüfen haben, ob Beteiligungen einer Nothaushalts-Kommune mit dem Haushaltssicherungsrecht zu vereinbaren sind. 175 Es bestehen Zweifel daran, ob eine Nothaushalts-Kommune in ihrer Situation zu einer Beteiligung an einer Netzgesellschaft sowie einer umfangreichen Finanzinvestition „rechtlich verpflichtet“ ist.146 Diese Zweifel erhärten sich dort, wo die Kommune, wie im Netzpachtmodell, das vollständige wirtschaftliche Risiko eines Netzkaufs oder gar, wie im Netzbetreibermodell, die zwar nur beteiligungsquotalen, aber gleichwohl noch wesentlich umfangreicheren Risiken des Netzbetriebs zu tragen hat. Es würde überraschen, wenn die Aufsichtsbehörde einer Nothaushalts-Kommune die Eingehung solcher Risiken gestatten und nicht einschreiten würde.

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle I. Entscheidungssituation 176 In den letzten 10 Jahren sind die meisten der bundesweit rund 20.000

147

Strom- und Gaskonzessionsverträge mit Städten und Gemeinden ausgelaufen, denn die überwiegend Anfang der 1990er Jahre geschlossenen Verträge dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden (§ 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG). 177 Mit dem Auslaufen ihrer Konzessionsverträge stehen Kommunen vor der strategischen Entscheidung, die Konzessionsverträge mit einem Energieversorgungsunternehmen, an dem sie nicht beteiligt sind, oder mit ihrem eigenen Unternehmen zu schließen. Als Alternativen zur klassischen Konzessionsvergabe haben sich seit mehreren Jahren aber auch sog. Kooperations- und Beteiligungsmodelle etabliert. Sowohl in der energiewirtschaftlichen Literatur als auch in der Praxis werden die Begriffe Kooperationsmodell und Beteiligungsmodell nicht trennscharf verwendet, sodass dementsprechend im Folgenden der Begriff Kooperations- und Beteiligungsmodell gebraucht wird.148

146 So zB. formuliert in § 82 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW. 147 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.5.2015, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/ SharedDocs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden%20-%20Vergabe%20von%20Strom-%20und%20Gaskon zessionen.pdf;jsessionid=AD3B137BD2EF4EB4EE22114DCCD748ED.2_cid371?__blob=publicationFile&v=7. 148 So verwendet beispielsweise Heim, S. 17, den Begriff Kooperationsmodell anstatt des Begriffs Beteiligungsmodell für die Konstellation der Beteiligung einer Kommune als Mehrheitsgesellschafter und eines Kooperationspartners als Minderheitsgesellschafter an einer gemeinsamen Netzgesellschaft. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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Das Ziel dieses Kapitels ist es, einen Überblick über die in der Praxis etablierten Ko- 178 operations- und Beteiligungsmodelle mit ihren Charakteristika zu vermitteln, um auf die Weise die Entscheidungsfindungsprozesse der handelnden Personen zu unterstützen.

II. Motive und Ziele der konzessionsvergebenden Kommunen 1. Finanzielle und steuerliche Interessen Finanzielle Aspekte spielen eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung von Kommunen zur Kommunalisierung lokaler Energieverteilnetze. Dahinter steht der Gedanke, dass über die Erzielung von Konzessionsabgaben hinaus beispielsweise durch Investitionen in die oder den Betrieb der örtlichen Netzinfrastruktur weitere Einkommensquellen für die kommunalen Haushalte erschlossen werden können.149 Allerdings verfügen die Kommunen in der Regel weder über das notwendige KnowHow zum Netzbetrieb noch über die personellen Ressourcen. Daher werden oftmals Kooperations- und Beteiligungsmodelle in Erwägung gezogen, die mit der Suche nach einem strategischen Partner beginnen.150 Darüber hinaus bieten Kooperations- bzw. Beteiligungsmodelle im Netzbereich aus kommunaler Sicht die Möglichkeiten des steuerlichen Querverbunds. Auf Basis der §§ 4 und 8 KStG können im Rahmen des steuerlichen Querverbunds Gewinnbetriebe mit kommunalen Dauerverlustbetrieben wie zum Beispiel öffentliche Verkehrsbetriebe, Häfen oder Schwimmbäder zusammengefasst werden, so dass eine Verrechnung der Ergebnisse mit steuermindernder Wirkung für die jeweilige Kommune möglich ist.151 Insbesondere angesichts gesunkender Eigenkapitalzinssätze für den Strom- und Gasnetzbetrieb durch die BNetzA bzw. Landesregulierungsbehörden müssen die kommunalen Entscheidungen zur Kommunalisierung mit allen Auswirkungen und Risiken betrachtet und sorgfältig abgewogen werden.152 Letztlich ist die Erzielung von Gewinnen aus dem Netzeigentum- bzw. -betrieb kein Selbstläufer.153 Auch die im Zuge der Energiewende stetig wachsende Anzahl von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie die fortschreitende Elektromobilität führen zu erheblichen Investitionen in die Verteilnetze, die es zu finanzieren gilt.

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Heim, S. 33. Essing/Kürten, KommJur 2015, 366, 371. DStGB, S. 26. Junkernheinrich/Lorig/Masser/Junkernheinrich/Lorig/Masser, S. 21. Heim, S. 34.

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

2. Steuerung und Einfluss auf die lokale Netzinfrastruktur 183 Neben den finanziellen Interessen streben die Kommunen mit ihrem Engagement im

Rahmen der Kommunalisierung lokaler Energieverteilnetze die Sicherung bzw. Erlangung von Steuerungs- und Einflussnahmemöglichkeiten auf die lokale Netzinfrastruktur an. Instandhaltungs- bzw. Investitionsaktivitäten verschiedener Netzsparten, wie beispielsweise Strom, Gas und Wasser, lassen sich zielorientierter abstimmen.154 Dies betrifft insbesondere auch die bedarfsgerechte Verzahnung zwischen energietechnischer und städtebaulicher Planung. Allerdings werden die aus einer Kommunalisierung resultierenden Einflussmöglichkeiten der Kommune oftmals überschätzt, da die mit einem Wegenutzungsvertrag verbundenen Rechte beispielsweise keine Entscheidung über den Energiemix in einer Kommune ermöglichen.155 Darüber hinaus begrenzt die Anreizregulierung den Spielraum für Renditen bei vollem Risiko aus dem Netzbetrieb.156 Nach Auffassung von BKartA und BNetzA können Verteilnetze unterhalb einer gewissen Größe unter Umständen Effizienznachteile beim Netzbetrieb und erhöhten Regulierungsaufwand zur Folge haben. Dies wiederum kann zu höheren Netzentgelten führen und den Wettbewerb auf den Vertriebsmärkten hemmen.157

III. Typen von Kooperations- und Beteiligungsmodellen 184 Kooperations- und Beteiligungsmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass Kommunen

über eine Kooperation mit einem privaten Unternehmen oder Beteiligung eines privaten Unternehmens an einer kommunalen Gesellschaft in der Energiewirtschaft im Netzgeschäft aktiv zu werden versuchen. In diesem Zusammenhang sind in der Regel auch vergaberechtliche Anforderungen zu beachten.158 185 Nach dem Grad der Zusammenarbeit lassen sich die folgenden Kooperations- und Beteiligungsmodelle unterscheiden, wobei sich oftmals Kombinationen dieser Grundmodelle in der Praxis finden.

1. Betriebsführungsmodell 186 Zunächst ist eine Zusammenarbeit auf Basis schuldrechtlicher Vereinbarungen ohne ei-

ne gemeinsame Gesellschaft zwischen der Kommune und dem privaten Partner in Form

154 Heim, S. 35. 155 Fellenberg/Rubel/Meliß, ET 2012, 104, 105; Heim, S. 35. 156 Fellenberg/Rubel/Meliß, ET 2012, 104, 105. 157 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.5.2015, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/ SharedDocs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden%20-%20Vergabe%20von%20Strom-%20und%20Gaskon zessionen.pdf;jsessionid=AD3B137BD2EF4EB4EE22114DCCD748ED.2_cid371?__blob=publicationFile&v=7. 158 Vgl. zu den vergaberechtlichen Voraussetzungen die Ausführungen in Kapitel 3. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

183

eines reinen Betriebsführungsmodells möglich. Dabei verfügt die Kommune über eine Stadtwerkegesellschaft in Form eines Eigenbetriebs oder einer Eigengesellschaft. Diese ist bzw. wird Konzessionsnehmerin und Netzbetreiberin. Die Stadtwerkegesellschaft verfügt in diesem Fall meist über kein oder nur geringes 187 technisches und/oder kaufmännisches Know-How sowie die entsprechenden personellen Ressourcen zur tatsächlichen Netzbewirtschaftung. Daher wird die technische und/ oder kaufmännische Betriebsführung der kommunalen Gesellschaft bzw. des Verteilnetzes durch ein privates Unternehmen als Kooperationspartner auf Basis eines oder mehrerer Dienstleistungsverträge durchgeführt. Typische Dienstleistungen im Namen und für Rechnung der kommunalen Gesellschaft sind beispielsweise Controlling, Rechnungswesen sowie Planung, Bau und Instandhaltung von Netzanlagen. Entweder ist die Stadtwerkegesellschaft bereits Eigentümerin des Strom- und/oder 188 Gasverteilnetzes oder muss dieses noch vom bisherigen Konzessionsnehmer gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung erwerben (§ 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG).159 Sie trägt somit grundsätzlich das Kaufpreisrisiko. Der Vorteil dieses Beteiligungsmodells liegt darin, dass die Kommune neben dem 189 Erhalt der Konzessionsabgaben am Ergebnis des Stadtwerks bzw. der kommunalen Gesellschaft partizipiert.

2. Netzpachtmodell Das Netzpachtmodell unterscheidet sich vom Betriebsführungsmodell dadurch, dass ein 190 privates Energieversorgungsunternehmen Pächter des Strom- und/oder Gasverteilnetzes ist, das sich im Eigentum einer Kommune, ihres Eigenbetriebs bzw. ihrer kommunalen Gesellschaft befindet. Die Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag zwischen der Kommune und der kommunalen Gesellschaft übernimmt während der Laufzeit des Pachtvertrages der Pächter. Dieser ist zugleich operativer Netzbetreiber. Die Kommune bzw. kommunale Gesellschaft erzielt Erträge aus der Netzverpach- 191 tung. Bei Pachtmodellen, bei denen die Kommune oder ein mit ihr verbundenes kommunales Unternehmen das Netz als Eigentümerin übernimmt und sodann an einen Netzbetreiber verpachtet, darf sich nach Auffassung der Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg die Kommune als Verpächter keine Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital in Gestalt des Netzkaufpreises versprechen lassen, die oberhalb der langfristigen Renditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer Emittenten unter Berücksichtigung kartellrechtlicher Zuschläge liegt. Da der Pächter eines Energieversorgungsnetzes dieses auf seine Rechnung und sein operatives wie regulatorisches Risiko

159 Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG ist für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Zu Wertfindungsansätzen und Werttreibern im Zusammenhang mit der Bewertung von Netzen siehe Kapital 6. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

betreibt, ist die Vereinbarung einer angemessenen finanziellen Beteiligung an diesem Ertrag (Ertragspacht), nicht aber der vollständige Ertrag an sich, als Pachtzins möglich.160

3. Gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb 192 Bei diesem Modell sind die Kommune und das private Unternehmen Gesellschafter ei-

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ner gemeinsamen Gesellschaft. Diese ist zugleich Eigentümer des Strom- und/oder Gasverteilnetzes, Konzessionsnehmer und Netzbetreiber. Der Gründungsprozess kann dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Entweder gründen die Kommune und das private Unternehmen gemeinsam die Gesellschaft oder einer der Gesellschafter gründet die Gesellschaft zunächst allein und veräußert dann die Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft an den oder die anderen Partner. Die Höhe der Beteiligungsquoten kann die unterschiedlichsten Ausprägungen annehmen. Möglich ist eine Mehrheits- oder eine Minderheitsbeteiligung der Kommune, eine gleichgewichtete Beteiligungsquote findet sich in der Praxis nicht. Der praktische Regelfall ist vielmehr eine Mehrheitsbeteiligung der Kommune, insbesondere, weil verschiedene kommunalrechtliche Vorschriften einen angemessenen Einfluss der Kommune verlangen (stellvertretend § 122 HGO). Darüber hinaus sind in der Praxis Optionsmodelle vorzufinden, in denen die Gesellschafter im Wege von Call- oder Put-Optionen ihre Anteilsverhältnisse sukzessive anpassen können. Der Erwerb des Eigentums am Netz der allgemeinen Versorgung vom bisherigen Konzessionsnehmer kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen, beispielsweise als Kauf oder Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (Sacheinlage). Da die gemeinsame Gesellschaft den Status eines Netzbetreibers im Sinne von § 3 Nr. 27 EnWG einnimmt, ist diese den Chancen und Risiken der Anreizregulierung ausgesetzt. Dies gilt gleichermaßen für ihre Gesellschafter. In der Regel setzt die gemeinsame Gesellschaft eigenes Personal für den technischen Betrieb und/oder die kaufmännischen Tätigkeiten in der Gesellschaft ein. Im Gegensatz zu anderen Kooperations- und Beteiligungsmodellen bestehen keine Lieferoder Leistungsbeziehungen mit dem privaten Unternehmen.

4. Gemeinsame Gesellschaft als Dienstleistungsmodell 198 Das Modell der gemeinsamen Gesellschaft als Dienstleistungsmodell entspricht im We-

sentlichen dem Modell der gemeinsamen Gesellschaft mit Netzbetrieb, jedoch mit der

160 Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011, abrufbar unter: https:// www.versorger-bw.de/fileadmin/BENUTZERDATEN/Erhebungsboegen/Rundschreiben/Positionspapier_ EKartBBW_Konzessionsvergabe_final.pdf. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

185

Besonderheit, dass die Betriebsführung ausgelagert ist. Dabei kommen sowohl das private Unternehmen als auch ein Dritter in Betracht, um die technische und/oder kaufmännische Betriebsführung zu besorgen. Im Dienstleistungsmodell bleibt die gemeinsame Gesellschaft hingegen Netzbetreiberin.

5. Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell Eine häufig anzutreffende Variante ist die gemeinsame Gesellschaft als Netzpachtmodell, bei der die Gesellschaft sich auf ihre Eigentümerfunktion am Netz beschränkt.161 Die gemeinsame Gesellschaft zwischen Kommune und privatem Unternehmen bzw. Partner als Gesellschafter wird Konzessionsnehmer und übernimmt das Eigentum am örtlichen Verteilnetz. Sodann verpachtet sie das Netz auf Basis eines Netzpachtvertrages an den privaten Partner, der den Netzbetrieb und die Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag über die Laufzeit des Pachtvertrages übernimmt. Sie erzielt somit Erträge aus der Netzverpachtung an den privaten Partner. Das Pachtentgelt ist oftmals netzentgeltorientiert und basiert auf der regulatorisch zugestandenen Rendite des Netzeigentümers im Sinne von § 4 Abs. 5 StromNEV bzw. GasNEV.162 Je nach Ausgestaltung der Pachtformel wird das Pachtentgelt über die Laufzeit des Pachtvertrags auf Basis der bei Vertragsabschluss anzuwendenden regulatorischen Vorgaben ermittelt und festgeschrieben (fixes Pachtentgelt). Alternativ kann vereinbart werden, dass sich das Pachtentgelt analog den Veränderungen im anwendbaren regulatorischen Ordnungsrahmen verändern soll (variables Pachtentgelt). Damit wird über die Ausgestaltung des Pachtentgelts auch geregelt, inwieweit die Kommune an Regulierungsrisiken aus der Netzeigentümerrolle beteiligt sein soll. Die Anpassung des vertraglich geschuldeten Pachtzinses erfolgt dabei häufig jährlich auf Basis der Anreizregulierungsverordnung unter Berücksichtigung der Festlegungen und Beschlüsse der BNetzA betreffend den Netzbetreiber für die jeweilige Regulierungsperiode. Beispiel für eine Pachtzinsermittlung eines Stromverteilnetzes: Bezeichnung der Kalkulationsposition Aufwandsgleiche Kostenpositionen gemäß § 5 StromNEV, jedoch nur die Kostenpositionen, die den nachfolgend aufgezählten Positionen (a) bis (d) zugeordnet werden können +

(a) betriebliche Kostensteuern, soweit sie den Pachtgegenstand betreffen

+/– (b) Kompensation kalkulatorische Buchverluste und Buchgewinne aus Anlagenabgang Netz, bezogen auf das Netzvermögen

161 Zur Verbreitung der unterschiedlichen Varianten von Netzeigentumsgesellschaften in Deutschland vgl. Peschke, S. 131 ff. 162 Zur kartellrechtlichen Zulässigkeit siehe III.2.  

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Bezeichnung der Kalkulationsposition +/– (c) Kompensation von Miet- und Pachtleistungen, Kosten für Grundstücksbenutzungsrechte, außer Konzessionsabgaben +

(d) Fremdkapitalzinsen: nachgewiesene tatsächliche Fremdkapitalzinsen bezüglich des Netzvermögens, maximal in regulatorisch anerkannter Höhe

+

Kalkulatorische Abschreibungen gemäß § 6 StromNEV

+

Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung gemäß § 7 StromNEV

+

Kalkulatorische Steuern gemäß § 8 StromNEV



Erträge aus der planmäßigen Auflösung der erhaltenen Baukostenzuschüsse

+

angemessene Verwaltungs- und Gemeinkosten in regulatorisch anerkannter Höhe

=

Pachtzins für das Energieverteilnetz

Typischerweise übernimmt der private Partner auch die kaufmännische Betriebsführung der Netzeigentumsgesellschaft.163 Daher verfügt die Gesellschaft in der Regel mit Ausnahme der Geschäftsführung über kein Personal. Der Netzerwerb kann entweder durch Kauf vom bisherigen Konzessionär oder Einbringung des Netzes durch die Gesellschafter (Sacheinlage) erfolgen. 204 Da das Pachtmodell im Vergleich zum Betriebsführungsmodell nicht dem Vergaberecht unterliegt, hat sich dieses als bevorzugte Variante etabliert.164 205 Obwohl die Gesellschafter der Netzeigentumsgesellschaft keinen Einfluss auf den Netzbetrieb nehmen können, treffen sie Investitions- und zugehörige Finanzierungsentscheidungen in Bezug auf das Netz, die mit entsprechenden Chancen und Risiken als Gesellschafter verbunden sind. Für die Netzeigentumsgesellschaft und ihre Gesellschafter relevante Risiken sind insbesondere Änderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen, die Absenkung der Eigenkapitalzinssätze sowie etwaige Kürzungen der Kosten im Rahmen der Kostenprüfung durch die BNetzA bzw. Landesregulierungsbehörde. Auch wird sich die Kapitalstruktur der Netzeigentumsgesellschaft im Zeitablauf verändern. Im Fall einer Fremdfinanzierung der Investitionen sinkt der Eigenkapitalanteil zulasten des Fremdkapitalanteils, verbunden mit Auswirkungen auf die kalkulatorische Verzinsung. 206 In der Praxis finden sich in den Konsortial- bzw. Gesellschaftsverträgen der Kooperations- bzw. Beteiligungsgesellschaften zuweilen Vereinbarungen über Garantie- oder Mindestrenditen. Danach erhalten die kommunalen Gesellschafter einen Garantie- oder Mindestgewinnanteil als Prozentsatz auf das von ihnen eingelegte Eigenkapital der Kooperations- bzw. Beteiligungsgesellschaft. Sollte der Jahresüberschuss eines Geschäftsjahres nicht ausreichen, verpflichtet sich der private Partner im Wege eines selbststän203

163 Tugendreich, ZfBR 2014, 547, 548. 164 Heim, S. 32. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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digen Garantieversprechens (§ 311 Abs. 1 BGB) die Kooperationsgesellschaft in die Lage zu versetzen, einen entsprechenden Betrag zu zahlen. Für den Fall einer Garantiezusage zugunsten der Kommune ist bezogen auf eine Endschaftsregelung zu prüfen, ob das private Energieversorgungsunternehmen als strategischer Partner aufgrund der Tatsache, dass es allein die wirtschaftlichen Chancen und Risiken zu tragen hat, an möglichen Wertveränderungen allein beteiligt wird. Die Kommune bekommt in diesen Fall nur ihre Einlage erstattet; weitergehende Liquidationserlöse stehen allein dem strategischen Partner zu. Nach Auffassung der Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg sind Ren- 207 diteversprechen in Gestalt von Garantie- bzw. Mindestrenditen als Ausdruck einer partiell atypischen Risikoverteilung im Rahmen von Gesellschaftsbeteiligungen nur möglich und zulässig, wenn sie angesichts des tendenziell geringeren Risikos im Bereich der Verzinsung für sichere Anlage liegen oder jedenfalls nicht stark hiervon nach oben abweichen. D. h. der relevante Vergleichsmaßstab ist eine sichere Finanzanlage, deren Vorsteuer-Rendite sich auf Basis des historischen Zehn-Jahres-Durchschnitts der Umlaufrendite für festverzinsliche Wertpapiere inländischer Emittenten der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank unter Berücksichtigung kartellrechtlicher Sicherheitszuschläge ermittelt.165 Letztlich handelt es sich bei den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen nicht um Nebenleistungen zum Konzessionsvertrag (§ 3 KAV), sondern um von diesem unabhängige gesellschaftsrechtliche Regelungen.166  

6. Stadtwerke-Modell Vergleichbar zum Betriebsführungsmodell sowie zur Gesellschaft mit Netzbetrieb bzw. 208 als Dienstleistungsmodell errichtet eine Kommune eine Stadtwerkegesellschaft entweder als rein eigene kommunale Gesellschaft oder gemeinsam mit einem privaten Partner als Minderheitsgesellschafter. In Abgrenzung zu diesen Modellen erstrecken sich die Wertschöpfungsstufen nicht nur auf das Netzeigentum bzw. den Netzbetrieb, sondern oftmals auf weitere energiewirtschaftliche Geschäftsfelder wie beispielsweise Er-

165 Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011, abrufbar unter: https:// www.versorger-bw.de/fileadmin/BENUTZERDATEN/Erhebungsboegen/Rundschreiben/Positionspapier_ EKartBBW_Konzessionsvergabe_final.pdf. Da die Investition in der Regel langfristig in die Zukunft, häufig für die maximale Dauer der Vergabe der Wegerechtsrechte von bis zu 20 Jahren erfolgt, der Umlaufrendite aber auch kurzfristige Wertpapiere zu Grunde liegen, ist für eine langfristige Bindung ein kartellrechtlicher Sicherheitszuschlag zwischen 50 und 100 Basispunkten (10 bzw. 20 Jahre) insoweit angezeigt (Zukunftsprognose- und Zeithorizontzuschlag). Ferner weitere 75 Basispunkte mit Blick auf die kartellrechtlichen Erheblichkeits- und Unsicherheitsfaktoren allgemeiner Art. 166 Theobald/Kühling/Theobald/Templin, KAV, § 3 Rn 142. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

zeugung, Vertrieb oder Handel.167 Voraussetzung dafür, dass die Kommune sowohl aus dem Netzeigentum bzw. -betrieb als auch aus den weiteren Geschäften profitiert, ist allerdings, dass in einem umkämpften Wettbewerb Gewinne erwirtschaftet werden. 209 Neben den netzspezifischen Risiken kommen hier weitere Risiken aus den anderen Geschäftsfeldern hinzu. Im Bereich des Energievertriebs muss etwa die Beschaffungsseite so bewirtschaftet werden, dass die Bezugskonditionen marktfähige Angebote auf der Absatzseite ermöglichen. Hierfür bedarf es eines ausgefeilten Portfoliomanagements, um die Beschaffungs- und Absatzrisiken zu minimieren. Ähnliches gilt für andere Geschäftsfelder, wie etwa die Erzeugung. Insgesamt dürfte es sich vor dem Hintergrund der vielfältigen Risiken empfehlen, derartige Modelle nur gemeinsam mit einem strategischen Partner aufzubauen.168

IV. Rechts- und Organisationsformen 210 Es bestehen keine generellen rechtlichen Vorgaben dazu, welche Organisations- bzw.

Rechtsformen der strategischen Partnerschaften zulässig sind und welche nicht. Mit jeder Entscheidung zur Gründung einer Kooperations- bzw. Beteiligungsgesellschaft sind aber immer die Vor- und Nachteile der zugrundeliegenden Rechtsform verbunden. Während die Chancen der Rechtsformwahl in Verantwortungsstrukturen oder Finanzierungsoptionen bestehen, können die Risiken unter anderem steuerlicher oder regulatorischer Art sein. Für die Kommunen sind ihre Entscheidungen rechtlich gebunden und beispielsweise durch die Kommunalaufsicht überprüfbar.169 211 In Deutschland haben sich Netzeigentumsgesellschaften als Pachtmodell in der Rechtsform der GmbH & Co. KG etabliert.170 Die Ausgestaltung erfolgt oftmals in Form einer Einheits-GmbH & Co. KG. Hierbei ist die KG alleinige Gesellschafterin der Verwaltungs-GmbH, die als Komplementärin auch die Geschäftsführung der KG übernimmt.171 Die rechtlichen Anforderungen an diese Gesellschaftsformen werden im folgenden Kapitel untersucht. 212 Hinsichtlich der Transaktion der Netzübertragung sind zwei grundlegende Wege zu unterscheiden. Sofern das Energieversorgungsunternehmen als strategischer Partner der Kommune nicht Eigentümer der Netzanlagen gewesen ist, hat die Netzeigentums-

167 Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 168 Vgl. zu den entflechtungsrechtlichen Aspekten bei Stadtwerken VI.6. 169 Junkernheinrich/Lorig/Masser/Libbe, S. 299. 170 Heim, S. 209; Peschke, S. 134. 171 Hoffjan/Meier/Sartor/Schröder/Meier/Jung/Schulz von Thun, S. 53. Peschke/Sieven

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gesellschaft diese im Wege eines Kaufvertrages vom bisherigen Konzessionär zu erwerben.172 Ist der private Partner (strategische Partner) der gemeinsamen Gesellschaft Altkonzessionär gewesen, besteht zudem die Möglichkeit einer Einbringung der Netzanlagen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (Sacheinlage der Netzanlagen). Sodann kann die Beteiligung der Kommune an der Netzgesellschaft erfolgen, indem sie vom strategischen Partner Gesellschaftsanteile, in der Regel mehr als 50 %, zu einem Kaufpreis, ebenfalls orientiert am Wert des Netzes, erwirbt.173 Die Netzgesellschaft verpachtet die Netzanlagen zum Betrieb und zur Unterhaltung zurück an den strategischen Partner, der wiederum ein Pachtentgelt an die Netzgesellschaft zahlt. Aufgrund der gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG maximal zwanzigjährigen Laufzeit des Konzessionsvertrags, der die maßgebliche wirtschaftliche Grundlage für das Kooperations- und Beteiligungsmodell bildet, müssen sich die Gesellschafter auch Gedanken darüber machen, wie im Falle des Auslaufens des Konzessionsvertrags und einer ggf. damit einhergehenden Auflösung der Gesellschaft der Liquidationserlös unter den Gesellschaftern zu verteilen ist. Gleiches gilt bei der Kaufpreisbemessung für die Gesellschaftsanteile für den Fall, dass die Gesellschaftsanteile bei Auslaufen des Konzessionsvertrages von einem Gesellschafter übernommen werden sollen. Kooperations- und Beteiligungsmodelle müssen dem Fremdvergleichsgrundsatz (arm’s length principle) entsprechen.174 D. h. die vereinbarten Konditionen müssen hierbei vom Gesamtbild her dem entsprechen, was fremde Dritte bei vergleichbaren Transaktionen vereinbart hätten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Preis, Rendite und Haftung. Nach Auffassung der Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg sind regelmäßig asynchrone Gesellschafterstellungen unzulässig, bei denen der Gleichlauf von Chancen und Risiken aufgelöst wird, und asynchrone Verteilungen der Finanzierung sowie der Einwirkungsrechte (Beteiligung/Stimmrechte). Allerdings können im Einzelfall asynchrone Gesellschafterstellungen in Form erweiterter Mitbestimmungsrechte, beschränkte Finanzierungsverantwortung oder Haftungsfreistellung gegen Einlagenverlust bei Gemeinschaftsunternehmen, soweit es um die Ermöglichung des geordneten Geschäftsablaufs geht, gerechtfertigt sein.175

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172 Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG ist für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Vgl. zur Netzwertbestimmung Kapitel 6 B. 173 Zu Wertfindungsansätzen und Werttreibern im Zusammenhang mit der Bewertung von Netzen vgl. Kapital 6. 174 Zum Themenkomplex unzulässige Nebenleistungen nach § 3 KAV siehe Kapitel 1 D. 175 Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. Peschke/Sieven

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Letztlich kann die Wahl der geeigneten Rechts- bzw. Organisationsform nur unter eingehender Analyse der Anforderungen in der jeweiligen Kommune getroffen werden.176 Zur Umsetzung von Kooperations- bzw. Beteiligungsmodellen sind eine Vielzahl vertraglicher Vereinbarungen erforderlich, die letztlich vom Verhandlungsergebnis der Vertragsparteien abhängen. In der Regel werden die Grundlagen einer gemeinsamen Kooperation zwischen der Kommune und dem privaten Energieversorgungsunternehmen in einem Konsortialvertrag festgelegt. Üblicherweise beinhaltet dieser nicht im Gesellschaftsvertrag vereinbarte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, wie beispielsweise die Übernahme von Geschäftsanteilen.177 Die anschließende Gründung der Netzeigentumsgesellschaft bedingt den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages. Darüber hinaus ist die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Strom- bzw. Gasverteilnetzes Gegenstand eines Pachtvertrages zwischen der Netzeigentumsgesellschaft als Verpächter und dem Netzbetreiber als Pächter.178 Sofern eine Kommune beabsichtigt, sich an dem Wettbewerb um die Konzessionsvergabe auch als Nachfrager zu beteiligen und in diesem Zusammenhang auf die Suche eines strategischen Partners geht, ist das Verfahren zur Suche des strategischen Partners von dem eigentlichen Konzessionsverfahren zu unterscheiden.179 Dies gilt insbesondere in rechtlicher Hinsicht, da für beide Verfahren unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen gelten. Während die Suche nach dem strategischen Partner in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Kooperations- und Beteiligungsmodells dem Vergaberecht unterliegen kann, finden auf die Konzessionsvergabe die Regelungen des § 46 Abs. 4 EnWG i. V. m. § 3 Abs. 2 KAV Anwendung. Verfahrensseitig hat die Kommune die wesentliche Entscheidung zu treffen, ob die Wahl des strategischen Partners und die Konzessionsvergabe gemeinsam oder in zwei getrennten Verfahren erfolgen soll.180 Es unterliegt ihrer dem Vergabeverfahren vorgelagerten Bestimmungsfreiheit, die beiden Verfahren zeitlich nacheinander (zweistufiges Verfahren) oder zeitgleich (einstufiges Verfahren) durchzuführen.181 Um zu gewährleisten, dass die Leistungsfähigkeit der Kooperation in Bezug auf die Erfüllung der Kriterien zur Auswahl des neuen Konzessionsnehmers hinreichend beurteilt werden kann, hat im Fall eines zweistufigen Verfahrens die Suche nach dem strategischen Part 

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176 Junkernheinrich/Lorig/Masser/Libbe, S. 299. 177 Heim, S. 129. 178 Heim, S. 146. 179 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.5.2015, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/ SharedDocs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden%20-%20Vergabe%20von%20Strom-%20und%20Gaskon zessionen.pdf;jsessionid=AD3B137BD2EF4EB4EE22114DCCD748ED.2_cid371?__blob=publicationFile&v=7. 180 Tugendreich, ZfBR 2014, 547, 550. 181 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 9.1.2013 – VII-Verg 26/12 –, Rn 68, juris. Peschke/Sieven

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ner zeitlich vor der Auswahl des neuen Konzessionsnehmers zu erfolgen.182 Zudem ist sicherzustellen, dass die Kooperations- bzw. Beteiligungsgesellschaft bei der Auswahl des neuen Konzessionsnehmers nicht bevorzugt wird und es nicht zu einer Vorfestlegung kommt.183 So sind beispielsweise Verhandlungen zu Gesellschaftsverträgen oder Pachtverträgen mit potenziellen Pächtern möglich, der Vertragsschluss oder einseitige Rechtsgeschäfte hingegen nicht. Ebenso kann der erhebliche Einsatz von finanziellen und/oder sachlichen Mitteln eine faktische Vorfestlegung bedeuten.184

V. Rechtlicher Rahmen 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen185 Als Ausgangspunkt für kommunale Belange enthält das Grundgesetz mit Art. 28 Abs. 2 GG 222 einen eigenen spezifischen Regelungskomplex. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG186 wird den Gemeinden das Recht gewährleistet alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen umfasst auch das Recht der erwerbswirtschaftlichen Betätigung und das Recht, über die Organisationsform der unternehmerischen Erledigung zu entscheiden.187 Die kommunale Energieversorgung ist mittlerweile hinlänglich als Bereich der Daseinsvorsorge der Kommunen qualifiziert und dementsprechend als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft angesehen.188 Zudem erhob das BVerfG die Energieversorgung zu einem „Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges“, dessen Sicherung für eine menschenwürdige Existenz der Bürger unumgänglich sei und sich mithin als öffentliche Aufgabe darstelle.189 Diese sogenannte Gewährleistungsverantwortung wird gemeinhin aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG abgeleitet, welches den Staat direkt adressiert und auffordert, dem gesellschaftlichen Standard entsprechen182 OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.9.2013 – 10 ME 87/12 und 88/12 –, Rn 48, juris. 183 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.5.2015, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/ SharedDocs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden%20-%20Vergabe%20von%20Strom-%20und%20Gaskon zessionen.pdf;jsessionid=AD3B137BD2EF4EB4EE22114DCCD748ED.2_cid371?__blob=publicationFile&v=7. 184 Positionspapier Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 185 Siehe hierzu auch im Ganzen Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 48ff, 149 ff. 186 Und den jeweiligen Bestimmungen der Landesverfassungen. 187 R. Mann, DVBl. 2009, S. 817 (817); Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 GG, Rn 40; Wolff, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 5, Rn 93. 188 BVerwGE 98, 273 (275 ff.); Pielow, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Einl. E. EnWG, Rn 21 m. w. N. 189 BVerfGE 25, 1 (16); 91, 186 (202); 66, 248 (258); Pielow, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Einl. E. EnWG, Rn 21.  







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de Lebensbedingungen herzustellen.190 Eine explizite Nennung der Sicherung der Energieversorgung als Staatsaufgabe – ungleich anderer Aufgaben – ist im Grundgesetz hingegen nicht angelegt.191 Die Erfüllung der Verantwortung aus der Daseinsvorsorge können Kommunen durch eigene Wirtschaftsunternehmen gewährleisten oder durch private Unternehmen erfüllen lassen.192 Damit wird Gemeinden die Möglichkeit der kommunalen Energieversorgung als Teil der verfassungsrechtlich gesicherten Daseinsvorsorge aus Art. 28 Abs. 2 GG zugesprochen, eine exklusive Wahrnehmung durch kommunale Unternehmen gibt es jedoch nicht.193 Das deutsche Verfassungsrecht überlässt die Entscheidung über das Wirtschaften folglich grundsätzlich der kommunalen Selbstverwaltung, die ihre Einschränkung wiederum in den jeweiligen Kommunalordnungen der Länder findet.194 223 Äußerst umstritten und kontrovers diskutiert ist in diesem Rahmen die Zulässigkeit kommunaler Wirtschaftstätigkeit außerhalb des Gemeindegebiets.195 224 Anerkannt ist mittlerweile nahezu unbestritten, dass der verfassungsrechtliche Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG nur die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ betrifft und keine Grundlage für überörtliches wirtschaftliches Handeln bietet.196 Weiter umstritten ist aber zum einen, ob dieser Gewährleistungsbereich die überörtliche Tätigkeit auch begrenzt und zum anderen, ob davon nur hoheitliche Tätigkeiten oder auch die wirtschaftliche Betätigung erfasst sind und Art. 28 Abs. 2 GG in der Konsequenz eine wirtschaftliche Tätigkeit, die nicht die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betrifft, versagt.197 225 Nach der wohl herrschenden Ansicht beschränkt die Zuständigkeit der Gemeinden für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch gleichzeitig ihre darüber hinausgehenden Tätigkeiten, da ansonsten die Zuständigkeit der Nachbargemeinde für ihre eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten kaum aufrecht zu erhalten wäre.198 Für die Praxis ist dieser Streit jedoch von untergeordneter Relevanz,

190 Krebs, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der kommunalen Elektrizitätserzeugung, S. 72; Pielow, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Einl. E. EnWG, Rn 21. 191 Pielow, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Einl. E. EnWG, Rn 21. 192 Tettinger, DVBl. 1999, S. 679 ff. 193 Vgl. Pielow, in: Mann/Püttner, HKWP, Bd. 2, § 54, Rn 11 f.; Wolff, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 5, Rn 92ff. 194 Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 160ff., Ehlers, in Wurzel/Schraml, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, Kap. B, Rn 42ff.; Wolff, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 5, Rn 94. 195 Knauff, VR 2005, S. 145 ff.; Burgi, Kommunalrecht, § 17, Rn 47 ff.; Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), S. 393 ff.; Attendorn/Schweitzer, NWVBl. 2013, S. 13 ff.; Geiger/Aßmann, DVBl. 2012, S. 1276 ff.; Becker, DÖV 2000, S. 1032 ff. 196 Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), S. 392 (405); Heilshorn, VerwArch 96 (2005), S. 88 (93); Knauff, VR 2005, S 145 (156). 197 Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 161. 198 Siehe hierzu umfassend Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 194ff.  



















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da eine überörtliche Wirtschaftstätigkeit dennoch möglich ist. Auch bei restriktiver Sichtweise, die kommunales Wirtschaften unter die Kompetenzschranke des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallen lässt, wird eine Wirtschaftstätigkeit als zulässig erachtet, wenn sie in einem sachlichen Bezug zu der Daseinsvorsorge im eigenen Gemeindegebiet steht.199 Die wirtschaftliche Tätigkeit fällt dann ggf. nur nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG, ist aber zulässig.200 Begründet wird die Zulässigkeit in der Regel durch die Möglichkeit des Landesgesetzgebers, eine solche einfachgesetzliche Ermächtigung im Rahmen des Gesetzesvorbehalts von Art. 28 Abs. 2 GG zu erschaffen, wovon bis auf Sachsen alle Länder Gebrauch gemacht haben.201 Eine solche Ermächtigung ist keine reine Formalie. Sie ist zum einen aufgrund der fehlenden Grundlage der exportierenden Gemeinde und zum anderen aufgrund des Eingriffs in die Selbstverwaltungsgarantie der anderen Gemeinde notwendig.202 Als Faustformel mag hierbei gelten, dass Tätigkeiten, die entweder die örtliche 226 Kapazität auslasten oder die Rentabilität steigern, in der praktischen Anwendung als zulässig angesehen werden, sofern sie der örtlichen Tätigkeit zumindest mittelbar dienen.203 Eine Grenze ist jedoch bei der reinen Abschöpfung der außerörtlich erwirtschafteten Gewinne zu ziehen.204 Auch eine überörtliche Betätigung ist den Kommunalverfassungen folgend nicht schrankenlos möglich.205 Die berechtigten Interessen der Zielgemeinden müssen weiterhin gewahrt bleiben.206 Für die Energiewirtschaft wurden von allen Wirtschaftsgebieten mittlerweile die größte Zahl an Sondervorschriften eingeführt. So sind beispielsweise in den Ländern Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg nur diejenigen Interessen der Zielgemeinden als berechtigt anzusehen, die nach den Regelungen des EnWG eine Wettbewerbsbeschränkung zulas-

199 Gaß, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, Kap. C, Rn 178; ablehnend: Becker, DÖV 2000, S. 1032 ff. 200 BVerfG DVBl. 1989, S. 300 (300); Geiger/Aßmann, DVBl. 2012, S. 1276 (1281). 201 Hierzu Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 163 ff. m. w. N. Die Energieversorgung wird in Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 3 Satz 1 GOLSA) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 2 Satz 3 KV M-V) bei der überörtlichen Betätigung sogar explizit der öffentliche Zweck zuerkannt. In Hessen findet sich die ausdifferenzierteste Regelung in Form des § 121 Abs. 1a HGO, Eine generelle überörtliche Betätigung ist gemäß § 121 Abs. 5 HGO auch hier erlaubt, sie unterliegt jedoch den in Abs. 1a gezeigten Bedingungen. Zur Verfasungsmäßigkeit der überörtlichen Expansionsklausel des § 107a GO Abs. 3 NRW siehe umfassend Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende S. 223 ff. 202 Brosius- Gersdorf, AöR 130 (2005), S. 392 (416); für eine sehr restriktive Zulässigkeit solcher landesrechtlicher Ermächtigungen Heilshorn, VerwArch 96 (2005), S. 88 (98). 203 Geiger/Aßmann, DVBl. 2012, S. 1276 (1279); Gaß, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, Kap. C, Rn 178 f. 204 Ruffert, VerwArch 91 (2001), S. 27 (35); Gaß, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, Kap. C, Rn 177ff. 205 Mit Ausnahme von Brandenburg, wo gemäß § 91 Abs. 4 Nr. 1 BdbgKVerf die Versorgung mit Elektrizität, Gas und Fernwärme außerhalb des Gemeindegebiets generell erlaubt ist. 206 Vgl. § 107a Abs. 3 Satz 1 GO NRW; Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayGO; Kühling, NJW 2001, S. 177 (179).  









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sen.207 Andere sehen auch außerhalb der Energieversorgung nur Interessen innerhalb der bundesgesetzlichen Vorgaben zur Einschränkung des Wettbewerbs als berechtigt an.208

2. Kommunalrecht 227 Das zuvor beschriebene verfassungsrechtliche Recht der kommunalen wirtschaftlichen

Betätigung wird neben den energierechtlichen Regelungen des EnWG u. a. durch Landesrecht eingeschränkt bzw. an Bedingungen geknüpft. Auch wenn die landesrechtlichen Bestimmungen durchaus deutlich voneinander abweichen, beruht diese sogenannte Schrankentrias – öffentlicher Zweck, Leistungsfähigkeit und Subsidiaritätsprinzip – auf der ursprünglichen Gesetzgebung der deutschen Gemeindeordnung von 1935. 228 Die Versorgung der Gemeinde mit Strom stellt eine gemeinwohlorientierte Tätigkeit und mithin einen öffentlichen Zweck dar.209 Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Energie liegt im unbedingten öffentlichen Interesse.210 Dem hat sich in einigen Bundesländern auch der Gesetzgeber angenommen, so dass nunmehr in den Ländern Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 Satz 4 NKomVG), Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Satz 2 GO Rh-Pf.), Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 2 Satz 1 GO LSA), Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 3 Nr. 4 GO M-V), Schleswig-Holstein (§ 101a GO S-H) und Nordrhein-Westfalen (§ 107a Abs. 1 GO NRW ) die Energieversorgung qua Gesetz als öffentlicher Zweck festgeschrieben wurde bzw. das Zweckerfordernis komplett entfällt (§ 136 Abs. 1 Satz 7 NKomVG).211 Im Einzelfall ist jedoch zu beachten, dass auch bei der Energieversorgung eine Grenze dort zu ziehen ist, wo wirtschaftliche Tätigkeit der reinen Gewinnerzielung dient. Der öffentliche Zweck ist auch immer Legitimationsgrundlage, dass die Kommune überhaupt tätig werden darf. Die Tendenz einiger Landesgesetzgeber, das öffentliche Zweckerfordernis auszuhöhlen, bedeutet immer auch einen Verlust an Legitimation. Um dem schon in der Entstehung der Gesellschaft entgegenzuwirken, sollte der öffentliche Zweck in den Gesellschaftsverträgen der Gesellschaften festgeschrieben werden und ein Handeln gegen diesen Zweck ausgeschlossen werden. 229 Durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkungen der Beteiligungsgesellschaften ist die Haftung, zumal meist die Nachschusspflicht vertraglich ausgeschlossen wird, mit der Leistungsfähigkeit der Kommune zu vereinbaren.212 Trotz dieser Haf 

207 Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayGO; § 107a Abs. 3 Satz 2 GO NRW; § 102 Abs. 7 Satz 2 GO BW. 208 § 136 Abs. 1 S. 6 NKomVG; § 116 Abs. 3 S. 3 GO LSA; § 191 Abs. 2 Satz 2 GO S-H. 209 BVerfGE 66, 248 (258); Löwer, Energieversorgung, S. 236; Britz, Örtliche Energieversorgung nach nationalem und europäischen Recht, S. 73. 210 BVerfGE 66, 248 (258). 211 Vgl. Sieven, die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 168. 212 Kruse/Legler, ZUR 2012, S. 348 (355); Hsing, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorhaben gemischt-wirtschaftliche Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung, S. 155. Peschke/Sieven

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tungsbeschränkung muss das Investitionskapital zunächst einmal durch die Kommune aufgebracht werden. Hierbei ist eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Investitions- und Folgekosten aufzustellen.213 Die genauen Anforderungen an eine solche Prüfung präzisieren die meisten Gemeindeordnungen nicht. § 107 Abs. 5 GO NRW und § 108 Abs. 5 GO SH machen eine Ausnahme und verlangen explizit eine Marktanalyse, die die Chancen und Risiken einer wirtschaftlichen Betätigung offenlegt. Das Ergebnis dieser Berechnung muss mit der Haushaltslage im Einklang stehen, die von der Kommunalaufsicht dahingehend überprüft wird.214 Die Erfüllung der Anforderungen an das Subsidiaritätsgebot, im Besonderen bei 230 echten Subsidiaritätsklauseln ohne Bereichsausnahme, ist hingegen schwerer zu begründen. Dieses Erfordernis ist für die Praxis jedoch mittlerweile von untergeordneter Relevanz, da es für den Bereich der Energieversorgung in allen Bundesländern außer in Sachsen einen Ausnahmetatbestand gibt.

3. Gesellschaftsrecht Wie bereits zuvor angemerkt, sind die Kommunen frei bzgl. der Wahl der Organisations- 231 form ihrer Gesellschaften. Neben der Errichtung öffentlich-rechtlicher Unternehmen besteht für die Kommunen die Möglichkeit, sich der Unternehmensformen juristischer Personen des Privatrechts zu bedienen.215 Diese Option wird von den Kommunen am häufigsten genutzt, birgt jedoch auch einiges Konfliktpotential zwischen öffentlichem Recht und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben.216 Die GmbH (& Co. KG) ist die mit Abstand am häufigsten verwandte Gesellschaftsform, weshalb diese in den Fokus des folgenden Überblicks gerückt werden soll.

a) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bei der GmbH handelt es sich um eine juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG), deren Or- 232 gane sich aus dem Geschäftsführer (§ 6 GmbHG), dem (fakultativen oder selten obligatorischen) Aufsichtsrat (§ 52 GmbHG) und der Gesellschafterversammlung (§§ 45 ff. GmbHG) zusammensetzen. Grundsätzlich haftet nur das Vermögen der Gesellschaft für Verbindlichkeiten, nicht das der Gesellschafter (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Die GmbH lässt sich in ihrer Satzung sehr variabel gestalten (§ 45 Abs. 2 GmbHG) und kann daher an die spezifischen Bedürfnisse der Kommune, besonders in Hinblick auf Ingerenzpflichten, angepasst werden.217 So können die Zuständigkeiten der einzelnen Organe, bis auf  

213 Meßmer, in: Fabry/Augsten, Unternehmen der öffentlichen Hand, Teil 2, Rn 37. 214 Ruffert, VerwArch 92 (2001), S. 27 (43); Wolff, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 5, Rn 35. 215 Vgl. Art. 86 Nr. 3 Bay.GO, § 108 ff. GO NRW, § 137 NKomVG. 216 Vgl. Hierzu weiterführend Mann, in: Mann/Püttner, HKWP, Bd. 2, § 46 Rn 7. 217 Keßler, GmbHR 2000, S. 71 (71); Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 189 ff., 197 ff., 214 ff.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

wenige Grundvoraussetzungen, in der Satzung bedarfsgerecht auf die Balance zwischen politisch-demokratischer Kontrolle und unternehmerischer Autonomie angepasst werden.218 233 Da es sich bei der GmbH um eine selbstständige Gesellschaft handelt und diese gerade kein unmittelbarer Teil des Gemeindehaushalts und der gemeindlichen Organisation ist, bieten sich gegenüber öffentlich-rechtlichen Gesellschaftsformen steuerliche, haushaltsrechtliche, finanzielle und auch personalpolitische Vorzüge.219 Insbesondere die Personalgestaltung der GmbH bietet flexiblere Lösungswege, da sie nicht an das öffentliche Dienstrecht oder gar Beamtenrecht gebunden ist.220 Ebenso ist die Beteiligung Privater an den Gesellschaften möglich, sodass sich externe Finanzierungsquellen und Kooperationsmöglichkeiten eröffnen.221 234 Deutsche juristische Personen in der Rechtsform der AG und der GmbH unterliegen als Kapitalgesellschaften grundsätzlich der Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 KStG) und der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer ist das zu versteuernde Einkommen (§ 7 Abs. 1 KStG), welches sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes bestimmt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG). Darauf wird der Steuersatz von 15 % angewendet (§ 23 Abs. 1 KStG). Hinzu kommen noch 5,5 % Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte Körperschaftsteuer (§§ 3, 4 SolzG). Der nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte steuerliche Gewinn stellt auch die Grundlage für die Berechnung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG dar. Die Gewerbesteuer wird auf Basis des Steuermessbetrages222 ermittelt, der mit dem maßgeblichen kommunenindividuellen Hebesatz (mindestens 200 %) multipliziert wird (§ 16 GewStG). Die gesamte Ertragsteuerbelastung der Kapitalgesellschaft liegt somit je nach Hebesatz bei rund 30 %. Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaft unterliegen auch auf der Ebene der Gesellschafter grundsätzlich einer weiteren Besteuerung.223 235 Unter den Voraussetzungen der §§ 14–19 KStG bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ermöglichen die körperschaftsteuerliche bzw. gewerbesteuerliche Organschaft, dass Verluste  







218 Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 24. 219 Sieven, Die Kommunalwirtschaft in der Energiewende, S. 24. M. w. N., Altmeppen, NJW 2003, S. 2561 (2562); kritisch dazu: Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 153 ff. 220 Altmeppen, NJW 2003, S. 2561 (2562); kritisch dazu: Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 153 ff. 221 Vgl. Geis/Madeja, JA 2013, S. 248 (252); Hellermann, in: Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch kommunale Unternehmen, § 7, Rn 165 ff. 222 Der Steuermessbetrag ermittelt sich als Gewerbeertrag multipliziert mit der Steuermesszahl, § 11 GewStG. 223 Zum Trennungsprinzip vgl. stellvertretend Lüdicke/Sistermann/Teufel, § 2 Rn 1. Zur Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts vgl. Arbeitshilfe der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen vom 15.3.2019, abrufbar unter: https://www.finanzverwaltung.nrw.de/sites/default/files/asset/ document/besteuerung_der_juristischen_personen_des_oeffentlichen_rechts_arbeitshilfe.pdf.  









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B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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einer Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) mit Gewinnen eines Mutterunternehmens (Organträger) verrechnet werden können.

b) GmbH & Co. KG Bei der GmbH & Co. KG handelt es sich zunächst um eine Personengesellschaft in Form 236 der Kommanditgesellschaft (KG). Die Besonderheit der KG liegt darin, dass es neben dem persönlich haftenden Komplementär weitere Kommanditisten gibt, die nur bis zur Höhe ihrer Kapitaleinlage haften (§ 171 HGB). Die Geschäftsführung der KG obliegt alleine dem Komplementär (§§ 164, 170 HGB). Bei der GmbH & Co. KG ist die unbegrenzte Haftung des Komplementärs wiederum durch die Haftung der GmbH auf die Stammeinlage begrenzt (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Obwohl es sich bei der GmbH & Co. KG also um eine Personengesellschaft handelt, die die nachfolgenden steuerlichen Vorteile genießt, ist die Haftung insgesamt begrenzt. Seit der Leitentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1922 ist diese Gesellschaftsform anerkannt.224 Bei der Besteuerung der GmbH & Co. KG ist zwischen der Besteuerung der Kom- 237 manditgesellschaft, der GmbH und der Gesellschafter zu unterscheiden. Als Personenhandelsgesellschaft unterliegt die GmbH & Co. KG weder der Einkommen- noch der Körperschaftsteuer. Vielmehr wird der steuerpflichtige Gewinn der Personenhandelsgesellschaft den Gesellschaftern bzw. Mitunternehmern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) transparent zugerechnet und in Abhängigkeit von deren jeweiliger Rechtsform besteuert.225 Die GmbH & Co. KG ist jedoch in der Regel gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 GewStG) mit der Besonderheit, dass ihr Gewerbeertrag im Gegensatz zur GmbH um einen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro gekürzt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG). Zur Besteuerung der Komplementär-GmbH wird auf die allgemeinen Ausführungen zur Besteuerung der GmbH verwiesen. Der wesentliche Vorteil einer GmbH & Co. KG im Vergleich zu einer Kapitalgesellschaft besteht darin, dass beispielsweise Strom- und Gasverteilungsanlagen im Sinne von Einzelwirtschaftsgütern ertragsteuerlich neutral auf die Gesellschaft übertragen werden können (§ 6 Abs. 5 EStG). Darüber hinaus können Gesellschafter einer GmbH & Co. KG im Vergleich zu den Gesellschaftern einer GmbH bei Erfüllung der einschlägigen Voraussetzungen ihre Refinanzierungskosten von Eigenkapitaleinlagen und Gesellschafterdarlehen als Sonderbetriebsausgaben im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG geltend machen und damit ihre Steuerbelastung reduzieren. Dieser Vorteil macht die GmbH & Co. KG gegenüber einer GmbH beispielsweise für Kommunen als Gesellschafter attraktiver. Seit dem 1. Januar 2022 können insbesondere Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG beim Finanzamt einen Antrag stellen, dass sie wie eine Kapitalgesellschaft besteuert werden (Optionsmodell gemäß § 1a KStG).

224 RGZ 101, 106. 225 Zum Transparenzprinzip vgl. stellvertretend Lüdicke/Sistermann/Lüdicke, § 2 Rn 1. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

c) Aktiengesellschaft 238 Die Aktiengesellschaft (AG) ist eine in einigen Kommunen verbreitete Gesellschafts-

form. Die Aktiengesellschaft besitzt ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (§ 1 Abs. 2 AktG). Die institutionellen Organe sind der Vorstand (§§ 76 ff. AktG), der Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG) und die Hauptversammlung (§ 118 ff. AktG). 239 Die AG wird aufgrund ihrer Satzungsstrenge und der verminderten Möglichkeiten, die kommunalen Ingerenzpflichten zu implementieren, in einigen Gemeindeordnungen nur als subsidiäre Gesellschaftsform zugelassen (Vgl. § 108 Abs. 4 GO NRW; § 103 Abs. 2 GO BW; § 87 Abs. 2 GO Rh-Pf). Sie soll daher zum Zwecke dieses Kapitels nicht weiter vertieft werden.  





VI. Übertragung auf die unterschiedlichen Modelle 1. Betriebsführungs- und Netzpachtmodelle 240 Bei Betriebsführungs- und Netzpachtmodellen wird der Eigenbetrieb oder die kom-

munale Gesellschaft Konzessionsvertragspartnerin der Kommune und erwirbt das Netz von dem bisherigen Konzessionär. Dadurch trägt der Eigenbetrieb bzw. die kommunale Gesellschaft und indirekt die Kommune das Kaufpreisrisiko im Zusammenhang mit dem Netzerwerb. Insbesondere im Fall von Netzpachtmodellen werden die Betriebsrisiken demgegenüber mittels des Pachtvertrages gegen Zahlung eines Pachtentgelts, das dem Eigenbetrieb bzw. der kommunalen Gesellschaft geschuldet wird, auf den Fachpartner als Netzbetreiber übergewälzt. 241 Die Frage nach dem Vorhandensein der kommunalen Leistungsfähigkeit beinhaltet hierbei nicht nur den Kaufpreis für das Netz, sondern auch die aus dem Abschluss des Pachtvertrags resultierenden wirtschaftlichen Verpflichtungen. 242 Die kommunale Leistungsfähigkeit hängt maßgeblich von der Größe und der finanziellen Ausstattung der konkreten Kommune ab.226 Unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit227 bedarf die Zulässigkeit eines Netzkaufs im Einzelfall stets einer besonderen Rechtfertigung, da die Kommune in Betriebsführungsund Netzpachtmodellen das vollständige Risiko des Netzkaufs trägt. Hierbei ist demnach durch die Kommunalaufsicht genau zu prüfen, wie sich nicht nur die aktuelle Haushaltslage, sondern unter Einbeziehung des Netzerwerbs auch die prognostizierte Leistungsfähigkeit der Kommune entwickeln wird. 243 Weiterhin ist im Rahmen der rechtlichen Bewertung die Ausgestaltung der Pachtentgelt-Formel mit einzubeziehen. Erhält der Eigenbetrieb bzw. die kommunale Gesellschaft über die Pachtentgelt-Formel ein risikoloses Pachtentgelt, liegt die An-

226 Wolff, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 5, Rn 34ff. 227 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S 425 ff.  

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B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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nahme eines reinen finanziellen Engagements der Kommune nahe, so dass erhebliche Zweifel bestehen, ob eine zulässige wirtschaftliche Betätigung der Kommune vorliegt.

2. Gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb oder als Dienstleistungsmodell Im Rahmen einer gemeinsamen Gesellschaft der Kommune mit einem privaten Energieversorgungsunternehmen als Gesellschafter stellt sich für die Kommune nach § 108 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW i. V. m. § 107a Abs. 1 GO NRW die kommunalrechtliche Frage, ob mit der Beteiligung an einer gemeinsamen Gesellschaft ein öffentlicher Zweck verfolgt wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die jeweilige Kommune die notwendige Leistungsfähigkeit hat, um sich an einem Netzbetreiber zu beteiligen. Denn unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss die Kommune auch die notwendigen sonstigen Leistungsfähigkeiten, insbesondere das notwendige Know-how vorweisen, um die gesellschaftsrechtliche Beteiligung einzugehen. Bei den netzbetrieblichen Risiken geht es zusätzlich um die fachliche, technische und personelle Leistungskraft der Kommune bezüglich der mit dem Netzbetrieb zusammenhängenden Themenkreise und hier ganz besonders bei der Beurteilung und Steuerung der regulatorischen Rahmenbedingungen. So haben etwa unter dem derzeitigen Regime der Anreizregulierung Netzineffizienzen einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnissituation der Gesellschaft. Gelingt es dem Netzbetreiber nicht, die beeinflussbaren Kostenanteile innerhalb einer Regulierungsperiode abzubauen, ist die Wirtschaftlichkeit des Netzbetriebs gefährdet. Es bedarf also umfangreicher Konzepte und Maßnahmen, um die erforderlichen Effizienzvorgaben umzusetzen. Dazu ist auch ein entsprechendes Know-how erforderlich. Den hohen Investitionskosten der Kommune bei dem Eingehen der Beteiligung steht durch die schwer kalkulierbare Netzentgeltregulierung folglich ein erhebliches Refinanzierungsrisiko gegenüber, das erkannt und bewältigt werden muss. Effizienzgewinne sind aber die wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass sich die kommunale Beteiligung rechnet. Insgesamt erscheint es angesichts dieser Komplexität der Regulierungsvorgaben im Hinblick auf die fachliche, technische und personelle Leistungsfähigkeit von kleineren Kommunen sehr fraglich, ob die Beteiligung an einer Netzbetreiber-Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit steht. Sollte dies nicht der Fall sein, läge keine kommunal-rechtlich zulässige wirtschaftliche Betätigung der Kommune vor.  

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3. Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell Bei der Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell trägt die Kommune im Vergleich 249 zum Betriebsführungs- bzw. Netzpachtmodellmodell, sofern die Kommune nicht bereits

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Netzeigentümerin war, nicht das vollständige Kaufpreisrisiko des Netzes, sondern nur das ihrer Beteiligungsquote entsprechende Risiko. 250 Da der Netzbetrieb durch einen Dritten übernommen wird, erhält die Kommune, je nach der Ausgestaltung der Pachtzins-Formel über die Netzpacht ggf. eine feste Rendite, ohne sich selbst über die Beteiligungsposition hinaus unternehmerisch zu betätigen. Diese unternehmerische, aktive Betätigung bzw., mit dem gesetzlichen Wortlaut gesprochen, das „Führen“ oder „Steuern“ des Unternehmens im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Annahme einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung der Kommune. Um Zweifel darüber zu beseitigen, ob im Einzelfall eine zulässige wirtschaftliche Betätigung der Kommune vorliegt oder nicht, wird eine frühzeitige Abstimmung mit der zuständigen Behörde empfohlen.

4. Stadtwerke-Modell 251 Die vorgenannten Grundsätze gelten in besonderem Maße auch für das Stadtwerke-Mo-

dell, da hier die Kommune sich nicht nur an der Netzsparte, sondern auch an weiteren Geschäftsfeldern beteiligt. Hier ist insgesamt zu prüfen, ob die Kommune die notwendige Leistungsfähigkeit hat, um den Ansprüchen an die Gesellschafterstellung bei einer derartigen Beteiligung gerecht zu werden. 252 Denn neben den bereits beschriebenen netzspezifischen Risiken kommen hier weitere Risiken aus den anderen Geschäftsfeldern hinzu. Im Bereich des Energievertriebs muss etwa die Beschaffungsseite so bewirtschaftet werden, dass die Bezugskonditionen marktfähige Angebote auf der Absatzseite ermöglichen, nicht zuletzt um eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals im Sinne des § 109 Abs. 2 GO NRW erreichen zu können. Hierfür bedarf es eines ausgefeilten Portfoliomanagements, um die Beschaffungs- und Absatzrisiken zu minimieren. Ähnliches gilt für andere Geschäftsfelder, wie etwa die Erzeugung. Insgesamt dürfte es sich vor dem Hintergrund der vielfältigen Risiken empfehlen, derartige Modelle nur gemeinsam mit einem Fachpartner aufzubauen.

5. Kartellrechtlicher Rahmen 253 Aufgrund der Stellung der konzessionsvergebenden Kommune als Wegerechtsmonopolistin haben Kartellbehörden vermehrt Konzessionsvergaben und Kooperations- bzw. Beteiligungsmodelle geprüft. Im Fokus der Kartellbehörden steht hierbei die Frage, ob die Kommunen im Rahmen des Konzessionsvergabe-Verfahrens und besonders im Zusammenhang mit Kooperations- und Beteiligungsmodellen ihre Monopolstellung missbrauchen. 254 Zunächst ist festzuhalten, dass gem. § 46 Abs. 7 EnWG, § 130 Abs. 2 GWB auf diese Fälle das Kartellrecht anwendbar ist, da sich die Kommunen unternehmerisch betätigen. Sie sind gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB marktbeherrschend, da sie auf dem Markt der Konzessionsvergabe ohne Wettbewerber sind. Ihr Verhalten unterfällt damit den kartellrechtliPeschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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chen Beschränkungen gem. §§ 19, 20 GWB.228 Daneben kann in dem Vertragswerk auch eine kartellrechtswidrige Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB gesehen werden.229 Gem. § 19 Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verboten. § 19 Abs. 2 GWB konkretisiert das Vorliegen eines Missbrauchs dahingehend, dass die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb erheblichen Weise ohne sachlichen Grund nicht beeinträchtigt werden dürfen. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn eine Kommune vor der Neuvergabe der Konzession kein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren zur Auswahl eines neuen Konzessionsnehmers durchführt, um auf diese Weise in Ausnutzung ihrer Monopolstellung ein kommunales Stadtwerk zu begünstigen.230 Des Weiteren dürfen von einem marktbeherrschenden Unternehmen gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB keine Leistungen gefordert werden, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb nicht einstellen. Soweit in einem Konzessionsvergabe-Verfahren gegen die Regelungen des Höchstpreisrechts und das Nebenleistungsverbot der KAV verstoßen wird, liegt ein Verstoß gegen die §§ 19 f. GWB vor,231 da rechtstreue Bewerber diskriminiert werden. Der Verstoß gegen die §§ 19 ff. GWB hat zur Folge, dass das gesamte Vertragswerk gem. § 134 BGB nichtig ist. Daneben kommt auch eine Anwendung des § 1 GWB in Betracht.232 Denn die vertragliche Vereinbarung zwischen der Kommune und dem erfolgreichen Bewerber, die eine KAV-widrige Nebenleistung enthält, diskriminiert die Bewerber, die sich rechtstreu verhalten haben. Das Vertragswerk wäre dann ebenfalls gem. § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB nichtig. Zusätzlich droht den Kommunen, die KAV-widrige Leistungen vereinbaren neben der Nichtigkeit des Vertragswerkes eine Untersagungsverfügung der Kartellbehörden

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228 BGH, Urt. v. 11.11.2008 – KZR 43/07 = WuW/E DE-R 2581 ff.; BKartA, Beschl. vom 16.9.2009 (GAG Ahrensburg, B10-11/09), ZNER 2009, 429, 431; Ziffern 17 f. des Gemeinsamen Leitfadens des BKartA und der BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, abgedruckt in ZNER 2011, 153, 154; Kap. B.II.3 des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011, http://www.versorger-bw.de/fileadmin/BENUTZERDATEN/ Bildmaterial/Kartell/Positionspapier_Konzessionsvergabe_final.pdf. 229 Vgl. auch Säcker, ZNER 2005, 270, 271. 230 Vgl. BKartA, Beschl. vom 18.10.2011 – B 10 – 6/11 – Rn 24, wonach hierdurch zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV sowie § 1 GWB gegeben ist, http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/ download/pdf/Missbrauchsaufsicht/B10-06-11.pdf. 231 Ziffer 22 des Gemeinsamen Leitfadens des BKartA und der BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, abgedruckt in ZNER 2011, 153, 155. 232 Ziffer 24 des Gemeinsamen Leitfadens des BKartA und der BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010 m. w. N., abgedruckt in ZNER 2011, 153, 155.  





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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

gem. § 32 ff. GWB und im schlimmsten Fall ein Bußgeldverfahren der Kartellbehörden gem. § 81 GWB, das mit empfindlichen Strafen geahndet werden kann. 259 Auf horizontaler Kooperationsebene hat sich das BKartA mit dem Zusammenschluss Mainova AG/Aschaffenburger Stadtwerke befasst.233 Dieser ist insbesondere interessant, da das BKartA den Zusammenschluss untersagt hat. Sowohl die Mainova als auch die AVG sind durch Kommunen beherrscht. Das BKartA hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass auch kommunale Unternehmen sich weder auf ihre Aufgabe der Daseinsvorsorge noch auf die vermeintlich erschwerten Bedingungen durch die kommunalrechtlichen Sondervorschriften berufen können, um der Zusammenschlusskontrolle zu entgehen.234 Der Zusammenschluss wurde trotz der vorgesehenen niedrigen Beteiligung der Mainova in Höhe von 17,5 % untersagt. Das BKartA führte dazu aus, dass sich  



„der Wettbewerbsbezug der dargelegten ‚Einflussmöglichkeit‘ der Mainova daraus ergibt, dass Mainova und AVG zum Teil in gleichen, zum Teil in vor- und nachgelagerten (Gas-) märkten tätig sind. Die Möglichkeit, über die Beteiligung an der AVG ihre Gasvorlieferantenposition bei der AVG dauerhaft abzusichern und die Erreichung eines wettbewerbslosen Zustandes bei der Belieferung von Letztverbrauchern liegt im unternehmerischen Interesse der Mainova und ist als Beleg für die wettbewerbliche Relevanz des erlangten erheblichen Einflusses der Mainova auf die AVG zu werten.“235 260 In diesem Falle wurde ein Zusammenschluss also trotz verhältnismäßig geringer Betei-

ligung wegen der Einflussnahmemöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters, der räumlichen Nähe beider Versorgungsgebiete und den dadurch abnehmenden Wettbewerb untersagt.

6. Energierechtliche Besonderheiten a) Entflechtung 261 Die energiewirtschaftsrechtlich gebotene Trennung der einzelnen Sparten eines Energieunternehmens gem. §§ 6 ff. EnWG ist auch bei Kooperations- und Beteiligungsmodellen zu beachten. Vor allem im Hinblick auf das Stadtwerke-Modell muss gewährleistet sein, dass die wettbewerblichen Bereiche der Erzeugung und des Vertriebs von dem Netzbereich, soweit gesetzlich bestimmt, entflochten sind, mithin also selbständige Organisationseinheiten als neutrale Plattform für Wettbewerb aller Marktteilnehmer gebildet werden. 262 Rechtliches Unbundling umfasst nur die Trennung hinsichtlich der Rechtsform.236 Die schuldrechtlichen Kooperations-, Betriebsführungs- oder Pachtvereinbarungen berühren die Unbundling-Vorschriften hingegen nicht.237 Ebenso ist eine Kooperation mit  

233 234 235 236 237

BKartA, Beschluss v. 22.7.2004 – B8 – 27/04. BKartA, Beschluss v. 22.7.2004 – B8 – 27/04. BKartA, Beschluss v. 22.7.2004 – B8 – 27/04. De Wyl/Finke, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 4, Rn 107. Tödtmann/Setz, in: Baur/Pritzsche/Simon, Unbundling in der Energiewirtschaft, S. 74. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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sektorenfremden Tätigkeiten wie Wasser, Abwasser, ÖPNV und Telekommunikation unbundlingkonform.238 Hierbei wird jedoch auch das Problem der rechtlichen Entflechtung deutlich, da die bloße Ausgliederung in eine andere Gesellschaft die Unabhängigkeit der Gesellschaft kaum garantieren kann. Daher ist auch hierbei die operationelle Entflechtung zu beachten, wonach den in Tochter- und Schwestergesellschaften ausgegliederten Verteilernetzbetreibern Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit im Sinne des § 7a EnWG gewährleistet werden muss. Der operative Netzbetrieb ist den Gesellschaftern somit von ihren sonstigen Weisungsrechten gegenüber der Geschäftsführung entzogen. Zulässig hingegen ist, dass die Gesellschafter jedenfalls über den Wirtschaftsund Finanzplan beschließen und so der Geschäftsführung zumindest den groben Rahmen in der Kooperationsgesellschaft vorgeben können. Sofern die rechtliche und operationelle Selbstständigkeit der Netzbetreibergesellschaft gewährleistet wird, ist das Stadtwerke-Modell aus entflechtungsrechtlicher Sicht zulässig. Weitere entflechtungsspezifische Probleme können sich auch bei reinen Kapitalbe- 263 teiligungen ergeben, wenn über die Konzernklausel des § 7 Abs. 2 EnWG Kunden der kooperierenden Gesellschaft dem EVU hinzugerechnet werden und somit die 100.000 Kunden-Grenze überschritten wird.239

b) Verfahren nach § 46 EnWG Verfahrensseitig wird die Kommune im Rahmen ihrer Ausschreibung ein förmliches 264 Verfahren zur Konzessionsvergabe gem. § 46 EnWG durchführen und parallel oder in zeitlicher Nähe zu der Konzessionsvergabe ein Beteiligungsmodell ausschreiben. Dabei muss die Kommune die Kriterien für die Konzessionsvergabe so wählen, dass sie sich mit ihrer Vergabe nicht angreifbar macht.240 Zugleich wird sie bei der Wahl des Partners für das Beteiligungsmodell darauf Acht geben, dass dieser Partner die Bedingungen der Konzessionsvergabe erfüllt. Auch auf die Beteiligungsmodelle im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe 265 sind die energiewirtschaftlichen Vorschriften anwendbar, weshalb die Anforderungen des Energiewirtschaftsgesetzes, seiner Verordnungen und der Regulierung zu beachten sind.241

238 BT-Drs. 15/3917 vom 14.10.2004, Gesetzesentwurf – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, S. 51. 239 Vgl. Knauff, in: Kment, § 7 EnWG, Rn 9; Tödtmann/Setz, in: Baur/Pritzsche/Simon, Unbundling in der Energiewirtschaft, S. 74. 240 Siehe hierzu insb. die in Ziffern 21 ff. dargestellten Vergabekriterien und Rahmenbedingungen des Gemeinsamen Leitfadens des BKartA und der BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, abgedruckt in ZNER 2011, 153, 155. Zu den Details der zulässigen Vergabekriterien siehe auch Kapitel 3. 241 So auch Kap. A. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemein 

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Dies bedeutet unter anderem, dass die Kommunen bei der Auswahl einer Kooperations- oder Beteiligungslösung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG an die Ziele des § 1 EnWG, also einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung, gebunden sind.242

c) § 3 KAV im Zusammenhang mit Beteiligungsmodellen aa) Kriterien für eine Drittvergleichsfähigkeit 267 Aufgrund der Anwendbarkeit der energierechtlichen Vorschriften steht bei Kooperations- und Beteiligungsmodellen, die im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe nachgefragt, angeboten und abgeschlossen werden, gerade die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der KAV im Fokus.243 Da das Konzessionsabgabenrecht als gesetzliches Höchstpreisrecht die Möglichkeiten für eine Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität von Angeboten im Zusammenhang mit Konzessionsvergaben strikt begrenzt, müssen alle in diesem Zusammenhang getroffenen Abreden diesen strikten Vorgaben gerecht werden.244 Dabei ist ein weites Verständnis geboten, da anderenfalls das in der KAV statuierte Höchstpreisrecht ausgehöhlt werden könnte.245 Im Kontext der Kooperationsund Beteiligungsmodelle sind folglich insbesondere die Bestimmungen zum Nebenleistungsverbot von besonderer Bedeutung. Mit dem Nebenleistungsverbot nach § 3 Abs. 2 KAV bestimmt der Verordnungsgeber, dass neben den in der KAV ausdrücklich zugelassenen Vereinbarungen andere Leistungen nicht neben oder anstelle der Konzessionsabgabe vereinbart werden dürfen. 268 Sämtliche Vereinbarungen im Rahmen eines Kooperations- oder Beteiligungsmodells sind daher am Maßstab des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV zu messen,246 der besagt, dass sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, konzessionsabgabenrechtlich untersagt sind. Im Fokus der rechtlichen Bewertung stehen dabei die Drittvergleichsfähigkeit und damit die Marktüblichkeit der

den an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 242 Ebenso Kap. B.II.1 des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12. 2011. 243 Zur Anwendbarkeit von § 3 KAV siehe auch Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300, 307. 244 Vgl. im Einzelnen Kapitel 3 sowie Kap. C. des Positionspapiers Konzessionsvergabe des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligung von Gemeinden an Gemeinschaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang mit wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben im Strom- und Gassektor vom 5.12.2011. 245 Feuerborn/Riechmann, § 3 Rn 1. 246 Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300, 307 ff.  

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B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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Kooperations- oder Beteiligungsmodelle. Die Voraussetzungen liegen jedenfalls nicht vor, wenn für ein Modell keine marktgerechten Konditionen vereinbart werden.247 Zunächst ist festzuhalten, dass selbstverständlich alle Angebote, die dem grundsätzlichen gesetzlichen Leitbild entsprechen, den Vorgaben des § 3 KAV entsprechen. Gestalten etwa die Gesellschafter ihre wirtschaftliche Teilhabe an den Chancen und Risiken sowie den gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss, wie z. B. die Verteilung der Stimmrechte oder die Vertretung in den Gesellschaftsorganen entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote, ist dies insoweit nicht zu beanstanden. Je weiter dagegen die Verteilung des Einflusses sowie die Teilhabe an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken von der jeweiligen Beteiligungsquote entkoppelt werden, umso mehr stellt sich die Frage nach den Gründen und der Drittvergleichsfähigkeit. Soweit eine Ableitung nicht direkt aus den gesetzlichen Vorgaben erfolgen kann, stellt sich damit die Frage, wie die Drittvergleichsfähigkeit und damit Marktüblichkeit festgestellt werden kann. Für Beteiligungsmodelle, die im Zusammenhang mit Konzessionsverträgen stehen, kommt es hierbei auf den Markt für Gesellschaftsbeteiligungen als den relevanten Vergleichsmarkt an. Vordergründig erscheint ein Vergleich mit ggf. bereits bestehenden Beteiligungsmodellen in anderen Gebietskörperschaften naheliegend. Allerdings verbleiben auch dort Zweifel, soweit es sich um Modelle handelt, die in anderen Branchen nicht vorzufinden sind. Deshalb sollte eine Marktüblichkeit nur angenommen werden, wenn sich darüber hinaus vergleichbare Gestaltungen am Markt in anderen, aber vergleichbaren Branchen finden lassen. Soweit es um monetäre Aspekte, wie beispielsweise die Höhe der Garantieverzinsung geht, kann eine Marktüblichkeit über öffentlich zugängliche Werte nachgewiesen werden. Einer der transparentesten Nachweise ist dabei eine Notierung am Kapitalmarkt. Aber auch Vorgaben der Regulierungsbehörden, die in monopolistisch geprägten Märkten die Marktmechanismen durch Regulierungsvorgaben ersetzen, sind als marktüblich anzusehen, nicht zuletzt weil sie sich aus den gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Regulierungsvorgaben ableiten.248 Weiterhin ist es möglich, die Marktüblichkeit durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen, wie etwa eines Wirtschaftsprüfers, nachzuweisen. Inwieweit derartige Gutachten allerdings anerkannt werden, ist vom Einzelfall abhängig. Vor dem Hintergrund, dass die Gutachten vom Auftraggeber bezahlt werden, bleibt immer ein Restzweifel ob der damit verbundenen wirtschaftlichen Abhängigkeit des Gutachters von dem Auftraggeber. In jedem Fall untauglich ist der Versuch, die Marktüblichkeit dadurch nachweisen zu wollen, dass in dem konkret zu untersuchenden Fall sämtliche Bieter aufgrund der Vorgabe der Kommune Angebote vorlegen, die sich ansonsten am Markt nicht einstel-

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247 Kermel/Brucker/Baumann/Baumann, S. 216. 248 Siehe etwa §§ 21 Abs. 2, 29 Abs. 1 EnWG; § 7 Abs. 4 bis 6 GasNEV; § 7 Abs. 4 bis 6 StromNEV; § 14 Abs. 2 ARegV. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

len. Denn die Kommune agiert im Rahmen der Vergabe einer Konzession als Wegerechtsmonopolist, so dass die Bieter keine andere Wahl haben, als den Wunsch der Kommune zu erfüllen, da sie ansonsten befürchten müssen, aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Gesetzeswidrige Angebote werden jedoch nicht dadurch üblich, dass alle Bieter von dem Wegerechtsmonopolist gezwungen werden, derartige Angebote abzugeben. Vielmehr bedarf es idealerweise eines Vergleichs mit Angeboten aus anderen Branchen, um die Marktüblichkeit nachweisen zu können.

bb) Exemplarische Einzelfälle 274 Da die Frage der Drittvergleichsfähigkeit und damit Marktüblichkeit von Angeboten nur

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in konkreten Einzelfällen geprüft und nachgewiesen werden kann, ist eine Bewertung der einzelnen Regelungen jenseits ihrer Zuordnung zu einem bestimmten Modell von Bedeutung. Ein beispielhafter Aspekt bei der Analyse der Drittvergleichsfähigkeit und Marktüblichkeit ist die Frage, wie die Gesellschafter die Kapitalaufbringung der gemeinsamen Gesellschaft geregelt haben. Klassischerweise bringen die Gesellschafter beispielsweise gem. § 19 Abs. 1 GmbHG ihr Kapital entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligungsquote auf. Eine Abweichung hiervon bedarf deshalb eines nachvollziehbaren, sachlichen Grundes. Im Ergebnis sind erhebliche Zweifel angebracht, ob disquotale Kapitalaufbringungen marktüblich sind. Das Gesetz geht von einer beteiligungsquotalen Verteilung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus.249 Dies gilt für sämtliche denkbaren Risiken, wie die allgemeinen unternehmerischen Risiken, aber auch die Kaufpreis- und Prozessrisiken im Zusammenhang mit einer ggf. notwendigen Netzübernahme von dem Altkonzessionär. Abweichungen von dem Grundsatz der beteiligungsquotalen Chancen- und Risikoverteilung sind nur unter engen Voraussetzungen und in Abhängigkeit von der gewählten Gesellschaftsform möglich. Dabei ist darauf zu achten, dass der Einfluss mit der gewählten Konstruktion korreliert und eine belastbare rechtliche Grundlage für die Risikofreistellung auf einer zulässigen gesetzlichen, regulatorischen oder vertraglichen Grundlage geschaffen wurde. Ähnliche Prinzipien gelten auch bei den Endschaftsregelungen für die gemeinsame Beteiligung, z. B. für den Fall, dass die gemeinsame Gesellschaft zukünftig keine Konzession mehr erhält oder einer der Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft verlangt. Es ist für die Drittvergleichsfähigkeit auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Marktrollen darauf zu achten, dass die Gesellschafter eine angemessene wirtschaftliche Teilhabe im Rahmen der Auseinandersetzung erhalten. Im Falle einer gemeinsamen Gesellschaft mit Netzbetrieb bedeutet dies, dass die Kommune im Rahmen der Auseinandersetzung die fortgeschriebene Vermögensbasis  

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249 Siehe unter Rn 32. Peschke/Sieven

B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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der Netzeigentümer-Rolle erhält, während dem strategischen Partner das restliche Auseinandersetzungsguthaben, das etwa aus der Marktrolle des Netzbetreibers resultiert, zusteht. Erhält die Kommune eine darüber hinausgehende Abfindung, ist hierfür grundsätzlich keine Rechtfertigung vorhanden. Vielmehr spricht ein derartiger Auseinandersetzungs-Mehrerlös dafür, dass die Kommune bei der Verhandlung und dem Abschluss des Vertragswerks ihre Stellung als Wegerechtsmonopolist ausgenutzt und einen Vorteil erhalten hat, der auf einem Wettbewerbsmarkt nicht üblich ist. Demgegenüber ist in einer gemeinsamen Gesellschaft mit Netzbetrieb die wirt- 280 schaftliche Teilhabe der Kommune auf alle mit dem Netzeigentum und -betrieb verbundenen Erlöse und geschaffenen Werte bezogen. Folglich erhält die Kommune einen beteiligungsquotalen Anteil an dem gesamten Auseinandersetzungserlös. Gleiches gilt für das Stadtwerke-Modell.

cc) Bewertung/Gesamtschau Für die Bewertung der Marktüblichkeit und damit Drittvergleichsfähigkeit im konkre- 281 ten Einzelfall bedarf es einer Gesamtschau der Umstände. Marktunüblich ist ein Modell, bei dem die Kommune über ihre Mehrheitsbeteiligung den wesentlichen operativen Einfluss hat, gleichzeitig aber durch eine Garantiezusage des strategischen Partners von wesentlichen operativen Risiken freigestellt ist. Aber auch eine Garantiezusage allein, die über die gesamte Laufzeit des Vertrages zugunsten der Kommune erteilt wird und die der Kommune eine erheblich über der regulatorisch zugestandenen Verzinsung liegende Rendite zugesteht, ist marktunüblich, da sie das spezifische Risiko eines Netzgeschäfts mit einer zu anderen Branchen vergleichsweise niedrigen Risikostruktur nicht angemessen abbildet.

dd) Rechtsfolgen Im Falle des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 3 KAV ist das gesamte Vertragswerk, 282 einschließlich des Konzessionsvertrages, nichtig.250 Demzufolge besteht kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch gegen den Altkonzessionär auf Übernahme des Netzes. Die Kommune ist vielmehr verpflichtet, das gesamte Konzessionsvergabeverfahren neu aufzurollen. Dies hat im Zusammenhang mit einem Kooperations- oder Beteiligungsmodell auch Ausstrahlwirkung auf die im Rahmen des Modells abgeschlossenen Verträge. Aufgrund des inneren Zusammenhangs zwischen dem Konzessionsvertrag und dem Kooperations- oder Beteiligungsmodell strahlt die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages auch auf die übrigen Verträge aus, so dass sämtliche gewährte Leistungen zurück gewährt werden müssen.

250 So auch Höch/Kalwa, RdE 2010, 364, 364; Rosin/Kemmler/Hermeier, et 2010, 88 91. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

VII. Praxisbeispiele

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1. Netzeigentumsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG Mehrere Kommunen gründen zunächst gemeinsam eine kommunale Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG nebst zugehöriger Verwaltungs-GmbH. Das Ziel dieser interkommunalen Gesellschaft ist die Mehrheitsbeteiligung (51 %) an einer Stromnetzeigentumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gemeinsam mit einem privaten Energieversorgungsunternehmen als strategischer Partner (49 %). Die gemeinsame Netzeigentumsgesellschaft soll Eigentümerin der Stromverteilnetze im Gebiet der jeweiligen Kommune werden und diese an den strategischen Partner verpachten, der als Netzbetreiber den Netzbetrieb übernimmt. Um für die Kommunen gewerbesteuerliche Vorteile aus der Transaktion zu ermöglichen, gründet der strategische Partner zunächst die Netzeigentumsgesellschaft in Form einer Einheits-GmbH & Co. KG, bringt die bisher in seinem Eigentum stehenden Stromverteilnetze gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Netzeigentumsgesellschaft ein und verkauft dann 51 % der Gesellschaftsanteile an der Netzeigentumsgesellschaft an die kommunale Beteiligungsgesellschaft. Gemäß § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, zum Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft. Der ermittelte Gewerbeertrag ist wiederum Grundlage für die Steuererhebung der jeweiligen Sitzkommune des Unternehmens (§ 4 GewStG). Aus Gründen der Rechtssicherheit wird jedoch eine Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden empfohlen. Die Basis für den Kaufpreis der Gesellschaftsanteile ist der kalkulatorische Restwert der Stromverteilnetze (§§ 6, 7 StromNEV) abzüglich noch nicht aufgelöster Baukostenzuschüsse. Dann verpachtet die Netzeigentumsgesellschaft die Stromverteilnetze zum Betrieb und zur Unterhaltung zurück an den strategischen Partner, der als Netztreiber die Netzentgelte von den Anschlussnutzern vereinnahmt und ein Pachtentgelt an die Netzeigentumsgesellschaft zahlt. Zudem wird die durch den Netzbetreiber als Teil der Netzentgelte vereinnahmte Konzessionsabgabe an die Netzeigentumsgesellschaft weitergeleitet, die diese dann in gleicher Höhe an die Kommunen auszahlt. Da der bisherige Netzbetreiber somit trotz des Eigentümerwechsels weiterhin Netzbetreiber der Stromverteilnetze bleibt, kommt es weder zu einer Erlösobergrenzenübertragung nach § 26 Abs. 2 ARegV noch fallen Netztrennungskosten an. Mit Ausnahme der Geschäftsführer verfügt die Netzeigentumsgesellschaft über kein Personal. Vielmehr wird die kaufmännische Betriebsführung, also insbesondere Buchführung, Zahlungsverkehr oder Aufstellung der Jahresabschlüsse, auf Basis eines kaufmännischen Betriebsführungsvertrages durch das Personal des strategischen Partners abgewickelt. In Zusammenhang mit der Kooperation werden die folgenden Verträge abgeschlossen: – Konsortialvertrag  



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B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

– – – – – – – –

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Gesellschaftsvertrag der Beteiligungs-GmbH & Co. KG Gesellschaftsvertrag der Beteiligungs-Verwaltungs-GmbH (Komplementärin) Gesellschaftsvertrag der Netzeigentumsgesellschaft GmbH & Co. KG Gesellschaftsvertrag der Verwaltungs-GmbH (Komplementärin) Einbringungsvertrag betreffend das Stromverteilnetz Kaufmännischer Betriebsführungsvertrag Kauf- und Abtretungsvertrag über Gesellschaftsanteile Pachtvertrag Betrieb/Unterhaltung des Stromverteilnetzes

2. Netzeigentumsgesellschaft mit mehreren Kommunen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (steueroptimiert)

Strategischer Partner/EVU

Kommunen

51%

49%

Netzpachtvertrag

Netzeigentumsgesellschaft

Mehrere Kommunen gründen gemeinsam mit einem regionalen Energieversorgungs- 289 unternehmen eine Strom-Netzeigentumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Die Kommunen als Kommanditisten halten zusammen 51 % an der Gesellschaft, das regionale Energieversorgungsunternehmen als Komplementärin 49 %. Die Gesellschaft wird von zwei Geschäftsleitern geführt, wobei ein Geschäftsleiter von den Kommunen und einer von dem regionalen Energieversorgungsunternehmen bestimmt wurde. Die Netzeigentumsgesellschaft hat die Stromverteilnetze vom regionalen Energieversorgungsunternehmen zu einem Kaufpreis erworben, der sich an der regulierten Vermögensbasis (Regulated Asset Base) orientiert. Die Stromverteilnetze sind wiederum an das regionale Energieversorgungsunternehmen verpachtet, das die Investitionen im Auftrag der Netzeigentumsgesellschaft ausführt. Der Netzbetrieb wird ebenfalls durch das regionale Energieversorgungsunternehmen erbracht. Auf Basis der zwischen der Netzeigentumsgesellschaft und den Kommunen geschlossenen Wegenutznutzungsverträge erhalten die Kommunen wie bisher die Konzessionsabgaben und Gemeinderabatte. Die Kommunen erlangen mit ihrer Gesellschafterstellung unter anderem erstmals Einfluss auf die Investitionen in die Stromverteilnetze sowie deren Finanzierung.  



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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Bei dieser Gesellschaft handelt es sich gesellschaftsrechtlich zwar um eine Personenhandelsgesellschaft. Ertragsteuerlich ist sie jedoch keine Mitunternehmerschaft und gilt daher ertragsteuerlich als nicht existent. Die Kommunen als Kommanditisten haben zwar Mitunternehmerinitiative, aber wegen fehlendem Mitunternehmerrisiko keine Mitunternehmerstellung i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach der Rechtsprechung des BFH ist der zivilrechtliche Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft nur dann Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung in der Personengesellschaft Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.251 Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche Teilhabe am Erfolg und Misserfolg des Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens einschließlich des Geschäftswerts vermittelt.252 Die Kommunen werden als Kommanditisten weder am Gewinn und Verlust noch an den stillen Reserven der GmbH & Co. KG beteiligt. Sie erhalten auf Basis der Regelungen des Gesellschaftsvertrages eine feste Rendite für die jeweilige Regulierungsperiode in Form eines Festzinssatzes auf das von ihnen eingelegte Eigenkapital (Kommanditkapital und Guthaben auf Kapitalkonto II). Veränderungen der von der BNetzA beschlossenen Eigenkapitalzinssätze führen zu einer Anpassung des für den Gewinnanteil der Kommanditisten maßgeblichen Zinssatzes. Im Falle ihres Ausscheidens oder der Liquidation der Gesellschaft erhalten die Kommunen lediglich ihre Einlagen zurück. Das Risiko der Kommunen, ihre Kommanditeinlagen zu verlieren, geht nicht über das Kapitalverlustrisiko eines Darlehensgebers hinaus. Am Mitunternehmerrisiko fehlt es für die Kommanditisten daher gänzlich. Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen.253 Dass die Mitwirkungsrechte der Kommune in der Kommanditgesellschaft über die üblichen Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten (§§ 164, 166 HGB) hinausgehen und ihre Mitunternehmerinitiative damit relativ stark ausgeprägt ist, vermag das fehlende gesellschaftsrechtliche Mitunternehmerrisiko nicht auszugleichen. Die Kommanditbeteiligung der Kommunen an der Kommanditgesellschaft stellt mangels Mitunternehmerschaft für sich keinen Betrieb gewerblicher Art im Sinne von § 4 KStG dar, sondern gehört zu dem bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts steuerlich unbeachtlichen Bereich der Vermögensverwaltung. Bei den Gewinnanteilen bzw. Zinsen handelt es sich deshalb um Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne von  

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251 BFH, Beschluss vom 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); BFH, Urteil vom 25.4.2006 – VIII R 74/ 03, BStBl. II 2006, 595 (596); BFH, Urteil vom 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 zu C. III. 6.a (621); BFH, Urteil vom 22.6.2017 – IV R 42/13. 252 BFH, Urteil vom 16.12.1997 -VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 zu 2. c); BFH, Urteil vom 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183 zu II.1. a); BFH, Urteil vom 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 zu 2. e). 253 BFH, Urteil vom 4.11.1997 – VIII R 18/95, BStBl. II 1999, 384.  



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B. Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Modelle

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§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, sofern die Kommanditbeteiligung nicht zu einem anderen Betrieb gewerblicher Art gehören sollte. Die Gewinnanteile unterliegen nicht der Kapitalertragsteuer, da die Abzugsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt sind. Alleinige mitunternehmerische Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft ist die 295 Komplementärin. Es handelt es sich um eine Ein-Unternehmer-Personengesellschaft. Die Wirtschaftsgüter der Kommanditgesellschaft werden deshalb ertragsteuerlich 296 allein der Komplementärin als einziger mitunternehmerischer Gesellschafterin zugerechnet254. Da die Kommunen als Gesellschafter mit Entscheidungen beispielsweise über Inves- 297 titionen und Finanzierung zwar Mitunternehmerinitiative entfalten, aber aufgrund der Garantierendite und der fehlenden Teilnahme an den stillen Reserven und Lasten der Gesellschaft kein Mitunternehmerrisiko im Sinne des § 15 EStG tragen, ist keine steuerliche Mitunternehmerschaft gegeben. Die Garantierenditen können von den Kommunen somit brutto für netto vereinnahmt werden. Das steuerliche Betriebsvermögen der Netzeigentumsgesellschaft wird steuerlich dem regionalen Energieversorgungsunternehmen als Komplementärin zugerechnet.

VIII. Bewertung der Modelle Modellbezeichnung

Konzessionär Netzeigentümer

Netzbetreiber

Betriebsführer

Risiken

Chancen

Betriebsführungsmodell

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Dienstleister (EVU)

Kaufpreisrisiko für Kommune

Überwälzung von Betriebsrisiken auf strategischen Partner vertraglich möglich

Netzpachtmodell

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Pächter – (temporäre Übernahme Rechte/Pflichten aus Konzessionsvertrag)

Kaufpreisrisiko für Kommune

Überwälzung von Betriebsrisiken auf strategischen Partner vertraglich möglich

Gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

Beteiligungs- – gesellschaft (Kommune/ EVU)

Risiken der Anreizregulierung

Chancen der Anreizregulierung

254 BFH, Urteil vom 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751. Peschke/Sieven

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Modellbezeichnung

Konzessionär Netzeigentümer

Netzbetreiber

Gemeinsame Gesellschaft als Dienstleistungsmodell

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

Netzeigentumsgesellschaft als Pachtmodell

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

StadtwerkeModell

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Betriebsführer

Risiken

Chancen

Beteiligungs- Dienstleister gesellschaft (EVU) (Kommune/ EVU)

Risiken der Anreizregulierung

Chancen der Anreizregulierung

Beteiligungsgesellschaft (Kommune/ EVU)

Pächter – (temporäre Übernahme Rechte/Pflichten aus Konzessionsvertrag)

Risiken aus Chancen aus Netzeigentum Netzeigentum

Stadtwerk/ Eigenbetrieb

Stadtwerk/ Eigenbetrieb



Risiken aus weiteren Geschäftsfeldern als dem Netzbetrieb

Chancen aus weiteren Geschäftsfeldern als dem Netzbetrieb

C. Steuerrechtliche Aspekte I. Einführung 299 Die örtlichen Versorgungsnetze verkörpern mit Blick auf die Konzessionsabgaben für

die lokalen Versorgungsnetze, das Gewerbesteueraufkommen aus der lokalen Tätigkeit der Energieversorgungs- und Netzgesellschaften sowie die Gewinnausschüttungen, die die Gemeinden aus ihren Beteiligungen an Energieversorgungs- oder Netzgesellschaften beziehen können, ein wesentliches Element der kommunalen Wirtschaftspolitik und der kommunalen Selbstfinanzierung. Hierfür ist die Frage, wie der Betrieb der örtlichen Versorgungsnetzte organisiert wird, von essentieller Bedeutung. Neben der Generierung von Einnahmen für den Gemeindehaushalt steht dabei der Wunsch der Gemeinden, auf die Bewirtschaftung der örtlichen Versorgungsnetze strukturell Einfluss nehmen zu können, im Vordergrund. In der Praxis halten die Gemeinden daher auch in Fällen, in denen die örtlichen Versorgungsnetze nicht durch die Gemeinde oder eine von der Gemeinde kontrollierte Gesellschaft bewirtschaftet werden, teilweise eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an den Netzgesellschaften. 300 Die Wahl der Organisationsform für die Bewirtschaftung der örtlichen Versorgungsnetze wird neben den dafür gewählten wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen sowie den mit den verschiedenen Organisations- und Rechtformen verbundenen rechtlichen Erwägungen wesentlich durch steuerliche Aspekte beeinflusst. Auf Marquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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steuerlichem Gebiet ist die Wahl der Rechtsform bzw. der Organisationsform für den Betrieb der örtlichen Versorgungsnetze zunächst für die laufende Besteuerung des Netzbetreibers mit Ertrag- und Umsatzsteuern von Bedeutung. Die ertragsteuerlichen Strukturierungsüberlegungen werden dabei in der Praxis häufig von der Zielsetzung, steuerliche Gewinne aus profitablen unternehmerischen Betätigungen der Kommune mit Verlusten aus defizitären Unternehmen der Gemeinde zu verrechnen (kommunaler Querverbund), geprägt. Falls die örtlichen Versorgungsnetze von einer Netzgesellschaft bewirtschaftet werden und zwischen der die Konzession vergebenden Gemeinde und der Netzgesellschaft ein steuerlich relevantes Näheverhältnis besteht, unterliegen die Konzessionsabgaben zudem den auf die gewählte Rechtsform anwendbaren steuerlichen Korrekturvorschriften für Geschäftsbeziehungen nahestehender Personen. Zuletzt hat die Wahl der Rechts- beziehungsweise Organisationsform für die Bewirtschaftung der örtlichen Versorgungsnetze auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten, den Netzbetreiber zu einem späteren Zeitpunkt auf der Grundlage des Umwandlungssteuerrechts steuerneutral umzustrukturieren.

II. Steuerliche Implikationen der Organisationsform des Netzbetreibers Eine vorgelagerte Frage für die Wahl der Organisationsform des Netzbetreibers liegt in 301 der Entscheidung, ob die Gemeinde die örtlichen Versorgungsnetze im Rahmen eines Eigenbetriebs unmittelbar selbst bewirtschaften oder ob sie eine Konzession für den Betrieb der örtlichen Versorgungsnetze an eine von ihr kontrollierte Netzgesellschaft oder eine von fremden Dritten kontrollierte Netzgesellschaft vergeben möchte. Dabei kommen für die Netzgesellschaft grundsätzlich alle Rechtsformen, die das Privatrecht für Kapitalgesellschaften (Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaft, Societas Europaea, Kommanditgesellschaft auf Aktien) und Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft) vorsieht, in Betracht. Falls die Netzgesellschaft von der Gemeinde errichtet wird, können bei der Wahl der privatrechtlichen Rechtsform der Netzgesellschaft allerdings kommunalrechtliche Restriktionen zu beachten sein.255

1. Die laufende Besteuerung des Netzbetreibers in Abhängigkeit von dessen Rechtsform In Abhängigkeit von der für den Netzbetreiber gewählten Organisations- bzw. Rechts- 302 form erfolgt die laufende Besteuerung des Netzbetreibers nach den Rechtsgrundsätzen,

255 Siehe dazu z. B. § 122 Abs. 3 Hessische Gemeindeordnung, demzufolge die Rechtsform der Aktiengesellschaft nur gewählt werden soll, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt werden kann.  

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

die allgemein für die gewählte Organisations- bzw. Rechtsform gelten. Dies gilt sowohl für die Ertragsteuern wie auch für die Umsatzsteuer.

a) Ertragsteuern 303 In ertragsteuerlicher Hinsicht ist zwischen steuerlich transparenten Personengesell-

schaften, deren Einkünfte auf der Ebene ihrer Gesellschafter der Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer unterliegen, sowie Kapitalgesellschaften und anderen Körperschaften, die selbst Ertragsteuersubjekt sind, zu differenzieren.

aa) Kapitalgesellschaften 304 Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaf-

ten auf Aktien, Societas Europaea und andere Kapitalgesellschaften unterliegen der Körperschaftsteuer. Sie begründen damit in Relation zu ihren Gesellschaftern eine zweite Ebene der Ertragsbesteuerung: Zum einen fällt auf der Ebene der Gesellschaft Körperschaftsteuer und gegebenenfalls Gewerbesteuer auf deren laufende Einkünfte an. Und zum anderen begründet die Ausschüttung der nach den Steuern auf der Gesellschaftsebene verbleibenden Gewinne einen weiteren steuerpflichtigen Vorgang auf der Gesellschafterebene. Zudem stellt die Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft für den veräußernden Gesellschafter eine steuerpflichtige Transaktion dar.

(1) Einzelbesteuerung 305 Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, sind nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich dabei gemäß § 1 Abs. 2 KStG auf die weltweiten Einkünfte der Kapitalgesellschaft. 306 Gemäß § 8 Abs. 2 KStG unterhalten unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform. Ihre sämtlichen Einkünfte sind als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind dabei gemäß § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, soweit das Körperschaftsteuergesetz keine besonderen Vorschriften enthält. Dabei gilt es zu beachten, dass die nach deutschem Recht errichteten Kapitalgesellschaften als Handelsgesellschaften im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB qualifizieren (vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG und § 3 Abs. 1 AktG) und als solche nach Maßgabe der §§ 238, 242 HGB Bücher führen und Abschlüsse erstellen müssen. Auf Grund der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflicht müssen die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe der §§ 4 Abs. 1 Satz, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG im Wege des Betriebsvermögensvergleichs ermitteln. Nach dem Maßgeblichkeitsprinzip bildet dabei die Handelsbilanz die Grundlage für die

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C. Steuerrechtliche Aspekte

steuerliche Gewinnermittlung, soweit das Steuerrecht nicht abweichende Vorgaben für die Gewinnermittlung enthält. Die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer ist gemäß § 7 Abs. 1 KStG das 307 zu versteuernde Einkommen. Dieses ist ausweislich § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, soweit das Körperschaftsteuergesetz nicht besondere Vorschriften enthält. Auf das zu versteuernde Einkommen wird gemäß § 23 Abs. 1 KStG die Körperschaftsteuer in Höhe des pauschalen Tarifs von 15 % erhoben. Zudem fällt gemäß den §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 3 SolZG ein Solidaritätszuschlag zu der Körperschaftsteuer an. Der Solidaritätszuschlag beträgt gemäß den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Satz 1 SolZG 5,5 % der festgesetzten Körperschaftsteuer. Hieraus resultiert eine Gesamtbelastung der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 15,825 % des zu versteuernden Einkommens. Neben der Körperschaftsteuer unterhalten die Kapitalgesellschaften nach Maßgabe 308 von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform. Die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften unterliegen deshalb unabhängig von dem Gegenstand ihrer Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG auch der Gewerbesteuer, soweit das Unternehmen im Inland betrieben wird. Dies ist gemäß § 2 Satz 3 GewStG der Fall, soweit die Kapitalgesellschaft hierfür im Inland eine Betriebsstätte unterhält. Dabei gilt, dass nach Maßgabe von § 12 Satz 2 Nr. 1 AO unter anderem die Stätte der Geschäftsleitung eine Betriebsstätte verkörpert. Wenn eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung am inländischen Sitz unterhält, resultiert die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft somit bereits aus dieser Betriebsstätte. Die Ausgangsgröße für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteu- 309 er bildet der Gewerbeertrag. Dabei handelt es sich gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG um den nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes ermittelten Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der um die gewerbesteuerspezifischen Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG erhöht und um die gewerbesteuerspezifischen Kürzungen gemäß § 9 GewStG reduziert wird. Aus dem auf volle 100 Euro nach unten abgerundeten Gewerbeertrag wird gemäß § 11 Abs. 1 und 2 GewStG durch Multiplikation mit der Steuermesszahl in Höhe von 3,5 % der Steuermessbetrag abgeleitet. Dieser Steuermessbetrag markiert die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer, auf die nach § 16 Abs. 1 GewStG der Hebesatz der hebeberechtigten Gemeinde Anwendung findet. Unterhält der Unternehmer für seinen Gewerbebetrieb Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden, erfolgt eine Zerlegung des Steuermessbetrags in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile nach Maßgabe der §§ 28 ff. GewStG. In diesem Fall findet der Hebesatz der jeweiligen Gemeinde auf den jeweiligen Zerlegungsanteil der betreffenden Gemeinde an dem Steuermessbetrag Anwendung. Der Hebesatz beträgt gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG 200 %, wenn die Gemeinde nicht einen höheren Hebesatz bestimmt hat. In der Praxis liegt der Hebesatz der Gemeinden zumeist in der Größenordnung von etwas unterhalb von 400 % bis etwas unterhalb von 500 %. Ein Hebesatz von 400 % entspricht dabei zurückgerechnet über die Steuermesszahl von 3,5 %  















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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

einem Steuersatz von 14 % bezogen auf den Gewerbeertrag. Zusammen mit der Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 15,825 % ergibt sich daraus eine Gesamtsteuerbelastung in der Größenordnung von ungefähr 30 %. 310 Kapitalgesellschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, sind gemäß § 2 Nr. 1 KStG in der Bundesrepublik Deutschland nur mit ihren inländischen Einkünften im Sinne von § 49 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Anders als im Fall der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gilt mithin nicht das Welteinkommensprinzip, sondern es werden nur die in Deutschland erzielten inländischen Einkünfte besteuert. Zu den inländischen Einkünften zählen dabei gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Wenn die beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft einen Gewerbebetrieb mittels einer inländischen Betriebsstätte unterhält, sind zugleich die Voraussetzungen der Gewerbesteuerpflicht aus § 2 Abs. 1 GewStG erfüllt. In dieser Konstellation unterliegt die beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft mithin ebenfalls der Doppelbelastung aus Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. 311 Einen Hybridstatus im Ertragsteuerrecht nimmt die Kommanditgesellschaft auf Aktien ein. Im Ausgangspunkt wird die Kommanditgesellschaft auf Aktien entsprechend ihrem gesellschaftsrechtlichen Charakter als Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für ertragsteuerliche Zwecke als Körperschaftsteuersubjekt qualifiziert. Der auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinnanteil wird allerdings nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG von dem der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommen der Kommanditgesellschaft auf Aktien abgesetzt und auf der Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb wie ein Gewinnanteil aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft berücksichtigt. Für die Zwecke der Gewerbesteuer wird der im Rahmen der Körperschaftsteuer abgezogene Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters gemäß § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewerbeertrag der Kommanditgesellschaft wieder hinzugerechnet, sodass sowohl der auf die Kommanditaktien entfallende Gewerbeertrag wie auch der auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewerbeertrag auf der Ebene der Kommanditgesellschaft auf Aktien der Gewerbesteuer unterliegt. Im Gegenzug wird der auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinnanteil nach § 9 Nr. 2b GewStG aus dem Gewerbeertrag des persönlich haftenden Gesellschafters gekürzt, falls dieser Gewerbesteuersubjekt ist. In der Gesamtschau dieser Regularien weist die Kommanditgesellschaft auf Aktien für ertragsteuerliche Zwecke einen Hybridstatus auf, bei dem der auf die Kommanditaktien entfallende Anteil am Gewinn nach Kapitalgesellschaftsgrundsätzen (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf der Ebene der Kommanditgesellschaft auf Aktien) und der auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Anteil am Gewinn nach Personengesellschaftsgrundsätzen (Gewerbesteuer auf der Ebene der Kommanditgesellschaft auf Aktien und Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer auf der Ebene des persön 





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C. Steuerrechtliche Aspekte

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lich haftenden Gesellschafters bzw. dessen direkten oder indirekten Gesellschafters) besteuert wird.

(2) Gruppenbesteuerung Mit der Organschaft nach Maßgabe der §§ 14 ff. KStG sieht das Körperschaft- und Ge- 312 werbesteuerrecht die Möglichkeit einer Gruppenbesteuerung für Kapitalgesellschaften als Organgesellschaften vor. Im Fall der Organschaft ist das Einkommen dem Organträger für Zwecke der Kör- 313 perschaftsteuer nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnen. Zudem gilt die Organgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG für Zwecke der Gewerbesteuer als Betriebsstätte des Organträgers. Dies hat zur Folge, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Organgesellschaft bzw. der Gewerbeertrag der Organgesellschaft dem Organträger für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer unmittelbar zugerechnet und dort mit dem Einkommen bzw. Gewerbeertrag des Organträgers oder, im Fall eines mehr als eine Organgesellschaft umfassenden Organkreises, des übrigen Organkreises verrechnet werden. Dies ermöglicht die Saldierung der laufenden Gewinne und der laufenden Verluste sämtlicher Mitglieder des Organkreises, die im Fall der Einzelbesteuerung nicht möglich wäre. Zudem können auf diese Weise laufende Gewinne der Organgesellschaften mit den vororganschaftlichen Verlustvorträgen des Organträgers verrechnet werden, während eine Verrechnung von vororganschaftlichen Verlustvorträgen der Organgesellschaft während der Dauer der Organschaft nicht möglich ist. Zuletzt bietet die Organschaft den Vorteil, dass durch die Zurechnung des Einkommens bzw. des Gewerbeertrags der Organgesellschaft zum Organträger in Bezug auf die während der Dauer der Organschaft abgeführten Gewinne des Organträgers keine Besteuerung von Gewinnausschüttungen erfolgt. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ertragsteuerlichen Organschaft mit ei- 314 ner Societas Europaea, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien als Organgesellschaft sind in den §§ 14 bis 16 KStG geregelt. Auf Seiten der Organgesellschaft setzt die Organschaft nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG voraus, dass die als Organgesellschaft anzubindende Societas Europaea, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ihre Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens hat. Der Organträger kann gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG eine natürliche Person, eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft oder eine Personengesellschaft, die eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt, sein. Zudem muss die Organgesellschaft während der Dauer der Organschaft durchgängig nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG in den Organträger finanziell eingegliedert sein. Dafür muss der Organträger während jedes Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, für das die Organschaft Anwendung finden soll, ununterbrochen in einem solchen Maß, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrecht zusteht, an der Organgesellschaft beteiligt sein. Dabei muss die die finanzielle Eingliederung ver 

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

mittelnde Beteiligung auf der Ebene des Organträgers ununterbrochen einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sein. Zuletzt muss zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft für das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft, für das die Organschaft zum Tragen kommen soll, ein Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG, nach dem die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Organträger abzuführen hat, bestehen. Nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG muss der Gewinnabführungsvertrag für mindestens fünf Jahre fest abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer ordnungsgemäß durchgeführt werden. 315 Sind die Voraussetzungen für die Organschaft aus § 14 Abs. 1 KStG vollständig erfüllt, wird das Einkommen der Organgesellschaft in dem betreffenden Kalenderjahr dem Organträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zugerechnet. In Abhängigkeit von der Rechtsform des Organträgers unterliegt das Einkommen der Organgesellschaft mithin auf der Ebene des Organträgers oder, falls es sich bei diesem um eine Organgesellschaft eines anderen Organträgers oder eine Personengesellschaft handelt, auf der Ebene dessen Organträgers bzw. dessen Gesellschafter der Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer. Das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft wird dabei auf der Ebene der Organgesellschaft ermittelt und gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG gegenüber der Organgesellschaft und dem Organträger gesondert und einheitlich festgestellt. Zudem gilt die Organgesellschaft nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG für Zwecke der Gewerbesteuer als Betriebsstätte des Organträgers. Der von der Organgesellschaft generierte Gewerbeertrag oder Gewerbeverlust geht mithin in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage des Organträgers mit ein. Im Gegensatz zu dem körperschaftsteuerlichen Einkommen der Organgesellschaft erfolgt insoweit allerdings keine gesonderte Ermittlung des Gewerbeertrags oder Gewerbeverlustes der Organgesellschaft, sondern die Geschäftsvorfälle der Organgesellschaft werden unmittelbar und ungeteilt in dem Gewerbeertrag des Organträgers erfasst. 316 Verfügt die Organgesellschaft über nicht in den Konzern des Organträgers eingegliederte außenstehende Aktionäre, muss der Gewinnabführungsvertrag nach Maßgabe von § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG zugunsten der außenstehenden Aktionäre eine auf deren Anteil am Grundkapital bezogene wiederkehrende Ausgleichszahlung vorsehen. Ein Gewinnabführungsvertrag, der keine solche Ausgleichszahlung zugunsten der außenstehenden Aktionäre vorsieht, obwohl die Organgesellschaft beim Abschluss des Gewinnabführungsvertrags außenstehende Aktionäre hat, ist gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG nichtig. Weil die Organschaft gemäß § 14 Abs. 1 KStG einen wirksamen Gewinnabführungsvertrag erfordert, kann ein solcher nichtiger Ergebnisabführungsvertrag die Wirkungen der Organschaft nicht herbeiführen. 317 Treten der Organgesellschaft erst nach Abschluss des Gewinnabführungsvertrags außenstehende Aktionäre bei, endet der Gewinnabführungsvertrag nach § 307 AktG kraft Gesetzes zum Ende des Geschäftsjahres der Organgesellschaft, in dem der außenstehende Aktionär eingetreten ist. Ein etwaiger neuer Gewinnabführungsvertrag müsste sodann unter Beachtung der Verpflichtung zur Vereinbarung einer Ausgleichszahlung zugunsten der außenstehenden Aktionäre aus § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG abgeMarquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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schlossen werden. Ausgleichszahlungen an außenstehende Aktionäre erhöhen unabhängig davon, ob die Ausgleichszahlung nach dem Gewinnabführungsvertrag von der Organgesellschaft oder dem Organträger geleistet wird, gemäß § 16 KStG in Höhe von 20/17 der geleisteten Ausgleichszahlungen das von der Organgesellschaft selbst zu versteuernde Einkommen. Weicht der in der Steuerbilanz der Organgesellschaft für ein von der Organschaft 318 erfasstes Wirtschaftsjahr ausgewiesene Gewinn oder Verlust von dem in der Handelsbilanz der Organgesellschaft für das betreffende Geschäftsjahr ausgewiesenen Gewinn oder Verlust, der nach dem Gewinnabführungsvertrag an den Organträger abzuführen oder von diesem auszugleichen ist, ab, kommt es zu einer steuerlichen Mehr- oder Minderabführung im Sinne von § 14 Abs. 3 und Abs. 4 KStG. Die steuerlichen Rechtsfolgen solcher Mehr- oder Minderabführungen hängen davon ab, ob die betreffende Mehroder Minderabführung ihre Ursache in einem vororganschaftlichen Sachverhalt oder in dem Zeitraum der Organschaft hat. Für steuerliche Zwecke werden vororganschaftliche Mehrabführungen als verdeckte Gewinnausschüttungen und vororganschaftliche Minderabführungen als verdeckte Einlagen behandelt. Für Minder- und Mehrabführungen aus der Zeit der Organschaft ist hingegen in der Steuerbilanz des Organträgers ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Fall der Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu Lasten bzw. zu Gunsten des Veräußerungsgewinns aufzulösen ist. Im Fall von organschaftlichen Minderabführungen reduziert sich dadurch der Veräußerungsgewinn des Organträgers und im Fall von organschaftlichen Mehrabführungen erhöht sich der Veräußerungsgewinn des Organträgers. Die Organschaft mit anderen als Organgesellschaft einzubindenden Kapitalgesell- 319 schaften als solchen, die die Rechtform einer Societas Europaea, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien haben, ist in § 17 KStG normiert. Auch diesbezüglich gilt, dass nur eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des EWR-Abkommens Organgesellschaft sein kann. Während die rechtlichen Wirkungen der Organschaft mit einer solchen Organgesellschaft denjenigen der Organschaft mit einer Societas Europaea, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien als Organgesellschaft entsprechen, stellt § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG neben den aus den §§ 14 bis 16 KStG zu übernehmenden Voraussetzungen für die Organschaft weitere Anforderungen an den Gewinnabführungsvertrag. Dies hat den Hintergrund, dass nur das Aktienkonzernrecht gesetzlich kodifiziert ist und es an konzernrechtlichen Regelungen für Gesellschaften, die nicht dem Aktienrecht unterliegen, fehlt. In der Sache entsprechen die inhaltlichen Anforderungen, die § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG an den Gewinnabführungsführungsvertrag mit einer nicht dem Aktienkonzernrecht unterliegenden Organgesellschaft stellt, dem gesetzlichen Leitbild eines Gewinnabführungsvertrages mit einer Aktiengesellschaft als abhängiger Gesellschaft. Denn für die steuerliche Anerkennung der Organschaft mit einer anderen Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft sieht § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG vor, dass die nach dem Gewinnabführungsvertrag vorzunehmende Gewinnabführung den Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreiten darf und dass in dem Gewinnabführungsvertrag eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart werden muss.

(3) Verlustverrechnung im Querverbund 320 Der konzeptionelle Ansatz des Körperschaft- und Gewerbesteuerrechts, unbeschränkt

körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften als einen einheitlichen Gewerbebetrieb zu behandeln, eröffnet im Ausgangspunkt die Möglichkeit, profitable und defizitäre Tätigkeiten zur Reduzierung der Ertragsteuerbelastung in einer Kapitalgesellschaft zusammenzufassen. Denn nach den körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Vorschriften zur Ermittlung der jeweiligen Bemessungsgrundlage reflektiert das zu versteuernde Einkommen bzw. der Gewerbeertrag der Kapitalgesellschaft den saldierten Reingewinn oder -verlust aus der profitablen und der defizitären Tätigkeit. Von dieser Verlustverrechnungsmöglichkeit machen Gemeinden in der Praxis häufig Gebrauch, indem im Rahmen des kommunalen Querverbunds strukturell defizitäre Tätigkeiten mit strukturell profitablen Tätigkeiten in einer von der Gemeinde kontrollierten Kapitalgesellschaft gebündelt werden. Dabei können in dem öffentlich-rechtlich zulässigen Rahmen grundsätzlich auch wirtschaftlich defizitäre Aufgaben aus dem hoheitlichen Bereich auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden. 321 Wenn zu den Tätigkeiten einer Kapitalgesellschaft ein Dauerverlustgeschäft im Sinne von § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG gehört, wird die Verlustverrechnung zwischen den verschiedenen Tätigkeiten der Kapitalgesellschaft nach Maßgabe von § 8 Abs. 9 KStG begrenzt. Nach Maßgabe der Legaldefinition in § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG liegt ein Dauerverlustgeschäft vor, wenn eine wirtschaftliche Betätigung aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder wenn ein Geschäft einer von juristischen Personen des öffentlichen Rechts kontrollierten Kapitalgesellschaft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört. 322 In Zeiträumen, in denen eine von juristischen Personen des öffentlichen Rechts kontrollierte Kapitalgesellschaft ein Dauerverlustgeschäft im Sinne von § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG ausübt, unterliegt die Kapitalgesellschaft den Verlustverrechnungsbeschränkungen gemäß § 8 Abs. 9 KStG. Zur Anwendung dieser Verlustverrechnungsbeschränkungen sind die verschiedenen Tätigkeiten nach Maßgabe von § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG in Sparten aufzuteilen. Dabei bildet jedes Dauerverlustgeschäft, das Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören würde, gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG eine gesonderte Sparte. Tätigkeiten, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts einen nach Maßgabe von § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammenfassbaren Betrieb gewerblicher Art verkörpern würden, sowie Dauerverlustgeschäfte, die keinen hoheitlichen Charakter im Sinne von § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG aufweisen, bilden nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG ebenfalls jeweils eine gesonderte Sparte, wobei jedoch jeweils alle Tätigkeiten, die bei einer juristischen Person des Marquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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öffentlich Rechts nach Maßgabe von § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zu einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst werden könnten, zu einer einheitlichen Sparte zusammenzufassen sind. Alle übrigen Tätigkeiten der Kapitalgesellschaft, das heißt alle Tätigkeiten, die weder ein Dauerverlustgeschäft verkörpern noch bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Betrieb gewerblicher Art zu qualifizieren wären, werden in einer einheitlicher Sparte zusammengefasst. Für jede der so gebildeten Sparten der Kapitalgesellschaft ist der Gesamtbetrag der 323 Einkünfte gemäß § 8 Abs. 9 Satz 2 KStG getrennt zu ermitteln. Dabei darf ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte nach Maßgabe von § 8 Abs. 9 Satz 4 KStG nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte verrechnet werden. Im Ergebnis unterliegt eine von juristischen Personen des öffentlichen Rechts kontrollierte Kapitalgesellschaft damit denselben Beschränkungen bei der Verrechnung der laufenden Verluste aus ihren verschiedenen Tätigkeiten, die auch zum Tragen kommen würden, wenn diese Tätigkeiten von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts selbst ausgeübt würden. Denn auf der Ebene der Kapitalgesellschaft können nur solche profitablen und defizitären Tätigkeiten zu einer die Verlustverrechnung ermöglichenden Sparte zusammengefasst werden, die auch auf der Ebene der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art zusammengefasst werden können. Dadurch wird verhindert, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts durch die Auslagerung von Tätigkeiten auf von ihnen kontrollierte Kapitalgesellschaften einen Vorteil bezüglich der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verschaffen.

(4) Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter Neben der Besteuerung der laufenden Gewinne der Kapitalgesellschaft auf der Ebene 324 der Kapitalgesellschaft mit Körperschaft- und Gewerbesteuer führen auch die Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter zu steuerpflichtigen Einkünften der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Bei Kapitalgesellschaften erfolgt mithin grundsätzlich eine zweistufige Besteuerung des von der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Substrats. Anders verhält es sich nur dann, wenn und soweit die Gewinne der Kapitalgesellschaft nicht ausgeschüttet, sondern auf der Grundlage eines Gewinnabführungsvertrags abgeführt werden und in Bezug auf den Gewinnabführungsvertrag die Voraussetzungen der Organschaft aus den §§ 14 ff. KStG erfüllt sind. Die Steuerfolgen von Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften auf der Ebe- 325 ne deren Gesellschafter hängen davon ab, welche Rechtsform der jeweilige Gesellschafter hat und ob der jeweilige Gesellschafter seine Anteile an der Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen hält. Wenn die Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft nicht bereits den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Gesellschafters erhöht, liegen jedenfalls Einkünfte aus Kapitalvermögen des Gesellschafters im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Im Fall beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter führt dabei nach Maßgabe von § 20 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) lit. aa) EStG bereits der Umstand, dass die Kapi 

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

talgesellschaft ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat, zu im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht steuerpflichtigen inländischen Einkünften. 326 Die steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen sind von der Rückgewähr von Einlagen, die der Gesellschafter erfolgsneutral von den Anschaffungskosten seiner Anteile an der Kapitalgesellschaft abzusetzen hat und die nur im Fall der Überschreitung der Anschaffungskosten zu steuerpflichtigen Einkünften führen kann, zu unterscheiden. Ob eine Leistung der Gesellschaft an ihre Gesellschafter für steuerliche Zwecke als Gewinnausschüttung oder als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist, bemisst sich nach dem in § 27 Abs. 1 KStG festgelegten Mechanismus rund um das steuerliche Einlagenkonto der Kapitalgesellschaft. Dieser Mechanismus sieht vor, dass für die steuerliche Qualifizierung von Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Wirtschaftsjahres das in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ausgewiesene Eigenkapital sowie der Stand des steuerlichen Einlagenkontos der Kapitalgesellschaft zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres maßgeblich sind. 327 Zu diesem Zweck wird das in der Steuerbilanz zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ausgewiesene Eigenkapital in einen durch Einlagen aufgebrachten Teilbetrag und einen aus nicht ausgeschütteten Gewinnen gespeisten Teilbetrag aufgeteilt. Hierfür werden die von der Kapitalgesellschaft erhaltenen Einlagen abzüglich der an die Gesellschafter zurückgewährten Einlagen auf dem steuerlichen Einlagenkonto gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG laufend fortgeschrieben und zum Ende jedes Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft gesondert festgestellt. Ausgehend von dem steuerlichen Einlagenkonto wird der ausschüttbare Gewinn der Kapitalgesellschaft zum Ende des Wirtschaftsjahres ermittelt, indem gemäß § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG von dem in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft zum Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres ausgewiesenen Eigenkapital der Betrag des gezeichneten Kapital und der Bestand des steuerlichen Einlagenkontos zu diesem Zeitpunkt abgezogen werden. Falls die Kapitalgesellschaft danach zum Ende eines Wirtschaftsjahres einen ausschüttbaren Gewinn aufweist, gelten die Leistungen der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter in dem nächsten Wirtschaftsjahr nach Maßgabe von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG bis zur vollständigen Ausschüttung dieses ausschüttbaren Gewinns als Gewinnausschüttung. Erst nach vollständiger Ausschüttung des ausschüttbaren Gewinns liegt eine steuerfreie Einlagenrückgewähr vor. Ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagenkonto ist nur im Fall der Rückzahlung von Nennkapital im Rahmen einer Kapitalherabsetzung möglich. 328 Wenn und soweit die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter danach als Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist, führt diese auf der Ebene der Gesellschafter zu steuerpflichtigen Einkünften. Diese steuerpflichtigen Einkünfte der Gesellschafter unterliegen nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 1a EStG dem Steuerabzug im Rahmen der Kapitalertragsteuer. Ob die Kapitalgesellschaft oder das Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut bzw. das inländische Wertpapierinstitut, das die Anteile an der Kapitalgesellschaft verwahrt oder verwaltet und die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt, die Kapitalertragsteuer einzubehalten hat, hängt davon ab, ob die Anteile an der Kapitalgesellschaft gemäß § 5 des DepotG zur Sammelverwahrung Marquardt

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C. Steuerrechtliche Aspekte

durch eine Wertpapiersammelbank zugelassen sind und dieser zur Sammelverwahrung im Inland anvertraut wurden, ob die Anteile der Sonderverwahrung gemäß § 2 Satz 1 DepotG unterliegen oder ob die Ausschüttung gegen Aushändigung von Dividendenscheinen oder sonstigen Erträgnisscheinen ausgezahlt oder gutgeschrieben wird. Vorbehaltlich einer persönlichen Entlastungsberechtigung des jeweiligen Gesellschafters beträgt die Kapitalertragsteuer gemäß § 43a Abs. 1 Satz Nr. 1 EStG grundsätzlich 25 % des Kapitalertrags. Zusammen mit dem Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der Kapitalertragsteuer beläuft sich der im Regelfall vorzunehmende Steuereinbehalt mithin auf 26,375 % des Betrags der steuerpflichtigen Ausschüttung.256 Soweit die Kapitalertragsteuer nicht Abgeltungswirkung für die Einkommensteuer 329 bzw. Körperschaftsteuer des Gesellschafters hat, wird die einbehaltene Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag im Rahmen des Veranlagungsverfahrens des Gesellschafters auf die festzusetzende Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag angerechnet. In Abhängigkeit von der Rechtsform des jeweiligen Gesellschafters führt die Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft zu folgender Steuerbelastung auf der Ebene des Gesellschafters: – Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die das für die Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs notwendige Beteiligungserfordernis aus § 8b Abs. 4 KStG (Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft in Höhe von mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals) in dem maßgeblichen Kalenderjahr erfüllen, ist die Gewinnausschüttung nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 und 5 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer zu 95 % steuerfrei. Soweit die ausschüttende Kapitalgesellschaft von der Ausschüttung Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat, wird diese im Rahmen des Veranlagungsverfahrens gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG auf die festzusetzende Körperschaftsteuer angerechnet und gegebenenfalls erstattet. Für die Zwecke der Gewerbesteuer wird das Schachtelprivileg nach Maßgabe von § 9 Nr. 2a GewStG in Verbindung mit § 8 Nr. 5 GewStG nur gewährt, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft zu Beginn des maßgeblichen Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. – Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die das für die Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs notwendige Beteiligungserfordernis aus § 8b Abs. 4 KStG nicht erfüllen, unterliegt die Gewinnausschüttung in voller Höhe der Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Die von der Ausschüttung einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer wird dabei ebenfalls im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zur Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG auf die festzusetzende Körperschaftsteuer angerechnet und gegebenenfalls erstattet.  











256 Bei natürlichen Personen als Gesellschaftern kann zudem zusätzlich die Kirchensteuer zu berücksichtigen sein. Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Bei Personengesellschaften, die eine gewerbliche Tätigkeit ausüben oder auf Grund gewerblicher Prägung gewerbliche Einkünfte erzielen, hängt die Besteuerung der von der Personengesellschaft bezogenen Gewinnausschüttungen sowohl für Zwecke der Körperschaftssteuer als auch der Gewerbesteuer von den an der Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmern ab. Soweit an der Personengesellschaft Kapitalgesellschaften, die das Beteiligungsquorum für das Schachtelprivileg aus § 8b Abs. 4 KStG erfüllen, beteiligt sind, findet nach Maßgabe von § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG die 95 %-ige Steuerbefreiung der Gewinnausschüttung aus § 8b Abs. 1 und 5 KStG Anwendung. Entsprechendes gilt gemäß § 7 Satz 4 GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer. Das vorstehend dargestellte Besteuerungsregime für Kapitalgesellschaften kommt auch zum Tragen, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts über einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne von § 4 Abs. 1 KStG an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Da der Betrieb gewerblicher Art nach Maßgabe von § 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, ist die Körperschaftsteuer gemäß § 25 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG im Veranlagungsverfahren festzusetzen. Im Zuge des Veranlagungsverfahrens findet § 8b Abs. 1 bis 6 KStG Anwendung und eine etwaige Kapitalertragsteuer wird auf die festzusetzende Körperschaftsteuer angerechnet. Wenn eine Gemeinde oder eine andere Gebietskörperschaft, die nach Maßgabe der §§ 1 und 2 KStG nur beschränkt steuerpflichtig ist, eine Gewinnausschüttung von einer Kapitalgesellschaft erhält, treten hingegen andere Steuerfolgen ein. Auf Grund der beschränkten Steuerpflicht ist für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die die Gebietskörperschaft aus der Gewinnausschüttung bezieht, kein Veranlagungsverfahren durchzuführen. Das Schachtelprivileg aus § 8b KStG gelangt daher unabhängig von dem Beteiligungsquorum nicht zur Anwendung. Vielmehr hat die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nach Maßgabe von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG Abgeltungswirkung für die Körperschaftsteuer.  





(5) Veräußerungsgewinne der Gesellschafter 330 Die steuerliche Behandlung des Veräußerungsgewinns, den die Gesellschafter einer Ka-

pitalgesellschaft aus der Veräußerung ihrer Anteile an der Kapitalgesellschaft erzielen, richtet sich nach der Rechtsform und dem steuerlichen Status des jeweiligen Gesellschafters: – Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften ist der Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer anderen Kapitalgesellschaft unabhängig von dem Quorum der gehaltenen Beteiligung im Rahmen des Schachtelprivilegs nach Maßgabe von § 8b Abs. 2 und 3 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer zu 95 % steuerfrei. Die 95 %-ige Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns aus § 8b Abs. 2 und 3 KStG schlägt gemäß § 7 Satz 1 GewSt auch auf die Gewerbesteuer durch, da es diesbezüglich an einer die 95 %-ige Steuerbefreiung revidierenden gewerbesteu 





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C. Steuerrechtliche Aspekte



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erlichen Hinzurechnungsvorschrift fehlt. Falls die veräußerten Anteile von einer die Kapitalerträge auszahlenden Stelle im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG (inländisches Kreditinstitut, inländisches Finanzdienstleistungsinstitut, inländisches Wertpapierhandelsunternehmen oder inländische Wertpapierhandelsbank) verwahrt worden sind und diese von dem Veräußerungsgewinn Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat, wird die Kapitalertragsteuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG auf die festzusetzende Körperschaftsteuer angerechnet und gegebenenfalls erstattet. Bei Personengesellschaften, die eine gewerbliche Tätigkeit ausüben oder auf Grund gewerblicher Prägung gewerbliche Einkünfte erzielen, richtet sich die Besteuerung des von der Personengesellschaft erzielten Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sowohl für Zwecke der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer nach den an der Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmern. Soweit an der Personengesellschaft Kapitalgesellschaften beteiligt sind, gelangt nach Maßgabe von § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG bzw. § 7 Satz 4 GewStG die 95 %-ige Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns aus § 8b Abs. 2 und 3 KStG zur Anwendung. Wenn ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne von § 4 Abs. 1 KStG einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert, gelangt das vorstehend dargestellte Besteuerungsregime für Kapitalgesellschaften mit der 95 %-igen Steuerbefreiung im Rahmen des Schachtelprivilegs zur Anwendung. Bei Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften, die nach Maßgabe der §§ 1 und 2 KStG nur beschränkt steuerpflichtig sind, wird der Veräußerungsgewinn im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 Nr. 2, 1. Hs. KStG nur dann besteuert, wenn der Veräußerungsgewinn inländische Einkünfte verkörpert und ganz oder teilweise dem Steuereinbehalt unterliegt. Ein Kapitalertragsteuereinbehalt von Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfolgt indes nur dann, wenn die veräußerten Anteile von einer die Kapitalerträge auszahlenden Stelle im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG (inländisches Kreditinstitut, inländisches Finanzdienstleistungsinstitut, inländisches Wertpapierhandelsunternehmen oder inländische Wertpapierhandelsbank) verwahrt werden.  







bb) Personengesellschaften Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften sind Personengesellschaften für ertragsteuerli- 331 che Zwecke steuerlich transparent. Auf Grund der ertragsteuerlichen Transparenz der Personengesellschaften wird die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer auf die Einkünfte von Personengesellschaften auf der Ebene deren Gesellschafter erhoben. Die Personengesellschaft fungiert dabei lediglich als Einkünfteermittlungssubjekt, sofern mehrere Gesellschafter, denen die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind, an dieser beteiligt sind (vgl. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) AO). Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Zu unterscheiden ist zwischen vermögensverwaltenden Personengesellschaften einerseits und Personengesellschaften, die eine gewerbliche, selbständige oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, andererseits. Letztere werden als Mitunternehmerschaften bezeichnet. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften sind die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft nach Maßgabe von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO den Gesellschaftern der Personengesellschaft im Verhältnis ihrer Beteiligungen anteilig zuzurechnen, während die als Mitunternehmerschaft qualifizierenden Personengesellschaften ein eigenes Betriebsvermögen bilden. Die Gewerblichkeit einer Personengesellschaft kann sich zum einen daraus, dass die Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG unterhält, und zum anderen daraus, dass die Personengesellschaft die gesellschaftsrechtlichen Merkmale der gewerblichen Prägung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt, ergeben. Wenn eine Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG ausübt, werden – vorbehaltlich einer von der Rechtsprechung entwickelten Bagatellgrenze – sämtliche Tätigkeiten der betreffenden Personengesellschaft auf Grund gewerblicher Infektion gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für steuerliche Zwecke als Gewerbebetrieb behandelt. 333 Der Betrieb örtlicher Versorgungsnetze für Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme verkörpert, die Gewinnerzielungsabsicht unterstellt, einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG. Ein Netzbetreiber in der Rechtsform einer Personengesellschaft wird daher grundsätzlich gewerblich tätig sein. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die nachfolgende Darstellung der ertragsteuerlichen Behandlung von Personengesellschaften auf gewerbliche Mitunternehmerschaften. 332

(1) Laufende Besteuerung gewerblicher Mitunternehmerschaften 334 Die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kom-

manditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, führen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb des betreffenden Gesellschafters. Entsprechendes gilt für die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterliegen bei dem jeweiligen Mitunternehmer in Abhängigkeit von dessen Rechtsform der Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag oder der Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag. 335 Die steuerliche Zurechnung der Anteile der Gesellschafter am Gewinn der Mitunternehmerschaft zu den Gesellschaftern erfolgt unabhängig davon, ob dem jeweiligen Gesellschafter sein Anteil am Gewinn der Gesellschaft durch eine Gewinnausschüttung oder Entnahme zugeflossen ist. Im Gegenzug verkörpern Gewinnausschüttungen der Personengesellschaft an ihre Gesellschafter bzw. Entnahmen durch die Gesellschafter von Personengesellschaften anders als bei Kapitalgesellschaften keinen ertragsteuerlich relevanten Vorgang. Gewinnausschüttungen bzw. Entnahmen bei PerMarquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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sonengesellschaften führen mithin nicht zu steuerpflichtigen Einkünften der Gesellschafter. Der Gewinn der Mitunternehmerschaft aus ihrem Gewerbebetrieb, der den Mitunternehmern anteilig als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen ist, wird auf der Ebene der Personengesellschaft ermittelt. Die Gewinnermittlung erfolgt nach Maßgabe der §§ 4, 5 EStG im Wege der Einnahmeüberschussrechnung oder des Betriebsvermögensvergleichs. Personenhandelsgesellschaften haben dabei ihren steuerlichen Gewinn auf Grund der handelsbilanziellen Buchführungs- und Bilanzierungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zwingend im Wege des Betriebsvermögensvergleichs zu ermitteln. Maßgeblich hierfür ist das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft. Dazu gehören neben den Wirtschaftsgütern der Personengesellschaft auch diejenigen Wirtschaftsgüter ihrer Mitunternehmer, die als notwendiges oder gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb der Personengesellschaft oder der Beteiligung des jeweiligen Mitunternehmers an der Personengesellschaft zu dienen bestimmt sind. Die Anteile der Gesellschafter an der gewerblichen Personengesellschaft qualifizieren für steuerbilanzielle Zwecke der Gesellschafter nicht als Wirtschaftsgut. Vielmehr sind in den Steuerbilanzen der Gesellschafter nach der Spiegelbildmethode die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft mit dem auf den jeweiligen Gesellschafter entfallenden Anteil abzubilden. Für die Ermittlung der steuerlichen Einkünfte der Mitunternehmer aus ihrer Beteiligung an der Mitunternehmerschaft sind indes ausschließlich die auf der Ebene der Mitunternehmerschaft ermittelten und gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) AO gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte der Mitunternehmer maßgeblich. Bei der Veranlagung der Mitunternehmer zur Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer ist der im steuerbilanziellen Gewinn des jeweiligen Mitunternehmers enthaltene Gewinn oder Verlust aus dem Mitunternehmeranteil deshalb aus dem steuerlichen Gewinn des Mitunternehmers herauszurechnen und dem jeweiligen Mitunternehmer sein gesondert und einheitlich festgestellter Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft zuzurechnen. Für Zwecke der Gewerbesteuer sind Personengesellschaften, die einen Gewerbetrieb unterhalten, hingegen nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG selbst Steuerschuldner. Zur Vermeidung einer doppelten Belastung des Gewinns der Personengesellschaft mit Gewerbesteuer wird bei Mitunternehmern, die ebenfalls der Gewerbesteuer unterliegen, der Anteil am Gewinn der Personengesellschaft gemäß § 9 Nr. 2 GewStG aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb des Mitunternehmers gekürzt, soweit dieser darin enthalten ist. Die von der Personengesellschaft zu entrichtende Gewerbesteuer ist gemäß § 4 Abs. 5b EStG keine Betriebsausgabe für Zwecke der Gewerbesteuer der Personengesellschaft oder der Körperschaftsteuer bzw. der Einkommensteuer ihrer Mitunternehmer. Bei Mitunternehmern, die der Körperschaftsteuer unterliegen, treten die Gewerbesteuerbelastung auf der Ebene der Personengesellschaft und die Körperschaftsteuerbelastung auf der Ebene des Mitunternehmers wirtschaftlich additiv nebeneinander. Es fällt mithin eine Gesamtbelastung mit Ertragsteuern in einer Höhe, die der Summe aus Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

dem Körperschaftsteuertarif nebst Solidaritätszuschlag und dem Gewerbesteuertarif entspricht, an. Einkommensteuerpflichtige Mitunternehmer können hingegen, sofern sie zum Ende des jeweiligen Erhebungszeitraums an der Personengesellschaft beteiligt sind, die auf sie entfallende Gewerbesteuer der Personengesellschaft bis zu einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % nach Maßgabe von § 35 EStG auf ihre Einkommensteuer anrechnen. Unter der Prämisse, dass der einkommensteuerpflichtige Mitunternehmer die Gewerbesteueranrechnung tatsächlich in Anspruch nehmen kann, führt die Gewerbesteuer der Personengesellschaft folglich nur dann zu einer Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung über den Einkommensteuertarif nebst Solidaritätszuschlag des Mitunternehmers hinaus, wenn der für die Personengesellschaft maßgebliche (durchschnittliche) Gewerbesteuerhebesatz mehr als 400 % beträgt.  



(2) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen an gewerblichen Mitunternehmerschaften 340 Der Gewinn aus der Veräußerung des gesamten Anteils an einer gewerblichen Personengesellschaft durch einen Gesellschafter, der als Mitunternehmer des Gewerbebetriebs der Personengesellschaft qualifiziert, führt zu Einkünften aus Gewerbebetrieb des betreffenden Mitunternehmers im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn ist dabei gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG als der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen des veräußernden Mitunternehmers übersteigt, definiert. Gewinne, die aus der Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils erzielt werden, rechnen hingegen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG zum laufenden Gewinn der Mitunternehmerschaft. 341 Die Veräußerungsgewinne, die Mitunternehmer aus der Veräußerung ihres gesamten Mitunternehmeranteils erzielen, sind ebenso wie die Anteile der Mitunternehmer am laufenden Gewinn der Mitunternehmerschaft auf der Ebene der Personengesellschaft gesondert und einheitlich festzustellen. Die Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn schuldet indes der veräußernde Gesellschafter, dem der im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf der Ebene der Personengesellschaft ermittelte Veräußerungsgewinn zugerechnet wird. Zudem unterliegt der Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gemäß § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG der Gewerbesteuer, es sei denn der Veräußerungsgewinn entfällt auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer. Steuerschuldner der Gewerbesteuer auf den Veräußerungsgewinn des Mitunternehmers ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG die Personengesellschaft. Falls der veräußernde Mitunternehmer ebenfalls der Gewerbesteuer unterliegt, wird der auf der Ebene der Personengesellschaft besteuerte Veräußerungsgewinn auf der Ebene des Mitunternehmers zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in die Kürzung gemäß § 9 Nr. 2 GewStG einbezogen. 342 Ein Schachtelprivileg für Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften existiert – anders als im Fall der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften – nicht. Vielmehr ist der VeräußeMarquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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rungsgewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer gewerblichen Personengesellschaft grundsätzlich voll steuerpflichtig. Soweit zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft Anteile an Kapitalgesellschaften gehören, findet auf den auf die Anteile an Kapitalgesellschaften entfallenden Teilbetrag des Veräußerungsgewinns in Abhängigkeit von der Rechtsform des Mitunternehmers die 95 %-ige Steuerbefreiung aus § 8b Abs. 2 und 3 KStG in Verbindung mit § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG oder die 40 %-ige Steuerbefreiung im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. b) EStG Anwendung. Entsprechendes gilt gemäß § 7 Satz 4 GewStG für die auf der Ebene der Personengesellschaft erhobene Gewerbesteuer auf den Veräußerungsgewinn.  



(3) Gestaltungsoptionen in Bezug auf den Einsatz von Personengesellschaften Gewerbliche Personengesellschaften weisen aus steuerplanerischer Sicht im Konzern 343 gegenüber organschaftlich verbundenen Kapitalgesellschaften einen wesentlichen Nachteil auf, weil die ertragsteuerliche Transparenz der Personengesellschaft nur für Zwecke der Körperschaft- und Einkommensteuer, aber nicht für die Gewerbesteuer gilt. Eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten im Konzernverbund ist im Hinblick auf den Gewinn bzw. Verlust von Personengesellschaften unterhalb der Konzernspitze damit nur für Zwecke der Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer, aber nicht im Rahmen der Gewerbesteuer möglich. Gewerbesteuerliche Verluste und Verlustvorträge von Personengesellschaften können daher nicht im Konzernverbund verrechnet werden. Die organschaftliche Einbindung von Kapitalgesellschaften als Organgesellschaft gilt hingegen gleichermaßen für die Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer wie auch die Gewerbesteuer. Den Umstand, dass die gewerbesteuerlichen Verluste und Verlustvorträge von Mit- 344 unternehmerschaften nicht mit Gewerbeerträgen anderer Konzerngesellschaften verrechnet werden können, gilt es bei der Steuerstrukturierung im Konzern zu bedenken. Wenn die Einschaltung von Personengesellschaften auf einer nachgelagerten Konzernebene zur Diskussion steht, sollte daher geprüft werden, ob die Ausgestaltung der Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft vermieden werden kann. In Fällen, in denen die Personengesellschaft eine als Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG zu qualifizierende Tätigkeit ausüben soll, lässt sich dieses Gestaltungsziel allerdings nicht über die Stellschraube der Gewerblichkeit der Personengesellschaft erreichen. In diesen Konstellationen lassen sich Lösungsansätze zur Vermeidung einer Mit- 345 unternehmerschaft aber möglicherweise aus dem Umstand, dass die Qualifizierung einer Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft die Beteiligung zweier Mitunternehmer erfordert,257 ableiten. Hierfür haben sich in der Praxis zwei Gestaltungen bewährt:

257 BFH, Urteil vom 3. Februar 2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751; BFH, Urteil vom 14. April 2005 – XI R 82/03, BStBl. II 2005, 752. Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Im Fall von Kommanditgesellschaften bietet das durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigte Treuhandkommanditistenmodell einen geeigneten Weg für die Implementierung einer originär gewerblich tätigen, aber nicht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden Kommanditgesellschaft. Im Rahmen des Treuhandkommanditistenmodells errichten ein Komplementär und ein Kommanditist gemeinsam eine zweigliedrige Kommanditgesellschaft. Dabei handelt der Kommanditist als Treuhänder des Komplementärs und erwirbt und hält den Kommanditanteil treuhänderisch für den Komplementär. Eine solche zweigliedrige Kommanditgesellschaft sieht der Bundesfinanzhof nicht als Mitunternehmerschaft an, weil der Treuhandkommanditist ohne Mitunternehmerrisiko agiert. Denn zum einen hält der Treuhandkommanditist seinen Kommanditanteil auf Rechnung des Komplementärs als Treugeber und zum anderen unterliegt der Treuhandkommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB keiner Haftung für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft über den Betrag seiner Einlage hinaus.258 Eine mit einem solchen Treuhandkommanditisten besetzte Kommanditgesellschaft qualifiziert mithin nicht als Mitunternehmerschaft. Die Wirtschaftsgüter der Kommanditgesellschaft sind vielmehr für steuerliche Zwecke vollständig dem Betriebsvermögen des Komplementärs zuzurechnen, weshalb der von der Kommanditgesellschaft generierte Gewinn oder Verlust einen unselbstständigen Bestandteil des steuerlichen Gewinns oder Verlusts des Komplementärs verkörpert. Zu beachten ist, dass dieses Gestaltungsmodell nur mit einem treuhänderisch gehaltenen Kommanditanteil, jedoch nicht mit einem treuhänderisch gehaltenen Komplementäranteil zur Vermeidung einer Mitunternehmerschaft taugt. Denn einem Treuhandkomplementär würde der Bundesfinanzhof auf Grund der Haftung für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft aus § 128 HGB in Verbindung mit § 161 Abs. 2 HGB ein Mitunternehmerrisiko attestieren, weil der Rückgriffsanspruch aus dem Treuhandverhältnis gegen den Kommanditisten ausfallen könnte. Darüber hinaus lässt sich die Qualifizierung einer Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft aber auch durch eine Gestaltung des Gesellschaftsvertrags, bei der nur ein Gesellschafter die Merkmale eines Mitunternehmers verwirklicht, vermeiden. Konstitutive Merkmale des Mitunternehmerstatus sind das Mitunternehmerrisiko und die Mitunternehmerinitiative.259 Das Mitunternehmerrisiko wird dabei bei Gesellschaftern, die nach den für die gewählte Rechtsform einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einer Haftung für die Verbindlichkeiten der Personengesellschaft unterliegen, nicht zu vermeiden sein. Die für die Mitunternehmerinitiative ausschlaggebenden gesellschaftsvertraglichen Einfluss- und Kontrollrechte dürften sich jedoch, namentlich bei ausschließlich durch konzernangehörige Gesellschaften errichteten Personengesellschaften, in der Regel so weit ausschließen las-

258 BFH, Urteil vom 3. Februar 2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751. 259 BFH, Urteil vom 25. April 2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595. Marquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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sen, dass nur noch ein Gesellschafter die Schwelle zum Mitunternehmerstatus überschreitet.

(4) Option zur Körperschaftsbesteuerung Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 sieht § 1a KStG für Personenhandelsgesellschaften 346 ein antragsgebundenes Wahlrecht vor, die optierende Personenhandelsgesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln.260 In diesem Fall wird die optierende Personenhandelsgesellschaft gemäß § 1a Abs. 1 347 Satz 1 und 2 KStG ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres, das in dem rechtzeitig gestellten Antrag benannt ist, nicht mehr als steuerlich transparente Personengesellschaft, sondern als eine der Körperschaftsteuer unterliegende Kapitalgesellschaft behandelt. Veräußerungsgewinne, die die Gesellschafter der optierenden Personenhandelsgesellschaft in dem Zeitraum der Optionsbesteuerung aus der Veräußerung ihrer Anteile an der optierenden Personengesellschaft erzielen, werden nach den auf den jeweiligen Gesellschafter anwendbaren Grundsätzen für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 2 und 3 KStG, §§ 3 Nr. 40, 17 EStG oder § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) besteuert. Entnahmen der Gesellschafter werden gemäß § 1a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KStG nach den auf den jeweiligen Gesellschafter anwendbaren Regularien für Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften (§§ 8b Abs. 1 und 5 KStG, § 3 Nr. 40 EStG oder § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) besteuert und unterliegen damit auch dem Einbehalt von Kapitalertragsteuer durch die Personenhandelsgesellschaft gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zudem werden Tätigkeitsvergütungen und andere Leistungsentgelte, die die Gesellschafter während der Dauer der Optionsbesteuerung von der Personenhandelsgesellschaft erhalten, nach Maßgabe von § 1a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG nicht mehr als Sonderbetriebseinnahmen bei den gewerblichen Einkünften erfasst, sondern entsprechend der jeweils betroffenen Einkunftsart als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert. Die steuerliche Behandlung der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter gilt nach Maßgabe von § 2 Abs. 8 GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer. Die Besteuerung der Personenhandelsgesellschaft als Kapitalgesellschaft und die 348 Besteuerung ihrer Gesellschafter als nicht persönlich haftende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft endet, wenn die Personenhandelsgesellschaft einen Antrag auf Rückoption zur Besteuerung als Personengesellschaft gemäß § 1a Abs. 4 Satz 1 KStG stellt. Die Rückoption erfolgt gemäß § 1a Abs. 4 Satz 3 KStG in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Satz 2 KStG ebenfalls mit Wirkung zu Beginn des Wirtschaftsjahres, das die Personenhandelsgesellschaft in ihrem rechtzeitig gestellten Antrag benannt hat.

260 Siehe dazu: BMF, Schreiben vom 10. November 2021 – IV C 2 – S 2707/21/10001:0004, BStBl. I 2021, 2212. Marquardt

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

Die Option zur Körperschaftsbesteuerung und die Rückoption haben nicht lediglich Auswirkungen auf die laufende Besteuerung der betreffenden Personenhandelsgesellschaft und ihrer Gesellschafter. Vielmehr gilt die Option zur Körperschaftsbesteuerung gemäß § 1a Abs. 2 KStG als Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG mit Wirkung zum Ende des letzten der Optionsbesteuerung vorausgehenden Wirtschaftsjahres der optierenden Personenhandelsgesellschaft. Der Wechsel des Besteuerungsregimes hin zu der Körperschaftsbesteuerung kann mithin nur dann steuerneutral beschritten werden, wenn in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für einen steuerneutralen Formwechsel aus § 25 UmwStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt sind. Hierfür muss es sich bei der optierenden Personengesellschaft um eine Mitunternehmerschaft handeln und es dürfen sich an dem maßgeblichen Stichtag keine funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Gewerbebetriebs der Personenhandelsgesellschaft in dem Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter befinden.261 Im Fall eines steuerneutralen Übergangs in die Körperschaftsbesteuerung auf der Basis der Buchwertfortführung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG unterliegen die Anteile an der optierenden Personengesellschaft einer siebenjährigen Sperrfrist gemäß § 22 Abs. 1 UmwStG, innerhalb derer Anteilsveräußerungen und diesen gleich gestellte Maßnahmen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG zur Nachbesteuerung der fiktiven Einbringung im Rahmen des Wechsels des Besteuerungssystems führen. 350 Die Rückoption gilt gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 KStG als Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG mit Wirkung zum Ende des letzten Wirtschaftsjahres der optierenden Personenhandelsgesellschaft, in dem die Körperschaftsbesteuerung gilt. Ein steuerneutraler Systemwechsel im Rahmen der Rückoption ist daher nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung aus § 9 Satz 1 UmwStG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG erfüllt sind. Für eine steuerneutrale Rückoption muss die Personenhandelsgesellschaft mithin nach der Rückoption als Mitunternehmerschaft qualifizieren. Ferner gilt es zu beachten, dass die Rückoption auf Grund des fingierten Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit der Besteuerung der Ausschüttung der offenen Rücklagen gemäß § 9 Satz 1 UmwStG in Verbindung mit § 7 UmwStG einhergeht. Soweit die während der Körperschaftsbesteuerung erwirtschafteten Gewinne der optierenden Personenhandelsgesellschaft nicht während der Dauer der Optionsbesteuerung entnommen und als Gewinnausschüttung besteuert worden sind, führt die Rückoption zur Besteuerung einer fiktiven Gewinnausschüttung.

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261 BMF, Schreiben vom 10. November 2021 – IV C 2 – S 2707/21/10001:0004, BStBl. I 2021, 2212, Tz. 29 und 32. Marquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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cc) Eigenbetrieb Eigenbetriebe einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sind nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie als Betrieb gewerblicher Art qualifizieren. Ein Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG eine Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind dabei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG nicht erforderlich. Zudem bestimmt § 4 Abs. 3 KStG, dass Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen, unabhängig von den allgemeinen Merkmalen eines Betriebs gewerblicher Art aus § 4 Abs. 1 KStG als Betrieb gewerblicher Art qualifizieren. Dasselbe gilt nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 KStG für die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art im Sinne von § 4 Abs. 1 oder 3 KStG. Ein Eigenbetrieb einer Gemeinde oder einer anderen Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts, der ein örtliches Versorgungsnetz für die Medien Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme unterhält, verkörpert mithin jedenfalls auf Grund der Sonderregelung in § 4 Abs. 3 KStG stets einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne des Körperschaftsteuerrechts. Auf Grund der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Betriebe gewerblicher Art aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unterliegt das Einkommen der als Eigenbetrieb organisierten Netzbetriebe der Körperschaftsteuer. Der Körperschaftsteuertarif beläuft sich auf 15 % des zu versteuernden Einkommens nebst einem Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der Körperschaftsteuer. Mithin fällt auf der Ebene des Eigenbetriebs eine Gesamtsteuerbelastung in Höhe von 15,825 % des zu versteuernden Einkommens an. Zudem erfordert es die Systematik des Körperschaftsteuerrechts, die Gewinne von nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betrieben gewerblicher Art, die an den Träger abgeführt werden oder für steuerliche Zwecke als abgeführt gelten, einer Ausschüttungsbesteuerung zu unterwerfen. Denn der Körperschaftsteuertarif in Höhe von 15 % ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers so bemessen, dass die angestrebte steuerliche Gesamtbelastung erst durch die Addition der auf der Ebene der Körperschaft erhobenen Körperschaftsteuer mit der Ausschüttungsbesteuerung erreicht wird. Bei nicht steuerbefreiten Betrieben gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit, wie insbesondere Eigenbetrieben, führen daher der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn sowie verdeckte Gewinnausschüttungen zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b) EStG; entsprechendes gilt für Rücklagen, die zu Zwecken außerhalb des Betriebs gewerblicher Art aufgelöst werden. Diese Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG dem Einbehalt von Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % nebst 5,5 % Solidaritätszuschlag (Gesamtbelastung in Höhe von 15,825 %). Durch den Kapitalertragsteuereinbehalt ist die Körperschaftsteuer der Trägerkörperschaft gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG abgegolten. Bei Betrieben ge-

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

werblicher Art, die ihren Gewinn nicht im Wege des Betriebsvermögensvergleichs ermitteln und weder einen Umsatz von mehr als EUR 350.000,00 im Kalenderjahr noch einen Gewinn von mehr als EUR 30.000,00 im Wirtschaftsjahr erwirtschaften, erfolgt im Rahmen einer Bagatellregelung keine Ausschüttungsbesteuerung. 355 Der Besteuerung mit Körperschaftsteuer im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt der jeweilige Betrieb gewerblicher Art als Ganzes. Umfasst ein Betrieb gewerblicher Art mehrere Betriebsteile, ist das zu versteuernde Einkommen des Betriebs gewerblicher Art gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 KStG das saldierte Gesamtergebnis aller Betriebsteile. Dies eröffnet die Möglichkeit, profitable Betriebe gewerbliche Art und defizitäre Betriebe gewerblicher Art zur Reduzierung der Körperschaftsteuerbelastung zu einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art zusammenzufassen. Allerdings ist die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art zu einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art nur innerhalb der durch § 4 Abs. 6 EStG gezogenen Grenzen möglich. Nach Maßgabe von § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG können Betriebe gewerblicher Art nur dann zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind, es sich jeweils um Betriebe gewerblicher Art im Sinne von § 4 Abs. 3 KStG handelt oder zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technischwirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht. Die Zusammenfassung eines Betriebs gewerblicher Art mit einem Hoheitsbetrieb ist gemäß § 4 Abs. 6 Satz 2 KStG unzulässig. 356 Soweit die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art nach § 4 Abs. 6 KStG zulässig ist, gestattet die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art während der Dauer der Zusammenfassung die Verlustverrechnung zwischen sämtlichen Teilbetrieben des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art. Für den Fall, dass die zusammengefassten Betriebe gewerblicher Art nicht gleichartig sind, sieht § 8 Abs. 8 Satz 2 bis 5 KStG allerdings Verlustverrechnungsbeschränkungen für die Verrechnung von Verlusten aus der Zeit vor der Zusammenfassung mit Gewinnen aus dem zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art und umgekehrt vor. 357 Ob der Eigenbetrieb neben der Körperschaftsteuer auch der Gewerbesteuer unterliegt, richtet sich danach, ob der Eigenbetrieb als inländischer Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG qualifiziert. Die Einstufung des Eigenbetriebs als Betrieb gewerblicher Art im Sinne des Körperschaftsteuerrechts ist für Zwecke der Gewerbesteuer unerheblich.262 Eine Gewerbesteuerpflicht von Eigenbetrieben der juristischen Personen des öffentlichen Rechts besteht mithin nur, wenn der jeweilige Eigenbetrieb sämtliche Merkmale des Gewerbebetriebs im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 EStG erfüllt, also insbesondere auch mit Gewinnerzielungsabsicht agiert und sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.

262 Vgl. § 2 Abs. 1 GewStDV; BFH, Urteil vom 22. August 1984 – I R 102/81, BStBl. II 1985, 61; R 2.1 Abs. 6 Satz 1 GewStR. Marquardt

C. Steuerrechtliche Aspekte

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b) Umsatzsteuer Anders als im Ertragsteuerrecht wirkt sich die Frage, ob die örtlichen Versorgungsnetze 358 für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme von einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft oder einem Eigenbetrieb einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts bewirtschaftet werden, auf den umsatzsteuerlichen Status des Netzbetreibers nicht aus. Denn die Tätigkeit des Netzbetreibers qualifiziert unabhängig von der gewählten Rechts- bzw. Organisationsform als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 359 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dabei ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn diese ohne Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wird oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird, als gewerblich oder beruflich anzusehen. Der Betrieb eines Strom-, Gas-, Wasser- oder Fernwärmeversorgungsnetzes verkörpert mithin eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Der Netzbetreiber ist damit unabhängig von seiner Rechts- bzw. Organisationsform Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich bei dem Netzbetreiber um eine Kapital- 360 gesellschaft oder Personengesellschaft handelt und der Netzbetreiber seine gewerbliche Tätigkeit nicht selbstständig ausübt, weil der Netzbetreiber nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG als Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist. In diesem Fall ist nur der Organträger, aber nicht der Netzbetreiber als Organgesellschaft Unternehmer für Zwecke der Umsatzsteuer; allerdings werden die von dem Netzbetreiber als Organgesellschaft ausgeführten Umsätze auf Grund der Organschaft auf der Ebene des Organträgers besteuert.

2. Auswirkungen der Organisationsform auf Umstrukturierungen des Netzbetreibers Die Wahl der Rechts- bzw. Organisationsform des Netzbetreibers beeinflusst zudem die 361 Möglichkeiten, zu einem späteren Zeitpunkt Umstrukturierungen des Netzbetreibers in steuerneutraler Form vorzunehmen. Da an dieser Stelle aus Platzgründen nicht alle steuerlichen Bestimmungen, die eine steuerneutrale oder steuerlich privilegierte Umstrukturierung von Unternehmen gestatten, vorgestellt werden können, sollen nachfolgend die wesentlichen Spezifika von Kapitalgesellschaften, gewerblichen Personengesellschaften und Eigenbetrieben hinsichtlich möglicher steuerneutraler Umstrukturierungen zusammengefasst werden.

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Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

a) Kapitalgesellschaft als Netzbetreiber 362 Eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Kapitalgesellschaft ist

grundsätzlich nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass es sich bei dem Übertragungsgegenstand um einen Betrieb, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil handelt und die Übertragung gegen Gewährung von Anteilen erfolgt, möglich (vgl. § 20 UmwStG). Eine steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter auf eine Kapitalgesellschaft ist hingegen im Regelfall nicht möglich. Mit Blick auf diese einschränkenden Voraussetzungen für die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern auf Kapitalgesellschaften kann es zweckmäßig sein, für eine neu zu errichtende Netzgesellschaft die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu wählen. Wenn im Zuge der Errichtung der Netzgesellschaft Wirtschaftsgüter ohne die Realisation stiller Reserven auf die Netzgesellschaft übertragen werden sollen, können die steuerrechtlichen Anforderungen an eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern auf Kapitalgesellschaften allerdings auch gegen die Errichtung der Netzgesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft sprechen. 363 Wenn die Netzgesellschaft als Kapitalgesellschaft strukturiert ist, bietet diese Rechtsform den Vorteil, dass das Betriebsvermögen der Netzgesellschaft im Fall einer Umstrukturierung grundsätzlich im Wege der Verschmelzung (vgl. §§ 11 ff. UmwStG) oder Spaltung (vgl. §§ 15 UmwStG) steuerneutral auf andere im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften übertragen werden kann. Die steuerneutrale Behandlung einer Spaltung setzt dabei allerdings voraus, dass sowohl das übergehende Betriebsvermögen als auch das zurückbleibende Betriebsvermögen jeweils einen Teilbetrieb verkörpert und die Spaltung nicht zur Vorbereitung einer Veräußerung an außenstehende Personen dient. 364 Nachteile in Bezug auf die Eignung für steuerneutrale Restrukturierungen weist die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft jedoch auf, wenn die Kapitalgesellschaft im Zuge der Restrukturierung in eine Personengesellschaft überführt werden soll oder wenn das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft im Wege der Aufwärtsverschmelzung auf die Gesellschafterebene übergehen soll. Im Rahmen des Formwechsels einer Kapitalgesellschaften in eine Personengesellschaft bzw. der Verschmelzung der Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft kommt es selbst dann, wenn die stillen Reserven der Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des Umwandlungssteuerrechts nicht aufgedeckt werden müssen, jedenfalls zur Besteuerung einer fiktiven Gewinnausschüttung hinsichtlich sämtlicher bis zu der Restrukturierung entstandenen ausschüttbaren Gewinne der Kapitalgesellschaft (vgl. § 7 UmwStG). Und im Zuge der Aufwärtsverschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft muss die übernehmende Gesellschaft nach den für Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften geltenden Prinzipien 5 % ihres Übernahmegewinns aus der Aufwärtsverschmelzung versteuern (vgl. § 12 Abs. 2 UmwStG). 365 Sofern die Netzgesellschaft über Grundstücke im Sinne von § 2 GrEStG verfügt, sind im Fall einer Restrukturierung der Netzgesellschaft auch die grunderwerbsteuerlichen Folgen der Restrukturierung zu bedenken. Unter der Voraussetzung, dass die Restruktu 



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C. Steuerrechtliche Aspekte

237

rierung einen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang im Sinne von § 1 GrEStG verkörpert, kann eine Grunderwerbsteuerbelastung durch die Restrukturierung im Fall einer als Kapitalgesellschaft organisierten Netzgesellschaft nur auf der Grundlage der Konzernklausel aus § 6a GrEStG vermieden werden. Die Anwendbarkeit der Konzernklausel setzt indes neben einem Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage weiterhin voraus, dass zwischen den an dem Erwerbsvorgang beteiligten Gesellschaften direkt oder indirekt über ein gemeinsames herrschendes Unternehmen eine Beteiligung von mindestens 95 % besteht. Diese Mindestbeteiligung muss zudem, sofern die betreffende Vor- oder Nachbehaltensfrist nicht durch die Rechtsnatur der gewählten Umwandlung obsolet ist, durchgängig über fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang bestanden haben.  

b) Gewerbliche Personengesellschaft als Netzbetreiber Gewerbliche Personengesellschaften bieten in ertragsteuerlicher Hinsicht die flexibels- 366 ten Möglichkeiten einer steuerneutralen Umstrukturierung. Neben der steuerneutralen Übertragung von Betrieben, Teilbetreiben und Mitunternehmeranteilen auf der Grundlage des Umwandlungssteuergesetzes ist bei gewerblichen Personengesellschaften auch eine steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft in das Betriebsvermögen der Mitunternehmer, einer Schwesterpersonengesellschaft oder einer Tochterpersonengesellschaft gemäß § 6 Abs. 5 EStG möglich, wenn die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Zudem eröffnet die Organisation des Netzbetreibers als gewerbliche Personengesellschaft die Möglichkeit eines steuerneutralen Übergangs des gesamten Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft auf den letzten verbliebenen Gesellschafter im Wege der Anwachsung. Im Gegensatz zur Rechtsform der Kapitalgesellschaft lässt die Rechtsform der Personengesellschaft mithin unter gewissen Voraussetzungen auch eine steuerneutrale Überführung von Wirtschaftsgütern der Personengesellschaft auf deren Gesellschafter zu. Falls im Rahmen einer Restrukturierung der Netzgesellschaft ein Systemwechsel 367 zur Kapitalgesellschaft gewünscht sein sollte, bietet eine gewerbliche Personengesellschaft grundsätzlich eine geeignete Ausgangsbasis für eine steuerneutrale Reorganisation. Denn Mitunternehmeranteile an gewerblichen Personengesellschaften gehören zu den privilegierten Übertragungsgegenständen, die nach Maßgabe von § 20 UmwStG steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden können. Sofern funktional wesentliche Betriebsgrundlagen der Mitunternehmerschaft von den Mitunternehmern im Sonderbetriebsvermögen gehalten werden, setzt die steuerneutrale Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft jedoch voraus, dass zusammen mit dem Mitunternehmeranteil auch diese Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Dieses Erfordernis kann bei der steuerneutralen Überführung einer gewerblichen Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft praktische Schwierigkeiten bereiten, wenn die Zuordnung von Wirtschaftsgütern Marquardt

238

Kapitel 2. Kooperations- und Beteiligungsmodelle

der Mitunternehmer zum Sonderbetriebsvermögen oder deren Qualifizierung als funktional wesentliche Betriebsgrundlage der Mitunternehmerschaft nicht eindeutig zu beurteilen ist. 368 In grunderwerbsteuerlicher Hinsicht bieten Personengesellschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften ebenfalls weitergehende Möglichkeiten einer steuerbefreiten Restrukturierung. Neben der Steuerbefreiung von Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, die die Anforderungen der Konzernklausel aus § 6a GrEStG erfüllen, sieht das Grunderwerbsteuerrecht in den §§ 5 und 6 GrEStG rechtsformspezifische Steuerbefreiungen für Personengesellschaften vor. Nach diesen Bestimmungen ist die Übertragung von Grundstücken von der Personengesellschaft auf ihre Gesellschafter und umgekehrt sowie die Übertragung von Grundstücken von einer Personengesellschaft auf eine Tochterpersonengesellschaft oder eine Schwesterpersonengesellschaft ganz oder teilweise steuerbefreit, soweit sich durch die Übertragung die wirtschaftliche Berechtigung der Gesellschafter am Grundstück nicht verändert. Dabei ist die ganze oder teilweise Steuerbefreiung allerdings von der Beachtung einer jeweils zehnjährigen Vor- und Nachbehaltensfrist abhängig.

c) Eigenbetrieb als Netzbetreiber 369 Die Strukturierung des Netzbetreibers als Eigenbetrieb schränkt die Möglichkeiten ei-

ner späteren Umstrukturierung bereits in rechtlicher Hinsicht im Vergleich zu Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften erheblich ein. Denn an Umwandlungen nach dem Umwandlungsrecht können die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts nur als übertragender Rechtsträger einer Ausgliederung mitwirken (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. UmwG). Neben der Vermögensübertragung im Wege der Ausgliederung kann eine Umstrukturierung von Eigenbetrieben mithin nur im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgen. Dabei gelten für die steuerneutrale Überführung des Betriebsvermögens von Eigenbetrieben auf Kapitalgesellschaften und gewerbliche Personengesellschaften in ertragsteuerlicher wie grunderwerbsteuerlicher Hinsicht die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweils gewählten Zielrechtsform wie für die Übertragung des Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften und Mitunternehmerschaften.

Marquardt

Kapitel 3 Ausschreibungsverfahren A. Vergabe von Konzessionsverträgen I. Allgemeines 1. Einführung Qualifizierte Wegenutzungsverträge (Konzessionsverträge) dürfen nach § 46 Abs. 2 1 EnWG höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Spätestens alle 20 Jahre wird folglich ein Wettbewerb um einen Konzessionsvertrag bzw. das einem Konzessionsvertrag unterfallende Strom- oder Gasversorgungsnetz ermöglicht. Die Verfahrensvorgaben dazu sind allerdings vielfach nur rudimentär im Gesetz geregelt, und zwar im Wesentlichen in § 46 Abs. 3 bis 5 EnWG. Es fehlen vor allem konkrete Vorgaben im Hinblick auf die zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung der Konzessionsvergabeverfahren. Unabhängig davon besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Konzessionsver- 2 gabeverfahren weder den Vergabevorschriften des §§ 97 ff. GWB bzw. der Konzessionsvergabeverordnung1 noch den Vorschriften der sog. Konzessionsrichtlinie2 unterfällt.3 Allerdings entspricht es auch herrschender Meinung, dass die Gemeinde unabhängig davon die Grundsätze des Transparenzgebotes und des Diskriminierungsverbotes zu beachten hat4. In diesem schwierigen Kontext ist es nicht verwunderlich, dass die Verfahren in den letzten Jahren immer anspruchsvoller und komplexer geworden sind. Es macht daher Sinn, sich die wesentlichen Verfahrensschritte vor Augen zu führen 3 und sich darauf zu konzentrieren. Aus den Regelungen des EnWG lässt sich folgender idealtypischer Verfahrensablauf ableiten:  

1 Konzessionsvergabeverordnung vom 12. April 2016, BGBl. I S. 624, 683. 2 Richtlinie 2014/23/EU vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, Amtsblatt der Europäischen Union vom 28.3.2014, L 94.; zur Nichtanwendbarkeit siehe auch BT-Drs. 18/8184, S. 10. 3 BGH, Urteil vom 28.1.2020, Az. EnZR 99/18 (Gasnetz Leipzig) und OLG Brandenburg, Urteil vom 6.4.2021, Az. 17 U 3/19, Seite 17 ff. 4 Ständige Rechtsprechung seit BGH, Urteile vom 17.12.2013, Az. KZR 66/12 (Stromnetz Berkenthin) und Az. KZR 65/12 (Stromnetz Heiligenhafen).  

Schumann https://doi.org/10.1515/9783110531909-010

240

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Spätestens 3 Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages

Spätestens 2 Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages

3 Monate nach Bekanntmachung

Bei mehreren Bewerbern

Auswahlentscheidung und Ratsbeschluss

Information der unterlegenen Bewerber

Vertragsschluss und Bekanntmachung

Vorbereitung Unterlagen

Bekanntmachung

Eingang Interessenbekundung

Transparentes Bieterverfahren

Vergabe

Information

Vertragsschluss

Gemeinde erhält technische und wirtschaftliche Strukturdaten (§ 46a EnWG)

Öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger durch Gemeinde gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 und 2 EnWG

Ablauf der Interessenbekundungsfrist (§ 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG)

Erarbeitung von Auswahlkriterien, Versendung Verfahrensbriefe (§ 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG), ggf. Bietergespräche

Auswertung der Angebote und Beschlussvorlage für Gemeinderat

Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG, inkl. Übersendung Auswertungsvermerk

Vertragsschluss nach Ablauf der Rügefristen (§ 47 Abs. 6 EnWG) und Bekanntmachung im Amtsblatt nach § 46 Abs. 5 EnWG

2. Reformgedanken 4 Mit dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten

zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.20175 wurden letztmalig die Vorschriften zur Vergabe von Konzessionsverträgen umfassend novelliert. Ziel war dabei unter anderem die Schaffung von rechtssicheren und gleichzeitig schnelleren Verfahren. Bedingt durch das neu eingeführte Rügeregime in § 47 EnWG erhöhten sich allerdings zunächst einmal die Aufwendungen, die Gemeinden für die anwaltliche und ggf. technisch-wirtschaftliche Beratung und Vertretung in Konzessionsvergabeverfahren aufwenden müssen. Die durchschnittlichen Aufwendungen der Gemeinden bewegen sich in der Regel zwischen 50.000 € und 100.000 €, je nach Anzahl der Mitbewerber und Verfahrensgestaltung. Im Falle von sich anschließenden Rechtsstreitigkeiten steigen die Aufwendungen nochmals überproportional an. Die Aufwendungen können daher vor allem bei Gaskonzessionsverfahren schnell einen Betrag erreichen, der in keinem Verhältnis zu dem im Gas häufig niedrigeren Konzessionsaufkommen steht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Versuche unternommen werden, das Konzessionsvergabeverfahren weiter zu vereinfachen. So macht sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund für eine weitere Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen stark.6 Speziell für kleinere Gemeinden unter 25.000 Einwohner wird unter Verweis auf den „de minimis-Gedanken“ eine grundlegende Vereinfachung des Konzessionsvergabeverfahrens gefordert.7 Wie eine solche „grundlegende Vereinfachung“ im Detail aussehen soll,

5 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017, BGBl. I S. 130 (Nr. 5), in Kraft getreten am 3.2.2017. 6 Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) unter Mitarbeit von BET und BBH, Kernforderungen bei der Konzessionsvergabe im Energiebereich, Positionspapier aus Dezember 2021, abrufbar unter www. dstgb.de. 7 DStGB, Kernforderungen, Seite 4. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

241

bleibt allerdings offen. Ein vollständiger Ausschluss des Wettbewerbs um Konzessionen in kleineren Gemeinden wird sicherlich kaum vorstellbar sein. Ob in einem vom DStGB vorgeschlagenen Konsultationsverfahren der Bundesnetzagentur8 wirklich umsetzbare Ergebnisse erzielt werden können, darf bezweifelt werden. Das gilt erst recht, weil sich die Bundesnetzagentur (in Abgrenzung zum Bundeskartellamt) für die Konzessionsvergabeverfahren bislang nicht für zuständig gehalten hat.

II. Datenherausgabe 1. Frühere Rechtslage Während unter Geltung des EnWG 1998 und des EnWG 2005 kein gesetzlicher Anspruch 5 der Gemeinde auf Herausgabe von Daten und Informationen zur Vorbereitung der Bekanntmachung und Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens normiert war, gelangte ein solcher Anspruch erstmals durch die Novelle im Jahre 20119 in das EnWG. In § 46 Abs. 2 wurden unter anderem die Sätze 4 und 5 angefügt. Danach war der bisherige Nutzungsberechtigte verpflichtet, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Konzessionsvertrag erforderlich sind. Bereits vor dieser gesetzlichen Neuregelung hatten Bundesnetzagentur und Bun- 6 deskartellamt in ihrem ersten gemeinsamen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen10 einen umfassenden Katalog von Daten fixiert. Diese Daten seien „im Rahmen eines wettbewerbsrechtlich ordnungsgemäßen Konzessionsverfahrens allen Bietern transparent mitzuteilen, um eine indikative Preiskalkulation für die zu übernehmenden Anlagen zu ermöglichen“.11 Der entsprechende Anspruch der Gemeinde gegen den Altkonzessionär wurde als vertraglicher Nebenanspruch aus dem auslaufenden Konzessionsvertrag i. V. m. § 242 BGB hergeleitet.12 Strittig blieb aber letztlich der Umfang der herauszugebenden Daten und Informationen. Im Jahre 2015 sorgte dann der Bundesgerichtshof für etwas mehr Rechtsklarheit.13 7 Streitpunkt war in diesem Verfahren die Frage, ob der Gemeinde auch ein Anspruch auf  



8 DStGB, Kernforderungen, Seite 4. 9 Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 28. Juli 2011 (BGBl. I 2011, S. 1554). 10 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010. 11 Gemeinsamer Leitfaden vom 15.12.2010, Rn 25. Ähnlich auch die entsprechenden „Hinweise“ und „Leitfäden“ einiger Landeskartellbehörden, so z. B. Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsverfahrens nach § 46 EnWG vom März 2010, dort Seite 3. 12 Gemeinsamer Leitfaden vom 15.12.2010, Rn 27. 13 BGH, Urteil vom 14.4.2015, Az. EnZR 11/14 (Gasnetz Springe).  

Schumann

242

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

sog. kalkulatorische Netzdaten zusteht, die insbesondere für eine wirtschaftliche Bewertung des Netzes erforderlich sind. Der BGH bejahte einen solchen Anspruch und stellte unter Anwendung des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG fest, dass der dort normierte Anspruch auch Angaben zu den kalkulatorischen Restwerten und kalkulatorischen Nutzungsdauern umfasst. 8 Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur griffen die Entscheidung in der Neuauflage14 des gemeinsamen Leitfadens auf und erweiterten den Katalog der herauszugebenden Daten und Informationen um eine Vielzahl von wirtschaftlichen Kennzahlen.15

2. § 46a EnWG 9 Mit dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten

zur leitungsgebundenen Energieversorgung16 erfolgte in 2017 eine Kodifizierung des Urteils des Bundesgerichtshofes. Im Zuge dessen wurden mit § 46a EnWG eine eigenständige Norm im EnWG geschaffen, die den Auskunftsanspruch der Gemeinde normiert. Nunmehr regelt § 46a Satz 2 EnWG, dass zu den Informationen über die wirtschaftliche Situation des Netzes insbesondere folgende Daten gehören: – die im Zeitpunkt der Errichtung der Verteilungsanlagen jeweils erstmalig aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 255 des Handelsgesetzbuchs, – das Jahr der Aktivierung der Verteilungsanlagen, – die jeweils in Anwendung gebrachten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern und – die jeweiligen kalkulatorischen Restwerte und Nutzungsdauern laut den betreffenden Bescheiden der jeweiligen Regulierungsbehörde. 10 Da die gesetzliche Regelung nicht abschließend ist,

17

bleiben in der Praxis weiterhin Fragen offen. So ist unklar, welche Bedeutung die umfassende Aufzählung in dem Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur noch hat. Der letzte Leitfaden stammt aus dem Jahre 2015 und wurde seitdem nicht mehr aktualisiert. Zudem hat der Leitfaden18 keinen Rechtscharakter, ist also keine rechtsverbindliche Vorgabe, sondern auch nach eigener Auffassung beider Behörden nur eine Auslegungs- und Anwendungshilfe.19 Von der Festlegungskompetenz nach § 46a Satz 3 EnWG hat die Bundesnetzagentur bislang keinen Gebrauch gemacht.

14 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.5.2015. 15 Gemeinsamer Leitfaden vom 21.5.2015, Rn 40. 16 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017, BGBl. I S. 130 (Nr. 5), in Kraft getreten am 3.2.2017. 17 BT Ds. 18/8184, Seite 16. 18 Zur „Leitfadenkultur im Konzessionsrecht“ ausführlich die Vorauflage, dort Kapitel 9. 19 Gemeinsamer Leitfaden vom 21.5.2015, Rn 6. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

243

Unstrittig dürfte sein, dass neben den in § 46a Satz 2 EnWG ausdrücklich genannten 11 wirtschaftlichen Daten auch weitere, insbesondere technische Daten im notwendigen Umfang zur Verfügung zu stellen sind. Der notwendige Umfang in diesem Sinne bestimmt sich nach dem eigentlichen Zweck der Datenherausgabe. Potentielle Bewerber sollen anhand der Daten eine Entscheidung über ihre Teilnahme am weiteren Verfahren treffen können.20 Es geht also um eine erste Bewertung des ausgeschriebenen Energieversorgungsnetzes. Davon abzugrenzen ist die Bewertung im Rahmen einer tatsächlichen Netzübernahme nach Vergabe des Konzessionsvertrages.21 Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Erhebung der Daten beim bisherigen Konzessionsnehmer zu einem erheblichen Aufwand führt. Insofern ist eine sinnvolle Abwägung zwischen den berechtigten Interessen etwaiger Bewerber an einer Erstbewertung des Netzes und dem mit der Datenerhebung einhergehenden Aufwand herbeizuführen. Diese Abwägung führt zwingend dazu, dass manchen Datenanforderungen der Ge- 12 meinden zurückzuweisen sind. Das betrifft beispielsweise die Ermittlung von Grundstücken oder Grunddienstbarkeiten. Zudem sind vor allem bei Regionalversorgern einige Daten nicht für jedes Konzessionsgebiet getrennt ermittelbar, so unter anderem Bilanzund GuV-Werte oder die Anzahl der Mitarbeiter. All diese Daten sind zudem für eine „Erstbewertung“ des Netzes nicht relevant, zumal in den häufigsten Fällen die konkrete Entscheidung eines Unternehmens, sich an einem Konzessionsverfahren zu beteiligen, weder von Umfang noch von Güte der zur Verfügung gestellten Daten abhängig ist. Praxistipp 1 Neben dem gesetzlichen Anspruch besteht gegebenenfalls weiterhin ein Anspruch auf Datenbereitstellung aufgrund des auslaufenden Konzessionsvertrages. Die entsprechenden Regelungen in den Konzessionsverträgen können dabei vielfältig sein, gehen jedoch meist über den gesetzlichen Umfang hinaus. Zudem enthalten viele Konzessionsverträge Vertragsstrafenregelungen für den Fall einer verspäteten oder unzureichenden Datenbereitstellung. Das Energieversorgungsunternehmen sollte daher stets auch die Regelungen der auslaufenden Konzessionsverträge im Blick behalten.

§ 46a EnWG regelt einen gesetzlichen Anspruch der Gemeinde gegen den Altkonzessio- 13 när.22 Der Anspruch muss von der Gemeinde rechtzeitig geltend gemacht werden, damit diese ihrerseits die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG in die Wege leiten kann. Der bisherige Konzessionsnehmer ist daher grundsätzlich nicht von sich aus verpflichtet, die Daten aufzubereiten und der Gemeinde anzudienen. Gleichwohl verhält es sich in der Praxis so, dass der bisherige Konzessionsnehmer in aller Regel bereits vor der Jahresfrist des § 46a EnWG auf die Gemeinde zugeht und die geplante Verfahrensweise

20 BT Ds. 18/8184, Seite 16; BDEW-Anwendungshilfe Konzessionen, Seite 13. 21 Vgl. Kapitel 6 A. III. 5. 22 BeckOK EnWG/Pfeiffer, § 46a EnWG / Rn 4.  

Schumann



244

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

bis zur Bekanntmachung bespricht. Das macht bereits deshalb Sinn, weil für die Datenbereitstellung selbst in aller Regel bis zu drei Monate benötigt werden.

3. Beispiel: Strukturdatenbereitstellung für Stromnetz 14 Anlagegüter des Netzes der allgemeinen Versorgung Stromleitungen (gesamt)

km

Anzahl Trafostationen Anzahl SLP Zähler Anzahl RLM Zähler Sonstige Zähltechnik

Alterstruktur der Anlagegüter des Elektrizitätsversorgungsnetzes des Konzessionsgebietes Durchschnittsalter Mittelspannungskabel

Jahre

Durchschnittsalter Mittelspannungsfreileitung

Jahre

Durchschnittsalter Niederspannungskabel

Jahre

Durchschnittsalter Niederspannungsfreileitung

Jahre

Durchschnittsalter Trafostationen

Jahre

Oberflächenstruktur der Anlagegüter des Elektrizitätsversorgungsnetzes des Konzessionsgebietes nach DIN 18300 Bodenklasse …

%

Bodenklasse …

%

Bodenklasse …

%

Stromkreislänge der Nieder- und Mittelspannungsebene Länge Mittelspannungskabel

km

Länge Mittelspannungsfreileitung

km

Länge Niederspannungskabel

km

Länge Niederspannungsfreileitung

km

Schumann

245

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

Jahresarbeit in Kilowattstunden pro Netzebene Jahresarbeit in Standardlastprofilen

kWh

Jahresarbeit Leistungsmessung NS

kWh

Jahresarbeit Leistungsmessung MS

kWh

Anzahl der Entnahmestellen Anzahl Zählpunkte Standardlastprofil Anzahl Zählpunkte Leistungsmessung NS Anzahl Zählpunkte Leistungsmessung MS

Einwohnerzahl im Netzgebiet Anzahl Einwohner

Versorgte Fläche nach § 24 Abs. 2 Satz 2 und 3 StromNEV Versorgte Fläche

km²

Geographische Fläche des Netzgebietes Geographische Fläche

km²

Konzessionsabgabenaufkommen nach Tarifkunden

T€

nach Sondervertragskunden

T€

originäre Anschaffungs- und Herstellungskosten derAnlagengüter, aufteilt nach Anlagengruppen gemäß Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 Satz 1 StromNEV und Anschaffungsjahre Leitungen nach Spannungsebenen

Jahr

T€

Trafostationen

Jahr

T€

SLP Zähler

Jahr

T€

RLM Zähler

Jahr

T€

Zubehör

Jahr

T€

246

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Nutzungsdauern je Anlagengruppe Leitungen nach Spannungsebenen

Jahr

Trafostationen

Jahr

SLP Zähler

Jahr

RLM Zähler

Jahr

Höhe der nicht aufgelösten Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse Netzanschlusskostenbeiträge

Jahr

T€

Baukostenzuschüsse

Jahr

T€

kalkulatorische Restwerte und Abschreibungen etc. laut Genehmigungsbescheid kalkulatorischer Restwert

T€

kalkulatorische Abschreibungen

T€

kalkulatorische Eigenkapitalzinsen

T€

kalkulatorische Gewerbesteuer

T€

4. Vertraulichkeitsvereinbarung 15 Die vom Altkonzessionär nach § 46a EnWG zur Verfügung gestellten Daten und Unterla-

gen sind von der Gemeinde „in geeigneter Form“ zu veröffentlichen. Hierauf und auf den Ort der Veröffentlichung ist bereits in der Bekanntmachung hinzuweisen (§ 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG). In der Praxis werden diese Daten häufig elektronisch zur Verfügung gestellt. 16 Unabhängig von der konkreten Art und Weise der Übermittlung der Daten und Unterlagen an Bewerber und Interessenten ist unstreitig, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, die erforderlichenfalls erst gegen Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung übermittelt werden. Dabei kann bereits der bisherige Konzessionsnehmer im Rahmen des § 46a EnWG die Bereitstellung der Daten von dem Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit der Gemeinde abhängig machen. Die Gemeinde muss dann ihrerseits mit potentiellen Bewerbern und Interessenten eine eigene Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen.23 Eine für jedermann zugängliche

23 Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt sehen keine kartellrechtlichen Bedenken, wenn der bisherige Konzessionsnehmer der Gemeinde und den Bietern eine Vertraulichkeitsverpflichtung abverlangt, vgl. Gemeinsamer Leitfaden vom 21.5.2015, Rn 42. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

247

Veröffentlichung der Daten und Unterlagen, beispielsweise auf der Homepage der Gemeinde, ist jedenfalls nicht zulässig.24

5. Datenaktualisierung Der Anspruch der Gemeinde nach § 46a EnWG ist spätestens ein Jahr vor Bekannt- 17 machung fällig. Der Anspruch erlischt mit Übersendung der in § 46a EnWG genannten Daten, da in diesem Zeitpunkt die geschuldete Leistung bewirkt wird (§ 362 BGB). Der Anspruch lebt daher nicht erneut auf, nur weil zwischen Fälligkeit der Datenbereitstellung und der tatsächlichen Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens viel Zeit vergeht oder vergehen kann. Relevanz in der Praxis hat das vor allem dann, wenn sich die Gemeinde für eine frühere Bekanntmachung als zwei Jahre vor Ende des laufenden Konzessionsvertrages entscheidet.25 Erfolgt eine frühere Bekanntmachung, wird auch der Anspruch nach § 46a EnWG entsprechend früher fällig.26 Zwischen Datenbereitstellung und Erstellung der Angebote im Konzessionsvergabeverfahren können daher mitunter 3–5 Jahre liegen. Dennoch müssen die Bewerber dann mit diesen Daten arbeiten. Der Altkonzessionär ist jedenfalls nicht zur Datenaktualisierung verpflichtet. Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich der Altkonzessionär im auslaufenden Konzessionsvertrag ausdrücklich dazu verpflichtet hat.

6. Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 46a EnWG Verweigert der Altkonzessionär die Herausgabe der Daten nach § 46a EnWG, begeht er 18 eine Pflichtverletzung und einen Gesetzesverstoß, auch wenn die Einzelheiten dazu strittig sind. Da der Gesetzgeber mit der Regelung des § 46a EnWG bezweckt hat, die Benachteiligung im Konzessionswettbewerb durch unterschiedliche Kenntnisse der technischen und wirtschaftlichen Parameter des ausgeschriebenen Energieversorgungsnetzes zu beseitigen,27 wird man davon ausgehen können, dass der Verstoß gegen § 46a EnWG gleichzeitig eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt und damit einen Verstoß gegen Kartellrecht.28 Erfüllt der Altkonzessionär den Anspruch aus § 46a EnWG aus Sicht der Mitbewer- 19 ber nur unzureichend, haben diese das dann innerhalb der Fristen des § 47 Abs. 2 EnWG zu rügen. Ob § 47 Abs. 2 Satz 1 oder 2 EnWG einschlägig ist, hängt im Wesentlichen davon ab, zu welchem Zeitpunkt die Daten und Informationen durch die Gemeinde zur

24 BGH, Urteil vom 14.4.2015, Az. EnZR 11/14 – Gasnetz Springe, Rn 28; Theobald/Kühling/Theobald/ Schneider, EnWG § 46a, Rn 10; BeckOK EnWG/Pfeiffer, § 46a EnWG / Rn 6; BerlKommEnR/Wegner, § 46a EnWG / Rn 8. 25 Zur Zulässigkeit früherer Bekanntmachungen siehe Kapitel 3 A. III. 1. 26 BeckOK EnWG/Pfeiffer, § 46a EnWG / Rn 3. 27 BT Ds. 18/8184, Seite 16. 28 So auch Theobald/Kühling/Theobald/Schneider, EnWG § 46a, Rn 8.  

Schumann



248

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Verfügung gestellt werden. Erfolgt dies erst nach der Bekanntmachung und Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung, wird man den Mitbewerbern wohl zumuten können und müssen, dass sie die Rechtsverletzung gemäß oder analog § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG innerhalb von 15 Kalendertagen nach Übermittlung der Daten rügen.29 Abzulehnen ist jedenfalls die Ansicht, nach der der Mitbewerber in Kenntnis einer unzureichenden Datenlage ein Angebot abgibt und zu einem späteren Zeitpunkt die Auswahlentscheidung mit dem Argument der fehlenden Kenntnisse über das Energieversorgungsnetz angreift.30

7. Rechtsschutz der Gemeinde 20 Der gesetzliche Auskunftsanspruch nach § 46a EnWG ist durch die Gemeinde vor den Zivilgerichten durchzusetzen, wenn und soweit der Altkonzessionär den Anspruch nicht erfüllt. Zuständig sind die Landgerichte nach Maßgabe von § 102 EnWG.31 Das gilt auch, wenn neben dem gesetzlichen Auskunftsanspruch ein vertraglicher Anspruch geltend gemacht wird. Ergänzend zu § 46a EnWG enthalten die Regelungen in Konzessionsverträgen häufig Konkretisierungen im Hinblick auf Fristen, Datenformate und Umfang der herauszugebenden Daten und Unterlagen. Zudem werden oft Vertragsstrafen vereinbart. 21 Neben dem Rechtsschutz vor den Zivilgerichten können auf Veranlassung der Gemeinde auch die Kartellbehörden tätig werden.32 Da ein Verstoß gegen § 46a EnWG sogleich eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt, kann die zuständige Kartellbehörde den Altkonzessionär nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB verpflichten, die Wettbewerbsbeschränkung durch Herausgabe der Daten abzustellen. Eine (parallele) Zuständigkeit der Regulierungsbehörden, insbesondere der Bundesnetzagentur, wird von diesen jedenfalls für das Stadium der Bekanntmachung und des Auswahlverfahrens abgelehnt.33

8. Kein Anspruch potentieller Bieter und Interessenten 22 Potentielle Bieter und Interessenten haben keinen direkten Anspruch gegen den Altkon-

zessionär auf Herausgabe von Daten im Sinne von § 46a EnWG.34 Es besteht im Zeit-

29 Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 27.1.2021, Az. U 6/20 Kart, Seite 19/20 des Urteilsumdrucks und LG Leipzig, Urteil vom 7.4.2022, Az. 04 HK O 1622/21 Seite 11 des Urteilsumdrucks. 30 So wohl Theobald/Kühling/Theobald/Schneider, EnWG § 46a, Rn 9. Das OLG Dresden lehnt es zumindest ab, im Rahmen der Bewertung dem Altkonzessionär wegen dessen besserer Kenntnis vom Energieversorgungsnetz „Punkte abzuziehen“, vgl. OLG Dresden Urteil vom 27.1.2021, Az. U 6/20 Kart, Seite 19/20. 31 BerlKommEnR/Wegner, § 46a EnWG / Rn 11. 32 Wobei die Kartellbehörden auch selbst tätig werden können, wenn und soweit sie ihr Aufgreifermessen bejahen. 33 So Gemeinsamer Leitfaden vom 21.5.2015, Rn 10. 34 BeckOK EnWG/Pfeiffer, § 46a EnWG / Rn 8; BerlKommEnR/Wegner, § 46a EnWG / Rn 6. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

249

punkt des Bekanntmachungs- und Auswahlverfahrens zwischen Altkonzessionär und Mitbewerbern weder ein gesetzliches noch ein vertragliches Schuldverhältnis, aus denen Ansprüche oder Nebenpflichten ableitbar sind.35 Bieter und Interessenten sind daher darauf angewiesen, dass die Gemeinde ihren Auskunftsanspruch geltend macht. Unterlässt die Gemeinde die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, verstößt sie ihrerseits gegen §§ 19, 20 GWB.

III. Bekanntmachung 1. Allgemeines Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG ist spätestens zwei Jahre vor Ablauf des Konzessionsver- 23 trages dessen Vertragsende gemeinsam mit einem ausdrücklichen Hinweis auf die zur Verfügung zu stellenden Daten im Sinne von § 46a EnWG bekannt zu machen. Die Bekanntmachung dient vor allem der Transparenz und initiiert das sich anschließende Konzessionsvergabeverfahren. Durch die Bekanntmachung sollen alle potentiellen Interessenten Kenntnis vom Auslaufen eines Konzessionsvertrages erhalten, so dass ein Wettbewerb um den Konzessionsvertrag entstehen kann.36 Aus § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG folgt zudem die Pflicht, in der Bekanntmachung zur Ab- 24 gabe einer Interessenbekundung aufzufordern und dafür eine Frist von mindestens drei Kalendermonaten vorzusehen (Interessenbekundungsfrist). Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalten sollte die Bekanntmachung ins- 25 besondere folgende Informationen enthalten: – Datum des Vertragsendes, – Angaben zum Konzessionsgebiet und ggf. zur Einwohnerzahl und Höhe der jährlichen Konzessionsabgaben, – Art des Energieversorgungsnetzes (Strom oder Gas), – Angaben zum Altkonzessionär, – Beginn und Laufzeit des neu abzuschließenden Konzessionsvertrages, – Aufforderung zur Abgabe von Interessenbekundungen einschließlich Form und Frist und – Benennung der verfahrensleitenden Stelle bzw. eines Ansprechpartners. Die Bekanntmachung erfolgt immer im (elektronischen) Bundesanzeiger. Sind im Ge- 26 meindegebiet mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das betroffene Energieversorgungsnetz angeschlossen, erfolgt die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union.

35 Ebenso Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Gemeinsamer Leitfaden vom 21.5.2015, Rn 43. 36 So schon zur Neufassung des EnWG 1998 BT-Drs. 13/7274, Seite 21, vgl. auch Theobald/Kühling/Theobald/Schneider EnWG § 46 / Rn 101. Schumann

250

27

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Die Frist des § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG ist eine Mindestfrist, d. h. die Bekanntmachung hat spätestens zwei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages zu erfolgen. Die Bekanntmachung kann allerdings auch eher erfolgen, muss aber dennoch in einem zeitlichen Zusammenhang zum Ablauf des Konzessionsvertrages stehen. Welcher zeitliche Vorlauf in diesem Sinne gerade noch zulässig ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Denkbar erscheint es, eine Bekanntmachung bis fünf Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages für zulässig zu erachten. In einem solchen Zeitraum sind typischerweise noch mittelfristige Unternehmensplanungen möglich.37 Im Übrigen wird man stets auf die Umstände des Einzelfalls abstellen müssen.38  

2. Verfahrensfehler 28 Verfahrensfehler und Rechtsverstöße, die sich aus der Bekanntmachung nach § 46

Abs. 3 EnWG ergeben, unterliegen nunmehr auch dem Rügeregime des § 47 EnWG. Sie sind nach § 47 Abs. 2 Satz 1 EnWG innerhalb der sog. Interessenbekundungsfrist (§ 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG) zu rügen. Allerdings gilt das nur für solche Rechtsverletzungen, die aus der Bekanntmachung selbst erkennbar sind. Wegen des vorgegebenen bzw. üblichen Inhalts der Bekanntmachung kommen solche rügepflichtigen Rechtsverletzungen nur (noch) selten vor. Denkbar sind Verstöße gegen die Bekanntmachungsfrist von zwei Jahren, fehlende Angaben zu den zu veröffentlichenden Daten, eine Unterschreitung der Mindestfrist für die Abgabe von Interessenbekundungen oder die Veröffentlichung in einem ungeeigneten Medium. 29 Nicht alle Verfahrensfehler im Rahmen der Bekanntmachung können sinnvoll dem Rügeregime nach § 47 EnWG unterworfen werden. So kann ein Verstoß gegen die Bekanntmachungsfrist von mindestens zwei Jahren in aller Regel nicht geheilt werden. Das tatsächliche Vertragsende steht von vornherein fest und lässt sich nicht im Rahmen der Abhilfe verändern. Erfolgt daher die Bekanntmachung entgegen § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG beispielswese ein Jahr vor Vertragsende, ist das zwar ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG, der aber aufgrund des Zeitablaufs nicht korrigiert werden kann. Hier liegt es an der Gemeinde, das weitere Verfahren so zu gestalten, dass eine Benachteiligung der Bieter verhindert wird. 30 Im Übrigen wird man weiterhin eine Nichtigkeit des Konzessionsvertrages nach § 46 Abs. 3 EnWG i. V. m. § 134 BGB annehmen müssen, wenn und soweit eine Bekanntmachung gar nicht oder in einem völlig ungeeigneten Medium erfolgt ist.39 In beiden Fällen wird die Rügemöglichkeit des § 47 Abs. 2 Satz 1 EnWG dem groben Rechtsverstoß nicht gerecht. Zudem fehlt es an einer erkennbaren Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 EnWG, denn im ersten Fall gibt es überhaupt keine Bekanntmachung, die  



37 Ähnlich BeckOK EnWG/Pfeiffer, EnWG § 46 / Rn 91. 38 BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 90. 39 So zur früheren Rechtslage bereits BGH, Urteil vom 18.11.2014, EnZR 33/13 (Stromnetz Schierke), BeckOK EnWG/Pfeiffer, EnWG § 46 / Rn 98. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

251

im Hinblick auf ihre Fehlerhaftigkeit geprüft werden könnte. Und im zweiten Fall wird es an der Erkennbarkeit deshalb fehlen, weil es interessierten Unternehmen nicht zumutbar ist, Amtsblätter der Gemeinden, örtliche Tageszeitungen oder andere Quellen regelmäßig nach etwaigen fehlerhaften Bekanntmachungen von Konzessionsverträgen zu durchsuchen. Unabhängig davon liegt in solchen Konstellationen regelmäßig der Verdacht nahe, dass bewusst gegen die Bekanntmachungsvorschriften des § 46 Abs. 3 EnWG verstoßen wurde und bereits deshalb die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB angemessen ist.

3. Mustertext Bekanntmachung (vereinfacht)

Bekanntmachung gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG Die Gemeinde xxx gibt hiermit bekannt, dass der mit der xxx bestehende Stromkonzessionsvertrag zum 31.12.2024 endet. Die Gemeinde xxx beabsichtigt, den vorgenannten Stromkonzessionsvertrag mit einer Laufzeit vom 1.1.2025 bis 31.12.2044 (20 Jahre) neu zu vergeben. Zu diesem Zwecke wird die Gemeinde xxx ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchführen. Die Gemeinde xxx liegt im Landkreis xxx des Bundeslandes xxx und hat xxx Einwohner. Im Jahr 2021 betrug das Stromkonzessionsaufkommen im Konzessionsgebiet ca. xxx €. Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Konzessionsvertrages erforderlich sind, können in der Gemeinde xxx zu den üblichen Sprechzeiten eingesehen werden. Alternativ ist auch eine Übermittlung der Informationen per Post oder über einen sicheren, elektronischen Kommunikationsweg möglich. Die Gemeinde xxx weist darauf hin, dass die zur Verfügung gestellten Informationen vertraulich zu behandeln sind und ausschließlich zum Zwecke der Bewerbung um den Abschluss eines Konzessionsvertrages verwendet werden dürfen. Die Informationen können daher nur nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarung eingesehen werden. Unternehmen, die Einsicht in die Informationen nehmen oder um deren Übersendung bitten möchten, werden gebeten, die Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarung bei der Gemeinde xxx anzufordern. Interessierte Unternehmen werden aufgefordert, bis spätestens drei Monate nach dem Datum dieser Veröffentlichung eine schriftliche Interessenbekundung einzureichen. Die Interessenbekundung ist in einem verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift „Stromkonzessionsverfahren Gemeinde xxx“ bei Gemeinde xxx Verfahrensleitende Stelle Straße und Ort einzureichen.

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31

252

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Nach Eingang der Interessenbekundungen wird sich die Gemeinde xxx mit den Interessenten in Verbindung setzen und über den weiteren Verfahrensablauf informieren. Die Gemeinde xxx weist darauf hin, dass verspätet eingegangene Interessenbekundungen nicht berücksichtigt werden. Als Ansprechpartner der Gemeinde xxx steht Ihnen zur Verfügung: Name, Vorname Funktion Kontaktdaten

4. Besonderheiten bei vorzeitiger Verlängerung bzw. Beendigung 32 Lange Zeit strittig war die Frage, welche Verfahrensvorschriften bei einer vorzeitigen

Verlängerung des Konzessionsvertrages anwendbar sind. Der Begriff der „vorzeitigen Verlängerung“ ist insoweit irreführend, weil der bestehende Konzessionsvertrag vorzeitig beendet und ein neuer Konzessionsvertrag abgeschlossen wird. § 13 EnWG 1998 enthielt dazu keine ausdrückliche Regelung. Erst im Jahre 2008 wurde geklärt, dass § 13 Abs. 3 EnWG 1998 auch auf die Fälle der vorzeitigen Verlängerung anwendbar war.40 Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bereits die Nachfolgeregelung in Kraft (§ 46 Abs. 3 Satz 3 und 4 EnWG 2005). § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG 2005 schrieb vor, dass die vorzeitige Beendigung und das Vertragsende öffentlich bekannt zu geben sind. Wo und wie die öffentliche Bekanntgabe zu erfolgen hatte, war nicht geregelt. Der BGH schloss sich im Jahr 2014 der herrschenden Meinung an und stellte fest, dass auch die öffentliche Bekanntgabe der vorzeitigen Beendigung und des Vertragsendes im Sinne von § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG 2005 durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger zu erfolgen hat.41 Das Urteil des BGH hat der Gesetzgeber im Rahmen der EnWG-Novelle 2017 umgesetzt. Nach § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG gelten nunmehr die Vorgaben des § 46 Abs. 3 Satz 1 und 2 EnWG auch für die Fälle der vorzeitigen Verlängerung. 33 § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG gewährt der Gemeinde allerdings kein einseitiges Kündigungsrecht. Soll § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG zur Anwendung kommen, muss zunächst mit dem Konzessionsvertragspartner die einvernehmliche Aufhebung bzw. Beendigung des Konzessionsvertrages vereinbart werden.42

5. Besonderheiten anderer Fallkonstellationen 34 Die Bekanntmachungsvorschriften finden auch dann uneingeschränkt Anwendung,

wenn der Konzessionsvertrag nicht für die Maximallaufzeit von 20 Jahren abgeschlos-

40 OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2008, VI 2 U 8/07 (Kart). 41 BGH, Urteil vom 18.11.2014, EnZR 33/13 (Stromnetz Schierke). 42 BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 95. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

253

sen war, sondern von vornherein nur mit einer kürzeren Laufzeit, beispielsweise 10 Jahre, und die Gemeinde diesen Vertrag auf die Maximallaufzeit nachträglich „verlängern“ möchte.43 Die Gemeinde hat sich in diesem Fall bewusst für eine kürzere Laufzeit entschieden und damit in Kauf genommen, dass potentielle Interessenten gerade wegen der kürzeren Laufzeit von einer Bewerbung Abstand genommen haben. Macht die Gemeinde indes von einer Verlängerungsoption Gebrauch, die im Kon- 35 zessionsvertrag angelegt ist und einseitig ausgeübt werden kann, ist eine Bekanntmachung zunächst nicht erforderlich.44 Allerdings darf auch hierbei die Höchstlaufzeit von 20 Jahren (§ 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG) nicht überschritten werden. Gleiches gilt, wenn die Gemeinde von einer im Konzessionsvertrag enthaltenen Kündigungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht und der Vertrag daher bis zur gesetzlich zulässigen Höchstlaufzeit weiterläuft.45 Entscheidend ist in beiden Fällen, dass es sich von Anfang an um einen Konzessionsvertrag handelt, der lediglich nach Ablauf einer gewissen Grundlaufzeit zugunsten der Gemeinde verschiedene Optionen zur Vertragsverlängerung oder Vertragskündigung bietet.46 Ist im Konzessionsvertrag hingegen ein Sonderkündigungsrecht vorgesehen und 36 wird dieses durch die Gemeinde ausgeübt, finden mit Zugang der Kündigung beim Konzessionsvertragspartner die Bekanntmachungsvorschriften des § 46 Abs. 3 EnWG Anwendung. Die Gemeinde ist daher verpflichtet, die vorzeitige Beendigung des Konzessionsvertrages nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Idealerweise berücksichtigen die vereinbarten Sonderkündigungsrechte und die Kündigungsfristen bereits die Bekanntmachungsfrist von zwei Jahren, so dass mit Zugang der Kündigung die Konzessionsverträge noch eine Restlaufzeit von mindestens zwei Jahren haben. Bei anlassbezogenen und außerordentlichen Kündigungsrechten (z. B. Change-of-Control-Klauseln, Kündigung aufgrund wiederholter Verstöße gegen Vorschriften des Konzessionsvertrages) wird dagegen eine fristlose Kündigung oder zumindest eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart sein. Der Konzessionsvertrag wird dann zwar rechtlich beendet, allerdings schließt sich auch hier das reguläre Bekanntmachungs- und Vergabeverfahren an. Nach Beendigung des Konzessionsvertrages gilt § 48 Abs. 4 Satz 1 EnWG, sofern die Gemeinde mit dem bisherigen Konzessionsnehmer keine individuelle Interimsvereinbarung abgeschlossen hat.  

Praxistipp 1 Erklärt die Gemeinde die Kündigung des Konzessionsvertrages, wird die Kündigung als einseitig empfangsbedürfte Willenserklärung mit Zugang beim Konzessionsnehmer wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie kann nach Zugang nicht mehr widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zivilrechtlich ist es allerdings möglich,

43 44 45 46

BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 91. So auch BeckOK EnWG/Pfeiffer, EnWG § 46 / Rn 92.1. BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 92. Ähnlich BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 92.

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254

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

den Eintritt der Rechtsfolgen der Kündigung einvernehmlich durch eine entsprechende Vereinbarung aufzuheben oder zu beseitigen, sofern die Vereinbarung vor dem Beendigungszeitpunkt abgeschlossen wird.47 Bezogen auf die Kündigung eines Konzessionsvertrages mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren wäre daher grundsätzlich eine Vereinbarung innerhalb der Kündigungsfrist denkbar, die die Rechtsfolgen der Kündigung aufhebt. Ist indes nach Ausspruch der Kündigung bereits eine Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG erfolgt, wurde der gekündigte Konzessionsvertrag auch gegenüber Dritten als beendet erklärt und potentielle Interessenten sind aufgefordert, ihr Interesse am Neuabschluss des Konzessionsvertrages zu bekunden. Eine einvernehmliche Aufhebung der Kündigungsfolgen ist damit richtigerweise nicht mehr möglich, denn eine solche würde potentielle Interessenten von einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren ausschließen. Ähnlich wie das OLG Naumburg für das Vergaberecht bereits entschieden hat, ist in einer einvernehmlichen Aufhebung der Kündigungsfolgen nach erfolgter Bekanntmachung eine unwirksame de facto – Vergabe zu sehen.48

IV. Interessenbekundungen 1. Erklärung des Interesses am Abschluss eines Konzessionsvertrages 37 Im Rahmen der Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG hat die Gemeinde darauf hinzuweisen, dass Unternehmen, die Interesse am Abschluss eines Konzessionsvertrages haben, ihr Interesse form- und fristgerecht bekunden müssen (Interessenbekundung). Diese Vorgabe kann § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG entnommen werden und hat sich in der Praxis durchgesetzt, wobei in aller Regel auch die Mindestfrist von drei Monaten zur Anwendung kommt (Interessenbekundungsfrist). Längere Interessenbekundungsfristen sind eher selten anzutreffen und nicht notwendig, da inhaltlich an die entsprechenden Erklärungen keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Es genügt, wenn die Unternehmen49 form- und fristgerecht mitteilen, am weiteren Verfahren teilnehmen zu wollen. Sinnvollerweise benennt das Unternehmen in der Erklärung sogleich einen Ansprechpartner mit entsprechenden Kontaktdaten, damit die weiteren Unterlagen (Verfahrensbriefe, Einladung zu Bietergesprächen etc.) ordnungsgemäß übermittelt werden können. Das ist schon deshalb wichtig, weil in den meisten Fällen lediglich die sog. Textform vorgeschrieben ist (z. B. § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG) und damit sichergestellt werden sollte, dass vor allem E‑Mails bei einem konkreten Verantwortlichen eingehen. 38 Keine Interessenbekundung im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG liegt hingegen vor, wenn Unternehmen auf die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG hin lediglich die zu veröffentlichenden Daten (§ 46 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 46a EnWG) abfordern oder einsehen wollen, ohne eine weitere Erklärung abzugeben. In diesem Fall darf und muss  





47 Vgl. allerdings zum Mietrecht BGH, Urteil vom 24.6.1998, Az. XII ZR 195-96. 48 OLG Naumburg, Beschluss vom 26.7.2012, Az. 2 Verg 2/12. 49 Es wird hier und nachfolgend nur von Unternehmen gesprochen. Bisweilen kommt es vor, dass auch Privatpersonen Interessenbekundungen abgeben, die dann aber meist nicht weiter am Verfahren teilnehmen. Schumann

A. Vergabe von Konzessionsverträgen

255

die Gemeinde davon ausgehen, dass das Unternehmen zunächst die Daten prüfen und erst im Anschluss daran über die Abgabe einer Interessenbekundung entscheiden möchte. Geht daraufhin keine entsprechende Erklärung innerhalb der Interessenbekundungsfrist ein, ist das Unternehmen im weiteren Verfahrensgang nicht weiter zu berücksichtigen.

2. Eignungsprüfung Auch wenn § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG nur von Interessenbekundung spricht, ist es mög- 39 lich und zulässig, wenn die Gemeinde im Rahmen der Bekanntmachung darauf hinweist, dass bereits der Interessenbekundung bestimmte Nachweise zum Zwecke einer Eignungsprüfung beizufügen sind. Eine solche Eignungsprüfung ist sachgerecht, wenn das Bewerberfeld von vornherein auf solche Unternehmen beschränkt werden soll, die tatsächlich in der Lage sind, die Verpflichtungen aus dem ausgeschriebenen Konzessionsvertrag zu erfüllen. Ausgeschlossen werden können so vor allem Unternehmen oder Personen, die aus sachfremden Erwägungen heraus eine Interessenbekundung abgegeben haben oder abgeben wollen. Allerdings dürfen die Anforderungen an eine solche Eignungsprüfung nicht über- 40 spannt werden. Unter Einhaltung des Diskriminierungsverbotes ist insbesondere auch sog. Newcomern die Chance zur Teilnahme am Konzessionswettbewerb zu eröffnen. Eine etwaige Eignung muss daher auch durch alternative Unterlagen, Konzepte und Erklärungen nachgewiesen werden können. Beispiel für eine Ergänzung des Bekanntmachungstextes: Die Gemeinde wird dem Auswahlverfahren eine Eignungsprüfung voranstellen. Die Gemeinde wird daher nur diejenigen Interessenten zur Abgabe eines Angebotes auffordern, die durch Vorlage folgender Unterlagen ihre Eignung nachgewiesen haben: (1) (2)

Vorlage einer Genehmigung nach § 4 EnWG oder eines Nachweises, dass der Netzbetrieb bereits vor Inkrafttreten von § 4 EnWG aufgenommen wurde. Angaben zu den bisher betriebenen Energieversorgungsnetzen einschließlich Anzahl und Netzgröße sowie Anzahl von Konzessionsverträgen.

Die Angaben zu Ziffer (1) und Ziffer (2) können, wenn ein Interessent bislang noch nicht als Netzbetreiber oder Konzessionsnehmer tätig war, auch durch andere schlüssige Konzepte und Nachweise ersetzt werden, welche die finanzielle, personelle, technische und organisatorische Ausstattung eines künftigen Netzbetreibers nachvollziehbar belegen. Die Nachweise zur Eignungsprüfung sind spätestens mit der Interessenbekundung bei der Gemeinde schriftlich einzureichen. Fehlen die Nachweise zur Eignungsprüfung oder sind diese unvollständig, behält sich die Gemeinde vor, den Interessenten vom weiteren Verfahren auszuschließen. Gleiches gilt für den Fall, dass im Rahmen der Eignungsprüfung die Eignung des Interessenten nicht nachgewiesen oder festgestellt werden kann.

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256

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

41 Das Risiko einer solchen „vorweggenommenen“ Eignungsprüfung besteht darin, dass

die Gemeinde schon vor Versendung der Auswahlkriterien einen Rechtsstreit darüber führen muss, ob ein Ausschluss eines Unternehmens vom weiteren Verfahren rechtmäßig erfolgte oder nicht. Solle die Interessenbekundung nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt sein, ist der Gemeinde im Zweifel eine Zulassung des Unternehmens für das weitere Verfahren zu empfehlen.

3. Fortgang nach Eingang der Interessenbekundungen 42 Gehen mehrere Interessenbekundungen form- und fristgerecht ein, hat die Gemeinde

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das weitere Verfahren unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes und des Diskriminierungsverbotes zu gestalten. Zur konkreten Verfahrensgestaltung schweigt sich das Gesetz aus. § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG enthält lediglich die Vorgabe, dass den Interessenten, die form- und fristgerecht ihr Interesse bekundet haben, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen sind. Zum konkreten Zeitpunkt der Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung enthält das Gesetz ebenfalls keine Angaben.50 In der Praxis zeigt sich mitunter, dass die Gemeinden erst nach Eingang der Interessenbekundungen Vorbereitung für die Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens mit mehreren Interessenten und Bietern treffen, also insbesondere Auswahlkriterien und deren Gewichtung aufstellen und im Gemeinderat beschließen lassen, oder gar einen Berater hinzuziehen. Das kostet zwar etwas Zeit, ist aber nicht zu beanstanden. Auch die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens unterscheidet sich teilweise erheblich. Manche Verfahren sind einstufig (Abgabe nur eines verbindlichen Angebotes), manche Verfahren zweistufig (Abgabe zunächst eines indikativen und erst nach einem Vergabegespräch Abgabe eines verbindlichen Angebotes) ausgestaltet. Beide Varianten sind rechtlich zulässig. Die Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung sowie weitere Verfahrensvorgaben erfolgt in aller Regel in sog. Verfahrensbriefen. Nach Zugang des Verfahrensbriefes beginnt die Rügefrist des § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG, d. h. mögliche Rechtsverletzungen sind innerhalb von 15 Kalendertagen nach Zugang zu rügen. Geht innerhalb der veröffentlichten Frist nur eine Interessenbekundung ein, stellt sich für die Gemeinde die Frage der Notwendigkeit der Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens. In den Bundesländern, in denen noch sog. Musterkonzessionsverträge Anwendung finden,51 die mit dem jeweils zuständigen Gemeinde- und Städtetag und/ oder dem jeweils zuständigen Ministerium abgestimmt sind, ist die Aufstellung eigener Auswahlkriterien ebenso entbehrlich wie das Entwerfen eines eigenen Konzessionsver 

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50 BT Ds. 18/8184, Seite 15. 51 So z. B. in Bayern und Sachsen.  

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A. Vergabe von Konzessionsverträgen

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trages. Schon aus Kosten- und Zeitgründen ist die Gemeinde gut beraten, den Musterkonzessionsvertrag abzuschließen. Häufig vereinfacht das auch die Genehmigung oder Prüfung durch die Kommunalaufsicht oder macht solche gar vollständig entbehrlich. Allerdings „verbietet“ der Gesetzgeber nicht, auch im Falle nur eines Interessenten, 47 Auswahlkriterien aufzustellen oder ein Bietergespräch zu führen. Im Hinblick auf die Auswahlkriterien enthält § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG nicht einmal eine Ausnahme für diesen Fall. Die Vorschrift kann daher auch so interpretiert werden, dass in allen Fällen Auswahlkriterien einschließlich einer Gewichtung aufzustellen sind und dem einen Interessenten zu übermitteln sind. Jedenfalls für die Anwendungsfälle, in denen die oben beschriebenen Musterkonzessionsverträge zur Anwendung kommen, kann § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass hierfür jedenfalls keine Pflicht zur Aufstellung von Auswahlkriterien besteht. Gerade bei Gaskonzessionen ist mit einem abnehmenden Wettbewerb zu rechnen. 48 Es werden häufiger Konzessionsverfahren mit nur einem Interessenten stattfinden, zumeist mit dem Altkonzessionär.52 Die Gemeinden werden sich daher auch darauf einstellen müssen, dass umfassende Angebote, die über einen gewissen Mindeststandardbzw. Mindestregelungsinhalt hinausgehen, gar nicht mehr zur Anwendung kommen.

V. Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG 1. Allgemeiner Regelungsinhalt Die Gemeinde hat nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG diejenigen Unternehmen zu informie- 49 ren, deren Angebot nicht angenommen werden sollen. In dieser sog. Bieterinformation sind auch die wesentlichen Gründe der Ablehnung sowie der frühestmögliche Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses mit dem obsiegenden Mitbewerber anzugeben. Die Information hat in Textform zu erfolgen. Die Pflicht nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG besteht selbstverständlich nur, wenn es 50 überhaupt mehrere Interessenten und Bewerber gab. Ist das nicht der Fall, entfällt die Information und die Gemeinde kann den Neuabschluss des Konzessionsvertrages sogleich nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG bekannt machen.53 Die Regelung des § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG orientiert sich zumindest dem Grunde 51 nach am Rechtsgedanken des früheren § 101a GWB (jetzt § 134 GWB),54 wobei die im GWB enthaltenen Informationspflicht weitaus detaillierter geregelt ist. Auch vor Inkrafttreten des § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG55 war weitgehend anerkannt, dass aufgrund der

52 Zu der Frage, was passiert, wenn kein Unternehmen sein Interesse am Abschluss eines Gaskonzessionsvertrag bekundet, siehe Kapitel 5 B. 53 Siehe Ziffer VI. 54 BT Ds. 18/8184, Seite 15. 55 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017, BGBl. I S. 130 (Nr. 5), in Kraft getreten am 3.2.2017. Schumann

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Präklusion und zum Transparenzgebot eine Unterrichtung der unterlegenen Bieter erforderlich ist.56

2. Inhalt der Information 52 Der Inhalt der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG lässt sich dem Grunde nach aus

dem Gesetzeswortlaut entnehmen und ist insbesondere vor dem Hintergrund der Rügepflichten und Rechtsmittel des § 47 EnWG zu lesen. 53 Zunächst einmal hat die Gemeinde über die wesentlichen Gründe der Ablehnung zu informieren. Für den unterlegenen Bewerber soll klar erkennbar sein, aus welchen Gründen die Gemeinde das Angebot eines anderen Bewerbers für besser erachtet. Entsprechend geht der Gesetzgeber davon aus, dass der unterlegene Bewerber „den bestmöglichen Einblick in die Erwägung der Gemeinde für deren diskriminierungsfreie Sachentscheidung erhalten“ soll.57 Nur durch diesen Einblick kann der unterlegene Bewerber sachgerecht entscheiden, ob und in welchem Umfang Rügen nach § 47 Abs. 2 EnWG erhoben werden sollen. 54 Zur Gewährleistung eines transparenten Verfahrens muss das Auswahlverfahren so ausgestaltet werden, dass die interessierten Bewerber erkennen können, worauf es der Gemeinde im Rahmen der Auswahlentscheidung ankommt. Denn nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.58 Diese Grundsätze finden auf das gesamte Konzessionsvergabeverfahren Anwendung und gelten daher auch und erst recht für die Begründung der Auswahlentscheidung.59 55 Vor dem Hintergrund der sachgerechten Entscheidung über die Erhebung von Rügen und der Einhaltung des Transparenzgrundsatzes hat daher die Gemeinde bereits im Rahmen der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG alle Auswahlkriterien und deren Gewichtung aufzulisten und detailliert darzulegen, welcher Bewerber die Kriterien am besten erfüllt. Dabei sind zunächst die wesentlichen Inhalte der Angebote zu jedem Auswahlkriterium vergleichend gegenüberzustellen.60 Im Anschluss daran ist zu begründen, welche Punktzahl das jeweilige Angebot bei dem konkreten Auswahlkriterium erhält bzw. ob und wie sich das in diesem Auswahlkriterium bestbewertete Angebot von

56 BGH, Urteile vom 17.12.2013, Az. KZR 66/12 (Stromnetz Berkenthin) und Az. KZR 65/12 (Stromnetz Heiligenhafen). 57 BT Ds. 18/8184, Seite 15. 58 BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 35 (Stromnetz Berkenthin); BGH, Beschluss vom 3.6.2014 – EnVR 10/13, Rn 52. 59 OLG Brandenburg, Urteil vom 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart; OLG Frankfurt, Urteil vom 3.11.2017 – 11 U 51/17; zum Vergaberecht BGH, Urteil vom 4.4.2017 – X ZB 3/17, Rn 52 f.; LG Leipzig, Urteil vom 16.6.2021 – 05 O 481/ 21, Urteilsumdruck Seite 10. 60 Ähnlich BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 152.  

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A. Vergabe von Konzessionsverträgen

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den in der Rangfolge nächstplatzierten Angeboten abhebt und unterscheidet. Zweckdienlich ist es und in der Praxis weitgehend durchgesetzt hat sich damit die Übersendung eines vollständigen Auswertungsvermerkes. Neben den dargestellten wesentlichen Gründen der Ablehnung muss die Bieter- 56 information auch den frühestmöglichen Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses enthalten. Im Zeitpunkt der Versendung des Informationsschreibens kann das nur die reguläre Rügefrist des § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG von 30 Kalendertagen sein, da der Gemeinde in diesem Zeitpunkt weder bekannt ist, ob der unterlegene Bewerber Akteneinsicht nimmt (§ 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 EnWG) noch ob er gegen eine etwaige Nichtabhilfe von Rügen den ordentlichen Rechtsweg beschreitet (§ 47 Abs. 4 i. V. m. § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG).61  







3. Rechtsfolge Sobald die Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG zugeht, wird die Rügefrist des § 47 57 Abs. 2 Satz 3 EnWG ausgelöst. Rechtsverletzungen, die die Auswahlentscheidung betreffen, sind innerhalb von 30 Kalendertagen zu rügen. Wichtiger als die 30-tägige Rügefrist ist in diesem Zusammenhang aber die Frist zur Beantragung von Akteneinsicht, die lediglich eine Woche ab Zugang der Information über die Auswahlentscheidung beträgt (§ 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG). Selbst wenn daher der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG bereits ein ausführlicher Auswertungsvermerk beigefügt war, ist stets zu empfehlen, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Nur mit Einsichtnahme in die Akten erhält der unterlegene Bieter letztlich ein vollständiges Bild des Konzessionsvergabeverfahrens und kann prüfen, ob die Erhebung von Rügen erfolgversprechend ist oder ob darauf verzichtet und die Vergabeentscheidung akzeptiert werden soll. Wie bereits erwähnt,62 geht der Gesetzgeber selbst davon aus, dass sich § 46 Abs. 5 58 Satz 1 EnWG am Rechtsgedanken des früheren § 101a GWB (des heutigen § 134 GWB) orientiert. Folgerichtig wird man dann auch den Rechtsgedanken des heutigen § 135 GWB übertragen müssen, so dass ein Konzessionsvertrag, der ohne oder vor der Bieterinformation nach § 46 Abs. 5 Satz 1 abgeschlossen wird, nach § 134 BGB nichtig ist.63 Ist die Bieterinformation nach Meinung des unterlegenen Bewerbers dagegen nur unvollständig oder sonst fehlerhaft, ist dieser Umstand im Rahmen des § 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG zu rügen.

61 So auch BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 153. 62 Siehe V.1. 63 So auch BeckOK EnWG/Pfeiffer, EnWG § 46 / Rn 111. Schumann

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

VI. Bekanntmachung nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG 59 Nach Ablauf möglicher Rüge- und Rechtsmittelfristen kann die Gemeinde den Konzessi-

onsvertrag abschließen und unterzeichnen (§ 47 Abs. 6 EnWG). Das bedingt zumeist ein Abwarten von 30 Kalendertagen nach Zugang der Bieterinformation (§ 47 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG) und im Falle einer Nichtabhilfe von Rügen weiterer 15 Kalendertage (§ 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG). Kommt es doch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung verzögert sich die Unterzeichnung des Konzessionsvertrages nicht unerheblich. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahren entscheidet zunächst das jeweils zuständige Landgericht, im Rahmen der Berufung dann letztinstanzlich das jeweils zuständige Oberlandesgericht. Hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht keinen Erfolg und wird die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt, kann der Konzessionsvertrag am Tag der Urteilsverkündigung unterschrieben werden.64 60 Ist der Konzessionsvertrag unterzeichnet, hat noch die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG zu erfolgen. Diese Verpflichtung ist nicht neu, sondern war bereits in der Vorgängerregelung (§ 46 Abs. 3 Satz 6 EnWG aF) enthalten. Die Bekanntmachung muss die maßgeblichen Gründe der Entscheidung enthalten, wobei diesbezüglich keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Anders als bei der Bekanntmachung des Auslaufens (§ 46 Abs. 3 Satz 1 und 2 EnWG) oder der vorzeitigen Beendigung (§ 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG) von Konzessionsverträgen gab und gibt weder § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG noch die Vorgängerregelung des § 46 Abs. 3 Satz 6 EnWG a. F. eine konkrete Form der Bekanntmachung vor. Eine Analogie zu § 46 Abs. 3 EnWG ist abzulehnen, da eine Regelungslücke insoweit nicht erkennbar ist und die Bekanntmachungen nach § 46 Abs. 3 und Abs. 5 EnWG nicht vergleichbar sind.65 Die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG muss daher weder im Bundesanzeiger noch im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgen.66 Es genügt daher eine Bekanntmachung entsprechend den kommunalrechtlichen Vorschriften im örtlichen Amtsblatt und/oder der lokalen Tagespresse.67 61 Anders als bei der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG ist unstreitig, dass die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 5 Satz 2 EnWG auch dann zu erfolgen hat, wenn nur ein Unternehmen am Konzessionsverfahren beteiligt war und den Zuschlag erhalten hat.68  





64 Irrelevant ist insoweit, ob nach dem einstweiligen Verfügungsverfahren noch ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird. 65 BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 154. 66 A. A. BeckOK EnWG/Pfeiffer, EnWG § 46 / Rn 114. 67 So auch Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen/Dietrich/Auer, Grundriss zum Energierecht, Kap. 6 / Rn 28; BerlKommEnR/Wegner EnWG § 46 / Rn 154. 68 BT-Drs. 18/8184, S. 15.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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B. Allgemeine Verfahrensfragen I. „Vergabe“ von qualifizierten Wegenutzungsverträgen – allgemeine Verfahrensfragen 1. Keine Anwendung des Vergaberechts nach GWB Für die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG ist das in 62 §§ 97 ff. GWB geregelte allgemeine Vergaberecht nicht anwendbar.69 Auch wenn eine direkte oder analoge Anwendung der Regelungen des Kartellvergaberechts ausscheidet, ist nach der Rechtsprechung des BGH aber im Einzelfall eine Anlehnung an den jeweiligen Rechtsgedanken der Vorschriften des GWB denkbar.70 Dies ist aufgrund der sehr knappen Regelungen zur Strom- und Gaskonzessionsvergabe in den §§ 46 EnWG immer wieder erforderlich, um bestehende Regelungslücken zu schließen. Die Rechtsprechung orientiert sich bspw. hinsichtlich der Präklusion im Konzessionsvergabesystem des § 47 EnWG an der vergaberechtlichen Präklusionsvorschrift in § 160 Abs. 3 GWB71 und für Fragen möglicher fakultativer oder zwingender Ausschlussgründe an §§ 123, 124 GWB72.  

2. Diskriminierungsfreiheit und Transparenzgebot Als marktbeherrschender Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die 63 Gemeinden verpflichtet, ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen.

a) Marktbeherrschende Stellung Gemeinden handeln beim Abschluss von Konzessionsverträgen nicht hoheitlich, sondern 64 als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts.73 Sie haben dabei eine marktbeherrschende Stellung auf dem sachlich relevanten Markt des Angebots von Wegenutzungsrechten zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen, die zum Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören.74 Der relevante Markt ist örtlich auf das

69 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 112 – Stromnetz Berkenthin; ders., Urteil vom 28.1. 2020, – EnZR 99/18 – Rn 26 – Gasnetz Leipzig; dazu Kapitel 1 A. 70 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 34 ff. – Stromnetz Berkenthin; ders., Urteil vom 28.1. 2020 – EnZR 99/18 – Rn 35 – Gasnetz Leipzig. 71 Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 11.5.2022 – U 30/21 Kart – Rn 40 f., juris; OLG Celle, Urteil vom 12.9.2019 – 13 U 41/19 (Kart) – Rn 7, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 6.6.2019 – 2 U 218/18 – Rn 75, juris; Kment/Huber, § 47, Fn. 2. 72 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 55 – Gasnetz Berlin; OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12. 2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 6 ff. des Urteilsumdrucks. 73 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 29. 74 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 65/12 – Rn 18, m. w. N. – Stromnetz Heiligenhafen; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 19, m. w. N. – Stromnetz Berkenthin.  









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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Gemeindegebiet der jeweiligen Gemeinde beschränkt und umfasst sämtliche Wege, die sich für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet eignen.75 Der Zugang zu dem betroffenen Markt ist gleichartigen Unternehmen üblicherweise bereits durch die Bekanntmachungspflichten der Gemeinden nach § 46 Abs. 3 EnWG eröffnet, in deren Rahmen sie fremde Unternehmen auffordern, sich am Wettbewerb um die Konzession zu beteiligen.76

b) Diskriminierungsverbot 65 Gemeinden sind als marktbeherrschender Anbieter der Wegenutzungsrechte im Sinne

von § 46 Abs. 2 EnWG in ihrem Gebiet gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, ein diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen.77 Diese Pflicht zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs steht auch mit dem Recht der Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG in Einklang.78 Klarstellend nahm der Gesetzgeber im Rahmen der Novelle der §§ 46 ff. EnWG im Jahr 2017 in § 47 Abs. 1 S. 1 EnWG ausdrücklich die Verpflichtung der Gemeinden auf, ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsverfahren durchzuführen.79 66 Aus der Bindung der Gemeinden an das Diskriminierungsverbot ergeben sich sowohl verfahrensbezogene als auch materielle Anforderungen an die Auswahlentscheidung.80 Die Auswahlentscheidung muss im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgen, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.81 Nach § 46 Abs. 4 S. 1 EnWG ist die Gemeinde dabei den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet. Sie kann diese Ziele gegebenenfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse konkretisieren.82 Im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens soll so der Netzbetreiber ermittelt werden, der nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung, seiner fachlichen Kompetenz und seinem Betriebskonzept am besten geeignet ist, beim Netzbetrieb eine sichere, preisgünstige,  

75 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 65/12 – Rn 21 – Stromnetz Heiligenhafen; ders., Urteil vom 17.12. 2013, – KZR 66/12 – Rn 22 – Stromnetz Berkenthin. 76 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 65/12 – Rn 23 – Stromnetz Heiligenhafen; ders., Urteil vom 17.12. 2013, – KZR 66/12 – Rn 24 – Stromnetz Berkenthin; OLG Frankfurt, Urteil vom 12.8.2021 – 11 U 1/21 (Kart) – Rn 93, juris. 77 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 18 – Gasnetz Berlin; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 31 – Gasnetz Leipzig. 78 Vgl. BGH, Beschluss vom 3.6.2014 – EnVR 10/13 – Rn 51 – Stromnetz Homberg; ders., Urteil vom 17.12. 2013, – KZR 66/12 – Rn 30 ff. – Stromnetz Berkenthin. 79 BGBl. 2017 I, S. 130. 80 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 19 – Gasnetz Berlin; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 32 – Gasnetz Leipzig. 81 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 19 – Gasnetz Berlin. 82 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 16 – Stromnetz Steinbach.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität bzw. Gas zu gewährleisten.83

c) Transparenzgebot Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt, dass den am 67 Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.84 Nur wenn die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt, ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgen kann, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.85 Die Gemeinden müssen daher ihre nach § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG den Bewerbern mitgeteilten Kriterienkataloge eindeutig und klar verständlich für durchschnittlich fachkundige Bieter fassen.

d) Unbillige Behinderung Genügt das Konzessionsvergabeverfahren diesen, aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 68 Abs. 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt wurden.86 Dabei ist eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen vorzunehmen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.87 Der unterlegene Bewerber hat in einem solchen Fall darzulegen, dass die Konzessionsvergabe nach den gesamten Umständen des Falles zumindest möglicherweise auf einer fehlerhaften Ausschreibung oder einer fehlerhaften Angebotsbewertung beruht.88 Es liegt daher keine unbillige Behinderung durch ein fehlerhaftes Auswahlverfahren vor, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der obsiegende Bieter die Konzession auch

83 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 38 – Stromnetz Berkenthin. 84 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 20 – Gasnetz Berlin; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 15 – Stromnetz Steinbach; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 35 – Stromnetz Berkenthin. 85 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 15 – Stromnetz Steinbach. 86 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 54 – Stromnetz Berkenthin. 87 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020, – EnZR 99/18 – Rn 37– Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 55, m. w. N. – Stromnetz Berkenthin. 88 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020, – EnZR 99/18 – Rn 37– Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 20 – Stromnetz Steinbach.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

ohne den Verfahrensfehler erhalten hätte und sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens daher nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann.89 Fehlt es bereits an einer sachlich ausreichenden und transparenten Bekanntgabe wesentlicher bei der Bewertung zu berücksichtigender Kriterien, kann nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig nicht ausgeschlossen werden, dass die Konzessionsvergabe hierauf beruht.90 Bei unzureichenden Ausschreibungsunterlagen ist es möglich, dass ein Bewerber ein anderes Angebot abgegeben hätte, wenn ihm die Anforderungen der Gemeinde ordnungsgemäß bekanntgegeben worden wären.91

3. Geheimwettbewerb 69 Wesentliches und unverzichtbares Kennzeichen eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens zur Vergabe der Wegenutzungsrechte nach § 46 Abs. 2 EnWG ist die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs.92 Die Angebote der Bewerber müssen daher vertraulich bleiben und dürfen nicht in Kenntnis von Angebotsinhalten anderer Bewerber erstellt werden. 70 Bereits die Frage, wie viele und welche Unternehmen fristgerecht ihr Interesse auf die Bekanntmachung der Neuvergabe der Konzession bekundet haben, ist schützenswert. Die Gemeinde darf während des laufenden Konzessionsvergabeverfahrens diese Informationen nicht bekannt geben, da dies Auswirkungen auf die jeweiligen Angebote haben könnte.

a) Informationsaustausch zwischen Verfahrensbeteiligten 71 Ein Austausch von Informationen zu Angebotsinhalten zwischen Bewerbern ist unzulässig. Nur dann, wenn jeder Bewerber die ausgeschriebenen Leistungen in Unkenntnis der Angebote und Angebotsgrundlagen sowie der Angebotskalkulation seiner Mitbewerber anbietet, ist ein echter Bieterwettbewerb um den Zuschlag möglich.93 Andernfalls müsste ein Bieter lediglich diese, ihm bekannten Angebotsinhalte übertreffen, aber nicht mehr ein unbekanntes, potenziell günstigeres Angebot eines dritten Bieters.94 Der Geheimwettbewerb gewährleistet demzufolge, dass die Bieter jeweils ihre

89 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020, – EnZR 99/18 – Rn 37– Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 99 – Stromnetz Berkenthin. 90 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 23 – Stromnetz Steinbach. 91 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 23 – Stromnetz Steinbach. 92 Vgl. BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 122 ff. – Titisee-Neustadt; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 137. 93 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.4.2011 – Verg 4/11 – juris Rn 27. 94 Vgl. BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 123 – Titisee-Neustadt; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 137.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

bestmöglichen Angebote abgeben und der Wettbewerb somit aus Sicht der Gemeinde seine positive Wirkung entfalten kann.95 Aufgrund des Geheimwettbewerbs, des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des 72 Neutralitätsgebots ist auch ein sachwidriger Informationsaustausch zwischen der konzessionsgebenden Gemeinde und einzelnen Bewerbern unzulässig.96 Durch Exklusivinformationen über das Verfahren würden diese Bewerber bevorteilt und damit der Wettbewerb verzerrt.

b) Bewerbung konzernverbundener Unternehmen Beteiligen sich mehrere konzernverbundene Unternehmen im Sinne der §§ 15 ff. AktG 73 jeweils mit eigenen Angeboten an einem Konzessionsvergabeverfahren, besteht die Gefahr einer Verletzung des Geheimwettbewerbs. Auch deren Angebote müssen jeweils ohne Kenntnis der Inhalte des Angebots des konzernverbundenen Unternehmens erstellt werden. Im allgemeinen Kartellvergaberecht ist anerkannt, dass konzernverbundene Unternehmen wirksame Maßnahmen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und des Geheimwettbewerbs (sog. Chinese Walls) ergreifen müssen.97 Diese Grundsätze gelten auch für das Konzessionsvergabeverfahren.98 Bei Abgabe mehrerer Angebote konzernverbundener Unternehmen müssen diese daher unter Einhaltung von Chinese Walls erstellt worden sein. Erst die Abgabe mehrerer Angebote konzernverbundener Unternehmen macht die vorherige Einrichtung und Einhaltung von Chinese Walls erforderlich. Für die Einhaltung des Geheimwettbewerbs ist in diesen Fällen daher die Angebotsabgabe maßgeblicher Zeitpunkt und es erfolgt eine Rückschau auf den Zeitraum der Angebotserstellung. Wird nur ein Angebot abgegeben, liegt kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb wegen der fehlenden Einrichtung von unternehmensinternen Informationsbarrieren vor.99 Gemeinden können von konzernverbundenen Unternehmen Eigenerklärungen zur 74 Einhaltung des Geheimwettbewerbs und der ergriffenen Maßnahmen verlangen. Derartige Erklärungen sind aber erst sinnvoll, wenn feststeht, dass mehrere Unternehmen aus einem Konzern tatsächlich ein verbindliches Angebot abgeben werden.100 Aus der Interessensbekundung mehrerer konzernverbundener Unternehmen lässt sich noch nicht der Schluss ziehen, dass diese auch jeweils ein Angebot abgeben werden.  

95 Vgl. BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 123 – Titisee-Neustadt; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 137. 96 Vgl. BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 124 – Titisee-Neustadt. 97 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.4.2011 – Verg 4/11 – juris Rn 38 ff. 98 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks. 99 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks. 100 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 13 ff. des Urteilsumdrucks.  



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

c) Doppelbewerbung 75 Ist ein Unternehmen an zwei Angeboten beteiligt, bspw. als Pächterin einer Netzeigen-

tumsgesellschaft, an der die konzessionsgebende Gemeinde beteiligt ist, und direkt als Konzessionärin, muss es ebenfalls Chinese Walls einrichten. Die beiden Angebote müssen jeweils ohne Kenntnis der Inhalte und Bedingungen des anderen Angebots erstellt werden. Auch insoweit finden die Grundsätze aus dem allgemeinen Kartellvergaberecht101 für die Konzessionsvergabe Anwendung.

d) Kommunale Beteiligung 76 Beteiligt sich die Gemeinde mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft an dem

Konzessionsvergabeverfahren, folgt aus dem Diskriminierungsverbot und der Verpflichtung zur Neutralität gegenüber allen Bewerbern das Gebot der organisatorischen und personellen Trennung von Vergabestelle und Bewerber.102

4. Beschleunigungsgrundsatz 77 Die Gemeinden sind verpflichtet, zumindest alle 20 Jahre den Wettbewerb um die Kon-

zession zu eröffnen.103 Diesen Zeitraum dürfen sie nicht mit überlangen Verfahren in die Länge ziehen. Sie haben also das Verfahren beschleunigt durchzuführen. Der Gesetzgeber ging ursprünglich davon aus, dass ein zweijähriger Zeitraum vor Auslaufen des bisherigen Konzessionsvertrags ausreichend ist, um ein wettbewerbliches Vergabeverfahren durchzuführen.104 Der neue Konzessionsvertrag sollte daher nahtlos an den bisherigen, auslaufenden Konzessionsvertrag anknüpfen. In § 48 Abs. 4 EnWG hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich die konzessionsabgabenrechtlichen Folgen einer zum Ende des bisherigen Konzessionsvergabeverfahrens noch nicht abgeschlossenen Netzübernahme geregelt. Die Gesetzesbegründung fokussiert sich auf Verzögerungen bei der Netzübernahme, also nach der Vergabeentscheidung, und erwähnt Verzögerungen in dem der Vergabeentscheidung vorgelagerten Verfahren nicht.105 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen daher auch nach dieser gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2017 Konzessionsvergabeverfahren abgeschlossen werden, bevor der bisherige Konzessionsvertrag ausgelaufen ist. 78 Sämtliche Verfahrensschritte muss die Gemeinde daher so zeitnah vornehmen, dass sie das Konzessionsvergabeverfahren bis zum Auslaufen des bisherigen Konzessionsvertrags abschließen kann. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein, wenn die Gemeinde bspw. jeweils mehrere Monate mit dem Versand des Kriterienkatalogs, der Be-

101 102 103 104 105

Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.4.2011 – Verg 4/11 – juris Rn 41. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3 H., Rn 486 ff. Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KZR 55/19 – Rn 18, 37 – Gasnetz Berlin. Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 21. Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 17.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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antwortung einer Rüge gegen die Vergabeunterlagen und der Auswertung der eingegangenen Angebote wartet. In einem solchen Fall trägt die Gemeinde die Darlegungs- und Beweislast, dass sie alles getan hat, um das Beschleunigungsgebot zu wahren. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die von ihr beauftragten externen Berater keine ausreichende Kapazität zur fristgerechten Bearbeitung des Verfahrens haben. Als Herrin des Verfahrens wäre es ihre Pflicht entsprechend einzugreifen und in einem solchen Fall anderweitige Unterstützung hinzuzuziehen. Aus dem Beschleunigungsgrundsatz dürfte sich ein Anspruch der beteiligten Bieter 79 auf eine entsprechende Verfahrensgestaltung durch die Gemeinde ergeben. Sie können daher von der Gemeinde verlangen, dass diese innerhalb einer angemessenen Frist Bieterfragen und Rügen beantwortet, die Angebote auswertet und dem unterlegenen Bieter Akteneinsicht gewährt. Die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels eines rechtzeitigen Verfahrensabschlusses kann nur gewährleistet werden, wenn die Bieter wirksam gegen Verfahrensverschleppungen durch die Gemeinden vorgehen können. Ein länger andauernder Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kann für die Ge- 80 meinde auch direkte finanzielle Folgen haben. Führt eine Gemeinde ein eingeleitetes Konzessionsvergabeverfahren nicht weiter durch, entfällt nach Auslaufen des bisherigen Konzessionsvertrags ihr Anspruch auf Zahlung der Konzessionsabgabe nach § 48 Abs. 4 S. 2 EnWG.

II. Eignungskriterien und Mindestanforderungen 1. Nachweis der Eignung als Netzbetreiber – Das Recht der Gemeinde Im Rahmen des Auswahlverfahrens nach § 46 EnWG zur Vergabe eines qualifizierten 81 Wegenutzungsvertrags muss die Gemeinde die Eignung der Bewerber zum ordnungsgemäßen Betrieb des Netzes prüfen. Die Pflicht der Gemeinde, eine solche Eignungsprüfung durchzuführen, ergibt sich dabei nicht ausdrücklich aus § 46 EnWG. Sie folgt dem Sinn und Zweck des Konzessionsvergabeverfahrens, den bestgeeigneten Netzbetreiber für das jeweilige Konzessionsgebiet und die nächste Konzessionsperiode auszuwählen.106 Nach § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflich- 82 tet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Diese Anforderungen kann nur ein leistungsfähiger und fachkundiger Netzbetreiber erfüllen.107 Dies ergibt sich aus § 4 EnWG, wonach die Durchführung des Netzbetriebes der Genehmigung der Energieaufsichtsbehörde bedarf und diese den Netzbetrieb untersagen kann, wenn der Antragsteller nicht die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverläs-

106 Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 132. 107 Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 132. Vaulont/Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

sigkeit besitzt, um den Netzbetrieb entsprechend den Vorschriften des EnWG auf Dauer zu gewährleisten.108 Ohne diese Genehmigung kann das Unternehmen das Energieversorgungsnetz nicht betreiben. Die Gemeinde muss daher eine entsprechende Eignungsprüfung im Rahmen der Konzessionsvergabe vornehmen, um sicherzustellen, dass der ausgewählte Bewerber das Netz auch betreiben kann und darf. Sie darf keine Konzession an einen Bewerber vergeben, der aufgrund gesicherter Erkenntnisse nicht fachkundig, nicht leistungsfähig oder aus rechtlichen Gründen gehindert ist, die aus einem Konzessionsvertrag folgenden vertraglichen Verpflichtungen zu übernehmen.109 83 Um das Konzessionsvergabeverfahren nicht unnötig durch Bewerbungen ungeeigneter Bewerber in die Länge zu ziehen, ist die Eignungsprüfung daher in einem dem Auswahlverfahren vorgelagerten Verfahrensschritt durchzuführen.110 Liegen Tatsachen vor, aus denen sich unabhängig vom Inhalt seines Angebotes die fehlende Eignung des Bewerbers ergibt, kann hierauf bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Ausschluss des Bieters gestützt werden.111 Die Gemeinde ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, den Bewerber am Auswahlverfahren bis zu dessen Abschluss zu beteiligen, um ihn dann lediglich bei der Auswahl nicht zu berücksichtigen, sondern hat den Bewerber bereits vorher als ungeeignet vom weiteren Verfahren auszuschließen.112 84 Die Gemeinde kann dazu die Vorlage von entsprechenden Eignungsnachweisen verlangen.113 Ihr steht bei der Bestimmung der Eignungskriterien und der zum Nachweis geeigneten Unterlagen ein Ermessen zu.114 Sie ist bei der Festlegung der Eignungskriterien jedoch nicht gänzlich frei. Die Eignungskriterien müssen eine Ausprägung der Eignung als Netzbetreiber sein und dürfen kein Vehikel zum Ausschluss unliebsamer Bewerber sein. Anforderungen an die Eignung von Bewerbern müssen daher mit dem Gegenstand des Konzessionsvergabeverfahrens und den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG zusammenhängen und angemessen sein.115 Die Ermessensentscheidung der Gemeinde kann jedoch lediglich eingeschränkt gerichtlich überprüft werden.116 85 Die Gemeinde hat den Bewerbern rechtzeitig mitzuteilen, welche Kriterien sie bei der Eignungsprüfung berücksichtigt und welche Nachweise von den Bewerbern hierzu einzureichen sind.117

108 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 24.9.2020 – 2 U 93/19 EnWG – juris Rn 161. 109 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 12 des Urteilsumdrucks; Schneider/Theobald/Pöhl, § 10 Rn 98, m. w. N. 110 Vgl. dazu Kapitel 3 B., Rn 106 ff. 111 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 12 des Urteilsumdrucks; LG Hannover, Urteil vom 28.11.2019 – 74 O 37/19 – juris Rn 28. 112 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 12; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 133; dazu auch Kapitel 3 B.III. 113 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) – juris Rn 60. 114 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) – juris Rn 60. 115 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) – juris Rn 59. 116 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) – juris Rn 60. 117 Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 132.  





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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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2. Mögliche Eignungskriterien a) Erfordernis einer Genehmigung nach § 4 EnWG zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. der Auswahlentscheidung Nach § 4 Abs. 1 EnWG bedarf die Aufnahme des Betriebes eines Energieversorgungs- 86 netzes einer Genehmigung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Die Genehmigung des Netzbetriebs wird erteilt, wenn der Netzbetreiber über die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügt. Das Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG durch einen Bewerber stellt daher ein gutes Indiz für dessen Eignung zum Netzbetrieb dar. Das erforderliche Genehmigungsverfahren findet aber in der Praxis erst nach Ab- 87 schluss des Konzessionsvertrags statt, sodass eine Genehmigung nach § 4 EnWG noch nicht für die Konzessionsvergabe, sondern erst im Zeitpunkt der Vertragsausführung vorliegen muss.118 Zur Prüfung der Eignung der Bewerber ist das Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. der Auswahlentscheidung daher nicht erforderlich. Die Gemeinde hat die Eignung der Bewerber mithin auf andere Weise zu überprüfen. Die Gemeinden können den Bewerbern alternativ die Möglichkeit zur Vorlage einer bereits bestehenden Genehmigung nach § 4 EnWG bzw. entsprechender Nachweise oder Angaben einräumen. Möglich muss auch hier die Gewährung einer Eignungsleihe analog § 47 Abs. 1 VgV bzw. § 34 UVgO sein. Das Bestehen der Gemeinde auf das Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG 88 zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe würde zudem sogenannte Newcomer, die bislang noch nicht als Netzbetreiber tätig waren, von vornherein vom Wettbewerb ausschließen.119 Eine entsprechende Forderung der Gemeinde, eine Genehmigung nach § 4 EnWG bereits bei Angebotsabgabe vorzulegen, ohne den Bewerbern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Eignung auf andere Weise darzulegen, benachteiligt ohne sachlichen Grund einzelne Bewerber und verstößt daher gegen das Diskriminierungsverbot.

b) Erfordernis einer Genehmigung nach § 4 EnWG für das konkrete Konzessionsgebiet Weiter ist fraglich, ob die Geeignetheit des jeweiligen Bewerbers durch Vorlage einer 89 Genehmigung nach § 4 EnWG zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, oder ob die Gemeinde auch hier eine eigenständige Prüfung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bewerbers für den Netzbetrieb im konkreten Konzessionsgebiet durchführen muss. So könnte die Gemeinde wie bereits erwähnt zwar nicht zwingend das Vorliegen ei- 90 ner Genehmigung nach § 4 EnWG zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. der Auswahlentscheidung fordern. Sie könnte jedoch die Vorlage einer Genehmigung nach § 4 EnWG bzw. einer entsprechenden Genehmigung für den Netzbetrieb in einer Ver-

118 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 24.9.2020 – 2 U 93/19 EnWG – juris Rn 162, m. w. N. 119 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG – juris Rn 47.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

gleichskommune ausreichen lassen, um den Nachweis der Eignung für den Netzbetrieb im in Frage stehenden Konzessionsgebiet zu erbringen. 91 Dafür spricht, dass ein Netzbetreiber, welcher eine Genehmigung nach § 4 EnWG für den Netzbetrieb in einer anderen Gemeinde erteilt bekommen hat, zumindest für den Betrieb des dortigen Netzes als leistungsfähig und zuverlässig eingestuft wurde. Dies lässt den grundsätzlichen Schluss darauf zu, dass der entsprechende Bewerber zumindest grundsätzlich zum Netzbetreib – auch in anderen Gemeinden – geeignet sein könnte. Er muss also bereits über eine gewisse personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügen. Zu beachten ist jedoch, dass die Kapazitäten des jeweiligen Bewerbers nicht automatisch für den Betrieb eines weiteren Netzes ausreichen müssen. Es ist nicht sichergestellt, dass bspw. ein neu am Markt agierender Bewerber, der nur über ein einziges Netz verfügt, während der Dauer des Konzessionsvergabeverfahrens insbesondere seine personellen und wirtschaftlichen Kapazitäten zur Übernahme eines weiteren – ggf. deutlich größeren als sein bisheriges – Netzes entsprechend der Anforderungen des § 4 EnWG aufstocken kann. Die Gemeinde kann daher keinen generellen Schluss auf die Geeignetheit eines Bewerbers für den Netzbetrieb im konkreten Konzessionsgebiet auf Grundlage einer Genehmigung nach § 4 EnWG für ein anderes Netz ziehen. Auch bei Vorlage einer Genehmigung hat sie die Eignung des jeweiligen Bewerbers im Einzelfall zu prüfen. 92 Wie bereits erläutert, kann eine Gemeinde nach vorzugswürdiger Auffassung das Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe zwar nicht fordern; es steht ihr jedoch frei, das Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG als Nachweis genügen zu lassen, solange der Bewerber plausibel dargelegt hat, dass er auch bei Aufnahme eines weiteren Netzes über ausreichend Leistungsfähigkeit verfügt. Mit Blick auf das Diskriminierungsverbot hat die Gemeinde lediglich sicherzustellen, dass auch Bewerbern, welche (noch) nicht über eine Genehmigung nach § 4 EnWG verfügen, die Möglichkeit gegeben wird, ihre Eignung nachzuweisen. Hierbei dürfen die Anforderungen, welche an die Nachweise gestellt werden, jedoch nicht diejenigen überschreiten, die von den Behörden an die Antragsteller einer Genehmigung nach § 4 EnWG gestellt werden.

c) Eignung zum Betrieb von Hochspannungs- bzw. Hochdruckanlagen 93 Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils zum Strom- und Gasnetz Stuttgart

120

stellt sich außerdem die Frage, ob die Bewerber grundsätzlich zum Betrieb von Hochspannungsoder Hochdrucknetzen geeignet sein müssen. 94 In seiner Entscheidung führt der BGH aus, dass sich der Begriff des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung und damit der Übereignungsanspruch des neuen Konzessionärs gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG auch auf Anlagen der Hochdruck-

120 Vgl. BGH, Urteil vom 7.4.2020 – EnZR 75/18 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. Vaulont/Gauttier

B. Allgemeine Verfahrensfragen

271

und Hochspannungsebene erstrecken könne.121 Die Gemeinden haben nicht die Möglichkeit, das Konzessionsvergabeverfahren auf bestimmte Spannungs- oder Druckstufen zu erstrecken oder zu beschränken.122 Dementsprechend bestimmt das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung die im Rahmen der Konzessionsvergabe von der Gemeinde zu prüfenden Anforderungen. Der neue Konzessionär muss in der Lage sein, dieses Netz zu betreiben. Der Betrieb von Hochspannungs- bzw. Hochdruckanlagen bringt jedoch deutlich höhere Anforderungen mit sich als der Betrieb von Leitungsanlagen der Nieder- oder Mittelspannungsebene (bzw. -druckebene). Während man sich im Bereich der Niederspannung zwischen 230 V bis 400 V bzw. der Mittelspannung 1 kV bis 35 kV bewegt, beträgt die Hochspannung 60 kV bis 150 kV. Ähnlich ist es bei den Druckebenen: Niederdruck ≤ 100 mbar, Mitteldruck > 100 mbar bis ≤ 1 bar, Hochdruck > 1 bar bis 4 bar, 16 bar bis 100 bar. Dieser Anstieg an Spannung bzw. Druck erfordert andere Betriebsmittel, eine andere bzw. weitergehende Ausbildung des Personals, sowie entsprechendes technisches Know-how. Gehören zu dem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung, das Gegen- 95 stand des Konzessionsvergabeverfahrens ist, Leitungsanlagen der Hochspannungs- und Hochdruckebene, hat die Gemeinde die Eignung der Bewerber zum Betrieb dieser Anlagen zu prüfen. Aufgrund der besonderen Anforderungen kann die Gemeinde dabei nicht auf die Eignung zum Betrieb von Anlagen anderer Spannungs- bzw. Druckebenen abstellen.

d) Keine Sonderbehandlung kommunaler Eigenbetriebe Legt die Gemeinde bestimmte Eignungskriterien fest, die innerhalb einer von ihr gesetz- 96 ten Frist durch entsprechende Nachweise zu erfüllen sind, gelten diese für alle Bewerber gleichermaßen. Eine Differenzierung der Bewerber aufgrund einer etwaigen Beteiligung der konzessionsgebenden Gemeinde ist unzulässig. Dies bestätigte der BGH erst jüngst in seiner Entscheidung zum Gasnetz Berlin.123 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Konzessionsvergabeverfahren, bei dem sich neben dem bisherigen Konzessionär auch das Land Berlin mit einem unselbstständigen Landesbetrieb beworben hatte, wandte sich der Altkonzessionär gegen den geplanten Zuschlag des konkurrierenden Angebots gegen das Land Berlin in einem Hauptsacheverfahren. Hierin machte der Altkonzessionär geltend, dass das Angebot des Landesbetriebs aus dem Konzessionsvergabeverfahren hätte ausgeschlossen werden müssen, weil dieser seine finanzielle Leistungsfähigkeit innerhalb der gesetzten Frist nicht in einer den Vergabebedingungen genügenden Weise dargelegt habe.124 Der BGH stellte klar, dass alle Bewerber die von

121 122 123 124

Vgl. dazu Kapitel 6 A., Rn 28 ff. Vgl. BGH, Urteil vom 7.4.2020 – EnZR 75/18 – Rn 27 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Gasnetz Berlin. Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Gasnetz Berlin.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

der Vergabestelle geforderten Eignungsnachweise fristgerecht erbringen müssen.125 Wo die Gemeinde eine Bindung der Bieter verlange, müsse sie sich auch selbst gebunden halten.126 Der § 46 Abs. 6 EnWG lasse durch eine „entsprechende“ Anwendung der Absätze 2 bis 5 auf Eigenbetriebe zwar eine gewisse, durch die Natur der Eigenbetriebe bedingte, unterschiedliche Behandlung zu. Dies biete aber keine Grundlage für eine Privilegierung bei der technischen, wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit. Das Transparenzgebot sowie das Diskriminierungsverbot verlangen, dass die Gemeinde die Betrauung eines kommunalen Eigenbetriebs mit dem Netzbetrieb gegenüber der Konzessionsvergabe an ein Energieversorgungsunternehmen i. S. d. § 46 EnWG weder erschwere noch erleichtere.127 Eine Ungleichbehandlung aufgrund einer etwaigen Beteiligung der konzessionsgebenden Gemeinde ist mithin unzulässig.  



3. Mindestanforderungen 97 Unter den nachfolgend erläuterten Mindestanforderungen versteht man Forderungen,

von welchen die Gemeinde die Erteilung einer Konzession bzw. bereits die Teilnahme am Konzessionsvergabeverfahren abhängig machen kann. So haben Gemeinden in der Vergangenheit immer wieder die Zusage bestimmter Leistungen der Bewerber dergestalt in ihren Verfahrensbriefen vorausgesetzt, als dass das Nichterfüllen dieser Leistungen durch die Bewerber nicht zu einer entsprechend niedrigeren Bewertung ihrer Angebote, sondern direkt zum Ausschluss der Bewerber aus dem Konzessionsvergabeverfahren führen soll. Mit Blick auf das Vorliegen eines Kontrahierungszwanges in § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG stellt sich die Frage, ob das Aufstellen derartiger Mindestanforderungen zulässig ist.

a) Zulässige Mindestanforderungen 98 Gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG kann die Gemeinde den Abschluss eines Konzessionsver-

trags von der Zahlung der jeweils höchstzulässigen Konzessionsabgabe nach § 48 Abs. 2 EnWG abhängig machen. Konzessionsabgaben sind Entgelte, die Energieversorgungsunternehmen für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie dienen, entrichten. Insofern deckt sich die Definition der Konzessionsabgaben nach § 48 Abs. 1 EnWG mit der des § 1 Abs. 2 KAV. Die Bemessung sowie die zulässige Höhe der Konzessionsabgaben richten sich nach § 2 KAV.

125 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 28 ff. – Gasnetz Berlin. 126 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 31 – Gasnetz Berlin. 127 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 29 – Gasnetz Berlin.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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b) Zulässigkeit weiterer Mindestanforderungen Obwohl es sich bei der Forderung nach dem höchstzulässigen Kommunalrabatt nach § 3 99 Abs. 1 Nr. 1 KAV sowie der Zusage von Verwaltungskostenbeiträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAV nicht um Konzessionsabgaben nach § 48 Abs. 2 EnWG, § 2 KAV handelt, findet sich eine entsprechende Mindestanforderung zunehmend in Verfahrensbriefen wieder. Zwar steht den Gemeinden im Rahmen der Wahl der Auswahlkriterien ein Ermessensspielraum zu.128 Bei der Aufstellung bestimmter Forderungen der Gemeinden in Form von Ausschlusskriterium bzw. Mindestanforderung handelt es sich jedoch genaugenommen nicht um eine Frage der Rechtmäßigkeit bestimmter Auswahlkriterien nach § 46 Abs. 4 EnWG, sondern der Zulässigkeit weiterer Ausnahmen vom Kontrahierungszwang nach § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG. Denn anders als bei den Auswahlkriterien hat eine Nichterfüllung der Mindestanforderungen den Ausschluss aus dem Konzessionsvergabeverfahren zur Folge. Die Erfüllung entsprechender Forderungen wird daher nicht erst im Rahmen der Auswahlentscheidung relevant, sondern ist dieser als notwendige Bedingung der Berücksichtigung des jeweiligen Angebotes bei der Auswahlentscheidung vorangestellt. Die Frage der rechtmäßigen Ausübung des Ermessens der Gemeinde bei der Kriteriengestaltung stellt sich richtigerweise also erst dann, wenn die Frage der Zulässigkeit weiterer Ausnahmen vom Kontrahierungszwang – und damit der Zulässigkeit weiterer Mindestanforderungen – geklärt ist. Da die Gemeinden als Eigentümer der öffentlichen Verkehrswege eine starke Stel- 100 lung bei der leitungsgebundenen Energieversorgung haben, wurde die Möglichkeit der Durchsetzbarkeit des Wegenutzungsrechts mittels Kontrahierungszwang vom Gesetzgeber als notwendig angesehen.129 Dieser bestimmte, dass die Gemeinden die Einräumung eines Wegerechts nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen verweigern dürfen.130 Beispielhaft genannt wird in der Gesetzesbegründung der Fall, bei dem der Straßenkörper zusätzliche Leitungen nicht mehr aufnehmen kann.131 In einem solchen Fall ist die Aufnahme weiterer Leitungen aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Teilweise wird vertreten, dass § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG nicht abschließend sei und es darüber hinaus noch weitere Ausnahmen vom Kontrahierungszwang gebe.132 Ob das Interesse der Gemeinden an der Zusage bestimmter Leistungen nach § 3 KAV 101 oder bestimmter Vertragsklauseln sachlich gerechtfertigte Gründe im Sinne der Gesetzesbegründung zur Beschränkung des Kontrahierungszwangs darstellen, ist zweifelhaft. Der Gesetzgeber selbst führt aus, dass die Einräumung eines Wegerechts nur aus sachlichen Gründen verweigert werden darf, wozu insbesondere nicht das eigene Gewinninteresse der Gemeinde oder anderer zählt.133 Indem der Gesetzgeber beispielhaft in der Gesetzes-

128 129 130 131 132 133

Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin. BT-Drs. 13/7274, S. 20. BT-Drs. 13/7274, S. 21. BT-Drs. 13/7274, S. 21. Vgl. Kment/Huber, EnWG § 46 Rn 25. BT-Drs. 13/7274, S. 21.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

begründung auf einen Fall tatsächlicher Unmöglichkeit der weiteren Aufnahme von Anlagen in den öffentlichen Straßenkörper verweist, wird der Ausnahmecharakter der Einschränkung des Kontrahierungszwangs in § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG noch deutlicher. Die Berücksichtigung kommunaler Belange oder auch der Ziele des § 1 EnWG erfolgt hingegen im Rahmen der Kriteriengestaltung. So können die Gemeinden bei der Aufstellung der Kriterienkataloge sowohl bei der Kriterienwahl bzw. -gestaltung als auch bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien bereits steuern, was der jeweiligen Gemeinde bei der Auswahl des zukünftigen Konzessionärs wichtig ist. Bewerber, welche bestimmte Leistungen nicht erbringen, werden danach mit 0 Punkten im jeweiligen Kriterium bewertet. Wenn den Gemeinden bereits im Rahmen der Kriteriengestaltung ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt wird, so besteht kein Grund, durch die Möglichkeit der Aufstellung von Mindestanforderungen neben der gesetzlich normierten in § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG zusätzliche Ausnahmen vom Kontrahierungszwang zu schaffen. Einen Grund, weshalb Bewerber bei der Nichtzusage bestimmter Leistungen vom Konzessionsvergabeverfahren ausgeschlossen werden sollten, ist nicht ersichtlich und auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zweifelhaft.134 Es würde dem Charakter eines Kontrahierungszwanges überdies widersprechen, wenn die Gemeinde mehr oder weniger jede ihrer Forderungen als Mindestanforderung ausgestalten könnte und so die Teilnahme bzw. den Verbleib eines Bewerbers in einem Konzessionsvergabeverfahren von einer entsprechenden Leistungszusage abhängig machen könnte. Dafür spricht auch, dass die Gemeinde im Rahmen der Konzessionsvergabe eine marktbeherrschende Stellung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB innehat und deshalb gerade nicht vollkommen frei in der Konzessionsvergabe ist. Die Annahme der Zulässigkeit weiterer Mindestanforderungen birgt im Übrigen erhebliches Missbrauchspotential. So könnte die Gemeinde beispielsweise bestimmte Leistungen, von denen sie weiß, dass der von ihr bevorzugte Bewerber diese im Gegensatz zu anderen Bewerbern erbringen kann, als Mindestvoraussetzung ausgestalten, wodurch den anderen Bewerbern der Zugang zum wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahren abgeschnitten wäre. Die Aufstellung von Mindestanforderungen darf daher kein Mittel zum Ausschluss unliebsamer Bewerber sein. Nach dem Wortlaut des § 46 EnWG und dem Sinn und Zweck der Norm dürften daher – wenn überhaupt – nur einzelne wenige über § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG hinausgehende Mindestanforderungen zulässig sein.  

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105



134 Vgl. dazu Kapitel 3 B. III., Rn 114. Vaulont/Gauttier

B. Allgemeine Verfahrensfragen

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III. Ausschlüsse aus dem Verfahren 1. Voraussetzungen eines Ausschlusses Das EnWG regelt in den §§ 46 ff. EnWG nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen 106 Bewerber während des Konzessionierungsverfahrens ausgeschlossen werden können oder sogar ausgeschlossen werden müssen. Im Gegensatz zum Kartellvergaberecht135 sieht das EnWG keine fakultativen oder zwingenden Ausschlussgründe vor. Die kartellvergaberechtlichen Vorschriften des GWB dürfen indes nach höchstrichterlicher Rechtsprechung weder unmittelbar noch entsprechend auf die konzessionsrechtlichen Vergaben nach dem EnWG angewendet werden.136 Allerdings ist nach Auffassung des BGH eine Anlehnung an den jeweiligen Rechtsgedanken der Vorschriften des GWB im Einzelfall denkbar.137 Dabei ist die Gemeinde an das Gebot der Diskriminierungsfreiheit und das daraus folgende Transparenzgebot gebunden.138 Den Rechtsgedanken der Ausschlussgründe der §§ 123 f. GWB folgend können Ge- 107 meinden Bewerber aus den Verfahren ausschließen. Es ist bislang aber nicht höchstrichterlich geklärt, wie weitreichend eine rechtsgedankliche Anwendung gehen kann und welche Voraussetzungen für einen Ausschluss im Einzelfall jeweils erfüllt sein müssen. In jedem Fall können diese Voraussetzungen nicht geringer sein als bei einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Grundsätze des Kartellvergaberechts mit dem Konzessionsrecht nach dem EnWG kompatibel sind. So kann beispielsweise anders als im allgemeinen Vergaberecht eine Gemeinde ein Verfahren zur Vergabe der Strom- oder Gaskonzession nach § 46 EnWG nicht nach freiem Belieben aufheben. Der BGH stellte klar, dass Gemeinden alle 20 Jahre die Konzession neu vergeben müssen und dies nicht durch einen Neustart des Vergabeverfahrens verzögern dürfen.139 Gemeinden können daher gezwungen sein, Bewerber aus dem Verfahren auszuschließen, um damit bestehende Verfahrensfehler zu beseitigen. Die Notwendigkeit der Kompatibilität der Rechtsgrundsätze der Ausschlusstatbe- 108 stände in §§ 123 f. GWB hat Folgen für die Anforderungen an eine Zulässigkeit des Ausschlusses von Bewerbern aus dem Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG.  





135 Vgl. §§ 123 und 124 GWB. 136 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020, – EnZR 99/18 – Rn 26 – Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 112 – Stromnetz Berkenthin. 137 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020, – EnZR 99/18 – Rn 35 – Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 34 ff. – Stromnetz Berkenthin. 138 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 18 ff. – Gasnetz Berlin; ders., Urteil vom 17.12. 2013, – KZR 65/12 – Rn 43 ff. – Stromnetz Heiligenhafen; ders., Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – Rn 34 ff. – Stromnetz Berkenthin. 139 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 36 ff. – Gasnetz Berlin.  









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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

a) Eignungskriterien nicht erfüllt 109 Erfüllen Bewerber ordnungsgemäß von der Gemeinde festgelegte Eignungskriterien

nicht fristgemäß, kann dies einen Ausschluss aus dem Verfahren rechtfertigen. Die Gemeinde ist bei der Festlegung der Eignungskriterien aber nicht gänzlich frei.140 Diese müssen eine Ausprägung der Zuverlässigkeit und Eignung als Netzbetreiber sein, der einen sicheren Netzbetrieb über die gesamte Laufzeit des Konzessionsvertrags gewährleistet, und dürfen kein Vehikel zum Ausschluss unliebsamer Bewerber sein. Eignungskriterien unterfallen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 47 EnWG und können daher Gegenstand eines Rügeverfahrens sein.141 110 Legt eine Gemeinde bestimmte Eignungskriterien fest, die innerhalb einer von ihr gesetzten Frist durch entsprechende Nachweise zu erfüllen sind, gelten diese für alle eingehenden Angebote. Die Gemeinde darf ihre eigenen Unternehmen nicht davon ausnehmen oder dieses an anderen Maßstäben messen.142 111 Erfüllt ein Bewerber die ordnungsgemäß von der Gemeinde festgelegten Eignungskriterien nicht fristgerecht, kann im Einzelfall ein Ausschluss des Angebots dieses Bewerbers gerechtfertigt sein. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Eine maßgebliche Rolle spielt der Zeitpunkt, zu dem der Nachweis der Erfüllung des Eignungskriteriums gefordert wird. Manche Eignungskriterien wie etwa ein Finanzierungsnachweis143 darf eine Gemeinde mit dem unverbindlichen Angebot fordern. Die Erfüllung anderer Eignungskriterien wie die Vorlage der § 4 EnWG-Genehmigung darf auch noch nach Abgabe des verbindlichen Angebots nachgewiesen werden.144 Dies ermöglicht Bewerbern die Beteiligung am Konzessionsverfahren, die noch nicht über ein reguliertes Netz verfügen, und trägt damit dem Diskriminierungsverbot Rechnung. 112 Wird der Nachweis des geforderten Eignungskriteriums zu einem früheren Zeitpunkt gefordert und die Nichterfüllung mit einem Ausschluss sanktioniert, wäre der Ausschluss in der Regel nicht zu rechtfertigen, da er unverhältnismäßig wäre. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Auswahlentscheidung in Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgen muss, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.145 Dem wird es nicht gerecht, wenn man einen Bewerber wegen eines Verstoßes gegen die in einem Verfahrensbrief gestellten Anforderungen ausschließt, ohne dass feststeht, dass sich dieser Verstoß auf die Qualität des Angebots auswirkt.146

140 Vgl. dazu Kapitel 3 B., Rn 81 ff. 141 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG – juris Rn 42. 142 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 28 ff. – Gasnetz Berlin. 143 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 23 ff. – Gasnetz Berlin. 144 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) – juris Rn 62. 145 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, – KZR 66/12 – juris Rn 35. 146 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 f. des Urteilsumdrucks; OLG Schleswig, Urteil vom 13.7.2017 – 16 U 32/17 – juris Rn 55.  







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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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Die Gemeinde kann den fehlenden fristgerechten Nachweis der Eignung eines Be- 113 werbers auch nicht ohne Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot durch eine nachträgliche Änderung der Vorgaben für das Verfahren oder einer Aufhebung des gesamten Konzessionsvergabeverfahrens heilen.147 Hierbei darf sie auch keine Ausnahmen für Bewerber machen, an denen sie selbst beteiligt ist.148

b) Mindestanforderungen nicht erfüllt Erfüllt das Angebot eines Bewerbers nicht die von der Gemeinde festgelegten Mindest- 114 anforderungen149, rechtfertigt dies im Regelfall keinen Ausschluss aus dem Verfahren. Wird die höchstzulässige Konzessionsabgabe als Mindestkriterium verlangt, kann das Angebot eines Bewerbers, dass eine deutlich geringere Konzessionsabgabe vorsieht, ausgeschlossen werden. Werden andere Kriterien als Mindestkriterien definiert, können diese nur zum Ausschluss führen, wenn diese eine Ausprägung der Eignung des Bewerbers sind, einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb zu gewährleisten. Ein Bewerber, der bspw. in allen Kriterien mit großem Abstand das beste Angebot gemacht hat, aber den als Mindestkriterium vorgegebenen SAIDI-Wert um eine Minute überschreitet, kann deswegen nicht aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.

c) Verletzung des Geheimwettbewerbs Wie im allgemeinen Kartellvergaberecht können die Angebote, die das Gebot des Ge- 115 heimwettbewerbs150 verletzen, aus dem Konzessionsvergabeverfahren ausgeschlossen werden.151 Das Ermessen der Gemeinden kann dabei auf Null reduziert sein, sodass sie die betreffenden Angebote ausschließen müssen. Haben sich Verfahrensbeteiligte zu den Angebotsinhalten ausgetauscht oder haben 116 sie Kenntnis von den Angebotsinhalten des anderen Mitbewerbers, sind diese Angebote auszuschließen. Wenn sich konzernverbundene Unternehmen in Sinne der §§ 15 ff. AktG jeweils mit 117 eigenständigen Angeboten bewerben, müssen diese unter Einhaltung von Chinese Walls erstellt worden sein.152 Dies gilt auch für den Fall, dass ein Unternehmen sich mit zwei Angeboten an einem Konzessionsvergabeverfahren beteiligt, bspw. mit einem Angebot als Pächterin einer anderen Gesellschaft und mit einem Angebot direkt als Konzessionärin. Hat die Gemeinde dazu die Abgabe einer entsprechenden Eigenerklärung zur Ein 

147 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 28 – Gasnetz Berlin. 148 Vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2021 – KRZ 55/19 – Rn 28 ff. – Gasnetz Berlin. 149 Vgl. dazu Kapitel 3 B., Rn 81 ff. 150 Vgl. dazu Kapitel 3 B., Rn 69 ff. 151 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks. 152 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.4.2011 – Verg 4/11 – juris Rn 38 ff.  







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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

haltung des Geheimwettbewerbs und der ergriffenen Maßnahmen verlangt, muss diese fristgerecht vorgelegt werden. Haben die Bieter nicht oder nicht ausreichend die Einrichtung von derartigen Maßnahmen zur Gewährleistung des Geheimwettbewerbs dargelegt oder sind die ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um den Geheimwettbewerb zu gewährleisten, können diese Bieter ebenfalls auszuschließen sein. Die Gemeinde hat in diesem Fall daher zu prüfen, ob die beschriebenen Maßnahmen ausreichend sind, um einen Informationsaustausch zu verhindern. 118 Kam es zu einem Informationsaustausch zwischen zwei Bietern bzw. zwischen zwei Teams eines Unternehmens, die jeweils an einem eigenen Angebot arbeiten, bevor diese ihre Angebote abgegeben haben, liegt noch kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vor. Erst wenn beide Bieter jeweils ein Angebot abgeben, tritt der Verstoß ein. Zieht sich einer der Bieter vor der Abgabe der Angebote aus dem Verfahren zurück, liegt kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vor.153 119 Wurden hingegen die Angebote bereits abgegeben, ist eine Heilung des Verfahrensverstoßes nicht mehr möglich und die Angebote sind in der Regel auszuschließen. Eine Ausnahme dürfte der Fall sein, dass der unzulässige Informationsaustausch dokumentiert ist und sich diese Information nicht auf die Angebotsinhalte ausgewirkt haben kann. Dies wäre bspw. der Fall, wenn nach der Fertigstellung des Angebots ein Mitarbeiter eines fremden Angebots-Teams versehentlich eine E‑Mail mit einer Information zu einem Angebotsinhalt erhält und die Angebote danach nicht mehr verändert werden. 120 Ist die konzessionsgebende Gemeinde an einem der Bewerber beteiligt, hat sie eine organisatorische und personelle Trennung zu gewährleisten.154 Werden die Anforderungen des Trennungsgebots nicht eingehalten, kann ein Angebot eines Bewerbers, an dem die konzessionsgebende Gemeinde beteiligt ist, ausgeschlossen werden bzw. auszuschließen sein.155

2. Verfahren 121 Der Ausschluss eines oder mehrerer Bewerber aus dem Verfahren ist in den §§ 46 ff. EnWG nicht geregelt. Dennoch gibt es dem Rechtsgedanken der §§ 123 f. GWB folgend mehrere Gründe, die den Ausschluss von Bewerbern aus dem Konzessionsvergabeverfahren rechtfertigen können.  



153 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14 des Urteilsumdrucks. 154 Vgl. dazu Kapitel 3 H., Rn 486 ff. 155 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 52 – Gasnetz Berlin; ders. Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 99 – Stromnetz Berkenthin; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 24 – Stromnetz Steinbach.  

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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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a) Ausschluss Ein Bewerber, dessen fehlende Eignung oder Zuverlässigkeit aufgrund konkreter Tatsachen feststeht,156 kann bzw. muss von der Gemeinde – dem Rechtsgedanken der § 123 f. GWB folgend – aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss kann bereits vor und unabhängig von der Auswertung der Angebote erfolgen.157 Die Gemeinde ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, den Bewerber am Auswahlverfahren bis zu dessen Abschluss zu beteiligen. Die in § 123 GWB genannten zwingenden Ausschlussgründe dürften nur in seltenen Ausnahmen einschlägig sein. In der Regel dürften eher die fakultativen Ausschlussgründe des § 124 GWB vorliegen, sodass die Gemeinde bezüglich eines Ausschlusses daher üblicherweise einen Ermessensspielraum hat. Dieses Ermessen kann aber auf Null reduziert sein, sodass die Gemeinde einen Bewerber ausschließen muss. Die Gemeinde muss das ihr in der Regel zustehende Ermessen in Bezug auf die Ausschlussentscheidung korrekt ausüben. Ist ein Bewerber aufgrund bestimmter Tatsachen möglicherweise ungeeignet oder unzuverlässig und steht dies aber noch nicht fest, rechtfertigt dies (noch) keinen Ausschluss. Ein Ausschluss konzernverbundener Unternehmen vor der Abgabe der Angebote wegen einer drohenden Verletzung des Geheimwettbewerbs dürfte daher in der Regel unzulässig sein.158 Zu diesem Zeitpunkt steht die tatsächliche Verletzung des Geheimwettbewerbs noch nicht fest. Selbst wenn die fehlende Eignung oder Zuverlässigkeit eines Bewerbers feststeht, rechtfertigt dies nicht in jedem Fall dessen Ausschluss aus dem Konzessionsvergabeverfahren. Ein solcher Ausschluss muss verhältnismäßig sein. Hieran fehlt es, wenn offenkundige Informationen wie beispielsweise die jüngsten Geschäftsberichte und ein aktueller Handelsregisterauszug nicht fristgerecht vorgelegt werden.159 Auch darf sie nicht einen unliebsamen Bewerber ausschließen, um damit den Wettbewerb zugunsten eines präferierten Bewerbers zu beeinflussen. Gerade bei einer Beteiligung der konzessionsgebenden Gemeinde an einem Bieter ist daher besondere Vorsicht in Bezug auf den Ausschluss eines dritten Bewerbers geboten. Das Ermessen der Gemeinde kann auch auf Null reduziert sein, sodass sie einen Bewerber ausschließen muss. Dies kann beispielsweise bei einem Bewerber der Fall sein, an dem die konzessionsgebende Gemeinde beteiligt ist, und die erforderliche personelle und organisatorische Trennung zur Vergabestelle nicht eingehalten wurde.160 Aus dem Anspruch der Bewerber auf Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Konzessionsvergabeverfahrens, das zeitnah abgeschlossen werden soll, folgt eine

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156 Vgl. dazu Kapitel 3 B., Rn 81 ff. 157 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 –, S 12; LG Hannover, Urteil vom 28.11.2019 – 74 O 37/19 – juris Rn 28; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 133. 158 Vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 16.12.2021 – 2 U 157/21 und 2 U 158/21 – S. 14. 159 Vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 13.7.2017 – 03 U 32/17 – juris Rn 54; Kermel/Vaulont, RdE 2021, 466, 467 f. 160 Vgl. dazu Kapitel 3 H., Rn 486 ff.  





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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Verpflichtung der Gemeinde, die Auswirkungen des Neutralitätsverstoßes zu beseitigen. Sie hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie das Vergabeverfahren aufhebt oder es mit dem Ziel der Konzessionsvergabe fortsetzt.161 Da die Aufhebung Bewerber um die Konzession unbillig behindern kann, hat die Gemeinde dieses Ermessen anhand einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist, auszuüben. In erster Linie ist maßgeblich, wie erreicht werden kann, dass das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht wird. Die Gemeinde kann daher verpflichtet sein, einen Bewerber aus dem Verfahren auszuschließen.

b) Rügeerfordernis 127 Höchstrichterlich ist bislang nicht entschieden, ob die Mitteilung des Ausschlusses vom

Konzessionsvergabeverfahren unter die nach § 47 Abs. 1 EnWG zu rügenden Rechtsverletzungen fällt und ob der ausgeschlossene Bewerber Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG verlangen kann. Allerdings haben sich bereits verschiedene Gerichte mit diesen Fragen beschäftigt. Nach Auffassung des LG Hannover und des LG Stuttgart fällt die Mitteilung des Ausschlusses vom Konzessionsvergabeverfahren grundsätzlich unter die nach § 47 Abs. 1 EnWG zu rügenden Rechtsverletzungen.162 Im Rahmen der Berufung gegen das Urteil des LG Stuttgart ließ es das OLG Stuttgart hingegen ausdrücklich offen, ob zumindest eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 3 EnWG möglich sei, da die Mitteilung eines Ausschlusses nicht mit einer Auswahlentscheidung vergleichbar sei.163 Für eine Auswahlentscheidung sei grundsätzlich ein Vergleich mit den anderen Angeboten erforderlich. Im Falle eines Ausschlusses gehe es aber nicht um eine Auswahlentscheidung, sondern um eine Entscheidung, die allein auf Umständen beruhe, die sich aus der Person des auszuschließenden Bewerbers oder aus dessen Angebot ergeben und die nichts mit den Angeboten der anderen Bewerber zu tun haben. 128 Ob diese semantische Unterscheidung zwischen Auswahl- und Ausschlussentscheidung tragfähig ist, darf bezweifelt werden.164 Eine Ausschlussentscheidung ist gegenüber dem ausgeschlossenen Bewerber eine negative Auswahlentscheidung, da zumindest dieser nicht zum Zug kommt. Zudem ist damit eine Vergabeentscheidung verbunden, wenn lediglich noch ein weiterer Bewerber verbleibt, der dann quasi automatisch die Konzession erhält.

161 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 45 – Gasnetz Berlin. 162 Vgl. LG Hannover, Urteil vom 28.11.2019 – 74 O 37/19 – juris Rn 25; LG Stuttgart, Urteil vom 4.2.2021 – 11 O 398/20 – S. 7 – nicht rechtskräftig. 163 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 5.8.2021 – 2 U 71/21 – S. 6 f. 164 Vgl. Kermel/Vaulont, RdE 2021, 466, 473 f.  



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B. Allgemeine Verfahrensfragen

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Selbst wenn man die Regelungen des § 47 EnWG bzgl. einer Auswahlentscheidung 129 nicht auf eine Ausschlussentscheidung unmittelbar oder entsprechend anwendet, ist der ausgeschlossene Bewerber nicht rechtlos. Er wäre lediglich nicht an die Rügeobliegenheit nach § 47 EnWG gebunden. Es würde aber der vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 47 EnWG angestrebten Rechtssicherheit165 zuwiderlaufen, wenn eine Ausschlussentscheidung nicht unter das Rügeregime fallen würde und daher von der Präklusionswirkung nicht umfasst wäre. Im Ergebnis dürften daher die Regelungen zum Rechtschutz gegen eine Auswahlentscheidung jedenfalls entsprechende Anwendung auf eine Ausschlussentscheidung finden.

c) Akteneinsichtsrecht Unterfällt die Ausschlussentscheidung ebenfalls den nach § 47 Abs. 1 EnWG zu rügen- 130 den Rechtsverletzungen, schließt sich daran die noch nicht entschiedene Frage an, ob und in welchem Umfang ein ausgeschlossener Bewerber ein Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 S. 1 EnWG hat. Nach Auffassung des OLG Stuttgart sei für den Fall, dass ein Akteneinsichtsrecht bestehe, dessen Umfang deutlich beschränkt gegenüber einer Auswahlentscheidung, da es nur um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses gehe.166 In Betracht komme allenfalls ein Anspruch auf Akteneinsicht in dem Umfang, wie er zur Überprüfung der Ausschlussentscheidung erforderlich ist. Es sei nicht erforderlich, Einsicht in die interne Dokumentation zur Vorbereitung des Ausschlusses einschließlich der Vorbereitung und Fassung des Gemeinderatsbeschlusses der konzessionsgebenden Gemeinde zu geben. Ob und mit welchen Erwägungen die Gemeinde den Ausschluss intern vorbereitet habe, spiele dabei keine Rolle.167 Es erscheint fragwürdig, den Umfang des Akteneinsichtsrechts derart zu begrenzen, 131 da der ausgeschlossene Bewerber die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses überprüfen können muss.168 Es würde der Entscheidung des BGH169 zu den Folgen eines Verfahrensverstoßes zuwiderlaufen, wenn ein ausgeschlossener Bewerber nicht überprüfen kann, ob bereits vor seinem Ausschluss ein Verfahrensfehler vorlag, aufgrund dessen das Verfahren vollständig aufzuheben gewesen wäre.

3. Externe Berater in Verfahren Es kann zudem durch die Beteiligung von externen Beratern zu einer Verletzung des Ge- 132 heimwettbewerbs und des Grundsatzes des diskriminierungsfreien Verfahrens kommen. Insbesondere Rechtsanwaltskanzleien sind in der Regel in Konzessionsvergabe-

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Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 16 f. Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 5.8.2021 – 2 U 71/21 – S. 7. Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 5.8.2021 – 2 U 71/21 – S. 7. Vgl. Kermel/Vaulont, RdE 2021, 466, 474. Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KRZ 55/19 – Rn 46 ff. – Gasnetz Berlin.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

verfahren auf Seiten der Gemeinden, aber immer wieder auch auf Seiten der Bewerber aktiv. In die Angebotsauswertung werden häufig technische bzw. energiewirtschaftliche Berater eingebunden.

a) Berater der Bewerber 133 Einzelne Berater dürfen – auch wenn sie selbst nicht einem berufsrechtlichen Verbot

unterliegen – in einem Verfahren nicht mehrere Bewerber beraten. Die Berater haben vertiefte Einblicke und könnten mit ihren Ratschlägen das jeweilige Angebot beeinflussen. Sie würden damit den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verletzen.

b) Berater der Gemeinde 134 Sind externe Berater auf Seiten der Gemeinde in dem Verfahren tätig, dürfen diese nicht

zugleich für einen der Bewerber tätig sein.170 Unzulässig ist dabei nicht nur eine Beratung in dem konkreten Konzessionsvergabeverfahren, sondern auch die Beratung eines sich bewerbenden Unternehmens in einem anderen aktuell laufenden bzw. erst kürzlich abgeschlossenen Verfahren. Wie weit der Zeitraum zurückgeht, ist bislang nicht entschieden, er dürfte wohl aber die letzten zwei Jahre vor dem Beginn des Konzessionsvergabeverfahrens umfassen. 135 Nur ausnahmsweise ist eine zeitnahe Beratung eines Bewerbers und der Gemeinde durch ein und dieselbe Beratungsgesellschaft oder Kanzlei unschädlich, wenn unterschiedliche Personen beratend tätig sind oder waren und die eine Beratung keinerlei Zusammenhang mit dem Konzessionsrecht oder regulatorischen Fragestellungen hat, wie bspw. eine arbeitsrechtliche Beratung oder ein laufendes Wirtschaftsprüfungsmandat. In diesen Fällen müssen aber wirksame Chinese Walls eingerichtet sein, um einen Informationsfluss zwischen den Beratern wirksam zu verhindern.

c) Folgen einer anderweitigen Tätigkeit 136 Sind Berater in einem Konzessionsvergabeverfahren bereits für einen der Bewerber tä-

tig, dürfen sie in diesem Verfahren ohne die Einrichtung von Chinese Walls und Beratung durch andere Berater kein weiteres Mandat eines anderen Bewerbers annehmen. Bei einem Verstoß wären die betreffenden Bewerber wegen eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb auszuschließen. 137 Bekundet ein Unternehmen, für welches die Berater der Gemeinde in der jüngeren Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Konzessionsrecht oder regulatorischen Fragen tätig waren, in einem Konzessionsvergabeverfahren sein Interesse, müssen diese

170 Vgl. zu Vergabeverfahren nach dem allg. Vergaberecht OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.10.2018 – 15 Verg 6/18 – juris Rn 51 ff.  

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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das Mandat mit der Gemeinde niederlegen. Eine Fortführung des Verfahrens wäre ein Verfahrensfehler, der zu diesem Zeitpunkt noch durch einen Wechsel des externen Beraters beseitigt werden kann. Ein Ausschluss des betreffenden Bewerbers wäre unzulässig. Die Gemeinde muss einen diskriminierungsfreien Konzessionswettbewerb gewährleisten, der allen potenziellen Bewerbern offensteht und darf dabei nicht einzelne Bewerber allein aufgrund deren früherer Berater ausschließen.

C. Auswahlverfahren/Kriterien – Allgemeines I. Einleitung Die Frage nach Kriterien für eine transparente und diskriminierungsfreie Auswahl- 138 entscheidung zielt in das Herz des Rechts der Konzessionsverträge. Schon die Unterworfenheit der Gemeinde unter rechtliche Beschränkungen bei der Aufstellung von Auswahlkriterien wird in der Literatur und der Judikatur unter Verweis auf die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde noch immer kontrovers diskutiert und ist weiterhin Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren. In der Folge stellen sich Fragen nach dem Rahmen, der zulässige Kriterien umgrenzt, insbesondere, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Inhouse-Vergabe zulässig ist, welche Grenzen sich aus dem ausgeschriebenen Gegenstand des Wegenutzungsrechts ergeben und schließlich, inwieweit der Verweis auf § 1 EnWG in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG beschränkend wirkt. Vor dem Hintergrund, dass die Vereinbarung von Wegenutzungsvertragslaufzeiten 139 von weniger als zehn Jahren nach hiesiger Rechtsauffassung vor allem finanzschwächere Bewerber im Auswahlverfahren benachteiligt und damit gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, folgt, dass der Wegenutzungsvertrag damit seinem Wesen nach zukunftsgerichtet ist, so dass viele materielle Auswahlkriterien zukunftsgerichtet sein werden; hier kann also nicht Bestehendes bewertet werden, vielmehr ist eine Konzeptionalisierung und Prognose erforderlich.

II. Formelle und materielle Anforderungen an das Verfahren 1. Formelle Anforderungen a) Rechtsunterworfenheit der Gemeinde bei der Aufstellung von Auswahlkriterien Den Gemeinden steht ein grundgesetzlich garantiertes Recht zur Regelung der Angele- 140 genheiten der örtlichen Gemeinschaft zu, die sog. Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG). Zwar ist die Energieversorgung eine solche örtliche Angelegenheit. Es griffe jedoch zu kurz, hieraus auf eine völlige Autonomie der Gemeinden zu schließen, und damit jegliche rechtliche Schranken der Gemeinden bei der Auswahl von Konzessionsnehmern zu verneinen.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Das Grundgesetz gewährleistet die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden lediglich im Rahmen der Gesetze. So steht dem Bundesgesetzgeber im Verhältnis zu den Landesgesetzgebern die Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung über das Recht der Wirtschaft zu (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG); dies schließt ausdrücklich die Energiewirtschaft mit ein. Als Untergliederungen der Länder werden die Gemeinden ebenfalls von dieser abdrängenden Kompetenzzuordnung erfasst, von welcher der Bundesgesetzgeber mit dem EnWG Gebrauch gemacht hat. Zugleich reichen die Rechtsgrundlagen des EnWG über den rein nationalen Kompetenzrahmen hinaus; das EnWG dient auch der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben in nationales Recht, insbesondere der Energiebinnenmarktrichtlinien. Bei der Auswahl von Konzessionsnehmern ist daher die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden unter anderem durch die Vorgaben des EnWG, des GWB und der unmittelbar anwendbaren Regelungen des europäischen Rechts beschränkt. Zugleich stellen sich diese normativen Beschränkungen nicht als Eingriffe in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie dar. Sie tragen der grundgesetzlichen Wertentscheidung für eine kommunale Selbstverwaltung Rechnung, indem sie lediglich einen weit gesteckten Rahmen für die Aufstellung von Kriterien für die Auswahl von Stromund Gaskonzessionsnehmern vorgeben und den Gemeinden damit inhaltlich einen breiten und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren171 Gestaltungsspielraum lassen. Überdies folgt aus dem aufgezeigten Spannungsverhältnis zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, dass auch gemeindliche Belange im Rahmen der Vergabe des Wegenutzungsrechts mitberücksichtigt werden dürfen.172 In der Frage nach den Grenzen möglicher Auswahlkriterien für einen Konzessionär kulminieren die Überlegungen zu den übrigen Rahmenbedingungen des energiewirtschaftlichen Konzessionsrechts. Das unionsrechtlich vorgegebene Vergaberecht (§§ 97 ff. GWB) ist auf die Auswahl von Konzessionären nach § 46 Abs. 2 EnWG nicht anwendbar. Allenfalls können die Grundprinzipien des Vergaberechts (insbesondere Transparenz und Nichtdiskriminierung) unter besonderer Berücksichtigung der Logik der Energiewirtschaft leitend herangezogen werden; die Auseinandersetzung mit Details einer vergaberechtlichen Rechtsprechung ist indes müßig. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Bestimmung des Gegenstands des Wegenutzungsrechts und mithin des Bezugsobjekts der Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen; auch diese Bestimmung enthält eine Präferenzentscheidung der Gemeinde. Zunächst könnten mögliche Kriterien durch die Grenzen des Gegenstands einer Wegenutzungsrechtsvergabe bestimmt werden: Der Gegenstand des Wegenutzungsrechts wird vom regulatorischen Rahmen umschrieben und die möglichen Gegenleistungen sind von § 48 EnWG i. V. m. der KAV eng begrenzt.  





171 OLG Celle, Urteil v. 17.3.2016, 13 U 141/15 Kart; ZNER 2016, Heft 3, S. 243. 172 OLG Schleswig, Urteil v. 18.5.2020, 16 U 66/19 Kart, Rn 117. Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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Die Auswahlentscheidung für einen Betreiber von örtlichen Energieversorgungs- 146 netzen im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG steht weitergehend im energiewirtschaftsrechtlichen Kontext. Das Ermessen der Gemeinde bei der Aufstellung von Auswahlkriterien ist daher in den gesetzlichen Rahmen eingebunden. Mangels weitergehender Konkretisierung sind es die Ziele des § 1 EnWG, die den möglichen Auswahlkriterien Grenzen setzen. Seit der EnWG-Novelle 2011 ist dieser Zusammenhang in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG klarstellend ausdrücklich niedergelegt. Von Kartellrechts wegen muss die Gemeinde bei ihrer Auswahlentscheidung zudem 147 die Verbote beachten, die sich aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit bei der Vergabe örtlicher Wegerechte und ihrer Stellung als örtlicher Marktbeherrscher dabei ergeben. Sie muss insbesondere transparent und nichtdiskriminierend auswählen und darf Positionen, die ihr allein aus ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger zuwachsen, nicht zur Verdrängung leistungsbereiter Dritter zur Maximierung ihres eigenen wirtschaftlichen Vorteils verwenden.

b) Nur sachbezogene Auswahlkriterien Aus dem Gebot einer transparenten und diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessi- 148 onsnehmers folgt, dass Auswahlkriterien nicht willkürlich festgesetzt sein dürfen. Um Willkür auszuschließen, muss es sich um sachliche und objektive Kriterien handeln. Dies setzt denknotwendig einen Bezug zum Gegenstand des Konzessionsvertrags voraus, der zugleich Ausdruck des dem Rechtsstaatsprinzip zugrundeliegenden Gebots der funktionalen Adäquatheit ist. Die Forderung nach einem Sachbezug lässt sich auch aus der Verhältnismäßigkeit der Inhaltsbestimmung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG herleiten; Kriterien ohne Zweckzusammenhang mit dieser Inhaltsbestimmung erweisen sich von vornherein als unverhältnismäßig. Die teils geäußerte abweichende Auffassung, Entscheidungsparameter könnten ihren Ursprung auch außerhalb des Konzessionsvertrags haben, ist daher abzulehnen. Auch beim unionsrechtlich vorgegebenen Vergaberecht ist grundsätzlich ein Sach- 149 bezug erforderlich. Schon die Eignungskriterien dürfen nur dazu dienen, diejenigen Bewerber zu ermitteln, die für die Ausführung des Auftrags in Betracht kommen. Außerdem erhält das wirtschaftlichste Angebote den Zuschlag. Schließlich wurde in jüngerer Vergangenheit zwar in das Gesetz aufgenommen, dass für die Ausführung des Auftrags zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden dürfen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen. Auch diese zusätzlichen Anforderungen müssen jedoch ausdrücklich im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. Auswahlkriterien ohne Bezug zum konkreten Auftrag dürfen also keine Rolle spielen. Zudem findet sich eine vergleichbare Ausnahmeregelung nicht in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG, der nur auf die Ziele des § 1 EnWG verweist. Hieraus folgt, dass z. B. die Ortsansässigkeit aus sich heraus kein zulässiges Aus- 150 wahlkriterium ist. Kriterien ohne Bezug zum Gegenstand der Konzession sind demnach  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

von vornherein sachwidrig und willkürlich, weshalb sie sowohl nach Kartell- als auch nach Energierecht als missbräuchlich einzustufen wären.

aa) Beschränkungen aus Grenzen zulässiger Gegenstände von Wegenutzungsverträgen 151 Auswahlkriterien müssen zunächst einen sachlichen Bezug zur charakteristischen Hauptleistungspflicht des Konzessionsvertrags aufweisen, dem Recht zur Verlegung und zum Betrieb von Strom- bzw. Gasversorgungsleitungen, die zu einem Netz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören.

Netzbezug/nicht mehr Versorgungsbezug 152 Der Gegenstand von Konzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG hat sich seit Einführung die-

ser Bestimmung grundlegend gewandelt. Bezogen sich Konzessionen unter der Geltung von § 13 EnWG 1998 noch auf „die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Durchführung der allgemeinen Versorgung“, beziehen sie sich seit der EnWG-Novelle 2005 nur noch auf „die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung“ gehören. Die Auswahlentscheidung über den Konzessionsnehmer beinhaltet damit seit der EnWG-Novelle 2005 nicht mehr die Bestimmung des Versorgers, der zur Durchführung der allgemeinen Versorgung verpflichtet war, sondern nur noch Betreibers des Netzes der allgemeinen Versorgung. 153 Die Bestimmung des Gegenstands der Wegenutzungsverträge in § 46 Abs. 1 und 2 EnWG spiegelt demnach die energiewirtschaftsrechtliche Grundentscheidung für eine Entflechtung von Netz und Vertrieb nach §§ 6 ff. EnWG wieder. Die Normen betreffend die Beschränkung der Gegenleistungen für Konzessionen nehmen diesen veränderten Bezugspunkt auf (§ 48 Abs. 1 S. 1 EnWG, § 1 Abs. 2 KAV). 154 Gegenstand heutiger Auswahlverfahren nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG ist folglich nur noch das Wegenutzungsrecht zum Betrieb des Netzes der allgemeinen Versorgung, nicht mehr aber die über diese Netze abgewickelten Energielieferungen oder die Energieerzeugung. Auswahlkriterien müssen daher einen Bezug zum Betrieb des Verteilernetzes und dessen Rahmenbedingungen aufweisen; sie dürfen keinen Bezug zu einer handelsseitigen Versorgungstätigkeit oder zur Erzeugungstätigkeit haben und sind allen Bietern transparent mitzuteilen.  

Energiearten 155 Auf den ersten Blick scheinen die Gegenstände von Strom- und Gaskonzessionen in § 46

Abs. 2 EnWG klar bestimmt zu sein. Dort werden jeder Gemeinde Pflichten bezüglich der Auswahl von Konzessionsnehmern für ihre Verkehrswege für Strom- bzw. Gasver-

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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teilernetze auferlegt. Das EnWG geht demnach grundsätzlich davon aus, dass jede Gemeinde Konzessionsnehmer getrennt für Strom und Gas auswählt. Die Ausschreibung eines einheitlichen Strom- und Gaskonzessionsvertrags stellt regelmäßig eine diskriminierende, weil willkürliche und sachfremde Zusammenfassung von Ausschreibungsgegenständen dar. Für eine solche Diskriminierung spricht vor allem, dass es etliche reine Strom- bzw. Gasverteilernetzbetreiber gibt, die eine solche gemeinsame Ausschreibung von vornherein vom Wettbewerb um diese Konzession ausschlösse. Dieser Ausschluss kann auch nicht mit pauschalem Verweis auf die Effizienz von Netzerrichtung und Netzbetrieb aus einer Hand begegnet werden. So kann schon die jeweilige Effizienz beim Netzbetrieb durch eine geeignete Koordinierung von Baumaßnahmen verschiedener Netzbetreiber – auch mit Betreibern anderer Netze als solchen zur Energieversorgung – erheblich gesteigert werden. Zudem können Spartenunternehmen Effizienz auf andere Weise, etwa durch Größe und Spezialisierung erreichen, welche die Effizienz eines energieartenübergreifenden Netzbetriebs sogar übertreffen können. Beide „Fallgruppen“ operativer Effizienz sind indes der Bewertung im Einzelfall zugänglich, da ein qualifizierter Bieter seine eigene operative Effizienz einschätzen können sollte; die Kapitalintensität des zu übernehmenden örtlichen Verteilernetzes ist ohnehin für alle Bewerber dieselbe. Hinzu kommt, dass die Effizienz eines Bieters ohnehin nur insoweit für die Netzentgelte und damit für die Netznutzer relevant ist, als sie in der Netzentgeltregulierung Berücksichtigung findet. Dies ist bei einer Regulierung im vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV jedoch nicht der Fall. Andernfalls ist die Bewertung operativer Effizienz im Rahmen von Auswahlverfahren durchaus möglich. Vor diesem Hintergrund ist eine gemeinsame Ausschreibung einer Strom- und Gaskonzession regelmäßig unzulässig. Dieses Ergebnis entspricht auch dem vergaberechtlichen Prinzip der mittelstandsfreundlichen Vergabe, nach dem, soweit sinnvoll möglich, nach Fach- oder Teillosen aufzuteilen ist. Strom- und Gaskonzessionen sind demnach getrennt auszuschreiben. Besteht im Einzelfall die Befürchtung, dass sich für eine separate Konzession für eine Energieart möglicherweise kein Bieter fände, könnte dieser mit einem Vorgehen wie bei einer vergaberechtlichen Gesamtvergabe begegnet werden. Ein solches Vorgehen setzte aber voraus, dass sich die Gemeinde nachvollziehbar und „in besonderer Weise mit dem Gebot der Fachlosvergabe und den dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt“; dabei bedarf es „einer umfassenden Abwägung der wider-streitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.“ Dies dürfte angesichts möglicher Effizienzen bei beiden Arten der Ausschreibung regelmäßig nicht zu begründen sein. Eine – im Vergaberecht zwingend erforderliche – Zulassung von Bietergemeinschaften milderte zwar die Schwere eines Verstoßes in Form einer unzulässigen Gesamtvergabe ab, höbe ihn aber nicht auf.

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Darüber hinaus scheidet schon aus den oben genannten Gründen eine Aus-schreibung einer Gas- oder Stromkonzession gemeinsam mit Konzessionen für andersartige Netze – etwa Wasser, Abwasser oder Fernwärme – aus. Zudem sind nur Strom- und Gasnetze in den spezifischen Kontext des Energiewirtschaftsrechts eingebunden, was zu Spannungen mit andersartigen Regelungskontexten führte.

Bezügliches Gebiet 162 Nach § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG ist die Einräumung eines Rechts zur Nutzung öffentlicher

Verkehrswege für ein Leitungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet der Gegenstand einer Konzession. Ob sich eine Konzession demnach notwendig auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen muss, ist zumindest vom Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG nicht zwingend indiziert. Entspricht die Konzessionierung für das gesamte Gemeindegebiet wohl der überwiegenden Praxis, widerspräche eine dahingehende Einschränkung der Möglichkeit zur Konzessionierung jedoch der historisch gewachsenen Realität. Konzessionsgebiete, die bei Vertragsschluss noch dem Gebiet einer gesamten Gemeinde entsprochen haben, können durch Eingemeindungen zu bloßen Gebietsteilen geworden sein. Es ist kein Grund ersichtlich, diese historisch gewachsenen Strukturen für widerrechtlich zu erklären oder eine Vereinheitlichung herbeizuzwingen. 163 Auch heute noch können sachliche Gründe für eine separate Konzessionierung von Gemeindeteilen sprechen, etwa wenn ein Gemeindeteil aufgrund geographischer Bedingungen von einem anderen Konzessionär besser miterschlossen werden kann. Zudem ist mit der Einführung von § 13 EnWG 1998 das mit der Konzessionierung früher verbundene Ausschließlichkeitsrecht entfallen. Bei der Konzessionierung mehrerer Konzessionsnehmer sollte darauf geachtet werden, dass die jeweiligen Gebiete klar voneinander abgegrenzt sind. Ansonsten könnte es im Hinblick auf den Netzübereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu Konkurrenzen kommen, die möglicherweise sogar Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinde zur Folge hätten. 164 Die Zusammenfassung von mehreren Gemeindegebieten in einer Ausschreibung dürfte sich gerade in Ländern mit kleinteiliger Kommunalstruktur anbieten. Hierdurch könnten die Transaktionskosten auf Seiten der ausschreibenden Gemeinden gesenkt und zugleich durch die Schaffung einer attraktiven Größe des ausgeschriebenen Gebiets der Wettbewerb um diese Netze gesteigert werden. 165 Solange jede Gemeinde die Auswahlentscheidung für ihr Gebiet eigenständig trifft, begegnet die Zusammenfassung von Gemeindegebieten in einer Ausschreibung, anders als die Zusammenfassung von Energiearten, keinen grundsätzlichen kartellrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung von Bietern, solange die Gebietszusammenfassung nicht willkürlich erfolgt und die Größe des zusammengefassten Gebiets nicht wiederum diskriminierend ist. Eine problematische Größe dürfte wohl etwa ab der Überschreitung der Größe eines Landkreises gegeben sein.

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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Das bezügliche Gebiet muss zum Zeitpunkt der Ausschreibung und des Wegenut- 166 zungsvertrags feststehen. Eine „Weiterfresserklausel“ oder Eingemeindungsklausel, nach der automatisch etwaige in Zukunft eingemeindete Gebiete dem Konzessionär zuwachsen sollen, widerspräche der Bezogenheit der Auswahlentscheidung auf einen konkreten Gegenstand und liefe darüber hinaus dem Wettbewerbsgedanken des § 46 Abs. 2 EnWG zuwider. Für mögliche zukünftige Gebietsentwicklungen könnten Kriterien nicht ausgewertet werden. Es würde eine Entscheidung ohne Substrat getroffen.

Laufzeitenbund Im Hinblick auf die Laufzeit ausgeschriebener Wegenutzungsverträge setzt § 46 Abs. 2 167 S. 1 EnWG den Gemeinden eine Höchstgrenze für die Laufzeit von 20 Jahren. Verträge mit einer längeren Laufzeit oder solche, die sich automatisch verlängern, wären widerrechtlich und können nicht zum Gegenstand einer Ausschreibung gemacht werden. Sollte ein Wegenutzungsvertrag auslaufen, ohne dass von der Kommune rechtswirksam ein neuer Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen geschlossen wurde, ist der bestehende Energieversorger verpflichtet, die Versorgung in der Kommune nach den Maßgaben des EnWG fortzusetzen, bis rechtwirksam ein neuer Wegenutzungsvertrag geschlossen wurde und eine ggf. erforderliche Netzübergabe erfolgt ist. Zulässig ist es, Wegenutzungsverträge mit kürzeren Laufzeiten als 20 Jahre aus- 168 zuschreiben. Jedoch hat die Gemeinde auch insofern die Grenzen des Diskriminierungsverbots zu beachten. Vor dem Hintergrund dass interessierte Bewerber in diskriminierender Weise von einer Bewerbung um den Wegenutzungsvertrag abgehalten werden könnten, sehen die Landeskartellbehörden Wegenutzungsverträge mit Laufzeiten von unter 10 Jahren als kritisch an. Dies gilt auch für ein voraussetzungsloses Sonderkündigungsrecht, dass eine Kündigung nach bspw. fünf Jahren ermöglicht, weil hierdurch die erforderliche Investitionssicherheit mit diskriminierender Wirkung insbesondere für potentielle Bewerber ausgehebelt wird, falls sich bspw. bestimmte potentielle Bewerber anders als etwa ein Eigenbetrieb nicht auf entsprechend kurze Laufzeiten einlassen könnten.173 Laufzeiten von unter 10 Jahren erweisen sich daher allenfalls im Einzelfall als zu- 169 lässig, soweit es hierfür eine konkrete sachliche Rechtfertigung gibt. Eine mögliche sachliche Rechtfertigung läge z. B. darin, dass so die Laufzeiten mehrerer Wegenutzungsverträge, die jeweils Teilgebiete einer Gemeinde betreffen, synchronisiert werden sollen, um so einen effektiveren Wettbewerb um ein Wegenutzungsrecht für das gesamte Gemeindegebiet oder jedenfalls einen größeren Teil desselben zu ermöglichen. Gleichwohl sollten sowohl die Gemeinden als auch die Versorgungsunternehmen bei der Verein 

173 Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes Schleswig-Holstein zum Abschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Strom- bzw. Gasversorgung; 4. Juni 2015, S. 7. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

barung von Vertragslaufzeiten unter 10 Jahren das Nichtigkeitsrisiko nach § 134 BGB nicht aus dem Blick verlieren und im vorstehend beschriebenen Einzelfall auf eine lückenlose Dokumentation der sachlichen Rechtfertigung achten.

bb) Beschränkungen für Auswahlkriterien aus den Grenzen der zulässigen Gegenleistungen für die Einräumung einer Konzession 170 Ebenso wie der Gegenstand des Wegenutzungsrechts nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG wirken die Grenzen der möglichen Gegenleistungen für die Einräumung des Wegenutzungsrechts einschränkend auf die Zulässigkeit von Auswahlkriterien im Rahmen der Vergabe. Widerrechtliches darf nicht gefordert oder gewährt werden. 171 Die zulässigen Gegenleistungen für die Konzessionserteilung sind in § 48 EnWG i. V. m. der Konzessionsabgabenverordnung („KAV“) eng umschrieben. Zentralnorm ist das Nebenleistungsverbot nach § 3 KAV. Demnach dürfen Versorgungsunternehmen und Gemeinde für einfache oder ausschließliche Wegerechte neben oder anstelle von Konzessionsabgaben lediglich die dort aufgezählten Leistungen vereinbaren und oder gewähren. Auch Einstands- bzw. Endschaftsregelungen werfen immer wieder Fragen auf.  



Konzessionsabgaben und Nebenleistungsverbot 172 Weder § 48 EnWG noch die KAV schreiben die Vereinbarung von Konzessionsabgaben

durch Gemeinden als Gegenleistung für die Konzessionserteilung als verpflichtend vor. Vielmehr sind diese Gegenstand der Autonomie der Parteien des Konzessionsvertrags, im Rahmen der Schranken, welche die KAV setzt. Diese Schranken betreffen nicht nur die Einhaltung der Höchstsätze nach § 2 Abs. 2 und 3 KAV, sondern auch die weiteren Regelungen zur Bemessung der Konzessionsabgaben. Insbesondere dürfte z. B. eine Gemeinde keine von § 2 Abs. 6 KAV abweichende höhere Konzessionsabgabe von Drittlieferanten fordern; am einfachsten und sichersten ist es hier, bei der Gestaltung eines Konzessionsvertrags auf die entsprechenden Vorschriften der KAV zu verweisen, ohne diese zu paraphrasieren. 173 Es ist in der Literatur umstritten, ob eine Forderung nach den Konzessionsabgabenhöchstsätzen der KAV stets über einen Marktmachtmissbrauch erhaben ist. Jedenfalls scheint die Position, eine solche Forderung könne missbräuchlich sein, eher von theoretischer Bedeutung. 174 Andere Gegenleistungen als Konzessionsabgaben für die Einräumung von Wegerechten sind nur in klar umrissenem Umfang zulässig (§ 3 Abs. 1 S. Nr. 1 bis 3 KAV). Soweit weitergehende Leistungen gewährt werden sollen, muss dies zu marktangemessenen Entgelten erfolgen (Nebenleistungsverbot). Dabei ist auf einen Drittvergleich abzustellen: Würden einem beliebigen Dritten die Leistungen zu ähnlichen Konditionen angeboten werden? Im Einzelfall ist die Marktüblichkeit einer Leistung regelmäßig schwierig zu beurteilen. Einen besonders krassen Fall verbotener Nebenleistungen stel 

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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len direkte Geldleistungen an die Gemeinde dar, etwa zur Abgeltung von Zahlungen der Gemeinde an den bisherigen Konzessionär. Verbotene Nebenleistungen dürfen nicht gefordert werden. Solche Auswahlkrite- 175 rien für den neuen Konzessionsnehmer sind unzulässig.

Einstandsregelung und Endschaft Ein besonders relevanter Punkt sind die Einstands- bzw. Endschaftsregelungen. So 176 dürfen Verpflichtungen zur Übertragung von Versorgungseinrichtungen nur gegen wirtschaftlich angemessenes Entgelt vereinbart oder gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV). Diese Regel spiegelt sich in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG wieder, der die Übereignung von Versorgungseinrichtungen gegen eine wirtschaftlich angemessene Vergütung vorsieht. Die Höhe von Gegenleistungen für Einstand- und Endschaft ist dabei kein festste- 177 hender Wert. Vielmehr unterliegt er einer Veränderung über die Zeit, bewirkt durch wertsteigernde Investitionen und wertmindernde Abschreibungen sowie gegebenenfalls wertrelevante Veränderungen des Umfeldes der Konzession. Die Festlegung eines festen (Rück-)Kaufpreises für einen zukünftigen Termin läuft daher regelmäßig Gefahr, gegen das Nebenleistungsverbot zu verstoßen.

2. Materielle Anforderungen (Ermittlung des besten Netzbetreibers) Gemeinden handeln beim Abschluss von Wegenutzungsverträgen als Unternehmen im 178 Sinne des deutschen Kartellrechts und sind in ihrem Gemeindegebiet marktbeherrschende Anbieter für Wegenutzungsrechte.174 Wenngleich dieser Umstand nicht zu einer Anwendung der Kartellvergaberechtsnormen auf das Verfahren zur Vergabe von Wegenutzungsrechten führt, folgt hieraus doch die Verpflichtung, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen.175 Dieser Wettbewerb ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die das Ziel des § 1 Abs. 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht) konkretisieren.176 Im Übrigen bleibt es der Gemeinde überlassen, sachgerechte Auswahlkriterien zu finden und zu gewichten, die einen Bezug zum Gegenstand des Konzessionsvertrages aufweisen.177

174 BGH, Beschluss vom 15.4.1986 – KVR 6/85, WuW/E BGH 2247, 2249 – Wegenutzungsrecht; Beschluss vom 11.3.1997 – KZR 2/96, RdE 1997, 197, 198 – Erdgasdurchgangsleitung. 175 OLG Dresden, Urteil v. 7.10.2020 – U 1/20 Kart, NZKart 2021, 310, 311. 176 Zuletzt: BGH, Urteil vom 7.9.2021, EnZR 29/20 – „Gasnetz Rösrath“, Rn 9. 177 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 47. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Aus dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot gemäß § 19 GWB folgt, dass die Gemeinden den Wettbewerb um das Netz derart gestalten müssen, dass die interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt.178 Nur so ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.179 Hierzu gehört etwa, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.180 Überdies ist auch die Gewichtung der Kriterien offenzulegen, damit die Bewerber erkennen können, wie die einzelnen Kriterien die Auswahlentscheidung der Gemeinde beeinflussen.181 180 Zu einem transparenten Vergabeverfahren gehört schließlich auch, dass beteiligte Unternehmen Einsicht in die Verfahrensakten erhalten. Nach § 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG hat die Gemeinde jedem beteiligten Unternehmen zur Vorbereitung einer Rüge gegen die Auswahlentscheidung auf dessen Antrag Einsicht in die Akten zu gewähren und auf dessen Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften zu erteilen. Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 3 EnWG ist Einsicht „in die Akten“ zu gewähren. Ausweislich der Gesetzesbegründung, sollen dem Bewerber „zügig Informationen über sämtliche Tatsachen zugänglich gemacht werden, die eine Verletzung in seinen Rechten begründen können“182. Aus welchen Bestandteilen der Verfahrensakte sich derartige Informationen ergeben können, kann nicht im Voraus bestimmt werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rechtsauffassung des OLG Stuttgart, welches das Akteneinsichtsrecht im Falle einer Ausschlussentscheidung aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes lediglich in dem Umfang anerkennt, wie es zur Überprüfung der Ausschlussentscheidung erforderlich sei, nicht überzeugend.183 Eine derartige Beschränkung des Akteneinsichtsrechts findet, ungeachtet der Frage, ob § 47 Abs. 3 EnWG in einer derartigen Konstellation direkt oder analog anzuwenden ist, weder eine Stütze im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Norm. Lediglich soweit dies zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der Bewerber erforderlich ist, hat die Gemeinde die Einsicht in die Verfahrensakten zu versagen, vgl. § 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG. Vor diesem Hintergrund erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht des Bewerbers auf sämtliche bei der Vergabestelle vorhandenen Unterlagen im Zusammenhang mit dem Konzessionsvergabeverfahren, da sich aus jeder dieser Unterlagen Hinweise auf Rechtsverletzungen ergeben können.184 179

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BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 65/12 – Stromnetz Heiligenhafen, Rn 44. BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 38. BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 65/12 – Stromnetz Heiligenhafen, Rn 44. BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 65/12 – Stromnetz Heiligenhafen, Rn 48. BT-Drs. 18/8184, S. 17. OLG Stuttgart, 2 U 71/21. BerlK-EnR/Wegner, § 47 EnWG Rn 35. Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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a) Anforderungen an die Neutralität bzgl. der Ausgestaltung des Verfahrens Im Rahmen der Auswahl von Konzessionsnehmern verfolgen Gemeinden in den letzten 181 Jahren zunehmend auch weitergehende Interessen, insbesondere wirtschaftliche und Fiskalinteressen jenseits von Konzessionsabgaben. Dabei treten sie aus dem von Konzessionsrecht primär in den Blick genommenen privatwirtschaftlichen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des Konzessionsvertrags hinaus und spielen „über Bande“. So geht es etwa um die örtliche Gewerbesteuer, Arbeitsplätze vor Ort oder um die (Re-) Kommunalisierung bzw. Beteiligungsmodelle, gerne auch unter dem Mantel der Vorteile aus kommunalem Querverbund.

b) Inhousevergabe Auch wenn eine Gemeinde eine Konzession nach § 46 Abs. 2 EnWG einem in ihrem Alleineigentum stehenden Unternehmen (Eigengesellschaft) oder sogar einem rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb erteilt, muss die Gemeinde die Verfahrensvorschriften nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG befolgen. Die Gemeinde muss das Auslaufen der alten Konzession ausschreiben; jedenfalls wenn sich mehrere Interessenten melden, muss sie Auswahlkriterien aufstellen und anhand dieser Auswahlkriterien eine Auswahlentscheidung treffen und begründen. Vor allem aber ist die Gemeinde verpflichtet, die Grundsätze der Transparenz und des Diskriminierungsverbots zu beachten. Dass dies immer wieder missachtet wird, zeigt die Fülle der in den letzten Jahren in diesem Kontext ergangenen Urteile. Die Grundsätze des unionsrechtlich vorgegebenen Vergaberechts zur Inhouse-Vergabe sind nicht auf die Auswahlentscheidung einer Gemeinde nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG übertragbar. Vielmehr ordnet § 46 Abs. 6 EnWG an, dass die Vorgaben zur Vergabe von Konzessionen auf Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Formal ist diese Regelung notwendig, um auch die Erteilung von Wegenutzungsrechten durch gemeindliche Satzung in den Anwendungsbereich von § 46 Abs. 2 EnWG zu bringen, der lediglich auf Verträge abstellt. Da es sich bei Eigenbetrieben aber nicht um selbständige juristische Personen handelt, kann zwischen einer Gemeinde und ihrem eigenen Eigenbetrieb kein Vertrag geschlossen werden. Zugleich setzt die Erstreckung der Verfahrensvorschriften nach Abs. 2 bis 5 implizit voraus, dass diese Verfahrensvorschriften ohnehin auf die vertragliche Erteilung von Konzessionen an rechtlich selbständige, im Alleineigentum der konzessionserteilenden Gemeinde stehende Unternehmen (Eigengesellschaften) anwendbar sind. In diesem Zusammenhang ist auch kein Grund für eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen kommunaler Betätigung ersichtlich, warum also die Verfahrensvorschriften zwar auf die Konzessionserteilung an einen Eigenbetrieb, nicht aber auf eine Konzessionserteilung an eine Eigengesellschaft anwendbar sein sollten. Die unterschiedslose Anwendung der Verfahrensvorschriften der Abs. 2 bis 5 des § 46 EnWG entspricht auch den Zielen des Abs. 6. Demnach soll die Wegenutzung in allen Gemeinden erfasst werden und es soll verhindert werden, dass der Zweck der VorChristensen/Morgen

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schrift der heutigen § 46 Abs. 2 bis 5 EnWG, Ewigkeitsrechten vorzubeugen, unterlaufen werden kann. § 46 Abs. 6 EnWG dient also der Durchsetzung des Wettbewerbsgedankens auch in diesem Verhältnis. Die Gegenposition in der Literatur vermag nicht zu überzeugen. So geht zunächst von § 46 Abs. 6 EnWG kein Privatisierungszwang aus; es werden lediglich die Anwendung der Verfahrensvorschriften angeordnet, aber weder der Ausgang des Auswahlverfahrens noch die rechtsförmliche Ausgestaltung der Konzessionsbeziehung vorgegeben. Auch werden Eigenbetriebe von § 46 Abs. 2 und 3 EnWG weder verpflichtet noch berechtigt; mangels Rechtspersönlichkeit richten sich sowohl die Rechte als auch die Pflichten jeweils an die Gemeinde. Auch das vorgeblich unionsrechtlich gestützte Hauptargument der Gegenposition erweist sich bei näherer Betrachtung als sprichwörtliches Potemkinsches Dorf. Demnach seien § 46 Abs. 2 und 3 EnWG von der Unionsrechtsprechung zur Inhouse-Vergabe überlagert; eine Bekanntmachungs- und Ausschreibungspflicht gäbe es danach nicht; ansonsten werde der „staatsorganisatorische Handlungsspielraum unverhältnismäßig beschränkt“. Die Grundsätze der Inhouse-Vergabe lassen Ausnahmen von den unionsrechtlich vorgegebenen Vergabevorschriften zu. Die in Bezug genommene Teckal-Rechtsprechung des EuGH beschränkt lediglich die unionsrechtlichen Vorgaben auf den nationalen Rechtsrahmen – bei einer Inhouse-Vergabe ist von Unionsrechts wegen kein Vergabeverfahren erforderlich. Dieser Rechtsprechung ist aber nicht zu entnehmen, dass außerhalb des vorgegebenen Vergaberechts nationales Recht keine strengeren Vorschriften erlassen darf. Wie oben schon festgestellt ist das unionsrechtlich vorgegebene Vergaberecht aber auf die Auswahl des Konzessionsnehmers durch die Gemeinde ohnehin nicht anwendbar. Es ist auch ohne Belang, ob es sich bei einer Konzession nach § 46 Abs. 2 EnWG um eine Dienstleistungskonzession im Sinne der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des unionsrechtlich vorgegebenen Vergaberechts handelt oder um noch ein anderes Rechtsinstitut, das nicht dem unionsrechtlich vorgegebenen Vergaberecht unterfällt. Mangels Anwendbarkeit des unionsrechtlich vorgegebenen Vergaberechts läuft auch eine Ausnahme zu diesem leer; die Ausnahme hat keine Wirkung außerhalb der Regel. Vielmehr lässt das Unionsrecht strengere nationale Vorschriften gegen einseitiges Verhalten in Art. 3 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ausdrücklich zu. Dies betrifft insbesondere das Verhalten von marktbeherrschenden Akteuren. Gemeinden, welche bei der unternehmerischen Tätigkeit der Erteilung von Konzessionen für örtliche Wegerechte marktbeherrschend sind, werden somit erfasst.

c) Bevorzugung eines bestehenden kommunalen Energieversorgungsunternehmens und (Re)Kommunalisierung 191 Nach vielfältig, vor allem von kommunaler Seite vertretener Auffassung sind kommunale Fiskalinteressen bei der Auswahl eines Konzessionsnehmers berücksichtigungsfähig, Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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zumindest jedenfalls das Bestehen eines eigenen Unternehmens zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Dieser Ansatz ignoriert bereits, dass die örtliche Daseinsvorsorge heute ein nicht mehr abgegrenzter Begriff ist, wie auch die Monopolkommission konstatiert. Zugleich findet sich im Energiewirtschaftsrecht kein Hinweis darauf, dass die Übernahme der Versorgung durch den Staat intendiert sei. Mit der Entflechtung von Netzbetrieb und Versorgung sowie der Bestimmung des Grundversorgers über den Wettbewerb schrumpft vielmehr die staatliche Rolle in der Energieversorgung auf eine Gewährleistungsverantwortung. Der politische Wille zu staatlicher Tätigkeit bietet keine Rechtfertigung für Beschränkungen von Wettbewerb. Dementsprechend gibt es keine kontrollfreie Systementscheidung von Gemeinden für einen kommunaleigenen oder nicht-kommunaleigenen Netzbetreiber. Die einseitige Bevorzugung eines eigenen Unternehmens ist nicht zulässig. Dies folgt bereits aus der Unanwendbarkeit der Grundsätze der Inhouse-Vergabe im Auswahlverfahren um eine Konzession nach § 46 Abs. 2 EnWG und aus dem zwingend erforderlichen Sachbezug der Auswahlkriterien. Zudem ergibt sich das Verbot der einseitigen Bevorzugung eines kommunalen Unternehmens aber auch aus den Grundgedanken zum kartell-rechtlichen Diskriminierungsverbot, die der BGH in der sogenannten Schilderpräger-Rechtsprechung entwickelt hat. Danach sind konzernmäßig mit dem marktbeherrschenden Unternehmen verbundene Unternehmen zwar grundsätzlich nicht gleichartig im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB. Etwas anderes gilt aber, wenn sich die überragende Marktstellung des Unternehmens aus einer öffentlichen Aufgabe ergibt. In einem solchen Fall stellt die diskriminierende Bevorzugung eines Konzernunternehmens eine unzulässige Verquickung öffentlichrechtlicher Aufgaben mit erwerbswirtschaftlicher Betätigung dar; die Verdrängung leistungsbereiter und -fähiger Privater zur Erzielung eines größeren wirtschaftlichen Vorteils ist dann unzulässig. Die marktbeherrschende Stellung der Gemeinden beim Angebot von Wegerechten für Versorgungsleitungen im Gemeindegebiet ergibt sich letztlich aus ihrer Inhaberschaft des Straßen- und Wegenetzes, die wiederum vor dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen straßenrechtlichen Aufgaben zu sehen ist. Die Verquickung der straßenrechtlich vermittelten Machtstellung mit Erwerbszielen ist folglich unzulässig. Ließ der BGH in den Schilderprägerfällen noch offen, ob hieraus ein bloßes Verbot einer Bevorzugung des eigenen Unternehmens oder völliges Tätigkeitsverbot für die Gemeinden im Hinblick auf die Schilderprägung abzuleiten sei, kann dies im Energiewirtschaftsrecht vor dem Hintergrund der langen Tradition der Stadtwerke und deren expliziter Ansprache in § 46 Abs. 6 EnWG nur im Sinne eines Verbots der diskriminierenden Bevorzugung eigener Unternehmen ausgelegt werden. Die Anwendung eines Konzernprivilegs im Rahmen der Prüfung, ob eine wettbewerbswidrige Diskriminierung vorliegt, wäre bei der Auswahl eines energiewirtschaftlichen Konzessionsnehmers dabei noch fraglicher als bei den Schilderprägerfällen. In den Schilderprägerfällen ist leistungsbereiten Privaten durch die Auswahlentscheidung eine Tätigkeit nicht schlechterdings unmöglich, sondern lediglich erschwert. Die Auswahl eiChristensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

nes Konzessionärs hat hingegen eine faktische völlige Sperrwirkung für leistungsbereite Private zur Folge. 197 Zudem schlösse ein Verstoß gegen eine Verbotsnorm mit Wettbewerbsbezug die sachliche Rechtfertigung eines diskriminierenden Verhaltens im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB ebenfalls aus. Eine solche Verbotsnorm mit Wettbewerbsbezug ist die Subsidiaritätsklausel in vielen Gemeindeordnungen, nach der Gemeinden dafür Sorge zu tragen haben, dass Leistungen, die private Anbieter in mindestens gleicher Qualität und Zuverlässigkeit zu gleichen oder geringeren Kosten erbringen können, diesen übertragen werden. 198 Kommunale Unternehmen können sich – wie alle anderen auch – um eine Konzession bewerben und sich im Wettbewerb nach sachlichen Kriterien behaupten. Allein ihre einseitige Bevorzugung stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar. Auswahlkriterien „finanzieller Vorteil für die Gemeinde“ oder „nur gemeindeeigenes Unternehmen“ sind folglich unzulässig.

d) Beteiligungsmodelle 199 Die Förderung oder positive Bewertung des Angebots eines Beteiligungsmodells stellt

eine Abwandlung der einseitigen Bevorzugung eines eigenen Unternehmens dar und ist daher nach den oben dargestellten Grundsätzen unzulässig. 200 Dem steht auch nicht das Urteil des BGH vom 29.9.2009 entgegen. Dort konnte ein Zusammenhang zwischen der Konzessionserteilung und der späteren Einräumung eines Kommanditanteils am Versorgungsunternehmen in den Tatsacheninstanzen nicht nachgewiesen werden; vielmehr bestand mit der späteren Einbringung der Wasserbetriebe eine anderweitige plausible Erklärung für die spätere Einräumung eines Kommanditanteils. 201 Die Forderung oder positive Wertung von Beteiligungsmodellen kann zudem in Konflikt mit dem Nebenleistungsverbot geraten. Dies bringt wiederum den Grundsatz ins Spiel, dass nur von der Rechtsordnung anerkannte Interessen bei der Interessenabwägung Berücksichtigung finden können. Ein Verstoß gegen eine Verbotsnorm mit Wettbewerbsbezug schließt zudem ebenfalls die sachliche Rechtfertigung eines diskriminierenden Verhaltens im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB aus. Das Nebenleistungs-verbot stellt dabei eine solche Verbotsnorm mit Wettbewerbsbezug dar, indem es die Parameter zulässigen Wettbewerbs festlegt. Es kommt vor allem bei asymmetrischen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen oder bei Garantierenditen ins Spiel. 202 Für Beteiligungsmodelle gilt in abgewandelter Form das oben für kommunale Unternehmen Gesagte. Beteiligungsgesellschaften können sich – wie alle anderen auch – um eine Konzession bewerben und sich im Wettbewerb nach sachlichen Kriterien behaupten. Allein ihre einseitige Bevorzugung stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar.

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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e) Arbeitsplatzaspekte Eine andere Form der Verfolgung kommunaler Interessen über Bande manifestiert sich 203 in Forderungen etwa nach dem Verbleib des Regionalzentrums des bisherigen Konzessionärs in der Gemeinde, nach dem Unternehmenssitz in der Gemeinde oder der Beschäftigung von Arbeitnehmern in der Gemeinde. Solche lokalarbeitsplatzbezogenen Forderungen weisen keinen funktionalen Bezug zum Gegenstand der Konzession oder zum Netzbetrieb auf; ebenso wenig finden sie Rückhalt in den Zielen des EnWG. Vielmehr kann von ihnen eine Diskriminierungswirkung im Hinblick auf eine überörtliche Dienstleistungserbringung ausgehen. Sie stellen folglich grundsätzlich keine zulässigen Auswahlkriterien bei der Auswahl eines Konzessionsnehmers dar.

f) Gewerbesteuerzerlegung Zudem wird häufig eine Forderung nach Gewerbesteuerzerlegung aufgestellt. Eine sol- 204 che Forderung verfolgt zunächst ein Fiskalinteresse mit Hilfe der öffentlich-rechtlich vermittelten Stellung als Marktbeherrscher auf dem Markt für örtliche Wegerechte für die Leitungsverlegung. Dies indiziert die Unzulässigkeit eines solchen Auswahlkriteriums. Nun könnte argumentiert werden, dass von einem solchen Kriterium keine Diskri- 205 minierungswirkung ausgehe, da Gewerbesteuer von jedem Energieversorgungsunternehmen ohnehin zu entrichten sei. Dies lässt aber zunächst unberücksichtigt, dass Gemeinden nach § 16 Abs. 1 GewStG das Hebesatzrecht in Bezug auf die Gewerbesteuer zusteht. Deren Höhe kann also örtlich unterschiedlich sein. Eine Gewerbesteuerzerlegung muss mithin nicht kostenneutral sein. Gewichtiger ist jedoch, dass eine Gewerbesteuerzerlegung nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG eine Betriebsstätte im Gemeindegebiet voraussetzt. Der Zerlegungsmaßstab richtet sich gemäß § 29 GewStG nach den an der jeweiligen Betriebsstätte gezahlten Arbeitslöhnen, mit einer einzigen Sonderregelung für Windenergieanlagen. Die Forderung nach Gewerbesteuerzerlegung stellt sich demnach als verkappte Form einer Forderung nach einer Betriebsstätte im Gemeindegebiet heraus. Es gilt daher das oben zu Arbeitsplatzaspekten Gesagte entsprechend: Eine Forderung nach Gewerbesteuerzerlegung stellt kein zulässiges Auswahlkriterium dar.

g) Mandate von kommunalen Entscheidungsträgern in Gremien von Bewerbern um den Wegenutzungsvertrag Immer wieder kommt es vor, dass kommunale Entscheidungsträger in Gremien von Be- 206 werbern entsandt werden. Tatsächlich ist dies für Gemeinden z. B. im Hinblick auf ihre eigene personelle Ausstattung der Regelfall, soweit es sich bei dem Bewerber um ein kommunales Unternehmen im weiteren Sinne handelt und folgt bereits aus den entsprechenden landesgesetzlichen Normen, die die Gründung und Beteiligung an Gesellschaften zum Gegenstand haben und die der Gemeinde auferlegen, in Eigen- oder gemeinschaftlichen Gesellschaften einen angemessenen Einfluss der Gemeinde, insbesondere  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

im Aufsichtsrat, sicherzustellen.185 Die gleichzeitige Funktion als Gemeinderatsmitglied sowie Aufsichtsratsmitglied bei einem (kommunalen) Bewerber führt jedoch zu Interessenkonflikten186 und ist vor allem im Hinblick auf das im Rahmen der Wegenutzungsrechtsvergabe einzuhaltende Neutralitätsgebot kritisch zu beurteilen.

h) Mitwirkungsverbot 207 Der BGH begegnet dem der Einhaltung des Neutralitätsgebots und dem Interesse der Sicherstellung gemeindlichen Einflusses in kommunalen Gesellschaften immanentem Spannungsverhältnis, indem er ein Mitwirkungsverbot am Verfahren zur Vergabe eines Wegenutzungsrechts nach § 46 Abs. 2 EnWG für solche Personen postuliert, die bei einem Bewerber gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei ihm als Mitglied eines Organs tätig sind.187 Es erstreckt sich auf Gemeinderäte, die zugleich Mitglied des Aufsichtsrats eines der Bewerber sind. Gleichsam führt nicht jede Mitwirkung im vorgenannten Sinne zu einer Verletzung des Neutralitätsgebots. Vielmehr setzt dies nach dem BGH die konkrete Möglichkeit voraus, dass die Mitwirkung solcher Gemeinderäte die Entscheidung beeinflusst hat.188

i) Rechtsfolgen bei Verstößen 208 Ein unter Verstoß des vorstehend dargestellten Mitwirkungsverbots zustande gekommener Wegenutzungsvertrag zwischen einer Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen kann nach § 134 BGB nichtig sein, wenn die Konzessionsvergabe den aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen nicht genügt und damit eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vorliegt, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind. 209 Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot im Verfahren über die Vergabe eines Wegenutzungsrechts automatisch zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Wegenutzungsvertrags. Wirkt ein Gemeinderat, der im Interesse der Gemeinde ein Aufsichtsratsmandat bei einem Bewerber ausübt, allein bei der Beschlussfassung des Gemeinderats mit, widerspräche eine automatisch daran geknüpfte Nichtigkeit des Wegenutzungsvertrags der durch das kommunale Selbstverwaltungsrecht geschützten und ausdrücklich vom Gesetzgeber gebilligten Möglichkeit, das Wegenutzungsrecht an einen Eigenbetrieb der Gemeinde zu vergeben. Entsprechendes gilt für Eigengesellschaften der Gemeinde. Gemeinden sind nicht gehindert, sich mit einem eigenen Unternehmen oder einem Eigenbetrieb am Wettbewerb zu beteiligen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls den Netzbetrieb selbst zu übernehmen. Aus dem Ei-

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Vgl. z. B. § 102 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein in der Fassung vom 28.2.2003. BGH, Urteil v. 18.10.2016 – KZB 46/15, WuW 2017, 200 Rn 39 – Landesbetrieb Berlin Energie. BGH, Urteil v. 28.1.2020 – EnZR 99/18, Rn 29. BGH, Urteil v. 28.1.2020 – EnZR 99/18, Rn 29.  

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geninteresse der Gemeinde, den Wegenutzungsvertrag mit dem Eigenbetrieb oder der Eigengesellschaft abzuschließen, folgt deshalb nicht ohne weiteres eine zur Nichtigkeit führende unbillige Behinderung eines anderen Bewerbers, wenn Gemeinderäte mit Doppelmandat bei der abschließenden Beschlussfassung des Gemeinderats mitwirken. Nach der Rechtsprechung des BGH ist zu prüfen, ob die Verletzung von Regeln im 210 Auswahlverfahren Bewerber um die Konzession unbillig behindert. Maßgeblich ist, ob dieser Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot die konkrete Möglichkeit eröffnet, dass dies die Entscheidung beeinflusst hat. Dass es zumindest möglich ist, dass der unterlegene Bewerber unbillig behindert oder diskriminiert wird, hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages beruft.189

III. Abgrenzung notwendige/fakultative Auswahlkriterien Für die Auswahlentscheidungen der Gemeinden sind keine konkreten Auswahlkriterien 211 festgesetzt.190 Die Gemeinden dürfen diese Kriterien im Rahmen des ihnen im Artikel 28 Abs. 2 GG zugewiesenen Selbstverwaltungsrechts selbst bestimmen. Sie sind hierbei jedoch nicht gänzlich frei; vielmehr ist ihre Auswahlentscheidung in den energiewirtschaftlichen Kontext des EnWG eingebunden und damit dessen Zielen gemäß § 46 Abs. 4 EnWG verpflichtet. Grundsätzlich dürfen im Rahmen der Auswahl eines Konzessionärs lediglich netzbezogene Kriterien herangezogen werden. Die Kriterien müssen sowohl sachlich als auch in ihrem Umfang geeignet sein, den besten Netzbetreiber in der Gemeinde im Sinne des EnWG zu ermitteln. Dafür müssen sie in direktem Zusammenhang mit der Ver- und Entsorgung der Öffentlichkeit vor Ort mit Energie stehen und alle wesentlichen Aspekte des Netzbetriebs abdecken. Dabei ist zu beachten, dass es sich beim Netzbetrieb um ein dynamisches Umfeld handelt, das sich u. a. aufgrund der Dezentralisierung der Energieerzeugung, der Digitalisierung des Netzbetriebs selbst und der Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors kontinuierlich verändert. Aus diesem Grund verändern sich im Verlauf der Zeit auch die geeigneten Kriterien zur Auswahl des besten Netzbetreibers. Darüber hinaus ist es für Netzbetreiber erforderlich, heute schon zukünftige Entwicklungen zu antizipieren und den Netzbetrieb darauf auszurichten, sowie flexibel und leistungsfähig auf heute noch nicht absehbare Entwicklungen reagieren zu können. Auch dies sollte in den Kriterien entsprechend berücksichtigt werden. Die Ziele des Energiewirtschaftsrechts finden sich in § 1 Abs. 1 EnWG. Demnach ver- 212 folgt das Gesetz den Zweck, eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien  

189 BGH, Urteil v. 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 34. 190 BT-Drs. 13/7274, S. 21; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 46 Rn 65. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

beruht“ sicherzustellen. Dieses Ziel richtet sich an den Anwender der gesetzlichen Vorgaben des EnWG.191 Als von § 46 EnWG verpflichtete staatliche Untergliederungen schließt dies die Gemeinden mit ein. 213 Schon bei kursorischer Betrachtung dieser vielfältigen zweckbestimmenden Parameter wird deutlich, dass der Gesetzeszweck des EnWG nicht monolithisch ist. Vielmehr bestimmen teilweise gegenläufige (z. B. Effizienz und Sicherheit), teilweise scheinbar deckungsgleiche (z. B. Preisgünstigkeit und Effizienz) Zielrichtungen den „Zweck“ des EnWG. Diese vielfältigen Ziele müssen in konkreten Entscheidungen im Rahmen des EnWG zum Ausgleich gebracht werden. Dabei sind diese Ziele nicht eigenständig vollziehbar, sondern ihre Bedeutung liegt vor allem darin, die „Auslegung und Anwendung spezieller Normen des EnWG zu determinieren.“192 Mithin sind die Ziele des EnWG im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG bezogen auf das örtliche Versorgungsnetz durch die Gemeinde in Form ihrer Auswahlkriterien zu konkretisieren und untereinander zu gewichten. Grundsätzlich kommt der Gemeinde dabei ein breiter Gestaltungsspielraum zu.193 Allerdings stellt der Gesetzgeber durch die Formulierung in § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG „unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz“194 die besondere Bedeutung der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz bei der Ermittlung des besten Netzbetreibers heraus.195 214 Mithin sind die Ziele des EnWG im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 46 Abs. 2 und 3 EnWG bezogen auf das örtliche Versorgungsnetz durch die Gemeinde in Form ihrer Auswahlkriterien zu konkretisieren. 215 Neben der notwendigen Orientierung der Auswahlkriterien an den Zielen des § 1 EnWG steht es der Gemeinde gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG frei, diese um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu ergänzen. Diese gemeindlichen Belange können besondere Wünsche im Hinblick auf die Energieversorgung oder die Gestaltung des Konzessionsvertrags umfassen, wie zum Beispiel die Höhe sowie die Zahlungsmodalitäten der Konzessionsabgabe. Der Gestaltungsspielraum der Gemeinde ist dabei durch den Bezug auf die örtliche Energieversorgung sowie die Verpflichtung zur Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, begrenzt. Die Verfolgung des Interesses einer Einnahmeerzielung über die Konzessionsabgaben hinaus steht dabei im Widerspruch zum Zweck der Optimierung der Versorgung der Allgemeinheit. Dies erkennt auch der Gesetzgeber des EnWG 1998, wenn er zum übergreifenden Zweck des EnWG ausführt, die Energiewirtschaft sei  



191 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann/Hermes, § 1 Rn 22b. 192 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann/Hermes, § 1 Rn 40. 193 BT-Drs. 17/6072, S. 88 a. E. 194 § 46 Abs. 4 EnWG. 195 Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 4 S. 1 EnWG, BT-Drs. 18/8184, 13; vgl. zur Effizienz insbesondere auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.9.2017 – 16 U 68/17, und OLG Dresden, Urteil v. 29.11.2016 – U 1/16 Kart.  

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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eine Schlüsselbranche mit erheblicher Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sowie für alle privaten und öffentlichen Verbraucher, deren Leistungsfähigkeit im Allgemeininteresse gesteigert werden solle.196 Der Versorgungszweck des EnWG unterstreicht damit das oben gefundene Ergebnis zum Behinderungsverbot, das eigenständig gemeindliche Fiskalinteressen als Auswahlkriterium verbietet. Vor diesem Hintergrund ist auch die strenge Limitierung der Gegenleistungen zur Einräumung von Wegerechten in § 48 EnWG in Verbindung mit der KAV zu sehen. Gemeindliche Fiskalinteressen als Auswahlkriterium stehen damit auch im Widerspruch zu dem Zweck des EnWG einer Versorgung der Allgemeinheit.

1. Notwendige Auswahlkriterien: Kriterien des § 1 EnWG Die oben aufgezählten vielfältigen Ziele des EnWG stehen adjektivisch zum Kernzweck 216 des EnWG, der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas. Sie charakterisieren den Modus dieser Versorgungsaufgabe näher. Die Verfolgung des Interesses staatlicher Einnahmeerzielung steht dabei – ob der Verteuerung und damit Erschwerung – im Widerspruch zum Zweck der Optimierung der Versorgung der Allgemeinheit. Dies erkennt auch der Gesetzgeber des EnWG 1998, wenn er zum übergreifenden Zweck des EnWG ausführt, die Energiewirtschaft sei eine Schlüsselbranche mit erheblicher Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sowie für alle privaten und öffentlichen Verbraucher, deren Leistungsfähigkeit im Allgemeininteresse gesteigert werden solle.197 Der Versorgungszweck des EnWG unterstreicht damit das oben gefundene Ergebnis zum Behinderungsverbot, das eigenständig gemeindliche Fiskalinteressen als Auswahlkriterium verbietet. Vor diesem Hintergrund ist auch die strenge Limitierung der Gegenleistungen zur Einräumung von Wegerechten in § 48 EnWG in Verbindung mit der KAV zu sehen. Gemeindliche Fiskalinteressen als Auswahlkriterium stehen damit auch im Widerspruch zu dem Zweck des EnWG einer Versorgung der Allgemeinheit.198 Im Folgenden werden die Ziele des § 1 EnWG näher erläutert. Weiterhin wird je Ziel 217 auf relevante Aspekte des Netzbetriebs eingegangen, die in angemessener Weise in die Auswahlkriterien Ziels zur Ermittlung des besten Netzbetreibers eingehen sollten. Es wird bewusst auf eine abschließende Auflistung erforderlicher Auswahlkriterien verzichtet, da sich deren Umfang durch die bereits erläuterte Volatilität des Marktes kontinuierlich verändert. Bei der Auswahl des künftigen Netzbetreibers ist die finanzielle, technische und 218 personelle Leistungsfähigkeit des Netzbetreibers im Hinblick auf eine mögliche Netzübernahme und den Netzbetrieb (in der Praxis auch Kapazitätskonzept genannt) mit-

196 BR-Drs. 806/96, S. 27 f. 197 BR-Drs. 806/96, S. 27 f. 198 Stellungnahme des BKartA v. 24.1.2011, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschussdrucksache 17 (9) 383, S. 4; Büdenbender, S. 40 oben.  



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

laufend über die notwendigen Auswahlkriterien zu berücksichtigen.199 Demnach müssen die Bieter aufgefordert werden, innerhalb der einzelnen Kriterien die jeweils relevanten Aspekte der finanziellen, technischen und personellen Leistungsfähigkeit darzustellen. Dies kann in der Praxis über ein separates Kapazitätskonzept gelöst werden, auf das die Bieter in ihrem Netzbetriebskonzept referenzieren. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit nach § 4 EnWG durch die nach Landesrecht zuständige Behörde bleibt davon unberührt.200

a) Sicherheit 219 Unter der Sicherheit des Netzes bzw. der Versorgungssicherheit werden im Allgemeinen

die zuverlässige, also möglichst unterbrechungsfreie und mengenmäßig ausreichende Versorgung mit Energie sowie die Ungefährlichkeit des Netzes für Mensch, Tier und Umwelt subsummiert. 220 Zumindest die Zuverlässigkeit des Netzbetriebs umfasst aufgrund der Breite des Themenspektrums eine Vielzahl wesentlicher Handlungsstränge eines Netzbetreibers. Aus diesem Grund ist es erforderlich das Kriterium weiter zu untergliedern. mindestens die folgende Aspekte sollten von den Unterkriterien umfasst sein, um in einem transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb den besten Netzbetreiber auszuwählen: – Zuverlässigkeit des Netzbetriebs – Investitionen in das Netz – Instandhaltung des Netzes – Zügige Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen – Netzqualität (Gewährleistung relevanter Netzparameter vor dem Hintergrund der veränderten Versorgungsaufgabe z. B. durch hohe volatile Einspeisung, Elektromobilität bzw. angepasstes Verbrauchsverhalten) – Ungefährlichkeit des Netzes für Mensch, Tier und Umwelt  

aa) Zuverlässigkeit des Netzbetriebs 221 Das Unterkriterium Zuverlässigkeit des Netzbetriebs umfasst alle Aspekte, die zu einer

möglichst unterbrechungsfreien Versorgung mit Energie beitragen. Dies umfasst Maßnahmen zur initialen Herstellung der Versorgung (Herstellung von Netzanschlüssen, Netzausbau), zur Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen (Ersatzinvestitionen und Instandhaltung) sowie zur zügigen Wiederherstellung der Versorgung im Falle einer Störung. Somit umfasst es die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Störungskennzahlen des Netzbetreibers. Darüber hinaus kann unter der Zuverlässigkeit des

199 OLG Schleswig, 16 U 3/18 Kart, Rn 73. 200 Templin, IR 2009, 125, 126. Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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Netzbetreibers ein gewisses Qualitätsniveau im Hinblick auf relevante Netzkennzahlen verstanden werden.

Investitionen in das Netz Die Investitionen in das Netz umfassen grundsätzlich Investitionen in den Ausbau sowie in den Ersatz der Netzanlagen. Darüber hinaus stellen die Investitionen zur Entwicklung eines intelligenten Netzes eine relevante Teilmenge der Investitionen in das Netz dar. Alle drei Aspekte sollten konkret von der ausschreibenden Kommune berücksichtigt werden. Der Netzausbau umfasst beispielsweise die Erschließung neuer Versorgungsgebiete im Konzessionsgebiet (z. B. Bebauungspläne) oder die Kapazitätserweiterung des Netzes zur Deckung der örtlichen Energiedurchleitungsbedarfe (sowohl bezugs-, als auch erzeugungsseitig) sowie die Herstellung von neuen Netzanschlüssen für Verbraucher oder Einspeiser. Auch die Neuerschließung ganzer Orte oder Ortsteile kann Teil eines Netzausbaukonzeptes sein. Dies dürfte jedoch nur im Hinblick auf den Gasnetzbetrieb relevant sein. Hier könnte etwa die verbindliche Zusage der Erschließung eines Ortsteils im Rahmen der Auswahl eines Konzessionärs positiv bewertet werden. Demgegenüber dürfte eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und dem Netzbetreiber in einem Wegenutzungsvertrag, einen bestimmten Ortsteil explizit nicht mit Gas zu erschließen, regelmäßig unzulässig sein. Beabsichtigt eine Gemeinde etwa selbst mit einem eigenen Fernwärmenetz in einem bestimmten Gebiet aktiv zu werden, könnte in einer solchen Vereinbarung sogar eine verbotene wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung i. S. d. § 1 GWB gesehen werden.201 Die bauplanerische öffentlich-rechtliche Kompetenz der Gemeinde bleibt hiervon unberührt. Mit Blick auf die Ersatzinvestitionen ist es erforderlich, den öffentlichen Versorgungsauftrag und dessen Rahmen in der Zielsetzung der Kommune zu berücksichtigen. Einerseits hat der Netzbetreiber durch einen ausreichenden Umfang an Ersatzinvestitionen sicherzustellen, dass das von ihm betriebene Energieversorgungsnetz langfristig zuverlässig betrieben werden kann. Andererseits hat ein Netzbetreiber seine Anlagen so lange wie möglich sicher zu betreiben, bevor eine Ersatzinvestition getätigt wird, um die Allgemeinheit nicht mit unnötigen Kosten für die Energieversorgung zu belasten. Die Ersatzinvestitionen müssen sich demnach zwingend an der tatsächlichen technischen Lebensdauer der Anlagen orientieren und nicht an kaufmännischen Netzdaten. Sollte ein Netzbetreiber systematisch früher Reinvestitionen in das Netz tätigen, kommt dies einer Ausnutzung des bestehenden natürlichen Monopols gleich, da er seine eigenen finanziellen Interessen damit vor das Allgemeinwohl stellt. Investitionen in intelligente Netzinfrastrukturen können sowohl im Rahmen von Netzausbau-, als auch im Rahmen von Netzerneuerungsmaßnahmen erfolgen. Die Ent-

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201 BKartA, Beschluss v. 21.11.2011 – B10-17/11 – „Markkleeberg“ Rn 24. Christensen/Morgen



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

wicklung eines intelligenten Netzes zielt auf einen möglichst hohen Grad an fernüberwachten und fernsteuerbaren Anlagen im Netz ab. Dies lässt wiederum eine bessere Auslastung der Netzanlagen, eine höhere Netzverfügbarkeit und eine höhere Effizienz im Netzbetrieb erwarten. Doch die Investitionen des Netzbetreibers beschränken sich nicht auf den Bau von Versorgungsanlagen selbst. Auch die dafür erforderlichen Maschinen und Werkzeuge, sicherheitsrelevante Systeme wie das Netzleitsystem oder Investitionen in die Informationssicherheit sowie eigene Datennetze sind zu berücksichtigen. Neben der Berücksichtigung des öffentlichen Versorgungsauftrages im Rahmen der Zielformulierung ist im Kriterium Investitionen darauf zu achten, dass kein rein monetärer Vergleich der geplanten Investitionen in das Netz stattfinden darf. Ziel ist die Herstellung eines gewünschten Versorgungszustandes. Daher müssen die technischen Maßnahmen miteinander verglichen werden. Dies zeigt sich schon in den stark variierenden Materialeinkaufspreisen einzelner Netzbetreiber. In Ergänzung zu den Investitionen selbst spielen die Prozesse und Verfahren zur Umsetzung der Investitionen eine wesentliche Rolle. Darunter fallen zum Beispiel die Abstimmung der geplanten Investitionsmaßnahmen mit der Kommune, die Koordination gemeinsamer Bautätigkeiten mit der Kommune und anderen Leistungsträgern im Versorgungsgebiet, die Mitverlegung von Leerrohren für den Betrieb von Breitbandnetzen oder Bauvorschriften, die eine ordnungsgemäße und zukunftsorientierte Verlegung der Leitungen sicherstellen. In Bezug auf den häufigen kommunalen Wunsch zur Mitverlegung von Leerrohren für die Breitbandversorgung ist festzustellen, dass dieser als Auswahlkriterium in einem Konzessionierungsverfahren nur dann zulässig ist, wenn die Überlassung verlegter Leerrohre an die konzessionsvergebende Gemeinde nicht zu Vorzugskonditionen erfolgt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fernwirkleitungen und zu diesem Zweck verlegte Leerrohre durchaus einen energiewirtschaftlichen Zweck haben können. Dies ist insbesondere im Rahmen des Aufbaus eines intelligenten Netzes der Fall. In diesen Fällen kann der Netzbetreiber selbst Leerrohre und entsprechende Leitungen verlegen und eine regulatorische Anerkennung der Kosten beantragen. Die entgeltregulatorische Anerkennung der Kosten für die Verlegung von Fernwirkleitungen grundsätzlich möglich, sofern keine parallele Infrastruktur entsteht, künftige Erträge aus der weitergehenden Vermarktung der Leerrohre oder der Glasfasern den in Vorleistung getretenen Netznutzern zugutekommen und die anschließende Vermarktung nach wettbewerblichen Kriterien transparent und diskriminierungsfrei erfolgt.

Instandhaltung des Netzes 230 Im Rahmen der Instandhaltung des Netzes sind vor allem die vorgesehenen Instandhal-

tungsstrategien und -zyklen für die im Konzessionsgebiet verbauten Anlagen sowie die Umsetzung des Instandhaltungskonzeptes vor Ort zu berücksichtigen. Dies beinhaltet ebenfalls die Instandhaltung von Werkzeugen, Maschinen und Systemen. Auch in dieChristensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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sem Fall muss die Kommune den öffentlichen Versorgungsauftrag und dessen Rahmen in der Formulierung der Zielsetzung berücksichtigen. Die Instandhaltung des Netzes muss in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der Wirkung auf die Netzverfügbarkeit und den entstehenden Kosten betrachtet werden. Äquivalent zum Kriterium Investitionen hat auch in der Instandhaltung ein tech- 231 nischer Vergleich der geplanten Maßnahmen zu erfolgen. Dieser kann aufgrund der stark unterschiedlichen Höhe der Kosten, die für gleiche Maßnahmen bei verschiedenen Netzbetreibern angesetzt werden, nicht durch einen Vergleich der jeweiligen Instandhaltungsbudgets ersetzt werden.

Zügige Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen Die zügige Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen ist ein weiterer wesentlicher 232 Aspekt für die Bewertung der Zuverlässigkeit des Netzbetriebs. Dabei ist es wichtig zwischen den Begrifflichkeiten Störung und Versorgungsunterbrechung zu unterscheiden. Eine Störung beschreibt eine technische Unregelmäßigkeit im Versorgungsnetz. Dies führt nicht notwendigerweise zu einer Versorgungsunterbrechung. Diese beschreibt hingegen einen Ausfall der Versorgung auf der Kundenseite. Im Rahmen des Kriteriums sind sowohl Maßnahmen und Systeme zur Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen als auch zur schnellen Beseitigung selbiger zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich beispielweise um die Möglichkeit von Umschaltungen im Netz zur Minimierung der Unterbrechungsdauer im Falle einer Störung oder das Bereitschaftskonzept. Zwecks der Vergleichbarkeit zwischen den Bietern werden regelmäßig konkrete Zeiträume für bestimmte Störungsbilder abgefragt. Dabei ist es von besonderer Bedeutung auf die Zeitspanne zwischen dem Eintritt der Störung und der Wiederherstellung der Versorgung zu referenzieren, da nur diese für den Kunden relevant ist. Auf diese Weise werden neben der häufig abgefragten Reaktionszeit zwischen der Meldung der Versorgungsunterbrechung und dem Eintreffen eines qualifizierten Mitarbeiters am Ort der Störung, auch die Maßnahmen zur Störungserkennung sowie die Prozesse zur technischen Beseitigung der Störungsursache berücksichtigt. Diese Abfrage sollte mit verschiedenen Störungsszenarien zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten durchgeführt werden. Neben der Abfrage konkreter Zeiträume zur Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen sind die Maßnahmen und Einrichtungen des Netzbetreibers zur Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen in angemessener Form bei der Punkteverteilung zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Erreichbarkeit der Leitstelle aufgrund der zunehmenden Di- 233 gitalisierung der Netze von großer Bedeutung für die schnelle Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen. Auch dies sollte im Rahmen des Kriteriums berücksichtigt werden. Neben der Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen mit einer Störungsursa- 234 che im Verteilnetz selbst sollte außerdem die Vermeidung und Beseitigung von Störungen mit informationstechnischer Ursache betrachtet werden. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Netzqualität 235 Die Sicherstellung und Verbesserung der Netzqualität lässt sich mit Hilfe diverser netz-

technischer und regulatorischer Parameter feststellen. Zu den netztechnischen Parametern gehören vor allem die Versorgungskennzahlen, insbesondere der SAIDI und ASIDI sowie die Störungshäufigkeiten. Aber auch die Maßnahmen zur Einhaltung des Frequenz- und Spannungsbandes sowie die Maßnahmen zur Blindleistungssteuerung stellen in der Stromsparte in Zeiten einer zunehmend auf volatilen Energiequellen beruhenden Energieversorgung relevante Qualitätsmerkmale dar. Das Qualitätselement nach §§ 18 ff. ARegV beschreibt darüber hinaus eine regulatorische Kennziffer, die die technische Qualität des von einem Netzbetreiber betriebenen Versorgungsnetzes beschreibt. Dieser Kennwert ist allerdings nur begrenzt ein geeigneter Indikator, da sich das Qualitätselement auf das gesamte Netz des Versorgungsunternehmens bezieht und nicht notwendigerweise auf das spezifische Netz im Konzessionsgebiet.  

bb) Ungefährlichkeit des Netzes für Mensch, Tier und Umwelt 236 Die Ungefährlichkeit des Netzes für Mensch, Tier und Umwelt stellt den zweiten zwingend zu berücksichtigenden Aspekt der Versorgungssicherheit dar. Dabei können sowohl technische als organisatorische Maßnahmen abgefragt werden. Darüber hinaus hat sich eine Untergliederung in Maßnahmen zum Schutz eigener Mitarbeiter und Auftragnehmer, zum Schutz unbeteiligter Dritter sowie zum Schutz von Tieren, Umwelt und Sachen als sinnvoll erwiesen.

b) Preisgünstigkeit 237 Wie bereits erwähnt scheinen die Ziele Preisgünstigkeit und Effizienz nahezu deckungs-

gleich zu sein. Grundsätzlich beschreibt die Preisgünstigkeit eine Energieversorgung zu möglichst niedrigen Kosten. Diese Kosten meinen nicht die Endkundenpreise, sondern umfassen vor dem Hintergrund der Entflechtung der Netze von Vertrieb und Erzeugung regelmäßig die Netznutzungsentgelte, die Hausanschlusskosten und die Baukostenzuschüsse. Während die Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse vom Netzbetreiber beeinflusst werden können (z. B. durch Verschiebung von einmaligen Beiträgen in die Netznutzungsentgelte), sind die Netznutzungsentgelte in Anbetracht der Anreizregulierung lediglich über die Effizienz des Netzbetriebs steuerbar. Im Vergleich der Netznutzungsentgelte in Deutschland zeigt sich, dass ein absoluter Vergleich der Netznutzungsentgelte nicht sachdienlich ist, da die Netznutzungsentgelte der effizientesten Netzbetreiber in Deutschland aufgrund einer schwächeren Gebietsstruktur gleichzeitig zu den „teuersten“ gehören können. In Verbindung mit dem allgemeinen geltenden Grundsatz: „Ein Netzbetreiber darf nur ein Netzentgelt für sein Versorgungsgebiet ausweisen“ kann kein sinnhafter Wettbewerb um die Preisgünstigkeit in dem betrachteten Versorgungsgebiet stattfinden. Darüber hinaus ist der Wettbewerb um die Höhe der lokalen Netzentgelte auch volkswirtschaftlich eher schädlich als nützlich. Der  

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Wechsel des Konzessionärs führt dazu, dass abgrenzbare Netzinfrastruktureinrichtungen aus einem bestehenden Infrastrukturverbund herausgelöst und in einen anderen Infrastrukturverbund eingefügt werden. Dadurch ändert sich aus der Perspektive der Letztverbraucher in der jeweiligen Kommune das für die Berechnung der Netzentgelte maßgebliche Verhältnis zwischen im Infrastrukturverbund gebundenem Kapital und Verbrauch, und in der Folge ändern sich die örtlichen Netzentgelte. Unterstellt man ortsübergreifend konstanten Kapitaleinsatz und konstanten Verbrauch, sinken die Netzentgelte an einem Ort, während sie andernorts steigen. Führt dieser Effekt zu einem Absinken der örtlichen Netzentgelte, so ist damit andernorts ein entsprechender Anstieg verbunden, der im Ergebnis zu einer Nullsumme führt. Die dabei entstehenden Einbindungs- und Entflechtungskosten entsprechen dem volkswirtschaftlichen Schaden. Der jeweiligen Gemeinde kann bei ihrer Auswahlentscheidung keine Verantwortung für die Verhältnisse außerhalb ihres Gemeindegebiets zukommen. Es ist daher durchaus legitim, auf ein örtliches Absinken der Netzentgelte abzustellen, auch wenn dies zu einer Einschränkung der Quersubventionierung (derzeit) weniger effizienter Netzteile führt. Trotzdem ist die Sinnhaftigkeit dessen vor dem Hintergrund der Energiewende zu hinterfragen. Insbesondere städtische Strukturen können durch das Herauslösen aus einem Flächennetzbetrieb lokale Preisvorteile erzielen und damit die Kosten der Energieversorgung teilweise in den ländlichen Raum verschieben. Gleichzeitig ist eben dieser ländliche Raum erforderlich, um städtische Gebiete mit regenerativer Energie versorgen zu können, sodass eine Kostenbeteiligung der städtischen Strukturen fair und richtig ist. Aus diesen Gründen wird das Kriterium Netznutzungsentgelte in vereinzelten Ver- 238 fahren und bei geeigneter Wettbewerbslage durch einen Vergleich des Effizienzwertes substituiert (näheres dazu folgt im Kriterium Effizienz). Ein absoluter Vergleich der Netznutzungsentgelte ist trotz der bedingten Möglichkeit zur Einflussnahme weiterhin ein weit verbreitetes und rechtlich akzeptiertes Kriterium. Grundsätzlich hat ein in die Zukunft gerichteter Vergleich der angebotenen Preis- 239 bestandteile des Netzes zu erfolgen. Nur so kann überhaupt ein mehr oder weniger geeigneter Wettbewerb zwischen dem Bestandsnetzbetreiber und einem dritten Bieter stattfinden. In dieser Prognose sind zwingend Rückwirkungen aus anderen Kriterien, wie zum Beispiel die angebotene Höhe der Investitionen bzw. die prognostizierten Instandhaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage für diese Prognose bilden die vom Bestandsnetzbetreiber im Rahmen der Datenherausgabe vorlegten Daten über das örtliche Versorgungsnetz.

c) Effizienz Das Ziel der effizienten Energieversorgung ist sowohl kaufmännisch als auch technisch 240 zu betrachten. Aus kaufmännischer Perspektive sind insbesondere die Sicherstellung einer möglichst hohen Kosteneffizienz im Netzbetrieb sowie die Minimierung des Betriebsverbrauchs relevant. Technisch umfasst das Kriterium Effizienz vor allem die MiChristensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

nimierung der Netzverluste. In Abhängigkeit der Wettbewerbslage und der Ausgestaltung des Kriteriums Preisgünstigkeit kann zusätzlich der regulatorische Effizienzwert unter der Effizienz des Netzbetriebs betrachtet werden. Durch die Betrachtung von Netzverlusten und Betriebsverbrauch ergeben sich auch Überschneidungen mit dem Umweltschutzziel. Der Aspekt der Kosteneffizienz bildet die Schnittmenge zum Kriterium Preisgünstigkeit. 241 In § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG stellt der Gesetzgeber die besondere Bedeutung der Kosteneffizienz bei der Ermittlung des besten Netzbetreibers heraus.202 Dies ist sowohl bei der Bepunktung der Kriterien als auch im Rahmen des Detailgrades der abgefragten Informationen zu berücksichtigen. Zum Zweck des zukunftsorientierten Vergleichs der angebotenen Kosteneffizienz sind konkrete Konzepte vorzulegen und zu vergleichen. Im Hinblick auf die Minimierung des Betriebsverbrauchs ist sowohl auf den kosteneffizienten als auch auf den umwelteffizienten Umgang mit Betriebsstoffen einzugehen. 242 Netzverluste stellen einen technisch sehr relevanten Parameter des Netzbetriebs dar. Grundsätzlich gilt, dass bei der Durchleitung von elektrischer Energie über Kabel, Leitungen und Anlagen unvermeidbar Netzverluste entstehen. Diese sind auf die Erwärmung der Netzanlagen zurückzuführen. Dabei gilt, je geringer der Auslastungsgrad einer Anlage, desto geringer der Anteil der entstehenden Netzverluste. Der Netzbetreiber hat im Rahmen der Dimensionierung seiner Anlagen und der Wahl der Materialien den Zielkonflikt zwischen einer möglichst hohen Netzeffizienz und der Preisgünstigkeit des Netzbetriebs auszutarieren. In einem Wechselstromsystem sind diese Wärmeverluste sowohl auf die Wirk- als auch auf die Blindleistung zurückzuführen. Dementsprechend kann ein Netzbetreiber seine Netzverluste auch durch ein verbessertes Blindleistungsmanagement reduzieren. Insbesondere ein durch dezentrale und volatile Erzeugungsanlagen geprägtes Energiesystem steht vor der Herausforderung, ein aktives Last- sowie Blindleistungsmanagement zu betreiben, um die Netzverluste bei möglichst geringen Kosten so niedrig wie möglich zu halten. 243 Auch der regulatorische Effizienzwert ist regelmäßig Teil der Kriterien in Konzessionierungsverfahren. Es handelt sich dabei um eine relevante regulatorische Kenngröße des Netzbetreibers und eignet sich somit grundsätzlich auch für einen Qualitätsvergleich. Der Effizienzwert drückt aus, ob ein Netzbetreiber der spezifischen Versorgungsaufgabe in seinem Netzgebiet zu angemessenen Kosten nachkommt. Erhoben wird der Effizienzwert anhand der im Fotojahr gemeldeten Kosten in Relation zu diversen Versorgungskennzahlen des betriebenen Netzes. Er bezieht sich demnach auf die gesamte Tätigkeit eines Netzbetreibers, nicht aber auf eine konkrete Gemeinde. Die Ermittlung des Effizienzwertes basiert auf einer vergleichenden Bewertung zwischen den Netzbetreibern. Netzbetreiber, die im Vergleich eine sehr hohe Effizienz aufweisen, erhalten einen Effi-

202 Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 4 S. 1 EnWG, Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung, BT-Drs. 18/8184, 13. Vgl. zur Effizienz insbesondere auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.9.2017 – 16 U 68/17, und OLG Dresden, Urteil v. 29.11.2016 – U 1/16 Kart. Christensen/Morgen

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zienzwert von 100 %. Netzbetreiber, die im Vergleich schlechter abschneiden, erhalten einen niedrigeren Wert. Positiv herausragende Netzbetreiber können zusätzlich eine sogenannte Supereffizienz von bis zu 105 % erhalten. Aufgrund der Überschneidungen zwischen den Kriterien kann die ausschreibende 244 Stelle den Effizienzwert entweder unter dem Punkt Preisgünstigkeit oder unter der Effizienz abfragen. Gleiches gilt für die Kosteneffizienz. Sofern ein Vergleich der regulatorischen Effizienzwerte stattfindet, ist zu beachten, dass es durch die Wahl des Kriteriums nicht zu einer Diskriminierung kommen darf. Das regulatorische Effizienzwertverfahren ist nicht für alle Netzbetreiber verpflichtend. So können Netzbetreiber mit weniger als 30.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden ein vereinfachtes Verfahren wählen. Dies reduziert den Arbeitsaufwand für den Netzbetreiber und dieser erhält unabhängig von seiner tatsächlichen Kostenbasis den mittleren Effizienzwert der Unternehmen, die im regulären Verfahren geprüft werden. Sollten sowohl Netzbetreiber, die im regulären Verfahren reguliert werden, als auch Netzbetreiber im vereinfachten Verfahren an der Ausschreibung teilnehmen, kann das Kriterium diskriminierend und damit ungeeignet für die Wahl des besten Netzbetreibers für die Versorgungsaufgabe in der Kommune sein. Um als Vergleichsmaßstab tauglich zu sein, muss der Effizienzwert zukunftsorien- 245 tiert unter Einbeziehung des lokalen Netzes betrachtet werden. Nur so kann eine Vergleichbarkeit zwischen dem Alt-Konzessionär und anderen Bewerbern hergestellt werden und nur zukunftsorientierte Werte können für die Auswahl des künftigen Konzessionärs relevant sein. Die historischen Effizienzwerte des Netzbetreibers können jedoch zur Plausibilisierung der Prognosen herangezogen werden. Ein rein historischer Vergleich der Effizienzwerte brächte zudem zusätzliche Probleme im Hinblick auf eine Diskriminierung von Bewerbern mit sich, da sich Bewerber ohne einen bestehenden Effizienzwert nicht bewerben könnten.203  



d) Verbraucherfreundlichkeit Das Ziel der Verbraucherfreundlichkeit wird durch die Beschränkung der Auswahlkrite- 246 rien auf netzbezogene Aspekte begrenzt. Es umfasst jedoch regelmäßig die Informationsund Serviceangebote des Netzbetreibers vor Ort, via Fernkommunikation und via Internet sowie die zügige Bearbeitung von Kundenbeschwerden und den Verbraucherschutz. Neben den Informations- und Serviceangeboten werden auch regelmäßig Servicestandards abgefragt. Zusätzlich werden die Aspekte zur zügigen Bereitstellung von Netzanschlüssen und zur zügigen Einbindung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen teilweise der Verbraucherfreundlichkeit des Netzbetriebsbetriebs zugeordnet. Möglich ist auch eine Zuordnung zur Versorgungssicherheit oder im Falle der zügigen Einbindung von erneuer-

203 Auf die Bedeutung dieses Aspekts zu Recht hinweisend Byok, RdE 2008, 268, 271; Büdenbender, S. 78. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

baren Erzeugungsanlagen eine Zuordnung zur Umweltverträglichkeit des Netzbetriebs. Letzteres wird in Anbetracht der üblichen Zuordnung im Kriterium Umweltverträglichkeit an entsprechender Stelle näher erläutert. Insbesondere das Ziel der Verbraucherfreundlichkeit ist von kontinuierlicher Veränderung geprägt. Hintergrund dessen sind der technologische Fortschritt sowie die damit einhergehenden Veränderungen der Kundenbedürfnisse. So zeigt sich in der netzbetrieblichen Praxis, dass immer weniger Kunden einen persönlichen Kundenservice vor-Ort in Anspruch nehmen, während Serviceangebote via Fernkommunikation oder via Internet immer stärker genutzt werden. Dies ist bei der Verteilung der Punkte im Konzessionierungsverfahren zu berücksichtigen.

e) Umweltverträglichkeit 247 Grundsätzlich stellt der Netzbetrieb einen Eingriff in die Natur dar. Dieser kann in der

Einbringung der technischen Anlagen in den Naturraum selbst bestehen, im Zuge ihrer Errichtung entstehen oder auch in Form von Emissionen durch den Betrieb dieser Anlagen zu Stande kommen. Auch die Nachnutzung oder Verwertung von Netzanlagen nach ihrer Nutzung zum Zweck der leitungsgebundenen Energieversorgung kann dabei berücksichtigt werden. Mit dem Ziel der Umweltverträglichkeit sollen die durch den Netzbetrieb entstehenden Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden. Dies wird regelmäßig durch die folgenden Aspekte in den Verfahren zur Vergabe von Wegenutzungsverträgen erfasst: – Verwendung umweltverträglicher Materialen und Minimierung des Einsatzes umweltschädlicher Stoffe, – Umweltverträglicher Bau und Betrieb von Versorgungsanlagen, – Vermeidung von Emissionen (insbesondere CO2-Emissionen), – Minimierung des Ressourceneinsatzes und – schnelle Einbindung von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen. 248 Aufgrund der besonderen Bedeutung der Energieversorgungsnetze für die Energiewen-

de und damit für den Klimaschutz umfasst das Ziel der Umweltverträglichkeit auch Kriterien zur zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgung, wie die schnelle Einbindung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen sowie Beratungsleistungen zum Umweltschutz sowie die Umwelterziehung. Die Verfügbarkeit der Energieversorgungsnetze ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Energiewende. Insbesondere die von der Konzessionierung betroffenen Verteilnetze sind für die Aufnahme von Energie aus erneuerbaren Quellen von zunehmender Bedeutung. Auch solche Kriterien müssen stets einen Bezug zum örtlichen Verteilernetz aufweisen, dürfen sich also nicht auf die vorgelagerten Netzebenen beziehen. Auch Kriterien, die die Energieerzeugung und den Energievertrieb berühren sind – wie im gesamten Konzessionierungsverfahren – unzulässig. Gerade Kriterien bezüglich des Anschlusses von Erneuerbaren müssen hinreichend klar sein, damit eine Auswahlentscheidung anhand dieser Kriterien objektiv nachvollzogen und ggf. einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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werden kann. Zugleich ist bei der Gewichtung solcher Kriterien auch der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Darüber hinaus wird die Umstellung von Freileitungen auf Erdkabel häufig dem 249 Ziel Umweltverträglichkeit zugeordnet. Dabei wäre auch eine Zuordnung zur Versorgungssicherheit denkbar. Insbesondere in Gasverfahren ist es möglich, dass die Minimierung der Verlustenergie (also eines Gasaustrittes in die Atmosphäre) in das Kriterium Umweltverträglichkeit fällt. Gleichermaßen kann der Aspekt zur Minimierung des Betriebsverbrauchs statt unter der Effizienz an dieser Stelle zugeordnet werden.

2. Fakultative Auswahlkriterien (gemeindliche Belange) Die gemeindliche Vergabe von Wegerechtskonzessionen für den Betrieb eines örtlichen Stromverteilnetzes nach § 46 Abs. 3 EnWG hat sich wie zuvor erläutert mindestens auch und zwar vorrangig an den Zielen des § 1 EnWG auszurichten. Die Bindung der Auswahlentscheidung der Gemeinden an die Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG steht in Einklang mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG).204 Aus dem Diskriminierungsverbot nach §§ 19, 20 GWB ist ein allgemeines Gebot herzuleiten, eine Auswahlentscheidung allein nach sachgerechten Kriterien zutreffen.205 Daher müssen zulässige Auswahlkriterien einen sachlichen Bezug zum Wegenutzungsrecht oder zum Netzbetrieb aufweisen. Das Gebot sachgerechter Kriterien wird für den Betrieb der Vergabe von Wegenutzungsrechten durch das Energiewirtschaftsrecht näher bestimmt. Danach ist die Auswahl des Netzbetreibers an Kriterien auszurichten, die die Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 EnWG konkretisieren.206 Dies folgt aus der klarstellenden Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 5 in EnWG, nach der die Gemeinde bei der Auswahlentscheidung den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet ist. Kriterien, die anderen Bereiche der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette wie Erzeugung und Vertrieb betreffen, sind als Auswahlkriterien unzulässig.207 § 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG gestattet es den Gemeinden, unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen bei der Auswahl des Netzbetreibers auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu berücksichtigen. Diese im Jahr 2017 durch den Gesetzgeber neu eingeführte Bestimmung soll die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) stärken und zugleich gewährleisten, dass die kommunalen Belange beim Wettbewerb um das Netz nicht ins Hintertreffen geraten.208

204 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin. 205 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 36. 206 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 36. 207 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, zweite, überarbeitete Auflage 21.5.2015, Rn 29. 208 BeckOK EnWG/Pfeiffer, § 46 Rn 79. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Zu den typischen Anliegen der Kommunen unter den fakultativen Kriterien zählen beispielsweise: – die Bereitschaft des Netzbetreibers zur Zahlung der höchstzulässigen Konzessionsabgabe sowie deren Zahlungsmodalitäten, – die Bereitschaft des Netzbetreibers zur Gewährung des zulässigen Kommunalrabatts, – die Vereinbarung einer Folgepflicht und die Übernahme von Folgekosten, – Regelungen zur Zusammenarbeit bei Baumaßnahmen, – das Angebot von Maßnahmen zur Minimierung der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs durch Baumaßnahmen, – Regelungen zur Wiederherstellung von Oberflächen nach dem Abschluss von Baumaßnahmen, – Regelungen zum Rückbau stillgelegter Anlagen, – die Vereinbarung von Kündigungsrechten bzw. Sonderkündigungsrechten und – Regelungen im Falle einer Rechtsnachfolge.

255 Wenngleich neben Auswahlkriterien mit Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG weitere Kri-

terien zulässig sind, setzt das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV voraus, dass diese im Zusammenhang mit der Wegenutzung stehen.209 Unzulässig nach § 3 Abs. 2 KAV sind insbesondere sonstige Finanz- und Sachleistungen zugunsten der Gemeinde, sowie Verpflichtungen zur Übertragung von Versorgungseinrichtungen ohne wirtschaftlich angemessenes Entgelt. 256 Nachfolgend wird auf einzelne Unterkriterien der gemeindlichen Belange näher eingegangen.

a) Konzessionsabgabe und Kommunalrabatt 257 In den durch die KAV gezogenen regulatorischen Grenzen können auch gemeindliche

Fiskalinteressen berücksichtigt werden. Die KAV regelt diesbezüglich insbesondere die maximale Höhe der an die Gemeinde zu zahlenden Konzessionsabgabe. Hier kann (und sollte) sich der potentielle Konzessionsnehmer dazu verpflichten, die maximal zulässige Höhe der Konzessionsabgaben voll auszuschöpfen. Auch im Hinblick auf die Fälligkeit der Konzessionsabgabe und der Möglichkeiten der zur Überprüfung der Berechnungsgrundlagen kann die Gemeinde ihre eigenen Vorstellungen m Verfahren abfragen. Unzulässig ist jedoch die Vereinbarung von Vorauszahlungen auf die zu zahlenden Konzessionsabgaben, vgl. § 5 Abs. 2 KAV. Darüber hinaus, ist die Vereinbarung und Gewährung von Preisnachlässen für den in Niederspannung oder in Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Gemeinde bis zu 10 vom Hundert des Rechnungsbetrages für den

209 BGH, Urteil v. 17.12.2013, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 36. Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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Netzzugang zulässig, sofern diese Preisnachlässe in der Rechnung offen ausgewiesen werden (sog. Kommunalrabatt).

b) Folgepflicht und Übernahme von Folgekosten Ein weiteres typisches Anliegen der Gemeinde und zulässiger Gegenstand im Konzessi- 258 onsvergabeverfahren ist die Vereinbarung mit dem Netzbetreiber zur sog. Folgepflicht und den damit verbundenen Folgekosten. Gemeinden kann daran gelegen sein, dass sich Bieter möglichst umfassend bereit erklären, ihre auf öffentlichen Verkehrswegen vorhandenen Netzanlagen umzuverlegen und die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen, sofern die Gemeinde dies zur Umsetzung ihrer kommunalen Gestaltungsfreiheit wünscht. Bei der konkreten Ausgestaltung der Folgekostenregelung sind allerdings die Grenzen aus dem Nebenleistungsverbot gemäß § 3 Abs. 2 KAV zu beachten.

c) Zusammenarbeit bei Baumaßnahmen Unter dem Gesichtspunkt „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ kann außer- 259 dem der Modus der Zusammenarbeit zwischen Bieter und Gemeinde bei baulichen Maßnahmen für den Ausbau und die Instandhaltung des Netzes bewertet werden. Aus Sicht der Gemeinde kann es beispielsweise wünschenswert sein, möglichst früh über Baumaßnahmen informiert und in die Planung der Maßnahmen eingebunden zu werden. Darüber hinaus kann die Gemeinde darauf Wert legen, sich ggf. selbst an Baumaßnahmen zu beteiligen, sofern sie beispielsweise im konkret betroffenen Straßenabschnitt selbst ebenfalls Leitungen verlegen will. Des Weiteren können Maßnahmen zur Minimierung von Beeinträchtigungen des 260 Straßenverkehrs bei Baumaßnahmen bewertet werden oder die Art und Weise, wie der Bewerber nach Abschluss von Baumaßnahmen die Oberflächen wieder herstellt.

d) Gemeindliche Einflussmöglichkeiten auf einen Netzbetrieb Ein Verfahrenskriterium, dass der Gemeinde erlaubt, auch nach Vergabe des Wegenut- 261 zungsrechts ihr legitimes Interesse am Netzbetrieb zu verfolgen, ist in der Regel ebenfalls nicht zu beanstanden, da hierdurch dem Umstand einer langen Vertragslaufzeit und der insofern immanenten Notwendigkeit sich ändernden Umständen Rechnung tragen zu können, abgebildet werden kann.210 Daher sind insbesondere Informations- und Nachverhandlungspflichten sowie Mitwirkungs- und Konsultationsrechte zulässige Wertungskriterien.211 Demgegenüber sieht der BGH es als unzulässig an, ein Angebot, dass der Gemeinde zur Sicherung ihrer Einflussmöglichkeiten eine gesellschaftsrecht-

210 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 52. 211 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 52. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

liche Beteiligung anbietet, aufgrund dieses Umstands besser zu bewerten, als ein Angebot, welches die Einflussmöglichkeiten der Gemeinde lediglich auf vertraglicher Ebene abbildet. Insofern begründet die Forderung nach einer gesellschaftsrechtlichen Stellung der Gemeinde in besonderem Maße die Gefahr eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung.212

e) Endschaftsbestimmung Kaufpreisregelung 262 Die Kriterien „Endschaftsbestimmung“ und „Kaufpreisregelung“ sind ebenso wenig zu

beanstanden wie die „Vertragslaufzeit“, da sie einen sachlichen Bezug zum Konzessionsvergabeverfahren aufweisen und der Förderung des Wettbewerbs um das Netz dienen.213 Die Endschaftsbestimmungen legen typischerweise fest, welche konkreten Rechte der Gemeinde bei Auslaufen bzw. Beendigung des Konzessionsvertrages zustehen und können von dieser an den neuen Konzessionsnehmer abgetreten werden und sind als solches für die Gemeinden von besonderer Bedeutung.214 Es werden regelmäßig die Modalitäten zur Eigentumsverschaffung bzw. Nutzungsrechtsverschaffung („Netzpachtmodell“), zum endgültigen bzw. vorläufigen Netzkaufpreis sowie zur Vertragslaufzeit abgefragt.

3. Keine Verpflichtung der Gemeinde zur Konkretisierung der Auswahlkriterien durch weitere Unter-/Unter-Unterkriterien 263 Gemeinden sind im Auswahlverfahren um den zukünftigen Netzbetreiber nicht verpflichtet, Unterkriterien zu bilden, die die Auswahlkriterien noch weiter konkretisieren215 Aus dem Transparenzgebot folgt insofern lediglich die Verpflichtung, alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, präzise und eindeutig so zu formulieren, dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen die Gemeinde tatsächlich überprüfen kann, ob die Angebote der Bewerber die insofern geltenden Kriterien erfüllen.216 Gemeinden die das Auswahlverfahren als Ideen-/Konzeptwettbewerb gestalten, jedoch detaillierte Vorgaben zu Unter- bzw. Unter-Unterkriterien machen, könnten sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass hierdurch die Möglichkeit der Bieter zur konzeptionellen Darstellung ihre Angebotsinhalte eingeschränkt wird und insofern innovative Angebotsinhalte weniger Berücksichtigung finden. Ferner besteht die Gefahr, dass

212 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 53. 213 BGH, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 78. 214 DStGB DOKUMENTATION NO 163, Auslaufende Konzessionsverträge, Ein Leitfaden für die kommunale Praxis, 4. Auflage 2021, S. 22. 215 Vgl. OLG Brandenburg, EnWZ 2017, 457 [460]; LG Berlin, ZNER 2015, 158 [166]). 216 EuGH, Urteil v. 10.5.2012 – C-368/10, juris Rn 87, 109; OLG Celle, EnWZ 2016, 310, 313. Christensen/Morgen

C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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sich die Gemeinde in einem solchen Fall dem Vorwurf ausgesetzt sieht, eine weitgehende Konkretisierung von Unterkriterien im Ideenwettbewerb diene lediglich dem „Zuschnitt des Vergabeverfahrens“ auf einzelne Bieter. Eine Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe unzulässig ist, ist jedoch dann erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass die Bewerber nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, auf deren Grundlage das beste Angebot ermittelt wird, und sie infolgedessen auch vor einer willkürlichen bzw. diskriminierenden Angebotsbewertung nicht mehr effektiv geschützt sind.217 Sofern die Gemeinde jedoch gleichwohl Unterkriterien zu den Auswahlkriterien bildet, muss sie diese ebenfalls gewichten und den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen vor Angebotsabgabe mitteilen.218

4. Gewichtung der Auswahlkriterien (§ 1 EnWG/kommunale Aspekte) Ein weiterer bedeutender Aspekt im Verfahren um die Auswahl des zukünftigen Netz- 264 betreibers ist die Frage nach der Gewichtung der Auswahlkriterien. Sie ist neben der Festlegung der Auswahlkriterien die entscheidende Weichenstellung für das weitere Verfahren219 und stellt sich dabei jeweils sowohl im Hinblick auf die Gewichtung – der Kriterien des § 1 EnWG zu etwaigen verfahrensbedeutsamen gemeindlichen Belangen, – der Kriterien des § 1 EnWG untereinander sowie – der Kriterien zu den gemeindlichen Belangen untereinander. Im Verhältnis zwischen den Auswahlkriterien, die den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet 265 sind, und den Kriterien, die einen Bezug zum Konzessionsgegenstand haben und nach der KAV zulässig sind, müssen die ersteren vorrangig berücksichtigt werden.220 Das OLG Stuttgart verlangt eine ausschließliche oder jedenfalls gegenüber anderen gemeindlichen Zielen deutlich vorrangige Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG221 ohne jedoch genauer zu spezifizieren, wann eine solch deutlich vorrangige Berücksichtigung vorliegt. Auch der BGH hat in seiner „Stromnetz Berkenthin“ Entscheidung eine genaue Quantifizierung der Gewichtung der Kriterien mit Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG offen gelassen und es damit versäumt, für Rechtsklarheit zu sorgen. Stattdessen verweist der BGH lediglich auf den Musterkriterienkatalog der Energiekartellbehörde Baden-

217 OLG Celle, EnWZ 2016, 310, 313 m. w. N. 218 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.4.14 – VI-2 Kart 3/13 (V) Rn 144ff. 219 DStGB Dokumentation Nr. 163, Auslaufende Konzessionsverträge, Ein Leitfaden für die kommunale Praxis, 4. Auflage 2021, S. 9. 220 Schray/Bentz, Auswertungssystematik in Konzessionsvergabeverfahren, EWerRK 1/2016 S. 28. 221 LG Dortmund, Urteil v. 28.7.2017 – 13 O 22/17.  

Christensen/Morgen



316

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Württemberg, nach dem die Netzsicherheit mit mindestens 25 % der möglichen Gesamtpunktzahl zu gewichten ist.222 266 Unter Berücksichtigung dessen, dass andererseits keine willkürliche Mindergewichtung einzelner Ziele des § 1 EnWG erfolgen darf223, kann davon ausgegangen werden, dass der BGH eine vorrangige Gewichtung der Auswahlkriterien mit Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG von jedenfalls über 50 % verlangt.224 Einer solchen vorrangigen Gewichtung der Auswahlkriterien ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes jedenfalls dann Genüge getan, wenn die Kriterien mit Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG ein Gewicht von 70 % der maximal möglichen Gesamtpunktzahl ausmachen (im Sinne eines „safe harbour“ für die Gemeinden).225 Letztlich haben es jedoch sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung versäumt, einen klaren Regelungsrahmen zur Gewichtung der Auswahlkriterien zu schaffen, so dass sich in der Praxis eine Gewichtung der Auswahlkriterien des § 1 EnWG in Höhe von 65–75 % durchgesetzt hat. Mit Blick auf die „safe habour“ Auffassung des Bundeskartellamtes entscheidet sich eine Vielzahl der Gemeinden für eine Gewichtung der Ziele des § 1 EnWG im Verhältnis zu etwaigen berücksichtigungsfähigen gemeindlichen Belangen in Höhe von 70–75 %. 267 Im Hinblick auf die Gewichtung der gemeindlichen Belange untereinander fehlt es derzeit an entsprechenden gesetzgeberischen und judikativen Festlegungen, so dass diesbezüglich lediglich auf die allgemeinen Verfahrensmaßstäbe verwiesen werden kann. Die Gemeinde muss den ihr zustehenden Ermessenspielraum nutzen und sachgerechte Auswahlkriterien finden und zu gewichten, die einen Bezug zum Gegenstand des Konzessionsvertrages aufweisen.  









5. Information über Auswahlkriterien, Gewichtung und Bewertungsmethode 268 Die Gemeinde ist verpflichtet, das Auswahlverfahren so zu gestalten, dass die Auswahl-

kriterien und deren Gewichtung für die Bewerber um die Konzession erkennbar sind, da nur so ein nach sachlichen Kriterien gestalteter und diskriminierungsfreier Auswahlprozess gewährleistet ist.226 269 Nach Ansicht des BGH folgt aus dem Transparenzgebot daher, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und de-

222 BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 84. 223 Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin u. a. Rn 49, Rn 83. 224 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, zweite, überarbeitete Auflage 21.5.2015, Rn 32. 225 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, zweite, überarbeitete Auflage 21.5.2015, Rn 32. 226 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 35.  

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C. „Vergabe“ qualifizierter Wegenutzungsverträge

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ren Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.227 Alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter müssen die genaue Bedeutung der Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen die Gemeinde tatsächlich überprüfen können, ob und in welchem Umfang die Angebote der Bieter die geltenden Kriterien erfüllen.228 Nicht erforderlich ist jedoch, dass die entsprechenden Angaben bereits in der Bekanntmachung i. S. d. § 46 Absatz 3 EnWG erfolgen. Insoweit ist eine rechtzeitige, gleichlautende Kundgabe in einem Verfahrensbrief an Interessierte der zu vergebenden Konzession ausreichend aber auch notwendig. Die Darstellung entscheidungsrelevanter Kriterien und deren Gewichtung darf also 270 nicht erst nach Einreichung des Angebots der Interessenten erfolgen, weil es ansonsten keine hinreichende Möglichkeit gibt, das Angebot den Anforderungen entsprechend anzupassen. Darüber hinaus ist es unzureichend die Kundgabe später lediglich mündlich nachzuholen, da derartige Auskünfte per se ungeeignet sind, einen einheitlichen Informationsstand zu gewährleisten. Etwas differenzierter ist die Rechtslage im Hinblick auf die Verpflichtung der Ge- 271 meinde, interessierten Bewerbern neben den Auswahlkriterien und deren Gewichtung auch die Bewertungsmethode mitzuteilen. Wenngleich der EuGH für das Kartellvergaberecht entschied, dass aus dem Transparenzgebot keine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers folgt, den potenziellen Bietern durch Veröffentlichung in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand deren er eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt229, gilt dies jedenfalls für Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 ff. EnWG nur dann, wenn nicht die Gemeinde selbst durch ein Beteiligungsunternehmen an dem Vergabeverfahren beteiligt ist.230  





6. Zulässige Bewertungsmethoden Ein weiterer von der Gemeinde zu beachtender Aspekt im Rahmen der Vergabe von We- 272 genutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG ist die Festlegung der Bewertungsmethode und zumindest soweit sich die Gemeinde selbst durch ein Beteiligungsunternehmen am Vergabeverfahren beteiligt, die Information231 der am Netzbetrieb interessierten Bewerber hierüber. Denkbar sind insbesondere die Anwendung einer absoluten als auch einer relativen Bewertungsmethodik. Soweit vor einigen Jahren noch vertreten wurde, dass ei-

227 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 64/12, WuW/E DE-R 4139 Rn 48 – Stromnetz Heiligenhafen; Urt. v. 3.6. 2014, WuW/E DE-R 4322 Rn 52 – Stromnetz Homberg. 228 EuGH, Urteil v. 10.5.2012 – C-368/10, VergabeR 2012, 569 Rn 109. 229 EuGH, Urteil v. 14.7.2016 – C-6/15 – Rn 27 – TNS Dimarso. 230 OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart. 231 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart. Christensen/Morgen

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

ne relative Bewertungsmethode gegen das Transparenzgebot verstößt232, wird die grundsätzliche Zulässigkeit der relativen Bewertungsmethode soweit ersichtlich heutzutage nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen.233 Auch Mischformen zwischen absoluter und relativen Bewertungsmethode sind zulässig.234 Die Gemeinde verfügt auch insofern bei der Festlegung der Bewertungsmethodik über einen weiten Beurteilungsspielraum.235

a) Absolute Bewertungsmethode 273 Die absolute Bewertungsmethode betrachtet die Angebote der Bewerber unter Zugrun-

delegung eines abstrakten, zuvor durch die verfahrensleitende Stelle festgelegten Maßstabs und bewertet diese, ohne dass die Angebote der Bewerber zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.236 Angebote, die die Anforderungen der Gemeinde erfüllen, erhalten die Höchstpunktzahl. Angebote, die hinter den Anforderungen der Gemeinde zurückbleiben, erhalten eine entsprechend niedrigere Bepunktung.

b) Relative Bewertungsmethode 274 Die relative Bewertungsmethode vergleicht die Angebote der Bewerber mit Blick auf je-

des Unterunterkriterium und dort wo es keine Unterunterkriterien gibt, mit Blick auf jedes Unterkriterium wertend.237 Das im jeweiligen Auswahl- bzw. Unterkriterium „relativ“ betrachtet beste Angebot erhält dabei die maximal erreichbare Punktzahl und dient als Referenz für die Bewertung der hinter dem besten Angebot zurückbleibenden Angebote der Bewerber, die einen entsprechenden Abschlag bei der Bepunktung erhalten.238

c) Mischformen zwischen absoluter und relativer Bewertungsmethode 275 Mischformen zwischen absoluter und relativer Bewertungsmethode sind in Konzessi-

onsvergabeverfahren derzeit noch nicht sehr häufig vorzufinden, jedoch grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Hierbei ist es z. B. denkbar, die Kriterien des § 1 EnWG relativ zu bewerten, während die gemeindlichen Belange absolut gewertet werden. Derartige Bewertungssysteme können die Vorteile beider Bewertungsmethode miteinander in Einklang bringen, wobei auch hier letztlich entscheidend sein dürfte, wie vertieft sich  

232 Vgl. LG Stuttgart, Beschluss v. 21.11.2014 – 11 O 180/14; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2015, – 2 U 60/15. 233 OLG Stuttgart, Urteil v. 5.1.2017 – 2 U 66/16; OLG Celle, Urteil v. 17.3.2016 – 13 U 141/15, OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart. 234 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017, – 6 U 151/16, Rn 138. 235 Schray/Bentz, Auswertungssystematik in Konzessionsvergabeverfahren, EWerRK 2016, 28. 236 Schray/Bentz, Auswertungssystematik in Konzessionsverfahren, EWeRK 2016, 33. 237 OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.04.2022 – 6 U 318/21 Kart., Rn 77. 238 Schray/Bentz: Auswertungssystematik in Konzessionsverfahren, EWeRK 2016, 33. Christensen/Morgen

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

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die Gemeinde sich mit der Frage der Konkretisierung der Auswahlkriterien auseinander gesetzt hat.

IV. Zulässigkeit von Vertragsstrafen/Nebenleistungsverbot Die Vereinbarung von Vertragsstrafen für den Fall, dass der Netzbetreiber deutlich hinter dem mit der Kommune vereinbarten Leistungsniveau zurückbleibt, ist innerhalb gewisser Grenzen zulässig. Dabei darf nicht der Eindruck entstehen, dass es sich bei der gewählten Vertragsstrafe um eine Leistung handelt. Vielmehr muss deutlich werden, dass es sich um eine echte Sanktion für mangelnde Leistung des Netzbetreibers handelt. Die Vertragsstrafen müssen daher inhaltlich konkret an die Nichteinhaltung eines zugesagten Leistungsniveaus anknüpfen und sind somit nicht KAV relevant. Um zu unterstreichen, dass die Kommune keine finanziellen Interessen in den Vordergrund stellt, kann die maximale Höhe der jährlichen monetären Vertragsstrafen vertraglich begrenzt werden. Diese Möglichkeit findet in der Praxis bereits regelmäßig Anwendung. Als Vertragsstrafe kommen grundsätzlich Strafzahlungen oder Sonderkündigungsrechte in Frage. Dabei sind Sonderkündigungsrechte gegenüber Zahlungen stets als wertiger zu betrachten. Sie stellen das „schärfste Schwert“ der Gemeinde zur Durchsetzung des vertraglich zugesagten Leistungsniveaus bzw. Sanktionierung etwaige Vertragsverletzungen gegenüber dem Netzbetreiber dar. Die vertragliche Absicherung des vom Netzbetreiber angebotenen Leistungsniveaus über Vertragsstrafen wird von Gerichten außerdem regelmäßig als Beleg für die zukunftsorientierten Aussagen des Netzbetreibers gewertet. Demnach muss die Kommune das angebotene Leistungsniveau im Rahmen der Angebotsauswertung anerkennen, wenn es durch eine Vertragsstrafe belegt ist. Sie darf dies jedoch auch ohne Vertragsstrafe tun, da sie grundsätzlich davon ausgehen darf, dass die Unternehmen nur Leistungsniveaus anbieten, die sie auch erbringen können.

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D. Kriterien zur Versorgungssicherheit/Effizienz I. Versorgungssicherheit Eines der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG ist die sichere Versorgung der Allgemeinheit mit 280 Elektrizität, Gas und Wasserstoff. Unter Versorgungssicherheit ist nach der Gesetzesbegründung zunächst die mengenmäßig ausreichende Versorgung der Abnehmer mit Energie, die auch Spitzenbedarfe jederzeit abdeckt, zu verstehen.239 Daneben umfasst

239 BT-Drs. 13/7274, S. 14. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

die Sicherheit auch die technische Sicherheit der Erzeugungs-, Transport- und Verteilungsanlagen im Sinne der Ungefährlichkeit der Anlagen für Menschen und Sachen.240 Im Rahmen von Konzessionsvergabeverfahren, bei welchen sich die Gemeinden an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG zu orientieren haben, fließen Aspekte der Versorgungssicherheit in unterschiedlicher Weise in die Kriterienkataloge der Gemeinden ein. Im Hinblick auf die Entflechtung der Netze vom Vertrieb dürfen im Rahmen der Auswahl eines Konzessionärs lediglich netzbezogene Kriterien herangezogen werden,241 insoweit also der netzbezogene Bestandteil des Ziels der Versorgungssicherheit. 281 Die Gemeinden haben bei der Bestimmung der Kriterien einen Ermessensspielraum.242 Es steht ihnen daher grundsätzlich frei zu bestimmen, zu welchem Prozentsatz die Versorgungssicherheit in die Gesamtbewertung einfließt. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Versorgungssicherheit muss jedoch insbesondere der sichere Netzbetrieb mit den Teilaspekten der Zuverlässigkeit der Versorgung und der Ungefährlichkeit des Betriebs der Verteilungsanlagen bei der Bewertung der einzelnen Angebote hinreichend berücksichtigt werden.243 Der BGH hat in seiner Berkenthin-Entscheidung Bezug auf den Musterkriterienkatalog der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg genommen, nach welchem die Netzsicherheit mit mindestens 25 % der möglichen Gesamtpunktzahl zu bewerten ist.244 Der Musterkriterienkatalog könne laut dem BGH hinsichtlich der Gewichtung der Versorgungssicherheit als Orientierungshilfe herangezogen werden.245 282 Im Rahmen des Kriteriums der Versorgungssicherheit kommen als Unterkriterien u. a. Störungshäufigkeit, Schnelligkeit der Störungsbeseitigung und Konzepte für Investitions-, Instandhaltungs- und Netzentwicklungsmaßnahmen in Betracht.246 Auch können  



240 BT-Drs. 13/7274, S. 14. 241 BGH Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 50 – Stromnetz Berkenthin. 242 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 13, 15; BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 84 – Stromnetz Berkenthin; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 50; Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe für die Entscheidung über die Einräumung von Wegerechten zum Betrieb von Strom- und Gasverteilernetzen der allgemeinen Versorgung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg v. 6.9.2013, zuletzt geändert am 5.3.2015, Az.: 4-4452.85/145, S. 2. 243 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 84 – Stromnetz Berkenthin; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46, Rn 108. 244 Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe für die Entscheidung über die Einräumung von Wegerechten zum Betrieb von Strom- und Gasverteilernetzen der allgemeinen Versorgung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg v. 6.9.2013, zuletzt geändert am 5.3.2015, Az.: 4-4452.85/145, S. 2; auch das OLG Stuttgart geht in seiner Entscheidung, Urteil vom 19.11.2015 – 2 U 60715 – juris Rn 61, von 25 % aus; eine Gewichtung von 15, 87 % wurde hingegen vom KG Berlin in seiner Entscheidung, KG Berlin Urteil vom 4.4.2019 – 2 U 5/15 Kart – Rn 83 ff., als Mindergewichtung angesehen. 245 BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 84 – Stromnetz Berkenthin. 246 Vgl. Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe für die Entscheidung über die Einräumung von Wegerechten zum Betrieb von Strom- und Gasverteilernetzen der allgemeinen Versorgung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg v. 6.9.2013, zuletzt geändert am 5.3. 2015, Az.: 4-4452.85/145, S. 2.  





Gauttier

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

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die Erfahrungen im Netzbetrieb der Bewerber – bzw. bei neu am Markt agierenden Bewerbern ein entsprechendes konkretes und plausibles Betriebskonzept für das zu erwerbende Netz – im Rahmen eines Unterkriteriums abgefragt werden.247 Im Folgenden soll näher auf die einzelnen Bestandteile der Versorgungssicherheit 283 und deren Einfluss auf Konzessionsvergabeverfahren, insbesondere mit Blick auf die Kriteriengestaltung, eingegangen werden.

1. Versorgungssicherheit im engeren Sinne – Darstellung der personellen, technischen und wirtschaftlichen Ausstattung Innerhalb des Oberkriteriums der Versorgungssicherheit spielen die personelle, die 284 technische und die wirtschaftliche Ausstattung als Indiz der Leistungsfähigkeit der Bewerber im Rahmen diverser Unterkriterien eine herausragende Rolle, insbesondere zur Plausibilisierung der Angaben der Bewerber in den dem Oberkriterium folgenden Unterkriterien. Zur Vermeidung etwaiger Mehrfachbewertungen bietet es sich daher an, die personelle, technische und wirtschaftliche Ausstattung der Bewerber vorgezogen in einem eigenen Kriterium beispielsweise unter „Leistungsfähigkeit“ abzuprüfen. So ist gewährleistet, dass die Ausstattung der Bewerber lediglich im Rahmen der Bewertung dieses Kriteriums bepunktet wird und die Bewerber zur Plausibilisierung der Angaben zu anderen Kriterien auf die Angaben im Kriterium „Leistungsfähigkeit“ verweisen können bzw. diese Angaben nicht in die Bewertung miteinfließen.

a) Technische Ausstattung Als Unterkriterium der „Leistungsfähigkeit“ kann die Gemeinde zunächst die technische 285 Ausstattung der Bewerber abfragen. Diese ist sowohl zur Erhaltung des IST-Zustands eines Netzes als auch zur zügigen Beseitigung von Störungen, der Umsetzung von Netzentwicklungsmaßnahmen und der Instandhaltung von Relevanz. Gefordert werden kann daher zum einen die Darstellung der bestehenden technischen Einrichtungen und Betriebsmittel sowie der vorgehaltenen Ersatzbetriebsmittel und der IT (Hard- und Software). Als Betriebsmittel zählen beispielsweise auch die im jeweiligen Konzessionsgebiet einzusetzenden Fahrzeuge und das Betreiben einer zentralen Leitstelle. Derartige Angaben sind wichtig für die Beurteilung, ob ein Netz hinreichend sicher bewirtschaftet werden kann. So ist z. B. das Vorhalten bestimmter Ersatzteile von hoher Relevanz für die Frage der Dauer von Störungsbeseitigungsmaßnahmen. Dabei kann außerdem bewertet werden, ob die Bewerber auch für einen Not- bzw. Krisenfall hinreichend ausgestattet sind. Auch hier zeigt sich, dass die vor die Klammer gezogene Abfrage der  

247 Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe für die Entscheidung über die Einräumung von Wegerechten zum Betrieb von Strom- und Gasverteilernetzen der allgemeinen Versorgung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg v. 6.9.2013, zuletzt geändert am 5.3.2015, Az.: 4-4452.85/145, S. 2; BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 108. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

technischen Ausstattung zur Vermeidung von Mehrfachbewertungen sinnvoll ist. So benötigt ein Netzbetreiber beispielsweise Monteurfahrzeuge unter anderem für die Inbetriebnahme von Hausanschlüssen, die Wartung und Inspektion diverser Anlagen sowie für den Einsatz bei Störungen. Je nach Ausgestaltung der Kriterienkataloge kann die Vorhaltung ausreichender Fahrzeuge somit in mehreren Kriterien von Belang sein und in die Bewertung miteinfließen. Da die eingesetzten Fahrzeuge nicht auf ihren jeweiligen Einsatzbereich aufgeteilt werden können, sondern von den Monteuren vor Ort für unterschiedliche Anfragen eingesetzt werden scheint es sinnvoll, die Anzahl, die Ausstattung und den Belegenheitsort der Fahrzeuge gesamthaft innerhalb eines Kriteriums abzufragen. Auch an dieser Stelle ist jedoch im Sinne eines effizienten Netzbetriebes auf eine effiziente Ressourcennutzung abzustellen. Die Anzahl an Betriebsmitteln wie beispielsweise den Betriebsfahrzeugen in einem Konzessionsgebiet muss naturgemäß auf einen effizienten Netzbetrieb abgestimmt werden. Die Gemeinde hat daher, auch um einen Überbietungswettbewerb zu unterbinden bzw. zu begrenzen, ab einer vom jeweiligen Einzelfall abhängigen Anzahl zusätzliche Betriebsmittel nicht zu berücksichtigen.

b) Personelle Ausstattung 286 Auch die personelle Ausstattung ist für die Bewertung vieler Kriterien von hoher Rele-

vanz. So ist es zwingend erforderlich, dass die Bewerber für jegliche Bedürfnisse des Netzbetriebs und der Netzkunden ausreichend qualifiziertes Personal in hinreichender Anzahl einsetzen. Erforderlich ist daher, dass die Bewerber über ausreichende personelle Ressourcen verfügen, sodass auch bei hohem Arbeitsaufkommen oder im Störungsfall die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Hierfür können die Bewerber darlegen, wie viele Mitarbeiter sie für das jeweilige Konzessionsgebiet einsetzen werden, wie durch Arbeitszeitregelungen bzw. Schichtpläne eine möglichst schnelle Reaktion im Störungsfall sichergestellt ist oder auch wie unerwarteter Personalausfall, beispielsweise durch den Einsatz anderer Mitarbeiter des Bewerbers, welche in der Nähe des in Frage stehenden Konzessionsgebiets eingesetzt werden, kompensiert werden kann. Im Rahmen der Darstellung der personellen Ausstattung ist es daher sinnvoll, auch hier zwischen dem Regelbetrieb (inkl. Störungsfall) und einem Krisenfall (Notwendigkeit der Mobilisierung überregionaler Ressourcen) zu unterscheiden. 287 Auch abgefragt werden kann das Aus- und Weiterbildungskonzept der Bewerber. Der Fachkräftemangel betrifft alle Netzbetreiber, weshalb zur Aufrechterhaltung der sicheren Versorgung nachhaltige Personalstrategien notwendig sind. Ein Engagement der Bewerber im Bereich der Aus- und Weiterbildung kann daher durch entsprechende Abfrage in den Kriterienkatalogen berücksichtigt werden. Durch die Schaffung von Ausbildungsplätzen wird sichergestellt, dass langfristig ausreichend qualifiziertes Personal verfügbar ist, was gerade in ländlichen Gebieten häufig ein Problem darstellt. Durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wird zudem gewährleistet, dass das bestehende Personal auch in Zukunft über eine hinreichende Qualifikation verfügt. Dies ist mit Blick auf den stetigen Fortschritt in der Technologie und der damit verbundenen neu Gauttier

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

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entwickelten Arbeitsmethoden bzw. -techniken, der voranschreitenden Digitalisierung und den Herausforderungen, welche sich aufgrund der Energiewende stellen, von großer Bedeutung. Dieser Unterpunkt der personellen Ausstattung kann durch die Forderung nach der Darstellung der detaillierten Modelle zur Aus- und Weiterbildung für diverse Funktionen im Netzbetrieb (beispielsweise technische Mitarbeiter, kaufmännische Mitarbeiter, Kundenservice etc.), dem Nachweis von Ausbildungsquoten und Statistiken zur Weiterbildung sowie der Erläuterung bestimmter Ziele ausgestaltet werden. Ebenfalls Berücksichtigung finden können Zertifizierungen betreffend die per- 288 sonelle Ausstattung bzw. die Aus- und Weiterbildung, Kooperationen mit Verbänden und den Industrie- und Handelskammern, die Ermöglichung zeitgemäßer Arbeitsmodelle (flexible Arbeitszeiten, Homeoffice etc.) aber auch die Förderung Benachteiligter.

c) Finanzielle Ausstattung Zudem spielt im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der Bewerber deren finan- 289 zielle Ausstattung eine Rolle. In Abgrenzung der Angaben, welche bereits im Rahmen der Eignungsprüfung abgefragt werden, können die Gemeinden hier Angaben der Bewerber dazu fordern, welche finanzielle Ausstattung sie konkret für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit vorhalten bzw. ob eine entsprechende Fremdfinanzierung beispielweise für Investitionen in das Netz oder auch Instandhaltungen gesichert sind.

d) SAIDI-Werte Neben der vorhandenen Ausstattung kann zur Bewertung der Versorgungssicherheit im 290 engeren Sinne auch die Darlegung vergangener SAIDI-Werte von Interesse sein. Unter dem „System Average Interruption Duration Index“ (kurz: „SAIDI“) versteht man die durchschnittliche Dauer von Versorgungsunterbrechungen in der Strom- bzw. Gasversorgung. Die Gas- bzw. Stromnetzbetreiber sind gemäß § 52 EnWG verpflichtet, der Bundesnetzagentur alle Versorgungsunterbrechungen in ihrem Netz zu melden. Aus diesen Meldungen ermittelt die BNetzA den Durchschnittswert der Versorgungsunterbrechungen für alle Letztverbraucher, den sog. SAIDI-Wert. In die Berechnung des SAIDI der BNetzA im Gas fließen lediglich ungeplante Versorgungsunterbrechungen ein, die auf Einwirkungen Dritter, Rückwirkungen aus anderen Netzen oder andere Störungen im Bereich des Netzbetreibers zurückzuführen sind. Geplante Unterbrechungen oder Unterbrechungen aufgrund höherer Gewalt bleiben hingegen unberücksichtigt.248 Bei der Berechnung des SAIDI im Strom, der im Rahmen des Qualitätselements erhoben wird, werden im demgegenüber neben ungeplanten Versorgungsunterbrechungen mit den Störungsanlässen „atmosphärische Einwirkungen“, „Einwirkungen Dritter“ und „Zu-

248 Siehe https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssi cherheit/Versorgungsunterbrechungen/Auswertung_Gas/start.html, zuletzt aufgerufen am 26.10.2022. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

ständigkeitsbereich des Netzbetreibers“ auch geplante Versorgungsunterbrechungen mit dem Störungsanlass „Sonstiges“ zu 50 % berücksichtigt.249 Indem die Gemeinden SAIDI-Werte der Bewerber aus der Konzessionsvergabe vorgegangenen Jahren abfragen, können sie diese Angaben mit den Durchschnittswerten der BNetzA vergleichen.  

2. Ungefährlichkeit des Netzbetriebs 291 Neben der Sicherheit der Versorgung der Letztverbraucher mit Energie im Sinne einer Versorgungssicherheit im engeren Sinne, bedeutet Versorgungssicherheit auch Ungefährlichkeit der Anlagen für Menschen und Sachen.250 Die Gemeinden haben daher bei der Auswahl eines neuen Konzessionärs zu prüfen, ob und wie dieser die Ungefährlichkeit der Anlagen sicherstellt. Im Rahmen dieses Unterkriteriums können die Gemeinden deshalb Angaben zur Gewährleistung der Ungefährlichkeit des Netzbetriebs von den Bewerbern fordern. Abgefragt werden können die jeweiligen Sicherheitsvorkehrungen der Bewerber sowie die Darstellung und ggf. der Nachweis der Einhaltung bestimmter Sicherheitsstandards. Bewerber haben neben einer technischen Betriebssicherheit (Qualitätsmanagement bei Auswahl und Errichtung von Anlagenkomponenten sowie bei der Netzeinbindung, ggf. Zertifizierungsnachweis, Einsatz standardisierter und geprüfter Betriebsmittel, Präqualifikation eingesetzter Lieferanten etc.) auch die personelle und die organisatorische Betriebssicherheit sicherzustellen (Gewährleistung der Arbeitssicherheit, Einhaltung organisatorischer Maßnahmen stör- und sabotagegefährdeter Unternehmens- und Anlagenbereiche etc.).

3. Netzbewirtschaftung und Instandhaltung 292 Um die Versorgungssicherheit über die gesamte Konzessionsvertragslaufzeit zu gewähr-

leisten, bedarf es eines Konzeptes zur Netzbewirtschaftung und Instandhaltung. Im Rahmen eines solchen Unterkriteriums können mithin Aspekte der Aufrechterhaltung des IST-Zustandes des Netzes im jeweiligen Konzessionsgebiet abgefragt werden sowie der Störungsprävention bzw. -beseitigung. Mit Blick auf die Bewirtschaftung des Netzes sind vor allem Angaben zur Inspektion und Wartung sowie zur Instandsetzung der Betriebsmittel und Anlagen relevant.

a) Instandhaltungskonzept 293 Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bedarf das Netz der konstanten Instand-

haltung. Die Kriteriengestaltung kann daher zur hinreichenden Überprüfung der In-

249 Siehe https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssi cherheit/Versorgungsunterbrechungen/Auswertung_Strom/start.html, zuletzt aufgerufen am 26.10.2022. 250 BT-Drs. 13/7274, S. 14. Gauttier

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

325

standhaltungsmaßnahmen der Bewerber die Darlegung der grundsätzlichen Instandhaltungsstrategie sowie Methoden für deren Umsetzung fordern. Bewertet werden kann, welche Qualitätsanforderungen die Bewerber beim Austausch von Betriebsmitteln und Anlagenteilen (Qualität der eingesetzten Materialien sowie des Verfahrens zum Austausch) beachten. Für die Bewertung der Instandhaltungsstrategie sind außerdem Angaben zu Durchführung und Turnus von Wartungen von Bedeutung. Wartungen sind dabei planbare Maßnahmen, welche im Rahmen der Inspektion 294 von Anlagen relevant werden können. Hierbei erfolgt beispielsweise eine Funktionsprüfung von Anlagen und sonstigen Betriebsmitteln sowie der ggf. notwendig werdende Ersatz beispielsweise von Verschleißteilen. Angaben der Bewerber dazu, wie die Wartung und Instandhaltung Einfluss auf die Störungsprävention haben, sind hier von der Bewertung auszunehmen, sofern die Störungsprävention separat abgefragt wird, um eine unzulässige Mehrfachbewertung zu vermeiden. Zulässig ist sodann, den Einfluss des Instandhaltungskonzepts bzw. der darin dar- 295 gestellten Angaben und Maßnahmen auf die Netzentgelte oder auch die Wertentwicklung des Netzes zu erläutern. Da es auch hier denkbar ist, dass Inhalte der Bewerber abgefragt werden, die bereits in anderen Kriterien von Relevanz waren, muss darauf geachtet werden, dass keine unzulässige Mehrfachbewertung erfolgt. Bewerber können sodann ihre Zielsetzung beschreiben und Korrelationen zwi- 296 schen ihrer Instandhaltungs- und Investitionsplanung offenlegen. Zur besseren Nachprüfung und Bewertung des Netzes können Gemeinden eine hinreichende Dokumentation des fortlaufenden Zustandes des Netzes und der darin eingesetzten Betriebsmittel mittels EDV-basierter Programme fordern. Bewertet werden kann außerdem, ob die vorzulegenden Konzepte der Bewerber Angaben zur geplanten Wertentwicklung des Netzes beinhalten und nachvollziehbar darstellen. Das Vorliegen von relevanten Zertifikaten sowie die vertragliche Zusicherung der Bewerber, entsprechende Zertifizierungen während der gesamten Konzessionsvertragslaufzeit aufrechtzuerhalten kann ebenfalls von den Gemeinden bewertet werden.251

b) Störungsprävention Die Vermeidung von Störungen stellt einen weiteren wichtigen Teilaspekt der Versor- 297 gungssicherheit dar. Zur Beurteilung dieses Unterkriteriums können Bewerber darlegen, welche Maßnahmen sie zur Störungsprävention allgemein in ihrem Netzgebiet einsetzen und welche Maßnahmen im konkreten Konzessionsgebiet vorgesehen sind. Bei der Kriteriengestaltung ist zu beachten, dass Angaben zur Wartung von Anlagen und Betriebsmitteln, welche ebenfalls zur Vermeidung bzw. Minimierung von Versorgungsunterbrechungen beitragen, hier unberücksichtigt bleiben müssen, solange diese bereits separat abgefragt werden (vgl. lit. a)). Gleiches gilt hinsichtlich Angaben betreffend

251 Beispielsweise des Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9001:2015. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

bestimmte Optimierungsmaßnahmen, welche beispielsweise auch im Rahmen der Netzentwicklungs- bzw. Investitionsplanung abgefragt werden können. Als solche Maßnahme kann z. B. die Optimierung der Netzstruktur mittels Vermaschung des Netzes genannt werden, was z. B. im Gasnetzbetrieb zu finden ist. Bei solchen sog. vermaschten Leitungen kann ein fehlerhafter Leitungsteil beispielsweise durch das Schließen eines Schiebers abgeschaltet werden, sodass die Versorgung der angrenzenden Energieabnehmer von der anderen Seite des Leitungsnetzes gewährleistet und damit aufrechterhalten werden kann. Je dichter und damit vermaschter ein Netz ist, desto geringer sind die Auswirkungen von Störungen auf das gesamte Netz und desto höher ist damit die Versorgungssicherheit. Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang stellt das Vorhalten einer redundanten Anlagentechnik dar. Hierdurch wird sichergestellt, dass beispielsweise die Gasversorgung bei einer Störung oder auch bei Wartungsarbeiten an einzelnen Komponenten der Anlagen über eine Reserveschiene aufrechterhalten wird und Ausfallzeiten dadurch minimal bleiben. 298 Einen weiteren Aspekt der Störungsprävention stellt der Schutz vor Sabotage bzw. der Schutz sabotagegefährdeter Bereiche dar. Gemeinden können daher auch Angaben zum „Ob“ und „Wie“ der Aufstellung und Einhaltung bestimmter Sicherheitskonzepte der Bewerber abfragen. Von aktueller Bedeutung sind dabei auch Maßnahmen zur Gewährleistung von „Cyber Security“.  



c) Störungsbeseitigung 299 Im Rahmen des Unterkriteriums „Störungsbeseitigung“ können die Gemeinden Anga-

ben dazu fordern, mit welchen Mitteln und Methoden die Bewerber Versorgungsstörungen zeitnah beseitigen. Die Bewerber können beispielsweise die für eine Versorgungsunterbrechung vorgehaltenen technischen und personellen Ressourcen darstellen (Bereitschaftsdienst, Ersatzteilvorhaltung etc.) sowie den organisatorischen Ablauf einer Entstörmaßnahme nach Eingang der Störungsmeldung. Hierfür können die Kriterienkataloge Angaben zur Vorhaltung einer speziellen Störungshotline der Bewerber fordern sowie dazu, innerhalb welcher Zeitspanne ein Anrufer dieser Hotline mit einem qualifizierten Mitarbeiter des Bewerbers verbunden wird. 300 Mit Blick auf die Versorgungssicherheit ist daneben die eigentliche Reaktionszeit, d. h. die Zeit zwischen dem Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen des Entstördienstes am Schadensort, sowie die Störungsbeseitigungszeit, d. h. die Zeit zwischen Eintreffen am Schadensort und der Wiederherstellung der Versorgung, von herausragender Bedeutung.252 Um eine bestmögliche Vergleichbarkeit der Angebote und der  



252 Für Gasnetzbetreiber schreibt der DVGW vor, dass ein Mitarbeiter innerhalb von 30 Minuten nach Störungseingang vor Ort sein und erste Sicherungsmaßnahmen eingeleitet haben muss (vgl. DVGW GW 1200/DVGW-Rundschreiben G5/01). Diese Vorgabe stellt mithin die maximale Reaktionszeit dar, die ein Bewerber gewährleisten muss und dient damit als Richtwert für die Bewertung der von den Bewerbern anzugebenden Reaktionszeiten betreffend die Umsetzung erster Sicherheitsmaßnahmen. Gauttier

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

327

darin enthaltenen Angaben der Bewerber zu ermöglichen, bietet es sich an, einen genauen Standort als fiktiven Schadensort im Kriterium anzugeben. Durch die der Gemeinde eingeräumte Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Bestimmung des Schadensortes eröffnet sich, sozusagen als Kehrseite der besseren Vergleichbarkeit der Angebote, jedoch die Gefahr von Manipulationen. So kann beispielsweise durch die gezielte Auswahl eines bestimmten Ortes der Bestandskonzessionär der Gemeinde absichtlich bevorzugt oder – im Falle des Wunsches der Gemeinde nach einem Konzessionsnehmerwechsel – benachteiligt werden.253 Insbesondere in größeren Konzessionskommunen bietet es sich daher an, mehrere, gleichmäßig über das Konzessionsgebiet verteilte Schadensorte im Kriterium zu nennen. Hierdurch erhöht sich zum einen die Aussagekräftigkeit der Angaben der Bewerber bei der Bewertung der tatsächlichen Reaktionszeiten im gesamten Konzessionsgebiet. Zum anderen dient die Angabe mehrerer Schadensorte der Prävention von Missbrauch. Bewertet werden kann darüber hinaus, ob die Maßnahme zur Wiederherstellung der Versorgung eine temporäre Lösung darstellt oder ob es sich dabei bereits um eine umfassende Störungsbeseitigungsmaßnahme handelt. Die Gemeinden haben hierbei die Wahl, ob sie lediglich die Reaktionszeit einer temporären oder einer umfassenden Störungsbeseitigungsmaßnahme abfragen oder ob beides angegeben werden soll. Von Bedeutung ist jedoch, dass die Gemeinden ihre Erwartungen diesbezüglich transparent im Kriterium darstellen. Da die Reaktionszeiten je nachdem, ob eine bloß temporäre Ersthilfemaßnahme oder eine umfassende Störungsbeseitigung gefordert wird, stark divergieren können, wäre eine undifferenzierte Abfrage von Reaktionszeiten intransparent; die Angaben der Bewerber hierzu wären nicht aussagekräftig oder gar miteinander vergleichbar. Die vertragliche Zusage der Einhaltung bestimmter Reaktions- bzw. Störungsbesei- 301 tigungszeiten kann ebenfalls positiv in die Bewertung einfließen. Ein weiterer Aspekt der Störungsbeseitigung ist der Umgang mit Krisenfällen 302 (bspw. Naturkatastrophen). Um auch für Krisenfälle eine schnellstmögliche Störungsbeseitigung sicherzustellen, können die Gemeinden Angaben der Bewerber dazu fordern, ob diese einen Krisenmanagementprozess in ihrem Netzbetrieb implementiert haben und wie dieser aufgebaut ist. Zudem kann abgefragt werden, ob und in welchen Intervallen beispielsweise Krisenübungen durchgeführt werden.

4. Netzentwicklung und Investitionsstrategie Für die Versorgungssicherheit von Relevanz sind neben dem Betrieb und der Aufrecht- 303 erhaltung des IST-Zustandes auch die zukunftsgerichteten Aspekte des Netzbetriebs. Als

253 So ist es beispielsweise denkbar, dass die Kommune die Reaktionszeiten ausgehen von einem Ort bewertet, der in unmittelbarer Nähe eines Standortes des Bestandskonzessionärs liegt, sodass keinem anderen Bewerber die realistische Chance eingeräumt wird, hier bessere Reaktionszeiten anzugeben. Je nach dem, wie hoch dieses Kriterium bewertet wird, kann dies bereits einen großen Einfluss auf die Zuschlagschancen haben. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

solche gewinnen insbesondere die Netzentwicklungsplanung der Netzbetreiber sowie deren Investitionskonzepte an Bedeutung. Unter dem Kriterium „Netzentwicklung und Investitionsstrategie“ können die Gemeinden zudem abfragen, inwieweit die Bewerber die Fortentwicklung des Netzes im jeweiligen Konzessionsgebiet vor dem Hintergrund der stetig steigenden energiepolitischen Herausforderungen planen. Themen wie der Netzausbau mit Blick auf die steigende Bedeutung erneuerbarer Energien oder auch Maßnahmen zur Umsetzung künftiger Abnahmestrukturen oder der Einspeisung von Wasserstoff in Gasnetze sind dabei von aktueller Brisanz.254 Die Kriteriengestaltung kann daher die Darstellung der Netzplanung der Bewerber fordern, welche beispielsweise Angaben zu den aktuellen und geplanten Maßnahmen zur Steigerung der Versorgungssicherheit beinhaltet, Prognosen der Bewerber zu Ausbauzielen des Netzes unter Berücksichtigung alternativer Energieträger und der Erweiterung der erneuerbaren Energien, sowie konkrete Konzepte hierzu. 304 Positiv in die Bewertung miteinfließen kann auch, inwieweit die Bewerber bereits jetzt innovative Technologien im Rahmen ihres Netzbetriebs erproben bzw. selbst entwickeln. Hierbei kann es positiv in die Bewertung einfließen, wenn der Bewerber über entsprechende Patente im Zusammenhang mit den innovativen Technologien verfügt. 305 Im Rahmen der Investitionsplanung können die Gemeinden von den Bewerbern eine konkrete Abschätzung des notwendig werdenden Finanzbedarfs für die Investitionen und eine plausible Erläuterung dessen fordern.

II. Effizienz 306 Die konkrete Bedeutung des in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Ziels der „Effizienz“ ist nicht

eindeutig geklärt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass mit dem Ziel der Effizienz zumindest die Kosteneffizienz sowie die Energieeffizienz gemeint ist. Letzteres meint dabei insbesondere die Minimierung von Verlustenergie bzw. Gasschwund.255 Sofern man die Kosteneffizienz im Zusammenhang mit möglichst günstigen Netzentgelten sieht, würde sich die Abfrage dessen als Unterkriterium der Preisgünstigkeit anbieten. Um hier die Gefahr der Mehrfachbewertung zu vermeiden, gilt es, die Kriterien – soweit möglich – klar voneinander zu trennen oder entsprechendes nur an einer Stelle im Kriterienkatalog abzufragen. Möglich ist beispielsweise, Maßnahmen, welche die Effizienz des Netzbetriebs steigern, unter dem Kriterium „Effizienz“ abzufragen, ohne die tatsächlichen Auswirkungen auf die Netzentgelte zu bewerten. Denn Effizienz meint nicht möglichst günstige Netzentgelte, sondern Wirtschaftlichkeit im Sinne einer Kosten-Nutzen-Relation. Im Rahmen dieses Kriteriums kann mithin abgefragt werden, mit welchen Maßnahmen die Bewerber möglichst viel Nutzen bzw. Leistung zu möglichst geringen

254 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 8. 255 BT-Drs. 18/8184, S. 14. Gauttier

D. Kriterien zur Versorgungssicherheit und Effizienz

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Kosten gewährleisten. Im Rahmen der Preisgünstigkeit kann dann wiederum auf die Netzentgelte an sich abgestellt werden.256 Die Gefahr einer Mehrfachbewertung stellt sich ebenfalls bei der Prüfung der Ener- 307 gieeffizienz unter dem Kriterium „Effizienz“ und dem Kriterium der „Umweltverträglichkeit“. So werden im Rahmen der Unweltverträglichkeitsprüfung häufig Maßnahmen zur Reduktion von Energieschwund abgefragt.257 Neben der Kosteneffizienz und der Energieeffizienz gibt es jedoch noch weitere As- 308 pekte, die unter dem Kriterium „Effizienz“ abgefragt werden können. So können Bewerber darstellen, inwiefern sie Synergieeffekte beim Netzbetrieb schaffen und nutzen, wie beispielsweise die Koordination von Baumaßnahmen abläuft und ob die Bewerber z. B. über ein Assetmanagementsystem nach der ISO 55000 verfügen. Möglichkeiten zur Kriteriengestaltung sollen im Folgenden erläutert werden.  

1. Effiziente Ressourcennutzung Unter dem Stichwort der effizienten Ressourcennutzung können Gemeinden abfragen, 309 inwieweit die Bewerber ihre Prozesse optimiert haben und auch in die Zukunft gerichtet Optimierungsprozesse in ihren Netzbetrieb implementiert haben. Die kontinuierliche Überprüfung und Optimierung bestehender Prozesse tragen dazu bei, eine hohe Effizienz in allen Bereichen des Netzbetriebs zu gewährleisten. Ein Punkt zur Erhöhung der Effizienz im Netzbetrieb ist die Schaffung und Nutzung von Synergieeffekten bei der Baustellenkoordination, d. h. bei der Baustelleneinrichtung, Tiefbau- und Bergarbeiten sowie der Bauabnahme. So fallen beispielsweise bei einer gemeinsamen Bauausführung nur einmalig Aufwendungen für verkehrsrechtliche Anordnungen, Straßensperrungen, Beampelungen, Bauleitung und Baustellenüberwachung sowie für das Vorhalten von Baumaschinen und anderen Baustelleneinrichtungen an. Durch die gemeinsame Planung und Durchführung von Baumaßnahmen ergeben sich damit sowohl bei der Gemeinde als auch beim Konzessionär Zeit-, Koordinations- und Ressourcenvorteile. Weitere Effizienzen und Synergien können durch den Einsatz von Software- 310 Robotern geschaffen werden. Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA, Robotic Process Automation) ist eine Technologie, die im Rahmen der Digitalisierung immer mehr in den Fokus rückt. Software-Roboter (Bots) sind Anwendungen, die eine menschliche Interaktion mit Benutzerschnittstellen von Softwaresystemen nachahmen. Es handelt sich hierbei um Software, die aufgespielt wird und andere Programme wie Excel, SAP oder Geoinformationssysteme (GIS) eigenständig bedient. Durch den Einsatz von Software-Robotern können vor allem einfache, routinehafte und wiederkehrende Geschäftsprozesse automatisiert bearbeitet werden.258  

256 So auch BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 115. 257 Vgl. Kapitel 3 F, Rn 404. 258 Vgl. Schneider/Theobald/Bartsch, Recht der Energiewirtschaft, § 7. Digitalisierung und Datenschutz in der Energiewirtschaft, Rn 20. Gauttier

330

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Aber auch in anderen Unternehmensbereichen können von den Bewerbern Synergien geschaffen werden, welche durch entsprechende Kriteriengestaltung durch die Gemeinden abgefragt und bewertet werden können. Im Bereich Logistik und Lagerung kann durch Automatisierung, Digitalisierung und Zentralisierung stets eine bedarfsgerechte Bestellung und Bevorratung von Betriebsmitteln gewährleistet, Personalaufwand minimiert und Lager- und Energiekosten eingespart werden. Im Unternehmensbereich Einkauf kann durch vergleichbare Maßnahmen sowie durch den Abschluss langfristiger Rahmenverträge nicht nur eine langfristige Materialversorgung sichergestellt werden, sondern auch Qualitätssicherung betrieben und für Preisstabilität gesorgt werden. Diese und andere Maßnahmen können in der Kriteriengestaltung Berücksichtigung finden. 312 Andere Maßnahmen zur Effizienzsteigerung wie beispielsweise die Reduzierung von Papier, das Vorhalten eines zentralen Fuhrparkmanagements oder auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) können von den Gemeinden auch an anderer Stelle im Kriterienkatalog abgefragt werden.259 Auch hier ist zu beachten, dass eine unzulässige Mehrfachbewertung vermieden wird. 311

2. Regulatorischer Effizienzwert 313 Die Berücksichtigung des regulatorischen Effizienzwertes im Sinne der Anreizregulie-

rung (§§ 12 ff. ARegV) als Unterkriterium der „Effizienz“ kann unter Umständen im Einzelfall unzulässig sein und sollte daher vermieden werden.260 Der regulatorische Effizienzwert nach der ARegV zeigt die Effizienz der Bewerber in der Vergangenheit durch einen Effizienzvergleich auf. Ein solcher Effizienzvergleich ist jedoch nur dann möglich, wenn sich solche Unternehmen im Konzessionsvergabeverfahren bewerben, welche schon in der Vergangenheit im Netzbetrieb tätig waren. „Newcomer“, d. h. Unternehmen, die neu am Markt agieren, können dies gerade nicht. Auch für Bewerber, die bislang im vereinfachten Verfahren gemäß § 24 ARegV geprüft wurden, liegt kein individueller Effizienzwert vor.  



E. Kriterien zur Preisgünstigkeit I. Hintergründe 314 Es gehört seit jeher zu den Zielen des Energiewirtschaftsrechts, eine preisgünstige Ver-

sorgung der Allgemeinheit sicherzustellen. Bereits in der Präambel des EnWG 1935261

259 Beispielsweise im Rahmen des Kriteriums zur Umweltfreundlichkeit oder auch zur Verbraucherfreundlichkeit. 260 So auch BeckOK EnWG/Peiffer, EnWG § 46, Rn 75. 261 Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13.12.1935 (RGBl. I 1451), zuletzt in der Fassung vom 19.12.1977 (BGBl. I 2750). Sauer

E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

331

hieß es, dass die Energieversorgung „so sicher und billig wie möglich“ gestaltet werden soll. Das im Jahr 1998 in § 1 EnWG aufgenommene und heute in § 1 Abs. 1 EnWG geregelte Ziel der preisgünstigen Versorgung (im Interesse) der Allgemeinheit, verlangt ausweislich der Gesetzesbegründung eine Versorgung zu Wettbewerbspreisen, ersatzweise zu möglichst geringen Kosten. Dies soll voraussetzen, dass die Versorgung rationell, effizient und kostensparend durchgeführt wird. Ziel seien möglichst günstige Strom- und Gaspreise, durch die der Wirtschaftsstandort Deutschland und damit die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft insgesamt gestärkt werden soll.262

1. Preisgünstigkeit durch Netzregulierung Mit Blick auf den Kostenfaktor „Netz“ verfolgt das EnWG die Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG 315 dadurch, indem die Netzentgelte so reguliert werden, dass sie den Entgelten möglichst nahekommen, die sich einstellen würden, wenn sich der jeweilige Netzbetreiber einem Wettbewerb beim Netzbetrieb stellen müsste (wettbewerbsanaloge Preise). Überkompensatorische Monopolrenten sollen den Netzbetreibern dabei nicht belassen werden. Ihnen wird eine individuelle Erlösobergrenze (EOG) zugestanden, die unter Berücksichtigung der in den §§ 21, 21a EnWG geregelten Zielvektoren der Netzentgeltregulierung ermittelt wird. Zu diesen teils gegenläufigen Zielvektoren, die von der Regulierung in Ausgleich gebracht werden (sollen), gehört neben der Gewährleistung der ökonomischen Lebensfähigkeit der Netze insbesondere auch, dass nur effiziente und wettbewerbsanaloge Kosten erstattet und überdies noch Anreize für eine effiziente Leistungserbringung gesetzt werden sollen. Die in diesem austarierten Regulierungssystem gebildete Netzentgelthöhe darf für sich bereits als eine i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG „möglichst preisgünstige“ Versorgung der Allgemeinheit mit Netzbetriebsleistungen betrachtet werden.263  



2. Zusätzlicher Unterbietungswettbewerb bei der Konzessionsvergabe In Deutschland unterfallen Verteilernetzbetreiber aber nicht nur den Vorgaben der Re- 316 gulierung. Bekanntlich müssen sie sich in den einzelnen Gemeinden spätestens alle 20 Jahre auch den Kräften eines realen Wettbewerbs um die Position des örtlichen Netzbetreibers stellen. Wie nunmehr in § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG klargestellt, sollen damit in erster Linie die in § 1 Abs. 1 EnWG normierten Ziele des EnWG erreicht werden. Zu diesen Zielen gehört auch die Sicherstellung einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit. Im Kontext der Konzessionswettbewerbs ziehen die Kartellbehörden und Gerichte daraus aber den Schluss, dass die Gemeinden einen Unterbietungswettbewerb

262 BT-Drs. 13/7274, S. 14. 263 So auch Höch/Christ, RdE 2021, 527, 531. Weil die verschiedenen Netzbetreiber demselben Regulierungsregime unterworfen sind, können auch ihre unterschiedlichen Netzentgelte insoweit als gleichermaßen preisgünstig behandelt werden. Sauer

332

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

nicht zugunsten der „Allgemeinheit“, sondern über die allein in ihrem Konzessionsgebiet zu erwartende Netzentgelthöhe eröffnen müssen. In der Vergabepraxis geben diese Prognosen häufig auch den Ausschlag für die spätere Vergabeentscheidung264; was umso näher liegen dürfte, wenn bei den anderen Auswahlkriterien keine Möglichkeiten zu signifikanten Leistungs- bzw. Angebotsdifferenzierungen eröffnet werden. Daneben werden z. T. auch Angebote zur künftigen Höhe der örtlichen Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge eingefordert, was in wettbewerblich umkämpften Konzessionsgebieten zu einer deutlichen Reduzierung und mancherorts sogar bis hin zum Verzicht auf diese Kostenerstattungen führt.  

3. Kritik 317 Diese Vergabepraxis wirft eine Vielzahl grundlegender Fragen auf. Wie vom EuGH

jüngst (2.9.2021) entschieden, muss die Bestimmung der Netzentgelthöhe ebenso wie die Festlegung der dafür maßgeblichen Berechnungsfaktoren im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Regulierungsbehörden liegen.265 Dass es neben dieser Regulierung noch einen von den Gemeinden administrierten Unterbietungswettbewerb über die Netzentgelthöhe geben kann, ist mehr als fraglich. Vielmehr greift dieser zusätzliche regulierungsexterne und lediglich auf die örtliche Konzessionsvergabe fokussierte Unterbietungswettbewerb in die Letztentscheidungskompetenz der Regulierungsbehörden ein und untergräbt das unter Abwägung der regulatorischer Zielstellungen gebildete Regulierungsergebnis auch inhaltlich.266 318 Überdies hängt die Entwicklung der Netzentgelte von so vielen internen und externen Einflussfaktoren ab, dass Entgeltprognosen kaum eine valide Auskunft über einen längeren Zeitraum geben können, der einer typischen Konzessionslaufzeit (20 Jahre) nahekäme. Mechanismen und effektive Rechtsschutzmöglichkeiten, mit denen durchgesetzt werden könnte, dass Vergabeentscheidungen, die auf der Grundlage „zu optimistischer“ Entgeltschätzungen eines Bewerbers getroffen wurden, bei späteren Prognoseüberschreitungen zwingend zu korrigieren wären, werden nicht geregelt. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll nur die Plausibilitätsprüfung der Gemeinde dafür sorgen (können), dass sich die betreffende Bieterprognose auch in der Zukunft verwirklicht. Klare Konturen, wie weit diese Plausibilitätsprüfung gehen muss, sind jedoch nicht erkennbar. 319 Vor allem aber wegen der damit verbundenen ökonomisch-strukturellen Folgewirkungen ist das Auswahlkriterium der künftigen örtlichen Netzentgelthöhe von der Monopolkommission wiederholt kritisiert worden.267 Netzentgelte sind auf der Grundlage

264 So zumindest der Eindruck der Monopolkommission, Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 326, 345. 265 EuGH, Urteil v. 2.9.2021, Rs. C-718/18 – ECLI:EU:C:2021:662. 266 Dazu Sauer, EWeRK 2022, 234. 267 Monopolkommission, Sondergutachten 65 – Energie 2013, Rn 468 ff.; dies., Sondergutachten 71 – Energie 2015, Rn 488; dies., Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 345 ff.  



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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

333

von Kosten zu bilden. Konzessionsgebietsscharfe Netzentgelte werden dabei nicht akzeptiert. Entscheidend sind die durchschnittlichen Kosten eines Netzbetreibers in seinem gesamten Netzgebiet („ein Netzgebiet – ein Netzentgelt“). Da die Netzentgelthöhe eines Netzbetreibers maßgeblich von unternehmerisch unbeeinflussbaren strukturellen Kostenparametern seines Netzgebietes abhängt (v. a. Leitungslänge, Besiedlungsdichte bzw. Absatzmenge, installierte Leistung von EE-Anlagen268), ist nicht gewährleistet, dass sich der effizienteste Netzbetreiber durchsetzen wird. Die Vergabepraxis begünstigt vielmehr eine systematische Separierung von Netzgebieten mit strukturell bedingt niedrigen und solchen mit strukturell bedingt hohen Kosten; womit die Netzentgeltspreizung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten verstärkt wird. Werden Konzessionen in strukturell kostengünstigen (meist städtischen) Konzessionsgebieten ausgeschrieben, ist es Netzbetreibern, die auch strukturell bedingt kostenungünstigere (meist ländliche) Versorgungsstrukturen aufrechterhalten, selbst bei größter Effizienzsteigerung regelmäßig nicht möglich, niedrigere Netzentgelte anzubieten als ein Bewerber, der seine Versorgungsaufgabe auf das betreffende Konzessionsgebiet beschränken wird. Wollen diese Netzbetreiber ein strukturell kostengünstiges (städtisches) Konzessionsgebiet nicht verlieren oder ein solches hinzugewinnen, entsteht für sie zwangsläufig der Anreiz, ihre Wettbewerbsposition dadurch zu verbessern, indem sie den Betrieb oder Weiterbetrieb dieses Netzteils von ihren ländlichen Netzstrukturen separieren und hierfür gesonderte örtliche Netzgesellschaften (Tochtergesellschaften) auszugründen, um entsprechend günstige örtlich-spezifische Netzentgelte bilden und bieten zu können.269 Auch auf diesem Wege führt die geschilderte Vergabepraxis aber tendenziell dazu, dass Konzessionsgebiete mit strukturell bedingt niedrigen Kosten systematisch aus Netzgebieten mit hohen Netzentgelten herausgelöst werden. In der Folge steigen die Entgelte in den verbleibenden kostenungünstigen Konzessionsgebieten (weiter) an. Vor dem Hintergrund dieser ökonomisch-strukturellen Folgewirkungen lässt sich feststellen, dass durch die geschilderte Vergabepraxis das in § 1 Abs. 1 EnWG verankerte Ziel, eine preisgünstige Energieversorgung der Allgemeinheit sicherzustellen, nicht verwirklicht wird.270 Innerörtliche Netzentgeltsenkungen, die nicht aus einer Steigerung der Kosteneffizienz resultieren, sondern lediglich durch die Ausnutzung zugefallener Strukturvorteile des örtlichen Netzbestandteils und im Wege einer für die ländliche (außerörtliche) Versorgung nachteiligen Umverteilung von Netzkosten realisiert werden, untergraben vielmehr die Preisgünstigkeit der Versorgung der Allgemeinheit.  

268 Vgl. dazu Consentec/Fraunhofer ISI. Ziff. 4.2. 269 Es käme dann nur darauf an, die Realisierung dieser Ausgründung zu plausibilisieren: Vgl. OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart, Rn 168; OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 20 (Urteilsumdruck). 270 In diese Richtung auch Höch/Christ, RdE 2021, 527, 531.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

4. Gesetzgeber 320 Eben diese Kritik fand man auch noch im ersten Referentenentwurf zur § 46 EnWG-

Novelle 2016.271 Danach sollte die Verpflichtung zur Abfrage von Netzentgeltprognosen ausdrücklich nicht normiert werden, da solche in manchen Fällen gar nicht darstellbar seien. Ein pauschales Abstellen auf die künftigen örtlichen Netzentgelte wurde auch grundsätzlich als problembehaftet eingestuft und sollte daher vermieden werden. Diese Entgelte hingen nicht immer mit der zu erwartenden Effizienz des Netzbetriebs zusammen. Außerdem würde sich das Problem stellen, dass bei der Separierung kostengünstiger Netzteile in einem neuen örtlichen Netz die Netzentgelte in diesem Gebiet sinken und sich im verbleibenden Netzbereich zwangsläufig erhöhen, ohne dass dies mit der Leistungsfähigkeit der agierenden Netzbetreiber zu tun habe. In diesem Fall würden die Netzkosten aber nicht gesenkt, sondern nur zwischen den Netzgebieten „verschoben“. Hiervon würde, so hieß es im Referentenentwurf, jedoch nicht die Allgemeinheit profitieren, wie es § 1 Abs. 1 EnWG gerade als Zielsetzung verkörpere.272 321 In der endgültigen Gesetzbegründung findet man diese Kritik nicht mehr, sondern nur noch den Hinweis, dass die zu erwartende Höhe der Netzentgelte wegen ihres Anteils an den Energiepreisen ein sachgerechtes Auswahlkriterium darstelle.273 Dies entsprach letztlich aber auch der politischen Ausrichtung der § 46 EnWG-Novelle 2016. Es sollte lediglich die bis dato ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung nachgezeichnet und im Interesse der Rechtssicherheit von einer strikten gesetzlichen Vorgabe, wie die einzelnen Ziele des § 1 Absatz 1 EnWG in konkrete Auswahlkriterien „umzuwandeln“ sind, abgesehen werden.274 Konzeptionell ist damit der seit jeher verfolgte Ansatz des Gesetzgebers, die Einzelfragen der Konzessionsvergabe der Rechtsanwendungspraxis zu überlassen, beibehalten worden. Dass Entgelte und Kosten, die bereits der Netzregulierung unterfallen, auch noch zum Gegenstand eines örtlichen Unterbietungswettbewerbs gemacht werden sollen, kann damit aber nicht als eine gezielte Schöpfung des Gesetzgebers qualifiziert werden.

5. Rechtsanwendungspraxis 322 Die gegenwärtige Vergabepraxis lässt sich auf landeskartellbehördliche Vorschläge zu-

rückverfolgen und verfestigte sich sukzessive auch in der Instanzenrechtsprechung. BKartA und BNetzA haben sich in der Erstauflage ihres Leitfadens zur Konzessionsvergabe dazu nicht geäußert. In seiner Grundsatzentscheidung „Stromnetz Berkenthin“ (2013) hat der BGH diese Praxis allerdings bestätigt und die Höhe der zu erwartenden örtlichen Netzentgelte als maßgebliches Unterkriterium des Preisgünstigkeitsziels

271 Referentenentwurf, Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 8.9.2015, S. 16. 272 Referentenentwurf, a. a. O., S. 16. 273 BR-Drs. 73/16 vom 5.2.2016, S. 16. 274 BR-Drs. 73/16 vom 5.2.2016, S. 15.  



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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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qualifiziert.275 Er ist dabei von der Annahme ausgegangen, dass selbst im Anwendungsbereich der Netzentgeltregulierung Preisunterschiede zwischen den Bewerbern bestehen können und demgemäß auch zu einem Wettbewerbsparameter der Konzessionsvergabe gemacht werden müssten. Preisunterschiede sollen insbesondere deshalb bestehen können, weil in die Regulierung der Effizienzwert des Netzbetreibers einfließe.276 Diese knappe Begründung wirft viele Fragen auf. Die beschränkte Prognostizierbarkeit von Netzentgelten wird vom BGH ebenso wenig problematisiert wie die hier angedeuteten ökonomisch-strukturellen Folgewirkungen, die sich aus dem örtlichen Unterbietungswettbewerb auf die preisgünstige und effiziente Energieversorgung der Allgemeinheit ergeben. Auch das gewählte Beispiel der Effizienzwerte als Ursache möglicher Preisunterschiede und insoweit abschöpfbarer Wettbewerbspotentiale, ist wenig praxisnah. Denn die konkrete Netzentgelthöhe hängt bekanntlich weniger von der individuell beeinflussbaren Effizienz der Bewerber ab, sondern wird maßgeblich von den kostenstrukturellen Parametern ihres jeweiligen Versorgungsgebietes bestimmt.277 Der Konzessionswettbewerb ist in dieser Hinsicht meist also gar kein Leistungswettbewerb.278 Trotz ihrer knappen Begründung wirkt diese BGH-Entscheidung aber bis heute fort. 323 BKartA und BNetzA, die mit Blick auf die (bereits regulierte) Netzentgelthöhe zunächst keine dahingehende Äußerung zur Tauglichkeit des Auswahlkriterium trafen, verweisen in der Zweitauflage ihres Gemeinsamen Leitfadens zur Konzessionsvergabe auf eben diese BGH-Entscheidung.279 Die Instanzengerichte, die sich seither mit verschiedenen Einwänden gegen die Zulässigkeit oder Bewertbarkeit von Netzentgeltprognosen als Auswahlkriterium auseinanderzusetzen hatten, sind mit unterschiedlichem Begründungsaufwand auch stets von der Zulässigkeit und prinzipiellen Bewertbarkeit derselben ausgegangen. Dominantes Begründungselement war dabei der Verweis auf die Entscheidung „Stromnetz Berkenthin“.280 Das OLG Frankfurt, das Kammergericht und das OLG Karlsruhe281 nehmen von einer eigenen argumentativen Auseinandersetzung mit dem Vorwurf der ökonomischen Fehlsteuerungen und dem Einwand einer dem Preisgünstigkeitsziel zuwiderlaufenden Entsolidarisierungswirkung sogar vollständig Ab-

275 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 87. 276 BGH, a. a. O., Rn 87. 277 Consentec/Fraunhofer ISI, Ziff. 4.2. 278 Vgl. Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 27. 279 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA vom 21.5.2015, Rn 29, S. 11. 280 Zum Teil geht die Argumentation aber auch über die Grundaussage des BGH hinaus, wenn festgehalten wird, dass die Höhe der Netzentgelte schon deshalb unternehmerisch beeinflussbar sei, weil die Netzbetreiber auch auf die Ausschöpfung der regulatorisch zugestandenen Rendite (EOG) verzichten könnten. Vgl. LG Potsdam, Urteil v. 27.1.2017 – 52 O 139/16, Rn 30 (mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.12.2015 – VI- 2 U (Kart) 4/15, Rn 19); bestätigt durch OLG Brandenburg, Urteil v. 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart, Rn 94; ähnlich auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 20. 281 OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017, Az. 11 U 51/17 (Kart), Rn 56 und 57; KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG., Rn 109; OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 182.  





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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

stand. Das Interesse der Rechtssicherheit soll es ihnen gebieten, sich der herrschenden Rechtsprechung anzuschließen und daher das Kriterium der künftigen örtlichen Netzentgelte als gebotenes Kriterium der Konzessionsvergabe anzuerkennen.

6. Fazit 324 Die Preiskriterien der Konzessionsvergabe gehören unzweifelhaft zu den ökonomisch,

politisch und rechtlich umstrittensten Auswahlkriterien, was im regulierten Bereich des Netzbetriebs auch nicht überraschen kann. Unter der derzeit gefestigten Rechtsprechung werden die Gemeinden aber nicht umhinkommen können, mit Blick auf die Zielstellung der Preisgünstigkeit die zu erwartende Netzentgelthöhe als Auswahlkriterium festzulegen. Ob und inwieweit angesichts der jüngsten Entscheidung des EuGH (2.9.2021) eine Korrektur in der gerichtlichen Spruchpraxis eintritt, bleibt abzuwarten. Es liegt nahe, diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.282 Im Folgenden wird auf die unterschiedlichen Aspekte eingegangen, die die Gemeinden bei der Ausgestaltung und Bewertung dieses Auswahlkriteriums zu beachten haben. Mit Blick auf die vielfach sichtbaren Anwendungsschwierigkeiten und die diesbezüglich z. T. widersprüchliche Rechtsprechung drängt sich aber die Frage auf, ob es abgesehen vom ohnehin bestehenden rechtlichen Primat der Netzentgeltregulierung nicht auch schon dem Gebot der Zweckmäßigkeit entspräche, die Beurteilung und Durchsetzung der Preisgünstigkeit eines Netzbetriebs bei den hierfür fachkompetenten und originär entscheidungsberufenen Regulierungsbehörden zu belassen.  

II. Auswahlkriterien zu den Kosten der Netznutzung 1. Unterkriterien im Überblick 325 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Höhe der künftigen Netzentgelte im Kon-

zessionsgebiet (Netzentgeltprognosen283) als Auswahl- bzw. Unterkriterium der Konzessionsvergabe herangezogen werden darf. Zum Großteil wird angenommen, dass dies auch zwingend ist.284 Es soll nicht genügen, wenn lediglich indirekt im Rahmen anderer Kriterien (z. B. bei der Darstellung des Netzbewirtschaftungskonzepts) nach den Auswirkungen anstehender Maßnahmen auf die Entwicklung der Netzentgelte gefragt wird.285 326 Einigen OLG zufolge dürfen die Gemeinden neben der Abfrage der örtlichen Netzentgeltprognosen auch die Höhe der „aktuellen Netzentgelte“ der Bewerber (in ihren  

282 Sauer, EWeRK 2022, 234 ff. 283 Vgl. aber LG Stuttgart, Urteil v. 23.7.2020 – 11 O 243/19, S. 37 ff. (Urteilsumdruck) – dazu Rn 361. 284 Vgl. nur OLG Dresden, Urteil v. 29.11.2016 – U 1/16 Kart, Rn 23; OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.12.2015 – VI-2 U (Kart) 4/15, Rn 19; OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 177. 285 OLG Dresden, Urteil v. 29.11.2016 – U 1/16 Kart, Rn 23; OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.12.2015 – VI-2 U (Kart) 4/15, Rn 20.  



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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

bisherigen Netzgebieten) als zusätzliches Unterkriterium festlegen und bewerten. Ein Zwang hierzu wird aber nicht angenommen (dazu unten Rn 365 ff.). Vereinzelt ist neben der Abfrage der künftigen Netzentgelte auch deren relative Höhe im Verhältnis zur jeweiligen (ggf. gemeindegebietsübergreifenden) Versorgungsaufgabe der Bewerber286 als Unterkriterium festgelegt worden. Das OLG Karlsruhe beanstandete dieses Unterkriterium zwar nicht, stufte es aber als Unterkriterium der Effizienz ein.287 Deshalb sei zu beachten, dass die tatsächlichen Preiskriterien (v. a. örtliche Netzentgelte) dadurch nicht relativiert bzw. mindergewichtet werden (unten Rn 378). Die gesetzlichen Abgaben und Umlagen (KWK-Umlage, § 19 StromNEV-Umlage, etc.) sowie die Konzessionsabgaben sollen zwar anlässlich der Netzentgeltabrechnung miterhoben werden. Sie stellen aber keine netzbetreiberseitig beeinflussbaren Kosten für den Netzzugang (keine Netzentgelte288) dar und sind daher auch nicht als Unterkriterium der Preisgünstigkeit des künftigen Netzbetriebs heranzuziehen. Ebenso verhält es sich bei den Entgelten für Messstellenbetrieb und Messung. Ebenfalls kein taugliches Unterkriterium der Preisgünstigkeit stellt der Gemeinderabatt i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAV dar.289 Dabei handelt es sich um einen Preisnachlass für den Eigenverbrauch der Gemeinde, der als Gegenleistung für die Wegerechtseinräumung vereinbart werden darf und daher die Bewertung eines Angebots im Hinblick auf den Gesetzeszweck einer preisgünstigen Versorgung nicht ersetzen kann. Von der Monopolkommission ist wiederholt der Vorschlag unterbreitet worden, statt der absoluten Höhe der künftigen örtlichen Netzentgelte die Höhe eines Abschlags vom (regulierten) Netzentgelt als wesentliches Auswahlkriterium heranzuziehen.290 Derjenige Bewerber, der den höchsten Abschlag bietet, soll die Höchstpunktzahl erhalten. In der Begründung des ersten Referentenentwurfes zur § 46 EnWG-Novelle 2016 hat das BMWi diesen Vorschlag aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass die Höhe des Abschlages ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Preisgünstigkeit sein könne.291 In der endgültigen Gesetzesbegründung ist davon aber nichts mehr zu lesen. Zuvor hatten auch schon BKartA und BNetzA erhebliche Einwände erhoben. Netzentgeltrabatte  

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286 Unter Berücksichtigung der spezifischen Kostentreiber im jeweiligen Netzgebiet (z. B. der unterschiedlichen Bodenklassen bzw. Grabungskosten, Abnahmestrukturen). 287 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart, 6 U 152/16 Kart, 6 U 155/16 Kart, 6 U 156/16 Kart, Rn 106 ff.; Ob diese Einschätzung aber von anderen Gerichten geteilt werden würde, ist fraglich. Vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 19.9.2017 – 16 U 68/17 Kart, Rn 27. 288 BGH, Beschluss v. 20.6.2017 – EnVR 24/16; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.9.2021 – 3 Kart 210/20, Rn 23. 289 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 86. Vgl. zum Gemeinderabatt im Kapitel 1. D. 290 Monopolkommission, Sondergutachten 59 – Energie 2011, Rn 29, 47; dies., Sondergutachten 65 – Energie 2013, Rn 470 ff.; dies., Sondergutachten 71 – Energie 2015, Rn 485 ff.; dies., Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 352 ff. 291 Begründung des Referentenentwurfes vom 8.9.2015 zum Aspekt der Preisgünstigkeit und Effizienz (§ 46 Abs. 4 Nr. 2 des RefE), S. 15 f.  











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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

für ein einzelnes Konzessionsgebiet (konzessionsgebietsscharfe Netzentgelte) seien regulatorisch nicht möglich und daher auch kein zulässiger Angebotsbestandteil.292 Ähnliche Bedenken wurden auch von der EKartB Baden-Württemberg293 und der LKartB Schleswig-Holstein294 geäußert. In Teilen der Literatur ist der Vorschlag der Monopolkommission zwar befürwortet worden.295 Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage aber bislang nicht auseinandergesetzt. In der Vergabepraxis spielt das Abschlagskriterium, soweit ersichtlich, kaum eine Rolle. In der Sache sprechen auch gewichtige Gründe gegen die Verwendung eines solchen Kriteriums. Bei den regulierten Netzentgelten handelt es sich um die regulatorisch zugestandene Gegenleistung für sämtliche mit der Netzzugangsgewährung verbundenen Leistungen und der damit zusammenhängenden Netzbetreiberpflichten (CAPEX und OPEX). Die Netzentgeltregulierung gesteht den Netzbetreibern keine Monopolrente zu, deren Abschöpfung sie einem zusätzlichen regulierungsexternen Unterbietungswettbewerb überlässt; ebenso wenig wie bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Netzbetreiberpflichten (v. a. den Investitionspflichten) von einer ggf. örtlich reduzierten Kostenerstattung ausgegangen wird. Jede weitere Vorenthaltung in der Kostenerstattung würde die richtlinienrechtlich und im nationalen Regulierungsrecht vorgegebenen Zielvektoren der Entgeltbildung (hier v. a. den Erhalt der Investitionsfähigkeit und -bereitschaft der Netzbetreiber) vernachlässigen und damit das Regulierungsergebnis untergraben. Dessen ungeachtet hätte die absolute Höhe eines zugesicherten Abschlages auch keine unmittelbare Aussagekraft für die Frage der Preisgünstigkeit. Der höchste Abschlag muss nicht das niedrigste Netzentgelt zur Folge haben. Schließlich bleibt auch die Frage, ob der angebotene Abschlag bei der späteren Ermittlung des objektivierten Ertragswertes nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG kaufpreismindernd zu berücksichtigen wäre.296 Es spricht viel dafür, dass dies nicht der Fall sein kann.297 In der Konsequenz würde diesem Kriterium dann aber auch ein erhebliches Diskriminierungspotential innewohnen können.298  



2. Künftige Netzentgelte im Konzessionsgebiet 331 Netzentgeltprognosen sind kein leicht zu handhabendes Auswahlkriterium. Damit soll

das Ziel angestrebt werden, für die gesamte Konzessionslaufzeit günstige Netzentgelte

292 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA vom 21.5.2015, Rn 29, S. 11. 293 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3 f. 294 Auch mit dem Hinweis darauf, dass dies zu einem Investitionsverzicht anreizen würde: Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 27. 295 Säcker, RdE 2015, S. 1, 5 f.; trotz Bedenken: Schulte-Beckhausen/Hofmann, RdE 2015, S. 13, 14. 296 Dafür Säcker, RdE 2015, 1, 6. 297 So auch Monopolkommission, Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 352 (dort Fn. 429). 298 Sauer, EWeRK 2014, 159, 165; ders. EWeRK 2016, 16, 26.  



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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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zu erreichen.299 Die Gemeinde hat eine dahingehend sachgerechte Auswahlentscheidung zu treffen, dabei aber auch das Diskriminierungsverbot und Transparenzgebot zu beachten. Dies führt zu einer Vielzahl schwieriger Ausgestaltungsfragen.

a) Datengrundlage Dass die künftige Netzentgelthöhe überhaupt zum Gegenstand des Konzessionswett- 332 bewerbs gemacht werden kann, steht unter der Grundbedingung, dass die Bewerber Zugang zu den Daten haben, die für die Erstellung der konkret geforderten Prognose objektiv erforderlich sind. Die Gemeinde hat ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren zu gewährleisten. Ihr obliegt es daher, die entsprechenden Daten, soweit diese nicht schon verfügbar sind, zu beschaffen und den Bewerbern (ggf. nach Abnahme einer Vertraulichkeitserklärung) zugänglich zu machen. Soweit der Bestandsnetzbetreiber über diese Daten verfügt, sind mit dem gemeindeseitigen Auskunftsanspruch nach § 46a EnWG300 und der Pflicht der Informationsweitergabe nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG hierfür wichtige Voraussetzungen geschaffen worden. Werden diese Daten vom Bestandsnetzbetreiber erkennbar widerrechtlich vorenthalten, kommt dessen Ausschluss vom Vergabeverfahren in Betracht.301 Werden weitere Daten benötigt, die über den Umfang des gesetzlichen Auskunftsanspruchs hinausgehen, könnten sich entsprechende Ansprüche auf Informationsweitergabe aus dem auslaufenden Konzessionsvertrag ergeben. Ob nach Einführung des § 46a EnWG auch noch angenommen werden kann, dass sich Informationsansprüche aus einer ungeschriebenen Nebenpflicht des auslaufenden Vertrages ergeben302, ist bislang noch nicht entschieden worden.

b) Netzentgelttarife Das Auswahlkriterium der Preisgünstigkeit (§ 1 Abs. 1 EnWG) muss sich an der Preis- 333 günstigkeit für alle Netznutzer insgesamt und darf sich nicht überproportional an der Preisgünstigkeit nur für bestimmte Nutzergruppen orientieren. Schon deshalb ist es den Gemeinden verwehrt, durch die Ausgestaltung des Unterkriteriums der Netzentgelthö-

299 OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart bis 16 U 81/19 Kart und 16 U 83/19 Kart, S. 18 ff. (Urteilsumdruck), OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 174. 300 Zum Umfang des Auskunftsanspruchs: BGH, Urteil v. 14.4.2015 – EnZR 11/14; Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA vom 21.5.2015, Rn 40 (S. 16 ff.). Zweifelnd an der Aussagekraft dieses Datenumfangs für Netzentgeltprognosen: Schulte-Beckhausen/Hofmann, RdE 2015, S. 13, 14. 301 Ein solcher Ausschluss ist aber jedenfalls dann unzulässig, wenn anhand der gesetzlichen Regelungen sowie unter Hinzuziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Verlautbarung von BNetzA/BKartA nicht eindeutig festgestellt werden kann, dass eine Pflicht zu Herausgabe der konkret geforderten Daten besteht. Dazu LG Hannover, Urteil v. 28.11.2019, Az. 74 O 37/19. 302 So vor Einführung des § 46a EnWG: Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA vom 15.12.2010, Rn 27, S. 9 (m. w. N.); Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG, 2012, S. 680 f.  









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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

he Anreize für eine Quersubventionierung zugunsten bestimmter Kundengruppen (z. B. für Gewerbekunden) und damit zulasten anderer Kundengruppen (z. B. für Haushaltskunden) zu setzen. Im Übrigen ist es den Netzbetreibern wegen des Gebots der verursachungsgerechten Kostenverteilung (§ 16 StromNEV, § 18 GasNEV) untersagt, solche Quersubventionierungen selbst vorzunehmen. Die Gemeinden verfügen über kein davon abweichendes Regulierungsmandat. 334 Bei der Abfrage der künftigen Netzentgelthöhe sind daher Unter-Unter-Kriterien in Gestalt entsprechender Netzentgeltprognosen für diejenigen Kundengruppen zu bilden, die für das betreffende Konzessionsgebiet repräsentativ sind.303 Die Bildung dieser Unter-Unter-Kriterien muss sich an den tatsächlichen örtlichen Verbrauchsverhältnissen orientieren.304 Soweit es im Konzessionsgebiet wesentliche Verbräuche bestimmter Kundengruppen gibt (neben SLP-Haushaltskunden z. B. auch SLP-Gewerbekunden oder RLM-Industriekunden), soll es daher allein sachgemäß sein, auch die in diesen Segmenten zu erwartenden Entgelte als Unter-Unter-Kriterien abzufragen.305 335 Um dem Gleichbehandlungsgebot zu entsprechen, ist eine Vergleichbarkeit der Prognosen sicherzustellen. Die Bewerber müssen insoweit von einheitlichen Grundannahmen (Kalkulationsgrundlagen) ausgehen können. Die Gemeinden können dies gewährleisten, indem sie das relevante Lastverhalten (Jahreshöchstleistung und Jahresarbeit) der einzelnen repräsentativen Abnahmefälle, soweit wie möglich, vorab definieren. Die von der BNetzA in ihrem jährlichen Monitoringbericht gebildeten Referenzabnahmefälle können hierfür eine gewisse Orientierung bieten306 (SLP-Haushaltskunden: Jahresarbeit 2.500 bis 5.000 kWh307; RLM-Gewerbekunden (Niederspannung): Jahresarbeit 50 MWh, Jahreshöchstlast 50 kW und Jahresbenutzungsdauer 1.000 h; RLM-Industriekunde (Mittelspannung): Jahresarbeit 24 GWh, Jahreshöchstlast 4.000 kW und Jahresbenutzungsdauer 6.000 h). 336 Für SLP-Kunden (v. a. Haushaltkunden) wird die Jahreshöchstleistung zwar nicht gemessen. In ihrer Netzentgeltkalkulation treffen die Netzbetreiber gleichwohl bestimmte Annahmen über das Lastverhalten von Haushaltskunden und damit typischerweise implizit auch über deren Jahreshöchstleistung.308 Um unerwünschte Quersub 







303 Zum Ganzen: OLG München, Urteil v. 9.7.2020 – 29 U 1780/20 Kart, S. 6 (Urteilsumdruck); OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart bis 16 U 81/19 und 16 U 83/19 Kart, S. 21 ff. (Urteilsumdruck); OLG Brandenburg, Urteil v. 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart, Rn 111; in diese Richtung offenbar auch schon OLG Stuttgart, Urteil v. 19.11.2015 – 2 U 60/15, Rn 65. 304 OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart bis 16 U 81/19 und 16 U 83/19 Kart, S. 21 ff. (Urteilsumdruck); scheinbar weniger streng: OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2020 – 2 U 218/18, Rn 159. 305 OLG Schleswig-Holstein, a. a. O., S. 22. 306 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2020 – 2 U 218/18, Rn 159; Nach Ansicht des OLG Schleswig-Holstein rechtfertigen die von der BNetzA gewählten Referenzabnahmefälle es aber nicht, auf die Abfrage der Tarife für SLP-Gewerbekunden zu verzichten. OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart bis 16 U 81/19 und 16 U 83/19 Kart, S. 21 ff. (Urteilsumdruck). 307 Vor 2016 wurden Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh betrachtet. 308 Gabel, et 6/2021, 57 ff.  

















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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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ventionierungen auszuschließen, können und sollten die Gemeinden, wenn sie die Kalkulationsgrundlage der Jahreshöchstleistung von SLP-Kunden nicht selbst einheitlich vorgeben können, von den Bewerbern zumindest eine Offenlegung dieser Kalkulationsgrundlage einfordern.309 Die Punktegewichtung zwischen den so zu bildenden Unter-Unter-Kriterien (Ab- 337 nahmefälle) ist in Entsprechung der Anteile der jeweiligen Kundengruppe an der örtlichen Gesamtabnahmemenge bzw. ihres Anteils an der Tragung der Netzentgelte im Gemeindegebiet vorzunehmen.310 Eine Gleichgewichtung aller Kundengruppen dürfte daher praktisch kaum zulässig sein. Nach Ansicht des OLG München kann sich die Gemeinde dabei auch nicht darauf berufen, dass ihr die Verbrauchsdaten der einzelnen Kundengruppen nicht bekannt seien. Dies insoweit, als es ihr möglich sein soll, diese Angaben vom Bestandsnetzbetreiber vorab zu beschaffen.311 Bislang ungeklärt ist die Frage, ob auch die Höhe des Netzentgelttarifs für steuer- 338 bare Verbrauchseinrichtungen i. S. d. § 14a EnWG (z. B. für Wärmepumpen und Ladepunkte für E-Mobile) als weiteres Unter-Unter-Kriterium festgelegt werden darf. Dass die Gemeinde mit dem Mittel der Konzessionsvergabe für weitere preisliche Anreize zum Zubau solcher Verbrauchseinrichtungen sorgen darf, ist fraglich. Sie würde damit zwar das naheliegende Ziel der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und des Verkehrs verfolgen, zugleich aber über die Regelung des § 14a EnWG hinaus, die Quersubventionierung zulasten der übrigen Kundengruppen weiter verstärken und insoweit in den Zuständigkeitsbereich der Regulierung eingreifen.  





c) Prognosezeitraum Bei der Frage, für welchen Zeitraum die Netzentgelte zu prognostizieren sind, herrscht 339 keine einheitliche Vergabepraxis. Zum Teil werden Prognosen gefordert, die lediglich den Rest der laufenden Regulierungsperiode abbilden sollen. Das andere Extrem bilden Forderungen, die künftigen Entgelte für die gesamte Konzessionsdauer (20 Jahre) abzuschätzen. In den Hinweispapieren der EKartB Baden-Württemberg und der LKartB Schleswig-Holstein findet sich die Empfehlung, bei nach § 26 ARegV zu übertragenen EOG einen Zeitraum zu betrachten, der deutlich über das Auslaufen der so gebildeten EOG (max. 7 Jahre) hinausgeht.312 In der Rechtsprechung lässt sich auch keine einheitliche Linie erkennen. Das Kam- 340 mergericht313 hat einen auf die laufende Regulierungsperiode (Restlautzeit von lediglich

309 Zur Festlegung der Plausibilisierungsanforderungen: Rn 354. 310 OLG München, Urteil v. 9.7.2020 – 29 U 1780/20 Kart, S. 6 f. (Urteilsumdruck); OLG Brandenburg, Urteil v. 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart, Rn 111. 311 OLG München, Urteil v. 9.7.2020 – 29 U 1780/20 Kart, S. 7 (Urteilsumdruck). 312 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3 f.; Hinweispapier LKartB SchleswigHolstein, S. 27, 26. 313 KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, Rn 110.  



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

2 Jahren) beschränkten Prognosezeitraum nicht beanstandet, weil erhebliche Unsicherheit bestünden, welche Werte für die neue Regulierungsperiode zugrunde zu legen sind. Das LG Leipzig314 gab hingegen zu verstehen, dass es der Forderung nach Entgeltprognosen wegen der regelmäßig längeren Konzessionslaufzeit immanent sei, dass diese die Dauer einer Regulierungsperiode übersteigt. In diese Richtung dürfte auch das OLG Schleswig-Holstein315 zu verstehen sein. Es stellte fest, dass es beim Konzessionswettbewerb darum ginge, den Bewerber zu bestimmen, der die größte Gewähr dafür bietet, die Ziele des § 1 EnWG während der Konzessionslaufzeit am besten zu erfüllen. Damit sei es unvereinbar, allein auf die Preise der Vergangenheit abzustellen. Ein sachgerechter Kriterienkatalog müsse darauf gerichtet sein, den Zielkonflikt zwischen den Preisen einerseits und den im Konzessionswettbewerb ebenfalls anzubietenden Investitionen ins Netz und den Netzservice (Störungsbeseitigung, Kundencenter, etc.) auszuloten. Das könne aber nicht gelingen, wenn die Preise ohne Rücksicht auf zukünftige Investitionen abgefragt werden. Es sei mindestens auch auf Entgeltprognosen für die Zeit nach Ablauf des Alt-Konzessionsvertrages abzustellen. 341 Auch das OLG Karlsruhe316 hielt zunächst grundsätzlich fest, dass in den Auswahlkriterien das Ziel abzubilden sei, für die Konzessionslaufzeit günstige Netzentgelte zu erreichen. Prognosen für die gesamte Laufzeit betrachtete es aber als hypothetisches Zuschlagskriterium; wohl wegen der Unsicherheiten über die Entwicklung des Regulierungsrahmens. Es nahm auch keinen Anstoß daran, dass bei einer Vergabe (Angebotsaufforderung Ende 2019) die Netzentgelte allein aufgrund einer Prognose für die Jahre 2020 bis 2023 (Strom) bzw. 2020 bis 2022 (Gas) und nicht auch für die folgende Regulierungsperiode abgefragt wurden. Auf dem komplexen Gebiet der Netzentgeltprognosen seien solche vereinfachenden Vorgaben der Gemeinde grds. nicht zu beanstanden. Es sei aber vorauszusetzen, dass diese Vereinfachungsvorgabe unterschiedslos für alle Bewerber gelte, von keiner spezifischen Bevorzugungsabsicht getragen sei und überdies objektiv gerade nicht so gewählt werde, dass sich dann das Ergebnis eines Vergleichs zweier Angebote erheblich von dem unterscheidet, dass sich ohne die Vereinfachung ergäbe. M. a. W. müsse die Betrachtung der für die ersten Jahre prognostizierten Netzentgelte hinreichend aussagekräftig sein für die Entwicklung über die gesamte Laufzeit. Es dürfen sich keine signifikanten Unterschiede gegenüber einem Vergleich längerfristiger Bieterprognosen ergeben.317 Auch müsse die Gemeinde die unterbreiteten Prognosen mit beträchtlicher Detailtiefe auf ihre Plausibilität hin überprüfen, um mögliche Fehler  



314 LG Leipzig, Urteil v. 17.6.2015 – 5 O 1339/15, Rn 42. 315 OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 18 ff. (Urteilsumdruck). 316 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 169 ff. 317 Dies soll aber der Fall sein können bei besonders hohen Kostensenkungen bzw. Effizienzsteigerungen, die seit Festlegung der aktuellen EOG vorgenommen wurden und erst in den folgenden Regulierungsperioden zu signifikanten Unterschieden zwischen den Bewerbern führen. Im zugrunde liegenden Fall seien für das OLG Karlsruhe hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür aber nicht ersichtlich gewesen.  





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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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bei der Bewertung zu vermeiden. Unter diesen Voraussetzungen sei nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde auf Prognosen der kommenden Regulierungsperiode verzichte. Den grundsätzlichen Erwägungen des OLG Karlsruhe mag man zustimmen. Das 342 nachvollziehbare Ziel, den Unsicherheitsfaktor „Regulierungsrahmen“ bei der Prognoseerstellung und späteren Prognosebewertung auszuschalten, darf aber nicht dazu führen, den Aspekt des Leistungswettbewerbs gänzlich zu vernachlässigen. Es muss sichergestellt werden, dass auch erkennbar ist, wie sich die im Konzessionswettbewerb versprochenen Leistungen und Investitionen auf die künftige Entwicklung der örtlichen Netzentgelte auswirken. Ob hierfür ein Prognosehorizont von nur sehr wenigen Jahren genügen kann, ist fraglich. Im Allgemeinen erscheint es daher für die Gemeinden ratsam, den Hinweispapieren der EKartB Baden-Württemberg und der LKartB SchleswigHolstein zu folgen und einen Prognosezeitraum zu wählen, der deutlich über das Auslaufen der gebildeten EOG hinausgeht und damit auch die Entwicklung der nachfolgenden Regulierungsperiode einschließt.318 Erwägenswert erscheint es aber auch, das Kriterium der zukünftigen Netzentgelte 343 in zwei Unter-Unter-Kriterien mit möglicherweise unterschiedlichen Plausibilisierungsanforderungen und/oder unterschiedlichen vertraglichen Sanktionsregimen aufzuspalten und auf diese Weise sowohl eine eher kurzfristige (aktuelle Regulierungsperiode) als auch eine sich daran anschließende weiter in die Zukunft (folgende Regulierungsperiode/n) blickende Prognose abzufragen. In jedem Fall müssten dabei aber die Auswirkungen der im Konzessionswettbewerb versprochenen Leistungen auf die Preisentwicklung insgesamt angemessen berücksichtigt (gewichtet) werden.

d) Entgeltbildende Faktoren und Prognosevorgaben der Gemeinde Geht man davon aus, dass mit dem Kriterium der künftigen Netzentgelthöhe abzufragen 344 ist, was die Kunden im Falle einer Bezuschlagung des Bieters konkret bezahlen müssten, sind bei der Prognoseerstellung grds. alle regulatorischen und kostenbildenden Faktoren zu berücksichtigen, die für die Netzentgeltberechnung von Relevanz sind. Dazu gehören auch die vorgelagerten Netzentgelte319, die Kosten für vermiedene Netzentgelte sowie die Netzeinbindungskosten im Falle eines Netzbetreiberwechsels320. Für die Gemeinde ist es schon aus Transparenzgesichtspunkten ratsam, im Verfahrensbrief klarzustellen, dass vergleichbare Endpreise zu prognostizieren sind, in denen folglich alle

318 Zur Prognoseprämisse „regulatorischer Rahmen“ vgl. Rn 347. 319 LG Dortmund, Urteil v. 8.10.2019 – 13 O 10/19 EnW, Rn 54; so auch schon Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3 f. 320 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3 f.; Hinweispapier LKartB SchleswigHolstein, S. 26 f.; Theobald/Kühling/Theobald, EnWG, 110. EL Januar 2021, § 46 Rn 144 (Netzentgeltprognose unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien (z. B. unterschiedliche Kosten für galvanische oder netztechnische Entflechtung); OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 192.  







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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

relevanten Kostenfaktoren enthalten sein müssen. Dabei dürfte es aber auch bereits in ihrem Eigeninteresse liegen, für bestimmte Kosten- und Berechnungsfaktoren einheitliche Prognosevorgaben zu machen.321 345 Die Entwicklung der Netzentgelte hängt von so vielen Einflussfaktoren ab, dass entsprechende Prognosen als naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet angesehen werden.322 Sie müssen nach der Rechtsprechung gleichwohl abgefragt und folglich auch bewertet werden. Bereits aus dem Diskriminierungsverbot (§ 46 Abs. 1 EnWG, § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB) folgt, dass dabei auch die Güte und Plausibilität der abgegebenen Prognosen und der ihnen zugrundeliegenden Annahmen bewertungsrelevant sein müssen.323 Um die für eine sachgerechte und diskriminierungsfreie Bewertung erforderliche Vergleichbarkeit der Prognosen sicherzustellen und die gemeindeseitige Aufgabe der Feststellung von Vor- und Nachteilen der einzelnen Gebote zu vereinfachen, ist es daher zweckmäßig und gerade für unternehmensexterne Faktoren der Entgeltbildung regelmäßig auch geboten, den Bewerbern bestimmte Kosten- und Berechnungsfaktoren einheitlich vorzugeben.324 346 Der Rechtsprechung lassen sich hierfür allgemeine Grundsätze entnehmen. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe müssen (vereinfachende) Prognosevorgaben unterschiedslos für alle Bewerber gelten, dürfen von keiner spezifischen Bevorzugungsabsicht getragen sein und objektiv nicht so gewählt werden, dass sich das Ergebnis eines Vergleichs der Angebote dann erheblich von dem unterscheidet, was sich ohne diese Prognosevorgabe ergäbe.325 Das mit dem Auswahlkriterium abzubildende Ziel, für die gesamte Vertragslaufzeit günstige Netzentgelte zu erreichen, darf damit nicht verkürzt und mögliche Preis- bzw. Bewertungsunterschiede zwischen den Bewerbern nicht in Wegfall gebracht werden. Unter diesen Voraussetzungen bieten sich insbesondere Vorgaben an zum Regulierungsrahmen, zu etwaigen Netzzuwächsen oder -abgängen bei den Bewerbern326, Vorgaben zur Gesamtabnahmemenge und zum Lastverhalten der relevanten

321 Weichen Bieter von diesen Vorgaben ab, kann dies aufgrund der gemeindeseitigen Bindung an das Diskriminierungsverbot und des Transparenzgebot in letzter Konsequenz dazu führen, dass die abgegebenen Prognosen nicht bewertet werden dürfen. 322 LG Leipzig, Urteil v. 17.6.2015 – 5 O 1339/15, Rn 42; LG München I, Beschluss v. 29.2.2016 – 37 O 3123/16, Rn 68; KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, Rn 106 f.; OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017 – 11 U 51/ 17 (Kart), Rn 58; OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 20 (Urteilsumdruck). 323 Vgl. OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 19 f. (Urteilsumdruck); OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 183; LG Leipzig, Urteil v. 17.6.2015 – 05 O 1339/15, Rn 42; LG Berlin, Urteil v. 9.12.2014 – 16 O 224/14 Kart, Rn 101. 324 Im Ansatz: OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart, Rn 180. 325 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20, Rn 177; OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 185. 326 Den Gemeinden dürfte zuzugestehen sein, bei ihrer Prognoseabfrage den Fortbestand der aktuellen Netzgebiete der Bewerber unter Hinzunahme des eigenen Konzessionsgebiets zu unterstellen und eventuelle Netzzuwächse oder -abgänge durch andere noch nicht abgeschlossene Konzessionsvergaben auszublenden.  







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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

345

Abnahmefälle im Konzessionsgebiet327, Vorgaben zur Gesamteinspeisemenge im betreffenden Netz und zur installierten Leistung von EE- und KWK-Anlagen, Vorgaben zur Höhe der vermiedenen Netzentgelte328 und zu vorgelagerten Netzentgelten.

aa) Regulatorischer Rahmen Die Methodik der Netzentgeltberechnung wird durch die Netzentgeltregulierung vor- 347 gegeben. Dieser Rahmen ist nicht statisch, sondern verändert sich im Zeitverlauf. Wird richtigerweise ein Prognosezeitraum gewählt, der über eine Regulierungsperiode hinausreicht, kann die Einschätzung der regulatorischen Entwicklung weder den Bewerbern überlassen bleiben, noch könnten die hierzu getroffenen Annahmen von den Gemeinden rechtssicher bewertet werden. Um gleichwohl die für eine diskriminierungsfreie Angebotswertung erforderliche Vergleichbarkeit der abgegebenen Prognosen sicherzustellen, muss daher notwendigerweise allen Bewerbern ein einheitlicher regulatorischer Kalkulationsrahmen vorgegeben werden. Für die Gemeinden bietet es sich an, hierbei auf den aktuellen Regulierungsrahmen zurückzugreifen. Naturgemäß kann dabei kein vollständig zutreffendes Bild der künftigen Netzentgelthöhe entstehen. Auch würde die Gemeinde damit eine noch zu treffende Entscheidung übergehen, die nach der Rechtsprechung des EuGH329 in die alleinige Kompetenz der Regulierungsbehörde fällt.330 Eine sachgerechtere Vorgehensweise ist für die Gemeinden, die selbst auch keine Kenntnis über die Entwicklung des Regulierungsrahmens haben, nach der nationalen Rechtsprechung aber gleichwohl die künftige Netzentgelthöhe abfragen sollen, nicht ersichtlich.331 Weil damit alle unter denselben regulatorischen Bedingungen kalkulieren, lässt sich zumindest eine Benachteiligung einzelner Bieter im Regelfall ausschließen.332

bb) Vorgelagerten Netzkosten Die im Konzessionswettbewerb abzuverlangenden Prognosen haben grds. auch die vor- 348 gelagerten Netzentgelte mitzuberücksichtigen. Schließlich beinhalten die Netzentgelte, die die örtlichen Netzkunden zu zahlen haben, eben auch diese Kosten.

327 Rn 333. 328 Soweit vermiedene Netzentgelte noch gezahlt werden (§ 120 EnWG). 329 EuGH, Urteil v. 2.9.2021, Rs. C-718/18 – ECLI:EU:C:2021:662. 330 Das OLG Schleswig-Holstein hat (allerdings vor dem besagten EuGH-Urteil) einen dahingehenden Einwand als unbeachtlich zurückgewiesen (Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 20 (Urteilsumdruck)). 331 Zur Möglichkeit der Vereinheitlichung der Prognoseprämissen mittels Bietergespräche nach Abgabe indikativer Angebote: Thüringer Oberlandesgericht, Urteil v. 25.6.2021 – 2 U 899/20 Kart, S. 19 (Urteilsumdruck). 332 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, Rn 158; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil v. 25.6.2021 – 2 U 899/20 Kart, S. 18 (Urteilsumdruck).  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Das OLG Karlsruhe hat in diesem Kontext eine Vereinfachungsvorgabe akzeptiert, nach der die geforderten Entgeltprognosen über den gesamten Prognosezeitraum unter konstantem Ansatzes der zum Vergabezeitpunkt bestehenden Kosten des vorgelagerten Übertragungsnetzes unter Außerachtlassung der Effekte des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes (einheitliche ÜNB-Netzentgelte) zu bilden waren.333 Soweit ersichtlich ist bislang aber noch nicht entschieden worden, ob die Gemeinden zu diesen Prognoseparameter stets verbindliche Vorgaben machen müssen.334 Die EKartB Baden-Württemberg gibt in ihrem Musterkriterienkatalog lediglich zu verstehen, dass hinsichtlich der Prognosegüte getrennt werden kann in Netzentgelte mit und ohne vorgelagerten Netzkosten, womit sich der Unterschied zwischen bewerberseitig beeinflussbaren und weniger beeinflussbaren Kalkulationsbestandteilen widerspiegele. Für die Konzessionsvergabe selbst seien aber die Netzentgelte mit den vorgelagerten Netzkosten entscheidend, wobei auch etwaige Unterschiede infolge einer vorzunehmenden Entflechtung (z. B. nach einer Netzübergang) zu berücksichtigen sein sollen.335 Davon ausgehend wird man differenzieren können. Die bilanziellen und kalkulatorischen Kosten der vorgelagerten Netzbetreiber stellen für die Bewerber unbeeinflussbare unternehmensexterne Faktoren dar. Das gilt selbstverständlich auch für die aus den unternehmensindividuellen EOGs künftig zu bildenden bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten (§§ 14a ff. StromNEV). Die konkrete Entwicklung dieser Faktoren können die Bewerber weder sachgerecht prognostizieren noch plausibilisieren, weshalb diese auch nicht zum Gegenstand des (Unterbietungs-)Wettbewerbs gemacht werden können. Soweit es aber bei einem Netzbetreiberwechsel (z. B. infolge von technischen Entflechtungen bzw. Netzeinbindungen) zu Unterschieden bei der Ermittlung der konkreten Höhe der vorgelagerten Netzentgelte kommen kann336, erscheint es naheliegend, dass dieser mögliche Preisunterschied auch zum Wettbewerbsparameter gemacht werden sollte. Es bietet sich an, den Bewerbern einheitlich vorzugeben, von einem konstanten Ansatz der aktuellen Preisblätter des vorgelagerten Netzbetreibers sowie der aktuellen Gesamtabnahmemenge durch das betreffende örtliche Verteilernetzes auszugehen, zugleich aber eine plausible Darlegung abzuverlangen, welche Effekte ihre Netzübernahme (Konzessionierung) auf die künftigen vorgelagerten Netzentgelte haben wird.  





333 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 184. 334 Das LG Dortmund hat eine Rüge, wonach es sachwidrig sei, wenn die Gemeinde ihre Auswahl auch davon abhängig mache, wie ein Bieter die Entwicklung der vorgelagerten Netzentgelte prognostiziere, als präkludiert zurückgewiesen. LG Dortmund, Urteil v. 8.10.2019 – 13 O 10/19 EnW, Rn 55. 335 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü., S. 3 f. 336 Ebenfalls von der Möglichkeit ausgehend: Kermel/Schwensfeier, Praxishandbuch, 1. Aufl., 5. Kap, Rn 223.  

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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

347

cc) Übertragung der Erlösobergrenze Im Falle eines Netzbetreiberwechsels innerhalb der laufenden Regulierungsperiode 350 würde sich das Netzentgelt des Neukonzessionärs für die Restlaufzeit der Regulierungsperiode ausgehend von der EOG oder dem für den übergehenden Netzteil zuzuordnenden Anteil dieser EOG berechnen, die für den Altkonzessionär festgelegt wurde. Ist der Neukonzessionär bereits außerörtlich aktiv, erhöht sich die für ihn festgelegte EOG entsprechend. Welche materiellen Maßstäbe für die EOG-Übertragung zugrunde zu legen sind, wird hinreichend detailliert geregelt (§ 26 Abs. 3 bis 5 ARegV). Diese Maßstäbe gelangen zur Anwendung, wenn die beteiligten Netzbetreiber keinen übereinstimmenden Antrag zur Aufteilung der EOG stellen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 ARegV). Vor diesem Hintergrund ist vom OLG Karlsruhe auch nicht beanstandet worden, dass gemeindeseitig keine verbindliche Vorgabe dazu gemacht wurde, welche Annahmen der EOG-Übertragung zugrunde zu legen sind.337 Dass damit für Newcomer und vergleichsweise kleine Netzbetreiber ein erheblich größerer Gestaltungsspielraum bei der Prognoseerstellung verbunden ist, der einer Plausibilitätsprüfung bei der Angebotsauswertung nicht zugänglich wäre, erkannte das Gericht nicht an.

dd) Einbindungs- bzw. Entflechtungskosten Nach Ansicht der EKartB Baden-Württemberg und der LKartB Schleswig-Holstein338 soll 351 den Bewerbern eine verlässliche Netzentgeltprognose für das ausgeschriebene Konzessionsgebiet abzuverlangen sein, wobei verschiedene Szenarien, wie die unterschiedlichen Kostenauswirkungen im Falle einer technischen oder galvanischen Entflechtung, berücksichtigt werden sollten. Das OLG Karlsruhe geht davon aus, dass die Gemeinden eine plausible Einschätzung der im Falle der Konzessionsvergabe zu erwartenden Einbindungs- bzw. Entflechtungskosten zu verlangen hat, soweit diese möglicherweise von dem Bewerber bei der darzulegenden Höhe der Netzentgelte zu berücksichtigen sein könnte.339 Nicht erforderlich sei es hingegen, dass die Gemeinde konkrete Vorgaben zu den Entflechtungskosten macht.

e) Plausibilitätsprüfung und Plausibilisierungsanforderungen Netzentgeltprognosen sind naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. In der Rechtspre- 352 chung wird zwar hingenommen, dass selbst unrichtige (womöglich geschönte) Prognosen kaum vollständig ausschaltbar sind.340 Das Risiko späterer Prognoseverfehlungen soll aber dadurch minimiert werden (können), indem die Bewerber bestimmte Plausibi-

337 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 183. 338 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3 f.; Hinweispapier LKartB SchleswigHolstein, S. 26 f. 339 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 194. 340 OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart,, S. 20 (Urteilsumdruck).  





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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

lisierungsanforderungen erfüllen müssen und die Gemeinde einen entsprechenden (ggf. sachverständig unterstützten) Nachvollzug der Bewerberprognosen unternimmt.341 In der Tat ist schon aus dem Diskriminierungsverbot (§ 46 Abs. 1 EnWG, § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB) abzuleiten, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit der Bewerberprognosen bewertungsrelevant sein muss. Eine sachgerechte und diskriminierungsfreie Angebotsbewertung setzt eine dahingehende Sachermittlung (Plausibilitätsprüfung) der Gemeinde voraus, bei der die Prognosegüte und Plausibilität der von den Bewerbern zugrunde gelegten Annahmen zu würdigen sind.342 353 Bei der Frage, welche Intensität die Plausibilitätsprüfung der Gemeinde haben muss und welcher Substantiierungs- bzw. Plausibilisierungsgrad von den Bewerbern abzuverlangen ist, sind bislang noch keine einheitlichen Mindeststandards erkennbar.343 Das OLG Karlsruhe hat bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer sehr weitreichenden Forderung nach Offenlegung sensibler Unternehmensdaten sogar betont, dass die Gemeinde die Bewertung und den Grad der hierzu erforderlichen Sachermittlung und Plausibilisierung im Rahmen des ihr zustehenden Spielraums bestimme.344 Im Allgemeinen wird man aber anzunehmen haben, dass die Plausibilitätsprüfung umso intensiver erfolgen muss, wenn die Einhaltung der prognostizierten Netzentgelthöhe gar nicht rechtsverbindlich zugesichert werden soll (kann) und für spätere Prognoseverfehlungen kein effektives Sanktionsregime besteht.

aa) Mitteilung der Plausibilisierungsanforderungen 354 Für die Gemeinden ergibt sich aus dem Transparenzgebot die Pflicht, im Vorfeld der Be-

wertung die Maßstäbe ihrer Plausibilitätsprüfung mitzuteilen. Damit ist zugleich die Pflicht verbunden, transparent zu machen, welcher konkrete Grad an Plausibilisierung der Kalkulation (z. B. in Gestalt von bloßen Bezifferungen, zusätzlichen erläuternden Stellungnahmen, spezifischen Nachweisen, etc.) im Allgemeinen bzw. für welche entgeltbildenden Faktoren der Prognoserechnung im Besonderen von den Bietern erwartet wird.345 Nach Ansicht des OLG Karlsruhe346 soll es dabei keinen Bedenken begegnen, wenn sich die Gemeinde im Verfahrensbrief ausdrücklich vorbehält, bei der Auswertung der indikativen Angebote zu prüfen, welcher konkreten (davor noch nicht spezi 

341 OLG Schleswig-Holstein, a. a. O.; LG Leipzig, Urteil v. 17.6.2015 – 5 O 1339/15, Rn 42. 342 Schulte-Beckhausen/Hofmann, RdE 2015, S. 13, 14 (Überprüfung der Wahrscheinlichkeit und Robustheit von Prognosen); In diese Richtung auch schon LG Berlin, Urteil v. 9.12.2014 – 16 O 224/14 Kart, Rn 101; LG Düsseldorf, Urteil v. 11.12.2014 – 37 O 96/14, Rn 45; OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 183. 343 Allgemein: OLG Celle, Urteil v. 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart), Rn 39 sowie 148 ff. 344 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 188. 345 Weniger streng: OLG Schleswig-Holsteinisch, Urteil v. 25.6.2018 – 16 U 3/18 Kart, Rn 142. 346 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, Rn 192; ähnlich Thüringer Oberlandesgericht, Urteil v. 25.6.2021 – 2 U 899/20 Kart, S. 19 (Urteilsumdruck): Bietergespräch zu Vereinheitlichung der Prognoseprämissen.  





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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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fisch geforderten) ergänzenden Plausibilisierung es zur Beurteilung der angebotenen Prognosen noch bedarf und davon ausgehend, welche näheren Ausführungen erforderlichenfalls von den Bietern nachfordert werden. Solche vorbehaltenen Nachbesserungsbzw. Nachforderungsmöglichkeiten können zwar eine intensive Plausibilitätsprüfung der Gemeinde vorbereiten und zugleich das Risiko für die Bieter minimieren, dass ihre Angebote wegen mangelnder Plausibilisierung nicht bewertet werden. Es wird aber einer genauen Prüfung des Einzelfalls vorbehalten bleiben müssen, ob diese Gestaltungsmöglichkeit tatsächlich diskriminierungsfrei angewandt werden kann. Die Variationsbreite der in der Praxis abverlangten Plausibilisierungsanforderun- 355 gen ist groß. Nicht selten sollen die Bieter ihre Prognosen für das Konzessionsgebiet durch ergänzende Aussagen über ihre aktuellen Netzentgelte plausibilisieren.347 Soweit diese Tarife nicht lediglich als ein Element der gemeindeseitigen Überprüfung der Eintrittswahrscheinlichkeit und Robustheit der abgebeben Prognose herangezogen werden, dürften diese als weiteres Unter-Unterkriterien zu behandeln und dementsprechend auch gesondert zu gewichten sein348 (vgl. Rn 365 ff.). Die Rechtsmäßigkeit der gemeindeseitigen Forderung nach Offenlegung sensibler 356 Unternehmensdaten ist im Einzelfall anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen, wobei insbesondere das Nachprüfungsinteresse der Gemeinde mit dem Geheimhaltsinteresse der Bieter abzuwägen ist. Das OLG Karlsruhe349 kam nach einer solchen Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis, dass eine Gemeinde zur Plausibilisierung der den Prognosen zugrunde gelegten Daten, von den Bietern auch die an die Regulierungsbehörde gerichtete Datenübermittlungen zum Regulierungskonto350 eines bestimmten Jahres sowie die Verprobungsrechnungen351 der Preisblätter desselben und zwei folgender Jahre fordern durfte. Dabei sah es das Geheimhaltungsinteresse der Bieter durch den nach § 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG gesetzlich vorgesehenen und im Fall gemeindeseitig gesondert zugesicherten Geheimnisschutz als gewährleistbar an. Ob aber eine andere Beurteilung geboten sein kann, sollte die Gemeinde durch einen Eigenbetrieb am Bieterwettbewerb teilnehmen, war im Fall nicht zu entscheiden und wurde vom Gericht daher offengelassen.  

347 Vgl. zugrundliegender Kriterienkatalog bei LG Dortmund (Urteil v. 8.10.2019 – 13 O 10/19 EnW, Rn 9) und OLG Koblenz (Urteil v. 12.9.2019 – U 678/19 Kart, Rn 46). 348 OLG Stuttgart, Urteil v. 19.11.2015, Az. 2 U 60/15, Rn 65. 349 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 186 ff. 350 Anhand der Angaben zum Regulierungskonto wollte die Gemeinde die konkreten Absatz- und Leistungsmengen sowie die tatsächlichen Kosten für das vorgelagerte Netz und die vermiedene Netznutzung im Jahr 2016 entsprechend der Prämissen zur Netzentgeltprognose mit den Grundannahmen und Ausgangsdaten der jeweiligen Entgeltprognose abgleichen und so die Einhaltung der Prämissen überprüfen. 351 Anhand der Verprobungsrechnungen sollte nachvollzogen werden, ob der jeweilige Bieter entsprechend seiner bisherigen Vorgehensweise die Kostenwälzung (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ARegV, § 14 StromNEV) fortgeführt oder, ob er die tatsächliche Vorgehensweise zu seinen Gunsten lediglich für das Vergabeverfahren abgeändert hat.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

bb) Bewertungsrelevanz der Prognosegüte und Plausibilisierung 357 Eine strikte Vorgabe, inwieweit die Prognosegüte und die Plausibilisierung der zugrun-

de gelegten Annahmen in die Bewertung einfließen müssen, ist nicht erkennbar. Es lassen sich Gestaltungsvarianten beobachten, wonach ungenügend plausibilisierte Angaben insgesamt zur Nichtbewertung der angebotenen Prognosen führen sollen. Diese Vorgehensweise mag für die Gemeinde zwar einfacher zu handhaben sein, birgt aber ein erhebliches Konfliktpotential. Jedenfalls würde diese Vorgehensweise einen besonders hohen Transparenzgrad bei der vorherigen Mitteilung der Plausibilisierungsanforderungen voraussetzen. Wohl etwas geläufiger ist die Gestaltungsvariante, wonach sich die Prognosegüte und Plausibilisierung auf die Punktevergabe auswirken soll. Eine (vergleichsweise) geringere Plausibilisierung und die damit einhergehende größere Prognoseunsicherheit wird mit Punktabzügen verbunden. Ob diese Bewertungsmethodik praktisch diskriminierungsfrei angewandt wird, muss einer Prüfung des Einzelfalls vorbehalten bleiben. Dem Transparenzgebot folgend müsste die Gemeinde auch hier ihre Anforderungen im Vorfeld bekannt geben.

f) Bewertungsmethode 358 Mit Blick auf die Wahl der Bewertungsmethode ergeben sich keine spezifischen Beson-

derheiten. Geläufig und statthaft ist die relative Bewertungsmethode. Derjenige Bieter, der die niedrigste Netzentgeltprognose (Tarife) plausibilisieren konnte352, erhält die jeweilige Maximalpunktzahl, die übrigen Bieter relative Punktabschläge. Diese Punktabschläge werden typischerweise gemäß linearer Interpolation ermittelt. Vorzufinden sind aber auch Punktabzüge, die im Vorfeld genau definiert werden und an die konkrete Höhe oder einen bestimmten Rahmen der Überschreitung des besten Bieterwertes gekoppelt sind. Zum Teil wird die Bewertung auch an die Relation der jeweiligen Überoder Unterschreitung des Durchschnitts oder mengengewichteten Mittelwerts der Netzentgelte im jeweiligen Bundesland gekoppelt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit ist damit nicht verbunden.

3. Vertragliche Einfluss- und Sanktionsmöglichkeiten der Gemeinde 359 Mit dem Auswahlkriterium der künftigen Netzentgelte soll das Ziel abgebildet werden, für die gesamte Konzessionslaufzeit günstige Netzentgelte zu erreichen. Daher stellt sich naturgemäß die Frage, ob und wie gewährleistet werden kann, dass die prognostizierte Entgelthöhe später tatsächlich (näherungsweise) eingehalten wird.

352 Dazu Rn 357. Sauer

E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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a) Informations- und Konsultationsrechte Nach Ansicht des BGH353 ist es grds. nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde ein Ange- 360 bot besser bewertet, das es ihr erlaubt, auch nach der Konzessionsvergabe ihr legitimes Interesse an der Ausgestaltung des Netzbetriebs zu verfolgen. Das Gericht zählte hierzu Einflussmöglichkeiten der Gemeinde insbesondere auf Effizienz, Sicherheit und Preisgünstigkeit des Netzbetriebs. Vor diesem Hintergrund wäre es denkbar, dass die Gemeinde die vertragliche Einräumung von Informations-, Mitwirkungs- und Konsultationsrechten im Falle anstehender Netzentgelterhöhungen (Prognoseverfehlungen) abfragt und dies als eigenes Wertungskriterium (transparent gewichtetes Unter-Unter-Kriterium der Preisgünstigkeit) ausgestaltet. Soweit die Gemeinde legitime Einflussmöglichkeiten auf den Netzbetrieb aber bereits i. R. d. Leistungsbeschreibung für den Konzessionsvertrag für alle Angebote verbindlich vorgibt, ist ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Bewertung der ordnungsgemäßen Angebote nicht mehr möglich.354  



b) Sanktionszusagen Damit das Ausschreibungsergebnis nicht durch „zu optimistische“ Schätzungen verzerrt 361 wird, ist bereits von der Monopolkommission gefordert worden, Sanktionen vorzugeben, sofern das spätere Netzentgelt von der Schätzung im Bieterverfahren abweichen sollte.355 In der Rechtsprechung ist (soweit ersichtlich) bislang nur vom LG Stuttgart entschieden worden, dass die Gemeinde die Möglichkeit hat, entsprechende Sanktionsmöglichkeiten bei Netzentgeltüberschreitungen zu fordern und dies als Auswahlkriterium zu definieren.356 In dem zugrunde liegenden Fall wurde sogar gänzlich auf die Abfrage einer bewerberseitig vorzulegenden Entgeltprognose verzichtet. Stattdessen wurde die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts der Gemeinde für den Fall abgefragt, dass die künftigen örtlichen Netzentgelte über einen bestimmten Zeitraum die durchschnittlichen Netzentgelte von näher definierten Vergleichsunternehmen überschreitet.357 In der übrigen Rechtsprechung lassen sich hingegen Aussagen finden, wonach in Ermangelung von Sanktionsmöglichkeiten lediglich die Plausibilitätsprüfung der Gemeinde dafür sorgen kann und soll, dass sich die Entgeltprognose auch in der Zukunft verwirklicht. So hebt das LG Leipzig bei der Frage der Bewertbarkeit hervor, dass Prognosen ihrer Natur entsprechend keine verbindlichen Zielvorgaben enthalten können, aber bei

353 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 52; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss v. 9.3.2015 – 11 W 47/14 (Kart), Rn 23; KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, Rn 61; OLG Celle, Urteil v. 26.1.2017 – 13 U 9/ 16 (Kart), Rn 63; OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 156/16 Kart, Rn 123. 354 BGH, a. a. O. 355 Monopolkommission, Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 349 (dort Fn. 427). 356 LG Stuttgart, Urteil v. 23.7.2020 – 11 O 243/19, S. 37 ff. (Urteilsumdruck). 357 Sowohl die Dauer der Mittelwertüberschreitung (aufeinander folgende Jahre) als auch die Höhe der Überschreitung vom Mittelwert (in Prozent) konnte von den Bewerbern gewählt bzw. angeboten werden und war damit Gegenstand des Wettbewerbs.  





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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

allen Unwägbarkeiten an Wert gewinnen, wenn deren Annahmen schlüssig untermauert und aufgrund dessen nachvollziehbar sind.358 Auch das OLG Karlsruhe stellt fest, dass die Gemeinde hinsichtlich des Hauptkriteriums Preisgünstigkeit keine sanktionsfähige Zusage verlangen könne. In Ermangelung von Sanktionsmöglichkeiten nach Vertragsschluss sei sie auf größtmögliche Plausibilität belastbarer Netzentgeltprognosen angewiesen.359 362 In der Tat ist der gemeindeseitige Nachvollzug (Plausibilitätsprüfung) der Bewerberprognosen eine essentielle Voraussetzung für eine sachgerechte und diskriminierungsfreie Angebotsbewertung.360 Dass die Gemeinde allein auf die Selbsteinschätzung des Bieters bei seiner Gewährung von Sanktionszusagen vertrauen darf und lediglich bei konkreten gegenteiligen Anhaltspunkten (objektiven Zweifeln) in eine eigene Plausibilitätsprüfung eintritt, mag bei anderen Leistungszusagen angehen.361 Bei der Abfrage der künftigen Netzentgeltentwicklung, die nicht an die Eignung des Bieters anknüpfen und bei denen es auch sonst keine objektiven Vertrauenstatbestände gibt, kann die vertragliche Zusage von Sanktionsmöglichkeiten, deren praktische Ausübung zudem unsicher sind, für sich selbst keine Grundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung bieten; erst Recht nicht im Rahmen einer relativen Bewertungsmethode. 363 Dies führt aber noch nicht dazu, dass es generell unzulässig wäre, wenn die Gemeinde die mit den Prognosen naturgemäß verbundenen Unsicherheiten zusätzlich (neben ihrer Plausibilitätsprüfung) durch die Abfrage von Sanktionszusagen der Bieter zu kompensieren versucht. Sie kann daher in Betracht ziehen, die Bieter zur Anerkennung von Sanktionsrechten bei bestimmten Prognoseverfehlungen aufzufordern und auch dies als transparent gewichtetes Unter-Unter-Kriterium auszugestalten. Dies dergestalt, dass ab einer bestimmten (näher zu definierenden) Überschreitung der prognostizierten Entgelte, die nicht lediglich auf einer netzbetreiberseitig nachzuweisenden objektiv unbeeinflussbaren Entwicklung regulatorischer Faktoren beruht, Kündigungsrechte vereinbart werden. Es bietet sich an, diese Schwellenwerte in einem bestimmten Verhältnis zu den Durchschnittswerten der Netzentgelte des jeweiligen Bundeslandes zu definieren. Dabei könnte auch zwischen den verschiedenen Zeiträumen der Prognose insoweit differenziert werden, dass kurz- oder mittelfristig geringere oder gar keine Überschreitungen toleriert werden.362 364 Ob die Vereinbarung von Sanktionsmöglichkeiten aber tatsächlich dazu führen kann, alle Bewerber zu realitätsnahen Entgeltprognosen anzuhalten und in Entsprechung der Ergebnisse des Bieterverfahrens niedrige Netzentgelte für den Konzessionszeitraum zu verwirklichen, hängt neben den Unwägbarkeiten des Regulierungsrah-

358 LG Leipzig, Urteil v. 17.6.2015 – 5 O 1339/15, Rn 42. 359 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart. 188. 360 Rn 352. 361 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 154; OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 156/16 Kart, Rn 123; allgemein aber: LG Stuttgart, Urteil v. 23.7.2020 – 11 O 243/19, S. 18 (Urteilsumdruck). 362 Rn 343. Sauer

E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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mens aber zweifellos auch davon ab, ob die Bewerber den gemeindeseitigen Gebrauch der verabredeten Sanktionsmöglichkeiten generell und in gleicher Weise befürchten müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, dürfte sich die Einräumung gemeindeseitiger Sanktionsmöglichkeiten kaum als sachgerechtes und diskriminierungsfreies Wertungskriterium eignen.363 Zwar würde eine Gemeinde, die von ihrer Sanktionsmöglichkeit keinen Gebrauch macht, entgegen ihrer damaligen Bewertung doch ein höheres Netzentgelt akzeptieren. Sie hätte bei einer solchen Leistungsabfrage vielleicht auch einen anderen Bewerber auswählen müssen. In praktischer Hinsicht ist es aber nicht besonders naheliegend, dass eine Gemeinde auch noch lange Zeit nach Abschluss des Vergabeverfahrens zur Durchsetzung ihrer im Konzessionswettbewerb erzielten Sanktionsrechte gezwungen werden könnte. Für die unterlegenen Bietern sind auch keine dahingehend effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten ersichtlich.

4. Aktuelle Netzentgelte der Bewerber Nach Ansicht einiger OLG sollen die Gemeinden neben der zwingenden Abfrage der 365 künftigen Preisentwicklung im Konzessionsgebiet zusätzlich auch die Höhe der „aktuellen Netzentgelte“ der Bewerber (in ihren derzeitigen Netzgebieten) als transparent ausgestaltetes Unter-Kriterium festlegen und bewerten dürfen.364 Ein Zwang hierzu wird aber nicht angenommen. Die EKartB Baden-Württemberg führt zwar neben den künftigen Entgelten auch die „bisherigen Netznutzungsentgelte“ als Kriterium auf, geht in ihrer Anmerkung aber nur noch auf die Prognosen ein.365 Im Hinweispapier der LKartB Schleswig-Holstein wird nur die Netzentgeltprognose angesprochen und auch im gemeinsamen Leitfaden von BNetzA/BKartA ist beim Kriterium der Preisgünstigkeit lediglich von der „Höhe der zukünftigen Netzentgelte“ die Rede.366 Der BGH hat sich zur Zulässigkeit der Abfrage aktueller Netzentgelte der Bewerber noch nicht geäußert. In der Tat wirft dieses Kriterium einige Fragen auf. Die Ist-Werte der Bewerber in 366 ihren Netzgebieten sind für die Sicherstellung der Preisgünstigkeit im Konzessionsgebiet (Zukunftswert) nicht von unmittelbarem Interesse. Als Sachargument wird zwar

363 Vgl. aber OLG Karlsruhe (Urteil v. 3.4.2017 – 6 U 156/16 Kart, Rn 124), das in einem anderen Zusammenhang (Netzbetriebskonzept) selbst dann nicht von einem evidenten Wettbewerbsvorteil eines Beteiligungsunternehmens der Gemeinde ausging, wenn das Risiko besteht, dass die Gemeinde von einem Kündigungsrecht weniger Gebrauch macht. 364 OLG Stuttgart, Urteil v. 19.11.2015, Az. 2 U 60/15, Rn 65 (allerdings Bedenken dahingehend, dass es nur auf die aktuellen Netzentgelte im zur Vergabe anstehenden Konzessionsgebiet ankommen kann); OLG Brandenburg, Urteil v. 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart, Rn 92; OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017 – 11 U 51/17 (Kart), Rn 54 ff., 58; KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, Rn 106, so wohl auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 20 (Urteilsumdruck); OLG Frankfurt, Urteil v. 10.12.2019 – 11 U 118/19. 365 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü., S. 3. 366 Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 26 f.; Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA vom 21.5.2015, Rn 29, S. 11.  





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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

darauf verwiesen, dass es sich dabei um die einzig verfügbaren realen Werte handelt, die als Ausgangsbasis für die Netzentgeltprognose dienen können.367 Es mag auch sein, dass die aktuellen Netzentgelte eines Bewerbers in seinem bisherigen Netzgebiet, in welches das betreffende Konzessionsgebiet aufgenommen werden würde, eine gewisse Aussagekraft für die künftigen Entgelte im Konzessionsgebiet haben können; dies umso mehr, je größer das bisherige Netz im Verhältnis zum Konzessionsgebiet ist.368 Diese Umstände sprechen aber nur dafür, dass diese Gegenwartswerte bei der Bewertung durch die Gemeinde, genauer gesagt bei der Plausibilitätsprüfung der auf das betreffende Konzessionsgebiet bezogenen Bewerberprognosen neben anderen Aspekten gewürdigt werden können.369 Es ist weder ungewöhnlich noch unzulässig, wenn die Bewerber aufgefordert werden, ihre Prognosen auch durch ergänzende Aussagen über ihre aktuellen Netzentgelte zu plausibilisieren. Wird diesen Werten aber überdies ein eigenständiges Gewicht (Bewertungspunkte) beigemessen, könnte dies zu einer Relativierung des Kriteriums der zukünftigen Preisentwicklung im Konzessionsgebiet führen, die für den Konzessionswettbewerb aber gerade maßgeblich sein soll. Einen verlässlichen Rückschluss auf die örtliche Preisentwicklung erlauben diese Werte auch nicht stets. In anderen Teilen der (v. a. früheren) Rechtsprechung ist deshalb die Bewertungsrelevanz der aktuellen Netzentgelte der Bewerber in ihren bisherigen Netzgebieten verneint worden.370 Zudem werden damit die von den Bietern erst im Konzessionswettbewerb zugesagten künftigen Leistungen und Investitionsmaßnahmen vernachlässigt und damit wesentliche Aspekte des Leistungswettbewerbs relativiert. Insoweit kann diesem Unterkriterium, sofern man überhaupt die Zulässigkeit desselben annehmen darf, nur eine gegenüber der Entgeltprognose geringere Gewichtung beigemessen werden. 367 Soweit sich auch Newcomer bewerben, wäre das Kriterium in der beschriebenen Form ohnehin untauglich. Es könnte aber erwogen werden, neben einer längerfristigen Entgeltprognose auch die Netzentgelte abzufragen, die sich im aktuellen Zeitpunkt371 bei einer (fiktiven) Netzübernahme ergäben. Der Bestandskonzessionär würde seine aktuellen Netzentgelte ausweisen. Der Newcomer würde die Netzentgelte auf Basis der ihm im Erfolgsfall zu übertragenden aktuellen (ggf. anteiligen) EOG berechnen.372 Unter Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots würden die übrigen Bewerber in gleicher Weise fiktive Netzentgelte für das Konzessionsgebiet ermitteln, so dass neben der Ausweisung  

367 KG Berlin, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, Rn 106. 368 OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017 – 11 U 51/17 (Kart), Rn 54 ff., 58. 369 Rn 354 f. 370 LG Düsseldorf, Urteil v. 11.12.2014 – 37 O 96/14, Rn 35 ff., 45; LG Stuttgart, Urteil v. 5.4.2016 – 41 O 43/14 KfH, Rn 52; krit. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 19.11.2015 – 2 U 60/15, Rn 65; offenbar auch LG Magdeburg, Teilurteil v. 10.5.2017 – 36 O 15/16, Rn 65; vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 18 ff. (Urteilsumdruck). 371 Oder in naher Zukunft: Rn 343. 372 Rn 350.  









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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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ihrer aktuellen Netzentgelte373 sichtbar wird, welche Effekte eine Übertragung der entsprechenden EOG auf diese Netzentgelte hätte.

III. Auswahlkriterien zu den Kosten des Netzanschlusses In der Entscheidung „Stromnetz Berkenthin“ hat der BGH lediglich die Netzentgelte als 368 Auswahlkriterium erwähnt.374 Nach Ansicht der LKartB Schleswig-Holstein375 soll das Ziel der Preisgünstigkeit aber auch durch Aspekte der Netzanschlusskosten ausgefüllt werden können; wobei aber eine willkürliche Mindergewichtung des zwingenden Netzentgeltkriteriums vermieden werden müsse. In den Verlautbarungen der anderen LKartB wie auch im Gemeinsamen Leitfaden von BNetzA und BKartA finden sich zu diesen Unterkriterien aber keine Hinweise. Auch der Gesetzgeber der § 46 EnWG-Novelle 2016 hat diese Unterkriterien nicht erwähnt.376 Soweit deren (angemessen gewichtete) Abfrage bewerberseitig angemahnt wurde, ist von der Instanzenrechtsprechung die Ansicht vertreten worden, dass es den Gemeinden freistehe, auf die zusätzliche Abfrage der Netzanschlusskosten zu verzichten377 oder diesen Kriterien nur ein sehr geringes Gewicht zuzuweisen.378 Der BGH hat sich in seiner Folgerechtsprechung dazu noch nicht geäußert. Insgesamt sprechen auch gewichtige Gründe dafür, auf die Aufstellung dieser Unterkriterien ganz zu verzichten. Nicht zuletzt deshalb, weil mit der Erhebung dieser Kosten relevante regulatorische Funktionen verbunden sind.379

1. Hintergründe Baukostenzuschüsse (BKZ) werden erhoben, weil die Erstellung eines Netzanschlusses 369 zu einer Erhöhung der Leistungsanforderung im Netz führt, sodass bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung Kosten für die Verstärkung bzw. den Ausbau des Netzes zu erwarten sind. Da diese Kosten grds. in die Netzentgelte einfließen und damit von der Allgemeinheit der Netzkunden mitfinanziert werden, ist es nach Ansicht der BNetzA380 sinnvoll, das Netzanschlussverhalten durch Preissignale zu steuern. Mit der Erhebung von BKZ soll für die Anschlussnehmer ein ökonomischer Handlungsanreiz gesetzt wer-

373 Für das Netzgebiet, in das das betreffende Konzessionsgebiet aufgenommen werden würde. 374 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 87. 375 Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 26 f. 376 BT-Drs. 18/8184, S. 14. 377 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Rn 179. 378 LG Dortmund, Urteil v. 8.10.2019 – 13 O 10/19 EnW, Rn 66. 379 A. A. Höch/Christ, RdE 2021, 527, 539, die annehmen, dass der Gestaltungsspielraum der Netzbetreiber bei diesen Positionen größer und es daher gerechtfertigt sei, wenn die Gemeinde hier einen besonderen Akzent setze. 380 BNetzA, Positionspapier zur Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) für Netzanschlüsse im Bereich von Netzebenen oberhalb der Niederspannung vom 5.1.2009 (BK6p-06-003), S. 2.  



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

den, nur den tatsächlichen Leistungsbedarf zu beantragen und vom Netzbetreiber keine überdimensionierte Anschlusskapazität zu verlangen, die mittelfristig zu einem überdimensionierten und damit überteuerten Netz führen würde.381 Diese Überlegungen haben seinerzeit auch den Verordnungsgeber geleitet, der trotz Einführung der Netzentgeltregulierung (2005) und entgegen anderslautender Forderungen an der Praxis der Erhebung von BKZ gerade wegen ihrer Lenkungs- bzw. Steuerungsfunktion festhielt. Mit § 11 NAV/NDAV ist im Bereich der Verbrauchsanschlüsse an Niederspannungs- bzw. Niederdrucknetze daher eine Rechtsgrundlage geschaffen worden, nach der die Netzbetreiber von jedem Anschlussnehmer einen angemessenen Baukostenzuschuss verlangen können.382 Mit der Deckelung der gesamten BKZ auf 50 % der Kosten für die Erstellung oder Verstärkung der örtlichen Verteileranlagen sollte ausdrücklich nicht nur dem Interesse an einer möglichst kostengünstigen Errichtung eines Netzanschlusses Rechnung getragen, sondern auch die mit der Erhebung intendierte Lenkungswirkung im Interesse einer möglichst kostengünstigen Elektrizitätsversorgung berücksichtigt werden.383 Zudem ist mit § 9 Abs. 1 Nr. 4 und § 7 Abs. 2 Nr. 4 StromNEV/GasNEV dafür gesorgt worden, dass BKZ nicht zur Erzielung zusätzlicher Erlöse erhoben werden können. Vielmehr sollen diese Zuschüsse die umzulegenden Kosten des Netzbetriebs senken und damit der Gesamtheit der Netznutzer zugutekommen.384 BKZ dienen somit auch dem Ziel, die Anschlussnehmer so verursachungsgerecht wie möglich zu den Verteilungskosten heranzuziehen und auf diese Weise die Kosten des Netzbetriebs und damit auch die kostenorientiert gebildeten Netzentgelte zu senken.385 370 Dem Grundsatz der verursachungsgerechten Kostenzuordnung dient auch die Erhebung von Netzanschlusskosten (NAKB). Dabei handelt es sich um Erstattungsbeiträge für die Herstellung des Netzanschlusses, die unmittelbar und individuell einem einzelnen Anschluss zugeordnet werden können. Gerade wegen dieser individuellen Zuordenbarkeit hielt es der Verordnungsgeber (§ 9 NAV/NDAV) auch nicht für gerechtfertigt, die Kosten des jeweiligen Netzanschlusses auf die allgemeinen Netzentgelte umzulegen. Durch die Erhebung von NAKB soll Leistungsgerechtigkeit auf der Grundlage des Verursachungsprinzips sichergestellt werden.386 Bei Netzanschlüssen in anderen Netzebenen gilt (mit Ausnahme von Biogasanschlüssen und Netzanschlussleitungen für Offshore-Windparks) ebenfalls das Verursachungsprinzip.387 Diese Kosten sollen nicht von der Allgemeinheit der Netznutzer, sondern vom jeweiligen Anschlussnehmer finanziert  

381 BNetzA, a. a. O. 382 Bei Stromanschlüssen in der Niederspannung darf ein Baukostenzuschuss nur für den Teil der Leistungsanforderung erhoben werden, der über 30 kW liegt (§ 11 Abs. 3 NAV). 383 BR-Drs. 367/06, S. 45. 384 BR-Drs. 367/06, S. 44. 385 OLG Düsseldorf, Urteil v. 8.11.2006 – VI-3 Kart 291/06 (V), Rn 21 ff. 386 BR-Drs. 367/06, S. 42. 387 Britz/Hellermann/Hermes/Bourwieg, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 17 Rn 19a.  





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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

werden. Ebenso wie BKZ sind auch die vereinnahmten Netzanschlusskosten i. R. d. Netzentgeltbildung netzkostenmindernd anzurechnen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromNEV/GasNEV).  



2. Grundsätzliche Bedenken Von der Monopolkommission ist bereits bemängelt worden, dass niedrigere Gebote für 371 BKZ und Hausanschlusskosten nicht unbedingt zu einem Aufwand für die Bewerber führen.388 M. a. W. soll ein Unterbietungswettbewerb über diese Preisparameter gar keinen unmittelbaren ökonomischen Druck auf den späteren Netzbetreiber ausüben, mit der Reduzierung der BKZ/NAKB auch die dahinterstehenden Kosten zu senken. In der Tat ist dies solange der Fall, wie die entsprechenden Kosten bzw. entgangenen Einnahmen über die Netzentgelterhebung kompensiert werden können. Kosten für bestimmte Netzeinrichtungen würden dann nicht reduziert, sondern lediglich in besonderer Weise auf die Nutzer umgelegt werden.389 Ungeachtet der Frage, ob eine solche vom Regulierungsrahmen abweichende Umverteilung (Sozialisierung) der individuell zuordenbaren Anschluss- und Ausbaukosten auf die Allgemeinheit der Netznutzer überhaupt zulässig sein kann, würde es dem in § 46 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 EnWG verankerten Ziel widersprechen, die Allgemeinheit aller Netzkunden mit höheren Netzentgelten zu belasten, um neue Anschlussnehmer künftig stärker zu entlasten. Den Gemeinden dürfte es deshalb auch verwehrt sein, bei ihrer Konzessionsvergabe nur eine andere Kostenumverteilung einzufordern.390 Das Recht zur Konzessionsvergabe darf nicht gegen das Interesse der Allgemeinheit aller Netznutzer an einer preisgünstigen Energieversorgung gerichtet werden. Um einen tatsächlichen Kostensenkungsdruck aufzubauen, müssten die fraglichen 372 Unterkriterien um die Bedingung (oder ein damit korrespondierendes Unterkriterium) ergänzt werden, dass die Absenkung der BKZ (etc.) zu keinem Netzentgeltanstieg führen darf.391 Aber selbst dabei lassen sich die Konflikte mit dem bestehenden Regulierungsrahmen und dem gesetzlichen Preisgünstigkeitsziel nicht beseitigen. Denn mit der bezweckten Absenkung oder dem Verzicht auf BKZ/NAKB würden die Netzbetreiber vom gesetzlich vorgesehenen Prinzip der verursachungsorientierten Kostenzuordnung Abstand nehmen müssen. Dass die Gemeinden im bestehenden Regulierungsgefüge berechtigt wären, ein solches Verhalten einfordern, ist nicht erkennbar. Das Preisgünstigkeitsziel des § 1 Abs. 1 EnWG ist auf die Verwirklichung einer im ge- 373 samtwirtschaftlichen Kontext preisgünstigen Energieversorgung der Allgemeinheit (zu  







388 Monopolkommission, Sondergutachten 77 – Energie 2017, Rn 351. 389 I. R. d. Anreizregulierung wird daher davon ausgegangen, dass mit der Erhebung oder Nichterhebung von BKZ kein erkennbarer Effizienzvorteil einhergeht. Für die NKAB gilt dasselbe. Vgl. BGH, Beschluss v. 9.10.2012 – EnVR 88/20, Rn 28, 29. 390 So Elspas/Graßmann/Rasbach/Berberich, EnWG, NAV/NDAV, 1. Aufl., Rn 8; a. A. Probst, Auswahlkriterien, S. 219, nach dem diese Kostenumverteilung allein kommunalpolitisch zu beurteilen sein soll. 391 So verhielt sich die Gemeinde im Fall des OLG Celle, Urteil v. 17.3.2016 – 13 U 141/15 (Kart), Rn 96.  





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358

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

möglichst geringen Kosten) gerichtet. Diesem Ziel haben die Gemeinden bei ihrer Konzessionsvergabe Geltung zu verschaffen (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG). Folglich müssen sich die Unterkriterien an der Preisgünstigkeit für alle Netzkunden insgesamt orientieren. Sie dürfen nicht überproportional auf die Preisgünstigkeit nur für bestimmte Nutzergruppen gerichtet sein.392 Letzteres wäre aber der Fall, wenn die Kosten für individuelle Leistungsanforderungen (Herstellung eines Netzanschlusses etc.) nicht verursachungsgerecht erhoben werden würden. Den betreffenden neuen Anschlussnehmern entstünden dann individuell zuordenbare Sondervorteile. Werden diese Sondervorteile nicht im Wege einer verursachungsgerechten Kostenallokation abgeschöpft, verbleibt dieser Kundengruppe eine im Verhältnis zur Allgemeinheit überproportionale preisliche Begünstigung. Die Senkung oder Abschaffung von BKZ/NAKB würde also gar nicht zu einer preisgünstigeren Versorgung der Allgemeinheit führen. Auch daher liegt es nahe, anzunehmen, dass es der Gemeinde nach § 46 Abs. 4 Satz 1 und 2 i. V. m. § 1 Abs. 1, EnWG verwehrt ist, die Netzbetreiber in einem Unterbietungswettbewerb dazu aufzufordern, vom Prinzip der verursachungsgerechten Kostenzuordnung abzuweichen und ganz oder teilweise auf die Erhebung von BKZ/NAKB zu verzichten. 374 Zu bedenken ist auch, dass die mit dem Unterbietungswettbewerb bezweckte Absenkung oder dem Verzicht auf BKZ zu einer Außerkraftsetzung der hinter der Erhebung stehenden Lenkungs- bzw. Steuerungsfunktion führt. Damit werden die vom Verordnungsgeber und der Regulierung in Ausgleich gebrachten Ziele der Netzanschlussregulierung (kostengünstige Netzanschlusserstellung, verursachungsgerechte Kostenallokation, Realisierung effizienter Netzkosten) konterkariert und deren intendierte Wirkung, eine i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG für die Allgemeinheit preisgünstige und effiziente Versorgung sicherzustellen, untergraben. Ungeachtet der Frage, ob Netzbetreiber und Gemeinden überhaupt von diesem Regulierungsergebnis abweichen dürfen, entspricht die Preisgabe der Steuerungsfunktionen der BKZ-Erhebung und die damit verbundene Inkaufnahme netzwirtschaftlich ineffizienten Netzanschlussverhaltens weder dem Gesetzeszweck der Preisgünstigkeit noch dem der Sicherstellung einer effizienten Versorgung, an die die Gemeinden bei ihrer Konzessionsvergabe aber gerade gebunden sind.  







IV. Gewichtung der Preiskriterien 1. Grundsätzliches (Bedeutung der Preisgünstigkeit) 375 Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG sind die Gemeinden verpflichtet, in ihren Kriterienkatalo-

gen jedes einzelne der in § 1 Abs. 1 EnWG aufgeführten Ziele zu berücksichtigen. Eine konkrete (prozentuale) Gewichtung dieser Ziele und Kriterien hat der Gesetzgeber aber

392 Dazu bereits Rn 333. Sauer

E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

359

bewusst nicht geregelt.393 Den Gemeinden soll ein weiter Entscheidungsspielraum belassen bleiben.394 Daraus folgt zunächst, dass die unterschiedlichen Kriterien nicht gleichgewichtet werden müssen. So lässt sich z. B. den Kriterien der Preisgünstigkeit und solchen der Umweltverträglichkeit ein unterschiedliches Gewicht einräumen.395 Dem kommunalen Entscheidungsspielraum sind allerdings Grenzen gesetzt. Die Gemeinden dürfen einzelne Kriterien (hier z. B. die Kriterien eines preisgünstigen Netzbetriebs) nicht willkürlich geringer gewichten als die übrigen § 1-Kriterien (sog. relative Untergewichtung bzw. Fehlgewichtung). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass den verschiedenen § 1-Zielen eine unterschiedliche Wertigkeit zukomme, die in der Gewichtung des Kriterienkatalogs ihre Entsprechung finden muss.396 Der kommunale Gewichtungsspielraum wird als überschritten angesehen, wo die Bedeutung eines Kriteriums so grundlegend von dessen Bedeutung nach den energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen abweicht, dass daraus eine Verkennung des Kriteriums offenkundig wird.397 Dies führt zu der praktisch schwierigen Frage, welche Bedeutung (Wertigkeit) die Gemeinde dem Ziel der Preisgünstigkeit im Vergleich zu den übrigen Zielsetzungen (Kriterien) mindestens beizumessen hat. Einige Anhaltspunkte liefert der Gesetzgeber selbst. In § 1 Abs. 1 EnWG sind zwar keine Vorrangverhältnisse oder Abwägungsmaßstäbe erkennbar. Im Rahmen der Konzessionsvergabe, das heißt bei der Gewichtung der Auswahlkriterien ist dies aber nach dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers insofern modifiziert worden, als in § 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG anknüpfend an die BGH-Entscheidung „Stromnetz Berkenthin“ die besondere Bedeutung der Versorgungssicherheit und (vom Gesetzgeber hinzugefügt) auch die der Kosteneffizienz herausgestellt wurde.398 Die Preisgünstigkeit wird dabei nicht aufgeführt, was nahe legt, dass die Preiskriterien auch geringer gewichtet werden dürfen, als die Kriterien der Versorgungssicherheit399 und Kosteneffizienz400. Für die Frage, wie die Gewichtungsverhältnisse zu den übrigen Kriterien auszugestalten sind, liefert der Wortlaut und die Gesetzesbegründung des § 46 EnWG keine  



393 BT-Drs. 18/8184, S. 13, 27. 394 BT-Drs. 18/8184, S. 13. 395 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 49. 396 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.12.2015 – VI-2 U (Kart) 4/15, Rn 17. 397 OLG Stuttgart, Urteil v. 5.1.2017 – 2 U 66/16, Rn 85; OLG Frankfurt, Urteil v. 10.12.2019 – 11 U 118/19 (Kart), Rn 67. 398 BT-Drs. 18/8184, S. 13, 26. 399 Zulässigkeit einer deutlich geringeren Gewichtung der Preisgünstigkeit gegenüber der Versorgungssicherheit: vgl. nur OLG Frankfurt, Urteil v. 10.12.2019 – 11 U 118/19, Rn 86. 400 Mit Blick auf die Kriterien, die das Ziel der Kosteneffizienz (oder Effizienz) verwirklichen sollen, lässt sich eine einheitliche Rechtsprechungslinie aber noch nicht erkennen. Für die Möglichkeit einer höheren Gewichtung der Effizienz in gewissen Grenzen: OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 Az.: 6 U 151/16 Kart; vgl. aber LG Kiel (Urteil v. 21.6.2019 – 14 HKO 56/18 Kart, Rn 56) wonach die Kosteneffizienz als Unterkriterium der Preisgünstigkeit nicht die gleiche Wertigkeit zukomme wie dem Kriterium der „Sicherheit“. Vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 25 (Effizienz ähnliches Gericht wie die Preisgünstigkeit); OLG Stuttgart, Urteil v. 5.1.2017 – 2 U 66/16, Rn 149; für eine höhere Gewichtung der Kosteneffizienz auch Höch/Christ, RdE 2021, 527, 531.  

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360

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

stichhaltigen Anhaltspunkte. Die Rechtsprechungspraxis zieht daraus bislang aber nicht den Schluss, dass die Gemeinde bei ihrer energiepolitischen Abwägungsentscheidung in den Genuss größerer Freiheitsgrade kommt. Der Aspekt, dass die Preisgünstigkeit des Netzbetriebs bereits durch die Netzregulierung sichergestellt wird und der Kostenaufwand, der bei den übrigen Kriterien bewerberseitig zugesagt wird, ohnehin nicht auf die Kunden gewälzt werden kann, wenn es sich um ineffiziente Kosten handelt, ist in der bisherigen gerichtlichen Auseinandersetzung nicht erkennbar.

2. Kartellbehörden 376 BKartA und BNetzA äußern sich in ihrem Leitfaden zur Konzessionsvergabe nicht zur

Gewichtung. In den Musterkriterienkatalogen und Hinweispapieren der Landeskartellbehörden aus dem Jahr 2015 sind unterschiedliche Vorschläge enthalten (LKartB Niedersachen: 6 bis 10 %401 für Netzentgelte; LKartB Schleswig-Holstein402: 10 bis 15 % für die Preisgünstigkeit, dabei 8 bis 12 % für Netzentgelte und 2 bis 3 % für Netzanschlusskosten, Baukostenzuschüsse, Anschlusskostenbeiträge; EKartB Baden-Württemberg403: 5 bis 10,5 % für bisherige Netzentgelte und insbesondere zu erwartende Netzentgelte). Diese Verlautbarungen sind zwar ausdrücklich unverbindlich, werden von der Rechtsprechung aber nicht selten als Orientierungshilfe betrachtet.  









3. Rechtsprechungspraxis a) Gewichtungsverhältnisse zwischen den Zielen 377 Anders als bei der Versorgungssicherheit, bei der sich eine Mindestgewichtung von ca. 25 % etabliert hat404, findet sich mit Blick auf die Gewichtung der Preisgünstigkeitskriterien bislang kein solcher Richtwert. Während einige Gerichte von einer eher etwas geringeren Bedeutung im Vergleich zu den übrigen Kriterien ausgehen405, betonen andere Gerichte, dass das Kriterium des Preisgünstigkeit als eines der wichtigeren Kriterien mit mindestens 10 bis 15 % in die Gesamtbewertung einfließen müsste.406 Nach Ansicht des OLG Brandenburg soll die Gewichtung des Preisgünstigkeitskriteriums mit 7,69 % im Verhältnis zu anderen Kriterien untergewichtet sein.407 In einem Fall vor dem OLG Ko 





401 Differenziert wurde danach, welches Wertungsverhältnis zwischen den § 1-Kriterien einerseits und den „sonstigen kommunalfreundlichen Kriterien“ andererseits besteht. Vgl. Hinweise der niedersächsischen LKartB zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (Stand: 25.8.2015), S. 31 f. 402 Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 26. 403 Musterkriterienkatalog der EKartB Ba.-Wü. (Stand: 5.3.2015), S. 3. 404 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, Rn 84. 405 Z. B. LG Mannheim, Urteil v. 2.9.2016 – 22 O 18/16 Kart, Rn 70. 406 OLG Dresden, Urteil v. 29.11.2016 – U 1/16 (Kart) Rn 27. 407 OLG Brandenburg, Urteil v. 20.3.2018 – 6 U 4/17 Kart, Rn 90.  

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E. Kriterien zur Preisgünstigkeit

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blenz wurde aber kein Anstoß daran genommen, dass die abgefragten Netzentgeltprognosen mit lediglich 6 % gewichtet wurden.408 Mit Blick auf das Gewichtungsverhältnis zwischen Preisgünstigkeit und Effizienz 378 hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass der kommunale Beurteilungsspielraum nicht überschritten wird, wenn die Preisgünstigkeit mit 11 % und die Effizienz mit insgesamt 17 % gewichtet wird.409 Bei der Gewichtung der Preisgünstigkeit mit 10 % und der Effizienz mit 18 % soll aber schon eine unzulässige relative Untergewichtung der Preisgünstigkeit vorliegen.410 Wird die Netzentgeltprognose mit 11 %, demgegenüber die Kostenund Energieeffizienz mit insgesamt nur 4 % gewichtet, soll nach Ansicht des OLG Schleswig-Holstein eine Mindergewichtung der Kosteneffizienz vorliegen.411  













b) Untergewichtungsverhältnisse In Teilen der Rechtsprechung wird akzeptiert, dass die Gemeinden neben der Abfrage 379 der künftigen Netzentgelte auch die Höhe der aktuellen Netzentgelte der Bewerber als zusätzliches Unterkriterium festlegen dürfen.412 Welches Gewichtungsverhältnis zwischen beiden Unterkriterien bestehen muss, ist soweit ersichtlich aber bislang nicht diskutiert worden. In einem Fall vor dem OLG Frankfurt wurde nicht beanstandet, dass die aktuellen Netzentgelte mit 3 % und die zu erwartenden Netzentgelte mit 4 % in die Gesamtpunktzahl eingeflossen sind; zusammen mit der Abfrage der aktuellen BKZ und Hausanschlusskosten (3 %) ergab sich eine Gewichtung der Preisgünstigkeit mit insgesamt 10 %.413 Richtigerweise wird man aber anzunehmen haben, dass das Kriterium der Netzentgeltprognose, die auch die Auswirkungen der von den Bewerbern erst im Konzessionswettbewerb zugesagten Leistungen und Investitionsmaßnahmen auf die künftige Preisentwicklung sichtbar machen sollen, nicht relativiert werden darf. Dies dürfte sich grds. nur dann bewerkstelligen lassen, wenn den Entgeltprognosen eine deutlich höhere Gewichtung beigemessen wird als den aktuellen Netzentgelten der Bewerber. Soweit man überhaupt davon ausgehen kann, dass neben den Netzentgelten auch 380 noch die BKZ und NAKB als zusätzliche Unterkriterien herangezogen werden dürfen414, ist ebenfalls anzunehmen, dass diesen nur ein geringeres Gewicht beizumessen ist. Die  







408 OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019 – U 678/19 Kart, Rn 45. 409 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 Az.: 6 U 151/16 Kart, Rn 109 ff. 410 OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.4.2017 Az.: 6 U 156/16 Kart, Rn 114 ff.; dasselbe gilt auch bei einer Gewichtung der Preisgünstigkeit mit 9 % bei gleichzeitiger Gewichtung der Effizienz mit 19 %. Dazu OLG Karlsruhe, Urteile vom 3.4.2017, Az.: 6 U 155/16 Kart (Rn 107 ff.) und 6 U 152/16 Kart (Rn 113 ff.). 411 OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.12.2019 – u. a. 16 U 73/19 Kart, S. 25 (Effizienz, v. a. die Kosteneffizienz soll ähnliches Gericht haben wie die Preisgünstigkeit). 412 Rn 365 ff. 413 OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017 – 11 U 51/17 (Kart). 414 Rn 371 ff.  















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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

LKartB Schleswig-Holstein schlägt eine Quotelung der Preiskriterien von 80 % (Netzentgelte) zu 20 % (Netzanschlusskosten) vor; mit Blick auf die Gesamtgewichtung entspricht dies 8 bis 12 % für Netzentgelte und 2 bis 3 % für BKZ und NAKB.415 Soweit ersichtlich hat sich lediglich das LG Dortmund mit der Frage der Gewichtung dieses Zusatzkriteriums auseinandergesetzt und dabei nicht beanstandet, dass auf die Unterkriterien „Hausanschlusskosten“ und BKZ jeweils lediglich 5 von insgesamt 1.000 Punkten entfielen, während die übrigen Preiskriterien (Netzentgelte) mit 170 von 1.000 Punkten bewertet wurden.416 Vor dem OLG Celle wurde ein Fall verhandelt, bei dem auf die Netzentgelte 9 % und auf die NAKB und BKZ jeweils nur 0,5 % der erreichbaren Punkte entfielen, ohne dass dies beanstandet wurde.417 Es lassen sich aber auch Gerichtsentscheidungen finden, in denen eine vergleichsweise höhere Gewichtung der BKZ/NAKB vorgenommen wurde, dies aber weder von den Parteien noch den Gerichten problematisiert worden ist.418  











F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität I. Verbraucherfreundlichkeit 381 Als eines der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG muss die Verbraucherfreundlichkeit bei der Aus-

gestaltung der Auswahlkriterien berücksichtigt werden. Nach der Gesetzesbegründung sind in Bezug auf den Netzbetrieb insbesondere der Kundenservice bei Netzanschlüssen, Netzstörungen und Zählerablesungen von Relevanz. Ebenso kann unter dem Gesichtspunkt der Verbraucherfreundlichkeit bewertet werden, inwieweit der Bewerber den Einbau intelligenter Messsysteme anbietet.419 Die in diesem Zusammenhang häufig in Kriterienkatalogen abgefragten Leistungen sollen im Folgenden erläutert werden.

1. Serviceangebot a) Kanäle der Erreichbarkeit 382 Unter dem Aspekt des Serviceangebotes wird häufig zunächst zwischen den diversen Arten der Erreichbarkeit des Netzbetreibers für die Kunden differenziert. Als solche werden meist das Einrichten einer oder mehrerer Hotlines (Standard-Hotline für all-

415 Hinweispapier LKartB Schleswig-Holstein, S. 26. 416 LG Dortmund, Urteil v. 8.10.2019 – 13 O 10/19 EnW, Rn 66. 417 OLG Celle, Urteil v. 17.3.2016 – 13 U 141/15 (Kart). 418 Z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.4.2017 – 6 U 151/16 Kart – (7 % für Netzentgelte und 4 % für BKZ und NAKB). In einer anderen Entscheidung stellte das OLG Karlsruhe aber klar, dass die Gemeinde auf die Abfrage der Kosten für den Netzanschluss (BKZ und NAKB) auch ganz verzichten darf. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart – Rn 179. 419 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14.  





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F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

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gemeine Fragen bzw. Störungs-Hotline) sowie einer Website gefordert. Des Weiteren spielt die Erreichbarkeit vor Ort eine große Rolle. Gerade bei diesem Punkt hat sich in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten durch die stetige Weiterentwicklung der Gesellschaft und ihrer Bedürfnisse sowie der Technologien ein deutlicher Wandel ergeben. Während früher häufig ein Schwerpunkt der Bewertung bzw. der zu erreichenden Punkte in der Zusage der Eröffnung eines Kundencenters vor Ort gelegt wurde, entwickelt sich unter anderem mit Blick auf Effizienzgesichtspunkte die Tendenz dazu, die Forderung eines Kundencenters durch die Zusage von Vor-Ort-Terminen bei Kunden zu ersetzen bzw. in der Bewertung hervorzuheben. Ein heute nicht mehr wegzudenkender Servicekanal stellt die telefonische Erreichbarkeit des Netzbetreibers dar. Die Kontaktaufnahme über telefonische Rufnummern ist häufig der erste Anlaufpunkt von Kunden bei Fragen rund um Netzthemen und daher von hoher praktischer Relevanz. Hier kann die Gemeinde beispielsweise bepunkten, wie der unternehmensinterne Prozess bei telefonischen Kundenanfragen ausgestaltet ist, wie weitgehend das Serviceangebot via Telefon ausgebaut ist, wie zügig ein Kunde mit einem Ansprechpartner verbunden wird oder ob die Möglichkeit des Kunden besteht, Rückrufe des Netzbetreibers zu einem mit dem Kunden abgesprochenen Termin zu vereinbaren. Der unablässige Anstieg der Bedeutung eines Internetangebots als Informationsbeschaffungsquelle bringt es mit sich, dass auch Gemeinden bei der Wahl ihres Netzbetreibers dessen Serviceangebot über das Internet in die Bewertung miteinfließen lassen können. Mit Blick auf die Verbraucherfreundlichkeit kann beispielsweise in die Bewertung einfließen, wie umfassend das digitale Informations- und Serviceangebot des Netzbetreibers auf seiner Webseite ist, wie verständlich die vorhandenen Informationen dargestellt werden und ob und wie die Möglichkeit besteht, unmittelbar mit dem Netzbetreiber zu kommunizieren (Chat-Funktion, Einrichtung eines Kundenportals oder einer App, Möglichkeit der Angabe von Zählerständen420, Online-Anträge für Netzanschlüsse oder Termine vor Ort, Störungsmeldungen etc.). Aber auch die Ermöglichung der Kommunikation via E‑Mail zählt zum Serviceangebot über das Internet. Als persönliches Serviceangebot vor Ort finden sich in den Kriterienkatalogen häufig Forderungen der Gemeinden nach Kundencentern vor Ort oder der Gewährung von Vor-Ort-Terminen beim Netzkunden. Den Kunden soll die Möglichkeit zur persönlichen Kontaktaufnahme mit einem Ansprechpartner gegeben werden. Gerade bei dieser Forderung ist die Wechselbezüglichkeit der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG – Verbraucherfreundlichkeit und Effizienz bzw. Preisgünstigkeit – und des Diskriminierungsverbotes zu berücksichtigen. Insbesondere in kleineren Gemeinden stellt sich häufig die Frage nach dem Verhältnis der Kosten eines Kundencenters vor Ort zu dessen Nutzen. Netzbetreibern, welche den Unbundling-Restriktionen der §§ 6 ff. EnWG unterliegen, ist es zudem verwehrt, in derartigen Kundencentern mehrere Bedürfnisse der Kunden abzudecken.  

420 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

So ist es ihnen untersagt, neben dem Serviceangebot zu Fragen rund um Netzthemen, Informationen über den Bezug von Energie, und damit Vertriebs-Themen, anzubieten. Die hiermit einhergehende Problematik wird sogleich dargestellt.

b) Ersetzbarkeit eines Kundencenters durch Vor-Ort-Termine 387 Die Erfahrung mehrerer Netzbetreiber hat gezeigt, dass die Einrichtung von Kunden-

centern vor Ort dem Ziel des Gesetzes – Verbraucherfreundlichkeit – und damit auch dem Ziel der Gemeinden nach einem möglichst kundenfreundlichen Angebot, nicht so viel Rechnung trägt, wie die Gewährung von Vor-Ort-Terminen. Tatsächlich werden bestehende Kundencenter seltener von Netzkunden, als vielmehr von Installationsunternehmen und Handwerkern, welche für die Netzkunden tätig werden, frequentiert. Dem gegenüberzustellen sind die teils erheblichen Kosten, welche zur Gewährleistung eines Kundencenters aufgewendet werden müssen. 388 Zusätzlich stellt sich, auf Grund der nicht flächendeckenden Gasnetzversorgung, insbesondere in Bundesländern wie beispielsweise Baden-Württemberg, die Kundenkommunikation und das Kundenbegehren im Gasbereich deutlich anders dar als beispielsweise im Strom. 389 Die Nachfrage nach einem Gasanschluss im Neubaubereich geht immer mehr zurück.421 Verstärkt wird diese Entwicklung auch durch die Vorgaben zur Erreichung klimapolitischer Ziele im Wärmebereich im Koalitionsvertrag. So ist dort beispielsweise vorgesehen, dass jede ab 2025 neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 % erneuerbarer Energien (EE) betrieben werden soll.422 Diese Vorgabe soll in Zukunft im GEG kodifiziert werden.423 Die Grundlage dieser Vorgaben liegt darin, dass Deutschland mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 gesetzlich verankert hat (§ 3 Abs. 2 KSG). Zur Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen am 14.7.2022 einen Vorschlag veröffentlicht, nachdem die 65-Prozent-EE-Vorgabe bereits für neu eingebaute Heizungen ab dem 1.1.2024 gelten solle.424 Die zusätzlichen Hürden, die  

421 Vgl. Pressemitteilung des BVS: „Der Sachverständigenverband BVS sieht keinen Grund mehr, Öl- oder Gasheizungen zu verbauen und plädiert für regenerative Systeme sowohl im Neubau als auch im Immobilienbestand.“, abrufbar unter: https://www.bvs-ev.de/pressemitteilungen/heizungsinstallation-bvsempfiehlt-regenerative-systeme-in-neubau-und-bestand, zuletzt abgerufen am 17.8.2022. 422 Koalitionsvertrag, S. 70. 423 Koalitionsvertrag, S. 70. 424 BMWK und BMWSB, 65 Prozent erneuerbare Energien beim Einbau von neuen Heizungen ab 2024, abrufbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/65-prozent-erneuerbareenergien-beim-einbau-von-neuen-heizungen-ab-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=6, zuletzt abgerufen am 17.8.2022. Gauttier

F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

365

mit diesen Klimaschutzzielen auf die Gebäudeeigentümer zukommen, machen es zunehmend unattraktiver, Gasheizungen in Neubauten einzubauen. Der wesentliche Teil der Gas-Neuanschlüsse wird daher von Einwohnern mit Bestandsgebäuden beantragt, welche ihre Heizungen sanieren möchten (z. B. durch Umstellung von Heizöl auf Erdgas). Ist in diesen Fällen eine persönliche Beratung erforderlich, geht es in der Regel um Fragen zur baulichen Ausführung, die in einem Kundencenter nicht beantwortet werden können. In diesen Fällen sind Vor-Ort-Termine zwingend erforderlich. Weiter ist zu unterscheiden, ob der Kunde bereits an einer bestehenden Gasleitung wohnt oder das Gasnetz ausgebaut werden muss. Besteht seitens eines Neukunden Interesse an einem Gasanschluss, obwohl sein Wohnhaus nicht in Anschlussnähe liegt, so werden zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit die weiteren Anwohner in der Straße in der Regel durch eine Postwurfsendung mit Rückantwortkarte über das durch eine Baumaßnahme mögliche Gasangebot informiert. Ist die Wirtschaftlichkeit durch weitere Aufträge gegeben und wurde der Anschluss durch alle Interessenten beauftragt, finden im nächsten Schritt standardmäßig Vor-Ort-Termine durch einen technischen Sachverständigen statt, der die Situation für den Hausanschluss begutachtet. Dieser Vor-Ort-Termin ist zwingende Voraussetzung, um eine genaue Berechnung der Kosten für den einzelnen Kunden vorzunehmen und ist ausschließlich nur bei einer Vor-Ort-Begehung und nicht in einem Kundencenter möglich. Zumeist münden auch die Themen und offenen Fragen von Bestandskunden rund um Ihren Hausanschluss bei Detailfragen in einem Vor-Ort-Termin mit einem technischen Mitarbeiter und sind daher ebenfalls nicht im Kundencenter zu klären. Vor-Ort-Termine sind daher in den meisten Fällen notwendig und nicht durch ein Kundencenter ersetzbar. Aber auch der Aspekt der Bequemlichkeit spielt im Zusammenhang mit dem Oberkriterium der Verbraucherfreundlichkeit eine große Rolle. Bei der Vereinbarung von Vor-Ort-Terminen mit den Kunden fährt ein Mitarbeiter des Netzbetreibers direkt zur Wohnadresse des Kunden zu einem fest vereinbarten Termin. In der Regel bedarf es bei der Vereinbarung entsprechender Vor-Ort-Termine auch keines großen Vorlaufs, sodass ein Mitarbeiter meist schon nach wenigen Tagen für ein persönliches Gespräch verfügbar ist. Dabei kann in die Bewertung miteinfließen, innerhalb welcher Zeitspanne Netzbetreiber einen solchen persönlichen Termin anbieten. Kundencenter vor Ort hingegen müssen vom Kunden selbst angefahren werden. Dabei hat der Kunde außerdem bestimmte Öffnungszeiten zu beachten, welche insbesondere für Berufstätige teilweise schwer mit den eigenen Arbeitszeiten zu vereinbaren sind.425 Die Abfrage lediglich eines Kundencenters ohne gleichzeitige Abfrage des Angebotes von Vor-Ort-Terminen ist mit Blick auf die Verbraucherfreundlichkeit nicht sachgerecht und mithin unzulässig. Die Bedürfnisse der Kunden werden durch das Angebot

390



425 Siehe dazu sogleich Kapitel 3 F., Rn 394. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

von Vor-Ort-Terminen besser erfüllt, was sich überdies durch eine entsprechend höhere Bepunktung im Kriterienkatalog zeigen sollte.

c) Zeitlicher Aspekt der Erreichbarkeit 394 In die Bewertung miteinfließen kann des Weiteren die zeitliche Komponente der Er-

reichbarkeit des Netzbetreibers über die von ihm angebotenen Kanäle. Hier gilt es je nach offeriertem Kanal zu unterscheiden: Während die Erreichbarkeit des Netzbetreibers bei Störungen beispielsweise über eine speziell dafür eingerichtete Hotline möglichst 24 Stunden pro Tag sichergestellt werden sollte, kann die zeitliche Erreichbarkeit für allgemeine Themen – sowohl über das Telefon, das Internet, als auch persönlich vor Ort – auf möglichst verbraucherfreundliche Sprechzeiten reduziert werden. Um dem Bedürfnis aller Kunden möglichst gerecht zu werden, kann das Angebot von Sprechzeiten außerhalb der regulären Geschäftszeiten positiv bewertet werden.

d) Kompetenz der Mitarbeiter 395 Neben der zeitlichen Erreichbarkeit spielt auch die Kompetenz der erreichbaren Mit-

arbeiter eine entscheidende Rolle für die Verbraucherfreundlichkeit. So ist einem Kunden beispielsweise nicht viel geholfen, wenn er bei seiner telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Netzbetreiber zwar nicht lange in der Warteschleife steckt, dafür jedoch mit einem Ansprechpartner verbunden wird, welcher seine Frage nicht beantworten bzw. sein Problem nicht lösen kann. Daher ist es für die Verbraucherfreundlichkeit auch von Belang, wie gut die Qualität der angebotenen Informations- und Serviceangebote und damit die Kompetenz der Servicemitarbeiter der Bewerber ist.

2. Beschwerdemanagement 396 Neben einem umfassenden Informations- und Serviceangebot spielt zur Gewährleistung desselben auch die Unterhaltung eines Beschwerdemanagements eine Rolle. Gegenstand entsprechender Unterkriterien kann die Darstellung der internen Prozesse des Beschwerdemanagements der Bewerber, wie beispielsweise die Darstellung der Kontaktmöglichkeiten zur Einreichung von Beschwerden sowie die Erläuterung der Prozesse zur Bearbeitung von Beschwerden und der Dauer der Beschwerdebeantwortung, sein. Ebenso ist von Relevanz, inwiefern eingegangene Beschwerden ausgewertet und zur stetigen Optimierung des Kundenservices herangezogen werden.

3. Informationen für Öffentlichkeit 397 Ebenfalls berücksichtigungsfähig ist die Information der Öffentlichkeit bei Versor-

gungsunterbrechungen. Dargelegt werden kann vom Bewerber, welche Informationen bekanntgegeben werden (Dauer der Maßnahme, Umfang der Maßnahme etc.), über Gauttier

F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

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welche Kanäle (Information über angebotene Servicekanäle oder zuzüglich über Anschreiben betroffener Kunden, öffentliche Aushänge etc.) sowie innerhalb welcher Zeitspannen – zwischen der erstmaligen Information und dem Beginn der Versorgungsunterbrechung – die Information der Öffentlichkeit erfolgt. Differenziert werden kann hier zwischen den Prozessen der Information betroffener Kunden bei geplanten und bei ungeplanten Versorgungsunterbrechungen sowie nach der Größe und dem Umfang einer durchzuführenden Maßnahme. Um die Transparenz eines solchen Unterkriteriums sicherzustellen ist es von Belang, dass die Gemeinde konkretisiert, worauf sie jeweils den Fokus setzt, beispielsweise ob sie einen bestimmten Informationskanal bevorzugt.

4. Dauer und Bearbeitung Netzanschlussbegehren Häufiger Bestandteil von Kriterienkatalogen ist des Weiteren die Abfrage der Dauer und 398 des Prozesses zur Bearbeitung von Netzanschlussbegehren. Dargelegt werden sollen zumeist die einzelnen Prozessschritte von der ersten Kontaktaufnahme des Kunden beim Netzbetreiber bis zur Erstellung des Netzanschlusses sowie die hierzu notwendige Dauer. Da letzteres einzelfallabhängig ist, bedarf es zur Gewährleistung der Transparenz des Auswahlkriteriums der Vorgabe einzelner Eckpunkte des darzulegenden Anschlusses durch die Gemeinde, wie beispielsweise die Art des Anschlusses, die Art des Untergrundes sowie die Länge zwischen der Leitung auf öffentlichem Grund und dem Anschlusspunkt auf dem privaten Grundstück des Netzkunden. Auch hat die Gemeinde mit Blick auf die Gewährleistung eines möglichst verbraucherfreundlichen Netzbetriebs zu beachten, worin der Schwerpunkt im Rahmen dieses Unterkriteriums für zukünftige Netzkunden liegt. So ist für die Kunden häufig nicht die Schnelligkeit der Durchführung des Hausanschlusses von Bedeutung, sondern vielmehr dessen pünktliche Umsetzung. In der Regel wird die Verlegung eines Hausanschlusses Monate im Voraus von den Kunden beantragt. Diese planen ihren Hausbau beispielsweise dergestalt, dass Grabungsarbeiten und die Verlegung von erdgebunden Leitungen (Wasser, Abwasser, Strom, Internet usw.) möglichst am selben Tag durchgeführt werden können. Die Schnelligkeit des Netzanschlusses wird daher wohl eher in seltenen Einzelfällen, beispielsweise beim Ausfall einer alten Ölheizung im Winter und dem Umstiegswunsch des Kunden auf eine Gasheizung, ausschlaggebend sein. Es ist mithin davon auszugehen, dass für die meisten Kunden weniger die Schnelligkeit eines Netzanschlusses ein Qualitätsmerkmal ist, sondern die Termintreue des Netzbetreibers. Eine Möglichkeit zur Bewertung der Termintreue in diesem Kriterium ist die zusätzliche Forderung einer entsprechenden vertragliche Zusage im Konzessionsangebot, wonach die Bewerber sich bspw. zur Einhaltung der mit den Kunden vereinbarten Termine in einer bestimmten Prozentzahl der Terminanfragen verpflichten.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

5. Smart Grids/Smart Metering 399 Die Berücksichtigung des Einbaus intelligenter Messsysteme und Zähler bei der Gestal-

tung der Kriterienkataloge hat der Gesetzgeber ausdrücklich hervorgehoben. Das Angebot an intelligenten Messsystemen und Zählern zeichne sich nach der Gesetzesbegründung durch eine besondere Verbraucherfreundlichkeit aus, da den Kunden eine präzise Darstellung ihres Verbrauchs ermöglicht werden könne und intelligente Zähler gegenüber den herkömmlichen „Ferraris-Zählern“ den Kunden einen erheblichen Mehrwert böten.426 400 Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende427 bestehen jedoch so umfassende gesetzliche Verpflichtungen der Netzbetreiber zur Einführung moderner und intelligenter Messsysteme, dass allenfalls die die gesetzlichen Verpflichtungen übersteigenden Forderungen als Auswahlkriterium Berücksichtigung finden können.428 Aufgabe des Gesetzgebers ist es dabei, die Kosten für Einbau und Betrieb intelligenter Messsysteme auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse zu regulieren um Letztverbraucher und Erzeuger, bei denen die intelligenten Geräte eingebaut werden, nicht mit unverhältnismäßigen Kosten zu belasten sowie Messstellenbetreiber bzw. Netzbetreiber nicht zu betriebswirtschaftlich unverhältnismäßigen Einbaumaßnahmen zu verpflichten.429 Darüberhinausgehende Forderungen der Gemeinden sind mit Blick auf das Ziel einer möglichst verbraucherfreundlichen, effizienten und preisgünstigen Energieversorgung daher kritisch zu betrachten.430 401 Des Weiteren ist bei der Kriteriengestaltung zwischen der Gas- und der Stromversorgung zu differenzieren. Der Einsatz intelligenter Messsysteme (also moderner Messeinrichtung verknüpft mit einem Smart Meter Gateway (SMWG) zur Fernübertragung) ist vom Messtellenbetriebsgesetz (MsbG) nur für den Strom-, nicht jedoch für den Gasbereich vorgesehen.431 Soweit eine Gemeinde von den Bewerbern eine Angabe hinsichtlich der Art und Weise von Zählerablesungen im Hinblick auf intelligente Messsysteme verlangt, wird von den Bewerbern mithin erwartet, dass in Gebäuden, in denen bereits ein SMGW aus dem Strom-Rollout vorhanden ist, auch der Gaszähler daran angeschlossen wird. Also ein Smart Meter Gateway, woran mehrere Zähler unterschiedlicher Sparten angeschlossen werden. Der Einsatz eines separaten Smart Meter Gateway nur für die Sparte Gas ist im MsbG nicht vorgesehen und wäre überdies äußerst ineffizient. Gasnetzbetreiber sind beim Anschluss des Gaszählers an das Smart Meter Gateway mithin zwangsweise abhängig vom grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB) für Strom im Konzessionsgebiet.432 Es können von den Gemeinden jedoch keine Zusagen eines Be-

426 427 428 429 430 431 432

BT-Drs. 18/8184, S. 14. BGBl. 2016 I, S. 2034. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 114. BT-Drs. 18/7555, S. 2. Vgl. auch BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 114. Vgl. § 2 Nr. 6 MsbG. Siehe Mitwirkungspflicht in BNetzA, Beschluss vom 20.8.2018 –BK7-17-050 – S. 24 f.  

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F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

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werbers um eine Gaskonzession über die Anbindung von Gaszählern an die Smart Meter Gateways eines fremden Stromkonzessionärs verlangt werden. Eine derartige Ausgestaltung eines Kriteriums wäre sowohl sachwidrig als auch diskriminierend, da es Unternehmen, die nicht Strom-gMSB im Konzessionsgebiet sind, benachteiligt.

II. Umweltverträglicher Netzbetrieb Zur Erfüllung des Ziels der Umweltverträglichkeit nach § 1 Abs. 1 EnWG kommen eine 402 Reihe unterschiedlicher Kriterien bzw. Unterkriterien in Betracht. Abgefragt werden in diesem Zusammenhang häufig Erläuterungen zur Energieeffizienz des Bewerbers, der Verwendung umweltschonender Materialien beim Leitungsbau, der Darstellung von Maßnahmen zur Schonung von Bäumen bei der Verlegung von Leitungen, der Bereitschaft der Bewerber zur Erdverkabelung, Ausgleichsmaßnahmen im Konzessionsgebiet oder der Darlegung der Klimaneutralität des Bewerbers bzw. seines Netzbetriebs. Letzteres ist insbesondere aufgrund der EnWG-Novelle vom Juli 2022433, mit welcher die Treibhausgasneutralität als neues Ziel für die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff in § 1 Abs. 1 EnWG aufgenommen wurde, von aktueller Brisanz und wird weiter unten dargestellt.434 Es besteht des Weiteren ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen effizientem 403 Stromnetzbetrieb in Form der effizienten Netzintegration dezentraler Erzeugungsanlagen und umweltfreundlicher Energieversorgung.435 Aus diesem Grund findet unter dem Kriterium der Umweltverträglichkeit häufig die Berücksichtigung erneuerbarer Energien Einzug in die Kriterienkataloge der Gemeinden. Bei diesem ebenfalls in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Anliegen, eine zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhende Energieversorgung der Allgemeinheit zu gewährleisten, muss bei der Ausgestaltung der Kriterienkataloge gleichwohl die Netzneutralität gegenüber den Erzeugungsarten beachtet werden (vgl. §§ 6 ff. EnWG). Den Bewerbern kann jedoch beispielsweise Raum für die Darstellung von Maßnahmen und Konzepten zur Aufnahme erneuerbarer Energien in das Netz gegeben werden.436 Darüber hinaus können einzelne Aspekte eines umweltverträglichen Netzbetriebes seitens der Gemeinde abgefragt werden, die wie folgt beispielhaft dargestellt werden.  

1. Energieeffizienz Im Rahmen des Oberkriteriums der Umweltverträglichkeit werden in der Praxis häufig 404 Unterkriterien gebildet, welche die Abfrage der Energieeffizienz der Bewerber zum In-

433 434 435 436

BGBl. 2022 I, S. 1214. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3 F., Rn 412 ff. BT-Drs. 18/8184, S. 14. Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

halt haben. Abzugrenzen ist dies von dem Oberkriterium „Effizienz“.437 Als Unterkriterium zur Umweltverträglichkeit des Netzbetriebs liegt der Schwerpunkt der abgefragten Inhalte beim Kriterium „Energieeffizienz“ auf den Maßnahmen der Bewerber zur Reduzierung des eigenen Energieverbrauchs beim Betrieb des Netzes. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, welcher die Möglichkeit der Bewertung der Gewährleistung der Energieeffizienz im Rahmen des Netzbetriebs vorrangig durch die Darstellung von Konzepten zur Minimierung von Verlustenergie bzw. Gasschwund sieht.438 Verlustenergie bzw. Gasschwund treten aufgrund physikalischer Effekte zwangsläufig bei allen Netzbetreibern auf. In der Sparte Strom erfolgt dies beispielsweise durch den Ohm’schen Widerstand der Verteilungsleitungen oder es ergeben sich Verluste in Transformatoren.439 In der Sparte Gas wiederum kann sogenannter Gasschwund durch Diffusion, Bau-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen sowie Leckagen entstehen. Auch betriebsmittelbedingte Eigenverbräuche sind hier anzubringen, da beispielsweise durch die Kühlung von Transformatoren oder der Gasvorwärmung von Gasdruckregelanlagen ebenfalls Energie verbraucht wird. 405 Abgefragt werden können außerdem Maßnahmen, Konzepte oder Zertifikate, welche die Bewerber bereits in anderen Konzessionsgebieten umgesetzt haben und welche sie auch für das konkret ausgeschriebene Konzessionsgebiet planen (z. B. durch frühzeitigen Austausch von Betriebsmitteln durch effizientere Anlagen, Gebäudeenergieeffizienz, Minimierung von Gasschwund bei Baumaßnahmen, Vermeidung von Energieverbräuchen durch Digitalisierung etc.).  

2. Verwendung umweltschonender Materialien 406 Ebenfalls möglich und in der Praxis verbreitet ist die Forderung nach der Verwendung umweltschonender Materialien im Konzessionsgebiet und damit einhergehend die möglichst weitgehende Vermeidung und ggf. Entfernung umweltschädlicher Stoffe und Betriebsmittel. So können die Bewerber darlegen, inwiefern sie mit dem Vorhandensein umweltschädlicher Stoffe wie beispielsweise Stahlleitungen mit Bitumenumhüllung im Konzessionsgebiet umgehen werden. Ebenfalls kann dargelegt werden, wie Altlasten bei der Erneuerung von Leitungen und Betriebsmitteln beseitigt werden, welche Maßnahmen die Bewerber für den Grundwasser-, Boden- und Gewässerschutz treffen und wie der interne Prozess zur Prüfung des Einsatzes neuer, umweltschonenderer Materialien abläuft. Abzugrenzen sind diese Maßnahmen von dem möglichen und notwendigen Unterkriterium „Ungefährlichkeit des Betriebs von Verteilanlagen“, das Teil des Oberkriteriums „Versorgungssicherheit“ ist.440 Während es im Unterkriterium „Ungefährlichkeit des Betriebs von Verteilanlagen“ um die Ungefährlichkeit der Anlagen für Menschen

437 438 439 440

Vgl. Kapitel 3 D., Rn 306 ff. Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14. Ausführlich hierzu Bothor, Prognose von Netzverlusten, S. 27 ff. Vgl. Kapitel 3 D., Rn 280 ff.  





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F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

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und Sachen geht,441 besteht eine gewisse Gefahr einer unzulässigen Doppelbewertung, soweit unter „Sachen“ ebenso Flora und Fauna zu subsumieren sind. Sicherheit im Sinne der Versorgungssicherheit bedeutet nach den Gesetzesmaterialien zwar zunächst eine mengenmäßig ausreichende Versorgung der Abnehmer mit Energie, sodass auch Spitzenbedarfe jederzeit gedeckt werden können. Sicherheit umfasst danach aber auch die technische Sicherheit der Erzeugungs-, Transport- und Verteilungsanlagen und bedeutet insofern Ungefährlichkeit der Anlagen für Menschen und Sachen.442 Gewisse Parallelen sind daher möglich. Soweit beispielsweise ein Netzbetreiber in einem Konzessionsgebiet bestehende ölgeführte Stromleitungen sukzessiv gegen Polyethylen-Leitungen ersetzt, hat dies zum einen positive Auswirkungen für die Verwendung umweltschonender Materialien, zum anderen auch hinsichtlich der Ungefährlichkeit dieser Anlagen für Menschen und Sachen.

3. Maßnahmen zur Schonung von Bäumen Die Möglichkeit der Berücksichtigung von Maßnahmen zur Schonung von Bäumen bei 407 der Leitungsverlegung im Rahmen der Kriteriengestaltung ist bereits in der Gesetzesbegründung ausdrücklich benannt worden.443 Im Kriterienkatalog kann dabei beispielsweise die Darstellung der von den Bewerbern angewendeten Verfahren bei Bau, Instandhaltung und Betrieb von Versorgungsanlagen sowie dabei entsprechend durchzuführender Schutzmaßnahmen gefordert werden. In der Praxis bestehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Schonung von Bäumen (beispielsweise gezielte Vermeidung von Aufgrabungen im Wurzelbereich, Ummantelung von Stämmen, Einsatz von Baggermatratzen, Handgrabungen, Kronenrückschnitt, Wurzelentfernung aus der Leitungszone etc.). Aber nicht nur der Schutz von Bäumen findet häufig Eingang in die Kriterienkataloge, sondern auch Maßnahmen zum Schutz der Flora insgesamt. Hierfür kann berücksichtigt werden, inwiefern der Bewerber den Naturschutz beim Netzbetrieb berücksichtigt und beispielsweise Baumaßnahmen nach Möglichkeit den Vegetationszyklen anpasst.

4. Ausgleichsmaßnahmen im Konzessionsgebiet Jede Baumaßnahme im Konzessionsgebiet durch Bau, Instandhaltung und Betrieb der 408 Versorgungsanlagen stellt einen Eingriff in die Natur dar. Ein nachvollziehbarer Belang der Gemeinden mit Blick auf die Umweltverträglichkeit ist daher auch die Minimierung von ökologischen Auswirkungen des Netzbetriebs. Insoweit finden sich häufig Forderungen der Gemeinden nach Ausgleichsmaßnahmen in den Kriterienkatalogen. Als Aus-

441 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 14. 442 BT-Drs. 13/7274, S. 14. 443 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14. Gauttier

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

gleichsmaßnahmen in Betracht kommen insbesondere Ersatzpflanzungen für gefällte Bäume, die Umsiedelung von Eidechsen, die Anlegung von Blühflächen oder die Begrünung von Dächern der Versorgungseinrichtungen.

5. Erdverkabelung (Strom) 409 Die Heranziehung der Bereitschaft der Bewerber zur Erdverkabelung für die Bewertung

der Umweltverträglichkeit wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich benannt.444 Durch die Verlegung von Erdkabeln anstelle von Freileitungen im Rahmen der Versorgung der Allgemeinheit mit Strom bieten sich zahlreiche Vorteile. So können sich aufgrund der meist zwischen 40 und 70 Meter breiten Schutzstreifen Konflikte bei Gehölzbiotopen oder Gefahren der Avifauna (z. B. Scheuchwirkung, Vogelschlag etc.) ergeben.445 Des Weiteren stellen Freileitungen sichtbare Objekte in der Landschaft dar, was häufig als visuell störend oder auch landschaftszerschneidend angesehen wird.446  

6. Klimaneutralität 410 Ein wichtiger Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit ist die Klimaneutralität. Die Ein-

beziehung entsprechender Angaben im Kriterienkatalog war daher bislang eine folgerichtige Möglichkeit zur Bewertung eines Aspekts der Umweltverträglichkeit des Netzbetriebs eines Bewerbers. So konnten die Gemeinden Konzepte und Maßnahmen der Bewerber zur Förderung der Klimaneutralität abfragen. Bewerber konnten darin darlegen, wie sie Treibhausgasemissionen senken oder klimaneutral kompensieren. Mit Inkrafttreten der EnWG-Novelle im Jahr 2022447, mit welcher die Treibhausgasneutralität als neues Ziel in § 1 Abs. 1 EnWG aufgenommen wurde, stellt sich jedoch die Frage, inwiefern entsprechende Forderungen in Form von Unterkriterien unter dem Oberkriterium der Umweltverträglichkeit in Zukunft noch Eingang in die Kriterienkataloge finden. Zwar gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, wonach jedes der einzelnen Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG in Form eines eigenen Oberkriteriums im Rahmen der Auswahlentscheidung abgefragt werden muss. Dennoch bietet sich ein solches Vorgehen mit Blick auf die Abgrenzung der einzelnen Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG in der Bewertung sowie aus Gründen der Transparenz an. Sofern Gemeinden die Abfrage der Treibhausgasneutralität der Bewerber zukünftig weiter unter dem Oberkriterium der Umweltverträglichkeit abfragen möchten, müssen sie dies in einem Umfang tun, welcher der Bedeutung des gesetzlichen Ziels gerecht wird. Die Berücksichtigung der Klima- bzw. Treibhausgasneutralität wird weiter unten näher erläutert.448

444 445 446 447 448

Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14. Heinrich, Auswirkungen von Freileitungen und Erdkabeln auf Natur und Umwelt, S. 114. Heinrich, a. a. O. BGBl. 2022 I, S. 1214. Vgl. Kapitel 3 F., Rn 412 ff.  





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F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

373

7. Berücksichtigung erneuerbarer Energien Bei dem Auswahlkriterium der Umweltverträglichkeit kommt als Unterkriterium häufig 411 die Berücksichtigung erneuerbarer Energien vor. Wie bereits erwähnt, muss bei der Ausgestaltung der Kriterienkataloge jedoch die Netzneutralität gegenüber den Erzeugungsarten beachtet werden (vgl. §§ 6 ff. EnWG). Zwar ist es Netzbetreibern, welche unter die sog. De-minimis-Regelung (§§ 7 Abs. 2, 7a Abs. 7 EnWG) fallen, gestattet, auch Angaben zur Erzeugung der im Netz transportierten Energie zu machen. Eine Wertung und Berücksichtigung dessen würde jedoch gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Es kann den Bewerbern stattdessen Raum für die Darstellung von Maßnahmen und intelligenten Konzepten zur Aufnahme der volatilen erneuerbaren Energie, wie den Einsatz von Speichern, Maßnahmen des Last- und Einspeisemanagements sowie regelbarer Ortsnetztransformatoren, gegeben werden.449 Diese Konzepte und Maßnahmen dürfen wiederum in die Bewertung der Gemeinde einfließen. Alternativ zur Abfrage und Darstellung dieser Konzepte und Maßnahmen können Gemeinden auf das Vorhalten und Rezertifizieren von Umweltzertifikaten abstellen, wie beispielsweise dem europäischen Umweltmanagementsystem „EMAS“ (Eco-Management and Audit Scheme450), alternativ dem Umweltmanagementsystem ISO 14001 und/oder dem Energiemanagementsystem ISO 50001. Zu beachten ist hierbei, dass Doppelbewertungen zu vermeiden sind, da beispielsweise ein Umweltmanagementsystem nach „EMAS“ auf den Anforderungen der ISO 14001 aufbaut, jedoch darüberhinausgehende Anforderungen stellt und damit ein „Mehr“ erfordert. Eine gleichwertige Bewertung dieser beiden Zertifikate wäre daher diskriminierend. Vorteilhaft an der Abfrage dieser Zertifikate ist, dass sich bereits eine unabhängige Zertifizierungsstelle mit der Umsetzung und Einhaltung der hohen Anforderungen dieser jeweiligen Systeme auseinandergesetzt hat. Mit dem Ergebnis, dass mit dem Vorhalten dieser Zertifikate ein wesentlicher Aspekt eines umweltverträglichen Netzbetriebes vom jeweiligen Bieter erfüllt wird. Da die oben genannten Systeme und Zertifikate auch Aspekte der Treibhausgasneutralität berücksichtigen, welche sich nicht immer präzise von den Aspekten der Umweltverträglichkeit trennen lassen, ist auch diesbezüglich die Gefahr einer Doppelbewertung zu beachten und dies entsprechend zu vermeiden.451 In der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist, ob das Angebot, eine solche Zertifizierung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit des Konzessionsvertrages zu erreichen und danach aufrechtzuerhalten, und das Angebot, eine bereits vorhandene Zertifizierung aufrechtzuerhalten, gleich zu bewerten sind oder der bestehenden Zertifizierung der Vorzug gegeben werden darf.452  

449 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 14. 450 Verordnung (EG) Nr. 1221/2009. 451 Vgl. Kapitel 3 F., Rn 417 ff. 452 Für das Erfordernis einer grundsätzlichen Berücksichtigung dessen im Rahmen der Bewertung: OLG Celle, Urteil vom 19.10.2017 – 13 U 38/17 (Kart) – juris Rn 80; LG Hannover, Urteil vom 23.2.2017 – 25 O 47/ 16 –, juris, Rn 45 f., wobei das LG Hannover in seiner Entscheidung darauf abstellt, dass nicht angenommen werden könne, dass der Bieter, der zum Vertragsbeginn die entsprechende Zertifizierung noch nicht  



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374

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

III. Treibhausgasneutralität 412 Mit dem Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem

Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung vom 19.7.2022453, welches am 29.7.2022 in Kraft trat, wurde die Treibhausgasneutralität als neues Ziel der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff in § 1 Abs. 1 EnWG aufgenommen. Die Aufnahme der Treibhausgasneutralität als neues Ziel des § 1 Abs. 1 EnWG hat zur Folge, dass die Gemeinden die Treibhausgasneutralität in ihren Verfahrensbriefen bzw. Kriterienkatalogen angemessen berücksichtigen müssen. Hierbei ist zu beachten, dass der Gewichtung Treibhausgasneutralität entsprechend ihrer Bedeutung im Gefüge der übrigen Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG hinreichend Rechnung getragen wird. Eine Pflicht der Gemeinden zur Benennung eines neuen Oberkriteriums der Treibhausgasneutralität folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Die Aufnahme der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG als Oberkriterien in die Verfahrensbriefe hat sich jedoch in der Praxis etabliert.454 413 Bei der Ausgestaltung der Kriterienkataloge ist zu berücksichtigen, dass die Netzbetreiber zwei unterschiedliche Rollen einnehmen, welche auf unterschiedliche Weise Einfluss auf die Treibhausgasneutralität haben und daher im Rahmen des neuen Oberkriteriums durch verschiedene Unterkriterien abgefragt werden können. 414 So nehmen die Netzbetreiber im Zusammenhang mit ihren Pflichten aus dem EnWG eine bedeutende Rolle für die Umsetzung der Energiewende ein.455 Hier spielen insbesondere Aspekte des vorausschauenden Netzausbaus zum frühzeitigen und optimalen Transport sowie der Einspeisung sog. grüner Energie in das Netz im Rahmen der EEG-Ziele sowie ein möglichst schneller und unkomplizierter Netzanschluss von PV-Anlagen, Biogasanlagen und E-Ladeeinrichtungen eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig handelt es sich bei jedem Netzbetreiber auch selbst um einen Unternehmer, welcher seinen eigenen CO2-Fußabdruck im Rahmen des Möglichen zu minimieren hat. Entsprechende Maßnahmen zur Erreichung der eigenen Treibhausgasneutralität im Netzgebiet des Netzbetreibers und Angaben zur Umsetzung dieser Maßnahmen auch im relevanten Konzessionsgebiet, können und müssen in die Bewertung des Konzessionsangebotes einfließen.

vorweisen könne, deren Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns bereits erfülle; dazu auch Kapitel 3 H., Rn 530 ff. 453 BGBl. I S. 1214. 454 Vgl. auch der Musterkriterienkatalog der Energiekartellbehörde des Landes Baden-Württemberg, auf welchen sich insbesondere der BGH bereits hinsichtlich der Kriteriengestaltung gestützt hat, z. B. in BGH, Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 41 – Stromnetz Berkenthin. 455 Vgl. Beitrag des bdew „DSO 2.0 – Verteilnetzbetreiber der Zukunft“ vom 28.9.2018, abrufbar unter: https://www.bdew.de/energie/dso20/#:~:text=Das%20Verteilnetz%20ist%20das%20R%C3%BCckgrat,und% 20Hochspannungsnetze%20der%20Verteilnetzbetreiber%20ein., zuletzt abgerufen am 16.8.2022.  



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F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

375

Angaben zum Netzausbau und der Netzentwicklung sind häufig unter dem Oberkri- 415 terium der Versorgungssicherheit gefordert.456 Im Rahmen dieses Oberkriteriums fließen dann üblicherweise bereits Aspekte des Klimaschutzes und der Treibhausgasneutralität in Form entsprechender Forderungen der Gemeinden in den Unterkriterien in die Bewertung mit ein. Sofern entsprechende Angaben nicht zusätzlich unter dem Oberkriterium der Treibhausgasneutralität abgefragt werden, besteht grundsätzlich keine Gefahr einer Doppelbewertung, sodass die Abfrage und Bewertung von Angaben zum Netzausbau und der Netzentwicklung entweder unter dem Oberkriterium der Versorgungssicherheit oder unter dem Oberkriterium der Treibhausgasneutralität sachgerecht ist. Andere Aspekte der Treibhausgasneutralität haben in der Vergangenheit bereits 416 Eingang in die Kriterienkataloge unter dem Oberkriterium der Umweltverträglichkeit gefunden. Dass dies grundsätzlich sachgerecht ist, zeigt auch die Gesetzesbegründung, wonach die Ergänzung des Ziels der Treibhausgasneutralität in § 1 Abs. 1 EnWG der Klarstellung dient.457 Ohne Zweifel enthält der Oberbegriff der Umweltverträglichkeit zumindest auch den Grundgedanken der Treibhausgasneutralität. Diese fördert die Umweltverträglichkeit in dem Sinne, als dass der Verzicht bzw. die Minimierung des Schadstoffausstoßes oder auch die Ergreifung von Ausgleichsmaßnahmen zur CO2-Kompensation Maßnahmen des Umweltschutzes darstellen. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch Fragen bei der Ausgestaltung zukünftiger Kriteriengestaltung. So gilt es, beide Oberkriterien (Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität) so auszugestalten, dass es nicht zu einer späteren Doppelbewertung kommt.

1. Vermeidung der Doppelbewertung Bei der Gestaltung des Oberkriteriums der Treibhausgasneutralität besteht zunächst die 417 Herausforderung der inhaltlichen Trennung des Oberkriteriums zu dem der Umweltverträglichkeit. So stellt sich die Frage, wie mit solchen Unterkriterien umzugehen ist, welche nicht trennscharf einem der beiden Oberkriterien zuzuordnen sind. Zu nennen sind dabei insbesondere ökologische Nachhaltigkeitskonzepte, Energie- und Umweltmanagementsysteme und die damit ggf. vorliegende Zertifizierungen. Bei diesen Punkten lässt sich in der Regel sowohl hinsichtlich der Ziele, Prozesse und Maßnahmen keine ideale Abgrenzung dergestalt treffen, dass bestimmte Angaben ausschließlich einem der beiden Oberkriterien zuzuordnen und entsprechend dort abzufragen und zu bewerten wären, da sie die Sachverhalte naturgemäß integriert betrachten. Beispielhaft kann hierzu der ganzheitliche Ansatz des Umweltmanagementsystems 418 nach „EMAS“ angeführt werden, welcher im Kern zunächst auf das Vorhandensein eines Managementsystems für Umweltaspekte an sich abzielt, zugleich jedoch Ziele und

456 Vgl. Kapitel D. 457 BT-Drs. 20/1599, S. 50. Gauttier

376

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

konkrete Maßnahmen, wie z. B. den Schutz von Flora und Fauna, den Baumschutz, Energieeinsparungen im Gebäudebestand aber auch die CO2-Verringerung beim Betriebsverbrauch und beim Einsatz von Netzbetriebsmitteln sowie der Schadstoffentsorgung umfasst und als ein umfassendes Konzept zertifiziert. 419 Um die interdisziplinäre Betrachtung dieser Konzepte und Systeme nicht wirklichkeitsfremd durch eine künstliche Aufspaltung oder eine gezwungene Eingliederung in eines der beiden Oberkriterien zu vermeiden, empfiehlt es sich, beide Oberkriterien gewissermaßen gemeinsam abzufragen. Dabei kann auf Erfahrungssätze anderer Oberkriterien, insbesondere der der Preisgünstigkeit und der Kosteneffizienz zurückgegriffen werden. So bietet es sich beispielsweise an, die Oberkriterien der Umweltverträglichkeit und der Treibhausgasneutralität als ein gemeinsames Oberkriterium der „Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität“ abzufragen, welches als Unterkriterien die Umweltverträglichkeit sowie die Treibhausgasneutralität enthalten, gleichsam jedoch als weiteres Unterkriterium die Abfrage solcher Punkte enthält, welche sich dadurch auszeichnen, dass eine trennscharfe Abgrenzung zu einem der beiden vorangegangenen Unterkriterien ausscheidet. 420 Die Abfrage gezielt den jeweiligen Unterkriterien „Treibhausgasneutralität“ und „Umweltverträglichkeit“ zugeordneter Einzelzertifizierungen bleibt dabei uneingeschränkt möglich, sofern diese sich auf ein konkretes Thema wie beispielsweise die Emissionsminderung im eigenen Netzbetrieb beziehen. So gibt es Netzbetreiber, die bereits über eine von einem unabhängigen Gutachter objektiv geprüfte und testierte Treibhausgasneutralität nach dem ambitionierten Standard des Greenhouse Gas Protocols458 verfügen.  

2. Mögliche Unterkriterien 421 Wie bereits angesprochen, bietet es sich aufgrund der nicht immer möglichen Zu-

ordnung bestimmter Nachweise zu einem der Kriterien „Umweltverträglichkeit“ bzw. „Treibhausgasneutralität“ an, diese gemeinsam unter dem Oberkriterium „Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität“ abzufragen, wobei die „Umweltverträglichkeit“ und die „Treibhausgasneutralität“ jeweils eigene Unterkriterien darstellen. Die nachfolgend behandelten Unterkriterien würden daher nach der hier bevorzugten Auffassung Unter-Unterkriterien darstellen.

458 Das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) ist der meistgenutzte Methodenstandard zur Identifizierung wesentlicher Emissionsquellen in Unternehmen, vgl. https://ghgprotocol.org/standards, zuletzt aufgerufen am 16.8.2022. Gauttier

F. Kriterien zur Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität

377

a) Treibhausgasneutralität des Netzbetreibers im eigenen Netzbetrieb Im Rahmen des Kriteriums „Treibhausgasneutralität des Netzbetreibers im eigenen 422 Netzbetrieb“ kann die Gemeinde Angaben der Bewerber in Bezug auf deren Klimaschutzanstrengungen fordern. So kann die Gemeinde die Darstellung dessen, wie und bis wann die Bewerber die auf Bundesebene geforderte Treibhausgasneutralität bis spätestens 2045 im eigenen Verteilnetz umsetzen wollen.459 Dazu kann die Angabe der Programme bzw. Konzepte, welche bei den Bewerbern hierzu bereits jetzt bestehen bzw. welche Maßnahmen die Unternehmen bereits jetzt konkret zur Erreichung von Treibhausgasneutralität ergriffen haben abgefragt werden. So können die Bewerber darstellen, ob sie unternehmensintern bereits konkrete Richtlinien aufgestellt haben und damit einhergehende Vermeidungs- bzw. Verminderungs- und Kompensationsmaßnahmen treffen. Positiv in die Bewertung einfließen kann auch, ob entsprechende Angaben der Bewerber nicht nur durch diverse Prognosen und geplante Maßnahmen plausibilisiert werden, sondern auch, ob die Bewerber bereits im Rahmen ihres Netzbetriebs treibhausgasneutral sind und dies durch Zertifikate, deren Aussteller bei der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkks)460 geführt werden, nachweisen können.

b) Einsatz klimaschutzfreundlichen Fuhrparks Die Bewertung des Einsatzes eines klimaschutzfreundlichen Fuhrparks als Unterkriteri- 423 um der Treibhausgasneutralität bietet sich aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs des Einsatzes von Kraftfahrzeugen und Treibhausgasemissionen an.461 Gefordert werden kann in diesem Kriterium unter anderem die Darstellung des bereits bestehenden klimaschutzfreundlichen Fuhrparks des Bewerbers sowie entsprechender Maßnahmen zur Förderung des weiteren Einsatzes entsprechender Fahrzeuge (z. B. Austauschprogramme bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen zugunsten von Fahrzeugen mit geringerem CO2-Ausstoß, Pooling des Fahrzeugparks zur Minimierung des Umfangs der  

459 Vgl. § 3 Abs. 2 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG). 460 Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) ist die nationale Akkreditierungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland. Als solches hat die DAkks mit der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen einen gesetzlichen Auftrag. Mit einer Akkreditierung bestätigt die DAkkS, dass Organisationen wie Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstellen ihre Tätigkeiten nach international gültigen Maßstäben kompetent erbringen können. Die DAkkS handelt dabei als Behörde und zentraler Akteur der nationalen Qualitätsinfrastruktur zugunsten der Wirtschaft, des Staates sowie zum Schutz von Gesellschaft und Umwelt, https://www.dakks.de/de/gesetzlicher-auftrag-der-akkreditierung.html, zuletzt aufgerufen am 16.8. 2022. 461 So war der Verkehr im Jahr 2020 für fast 20 % der Treibhausgas-Emissionen in die Luft in Deutschland verantwortlich, vgl. Tabelle „Anteile des Verkehrssektors an den Emissionen ausgewählter Luftschadstoffe und Treibhausgase“, Umweltbundesamt, Nationale Trendtabellen, Stand 04/22, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/bild/tab-anteile-des-verkehrssektors-an-den-emissionen, zuletzt aufgerufen am 16.8.2022.  

Gauttier

378

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Fahrzeugflotte, Versorgung der Fahrzeuge mit 100 % Ökostrom, Fahrtroutenmanagement zum energieeffizienten Einsatz von Fahrzeugen im Netzbetrieb etc.) sowie der Darstellung der hierfür eingesetzten Infrastruktur (z. B. das Vorhandensein und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für die eigene Fahrzeug-Flotte an eigenen Standorten). Es steht den Gemeinden mithin frei, den Einsatz von bzw. die Umstellung auf E-Fahrzeuge in der Flotte des Bewerbers unter dem Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit bzw. der Treibhausgasneutralität zu bepunkten.462 Unzulässig ist hingegen die Forderung der Gemeinde nach der Vorhaltung und/oder dem Betrieb von Strom- oder Erdgastankstellen im Konzessionsgebiet. Ein solches Kriterium würde gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, da entflochtene Unternehmen aufgrund der Unbundlingvorschriften nach §§ 6 ff. EnWG derartige Tankstellen, wenn überhaupt, nur in sehr engen Grenzen betreiben dürfen. Kleinere, nicht entflochtene Unternehmen, können demgegenüber ohne Einschränkungen in einer Gesellschaft Netze und Strom- bzw. Erdgastankstellen unterhalten und betreiben. Eine entsprechende Forderung in einem Kriterienkatalog wäre daher diskriminierend und mithin rügefähig nach § 47 Abs. 2 S. 2 EnWG.  





c) Schnelle Umsetzung von Netzanschlussbegehren von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge 424 Zur Gewährleistung einer möglichst raschen Umsetzung von Netzanschlussbegehren bei Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge bedarf es der Etablierung eines standardisierten Netzanschlussprozesses der Bewerber. Im Rahmen dieses Kriteriums können die Gemeinden entsprechende Angaben zum Prozess der Bewerber erfragen. Die Zusage bestimmter Höchstzeiten für den Netzanschluss kann ebenfalls in die Bewertung einfließen.

d) H2-Readiness des Netzbetriebs 425 Wasserstoff als neuer Energieträger gewinnt zunehmend an Bedeutung. In diesem Zusammenhang soll in den kommenden Jahren eine Wasserstoffnetzinfrastruktur aufgebaut werden und bestehende Erdgasnetze schrittweise über eine anfängliche Beimischung von Wasserstoff auf eine Umrüstung auf ein reines Wasserstoffnetz erfolgen.463 Im Rahmen des Kriteriums der Treibhausgasneutralität ist die Berücksichtigung einer H2-Readiness des Netzbetriebs der Bewerber mithin ein sachgerechtes Kriterium. Die Gemeinden können daher beispielsweise die Darstellung eines Konzeptes, welches möglichst innovativ die Nutzung neuer Technologien im Zusammenhang mit Wasserstoff durch ein modernes Gasnetz erwarten lässt, sowie die Beschreibung der entsprechenden Vorgehensweise zur Umsetzung hierzu erforderlicher Maßnahmen abfragen.

462 Vgl. auch Hempel/Franke, § 46 EnWG Rn 305. 463 Vgl. Kapitel 8. Gauttier

G. Kriterien zu kommunalen Belangen

379

3. Bedeutung für bereits begonnene Konzessionsvergabeverfahren Die Gemeinden sind bei der Auswahl des Unternehmens gemäß § 46 Abs. 4 S. 1 EnWG 426 den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet. Der Gesetzgeber verzichtete im Zuge der EnWG Novellierung auf eine Übergangsregelung, nach der laufende Konzessionsvergabeverfahren, in denen bereits Auswahlkriterien samt Gewichtung i. S. d. § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG bekannt gegeben wurden, von der Neuregelung ausgenommen wären. Damit ist das Ziel der Treibhausgasneutralität seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 29.7. 2022 auch für laufende Verfahren verpflichtend. Unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks und der widerstreitenden Interessen ist dies auch verhältnismäßig, soweit in dem bereits laufenden Konzessionsvergabeverfahren noch keine Angebote abgegeben wurden.  



G. Kriterien zu kommunalen Belangen I. Einleitung Die Berücksichtigungsfähigkeit kommunaler Belange im Rahmen der Kriteriengestal- 427 tung ist durch den BGH bereits in seinen Entscheidungen zum Stromnetz Heiligenhafen und Berkenthin anerkannt worden.464 Mit dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017 wurde dies durch Einfügung des neuen Satz 2 in § 46 Abs. 4 EnWG auch gesetzlich verankert. Gemäß § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG können nun, „unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, […] auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden“. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte damit „die jüngst ergangene BGHRechtsprechung abgebildet werden“.465 Danach müsse sich die Vergabe von Wegenutzungsrechten an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG orientieren, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft dürften aber auch Berücksichtigung finden.466 Die Gesetzesbegründung nennt als örtliche Angelegenheiten beispielhaft die Laufzeit der Konzessionsverträge und Modelle, die eine bessere Koordinierung von Baumaßnahmen mit weiteren Sparten (z. B. Wasserleitungen) ermöglichen, sowie die Zahlung der höchstmöglichen Konzessionsabgabe nach der Konzessionsabgabenverordnung.467 Auch bei den Beispielen nimmt der Gesetzgeber Bezug auf die Rechtsprechung des BGH, wonach neben den die Ziele des § 1 EnWG betreffenden Auswahlkriterien nur noch solche zulässig sind, die konzessionsabgabenrechtlich zulässige Nebenleistungen im Zusammen 

464 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12, – Stromnetz Berkenthin, RdE 2014, 177 ff.; BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 65/12 – Stromnetz Heiligenhafen, NVwZ 2014, 817ff. 465 BT-Drs. 18/8481, S. 14. 466 BT-Drs. 18/8481, S. 14. 467 BT-Drs. 18/8481, S. 14 f.  



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380

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

hang mit der Wegenutzung betreffen.468 Bei der Einfügung des Satzes 2 in Absatz 4 des § 46 EnWG ging es dem Gesetzgeber lediglich um die Abbildung der bereits ergangenen BGH-Rechtsprechung und nicht um die Schaffung neuer Auswahlkriterien.469 In der Regel werden Kriterien, die die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen, gesondert zu den Kriterien abgefragt, die sich konkret auf die Ziele des § 1 EnWG beziehen. Diese Kriterien werden daher unter dem Oberbegriff „Konzessionsvertrag“, „konzessionsvertragliche Regelungen“ oder Ähnlichem abgefragt. 428 Während die Kriterien, die die Ziele des § 1 EnWG betreffen, oftmals einem Konzeptwettbewerb und der relativen Bewertungsmethode unterliegen, ist bei der Abfrage von vertraglichen Regelungen ein anderer Maßstab in der Bewertung anzusetzen. Denn die Kommune ist bei der Abfrage und Gewährung von vertraglichen Zusagen nicht von der Innovation und Kreativität eines Bieters abhängig, wie dies etwa bei konkreten Zuund Aussagen zum Netzbetrieb im Rahmen eines Netzbetriebskonzepts der Fall ist. Soweit die ausschreibende Stelle kein abstraktes Konzept abfragt (das sie naturgemäß ebenso mit Zielrichtungen und Erwartungshaltungen ausdefinieren muss), sondern konkrete Rechte und Pflichten im Rahmen eines Kriterienkataloges ist sie nicht von der Fachkenntnis der Bieter abhängig. Sie selbst hat sich bei der Wahl von derartigen Kriterien im Vorfeld Gedanken zu machen, wie und welche Aspekte sie sich von Bietern innerhalb eines Konzessionsvergabeverfahrens vertraglich versprechen lassen möchte. Dies liegt in ihrer unmittelbaren Sphäre und sie ist daher in der Lage und auch verpflichtet, ihre näheren Vorstellungen der konzessionsvertraglichen Inhalte den jeweiligen Bietern im Vorfeld mitzuteilen.470 429 Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da bei Kriterien, bei denen eine ausschreibende Kommune vertragliche Regelungen abfragt, die Grenzen der Konzessionsabgabenverordnung, insbesondere diejenigen des Nebenleistungsverbots von § 3 KAV, einzuhalten sind. Gerade deshalb ist es von Bedeutung, dass die jeweilige ausschreibende Kommune konkrete Anforderungen hinsichtlich der vertraglichen Zusagen vorab definiert. Würde die Kommune nicht im Vorfeld definieren, was die konkreten Zusagen beinhalten sollen, läge es bei den Bietern alleine, die Wünsche der Kommune abzuschätzen und zu antizipieren, wie die Kommune die Grenzen des § 3 KAV ziehen würde. Dieses Risiko ist jedoch nicht von den jeweiligen Bietern zu tragen. Die Bieter hätten stets die Ungewissheit, entweder aus Sicht der Kommune eine nicht mehr angemessene und damit nicht bewertbare Regelung oder eine aus Sicht der Kommune mit Blick auf die Grenzen von § 3 KAV nicht für die Kommune ausreichend vorteilhafte und damit nicht bestbewertbare Regelung vorzuschlagen. Die Grenzen des § 3 KAV erst im Nachgang, im Rahmen der Bewertung der Angebote zu ziehen, wäre daher intransparent.

468 BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn 47 – Stromnetz Berkenthin, RdE 2014, 177 ff. 469 BerlKommEnR/Wegner, 4. Aufl. 2019, EnWG § 46 Rn 118. 470 So auch: LG Stuttgart, Urteil v. 8.7.2022 – 51 O 131/22, S. 25; LG Stuttgart, Urteil v. 11.8.2022, 35 O 62/22 KfH, S. 25.  

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G. Kriterien zu kommunalen Belangen

381

Im Folgenden soll näher auf die einzelnen Kriterien eingegangen werden, in denen 430 kommunale Belange Einfluss finden können.

II. Leistungen nach der KAV Gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 EnWG sind Kommunen bei der Vergabe von Konzessionsver- 431 trägen berechtigt, Gegenleistungen, insbesondere in Form von Konzessionsabgaben, zu fordern. Dies gilt auch für sog. „qualifizierte Wegenutzungsverträge“ i. S. v. § 46 Abs. 2 EnWG, § 48 Abs. 1 EnWG. Die Bestimmungen über die Höhe der Konzessionsabgabe sowie möglicher weiterer 432 Gegenleistungen für die Gewährung kommunaler Wegenutzungsrechte finden sich in der Konzessionsabgabenverordnung.471 Die Zulässigkeit der Vereinbarung anderer Leistungen als Konzessionsabgaben reglementiert § 3 KAV.  



1. Zahlung der Konzessionsabgabe Im Rahmen der Kriteriengestaltung hinsichtlich der Höhe und der Modalitäten der Kon- 433 zessionsabgabe haben sich in der Vergangenheit einige Unterkriterien etabliert. So ist die vertragliche Zusage hinsichtlich der höchstzulässigen Zahlung der Konzessionsabgabe über die Laufzeit des Konzessionsvertrages ein wesentlicher Aspekt, der regelmäßig von den Kommunen abgefragt wird. Somit verpflichten sich die Bieter im Rahmen des rechtlich Zulässigen, über die entsprechende Laufzeit des Konzessionsvertrages als Gegenleistung für die Einräumung der Wegenutzungsrechte innerhalb der Kommune jeweils die höchstzulässigen Konzessionsabgaben zu zahlen. Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 wurde § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) aufgehoben und § 2b UStG eingeführt – mit der Folge, dass künftig auch juristische Personen des öffentlichen Rechts dem Unternehmerbegriff nach § 2 Abs. 1 UStG unterliegen, sofern diese Leistungen gegen Entgelt aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages erbringen. Es kann sich daher anbieten, eine entsprechende Klarstellung in den jeweiligen Konzessionsvertrag einzufügen – unabhängig davon, ob dies aktiv im Rahmen der Kriteriengestaltung gefordert wird oder nicht – dass die Konzessionsabgabe als Nettobetrag gegenüber der Kommune ausgewiesen und zuzüglich Umsatzsteuer abgerechnet wird. Gleiches gilt an dieser Stelle ebenso für den sogenannten Kommunalrabatt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KAV. Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Berechnung dieses Kommunalrabattes ist der Nettowert des Rechnungsbetrages für den Netzzugang.472

471 Vgl. OVG NRW, Beschluss v. 10.2.2012 – 11 B 1187/11, NVwZ-RR 2012, 415; Hempel / Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, § 46 EnWG, Rn 377. 472 So auch: OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.9.2021 – VI-3 Kart 210/20, EnWZ 2022, 77. Zemann

382

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Für die Modalitäten der Zahlung der Konzessionsabgaben bestehen ebenso Gestaltungsspielräume der Kommunen. In den Kriterienkatalogen kann beispielsweise ein Wahlrecht der jeweiligen Kommune gefordert werden, wonach die Kommune den Zahlungszeitpunkt der Konzessionsabgabe (in der Regel durch Abschlagszahlungen) flexibel gestalten kann. So können sich monatliche, viertel- oder halbjährliche Abschlagszahlungen ergeben. 435 Hinsichtlich des Zeitpunkts der eigentlichen jährlichen Schlussabrechnung der Konzessionsabgabe ergeben sich in Bezug auf eine entsprechende Kriteriengestaltung weniger Spielräume. In der Regel werden die Schlussabrechnungen von den jeweiligen Konzessionären bis zum Ende des 1. Quartals des Folgejahres erstellt und abgerechnet, da dies der früheste Zeitpunkt ist, an der die Zählwerte der Messeinrichtungen im Konzessionsgebiet ausgewertet vorliegen. 436 Es ist sachgemäß, wenn sich die jeweilige Kommune die ordnungsgemäße Erhebung, Abrechnung und Erstellung der Schlussabrechnung vom jeweiligen Bieter durch einen Wirtschaftsprüfer testieren lässt. In diesem Kontext verlangen einzelne Kommunen überdies, die Schlussabrechnung bzw. das Testat des vom Bieter beauftragten Wirtschaftsprüfers durch einen eigens von der Kommune zu benennenden Wirtschaftsprüfer überprüfen zu können. Dabei sollen die dafür entstehenden Kosten vom Bieter getragen werden. Jedenfalls die Übernahme der Kosten auch des zweiten Wirtschaftsprüfers durch den Bieter erscheint angesichts der von Gesetzes wegen bestehenden neutralen Testierungspflicht im Hinblick auf § 3 KAV nicht unproblematisch. 434

2. Kommunalrabatt 437 Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KAV kann neben der Zahlung der höchstzulässigen Konzessionsabgabe auch die Zahlung des sog. Kommunalrabattes vereinbart und geregelt werden. Unter dem Kommunalrabatt sind Preisnachlässe für den in Niederspannung oder in Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Kommunen bis zu 10 vom Hundert des Rechnungsbetrages für den Netzzugang, sofern diese Preisnachlässe in der Rechnung offen ausgewiesen werden, zu verstehen. 438 In der Praxis zeigt sich, dass dieser Punkt auch als Mindestanforderung von Kommunen in Konzessionsvergabeverfahren gefordert wird, ohne dass hier weiterer Gestaltungsspielraum bestünde. Im Rahmen der Kriteriengestaltung bleibt den Kommunen jedoch die Möglichkeit, neben der Abfrage der aktuell höchstzulässigen Gewährung des Kommunalrabattes auch auf eine künftige Anpassung dessen zu reagieren und von den Bietern eine entsprechende Zusage zur Anpassung des Kommunalrabattes zu fordern bzw. besonders zu bepunkten. 439 Soweit eine Kommune im Rahmen der Kriteriengestaltung verlangen würde, den Berechtigtenkreis des Kommunalrabattes zu vergrößern, wäre dies jedenfalls in bestimmten Fällen unzulässig. So könnte als Kriterieninhalt gefordert werden, dass der Kommunalrabatt auch Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften einer Kommune gewährt werden müsste. Zum rabattfähigen Eigenverbrauch einer Kommune sind ihre RegieZemann

G. Kriterien zu kommunalen Belangen

383

und Eigenbetriebe sowie die eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen mangels einer eigenen Rechtspersönlichkeit zu zählen.473 Umstritten ist jedoch nach wie vor, ob Eigengesellschaften einer Kommune rabattberechtigt sind. Während das OLG Frankfurt474 die Rabattfähigkeit eines von einer Kommune beherrschten Unternehmens ohne weitergehende Begründung bejaht,475 ist dies in dieser Absolutheit vom Wortlauft des § 3 KAV nicht umfasst.476 § 3 KAV regelt die Zulässigkeit von weiteren Leistungen neben der Konzessionsabgabe. Nach § 1 Abs. 2 KAV sind Konzessionsabgaben Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Strom und Gas dienen. Die Konzessionsabgaben sind als Gegenleistung für die Gewährung des Wegenutzungsrechts nach § 1 Abs. 1 KAV ebenso wie der Kommunalrabatt, der nach § 3 KAV neben den Konzessionsabgabe zu gewähren ist, nur an die Kommunen zu zahlen. Tatsächlich dürfte der vermittelnden Auffassung zuzustimmen sein, die eine Rabattierfähigkeit des Eigenverbrauchs der nicht wirtschaftlich handelnden Eigengesellschaften bejaht. Diese könnten ebenfalls in Form von rechtlich unselbständigen Eigenbetrieben geführt werden. Eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Rabattierfähigkeit ist hier daher nicht angezeigt.477

3. Verwaltungskostenbeiträge Gemäß der Konzessionsabgabenverordnung ist neben oder anstelle von Konzessions- 440 abgaben auch die Vereinbarung oder Gewährung von Verwaltungskostenbeiträgen zulässig. Verwaltungskostenbeiträge können allerdings nur für Leistungen gewährt werden, die die Kommune auf Verlangen oder im Einvernehmen zugunsten des jeweiligen Netzbetreibers erbringt. Dieses Konstrukt wird jedoch relativ selten in Kriterienkatalogen abgefragt, da die meisten Bieter nicht auf entsprechende Leistungen der Kommunen angewiesen sind bzw. diese selbst kosteneffizienter erbringen können. Verwaltungskostenbeiträge können daneben nicht für Leistungen versprochen oder verlangt werden, die sich auf kommunalabgabenrechtliche Bestimmungen bzw. öffentliche Gebührenverordnungen beziehen.478 Insbesondere können hierüber nicht Leistungen abgerechnet werden, die etwa im Rahmen der Straßennutzung bereits durch die Regelungen des jeweiligen Konzessionsvertrages und damit der entsprechenden Konzessionsabgaben geregelt sind.479 Zu diesen Leistungen, die der Straßennutzung durch den

473 BerlKommEnR/Kermel, 4. Aufl. 2018, KAV § 3 Rn 17. 474 OLG Frankfurt, Urteil vom 29.1.2008 – 11 U 20/07 (Kart) – juris Rn 71. 475 Dem zustimmend: Theobald/Kühling/Theobald/Templin, Energierecht, 116. EL Mai 2022, KAV § 3 Rn 46. 476 So auch: BDEW, Anwendungshilfe Konzessionen in der Strom- und Gasversorgung, 2018, S. 34. 477 BerlKommEnR/Kermel, 4. Aufl. 2018, KAV § 3 Rn 17; Geipel, VersorgW 2011, 197, 198 f. 478 BerlKommEnR/Kermel, 4. Aufl. 2018, KAV § 3 Rn 26. 479 BerlKommEnR/Kermel, 4. Aufl. 2018, KAV § 3 Rn 27.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Netzbetreiber im Rahmen des Wegenutzungsvertrages dienen, gehören etwa die Koordination aller Leitungsbaumaßnahmen und die Überwachung dieser Maßnahmen, die Bearbeitung von Aufbruchgenehmigungen bzw. die Abwicklung und Kontrolle von Baumaßnahmen.480

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Exkurs In der Praxis können hier Auslegungsdifferenzen zwischen Kommune und Netzbetreiber in der Frage auftreten, ob eine Straßennutzung (etwa bei Aufgrabungen aufgrund von Neuverlegungen oder Reparatur von Leitungen) eine gebührenpflichtige Sondernutzung darstellt. Für Sondernutzungen der öffentlichen Straßen können nach den landesrechtlichen Vorschriften Gebühren erhoben werden (vgl. für BaWü §§ 16, 19 Abs. 1 StrG BW481). Unter einer Sondernutzung versteht man die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Die Durchführung von Aufgrabungsarbeiten stellt grundsätzlich eine Benutzung über den Gemeingebrauch dar, da sich diese im Gebrauch der öffentlichen Straßen im Rahmen ihrer Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsrechtlichen Grenzen erschöpft (vgl. § 13 Abs. 1 StrG BW). Nach § 21 Abs. 1 Var. 2 StrG BW richtet sich die Einräumung von Rechten zu einer Benutzung von Straßen, die nicht Gemeingebrauch ist, nach bürgerlichem Recht, wenn die Benutzung der öffentlichen Versorgung dient. Unter den Begriff der Benutzung der Straße i. S. d. § 21 Abs. 1 StrG BW ist auch der Betrieb und die Verlegung von Leitungen gem. § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG zu verstehen. Bei der öffentlichen Versorgung mit Strom oder Gas handelt es sich außerdem gerade um eine nach § 21 Abs. 1 StrG BW privilegierte Benutzung der Straße. Das VG Düsseldorf hat festgestellt, dass unter Verlegung einer Leitung sowohl das erstmalige Herstellen eines Leitungsstrangs als auch wesentliche Veränderungen zu verstehen sind. Zum Betrieb von Leitungen würden neben der Kontrolle auf Ordnungsmäßigkeit, Betriebssicherheit, Dichtigkeit usw. auch die Reparatur der Leitung zählen.482 Richtet sich die Einräumung dieser Rechte jedoch gem. § 21 Abs. 1 StrG BW nach bürgerlichem Recht und gemäß §§ 46, 48 EnWG nach den privatrechtlichen vertraglichen Beziehungen, gilt nach Auffassung des VG Düsseldorf das Folgende: „Richtet sich die Einräumung dieser Rechte jedoch gem. § 23 Abs. 1 StrWG NRW nach bürgerlichem Recht, gem. §§ 46, 48 EnWG nach den privatrechtlichen vertraglichen Beziehungen, so ist für eine hoheitliche Gebührenerhebung, wie sie die Kommune  

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480 Morell, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben, 3. Auflage, Stand Oktober 2014, § 3 KAV, Rn 8; Gerbatsch/Walter in Rosin u. a., Praxiskommentar EnWG, Bd. 2, EL. 6–15, § 48 EnWG, Rn 224. 481 Das Straßengesetz für Baden-Württemberg soll nur als Beispiel dienen, andere Landesnormen, die ähnliche Regelungen beinhalten sind etwa: Art 18 BayStrWG, § 18 BbgStrG, § 18 SächsStrG uvm. 482 VG Düsseldorf, Urteil vom 22.4.2015 – 16 K 4775/14, BeckRS 2015, 50333, S. 4, nicht rechtskräftig, Berufung am OVG Nordrhein-Westfalen unter 9 A 1296/15 anhängig.  

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G. Kriterien zu kommunalen Belangen

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vorgenommen hat, in Bezug auf die mit dem Konzessionsvertrag vom 12.12.2011 eingeräumten Rechte kein Raum. Für den Bereich der Strom- und Gaskonzessionsverträge beschränkt vielmehr § 3 Abs. 1 Satz 1 KAV die zulässigen Gegenleistungen für Wegerechte, zu denen nach dessen Ziff. 3 Verwaltungskostenbeiträge zählen. § 3 KAV gibt abschließend vor, welche anderen Leistungen neben Konzessionsabgaben als Gegenleistungen, die Energieversorgungsunternehmen für die Einräumung einfacher oder ausschließlicher Wegerechte an Kommunen entrichten dürfen, zulässig sind.“483 Dem VG Düsseldorf ist hier an dieser Stelle zuzustimmen und eine gebührenpflich- 445 tige Sondernutzung abzulehnen.

II. Sonderkündigungsrechte 1. Ordentliche Kündigung Konzessionsverträge dürfen gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG mit einer Höchstlaufzeit von 446 20 Jahren abgeschlossen werden. Es ist jedoch anerkannt, dass Kommunen bei Durchführung von Konzessionsvergabeverfahren als zulässiges Kriterium die Gewährung von Sonderkündigungsrechten von den Bietern abfragen dürfen.484 Soweit es hier um ordentliche Kündigungsrechte geht, hat sich die Abfrage einer Laufzeit von 10 Jahren und/oder 15 Jahren etabliert. Soweit eine kürzere Laufzeit als 10 Jahre abgefragt wird, kann dies aus kartellrechtlichen Gesichtspunkten problematisch sein, etwa wenn sich bestimmte potentielle Bewerber, anders als ein Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft, nicht auf derart kurze Laufzeiten einlassen können.485 Da etwa bei einem Wechsel des bisherigen Netzbetreibers einer Kommune dem neuen Netzbetreiber die Möglichkeit gegeben werden muss, seinen für den Erwerb des Netzeigentums zu entrichteten Kaufpreis zu refinanzieren. Im Einzelfall können auch kürzere Laufzeiten denkbar sein, soweit überwiegende Gründe der Kommune an dieser Stelle überwiegen und diese nicht wettbewerbseinschränkend sind. Denkbar wäre etwa die Synchronisierung der Laufzeit einer Strom- und Gaskonzession, um hier bei künftigen Konzessionsvergabeverfahren durch eine gleichzeitige Ausschreibung entsprechende Synergien zu heben. Da bei einer Kündigung in der Konsequenz ein neues Konzessionsvergabeverfah- 447 ren durchzuführen ist, müsste im Grundsatz eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren eingehalten werden, um den Anforderungen des § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG gerecht zu werden. Allerdings könnte ein solches ordentliches Kündigungsrecht auch als Fall der vorfristigen Verlängerung von Konzessionsverträgen im Sinne von § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG angesehen werden. Dementsprechend wäre der Vertrag umgehend zu beenden

483 VG Düsseldorf, Urteil vom 22.4.2015 – 16 K 4775/14, BeckRS 2015, 50333, S. 5. 484 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn 80. 485 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn 80. Zemann

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

und die vorzeitige Beendigung bekannt zu machen. Eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren erscheint in diesem Fall als zu lang bemessen.

2. Sonderfall: Change of control 448 Umstritten ist, inwieweit sich eine Kommune ein Sonderkündigungsrecht im Falle des

gesellschaftsrechtlichen Kontrollwechsels (sog. Change of Control-Klausel) versprechen lassen bzw. dies im Rahmen der Kriterien abfragen kann und darf.486 449 Unter Berücksichtigung der fiskalischen Interessen einer Kommune, einen etwaigen Wechsel der Gesellschafterstruktur ihres Netzbetreibers nicht hinnehmen zu können oder zu wollen, ist das reine Abstellen auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Netzbetreibers unzureichend, um solch ein Kündigungsrecht zu rechtfertigen. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass die Kommune im Rahmen der Konzessionsvergabeverfahren einen Wettbewerb um ihre Netze ausführt, auf der Suche nach einem Netzbetreiber, der diese unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG bestmöglich betreiben kann. Dementsprechend sieht man in der Praxis, dass von den Bietern umfassende Zusagen und Verpflichtungen hinsichtlich konkreter Inhalte von Netzbewirtschaftungs-, Instandhaltungs-, und Investitionskonzepten abzugeben sind. Daher kann es für den Fall eines Kontrollwechsels nicht darum gehen, dass ein künftiger beherrschender Gesellschafter möglicherweise die Ziele des § 1 EnWG nicht mehr dergestalt erfüllen kann oder will, wie es der bisherige Netzbetreiber getan hat. Durch die vertraglichen Zusagen ist die Kommune entsprechend geschützt und kann diese – etwa im Rahmen von Investitionskonzepten – gegenüber ihrem Netzbetreiber – unabhängig von dessen Gesellschafterstruktur durchsetzen. 450 Das bloße Abstellen auf die Änderung der Beteiligungsverhältnisse eines Netzbetreibers als kündigungsauslösendes Ereignis ist daher unzureichend und birgt entsprechendes Diskriminierungspotential. Denn dieses Kündigungsrecht lässt die wirtschaftliche Realität außer Betracht. Es würde sogar für den Fall gefordert werden können, dass der das Recht auslösende Kontrollwechsel beim Konzessionsnehmer eine bessere Gewähr für die Erreichung der Ziele des § 1 EnWG bieten würde. Ein Kündigungsrecht wäre allenfalls dann denkbar, wenn durch den erfolgten Kontrollwechsel eine konkrete Gefahr dahingehend bestünde, dass der bestehende Netzbetreiber seiner Verpflichtung sein Netz der allgemeinen Versorgung nicht mehr nach den Regeln des § 1 EnWG zu betreiben, nicht mehr nachkommen könnte und auch sonstige vertragliche Ansprüche der Kommune an dieser Stelle nicht erfolgsversprechend wären. 451 Somit ist das reine „Abfragen“ einer Change of Control-Klausel an dieser Stelle kritisch zu hinterfragen und im Gesamtzusammenhang der sonstigen vertraglichen Zu-

486 Ablehnend steht dem entgegen: BerlKommEnR/Wegner, 4. Aufl. 2019, EnWG § 46 Rn 120; Scholtka/ Keller-Herder, N&R 2014, 186, 191; für die Zulässigkeit spricht sich aus: KG, Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/ 18 EnWG – openJur 2020, 38977, Rn 144; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 3.11.2017 – 11 U 51/17 (Kart), openJur 2020, 43365, Rn 87 ff.  

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G. Kriterien zu kommunalen Belangen

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sagen und Verpflichtungen eines Netzbetreibers aus dem Konzessionsvergabeverfahren zu sehen und zu bewerten.

3. Außerordentliche Kündigungen Die Einräumung von außerordentlichen Kündigungsrechten ist ein zulässiges Mittel, 452 das einer Kommune die Möglichkeit einräumt, bei der Verletzung von wesentlichen vertraglichen Pflichten durch den Netzbetreiber auch nach Aufforderung und entsprechender Fristsetzung den Konzessionsvertrag zu kündigen. Wie bei der ordentlichen Kündigung stellt sich die Frage, ob hier eine Kündigungsfrist von 2 Jahren einzuhalten ist, um den Anforderungen des § 46 Abs. 3 EnWG gerecht zu werden oder ob ein Fall der vorfristigen Verlängerung von Konzessionsverträgen im Sinne von § 46 Abs. 3 Satz 3 EnWG vorliegt. Im letzteren Fall wäre der Vertrag umgehend zu beenden und die vorzeitige Beendigung bekannt zu machen. Als Ultima Ratio einer vertraglichen Sanktion ist eine außerordentliche Kündigung 453 nur bei der Verletzung von wesentlichen vertraglichen Pflichten anzuwenden und kann von der Kommune nicht bei Verstoß gegen jede einzelne Zusage im Netzbetriebskonzept gefordert werden. Eine Verletzung von wesentlichen vertraglichen Pflichten kann vielmehr dann angenommen werden, wenn etwa die vertraglich zugesagte Zahlung der höchstzulässigen Konzessionsabgabe nicht vorgenommen wird, die Ziele des § 1 EnWG vom Konzessionär nachweislich nicht mehr erfüllt werden oder ein sonstiger wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegt.

IV. Folgepflichten/Folgekosten 1. Folgepflichten Unter Folgepflichten ist die Verpflichtung eines Netzbetreibers zu verstehen, seine Ver- 454 teilungsanlagen im Konzessionsgebiet zu verlegen, zu entfernen, zu ändern oder zu sichern, sofern dies durch kommunale Maßnahmen erforderlich ist. Es bietet sich an, entsprechende Folgepflichten auch mit einem Abstimmungspro- 455 zess zu koppeln. Dadurch ist gewährleistet, dass Änderungen der Verteilungsanlagen im beiderseitigen Vorteil erfolgen und etwaige Aufwendungen geringstmöglich gehalten werden. Bestenfalls werden solche Folgepflichten bereits proaktiv durch enge Abstimmungen mit der jeweiligen Kommune im Vorfeld vereinbart, um idealerweise auch seitens des Netzbetreibers Vorteile zu heben (z. B. vorzeitige Vornahme von Erneuerungsmaßnahmen o. ä.)  



2. Folgekosten Folgekosten sind in § 3 Abs. 1 Nr. 2 KAV als zulässige Nebenleistungen genannt. Sie wer- 456 den als „Vergütung notwendiger Kosten, die bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an Zemann

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinden durch Versorgungsleitungen entstehen, die in oder über diesen Verkehrswegen verlegt sind“, definiert. 457 Soweit die Folgekosten durch kommunale Maßnahmen verursacht werden, wurde in der Vergangenheit je nach Alter der Versorgungsanlagen weitgehend eine Aufteilung der Folgekosten für grundbuchrechtlich nicht gesicherte Anlagen und Leitungen aufgeteilt. Seit einigen Jahren sehen die Konzessionsverträge als Regelfall vor, dass trotz Verursachung der Folgekosten durch die Kommune diese von dem Konzessionsvertragspartner der Kommune vollständig zu tragen sind. Dies wurde bislang nicht als unzulässige Nebenleistung angesehen. Strittig ist dies allerdings, soweit die vom Netzbetreiber zu tragenden Folgekosten durch Maßnahmen eines Dritten verursacht worden sind, und die Kommune von dem Dritten keinen Ersatz verlangen kann. Das LG Hannover hat eine solche Übernahme der Folgekosten durch den Netzbetreiber als eine unzulässige Nebenleistung i. S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 KAV angesehen. Hierdurch werde faktisch das Insolvenzrisiko Dritter bei entsprechenden Maßnahmen vollständig auf den Konzessionsvertragspartner der Kommune übertragen.487 458 Überdies dürfen nur die „notwendigen Kosten“ über die Folgekostenregelung vom Netzbetreiber übernommen werden. Im jeweiligen Einzelfall ist daher zu prüfen, welche Kosten hiervon umfasst sind. 459 In der Regel werden Folgepflichten und Folgekosten miteinander verbunden. Hier ist insbesondere wiederrum auf die Abstimmung im Vorfeld zu verweisen. Bestmöglich werden hier unnötige Kosten vermieden oder gar Synergien zum beiderseitigen Nutzen generiert.  

V. Bauabstimmungen mit den Kommunen 460 Wie bereits gesagt, ist es im beiderseitigen Interesse, dass sich Netzbetreiber und Kom-

mune hinsichtlich durchzuführender planbarer Baumaßnahmen eng miteinander abstimmen. In diesem Kontext ist bei der Gestaltung der Kriterien insbesondere auf die strenge Einhaltung des Nebenleistungsverbotes des § 3 Abs. 2 KAV zu achten, da hier die Gefahr besteht, dass die Sphären, in denen entsprechende Verantwortlichkeiten und auch Kosten liegen, vermischt werden können. 461 Mögliche sonstige Kriterien sind hier beispielsweise: 1. Oberflächenwiederherstellung Soweit durch Baumaßnahmen des Netzbetreibers die Oberfläche eines öffentlichen Verkehrsweges beeinträchtigt wird, ist diese bei Beendigung der Baumaßnahme wiederherzustellen. Vereinzelt werden hier auch Qualitätsstandards mitabgefragt, wobei keine höherwertige Oberflächenwiederherstellung versprochen werden

487 LG Hannover, Urteil v. 7.7.2022, 25 O 9/22, S. 64 des Urteilsumdrucks – nicht veröffentlicht. Zemann

G. Kriterien zu kommunalen Belangen

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kann, als es die ursprüngliche war, soweit dies nicht drittmarktüblich entlohnt wird. Digitales Planwerk Zur besseren Planung von Baumaßnahmen ist es sinnvoll, ohnehin bestehende digitale Pläne eines Netzbetreibers zur weiteren Abstimmung mit der Kommune zu nutzen. Wo dies ohne weitere Kosten denkbar ist, wäre auch eine direkte Anbindung an die Datensysteme einer Kommune, zur Abfrage von georefenzierten Referenzdaten denkbar. Mängelgewährleistung Vielfach werden in diesem Kontext auch Anforderungen an die Mängelgewährleistung in den Auswahlkriterien abgefragt und bewertet. Dabei geht es um die Einräumung umfangreicher Gewährleistungsrechte zugunsten der Kommune für etwaige von dem Netzbetreiber an den öffentlichen Straßen verursachte Mängel. Das LG Konstanz hat es in diesem Kontext für nicht gegen das Nebenleistungsverbot verstoßend erachtet, wenn der Kommune längere Gewährleistungsfristen als nach dem BGB vorgesehen (z. B. 10 Jahre für Bauleistungen) eingeräumt werden. Die zeitliche Begrenzung der Gewährleistung diene allein dem Interessenausgleich der Vertragsparteien, stelle dagegen keine eigenständige Leistung dar.488 Dies ist jedoch abzulehnen. Soweit sich eine Kommune im Rahmen der Auswahlkriterien entgegen der Regelung des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB für an öffentlichen Straßen verursachte Mängel eine längere Gewährleistung als fünf Jahre versprechen lässt, bzw. diese besser bepunkten möchte, verlangt sie eine nicht drittmarktübliche Leistung, was konditionsmissbräuchlich im Sinne § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB ist. Denn ein Tiefbauunternehmen würde eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist nicht ohne entsprechende Preisaufschläge vornehmen. Dem Konzessionär ist dies jedoch nicht möglich, denn die Netzentgeltregulierung kennt keine Aufschläge auf das Netznutzungsentgelt für potentielle wirtschaftliche Risiken, die bei Eingehen einer solchen Verlängerung der Gewährleistungspflicht bestehen würden. Es wäre daneben kritisch zu betrachten, wenn eine Kommune ein Monitoring von Gewährleistungsrechten nebst entsprechender Informationspflicht vor Ablaufen der Gewährleistungsfristen seitens des Netzbetreibers abfragt. Unter Monitoring von Gewährleistungsrechten ist zu verstehen, wenn es dem Netzbetreiber obliegt, das Bestehen (inklusive des Ablaufens) von Gewährleistungsrechten für die Kommune – quasi dienstleistend – zu koordinieren. Es liegt an der Kommune, ihre vertraglichen und gesetzlichen Rechte selbstständig zu regeln und wahrzunehmen. Dies kann dem Netzbetreiber nicht als zusätzliche Pflicht bzw. unentgeltliche Dienstleistung auferlegt werden. (Mit-)Verlegung und/oder Nutzung von Leerrohren Durch den Ausbau und die Förderung der Breitbauinfrastruktur in Kommunen sind  

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488 LG Konstanz, Urteil v. 12.10.2018, 7 O 19/18 KfH, S. 14 ff.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

diese darauf bedacht, Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen und im Rahmen von Straßentiefbaumaßnahmen entsprechende Leerrohrverbände mitzuverlegen. Soweit der Netzbetreiber durch Baumaßnahmen in seinen bestehenden oder neu geschaffenen Gräben Leerrohre für die Kommune mitverlegen möchte, sind die Grenzen des § 3 KAV entsprechend zu beachten. Kosten für die Verbreiterung des Straßengrabens, der Materialien und der Personalkosten sind hier von der Kommune im entsprechenden Verhältnis zu tragen.

VI. Informations- und Auskunftsrechte 462 Bereits mit seiner Berkenthin-Entscheidung hat der BGH anerkannt, dass es zulässig ist,

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wenn sich eine Kommune im Rahmen eines Wertungskriteriums Informations- und Nachverhandlungspflichten, Mitwirkungs- und Konsultationsrechte von den jeweiligen Bietern versprechen lässt.489 Hierbei sei „insbesondere auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Entwicklung der Gemeinde über die gesamte Laufzeit des Konzessionsvertrags und die sich hieraus ergebenden veränderten Anforderungen an den Netzbetrieb nicht zuverlässig vorhersehbar sind.“490 Wenn eine Kommune dahingehend regelmäßige Informationen über die jährlichen Investitionen, Instandhaltungen und einer Perspektivplanung versprechen lassen will, stehen dem keine Bedenken entgegen. Ebenso eine Zusammenstellung hinsichtlich der in der Kommune angefallenen Netznutzungsmengen, die Anzahl der Hausanschlüsse und Zählpunkte sowie eine Aufschlüsselung der Länge und Art der entsprechenden Verteilungsanlagen ist an dieser Stelle unbedenklich. Parallel zu oben genannten Informationsrechten werden diese oftmals mit entsprechenden Auskunftsansprüchen zum Ablauf des Konzessionsvertrages kombiniert. § 46a EnWG regelt bereits einen umfassenden Auskunftsanspruch, den die Kommune gegenüber ihrem bisherigen Netzbetreiber zur Vorbereitung einer Neuausschreibung geltend zu machen hat. Hierbei sind technische und wirtschaftliche Daten zu übermitteln, die es anderen Bietern ermöglichen sollen, eine Beurteilung des Netzes vor Abgabe einer entsprechenden Interessensbekundung zu treffen. Soweit eine Kommune im Rahmen der Kriteriengestaltung bezüglich künftiger Auskunftsansprüche verlangt, dass der Umfang dieses Auskunftsanspruchs „über die gesetzlichen Vorgaben“ zu gehen hat, ist dies kritisch zu bewerten. Denn der Gesetzgeber hat mit § 46a EnWG eine Regelung getroffen, die die jeweiligen Interessen der betroffenen Parteien ausreichend berücksichtigt, indem die dortige Aufzählung nicht abschließend ist („insbesondere“).Dem würde es zuwiderlaufen, wenn die Kommune an dieser

489 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, 812, Rn 52. 490 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, 812, Rn 52. Zemann

G. Kriterien zu kommunalen Belangen

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Stelle konditionsmissbräuchlich im Sinne § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB Regelungen abfragen würde, die über das gesetzliche Maß hinausgehen.491

VII. Endschaftsbestimmungen In den sog. Endschaftsbestimmungen sind für den Fall des Vertragsendes, ohne dass sich 467 mit demselben Netzbetreiber ein neuer Konzessionsvertrag anschließt, Regelungen zur Übertragung des Energieversorgungsnetzes enthalten. Die diesbezüglichen Kriterien sind regelmäßig zum Vorteil der Kommune gestaltet, was dem Grunde nach auch zulässig ist.492 Jedoch bergen diese Kriterien häufig ein erhebliches Diskriminierungspotential.

1. Kaufpreis Der Entscheidung des BGH im Fall Berkenthin493 lag die damals geltenden Fassung des 468 § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG zugrunde, wonach „der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet [ist], seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen.“ Es ist daher nachvollziehbar, dass auf Grundlage dieser offenen gesetzlichen For- 469 mulierung der BGH die Zulässigkeit von klarstellenden Kriterien, die den Kaufpreis konkretisieren, anerkannt hat. Diese Notwendigkeit ist jedoch durch die Novellierung des § 46 EnWG weggefallen. 470 In diesem Zuge wurde in § 46 Abs. 2 S. 4 und 5 EnWG klargestellt: „Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich [ist]. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.“

Der Gesetzgeber hat hier für eine gewisse Rechtssicherheit gesorgt. Dies ergibt sich eindrucksvoll aus der Gesetzesbegründung: „Um auch bei dieser Frage für mehr Rechts- 471 sicherheit zu sorgen, soll mit dem vorliegenden Entwurf entsprechend der mit dem „Kaufering-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16.11.1999, KZR 12/97; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 3.6.2014, Az. EnVR 10/13 – Stromnetz Homberg) aufgestellten Grundsätze insoweit der objektivierte Ertragswert als Regelfall normiert werden, ohne die Vertragsfreiheit der beteiligten Parteien sowie das verfassungsrechtlich geschützte Recht zur

491 So auch LG Stuttgart, Urteil vom 11.8.2022, 35 O 64/22 KfH, S. 25. 492 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, 814, Rn 78. 493 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 ff.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Verwertung des Anlageneigentums über Gebühr zu beschränken. Die Vertragsautonomie der Parteien genießt nach wie vor Vorrang.“494 472 Zu betonen ist an dieser Stelle die besondere Hervorhebung der Vertragsautonomie, die es dem bisherigen und dem neuen Nutzungsberechtigten erlaubt, im Rahmen der Verhandlungen zur Übernahme des Verteilnetzes der allgemeinen Versorgung einen Kaufpreis bilateral auszuhandeln. Diese Vertragsautonomie wird unzulässigerweise eingeschränkt, wenn sich eine Kommune im Rahmen von Konzessionsvergabeverfahren in der Kriteriengestaltung Einschränkungen oder Beschränkungen in der Kaufpreisermittlung versprechen lässt, obwohl sie selbst in der Regel nicht Vertragspartnerin des Netzübertragungsvertrages, in dem die Kaufpreishöhe festgelegt wird, ist. 473 Insbesondere sind hierbei auf Grundlage des nun eingeführten „objektivierten Ertragswertes“ Einschränkungen zu sehen, wenn die Kommune es dem Bieter untersagen will, dass Synergieeffekte495, die aus dem Vorhandensein weiterer Sparten beim künftigen Erwerber vorhanden sind, keine Berücksichtigung bei der Kaufpreisermittlung finden sollen. Dies ist jedoch widersprüchlich zur Regelung des § 46 Abs. 2 und 4 EnWG, denn der objektivierte Ertragswert, der in der Regel durch den sog. IDW S1 ermittelt wird, enthält gerade Synergieeffekte.496 Daher ist es nicht Sache der Kommune, die Kaufpreisermittlung einseitig durch entsprechende Kriteriengestaltung vorzugeben, sondern die der Kaufvertragsparteien im Rahmen einer im Falle eines Netzbetreiberwechsels notwendigen Netzübernahmeverhandlung.497

2. Vorbehaltskauf 474 Im Zusammenhang mit Endschaftsbestimmungen lassen sich oftmals Kriterien finden,

die eine zügige Abwicklung einer künftigen etwaigen Netzübergabe regeln sollen. Das Ziel ist hier oftmals die Vereinbarung eines Vorbehaltskaufes des Netzes. Dieses Kriterium allein für sich stehend, ist zulässig, jedoch auch überflüssig. Denn einer solchen expliziten Regelung im jeweiligen Konzessionsvertrag bedarf es nicht, um einen Vorbehaltskauf fordern zu können. „Wenn sich der neue Konzessionsnehmer den Preisvorstellungen des alten Netzbetreibers beugt, obwohl er den geforderten Kaufpreis für überhöht hält, sich aber eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises vertraglich vorbehält, um gegebenenfalls das zu viel Gezahlte zurückzufordern; kommt der Kauf – wenn auch unter Vorbehalt – zu dem vom Verkäufer geforderten Kaufpreis zu Stande.“498 Der Verkäufer ist in diesem Fall zum Abschluss eines Vorbehaltskaufs verpflichtet.499

494 BT-Drs. 18/8481, S. 9. 495 Siehe hierzu und insbesondere zur Kaufpreisermittlung nach dem Prinzip des „IDW S1“, Kapitel 6 B. 496 OLG Schleswig, Urteil v. 29.10.2018, 16 U 69/18, juris Rn 26ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 11.8.2022, 35 O 64/22 KfH, S. 26.; LG Stuttgart, Urteil v. 8.7.2022 – 51 O 131/22, S. 23. 497 LG Stuttgart, Urteil vom 11.8.2022, 35 O 64/22 KfH, S. 26. 498 BGH Beschluss v. 3.6.2014 – EnVR 10/13 – Homberg – NVwZ 2014, 1600, 1605 Rn 43. 499 BGH Beschluss v. 3.6.2014 – EnVR 10/13 – Homberg – NVwZ 2014, 1600, 1605 Rn 43. Zemann

G. Kriterien zu kommunalen Belangen

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In Lichte dieser BGH-Rechtsprechung dürfte auch ein Kriterium unzulässig sein, 475 das neben der Verpflichtung des abgebenden Netzbetreibers, einen Vorbehaltskauf anzubieten, die Höhe des Vorbehaltspreises unterhalb des von dem Verkäufer begehrten Betrages festlegt. Dies würde in der Konsequenz zu einem sog. umgedrehten Vorbehaltskauf führen, in dem dann der Verkäufer in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren zu klären hat, ob der Kaufpreis, den er im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens zugesagt hat, nicht doch zu gering ist. Am Ende führt dies zu einer Verschiebung der Prozessrisiken weg vom Neukonzessionär – der hinsichtlich der Übernahme eines neuen Verteilnetzes eher dazu bereit ist, entsprechende wirtschaftliche Risiken zu übernehmen – hin zum Bestandskonzessionär – den neben dem Wegfall eines Teils seines Netzes auch das Risiko eines gerichtlichen Verfahrens trifft. Dies ist nicht vom kommunalen Gestaltungsspielraum gedeckt und stellt einen Konditionenmissbrauch nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB dar. Aus praktischen Gesichtspunkten führt die Durchführung eines Vorbehaltskaufes 476 nicht dazu, eine Netzübernahme zu vereinfachen. Denn es gilt, zwischen den Parteien nicht nur die Frage des Eigentumswechsels durch Ausverhandlung eines entsprechenden Kaufvertrages abzuwickeln, sondern auf dieser Grundlage – durch Definition des Kaufgegenstandes (ggf. inklusive Grundstücken und sonstigen Leitungen und Anlagen, die nicht vom Abgabegegenstand des § 46 Abs. 2 EnWG umfasst, aber dennoch abgegeben werden) – auch die technische Entflechtung und vor allem, die Höhe der anteilig zu übertragenden Erlösobergrenze festzulegen. Die Durchführung der technischen Entflechtung – galvanisch oder messtechnisch – kann je nach Größe, topographischer Struktur des Konzessionsgebiets und Alternativen beim Leitungsbau beliebig komplex und zeitraubend werden. Die technische Entflechtung ist jedoch notwendig, um einen Besitzübergang durchzuführen und damit den faktischen Netzbetrieb zu übergeben. Sind sich die Parteien über die Art und Weise einer Entflechtung nicht einig, kann auch ein Vorbehaltskauf nicht dazu führen, frühzeitig die Netzübernahme abzuschließen. Allenfalls die eigentumsrechtliche Frage könnte hierdurch geklärt werden.

VIII. Vertragsstrafen Es ist zwar anerkannt, dass sich eine Kommune im Rahmen der Durchsetzung von 477 vertraglichen Leistungsversprechen der Bieter dem Instrument der Vertragsstrafe bedienen kann.500 Jedoch ist dieses Kriterium besonders konkretisierungsbedürftig, um einen etwaigen Überbietungswettbewerb um die höchsten Vertragsstrafen zu verhindern. Dies gilt insbesondere deshalb, da Konzessionsvergabeverfahren zwar einen Wett-

500 OLG Celle Urteil v. 16.6.2022 – 13 U 67/21, BeckRS 2022, 18237 Rn 49; KG Urteil v. 24.9.2020 – 2 U 93/19, VPRRS 2021, 0010; OLG Stuttgart, Urteil v. 16.7.2020, 2 U 563/19, S. 78 ff.; KG (Kartellsenat), Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/18, BeckRS 2018, 26808, Rn 83.  

Zemann

394

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

bewerb um die Netze eröffnen, diese jedoch unter Einhaltung strenger Regulatorik betrieben werden. Monetäre Risiken, wie Gewährleistungs- oder Vertragsstrafenregelungen können in einem nicht regulierten Wettbewerb von den jeweiligen Bietern entsprechend eingepreist werden. Ein Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung kann dies jedoch nicht und ist nicht in der Lage, derartige Risiken im Rahmen der Wälzung der Netznutzungsentgelte an seine Kunden weiterzureichen. Daher ist bei der Abfrage von Vertragsstrafeversprechen darauf zu achten, dass diese nicht an x-beliebige oder gar alle vertraglichen Zusagen gekoppelt werden, sondern allenfalls an wesentliche Pflichten. Daneben sind konkrete Vorgaben hinsichtlich der Höhe und der Häufigkeit einer Vertragsstrafe seitens der Kommune zu machen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Vertragsstrafen als unzulässige Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 KAV eingestuft werden. 478 Diese Vorgaben sind insbesondere dann einzuhalten, wenn in einem Konzessionsvergabeverfahren eine kommunale Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft teilnimmt. Aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit sollte hier gänzlich auf die Abfrage von Vertragsstrafen verzichtet werden. Denn es besteht die berechtige Gefahr, dass die kommunale Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft wohlwollend Vertragsstrafen verspricht, in der realistischen Hoffnung, dass diese von ihrem Mehrheitsgesellschafter nicht abgerufen werden. Denn bevor hier die Kommune auf ein Mittel der Vertragsstrafe zurückgreift, würde sie vielmehr durch deutlich wirksamere gesellschaftsrechtliche Weisungen (bspw. § 37 Abs. 1 GmbHG) auf die Einhaltung der vertraglichen Pflichten hinwirken.

H. Die Auswahlentscheidung I. Anforderungen an die Neutralität bzgl. der Auswahlentscheidung 479 Gemeinden haben als marktbeherrschender Anbieter von Wegenutzungsrechten bei

der Vergabe einer Strom- oder Gaskonzession das Diskriminierungsverbot aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten.501 Sie haben daher neutral das Konzessionsvergabeverfahren zu gestalten und die Auswahl muss in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren erfolgen.502 Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind.503  



501 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 33 – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 17 – Stromnetz Berkenthin. 502 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 34 – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 14 – Stromnetz Steinbach; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 65/12 – Rn 27 – Stromnetz Heiligenhafen. 503 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 14 – Stromnetz Steinbach; ders., Urteil vom 17.12. 2013 – KZR 66/12 – Rn 16 – Stromnetz Berkenthin. Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

395

1. Keine Vorfestlegung Die Vergabeverfahren dürfen daher nicht zugunsten oder zulasten bestimmter Bewer- 480 ber gestaltet werden. Eine Gemeinde muss vielmehr unvoreingenommen und ergebnisoffen das Konzessionsvergabeverfahren durchführen.504 Auch wenn sie mit dem bisherigen Konzessionär zufrieden ist, darf eine Kommune sich nicht auf diesen bereits vorfestlegen. Sie muss auch in diesen Fällen ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchführen. Eine Auswahlentscheidung, die unter dem Eindruck einer derartigen Vorfestlegung getroffen werden würde, wäre rechtswidrig. Eine Gemeinde darf sich auch nicht vorfestlegen, den Netzbetrieb zu (re-)kom- 481 munalisieren.505 Hat eine Gemeinde das politische Ziel, den Netzbetrieb selbst zu übernehmen, muss sie sich dem Wettbewerb stellen und sich in einem solchen Fall mit ihrem Eigenbetrieb oder ihre Eigengesellschaft selbst bewerben. Nur wenn ihr Eigenbetrieb oder ihre Eigengesellschaft das beste Angebot in dem Konzessionsvergabeverfahren abgegeben hat und daher den Zuschlag erhält, ist eine (Re-) Kommunalisierung des Netzbetriebs möglich. Die Gemeinde darf das Verfahren aber nicht zu ihren Gunsten gestalten und Kriterien anlegen, die nur sie erfüllen kann. Sie kann daher nicht positiv bewerten, dass ein Angebot die Übernahme des Netzes durch eine kommunale Eigengesellschaft oder einen Eigenbetrieb vorsieht. Ein solches Kriterium könnte ein dritter Bewerber nicht erfüllen, sodass es diskriminierend wäre.

2. Personelle und organisatorische Trennung bei kommunaler Beteiligung an einem Bieter Beteiligt sich die Gemeinde mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft am 482 Wettbewerb um die Konzession, folgt aus dem Diskriminierungsverbot und der Verpflichtung zur Neutralität gegenüber allen Bewerbern das Gebot der organisatorischen und personellen Trennung von Vergabestelle und Bewerber.506 Dies soll sicherstellen, dass die Gemeinde – insbesondere in den Fällen, in denen durch eine gleichzeitige Stellung als Vergabestelle und als Bieter ein Interessenkonflikt besteht – gegenüber allen Bewerbern um das Wegenutzungsrecht die gebotene Neutralität wahrt und zudem die gebotene diskriminierungsfreie Vergabeentscheidung gewährleistet ist.507 Der Begriff

504 Vgl. BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 154 – Titisee-Neustadt. 505 Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 145; BKartA, Beschluss vom 28.1.2015 – B 8-175/11 – Rn 77, 111 ff. – Titisee-Neustadt. 506 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 34 – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 43 – Gasnetz Leipzig; ders. Beschluss vom 18.10.2016 – KZB 46/15 – Rn 40 – Landesbetrieb Berlin Energie. 507 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 34 – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 33 – Gasnetz Leipzig; ders., Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 48 – Gasnetz Berlin.  

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396

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

der Eigengesellschaft erfasst auch kommunale Beteiligungsgesellschaften, bei denen ebenfalls ein derartiger Interessenskonflikt möglich ist.508 483 Ein Verstoß gegen das Trennungsprinzip führt bereits dann zu einer unbilligen Behinderung von Mitbewerbern, wenn nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass er sich auf das Vergabeverfahren und die sich daraus ergebende Rangfolge der Bieter ausgewirkt haben kann, wenn also nicht feststeht, dass sich auch ohne den Verfahrensfehler dieselbe Rangfolge ergeben hätte.509

a) Anforderungen an Trennung 484 Die Gemeinde hat daher eine vollständige personelle und organisatorische Trennung

zwischen der Vergabestelle und ihrem Eigenbetrieb bzw. ihrer Eigengesellschaft zu gewährleisten. Die Gemeinde muss dazu durch strukturelle Maßnahmen nach dem äußeren Erscheinungsbild die Bevorzugung des Eigenbetriebs oder der Eigengesellschaft und den „bösen Schein“ mangelnder Objektivität der Vergabestelle vermeiden.510 Dieses Konzept muss eine Organisationsstruktur vorgeben, die sicherstellt, dass ein Informationsaustausch zwischen den für die Vergabestelle und den für den Eigenbetrieb bzw. die Eigengesellschaft handelnden Personen nur innerhalb des hierfür vorgesehenen Vergabeverfahrens für das Wegerecht erfolgt.511 Insbesondere müssen unterschiedliche Zuständigkeiten für das Vergabeverfahren und den Eigenbetrieb bzw. die Eigengesellschaft bestehen. Diese dürfen nicht bei derselben Organisationseinheit innerhalb der Gemeindeverwaltung angesiedelt sein.512 Teil des Konzepts muss auch eine Trennung der Berechtigungszuweisungen innerhalb der IT-Systeme sein, um wirksam einen Informationsaustausch auf diesem Wege zu verhindern. 485 Auf solche strukturellen Maßnahmen zur personellen und organisatorischen Trennung kann die Gemeinde auch nicht verzichten, wenn sie die inhaltliche Bearbeitung des Konzessionsvergabeverfahrens an externe Berater oder an eine Rechtsanwaltskanzlei auslagert.513 Ein Informationsaustausch zwischen der Vergabestelle und dem Eigenbetrieb bzw. der Eigengesellschaft außerhalb des hierfür vorgesehenen Verfahrens über die Vergabe des Wegerechts kann bei einer solchen Auslagerung nicht ausgeschlossen werden.514

508 Vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 6.4.2021 – 17 U 3/19 Kart – juris Rn 50. 509 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 52 – Gasnetz Berlin; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 99 – Stromnetz Berkenthin. 510 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 22.3.2018 – 2 BvR 780/16 –, BVerfGE 148, 69-147 – Rn 70. 511 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide. 512 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide; ders. Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 47 ff. – Gasnetz Berlin; BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 140 ff. 513 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 44 – Stadt Bargteheide. 514 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 44 – Stadt Bargteheide.  



Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

397

In dem Konzept zur personellen und organisatorischen Trennung muss auch die Be- 486 fugnis zur Teilnahme an Sitzungen der beteiligten Personen geregelt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es für die gebotene Trennung nicht aus, wenn eine Teilnahme an Sitzungen nicht erfolgte, diese aber grundsätzlich möglich war.515 Eine solche Sitzungsteilnahme darf daher erst gar nicht möglich sein.

b) Beginn der Trennung Eine Gemeinde muss das gesamte Konzessionsvergabeverfahren diskriminierungsfrei 487 gestalten. Sie muss dementsprechend gewährleisten, dass das Verfahren neutral durchgeführt wird und es nicht zu einem unzulässigen Informationsaustausch zwischen der Vergabestelle und einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft, die sich an dem Konzessionsvergabeverfahren beteiligt, kommt. Die personelle und organisatorische Trennung muss daher ab dem Beginn des Verfahrens erfolgen. Eine Gemeinde hat zwar erst mit der Interessensbekundung der interessierten Un- 488 ternehmen auf die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 EnWG im Bundesanzeiger bzw. im Europäischen Amtsblatt formal Kenntnis über deren Beteiligung an dem Verfahren. Es empfiehlt sich aber, dass eine Gemeinde, sobald eine Beteiligung an dem Verfahren mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft absehbar ist, eine derartige personelle und organisatorische Trennung einrichtet. In der Regel wird eine derartige Beteiligung an dem Konzessionsvergabeverfahren bereits vor dessen Beginn in der Gemeinde diskutiert. Wird die personelle und organisatorische Trennung bereits bei den Vorbereitungen für das Konzessionsvergabeverfahren eingerichtet, gewährleistet die Gemeinde damit, dass in der personellen Aufgabenverteilung keine Interessenkonflikte angelegt sind, die die Neutralität der Vergabestelle gefährden könnten.516

c) Folgen bei Verstoß Verstößt eine Gemeinde gegen die personelle und organisatorische Trennung und kann 489 nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass dieser sich auf die Vergabeentscheidung auswirkt, behindert sie die übrigen Bewerber um die Konzession unbillig.517 Ein solcher Verfahrensfehler kann dann zu einer Aufhebung oder teilweisen Rückversetzung in ein vorheriges Verfahrensstadium führen. Insbesondere bei der Bestimmung und Ausgestaltung der Vergabekriterien besteht ohne eine solche Trennung in dem Konzessionsvergabeverfahren die Möglichkeit, dass die Bewerbung des Eigenbetriebs bzw. der Eigenge-

515 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 40 – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 54 – Gasnetz Berlin. 516 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide. 517 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide; ders. Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 51 f. – Gasnetz Berlin; ders. Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 45 – Gasnetz Leipzig.  

Vaulont

398

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

sellschaft durch die Vergabestelle bevorzugt wird.518 Hat sich der Verfahrensfehler jedoch lediglich zugunsten eines Bewerbers ausgewirkt, ist dieser in der Regel auszuschließen und das Konzessionsvergabeverfahren ohne ihn fortzuführen. Die Gemeinde kann daher auch gezwungen sein, ihre eigene Gesellschaft aus dem weiteren Verfahren auszuschließen.

aa) Keine Auswirkung auf Vergabeentscheidung 490 Hat der Verstoß gegen die personelle und organisatorische Trennung nachweislich von

vornherein keine Auswirkungen gehabt hat oder wurden seine Auswirkungen durch andere Maßnahmen beseitigt, hat ein solcher Verfahrensfehler keine weiteren Folgen für das Vergabeverfahren.519 Die übrigen Bewerber werden in diesem Fall durch den Neutralitätsverstoß nicht beeinträchtigt, sodass keine unbillige Behinderung vorliegt. Das Konzessionsvergabeverfahren kann ohne Beeinträchtigung fortgeführt werden. Für die wirksame Beseitigung der Auswirkungen eines Neutralitätsverstoßes trägt die Gemeinde die Darlegungs- und Beweislast.

bb) Aufhebung oder teilweise Rückversetzung in vorherigen Verfahrensstadium 491 Eine Aufhebung oder teilweise Rückversetzung des Konzessionsvergabeverfahrens in

ein früheres Stadium kommt in Betracht, wenn dafür ein gewichtiger Grund vorliegt, an dessen Bejahung der BGH strenge Maßstäbe anlegt.520 Aber auch wenn ein gewichtiger Grund vorliegt, hat die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie das Vergabeverfahren aufhebt oder es mit dem Ziel der Konzessionsvergabe fortsetzt. Im Rahmen der von der Gemeinde vorzunehmenden Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen ist maßgeblich, dass das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht wird.521 492 Kam es zu einem Verstoß gegen das Trennungsgebot, muss die Gemeinde nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich das Konzessionsvergabeverfahren vollständig aufheben und neu beginnen, um ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren so gut wie möglich zu gewährleisten.522

518 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide. 519 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 55 – Gasnetz Berlin. 520 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 44 – Gasnetz Berlin, unter Hinweis auf ders. Urteil vom 20.3.2014 – X ZB 18/13 – Rn 24 f. – Fahrbahnerneuerung I. 521 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 45 – Gasnetz Berlin, unter Hinweis auf ders. Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 55 – Stromnetz Berkenthin. 522 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 51 – Stadt Bargteheide; ders. Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 55 – Gasnetz Berlin.  

Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

399

cc) Ausschluss aus Vergabeverfahren Kann sich der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot hingegen nur zugunsten eines Be- 493 werbers, an dem die konzessionsgebende Gemeinde selbst beteiligt ist, ausgewirkt haben, kann die Gemeinde in der Regel das Konzessionsvergabeverfahren weder vollständig noch teilweise zurückzuversetzen.523 Die Rückversetzung würde jedenfalls in den meisten Fällen zu einem Verstoß gegen die Laufzeitbegrenzung von Konzessionsverträgen führen. Daher wäre Folge eines solchen Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot der Ausschluss der kommunalen Eigengesellschaft bzw. des Eigenbetriebs der Gemeinde.524 In einem solchen Fall muss das Konzessionsvergabeverfahren dann mit den übrigen Bewerbern fortgeführt werden. Verbleibt nach einem solchen Ausschluss nur noch ein Unternehmen als Bewerber, erhält dieses die Konzession. Es wird wohl nur wenige Fälle geben, in denen die Konzessionsvergabe komplett zu 494 wiederholen ist. Die Gemeinden sind verpflichtet, das Konzessionsvergabeverfahren beschleunigt durchzuführen, sodass sich der neue Konzessionsvertrag nahtlos an den auslaufenden Vertrag anschließt.525 Eine teilweise oder vollständige Wiederholung des Konzessionsvergabeverfahrens wird in der Regel zu einer deutlichen Verzögerung der Vergabeentscheidung führen und damit dem Beschleunigungsgebot widersprechen. In derartigen Fällen ist daher der Verfahrensverstoß durch einen Ausschluss des Eigenbetriebs bzw. der Eigengesellschaft zu beseitigen.

3. Besetzung von Gremien a) Gemeinderat In der Regel fällt die Entscheidung über die Vergabe eines Konzessionsvertrags nach 495 § 46 Abs. 2 EnWG aufgrund seiner Bedeutung nach den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen in die Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderats.526 Nur ausnahmsweise wird es sich bei dem Abschluss eines Konzessionsvertrags um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handeln oder um eine durch Beschluss des Gemeinderats dem Bürgermeister zulässigerweise übertragene Aufgabe.527 Der Gemeinderat muss daher einen Beschluss über Vergabe eines Konzessionsvertrags treffen und somit das Konzessionsvergabeverfahren abschließen. Beteiligt sich eine Gemeinde an dem von ihr durchgeführten Konzessionsvergabe- 496 verfahren mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft, kann grundsätzlich dennoch der Gemeinderat über die Vergabe der Konzession entscheiden.528 In einem solchen Fall besteht eine Interessenkollision darin, dass die Gemeinde gleichzeitig die

523 524 525 526 527 528

Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 45, 56 f. – Gasnetz Berlin. Vgl. dazu Kapitel 3 B, Rn 120. Vgl. dazu Kapitel 3 B, Rn 77 ff. Vgl. BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 112. Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 39 – Gasnetz Leipzig. Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 41 – Gasnetz Leipzig.

Vaulont





400

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

Stellung als Vergabestelle und als Bieter innehat.529 Als Vergabestelle hat die Gemeinde im Interesse aller Bieter, ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchzuführen. Als Bieterin hat sie hingegen das Interesse, in dem Verfahren zu obsiegen. Auch wenn alle Gemeinderäte die Interessen der Gemeinde zu wahren haben, führt allein das Eigeninteresse der Gemeinde noch nicht dazu, dass sämtliche Gemeinderatsmitglieder einem Mitwirkungsverbot unterliegen und die Gemeinde bei einer Entscheidung durch den Gemeinderat das Neutralitätsgebot verletzt.530 Es widerspräche der gesetzlichen Konzeption des § 46 EnWG, die grundsätzlich die Möglichkeit der Beteiligung einer Kommune an der Konzessionsvergabe mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft vorsieht,531 und würde zudem das Recht auf die kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzen, wenn eine Beschlussfassung des Gemeinderats stets ausgeschlossen wäre, sobald sich die Gemeinde mit einem eigenen Unternehmen oder einem Eigenbetrieb am Wettbewerb beteiligt.532 497 Auch wenn der Gemeinderat in diesen Konstellationen über die Vergabe der Konzession entscheiden kann, ist die Gemeinde aber nicht völlig frei in der Verfahrensgestaltung. Beteiligt sie sich mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft selbst an dem Konzessionsvergabeverfahren, muss sie bei der Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens dafür sorgen, dass ihr Interessenkonflikt nicht zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots oder des Neutralitätsgebots führt.533

b) Mitwirkungsverbot einzelner Gemeinderatsmitglieder 498 Es besteht nach der Rechtsprechung des BGH ein Mitwirkungsverbot an Konzessions-

vergabeverfahren nach § 46 Abs. 2 EnWG für solche Personen, die bei einem Bewerber gegen Entgelt beschäftigt oder bei ihm als Mitglied eines Organs tätig sind.534 Dieses Mitwirkungsverbot erstreckt sich auch auf Gemeinderäte, die zugleich Mitglied des Aufsichtsrats eines der Bewerber sind.535 Eine solche Doppelfunktion eines Gemeinderats begründet die Gefahr, dass der Eigenbetrieb bzw. die Eigengesellschaft der Gemeinde einen Informationsvorsprung erhält oder ihre Interessen in einer besonderen Weise in die Entscheidungsfindung der Gemeinde einfließen.536 Dem muss die Gemeinde Rechnung tragen und durch die Ausgestaltung der verfahrensbezogenen oder materiellen 529 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 48 – Gasnetz Berlin; ders. Beschluss vom 18.10.2016 – KZB 46/15 – Rn 39 – Landesbetrieb Berlin Energie. 530 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 41 – Gasnetz Leipzig. 531 Vgl. BGH, Beschluss vom 18.10.2016 – KZB 46/15 – Rn 34 ff.; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 65/12 – Rn 42 – Stromnetz Heiligenhafen; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 33 – Stromnetz Berkenthin. 532 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 41 – Gasnetz Leipzig. 533 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 42, 44 – Gasnetz Leipzig. 534 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 51 – Gasnetz Berlin; ders. Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 29 – Gasnetz Leipzig. 535 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 29 – Gasnetz Leipzig. 536 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 43 – Gasnetz Leipzig.  

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H. Die Auswahlentscheidung

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Anforderungen an die Auswahlentscheidung gewährleisten, dass der Interessenkonflikt der Gemeinde weder zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots noch des Neutralitätsgebots führt, wenn sie sich an dem von ihr durchgeführten Konzessionsvergabeverfahren mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft beteiligt.537 Mit ihren ergriffenen Maßnahmen muss eine Gemeinde wirksam auch eine Einflussnahme bereits im Vorfeld der abschließenden Entscheidung des Gemeinderats durch ein Gemeinderatsmitglied, das einem Mitwirkungsverbot unterliegt, verhindern. Stellt sie keine derartigen Maßnahmen zur personellen und organisatorischen Trennung auf, obwohl einzelne Personen einem Mitwirkungsverbot unterliegen, liegt bereits darin eine unbillige Benachteiligung der übrigen Bewerber.538 Hat die Gemeinde grundsätzlich die Anforderungen an eine Trennung von Vergabe- 499 stelle und der als Bieter auftretenden Eigengesellschaft bzw. dem Eigenbetrieb eingehalten, führt allerdings nicht jeder Verstoß gegen dieses Mitwirkungsverbot für Gemeinderäte, die zugleich im Interesse der Gemeinde oder in deren Auftrag Mitglied des Aufsichtsrats eines Bewerbers sind, zur Nichtigkeit des Wegenutzungsvertrags.539 Die übrigen Bewerber werden nicht durch ein fehlerhaftes Auswahlverfahren unbillig behindert, wenn zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf das Vergabeverfahren und die sich daraus ergebende Rangfolge der Bieter ausgewirkt haben kann, wenn also nicht feststeht, dass sich auch ohne den Verfahrensfehler dieselbe Rangfolge ergeben hätte.540 Nimmt ein Gemeinderatsmitglied an der abschließenden Beschlussfassung über die 500 Konzessionsvergabe teil, obwohl es einem Mitwirkungsverbot unterliegt, folgt daraus nicht zwangsläufig eine unbillige Behinderung eines unterlegenen Bewerbers.541 Entscheidend ist dabei, ob der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot die Entscheidung über die Vergabe des Wegenutzungsrechts möglicherweise beeinflusst hat. Bestand zumindest die konkrete Möglichkeit, dass dadurch die Vergabeentscheidung beeinflusst wurde, liegt eine unbillige Behinderung der anderen Bewerber vor.542 Der Bewerber, der diese unbillige Behinderung geltend macht, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Beeinflussung durch eine Mitwirkung solcher Ge-

537 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig; BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 142. 538 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 34 ff. – Stadt Bargteheide; ders., Urteil vom 28.1. 2020 – EnZR 99/18 – Rn 45 – Gasnetz Leipzig; ders. Beschluss vom 18.10.2016 – KZB 46/15 – Rn 40 – Landesbetrieb Berlin Energie. 539 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 36, 38 – Gasnetz Leipzig. 540 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 52 – Gasnetz Berlin; ders. Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 24 – Stromnetz Steinbach; ders., Urteil vom 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 99 – Stromnetz Berkenthin. 541 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 41, 45 m. w. N. – Gasnetz Leipzig. 542 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 45 – Gasnetz Leipzig.  



Vaulont



402

Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

meinderatsmitglieder bei der abschließenden Beschlussfassung als möglich erscheinen lassen.543 501 Konkrete Handlungen eines einzelnen Gemeinderats im Vorfeld der Beschlussfassung können eine solche unzulässige Einflussnahme möglich erscheinen lassen. Wirkt ein Mitglied des Gemeinderats, das einem Mitwirkungsverbot unterliegt, in dem – der abschließenden Beschlussfassung vorgelagerten – Verfahren mit und wird beispielsweise bei der Auswertung der Angebote tätig, besteht die Möglichkeit, dass die Bewerbung des Eigenbetriebs bzw. der Eigengesellschaft durch die Vergabestelle bevorzugt wird.544 In einem solchen Fall ist eine unbillige Benachteiligung eines anderen Bewerbers nur dann ausgeschlossen, wenn für dieses Gemeinderatsmitglied tatsächlich kein Interessenkonflikt besteht oder sich die konkrete Tätigkeit nicht auf die Entscheidung über die Vergabe des Wegenutzungsrechts ausgewirkt hat.545 Hierfür liegt angesichts der vielfältigen Möglichkeiten zu einer Einflussnahme im laufenden Verfahren die Darlegungsund Beweislast bei der Gemeinde.546 Grundsätzlich hat aber zunächst der Bewerber, der eine unbillige Benachteiligung geltend macht, darzulegen und zu beweisen, dass sich ein von einem Mitwirkungsverbot betroffenes Gemeinderatsmitglied an dem Verfahren zur Vergabe des Wegenutzungsrechts in einer über die abschließende Beschlussfassung hinausgehenden Weise beteiligt hat.547 Nach der Rechtsprechung des BGH ist dabei eine sekundäre Darlegungslast der Gemeinde in Betracht zu ziehen.548

c) Konzessionsausschuss 502 Um sicherzustellen, dass der Konzessionsvergabeentscheidung keine Gemeinderäte mit-

wirken, die einem Mitwirkungsverbot unterliegen, richten manche Kommunen einen Konzessionsausschuss ein. Soweit dies kommunalrechtlich zulässig ist, werden dann sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe von diesem gesonderten Ausschuss getroffen. Es handelt sich dabei um einen beschließenden Ausschuss, der nicht nur die zu entscheidenden Fragen vorberät. 503 Mitglieder in diesem Konzessionsausschuss sind dann lediglich Mitglieder des Gemeinderats, die keinem Mitwirkungsverbot unterliegen. Um sicher zu gehen, dass niemand an den Sitzungen teilnimmt, der einem Mitwirkungsverbot unterliegt, müssen die Teilnehmer an jeder Sitzung des Konzessionsausschlusses dokumentiert werden.

543 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 38, 45 – Gasnetz Leipzig. 544 Vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – EnZR 43/20 – Rn 35 – Stadt Bargteheide; ders. Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig. 545 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig. 546 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig. 547 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig. 548 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – EnZR 99/18 – Rn 46 – Gasnetz Leipzig. Vaulont

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Die Gemeinde muss zudem sicherstellen, dass keine vertraulichen Informationen, 504 die dem Konzessionsausschuss vorbehalten sind, anderen Gemeinderatsmitgliedern zugänglich gemacht werden.

II. Auswertung 1. Notwendiges Fachwissen Die Angebote müssen von Personen ausgewertet werden, die die fachliche Eignung ha- 505 ben, um diese bewerten zu können. Es wird daher in der Regel nicht möglich sein, dass Personal der Gemeinde die verschiedenen Bestandteile der Konzessionsangebote beurteilt. Das notwendige Fachwissen, um die technischen, energiewirtschaftlichen und regulatorischen Details zu erfassen und vergleichend bewerten zu können, wird kaum in einer Kommunalverwaltung vorhanden sein. Mit der zunehmenden Komplexität der Kriterienkataloge und der Verbreitung des Konzeptwettbewerbs hat sich die Auswertung in der Vergangenheit immer mehr zu externen Beratern verschoben. Während es früher Gemeinden gab, die die Konzessionsvergabe ohne externe Berater durchführten, kommt es mittlerweile in der Praxis nicht mehr vor, dass Gemeinden selbst die Auswertung der Angebote komplett alleine übernehmen. Die externen Beratungsgesellschaften und Kanzleien verfügen entweder selbst über die nötige Expertise oder ziehen diese zu einzelnen Aspekten gesondert hinzu.

2. Vorprüfung Im Rahmen der Vorbereitung für die Auswertung ist zunächst die Einhaltung der Ange- 506 botsfrist zu prüfen. Angebote, die nach der Frist eingingen, sind nicht zu bewerten und die Bewerber entsprechend auszuschließen.549 Das Angebot muss auch etwaige Formvorgaben wie bspw. die Schriftform einhal- 507 ten. Sahen die Vergabebedingungen die Abgabe eines unterzeichneten Konzessionsvertrags vor, ist ein Angebot auszuschließen, wenn der Bieter lediglich einen Vertragsentwurf vorlegte, der nicht unterzeichnet ist. Ebenso ist ein Angebot nicht weiter zu berücksichtigen, wenn der Vertrag nicht von dem Bieter, sondern von einem anderen Unternehmen unterzeichnet wurde, das selbst nicht sein Interesse bekundete und nicht Rechtsnachfolger eines Unternehmens ist, das sein Interesse bekundete. Anschließend sind die Angebote auf ihre Vollständigkeit zu prüfen. Enthielten die 508 Vergabebedingungen Vorgaben zum Nachweis der Eignung der Bewerber, müssen diese Unterlagen entsprechend frist- und formgerecht eingegangen sein. Soweit diese Eignungsnachweise nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen müssen, wie bspw.

549 Vgl. dazu Kapitel 3 B, Rn 106 ff.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

eine Genehmigung nach § 4 EnWG, kann der fehlende Nachweis der Eignung ebenfalls zu einem Ausschluss führen.550 509 Im Rahmen der inhaltlichen Vorprüfung werden dann üblicherweise die Einhaltung der Mindestanforderungen und der Eignungskriterien geprüft. Kann ein Bieter seine Eignung nicht nachweisen oder erfüllt sein Angebot einzelne Mindestkriterien nicht, ist er aus dem Konzessionsvergabeverfahren auszuschließen. Die Gemeinde muss dabei die vorher den Bietern offengelegten Eignungs- und Mindestkriterien diskriminierungsfrei anwenden.551 510 Erfüllen die Angebote die in den Vergabebedingungen festgelegten Form- und Fristerfordernisse, die Eignungskriterien und die Mindestanforderungen, erfolgt die inhaltliche Auswertung und Bewertung.

3. Anforderungen an Auswertung a) Beurteilungsspielraum 511 Die Gerichte betonen immer wieder den weiten Beurteilungsspielraum der Gemeinden bei der Prüfung der Angebote, in Anlehnung an die Grundsätze des Vergabeverfahrens.552 Die Gemeinden sind aber nicht völlig frei, sondern müssen die einzelnen angebotenen Leistungen diskriminierungsfrei, sachlich begründet, objektiv nachvollziehbar und plausibel bewerten.553 Sie dürfen daher von keinem unzutreffenden oder unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung einfließen lassen und sich die Wertungsentscheidung im Rahmen der Gesetze und der allgemein gültigen Beurteilungsmaßstäbe halten, d. h. Besseres besser, Schlechteres schlechter, Gleiches gleich zu werten und Minder- oder Mehrbemessungen nur bei bedeutsamen Abweichungen vornehmen.554 512 Nach dem Transparenzgebot sind Gemeinden bei der Bewertung der Angebote an ihren Kriterienkatalog und die darin festgelegte Gewichtung gebunden, den sie vor der Angebotsabgabe nach § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG den Bewerbern bekannt gemacht haben. Sie dürfen hiervon nicht abweichen und grundsätzlich keine zusätzlichen, nicht bekannt gemachten Kriterien berücksichtigen, oder auf die Bewertung einzelner Kriterien verzichten.555 Nach dem Diskriminierungsverbot muss die Bewertung der einzelnen  

550 Vgl. dazu Kapitel 3 B, Rn 109 ff. 551 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 29 – Gasnetz Berlin. 552 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 25. 553 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 28, 165; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 96; OLG Koblenz, Urteil vom 12.9.2019 – U 678/19 Kart – juris Rn 13, 27, 51, 55, 58; OLG Schleswig, Urteil vom 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart – juris Rn 87. 554 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 25. 555 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.4.2017 – 6 U 156/16 Kart – juris Rn 194.  

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Kriterien auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage beruhen und nach dem von der Gemeinde festgelegten Wertungsmaßstab erfolgen.556 Im Rahmen des Konzeptwettbewerbs muss bei der relativen Bewertungsmethode 513 dieser Maßstab aber nicht im Vorhinein bis ins letzte Detail wertungsmäßig aufgeschlüsselt werden.557 Den Bewerbern lässt eine inhaltliche Offenheit des Bieterwettbewerbs einen Spielraum für eigene (neue) Gesichtspunkte in den Angeboten.558 Eine starre Vorgabe sämtlicher materieller Aspekte, die die Gemeinde berücksichtigen will, würde diesen Spielraum erheblich beschränken und letztlich einen Wettbewerb um die besten Konzepte einengen.559 Insoweit folgt aus dem Transparenzgebot nicht, dass die Bieter bei zulässiger Offenheit der Ausschreibung bei Abgabe ihrer Angebote genau wissen müssen, welche Leistungen sie bieten müssen, um das am höchsten zu bewertende Gebot zu machen oder einen bestimmten Grad in der relativen Bewertungsskala zu erreichen.560 Die Gemeinde sollte aber in einem solchen Fall die aus ihrer Sicht zentralen Gesichtspunkte darstellten. Damit erhalten die Bieter ein Verständnis von der Zielvorstellung der Gemeinde und die Gemeinde bzw. deren externe Berater haben Orientierungspunkte für die Bewertung der unterschiedlichen Angebote. Kehrseite dieses weiten Beurteilungsspielraums ist die entsprechend ausführliche 514 Auseinandersetzung mit den Angeboten. Je unbestimmter die Anforderungen für ein Kriterium im Kriterienkatalog formuliert sind, desto ausführlicher muss die Gemeinde begründen, warum ein Konzept besser als ein anderes ist.

b) Messbare Werte Werden für ein Kriterium messbare Werte abgefragt, sind die Angaben in den Angebo- 515 ten in der Regel quantitativ zu vergleichen. Konkret abgefragte Werte wie beispielsweise der SAIDI-Wert werden dabei rechnerisch miteinander verglichen und bewertet. Eine solche Bewertung ist für die Gemeinden daher mit einem vergleichsweise geringen Aufwand verbunden. Manche Kriterienkataloge sehen hingegen auch für messbare Kriterien, bei denen 516 theoretisch Rechenformeln angewendet werden könnten, einen qualitativen Vergleich zwischen dem Bestgebot und einem jeweils anderen Gebot vor. Die Bewertung dieser Kriterien ist dabei nicht rechnerisch determiniert.561 Vielmehr kommt es in solchen Fällen bei der Bewertung darauf an, wie sich diese Gebote qualitativ in das in Betracht

556 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.4.2017 – 6 U 156/16 Kart – juris Rn 194, unter Hinweis auf ders., Beschluss vom 15.4.2015 – 15 Verg 2/15 – juris Rn 30. 557 Vgl. dazu Kapitel 3 C. 558 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 99. 559 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG – juris Rn 95. 560 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 99, unter Verweis auf Beck-VergabeR/Opitz, § 127 GWB, Rn 133 m. w. N. zum Vergaberecht. 561 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 109.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

kommende Leistungsspektrum einordnen. Grundsätzlich kann auch in diesen Fällen ein rechnerischer Vergleich ein probates Mittel für die Annäherung an eine sachgerechte Bewertung der qualitativen Abweichung und somit der Bepunktung sein.562 Diese erste quantitative Betrachtung kann die von der Gemeinde im Kriterienkatalog festgelegte qualitative Bewertung aber nicht ersetzen. Bei dieser Betrachtung kann es im Einzelfall zu einer deutlichen Abweichung von dem Ergebnis des quantitativen Vergleichs kommen. Sind zwei Angebote unterschiedlich, aber jeweils weit von dem entfernt, was als günstiges Angebot noch ernsthaft in Betracht gekommen wäre, muss das bessere der beiden nicht mit der maximalen Punktezahl bewertet werden und das schlechtere bei einer bspw. halben Leistung mit der Hälfte der maximalen Punkte.563 517 Ein qualitativer Vergleich messbarer Werte bietet den Gemeinden einen größeren Beurteilungsspielraum als eine rein quantitative Bewertung. Damit geht ein größerer Begründungsaufwand für die Gemeinden einher, die ihre qualitative Einschätzung der Angebote nachvollziehbar dokumentieren müssen.564

c) Konzepte 518 Aufwendig sind hingegen die Auswertung und Bewertung von Kriterien, bei denen die

Bieter Konzepte erstellen sollen. Die Konzepte müssen im Einzelnen durchdrungen werden und dann gegeneinander und gegenüber der Zielvorstellung der Kommune abgewogen werden. Bei der Auswertung ist daher eine entsprechende Expertise im Zusammenhang mit den im Kriterienkatalog abgefragten Themen erforderlich. Fragt eine Kommune bspw. ein Netzentwicklungskonzept ab, muss sie dieses auch in der Tiefe nachvollziehen und bewerten können. 519 Erfolgt die Bewertung danach, welcher Bieter das beste Angebot abgegeben hat, muss die Gemeinde die verschiedenen angebotenen Konzepte miteinander vergleichen.565 Für die Bewertung ist es maßgeblich, wie und welche der verschiedenen von der Kommune aufgeführten Aspekte vom jeweiligen Bieter konkret verwirklicht, miteinander in Einklang gebracht oder gegebenenfalls noch ergänzt werden.566 Im Rahmen des Ideenwettbewerbs, bei dem die Gemeinde nicht ein festes Leistungsspektrum, sondern nur ein bestimmtes Leistungsziel oder bestimmte Anforderungen vorgibt, können sich die von den Bietern entwickelten Lösungen deutlich voneinander unterscheiden, sodass

562 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 113; OLG Schleswig, Urteil vom 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart – juris Rn 186 ff.; OLG Celle, Urteil vom 19.10.2017 – 13 U 38/17 (Kart) – juris Rn 59 f. 563 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 108, unter Verweis auf Beck-VergabeR/Opitz, § 127 GWB, Rn 134 m. w. N. zum Vergaberecht. 564 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 115. 565 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 24.9.2020 – 2 U 93/19 EnWG – juris Rn 116. 566 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 99.  







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H. Die Auswahlentscheidung

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die Vergleichbarkeit erschwert ist.567 Daher sind derartige funktionale Leistungsbeschreibungen besonders anfällig für ergebnisorientierte Bewertungen.568 Aus dem Transparenzgrundsatz folgt in diesen Fällen daher eine gesteigerte Dokumentations- und Begründungspflicht der Gemeinden. Kehrseite ihres weiten Beurteilungsspielraums ist eine entsprechend ausführliche Bewertung. Je unbestimmter die Anforderungen für ein Kriterium im Kriterienkatalog formuliert sind, desto ausführlicher muss die Begründung sein. Die Gemeinden müssen ausführlich darlegen und begründen, warum das Angebot eines Bieters besser ist als das eines anderen. Sie müssen Wertungsunterschiede machen, wenn sich die angebotenen Leistungen unterscheiden. Es reicht nicht aus, unterschiedliche Konzepte der Bieter pauschal als gleichwertig zu bewerten. Möchte eine Gemeinde unterschiedliche Konzepte gleich bewerten, muss sie darlegen, dass die Konzepte trotz ihrer Unterschiedlichkeit gleichwertig sind.

d) Plausibilisierung Die Gemeinde hat die Aus- und Zusagen in den Angeboten zu plausibilisieren, um einer 520 missbräuchlichen Bieterpraxis durch Abgabe nicht einhaltbarer Zusagen entgegenzuwirken. Dabei ist zwischen einer Plausibilitätsprüfung von vertraglichen Zusagen, von allgemeinen Aus- und Zusagen im Angebot und von Prognosen zu unterscheiden. Macht ein Bieter vertragliche Zusagen, muss die Gemeinde diese nur bei konkreten 521 gegenteiligen Anhaltspunkten plausibilisieren.569 Die rechtliche Durchsetzbarkeit dieser für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Zusagen wird durch vorgesehene Überprüfungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Erfüllung und hieran knüpfenden Sanktionsmöglichkeiten gewährleistet.570 Dies genügt zur Wahrung eines Mindestmaßes an grundsätzlicher Plausibilität der Angebote und damit an der Sachlichkeit der Auswahlentscheidung.571 Werden hingegen keine Überprüfungs- und Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen, 522 fehlt es an einer derartigen Gewährleistung eines Mindestmaßes an Plausibilität. Die Gemeinde kann sich diesbezüglich nicht allein auf diese Zusage verlassen, sondern muss deren Plausibilität selbst prüfen. Dabei ist es unerheblich, ob die Zusage vertraglich zugesichert wird, oder ob es sich nur um eine allgemeine Aus- oder Zusage im Angebot handelt. Würde eine Gemeinde lediglich auf die Selbsteinschätzung der Bieter bei der Gewährung von Zusagen vertrauen, käme das dem Bieter zugute, der die optimistischsten Zusagen macht, und dabei möglicherweise auch die eigene Leistungsfähigkeit

567 Vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 19.7.2016 – Kart U 1/15 – juris Rn 64. 568 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 24.9.2020 – 2 U 93/19 EnWG – juris Rn 116; OLG Brandenburg, Urteil vom 19.7.2016 – Kart U 1/15 – juris Rn 64. 569 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 40. 570 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG – juris Rn 61. 571 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 40; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8. 2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 154. Vaulont

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

überschätzt. Der Gemeinde würde damit einen Anreiz für unrealistische Zusagen setzen, die letztlich die Aussagekraft der Zusage und damit des Kriteriums entwerten. Dies würde dem gesetzgeberischen Ziel, im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens den bestgeeigneten Netzbetreiber zu ermitteln, zuwiderlaufen. Die Gemeinden müssen daher in diesen Fällen die Plausibilität auch ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte prüfen.572 Dabei steht der Grad der erforderlichen Sachermittlung und Plausibilisierung wohl nicht – wie teilweise angenommen wird573 – im Ermessen der ausschreibenden Gemeinde. Sie können daher auch nicht de facto auf eine Plausibilitätsprüfung verzichten, indem sie ganz geringe Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis stellen. 523 Ein Bieter, der zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe eine zugesagte Leistung bereits erbringt bzw. erbringen kann, erhält nicht allein deshalb bereits mehr Punkte. Allerdings kann es für die Plausibilisierung der in die Zukunft gerichteten Zusage einen Unterschied machen, ob einer der Bewerber bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe eine derartige Leistung erbringen kann oder erbringt. Sagt ein Bieter für die Zukunft eine bestimmte Leistung zu, die er zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch nicht erbringt, kann diese Ankündigung nicht ohne Weiteres gleichwertig zu der Zusage eines Bieters bewertet werden, der diese bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe erfüllt. Möchte eine Gemeinde in einem derartigen Fall beide Zusagen gleich bewerten, muss sie begründen, warum hinsichtlich der Zusage des Bieters, der die Voraussetzungen heute noch nicht erfüllt, keine Unsicherheit besteht, dass der Bieter sie tatsächlich erfüllen wird. 524 Verzichtet eine Gemeinde auf eine tiefergehende Plausibilitätsprüfung mit dem Argument, dass die Bieter als Fachunternehmen besser als die ausschreibende Gemeinde in der Lage seien, die Leistungsfähigkeit des ausgewählten Bieters zu prüfen, muss sie diese Prüfung spätestens nach entsprechenden Hinweisen nachholen. Teilt ein unterlegener Bieter im Rahmen einer Rüge gegen die Auswahlentscheidung konkrete Anhaltspunkte in Bezug auf den vorläufig siegreichen Bieter mit, die objektiv zu Zweifeln an der Plausibilität seines Angebots veranlassen und der Gemeinde danach eine konkrete Plausibilitätsprüfung gebieten, hat die Gemeinde diese zu prüfen.574 Um eine nachträgliche Neubewertung einzelner Zusagen und ggfs. eine neue Vergabeentscheidung und damit eine Verzögerung der Konzessionsvergabe zu vermeiden, empfiehlt sich daher eine bestmögliche Plausibilitätsprüfung durch die Gemeinde bereits im Rahmen der Auswertung der Angebote. 525 In Kriterienkatalogen werden zudem regelmäßig Prognosen für die Zukunft abgefragt. Werden für Abweichungen von diesen Prognosen keine vertraglichen Sanktions-

572 A. A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 154. 573 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 41; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8. 2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 188. 574 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 40; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8. 2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 154.  

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H. Die Auswahlentscheidung

möglichkeiten vorgesehen, muss die Gemeinden diese Prognosen plausibilisieren.575 Bei der Bewertung derartiger Aussagen besteht für die Gemeinden die Schwierigkeit, dass die Unsicherheit hinsichtlich derartiger Zukunftsaussagen zunimmt, je später sie eintreten sollen. Die Belastbarkeit von Zusagen für die Zukunft nimmt daher immer stärker ab, je weiter der Prognosezeitraum in der Zukunft liegt.

e) Zertifikate Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung kann sich die Gemeinde auf vorgelegte Zertifikate 526 der Bieter beziehen. Hat ein Bieter eine Zusage hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit mit einem Zertifikat nachgewiesen, kann die Gemeinde hierauf abstellen. Zunehmend fragen Gemeinden direkt im Kriterienkatalog bestimmte Zertifikate ab. 527 Hat ein Bieter ein derartiges Zertifikat noch nicht, aber sagt er eine entsprechende Zertifizierung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu, muss die Gemeinde diese Zusage plausibilisieren. Sie muss also überprüfen, ob diese Zusicherung auf valider Grundlage erfolgte und der Bieter realistischerweise die Voraussetzungen für den Erwerb des Zertifikats aufweisen wird.576 Legt bspw. ein anderer Bieter das gewünschte Zertifikat vor und sagt seine Rezertifizierung zu, muss die Gemeinde die gleichwertige Plausibilität dieser unterschiedlichen Zusagen und Nachweise nachvollziehbar begründen, wenn sie beide Angebote gleichbewerten will.

f) Verstoß gegen Nebenleistungsverbot Die Bieter dürfen keine Angebote machen, die gegen das Nebenleistungsverbot aus § 3 528 Abs. 2 KAV verstoßen.577 Die Vereinbarung einer solchen unzulässigen Nebenleistung ist nach § 134 BGB nichtig. Nach der Rechtsprechung des BGH führt die zur Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrags, wenn die unzulässige Leistung Kriterium für die Auswahl des Konzessionärs war oder sich in anderer Weise auf die Auswahlentscheidung der Gemeinde ausgewirkt hat.578 Bietet ein Bewerber nach § 3 Abs. 2 KAV unzulässige Leistungen an, dürfen diese da- 529 her nicht in die Bewertung einfließen. Andernfalls besteht das Risiko, dass sich dieser Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot auf die Konzessionsvergabe auswirkt und die Auswahlentscheidung beeinflusst. Dies würde zu einer Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrags führen. Fordert die Gemeinde in einem der Kriterien für die Konzessionsvergabe eine Leis- 530 tung, die gegen das Nebenleistungsverbot aus § 3 Abs. 2 KAV verstoßen würde, und hat

575 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 41; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8. 2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 188; ders. Urteil vom 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart – juris Rn 192 f. 576 Vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart – juris Rn 141. 577 Vgl. dazu Kapitel 1. E. 578 Vgl. BGH, Urteil vom 7.10.2014 – EnZR 86/13 – Rn 48 ff. – Stromnetz Olching.  



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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

keiner der Bieter dieses Kriterium gerügt, ist die Gemeinde an dieses Kriterium dennoch nicht gebunden, da es sich bei dem Nebenleistungsverbot um ein gesetzliches Verbot handelt, das nicht dem Ermessen der Parteien unterliegt. Die Gemeinde kann eine solche Leistung nicht wirksam mit den Bietern vereinbaren und kann diese daher auch nicht zum Auswahlkriterium eines Konzessionsvergabeverfahrens machen. Ein solches Auswahlkriterium ist unzulässig. Solange die Bewerber noch keine verbindlichen Angebote abgegeben haben, hat die Gemeinde den Kriterienkatalog entsprechend zu ändern und das unzulässige Kriterium zu streichen. Damit würde sie verhindern, dass der noch abzuschließende Konzessionsvertrag insgesamt nichtig ist. Dazu hat sie den Kriterienkatalog im Rahmen eines weiteren Verfahrensbriefs zu überarbeiten. 531 Wurden hingegen bereits verbindliche Angebote von den Bewerbern abgegeben, hat sie in einem derartigen Fall –abweichend von dem Grundsatz, dass die Gemeinde, die von ihr aufgestellten Kriterien anwenden muss, – nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, auf dieses Kriterium zu verzichten. Andernfalls wäre der Konzessionsvertrag nach der Rechtsprechung des BGH579 von Vornherein insgesamt nichtig. Dies kann die Gemeinde nur verhindern, indem sie auf das Kriterium verzichtet. Die Alternative, das gesamte Konzessionsvergabeverfahren teilweise oder ganz zurückzuversetzen, würde in der Regel in diesem Zeitpunkt dem Beschleunigungsgrundsatz widersprechen. Ein etwaiges Interesse der Gemeinde, das rechtswidrige Kriterium durch ein anderes Auswahlkriterium zu ersetzen bzw. die Gewichtung der bestehenden Auswahlkriterien zu verändern, tritt regelmäßig hinter die gesetzliche Verpflichtung, zumindest alle 20 Jahre den Wettbewerb um das Wegerecht zu eröffnen und dieses Konzessionsvergabeverfahren zügig durchzuführen,580 zurück. Nur wenn mit einem solchen Verzicht auf Kriterien, die gegen das Nebenleistungsverbot verstoßen, wesentliche Teile des Kriterienkatalogs entfallen würden, dürfte eine Zurückversetzung des Verfahrens angezeigt sein.

4. Dokumentation 532 Gemeinden müssen ihre Auswertung der Angebote und die jeweilige Bewertung dokumentieren. Diese, teilweise als Auswertungsvermerk oder Bewertungsgutachten bezeichnete, Dokumentation ist einerseits die Grundlage für die Auswahlentscheidung des Gemeinderats und dient andererseits den unterlegenen Bietern als Grundlage für die Überprüfung der Auswahlentscheidung.581 In dem Auswertungsvermerk werden die wertungsrelevanten Inhalte der Angebote zusammengefasst und diese für jedes einzelne Kriterium bewertet und gegebenenfalls gegeneinander abgewogen. 533 Die Gemeinderäte treffen in der Regel ihre Auswahlentscheidung auf der Grundlage des Auswertungsvermerks. Auch wenn sie theoretisch in sämtliche Angebote Ein-

579 Vgl. BGH, Urteil vom 7.10.2014 – EnZR 86/13 – Rn 48 – Stromnetz Olching. 580 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 18, 37 – Gasnetz Berlin. 581 Vgl. dazu Kapitel 4. Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

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sicht nehmen könnten, nehmen in der Praxis die wenigsten Gemeinderatsmitglieder diese Möglichkeit wahr. Zudem fehlt ihnen meistens die Expertise, um die Angebote selbst auszuwerten. Sie sind daher auf die Unterstützung durch fachkundige, externe Berater angewiesen. Diese können die Angebote auswerten und damit eine wichtige Vorarbeit für die Vergabeentscheidung übernehmen, die Verantwortung bleibt aber bei der Gemeinde. Die Gemeinderatsmitglieder müssen die Auswertung daher kritisch hinterfragen und selbst nachvollziehen.

a) Darstellung der Angebote In einem deskriptiven Teil des Auswertungsvermerks werden üblicherweise zu jedem Kriterium die jeweils von den Bietern angebotenen Leistungen dargestellt. Es findet noch kein Vergleich der unterschiedlichen Angebote oder eine inhaltliche Bewertung statt. Dieser Teil dient lediglich der Zusammenfassung und Darstellung für die darauf aufbauende Bewertung. Anhand des deskriptiven Teils ist erkennbar, welche Teile des Angebots die Kommune bei ihrer Bewertung zugrunde gelegt hat. Ein solcher gesonderter Teil ist in dem Auswertungsvermerk nicht zwingend erforderlich. Die Gemeinden müssen aber in jedem Auswertungsvermerk erkennen lassen, auf welcher Grundlage sie die Angebote bewertet und eine Auswahlentscheidung getroffen haben. Es ist daher auch möglich, die Darstellung der wertungsrelevanten Teile der Angebote und deren Bewertung zusammenzufassen. Hierfür gelten aber dieselben Anforderungen wie für einen gesonderten deskriptiven Teil im Auswertungsvermerk. Es ist nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll, die einzelnen Angebote vollständig wiederzugeben. Vielmehr sollen die wesentlichen Ausführungen zu den Kriterien dargestellt werden. Wiederholende Ausführungen, die die Bieter in einem anderen Kriterium machten und die (nur) dort wertungsrelevant sind, und für die Bewertung unwesentliche Ausführungen können daher weggelassen werden. Die im Rahmen der Akteneinsicht von der Gemeinde vorzunehmende Abwägung zwischen dem Offenlegungsinteresse des unterlegenen Bieters und dem Geheimhaltungsinteresse des obsiegenden Bieters dürfte hinsichtlich der Angebotsbestandteile, die nicht wertungsrelevant sind, zugunsten des obsiegenden Bieters ausfallen.582 Werden die einzelnen Angebote vollständig in dem Auswertungsvermerk wiedergegeben, hat die Gemeinde dementsprechend die, für die Wertung nicht relevanten, Angebotsbestanteile zu schwärzen. Die Gemeinde erspart sich daher Schwärzungsaufwand, wenn sie nur die für die Wertung relevanten Inhalte der Angebote in ihren Auswertungsvermerk übernimmt. Im Rahmen der Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG können die unterlegenen Bieter anhand des deskriptiven Teils zu ihrem eigenen Angebot nachvollziehen, ob die Gemeinde ihre angebotenen Leistungen zutreffend berücksichtigt hat. Fehlen in der Zusammenfassung beispielsweise wesentliche Teile der Ausführungen des Angebots zu

582 Vgl. BGH, Urteil vom 7.9.2021 – EnZR 29/20 – Rn 14 – Gasnetz Rösrath. Vaulont

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

einem bestimmten Kriterium, kann dies ein Anzeichen für eine möglicherweise fehlerhafte Bewertung sein. Es müsste dann aus der Bewertung zu diesem Kriterium klar erkennbar sein, dass dieser wesentliche Teil in der Bewertung berücksichtigt wurde, obwohl er in der Zusammenfassung fehlt. 538 Zudem kann der unterlegene Bieter erkennen, ob es zu Übertragungsfehlern kam und somit sein Angebot nicht korrekt zusammengefasst wurde. Auch in diesem Fall müsste sich aus der Bewertung des Angebots eindeutig ergeben, dass der Übertragungsfehler keine Auswirkungen hatte.

b) Bewertung der einzelnen angebotenen Leistungen 539 Die Gemeinde muss ihre jeweilige Bewertung zu jedem einzelnen abgefragten Kriterium dokumentieren und sorgfältig begründen, auf welcher Grundlage sie ihre Auswahlentscheidung getroffen hat.583 Dazu gehören auch etwaige Eignungskriterien und Mindestanforderungen. Dieser Auswertungsvermerk muss erkennen lassen, dass die getroffene Wertung der einzelnen angebotenen Leistungen nachvollziehbar, sachlich begründet, diskriminierungsfrei und plausibel ist.584 Den bei der Auswahlentscheidung unterlegenen Bietern hat die Gemeinde im Rahmen der Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 S. 1 EnWG diesen Auswertungsvermerk offenzulegen, damit sie die Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Vergabeentscheidung überprüfen können.585 540 Der Umfang der Begründung steigt mit dem Beurteilungsspielraum der Kommune. Als Kehrseite der ergebnisoffenen Ausschreibung muss die Gemeinde eine detaillierte und zu dokumentierende qualitative Bewertung vornehmen und diese eingehend begründen. Damit wird dem durch das relativ offene Ausschreibungsverfahren bedingten Risiko einer Manipulation Rechnung getragen.586 Dieses besteht insbesondere bei einer Beteiligung eines Eigenbetriebs oder einer Eigengesellschaft der Gemeinde an der Konzessionsvergabe.587 Bei einer offenen Ausschreibung und der relativen Bewertungsmethode hat die Gemeinde daher besondere Begründungspflichten, um wegen der offenen Gestaltung der Ausschreibung drohende, nicht an den Auswahlkriterien, sondern am Ergebnis orientierte Entscheidungen zu vermeiden.588 Im Einzelfall hat die Gemeinde den aus ihrer Sicht angemessenen Abstand bei einem Kriterium für die einzelnen Angebote zu wählen und entsprechend extensiv zu begründen.589

583 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 28. 584 Vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart) – juris Rn 28, 165; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 96; OLG Koblenz, Urteil vom 12.9.2019 – U 678/19 Kart – juris Rn 13, 27, 51, 55, 58; OLG Schleswig, Urteil vom 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart – juris Rn 87. 585 Vgl. BGH, Urteil vom 7.9.2021 – EnZR 29/20 – Rn 11 – Gasnetz Rösrath; dazu auch Kapitel 4. 586 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 24.9.2020 – 2 U 93/19 EnWG – juris Rn 116. 587 Vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart – juris Rn 65. 588 OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.4.2022 – 6 U 318/21 Kart – juris Rn 96. 589 Vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 25.6.2018 – 16 U 3/18 Kart – juris Rn 80. Vaulont

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Werden bei einem Kriterium lediglich konkrete, messbare Werte, wie beispielswei- 541 se der SAIDI-Wert, abgefragt und die Punkte quantitativ vergeben, ist hingegen eine kurze Begründung der jeweils vergebenen Punkte ausreichend. Die Bewertung beruht auf einem direkten Vergleich der jeweiligen Werte aus den Angeboten und ist für einen Dritten bzw. einen der unterlegenen Bieter nachvollziehbar.

5. Auswertung für Bietergespräch Manche Gemeinden sehen in ihren Konzessionsvergabeverfahren vor, dass die Bieter 542 zunächst indikative Angebote abgeben sollen und anschließend ein Bietergespräch stattfindet. In diesen Bietergesprächen haben die sich bewerbenden Unternehmen die Möglichkeit, sich und das eigene Angebot vorzustellen und Fragen zu klären. Während einzelne Berater lediglich Fragen von Seiten der Kommune an das sich bewerbende Unternehmen zulassen, sind üblicherweise Fragen in beide Richtungen möglich. Diese beidseitige Fragemöglichkeit dient dem besseren Verständnis und ist letztlich im Sinne der Kommune, die damit Angebote erhält, die nicht auf einem unklaren Verständnis des Kriterienkatalogs beruhen. Vor diesen Bietergesprächen werten die Gemeinden bzw. deren externe Berater die 543 eingegangenen indikativen Angebote üblicherweise aus. Sie können dann im Rahmen des Zulässigen eventuelle Rückfragen zu dem jeweiligen Angebot stellen. Die Auswertung dieser Angebote muss dazu nicht in der Tiefe erfolgen, wie die Auswertung der verbindlichen Angebote. Es ist daher nicht erforderlich, dass ein detaillierter Auswertungsvermerk mit einer Bepunktung zu jedem einzelnen Kriterium erstellt wird. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Auswertungsvermerk für das Bietergespräch auf Unklarheiten und Unplausibilitäten in dem jeweiligen Angebot hinweist, sodass gezielte Nachfragen diesbezüglich gestellt werden können. Die Gemeinde darf in ihren Fragen und Antworten aber keine Hinweise zu den Angeboten der übrigen Bieter geben. Dies würde den Geheimwettbewerb verletzen und wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz des diskriminierungsfreien Verfahrens aus § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB i. V. m. § 46 Abs. 1, 2 EnWG. Es ist auch nicht empfehlenswert, dass eine Gemeinde die indikativen Angebote be- 544 reits derart detailliert auswertet. Immer wieder haben Unternehmen die Sorge, dass eine Gemeinde im Rahmen eines Bietergesprächs einem von ihr präferierten Bieter durch entsprechende Nachfragen Hinweise in Bezug auf die Wettbewerbssituation und die Angebote anderer Bieter geben kann. Daher haben die Gemeinden die Bietergespräche zu dokumentieren. Diese Dokumentationen der Bietergespräche sind – wie auch die Auswertung der indikativen Angebote – Bestandteil der Verfahrensakte. Daraus können unterlegene Bieter gegebenenfalls Hinweise auf eine unzulässige Informationsweitergabe erlangen.590 Hat die Gemeinde einen detaillierten Auswertungsvermerk zu den eingegangenen indikativen Angeboten erstellt, dürften damit gestiegene Dokumentations 



590 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart – juris Rn 160. Vaulont

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

pflichten einhergehen – vor allem wenn die Gemeinde darin bereits die einzelnen Kriterien bepunktet und damit eine Rangfolge der einzelnen Angebote hat. Kommt es zu einer veränderten Rangfolge der Bieter nach Abgabe der verbindlichen Angebote gegenüber der Rangfolge aus dem Auswertungsvermerk der indikativen Angebote, ist es für die unterlegenen Bieter ein Warnsignal, wenn der letztlich obsiegende Bieter nur bei Kriterien sein Angebot überarbeitete, bei denen er nach dem Auswertungsvermerk für das Bietergespräch schlechter bewertet wurde als seine Wettbewerber. Es empfiehlt sich daher, die Auswertung auf die Unklarheiten und Unplausibilitäten in den einzelnen Angeboten zu beschränken.

III. Entscheidung durch Gremien der Gemeinde 1. Vorbereitung/Vorberatung 545 Der Entscheidung über die Konzessionsvergabe liegt die Auswertung der Angebote zu-

grunde. Diese wird entweder von der Verwaltung der Gemeinde, in der Regel aber von externen Beratern vorgenommen. In einem Auswertungsvermerk wird für jedes Kriterium der eingegangenen Angebote eine Bewertung vorgeschlagen. Die Gemeinderäte können diesem Vorschlag aber nicht blindlings folgen, denn damit würden sie die Vergabeentscheidung letztlich an externe Berater auslagern. Die Gemeinderatsmitglieder müssen hingegen eine eigene Entscheidung treffen, auch wenn ihnen in der Regel die notwendige Expertise fehlt, um die Angebote selbst im Detail auswerten und bewerten zu können. Sie müssen sich daher derart mit den Angeboten und der Bewertung vertraut machen, dass sie diese selbst nachvollziehen und eine Entscheidung treffen können. Dazu können sie bei Bedarf auch Einblick in die Angebote der Bieter nehmen. 546 Die Entscheidung des Gemeinderats über die Konzessionsvergabe wird in der Regel in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Gemeinderats oder eines Ausschusses vorberaten. Eine solche Sitzung gibt die Möglichkeit, die Angebote ausführlich darzustellen und auf Fragen der Mitglieder des Gemeinderats zu den Inhalten der Angebote zu antworten. In einer öffentlichen Sitzung wäre dies mit Blick auf den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Bieter nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. 547 Zunächst werden üblicherweise die eingegangenen Angebote im Detail vorgestellt. Anschließend wird die Bewertung für die einzelnen Kriterien erläutert. Dabei muss das fehlende Vorwissen der Gemeinderatsmitglieder berücksichtigt und ihnen Raum gegeben werden, um ihre Fragen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen. Um diese Fragen sach- und fachgerecht beantworten zu können, müssen an der Sitzung Personen teilnehmen, die über eine entsprechende Expertise verfügen. Wenn die Kommune in dem Konzessionsvergabeverfahren von externen Beratern unterstützt wird, ist es in der Regel ausreichend, dass diese daran teilnehmen. Üblicherweise übernehmen diese externen Berater die Vorstellung der Angebote und deren Bewertung. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass eventuell im Rahmen der Auswertung zusätzlich hinzugezogene Fachleute Vaulont

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für einzelne energiewirtschaftliche oder regulatorische Themen ebenfalls an der Sitzung teilnehmen. Die Berater der Gemeinde verfügen üblicherweise über eine ausreichende Expertise, um eventuelle Fragen einzelner Gemeinderatsmitglieder zu den Bewertungen einzelner Kriterien beantworten zu können. Das Gremium ist nicht an den vorgestellten Bewertungsvorschlag gebunden. Es 548 kann einzelne Kriterien neu bzw. anders bewerten, wenn es beispielsweise im Rahmen seiner Diskussion zu einer anderen Einschätzung kommt als der ursprüngliche Vorschlag. Dies kann beispielsweise sein, wenn ein offensichtlicher Rechenfehler bei dem Vergleich einzelner quantitativ zu bewertender Werte wie dem SAIDI-Wert vorliegt oder das Angebot eines Bieters teilweise überhaupt nicht berücksichtigt wurde. Eine abweichende Bewertung eines Kriteriums im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs erfordert hingegen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Konzepten der einzelnen Bieter und deren jeweilige Vor- und Nachteile. Es ist nicht ausreichend, lediglich aufgrund persönlicher Vorlieben und Empfindungen einzelner Gemeinderatsmitglieder eine Neubewertung vorzunehmen. Diese muss vielmehr das Ergebnis einer Abwägung der unterschiedlichen Angebote gegeneinander sein. In der Praxis wird es daher nur in wenigen Fällen zu einer grundlegenden Neubewertung bei Kriterien, in denen Konzepte abgefragt werden, kommen. Die intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Konzepten erfordert einen entsprechend hohen Aufwand und ein gewisses Vorwissen. Es empfiehlt sich daher, bereits vor der Auswertung eine detaillierte Diskussion des Gemeinderats mit den auswertenden Personen. Gerade bei den Kriterien, bei denen ohne detaillierte Zielvorgaben Konzepte abgefragt werden, müssen die Berater die Interessen der Gemeinde und deren Zielvorstellung kennen, damit sie diese im Rahmen ihres Bewertungsvorschlags berücksichtigen können. Im Falle einer (teilweisen) Neubewertung muss auch der Auswertungsvermerk ent- 549 sprechend überarbeitet werden, damit dieser die für die Vergabeentscheidung maßgeblichen Inhalte und Wertungen enthält und die Vergabeentscheidung einer eventuellen rechtlichen Überprüfung standhält.

2. Beschlussfassung Der Gemeinderat bzw. ein gegebenenfalls eingerichteter Konzessionsausschuss muss 550 der Konzessionsvergabe zustimmen. Die Auswahlentscheidung erfolgt dabei auf der Grundlage einer Auswertung der Angebote. Bei der Beschlussfassung besteht kein Spielraum für eine politische Auswahl. Viel- 551 mehr muss die Vergabeentscheidung der Auswertung der Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs folgen. Der Gemeinderat muss daher dem Angebot den Zuschlag erteilen, das als Bestes bewertet wurde. Eine nachträgliche Änderung der Kriterien oder deren Gewichtung ist nicht zuläs- 552 sig. Dies wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz des transparenten und diskriminierungsfreien Konzessionswettbewerbs nach § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB i. V. m. § 46 Abs. 1, 2 EnWG. Eingriffe zugunsten oder zulasten eines bestimmten Angebots würden dem ge 

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

setzgeberischen Ziel, den am besten geeigneten Netzbetreiber für das Konzessionsgebiet zu finden, zuwiderlaufen. 553 Es ist nicht erforderlich, dass im Rahmen der Beschlussfassung die einzelnen Angebotsinhalte vollumfänglich wiedergegeben werden. Die Gemeinde muss vielmehr die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Bieter wahren. Sie darf daher nicht in öffentlicher Sitzung ausführlich aus den Angeboten zitieren. In der Regel wird es auch unzulässig sein, den kompletten Konzessionsvertrag, den der obsiegende Bieter angeboten hat und der nun abgeschlossen werden soll, zu veröffentlichen. Dieser enthält üblicherweise ebenfalls Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des obsiegenden Bieters, die zu schützen sind. Der Vertrag sollte daher den Gemeinderäten lediglich nicht-öffentlich zugänglich gemacht werden. Um den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bestmöglich zu gewährleisten, wird der Beschluss über die Konzessionsvergabe in einigen Gemeinden daher in nicht-öffentlicher Sitzung gefasst.

3. Dokumentation 554 Die Beschlussfassung des Gemeinderats über die Vergabe der Konzession muss entsprechend der jeweiligen kommunalrechtlichen Vorschriften dokumentiert werden. 555 Insbesondere wenn sich die Gemeinde mit einem Eigenbetrieb oder einer Eigengesellschaft selbst in dem Verfahren um die Konzession beworben hat, müssen die an der Entscheidung beteiligten Gemeinderäte namentlich erfasst werden. Dies ermöglicht den unterlegenen Bietern, überprüfen zu können, ob eventuell Gemeinderäte an der Entscheidung mitgewirkt haben, die einem Mitwirkungsverbot unterlagen.

IV. Kommunalrechtliche Prüfung 556 Vor der Beschlussfassung des Gemeinderats über die Konzessionsvergabe bzw. vor der

Unterzeichnung eines neuen Konzessionsvertrags bestehen in manchen Bundesländern zusätzliche kommunalrechtliche Prüfpflichten. 557 Der Abschluss eines Konzessionsvertrags darf in manchen Bundesländern nur erfolgen, wenn die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde nicht gefährdet und die Interessen der Gemeinde und ihrer Einwohner gewahrt werden.591 Bestehen diesbezüglich Zweifel, kann teilweise von der Kommunalaufsichtsbehörde ein Sachverständigengutachten eingeholt werden,592 der die Entscheidung über den Abschluss eines Konzessionsvertrag angezeigt werden muss593. In manchen Bundesländern ist eine externe Prüfung hingegen obligatorisch. Dort muss dem Gemeinderat vor der Beschlussfassung

591 Vgl. § 76 Abs. 1 KV M-V. 592 Vgl. § 148 Abs. 2 NKomVG. 593 Vgl. § 152 Abs. 1 Nr. 11 NKomVG. Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

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ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen vorgelegt werden, das die Wahrung der Interessen der Gemeinde und der Einwohner bestätigt.594 Dieses Gutachten ist mit dem Vergabebeschluss des Gemeinderats der Kommunalaufsichtsbehörde vorzulegen.595

V. Mitteilungen an Bieter 1. Mitteilung an unterlegene Bieter a) Form und Inhalt Die unterlegenen Bieter werden von der Gemeinde nach § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG in Text- 558 form informiert, dass ihr Angebot nicht angenommen wird. Die Gemeinde hat den unterlegenen Bieter dabei die Gründe der Ablehnung ihres Angebots mitzuteilen und muss in der Mitteilung auch den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses nennen.

b) Gründe der Vergabeentscheidung Diese Mitteilung der Gründe muss die wesentlichen Aspekte der Entscheidung der Ge- 559 meinde umfassen. Die Gemeinde muss daher darlegen, aufgrund welcher Punkte sie das obsiegende Angebot auswählte. Der Umfang dieser Darstellung ist gesetzlich nicht geregelt. Einige Berater und Gemeinden fassen die für die Vergabeentscheidung maßgeblichen Gründe daher lediglich sehr knapp zusammen. Aus einer solchen Mitteilung sind die wertungsrelevanten Unterschiede für den unterlegenen Bieter in der Regel nicht näher nachvollziehbar, sodass dieser meist über eine Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG Einblick in den Auswertungsvermerk nimmt. Manche Berater ersparen sich daher eine gesonderte Kurzzusammenfassung und übersenden direkt mit der Mitteilung über die getroffene Vergabeentscheidung den Auswertungsvermerk. Dabei haben sie wie bei einer Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse jeweils zu wahren und diese ggfs. zu schwärzen.

c) Beginn Frist für Rüge und Akteneinsicht Mit der Mitteilung an die unterlegenen Bieter nach § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG beginnt deren 560 Frist, die Vergabeentscheidung zu überprüfen. Nach § 47 Abs. 3 EnWG können sie innerhalb von 30 Kalendertagen ab Zugang der Mitteilung der Gemeinde Rechtsverletzungen

594 Vgl. § 107 Abs. 1 GemO BW; § 101 Abs. 1 SächsGemO. 595 Vgl. § 108 GemO BW; § 102 Abs. 2 SächsGemO. Vaulont

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

im Rahmen der Auswahlentscheidung rügen. Zur Vorbereitung einer solchen Rüge können die unterlegenen Bieter Akteneinsicht beantragen.596 561 Manche Gemeinden übermitteln den Auswertungsvermerk bereits mit der Mitteilung an die unterlegenen Bieter, dass ihr Angebot nicht angenommen wird. Bestätigt eine Gemeinde den Bietern zudem, dass sie damit bereits sämtliche Informationen erhalten haben, die sie im Wege der Akteneinsicht erhalten würden, kann das zu einer Verfahrensbeschleunigung führen. Der unterlegene Bieter kann erkennbare Rechtsverletzungen nach § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG direkt rügen597 und muss nicht zunächst die Akteneinsicht abwarten.

d) Folgen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Mitteilung 562 Hat die Gemeinde den unterlegenen Bieter nicht nach § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG informiert,

ist der – unter Verstoß gegen § 47 Abs. 6 EnWG abgeschlossene – Konzessionsvertrag nichtig.598 Eine unvollständige oder inhaltlich unzureichende Information kann der unterlegene Bieter rügen, dies führt aber nicht zu einer Nichtigkeit des Konzessionsvertrags.599

2. Mitteilung an obsiegenden Bieter 563 Eine Information der Gemeinde an den obsiegenden Bieter ist gesetzlich nicht geregelt. Dieser kann direkt nach dem formalen Beschluss über die Konzessionsvergabe informiert werden. Teilweise erfolgt eine derartige Information parallel mit der Mitteilung an die unterlegenen Bieter. Manche Gemeinden warten auch mit derartigen Schreiben, bis die Vergabeentscheidung rechtskräftig ist, sodass der Konzessionsvertrag dann auch direkt unterzeichnet werden kann.

VI. Unterzeichnung des Konzessionsvertrags 564 Vor Unterzeichnung des Konzessionsvertrags muss die Gemeinde zunächst nach § 47

Abs. 6 EnWG die Rügefrist der unterlegenen Bieter von 30 Kalendertagen ab dem Zugang der Mitteilung nach § 46 Abs. 5 S. EnWG abwarten. Verlangt ein Unternehmen in der Frist von § 47 Abs. 3 EnWG Akteneinsicht, beginnt diese Frist nach § 47 Abs. 2 S. 4 EnWG erneut ab dem ersten Tag, an dem die Gemeinde die Akten zur Einsichtnahme bereitgestellt hat.600 Bis dahin darf der Konzessionsvertrag nicht unterzeichnet werden.

596 597 598 599 600

Vgl. dazu Kapitel 4. Vgl. dazu Kapitel 4. Vgl. BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 111; Kment/Huber, EnWG § 46 Rn 109. Vgl. Kment/Huber, EnWG § 46 Rn 109. Vgl. dazu Kapitel 4. Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

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Rügt ein Bewerber innerhalb dieser Frist die Konzessionsvergabeentscheidung, muss die Gemeinde zunächst über die Rügen entscheiden. Hilft sie der Rüge nicht ab, kann das rügende Unternehmen daraufhin innerhalb von 15 Kalendertagen nach § 47 Abs. 5 EnWG eine einstweilige Verfügung beantragen. Währenddessen darf die Gemeinde keinen neuen Konzessionsvertrag unterzeichnen. Die Gemeinde kann demnach keinen neuen Konzessionsvertrag abschließen, solange von den am Verfahren Beteiligten noch Rügen erhoben werden können bzw. nicht allen erhobenen Rügen abgeholfen wurde.601 Ein solcher Konzessionsvertrag wäre nach § 134 BGB nichtig.602 Der Wortlaut des § 47 Abs. 6 EnWG bezieht sich nur auf die Rüge und deren (Nicht-) 565 Abhilfe, es kann aber auch während des möglicherweise anschließenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kein Konzessionsvertrag abgeschlossen werden. Üblicherweise lassen sich Gerichte nach Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von der Gemeinde zusichern, dass während des gerichtlichen Verfahrens kein Vertrag abgeschlossen wird, und erlassen andernfalls auf Antrag des unterlegenen Bieters eine Zwischenverfügung, die den Abschluss des Konzessionsvertrags bis zu einer gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich untersagt (sog. Hängebeschluss).603 Aber auch ohne eine derartige Zusicherung oder gerichtliche Zwischenverfügung ist die Gemeinde an einem Vertragsschluss gehindert. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens stellte die Bundesregierung auf eine Änderungsbitte des Bundesrats hin klar, dass es aus ihrer Sicht keinen Bedarf für eine Ausweitung des in § 47 Abs. 6 EnWG geregelten Zeitraums gebe, da mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung der Vertragsschluss untersagt werde.604 Nach dem Verständnis der Bundesregierung erfasst die Regelung des § 47 Abs. 6 EnWG demnach den Zeitraum bis zu dem Erlass einer einstweiligen Verfügung. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung kein neuer Konzessionsvertrag abgeschlossen werden kann. Hat ein Bieter eine einstweilige Verfügung beantragt, muss die Gemeinde daher bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung mit dem Vertragsschluss warten. Hilft die Gemeinde hingegen einer Rüge gegen die Vergabeentscheidung ab und er- 566 gibt sich dadurch eine neue Rangfolge der Konzessionsangebote, hat sie eine neue Vergabeentscheidung zu treffen. Die zuständigen Gremien der Gemeinde müssen dazu auf der Grundlage einer neuen Auswertung der einzelnen Angebote einen Beschluss zugunsten des dann bestbewerteten Angebots fassen. Mit der anschließenden Information der nun unterlegenen Bieter beginnen erneut die von der Gemeinde vor der Unterzeichnung des Konzessionsvertrags nach § 47 Abs. 6 EnWG abzuwartenden Fristen. Nach Ablauf der in § 47 Abs. 6 EnWG genannten Fristen kann die Gemeinde den 567 Konzessionsvertrag unterzeichnen. Legten die Bieter bereits mit ihren Angeboten einen einseitig unterzeichneten Konzessionsvertrag vor, kann die Gemeinde diesen auch ohne

601 602 603 604

Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 17. Vgl. Kment/Huber, EnWG § 47 Rn 31. Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 47 Rn 54. Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 29.

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

eine Beteiligung der Bieter unterzeichnen. Die Unterzeichnung wird aber üblicherweise in einem gemeinsamen Termin von dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin der Gemeinde zusammen mit Vertretern des neuen Konzessionärs und gegebenenfalls des für den Netzbetriebs als Pächter zuständigen Unternehmens vorgenommen. Sollte es bei diesem Termin oder im Anschluss eine kleine Feierlichkeit bzw. eine Verpflegung geben, sind die Grenzen des Nebenleistungsverbots nach § 3 Abs. 2 KAV zu beachten.605 568 Beginnt die Laufzeit eines Konzessionsvertrags mit dessen Unterzeichnung, darf diese nicht zu weit nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Unterzeichnung erfolgen. In einem solchen Fall ist in der Regel der bisherige Konzessionsvertrag bereits ausgelaufen. Einen derartigen vertragslosen Zustand muss die Gemeinde schnellstmöglich beenden und kann nicht mehrere Monate oder gar noch länger warten. Dies würde letztlich zu einer Verlängerung der Konzessionslaufzeit führen und damit die nächste Konzessionsausschreibung entsprechend nach hinten verschieben. Insbesondere wenn der neue Konzessionsvertrag auf die Höchstlaufzeit nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG abgeschlossen wird, verletzt die Gemeinde damit ihre Pflicht, das Netz zumindest alle 20 Jahre neu auszuschreiben.606 569 Änderungen des mit dem Angebot vorgelegten Vertragsentwurfs vor der Unterzeichnung sind lediglich in Bezug auf Rechtschreibfehler oder das Datum zulässig. Änderungen an den Vertragsinhalten können nicht vorgenommen werden, da diese Gegenstand des Konzessionswettbewerbs waren.

VII. Information der Öffentlichkeit über die Auswahlentscheidung 570 Bei einem Neuabschluss oder der Verlängerung eines Konzessionsvertrags hat die Ge-

meinde ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe nach § 46 Abs. 5 S. 2 EnWG öffentlich bekannt zu machen. Es ist dabei unerheblich, ob lediglich ein Unternehmen sein Interesse bekundete. Während früher eine öffentliche Bekanntmachung nur für den Fall vorgeschrieben war, dass sich mehrere Unternehmen beworben haben,607 wurde dies aus Transparenzgründen608 im Rahmen der EnWG-Novelle 2017609 neu geregelt. Seitdem muss eine öffentliche Bekanntmachung unabhängig der Anzahl der Bewerber in dem Konzessionsvergabeverfahren erfolgen. 571 Es ist in § 46 Abs. 5 EnWG nicht geregelt, in welcher Form die öffentliche Bekanntmachung des Neuabschlusses oder der Verlängerung eines Konzessionsvertrags zu erfolgen hat. Demgegenüber schreibt § 46 Abs. 3 EnWG die Bekanntmachung des auslaufenden Konzessionsvertrags und damit die Einleitung des Konzessionsvergabever-

605 606 607 608 609

Vgl. dazu Kapitel 1 D. Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 18, 37 – Gasnetz Berlin. BGBl 2005 I, S. 1970. Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 15. BGBl. 2017 I, S. 130. Vaulont

H. Die Auswahlentscheidung

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fahrens im Bundesanzeiger und ggfs. im Amtsblatt der Europäischen Union vor. Die fehlende ausdrückliche Regelung für die Bekanntmachung des Vertragsabschlusses ist ein gesetzgeberisches Versehen, sodass die Regelungen zur öffentlichen Bekanntmachung der Einleitung des Konzessionsvergabeverfahrens analoge Anwendung finden.610 Diese hat daher in derselben Form zu erfolgen wie die Bekanntmachung des auslaufenden Konzessionsvertrags. Ursprünglich waren die Bekanntmachung des auslaufenden Konzessionsvertrags 572 und des Neuabschluss bzw. der Verlängerung gemeinsam in § 13 Abs. 3 EnWG geregelt.611 Dieser schrieb in S. 1 eine Bekanntmachung des auslaufenden Konzessionsvertrags „in geeigneter Form“ vor. Der Neuabschluss oder die Verlängerung des Konzessionsvertrags sollte nach S. 2 „öffentlich bekannt“ gemacht werden. Nach dem Zusammenhang der Regelungen wollte der Gesetzgeber keine unterschiedlichen Veröffentlichungswege. Vielmehr geht die Gesetzesbegründung zu dem damaligen § 13 Abs. 3 EnWG (in diesem ursprünglichen Gesetzentwurf noch § 8 Abs. 3 EnWG) davon aus, dass mit der Bekanntmachung „in geeigneter Form“ über die Einleitung des Verfahrens nach S. 1 und der Bekanntmachung des Vertragsabschlusses jeweils die Öffentlichkeit informiert werden soll.612 Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff der Bekanntmachung in S. 1 eine andere Reichweite als in S. 2 verstand. Vielmehr sollte die Bekanntmachung des Neuabschlusses eines Konzessionsvertrags nach S. 2 in der in S. 1 näher konkretisierten Form erfolgen. Dieser Gleichlauf der Bekanntmachungswege wurde auch nicht durch die folgen- 573 den Gesetzesnovellierungen durchbrochen. Im Rahmen der EnWG-Novelle im Jahr 2012 wurden die Regelungen zu den Wegenutzungsverträgen als § 46 EnWG neu gefasst. Der ursprüngliche Gesetzentwurf übernahm wortgleich den bisherigen § 13 Abs. 3 EnWG als neuen § 46 Abs. 3 EnWG.613 Erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Bekanntmachung „in geeigneter Form“ in Satz 1 durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung der auslaufenden Verträge im Bundesanzeiger ersetzt.614 Als Satz 2 wurde die Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union ergänzt. Die bisherige Regelung zur Bekanntmachung des Neuabschlusses bzw. der Verlängerung wurde unverändert zum neuen Satz 5.615 Diese beiden Bekanntmachungspflichten standen daher weiterhin in einem direkten Zusammenhang, sodass sie auch nach der Neuregelung der Bekanntmachungsform weiterhin dieselbe Reichweite hatten. Dieser direkte Zusammenhang zwischen der Bekanntmachung der Einleitung des 574 Konzessionsvergabeverfahrens und dessen Abschluss wurde erst mit der EnWG-Novelle

610 Vgl. BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 114; Kment/Huber, EnWG § 46 Rn 110; a. A. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 154; Hempel/Franke/Dünchheim, § 46 EnWG, Rn 356. 611 BGBl. 1998 I, S. 730. 612 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 21. 613 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 24. 614 Vgl. BT-Drs. 15/5268, S. 54. 615 BGBl 2005 I, S. 1970.  

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Kapitel 3. Ausschreibungsverfahren

im Jahr 2017 aufgelöst, als die Bekanntmachung des Neuabschlusses bzw. der Verlängerung eines Konzessionsvertrags gesondert in dem neuen § 46 Abs. 5 S. 2 EnWG geregelt wurde.616 Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung aber keine inhaltliche Änderung hinsichtlich der Form der Bekanntmachung vornehmen.617 Beide Bekanntmachungspflichten haben daher weiterhin dieselbe Reichweite. 575 Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Bekanntmachungspflicht. Die Gegenauffassung, die eine Bekanntmachung des Verfahrensabschlusses im kommunalen Amtsblatt oder der Tagespresse ausreichen lassen will,618 verkennt die Funktion und damit die Bedeutung der Bekanntmachung des Neuabschlusses eines Konzessionsvertrags. Diese dient, wie die Bekanntmachung über die Einleitung des Konzessionsvergabeverfahrens, die den Wettbewerb um das Netz eröffnet, der Transparenz zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Die kommunalen Amtsblätter und Anzeigen in der Tagespresse sind aber nicht zuverlässig mehr als 15 Jahre später noch ohne Weiteres zugänglich. Grundsätzlich an der Konzession in einer Gemeinde interessierte Unternehmen, die nicht Bestandskonzessionäre sind, könnten daher im Zweifel nicht nachvollziehen, wann der laufende Konzessionsvertrag abgeschlossen wurde und sich entsprechend auf die Neuausschreibung einstellen. Dies würde einseitig den Bestandskonzessionär begünstigen. Die kommunale Pflicht, zumindest alle 20 Jahre den Wettbewerb um die Konzession zu eröffnen,619 lässt sich für Unternehmen daher nur überprüfen, wenn der Abschluss des bisherigen Konzessionsvertrags derart bekannt gemacht wurde, dass dies noch knapp zwei Jahrzehnte später nachvollzogen werden kann. Beide Bekanntmachungspflichten dienen der Gewährleistung des Konzessionswettbewerbs und unterscheiden sich in ihrer Funktion daher nicht. Die Bekanntmachung des Neuabschlusses oder der Verlängerung eines Konzessionsvertrags hat daher – wie die Bekanntmachung des auslaufenden Konzessionsvertrags – im Bundesanzeiger und zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union, wenn im Gemeindegebiet mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, zu erfolgen.620

616 BGBl. 2017 I, S. 130. 617 Vgl. BT-Drs. 18/8184, S. 15. 618 Vgl. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 154; Hempel/Franke/Dünchheim, § 46 EnWG, Rn 356. 619 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 18, 37 – Gasnetz Berlin. 620 Vgl. BeckOK EnWG/Peiffer, § 46 Rn 114; Kment/Huber, EnWG § 46 Rn 110; a. A. BerlKommEnR/Wegner, EnWG § 46 Rn 154; Hempel/Franke/Dünchheim, § 46 EnWG, Rn 356.  

Vaulont

Kapitel 4 Rechtsschutz A. Rügeregime und Eilrechtsschutz I. Einleitung Der Gesetzgeber führte mit der EnWG-Novelle1 im Jahr 2017 in § 47 EnWG ein Rüge- und 1 Präklusionsregime ein, das die am Konzessionsverfahren beteiligten Unternehmen zwingend berücksichtigen müssen, wenn sie etwaige Rechtsverletzungen der Kommune im Rahmen der Durchführung von Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG gerichtlich geltend machen wollen. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung war die zuvor wahrgenommene Rechts- 2 unsicherheit nach Abschluss des Konzessionsverfahrens.2 Mangels gesetzlicher Ausschlussfristen konnten unterlegene Bieter Rechtsverstöße der Kommune auch nach Abschluss des Konzessionsverfahrens gerichtlich geltend machen.3 Hierdurch war – potentiell über mehrere Jahre – nach Abschluss des Verfahrens unsicher, ob der zwischen der Kommune und dem obsiegenden Bieter geschlossene Wegenutzungsvertrag wirksam war.4 Bereits vor der Gesetzesnovelle wollte der Bundesgerichtshof in seinen Entschei- 3 dungen „Stromnetz Berkenthin“5 und „Stromnetz Heilighafen“6 diesem Missstand begegnen und zeigte Leitlinien für die Erhöhung der Rechtssicherheit im Konzessionsverfahren auf. So entschied der Bundesgerichtshof, dass – in Anlehnung an den auch § 101a GWB a. F. zugrundeliegenden Rechtsgedanken – die Fehlerhaftigkeit eines Konzessionsvertrages im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen sei, „wenn alle diskriminierten Bieter um die Konzession ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen“.7 Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Kommune alle Bieter um die Konzession in Textform über ihre beabsichtigte Auswahlentscheidung unterrichtet und den Konzessionsvertrag erst 15 Kalendertage danach  

1 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27.1.2017 (BGBl. I 2017, S. 130). 2 BT-Drucksache 18/8184, S. 16. 3 BT-Drucksache 18/8184, S. 16. 4 BT-Drucksache 18/8184, S. 16. 5 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 = NVwZ 2014, 847. 6 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 65/12 = NVwZ 2014, 847 – juris Rn 85 mit Verweis auf „Stromnetz Berkenthin“. 7 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 = NVwZ 2014, 847 – juris Rn 108. Kermel/Geipel/Lautenbach https://doi.org/10.1515/9783110531909-018

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Kapitel 4. Rechtsschutz

abschließt.8 Denn – so die Auslegung der Instanzgerichte – innerhalb dieser 15 Kalendertage kann der unterlegene Bieter im einstweiligen Verfügungsverfahren beantragen, dass es der Kommune untersagt wird, den Konzessionsvertrag mit dem obsiegenden Bieter zu schließen.9 Tue der unterlegene Bieter dies nicht, sei er nach dem Vertragsschluss zwischen obsiegenden Bewerber und Kommune mit seinen Einwänden präkludiert.10 Denn wenn die Bieter von der Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu ersuchen, keinen Gebrauch machten, müsse die materielle Rechtmäßigkeit hinter das Interesse der Kommune an Rechtssicherheit zurücktreten.11 4 Der Gesetzgeber stellte nunmehr mit der Neuregelung des § 47 EnWG die Vorgaben des Bundesgerichtshofs in den Entscheidungen „Stromnetz Berkenthin“ und „Stromnetz Heilighafen“ auf eine gesetzliche Grundlage und entwickelte sie fort. Hierzu sieht § 47 EnWG ein Rüge- und Präklusionsregime vor, das an die drei wesentlichen Stufen des Konzessionsverfahrens anknüpft, nämlich die Bekanntmachung der Kommune im Bundesanzeiger sowie ggf. im Amtsblatt der EU, dass ein Konzessionsvertrag ausläuft (§ 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG), die Mitteilung der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung an die Bieter (§ 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG) und die Mitteilung über die Auswahlentscheidung und die Entscheidungsgründe an die unterlegenen Bieter (§ 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG). Ist ein Bieter der Ansicht, dass die Kommune rechtsfehlerhaft gehandelt hat, so muss er bereits auf der jeweiligen Verfahrensstufe innerhalb kurzer Fristen die behauptete Rechtsverletzung gegenüber der Kommune rügen und – im Falle der Nichtabhilfe durch die Kommune – anschließend im Eilverfahren gerichtlich geltend machen. Hält ein Bieter dieses Vorgehen nicht ein, ist er mit allen auf der jeweiligen Verfahrensstufe erkennbaren Rechtsverletzungen präkludiert. Es handelt sich somit um eine Obliegenheit des Bieters. Der Gesetzgeber weitete diese Obliegenheit in § 47 Abs. 5 EnWG im Vergleich zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erheblich aus: Der Bieter muss nun auf allen drei Verfahrensstufen (Bekanntmachung, Verfahrensbrief, Auswahlentscheidung) ein einstweiliges Verfügungsverfahren durchlaufen, um mit seinen Einwänden anschließend nicht präkludiert zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war es demgegenüber lediglich erforderlich gewesen, auf der letzten Verfahrensstufe (Auswahlentscheidung) Eilrechtsschutz zu ersuchen. 5 Nach § 47 Abs. 5 Satz 2 EnWG finden auf die gerichtliche Geltendmachung von gerügten Rechtsverstößen im Konzessionsverfahren, denen die Kommune nicht abgeholfen hat, die Vorschriften der ZPO über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Anwendung. Der Gesetzgeber macht somit die Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Voraussetzung dafür, dass der Bieter mit den behaupteten Rechtsverletzungen nicht präkludiert ist. Dies führt zu dogmatischen und praktischen Unklarheiten. Denn das einstweilige Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO  

8 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 = NVwZ 2014, 847 – juris Rn 108. 9 OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.3.2014 – 6 U 68/13 – juris Rn 66. 10 OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.3.2014 – 6 U 68/13 – juris Rn 66. 11 BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12 = NVwZ 2014, 847. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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dient als gerichtliches Eilverfahren der Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers gegen den Antragsgegner, wenn ein vollstreckbarer Titel im Hauptsacheverfahren für ihn zu spät käme und wertlos bliebe.12 Es ist somit nach seiner Konzeption ein Rechtsschutzinstrument des Gläubigers, mit dem ein Hauptsacheverfahren flankiert wird. Im Rahmen von § 47 Abs. 5 Satz 2 EnWG obliegt es dem beteiligten Unternehmen jedoch, ein einstweiliges Verfügungsverfahren zu durchlaufen, um mit seinen Einwänden gegen das Konzessionsverfahren nicht präkludiert zu sein. Aus dieser systemfremden Verwendung des Eilverfahrens ergeben sich zahlreiche Streitfragen, etwa im Hinblick auf das Verhältnis von einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren, die Prüfungstiefe des Gerichts im einstweiligen Rechtsschutz, die Reichweite der Präklusion oder die konkret zu stellenden Anträge.13 Dementsprechend kontrovers wurde der Gesetzentwurf bereits während des Ge- 6 setzgebungsverfahrens diskutiert. So führte etwa der Sachverständige Rechtsanwalt Prof. Dominik Kupfer im Rahmen seiner Stellungnahme an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages (Ausschussdrucksache 18(9)813) vom 30. Mai 2016 aus: „Die Regelung soll offenbar dazu dienen, das Verfügungsverfahren zu einem beschleunigten Hauptsacheverfahren in Streitigkeiten um Energiekonzessionen umzuwandeln. Das wird aber nicht funktionieren! Das einstweilige Verfügungsverfahren ist ein prozessuales Sicherungsinstrument, welches zwar typischerweise ein Hauptsacheverfahren flankiert, ein solches aber nicht überflüssig machen soll. (…) Insgesamt zeigt sich, dass die von den Entwurfsverfassern vorgesehene Zwischenschaltung gerichtlicher Streitverfahren in laufende Konzessionsverfahren geeignet ist, diese Verfahren über Jahre zu ziehen.“

Auch nach Inkrafttreten wird die Neuregelung als rechtspolitisch verfehlt angesehen 7 und bemängelt, dass sie in der Praxis zur erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Konzessionsverfahrens sowie zu Rechtsunsicherheit führt.14 Die Klärung der offenen Fragen zur Umsetzung von § 47 Abs. 5 EnWG wird dadurch 8 erschwert, dass der Instanzenzug im einstweiligen Verfügungsverfahren bei den Oberlandesgerichten endet und somit im Eilrechtsschutz keine Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erfolgen kann.

II. Allgemeines Das Rügeregime des § 47 Abs. 2 EnWG verpflichtet die Bieter um die Strom- oder Gas- 9 konzession gemäß § 46 Abs. 2 EnWG, Rechtsverletzungen der Kommune bei der Be-

12 Mayer in BeckOK/ZPO, 44. Edition 2022, § 935 Rn 1. 13 Hierzu nachfolgend unter Kapitel 4 C. 14 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 4; Reimann, EWeRK 2019, 121; Czernek EnWZ 2018, 99; MeyerHetling/Schneider, NZBau 2020, 142. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

kanntmachung im Bundesanzeiger, der Mitteilung der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung sowie der Auswahlentscheidung bereits auf der jeweiligen Verfahrensstufe gegenüber der Kommune zu rügen. § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 3 EnWG lauten: „Rechtsverletzungen, die aufgrund einer Bekanntmachung nach § 46 Absatz 3 erkennbar sind, sind innerhalb der Frist aus § 46 Absatz 4 Satz 4 zu rügen. Rechtsverletzungen, die aus der Mitteilung nach § 46 Absatz 4 Satz 4 erkennbar sind, sind innerhalb von 15 Kalendertagen ab deren Zugang zu rügen. Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung, die aus der Information nach § 46 Absatz 5 Satz 1 erkennbar sind, sind innerhalb von 30 Kalendertagen ab deren Zugang zu rügen.“ 10 § 47 Abs. 2 EnWG enthält somit drei eigenständige Rügeobliegenheiten, deren Nicht-

beachtung gemäß § 47 Abs. 1 EnWG jeweils dazu führt, dass ein Bieter den jeweiligen Einwand gegen die Rechtmäßigkeit des Konzessionsverfahrens nicht mehr wirksam gerichtlich geltend machen kann. Dies gilt für eine etwaige eigene Klage des unterlegenen Bieters auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Kommune und obsiegendem Bieter und auch im Rahmen einer gegen den unterlegenen Bieter gerichteten Netzherausgabeklage, wenn dieser der Altkonzessionär ist. 11 Hierbei erfasst die Präklusionswirkung auf jeder Verfahrensstufe nur die jeweils erkennbaren Rechtsverstöße.15 Es ist streitig, wann ein Rechtsverstoß erkennbar ist. Nach einer Ansicht setzt Erkennbarkeit lediglich voraus, dass ein durchschnittlich fachkundiger Bieter bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt den Verfahrensverstoß erkennen kann,16 wobei vertiefte Rechtskenntnisse des komplexen Konzessionsrechts nicht erwartet werden dürften.17 Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe muss der Bieter darüber hinaus auch fachkundige Beratung in Anspruch nehmen.18 Allgemein anerkannt ist jedoch, dass nicht auf die subjektive Fachkunde des jeweiligen Bieters abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab anzuwenden ist.19 12 Die Einzelheiten der drei Rügeobliegenheiten sind auf der jeweiligen Verfahrensstufe geregelt, einige allgemeine Aspekte gelten jedoch für alle Verfahrensstufen. Diese allgemeinen Aspekte werden einleitend dargestellt.

15 BGH, Urteil v. 28.1.2020 – EnZR 116/18, BeckRS 2020, 4930, juris Rn 44; BeckOK/EnWG/Assmann/Pfeiffer, § 47 Rn 46. 16 Kment/EnWG/Huber,§ 47 Rn 12. 17 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 19; Czernek, EnZW 2018, 99, 102. 18 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.3.2019 – 6 U 113/18 Kart, BeckRS 2019, 26308, juris Rn 74. 19 Kment/EnWG/Huber,§ 47 Rn 12; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 19; OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.3.2019 – 6 U 113/18 Kart, BeckRS 2019, 26308, juris Rn 74. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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1. Beginn, Ende und Einhaltung der Rügefrist Die Berechnung der Rügefristen des § 47 Abs. 2 EnWG folgt den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften für die Fristberechnung nach §§ 187, 188 Abs. 1 BGB,20 weil das EnWG keine eigenen Vorschriften zur Fristberechnung enthält.21 Demnach beginnt der Fristlauf gemäß § 187 Abs. 1 BGB mit dem Tag, der auf das fristauslösende Ereignis folgt und endet gemäß § 188 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so läuft die Frist gemäß § 193 BGB erst am nächsten darauffolgenden Werktag ab.22 Es ist umstritten, ob die Wahrung der Frist aus § 47 Abs. 2 EnWG voraussetzt, dass die Rüge spätestens am Tag des Fristablaufs zu einer Uhrzeit zugeht, zu der üblicherweise noch mit einer Kenntnisnahme durch die Kommune zu rechnen ist. Das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden, dass eine Rüge, die an einem Freitag um 17:03 Uhr per E‑Mail bei der Kommune eingeht, erst am darauffolgenden Montag zugeht, weil nicht zu erwarten sei, dass ein solches Schreiben bei einer Behörde noch am selben Tag zur Kenntnis genommen werde.23 Das Oberlandesgericht Dresden geht davon aus, dass es sich bei der Rüge um eine geschäftsähnliche Handlung handele und wendet § 130 BGB über den Zugang von Willenserklärungen entsprechend an.24 Willenserklärungen gehen nach § 130 BGB erst zu, wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.25 Gelangt eine Willenserklärung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten in den Empfangsbereich des Empfängers, so geht sie erst am nächsten Tag zu, an dem mit der Sichtung des Posteingangs gerechnet werden kann.26 Das Oberlandesgericht Dresden begründet seine Rechtsansicht insbesondere damit, dass auch im Rahmen des Kartellvergabeverfahrens nach dem GWB überwiegend anerkannt sei, dass auf Rügen gegenüber der Vergabestelle § 130 BGB Anwendung finde und § 47 EnWG an die entsprechende Regelung des Vergaberechts in § 160 GWB angelehnt sei.27 Der Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden wird entgegenhalten, dass hierdurch die ohnehin knapp bemessenen Rügefristen weiter gestaucht würden.28 Auch sei

20 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – U 6/20 Kart, juris Rn 11 ff., bestätigt im Hauptsacheverfahren durch OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, S. 7 ff. des Urteilsumdrucks – rechtskräftig; BeckOK/ EnWG/Assmann/Pfeiffer, § 47 Rn 25. 21 OLG Dresden, Urteil v. 17.5.2022 – U 30/21 Kart, Seite 8 f. des Urteilsumdrucks – rechtskräftig. 22 Kment/EnWG/Huber,§ 47 Rn 14. 23 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – U 6/20 Kart, juris Rn 14 ff.; bestätigt im Hauptsacheverfahren durch OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, S. 7 ff. des Urteilsumdrucks – rechtskräftig. 24 OLG Dresden, Urt. v. 17.5.2022 – U 30/21 Kart, Seite 8 f. des Urteilsumdrucks – rechtskräftig. 25 BeckOK/BGB/Wendtland, § 130 Rn 9. 26 MüKo/BGB/Einsele, § 130 Rn 19. 27 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – U 6/20 Kart, juris Rn 16, bestätigt im Hauptsacheverfahren durch OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, S. 10 f. des Urteilsumdrucks – rechtskräftig. 28 Lebsa, IR 2021, 105.  













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Kapitel 4. Rechtsschutz

es inkonsequent, die Vorschrift des § 130 BGB im Rahmen von § 47 Abs. 2 EnWG, nicht aber im Rahmen von § 47 Abs. 5 EnWG entsprechend anzuwenden.29 Diesem Argument lässt sich jedoch entgegenhalten, dass zwischen § 47 Abs. 2 EnWG und § 47 Abs. 5 EnWG ein dogmatischer Unterschied besteht. Bei § 47 Abs. 5 EnWG handelt es sich um die Frist für einen gerichtlichen Rechtsbehelf.30 Für die Fristwahrung bei Rechtsbehelfen und Prozesserklärungen ist allgemein anerkannt, dass diese Fristen vollständig, d. h. bis zur letzten Minute, ausgeschöpft werden können.31 Die Rüge gegenüber der Gemeinde ist jedoch kein gerichtlicher Rechtsbehelf. Vielmehr soll die Rüge der Kommune in einem vorgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit zur Selbstkontrolle und gegebenenfalls Abhilfe eröffnen.32 Die Rügefrist betrifft somit eine Handlung, die eine Partei gegenüber der anderen Partei – nicht dem Gericht – vornimmt, was mit Blick auf die Parallelen zum Vergaberecht für eine Anwendbarkeit von § 130 BGB sprechen könnte. 17 Solange es an einer Klarstellung durch den Gesetzgeber oder den Bundesgerichtshof fehlt, empfiehlt es sich jedenfalls aus Gründen der Vorsicht dringend, Rügen gegenüber der Kommune spätestens am Tag des Fristablaufs so zuzustellen, dass mit einer Kenntnisnahme der Kommune noch am selben Tag üblicherweise zu rechnen ist. Dies wird jedenfalls bei einer Zustellung am Vormittag eines Bankenarbeitstages der Fall sein.  

2. Formanforderungen an die Rüge 18 Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 EnWG bedarf die Rüge der Textform. Die Textform ist gemäß § 126b BGB gewahrt, wenn eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird.33 Eine papiergebundene Übermittlung ist nicht erforderlich.34 Die Rüge kann daher auch elektronisch erstellt und übermittelt werden, etwa per E‑Mail oder Computerfax.35

3. Inhaltliche Mindestanforderungen 19 Der Bieter kann auf allen Verfahrensstufen nur solche Verfahrensverstöße wirksam rügen, die ihn in seinen subjektiven Rechten verletzen.36 § 47 Abs. 2 EnWG dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle des Konzessionsverfahrens.37 Der Bieter muss al-

29 Lebsa, IR 2021, 105. 30 Vgl. LG Mannheim, Urteil v. 29.1.2020 – 14 O 194/19, BeckRS 2020, 9331. 31 Schoch/Schneider/VwGO/Dolde/Porsch, § 70 Rn 25. 32 KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, juris Rn 53. 33 BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. 34 BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. 35 Vgl. BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. 36 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 24. 37 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 24; für eine sehr weite Auslegung der rügefähigen Rechtsverstöße allerdings KG, Urteil v. 24.9.2020 – 2 U 93/19, EnWZ 2021, 21. Kermel/Geipel/Lautenbach

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so geltend machen, dass seine Chancen im Konzessionsverfahren durch das gerügte Verhalten geschmälert werden.38 Die Rüge muss ferner begründet werden, § 47 Abs. 1 Satz 2 EnWG. An die Begrün- 20 dung sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.39 Der Bieter muss weder eine detaillierte rechtliche Würdigung vornehmen, noch die verletzten Rechtsnormen benennen.40 Er muss den beanstandeten Fehler lediglich konkret bezeichnen41 und für die Kommune muss erkennbar sein, welcher Sachverhalt der Rüge zugrunde gelegt wird und woraus die Rechtsverletzung abgeleitet wird.42 Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Bieter pauschal die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens angreift, nur die abstrakte Möglichkeit einer Rechtsverletzung in den Raum stellt oder willkürliche, „ins Blaue hinein“ aufgestellte Behauptungen vorbringt.43 Eine bloße Nachfrage zu den Unterlagen der Kommune reicht als Begründung der Rüge ebenfalls nicht aus.44 Die Rüge muss – wenngleich dies in jedem Fall ratsam ist – nicht zwingend als sol- 21 che bezeichnet sein, solange sie erkennen lässt, dass die Verfahrenshandlung der Kommune beanstandet wird.45

4. Abhilfe und Nichtabhilfe von Rügen Nach Zugang der Rüge entscheidet die Kommune, ob sie der Rüge abhilft oder nicht.

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a) Abhilfe Die Kommune hilft einer Rüge ab, indem sie die anderen Bieter über die anstehende Ab- 23 hilfe informiert und den Verfahrensfehler (die Rechtsverletzung), der gerügt wurde, beseitigt.46 Die konkrete Abhilfemaßnahme ist abhängig von der Verfahrensstufe, auf der die Rüge erhoben wurde. Eine fehlerhafte Mitteilung im Bundesanzeiger nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG wird nur durch eine neue Veröffentlichung, einschließlich neuer Interessenbekundungsfrist, zu berichtigen sein. Fehlerhafte Kriterien oder Gewichtungen

38 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 24. 39 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, VPRRS 2019, 0236, juris Rn 74; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 8, 13. 40 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 17; Höch, RdE 2017, 157 (159), Czernek, EnWZ 2018, 99 (102). 41 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 24. 42 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, VPRRS 2019, 0236 – Leitsatz 3; KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG; EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 1; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.1.2021 – 6 U 95/20 Kart, BeckRS 2021, 2386, juris Rn 92. 43 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, VPRRS 2019, 0236, juris Rn 74; KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG, juris Rn 53. 44 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, VPRRS 2019, 0236, juris Rn 75; KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG; EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 1. 45 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 24. 46 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 44. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

im Rahmen der Mitteilung an die beteiligten Unternehmen nach § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG können in der Regel durch die Übersendung eines rechtmäßigen Kriterienkatalogs ersetzt werden. Die Auswahlentscheidung und die Mitteilung hierüber nach § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG kann durch eine neue Auswahlentscheidung korrigiert werden, in Ausnahmefällen auch durch Abschluss des Konzessionsvertrages mit dem rügenden Bieter.47 Im Falle eines Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot kommt auch die Beseitigung der Rechtsverletzung durch den Ausschluss des bemakelten kommunalen Bieters in Betracht.

b) Nichtabhilfe 24 Kommt die Kommune zu dem Ergebnis, dass sie die erhobene Rüge für unzulässig oder unbegründet hält, hilft sie der Rüge nicht ab. In diesem Fall hat die Kommune dem rügenden Bieter ihre Nichtabhilfe-Entscheidung in Textform mitzuteilen, § 47 Abs. 4 EnWG. Die Textform ist gemäß § 126b BGB gewahrt, wenn eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird.48 Der Zugang der Nichtabhilfe-Entscheidung beim rügenden Bieter setzt die Frist für die gerichtliche Geltendmachung aus § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG in Gang. Nach der Gesetzesbegründung muss sich die Kommune in der Nichtabhilfe-Entscheidung mit jeder einzelnen Rüge auseinandersetzen und hierdurch dazu beitragen, die Streitpunkte möglichst früh erkennbar zu machen.49

c) Zeitpunkt der Entscheidung durch die Kommune und Nicht-Entscheidung 25 § 47 EnWG sieht keine konkrete Frist für die Kommunen vor, innerhalb derer sie über die Abhilfe oder Nichtabhilfe einer Rüge zu entscheiden hat. Nach der Gesetzesbegründung soll sie hierdurch den Beginn der sich anschließenden Frist für die gerichtliche Geltendmachung nach § 47 Abs. 5 Satz 1 BGB steuern und somit etwa eine zeitliche Bündelung von Rügen mehrerer Unternehmen auf einer Verfahrensstufe erreichen können.50 Dies bedeutet indes nicht, dass die Kommune frei darin ist, überhaupt über die Rügen zu entscheiden. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist sie im Rahmen des Rügeregimes verpflichtet, sich mit den Rügen beteiligter Unternehmen auseinanderzusetzen.51 Sie kann daher das Auswahlverfahren nicht abschließen, bevor sie über alle Rügen entschieden hat. 26 Die Kommune ist aber auch nicht ohne Weiteres berechtigt, Rügen innerhalb einer Verfahrensstufe in die nachfolgenden Verfahrensstufen zu verschieben. So kann sie

47 48 49 50 51

BGH, Urteil v. 9.3.2021 – KZR 55/19, juris – Rn 39 – Gasnetz Berlin. BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. BT-Drucksache 18/8184, S. 17. BT-Drucksache 18/8184, S. 17. BT-Drucksache 18/8184, S. 2. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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grundsätzlich nicht etwa die Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe von Rügen gegen Auswahlkriterien erst nach der Auswahlentscheidung treffen. Zwar legt die Gesetzesbegründung nahe, dass es der Kommune möglich sein soll, erst auf der letzten Verfahrensstufe über Rügen zu entscheiden, die auf vorherigen Verfahrensstufen erhoben wurden.52 Dies stünde jedoch regelmäßig im Widerspruch zu der Laufzeitbegrenzung von Konzessionsverträgen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG und auch zu dem in § 46 Abs. 3 EnWG niederlegten Beschleunigungsgebot von Konzessionsverfahren. Die Kommune ist verpflichtet, den Wettbewerb um das Netz in der gebotenen Weise jedenfalls alle zwanzig Jahre rechtzeitig zu eröffnen und nach ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens eine Vergabeentscheidung zu treffen.53 Die Absicht, eine Konzession zu vergeben, kann auch nicht einfach aufgegeben werden. Ebenso wenig steht es der Kommune frei, die Konzessionsvergabe auf einen Zeitpunkt hinauszuschieben, der nicht mehr in Einklang mit ihrer Verpflichtung steht, spätestens nach zwanzig Jahren eine Neuvergabe der Konzession zu ermöglichen.54 § 46 Abs. 3 EnWG sieht für Konzessionsvergabeverfahren grundsätzlich einen Zeit- 27 raum von zwei Jahren zwischen Bekanntmachung des Auslaufens des bestehenden Vertrages und dem Abschluss des Vertrages vor. Dieser Zeitraum wurde mit Einführung des Rügeregimes auch nicht verlängert. Der Gesetzgeber geht folglich davon aus, dass Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG auch bei Geltendmachung von Rügen grundsätzlich nach zwei Jahren abgeschlossen sind. Könnten die Kommunen das Konzessionsvergabeverfahren ohne eine Entschei- 28 dung über Rügen in der ersten oder zweiten Verfahrensstufe fortsetzen und erst nach der Auswahlentscheidung über Rügen der Bekanntmachung bzw. der Auswahlkriterien entscheiden und stellt sich dann heraus, dass diese Rügen berechtigt sind, müsste das gesamte Verfahren wiederholt werden. Eine „Erledigung“ dieser Rügen durch die Auswahlentscheidung ist nicht denkbar. Die Verschiebung der Entscheidung über Rügen in spätere Verfahrensstufen führte in diesen Fällen häufig zu einer erheblichen Verzögerung des Konzessionsvergabeverfahrens, ohne dass dafür ein sachlicher Grund besteht. Mit dem Rügeregime wollte der Gesetzgeber einen solchen fortdauernden Schwebezustand der Rechtsunsicherheit gerade vermeiden.55 Die Gemeinden werden daher grundsätzlich zu einer Entscheidung über die jeweilige Rüge verpflichtet sein. Nur ausnahmsweise, etwa wenn die Rügen abwegig sind und die Gemeinde sich sicher ist, dass diese das Verfahren nicht gefährden, wird eine Gemeinde bis zum Ende des Verfahrens abwarten und nur eine gerichtliche Runde durchführen dürfen.

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BT-Drucksache 18/8184, S. 28. BGH, Urteil v. 9.3.2021 – KZR 55/19, juris – Rn 18, 37 – Gasnetz Berlin. BGH, Urteil v. 9.3.2021 – KZR 55/19, juris – Rn 38 – Gasnetz Berlin. BT-Drucksache 18/8184, S. 9.

Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

III. Rüge gegen Bekanntmachung (Stufe 1) 29 Die erste Verfahrensstufe, auf der zur Rechtewahrung eine Rüge zu erheben ist, ist die

Mitteilung der Kommune im Bundesanzeiger, dass ein Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören, in spätestens zwei Jahren ausläuft, § 46 Abs. 2, 3 Satz 1 EnWG. In Gemeindegebieten, in denen mehr als 100.000 Kunden an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, muss die Bekanntmachung zudem im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgen, § 46 Abs. 3 Satz 2 EnWG.

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1. Gegenstand der Rüge Gegenstand der Rüge auf der ersten Verfahrensstufe können alle Rechtsverletzungen sein, die aus der verfahrenseröffnenden Bekanntmachung erkennbar sind.56 Die Kommune muss bekanntmachen, dass ein qualifizierter Wegenutzungsvertrag frühestens in zwei Jahren endet und darauf hinweisen, wo die nach § 46a EnWG bekannt zu machenden technischen und wirtschaftlichen Daten über das Netz veröffentlicht werden, § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG. Die Kommune muss potentiellen Bietern diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung stellen, die für eine Bewertung, ob ein Bieter am Konzessionsverfahren teilnehmen möchte, erforderlich sind.57 Dabei müssen die Daten selbst nicht in der Bekanntmachung veröffentlicht werden. Es reicht der Hinweis, wo sie einsehbar sind.58 Ferner muss die Bekanntmachung eine Frist von mindestens drei Monaten enthalten, innerhalb derer Unternehmen ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekunden können („Interessenbekundungsfrist“). Die Rüge auf der Verfahrensstufe der Bekanntmachung ist in der Praxis – soweit ersichtlich – von weitaus geringerer Bedeutung als die Rüge auf den nachfolgenden beiden Verfahrensstufen, der Bekanntgabe der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung sowie der Auswahlentscheidung.59

2. Rügefrist 34 Die beteiligten Unternehmen können Rechtverletzungen auf der Verfahrensstufe der Bekanntmachung bis zum Ende der Interessensbekundungsfrist nach § 46 Abs. 4 EnWG rügen, die mit der Bekanntmachung festgesetzt wird, § 47 Abs. 2 Satz 1 EnWG. Sie beträgt mindestens drei Monate. Sollte die Bekanntmachung gerade an dem Mangel einer

56 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 6. 57 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 17. 58 Vgl. BGH, Urt. 14.4.2015, EnZR 11/14, Rn 28, juris – Gasnetz Schierke. 59 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 17; Theobald/Kühling/EnWG/Theobald/Schneider, 112. EL 2021, § 47 Rn 25. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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zu knappen Interessensbekundungsfrist leiden (z. B. zwei Wochen), bleibt zumindest eine Rügefrist von drei Monaten. Aus Gründen der Vorsicht sollte die Rüge jedoch in der festgesetzten Interessenbekundungsfrist erfolgen.  

3. Typische erhobene Rügen Aufgrund der bisher geringen Praxisrelevanz lassen sich keine Rügen feststellen, die typischerweise auf der Verfahrensstufe der Bekanntmachung erhoben werden. Denkbar sind jedoch Rügen wegen eines fehlenden Hinweises auf das Datum des Vertragsendes oder den Ort der Einsicht der nach § 46a EnWG zu veröffentlichenden Daten. Eine Rüge wegen unzureichender Daten, auf deren Grundlage es nicht sinnvoll möglich ist, abzuschätzen, ob eine Interessebekundung abgegeben werden soll60, dürfte indes nicht hierauf gestützt werden können. So muss in der Bekanntmachung nur der Ort genannt werden, an dem die Daten einzusehen sind. Ob diese Daten umfangmäßig den Vorgaben des § 46a EnWG entsprechen, ist indes nicht Gegenstand der Bekanntmachung. Vielfach werden diese Daten den Bewerbern erst nach Ablauf der Bekanntmachungsfrist zur Einsicht vorgelegt und dies auch nur, soweit diese eine entsprechende Vertraulichkeitsvereinbarung abgegeben haben. Überdies regelt § 46a EnWG einen eigenständigen Auskunftsanspruch der Kommune gegenüber dem aktuellen Netzbetreiber. Diesen Auskunftsanspruch kann die Kommune bereits drei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages geltend machen. Demgegenüber ist die unterlassene Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union rügefähig.61 Eine andere Frage ist, ob eine gänzlich unterlassene Bekanntmachung bzw. die Nichteinhaltung der Mindestfrist von zwei Jahren für die Veröffentlichung der Bekanntmachung rügefähig sind. Soweit es sich nicht um den aktuellen Netzbetreiber handelt, sind möglichen Interessenten um den Abschluss von Konzessionsverträgen die Vertragsabläufe von Konzessionsverträgen regelmäßig nicht bekannt. Damit fehlt es regelmäßig bei überhaupt nicht bekanntgemachten Vertragsabläufen an der Erkennbarkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung für eine Rügeobliegenheit. Indes ist die Nichteinhaltung der Mindestfrist von zwei Jahren aus der Bekanntmachung zwar erkennbar. Allerdings ist bei einer verbleibenden Laufzeit von weniger als zwei Jahren der Verstoß nicht anders heilbar als durch Bekanntmachung der verkürzten Laufzeit. Hierin mag man eine Rechtsverletzung der Kommune sehen, die allerdings in der Regel nicht dazu führt, dass die Chancen der Interessenten im Konzessionsverfahren geschmälert werden. Das EnWG sieht ausdrücklich den Fall eines verkürzten Konzessionsverfahrens in § 46 Abs. 3 Satz 3 für den Fall vor, dass Konzessionsverträge vorfristig beendet werden sollen.

60 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 17. 61 So etwa BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 17. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

Rügefähig dürfte indes sein, wenn die Kommune wesentlich früher als zwei Jahre vor Vertragsablauf diesen bekannt macht. Dies dürfte auf jeden Fall bei fünf Jahren der Fall sein, in Einzelfällen ggfs. sogar früher. Mit einer solchen – außerordentlichen – Bekanntmachung werden Interessenten in der Regel nicht rechnen müssen. Folglich besteht die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung, die über eine Rüge geltend gemacht werden könnte.

IV. Rüge gegen Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung (Stufe 2) 40 Die zweite Verfahrensstufe, auf der eine Rügeobliegenheit besteht, ist die Mitteilung der

Auswahlkriterien und deren Gewichtung, § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG. Bei dieser Mitteilung handelt es sich regelmäßig um den (ersten) Verfahrensbrief.62

1. Gegenstand der Rüge 41 Die Kommune ist nach § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG verpflichtet, allen Bietern, die fristgerecht ihr Interesse an der Teilnahme am Konzessionsverfahren bekundet haben, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen. Gegenstand der Rüge können alle Fehler der Kommune sein, die sich aus dieser Mitteilung ergeben, insbesondere die Verwendung fehlerhafter oder falsch gewichteter Auswahlkriterien.63 Hierzu gehören neben den Auswahlkriterien im engeren Sinne auch die Eignungskriterien, welche die Kommune zur Prüfung der Eignung der Bieter verwenden möchte.64 Denn auch die Eignungskriterien entscheiden darüber, welcher Bieter im Konzessionsverfahren obsiegt, sodass eine umfassende Rechtssicherheit es gebietet, auch diese Kriterien dem Rüge- und Präklusionsregime zu unterwerfen.65 42 Die Bieter können – wie auf jeder Verfahrensstufe – nur solche Rechtsverletzungen rügen, die sie in ihren subjektiven Rechten verletzen. Hierzu ist erforderlich, dass der zu rügende Verfahrensfehler geeignet ist, die Chancen des Bieters im Konzessionsverfahren zu beeinträchtigen.66 Intransparente oder den jeweiligen Bieter diskriminierende Kriterien können stets gerügt werden.67

62 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 8. 63 Zu den Einzelheiten der Kriterien und ihrer Gewichtung siehe oben unter Kapitel 3 C. bis G. 64 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 23. 65 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 23; so auch KG, Urteil v. 25.10.2018, 2 U 18/18, EnWZ 2019, 76 – juris Rn 40. 66 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 9. 67 BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 9. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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Streitig ist, ob auch andere Inhalte des Verfahrensbriefes als die Kriterien und ihre 43 Gewichtung nach § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG gerügt werden können (oder müssen).68 Aus Vorsichtsgründen ist es ratsam, stets alle erkennbaren Rechtsverletzungen zu rügen.

2. Rügefrist Die Rügefrist auf der zweiten Verfahrensstufe beträgt 15 Kalendertage ab Zugang der 44 Mitteilung beim Bieter, § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG.69 Zu Recht wird in der Literatur kritisiert, dass die Frist auf der zweiten Verfahrens- 45 stufe mit 15 Kalendertagen knapper bemessen ist als auf der ersten Verfahrensstufe (mindestens drei Monate), obwohl die Mitteilung über die Kriterien und ihre Gewichtung in aller Regel umfangreicher, komplexer und fehleranfälliger ist als die Bekanntmachung.70

3. Typische erhobene Rügen Typische erhobene Rügen auf der zweiten Verfahrensstufe betreffen die Zulässigkeit 46 von Auswahlkriterien, deren fehlende Transparenz, fehlerhafte Gewichtung und die Bewertungsmethode.71 Da auch Vorgaben der Kommune für die Eignung des auszuwählenden Unternehmens dem Rügeregime des § 47 EnWG unterfallen72, werden auch Eignungskriterien, die Teil der Auswahlkriterien sind, typischerweise auf der zweiten Verfahrensstufe zu rügen sein.

V. Rüge gegen Mitteilung über die Auswahlentscheidung Die dritte und letzte Verfahrensstufe, auf der zur Rechtewahrung Rügen erhoben wer- 47 den müssen, ist die Mitteilung der Kommune an die unterlegenen Bieter, dass und warum der neue Konzessionsvertrag mit einem anderen Bieter abgeschlossen werden soll. Die verfahrenstechnische Besonderheit auf dieser Stufe besteht in der Akteneinsicht, die der unterlegene Bieter nach § 47 Abs. 3 EnWG von der Kommune verlangen kann und die nach § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG zu einem Neubeginn der Rügefrist führt, soweit die Wochenfrist für den Antrag auf Akteneinsicht eingehalten worden ist.

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Für eine weitgehende Rügeobliegenheit KG, Urteil v. 25.10.2018, 2 U 18/18, EnWZ 2019, 76 – juris Rn 40. Zur Fristberechnung siehe Kapitel 4 A. II. 1. BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 23. Meyer-Hetling/Schneider, NZBau 2020, 142 (143). KG, Urteil v. 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG, Rn 37 ff.

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Kapitel 4. Rechtsschutz

1. Gegenstand der Rüge 48 Gegenstand der Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG können alle Rechtsverletzungen

sein, die aus der Information der Kommune an die unterlegenen Bieter über die Auswahlentscheidung erkennbar sind. Nach § 46 Abs. 5 Satz EnWG hat die Kommune diejenigen Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung und den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem obsiegenden Bieter zu informieren („Bieterinformation“). Die Information muss in Textform erfolgen.73

2. Rügefrist 49 Die Rügefrist beträgt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG 30 Kalendertage ab dem Zugang der Bieterinformation bei dem Bieter. Die beteiligten Unternehmen können gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1, 2 EnWG Akteneinsicht bei der Kommune beantragen.74 Im Falle der beantragten Akteneinsicht – welche in der Praxis den Regelfall darstellt – beginnt die Rügefrist für den antragstellenden Bieter erneut ab dem ersten Tag, an dem die Kommune die Akten zur Einsichtnahme bereitgestellt hat und beträgt wiederum 30 Kalendertage. Maßgeblich für die Fristberechnung ist nach dem Gesetzeswortlaut der erste Tag der Zurverfügungstellung, nicht der Tag der tatsächlichen Einsichtnahme durch den Bieter.75 Sollten diese auseinander fallen und sich die Kommune auf eine Nichteinhaltung der Frist berufen, trägt sie die Beweislast dafür, ab welchem Tag die Einsichtnahme möglich war. 50 Es ist fraglich, ob die Rügefrist auch dann erneut zu laufen beginnt, wenn die Kommune einem beteiligten Unternehmen Akteneinsicht gewährt, obwohl das Unternehmen den Antrag auf Akteneinsicht zu spät, nämlich nach Ablauf der Wochenfrist aus § 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG gestellt hat. Das Oberlandesgericht Dresden hat in einer solchen Konstellation entschieden, dass es sich nicht um eine „Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG“ handele.76 Daher beginne in diesem Fall die Rügefrist nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG erneut zu laufen.77 Für den Fristbeginn sei somit auf den Zugang der Bieterinformation abzustellen.78 51 Aus Vorsichtsgründen ist dem Bieter daher zu empfehlen, in einer solchen Konstellation die Rüge stets innerhalb der ab dem Zugang der Bieterinformation berechneten Frist zu erheben.

73 Zu den Erfordernissen der Textform BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. 74 Zur Akteneinsicht ausführlich unter Kapitel 4 B. 75 § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG. 76 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – 6/20 Kart, juris Rn 12.; OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022, U 30/21 Kart, S. 11 f. des Urteilsumdrucks -rechtskräftig; zustimmend BeckOK/EnWG/Assmann/Pfeiffer, § 47 Rn 21. 77 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – 6/20 Kart, juris Rn 12., OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022, U 30/21 Kart, S. 11 f. des Urteilsumdrucks -rechtskräftig. 78 OLG Dresden, Urteil v. 27.1.2021 – 6/20 Kart, juris Rn 11.  



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A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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3. Typische erhobene Rügen Typische Rügen gegen die Auswahlentscheidung der Kommune betreffen die Intrans- 52 parenz der Auswahlentscheidung wegen Nichtvorlage eines aussagekräftigen Auswertungsvermerks und der Konkurrenzangebote. Aber auch die fehlerhafte Bepunktung der Angebote durch die Kommune, etwa weil unplausible Angaben des obsiegenden Unternehmens positiv bewertet worden sind, oder weil die Entscheidung aufgrund anderer Kriterien oder Gewichtungen als den bekanntgemachten Auswahlkriterien getroffen wurde sind häufig Gegenstand von Rügen.79 Insbesondere in den Fällen, in denen sich die konzessionsvergebende Kommune über eine Eigengesellschaft oder über einen Eigenbetrieb selbst um die Konzession bewirbt, wird vielfach auch die fehlende Neutralität der Kommune bei der Auswahlentscheidung gerügt.80

VI. Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße Es ist streitig, ob auch Verfahrensverstöße, die sich nicht unmittelbar aus den in § 47 53 Abs. 2 EnWG in Bezug genommenen Bekanntmachungen und Mitteilungen ergeben, zu rügen sind. § 47 Abs. 2 EnWG knüpft die Rügeobliegenheit auf allen drei Verfahrensstufen an 54 die jeweilige Mitteilung der Kommune, nämlich die Bekanntmachung81, die Verfahrensbriefe82 und die Bieterinformation83 bzw. die Akteneinsicht84. Auf der dritten Verfahrensstufe verpflichtet das Gesetz zudem nur zur Rüge von Rechtsverletzungen „im Rahmen der Auswahlentscheidung“85. Es stellt sich somit die Frage, ob es einem beteiligten Unternehmen obliegt, auch solche Verstöße gegen die Grundsätze eines diskriminierungsfreien und transparenten Konzessionsverfahrens zu rügen, die sich nicht unmittelbar aus den Mitteilungen der Kommune ergeben oder – im Falle der Bieterinformation – sich zwar aus der Mitteilung der Kommune oder der Akteninformation ergeben, aber nicht die Auswahlentscheidung selbst betreffen. Es spricht vieles dafür, dass solche „sonstigen Verfahrensverstöße“, die nicht vom 55 Wortlaut des § 47 Abs. 2 EnWG erfasst sind, nicht präkludieren. Denn die Präklusion stellt eine erhebliche Einschränkung der Rechtsschutzgarantie und des Justizgewähranspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG dar und ist somit restriktiv auszulegen.86 Die Ver-

79 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 28. 80 BGH, Urteil vom 12.10.2021, EnZR 43/20 – Stadt Bargteheide; Urteil vom 28.1.2020, EnZR 99/18 – Gasnetz Leipzig. 81 § 47 Abs. 2 Satz 1 EnWG. 82 § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG. 83 § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG. 84 § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG. 85 § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG. 86 So auch BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 31. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

kürzung des Zugangs zu den Gerichten zugunsten der Rechtssicherheit bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. § 47 EnWG stellt hierfür keine ausreichende Grundlage dar. Wie das Kammergericht zutreffend festgestellt hat, bezieht sich das Rügeregime des § 47 Abs. 2 EnWG ausdrücklich nur auf Rechtsverstöße, die aus den dargestellten Mitteilungen oder der Bekanntmachung der Kommune erkennbar sind und nicht auf sonstige Rechtsverstöße der Kommune.87 56 Gleichwohl wird das Erfordernis entsprechender Rügen durchaus unterschiedlich beurteilt. So verneinen verschiedene Gerichte eine Rügepflicht in Bezug auf den Vorwurf mangelnder Akteneinsicht.88 Möglich sei allerdings die Rüge der Intransparenz der Auswahlentscheidung infolge nicht (ausreichend) gewährter Akteneinsicht.89 Andere Gerichte halten eine solche isolierte Rüge mangelnder Akteneinsicht für zulässig.90 Da diese Frage noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist, empfiehlt es sich daher aus Vorsichtsgründen, alle Verfahrensverstöße, von denen der Bieter im Laufe des Konzessionsverfahrens Kenntnis erlangt, innerhalb der für die jeweilige Verfahrensstufe geltenden Frist und auf der jeweiligen Stufe zu rügen.

1. Rügefrist 57 Sonstige Verfahrensverstöße sollten vorsichtshalber innerhalb der Rügefristen gerügt

werden, die für die jeweilige Verfahrensstufe gelten, auf der das beteiligte Unternehmen von dem Verfahrensverstoß Kenntnis erlangt. Gelangt das beteiligte Unternehmen auf anderem Wege als durch eine Mitteilung der Kommune Kenntnis vom Verfahrensverstoß, so beginnt die Rügefrist mit der Kenntnis.

2. Typische erhobene Rügen 58 In der Praxis werden sonstige Verfahrensverstöße insbesondere auf der dritten Verfah-

rensstufe erkennbar. Denn nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG besteht hier eine Rügeobliegenheit für „Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung“. Gerade im Rahmen der auf dieser Stufe zu gewährenden Akteneinsicht ist die Erkennbarkeit von möglichen weiteren Verstößen der Kommune gegen die Grundsätze eines diskriminierungsfreien und transparenten Verfahrens besonders gegeben. So lässt sich möglicherweise aus der Akteneinsicht ein Verstoß der Kommune gegen das Neutralitätsgebot erkennen.91 Soweit, wie in der Praxis üblich, der von der Kommune zu erstellende Ver-

87 KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG; EnWZ 2019, 76, juris Rn 33. 88 OLG Stuttgart, Urteil v. 5.8.2021, 2 U 71/21, S. 8 des Urteilsumdrucks; OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19 Kart, juris Rn 26. 89 OLG Stuttgart, Urteil v. 5.8.2021, 2 U 71/21, S. 8 des Urteilsumdrucks; OLG Koblenz, Urteil vom 12.9.2019, U 678/19 Kart, juris Rn 26. 90 LG München, Urteil v. 11.3.2022 – 37 O 14213/21, juris Rn 46 ff. 91 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 23.  

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A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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merk über die Auswertung der Angebote der Bieter erst im Rahmen der Akteneinsicht übermittelt wird, lassen sich daraus ggfs. ebenfalls weitere Verstöße erkennen. Soweit dieser Vermerk entsprechend der Anforderungen der Rechtsprechung nicht ausreichend aussagekräftig ist, insbesondere weil er nicht im ausreichenden Maß wiedergibt, welche Angebotsbestandteile in die Bewertung eingeflossen sind, lassen sich ggfs. Verstöße aus den Angeboten der übrigen Bewerber erkennen, die in einem solchen Fall möglicherweise ebenfalls offenzulegen sind.92 Werden diese Dokumente nicht vorgelegt bzw. sind sie nicht ausreichend aussagekräftig, bleibt der zu rügende Verstoß der Auswahlentscheidung gegen das Transparenzgebot.93

3. Entscheidungspflicht Erhebt ein Bieter eine Rüge gegen eine Verfahrenshandlung der Kommune, die nicht Ge- 59 genstand des Rügeregimes in § 47 Abs. 2 EnWG ist, kann die Kommune eine Entscheidung über die Rüge treffen und hierdurch – im Falle der Nicht-Abhilfe – für diese Rüge den Weg zu den Gerichten nach § 47 Abs. 5 EnWG eröffnen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob auch eine Pflicht der Kommune besteht, über die 60 Rüge gegen einen „sonstigen“ Verfahrensverstoß zu entscheiden. § 47 Abs. 4 EnWG setzt voraus, dass die Kommune prüfen muss, ob sie einer Rüge abhilft oder nicht. Die Systematik des § 47 EnWG spricht gegen eine Entscheidungspflicht der Kommune. Die Rügen, die Gegenstand der gesetzlichen Regelung sind, werden in § 47 Abs. 2 EnWG benannt. Wenngleich ein Bieter alle sonstigen Rügen erheben kann, so ergibt sich aus § 47 EnWG kein Anspruch auf die Bescheidung einer sonstigen Rüge durch die Kommune. Dies ist auch folgerichtig: Wenn es dem Bieter nicht obliegt, andere als die in § 47 Abs. 2 EnWG benannten Rügen zu erheben, so muss die Kommune über solche sonstigen Rügen auch nicht entscheiden. Wollen Kommune und Bieter möglichst frühzeitig eine gerichtliche Entscheidung nach § 47 Abs. 5 EnWG über die Rechtmäßigkeit der betreffenden Verfahrenshandlung herbeiführen, steht es Ihnen gleichwohl frei, eine solche Rüge zu erheben beziehungsweise über sie zu entscheiden. Macht der Bieter eine solche Rüge im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend, muss er jedoch einen Verfügungsgrund glaubhaft machen, weil § 47 Abs. 5 Satz 3 EnWG, demgemäß ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht werden muss, nicht anwendbar ist.

VII. Eilrechtsschutz wegen Nichtabhilfe von Rügen Nach der Rüge gegenüber der Kommune nach § 47 Abs. 1, 2 EnWG (s. o.) stellt die gericht- 61 liche Geltendmachung nach § 47 Abs. 5 EnWG die zweite Stufe des Präklusionsmecha 

92 BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20; OLG Frankfurt, Urteil v. 12.8.2021, 11 U 1/21 (Kart). 93 Hierzu unter Kapitel 4 B. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

nismus dar. Demnach muss der Bieter, dessen Rüge von der Kommune nicht (oder nicht vollständig) abgeholfen wird, innerhalb von 15 Tagen ab Zugang der Mitteilung über die Nichtabhilfe gerichtlichen Rechtsschutz ersuchen, um eine Präklusion zu verhindern. Nach § 47 Abs. 5 S. 2 EnWG gelten hierbei die Vorschriften der ZPO über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Einen Verfügungsgrund muss der Bieter nach § 47 Abs. 5 Satz 3 nicht glaubhaft machen.

1. Beginn, Ende und Einhaltung der Rechtsschutzfrist 62 Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von gerügten Verfahrensverstößen, denen

die Kommune nicht abgeholfen hat, beträgt nach § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG 15 Kalendertage und beginnt mit dem Zugang der Nichtabhilfe-Entscheidung der Kommune beim Bieter. Für die Fristberechnung gelten §§ 187, 188 BGB. Demnach beginnt der Fristlauf gemäß § 187 Abs. 1 BGB mit dem Tag, der auf den Zugang der Nichtabhilfe-Entscheidung folgt und endet gemäß § 188 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. Rechtsmittelfristen können bis zur letzten Minute der Frist ausgeschöpft werden.94 Somit wahrt jeder Zugang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht vor Ablauf des betreffenden Kalendertages die Frist des § 47 Abs. 5 EnWG.

2. Formanforderungen an den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 63 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann schriftlich, als elektronisches

Dokument oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden.95 Bei der Einreichung durch einen Rechtsanwalt ist seit dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu berücksichtigen.96 Die Antragstellung unterliegt nicht dem Anwaltszwang, wohl aber das weitere landgerichtliche Verfahren.97 64 Die weiteren formellen Anforderungen für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechen denjenigen für die Klageschrift gemäß § 253 ZPO: Das angerufene Gericht und die beteiligten Parteien müssen genau bezeichnet sein, dem Gericht sind alle zuständigkeitsbegründenden Umstände mitzuteilen und es muss ein hinreichend bestimmter Antrag gestellt werden.98

3. Örtliche Zuständigkeit und Rechtsweg 65 Der Antrag ist gemäß § 102 EnWG beim örtlich zuständigen Landgericht zu stellen. Dies

gilt auch in Berlin und Hamburg, wo es sich bei den Konzessionsverträgen um öffent-

94 95 96 97 98

BVerfG, Beschluss v. 14.5.1985 – 1 BvR 370/84 –, BVerfGE 69, 381, juris Rn 12 m. w. N. MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 920 Rn 2. § 130d ZPO. Musielak/Voit/ZPO/Huber, 19. Auflage 2022, § 920 Rn 2. Vgl. Musielak/Voit/ZPO/Huber, 19. Auflage 2022, § 920 Rn 2.  



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A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

441

lich-rechtliche Verträge handelt.99 Der Vorschlag des Bundesrates, in diesen Bundesländern auch zusätzlich den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen100, wurde von der Bundesregierung abgelehnt und hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden.101

4. Inhaltliche Anforderungen an den Antrag Der Gesetzgeber empfiehlt in der Gesetzesbegründung, dass der Bieter eine einstweilige 66 Verfügung mit dem Inhalt beantragt, dass die Fortsetzung des Auswahlverfahrens oder der drohende Vertragsschluss (je nach Verfahrensstufe) untersagt wird, „bevor nicht die konkret gerügte rechtswidrige Verfahrenshandlung aufgehoben und durch eine rechtmäßige Verfahrenshandlung ersetzt wurde“.102 In der Praxis werden meist an § 33 GWB angelehnte Unterlassungsanträge gestellt. Während in Bezug auf die gerichtliche Geltendmachung von Rügen betreffend die Bekanntmachung bzw. die Auswahlkriterien meist die Untersagung der Fortsetzung des Verfahrens beantragt wird, bis bestimmte Fehler beseitigt sind, wird in Bezug auf Rügen gegen die Auswahlentscheidung in der Regel die Unterlassung des Abschlusses des Konzessionsvertrages mit dem obsiegenden Bieter beantragt. Darüber hinaus ist – wie schon bei der Rüge – auch beim Antrag auf einstweiligen 67 Rechtsschutz darauf zu achten, dass die beanstandete Verfahrenshandlung ausdrücklich genannt und möglichst genau beschrieben wird, da die Präklusionswirkung nur insoweit verhindert wird, wie die Verfahrenshandlung Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war.103 Die hinreichende Bestimmtheit erfordert, dass der gerügte Rechtsverstoß im Antrag genannt wird oder sich jedenfalls aus der Antragsbegründung ergibt.104 Der zu stellende Unterlassungsantrag bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem 68 Ziel der Verfahrensstraffung durch § 47 Abs. 5 EnWG und der – im einstweiligen Verfügungsverfahren gewöhnlich unzulässigen – Vorwegnahme der Hauptsache. Grundsätzlich dient der einstweilige Rechtsschutz allein dazu, eine Gefährdung der Rechtsstellung des Gläubigers, die aus der zeitlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens entsteht, zu verhindern.105 Daher darf das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Hauptsache nicht vorweg nehmen.106 Möchte sich der Bieter gegen einen Verfahrensschritt der Kommune

99 Vgl. KG, Urteil v. 4.4.2019, 2 U 5/15 Kart, Rn 56; KG, Beschluss v. 6.10.2014, 2 W 4/14 Kart, Rn 8 juris. 100 BT-Drucksache 18/8184, S. 22 f. 101 BT-Drucksache 18/8184, S. 28 f. 102 BT-Drucksache 18/8184, S. 17; für diesen Antrag auch OLG Brandenburg Urteil v. 6.4.2021 – 17 U 3/19 Kart, BeckRS 2021 9340, juris Rn 51; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 51; BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 31; Kment/EnWG/Huber,§ 47 Rn 16. 103 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/18, juris Rn 41. 104 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, Leitsatz 1 juris. 105 MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, Vor § 916 Rn 1. 106 Zöller/Vollkommer, 33. Auflage 2020, § 938 Rn 3.  



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Kapitel 4. Rechtsschutz

wenden, weil er diesen für rechtswidrig hält, so wird regelmäßig die Aufhebung und Neuvornahme dieses Verfahrensschrittes die Begehr in der Hauptsache sein. Bei Erlass der einstweiligen Verfügung mit dem vom Gesetzgeber vorgesehen Inhalt wird das Konzessionsverfahren blockiert, bis die Kommune die gerügte Verfahrenshandlung aufhebt und neu vornimmt. Dies kommt einer Vorwegnahme der Hauptsache effektiv sehr nahe. 69 Der Sinn und Zweck von § 47 EnWG erfordert es jedoch, von der Kommune schon auf der jeweiligen Verfahrensstufe das auch in der Hauptsache vom Bieter begehrte Verhalten zu fordern. Denn andernfalls müsste auf jeder Verfahrensstufe ein mehrere Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren durchlaufen werden, was das eigentliche Konzessionsverfahren zeitlich unbeherrschbar werden ließe. Daher wird der vom Gesetzgeber vorgegebene Unterlassungsantrag allgemein als zulässig angenommen und teils sogar die Ansicht vertreten, dass die Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG grundsätzlich nie zu prüfen sei.107 70 Lediglich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat eine Vorwegnahme der Hauptsache in der Sonderkonstellation angenommen, dass der Bieter den Vollzug des bereits mit einem anderen Bieter unterzeichneten Konzessionsvertrages im Eilverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG verhindern möchte.108

5. Zwischenverfügungen 71 Im einstweiligen Verfügungsverfahren kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung eine Zwischenverfügung erlassen, wenn bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag bereits das Eintreten vollendeter Tatsachen droht (sog. „Eil-Eil-Rechtsschutz“ oder „Hängebeschluss“). Die Zwischenverfügung ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, ergibt sich aber aus Art. 19 Abs. 4 GG und ist in der Rechtsprechung anerkannt.109 Der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass ohne den Erlass einer sofortigen Verfügung des Gerichts unumkehrbare Nachteile drohen.110 Im Rahmen von § 47 Abs. 5 EnWG kommt hier der unmittelbar bevorstehende Vertragsschluss der Kommune mit einem anderen Bieter in Betracht. Erlässt das Gericht eine Zwischenverfügung, gerichtet auf Unterlassung des Vertragsschlusses befristet bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, so ist diese – anders als die einstweilige Verfügung – nicht mit der sofortigen Beschwerde, sondern lediglich mit dem Widerspruch, angreifbar.111

107 OLG Brandenburg Urteil v. 6.4.2021 – 17 U 3/19 Kart, BeckRS 2021 9340, juris Rn 51; BerlKommEnR/ EnWG/Wegner, § 47 Rn 51; BeckOK/EnWG/Assmann/Peiffer, § 47 Rn 31; Kment/EnWG/Huber,§ 47 Rn 16. 108 OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 26.2.2018 – 11 W 2/18 (Kart), VPRRS 2019, 55. 109 OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.7.2015 – 10 W 31/15, NJW-RR 2016, 187; LG Wiesbaden, Beschluss v. 26.1. 2022, 11 O 5/22,. 110 MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 922 Rn 4. 111 OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.7.2015 – 10 W 31/15, NJW-RR 2016, 187 (188). Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

443

6. Prüfungsgegenstand, Prüfungsumfang und Prüfungsmaßstab a) Prüfungsgegenstand Prüfungsgegenstand im gerichtlichen Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG sind alle vom Bieter erhobenen Rügen. Jede einzelne Rüge stellt einen eigenen Streitgegenstand dar.112 Wie bereits im gemeindlichen Rügeverfahren113 muss die Rüge auch im gerichtlichen Verfahren hinreichend bestimmt bezeichnet sein. Das Gericht muss also erkennen können, welches konkrete Verhalten der Kommune angegriffen wird.114 Das Eilbedürfnis des Bieters ergibt sich bereits aus der drohenden Präklusion. Das Gericht prüft daher nicht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, § 47 Abs. 5 Satz 3 EnWG.115 Das gerichtliche Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG dient – ebenso wie das gemeindliche Rügeverfahren – allein dem Individualrechtschutz.116 Es findet daher keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle statt.117 Gleichwohl hat das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren wie zuvor die Kommune im Rahmen des Abhilfeverfahrens über alle gerichtlich geltend gemachten Rügen zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht bereits einzelne Rügen für durchgreifend erachtet und bereits auf dieser beschränkten Grundlage eine vergabeerhebliche unbillige Behinderung des unterlegenen Bewerbers feststellt.118 Denn die Entscheidung über alle rechtshängigen Rügen entspricht dem Sinn und Zweck des Rüge- und Präklusionsregimes, nämlich eine Komprimierung und Beschleunigung der Konzessionierungsverfahren. Das gerichtliche Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG dient vorrangig der Aufhebung rechtswidriger Verfahrenshandlungen des Konzessionierungsverfahrens und deren Ersetzung durch rechtmäßige. Wenn sich die Gerichte auf einzelne (nicht) durchgreifende Rügen beschränken, kann dieser Gesetzeszweck nicht erreicht werden, da die am Konzessionierungsverfahren Beteiligten hinsichtlich der weiteren erhobenen Rügen im Unklaren blieben.119

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b) Prüfungsmaßstab Das Gericht prüft im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG nach herrschender Ansicht ledig- 76 lich, ob die Gemeinde den ihr im Konzessionsverfahren zustehenden Entscheidungs-

112 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, juris Rn 92; OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019, 2 U 218/18, Rn 28. 113 S. o. Kapitel 4 A. II. 3. 114 OLG Stuttgart, Urteil v. 6.6.2019 – 2 U 218/19, juris Rn 41. 115 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.3.2019 – 6 U 113/18 Kart, juris Rn 27; BT-Drs. 18/8184, S. 17. 116 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, juris Rn 110. 117 OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, juris Rn 110. 118 OLG Dresden, Urt. v. 27.1.2021, U 6/20 Kart, juris Rn 4 f.; OLG Dresden, Urt. v. 7.10.2020, U 1/20 Kart, juris Rn 34; KG Berlin, Urt. v. 24.9.2020, 2 U 93/19 EnWG, juris Rn 33. 119 BT-Drs. 18/8184, S. 17; so auch KG Berlin, Urt. v. 24.9.2020, 2 U 93/19 EnWG, juris Rn 33.  







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Kapitel 4. Rechtsschutz

spielraum überschritten hat.120 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die Gemeinde das vorgeschriebene Verfahren verletzt, den Sachverhalt falsch oder unvollständig bewertet oder sachfremde Erwägungen in ihre Entscheidung eingestellt hat.121 Das Gericht darf daher nicht seine eigene Bewertung an die Stelle der Kommune setzen oder gar eine eigene Bepunktung von Angeboten vornehmen.122 77 Der Entscheidungsspielraum der Kommune ist allerdings weder bei der Festlegung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung noch bei der Auswahlentscheidung unbegrenzt. Auch wenn die Kommune bei der Aufstellung der Kriterien und deren Gewichtung einen Spielraum hat, ist sie andererseits bei deren Auswahl den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet, an denen sie sich vorrangig zu orientieren hat. Der Ausgestaltungsspielraum der Kommune findet daher dort seine Grenze, wo die Kriterien bzw. die dazu aufgestellten Maßstäbe die objektiven Anforderungen an den Netzbetrieb ersichtlich unzutreffend abbilden.123 Wahren die Auswahlkriterien und deren Gewichtung nicht die netzwirtschaftlichen Anforderungen, hat die Kommune ihren Ermessensspielraum überschritten.124 78 Im Rahmen der Auswahlentscheidung muss die vorgenommene Bewertung „nachvollziehbar“ bzw. „plausibel“ sein. Hinreichend nachvollziehbar und plausibel sind die Bewertungen und Benotungen nur und erst dann, wenn sie im konkreten Durchgang und Nachvollzug der dafür angeführten Gründe nach allgemeinen Beurteilungsmaßstäben – d. h. Besseres besser; Gleiches gleich und nicht schlechter; Schlechteres schlechter; Minder- oder Mehrbemessungen nur bei bedeutsamen Abweichungen – als inhaltlich billigenswert in dem Sinne erscheinen können, dass man sich mit guten Gründen bejahend zu ihnen stellen kann, sie also als gut vertretbar ansehen kann. Die Kommune verlässt folglich den ihr zustehenden Entscheidungsspielraum in unzulässiger Weise bereits dann, wenn sie in sachlich nicht nachvollziehbarer bzw. nicht plausibler Weise wertet.125  

c) Beweismaßstab 79 Der Beweismaßstab des Gerichts im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG ist umstritten. 80

§ 47 Abs. 5 Satz 2 EnWG verweist auf die Vorschriften der ZPO über das einstweilige Verfügungsverfahren. Das Beweismaß im einstweiligen Verfügungsverfahren ist gemäß § 920 ZPO die Glaubhaftmachung. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn nach rich-

120 OLG Brandenburg, Urteil v. 22.8.2017 – 6 U 1/17 Kart, BeckRS 2017, 127968, juris Rn 118; OLG Celle, Urteil v. 17.3.2016 – 13 U 141/15 Kart, BeckRS 2016, 12413, juris Rn 133. 121 OLG Karlsruhe, Urteil. v. 27.1.2021 – 6 U 95/20, juris Rn 82; KG Berlin, Urteil v. 24.9.2020 – 2 U 93/19, juris Rn 175, 190 und 277, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 12.9.2019 – U 678/19 Kart, juris Rn 4. 122 OLG Schleswig, Urteil v. 7.3.2022, 16 U 166/21, juris Rn 86 f. 123 OLG Schleswig, Urteil v. 7.3.2022, 16 U 166/21, juris Rn 86 f. 124 OLG Schleswig, Urteil v. 7.3.2022, 16 U 166/21, juris Rn 89. 125 OLG Schleswig, Urt. v. 16.4.2018, 16 U 110/17 Kart, juris Rn 84 und 86.  



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A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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terlicher Überzeugung ihr Vorliegen wahrscheinlicher ist als ihr Nichtvorliegen.126 Die Glaubhaftmachung ist somit eine besondere Art der Beweisführung mit einem minderen Maß an richterlicher Überzeugung.127 Es handelt sich um ein summarisches Verfahren, bei dem die Parteien keinen Vollbeweis erbringen müssen.128 Das Kammergericht und Teile der Literatur vertreten indes die Auffassung, dass im 81 Verfahren nach § 47 EnWG der Prüfungsmaßstab des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach der ZPO nicht anwendbar sei.129 Das Gericht müsse die erhobenen Rügen nicht lediglich summarisch, sondern umfassend prüfen und der Antragsteller habe den Vollbeweis zu erbringen und nicht lediglich Tatsachen glaubhaft zu machen.130 Andere Oberlandesgerichte, darunter das Oberlandesgericht Celle131 und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main132, gehen hingegen davon aus, dass der Bieter die anspruchsbegründenden Tatsachen lediglich glaubhaft machen muss.133 Die unterschiedlichen Rechtsansichten sind eng mit der Frage verknüpft, wie weit 82 die Präklusion aus § 47 Abs. 5 EnWG reicht. Das Kammergericht geht davon aus, dass im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG abschließend und endgültig über die betreffenden Rügen entschieden wird und der Bieter mit den betreffenden Rügen in einem etwaig nachfolgenden Hauptsacheverfahren präkludiert ist.134 In der Konsequenz müssen die Gerichte bereits im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG eine umfassende Würdigung mit der Prüfungstiefe eines Hauptsacheverfahrens vornehmen. Denn es wäre mit dem Justizgewähranspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar, Bieter und Kommune für die rechtskräftige und endgültige Entscheidung über etwaige Verfahrensverstöße auf eine bloß summarische Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren zu verweisen.135 Zahlreiche Oberlandesgerichte nehmen hingegen an, dass auch nach einem Un- 83 terliegen im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG die betreffenden Rügen in einem anschließenden Hauptsacheverfahren, sei es einer eigenen Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Konzessionsverfahrens oder bei der Abwehr der Klage eines Neu-

126 BeckOK/ZPO/Mayer, 44. Edition 2022, § 920 Rn 12; Musielak/Voit/Huber, 19. Auflage 2022, § 920 Rn 9. 127 MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 920 Rn 14. 128 MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 920 Rn 14. 129 KG, Urteil v. 24.9.2020, 2 U 93/19 EnWG, juris Rn 34; Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 EnWG; EnWZ 2019, 76, Leitsatz 3; so auch Theobald/Kühling/Energierecht/Theobald/Schneider, 112 EL. 2021, § 47 Rn 53; Kment/EnWG/Huber, 2. Auflage 2019, § 47 Rn 30; a. A. BeckOK/EnWG/Assmann/Peiffer, § 47 Rn 35; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 48. 130 OLG Schleswig, Urteil v. 16.4.2018 – 16 U 110/17 Kart, EnWZ 2018, 277, juris Rn 79. 131 OLG Celle, Urteil v. 24.9.2015 – 13 W 52/15 (Kart), BeckRS 2016, 1171; so auch BerlKommEnR/EnWG/ Wegner, § 47 Rn 47; Höch, RdE 2017, 157. 132 OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 26.2.2018 – 11 W 2/18 (Kart) – juris Rn 20 ff. 133 So auch das OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, S. 6 des Urteilsumdrucks. 134 KG, Urteil v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 .EnWG; EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 3, juris Rn 52. 135 Für eine ausführliche Darstellung des Verhältnisses von einstweiligem Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren siehe Kapitel 4 C.  



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Kapitel 4. Rechtsschutz

konzessionärs auf Netzherausgabe, geltend gemacht werden können.136 Das Oberlandesgericht Dresden hat sich dieser Auffassung ebenfalls angeschlossen.137 Danach steht eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG einer nochmaligen Entscheidung über denselben Sachverhalt in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegen. Die Beschränkung des Rechtsschutzes auf die Überprüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei ausweislich des Wortlauts und der Gesetzgebungsgeschichte nicht gegeben.138 Schließt man sich dieser Auffassung an, für deren Richtigkeit vieles spricht, besteht kein Anlass, bei der Prüfungstiefe des einstweiligen Verfügungsverfahrens von der gesetzlichen Regelung in §§ 926 ff. ZPO abzuweichen. 84 Der Bundesgerichtshof hat in einem zur Rechtslage vor Inkrafttreten der EnWG-Novelle ergangenen Urteil ausdrücklich offengelassen, wie diese Frage im Rahmen des § 47 EnWG zu entscheiden ist und somit die Gelegenheit für eine Klarstellung dieser praxisrelevanten Frage ungenutzt gelassen.139 85 Aus Gründen der Vorsicht sollten dem Gericht die Beweismittel stets so angeboten werden, dass es den Vollbeweis führen kann und nicht auf eine summarische Prüfung beschränkt ist. 86 Die Verteilung der Last zur Darlegung und Glaubhaftmachung entspricht grundsätzlich der Darlegungs- und Beweislast im Hauptsacheverfahren.140 Demnach hat im Konzessionsverfahren der rügende Bieter glaubhaft zu machen, dass die von ihm gerügte Verfahrenshandlung der Kommune rechtsfehlerhaft ist. Zu beachten ist jedoch die sekundäre Darlegungslast der Kommune, präzise darzulegen, wie sie die Auswahlentscheidung getroffen hat.141 Dies bedeutet, dass die Kommune Einzelheiten zur Bewertung des Angebots der Klägerin und des Angebots des Bieters, der den Zuschlag erhalten soll, in Bezug auf die einzelnen Auswahlkriterien darzulegen hat.142 Denn nur so ist eine sachgerechte gerichtliche Überprüfung möglich.143  

7. Entscheidung des Gerichts und Vollzug der einstweiligen Verfügung 87 Das Gericht entscheidet im einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß §§ 935, 936, 922 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO durch Urteil, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, andernfalls durch Beschluss. Grundsätzlich soll auch im Eilverfahren eine mündli-

136 OLG Schleswig, Urteil v. 7.3.2022, 16 U 166/21, juris Rn 86 f.; OLG Celle, Urteil v. 24.9.2015 – 13 W 52/15 (Kart), BeckRS 2016, 1171. 137 OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022, U 30/21 Kart, S. 6 des Urteilsumdrucks. 138 OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022, U 30/21 Kart, S. 6 f. des Urteilsumdrucks. 139 BGH, Urteil v. 7.9.2021 – EnZR 29/20 (Gasnetz Rösrath), NVwZ-RR 2022, juris Rn 27. 140 Mertins, JuS 2009, 911 (914). 141 OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.19 U 678/19 Kart, BeckRS 2019, 29906, Rn 20; LG Stuttgart, Urteil v. 30.6. 2016 – 11 O 78/16, BeckRS 2016, 113670; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 42. 142 LG Stuttgart, Urteil v. 30.6.2016 – 11 O 78/16, juris Rn 58 ff. 143 LG Stuttgart, Urteil v. 30.6.2016 – 11 O 78/16, juris Rn 58 ff.  







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A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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che Verhandlung stattfinden. Diese ist nur entbehrlich, wenn die Notwendigkeit der schnellen Sicherung den Verzicht erfordert.144 Aufgrund der hohen Komplexität des Konzessionsverfahrens entscheiden die Gerichte in der Praxis im Verfahren nach § 47 EnWG regelmäßig nicht ohne mündliche Verhandlung und in der Folge durch Urteil. Erlässt das Gericht eine einstweilige Verfügung, sei es durch Beschluss oder durch 88 Urteil, so muss der Verfügungskläger die einstweilige Verfügung innerhalb von einem Monat nach der Zustellung vollziehen, um die vom Gericht angeordneten Rechtsfolgen herbeizuführen, §§ 935, 936, 928, 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Nach fruchtlosem Ablauf der Vollziehungsfrist ist die einstweilige Verfügung wirkungslos und vom Gericht aufzuheben.145 Die Vollziehung setzt die Zustellung des Vollstreckungstitels im Parteibetrieb voraus, eine Zustellung von Amts wegen genügt nicht.146 Je nach Formulierung der Anträge, insbesondere bei Inbezugnahme auf die geltend gemachten Rügen kann es erforderlich sein, auch die als Anlagen bei Gericht eingereichten Rügeschreiben mit zuzustellen, um die Vollziehungsfrist zu wahren.147

8. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel Der im Verfahren nach § 47 EnWG unterlegenen Partei steht der Rechtsweg zu den 89 Oberlandesgerichten offen. Hierbei sind die folgende Konstellationen zu unterscheiden: – Erlässt das Landgericht (ausnahmsweise) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss die beantragte einstweilige Verfügung, so ist der Widerspruch gemäß § 924 Abs. 1 ZPO der statthafte Rechtsbehelf. Legt der Antragsgegner – im Verfahren nach § 47 EnWG die Kommune – Widerspruch ein, so entscheidet das Gericht über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil, §§ 935, 936, 925 Abs. 1 ZPO. Im Urteil kann das Landgericht die erlassene einstweilige Verfügung ganz oder teilweise bestätigen, abändern oder aufheben, §§ 935, 936, 925 Abs. 2 ZPO. Die unterlegene Partei kann gegen das Urteil beim zuständigen Oberlandesgericht Berufung einlegen. – Weist das Landgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück, so kann der Antragsteller – im Verfahren nach § 47 EnWG der Bieter – gegen den Beschluss beim zuständigen Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde einlegen, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. – Entscheidet das Landgericht – wie in aller Regel der Fall – nach mündlicher Verhandlung durch Urteil über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, kann die unterlegene Partei gegen das Urteil Berufung einlegen, § 511 ZPO. – Entscheidet das Landgericht trotz mündlicher Verhandlung (fehlerhaft) durch Beschluss, findet nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz sowohl die sofortige Be-

144 145 146 147

MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 922 Rn 2; BeckOK/ZPO/Mayer, 45. Edition 2022, § 937 Rn 5. OLG Frankfurt, Urt. v. 10.9.1999 – 24 U 58/99, NJW-RR 2000, 1236 – juris Rn 3. OLG Stuttgart, Urt. v. 9.6.2022, 2 U 16/22, S. 6 f. des Urteilsumdrucks. OLG Stuttgart, Urteil v. 9.6.2022, 2 U 16/22, S. 7 des Urteilsumdrucks.

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Kapitel 4. Rechtsschutz

schwerde bzw. der Widerspruch, als auch die Berufung statt.148 Die unterlegene Partei kann in diesem Fall zwischen den Rechtsmitteln wählen.149 90 Es ist streitig, ob der Bieter, der im Verfahren nach § 47 EnWG in I. Instanz unter-

liegt, Rechtsmittel einlegen muss, um mit den geltend gemachten Rügen nicht zu präkludieren, oder ob es zur Abwendung der Präklusion ausreicht, erstinstanzlich eine Entscheidung herbeizuführen. Mangels einer rechtssicheren Klärung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof empfiehlt es sich, vorsichtshalber stets Rechtsmittel einzulegen. 91 Über die Berufung entscheidet das Oberlandesgericht durch Endurteil oder durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht – wenn es ebenfalls keine mündliche Verhandlung anordnet – durch Beschluss. Ordnet das Oberlandesgericht im Beschwerdeverfahren (erstmals) eine mündliche Verhandlung an, so wechselt der Verfahrensgang so, als ob in erster Instanz durch Urteil entschieden und gegen das Urteil Berufung eingelegt worden wäre150 und das Oberlandesgericht entscheidet dann durch Endurteil. Von der theoretisch möglichen Zurückverweisung an das Landgericht machen die Oberlandesgerichte in aller Regel keinen Gebrauch, weil sie dem Eilcharakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens widersprechen würde. 92 Der Instanzenzug im einstweiligen Verfügungsverfahren endet vor den Oberlandesgerichten. Eine Revision zum Bundesgerichtshof findet nicht statt, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Dies gilt selbst dann, wenn das Oberlandesgericht irrtümlich die Revision zulässt.151 Die Rechtsbeschwerde ist ebenfalls stets unzulässig, § 574 Abs. 1, 2 ZPO.

VIII. Rechtsfolgen der Rügeverfolgung 1. Abhilfe 93 Hilft die Kommune einer Rüge ab, so informiert sie die weiteren Bieter hierüber, korrigiert den beanstandeten Verfahrensfehler und wiederholt das Konzessionsverfahren ab dem Zeitpunkt des Verfahrensfehlers.152 Sie kann den Verfahrensfehler – je nach Verfahrensstufe – beheben, indem sie die Bekanntmachung wiederholt, einen neuen, rechtmäßigen Kriterienkatalog erlässt oder die Auswahlentscheidung neu trifft.153 Im Falle eines Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot kommt auch die Beseitigung der Rechtsverletzung durch den Ausschluss des bemakelten kommunalen Bieters in Betracht. Befin-

148 149 150 151 152 153

BGH, Urteil v. 17.10.1986 – V ZR 169/85, NJW 1987, 442 (443). BGH, Urteil v. 17.10.1986 – V ZR 169/85, NJW 1987, 442 (443). MüKo/ZPO/Drescher, 6. Auflage 2020, § 922 Rn 20. Musielak/Voit/ZPO/Ball, 19. Auflage 2022, § 542 Rn 5. BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 4; BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 28. BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 28. Kermel/Geipel/Lautenbach

A. Rügeregime und Eilrechtsschutz

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det sich das Konzessionsverfahren bereits auf der zweiten oder dritten Verfahrensstufe, so ist eine Wiederholung des Konzessionsverfahrens in der Regel nicht erforderlich und würde gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, weil andere Bieter eine im Verfahren bereits erworbene günstige Position wieder verlieren würden.154

2. Nichtabhilfe Hilft die Kommune der Rüge nicht ab, muss sie den rügenden Bieter über die Nichtabhil- 94 fe in Textform informieren und ihre Entscheidung begründen, § 47 Abs. 4 EnWG. Die Textform ist gemäß § 126b BGB gewahrt, wenn eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird.155 Die Begründung muss sich mit allen Rügen auseinandersetzen und für jede einzelne Rüge darlegen, weshalb die Kommune der Auffassung ist, dass das gerügte Verhalten keinen Rechtsverstoß begründet.156 Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers bereits in einem früheren Verfahrensstadium zu einer Klärung möglichst vieler strittiger Fragen führen.157 Der Zugang der Nichtabhilfe-Entscheidung beim rügenden Bieter setzt die Oblie- 95 genheit zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG in Gang. Die Kommune kann den Zeitpunkt der Entscheidung über eine Rüge innerhalb einer Verfahrensstufe frei wählen und hierdurch den Zeitpunkt einer etwaigen gerichtlichen Geltendmachung durch den oder die Bieter steuern.158

3. Obsiegen des Bieters vor Gericht Obsiegt der Bieter letztinstanzlich vor Gericht, so erlässt das Gericht eine einstweilige 96 Verfügung, die es der Kommune untersagt, das Konzessionsverfahren fortzusetzen bzw. den Konzessionsvertrag mit dem obsiegenden Bieter zu schließen, bevor nicht die gerügte Verfahrenshandlung durch eine rechtmäßige Verfahrenshandlung ersetzt wurde. Es ist streitig, ob nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nach § 47 EnWG noch ein Hauptsacheverfahren möglich ist.159 In der Praxis spielt dies im Falle des Obsiegens des Bieters im Verfahren nach § 47 EnWG keine Rolle, weil die Kommune den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens über die gerügte Rechtsverletzung nicht wird abwarten können, bevor sie das Konzessionsverfahren fortsetzt. Die Kommune wird somit den gerügten Verfahrensfehler beseitigen müssen. In der Praxis erkennt die Kommune regelmäßig den Ausgang des einstweiligen Verfügungsverfahrens explizit als endgültig an,

154 155 156 157 158 159

BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 28. BeckOK/BGB/Wendtland, § 126b Rn 8. BeckOK/EnWG/Peiffer, § 47 Rn 28. BT-Drs. 18/8184, S. 17. Siehe oben Kapitel 4 A. II. 4. c). Hierzu ausführlich unter Kapitel 4 C.  

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Kapitel 4. Rechtsschutz

um ein Hauptsacheverfahren und hiermit verbundene weitere Kosten zu vermeiden. Soweit die Kommune nicht selbst eine entsprechende Abschlusserklärung abgibt, sollte sie von dem Bieter, der das einstweilige Verfügungsverfahren gewonnen hat, hierzu aufgefordert werden. Erfolgt dies durch die Prozessbevollmächtigten des Bieters, entstehen zusätzliche Anwaltsgebühren, die in der Regel von der Kommune zu tragen sind. Die Kommune ist daher gut beraten, von sich aus aktiv zu werden und eine entsprechende Abschlusserklärung abzugeben.

4. Obsiegen der Kommune vor Gericht 97 Obsiegt die Kommune vor Gericht, so erlässt das Gericht keine einstweilige Verfügung

und die Kommune kann das Konzessionsverfahren ungehindert fortsetzen. Es ist streitig, ob der Bieter mit den Rügen, die Gegenstand des Verfahrens nach § 47 EnWG waren, in einem nachfolgenden Hauptsachverfahren präkludiert ist.160

B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 98 Die Geltendmachung von Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung

setzt deren Erkennbarkeit voraus. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und in § 47 Abs. 3 EnWG ein Akteneinsichtsrecht etabliert. So hat die Gemeinde gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG zur Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG jedem beteiligten Unternehmen auf Antrag Einsicht in die Akten zu gewähren und auf dessen Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften zu erteilen. Der Antrag auf Akteneinsicht ist in Textform zu stellen und zwar innerhalb einer Woche ab Zugang der Information nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG. Satz 3 schränkt das Akteneinsichtsrecht lediglich insoweit ein als die Gemeinde die Einsicht in die Unterlagen zu versagen hat, soweit dies zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geboten ist.

I. Anspruchsberechtigung nach § 47 Abs. 3 EnWG 99 Anspruchsberechtigt ist nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 1 EnWG jedes beteiligte

Unternehmen. Unklar ist, ob sich die „Beteiligung“ dabei auf das Konzessionsverfahren insgesamt oder nur auf das Rügeverfahren bezieht. Im ersteren Fall dürfte neben dem unterlegenden Unternehmen auch alle anderen Bewerber, die von der Auswahlentscheidung betroffen sind, mithin auch das obsiegende Unternehmen, erfasst sein.

160 Hierzu ausführlich unter Kapitel 4 C. Kermel/Geipel/Lautenbach

B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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1. Unterlegendes Unternehmen Anspruch auf Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG hat auf jeden Fall das bzw. die unter- 100 legenden Unternehmen. Diese müssen überprüfen können, ob die Auswahlentscheidung zu ihren Lasten und zugunsten des obsiegenden Unternehmens rechtsfehlerhaft war.

2. Obsiegendes Unternehmen? Fraglich ist, ob das obsiegende Unternehmen ebenfalls eine Akteneinsicht verlangen 101 kann. Dafür spricht zunächst der Wortlaut, wonach jedes beteiligte Unternehmen Akteneinsicht beantragen kann. Allerdings ist nicht eindeutig, ob sich die Beteiligung auf das Konzessionsverfahren oder aber auf das Rügeverfahren bezieht. Auch der hinter dem Rüge- und Präklusionsregime stehende Beschleunigungsgedanke spricht dafür, auch dem obsiegenden Unternehmen einen Anspruch auf Akteneinsicht jedenfalls dann zu gewähren, wenn ein bzw. mehrere unterlegende Unternehmen die Akteneinsicht beantragen. Müsste das obsiegende Unternehmen mit einer Akteneinsicht warten, bis das bzw. die unterlegenden Unternehmen die Auswahlentscheidung erfolgreich zu ihren Gunsten angegriffen und eine anderslautende Auswahlentscheidung zu Lasten des ursprünglich obsiegenden Unternehmens herbeigeführt haben, könnte sich das Konzessionsverfahren ewig hinziehen. Würde dann in einem weiteren Schritt die Auswahlentscheidung zugunsten eines der unterlegenden Bewerber getroffen werden, muss der ursprünglich obsiegende Bieter die Möglichkeit haben, die Auswahlentscheidung in Bezug auf sämtliche Auswahlkriterien, mithin auch diejenigen, die nicht Gegenstand der gerügten ersten Auswahlentscheidung waren, anzugreifen. Gegen ein Akteneinsichtsrecht des obsiegenden Unternehmens spricht allerdings, 102 dass es durch die Auswahlentscheidung nicht negativ betroffen ist, mithin keine Rechtsverletzungen geltend machen muss, da es ja obsiegt hat. Das Akteneinsichtsrecht dient nach dem eindeutigen Wortlaut zur Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG, die der obsiegende Bewerber aber nicht erhebt. Überdies steht allein mit der beantragten Akteneinsicht des bzw. der unterlegenden Unternehmen noch nicht fest, ob tatsächlich Rügen erhoben werden und diese im Falle einer Nichtabhilfe durch die Gemeinde gerichtlich geltend gemacht werden. Werden die Rügen gerichtlich allerdings weiterverfolgt, bestünde für das ursprüng- 103 lich obsiegende Unternehmen allerdings die Möglichkeit, über das Institut der Nebenintervention nach §§ 66 ff. ZPO dem Rechtsstreit auf Seiten der Gemeinde beizutreten. Denn das obsiegende Unternehmen hat ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gemeinde. Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich ein 

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Kapitel 4. Rechtsschutz

wirkt.161 Durch die Auswahlentscheidung der Gemeinde zugunsten des obsiegenden Unternehmens hat das Unternehmen eine gefestigte Rechtsposition erlangt, welche durch die Entscheidung über die Rügen des oder der unterlegenden Bewerber beeinflusst wird. Die Nebenintervention des obsiegenden Unternehmens wird in den Fällen, in denen nach erfolgloser Rügen gegen die Auswahlentscheidung das unterlegende Unternehmen im Wege des einstweiligen Verfügung diese Rügen weiterverfolgt, allgemein als zulässig erachtet. Das gilt auch dann, wenn als Nebenintervenient nicht der eigentliche Konzessionsvertragspartner, sondern das Unternehmen auftritt, das das Netz pachtweise betreiben soll.162 Spätestens über die Nebenintervention erlangt das obsiegende Unternehmen die Stellung eines beteiligten Unternehmens i. S. des § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG. 104 Unabhängig davon hat als Nebenintervenient das obsiegende Unternehmen das Recht, die Gerichtsakte einzusehen. Diese enthält regelmäßig sämtliche von den Parteien eingereichten Unterlagen. Hierzu zählen u. a. die im Rahmen der Akteneinsicht dem rügenden Unternehmen übergebenden Unterlagen, die von einer der Hauptparteien als Mittel der Glaubhaftmachung bei Gericht eingereicht werden. Damit befindet sich in der Regel auch der Auswertungsvermerk in der Gerichtsakte, u. U. auch das Angebot des klagenden Unternehmens. Es obliegt allein dem Gericht und nicht der Entscheidung der Klageparteien, zu entscheiden, welche Dokumente zu den Prozessakten zu nehmen sind und damit Gegenstand des Einsichtsrechts des Nebenintervenienten sind. Dabei hat das Gericht grundsätzlich alle Unterlagen zu den Prozessakten zu nehmen, die eine Partei oder sonstige Personen zu dem betreffenden Verfahren einreichen. 105 Gibt allerdings eine Partei des Rechtsstreits schon bei der Einreichung von Unterlagen zu erkennen, dass diese der Gegenseite nur unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich gemacht werden sollen, werden diese jedenfalls dann nicht Bestandteil der Prozessakten, wenn das Gericht mit Rücksicht auf diesen Vorbehalt von einer Weitergabe an den Gegner absieht. Reichen dagegen die Parteien die Unterlagen ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen ein, müssen sie grundsätzlich damit rechnen, dass diese den anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig von darin enthaltenen eigenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung gestellt werden.163  





3. Anspruchsberechtigung auch bei Ausschluss während des Auswahlverfahrens (analoge Anwendung)? 106 Fraglich ist, ob im Falle des Ausschlusses eines Bieters während des Konzessionsverfahrens, etwa wegen eines behaupteten Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb, der ausgeschlossene Bieter einen Anspruch auf Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG hat.

161 Vgl. BGH, Beschl. v. 18.11.2015, VII ZB 2/15, juris Rn 11 = MDR 2016, 347; Althammer, in: Zöller, 34. Aufl. 2022, ZPO § 66, juris Rn 8 m. w. N. 162 Vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 15.3.2022, 51 O 29/22, S. 10 des Urteilsumdrucks. 163 Vgl. BGH Beschluss vom 14.1.2020, X ZR 33.  



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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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Dagegen spricht, dass das im EnWG verankerte Akteneinsichtsrecht erst nach Mitteilung, für wen sich die Gemeinde entschieden hat, eingeräumt wird. Wird vor einer solchen Entscheidung ein Bewerber ausgeschlossen, wäre dieser Sachverhalt vom Wortlaut nicht erfasst. Auf der anderen Seite kann jedenfalls in den Fällen, in denen nur zwei Bieter sich bewerben, der Ausschluss eines der Bieter die Auswahlentscheidung durch den Ausschluss vorwegnehmen, mithin die Wirkung einer Auswahlentscheidung entfalten. Dies spricht dafür, § 47 Abs. 3 EnWG auf den Fall des vorzeitigen Ausschlusses analog anzuwenden.164 Unabhängig davon folgt der Anspruch auf Akteneinsicht aus dem Gebot des fairen 107 Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auf dieser Grundlage hat etwa das OLG München einen Anspruch auf Akteneinsicht bei einem strittigen Angebotsausschluss bejaht.165 Soweit eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 3 EnWG im Falle des vorzeitigen Aus- 108 schlusses bejaht wird, besteht nach Auffassung des OLG Stuttgart dieses Recht nicht im selben Umfang wie bei einer Auswahlentscheidung, da es nur um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses gehe.166 Dieser Auffassung kann aus den vorgenannten Gründen allenfalls dann zugestimmt werden, wenn mehrere Bieter trotz Ausschlusses eines Bieters verblieben sind. Hat der Ausschluss zur Folge, dass nur ein Bieter verbleibt, kommt dies einer Auswahlentscheidung nahe. In diesem Fall sind sachliche Gründe dafür, das ausgeschlossene Unternehmen auf die Einsicht in einzelne Unterlagen zu beschränken, nicht ersichtlich.

4. Anspruchsberechtigung auch bei Nichtwahrung der Wochenfrist? Der Antrag auf Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG ist nach Satz 2 innerhalb ei- 109 ner Woche ab Zugang der Mitteilung über die Auswahlentscheidung zu stellen. Für die Wahrung der Frist ist ebenfalls § 130 BGB zu beachten.167 Streitig ist, ob es sich bei der Wochenfrist um eine Ausschlussfrist handelt oder ob 110 der Auskunftsanspruch innerhalb der verbleibenden Rügefrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG auch nach Ablauf der Wochenfrist geltend gemacht werden kann. Für erstere Auffassung spricht der Wortlaut der Vorschrift („ist in Textform inner- 111 halb einer Woche … zu stellen“) ohne allerdings ausdrücklich einen Ausschluss bei Nichteinhaltung auszusprechen. Der Gewährung einer Akteneinsicht trotz nicht eingehaltener Wochenfriststeht auch nicht der damit bezweckte Beschleunigungswillen des Gesetzgebers entgegen: Das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 EnWG ist Teil des in

164 LG Stuttgart, Urteil vom 18.2.2021, 11 O 398/20; offen gelassen vom Berufungsgericht, OLG Stuttgart, Urteil v. 5.8.2021, 2 U 71/21, S. 6 f. des Urteilsumdrucks. 165 OLG München, Beschl. v. 8.11.2010, Verg 20/10, juris. 166 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 5.8.2021, 2 U 71/21, S. 7 des Urteilsumdrucks. 167 Siehe hierzu Kapitel 4 A. II. 1.  



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Kapitel 4. Rechtsschutz

§ 47 EnWG etablierten Rügeregimes, das insbesondere dem Zweck dient, durch eine Pflicht der beteiligten Unternehmen, auch im laufenden Konzessionsverfahren aktiv auf die Vermeidung und Ausräumung von Rechtsfehlern hinzuwirken, zügig Rechtssicherheit herzustellen. Dementsprechend sieht etwa § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG die Verpflichtung des unterlegenen Bewerbers vor, innerhalb von 30 Kalendertagen – „gegebenenfalls unter Akteneinsichtnahme nach Absatz 3“ – Rügen gegen die Auswahlentscheidung zu erheben.168 Die 30-Tage-Rügefrist beginnt mit dem Zugang der Informationen nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG. Wird allerdings innerhalb der Wochenfrist nach § 47 Abs. 3 EnWG ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, beginnt die 30-Tage-Rügefrist erneut ab dem ersten Tag, an dem die Kommune die Akten zur Einsichtnahme bereitgestellt hat. Über die Beantragung einer Akteneinsicht könnte der unterlegene Bewerber das Rügeverfahren folglich verzögern, sähe das Gesetz keine Frist vor, innerhalb derer der Akteneinsichtsantrag zu stellen ist. Die Antragsfrist von einer Woche dient damit allein „der Beschleunigung des Verfahrens“.169 112 Beginnt im Falle des verspäteten Stellens des Antrags auf Akteneinsicht jedenfalls nicht die 30tägige Rügefrist neu zu laufen170, sprichts nichts dagegen, auch nach deren Ablauf die Akteneinsicht zu gewähren. Allerdings ist der Antragsteller in diesem Fall darauf angewiesen, dass die Gemeinde dem Antrag unverzüglich Folge leistet. Einen Zeitraum, innerhalb dessen dem Akteneinsichtsantrag Folge zu leisten ist, ist gesetzlich nicht vorgesehen. 1 Praxistipp Die Wochenfrist für den Antrag auf Akteneinsicht sollte unbedingt eingehalten werden. Selbst wenn es sich bei dieser Frist nicht um eine Ausschlussfrist handeln sollte und die Gemeinde Unterlagen übermittelt, dürfte es angesichts der nicht unterbrochenen Rügefrist unmöglich sein, innerhalb der Rügefrist substantiiert die Auswahlentscheidung zu rügen.

II. Umfang der einzusehenden Unterlagen 113 Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG hat die Gemeinde dem beteiligten Unternehmen zur Vor-

bereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG „Einsicht in die Akten“ zu gewähren. Die Formulierung spricht für ein sehr weites Akteneinsichtsrecht zum Zwecke der Überprüfung der gemeindlichen Auswahlentscheidung auf entscheidungserhebliche Rechtsverletzungen.171 Das Akteneinsichtsrecht ist nach dem Wortlaut bis auf die Wahrung

168 BT-Drs. 18/8184, S. 17. 169 BT-Drs. 18/8184, S. 17. 170 OLG Dresden, Urteil v. 11.5.2022, U 30/21 Kart, S. 11 des Urteilsumdrucks. 171 OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 12 f. des Urteilsumdrucks, Rn 39, juris = ER 2021, 80 (82); LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 66 ff., juris = WuW 2022, 293 (295).  



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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen172 voraussetzungslos.173 Der die Akteneinsicht Begehrende ist insbesondere nicht verpflichtet, bereits im Antrag auf Akteneinsicht mögliche Rechtsverletzungen aufzuzeigen und zu rügen. Denn die Akteneinsicht dient ja gerade dem Auffinden etwaiger Rechtsverletzungen („Zur Vorbereitung einer Rüge“). Die Informationen für eine etwaige Rüge sollen mittels Akteneinsichtsgewährung überhaupt erst gewonnen werden.174 Streitig ist dagegen, welche Unterlagen im Rahmen der Akteneinsicht herauszuge- 114 ben sind. Nach Auffassung des LG München umfasst der Begriff der Akten sämtliche bei der Vergabestelle im Zusammenhang mit dem Konzessionsverfahren vorhandenen Unterlagen und Aktenbestandteile einschließlich entsprechender Entwürfe, Vorbereitungsarbeiten und Abstimmungspapiere.175 Dagegen spricht, dass nach dem Wortlaut von § 47 Abs. 3 EnWG das Akteneinsichts- 115 recht zur Vorbereitung von Rügen im Rahmen der Auswahlentscheidung dient. Dies wiederum spricht dafür, dass das Akteneinsichtsrecht auf Unterlagen begrenzt ist, die im Zusammenhang mit der Auswahlentscheidung stehen.176 In der Rechtsprechung wird die Frage, welche Unterlagen vom Akteneinsichts- 116 anspruch erfasst sind, unterschiedlich beurteilt. Endgültige Klarheit wird daher voraussichtlich erst eine Entscheidung durch den BGH bringen, der in der sog. Rösrath-Entscheidung diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat.177

1. Auswertungsunterlagen der Gemeinde Die Akteneinsicht soll es den beteiligten Unternehmen ermöglichen, mögliche Rechts- 117 verletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung zu erkennen. Hierzu ist es erforderlich, zu erfahren, was die Gemeinde bei dem jeweiligen Auswahlkriterium der Auswahlentscheidung zugrunde gelegt hat. Der die Einsicht begehrende Bieter muss erfahren, aufgrund welcher Erwägungen die Gemeinde zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Angebot des obsiegenden Bieters das Bessere ist. Regelmäßig finden sich diese Informationen in dem von der Gemeinde bzw. deren Beratern erstellten Auswertungsvermerk. In ihm werden in der Regel der Inhalt der Angebote, das in die Auswahlentscheidung ein-

172 Siehe hierzu unter Kapitel 4 B. III. 173 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 12.8.2021, 11 U 1/21 (Kart), S. 25 des Urteilsumdrucks, Rn 144, juris; OLG Dresden, Urt. 7.10.2020, U 1/20 Kart, Rn 27 ff., juris = NZKart 2021, 310 (311); OLG Dresden, Urt. 18.9.2019, U 1/19 Kart, Rn 27, juris. 174 OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 12 f. des Urteilsumdrucks, Rn 41 juris = ER 2021, 80 (82); BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 33. 175 Vgl. LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 68, juris; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 35. 176 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.8.2022, VI-2 U (Kart) 4/21, S. 11 des Urteilsumdrucks; OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart., S. 23 f. des Urteilsumdrucks. 177 Vgl. BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20, juris Rn 11 = RdE 2022, 19.  







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Kapitel 4. Rechtsschutz

geflossen ist, zusammenfassend dargestellt. In der Rechtsprechung besteht im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass im Rahmen der Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG der vollständige Auswertungsvermerk und zwar grundsätzlich ungeschwärzt zu übermitteln ist.178 Dabei muss der Auswertungsvermerk neben der Zusammenfassung der in die Bewertung eingeflossenen, aus den Bewerbungsunterlagen hervorgehenden Daten auch hinreichende Informationen zur Nachvollziehbarkeit der die Angebote inhaltlich wertenden Bewertung enthalten. Die Richtigkeit der inhaltlichen Bewertung und die Zusammenfassung der in die Bewertung eingeflossenen, aus den Bewerbungsunterlagen hervorgehenden Daten muss von dem die Akteneinsicht fordernden Unternehmen kontrolliert und überprüft werden können.179 118 Für das alte Recht vor Einführung des Rügeregimes hat der BGH das Akteneinsichtsrecht in den ungeschwärzten Aktenvermerk allerdings eingeschränkt. So kann nach Auffassung des BGH eine Ausnahme vom Einsichtsrecht dann in Betracht gezogen werden, wenn der unterlegende Bieter bereits auf andere Weise alle für die wirksame Wahrung seiner Rechte erforderlichen Informationen erhalten hat oder mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Durchsetzung seiner Rechte durch die Kenntnis des vollständigen Auswertungsvermerks erleichtert wird.180 Diese Einschränkung dürfte angesichts des voraussetzungslosen Akteneinsichtsrechts nach § 47 Abs. 3 EnWG für das geltende Recht keine praktische Relevanz mehr haben.

2. Angebotsunterlagen des obsiegenden Bewerbers? 119 Uneinigkeit besteht demgegenüber darüber, ob neben dem Auswertungsvermerk auch

die Einsicht in das ungeschwärzte Angebot des obsiegenden Bieters verlangt werden kann. Verschiedene Gerichte haben das Erfordernis, dem Akteneinsicht begehrenden Bieter auch Einsicht in das ungeschwärzte Angebot des obsiegenden Bieters zu gewähren, bejaht, und zwar unabhängig von der gewährten Einsicht in den ungeschwärzten Auswertungsvermerk.181 Die Vorlage eines ungeschwärzten Auswertungsvermerks sei nicht ausreichend, da dieser lediglich eine Zusammenfassung der Angebote enthalte

178 BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20, juris Rn 11 = RdE 2022, 19 (20) für das Recht vor Einführung des Rügeregimes; OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.8.2022, VI-2 U (Kart) 4/21, S. 11 ff. des Urteilsumdrucks; OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 12 f. des Urteilsumdrucks, Rn 45, juris = RdE 2021, 279 (282); OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart, S. 23 f. des Urteilsumdrucks; LG Wiesbaden, Urteil v. 14.6.2022, 11 O 4/22, S. 10 des Urteilsumdrucks. 179 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart, S. 23 f. des Urteilsumdrucks; OLG Schleswig, Urteil v. 27.1.2020, 16 U 115/19 (Kart), S. 15 des Urteilsumdrucks; LG Wiesbaden, Urteil v. 14.6.2022, 11 O 4/22, S. 10 des Urteilsumdrucks; OLG Dresden, Urteil vom 7.10.2020, U 1/20 Kart. Rn 26 ff. juris = NZKart 2021, 310 (310). 180 Vgl. BGH, Urt. v. 7.9.2021, EnZR 29/20 – juris Rn 11 = RdE 2022, 19 (20). 181 Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 7.10.2020, U 1/20 Kart. Rn-juris 26 ff. = NZKart 2021, 310 (310); ders., Urteil vom 18.9.2019, U 1/19 Kart, Rn 27, juris; LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 78, juris.  











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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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und Fehler in Bezug auf die Richtigkeit und Vollständigkeit bei der Übermittlung nicht ausgeschlossen werden könnten.182 Das OLG Frankfurt ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat das Akten- 120 einsichtsrecht auch auf die Angebote der übrigen unterlegenden Bieter ausgedehnt.183 Ein unterlegender Bewerber müsse auch die Bewertung des siegreichen Angebots sowie durch Einsicht in alle Angebote und ihre Bewertungen die diskriminierungsfreie – einheitliche – tatsächliche Anwendung des nach der Auswahlentscheidung vollständig offenzulegenden Bewertungsmaßstabs auf Angebote prüfen können. So könnte eine Diskriminierung auch darin liegen, dass ein Umstand bzgl. eines unterlegenen Angebots vertretbar negativ bewertet und damit die Punktzahl des obsiegenden Angebots unterschritten wurde, der bei anderen, ebenfalls unterlegenden Angeboten nicht negativ berücksichtigt worden sei.184 Die ganz überwiegende Rechtsprechung bejaht nur in den Fällen eine Pflicht zur Of- 121 fenlegung des Angebots des obsiegenden Unternehmens, in denen der Auswertungsvermerk eine ausreichende Kenntnis über den Inhalt des Angebots nicht ermöglicht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Auswertungsvermerk selbst die Angebote nicht ersetzt oder im Bewertungsvermerk die bewertungsrelevanten Inhalte der Angebote nur schlagwortartig enthalten sind.185 Der BGH hat in Bezug auf das alte Recht eine Verpflichtung der Gemeinde, auch das ungeschwärzte Angebot des vermeintlich obsiegenden Bieters offenzulegen, nicht in Gänze verneint. Er verlangt für einen auch das Angebot des obsiegenden Bewerbers umfassenden Auskunftsanspruch allerdings eine substantiierte Darlegung dahingehend, wieso dies neben der Kenntnis des Auswertungsvermerks notwendig ist.186 Nach Auffassung des OLG Düsseldorf gilt dies im gleichen Maße auch unter der Geltung des § 47 Abs. 3 EnWG. Mit Blick auf die Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit und des geringstmöglichen Eingriffs, wie sie auch in § 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG zum Ausdruck kämen, komme ein Akteneinsichtsrecht in die Angebotsunterlagen des obsiegenden Unternehmens allenfalls in einem zweiten Schritt in Betracht, nämlich wenn die hinreichende Einsichtnahme in den Auswertungsvermerk der Kommune ergeben haben sollte, dass diese dem Einsicht nehmenden Unternehmen zur Rechtewahrung nicht ausreiche.187 Letzterer Auffassung ist zuzustimmen. Würde man das Akteneinsichtsrecht von 122 vornherein auf das Angebot des obsiegenden Unternehmens ausweiten, würde dies das

182 Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 18.9.2019, U 1/19 Kart, Rn 27, juris. 183 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 12.8.2021, 11 U 1/21 (Kart), S. 25 des Urteilsumdrucks, Rn 144 juris. 184 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 12.8.2021, 11 U 1/21 (Kart), S. 25 des Urteilsumdrucks, Rn 144, juris. 185 Vgl. BGH, Urt. v. 7.9.2021, EnZR 29/20, Rn 11, juris = RdE 2022, 19 (20) für das bis 3.2.2017 geltende Recht; OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart, S. 24 des Urteilsumdrucks; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.11. 2020, I-27 U 3/20, S. 12 f. des Urteilsumdrucks, Rn 44, juris = RdE 2021, 279 (281); LG Wiesbaden, Urteil v. 14.6.202211 O 4/22, S. 11 f. des Urteilsumdrucks. 186 Vgl. BGH, Urteil vom 7.9.2021, EnZR 29/20, Rn 33, juris = RdE 2022, 19 (22). 187 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.8.2022, VI-2 U (Kart) 4/21, S. 16 des Urteilsumdrucks.  



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Kapitel 4. Rechtsschutz

Aus des mit dem Konzessionsverfahren bezweckten Wettbewerbs um die Netze bedeuten. Aufgrund der Vorgabe, bei der Vergabe von qualifizierten Wegerechten den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet zu sein, ist die Möglichkeit des jeweiligen Bewerbers, sich positiv von den anderen Bewerbern abzugrenzen, begrenzt. Dieser enge Spielraum würde indes auf Null reduziert, wenn Mitbewerber durch eine Einsicht in das Angebot des obsiegenden Bewerbers jedenfalls in weiteren Konzessionsverfahren das Gleiche anbieten könnten. Diese Gefahr lässt sich auch nicht durch etwaige Geheimhaltungsvereinbarungen aus der Welt schaffen. Ein Verstoß hiergegen wird in der Praxis in der Regel nicht erkennbar sein. 1 Praxistipp Da nach herrschender Auffassung jedenfalls bei unzureichenden Auswertungsvermerken die Vorlage des Angebots des obsiegenden Unternehmens verlangt werden kann, sollte seitens der Gemeinde auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass der Auswertungsvermerk die Anforderungen der Rechtsprechung in Bezug auf die Transparenz der Auswahlentscheidung erfüllt. Hierdurch kann das Risiko eines Rechtsstreits über die Frage, ob die Auswahlentscheidung transparent ist, reduziert werden. Um dieses Risiko weiter zu minimieren, sollte den Bewerbern bereits in den Verfahrensunterlagen nahegelegt werden, sich mit der Offenlegung ihres Angebotes einverstanden zu erklären.

3. Unterlagen betreffend die Auswahlkriterien? 123 Das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG gewährt den Anspruch auf Ein-

sicht „in die Akten“. Wie vorstehend bereits dargelegt, besteht in der Praxis Streit darüber, ob damit auch Unterlagen, die die Phasen vor der Auswahlentscheidung betreffen, von dem Akteneinsichtsrecht umfasst sind. Dies wird von verschiedenen Gerichten bejaht. So erfasst etwa nach Auffassung des LG München der Begriff der Akten sämtliche bei der Vergabestelle im Zusammenhang mit dem Konzessionsverfahren vorhandenen Unterlagen und Aktenbestandteile einschließlich entsprechender Entwürfe, Vorbereitungsarbeiten und Abstimmungspapiere.188 Hierzu zählen etwa die Korrespondenz der Vergabestelle mit den Bewerbern, von den Bewerbern eingereichte Unterlagen, die jeweiligen Verfahrensschritte vorbereitender interner Schriftverkehr der verfahrensführenden Stelle, Schriftverkehr der verfahrensführenden Stelle mit den beratenden Rechtsanwälten, Schriftverkehr mit anderen Verwaltungsstellen der Gemeinde und mit Aufsichtsbehörden, Protokolle von Besprechungen und Bewerberpräsentationen, Protokolle von Nachverhandlungen mit Bewerbern, Verwaltungsanweisungen zur Wahrung des Geheimnisschutzes sowie der organisatorischen und personellen Trennung von Vergabestelle und gemeindeeigenem Bewerber, Unterlagen zur Auswertung der von den Bewerbern eingereichten Angebote, insbesondere der

188 Vgl. LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 68, juris; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 35. Kermel/Geipel/Lautenbach

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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Auswertungsvermerk und die Bepunktung der verschiedenen Angebote und die Angebote selbst.189 Begründet wird diese Auffassung mit dem Sinn und Zweck des Akteneinsichts- 124 rechts. Es diene der Überprüfung des gesamten Verfahrens und erstrecke sich damit auch auf verfahrensübergreifende Fehler, die zeitlich vor der Auswahlentscheidung liegen. Dementsprechend erstrecke sich das Akteneinsichtsrecht auf sämtliche Aktenbestandteile, einschließlich derer betreffend die Auswahlkriterien.190 Das im EnWG ausdrücklich verankerte, umfassende Akteneinsichtsrecht, diene zum Ausgleich des neu eingeführten zeitlich gestrafften Rüge- und Präklusionsregimes. Diese verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des dem unterlegenden Bewerber zustehenden Rechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Ausgleichsfunktion würde konterkariert, wenn man dies auf den vom BGH für das alte Recht betroffenen Umfang begrenzen wollte.191 Nach Auffassung anderer Gerichte ist das Akteneinsichtsrecht, das sich ausschließ- 125 lich auf die Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG bezieht, allein auf die dritte Phase des Konzessionierungsverfahrens begrenzt. Daher bestehe das Akteneinsichtsrecht nur in Bezug auf Aktenbestandteile des Vergabevorgangs, die für die Auswahlentscheidung relevant sind.192 Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe für die Annahme eines umfassenden Ak- 126 teneinsichtsrechts. Die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf Informationen betreffend die Auswahlentscheidung erscheint schon aufgrund des Wortlauts („die Akten“) kritisch. Für ein umfassendes Akteinsichtsrecht sprechen überdies Sinn und Zweck der Regelung. Die Akteneinsicht dient dazu, dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit zu verschaffen, Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung erkennen zu können, um diese sodann innerhalb der gesetzlichen Fristen rügen zu können. Da der die Akteneinsicht begehrende Bieter nicht weiß, ob und wo mögliche Rechtsverletzungen von der Kommune begangen worden bzw. dokumentiert sind, muss ihm Zugang zu sämtlichen Tatsachen verschafft werden, die eine Verletzung in seinen Rechten auf Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens begründen könnten. Überdies ist die Akteneinsicht auch zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes notwendig, weil der unterlegene Bewerber in den nach § 47 Abs. 5 EnWG anzustrengenden einstweiligen Verfügungsverfahren, anders als in den dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden Nachprüfungsverfahren im Vergaberecht nach § 155 ff. GWB,  

189 Vgl. LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 68 ff., juris. 190 LG Berlin, Urt. v. 7.11.2019, 16 O 259/19 Kart, S. 28 des Urteilsumdrucks; LG München, Urteil v. 11.3. 2022, 37 O 14213/21, Rn 81; BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 3.; Kermel Versorgungswirtschaft, 2020, S. 11, 13. 191 Vgl. LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 85. 192 OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.7.2021, 16 U 140/20 Kart, S. 23; OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 11 des Urteilsumdrucks, Rn 44, juris = RdE 2021, 279 (281); Huber, in Kment, EnWG, 2. Aufl., § 47 Rn 20.  

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Kapitel 4. Rechtsschutz

die Darlegungs- und Beweislast trägt.193 Um die sekundäre Darlegungslast der Gemeinde auszulösen, bedarf es grundsätzlich zumindest Ansatzpunkte für Rechtsverletzungen.

III. Begrenzung bzw. Ausschluss der Akteneinsicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 127 Auch wenn das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG voraussetzungslos

und umfassend ist, hat die Gemeinde die Einsicht in Unterlagen nach Satz 2 zu versagen, soweit dies zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Dabei stellt die Zurückhaltung von Informationen wegen behaupteter Geheimhaltungsinteressen lediglich die Ausnahme dar („soweit“). Denn die Inhalte der geschwärzten Textstellen kann der unterlegende Bewerber nicht heranziehen, um Rechtsverletzungen zu erkennen und eine entsprechende Rüge vorzubereiten.194

1. Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 128 Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tat-

sachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.195 Dabei zählen zu den Geschäftsgeheimnissen nicht nur konkrete Unternehmenszahlen und Informationen zu Absatz- und Bezugsquellen, sondern etwa auch Marktstrategien.196 129 Angebote von Bewerbern um die Konzession enthalten regelmäßig solche Betriebsund Geschäftsgeheimnisse, vielfach stellt das jeweilige Angebot an sich schon ein solches dar.197 Aber auch der von der Gemeinde bzw. deren Beratern erstellte Vermerk über die Auswertung der Angebote enthält Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, da er den Inhalt der Angebote wiedergibt oder zumindest zusammenfasst.

193 Vgl. Wegner, in: Säcker, Berliner Kommentar, Band 1, 4. Auflage 2019, § 47 EnWG Rn 32. 194 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart, S. 26 des Urteilsumdrucks; OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 29, juris; LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 86. 195 Vgl. BVerG, Beschluss v. 14.3.2006, 1 BvR 2087/03, Rn 87, juris = BVerfGE 115, 205 (230); BGH, Beschluss v. 31.1.2017, X ZB 10/16, Rn 39, juris = ZfBR 2017, 492 (495) – Rettungsdienst; OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11. 2017, 11 U 51/17 (Kart), Rn 105, juris = RdE 2019, 135 (141). 196 Vgl. BVerG, Beschluss v. 14.3.2006, 1 BvR 2087/03, Rn 87, juris = BVerfGE 115, 205 (230). 197 Vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 3.11.2017, 11 U 51/17 (Kart), Rn 106, juris = RdE 2019, 135 (141). Kermel/Geipel/Lautenbach

B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

461

2. Gemeinde als Verpflichtete der Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Verpflichtet zur Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist 130 nach dem eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG die Gemeinde.198

a) Keine Bindung der Gemeinde an die Vorgaben des Bewerbers, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind Die Gemeinde ist dabei, anders als im Kartellvergaberecht, nicht an die Einschätzung 131 der Bewerber, welche ihrer Angebotsinhalte als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse anzusehen sind, gebunden. Sie hat vielmehr die Angaben des Unternehmens zur Geheimhaltungsbedürftigkeit eigenständig zu prüfen und zu entscheiden, ob es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt.199

b) Folgen für die Gemeinde, wenn sie vermeintliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenlegt Obliegt es der Gemeinde festzustellen, ob es sich bei den Angaben der Bieter um Betriebs- 132 und Geschäftsgeheimnisse handelt, besteht naturgemäß die Gefahr von versehentlichen Fehleinschätzungen mit der Folge, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Bieters im Rahmen der beantragten Akteneinsicht offengelegt werden. Praktische Relevanz und mögliche negative Folgen für die Gemeinde kann dies allerdings nur und erst dann haben, wenn im Rahmen des ebenfalls von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägungsprozesses zwischen Geheimhaltungs- und Offenlegungsinteresse200 die Gemeinde nicht verpflichtet wäre, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Folglich entfaltet erst die in dem zweiten Schritt durch die Gemeinde getroffene fehlerhafte Abwägungsentscheidung zugunsten des Offenlegungsinteresses und gegen den Schutz des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses mögliche negativen Folgen für die Gemeinde und die mit der Offenlegung betrauten Personen. Die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann eine Straftat des 133 Bürgermeisters nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellen. Danach wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Amtsträger Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart, die im anvertraut waren oder sonst bekannt geworden sind. Gleichzeitig kann die für die Gemeinde tätige Person hierdurch eine zivilrechtliche Haftung nach § 10 GeschGehG sowie eine strafrechtliche Verantwortung nach § 23

198 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 13 f. des Urteilsumdrucks, Rn 47, juris = RdE 2021, 279 (282); OLG Dresden, Urteil v. 7.10.2020, U 1/20, Rn 31, juris = NZKart 2021, 310 (311). 199 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 13 f. des Urteilsumdrucks, Rn 47 ff., juris = RdE 2021, 279 (282); OLG Dresden, Urteil v. 7.10.2020, U 1/20, Rn 31, juris = NZKart 2021, 310 (311). 200 Siehe nachfolgend unter 3.  



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Kapitel 4. Rechtsschutz

GeschGehG bei Verstößen gegen die Pflicht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses treffen. 134 Da ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse von den Gerichten allenfalls in Ausnahmefällen anerkannt wird,201 dürfte eine solche strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Gemeinde indes eher theoretischer Natur sein. Überdies kann der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch gegenüber den unterlegenen Bietern dadurch weitestgehend gewährleistet werden, dass die Gemeinde die Akteneinsicht unter Hinweis auf das zwingend zu wahrende Betriebs- und Geschäftsgeheimnis übergibt bzw. eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung fordert. Nutzt ein unterlegener Bieter die aus der Akteneinsicht erlangten Erkenntnisse über das konkrete Konzessionsverfahren hinaus, kann hierin ebenfalls ein strafbares Verhalten liegen, etwa gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 7 StGB. Überdies gelten auch hier die Vorschriften des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (insbesondere § 10 und § 23 GeschGehG) für unterlegene Bieter und deren Angestellte bei Verstößen gegen die Pflicht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses.

c) Folgen für das Unternehmen, das sich zu Unrecht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stützt? 135 Die sich bewerbenden Unternehmen haben mit Blick auf das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 EnWG im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens in der Regel ihr Angebot auch in einer um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschwärzten Fassung einzureichen. Diese geschwärzten Passagen haben die Unternehmen allerdings gegenüber der Gemeinde zu erläutern. Sie müssen darlegen und begründen, warum es sich bei den geschwärzten Angaben jeweils konkret um schützenswerte Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse handelt. Da allerdings die Gemeinde das Vorliegen von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen eigenständig prüfen muss und nicht auf die Aussagen des betreffenden Unternehmens vertrauen darf202, dürfte eine fehlerhafte Einschätzung durch das Unternehmen, dass es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt, grundsätzlich keine negativen Folgen haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn trotz fehlerhafter Bejahung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Folge der vorzunehmenden Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Offenlegungsinteresse diese offengelegt werden müssen.

201 OLG Celle, Urteil v. 16.6.2022 – 13 U 67/21 (Kart), juris Rn 168; OLG Dresden, Urteil v. 18.9.2019 – U 1/19 Kart, juris Rn 27; LG München, Urteil v. 11.3.2022 – 37 O 14213/21, juris Rn 86; Wegner in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl. 2019, EnWG, § 47 Rn 38, beck-online. 202 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020 – I-27 U 3/20, juris Rn 48 f. = RdE 2021, 279 (282); OLG Dresden, Urteil v. 7.10.2020 – U 1/20 Kart, juris Rn 31 = NZKart 2021, 310 (311).; LG Köln, Urteile v. 4.3.2021 – 88 O (Kart) 47/20, juris Rn 52 und 56 sowie – 88 O (Kart) 48/20, juris Rn 52 und 56; LG Wiesbaden, Urteil v. 9.12. 2020 – 12 O 2003/20, juris Rn 215.  

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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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Erfolgt eine solche Fehleinschätzung indes willentlich, d. h. bejaht das Unternehmen 136 das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, obwohl es weiß, dass es sich bei diesen Informationen bzw. Unterlagen nicht um solche handelt, und will es sich damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, könnte ein Grund vorliegen, dieses Unternehmen aus dem Konzessionsverfahren auszuschließen. Das EnWG selbst sieht zwar weder einen Ausschluss vor noch benennt es Ausschlussgründe. Das Kartellvergaberecht, dass in § 123 GWB zwingende und in § 124 GWB fakultative Ausschlussgründe vorsieht, ist weder unmittelbar noch analog auf Konzessionsverfahren anwendbar.203 Gleichwohl kann ein Bieter im Konzessionsverfahren vor und unabhängig von der Auswertung der Angebote ausgeschlossen werden, wenn aufgrund konkreter Tatsachen feststeht, dass dieser nicht geeignet ist.204 Bei dieser Beurteilung wird man auch auf den Rechtsgedanken der §§ 123 und 124 GWB zurückgreifen könen.205 Bezogen auf ein willentlich zu umfangreich geschwärztes Angebot bzw. einen Aus- 137 wertungsvermerk durch das Unternehmen kommen Ausschlussgründe entsprechend den Rechtsgedanken aus § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 8 GWB in Betracht.206 Danach kann ein Unternehmen aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn es im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt ist (Nr. 3). § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB sieht als fakultativen Ausschlussgrund vor, dass das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat. Hierbei handelt es sich indes um fakultative Ausschlussgründe, sodass bei der Ausschlussprüfung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden muss. Überdies wird ein Nachweis, dass das Unternehmen willentlich unzutreffend das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bejaht hat, kaum zu führen sein. Dementsprechend wird ein Ausschluss gestützt hierauf eher theoretischer Natur bleiben.  

203 Zur „Anwendung“ des Rechtsgedankens von Vorschriften des Kartellvergaberechts nach GWB auf das Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG siehe BGH, Urteil v. 28.1.2020, EnZR 99/18, Rn 28 ff., juris = RdE 2020, 358 (360) – Gasnetz Leipzig; LG Hannover, Urteil v. 28.11.2019, 74 O 37/19, S. 6 der Urteilsgründe, Rn 26, juris. 204 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 16.12.2021, 2 U 158/21, S. 12 des Urteilsumdrucks; LG Hannover, Urteil v. 28.11.2019, 74 O 37/19, S. 6 der Urteilsgründe, Rn 28, juris. 205 Vgl. BGH, Urteil v. 28.1.2020, EnZR 99/18, Rn 35, juris = RdE 2020, 358 (361) – Gasnetz Leipzig; LG Stuttgart, Urteil v. 8.4.2021 35 O 18/21 KfH. 206 Zur „Anwendung“ des Rechtsgedankens von Vorschriften des Kartellvergaberechts nach GWB auf das Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG siehe BGH, Urteil v. 28.1.2020, EnZR 99/18, Rn 29, – Gasnetz Leipzig.  

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464

Kapitel 4. Rechtsschutz

3. Anforderungen an die Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 138 Die Gemeinde kann sich nicht etwa pauschal auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des obsiegenden Bieters berufen. Dies würde dem verfassungsrechtlich zu leistenden berechtigten Ausgleich zwischen dem Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz im Rahmen des allgemeinen Justizgewähranspruchs und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in einem mehrpoligen Rechtsverhältnis nicht gerecht.207 Die Gemeinde muss vielmehr in jedem Einzelfall im Falle einer vom einreichenden Unternehmen vorgeschlagenen Schwärzung in einem ersten Schritt prüfen, ob tatsächlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt und dies begründen.208 Überdies bedarf es eines substantiierten Vortrags der Gemeinde dazu, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse das Unternehmen welche Nachteile befürchtet.209

4. Abwägung beider Interessen: Kein Vorrang des Geheimhaltungsinteresses vor dem Interesse an der Offenlegung 139 Bei Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen muss die Gemeinde sodann in einem weiteren Schritt entscheiden, ob es geboten ist, insoweit die Einsicht in die Unterlagen zu versagen. Hierzu hat sie eine Abwägung zwischen dem Interesse des unterlegenen Bewerbers an der Akteneinsicht auf der einen und dem Interesse des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens an der Wahrung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auf der anderen Seite vorzunehmen. Auch diese Entscheidung kann die Gemeinde nicht pauschal treffen. Sie hat vielmehr jede Schwärzung im Einzelfall zu begründen, damit beurteilt werden kann, ob dem unterlegenden Bewerber bestimmte Textteile mit Recht vorenthalten werden. Mithin ist die Notwendigkeit der Zurückhaltung bestimmter Informationen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen jeweils für die konkrete Angabe von der Gemeinde substantiiert darzulegen und dazu auszuführen, welche schützenswerten Interessen des betreffenden Bewerbers in welchem Umfang eine Beschränkung der Auskunft erfordern sollen.210 140 Zu beachten ist dabei, dass der Grundsatz des Geheimwettbewerbs von vornherein durch das Transparenzgebot begrenzt wird. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse

207 Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 29, juris; OLG Düsseldorf, Urteil 13.6.2018, VI-2 U 7/16 (Kart), Rn 127 ff., juris. 208 Vgl. BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20, Rn 12, juris = RdE 2022, 19 (20); OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.7. 2021, 6 U 104/20 Kart, S. 26 des Urteilsumdrucks; KG Berlin, Urteil v. 24.9.2020, 2 U 93/19, Rn 125, juris = EnWZ 2021, 20 (28); OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 29, juris; LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 86. 209 Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 29, juris. 210 Vgl. BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20, Rn 12, juris = RdE 2022, 19 (20); OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.7. 2021, 6 U 104/20 Kart, S. 26 des Urteilsumdrucks; KG Berlin, Urteil v. 24.9.2020, 2 U 93/19, Rnr.125, juris juris = EnWZ 2021, 20 (28); OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 29, juris; LG München, Urteil v. 11.3. 2022, 37 O 14213/21, Rn 86.  

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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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hinsichtlich im Auswertungsvermerk enthaltener Angaben werde nach Auffassung des BGH daher nur zurückhaltend anerkannt werden können und insbesondere für die Gemeinde selbst oder den erfolgreichen Bieter nur in engen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dies gelte „jedenfalls“ für die Fälle, in denen der obsiegende Bieter mittelbar oder unmittelbar ganz oder teilweise im Eigentum der als Vergabestelle handelnden Gemeinde stehe.211

IV. Folgen einer unberechtigten Verweigerung der Akteneinsicht Erhält das beteiligte Unternehmen nicht in dem gesetzlich gebotenen Umfang Einsicht 141 in die Akten der Gemeinde, stellt dies einen Verstoß gegen § 47 Abs. 3 EnWG dar. Gleichzeitig resultieren hieraus verschiedene Rechtsfolgen.

1. Intransparenz der Auswahlentscheidung Die Akteneinsicht dient der Vorbereitung von Rügen betreffend Rechtsverletzungen im 142 Rahmen der Auswahlentscheidung. Wird dem die Akteneinsicht begehrenden Unternehmen nur unzureichend Einsicht in die Akten gewährt, kann er etwaige Rechtsverletzungen, die in den verweigerten Auskünften enthalten sind, nicht erkennen und damit nicht rügen. Dementsprechend macht die unzureichende Akteneinsicht die Auswahlentscheidung je nach Umfang der verweigerten Informationen teilweise oder gänzlich intransparent. Der die Akteneinsicht begehrende Bieter wird insoweit kartellrechtswidriger Weise unbillig behindert.212

2. Beginn der Rügefrist bei unvollständiger Akteneinsicht? Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG beginnt, wenn eine Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 143 EnWG erfolgt, die Rügefrist von 30 Tagen für den Antragsteller erneut ab dem ersten Tag, an dem die Gemeinde die Akten zur Einsichtnahme bereitstellt. Stellt die Gemeinde indes nicht alle Unterlagen zur Verfügung, d. h. erfolgt die Akteneinsicht unvollständig, hätte dies nach dem Wortlaut zur Folge, dass die Frist für die Rüge von Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung von 30 Tagen gemäß § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG für sämtliche Rügen nicht zu laufen beginnt. Denn die Voraussetzung des § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG, die Akten zur Einsichtnahme bereitzustellen, ist nicht, jedenfalls nicht vollständig erfüllt.  

211 BGH, Urteil v. 7.9.2021, EnZR 29/20, Rn 13, juris = RdE 2022, 19 (20). 212 Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.7.2021, 6 U 104/20 Kart, S. 20 des Urteilsumdrucks; OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 11 des Urteilsumdrucks, Rn 41 ff., juris = ER 2021, 80 (82); LG Wiesbaden, Urteil v. 14.6.2022, 11 O 4/22, S. 8 f. des Urteilsumdrucks; LG München, Urteil v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 44 ff.  





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Kapitel 4. Rechtsschutz

Das OLG Koblenz vertritt demgegenüber die Auffassung, dass bei einer nachträglich erweiterten Akteneinsicht dem jeweiligen Antragsteller nicht allgemein für sämtliche, auch bereits präkludierte Rügen, eine erneute Frist von 30 Kalendertagen eröffnet wird. Vielmehr werde für eine bereits präkludierte Rüge eine erneute Frist jedenfalls dann nicht in Lauf gesetzt, wenn sich aus einer nachfolgenden Übersendung von Unterlagen durch die Gemeinde keine weitergehenden Erkenntnisse ergeben.213 Hieraus kann geschlossen werden, dass für Rechtsverletzungen, die aus den bereits ursprünglich übermittelten Aktenteilen erkennbar sind, mit der Bereitstellung der unvollständigen Akten die 30-Tagesfrist zu laufen begonnen hat. Dies bedeutet indes auch, dass auch für die Geltendmachung der Intransparenz der Auswahlentscheidung infolge unzureichender Akteneinsicht die Rügefrist mit der Bereitstellung der unvollständigen Unterlagen zu laufen beginnt.

V. Prozessuale Anforderungen an die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Akteneinsichtsrecht 145 Kommt die Gemeinde dem Akteneinsichtsantrag des beantragenden Unternehmens nur

unvollständig nach, sind aus den übermittelten unvollständigen Unterlagen gleichwohl inhaltliche Rechtsverletzungen erkennbar, besteht die Möglichkeit, dass sowohl die inhaltlichen Rügen als auch in Bezug auf die unvollständige Akteneinsicht, die Intransparenz der Auswahlentscheidung gerügt werden. Hilft die Gemeinde diesen Rügen nicht oder nur teilweise ab, besteht die Möglichkeit, die gerügten Rechtsverletzungen, denen die Gemeinde nicht abhilft, innerhalb von 15 Kalendertagen vor den ordentlichen Gerichten im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend zu machen (vgl. § 47 Abs. 5 EnWG). Strittig ist demgegenüber, ob auch eine isolierte Rüge der unzureichenden Akteneinsicht im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens zulässig ist.

1. Beschränkung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 47 Abs. 5 EnWG auf die Rüge einer unzureichenden Akteneinsicht? 146 Nach Auffassung verschiedener Gerichte ist ein isoliertes Vorgehen gegen eine unzureichende Gewährung der Akteneinsicht von § 47 Abs. 5 EnWG nicht erfasst. Ein Antrag auf Unterlassung des Abschlusses eines Konzessionsvertrages aufgrund einer isolierten Rüge gegen die unzureichende Akteneinsicht ist danach nicht zulässig.214 § 47 Abs. 5 EnWG beziehe sich nur auf Rechtsverletzungen im Sinne von § 47 Abs. 1 EnWG, d. h. auf Rechts 

213 Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 28.10.2021, U 218/21, Kart, S. 14 des Urteilsumdrucks. 214 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 5.8.2021, 2 U 71/21, S. 8 des Urteilsumdrucks; OLG Koblenz, Urteil v. 12.9. 2019, U 678/19, Rn 24 ff., juris.  

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B. Akteneinsicht/Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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verletzungen, die sich aus dem Verfahren nach § 46 Abs. 1 bis 4 EnWG ergeben. Das Akteneinsichtsrecht beruhe indes auf § 47 Abs. 3 EnWG und diene lediglich zur Vorbereitung einer Rüge im Sinne von §§ 47 Abs. 1, 46 Abs. 1 bis 4 EnWG. Auch nach Sinn und Zweck des § 47 Abs. 5 EnWG sei die Einleitung einstweiligen Rechtsschutzes isoliert bezogen auf die Akteneinsicht weder geboten noch zweckmäßig. Ob und in welchem Umfang die Akteneinsicht erforderlich ist, könne stets nur bezogen auf die inhaltliche Rüge betreffend die Vergabeentscheidung geltend gemacht werden.215 Andere Gerichte bejahen demgegenüber die Zulässigkeit eines isolierten Vorgehens 147 gegen die unzureichende Akteneinsicht im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 47 Abs. 5 EnWG. Beteiligte Unternehmen sind danach berechtigt, die unzureichende Akteneinsicht im Rahmen eines Rügeverfahrens nach § 47 Abs. 5 EnWG geltend zu machen.216 Die Frage der ordnungsgemäßen Akteneinsicht sei dabei unabhängig von den im einzelnen vorgetragenen Rügen zu beantworten. Dies folge aus gesetzessystematischen Gründen als auch mit Blick auf den Wortlaut und die mit dem Rüge- und Präklusionsregime der §§ 46, 47 EnWG bezweckten Verfahrensbeschleunigung. Auch wenn die besseren Argumente dafür sprechen, die Rüge der unzureichenden 148 Akteneinsicht als von § 47 Abs. 5 EnWG erfasst anzusehen, dürfte diese strittige Rechtsfrage nur in Ausnahmefällen relevant sein, so wenn die Gemeinde oder deren Berater über die Rüge der unzureichenden Akteneinsicht entscheiden, nicht aber gleichzeitig über inhaltliche Rügen. Soweit die Akteneinsicht als unvollständig gerügt wird, kann regelmäßig auch von einer Intransparenz der Auswahlentscheidung ausgegangen werden. Wird die Intransparenz gerügt, ist diese Rüge nach allgemeiner Auffassung von § 47 Abs. 5 EnWG erfasst und kann im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

2. Zulässigkeit einer isolierten Geltendmachung bei Vorliegen eines Verfügungsgrunds? Soweit man der Auffassung ist, eine isolierte Geltendmachung der unzureichenden Ak- 149 teneinsicht ist nicht von § 47 Abs. 5 EnWG gedeckt, besteht im Einzelfall gleichwohl die Möglichkeit, dies im Wege der einstweiligen Verfügung geltend zu machen und zwar gemäß §§ 932 ff. ZPO. Allerdings muss in diesem Fall neben dem Verfügungsanspruch auch ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden. Im Falle einer gerügten unvollständigen Akteneinsicht kann ein solcher Verfügungsgrund nach §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO in Form der Rechtsgefährdung gemäß §§ 935, 940 ZPO bestehen, nämlich aus der Gefahr eines Vertragsschlusses zwischen der Gemeinde und dem vermeintlich obsiegenden Un 

215 Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 12.9.2019, U 678/19, Rn 26, juris. 216 Vgl. KG, Urteil v. 24.9.2020, 2 U 93/19, Rn 94, juris = EnWZ 2021, 20; OLG Dresden, Urteil v. 18.9.2019, U 1/19 Kart, Rn 27, juris; LG München, Urt. v. 11.3.2022, 37 O 14213/21, Rn 44 ff., juris.  

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Kapitel 4. Rechtsschutz

ternehmen. Dies gilt insbesondere, wenn die Gemeinde der Auffassung ist, ausreichend Akteneinsicht gewährt zu haben und zu einem Vertragsschluss berechtigt zu sein.217

C. Hauptsacheverfahren I. Zulässigkeit eines Hauptsacheverfahrens nach Durchlaufen des Rügeregimes 150 Es wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert, ob ein Bieter, der eine

Verfahrenshandlung gegenüber der Kommune nach § 47 Abs. 2 EnWG gerügt und die Rüge anschließend im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG geltend gemacht hat, den gerügten Verfahrensfehler sodann noch in einem Hauptsacheverfahren geltend machen kann oder nicht.218 Es ist demnach streitig, ob die gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG hinsichtlich des streitgegenständlichen Verfahrensfehlers abschließend ist und ein Hauptsacheverfahren ausschließt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seinem Urteil vom 12.10.2021 mangels Entscheidungserheblichkeit im dortigen Verfahren ausdrücklich offengelassen,219 obgleich eine höchstrichterliche Klarstellung zu begrüßen gewesen wäre.

1. Keine abschließende Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren 151 Nach hier vertretener Ansicht, die auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte zu-

nehmend Zuspruch findet, wird im Rügeverfahren nach § 47 Abs. 2 EnWG und § 47 Abs. 5 EnWG nicht abschließend über die gerügte Verfahrenshandlung entschieden, sodass der Bieter sich auch in einem Hauptsachverfahren auf den gerügten Verfahrensfehler berufen kann.220 152 Nach anderer Ansicht, die in Rechtsprechung und Literatur ebenfalls erhebliche Unterstützung findet, bewirkt § 47 Abs. 1 und 5 EnWG eine materielle Präklusion des ge-

217 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.11.2020, I-27 U 3/20, S. 16 des Urteilsumdrucks, Rn 108, juris = ER 2021, 80 (84); OLG Dresden, Urteil v. 7.10.2020, U 1/20 Kart = NZKart 2021, 310. 218 Offengelassen mit Nachweisen für beide Ansichten OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.8.2019 – 6 U 109/18 Kart, EWerk 2020, 34 – juris Rn 99. 219 BGH, Urt. v. 12.10.2021 – EnZR 43/20. 220 OLG Dresden, Urt. v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, juris Rn 25; OLG Schleswig, Urt. v. 18.5.2020, 16 U 66/19 Kart; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.2.2018 – 11 W 2/18 Kart, BeckRS 2018, 13252 mit Entscheidungsbesprechung von Bönnighausen in IR 2018, 184; Kleybolte in Körber (Hrsg), Kartell- und Regulierungsrecht, Bd. 33, 2020, S. 46; Kermel/Lautenbach in Versorgungswirtschaft 2018, 144; BerlKommEnR/EnWG/ Wegner, § 47 Rn 47; BeckOK/EnWG/Assmann/Pfeiffer, § 47 Rn 44. Kermel/Geipel/Lautenbach

C. Hauptsacheverfahren

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rügten Verfahrensfehlers mit der Folge, dass der rügende Bieter in einem Hauptsacheverfahren mit dem Vorbringen zu diesem Verfahrensfehler präkludiert sei.221 Der Streitstand zur Auslegung von § 47 Abs. 5 EnWG im Hinblick auf ein mögliches 153 Hauptsacheverfahren stellt sich im Einzelnen wie folgt dar.

a) Wortlaut Nach § 47 Abs. 5 EnWG können gerügte Rechtsverletzungen nur innerhalb von 15 Tagen 154 nach Zugang der Nichtabhilfeentscheidung „vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden“ und hierfür „gelten die Vorschriften der ZPO über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung“, wobei ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft zu machen ist. Der Wortlaut der Norm sagt somit nichts zu einem möglichen (parallel oder nach- 155 folgend betriebenen) Hauptsacheverfahren aus. Dies spricht dafür, dass es bei der allgemeinen zivilprozessualen Regel verbleibt, nach der das einstweilige Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren nebeneinander stehen und das einstweilige Verfügungsverfahren das Hauptsacheverfahren nicht ersetzt. Denn eine so wesentliche Abweichung von der Systematik von Eilrechtsschutz und Hauptsacheverfahren müsste sich mit der notwendigen Klarheit aus dem Gesetzestext ergeben, was nicht der Fall ist.222 Selbst wenn man einen Ausschluss des Hauptsacheverfahrens zukünftig für wünschenswert hielte, ließe sich dies nicht in den Wortlaut des gegenwärtig gültigen Gesetzestextes hineinlesen.223 Gegen eine Präklusion im Hauptsacheverfahren spricht auch der Wortlaut von § 47 156 Abs. 5 Satz 1 EnWG, nach dem der rügende Bieter seine Rechte zur Verhinderung einer Präklusionswirkung im einstweiligen Verfügungsverfahren „geltend machen“, nicht aber erfolgreich durchsetzen muss.224

b) Systematik Auch die Gesetzessystematik spricht nach hier vertretener Ansicht gegen eine Präklusi- 157 onswirkung des einstweiligen Verfügungsverfahrens für das Hauptsacheverfahren. § 47 Abs. 5 EnWG verweist in Satz 2 auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und nimmt in Satz 3 lediglich die Modifikation vor, dass ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft zu machen ist.

221 KG, Urt. v. 25.10.2018 – 2 U 18/18 .EnWG, EnWZ 2019, 76, juris Rn 52; Kment/EnWG/Huber, § 47 Rn 30; Theobald/Kühling/Energierecht/Theobald/Schneider, § 47 Rn 51 ff. 222 OLG Dresden, Urt. v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, juris Rn 28. 223 So etwa Kupfer, NVwZ 2017, 428, 433; OLG Dresden, Urt. v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, juris Rn 28. 224 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 47.  

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470

Kapitel 4. Rechtsschutz

Nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung stehen der Eilrechtsschutz und das Hauptsacheverfahren nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.225 Das gerichtliche Hauptsacheverfahren dient der umfassenden gerichtlichen Überprüfung und abschließenden Entscheidung eines Streitgegenstandes. Das einstweilige Verfügungsverfahren dient dagegen der Sicherung der Parteieninteressen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.226 Es soll den Rechtsstreit gerade nicht endgültig beilegen (sog. „Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache“), sondern die Entscheidungsfähigkeit im Hauptsacheverfahren offenhalten.227 Das Zusammenspiel von einstweiligem Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren verwirklicht die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, nach der jeder Rechtsträger einen Anspruch auf vollständige Überprüfung staatlicher Entscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht hat.228 159 Hiermit korrespondieren die auf das Eilverfahren ausgelegten beschränkten Beweismittel, insbesondere die Beschränkung auf präsente Beweismittel, und das Beweismaß der Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO statt des Vollbeweises.229 Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren erfordert somit ein geringeres Maß an richterlicher Überzeugung230 und ist auch von einer Interessenabwägung hinsichtlich der möglichen Folgen des (Nicht-)Erlasses einer einstweiligen Verfügung gekennzeichnet. All dies spricht gegen die abschließende Entscheidung einer Rechtsfrage im einstweiligen Verfügungsverfahren unter Ausschluss des Hauptsacheverfahrens231 und somit eine Präklusionswirkung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 47 Abs. 5 EnWG. 160 Auch Gerichte, welche die Präklusion im Hauptsacheverfahren befürworten, erkennen, dass die abschließende Entscheidung eines Rechtsstreits im einstweiligen Verfügungsverfahren den Justizgewähranspruch des rügenden Bieters verkürzen könnte.232 Deshalb vertritt etwa das Kammergericht die Ansicht, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG eine bloß summarische Prüfung des Gerichts ausnahmsweise nicht zulässig sei.233 Vielmehr sei eine umfassende und detaillierte Kontrolle jedes einzelnen wirksam gerügten Rechtsverstoßes zwingend erforderlich.234 Nur so könne trotz der materiellen Präklusionswirkung, die ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren ausschließe, effektiver Rechtsschutz gewährt werden.235 In der Sache fordert das Kammergericht somit faktisch die Durchführung eines – beschleunigten – Hauptsache158

225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235

BeckOK/ZPO/Mayer, § 916 Rn 13. MüKo/ZPO/Drescher, vor § 916 Rn 5. MüKo/ZPO/Drescher, vor § 916 Rn 5. Vgl. BeckOK/GG/Enders, Art. 19 Rn 74, 78; MüKo/ZPO/Drescher, vor § 916 Rn 3 ff. MüKo/ZPO/Drescher, § 920 Rn 14, 19. MüKo/ZPO/Drescher, § 920 Rn 14. LG Stuttgart, Urt. v. 5.4.2016 – 41 O 43/14 KfH, BeckRS 2016, 113551, Rn 25. KG, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 .EnWG, EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 3, juris Rn 52. KG, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 .EnWG, EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 3, juris Rn 52. KG, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 .EnWG, EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 3, juris Rn 52. KG, Urt. v. 25.10.2018, 2 U 18/18 .EnWG, EnWZ 2019, 76 – Leitsatz 3, juris Rn 52.  

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C. Hauptsacheverfahren

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verfahrens im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 47 Abs. 5 EnWG. In der Folge wäre der Bieter jedoch weiterhin auf die präsenten Beweismittel beschränkt und hätte keine Möglichkeit der Revision durch den Bundesgerichtshof. Für eine so weitgehende Abweichung von der gesetzlichen Konzeption von Eilrechtsschutz und Hauptsacheverfahren ergibt sich aus dem bloßen Verweis von § 47 Abs. 5 Satz 2 EnWG auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung jedoch nichts.

c) Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung Der Telos von § 47 Abs. 5 EnWG wird als Argument für eine Präklusionswirkung im 161 Hauptsacheverfahren herangezogen.236 Demnach würden der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich die unmittelbare Überprüfung und Beseitigung von Rechtsfehlern, leerlaufen, wenn ein späteres Hauptsacheverfahren noch möglich bliebe.237 Die angestrebte Verfahrensstraffung und Rechtssicherheit könnten nur erreicht werden, wenn ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren ausgeschlossen sei.238 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass § 47 Abs. 5 EnWG die vom Bundesgerichts- 162 hof in den Entscheidungen „Stromnetz Berkenthin“239 und „Stromnetz Heiligenhafen“240 entwickelten Voraussetzungen der Präklusion kodifizieren soll. Dort hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Fehlerhaftigkeit eines Konzessionsvertrages im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen sei, „wenn alle diskriminierten Bieter um die Konzession ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen“.241 Wenn die Bieter von der Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu ersuchen, keinen Gebrauch machten, müsse die materielle Rechtmäßigkeit hinter das Interesse der Gemeinde an Rechtssicherheit zurücktreten.242 Der Bundesgerichtshof ging somit davon aus, dass das Durchlaufen des einstweiligen Verfügungsverfahrens für die Verhinderung der Präklusionswirkung erforderlich, aber auch ausreichend sei. Auch wenn das Präklusionsregime erst später ins EnWG eingeführt worden ist, so finden sich im Rahmen von § 47 Abs. 5 EnWG keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Regelung über die vom Bundesgerichtshof angenommene Präklusionswirkung hinausgehen und den Rechtsschutz des rügenden Bieters auf das einstweilige Verfügungsverfahren beschränken will.243 Eine klare gesetzliche Verankerung wäre aufgrund der erheblichen Verkürzung der Rechte des rügenden Bieters jedoch gerade im Hinblick auf das Gebot

236 237 238 239 240 241 242 243

Theobald/Kühling/Energierecht/Theobald/Schneider, § 47 Rn 53; Czernek, EnWZ 2018, 99. Theobald/Kühling/Energierecht/Theobald/Schneider, § 47 Rn 53; Czernek, EnWZ 2018, 99. Bönnighausen in IR 2018, 184, 185; Czernek, EnWZ 2018, 99. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 847. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 847. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 847, juris Rn 108. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 847. BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 47.

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Kapitel 4. Rechtsschutz

effektiven Rechtsschutzes und der Rechtsmittelklarheit aus Art. 19 Abs. 4 GG jedoch zwingend erforderlich.244 163 Es erscheint vielmehr naheliegend, dass § 47 Abs. 5 EnWG es der Kommune ermöglichen soll, etwaige Fehler im Konzessionsverfahren frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Darüber hinaus erhält die Kommune eine Einschätzung der Gerichte, ob – nach summarischer Prüfung – nicht abgeholfene Rügen durchgreifen oder nicht. Diesen Zweck erreicht § 47 Abs. 5 EnWG auch ohne eine – im Gesetzestext nicht hinreichend klar verankerte – Beschränkung des Rechtsschutzes des rügenden Bieters auf das einstweilige Verfügungsverfahren.245

d) Historie 164 Nach der Gesetzesbegründung soll § 47 Abs. 5 EnWG vermeiden, dass Bieter Rechtsver-

letzungen im Rahmen des Konzessionsverfahrens „noch Jahre nach der Entscheidung erstmals geltend“ machen.246 Dieses Ziel des Gesetzgebers wird auch dann erreicht, wenn es dem Bieter durch das Rüge- und Präklusionsregime auferlegt, etwaige Rechtsfehler im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen, ohne dass es einer materiellen Präklusionswirkung für das Hauptsacheverfahren bedarf. Denn durch die gerichtliche Geltendmachung nach § 47 Abs. 5 EnWG ist ausgeschlossen, dass Kommune und obsiegender Bieter nach dem Vertragsschluss von der Rüge eines etwaigen Verfahrensfehlers „überrascht“ werden. 165 Auch spricht der Gesetzgeber davon, dass der rügende Bieter zur Verhinderung der Präklusion gegen die Nichtabhilfe-Entscheidung der Gemeinde „gerichtlich vorgehen“ muss, nicht aber, dass er mit seinem Vorgehen im Eilrechtsschutz auch Erfolg haben muss. Allein diese Pflicht zum gerichtlichen Vorgehen stelle bereits eine erhebliche Verschärfung der Präklusionswirkung dar247: „Die Präklusion wird dagegen deutlich verschärft, wenn das beteiligte Unternehmen gegen einen Nichtabhilfe-Bescheid der Gemeinde sofort gerichtlich vorgehen muss. Geht das beteiligte Unternehmen nicht dagegen vor, ist der zuvor gerügte Rechtsfehler endgültig unbeachtlich und kann den erfolgreichen Abschluss des Verfahrens nicht mehr gefährden.“ 166 Auch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich somit keine Anhaltspunkte, dass der

Rechtsschutz des rügenden Bieters auf das einstweilige Verfügungsverfahren zu beschränken wäre.248

244 245 246 247 248

BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 47. OLG Dresden, Urt. v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, juris Rn 25. BT-Drs. 18/8184, S. 9. BT-Drs. 18/8184, S. 28. So auch OLG Dresden, Urt. v. 11.5.2022 – U 30/21 Kart, juris Rn 28. Kermel/Geipel/Lautenbach

C. Hauptsacheverfahren

473

2. Keine Obliegenheit zum Durchlaufen beider Instanzen im einstweiligen Verfügungsverfahren Aus der gesetzlichen Regelung des § 47 Abs. 5 EnWG ist nicht ersichtlich, ob es dem rügenden Bieter obliegt, zur Vermeidung der Präklusionswirkung beide im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Verfügung stehenden Instanzen zu durchlaufen oder ob es ausreicht, vor dem Landgericht Eilrechtsschutz zu beantragen, ohne nachfolgend gegen eine etwaige negative Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit erscheint es allein aus Gründen der Vorsicht geboten, im einstweiligen Verfügungsverfahren bei Unterliegen in I. Instanz stets auch die zweite Instanz zu durchlaufen. Tatsächlich spricht jedoch vieles dafür, dass eine Präklusion bereits dann verhindert wird, wenn der rügende Bieter den Verfahrensfehler erstinstanzlich im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend macht. Denn der Wortlaut von § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG spricht von der „Geltendmachung“ des betreffenden Verfahrensfehlers. Der Verfahrensfehler ist bereits durch die Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtlich geltend gemacht. Eine Obliegenheit zum Durchlaufen des Instanzenzuges lässt sich dem Wortlaut von § 47 Abs. 5 EnWG nicht entnehmen. Auch die vom Gesetzgeber angestrebte Verbesserung der Effektivität und Rechtssicherheit des Konzessionsverfahrens gebietet es nicht, dass der rügende Bieter im einstweiligen Verfügungsverfahren beide Instanzen durchlaufen muss. Geht man mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass der rügende Bieter nach Durchlaufen des einstweiligen Verfügungsverfahrens in einem anschließenden Hauptsacheverfahren nicht präkludiert ist, würde eine Pflicht zum Durchlaufen beider Instanzen die gerichtliche Überprüfung des gerügten Verfahrensfehlers lediglich in die Länge ziehen. Ferner soll § 47 Abs. 5 EnWG verhindern, dass die Kommune und der obsiegende Bieter Jahre nach dem Vertragsschluss erstmals mit einem etwaigen Verfahrensfehler konfrontiert werden.249 Auch dieser Zweck wird bereits erreicht, wenn der rügende Bieter den Verfahrensfehler innerhalb der kurzen Fristen des § 47 Abs. 2 EnWG im Wege des Eilrechtsschutzes erstinstanzlich geltend macht.250

167

168

169

170

171

II. Klageformen im Hauptsacheverfahren und deren Voraussetzungen Der rügende Bieter kann im Hauptsacheverfahren – je nach Stand des Konzessionsver- 172 fahrens – auf die Unterlassung des Vertragsschlusses oder die Feststellung der Unwirksamkeit eines bereits geschlossenen Konzessionsvertrages klagen.

249 BT-Drs. 18/8184, S. 9. 250 BerlKommEnR/EnWG/Wegner, § 47 Rn 51. Kermel/Geipel/Lautenbach

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Kapitel 4. Rechtsschutz

1. Klage auf Unterlassung des Vertragsschlusses 173 Haben die Kommune und der obsiegende Bieter den Konzessionsvertrag noch nicht ab-

geschlossen, so kann der rügende unterlegene Bieter im Hauptsacheverfahren beantragen, dass es der Kommune und dem obsiegenden Bieter untersagt wird, den Konzessionsvertrag zu schließen. Ist dem rügenden Bieter noch nicht bekannt, welcher Bieter das Konzessionsverfahren gewonnen hat oder steht dies noch nicht fest, kommt ein Antrag in Betracht, der darauf gerichtet ist, es der Kommune zu untersagen, den Konzessionsvertrag mit einem anderen als dem rügenden Bieter zu schließen. 174 Schließt die Kommune während des laufenden Hauptsacheverfahrens den Konzessionsvertrag mit einem anderen Bieter, wandelt sich das Rechtsschutzbegehren des rügenden Bieters dahingehend, dass er die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages festgestellt haben möchte.

2. Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages 175 Haben die Gemeinde und der obsiegende Bieter den Konzessionsvertrag bereits ge-

schlossen, so wird das Klagebegehren des rügenden unterlegenen Bieters regelmäßig auf die Feststellung der Nichtigkeit des geschlossenen Konzessionsvertrages gerichtet sein. 176 Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Entscheidung „Stromnetz Berkenthin“ fest, dass ein Konzessionsvertrag, der infolge eines rechtsfehlerhaften Konzessionsverfahrens zustande gekommen ist, nichtig sein kann.251 Zwar seien zweiseitige Rechtsgeschäfte, die nur einer Vertragspartei – hier der Gemeinde – verboten seien, zwar grundsätzlich gültig.252 Das Rechtsgeschäft sei aber nichtig, wenn einem solchen einseitigen Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert, weil er nicht anders als durch dessen Annullierung zu erreichen ist und die getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann.253 Ein wirksamer Konzessionsvertrag schließe den mit § 46 Abs. 2 EnWG bezweckten und durch das Verbot des § 20 Abs. 1 GWB aF abgesicherten Wettbewerb um die Wegerechte langfristig aus.254 Das könne grundsätzlich nicht hingenommen werden, wenn der Vertrag eine diskriminierende Auswahlentscheidung umsetze.255

251 252 253 254 255

BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, juris Rn 107. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, juris Rn 107. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, juris Rn 107. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, juris Rn 107. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 66/12, NVwZ 2014, 807, juris Rn 107. Kermel/Geipel/Lautenbach

C. Hauptsacheverfahren

475

III. Fristen zur Erhebung einer Klage im Hauptsacheverfahren Aus § 47 EnWG ergeben sich keine Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung von An- 177 sprüchen im Hauptsacheverfahren, wenn die betreffenden Verfahrensfehler gemäß § 47 Abs. 5 EnWG im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht wurden. Es liegt somit nahe, dass lediglich die allgemeinen Regelungen zu den zeitlichen 178 Grenzen der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Konzessionsverfahren gelten. Demnach unterliegt die Geltendmachung der Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Konzessionsvertrages lediglich der Verwirkung aus § 242 BGB.256 Dies bestätigte der Bundesgerichtshof für die Rechtslage vor In-Kraft-Treten des § 47 EnWG n. F. nochmals mit Entscheidung vom 7.9.2021.257 In dieser Entscheidung wies der Bundesgerichtshof die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Nichtigkeit „alsbald“ – nach Ansicht des Berufungsgerichts innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Konzessionsvertrages – in einem Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden müsse,258 ausdrücklich zurück.259 Das Berufungsgericht hatte die 6-Monats-Frist aus dem in § 135 Abs. 2 S. 1 GWB und Art. 2f Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2007/66/EG, die auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge zielt, zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken hergeleitet. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob 179 nach In-Kraft-Treten des § 47 EnWG n. F. etwas anderes gilt. Da auch die Neufassung des § 47 EnWG – anders als § 135 Abs. 2 EnWG – keine Frist für die gerichtliche Geltendmachung im Hauptsacheverfahren oder einen Verweis auf § 135 Abs. 2 EnWG enthält, spricht vieles dafür, dass auch weiterhin lediglich die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung gelten.  



256 257 258 259

OLG Brandenburg, Urt. v. 20.3.2018 – 6 U 4/17, VPRRS 2019, 0328 – Leitsatz 3. BGH, Urt. v. 7.9.2021 – EnZR 29/20, NVwZ-RR 2022, 26 – Leitsatz 4. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.2020, EWeRK 2021, 124, 127. BGH, Urt. v. 7.9.2021 – EnZR 29/20, NVwZ-RR 2022, 26, Rn 24.

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Kapitel 5 Sonderfälle A. Nachvertragliche Konzessionsabgaben und InterimsKonzessionsverträge I. Nachvertragliche Konzessionsabgaben, § 48 Abs. 4 EnWG 1. Grundlagen Die Frage, ob auch nach Auslaufen des Konzessionsvertrags Konzessionsabgaben zu 1 zahlen war und wenn ja, in welcher Höhe, war in der Vergangenheit in der Praxis ein sich häufig stellendes Thema. Das EnWG 1935 sah hierzu keine Regelung vor.1 Allerdings hatte der BGH im Jahr 1990 festgestellt, dass es eines Übergangszeitraumes bedarf, in dem der Altkonzessionsvertrag „abgewickelt“ werden muss – sei es durch einen erneuten Abschluss mit dem Alt-Konzessionär, sei es durch eine anderweitige „Vergabe“ der Konzession mit anschließender Überlassung des Netzes oder sei es nur durch einen länger dauernden kommunalen Entscheidungsfindungsprozess.2 Daher entwickelte er im Wege der ergänzenden Vertragsausleg+ung einen nachvertraglichen Anspruch auf Konzessionsabgaben für die Zeitspanne, die für die Abwicklung des Vertragsverhältnisses erforderlich ist. Nach Auffassung des BGH sollte die Zahlungspflicht zunächst lediglich für die Dauer von einem halben Jahr bestehen.3 Später hat der BGH die Dauer von einem Jahr ausdrücklich als ausreichenden Zeitraum erachtet.4 Diesen auf ein Jahr begrenzten nachvertraglichen Anspruch auf Zahlung von Kon- 2 zessionsabgaben hat der Gesetzgeber bei der EnWG-Novelle im Jahre 1998 aufgegriffen und mit § 14 Abs. 4 EnWG 1998 einen ausdrücklichen gesetzlichen Anspruch geschaffen.5 Bei der EnWG-Novelle im Jahre 2005 wurde dieser Anspruch nahezu wortgleich in die Form des § 48 Abs. 4 EnWG überführt.6 In der Folgezeit kam es indes vermehrt zu Streitigkeiten zwischen dem bisherigen 3 Konzessionsvertragspartner und der Gemeinde im Rahmen von Konzessionsverfahren. Unabhängig davon zogen sich Netzübernahmen durch den Neukonzessionär aufgrund von gerichtlichen Streitigkeiten über die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises teilweise über Jahre hin. Vielfach verzögerten sich daher Netzübernahmen weit über die Jahresfrist nach Ablauf des Konzessionsvertrages hinaus. Aufgrund dieser Verzögerungen sa-

1 2 3 4 5 6

Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13.12.1935, RGBl. I 1935 S. 1451 ff. BGH NJW-RR 1991, 176 f. bestätigt durch BGH NJW-RR 1994, 822 f.; BGH NJW-RR 2002, 180 f. BGH NJW-RR 1994, 822 ff. BGH NJW-RR 2002, 180 ff. BT-Drucks. 13/9211, S. 14, hier noch als Abs. 4 zu § 9 geführt. BT-Drucks. 15/3917, S. 68.  









Kermel https://doi.org/10.1515/9783110531909-021



478

Kapitel 5. Sonderfälle

hen sich die betroffenen Kommunen dem Risiko einer Kürzung bzw. Einstellung der Konzessionsabgabenzahlung ausgesetzt, da die bislang vorgesehene Jahresfrist vielfach nicht eingehalten werden konnte. Diesem Risiko wurde im Rahmen der Novellierung des EnWG in 2017 Rechnung getragen. Der neu formulierte und am 3.2.2017 in Kraft getretene § 48 Abs. 4 sieht ausdrücklich vor, dass im Grundsatz eine Verpflichtung zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe bis zur Übertragung der Verteilungsanlagen auf einen neuen Konzessionär besteht. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Gemeinde es unterlassen hat, ein Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 durchzuführen. 4 Ausweislich der amtlichen Begründung soll durch die Fortzahlungspflicht mehr Rechtssicherheit im Interesse der Gemeinde geschaffen werden. Allerdings sei die Gemeinde nur insoweit schützenswert, als sie ein Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 initiiert und zügig vorangetrieben habe, weswegen in Satz 2 eine sachgerechte Einschränkung der Fortzahlungspflicht erfolge.7 5 Anders als die Vorgängervorschrift erfasst § 48 Abs. 4 EnWG 2017 nur qualifizierte Wegenutzungsverträge. Dies folgt aus dem Hinweis auf die Vertragslaufzeitbegrenzung gemäß § 46 Abs. 2 EnWG, die nur für Konzessionsverträge gilt.

2. Pflicht zur KA-Zahlung nach Vertragsablauf 6 Der gesetzliche Anspruch der Gemeinde auf Fortzahlung der Konzessionsabgaben nach

Ablauf des Konzessionsvertrages ist nach § 48 Abs. 4 EnWG nicht auf ein Jahr beschränkt, sondern gilt grundsätzlich unbegrenzt bis zur Übertragung der Verteilungsanlagen auf den neuen Vertragspartner. Trotz Streichung der Jahresfrist stellt § 48 Abs. 4 EnWG keine Neuregelung dar. Auch nach dem bis zum 3.2.2017 geltenden Recht konnten Gemeinden über bereicherungsrechtliche Regelungen gemäß §§ 812 ff. BGB Wertersatz für die rechtsgrundloses Nutzung der öffentlichen Wege über die Jahresfrist hinaus verlangen.8  

3. Grenzen der Fortzahlungspflicht 7 Gemäß § 48 Abs. 4 S. 2 EnWG gilt die Fortzahlungspflicht für Konzessionsabgaben aller-

dings nur insoweit als die Gemeinde es nicht unterlassen hat, das Konzessionsverfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 durchzuführen. Ein solches Unterlassen liegt dabei nicht nur dann vor, wenn es die Gemeinde gänzlich unterlassen hat, ein Konzessionsverfahren durchzuführen. Mit dem Verweis auf § 46 Abs. 3 bis 5 wird auch der Zeitraum nach Abgabe der verbindlichen Angebote umfasst, mithin auch die Entscheidung über den zukünftigen Konzessionsvertragspartner und die entsprechende Mitteilung an die unterlegenen Bewerber umfasst. Folglich liegt auch dann ein Unterlassen im Sinne von § 48 Abs. 4

7 BT-Drs. 18/8184, S. 17. 8 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.11.2016, VI 2 U (Kart)) 1/15, juris. Kermel

A. Nachvertragliche Konzessionsabgaben und Interims-Konzessionsverträge

479

EnWG vor, wenn ein solches Verfahren zwar begonnen, nicht aber zu Ende geführt wird.9 Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Begründung im Gesetzesentwurf 8 der Bundesregierung. Danach ist die Gemeinde nicht schützenswert, wenn sie es unterlassen hat, ein Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 „zu initiieren und zügig voranzutreiben“.10 Überdies wäre eine Einstellung der Konzessionsabgabenzahlung denkbar, wenn die Gemeinde ohne sachlichen Grund ein begonnenes Konzessionsverfahren beendet und wiederholt. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein solches Verhalten dem im Besitz der Gemeinde befindlichen Konzessionsvertragspartner zugute kommt. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, ob bei Vorliegen eines solchen Sachver- 9 halts der bisherige Konzessionsvertragspartner gleichwohl „freiwillig“ die Konzessionsabgaben weiter zahlen darf oder ob § 48 Abs. 4 S. 2 EnWG ein gesetzliches Verbot enthält. Jedenfalls dann, wenn durch eine solche Fortzahlung der Wettbewerb um die Konzession verhindert oder eingeschränkt wird, könnte in einer solchen Fortzahlung eine wettbewerbswidrige Vereinbarung und damit ein Verstoß gegen § 1 GWB gesehen werden.

4. Höhe der KA-Zahlung nach Vertragsablauf Die Höhe des Anspruchs aus § 48 Abs. 4 EnWG richtet sich nach den in dem ausgelaufe- 10 nen Konzessionsvertrag getroffenen Regelungen zur Höhe der Konzessionsabgaben. Der gesetzliche Anspruch setzt mithin zwingend voraus, dass es einen wirksamen AltKonzessionsvertrag, der KA-Zahlungen vorsah, gab.

5. Fortgewährung weiterer Vertragsleistungen nach Vertragsablauf? Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 48 Abs. 4 EnWG ist allein die (Fort-)Zahlung der 11 Konzessionsabgaben von dem gesetzlichen Anspruch erfasst. Die Gewährung weiterer etwaiger konzessionsvertraglicher Leistungen wie Gemeinderabatt, Folgekosten oder Verwaltungskostenbeiträge ist vom Gesetz nicht vorgesehen und kann daher nach zutreffender h. M. auf § 48 Abs. 4 EnWG nicht gestützt werden.11 Mit Bezug auf die Legaldefinition der „Konzessionsabgaben“ in § 1 Abs. 2 KAV sind vielmehr bloß die „Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen“, mithin die rein geldliche Bezahlung von der Verpflichtung des Alt-Konzessionärs umfasst. Nicht eindeutig entnommen werden kann § 48 Abs. 4 EnWG allerdings, ob sie Zah- 12 lungsansprüche der Gemeinden abschließend regelt oder weitere Zahlungen aufgrund  

9 BerlK-EnR/Kermel, § 48 Rn 50. 10 BT-Drs. 18/8184, S. 17. 11 BerlK-EnR/Kermel, § 48 Rn 53; Salje, EnWG, § 48 Rn 70; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 48 Rn 28; a. A. Büdenbender, EnWG, § 14 Rn 51.  

Kermel

480

Kapitel 5. Sonderfälle

anderweitiger vertraglicher Absprachen erfolgen dürfen. Gegen den abschließenden Charakter der Regelung in § 48 Abs. 4 EnWG spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung, der sich auf die Zahlung von Konzessionsabgaben, nicht aber auf weitergehende Leistungen bezieht.

II. Interims-Konzessionsverträge 13 Da nach hiesiger Auffassung § 48 Abs. 4 EnWG in Bezug auf weitere zulässige Leistungen

in Konzessionsverträgen keine abschließende Regelung trifft, dürften für die Übergangszeiträume vertragliche Regelungen in Form von sog. Interimsvereinbarungen getroffen werden können. Der BGH sprach in diesem Zusammenhang von Interims-Konzessionsverträgen.12

1. Ausgestaltung der Interimsvereinbarung 14 Interimsvereinbarungen müssen ausdrücklich vereinbart werden. Sie können demgegenüber nicht durch konkludentes Verhalten im Sinne einer Verlängerung des ausgelaufenen Konzessionsvertrags geschlossen werden.13 § 46 Abs. 2 EnWG erlaubt es nicht, dass eine stillschweigende Verlängerung des alten Konzessionsvertrags – im Übrigen mit unbekannter Laufzeit – erfolgt.14 Auch eine Wegerechtsvereinbarung eigener Art wird nicht konkludent geschlossen werden können, denn auch hier bliebe die Laufzeitfrage – und blieben darüber hinaus auch die Fragen des weiteren Inhalts – unbeantwortet. 15 Da sich die Interimsvereinbarung an die bisherigen Verhältnisse zwischen der Gemeinde und dem bisherigen Konzessionär anlehnt, wird sich der Inhalt des Interimsvertrags in seinen Grundzügen nach den Regelungen des beendeten Konzessionsvertrags richten. 16 Neben der Geltungsdauer und der Wegenutzung stehen vor allem die finanziellen Pflichten der Vertragspartner als zentrale Regelungen im Vordergrund. Hier dürfte die Vereinbarung der Zahlung von Konzessionsabgaben als Gegenleistung in Interimsvereinbarungen im Vordergrund stehen, und zwar trotz der Regelung in § 48 Abs. 4 EnWG. Allerdings dürfte in Interimsvereinbarungen auch die Einräumung von zulässigen Leistungen gemäß KAV, mithin Gemeinderabatt, Folgekostenregelungen sowie die Zahlung von Verwaltungskosten zulässigerweise vereinbart werden können.15

12 BGH JZ 1996, 1127 m. Anm. Kühne/Scholtka. 13 Vgl. BGH RdE 1991, 104 ff. 14 Büdenbender, EnWG, § 14 Rn 54. 15 Vgl. auch Büdenbender, EnWG, § 14 Rn 51, der schon der spezialgesetzlichen Norm des § 14 Abs. 4 EnWG 1998 (jetzt § 48 Abs. 4 EnWG) eine umfassende nachvertragliche Wirkung entnimmt.  

Kermel

B. Netze, die keiner will

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Aus § 48 Abs. 4 EnWG lässt sich eine zeitliche Grenze für Interimsvereinbarungen 17 nicht explizit ableiten. Da die Jahresfrist für die Fortzahlung von Konzessionsabgaben ausdrücklich entfallen ist, dürfte auch für Interimsvereinbarungen eine über die Jahresfrist hinausgehende Frist zulässig sein. Auf der anderen Seite sollen Interimsvereinbarungen nur einen Übergangszeitraum erfassen, der etwa wegen längerdauernden Rechtsstreitigkeiten den Zeitraum der voraussichtlichen Übertragung des Netzes abbildet. Keinesfalls soll über eine Interimsvereinbarung der Wettbewerb ausgehöhlt werden. Aus den Erfahrungswerten in der Praxis dürfte man eine Laufzeit von bis zu 5 Jahren für zulässig erachten. Allerdings ist stets der Einzelfall zu betrachten. Da die Dauer von Rechtsstreitigkeiten in der Regel nur schwer abschätzbar ist, wäre überdies die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung zu regeln. Denkbar ist auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung, etwa die Übertra- 18 gung des Eigentums an dem Netz auf den neuen Konzessionär. Überdies können Kündigungsrechte vereinbart werden. Dabei kommt lediglich eine außerordentliche Kündigung aus einem wichtigen Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB in Betracht. Grundsätzlich ist das Kündigungsrecht aber dispositiv und kann als Gestaltungsrecht vertraglich geregelt werden.16

B. Netze, die keiner will Was passiert mit Netzen, die keiner mehr will? Der Umgestaltung der deutschen und eu- 19 ropäischen Energiewirtschaft in den letzten Jahrzehnten lag stets die heimliche Annahme zugrunde, dass es immer mindestens einen Wettbewerber gibt, sei es beim Vertrieb, beim Handel, oder eben beim Wettbewerb um die Netze selbst. Das Auftreten zumindest eines Bewerbers um die Strom- oder Gaskonzession ist Voraussetzung für die Anwendung der meisten Verfahrensregeln in den §§ 46 ff. EnWG, bei einem Ausbleiben von Interessensbekundungen für den Betrieb eines Leitungsnetzes ist ein Wettbewerb schon denklogisch ausgeschlossen.17 Beispiele für eine Ausnahme von dieser Grundannahme sind bislang rar gesät, so dass sich die Frage zunächst nur auf den zweiten Blick stellt. Gibt es eine Pflicht zum Netzbetrieb, wenn der vorausgesetzte Wettbewerb um die 20 Netze ausbleibt? Wenn dem nicht so ist, wie würde ein solcher Exit des Bestandskonzessionärs aussehen? Für dieses Szenario (unter I.) ergeben sich einige mögliche Anschlussfragen, so wie jene nach der ebenso wenig wie die Pflicht zum Netzbetrieb geregelten möglichen Pflicht zur Netzübernahme als Entsprechung zum bestehenden Recht auf Netzübernahme in § 46 Abs. 2 S. 2 und 3 EnWG – beschrieben unter II. Sollte sich Deutschland ganz oder in Teilen vom Gasnetzbetrieb verabschieden, würde der  

16 MüKo-BGB/Kramer, Rn 100. 17 So Fleckenstein in der Vorauflage, S. 345, Rn 203. Warg

482

Kapitel 5. Sonderfälle

Blick auf einen möglichen Rückbau von zumindest Teilen der heutigen Erdgasinfrastruktur fallen, Ausführungen hierzu unter Punkt III.

I. Die Pflicht zum Netzbetrieb 21 Das aktuelle Konzessionsvertragsrecht vor allem in den §§ 46 ff. EnWG enthält auf ver 

hältnismäßig knappem Raum Regeln zur Datenherausgabe während der verschiedenen Verfahrensschritte, zur Bekanntmachung, zur Auswahl des obsiegenden Unternehmens sowie zur Überlassungspflicht bei einem Wechsel des Konzessionärs. Zentral dabei ist für die qualifizierten Wegenutzungsverträge, also Konzessionsverträge über Netze der allgemeinen Versorgung, die höchstmögliche Laufzeit von 20 Jahren, § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG. 22 Diese Laufzeitbegrenzung datiert auf das Jahr 1980, als mit der vierten GWB-Novelle eine zumindest zeitliche Begrenzung für die damaligen Demarkationen und ausschließlichen Konzessionsverträge eingeführt wurde, „um zu verhindern, dass das System der Gebietsmonopole zum Nachteil der Abnehmer erstarrt und nicht mehr flexibel genug ist, auf die versorgungswirtschaftlichen Erfordernisse zu reagieren.“18 Damit wurde den Gemeinden eine Hebelwirkung bei Wegenutzungsverträgen in die Hand gegeben, die diese Verträge zumindest theoretisch auch wettbewerblich nutzbar machte.19 Der rote Faden aller Änderungen im Konzessionsrecht seitdem ist das Streben des Gesetzgebers nach einem möglichst umfassenden und wirkungsvollen Wettbewerb, der zu einem Vertragsschluss über die Wegenutzung des gemeindlichen Konzessionsgebietes führen würde. Das Gesetz geht dabei davon aus, dass es stets mindestens einen Bieter im Rahmen von Konzessionsverfahren gibt. Es strebt für den Fall von mehreren Bewerbungen einen chancengleichen Wettbewerb an. Dass nach dem Ablauf der maximalen Laufzeit von 20 Jahren oder nach vorzeitiger Beendigung gemäß § 46 Abs. 3 S. 3 EnWG weder der Bestands- noch ein potenzieller Neukonzessionär an der ausgeschriebenen Konzession Interesse haben würde, ist im EnWG schlichtweg nicht bedacht worden.20 23 In der Vergangenheit konnte etwa ein sehr dünn besiedeltes Gebiet mit hohen Leitungslängen, spärlichen Anschlusspunkten und geringem Energieabsatz zu einem Ausbleiben von Wettbewerb führen21, insbesondere, wenn die dort stattfindende demografische Entwicklung eine solche Netztopik zukünftig noch verschärfen würde. Andererseits ließ sich der seltene Fall, dass sowohl der Bestandskonzessionär als auch mögliche Neukonzessionäre nicht an einer bestimmten Konzession interessiert waren, auch

18 BT-Drs. 8/3690, S. 31 ff. 19 Sauer, S. 43 f. 20 „Perpetuierung eines vertraglichen Zustands unter Beachtung wettbewerblicher Bedingungen“, Fleckenstein, Vorauflage S. 345, Rn 203. 21 Die „Vielzahl von Kleingemeinden mit sehr weitläufiger Struktur“ als Kontrapunkt zur sonst lukrativen Energieversorgung nennt Baur/Schul-Jander, S. 67.  



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B. Netze, die keiner will

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etwa im Falle einer Naturkatastrophe denken, wenn z. B. ein Erdbeben oder eine Überschwemmung ein bestimmtes Netz so beeinträchtigt haben, dass die potenziellen Bieter eine Bewerbung nicht mehr als lohnenswert ansehen. Diese nicht völlig fernliegenden Beispiele wurden in der jüngsten Zeit durch eine 24 Fülle an politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Entscheidungen überholt. Auch die grundlegendsten Annahmen können sich zwar in der Energiewirtschaft rasch ändern, gerade Gasnetzbetreiber werden aber bei den Ankündigungen im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP oder Aussagen von höchster Stelle im Bundeswirtschaftsministerium aufgehorcht haben.22 Nimmt man dazu, dass die für solche Netze der leitungsgebundenen Energie geltenden regulatorischen Abschreibungsdauern nicht auf die zuletzt vorgesehenen Ausstiegsdaten für fossile Brennstoffe hin angepasst wurden, rückt die anfangs gestellte Frage plötzlich in den Vordergrund. Wird durch politisch-administrative Entscheidungen – etwa zum zukünftigen Gas- 25 netzbetrieb – oder sonstige mangelnde finanzielle Anreize eine ausgeschriebene Konzession nicht beboten, fällt ein Netzbetrieb für das Medium Strom oder Gas für das in Frage stehende Konzessionsgebiet zunächst einmal theoretisch weg. Praktisch wird sich das Ausbleiben vom Netzbetrieb in einem bestimmten Konzessionsgebiet aber nicht ergeben. „Ohne eine Sicherung der Energieversorgung ist eine moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft gar nicht mehr denkbar“23, es wird kaum einen Akteur in der Politik, auf behördlicher oder auf wirtschaftlicher Ebene geben, der das Ausbleiben eines konkreten Netzbetriebes zulässt. Dieser Aussage folgen entsprechend Rechtsprechung und Literatur.24 Verneint man also diese Möglichkeit („Einen Netzbetreiber muss es immer geben“), 26 stellt sich die Frage, wer zum Netzbetrieb verpflichtet wird. Ist es der ehemalige private Netzbetreiber, sozusagen als Erbe des vormalig freiwilligen Netzbetriebes? Oder fällt diese Aufgabe der öffentlichen Hand zu? Dem wird in den folgenden Ausführungen nachgegangen. Im Zentrum der Betrachtungen steht hierbei der Fall, dass ein Altkonzessionär sich auf die ordnungsgemäß bekanntgemachte, ausgelaufene Konzession nicht mehr bewirbt.  

1. Ein privater Netzbetrieb wider Willen? Das EnWG spricht einen Fall von netzbetreiberseitigen Pflichten, die sich nach dem Aus- 27 laufen eines Wegenutzungsvertrags ergeben, explizit im Rahmen der Regelungen zu

22 „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“, Zeilen 2122 ff. („Transformation der Wirtschaft“) oder 2987 ff. („Klimaschutz im Gebäudebereich“), abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800; „Bundesregierung will deutsches Gasnetz schrittweise auflösen“, Die Welt vom 22.5.2022. 23 Berl. Komm./Säcker, A. III. Rn 49. 24 So BVerfG, 2 BvR 633/86, Rn 93 für die Stromversorgung; Theobald/Kühling/Danner, Einführung Rn 30; Kment/Kment, § 1 Rn 3.  



Warg

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Kapitel 5. Sonderfälle

den Konzessionsabgaben in § 48 Abs. 4 an. Weitere Anhaltspunkte für einen Netzbetrieb Privater wider Willen könnten die zahlreichen Pflichten sein, die einem Verteilnetzbetreiber gerade im Hinblick auf die Versorgungssicherheit auferlegt werden. Und letzten Endes kann ein privates Unternehmen Grundrechtsträger sein, wobei speziell die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG zu nennen ist.

a) Pflichten nach Auslaufen des Wegenutzungsvertrages 28 Nach § 48 Abs. 4 EnWG besteht die Pflicht des Netzbetreibers, die vertragliche verein-

barten Konzessionsabgaben an die Gemeinde zu entrichten, auch nach dem Ablauf des Wegenutzungsvertrages fort, bis die für die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern im Konzessionsgebiet benötigten Verteilungsanlagen auf einen neuen Konzessionär übertragen wurden.25 Die Pflicht dazu entfällt nur dann, wenn die Gemeinde kein ordnungsgemäßes Konzessionsverfahren durchgeführt hat. 29 Es existieren also grundsätzlich Pflichten für einen Altkonzessionär auch über das Ende der Vertragslaufzeit hinaus, auch in Form von speziellen energiewirtschaftsrechtlichen Pflichten, also nicht nur als allgemeine schuldrechtliche Nebenleistungspflichten wie die nachvertraglichen Rücksichtsnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.26 Aus diesen begrenzten Pflichten lässt sich eine Zweifelsfallregelung, die den Netzbetrieb für ein unwilliges Unternehmen festsetzt und damit perpetuiert, aber nicht ableiten. 30 Zwar knüpft § 48 Abs. 4 EnWG an einen direkt zuvor bestehenden vertraglichen Zustand an und lässt den Altkonzessionär weiterhin seine Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Straße und Wege der Gemeinde entrichten. Diese Pflicht ist aber erstens zeitlich begrenzt und gilt nur „bis zur Übertragung der Verteilungsanlagen auf einen neuen Vertragspartner“ (§ 48 Abs. 4 S. 1 EnWG am Ende). Damit ist die zeitliche Begrenzung zwar nicht mehr auf ein Jahr beschränkt27, das Ende der Pflicht ist aber dennoch weiterhin absehbar. Zweitens bezieht sich die statuierte Pflicht allein auf die weiterhin zu leistende Konzessionsabgabe, und nicht auf weitere Bestandteile des Konzessionsvertragsverhältnisses. Selbst wenn man dogmatisch annimmt, dass sich die interimsweise fortgesetzten Pflichten des Altkonzessionärs auf die gesamten Rechte und Pflichten des ursprünglichen Konzessionsvertrages richten, so ist der vom Altkonzessionär weitergeführte Netzbetrieb „final“, auf einen ordnungsgemäßen Übergang des Netzes eben mit allen Rechten und Pflichten gerichtet.28 Andererseits könnte diese übergangsweise bestehende Betriebspflicht des Altkonzessionärs auch selbst Voraussetzung für eine Fortzahlungspflicht nach § 48 Abs. 4 EnWG sein: Der Altkonzessionär könnte den Betrieb einstellen und damit sogar von der Pflicht zur weiteren Zahlung von Konzes-

25 Siehe hierzu Kapitel 1 E, Rn 389 ff. 26 MüKo-BGB/Bachmann, § 241 Rn 61 und 160. 27 Bis zur EnWG-Novelle 2017 galt hier eine Befristung von einem Jahr, siehe BT-Drs. 18/8184, S. 17; Berl. Komm./Kermel, § 48 EnWG, Rn 10. 28 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 7.  

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B. Netze, die keiner will

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sionsabgaben befreit sein. Dann würde er über die Konzessionsabgabe eine Nullrechnung ausstellen und damit ohne weiteres die Anforderungen des § 48 Abs. 4 EnWG erfüllen, da in diesem Konzessionsgebiet keine in seiner Verantwortung liegenden Energiemengen fließen. Geht jedenfalls der Netzbetrieb im Rahmen der Übergangsphase während der Vertragsverhandlungen über die Übertragung der Verteilnetzanlagen weiter, dann nur so lange, bis diese Übertragung vonstattengegangen ist. Eine Pflicht zu einem jenseits dieser Zahlungen zu leistenden Netzbetrieb lässt sich weder dem Wortlaut der Regelung, noch ihrer systematischen Stellung im EnWG, noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Es ging dem Gesetzgeber bei dieser Regelung ganz praktisch um einen sauberen Übergang bei einem Wechsel des Konzessionsnehmers, da der Zeitpunkt des Wechsels von altem zu neuem Konzessionär und der Zeitpunkt einer schließlich vollzogenen Übertragung der notwendigen Verteilnetzanlagen oft stark auseinanderfallen kann. Es sollte hier für eine höhere Rechtssicherheit der Gemeinde gesorgt werden29, aber eben nur in Bezug auf die Übertragung des Verteilnetzes auf den Neukonzessionär und die inzwischen anfallenden Konzessionsabgaben, und nicht in Bezug auf die Frage, wer den Netzbetrieb fortsetzt, falls sich kein Bewerber auf die Konzession findet. Die Regelung dient mehr einer Klarstellung, da Rechtsprechung und Literatur zufolge auch schon vor dem Zeitpunkt der Novelle 2017 bereicherungsrechtliche Ansprüche nach den §§ 812 ff. BGB in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen waren.30 Die nachwirkenden Schutzpflichten schließlich, welche allgemein bei Schuldver- 31 hältnissen bestehen können (§ 241 Abs. 2 BGB), betreffen meist solche Dauerschuldverhältnisse, die durch persönliche Zusammenarbeit oder besondere Vertrauensbeziehungen geprägt sind (Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnisse).31 Dazu mögen Wegenutzungsverhältnisse gezählt werden, jedenfalls umfassen die Regelungen im BGB als Schutzpflichten Anwendungsfälle, die begleitend zum eigentlichen Leistungsgegenstand stehen. Keinesfalls aber können solche nachvertraglichen Schutzpflichten die Dauer des Schuldverhältnisses selbst auf unbestimmte Zeit strecken: Sie dürfen nicht überstrapaziert werden oder ausufern und sind sachlich wie auch zeitlich begrenzt.32  

b) Verteilnetzbetreiber und Versorgungssicherheit Neben der Fortzahlungspflicht für Konzessionsabgaben aus § 48 Abs. 4 EnWG gibt es für 32 den praktischen Netzbetrieb zentrale Pflichten, die den deutschen Verteilnetzbetreibern vor allem zur Sicherstellung der allgemeinen Versorgungssicherheit auferlegt werden. Zu nennen sind dabei vor allem die Regeln in § 11 EnWG – „Betrieb von Energieversorgungsnetzen“ im Gesetzesabschnitt „Aufgaben der Netzbetreiber“ –, in den §§ 12, 14 EnWG zu den Aufgaben der Verteilnetzbetreiber sowie zum Netzanschluss und

29 30 31 32

BT-Drs. 18/8184, S. 17. Berl. Komm./Kermel, § 48 EnWG, Rn 10; Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 7. MüKo-BGB/Bachmann, § 241 Rn 160 und 179. MüKo-BGB/Bachmann, § 241 Rn 161.

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Kapitel 5. Sonderfälle

der allgemeinen Anschlusspflicht in §§ 17, 18 EnWG. Diese detaillierten Regelungen betreffen allerdings vor allem das „wie“ eines einmal aufgenommenen Netzbetriebes, und nicht das „ob“. Sie stellen keine eigenständigen Grundlagen für die Annahme dar, dass ein privater Altkonzessionär auch ohne einen Konzessionsvertrag zur zeitlich unbegrenzten Weiterführung des Netzbetriebes verpflichtet wäre.33 33 § 11 EnWG schreibt Netzbetreibern vor, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Netz zu betreiben, beim Betrieb auf Diskriminierungen zu verzichten, und dieses Netz zu warten und im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit erforderliche Netzplanungen sowie den Netzbau zu betreiben. Die Vorschrift richtet das unternehmerische Handeln auf die Ziele des § 1 EnWG aus und gibt den Betreibern von Energieversorgungsnetzen umfangreiche Anleitungen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit im Sinne einer mengenmäßig ausreichenden Versorgung mit Strom und Gas, der technischen Sicherheit der Netze („Gefahrenabwehr“) sowie der Zuverlässigkeit von Netzen, welche das möglichst unterbrechungsfreie Bereitstellen von Energie unter Einhaltung der Produktqualität beschreibt.34 34 Keine Aussagen treffen die Vorschriften im Abschnitt zu den Aufgaben der Netzbetreiber oder der Verteilnetzbetreiber im Rahmen der „Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung“ zu der Frage, ob ein unwilliger Altkonzessionär auf unbestimmte Zeit zum weiteren Betrieb im Konzessionsgebiet gezwungen werden kann, denn sie gehen von der Eigenschaft des Netzbetreibers aus, übertragen diese Eigenschaft aber nicht selbst im Sinne eines begründenden Akts. Die Verpflichtung auf alle Aspekte der Versorgungssicherheit knüpft an den Begriff des Netzbetreibers an, welcher in verschiedenen Ausprägungen bei den Begriffsbestimmungen des EnWG legaldefiniert wird, aber letztlich denjenigen erfasst, der den bestimmenden Einfluss auf das Netz hat, sei es tatsächlich oder rechtlich: „Netzbetreiber ist derjenige, dem das Recht zusteht, die Anlage auf eigene Rechnung zu nutzen“.35 Für eine erneute oder erstmalige Begründung dieses Rechts ist damit nichts geregelt – dieses entsteht durch den Konzessionsvertrag, bei welchem die Gemeinde zwar einem Kontrahierungszwang unterliegt, aber eben nicht der Altkonzessionär.36 35 Dasselbe Ergebnis folgt auf eine Betrachtung der Netzanschlusspflichten nach den §§ 17, 18 EnWG. Sie legen die allgemeine Verpflichtung zum Netzanschluss und die Anschlusspflicht speziell gegenüber Letztverbrauchern in Netzen der allgemeinen Versorgung fest. Hier gilt dieselbe Logik wie bei den Ausführungen zuvor: Anknüpfungspunkt ist die Eigenschaft als Netzbetreiber (eines Netzes mit einer nicht von vornherein festgelegten Anzahl an Letztverbrauchern), die Verpflichtung auf möglichst weitgehende

33 „Keine allgemeine Betriebspflicht, die über das vertragliche Ende des Konzessionsverhältnisses hinaus wirksam wäre“, so Fleckenstein in der Vorauflage, S. 347, Rn 209. 34 Kment/Tüngler, § 11 Rn 2; Berl. Komm./Säcker/König, § 49 EnWG Rn 1. 35 § 3 Nr. 2–10b EnWG; Berl. Komm./Boesche, § 3 Nr. 2 EnWG Rn 4; für den Betreiber eine Stromerzeugungsanlage BGH, Urt. v. 11.6.2003, Az. VIII ZR 161/02, S. 9. 36 § 46 Abs .1 S. 1 EnWG: „Gemeinden haben…“; Berl. Komm./Wegner, § 46 EnWG Rn 42. Warg

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Anschlussinstallationen im Netzgebiet lässt sich nicht umgekehrt lesen, als dass eine Konzession auf unbestimmte Zeit zwangsläufig zu halten ist, um auch in Zukunft Anschlussverpflichtungen entsprechen zu können. Ausdrückliche Regelungen, die das Beenden der Tätigkeit im Rahmen der Energie- 36 versorgung betreffen, finden sich in den §§ 13b, 35h EnWG: Für Anlagen zur Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie sowie für Gasspeicher sind dort Stilllegungsverbote möglich, eine solche Regelung findet sich im Gesetz für Netze aber nicht. Auch die Vorschriften zur Erteilung der Genehmigung des Netzbetriebs nach § 4 EnWG beziehen sich nur auf die Aufnahme der Tätigkeit, nicht auf das Beenden. Bleibt noch die allgemeine Regelung zu den Aufgaben der Energieversorgungs- 37 unternehmen in § 2 EnWG. Diese Unternehmen sind demnach zu einer Versorgung im Sinne des § 1 EnWG im Rahmen der Vorschriften desselben Gesetzes verpflichtet (Abs. 1), was in Abs. 2 auf die Verpflichtungen des EEG und KWKG erstreckt wird (modifiziert durch die Bindung an die §§ 13, 14 EnWG). Die Bestimmung hat wiederum einen deklaratorischen Charakter und soll vor allem im Wege des Appells die im Zuge von Liberalisierung und Entflechtung nunmehr selbständigen Energieerzeuger, -händler und -lieferanten auf eine fortgesetzte hinreichende Versorgung mit Energie verpflichten; sie erzeugt insofern keine zusätzliche rechtliche Bindung.37 Der Betreiber eines Versorgungsnetzes ist von der Verpflichtung in § 2 EnWG umfasst, da alle EVU von ihr angesprochen sind.38 Aus den in Bezug genommenen energierechtlichen Vorschriften selbst kann dann jedoch keine andere Antwort folgen auf die Frage, ob ein Netzbetreiber zum fortgesetzten Netzbetrieb verpflichtet ist, wie in den vorangegangen Randnummern ausgeführt. Auch ein Blick auf die Vorgängervorschriften des § 2 EnWG bestätigt diese Einschätzung: So wurden anfänglich etwa Stromversorgungsunternehmen zum Ausbau und zur Aufrechterhaltung der technischen Sicherheit ihrer Netze verpflichtet, unter Androhung der Betriebsuntersagung – aber dies eben nur im Rahmen des bestehenden Versorgungsbetriebs.39

c) Grundrechtsrelevanz für private Netzbetreiber Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG spricht gegen einen privaten 38 Unternehmen aufgezwungenen Netzbetrieb. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Das ist dann der Fall, solange natürliche Personen hinter der privaten Organisation stehen – juristische Personen des Privatrechts, die sich überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, können sich dagegen nicht auf den Schutz

37 Elspas/Graßmann/Rasbach/Ludwigs, § 2 EnWG Rn 3 f.; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 2 EnWG Rn 2 ff., 8 ff. 38 Theobald/Kühling/Theobald, § 2 EnWG Rn 6. 39 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 2 EnWG Rn 4 f.  







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Kapitel 5. Sonderfälle

der materiellen Grundrechte berufen.40 Damit sind zahlreiche Netzbetreiber, die als Stadtwerke eine Form der öffentlichen Beteiligung aufweisen müssen, allgemein vom Grundrechtsschutz ausgenommen, wenn beispielsweise eine oder mehrere Gemeinden eine Mehrheit halten. Netzbetreiber, die sich mehrheitlich in privater Hand befinden, sind aber erfasst. 39 Auch das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist seinem Wesen nach auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar, trotz seines Persönlichkeitsbezuges.41 Ein staatlich veranlasster Zwang, gegen den unternehmerischen Willen den Netzbetrieb in einem bestimmten Konzessionsgebiet wahrzunehmen, betrifft die ureigenste Entscheidungsbefugnis eines Netzbetreibers und stellt daher einen Eingriff in den Schutzbereich seiner Berufsausübungsfreiheit dar. Dabei ist der Schutzbereich des Abs. 1 im Sinne einer Berufsbeendigungsfreiheit betroffen.42 Wird einem Netzbetreiber zwar allgemein die Ausübung des Berufs gestattet oder jedenfalls nicht komplett untersagt, aber die Tätigkeit in einem bestimmten Konzessionsgebiet geboten, so wird innerhalb des frei gewählten Berufs Zwang zu dieser beruflichen Tätigkeit ausgeübt. Der „Neigung des Bundesverfassungsgerichts“ in dieser Frage folgend entfällt hier die Befassung mit einer Überschneidung der beiden Abs. 1 und 2 des Art. 12 GG, die Frage wird dem Abs. 1 des Art. 12 GG zugeordnet, und nicht als Zuweisung zu einer tatsächlichen Tätigkeit im Sinne von Abs. 2 gewertet.43 40 Die Freiheit der Berufsausübung kann nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichtes zwar beschränkt werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen.44 Der Zweck des Eingriffs, die Energieversorgung in einem Gemeindegebiet aufrecht zu erhalten, ist freilich wie oben beschrieben ein legitimer. Ein erzwungener Netzbetrieb kann aber kaum ein geeignetes Mittel im Sinne einer Maßnahmenverhältnismäßigkeit sein: Die wirtschaftlichen und betrieblichen Erwägungen, die den privaten Netzbetreiber von einer Bewerbung um die Konzession haben Abstand nehmen lassen, müssten sich in der dann real gelebten Konzession zwingend negativ auswirken. Betätigungsfelder, die einen sicheren Netzbetrieb gewährleisten, wie etwa die Netzplanung, ein vorausschauendes Investitionsverhalten, ineinandergreifende Ausprägungen der Instandhaltung usw. müssten auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. Da unklar ist, wie lange der zwangsweise Netzbetrieb aufrecht erhalten werden müsste, ließen sich die erforderlichen Investitionen im konkreten Konzessionsgebiet auch nicht mehr zielführend planen. Die Maßnahme des privaten „Netzbetreibers wider Willen“ ist daher schon nicht zweckmäßig im Sinne des

40 BVerfG NVwZ 2009, S. 1282 f.; BVerfG NJW 1990, 1783; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, Art. 12 GG Rn 108; Warg, S. 289 ff. 41 BeckOK GG/Ruffert, Art. 12 GG Rn 38. 42 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 8. 43 Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, Art. 12 GG Rn 489 – „…alle Fälle einer Indienstnahme“. 44 BVerfGE 7, 377 ff.; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, Art. 12 GG Rn 335.  





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Schrankensystems des Verfassungsgerichts. Sie ist keine berufsnotwendige oder -inhärente Arbeitspflicht im Sinne einer zulässigen Berufsausübungspflicht nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. In jedem Falle existiert eine weniger intensive Eingriffsmöglichkeit – siehe dazu gleich unter 2. – die sich auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten als vorzugswürdig erweist, gerade auch weil die Indienstnahme eines Privaten zum Netzbetrieb als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe einem noch strengeren Maßstab unterliegt.45

d) Parallele Wertung beim Vertrieb Auf der Wertschöpfungsstufe des Vertriebs wird das Einstellen der eigenen Geschäfts- 41 tätigkeit sogar explizit gesetzlich geregelt: Bei der Bestimmung des Grundversorgers in § 36 Abs. 2 EnWG findet sich in Satz 5 die Aussage, dass die Vorgaben, wie der Grundversorger festzustellen ist, entsprechend gelten, wenn der ursprüngliche Grundversorger seine Geschäftstätigkeit einstellt. Die Pflicht zur Grundversorgung erlischt nach dem Einstellen der Geschäftstätigkeit ipso jure – „niemand, auch kein Grundversorger, ist zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes verpflichtet“.46 Auch eine teilweise Einstellung der Tätigkeit muss davon erfasst sein.47 Die Grenzen dieser Parallele in Bezug auf Netzbetreiber liegen der Literatur folgend zwar in den Betriebspflichten aus § 11 EnWG.48 Diese können aber wie oben beschrieben keine eigenständige Verpflichtung auf eine Fortführung oder Aufnahme einer Konzession darstellen.49 Praxistipp 1 Aus den bestehenden Regelungen des EnWG lässt sich eine Konzession wider Willen für einen Altkonzessionär nicht ableiten. Andernfalls würde aber auch die Grundrechtsträgerschaft des privaten Netzbetreibers einem zwangsweisen Betrieb entgegenstehen. Schließlich würde Sinn und Zweck der Normen, die zur Rechtfertigung herangezogen werden müssten, widersprochen, weil eine solche Konzession gegen den Willen eines Netzbetreibers die Versorgungssicherheit und allgemein das Erreichen der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG nicht mehr gewährleisten könnte.

2. „Auffangverantwortung“ der öffentlichen Hand Ist der Wegfall des Netzbetriebes in einem bestimmten Konzessionsgebiet keine Option, 42 und kann der private Altkonzessionär nicht in Anspruch genommen werden, bleibt nur

45 Zur Indienstnahme privater Energieversorgungsunternehmen Hampel, S. 173 f.; BVerfGE 30, 292, 310 ff. 46 Elspas/Graßmann/Rasbach/Ehring, § 36 EnWG Rn 48; Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 36 EnWG Rn 52. 47 Elspas/Graßmann/Rasbach/Ehring, § 36 EnWG Rn 49. 48 Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, § 36 EnWG Rn 52. 49 Vgl. Kapitel 5 B. I. 1. b).  





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Kapitel 5. Sonderfälle

noch die öffentliche Hand, also die Gemeinde, der Landkreis, das Bundesland oder der Bund selbst. Die staatliche Seite unterliegt bei der Versorgung mit Energie letzten Endes einer Gewährleistungsverantwortung, im Rahmen welcher die Gemeinden an vorderster Stelle stehen. Das gilt für Strom wie für Gas gleichermaßen.

a) Der Staat in der Gewährleistungsverantwortung 43 Nach der Privatisierung und Liberalisierung großer Teile der ehemals in staatlicher Hand befindlichen Infrastrukturen trat seit den 90er Jahren auch das Konzept der Gewährleistungsverantwortung des Staates in den Vordergrund. Auch wenn staatliche Stellen manche Aufgaben nicht (mehr) selbst wahrnehmen, behalten sie eine Garantieoder Gewährleistungsstellung in Form von Überwachungs- und auch Einstandspflichten.50 Diese Verantwortung erwächst aus dem fortbestehenden öffentlichen Interesse an funktionierenden Infrastrukturen und wird insbesondere für die Energiewirtschaft bejaht.51 Auch wenn die Versorgung mit Energie von Anfang an durch eine Mischung von privaten und öffentlichen Akteuren geprägt war, wird die Gewährleistungsrolle des Staates hier ganz besonders hervorgehoben. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist die Energieversorgung „eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf“, und eine öffentliche Aufgabe, die ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges darstellt.52 44 Da der Staat schließlich im Zuge der Deregulierung und Umgestaltung des Wirkungsgrades der privaten Marktakteure seine Aufsichtsinstrumente beibehalten und sich dazu weitreichende regulatorische Eingriffsmöglichkeiten geschaffen hatte, muss dem für die Fälle mangelnder Verfügbarkeit eines privaten Netzbetreibers auch eine Art von staatlicher Gewährleistungsverantwortung entsprechen.53

b) Kommunale Selbstverwaltung 45 Die deutschen Gemeinden haben nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Damit muss es auf der Ebene der öffentlichen Hand, die dem einzelnen Bürger und Verbraucher von Energie am nächsten ist, mit Rechtsfähigkeit und Gebietshoheit ausgestattete Einheiten geben, die Aufgaben in eigener Verantwortung erfüllen.54 Für die Lösung mancher Rechtsfrage mag diese Stelle im Grundgesetz vielleicht weniger ge-

50 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 8. 51 Dürig/Herzog/Scholz/Mehde, Art. 28 GG Rn 93; Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 8. 52 BVerfG NJW 1984, 1872, 1873; komprimiert Berl. Komm./Pielow, E. Rn 21. 53 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 8 f.; in diese Richtung zeigt auch die in § 17 Abs. 1 EnSiG statuierte Treuhandverwaltung von Energieversorgungsunternehmen der Kritischen Infrastruktur. 54 Dürig/Herzog/Scholz/Mehde, Art. 28 GG Rn 40.  

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eignet sein55, weiterführen kann sie aber bei der Antwort auf die Frage, ob es für die Gemeinden auch eine Selbstverwaltungspflicht gibt. Für über das bloße Recht zur Regelung von Angelegenheiten in eigener Verantwor- 46 tung hinausgehende Pflichten der Gemeinden gibt es jedenfalls zahlreiche Beispiele. So lässt sich bereits die eingangs angeführte Formulierung für die Vergabe von Wegenutzungsrechten als Kontrahierungszwang als eine solche Verpflichtung anführen. Die Gemeinde soll dem Bau und Ausbau von Netzen der leitungsgebundenen Energie nicht im Weg stehen. Mit der kommunalen Gewährleistungsverantwortung ist zwar zunächst nur eine Grund- oder Basisverantwortung festgelegt. Aufgabe aller staatlichen Ebenen ist es, eine Versorgung mit Strom und Gas im Sinne von § 1 Abs. 1 EnWG sicherzustellen. Neben den einfachgesetzlich ausgestalteten Vorgaben zur Entflechtung und Regulierung natürlicher Monopole kann diese Aufgabe sich aber zur Auffangverantwortung und sogar direkten Erfüllungsverantwortung verdichten, womit die Gemeinde zur „zwangsweisen Rekommunalisierung“ angehalten wäre.56 Dieses erweiterte Verständnis der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ent- 47 spricht auch der Logik von Privatisierungen ehedem öffentlicher Aufgaben – mit staatlichen Stellen, die über gewisse, zentrale Bereiche des öffentlichen Lebens (oder deren Fundamente) wachen, die ganz oder in Teilen von Privaten bewirtschaftet werden, und einschreiten, bevor dieser Bereich zusammenbricht. Andererseits wurde jedoch in der Literatur für den Schritt zur Gewährleistungsverantwortung der Kommune eine gesetzliche Regelung gefordert: Die zugrundeliegenden Begrifflichkeiten seien zu unscharf, und der Schutz der Selbstverwaltungsgarantie werde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn vom Selbstverwaltungsrecht nur noch eine Pflicht übrig bliebe.57 Andererseits spricht aber auch nichts gegen ein Nebeneinander von Rechten und Pflichten auch im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Einer Gemeinde steht es frei, sich im Infrastruktursektor zu betätigen. Sie kann speziell im Fall der Vergabe von Wegenutzungsrechten für Strom- und Gasleitungen die politische Entscheidung treffen, sich selbst im Netzbetrieb zu engagieren – notwendig wird eine solche Übernahme des örtlichen Netzbetriebs aber eben nur dann, wenn es keinen sonstigen Bewerber gibt und man einen Ausfall der Energieversorgung verhindern will. Folgt man aber der angeführten Auffassung und lehnt eine Einstandspflicht der öffentlichen Hand mangels gesetzlicher Grundlage insgesamt ab, wird das Ergebnis für den Falle eines Ausbleibens von Bewerbern auf eine ausgeschriebene Konzession auf dasselbe hinauslaufen: Gemeinden oder auch das Bundesland werden auch ohne eine institutionelle Verpflichtung zum eigenhändigen Netzbetrieb alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um einen weiteren Netzbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Pflicht einer Gemeinde, eine Konzession selbst zu übernehmen, würde sich praktisch auf politisch55 „Nur eingeschränkte Relevanz für die Lösung konkreter Rechtsfragen“, „ausgesprochen wenig Tiefenschärfe“: Dürig/Herzog/Scholz/Mehde, Art. 28 GG Rn 40. 56 Berl. Komm./Pielow, E. Rn 22, 26. 57 Britz, Die Verwaltung 2004, 145, 160 ff.  

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Kapitel 5. Sonderfälle

administrativer Ebene oder auf der objektiv-rechtlich/institutionellen Ebene (dem Bundesland) realisieren, da es kein subjektives Recht auf Übernahme bestimmter Aufgaben im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG gibt (institutionelle Garantie).58 48 Auch auf Ebene der Landesverfassungen existiert eine Inanspruchnahme der jeweiligen Gemeinden auf eine Selbstverwaltungsverpflichtung neben der Selbstverwaltungsgarantie. So heißt es in Art. 54 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein: „Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen“; diese Formulierung findet sich auch in Art. 72 Abs. 1 der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern und Art. 87 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Zum anderen aber wird in der Bayrischen Verfassung neben dem Recht, „die eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten“ ausdrücklich auch die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft als zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden gehörend genannt.59 49 Art. 28 Abs. 2 GG und die Vorschriften zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht auf Landesebene sind auch im Wege einer unionsrechtlichen, richtlinienkonformen Auslegung im Sinne einer korrelierenden Pflicht zur Selbstverwaltung gedeutet worden.60 In der aktuellen Strombinnenmarkt-Richtlinie findet sich in Art. 27 Abs. 1 die Vorgabe, Haushaltskunden und Kleinunternehmen eine Grundversorgung mit Elektrizität zu gewährleisten.61 Auch für Gas finden sich Vorgaben zum angemessenen Schutz der Kunden, Art. 3 Abs. 3 der Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie.62 Adressaten der EU-Richtlinien sind die Mitgliedstaaten, deren Rechtssätze der europarechtskonformen Auslegung unterzogen werden. Der auf Bundes- und Landesebene verwendete Begriff der kommunalen Verantwortung lässt sich dann auf eine Weise interpretieren, dass die in den Binnenmarktrichtlinien vorgegebene Sicherstellung der Strom- und Erdgasversorgung (letztere im Sinne eines Schutzes der Erdgasendkunden) in Form einer Selbstverwaltungspflicht der deutschen Gemeinden aktualisiert wird.63 50 Zwar gibt es keine einfachgesetzliche Zuweisung an Gemeinden, im Notfall den Netzbetrieb zu übernehmen, wenn sich kein Bewerber auf eine Konzession findet. In anderen Infrastruktursparten ist ein Einspringen der Gemeinde aber durchaus vorgese-

58 Der einzelne Bürger kann die Gemeinde nicht aufgrund von Art. 28 Abs. 2 GG in die Pflicht nehmen, Dürig/Herzog/Scholz/Mehde, Art. 28 GG Rn 55, der allerdings selbst keine Pflicht zur Aufgabenübernahme seitens der Gemeinde sieht. 59 Art. 11 Abs. 2 S. 2 und Art. 83 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern, auch wenn diese Aufgaben hier nicht mit einer Selbstverwaltungspflicht kombiniert werden. 60 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 10 f. 61 Richtlinie (EU) 2019/944. 62 Richtlinie 2009/73/EG, die durch die Richtlinie (EU) 2019/692 für Drittländer-Fernleitungen angepasst wurde. 63 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 10 f.  



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hen. So führt § 56 S. 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) im Rahmen der Pflicht zur Abwasserbeseitigung aus, dass die nach Landesrecht verpflichteten juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich zur Erfüllung dieser Pflichten Dritter bedienen können. Dies können auch private Dritte sein, die Abwasserbeseitigungspflicht geht damit aber nicht auf die beauftragten Dritten über – die Gewährleistungs- und Einstandsverantwortung verbleibt somit bei der öffentlichen Hand.64 Schließlich betont auch die Literatur traditionell die Aufrechterhaltung der Ener- 51 gieversorgung als eine Aufgabe, an deren Erfüllung ein öffentliches Interesse besteht.65 Der Staat hat demnach eine hieraus erwachsene Verantwortung, den Betrieb von flächendeckenden Strom- und Gasnetzen zu garantieren. Er muss diese Aufgabe wahrnehmen, falls kein Privatunternehmen dazu bereit ist, und innerhalb der staatlichen Aufgabenverteilung fällt diese Verantwortung der Gemeinde zu. So lässt sich auch das in diesem Zusammenhang oft bemühte Schlagwort der öffentlichen Daseinsvorsorge am ehesten sinnvoll einordnen: Zwar stellt es kein Gebot für Gemeinden dar, aktiv am Wettbewerb um die Netze teilzunehmen („Kommunalisierung“ oder „Rekommunalisierung“), es lebt aber in Form der Einstandsverantwortung der Gemeinde auf, falls ihrem Konzessionsgebiet ein Ausbleiben von Wettbewerbern droht.

c) Die Gemeinde als ungewollter Neukonzessionär Nimmt man also eine Pflicht zunächst der Gemeinde an, den Netzbetrieb aufrechtzuer- 52 halten und weiterzuführen, und geht man davon aus, dass sie dazu das vorhandene Netz übernimmt66, so wird diese Gemeinde diese neue Aufgabe des Netzbetriebs unter den anderen Anforderungen im Tagesgeschäft priorisieren. Sie muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine fortgeführte Energieversorgung zu gewährleisten. Diese Verpflichtung findet ihre Grenze am Ende ihrer eigenen Leistungsfähigkeit.67 Stellt sie keinen eigenen Netzbetrieb auf, so kann sie im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit auf die Nachbargemeinden zugehen oder den Landkreis bemühen. Da die Gewährleistungsverantwortung nicht mangels Leistungsfähigkeit der Gemeinde entfällt, bleibt es bei der Verpflichtung der öffentlichen Hand, und das Bundesland steht in der Pflicht, der Gemeinde die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Unter den zur Verfügung stehenden Optionen findet sich auch jene, wiederum private Netzbetreiber einzuschalten, nur eben nicht im Wege der (zwingenden) Konzession, sondern etwa als Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrags unter Freistellung von den finanziellen Risiken, auch bezogen auf lediglich Teile der Tätigkeit eines Netzbetreibers. Gängig ist z. B. schon heute, auch ohne „Notfall“, dass kleinere Versorger die privat betriebene  

64 BeckOK Umweltrecht/Schulz, § 56 WHG Rn 17. 65 Schneider/Theobald/Albrecht/Pöhl, § 10 Rn 17 f.; „residuale Auffang- und dann auch direkte Erfüllungsverantwortung“: Berl. Komm./Pielow, E. Rn 26. 66 Vgl. Kapitel 5 B. II. 67 Kühne, N&R Beilage 2010 Nr. 3, 6, 10.  

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Kapitel 5. Sonderfälle

Netzleitstelle oder auch Instandhaltungs- und Wartungsdienstleistungen von benachbarten Flächennetzbetreibern in Anspruch nehmen. 1 Praxistipp Sollte sich abzeichnen, dass die Gemeinde das Fortführen einer Strom- oder Gaskonzession wünscht und keinen Bewerber findet, werden vor der konkreten rechtsförmigen Inanspruchnahme der Gemeinde selbst intensive Gespräche zwischen Gemeinde und Altkonzessionär stattgefunden haben. Viele private Netzbetreiber unterhalten starke partnerschaftliche Beziehungen zum Konzessionsgeber, etwa wegen der notwendigen Abstimmungen bei Baumaßnahmen, und können hierbei früh Problembewusstsein schaffen und mögliche Alternativen aufzeigen.

d) Strom und Gas 53 Die Vorauflage dieses Handbuchs hatte schließlich noch eine mögliche differenzierte

Betrachtung für Strom und Gas diskutiert: Die dem EnWG zugrundeliegenden europäischen Richtlinien hatten unterschiedliche Formulierungen verwendet, um eine Grundversorgung mit leitungsgebundener Energie sicherzustellen.68 Dieser unterschiedliche Grad an staatlicher Gewährleistung hatte seinen Grund aber in der unterschiedlichen Verbreitung der beiden Infrastrukturen in den EU-Mitgliedstaaten: Stromnetze sind flächendeckend vorhanden, Gasnetze sind es insgesamt nicht, die Gas-Richtlinie spricht einen Adressatenkreis an, innerhalb dessen nicht alle Regionen an das Gasnetz angeschlossen sind.69 Das EnWG hatte diese beiden Medien zum Begriff der „leitungsgebundenen Energie“ zusammengefasst (§ 3 Nr. 14 EnWG), und jedenfalls in seinen Regelungen der §§ 46 ff. keine weitere Differenzierung vorgenommen. Hier wäre ein möglicher Ansatzpunkt für zukünftige Gesetzgebung gegeben, denn Erdgas lässt sich im Gegensatz zu Strom durch andere Energieträger ersetzen. So ließe sich z. B. eine zeitweise Pflicht zum fortgesetzten Gasnetzbetrieb mit einer Sozialisierung der damit verbundenen Kosten verbinden.  



II. Die Pflicht zur Netzübernahme 54 Nach § 46 Abs. 2 S. 2 und 3 EnWG ist der Altkonzessionär verpflichtet, dem neuen Betrei-

ber die für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung notwendigen Verteilnetzanlagen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen oder ihm jedenfalls den Besitz hieran einzuräumen. Voraussetzung ist, dass der ursprüngliche Konzessionsvertrag nach seinem Ablauf nicht verlängert wurde. Diese zu übertragenden Anlagen benötigt der designierte neue Netzbetreiber, um seinen Netz-

68 Fleckenstein, Vorauflage S. 350, Rn 220. 69 Hempel/Franke/Hempel, § 36 EnWG Rn 37; Herrmann, S. 203. Warg

B. Netze, die keiner will

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betreiberplichten aus dem EnWG und vielen anderen energiewirtschaftlichen Normenwerken zu genügen.70 Ähnlich wie bei der Frage nach einer Pflicht zum Netzbetrieb stellt sich hier das Problem, ob dieses Recht auch durch eine Pflicht zur Übernahme von Verteilnetzanlagen flankiert wird, auch wenn dies nicht explizit geregelt ist. Wie auch bei der Ausgestaltung der Regelungen zu Strom- und Gaskonzessionierungen konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein legislatives Eingreifen nur erforderlich ist, um einen fairen Ausgleich zwischen Alt- und Neukonzessionär unter Wahrung der Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Setzt man einen Wettbewerb vor Ort voraus, stellt sich die Frage nach einer Übernahmepflicht nicht. Wenn nun aber ein Neukonzessionär vor den Verhandlungen zur Übernahme eines Verteilnetzes steht, kann er zu dieser notfalls auch verpflichtet werden? So wie die Übereignungspflicht in § 46 Abs. 2 EnWG dazu dient, den Wettbewerb 55 um die Netze zu ermöglichen71, ist auch die zwingende Übernahme der Anlagen durch den Neukonzessionär eine Funktionsbedingung des Wettbewerbs um den örtlichen Netzbetrieb. Die allgemeinen Wettbewerbsziele wie auch die spezielleren energierechtlichen Ziele würden gefährdet, wenn die entgeltliche Übernahme der Anlagen durch den Alt-, aber eben auch durch den Neukonzessionär strategisch beeinflusst werden könnte. Der Bestandskonzessionär ist zu gewissen Investitionen am Netz im Konzessionsgebiet verpflichtet. Sichergestellt wird diese Investitionsbereitschaft durch sein Vertrauen entweder auf ein Fortführen der Konzession oder eine angemessene wirtschaftliche Vergütung der Assets.72 Zudem ist eine Übernahmepflicht die logische Folge aus der Pflicht zum „Notfall- 56 Netzbetrieb“ der öffentlichen Hand. Zum einen würde eine Übernahme der Konzession z. B. durch die Gemeinde bei gleichzeitigem Belassen der Anlagen beim Altkonzessionär den Sinn der Gewährleistungsverantwortung aushöhlen. Zum anderen kann eine Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas, die den Ansprüchen des § 1 Abs. 1 EnWG entspricht, nur nach einer Übertragung der notwendigen Verteilnetzanlagen auf den Inhaber der Konzession sichergestellt werden, da der ehemalige Konzessionär die Aufgaben eines Netzbetreibers nur noch übergangsweise wahrnimmt.73 Notwendige Planungen, Investitionen, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, um nur einige der Aufgaben zu nennen, könnten schon aus betriebswirtschaftlicher Logik heraus nicht mehr im erforderlichen Maße stattfinden. Schließlich ist die Pflicht zur Übernahme des Netzes auch wirtschaftlich wie tatsächlich alternativlos: Um den Anforderungen der Konzession zu genügen, müsste die Gemeinde ein zweites, paralleles Netz der leitungsgebundenen Energie errichten, was zu sinnlosen Kosten führen würde, wenn es denn im Einzelfall überhaupt auch im Hinblick auf die endlichen, begrenzten Möglichkeiten  

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Berl. Komm./Wegner, § 46 EnWG Rn 67. Elspas/Graßmann/Rasbach/Graßmann/Bläß, § 46 EnWG Rn 74. Sauer, S. 902 f. und S. 904 ff. Büdenbender, § 13 Rn 54; Berl. Komm./Wegner, § 46 EnWG Rn 67.

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Kapitel 5. Sonderfälle

im Straßenkörper physisch möglich ist. Aus diesen Gründen handelt es sich bei Übertragungsrecht und Übernahmepflicht um „spiegelbildliche Rechte und Pflichten“.74 1 Praxistipp Ein Streitpunkt im Zusammenhang mit der Übernahme der Verteilnetzanlagen ist oft die genaue Bemessung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG gewesen. Ursachen dafür können in der aufwändigen und komplexen Berechnung des Netzkaufpreises, einem Misstrauen zwischen Kaufvertrags- (oder Pacht-)parteien sowie prohibitiv überhöhten Netzkaufpreisen gelegen haben. Diese Mechanismen entfallen jedoch im Falle eines unfreiwilligen Netzbetriebs seitens der Gemeinde, schon weil bei „freiwilliger“ Aufgabe des Netzbetriebes seitens des Altkonzessionärs sein Anreiz zur Erzielung möglichst hoher Preise bei den Vertragsverhandlungen entfällt. Beim Neuabschluss von Konzessionsverträgen sollte aber innerhalb der Endschaftsklauseln neben dem Recht auch die Pflicht zur Übernahme der notwendigen Anlagen vereinbart werden.

III. Zum möglichen Rückbau von Netzen 57 Die letzte Frage zum Thema „Netze, die keiner will“ betrifft insbesondere das Erdgas.

Zumindest für Teile der heutigen Erdgasnetzinfrastruktur könnte zukünftig die Forderung erhoben werden, nicht benötigte Teile der Netze zurückzubauen. Zwar nennt der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode Erdgas noch „für eine Übergangszeit unverzichtbar“ und bestätigt den Bau auch neuer Gaskraftwerke, solange diese auf klimaneutrale Gase umgestellt werden können. Die Forderungen nach einem Anteil von 65 % erneuerbarer Energien bei neu eingebauten Heizungen, der Betrieb von Gasleitungen nach 2045 nur noch mit nicht-fossilen Brennstoffen oder auch allgemeiner die Klimaschutzziele der Bundesregierung zeigen aber letzten Endes auch in die Richtung einer dekarbonisierten Welt ohne fossiles Erdgas.75 58 Dabei sind zunächst die Möglichkeiten der alternativen Nachnutzung der Netze zu betrachten. Finden sich genügend große Abnehmer von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff, wie etwa größere Industrieansiedlungen, können die dortigen Gasverteilnetze auch zur Wärmeversorgung von Haushaltskunden umgewidmet werden. Auch Biogasanlagen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: Fallen produzierende Anlagen aus der geförderten Verstromung von Biogas heraus, besteht ein Anspruch gegen den örtlichen Verteilnetzbetreiber, dieses grüne Gas aufzunehmen (§ 33 GasNZV). Der Verteilnetzbetreiber steht also in der gesetzlichen Pflicht, den Netzbetrieb hierfür aufrechtzuerhalten.  

74 Büdenbender, § 13 Rn 54. 75 „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“, Zeilen 1933 ff. sowie 2122 ff., abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koali tionsvertrag-2021-1990800; auch das Klimaschutzgesetz zeigt mit seinem § 3 Abs. 2 (Klimaneutralität bis 2045) in diese Richtung.  



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B. Netze, die keiner will

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Findet sich keine Nachnutzung für das Gasnetz im Konzessionsgebiet, liegt dort zu- 59 nächst einmal ein nicht genutztes (Teil-)Rohrleitungsgebiet. Rechtliche Folgen für diese unbenutzten Leitungen und Anlagen können sich aus dem Konzessionsvertrag oder aus dem Gesetz ergeben.

1. Rückbauverpflichtungen aus Vertrag Der Konzessionsvertrag gewährt dem Netzbetreiber das Recht, Straßen und Wege für 60 den Netzbetrieb zu nutzen, und nimmt ihn umfangreich in die Pflicht, diesen Netzbetrieb auch sicherzustellen. Üblicherweise finden sich in den vertraglichen Regelungen zu Baumaßnahmen auch Vereinbarungen zu stillgelegten Leitungen. Meist wird hier geregelt, dass solche Versorgungsanlagen, die dauerhaft nicht mehr benötigt werden, vom Netzbetreiber zurückgebaut werden, wenn es gute Gründe für diesen Rückbau gibt und die Gemeinde mit dem Netzbetreiber darin übereinstimmt, dass diese Anlage entfernt werden soll. Weiterhin können sich Unterscheidungen nach ober- und unterirdischen Anlagen finden – unterirdische Anlagen stören das Straßenbild nicht, sind aber oftmals nur unter unverhältnismäßigem Aufwand zu entfernen. Schließlich werden typischerweise auch detaillierte Kostentragungsregelungen aufgenommen. Wird eine Gasversorgungsleitung dauerhaft nicht mehr benötigt, weil etwa die 61 Wärmeversorgung eines Ortsteils umgestellt wird oder Ausbau und Erweiterung des Netzes zur Stilllegung führen, wird sie vom Netzbetreiber im Rahmen des regulären Netzbetriebes rückgebaut. Entfällt aber eine Versorgung mit Erdgas insgesamt, und lassen sich in der konkreten Gemeinde keine Nachnutzungs-Alternativen finden, ließe sich die Stilllegungsklausel auch auf das komplette Gasnetz in der Gemeinde beziehen, im Sinne eines Komplexes von dauerhaft nicht mehr benötigten Versorgungsanlagen.

a) Auslegung der Stilllegungsklauseln Betrachtet man die typische vertragliche Regelung zur Stilllegung im Wege der Aus- 62 legung nach §§ 133, 157 BGB, so ergibt sich der auslegungsbedürftige und -fähige Inhalt für den Fall einer Einstellung der Versorgung mit Erdgas schon aus Passagen wie „…in begründeten Fällen“, „…einzelner Anlagen“ und ähnlichen Formulierungen. Die Gesamtheit des örtlichen Verteilnetzes besteht aus einzelnen Anlagen, für die politische Entscheidung, die Versorgung mit fossilem Erdgas einzuschränken oder komplett einzustellen, ist mit diesen Klauseln aber explizit keine vertragliche Vereinbarung getroffen worden. Die Verkehrssitte als Mittel der Auslegung, jedenfalls aber die Umstände, welche dem rechtlichen Erklärungsgehalt der Stilllegungsklausel zugrunde gelegen haben76, lassen eine Deutung dieser Klausel nur dahingehend zu, als dass von einem dauerhaften Betrieb des Gasnetzes auszugehen war. Ausbauplanungen und -verpflich-

76 Jauernig/Mansel, § 133 Rn 3 f.  

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Kapitel 5. Sonderfälle

tungen, Investitionen, das Aufsichnehmen der Anschlussverpflichtungen in §§ 17, 18 EnWG lassen sich nicht vereinbaren mit der Möglichkeit eines plötzlichen Ausstiegs aus der Gasversorgung insgesamt. Beide Vertragsparteien können bei Unterschrift des Vertrages also nicht auch nur entfernt davon ausgegangen sein, dass es zu einem Rückbau des Netzes im Konzessionsgebiet noch während der vertraglichen Laufzeit kommen könnte. Neben dem auf einen dauerhaften Gasnetzbetrieb und Wettbewerb um die Netze angelegten EnWG sind auch die regulatorischen Vorschriften und Festlegungen für Gasnetze auf Jahrzehnte in die Zukunft gedacht – man betrachte nur die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern von Anlagegütern in der Gasversorgung, die Zeiträume von 55 oder sogar 65 Jahren vorsehen.77

b) Grobes Missverhältnis von Aufwand und Leistung, § 275 Abs. 2 BGB 63 Kommt man dagegen zu dem Schluss, dass auch das gesamte Gasnetz im Konzessions-

gebiet von vertraglichen Rückbauverpflichtungen erfasst sein kann, so steht dem jedenfalls § 275 Abs. 2 BGB entgegen. Demnach ist die Leistungspflicht ausgeschlossen und der Schuldner kann die Leistung verweigern, wenn sein Aufwand nach Inhalt des Schuldverhältnisses und Treu und Glauben im groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Der Aufwand eines solchen Rückbaus an Zeit, Einsatz, Ressourcen und nicht zuletzt finanziellen Mitteln ließe sich schon bei einem tatsächlich auch bestehenden Leistungsinteresse der Gemeinde nicht rechtfertigen, und schließlich stünden die genannten Mittel für die eigentlichen Aufgaben des laufenden Netzbetriebes nicht mehr zur Verfügung. Ein Interesse der Gemeinde, keine leeren Gasleitungen im eigenen Straßenkörper mehr aufzuweisen, könnte den Aufwand eines Rückbaus nicht rechtfertigen; eine weitergehende Motivation ist aber aus Sicht der Gemeinde nicht zu erkennen.

c) Unzulässige Rechtsausübung und Verwirkung nach § 242 BGB 64 Ähnlich wird das Ergebnis ausfallen unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen

Rechtsausübung oder Verwirkung, § 242 BGB. Der Versuch, eine einzelne Rückbauklausel global auf das Konzessionsgebiet zu erstrecken, wäre als treuwidrig und unzulässig zurückzuweisen. Da das Interesse an einem gasleitungsfreien Straßenkörper an sich in der Gemeinde allein kein schutzwürdiges Eigeninteresse darstellen kann, wäre dieses Ansinnen als nutzlose Rechtsausübung oder jedenfalls als Fall mangelnden öffentlichen Interesses zu qualifizieren. Aber auch die Fallgruppe der Verwirkung wäre hier einschlägig. Die plötzliche Aufforderung, ein ganzes Netz rückzubauen, folgte auf einen Jahrzehnte währenden Zeitraum, während dessen nie die Rede von Rückbauten

77 GasNEV, Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 S. 1. Warg

B. Netze, die keiner will

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gewesen ist und der Gasnetzbetreiber sich darauf eingerichtet hat und auch einrichten durfte, dass dies auch in Zukunft nicht gefordert werden würde.78

d) Schadensersatz Aus den genannten Gründen entfällt auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach den 65 §§ 280 ff. BGB – ein irgendwie bezifferbarer Schaden für die Gemeinde ist nicht zu erkennen, wäre aber auch vom Schuldner (dem Netzbetreiber) nicht zu vertreten.  

2. Rückbauverpflichtungen aus Gesetz Bleibt der Fall, dass kein Konzessionsvertrag besteht, eine weitere Versorgung mit Erdas 66 nicht mehr gegeben ist und auch keine der zahlreichen möglichen Alternativen der Nachnutzung greift. In diesem Szenario stellt sich die Frage nach einer möglichen gesetzlichen Rückbauverpflichtung von nicht mehr genutzten (Teil-)Gasnetzen. Als einschlägige Norm käme dabei § 1004 Abs. 1 BGB in Frage. Die Gemeinde als Eigentümerin der Straßen, Wege und Plätze könnte den Gasnetzbetreiber als Störer zur Beseitigung der Beeinträchtigung ihres Eigentums auffordern, indem sie einen Rückbau des örtlichen Gasverteilnetzes fordert. Dies unter der Voraussetzung, dass kein laufender Anschlusskonzessionsvertrag besteht, denn dieser würde die Gemeinde zur Duldung verpflichten und diesen Anspruch nach § 1004 Abs. 2 BGB ausschließen. Die Gasversorgungsanlagen sind sog. Scheinbestandteile i. S. d. § 95 Abs. 1 BGB, d. h. 67 sie wurden nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden der Gemeinde verbunden und sind nicht Bestandteil des Eigentums der Gemeinde geworden.79 Einem Anspruch auf Rückbau bei fehlendem Konzessionsvertrag gegen den Netz- 68 betreiber stünden aber nach Wegfall der Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB eine Mitverursachung der die Wegenutzung gewährenden Gemeinde, eine entsprechende Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB und der Gesichtspunkt der Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen entgegen.80  





a) Mitverursachung gemäß § 254 BGB Die Gemeinde hat aus den am Anfang des Kapitels beschriebenen Gründen ein hohes In- 69 teresse an der Errichtung und dem Betrieb der in Frage stehenden Gasverteilnetzanlagen gehabt. Hätte der in Anspruch genommene Altkonzessionär diese Leitungen nicht errichtet, hätte die Gemeinde dies in Konsequenz ihrer Gewährleistungs- und Einstandsverantwortung selbst tun müssen. Insofern sind die verlegten Leitungen – nicht nur im 78 Begriff nach Grüneberg/Grüneberg, § 242 Rn 87. 79 Grüneberg/Ellenberger, § 95 Rn 6 – „Versorgungsleitungen, vor allem in öffentlichen Straßen…“; OLG Stuttgart, Az. 2 U 82/19, Urt. v. 26.3.2020, Rn 89 ff. 80 Analogie für § 275 Abs. 2 nach Grüneberg/Herrler, § 1004 Rn 43 ff.  

  

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Kapitel 5. Sonderfälle

Hinblick auf die ständige, intensive Kooperation im täglichen Netzbetrieb – ein Gemeinschaftsunterfangen von Gemeinde und Netzbetreiber, sie ist demnach Mitverursacherin i. S. v. § 254 BGB.  



b) Rechtsmissbrauch und Verwirkung 70 Auch die Einrede des Rechtsmissbrauchs im Sinne eines groben Missverhältnisses

zwischen Leistung und Leistungsinteresse der Gemeinde findet hier Anwendung.81 Gleiches gilt für die oben genannten Argumente für eine Verwirkung.82 1 Praxistipp Sollten sich keine Möglichkeiten der Nachnutzung für ein stillgelegtes Erdgasnetz finden lassen, wird die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf juristische Regelungen die Ausnahme darstellen. Kaum eine Kommune oder ein Gasnetzbetreiber wird Interesse haben an für lange Zeit flächendeckend aufgebrochenen Straßen und Wegen, zumal die meisten deutschen Gasverteilnetzanlagen unterirdisch verlaufen. Auch ist der Mangel an lokal verfügbaren Bauunternehmen, die einen solchen Rückbau durchführen können, sehr real. Angesichts des geringen Nutzens, den das Ziel, keine derzeit ungenutzten Gasleitungen im Erdboden aufzuweisen, verspricht, dürften sowohl Gemeinden als auch Netzbetreiber nur in Ausnahmefällen zum Mittel des Rückbaus greifen. Findet sich kein neuer Bewerber auf eine ausgelaufene Konzession, fällt diese ohnehin an die öffentliche Hand und im Zuge dessen auch das Gasverteilnetz in der in Frage stehenden Gemeinde.83

81 Vgl. Kapitel 5 B. III. 1. b). 82 MüKo-BGB/Raff, § 1004 Rn 270. 83 Vgl. Kapitel 5 B. I. und II.  







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Kapitel 6 Praxis der Netzüberlassung A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag Erhält der bisherige Konzessionär (Altkonzessionär) nach Durchführung eines Neukonzessionierungsverfahrens erneut die Konzession, wird er also auch neuer Konzessionär (Neukonzessionär), ist eine Netzüberlassung nicht erforderlich. Der Netzbetrieb kann einfach durch den Altkonzessionär fortgesetzt werden. Ergibt das Neukonzessionierungsverfahren jedoch endgültig oder vorläufig, dass der Neukonzessionär eine andere Gesellschaft als der Altkonzessionär ist, bedarf es einer Netzüberlassung als Voraussetzung für eine tatsächliche Übernahme des Netzbetriebs durch den Neukonzessionär oder dessen Netzgesellschaft. In § 46 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG ist bestimmt, dass diese Netzüberlassung entweder durch Übereignung erfolgt oder – nach Wahl des Neukonzessionärs – durch Besitzeinräumung. Übereignung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Eigentum an dem jeweiligen Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung von Altkonzessionär auf den Neukonzessionär übertragen wird. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist hierfür eine vertragliche bzw. schuldrechtliche Grundlage erforderlich, ein Kaufvertrag, sowie eine Einigung der Parteien auf den Übergang des Eigentums sowie die Übertragung des Besitzes an dem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung. Ist noch nicht endgültig geklärt, ob die Vergabe der neuen Konzession an den Neukonzessionär wirksam erfolgt ist, weil etwa diesbezüglich noch eine gerichtliche Klärung erfolgt, kann eine solche Übereignung auch unter dem Vorbehalt einer Rückübertragung („auflösende Bedingung“) oder unter Bedingungen („aufschiebend bedingt“) erfolgen. Als Alternative zur Übertragung des Netzes zu Eigentum an den Neukonzessionär sieht das Gesetz die Möglichkeit einer (bloßen) Besitzeinräumung vor. Wie eben gezeigt, findet eine Besitzeinräumung in Form einer Besitzübertragung auch bei einer Eigentumsübertragung statt. Mit Besitzeinräumung ist vorliegend aber nicht dieser Teilaspekt einer Übereignung gemeint, sondern der Abschluss eines Vertrages, auf dessen Grundlage der Neukonzessionär vom Altkonzessionär lediglich der unmittelbare Besitz am Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung übertragen wird. Solche Verträge werden allgemein auch als Besitzmittlungsverhältnisse bezeichnet. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind die Leihe, die Miete und die Pacht Beispiele für solche Besitzmittlungsverhältnisse. Da der Anspruch auf Besitzeinräumung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG von der Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung abhängt, scheidet eine Leihe, die eine unentgeltliche Überlassung des Besitzes voraussetzt (vgl. § 598 BGB), als Vertragstypus aus. Weil der Neukonzessionär das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung nicht nur nutzen bzw. gebrauchen, sondern als NetzGeipel/Vaulont/Zemann https://doi.org/10.1515/9783110531909-023

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

betreiber auch die aus dem Betrieb des Netzes folgenden Erträge ziehen können soll, entspricht eine Netzüberlassung dem zivilrechtlichen Vertragstypus des Pachtvertrages und nicht des Mietvertrages, der allein auf Gebrauchsüberlassung gerichtet ist. 6 Die im Gesetz vorgesehene Alternative einer pachtweisen Besitzüberlassung kommt indes faktisch keine praktische Bedeutung zu, auch wenn viele Netzbetreiber im Land „ihre“ Netze im sog. Netzpachtmodell bewirtschaften. Denn hier sind zwei unterschiedliche Konzepte auseinanderzuhalten. Viele Netzgesellschaften sind nicht Eigentümer der Netze, die sie bewirtschaften, sondern ein konzernverbundenes Unternehmen, während meist die Mutter- oder eine Holdinggesellschaft Netzeigentümern ist. Das Recht, das Netz zu nutzen und die Erträge hieraus zu erzielen, wird diesen Netzgesellschaften innerhalb ihres Konzerns durch einen Netzpachtvertrag vermittelt. Eine Netzpacht gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 EnWG zielt demgegenüber darauf ab, dass der Altkonzessionär an einen konzernfremden Neukonzessionär das Netz nicht veräußert, sondern eben nur verpachtet. Während Netzpachtmodelle im Konzern gerade in der Vergangenheit ihre wirtschaftliche Berechtigung hatten und haben, ist ein Pachtverhältnis unter nicht konzernrechtlich verbundenen Unternehmen insbesondere für den Neukonzessionär regulatorisch wenig attraktiv.1 Deshalb verzichten wir für die Zwecke dieses Handbuchs auf die Darstellung des Pachtmodells gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 EnWG und fokussieren diesen Abschnitt auf die praxisrelevante Eigentumsübertragung per Kaufvertrag.

I. Überblick 7 Die Regelungen in den §§ 46 ff. EnWG geben nicht vor, in welcher Weise die geschuldete  

Übertragung des Netzes zu strukturieren ist und welche konkreten Regelungen erforderlich sind, jedenfalls zusätzlich zu denjenigen, die für eine Eigentumsübertragung nach dem Gesetz zwingend erforderlich sind. Die Parteien des Netzkaufs genießen insofern Vertragsfreiheit bei der Gestaltung der erforderlichen Vertragsdokumentation. Betrachtet man die Gesamtheit dessen, was die Parteien zu regeln haben, so sind folgende Themenkreise zu unterscheiden: – Erstens der Netzkauf als solcher und damit unmittelbar verbundene Aspekte, – zweitens die Netztrennung (auch Entflechtung genannt), d. h. die Bestimmung, welche Teile des Netzes konkret übergehen und welche technischen Netztrennungsund Netzeinbindungsmaßnahmen dafür erforderlich sind, einschließlich Fragen der Messung von Energieflüssen, – drittens die Bestimmung des Kaufpreises, – viertens die Aufteilung der Erlösobergrenze, soweit wie im Regelfall erforderlich, – fünftens der Umgang mit Grundstücksbenutzungsrechten und ggf. die Übereignung von Betriebsgrundstücken.  

1 Vgl. dazu insgesamt auch Kapitel 6 B. V. 1.  

Geipel/Vaulont/Zemann

A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag

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Es wäre rechtlich nichts dagegen einzuwenden, alle diese Themenkreise in einem einzigen umfangreichen Netzkaufvertrag zu regeln oder aber alle in separaten Vereinbarungen. Bei der Frage der vertraglichen Strukturierung hat sich in der Praxis gezeigt, dass es am sinnvollsten ist, zunächst eine rechtlich verbindliche Regelung zur Netztrennung (bzw. Entflechtung) zu treffen. Denn die Frage, welcher Teil eines Netzes konkret auf den Käufer übergeht, also den Kaufgegenstand bildet, steht im direkten Zusammenhang mit der Frage, wie hoch der Kaufpreis ist. Die Abgrenzung des Kaufgegenstandes und die Höhe des Kaufpreises sind wiederrum eng mit der Frage verbunden, welcher Anteil an der Erlösobergrenze auf den Käufer übergehen soll bzw. wird. Es ist zwar denkbar, alle diese Themenkreise parallel zu verhandeln und darüber einen einzigen Vertrag zu schließen, aber dies stößt oft auf praktische Grenzen. Zu beachten ist dabei auch der zeitliche Horizont: Wird eine Netztrennungsvereinbarung (bzw. Entflechtungsvereinbarung) vorab als erste Vereinbarung verbindlich abgeschlossen, können die notwendigen Bestellungen erforderlicher Netzkomponenten und die konkrete Ausführungsplanung für die erforderlichen Netztrennungsmaßnahmen beginnen. Dies nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Zudem sind witterungsbedingte Einschränkungen (möglichst kein Tiefbau im Winter, keine Unterbrechung von Gasflüssen zum Einbau von Messanlagen während der Heizperiode) zu beachten. Schalten die Parteien die Netztrennungsvereinbarung vor, können die für die Technik Verantwortlichen der Parteien mit der Vorbereitung und Umsetzung der Netztrennung beginnen, während die Verantwortlichen der Parteien, die die kaufmännischen, regulatorischen und juristischen Themen behandeln, parallel die anderen vier Themenkreise bearbeiten können und dafür mit der verbindlichen Netztrennung auch eine verbindliche Planungsbasis haben. Gleichwohl bleibt es möglich, alles in einem Vertrag zu regeln. Dann muss ggf. hinsichtlich der Themenbereiche, die auf der dann noch nicht finalen Netztrennung aufbauen, mit Annahmen gearbeitet werden und entsprechende Anpassungsmechanismen vereinbart werden. Es gibt aber noch weitere Gründe, einzelne Themenbereiche in einem gesonderten Vertrag und nicht direkt im Netzkaufvertrag zu regeln: Soll etwa mit dem Netz auch das Eigentum an Betriebsgrundstücken, etwa an kleinen Grundstücken, auf denen Ortsnetzstationen stehen, übertragen werden, erfordert dieser Grundstückskauf gemäß § 311b Abs. 1 S. 1 BGB eine notarielle Beurkundung. Die Gebühr des Notars richtet sich nach dem Geschäftswert des zu beurkundenden Vertrages. Wird ein Netzkaufvertrag, einschließlich des Grundstückskaufs, abgeschlossen, bildet nicht nur der (geringe) Kaufpreisanteil, der auf die Grundstücke entfällt, sondern der gesamten Kaufpreis für das Netz den Geschäftswert. Durch die Trennung des Netzkaufvertrages von dem Grundstückskaufvertrag können somit, insbesondere im Interesse des Käufers, der diese Kosten regelmäßig zu tragen hat, nennenswerte Notarkosten gespart werden. Ferner kann der Umstand, dass bestimmte Vereinbarungen Dritten gegenüber offengelegt werden müssen, dafürsprechen, diese Vertragsbestandteile in einem eigenGeipel/Vaulont/Zemann

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ständigen Vereinbarung zu verselbständigen. So sieht man etwa zum Teil separate und schlank gehaltene Vereinbarungen über die Aufteilung der Erlösobergrenze, die bei der Regulierungsbehörden in dem Verfahren gemäß § 26 Abs. 2 ARegV vorgelegt werden können.2 13 Wie erläutert, müssen nicht sämtliche Regelungen im eigentlichen Netzkaufvertrag enthalten sein, sondern sind ggf. besser in gesonderten Vereinbarungen aufgehoben. Sofern aus den o. g. oder anderen Gründen eine Aufteilung der Gesamtregelung auf mehrere Vereinbarungen erfolgt, muss darauf geachtet werden, diese ausreichend zu verzahnen, ohne zugleich den Vorteil der Aufteilung zunichte zu machen. Wird z. B. der Netzkauf unter Vorbehalt abgeschlossen, weil noch gerichtlich zu klären ist, ob der Käufer wirksam konzessioniert wurde, dann muss auch die separate Netztrennungsvereinbarung unter diesem Vorbehalt stehen oder ein Kaufvertrag über Betriebsgrundstücke. 14 Im Folgenden sind die verschiedenen Regelungsgehalte, die den o. g. Themenkreisen entsprechen, aus darstellerischen Gründen auf verschiedene Abschnitte aufgeteilt:  





II. Regelungen zur Netztrennung (Entflechtung) 15 Die wichtigste Funktion der Netztrennungsvereinbarung ist, eine verbindliche Regelung

darüber zu treffen, wie das zu übertragende Netz aus dem Netzgebiet des abgebenden Netzbetreibers herausgelöst wird und welche einzelnen Maßnahmen dafür erforderlich sind. Dies erfordert eine genaue Ausarbeitung von technischen Anlagen, die im Einzelnen die übergehenden Betriebsmittel benennen. Typischerweise ist dies eine Mischung aus tabellarischen Aufstellungen und schematischen Netzkarten, die Trennpunkte und erforderliche neue Betriebsmittel erkennen lassen. Zur Klarstellung werden teilweise auch Betriebsmittel einzeln benannt, die beim abgebenden Netzbetreiber verbleiben sollen. Dies kann etwa für Netzteile gelten, die als Kundenanlage des abgebenden Netzbetreibers, etwa für einen Betriebshof, einzustufen sind und deshalb von dem Übertragungsanspruch gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG nicht erfasst sind. 16 Die Netztrennungsvereinbarung sollte auch die für die Netztrennung erforderlichen Baumaßnahmen, einschließlich eines Zeitplans, enthalten. Insbesondere dort, wo es auf zeitlich abgestimmte Umschaltungen oder Umschlüsse ankommt, ist dies für einen störungsfreien Netzbetrieb, dem beide Netzbetreiber verpflichtet sind, erforderlich. 17 Die Zuweisung dieser Maßnahmen an die beiden Netzbetreiber indiziert auch die Aufteilung der Netztrennungs- bzw. Netzeinbindungskosten. D. h. der abgebende Netzbetreiber führt die ihm zugewiesenen Baumaßnahmen aus, die für die Netztrennung erforderlich sind, und der übernehmende Netzbetreiber die ihm zugewiesenen Baumaßnahmen, die für die Netzeinbindung erforderlich sind. Jeder trägt die ihm entstehenden Kosten selbst und hat darüber auch volle Kontrolle. Dieses Vorgehen entspricht  

2 Vgl. dazu Kapitel 6 C. Geipel/Vaulont/Zemann

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auch der Rechtsprechung des BGH, wonach der abgebende Netzbetreiber die Kosten der Netztrennung und der übernehmende Netzbetreiber die Kosten der Einbindung des Netzes in sein Netz zu tragen hat.3 Der abgelaufene Konzessionsvertrag kann aber eine andere Form der Kostenteilung vorsehen. Dies wäre dann ggf. abzubilden, wenn die Parteien nicht einvernehmlich etwas anderes regeln. Sind etwa nach dem abgelaufenen Konzessionsvertrag die Netztrennungs- und -einbindungskosten hälftig von den Netzbetreibern zu tragen, müsste vereinbart werden, wie eigene Kosten nachgewiesen werden und welche (effizienten) Kosten überhaupt anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund mag es für beide Parteien zielführender sein, die Kosten der ihnen zugewiesenen Baumaßnahmen jeweils selbst zu tragen, anstatt auf eine komplizierte und potentiell streitanfällige Kostenaufteilung zu setzen. Werden zur Entflechtung zwischen dem Netz des abgebenden Netzbetreibers und dem Netz des aufnehmenden Netzbetreibers Übergabepunkte errichtet, sind diese anhand der aktuellen Netznutzung zu dimensionieren. Plant der aufnehmende Netzbetreiber eine verstärkte Nutzung bspw. durch den Ausbau des Netzes oder infolge der Verknüpfung mit seinem übrigen Netz, kann es sinnvoll sein, die baulichen Entflechtungsmaßnahmen entsprechend zu planen und leistungsfähiger zu dimensionieren. Der aufnehmende Netzbetreiber hat aber keinen Anspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber, dass sich dieser an den hierfür anfallenden zusätzlichen Kosten beteiligt. Für die Verhandlung der Netztrennungsvereinbarung sowie Ausführungsplanung durch den übernehmenden Netzbetreiber sind vom Altkonzessionär alle erforderlichen technischen Informationen zum übergehenden Netzteil bereitzustellen, etwa GIS-Daten, was vertraglich im Rahmen der Netztrennungsvereinbarung verankert werden kann. Neben diesem Kerngehalt können sich die Parteien im Rahmen der Netztrennungsvereinbarung auch bereits auf den Übertragungsstichtag einigen, der typischerweise auf den 1. Januar eines Jahres fällt. Dies ist sinnvoll, weil die Umsetzung der technischen Maßnahmen unter der Netztrennungsvereinbarung auch in zeitlicher Hinsicht geplant werden, also auf ein Enddatum ausgerichtet werden muss. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Fristen der jeweiligen Marktkommunikation eingehalten werden. So ist etwa 3 Monate und 10 Werktage vor Übergang eines Netzbetriebes der Wechsel des Netzbetreibers allen Datenberechtigten (insbesondere Lieferanten, Marktgebietsverantwortlichen etc.) mitzuteilen.4 Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn sich durch umfangreiche technische Entflechtungsmaßnahmen ein Netzbetreiberwechsel verzögern und somit nicht vollzogen werden könnte. Idealerweise enthält die Netztrennungsvereinbarung auch bereits ein Konzept für die technische Übergabe des Netzes am bzw. um den Übertragungsstichtag. Dies kann

3 Z. B. BGH NJW 1992, S. 2888 m. w. N.; den Entflechtungsaufwand hat dagegen der bisherige Eigentümer zu tragen. 4 S. hierzu: BDEW/VKU/GEODE-Leitfaden Marktprozesse Netzbetreiberwechsel (Version 1.2.a), S. 15.  

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auch ein Konzept zur Zählerablesung umfassen. Weil der Übertragungsstichtag – auch aus regulatorischen Gründen – fast immer auf den 1. Januar entfällt, der als gesetzlicher Feiertag und Tag nach Silvester als Übergabetag faktisch nicht geeignet ist, werden die notwendigen Schritte zur Übertragung in der Regel bereits Ende Dezember oder etwas verzögert im Januar umgesetzt, etwa die Übergabe von Schlüsseln bzw. der Schlossaustausch an Übergabestationen oder die Ablesung bestimmter Messeinrichtungen. Soweit einzelne Betriebsmittel vor oder nach dem Übergabestichtag übergeben werden, sollte dies ebenso mittels geeigneter Protokolle festgehalten werden, damit hinsichtlich etwaiger Haftungsansprüche bezüglich der tatsächlichen Übergabezeitpunkte Klarheit herrscht. Zur Vorbereitung der jeweiligen Übergaben werden oftmals Begehungen notwendig sein. Da der bisherige Netzbetreiber bis dahin noch Anlagenverantwortlicher ist, ist insbesondere eine Begehung nur unter Anwesenheit technischen Personals des bisherigen Netzbetreibers durchzuführen. 23 Sofern im Zuge der Netztrennung Netzanschlüsse einer Partei am Netz des jeweils anderen Netzbetreibers erforderlich werden, kann es sich ferner anbieten, die Verpflichtung zur regulierungskonformen Gewährung dieser Netzanschlüsse zum Übertragungsstichtag gleich mit zu regeln. 24 Es sollte zudem darauf geachtet werden, dass die Netztrennung, wie sie in der Netztrennungsvereinbarung festgelegt wurde, so von den Parteien auch als verbindliche Grundlage des Netzkaufvertrages, der Wertermittlung für das Netz (Kaufpreis) sowie der Erlösobergrenzenaufteilung anerkannt wird. D. h. insbesondere der aufnehmende Netzbetreiber muss anerkennen, dass mit Umsetzung der Netztrennung sein Herausgabeanspruch bezogen auf die zum betreffenden Netz der allgemeinen Versorgung gehörenden Verteilanlagen vollständig erfüllt würde. Alles andere wäre nicht nur ineffizient, sondern würde den Wert einer vorgezogenen und separaten Netztrennungsvereinbarung insgesamt in Zweifel ziehen. Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass ungewollte Fehler oder Lücken in der technischen Beschreibung nicht noch korrigiert werden können. Hierfür wird regelmäßig in der Netztrennungsvereinbarung ein vertraglicher Mechanismus definiert.  

III. Regelungen zum eigentlichen Netzkauf, einschließlich Kaufpreis 25 Ein Netzkaufvertrag muss insbesondere diejenigen Regelungen enthalten, die nach dem

Zivilrecht für einen Kaufvertrag erforderlich sind (vgl. dazu 1. bis 3.). Ferner sind eine Reihe weiterer Aspekte in diesem Zusammenhang zu regeln (vgl. 4. bis 10.).

1. Verpflichtung zum Verkauf und zur Einigung auf die Eigentumsübertragung 26 Für den Netzkaufvertrag, wie für jeden Kaufvertrag, essentiell sind die Pflicht des

Verkäufers zur Übereignung des Kaufgegenstandes sowie die Pflichten des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme des Kaufgegenstandes (vgl. § 433 BGB). Geipel/Vaulont/Zemann

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Bei diesen grundlegenden Regelungen gibt es regelmäßig keinen Verhandlungsbedarf. Typischerweise werden in diesem Zusammenhang der Übertragungszeitpunkt (wie 27 er ggf. bereits in der Netztrennungsvereinbarung festgelegt wurde) sowie der Eigentums-, Besitz- und Gefahrübergang geregelt. Für die Eigentumsübertragung ist gemäß § 929 BGB neben der vertraglichen Verpflichtung zum Verkauf bzw. Ankauf stets noch eine dingliche Einigung erforderlich, die direkt in den Vertrag mit aufgenommen werden sollte. Der Übergang des Besitzes, also der unmittelbaren Sachherrschaft über die zum Kaufgegenstand gehörenden Anlagen, markiert den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, also insbesondere des Übergangs des sog. Untergangs- bzw. Verschlechterungsrisikos auf den Käufer.

2. Kaufgegenstand Damit klar ist, was verkauft wird und sich die Einigung über die Eigentumsübertragung auf einen eindeutigen Kaufgegenstand bezieht, muss dieser im Vertrag genau beschrieben werden. Hier kann selbstverständlich auf die Regelungen bzw. Anlagen der Netztrennungsvereinbarung, falls eine solche vorab geschlossen worden ist, Bezug genommen werden, um unnötige Wiederholungen oder sogar inhaltliche Widersprüche zu vermeiden. Da ein Energieversorgungsnetz ein komplexer und zugleich lebendiger Kaufgegenstand ist, werden oftmals Regelungen mit aufgenommen, die besagen, dass der Kaufgegenstand um Zu- und Abgänge zwischen Abschluss der Netztrennungsvereinbarung und dem Übertragungsstichtag als vom Kaufgegenstand erfasst bzw. nicht mehr erfasst behandelt werden und ob bzw. inwieweit neu errichtete Anlagen hinsichtlich der Kaufpreisermittlung anderweitig berücksichtigt werden müssen. Es sollte konkretisiert werden, ob stillgelegte Anlagen zum Kaufgegenstand gehören. Ob stillgelegte Anlagen vom Herausgabeanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG erfasst sind, ist, soweit ersichtlich, nicht abschließend gerichtlich geklärt. Dagegen spräche jedenfalls, dass diese Anlagen nicht für den Netzbetrieb „erforderlich“ sein können, wenn sie stillgelegt worden sind. Typischerweise besteht aber kein Interesse des abgebenden Netzbetreibers daran, das Eigentum von stillgelegten Anlagen zu behalten, zumal damit potentiell Beseitigungspflichten und -kosten verbunden sind. An einer Klarstellung zum Schicksal dieser Anlagen haben aber sowohl Altkonzessionär, Neukonzessionär als auch Gemeinde ein Interesse. Sofern der abgebende Netzbetreiber in seiner Rolle als Betreiber des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung grundzuständiger Messstellenbetreiber für das zu übertagende Netz ist, geht diese Stellung auf den übernehmenden Netzbetreiber zum Übertragungsstichtag über. D. h. es müssen in diesem Fall auch die Messeinrichtungen mit in den Kaufgegenstand mit einbezogen werden, die der aufnehmende Netzbetreiber benötigt, um seine künftige Rolle als grundzuständiger Messstellenbetreiber auszufüllen.  

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Ähnlich wie im Rahmen einer Netztrennungsvereinbarung besteht ggf. ein Interesse, den Kaufgegenstand bezogen auf bestimmte Betriebsmittel auch negativ abzugrenzen. D. h. es wird bestimmt, welche konkreten Anlagen nicht zum Kaufgegenstand gehören sollen oder nur zu welchem Anteil. Führt etwa eine Stromleitung, die für die örtliche Versorgung notwendig ist, über die Grenze des Konzessions- bzw. Gemeindegebiets hinaus, endet der Übereignungsanspruch regelmäßig an der Gemeindegrenze. Bzgl. einer solchen Leitung wären grundsätzlich drei Lösungen denkbar: Sie verbleibt beim abgebenden Netzbetreiber und wird vom Kaufgegenstand ausgenommen, sie geht bis zum nächsten Netzverknüpfungspunkt auf den aufnehmenden Netzbetreiber über und wird in Gänze in den Kaufgegenstand einbezogen oder sie wird nur teilweise übertragen und bei der Bestimmung des Kaufgegenstands müsste die Eigentumsgrenze definiert werden. Zu beachten ist hierbei, dass der abgebende Netzbetreiber die Sicherung seiner Leitung im Blick behält, da mit Wegfall des bisherigen Konzessionsvertrages seine schuldrechtliche Leitungssicherung ebenso wegfällt. Hier entsprechende dingliche oder schuldrechtliche Sicherungen einzuholen, ist notwendig, um sich nicht etwaigen Beseitigungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. 34 Zu dem Kaufgegenstand können auch gemischt genutzte Leitungen gehören, unabhängig von ihrer Druck- oder Spannungsebene. Der Übereignungsanspruch des aufnehmenden Netzbetreibers nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG bezieht sich auf sämtliche Leitungen und Anlagen, die für das Netz der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet notwendig sind und eine mehr als nur unwesentliche Funktion für die örtliche Versorgung haben.5 Notwendig sind alle Anlagen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der neue Konzessionsnehmer seine Versorgungsaufgabe nicht mehr wie der frühere Netzbetreiber erfüllen könnte.6 Was eine mehr als nur unwesentliche Funktion ist, definierte der BGH bislang aber nicht. Gemischt genutzte Leitungen höherer Druck- und Spannungsebenen haben zumindest dann eine mehr als nur unwesentliche Funktion, wenn sie Verteilungsanlagen einzelner Niederdruck- und Niederspannungsanlagen zu einem einheitlichen örtlichen Verteilernetz verbinden.7 Darüber hinaus dürfte es noch weitere Fälle geben, in denen gemischt genutzte Leitungen höherer Druck- und Spannungsebenen eine mehr als nur unwesentliche Funktion für die örtliche Versorgung haben. Dabei ist nicht entscheidend, ob ein Letztverbraucher unmittelbar an die gemischt genutzte Leitung angeschlossen ist. Während der BGH in seiner Entscheidung Stromnetz Homberg diese Frage noch offenließ,8 bejaht er dies in der Entscheidung Strom- und Gasnetz Stuttgart ausdrücklich.9 Maßgeblich ist die konkrete Netzstruktur im Einzelfall. 33



5 Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 24 f., 28 – Strom- und Gasnetz Stuttgart; in Fortführung von BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – EnVR 10/13 –, Rn 30 ff., juris, RdE 2015, 29–38, Stromnetz Homberg. 6 Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 24 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. 7 Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 34 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. 8 Vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – EnVR 10/13 –, Rn 36, juris, RdE 2015, 29–38, Stromnetz Homberg. 9 Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 34 – Strom- und Gasnetz Stuttgart.  



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Dabei müssen auch die Ziele des § 1 EnWG in Bezug auf des Übereignungsanspruch des aufnehmenden Netzbetreibers aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG berücksichtigt werden.10 Werden diese Ziele in besonderer Art und Weise durch die Übertragung einzelner Anlagen gefährdet, kann der Übereignungsanspruch bezüglich dieser Anlagen ausgeschlossen sein.11 Welche Maßstäbe an eine derartige Gefährdung der Ziele des § 1 EnWG anzulegen sind, ist bislang nicht entschieden. Dies dürfte nur selten der Fall sein. Denkbar ist bspw. die Gefährdung der Versorgungssicherheit durch den zusätzlichen Einbau von Messanlagen bei einer gemischt genutzten Hochdruckleitung, die quer durch das Konzessionsgebiet führt und neben der Versorgung des Konzessionsgebiets auch die dahinter liegenden Gemeinden versorgt. Mit jeder zusätzlichen Messeinrichtung sinkt der Druck in der Leitung etwas. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass der Druck in der Leitung nicht mehr ausreicht, um die Gemeinden am Ende der Hochdruckleitung ausreichend zu versorgen. In derartigen Fällen kann es daher geboten sein, dass diese einzelne Leitung im Eigentum des abgebenden Netzbetreibers zu belassen. Reine Durchleitungsanlagen ohne Bezug zur örtlichen Versorgung im Gemeindegebiet sind nicht von dem Übereignungsanspruch des aufnehmenden Netzbetreiber erfasst.12 Der aufnehmende Netzbetreiber hat wohl kein Wahlrecht, welche Leitungen und Anlagen er von dem abgebenden Netzbetreiber übernimmt. Er kann nicht auf einzelne Komponenten verzichten, die er aus seiner Sicht nicht braucht, um die Versorgung gewährleisten zu können. Selbst wenn der aufnehmende Netzbetreiber bereits in angrenzenden Konzessionsgebieten Netzbetreiber ist und daher eine andere Netzstruktur möglich ist als bisher, hat er sämtliche Leitungen und Anlagen zu übernehmen. Der Anspruch nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG bezieht sich auf das gesamte örtliche Netz der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet. Der aufnehmende Netzbetreiber kann sich dabei nicht auf Kosten des abgebenden Netzbetreibers optimieren, indem er lediglich Teile des Netzes übernimmt. Der abgebende Netzbetreiber kann sich aber auch nicht auf Kosten des aufnehmenden Netzbetreibers optimieren und diesem gegen dessen Willen Anlagen aufdrängen, die außerhalb des Konzessionsgebiets liegen. Grundstücke werden regelmäßig nicht zum Kaufgegenstand gehören, sondern über eine gesonderte Vereinbarung übereignet, soweit es überhaupt solche Betriebsgrundstücke gibt. Zum Kaufgegenstand gehören aber die Grundstücksbenutzungsrechte des abgebenden Netzbetreibers im betreffenden Netzgebiet, insbesondere schuldrechtliche Gestattungsverträge als auch dinglich gesicherte beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.13

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Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 36 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 37 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2020 – EnZR 75/18 –, Rn 33 – Strom- und Gasnetz Stuttgart. Vgl. dazu Kapitel 6 A. VI.

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

3. Kaufpreis 39 Die letzte zwingend erforderliche Regelung für einen Kaufvertrag ist eine Abrede zum

Kaufpreis. Dass ein solcher gezahlt werden muss, folgt schon aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG, wonach der Anspruch auf Übereignung nur gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung besteht. 40 Der Kaufpreis für ein Netz wird nicht durch Angebot und Nachfrage über den Wert des Netzes am Markt bestimmt, sondern insbesondere unter Berücksichtigung regulatorischer Vorgaben sowie Vorgaben der Rechtsprechung. Oftmals können die Parteien auch keine abschließende Einigkeit über die Höhe des Kaufpreises erzielen. Es bietet sich deshalb insbesondere an, verschiedene Anteile des Kaufpreises transparent auszuweisen. Dazu gehört in erster Linie der Kaufpreisanteil für die Übernahme des Netzes, z. B. der kalkulatorische Restwert14, sowie die Angabe, auf welchen Stichtag hin dieser berechnet wurde. Ferner sind hier die sog. echten und unechten Synergieeffekte zu nennen. Sollten – entgegen dem Üblichen – auch Grundstücke im Kaufvertrag verkauft werden, wäre auch der hierauf entfallende Anteil des Kaufpreises auszuweisen. Auch für Grundstücksbenutzungsrechte wird eine angemessene wirtschaftliche Vergütung regelmäßig vereinbart. Nicht Teil des eigentlichen Kaufpreises, sondern eher ein Verrechnungsposten sind noch nicht aufgelöste Baukostenzuschüsse, die von den Anschlussnehmern gezahlt worden sind, die an das zu übertragende Netz angeschlossen sind. Auch diese Angabe ist auf einen Stichtag zu beziehen. Sofern sich die Parteien nicht auf einen Gesamtkaufpreis einigen können, bezieht sich dies in der Regel nur auf einzelne Kaufpreisbestandteile, deren Höhe strittig ist. 41 Die transparente Ausweisung der Bestandteile des Kaufpreises erlaubt den Parteien zwei Dinge: Zum einen kann beim Streit über einzelne Positionen z. B. die Zahlung des kalkulatorischen Restbuchwertes fest und die Zahlung des Kaufpreisanteils, der auf Synergieeffekte entfällt, nur unter Vorbehalt vereinbart werden.15 Zum anderen erlaubt diese transparente Aufteilung, dass nachlaufende Anpassungen an das Mengengerüst des abzugebenden Netzes zum Übertragungsstichtag, die bisweilen erst nach dem Übertragungsstichtag feststehen, ohne weitere, insbesondere ohne neue Kaufpreisverhandlungen, möglich sind. Dies gilt auch für spätere Kaufpreisanpassungen wegen einer abweichend von den ursprünglichen Vorstellungen der Parteien von der Regulierungsbehörde aufgeteilten Erlösobergrenze. 42 Ergänzend zur Kaufpreisregelung bietet es sich an, die Anforderungen an die für die Zahlung des Kaufpreises erforderliche Rechnung sowie das Datum der Fälligkeit des Kaufpreises zu regeln. Ohne eine Fälligkeitsregelung würde der Kaufpreis regelmäßig gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort nach Vertragsschluss fällig. Der Neukonzessionär wird ty 



14 Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 und 5 EnWG sind auch andere Methoden der Kaufpreisbestimmung zulässig. Vgl. insofern auch Kapitel 6 C. 15 Vgl. insofern Kapitel 6 B. III. 6.  



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A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag

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pischerweise aber den Kaufpreis erst parallel oder kurz vor der Übergabe des Netzes zahlen wollen.

4. Sachmängelgewährleistung Der Ausgangspunkt für den Abschluss eines Kaufvertrages ist ein vertraglicher oder der 43 gesetzliche Herausgabeanspruch. Herausgabeansprüche sind ihrer Natur nach auf die Herausgabe dessen, was da ist, gerichtet, nicht an die Übereignung einer Sache in einem bestimmten (mangelfreien) Idealzustand. Der abgebende Netzbetreiber hatte aber die Pflicht, die Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist und dazu die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Der aufnehmende Netzbetreiber kann daher die Bestätigung vom abgebenden Netzbetreiber verlangen, dass der Kaufgegenstand den gesetzlichen Anforderungen an Energieanlagen nach § 49 Abs. 1 und 2 EnWG entspricht und Sachmängel, welche die Betriebstauglichkeit des Kaufgegenstandes einschränken, nicht bekannt sind und der Kaufgegenstand zum Übergabezeitpunkt frei von Rechten Dritter ist. Üblicherweise verpflichtet sich der abgebende Netzbetreiber auch, den Kaufgegenstand bis zum Übergabezeitpunkt in diesem gebrauchsfähigen Zustand nach den allgemeinen Regeln der Technik und unter Beachtung der für den Kaufgegenstand einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und etwaigen Anforderungen und Auflagen der zuständigen Aufsichtsbehörden zu erhalten. Werden Energieversorgungsnetze hingegen „wie sie stehen und liegen“ unter Ausschluss jeglicher Sach- und Rechtsmängelhaftung oder sonstiger Ausgleichsansprüchen verkauft, dürfte das im Rahmen des Kaufpreises entsprechend berücksichtigt werden. Mögliche Ansprüche gegen Dritte, etwa gegen Hersteller von bestimmten Betriebsmitteln oder Baufirmen werden regelmäßig zusammen mit dem Netz an den Käufer abgetreten. Insbesondere wenn Ölkabel übereignet werden, sollten die Parteien zudem den 44 Umgang mit möglichen Ausgleichsansprüchen nach dem Bundesbodenschutzgesetz bzw. dem Umweltschadensgesetz berücksichtigen.

5. Herausgabe von Daten und Übergabe von Unterlagen Für den Betrieb des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung benötigt der 45 Käufer ab dem Übertragungsstichtag eine Reihe von Informationen und Unterlagen. Üblicherweise handelt es sich dabei um Informationen zu – Netzverträgen (Aufstellung zu Netzanschlussverträgen, Lieferantenrahmenverträgen, Netznutzungsverträgen, Anschlussnutzungsvereinbarungen, Sondervereinbarungen mit großen Netznutzern, Netzkopplungsverträge, Messstellenverträge etc.), – Netzkunden (Namen, Anschriften, Marktlokationen, Abrechnungsdaten, Lastprofile etc.),

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Informationen im Zusammenhang mit der operativen Abwicklung des Netzbetreiberwechsels gemäß GPKE, GeLi und sonstiger von den Regulierungsbehörden erlassenen Festlegungen zu Prozessen, elektronische Netzdaten, kalkulatorische Daten zum Netz, die der Käufer für Kostennachweise bei der Regulierungsbehörde benötigt, insbesondere die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie kalkulatorischen Restwerte.16

46 Diese werden oftmals bereits im Rahmen einer Netztrennungsvereinbarung übermit-

telt, um dem neuen Netzbetreiber eine angemessene Vorbereitung seines Netzbetriebs zu ermöglichen. Der gesetzliche Herausgabeanspruch gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG gewährt zwar keine Auskunftspflichten dieser Art. Aber ein solcher Anspruch wird nach ständiger Rechtsprechung aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem durch Gesetz oder Vertrag begründeten Schuldverhältnis (Herausgabeanspruch) abgeleitet.17 Dies kann heute als unstreitig angesehen werden. Auf welche Informationen und Unterlagen sich dieser Anspruch konkret richtet, mag aber im Einzelfall streitig sein. Dies gilt insbesondere bzgl. bestimmter Informationen betreffend die Kalkulation der Netzkosten durch den abgebenden Netzbetreiber.18 Ebenso gilt dies für die Frage der Qualität der zu übermittelnden Daten. So kann die Erstellung bspw. von Netzplänen statt in einem gängigen dxf-Format in einem aufwändigeren shape-Format zu Kosten beim abgebenden Netzbetreiber führen, die er sich bei entsprechendem Verlangen vom aufnehmenden Netzbetreiber ersetzen lassen kann. Künftig werden zudem nach und nach Konzessionsverträge neuerer Art ablaufen, die typischerweise auch vertragliche Informationspflichten enthalten. 47 Es bietet sich im Übrigen an, im Rahmen einer Anlage zum Netzkaufvertrag detailliert die wichtigsten Informationen und Unterlagen, die zu teilen bzw. übergeben sind, aufzuführen. Diese Aufstellung sollte für jede Information oder Unterlage auch die Form ihrer Bereitstellung bestimmen (z. B. in Papier im Original, in Papier als Kopie, elektronisch im PDF- oder Excel-Format, Datensatz für GIS-Datensysteme, Hinterlegung in virtuellen Datenräumen etc.). 48 Schließlich wird im Vertrag zu bestimmen sein, wann und in welcher Form, der Verkäufer dem Käufer etwaige gedruckte Originale der übertragenen Verträge oder elektronische Kopien übergibt, um den Käufer in die Lage eines effizienten Vertragsmanagements zu versetzen.  

16 Vgl. dazu auch Kapitel 6 C. 17 OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Januar 2008 – 11 U 20/07 (Kart) –, Rn 88, juris, RdE 2008, 146–151; LG Dortmund, Urteil vom 10. Juli 2008 – 13 O 126/06 Kart –, juris, ZNER 2008, 252–253; LG Hannover, Urteil vom 24. Juni 2010 – 18 O 260/08 –, juris, RdE 2010, 352–355; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. September 2014 – 2 U 122/13 (EnWG) –, Rn 27, juris, RdE 2016, 141–146. 18 Vgl. dazu Kapitel 6 B. IV. Geipel/Vaulont/Zemann

A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag

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6. Vorbehalte Sofern die Parteien hinsichtlich des Ob eines Netzübergangs, des Umfangs des Kauf- 49 gegenstandes oder der Bestimmung des Kaufpreises keine Einigung erzielen können, hat sich ein Vertragsschluss unter bestimmten Vorbehalten eingebürgert. In der Vorauflage zu diesem Handbuch hat das Thema „Vorbehaltskauf“ noch großen Raum eingenommen, weil sich hierum damals viele Streitfragen rankten.19 Aus heutiger Sicht ist die Gestaltung von Vorbehalten eher eine vertragstechnische Frage, die, sofern Vorbehalte überhaupt notwendig sind, meist keinen großen Raum einnimmt. Folgende grundsätzliche Konstellationen sind zu unterscheiden: Ist insgesamt strit- 50 tig, ob ein Netz übertragen werden muss oder nicht, wird diese Frage üblicherweise zunächst gerichtlich geklärt. Eine Netzübertragung unter einem allgemeinen Rückübertragungsvorbehalt ist selten. Sie kann bei Streitigkeiten über die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises auch allenfalls dann verlangt werden, wenn der Käufer bereit ist, den vom Verkäufer verlangten Kaufpreis zunächst zu zahlen.20 Da überdies eine Netzübertragung in der Regel eine Netztrennung und aufwändige Marktkommunikationen bei einem Netzbetreiberwechsel erforderlich macht, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist, wird weder der potentielle Verkäufer noch der potentielle Käufer bereit sein, auf Basis eines im Grunde bestrittenen Herausgabeanspruchs eine Netzübertragung durchzuführen, die dann ggf. rückabwickelt werden muss. Häufiger anzutreffen ist die Situation, dass die Parteien beide von einer grundsätz- 51 lichen Pflicht zur Übertragung des betreffenden Netzes ausgehen, aber bzgl. bestimmter Betriebsmittel strittig ist, ob diese zum Kaufgegenstand gehören oder nicht. Während für Betriebsmittel, ohne die ein Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung nicht betrieben werden kann, kaum vorstellbar ist, dass der Verkäufer die Position einnimmt, diese seien nicht zu übertragen, kann dies für Betriebsmittel, etwa redundante Anlagen, stillgelegte Anlagen, Anlagen einer Spezialversorgung oder für Betriebsgrundstücke streitig sein. Das Zurückhalten solcher Betriebsmittel verhindert regelmäßig nicht die Übertragung des Energieversorgungsnetzes als solchem. Aus den vorgenannten Gründen, dass eine Übertragung und spätere Rückübertragung oftmals mit erheblichen Transaktionskosten verbunden ist, dürfte es in diesem Fall praktisch immer (für beide Parteien) sinnvoller sein, dass der Käufer den Kaufgegenstand nur unter dem Vorbehalt der Nachforderung der strittigen Betriebsmittel akzeptiert. Der Käufer kann dann in einem gesonderten nur auf die strittigen Betriebsmittel bezogenen Rechtsstreit den von ihm angenommenen Herausgabe- und Übereignungsanspruch gegen den Verkäufer versuchen durchzusetzen. Idealweise sehen die Parteien im Netzkaufvertrag gleich einen Kaufpreis für jedes strittige Betriebsmittel vor, so dass nach einer gerichtlichen Entscheidung zugunsten des Käufers die Übereignung der vom Gericht zugesprochenen Betriebsmittel zügig erfolgen kann und dann nicht erst in eine Kaufpreisver-

19 Vgl. die die detaillierten Ausführungen zum Vorbehaltskauf in Kapitel 7 D. der Vorauflage. 20 Vgl. Beschluss vom 3. Juni 2014 – EnVR 10/13 –, Rn 43, juris, RdE 2015, 29–38, Stromnetz Homberg. Geipel/Vaulont/Zemann

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

handlung ggf. erst Jahre nach der Übereignung des eigentlichen Netzes eingestiegen werden muss. 52 Am weitaus häufigsten ist, dass sich die Parteien dem Grunde und dem Umfang nach auf eine Netzübertragung geeinigt haben, aber bei der Kaufpreisbestimmung nicht zu einer Einigung gelangen. Erfolgt die Kaufpreisbestimmung auf Basis des kalkulatorischen Restwerts des zu übertragenden Netzes, ist der Streitpunkt regelmäßig nicht dieser selbst, sondern ob und, wenn ja, in welcher Höhe sog. echte und unechte Synergien bei der Kaufpreisermittlung zu berücksichtigen sind.21 Sofern Grundstücke und Grundstücknutzungsrechte zum vereinbarten Kaufgegenstand gehören, kann auch deren Bewertung streitig sein. Im klassischen Modell des Vorbehaltskaufs akzeptiert der Käufer den vom Verkäufer geforderten höheren Kaufpreis im Rahmen des Kaufvertrages, aber behält sich die Rückforderung desjenigen Anteils des Kaufpreises vor, der seines Erachtens vom Verkäufer zu Unrecht beansprucht worden ist. Die Erklärung eines solchen Vorbehalts ist erforderlich, weil eine Zahlung des höheren Kaufpreises ohne Vorbehalt gemäß § 814 BGB einer späteren Rückforderung des strittigen Teils des Kaufpreises entgegenstehen könnte. Der Verkäufer hat nicht das Recht, den Käufer zu zwingen, den von ihm geforderten höheren Kaufpreis ohne Vorhalt zu akzeptieren.22 Denn trotz des Vorbehalts der Rückforderung tritt mit faktischer Zahlung des erhöhten Kaufpreises Erfüllung unter dem Netzkaufvertrag ein, d. h. der Verkäufer erhält zunächst rechtlich, was er an Kaufpreis gefordert hat. 53 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH stellt die Zahlung des Kaufpreises unter Rückforderungsvorbehalt dann eine ordnungsgemäße Erfüllung im Sinne von § 362 BGB dar, wenn der Käufer lediglich die Wirkung des § 814 BGB ausschließen will, d. h. sich also die Möglichkeit offen halten will, den nach seiner Auffassung zu viel gezahlten Kaufpreis nach § 812 BGB (Bereicherungsrecht) zurückzufordern. Der Käufer will mit diesem „einfachen“ Vorbehalt lediglich verhindern, dass die Kaufpreiszahlung als Anerkenntnis des Bestehens des Kaufpreisanspruchs in der geforderten Höhe verstanden werden kann.23 Wenn die Kaufpreiszahlung in der geforderten Höhe hingegen unter einem weitergehenden „qualifiziertem“ Vorbehalt erfolgt, mit dem der Käufer das Bestehen des Kaufpreisanspruches in der geforderten Höhe als angemessene Vergütung insgesamt in Frage stellt („ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“), ist die Kaufpreiszahlung keine ordnungsgemäße Erfüllung im Sinne von § 362 BGB.24 Denn der Käufer leistet die Zahlung in diesem Fall nur unter der Bedingung des Bestehens der Kaufpreis 



21 Vgl. dazu Kapitel 6 C. 22 Vgl. etwa Vorbehalt BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – EnVR 10/13 –, Rn 43, juris, RdE 2015, 29–38. 23 BGH NJW 2007, 1269, 1270; BGH NJW-RR 2006, 61, 62 f.; BGH NJW 1999, 494, 496; BGH NJW 1983, 1111, 1112; BGH NJW 1982, 2301, 2302; BGH NJW 1982, 1147; Grüneberg/Grüneberg, § 362 Rn 14; MüKo-BGB/Wenzel, § 362 Rn 4. 24 BGH NJW 2007, 1269, 1270; BGH NJW 2003, 2014, 2017; BGH NJW 1999, 494, 496; BGH NJW 1984, 2826 f.; BGH NJW 1983, 1111, 1112.  



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A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag

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forderung ohne Anerkennung der Schuld.25 Ein Vorbehalt dieser Art lässt die Schuldtilgung in der Schwebe und schließt die Erfüllung nach § 362 BGB aus. In diesem Fall darf der Verkäufer als Gläubiger der Kaufpreiszahlung diese ablehnen.26 Entsprechend muss der Verkäufer – trotz grundsätzlicher Kontrahierungspflicht nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG – dem Abschluss eines Netzkaufvertrages, der einen solchen qualifizierten Vorbehalt enthält, nicht zustimmen. Fordert der Käufer aber nur einen einfachen Vorbehalt, muss der Verkäufer den Netzkaufvertrag auf dieser Basis schließen und kann bei Zahlung des Netzkaufpreises unter diesem Vorbehalt weder ein Zurückbehaltungsrecht am Netz gemäß § 273 BGB noch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB geltend machen. Insbesondere im derzeitigen Zinsumfeld birgt das klassische Vorbehaltsmodell für 54 den Verkäufer ein erhebliches Zinsrisiko. Zahlt der Käufer auf Verlangen des Verkäufers unter einfachem Rückforderungsvorbehalt einen erhöhten Kaufpreis und ist der Käufer vor Gericht erfolgreich, muss der Verkäufer den überschießenden Anteil des Kaufpreises an den Käufer zurückzahlen sowie hierauf Verzugszinsen in Höhe von derzeit fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz entrichten. Angesichts der Dauer von Rechtsstreitigkeiten über ggf. mehrere Instanzen, kann dies zu einer ganz erheblichen Zinsbelastung führen. Zudem ist das Risiko, in einem Rechtsstreit ganz oder teilweise zu unterliegen, vergleichsweise hoch, weil die Ermittlung der konkreten Kaufpreishöhe von verschiedenen Bewertungsfragen abhängig ist, so dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht genau prognostiziert werden kann. Es mag daher aus Sicht des Verkäufers sinnvoller sein, eine sofortige Zahlung des unstreitigen Anteils des Kaufpreises (Mindestkaufpreis) zu vereinbaren und die Fälligkeit des verbleibenden Anteils des Kaufpreises (Vorbehaltskaufpreis) bis zu einer gerichtlichen Klärung aufzuschieben. Für den Fall, dass der Vorbehaltskaufpreis am Ende vom Käufer ganz oder teilweise nachzuzahlen ist, könnte eine marktangemessene Verzinsung vereinbart werden.27 Eine weitere Möglichkeit, das Zinsrisiko für den Fall zu minimieren, dass der vom 55 abgebenden EVU geforderte (hohe) Kaufpreis gezahlt wird, liegt darin, einen niedrigeren Zinssatz für den etwaig zurückzuzahlenden Teil des Kaufpreises vertraglich zu regeln. Aufgrund der Vertragsfreiheit besteht keine Verpflichtung, den gesetzlichen Zinssatz für Verzugszinsen gemäß § 288 BGB zu vereinbaren. Bei einer solchen Vereinbarung ist § 288 Abs. 6 BGB mit seinen Beschränkungen im Auge zu behalten.

25 BGH NJW 2007, 1269, 1270; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 27, 28; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1430; OLG Hamm NJW-RR 1987, 985, 986. 26 Grüneberg/Grüneberg, § 362 Rn 14; MüKo-BGB/Wenzel, § 362 Rn 4. 27 Jedoch ist bei einer aufgespaltenen Fälligkeit von Mindestkaufpreis und Vorbehaltskaufpreis zu klären, ob die Zahlung der Ertragssteuer (Körperschaft- und Gewerbesteuer) sowie der Umsatzsteuer nicht ggf. zunächst auf den Gesamtkaufpreis bezogen ist, vorbehaltlich einer späteren Korrektur, wenn es bei der Zahlung des Mindestkaufpreises bleibt. Geipel/Vaulont/Zemann

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

7. Übertragung von Verträgen und Rechten 56 Mit der Übertragung des Netzes müssen auch diejenigen Verträge vom Verkäufer auf den

Käufer übertragen werden, die der Käufer für den Netzbetrieb benötigt. Dies betrifft z. B. die Verträge über Netzanschluss, Vereinbarungen zur Netzanschlussnutzung, ggf. Lieferantenrahmenverträge und sonstige Netznutzungsverträge, Sondervereinbarungen mit großen Netznutzern, Netzkopplungsverträge, Messstellenverträge sowie Wartungsverträge bzw. Dienstleistungsverträge betreffend Betriebsmittel. Typischerweise wird in einer Anlage näher bestimmt, welche Arten bzw. Gruppen von Verträgen zu übertragen sind. 57 Die Übertragung einiger dieser Verträge mag der Zustimmung der dritten Vertragspartei bedürfen. Für diesen Fall ist zu regeln, dass die Parteien sich gemeinsam um diese Zustimmung bemühen und sich, wenn diese Zustimmung gleichwohl nicht erteilt wird, so stellen wie sich wirtschaftlich stünden, wäre der Vertrag wirksam übertragen worden. 58 In diesem Kontext bietet sich auch an, eine gemeinsame und abgestimmte Veröffentlichung zum Netzbetreiberwechsel gemäß § 25 Abs. 2 NAV/NDAV zu vereinbaren.  

8. Ansprüche und Forderungen Dritter 59 Die Parteien müssen eine Regelung dazu finden, wie mit Ansprüchen und Forderungen

Dritter bezogen auf den Netzbetrieb umzugehen ist. So stehen Forderungen gegenüber Dritten, die bis zum Übertragungsstichtag dem Grunde nach aus dem Netzbetrieb entstehen, dem Verkäufer zu. Das Vertragsverhältnis wird regelmäßig jedoch zum Übertragungsstichtag auf den Käufer übertragen, so dass diesem zivilrechtlich Zahlungen unter den übernommenen Verträgen, auch wenn sie sich auf die Zeit vor dem Übertragungsstichtag beziehen, zivilrechtlich zustehen. Entsprechend muss ein Ausgleichsanspruch vorgesehen werden, um zum wirtschaftlich gewollten Ergebnis einer Abgrenzung zum Übertragungsstichtag zu gelangen. 61 Meist wird auch allgemein geregelt, dass die Parteien Zahlungen, die von Dritten zu Unrecht an die Käufer bzw. Verkäufer geleistet wurden, an die andere Partei ausgekehrt werden. 62 Für Ansprüche Dritter, etwa wegen Schäden durch den Netzbetrieb gilt Entsprechendes. Sind solche Ansprüche Dritter vor dem Stichtag dem Grunde nach entstanden, ist der Verkäufer wirtschaftlich zur Erfüllung verpflichtet, anderenfalls der Käufer. Auch insofern mag nach Übertragung der Verträge die zivilrechtliche Lage eine andere sein, die dann durch einen Ausgleichsanspruch wirtschaftlich zu korrigieren ist. 63 Relevant werden diese Regelungen etwa bei Korrekturen von Netzentgeltabrechnungen, die sich auf Zeiten vor dem Übertragungsstichtag auswirken, bei der Rückforderung von gezahlten Konzessionsabgaben im Rahmen der Grenzpreisregelung oder bei der Regulierung von zum Übertragungsstichtag noch nicht regulierten Schäden.

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A. Netztrennungsvereinbarung und Kaufvertrag

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9. Streitbeilegungsregelungen Sofern die Parteien die Klärung etwaiger Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit 64 dem Netzkaufvertrag einem Schiedsgericht oder einem Schiedsgutachter zur Entscheidung übertragen wollen, ist dies rechtlich ohne weiteres zulässig. Es besteht aber gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG weder für den Käufer noch für den Verkäufer ein Anspruch darauf, dass die andere Partei einer entsprechenden Schiedsklausel oder Schiedsgutachterklausel zustimmt. Können sich die Parteien nicht auf eine solche Klausel einigen, ist der ordentliche Gerichtsweg für die Klärung etwaiger Streitigkeiten eröffnet.

10. Vertraulichkeit Der Verkäufer ist regulatorisch und teilweise vertraglich verpflichtet, während des Neukonzessionierungsverfahrens bestimmte Netzinformationen offenzulegen, um einen fairen Wettbewerb um das Netz zu ermöglichen.28 Aber auch im Rahmen der Verhandlungen über eine Netzübernahme ist der Verkäufer nach der Rechtsprechung verpflichtet, bestimmte Mindestinformationen bereitzustellen, die es dem Käufer etwa ermöglichen, die Kaufpreisberechnung nachzuvollziehen.29 Das Bestehen eines Auskunftsanspruchs des Käufers bedeutet aber nicht, dass der Käufer mit diesen Informationen nach Belieben verfahren darf. Vielmehr ist es üblich, insofern in die Netztrennungsvereinbarung und/oder den Netzkaufvertrag Regelungen zur Vertraulichkeit aufzunehmen oder für den gesamten Prozess der Netzübernahme gleich zu Beginn eine separate Vertraulichkeitsvereinbarung abzuschließen, die in allen folgenden Verträgen nur noch in Bezug genommen wird. Typischerweise werden in Vertraulichkeitsvereinbarungen auch die Grenzen der Vertraulichkeit bestimmt. So darf der Käufer etwa im Rahmen des Antrags auf Aufteilung der Erlösobergrenze bestimmte für die Kalkulation der Netzkosten relevante Informationen, die ihm der Verkäufer zur Verfügung gestellt hat, der Regulierungsbehörde gegenüber offenlegen. Zudem ist zu überlegen, ob Dritte ggf. ein berechtigtes Informationsinteresse haben, etwa Mitglieder eines Beirats oder ein Gesellschafter, denen dann gegen gesonderte Verpflichtung zur Vertraulichkeit Zugang zu vertraulichen Informationen gewährt werden kann.

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IV. Arbeitsrechtliche Aspekte Arbeitsrechtliche Aspekte stellen sich beim Netzkauf heutzutage kaum. Insbesondere 69 begründet die Übertragung eines Energieversorgungsnetzes in der Regel keinen Be-

28 Vgl. dazu Kapitel 3 A. 29 Vgl. dazu Kapitel 6 B. Geipel/Vaulont/Zemann

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

triebsübergang gemäß § 613a BGB.30 In der Vergangenheit wurde dieses Thema aber breit diskutiert.31

V. Regelungen zur Aufteilung der Erlösobergrenze 70 Nach der gesetzlichen Regelung in § 26 Abs. 2 und 3 ARegV ist im Falle eines nur teilwei-

sen Übergangs eines Energieversorgungsnetzes auf einen anderen Netzbetreiber entweder ein übereinstimmender Antrag der Parteien auf Übertragung des auf das übergehende Netzteil entfallenden Anteils der Erlösobergrenze zu stellen oder es erfolgt regelmäßig sechs Monate nach der Netzübertragung eine Bestimmung und Übertragung dieses Anteils durch die Regulierungsbehörde. 71 Da weder Verkäufer noch Käufer für sich allein genommen die rechtzeitige Einreichung eines übereinstimmenden Antrags sicherstellen können, wird häufig vereinbart, mit welchem Inhalt und binnen welcher Frist ein einvernehmlicher Antrag zu stellen ist. Entsprechendes kann für die gemäß § 28 Satz 1 Nr. 8 ARegV erforderliche Anzeige des Übergangs des Netzbetriebs vereinbart werden. 72 Um eine Aufteilung der Erlösobergrenze vorzunehmen, ist eine Kenntnis nicht nur von öffentlich zugänglichen Strukturdaten des Netzes, sondern auch von vertraulichen Informationen betreffend das Gesamtnetz des abgebenden Netzbetreibers, etwa zu Sachanlagevermögen, kalkulatorischen Nutzungsdauern, Kosten gemäß §§ 11, 15 ARegV, angewendete Schlüssel etc., erforderlich. Da es sich hierbei zumindest die Gesamtnetzdaten betreffend um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln wird, ist zwischen den Parteien abzustimmen, welche Daten in etwaigen gemeinsamen Antrag eingehen können und welche Daten vom abgebenden Netzbetreiber vertraulich unmittelbar an die Behörde übermittelt werden. Ein diesbezüglicher Auskunftsanspruch des Käufers besteht nicht. Ggf. kann auch ein unabhängiger, von beiden Seiten gemeinsam bestimmter Wirtschaftsprüfer eingeschaltet werden, um den Käufer so eine unabhängige und vertrauenswürdige Überprüfung der Aufteilungsrechnung zu erlauben.32 Ein zu offenes Teilen solcher Daten zwischen den Parteien, die grundsätzlich in einem Wettbewerbsverhältnis stehen (im Wettbewerb um Netze), könnte umgekehrt sogar wettbewerbsrechtliche Bedenken begründen.

30 Vgl. Patrick Mückl, Das Arbeitsrecht der Energiewirtschaft, S. 126; Gernot Falter, Der elektrische Betriebsübergang, Die “Rekommunalisierung” der Stromversorgungsnetzte vor dem Hintergrund des § 613a BGB, N&R 2012, 64, 81. 31 Vgl. dazu die Vorauflage, Kapitel 6 E. 32 S. hierzu bereits o. Rn 96. Geipel/Vaulont/Zemann

B. Wertbestimmung

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VI. Regelungen zu Grundstücksbenutzungsrechten und -käufen Ob vom Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG auch Grundstücke umfasst sind, ist durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.33 Entsprechende vertragliche Ansprüche dürften im Regelfall mangels notarieller Beurkundung des abgelaufenen Konzessionsvertrages nichtig sein. Oftmals ist der abgebende Netzbetreiber aber durchaus bereit, bestimmte Grundstücke auf den Käufer zu übertragen. Hierfür ist dann eine gesonderte Vergütung zu bestimmen. Ein solcher Grundstückskaufvertrag ist zudem notariell beurkundungspflichtig. Die Übertragung von bestehenden beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten, die im Grundbuch eingetragen sind, oder ähnlichen nur vertraglich vereinbarten Gestattungsrechten, die das Vorhandensein und den Betrieb von Betriebsmitteln des zu übertragenden Netzes absichern, ist nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG jedenfalls als Nebenpflicht vom Verkäufer geschuldet, da andernfalls die Nutzung der Anlagen nicht ungestört möglich wäre.34 Daraus folgt aber auch, dass die Übertragung solcher Dienstbarkeiten oder Rechte oder die Überlassung der Ausübung solcher Rechte gegen eine wirtschaftlich angemessene Vergütung zu erfolgen hat und nicht mit dem Kaufpreis für das eigentliche Netz mit abgegolten ist. Dingliche oder vertragliche Grundstücksbenutzungsrechte sind nicht in jedem Fall ohne Zustimmung des Grundstückeigentümers vom Verkäufer auf den Käufer übertragbar. Für diesen Fall kann vertraglich vereinbart werden, dass der Verkäufer dem Käufer die Ausübung des jeweiligen Rechts erlaubt. Typischerweise wird zudem vereinbart, dass der Verkäufer dem Käufer die gesamte vorhandene Dokumentation zu den dinglichen oder vertraglichen Grundstücksbenutzungsrechten zum Übertragungsstichtag übergibt. Die Kosten für einen Notar oder das Grundbuchamt trägt üblicherweise der Käufer.

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B. Wertbestimmung I. Der gesetzliche Netzüberlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) 1. Unmittelbarer Übereignungsanspruch vs. Kontrahierungszwang Es ist inzwischen höchstrichterlich geklärt, dass aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG unmittel- 77 bar Ansprüche auf Übereignung des Verteilnetzes geltend gemacht werden können und

33 Befürwortend ohne konkrete Begründung: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. Januar 2006 – 6 U Kart 58/05 –, Rn 30, juris, RdE 2006, 199–204; offengelassen: OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Januar 2008 – 11 U 20/07 (Kart) –, Rn 77, juris, RdE 2008, 146–151. 34 OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Januar 2008 – 11 U 19/07 (Kart) –, Rn 76, juris, OLGR Frankfurt 2008, 561– 566. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

nicht erst auf Abschluss eines Netzkaufvertrages, also auf Abgabe einer Willenserklärung, geklagt werden muss.35 78 Für die Frage des Bestehens eines Überlassungsanspruches ist in der Praxis häufig die Tatbestandvoraussetzung einer wirksamen Konzessionierung streitig.36 Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot im Auswahlverfahren führen zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages gem. § 134 BGB37 und damit zum Entfall des Netzüberlassungsanspruches. Daher erfordert der Streit um Netzüberlassungsansprüche in der Praxis häufig eine implizite rechtliche Überprüfung des Konzessionierungsverfahrens bzw. der Einwendungen dagegen. 79 Im Zusammenhang mit Netzüberlassungsansprüchen, ob außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemacht, sind jedoch weitere notwendige Sachverhalte zu klären, die sich nicht unmittelbar aus § 46 EnWG beantworten lassen aber i. d. R. erheblichen Einfluss auf die wirtschaftlich angemessene Vergütung haben. Diese Sachverhalte und deren Relevanz sollen nachfolgend dargestellt werden, um sie für Netzabgabeverhandlungen oder Zivilprozesse bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können.  



a) Entflechtung und kleiner Grenzverkehr 80 Die technische Entflechtung meint die physikalische Trennung des herauszugebenden

Verteilnetzes aus dem Netz des bisherigen Netzbetreibers und die Einbindung dieses Verteilnetzes in die vorhandenen Anlagen des übernehmenden Netzbetreibers. Dadurch werden die technischen Verantwortlichkeiten zwischen altem und neuen Netzbetreiber definiert. Bestehen keine besonderen Abreden, werden die Kosten für Trennung dem Verkäufer und die für die Einbindung dem Käufer in entsprechender Anwendung von § 448 BGB aufzuerlegen sein.38 81 Neben der physikalischen Netztrennung besteht die Möglichkeit einer messtechnischen Entflechtung. Diese Methode zeichnet sich dadurch aus, dass eine Messeinrichtung entlang der Eigentumsgrenze installiert wird, um die Energiemengen erfassen und abgrenzen zu können. Technisch bleiben die Anlagen im Übrigen miteinander verknüpft. Ob diese Art der Entflechtung im Einzelfall geeignet ist, die Verantwortlichkeiten z. B. für Schalthandlungen oder Druckregelung klar zuzuordnen, muss unter technischen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Verantwortlichkeiten und entstehenden Kosten beurteilt werden. 82 Die Entflechtung wird üblicherweise in einem sogenannten Entflechtungskonzept im Zuge der Kaufverhandlungen vertraglich mitgeregelt (Entflechtungsvereinbarung). Da sich der Überlassungsanspruch jedoch nur auf Anlagen im Gemeindegebiet beschränkt, in einem vermaschten Verbundnetz die Anlagen aber i. d. R. nicht an der Ge 



35 36 37 38



BGH, Beschluss v. 28.1.2020 – EnZR 116/18 – Rn 41; BnetzA/BKartA Leitfaden 2015 Rn 49. BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 65/12 – Rn 62; KZR 66/12 – Rn 62). BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 65/12 – Rn 80. BGH, Urteil v. 7.7.92 – KZR 2/91 – vgl. 2.b. der Urteilsgründe. Hemmersbach/Ruppert

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B. Wertbestimmung

meindegrenze enden, hat Art und Umfang der Entflechtung maßgeblichen Einfluss auf den Umfang der übergehenden Anlagen und damit auch auf die Vergütung. Eine ähnliche Problematik besteht bei dem sogenannten kleinen Grenzverkehr. Die- 83 ser Begriff beschreibt den Sachverhalt, dass Endkunden, die sich in unmittelbarer Nähe zur Gemeindegrenze befinden, von einem Netzbetreiber aus der Nachbargemeinde über die Grenze hinweg angeschlossen und versorgt werden. Hintergrund ist i. d. R., dass eine Anbindung aus dem eigenen Gemeindegebiet für den dortigen Netzbetreiber auf Grund der Netztopographie nicht wirtschaftlich darstellbar, die Anbindung aus der Nachbargemeinde hingegen unproblematisch möglich ist. Für den Netzbetreiber der Nachbargemeinde ist, in Folge vorhandener Anlagen in Grenznähe, der Anschluss mit seinen durchschnittlich kalkulierten Anschlusskosten zu leisten. In dieser Konstellation bestehen Anlagen des abgebenden Netzbetreibers außerhalb des Gemeindegebietes und damit außerhalb des Übereignungsanspruches. Der Verbleib dieser Anlagen bei dem abgebenden Netzbetreiber macht energiewirtschaftlich ebenso wenig Sinn wie eine technische Entflechtung an der Gemeindegrenze. Daher würde die in solchen Fällen vorzunehmende Einigung über die Übertragung, diese Anlagen ebenfalls das Mengengerüst und damit den Wert des Verteilnetzes beeinflussen.  



b) Übertragung einer Erlösobergrenze nach § 26 ARegV Die Bestimmung der Erlöse ist für eine Ertragsbewertung eine der entscheidenden Ein- 84 gangsgrößen.39 In der regulierten Energiewirtschaft kann der Verteilnetzbetreiber die Entgelte für den Netzzugang nicht frei bestimmen, sondern muss sich innerhalb einer von der Regulierungsbehörde festgelegten EOG entsprechend § 21a Abs. 2 EnWG, § 32 Abs 1 Nr. 1 ARegV bewegen. Bei einem Übergang von Verteilnetzen wird die EOG nicht neu durch die Regulie- 85 rungsbehörde bestimmt, vielmehr wird die bei dem abgebenden Netzbetreiber festgelegte EOG mit dem Verteilnetz auf den neuen Netzbetreiber übertragen, § 26 Abs. 1 ARegV. Der Wettbewerb um Konzessionen im Sinne von § 46 EnWG findet innerhalb der 86 kommunalen Gebietskörperschaften statt. Wird ein Teilnetz aus einem Verbundnetz übertragen, ist eine anteilige EOG zu übertragen, § 26 Abs. 2 ARegV. Die anteilige EOG wird auf übereinstimmenden Antrag von abgebendem und aufnehmendem Netzbetreiber durch die zuständige Regulierungsbehörde festgelegt, § 26 Abs. 2 ARegV. Können die Netzbetreiber sich nicht auf einen übereinstimmenden Antrag einigen, ist die Regulierungsbehörde verpflichtet, die anteilige EOG festzulegen.40

39 Siehe dazu die Ausführungen unter dem nachfolgenden Abschnitt „Grundzüge der Ertragsbewertung unter Bezug auf Energieversorgungsnetzte“ (I. 3) b) aa)). 40 BGH, Beschluss v. 6.10.2015 – EnVR 18/14 – Rn 18. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Damit steht jedoch fest, dass eine wesentliche Größe für die Ermittlung des Ertragswertes entkoppelt in einem Parallelverfahren festgelegt wird. Dadurch können ökonomische Verwerfungen entstehen. In außergerichtlichen Netzabgabeverhandlungen behilft man sich in der Praxis mit Preisanpassungsklauseln im Netzkaufvertrag. Ändert sich nachträglich die in den Verhandlungen zu Grunde gelegte EOG, wird der Kaufpreis entsprechend angepasst. Ist der Tatbestand einer solchen Vertragsklausel noch relativ einfach zu fassen, muss auf der Rechtsfolgenseite zwangsläufig mit Vereinfachungen gearbeitet werden, da man ansonsten für eine konkrete Rechtsfolge die gesamte Logik der Ertragsbewertung in einer Formel abbilden müsste. Denkbar sind auch andere Gestaltungen, die jedoch allesamt die Rechtsfolge haben sollten, dass der vereinbarte Kaufpreis so lange nicht final vereinbart ist, bis über die anteilige EOG verbindlich entschieden wurde. 88 Im Zivilprozess ist die Lage etwas schwieriger. In der Regel wird bei einem streitigen Netzkaufpreis gerichtlich ein Sachverständiger bestellt, der den Kaufpreis gutachterlich ermitteln soll. Dieser Sachverständige wird notwendigerweise bei der Ertragsbewertung Annahmen zur EOG treffen. Häufig findet vorbereitend ein Datenklärungstermin mit Parteien und Sachverständigem statt. Aber auch wenn der Sachverständige auf einer validen Datenbasis Annahmen für seine Ertragsbewertung trifft, sind die Parteien daran im Verfahren nach § 26 Abs. 2 ARegV zunächst nicht gebunden; ein entsprechend den gutachterlichen Annahmen übereinstimmender Antrag könnte im Nachgang zur gerichtlichen Entscheidung von einer der Parteien verweigert werden. Infolgedessen würde die Festlegung einer sachgerechten EOG in die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde fallen. Sofern die zuständige Regulierungsbehörde aus regulatorischer Sicht dann eine abweichende EOG für sachgerecht hielte, würde das gerichtliche Verfahren bzw. die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen und über den Netzkaufpreis rechtskräftig entschieden sein. 89 Um dieses Risiko, das zu Lasten beider Seiten eintreten kann, zu vermeiden, könnten folgende Überlegungen helfen: Zum einen könnte das Gericht die ohnehin obligatorisch zu informierende Regulierungsbehörde im Rahmen der Beweisaufnahme ersuchen, eine Stellungnahme zur anteiligen EOG abzugeben, § 104 Abs. 2 EnWG. Zum anderen könnte die Klägerin neben dem Antrag auf Netzüberlassung – Zug um Zug gegen Zahlung des vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelten Kaufpreises – beantragen, die Beklagte zu verurteilen, einen den Feststellungen des Sachverständigen entsprechenden Antrag zur EOG-Überleitung bei der zuständigen Regulierungsbehörde zu stellen. 90 Aber auch der Beklagten dürfte das Rechtsschutzbedürfnis für einen widerklagenden Antrag, mit dem Inhalt, dass die Klägerin einer dem Kaufpreis entsprechenden EOG-Übertragung zuzustimmen hat, nicht abzusprechen sein. Nur so kann die Beklagte dem Risiko begegnen, zu einer höheren EOG-Übertragung, als in der Beweisaufnahme zu Grunde gelegt, verpflichtet zu werden. Jedenfalls sollte in einem Prozessvergleich eine entsprechende Regelung zur EOG-Übertragung nicht fehlen. 87

Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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2. Wirtschaftlich angemessene Vergütung – Beweislastverteilung und Beweisbeschluss Ein Streit um die wirtschaftlich angemessene Vergütung für einen Netzübergang kann 91 im Zivilprozess in unterschiedlichen Konstellationen auftreten, womit Konsequenzen in der Darlegungs- und Beweislast der Parteien hinsichtlich der Angemessenheit des Kaufpreises verbunden sind. Im Ausgangspunkt besteht der gesetzliche Netzüberlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG nur gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung. Somit handelt es sich schuldrechtlich um eine Zug-um-Zug-Leistung mit der Folge, dass dem Altkonzessionär als Schuldner des Überlassungsanspruches ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Netzübergabe gem. § 273 BGB zusteht, solange die angemessene Vergütung für das Netz vom Neukonzessionär nicht geleistet wird. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig, da dessen Anwendungsbereich im Grundsatz auf vertragliche Schuldverhältnisse beschränkt ist.41 Ob ein Zurückbehaltungsrecht tatsächlich besteht, hängt also davon ab, ob der Neukonzessionär eine wirtschlich angemessene Vergütung anbietet. Sofern die Angemessenheit streitig ist, bestehen aus Sicht des Neukonzessionärs 92 grundsätzlich zwei Handlungsalternativen: – Die erste Handlungsalternative besteht darin, dass er sich der Kaufpreisvorstellung des Altkonzessionärs beugt und sich gleichzeitig die Rückforderung eines ggf. überzahlten Kaufpreises vorbehält.42 Die Erklärung eines Kaufpreisvorbehaltes führt nicht zu einem offenen Einigungsmangel, der mit der Folge verbunden wäre, dass ein wirksamer Kaufvertrag zu verneinen wäre.43 Dies ermöglicht dem Neukonzessionär zunächst eine zeitnahe Netzübernahme, während der Streit um die Vergütung im anschließenden Zivilprozess geklärt wird. Der Kaufpreisvorbehalt ist eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Käufers und soll diesen vor den Einwänden eines Anerkenntnisses durch Zahlung und der Leistung in Kenntnis der Nichtschuld, § 814 BGB, im Rückforderungsprozess schützen. Im Rahmen seiner Klage auf teilweise Kaufpreisrückforderung hat der Käufer seinen Anspruch auf Herausgabe, i. d. R. gestützt auf § 812 BGB, zu beweisen. Streitig dürfte dabei allein das Tatbestandsmerkmal des fehlenden rechtlichen Grundes für die behauptete Überzahlung sein. Dabei ist anzuerkennen, dass ein ggf. abgeschlossener Netzkaufvertrag mit der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung nicht den Rechtsgrund jedweder Kaufpreishöhe darstellen kann. Aus dem Kaufvertrag muss allerdings zu erkennen sein, auf welchen Bewertungsmaßstab sich die Parteien geeinigt haben. Nur dann kann im Nachgang überprüft werden, ob der nominelle Kaufpreis diesem Maßstab entspricht, mithin ein Rechtsgrund für die konkrete Zahlung besteht.  



41 Grüneberg, Einf. vor § 320 BGB, Rn 11. 42 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur v. 21.5.2015, Rn 64; BGH – KZR 24/04 – Rn 25; BGH, Beschluss v. 3.6.2014, Rn 42–43. 43 BGH, Urteil v. 7.2.2006 – KZR 24/04 – Rn 25. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Maßgeblich für die Frage einer rechtsgrundlosen Zahlung ist also die für die Bemessung des Kaufpreises von den Parteien zu Grunde gelegte Bewertungsmethode. Diese erlangt insofern erhöhte Bedeutung, als dass gem. § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG es den Parteien freisteht, eine vom objektivierten Ertragswert anderweitig basierte Vergütung zu vereinbaren. Zur Verdeutlichung: Eine Kaufpreisforderung kann im Rahmen einer Sachzeitbewertung angemessen, im Rahmen einer Ertragsbewertung jedoch überhöht und nicht zu rechtfertigen sein. Für den Käufer und Netzübernehmer stellt dies ein zu lösendes Problem dar. Letztendlich entscheidet er, auf Basis welcher Anspruchsgrundlage, ob aus abgetretenem vertraglichen oder aus gesetzlichem Anspruch, er die Netzherausgabe geltend macht.44 Mit Wahl der Anspruchsgrundlage ist im Grundsatz auch die Bewertungsmethode für die Vergütung festgelegt. Auf eine abweichende Bewertungsgrundlage muss sich der Käufer nicht einlassen. Macht der Käufer bspw. auf Basis des gesetzlichen Netzüberlassungsanspruches die Netzherausgabe geltend, wird er in seinem Vorbehalt erklären, dass die vom Verkäufer verlangte Vergütung nicht dem objektivierten Ertragswert entspricht und er sich insofern vorbehält, einen überzahlten Betrag zurückzufordern. Damit wäre vom Käufer im Zivilprozess zu beweisen, dass der gezahlte Kaufpreis nicht der vereinbarten Bewertungsmethode bzw. der gesetzlich bestimmten, wirtschaftlich angemessen Vergütung entspricht und damit ohne Rechtsgrund geleistet wurde. Die substantiierte Darlegung dieser Behauptung erfolgt i. d. R. durch Vorlage eines Parteigutachtens, das im Ergebnis die Kaufpreisvorstellung des Käufers stützt und die Überzahlung belegt. Das substantiierte Bestreiten auf Beklagtenseite erfolgt i. d. R. ebenfalls durch Vorlage eines eigenen Bewertungsgutachtens. Beweis erhoben wird dann durch gerichtliche Bestellung eines Sachverständigen. Akzeptiert der Neukonzessionär den vom Verkäufer aufgerufenen Preis hingegen nicht, auch nicht unter Vorbehalt, verbleibt ihm als zweite Alternative die Netzherausgabeklage. Im Klageantrag ist dann vom Neukonzessionär als Zug-um-ZugLeistung der seiner Auffassung nach angemessene Netzkaufpreis zu benennen. Anderenfalls würde der Kläger bei einem uneingeschränktem Klageantrag auf Netzherausgabe ein Kostenrisiko tragen, wenn der beklagte Altkonzessionär die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes erhebt. Besteht ein Zurückbehaltungsrecht auf Beklagtenseite und ein Netzüberlassungsanspruch auf Klägerseite, könnte der Altkonzessionär nur Zug-um-Zug zur Netzherausgabe verurteilt werden, § 274 Abs. 1 BGB. Im Verhältnis zur uneingeschränkten Netzherausgabeklage stellt die Zug-umZug-Verurteilung ein „Weniger“ dar.45 Da dem Klageantrag nicht voll entsprochen würde, wäre die Klage im Übrigen abzuweisen und eine Kostenquotelung vor 









44 Zur Anspruchskonkurrenz siehe nachfolgend unter IV. 1. 45 MüKo BGB Band 2, 7. Aufl./Krüger, § 274 Rn 7. Hemmersbach/Ruppert

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B. Wertbestimmung

zunehmen.46 Durch die Verurteilung Zug-um-Zug gegen Erbringung einer Leistung wird dem Beklagten allerdings nichts zugesprochen. Der Kläger wird nicht zur Erbringung der Gegenleistung verurteilt.47 Bestreitet der beklagte Altkonzessionär die Höhe des Netzkaufpreises, ist er als Beklagter – im Gegensatz zur Alternative einer Zahlung unter Vorbehalt – für einen abweichenden, höheren Preis beweisbelastet.48 Die substantiierte Darlegung des geforderten Netzkaufpreises erfolgt i. d. R. wie bei Alternative (1) durch Vorlage eines Parteigutachtens, wobei das substantiierte Bestreiten auf Klägerseite ebenfalls durch Vorlage eines eigenen Bewertungsgutachtens erfolgt. Beweis erhoben wird dann ebenfalls durch gerichtliche Bestellung eines Sachverständigen. Sollte der Kläger eine zu niedrige Gegenleistung angeboten haben, führte dies nach entsprechender Einrede zur teilweisen Klageabweisung, vorbehaltlich einer zulässigen Anpassung seines Klageantrages nach § 264 Nr. 2 ZPO. Da diese Einrede damit eine für den Beklagten günstige Tatsache ist, trägt er nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen die Beweislast für seinen Gegenanspruch.49 Das heißt, er wird in der Regel mit entsprechenden Vorschüssen für den gerichtlich bestellten Sachverständigen im Rahmen der Beweisaufnahme belastet und trägt das Prozessrisiko des non liquet bzgl. eines höheren Kaufpreises als im Klageantrag benannt.  



3. Der objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG a) Auslegung anhand gesetzgeberischer Motive aa) Motive/Ziel(e)/Aufgabe des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG Ziel der Gesetzesnovelle 2016 war die Konkretisierung und damit Verbesserung der ge- 93 setzlichen Rahmenbedingungen, um das zuvor beschriebene, der Vergabe- und Netzübernahmesituation innewohnende Konfliktpotenzial zu reduzieren.50 Die Beweggründe dafür bestanden wiederum darin, jedem Bewerber um eine Konzession, der sich im Wettbewerb als geeignetster künftiger Netzbetreiber durchsetzt, eine rechtssichere Übernahme der Netze – als ein für einen funktionierenden Wettbewerb unerlässlicher Faktor – zu ermöglichen, d. h. die Übernahme nicht an einem prohibitiv hohen Kaufpreis scheitern zu lassen.51  

46 MüKo BGB Band 2, 7. Aufl./Krüger, § 274 Rn 7.; BGHZ 117, 1 (S. 3). 47 BGHZ 117, 1 (S. 2). 48 MüKo BGB Band 2, 7. Aufl./Krüger, § 274 Rn 6. 49 MüKo BGB Band 2, 7. Aufl./Krüger, § 274 Rn 6. 50 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 6. 51 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 7 f.  

Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Zur Erhöhung der Rechtsicherheit in Bezug auf das für die Ermittlung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung maßgebliche Wertermittlungsverfahren wurde der objektivierte Ertragswert als Regelfall normiert, ohne die Vertragsfreiheit der beteiligten Parteien sowie das verfassungsrechtlich geschützte Recht zur Verwertung des Anlageneigentums über Gebühr beschränken zu wollen.52 95 Bei der Begründung für den objektivierten Ertragswert bezog sich der Gesetzgeber explizit auf die durch das „Kaufering-Urteil“ aufgestellten Grundsätze.53 Der Rückgriff auf den Begriff des objektivierten Ertragswertes stellt damit den Versuch einer Konkretisierung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ dar. 96 Ergänzend soll sich der normativ vorgegebene Ertragswert an den mit dem Netz zu erzielenden Erträgen orientieren, die auf Basis der Netzentgelt- und Anreizregulierungsverordnung berechnet werden.54 Es wird zwar konstatiert, dass im Einzelfall der objektivierte Ertragswert und damit die zu bestimmende angemessene Vergütung unter dem nach wie vor begründbaren Sachzeitwert55 des betreffenden Netzes liegen kann,56 jedoch wird mit Rückgriff auf den objektivierten Ertragswert i. V. m. dem Regulierungsregime von StromNEV und GasNEV offensichtlich erwartet, dass damit ebenfalls eine für die Netzbewertung zumindest sachgerechte, jedoch zugleich aus neutraler Perspektive nachvollziehbarere und damit faire Ermittlungsbasis garantiert werden kann. 94





bb) Abbildung Kaufering Rspr. des BGH – objektive Kriterien vs. objektivierter Ertragswert? 57 97 Die Rechtsprechung des Kartellsenates des BGH zur Endschaftsregelung des Konzessionsvertrages der Gemeinde Kaufering hatte im Ausgangspunkt jedoch eine andere rechtliche Fragestellung: Nach Einführung des § 103a GWB mit der 4. GWB Novelle trat die Laufzeitbeschränkung von Konzessionsverträgen auf maximal 20 Jahre in Kraft. Der Konzessionsvertrag der Gemeinde Kaufering endete 1995 und enthielt als vertragliche Vereinbarung für die Bestimmung des Übernahmepreises eine Bewertung des Verteilnetzes auf Basis des Sachzeitwertes als Substanzwert der Anlagen. Die Parteien des Verfahrens stritten im Kern um die Angemessenheit dieser Regelung vor dem Hintergrund des neuen Ord-

52 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 8. 53 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 8. 54 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 13. 55 Zum Sachzeitwert vgl. die Ausführungen im Abschnitt „Substanzwert – Sachzeitwert“. 56 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten leitungsgebundenen Energieversorgung; Drucksache 73/16; 5.2.2016, Seite 13. 57 BGH, Urteil v. 16.11.1999 – KZR 12/97.

zur zur zur

zur

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B. Wertbestimmung

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nungsrahmens (Laufzeitbefristung). Abweichend vom heutigen Ordnungsrahmen bestanden zum Zeitpunkt des Vertragsendes keine parallelen gesetzlichen Netzüberlassungsansprüche. Der im Zuge der EnWG-Novelle 1998 neue § 13 EnWG normierte erstmals einen 98 Netzüberlassungsanspruch, enthielt jedoch keine konkreten Vorgaben zur Wertbestimmung, sondern lediglich den unbestimmten Rechtsbegriff einer „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“. In seinem Urteil entschied der BGH zusammengefasst, dass der Sachzeitwert zwar nicht per se unangemessen sei, jedoch nicht dazu führen dürfe, dass es einem kaufmännisch vernünftig handelnden Erwerber unmöglich sei, den Kaufpreis über die Erlöse aus dem Netzbetrieb (und der Energielieferung58) zu refinanzieren. Anderenfalls würde der normierte Substitutionswettbewerb59 um Verteilnetze verhindert und die Kommune bliebe an das bisherige Versorgungsunternehmen gebunden. Die Befristung von Konzessionsverträgen auf 20 Jahre würde dann durch einen prohibitiv wirkenden Kaufpreis unterminiert, weil kein Marktteilnehmer sich an einem Wettbewerb um einen unwirtschaftlichen Netzbetrieb beteiligen würde. Um dies tatsächlich festzustellen, hat der BGH nach Aufhebung und Zurückverwei- 99 sung an die Unterinstanz aufgegeben, als Kontrolle den Ertragswert des Verteilnetzes zu ermitteln. Nach Maßgabe des BGH sei der Sachzeitwert nach kartellrechtlichen Maßstäben prohibitiv, wenn er den Ertragswert nicht nur unerheblich übersteige. Dem Ertragswert kam in dieser kartellrechtlichen Logik die Funktion einer Prohibitivitätskontrolle der branchenüblich vereinbarten Sachzeitwerte zu. Weitere, für die Bewertungspraxis notwendige Konkretisierungen in den Urteilsgründen hielten sich in Grenzen bzw. konnten in unterschiedlicher Art interpretiert werden, was zu bis heute andauernden Streitigkeiten über Ausprägung und Prämissen der anzuwendenden Ertragsbewertung führte. Den Begriff des „objektivierten Ertragswertes“, wie er im EnWG 2017 in § 46 Einzug 100 gehalten hat, oder den Begriff des objektivierten Unternehmenswertes, wie er im IDW S 1 (aktuelle Fassung 2008) zu finden ist, sucht man indes in den Urteilsgründen des BGH vergeblich. Der BGH hat vorgegeben, dass die Ertragsbewertung nach objektiven, für alle denkbaren Erwerber geltenden Kriterien zu erfolgen hat.60 Ob diese Vorgabe jedoch mit dem im IDW S 1 verwendeten Begriff des „objektivierten Unternehmenswert“ gleichzusetzen ist, war und ist streitig. Die eine Seite liest in den Formulierungen des BGH eher die Vorgabe in Richtung eines subjektiven Entscheidungswertes, die andere interpretiert sie in Richtung eines objektivierten Unternehmenswertes, beides Bewertungsansätze des IDW S 1, allerdings mit unterschiedlichen Bewertungsanlässen, Bewertungsperspektiven und Prämissen. Der IDW S 1 nennt den Begriff des „objektivierten Er-

58 In den seinerzeit geschlossenen Versorgungsgebieten war mit dem Netzbetrieb stets auch die Energielieferung an die im Konzessionsgebiet angeschlossenen Endkunden verbunden. 59 Infolge fehlender Netzzugangsansprüche konnte kein Wettbewerb um Endkunden stattfinden, stattdessen wurde der Wettbewerb auf die Ebene der natürlichen Monopole, der Verteilnetze, verlagert. 60 BGHZ 143 Urteil v. 16.11.1999 S. 128, 157. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

tragswertes“ hingegen nicht. Der Begriff des „objektivierten Unternehmenswertes“ wird im Zusammenhang mit einem konkreten Bewertungsanlass (z. B. Abfindung von Kleinaktionären im Rahmen eines squeeze out) gebraucht und definiert dafür Bewertungsprämissen, die nicht ohne Weiteres auf die Bewertung von Verteilnetzen im Zuge deren (Teil-)Übergangs zu übertragen sind.61 101 Hinter dem Streit um die Deutung der Urteilsgründe steht die Frage, wieviel Wettbewerb um das konkrete Verteilnetz der Altkonzessionär durch Absenkung seines Kaufpreises ermöglichen muss. Es ist nachvollziehbar, dass ein vollkommen neuer Marktteilnehmer, der ein Versorgungsunternehmen erst neu aufbauen muss, mit seinen Grenzkosten, d. h. mit den durch den Kauf zusätzlich anfallenden Kosten, einen geringeren Ertrag mit dem neuen Netz erwirtschaften wird, als ein etablierter Netzbetreiber mit seinen Grenzkosten, der bereits über einen Standort in räumlicher Nähe, einen qualifizierten Mitarbeiterstab und entsprechende Ausstattung verfügt. Wäre der Altkonzessionär verpflichtet, seinen Kaufpreis so weit abzusenken, dass auch hinsichtlich ihrer Kostenstruktur denkbar ungeeignete Bewerber das Netz wirtschaftlich betreiben könnten, so würde sich das Spannungsverhältnis zwischen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums und einer angemessenen Entschädigung des Eigentümers unverhältnismäßig zu Lasten des Eigentümers und Altkonzessionärs verschieben. 102 Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber in seinen Motiven zur EnWG-Novelle 2017 mit dem Bezug zur Kaufering-Rechtsprechung des BGH das Urteil mit Übernahme des Begriffes „objektivierter Ertragswert“ in § 46 Abs. 2 EnWG selbst interpretiert hat und dies keine Vorgabe des BGH war. Zweifelsohne hat der Ertragswert heute nicht mehr die Kontrollfunktion zur Überprüfung substanzwertbasierter Kaufpreise. Vielmehr tritt der objektivierte Ertragswert an die Stelle der sachzeitwertbasierten Kaufpreise und stellt in der Praxis die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ dar. Diese ist allein maßgeblich für die Gegenleistung im Rahmen des gesetzlichen Überlassungsanspruches und bedarf keiner weiteren Prohibitivitätskontrolle. Was bleibt, ist die Funktion, im Spannungsfeld zwischen einem funktionierenden Wettbewerb um Verteilnetze auf der einen und einer verfassungsgemäßen Entschädigung des bisherigen Eigentümers auf der anderen Seite zu vermitteln. Dabei ist der „objektivierte Ertragswert“ mit Blick auf die Bewertungsprämissen in der Praxis ein nicht minder unbestimmter und umstrittener Rechtsbegriff wie der der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“. Da eine gesetzliche Definition fehlt, soll nachfolgend eine Konkretisierung im Lichte der Kartellrechtsprechung des BGH und der Bewertungsansätze des IDW für die Praxis versucht werden.  



61 Vgl. Salcher/Keller/Kellermann, S. 22. Hemmersbach/Ruppert

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B. Wertbestimmung

cc) Auslegung im Sinne des IDW S 1 i. d. F. 2008 (1) Was ist das IDW? Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW), im Jahre 1932 durch Umbe- 103 nennung aus dem Institut für das Revisions- und Treuhandwesen hervorgegangen, ist eine Vereinigung deutscher Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die insbesondere die Interessen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer vertritt, deren Fachgebiete fördert, für Aus- und Weiterbildung, für einheitliche Grundsätze in der Berufsausübung und für deren Einhaltung sorgt.62 Im Rahmen seines Eintretens für eine einheitliche und gewissenhafte Berufsausübung aller Wirtschaftsprüfer setzt das IDW für deren unterschiedlichste Aufgaben Standards, u. a. den Standard zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 in der aktuell gültigen Fassung 200863). Dieser IDW S 1 besitzt damit grundlegende Bedeutung zumindest für die Berufs- 104 gruppe der Wirtschaftsprüfer in ihrer Funktion als Unternehmensbewerter und z. T. auch darüber hinaus. Er gibt vor, in welcher Rolle und zu welchem Zweck ein Wirtschaftsprüfer mit welchem Bewertungsansatz seine jeweilige Aufgabe zu erfüllen hat. Es handelt sich damit aber weder um eine rechtlich verankerte Definition, da weder im überarbeiteten § 46 EnWG noch sonst im EnWG ein Verweis auf IDW S 1 enthalten ist, noch um eine für die betriebswirtschaftliche Bewertungstheorie einzig verbindliche Vorgabe im Sinne eines eindeutig fachlichen „Richtig“ oder „Falsch“. Es handelt sich vielmehr um Grundsätze bzw. Vorgaben für einen Berufsstand, der aufgrund seines hohen Ausbildungsstandards auch darüber hinaus fachliche Standards setzt.64 Das IDW kennt zahlreiche Bewertungsstandards für unterschiedlichste Zwecke. Der 105 IDW S 1 als einer dieser Standards und der zur Durchführung von Unternehmensbewertungen maßgebliche unterscheidet zwischen dem objektivierten Unternehmenswert  









62 Vgl. SATZUNG DES INSTITUTS DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E. V. in der Fassung vom 14. November 2017, § 1 und 2 sowie http://www.wikipedia.org zu Institut der Wirtschaftsprüfer und das eigene Kurzportrait auf dem Portal des IDW. 63 Verabschiedet vom Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) am 2.4.2008. Billigende Kenntnisnahme durch den HFA am 30.5.2008. Die Neufassung des IDW S 1 dient i. W. der Anpassung der Grundsätze zur Ermittlung von objektivierten Unternehmenswerten an die Neuregelungen der Unternehmensteuerreform 2008. Der Bundesrat hat der Unternehmensteuerreform 2008 am 6.7.2007 zugestimmt. Die Neuerungen sind damit für die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte hinreichend konkretisiert und für Bewertungsstichtage ab dem 7.7.2007 zu berücksichtigen. Punktuelle redaktionelle Änderung durch den FAUB am 4.7.2016 in Tz. 42 (Streichung des Satzes, in dem auf die inzwischen durch den IDW Standard: Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht (IDW S 13, Stand: 6.4.2016) ersetzte IDW Stellungnahme des Hauptfachausschusses: Zur Unternehmensbewertung im Familien- und Erbrecht (IDW St/HFA 2/1995) verwiesen wurde); billigende Kenntnisnahme durch den HFA am 12.7.2016. 64 Dass es sich nicht um fachlich verbindliche Vorgaben handelt, erkennt man einerseits an der von der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie abweichenden Funktionenlehre (für Wirtschaftsprüfer), andererseits beispielhaft an der Kritik des DVFA am zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung zwangsweise ausscheidender Minderheitsaktionäre bevorzugt angewandten Ertragswertverfahren nach den Grundsätzen des IDW S 1 und der damit verbundenen Diskussion; vgl. Meier, S. 16 ff., 124 ff.  





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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

und dem subjektiven Entscheidungswert mit ihren jeweils zugehörigen klaren, jedoch für besondere Bewertungsobjekte wie das eines regulierten Netzes ggf. zu engen und damit anzupassenden Grundsätzen.65

106

(2) Definition des objektivierten Ertragswertes Bewertungskonzeption des IDW S 1 Mit dem Aufkommen der funktionalen Unternehmensbewertung hielt in die Unternehmensbewertungsdiskussion und -theorie die Erkenntnis Einzug, dass Anlass, Zweck und Funktion der Bewertung entscheidende Ausgangspunkte für eine intersubjektiv, d. h. für eine Gruppe von Betrachtern gleichermaßen nachprüfbare Unternehmensbewertung sind.66 Dabei fällt unter Anlass z. B. Kauf oder Verkauf, unter Zweck des zu ermittelnden Wertes z. B. ein subjektiver Entscheidungswert, ein Einigungswert oder ein Abfindungswert und unter Funktion z. B. Berater, Schlichter, Sachverständiger oder Gutachter.67 Spätestens mit dieser Erkenntnis begann ein Abrücken von der bisherigen bewertungstheoretischen Grundannahme, dass es für ein Bewertungsobjekt einen für alle Beteiligten objektiv richtigen Wert im Sinne einer natürlichen Eigenschaft gibt.68 Auf Basis des neuen konzeptionellen Ansatzes muss für den Bewerter aus dem Beauftragungsanlass ersichtlich werden, zu welchem Zweck und damit in welcher Funktion er tätig werden soll, um wiederum die für die Bewertung sachgerechte Methode mit entsprechenden Annahmen und ggf. notwendigen Typisierungen anzuwenden. Auch das IDW folgt der Funktionenlehre, d. h. es macht von der Funktion des Bewerters abhängig, welcher Unternehmenswert zu ermitteln ist und unterscheidet dabei in die drei Funktionen „Neutraler Gutachter“, „Berater“ und „Schiedsgutachter bzw. Vermittler“.69 Es kennt aber im Gegensatz zur Funktionenlehre der betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie (der sog. Kölner Schule) keine weitere Unterteilung dieser drei (Haupt-)Funktionen in Nebenfunktionen an und modifiziert zudem die Funktionen zum Teil erheblich.70 Insbesondere die IDW-eigene Funktion des neutralen Gutachters, mit der gerichtlich bestellte Wirtschaftsprüfer in der Praxis bei der Bewertung von Netzen aufgrund  







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65 IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 17. Der nach IDW als dritter Unternehmenswert aufgeführte sog. Einigungswert setzt sich wiederum aus verschiedenen subjektiven Wertvorstellungen zusammen. Zu den anzupassenden Grundsätzen bzw. Bedingungen siehe die Ausführungen im Abschnitt „Einordnung des objektivierten Ertragswertes innerhalb der Unternehmensbewertungsmethoden“. 66 Vgl. Ballwieser/Hachmeister, S. 1; Peemöller/Mandl/Rabel, S. 55; Peemöller/Peemöller, S. 19; Meier, S. 16 ff.; IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 17. 67 Vgl. Ballwieser/Hachmeister, S. 1; Peemöller/Mandl/Rabel, S. 55; Peemöller/Peemöller, S. 19; Meier, S. 16 ff.; IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 17. 68 Vgl. Meier, S. 14 ff. 69 IDW S 1 d. F. 2008, Rn 12. 70 Meier, S. 21. Für eine Gegenüberstellung der Funktionen der unterschiedlichen Funktionslehren siehe Meier, S. 18, Abbildung 2.  



















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eines Konzessionswechsels oftmals beauftragt werden, ist mit der dritten Funktion der betriebswirtschaftlichen Bewertungslehre, der Argumentationsfunktion, nicht vergleichbar.71 Denn die zuletzt genannte Funktion soll die Verhandlungsposition einer Partei und damit deren Verhandlungsergebnis verbessern und wird vom IDW als mit seinen Berufsgrundsätzen unvereinbar angesehen und als Bewertungsfunktion abgelehnt.72 Es handelt sich bei der Argumentationsfunktion um im ersten Schritt subjektive Ansätze, die erst im Zuge ihrer Offenlegung intersubjektiv, d. h. für alle Parteien, zumindest nachvollziehbar werden, überzeugen und damit lediglich im Sinne objektivierter Ansätze auf die Verhandlungspartei wirken sollen.73 Entsprechend weichen diese beiden Interpretationen „objektivierter“ Ansätze deutlich voneinander ab. Der Funktion des neutralen Gutachters kommt im Zusammenhang mit der Aus- 110 legung des objektivierten Ertragswertes eine besondere Rolle zu, denn in dieser Funktion hat der Wirtschaftsprüfer gemäß den Vorgaben des für ihn maßgeblichen IDW S 1 grundsätzlich den objektivierten Unternehmenswert zu ermitteln.74 Von den damit verbundenen Regelungen oder gar dem Bewertungsverfahren kann der jeweilige Bewerter unter Berücksichtigung seiner konkreten Vorgaben im Sinne der Vorbemerkung des IDW S 1 i. d. F. 2008 jedoch abweichen.75 In diesem Sinne versteht sich der IDW Standard S 1 nur als Rahmen.76 So ist es dem Wirtschaftsprüfer in der Praxis bspw. bei der Erstellung eines Gutach- 111 tens als Schiedsgutachter im Zuge nicht gerichtsanhängiger Verfahren erlaubt, selbst zu entscheiden, welchen Schwerpunkt er bei fehlenden Parteigutachten oder fehlenden Angaben zu subjektiven Wertkomponenten im Rahmen seiner Wertermittlung setzt.77 Im Sinne des IDW S 1 ist er grundsätzlich angehalten, einen Einigungswert auf Basis der jeweiligen subjektiven Wertvorstellungen festzustellen. Fehlen diese, darf er den Schwerpunkt der Zielsetzung festlegen, bspw. in der Ermittlung eines möglichst nachvollziehbaren, nachprüfbaren und typisierten Werts, und im Rahmen seiner Beauftragung dann direkt die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts vereinbaren.78 Vorliegende besondere Sachverhalte werden dann nur durch darüberhinausgehende Anpassungen berücksichtigt.79 Da es sich bei Netzübergaben im Zuge eines Konzessionsübergangs um dominierte Konfliktsituationen handelt, ist zu hinterfragen, inwiefern es sich allerdings bei einem solchen Vorgehen dann noch um einen Einigungswert handelt. Verdeutlicht werden soll hiermit die Fragestellung, ob zum Zwecke einer besseren Nach 



71 72 73 74 75 76 77 78 79



Vgl. Meier, S. 20 ff. Vgl. Meier, S. 20, 21. Vgl. Meier, S. 21 f. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 12. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 2. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 1. F&A zu IDW S 1 i. d. F. 2008, Stand 14.10.2020, Abschnitt 2.1. F&A zu IDW S 1 i. d. F. 2008, Stand 14.10.2020, Abschnitt 2.1. F&A zu IDW S 1 i. d. F. 2008, Stand 14.10.2020, Abschnitt 2.1.  



























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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

vollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit überhaupt auf subjektive Wertanpassungen verzichtet werden darf, sofern man eine faire Einigung zwischen zwei abweichenden Wertvorstellungen erzielen will.80 112 Im Rahmen des funktionalen Bewertungskonzepts des IDW S 1, bei dem die Funktion, mit der der Wirtschaftsprüfer beauftragt wird und damit der Zweck, dem diese Bewertung dienen soll, den zu ermittelnden Unternehmenswert (objektivierter Unternehmenswert, subjektiver Entscheidungswert, Einigungswert) vorgibt,81 sind mit dem zu ermittelnden Unternehmenswert Vorgaben hinsichtlich der bei der Bewertung anzusetzenden Prämissen verbunden. Dazu gehören insbesondere Vorgaben zur Berücksichtigung von Synergien und zum Umfang notwendiger Typisierungen, was im Zuge der nachfolgend beabsichtigten Konkretisierungen im Zuge des neuen § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG von besonderer Bedeutung ist. Denn damit ist verbunden, ob das gemäß IDW S 1 vorgegebene Bewertungs- und insbesondere Typisierungskonzept im Sinne des neuen § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG und im Sinne der mit ihm verfolgten Zielsetzungen umsetzbar und damit der Rückgriff zielführend ist.

Einordnung des objektivierten Ertragswertes innerhalb der Unternehmensbewertungsmethoden 113 Mit der gesetzlichen Normierung des objektivierten Ertragswertes in § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG wurde das in der Vergangenheit in den konzessionsvertraglichen Endschaften vorherrschende Wertkonzept des Sachzeitwertverfahrens ersetzt. 114 Im Gegensatz zum Sachzeitwertverfahren, welches den Wert eines Netzes aus der Summe der Substanz aller einzelnen Anlagenteile zu einem Gesamtwert zusammensetzt,82 ermittelt ein Ertragswert direkt einen Gesamtwert aus dem Barwert aller mit dem Netz verbundenen zukünftigen Ertragsmöglichkeiten.83 Das Ertragswertverfahren stellt ein allgemein anerkanntes Bewertungskonzept dar, welches je nach Bewertungsanlass in einer Vielzahl unterschiedlicher Ausprägungen vorkommen kann.84 Der objektivierte Ertragswert stellt entsprechend eine Variante des Ertragswertverfahrens als Oberbegriff dar.

80 Vgl. dazu Ballwieser/Hachmeister, S. 4; Meier, S. 22, 23. Bzgl. der Schwierigkeiten bei der Ermittlung subjektiver Wertvorstellungen aufgrund fehlender Informationsoffenlegung und der Auswirkungen einer fehlenden freien Verkaufsauktion auf die Erwerberbestimmung und dessen maximaler Zahlungsbereitschaft wird an dieser Stelle auf Salcher/Keller/Killisch, S. 703 verwiesen. 81 Anders ausgedrückt macht der Bewertungszweck, z. B. einen Einigungswert zu ermitteln, eine entsprechende Beauftragung und Funktion des Wirtschaftsprüfers notwendig. 82 Zum Begriff des Sachzeitwertverfahrens vgl. die Begriffsdefinition unter dem Abschnitt „Substanzbewertung – Sachzeitwert“. 83 Vgl. Peemöller/Peemöller/Kunowski, S. 337. 84 Vgl. Meier, S. 95.  

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§ 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG spezifiziert den Ertragswert durch den Zusatz „objektiviert“. Dieser Zusatz wird zunächst vom allgemeinen Wortlaut ausgehend als „in eine bestimmte, der objektiven Betrachtung zugängliche Form bringen; von subjektiven, emotionalen Einflüssen befreien“ verstanden.85 In der Bewertungspraxis ist die begriffliche Ergänzung dahingehend zu übersetzen, dass damit ein von subjektiven Einflüssen und Wertvorstellungen unabhängiger und für alle beteiligten Parteien nachvollziehbarer Wert gefunden werden soll und es dazu eines neutralen, d. h. von allen Seiten als unparteiisch und unvoreingenommen empfundenen Bewerters bedarf.86 Entsprechend muss der gesetzlich normierte objektivierte Bewertungsansatz als ein intersubjektiv nachprüfbares Verfahren mittels notwendiger Typisierung der Verhältnisse – und damit der Kriterien – und unabhängig von einzelnen individuellen Wertvorstellungen erfolgen. Auch wenn § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG nicht direkt auf den IDW S 1 Bezug nimmt, so kommt ihm gleichwohl eine besondere Rolle zu, weil er insbesondere aufgrund der Verankerung des objektivierten Unternehmenswertes in diesem Standard der für intersubjektiv nachprüfbare Ertragswerte maßgebliche Bewertungsstandard in Deutschland ist.87 Zur Ermittlung des objektivierten Unternehmenswertes auf Basis zukünftiger Erfolge bietet sich in der Praxis neben dem Ertragswertverfahren alternativ das Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) an, welches bei korrektem Ansatz zum gleichen Ergebnis führt. Im Sinne einer abschließenden Definition stellt damit der objektivierte Ertragswert im Sinne des objektivierten Unternehmenswertkonzepts gemäß IDW S 1 einen intersubjektiv nachprüfbaren, d. h. einen für alle Parteien nachvollziehbaren Zukunftserfolgswert dar. Auf die für den hinsichtlich des Bewertungsobjektes besonderen Fall der Netzbewertung erforderlichen anlassbezogenen Anpassungen wird in Abschnitt I.3.b)bb) dieses Kapitels gesondert eingegangen.88 Zuvor muss auf die nachfolgend aufgeführten Bedingungen, unter denen gemäß IDW S 1 die Abzinsung der für die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes anzusetzenden finanziellen Überschüsse zu erfolgen hat, besonderes Augenmerk gelegt werden. Denn mit der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung dieser Bedingungen ist konzeptionell verbunden, ob und inwiefern der objektivierte Ertragswert im Zuge eines Netzübergangs im Sinne des objektivierten Unternehmenswertes gemäß IDW S 1 anwendbar ist bzw. inwieweit Annahmen anzupassen sind. Der IDW S 1 beinhaltet folgende Bedingungen: – Finanzielle Überschüsse sind aus Sicht der Unternehmenseigner unter der Annahme der Unternehmensfortführung auf Basis des existenten Unternehmenskonzepts

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85 DUDEN; http://www.duden.de. 86 Vgl. Peemöller/Peemöller/Kunowski, S. 347. 87 Salcher/Keller/Kellermann, S. 22. 88 Anpassungen sind vor dem Hintergrund der rechtlichen Anforderungen notwendig; vgl. Salcher/Keller/Kellermann, S. 22. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

mit allen aus der gegebenen Unternehmenssituation resultierenden realistischen Chancen und Risiken zu ermitteln.89 Das bedeutet, dass nur die zum Bewertungszeitpunkt bereits eingeleiteten oder im Unternehmenskonzept hinreichend konkret verankerten Erfolgsfaktoren einzubeziehen sind.90 Bei der Berücksichtigung von Steuerzahlungen sind – sofern der Wirtschaftsprüfer als neutraler Gutachter tätig ist – nicht die persönlichen Steuerbelastungen der Unternehmenseigner zu berücksichtigen, sondern ist anlassbezogen ein typisierter Steuersatz anzusetzen.91 In der Praxis wird für Kapitalgesellschaften ein typisierter Ertragsteuersatz von rd. 30 %, bei Personengesellschaften ein Satz von 35 % vorgeschlagen.92 Es sind lediglich unechte Synergieeffekte einzubeziehen, d. h. positive finanzielle Effekte aus dem Zusammenwirken von bereits eingeleiteten oder im vorliegenden Unternehmenskonzept des Unternehmenseigners verankerten Maßnahmen, die sich unabhängig vom Bewertungsanlass ergeben und damit im Sinne objektiver, d. h. für alle Beteiligten unstrittig ablesbarer Synergien zu verstehen sind.93 Auch hinsichtlich der aus dem existenten Management heraus resultierenden bzw. vom Eigentümer beeinflussten Faktoren sind Typisierungen vorzunehmen.94 Bleibt der Eigentümer bzw. das Management unverändert bzw. ist von einem gleichwertigen Ersatz auszugehen, sind grundsätzlich keine Anpassungen vorzunehmen.95  











Bewertungsansatz des Gesetzgebers; Gesetzeskonkretisierung durch fachliche Praxis eines Berufstandes 119 Eine angemessene Vergütung soll aus kartellrechtlicher Sicht einen ausreichenden Wettbewerb ermöglichen.96 Diese Zielsetzung des BGH hat der Gesetzgeber inhaltlich

89 IDW S1 i. d. F. 2008, Rn 29. 90 IDW S1 i. d. F. 2008, Rn 32. 91 Bei dieser sog. mittelbaren Typisierung wird unterstellt, dass die Nettozuflüsse aus dem Bewertungsobjekt der gleichen persönlichen Besteuerung auf Ebene der Eigner unterliegen, wie es die Nettozuflüsse aus Investitionen in ein Aktienportfolo tun, vgl. IDW S. 1 i. d. F. 2008, Rn 29, 30. Bei gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen gilt die unmittelbare Typisierung, d. h. dann sind die persönlichen Ertragssteuern zu berücksichtigen, vgl. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 31. 92 Vgl. Peemöller/Peemöller, S. 40. Der Ertragsteuersatz von 30 % setzt sich aus 15,825 % Körperschaftsteuer/Solidaritätszuschlag + 14,175 % Gewerbersteuer zusammen, d. h. es wird ein Hebesatz von 400 % unterstellt. 93 IDW S1 i. d. F. 2008, Rn 34. 94 IDW S1 i. d. F. 2008, Rn 38. 95 IDW S1 i. d. F. 2008, Rn 39. 96 Siehe dazu die Ausführungen in den Abschnitten „Motive/Ziel(e)/Aufgabe des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG“ und „Abbildung Kaufering Rechtsprechung des BGH – objektive Kriterien vs. objektivierter Ertragswert?“.  







































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B. Wertbestimmung

richtig interpretiert.97 Die Herausforderung steckt jedoch, insbesondere vor dem bereits beschriebenen Hintergrund, dass ein objektiv richtiger Wert nicht ermittelbar ist, im Rückgriff auf ein dafür sachgerechtes Bewertungskonzept. Grundsätzlich taugt ein Rückgriff auf die fachliche Praxis zum Zweck einer Gesetzes- 120 konkretisierung, sofern sie sachgerechte und allgemein akzeptierte Ergebnisse anbietet. Die unterschiedliche und strittige Auslegung bereits der Kaufering-Rechtsprechung des BGH98 verdeutlicht jedoch, dass solche Ergebnisse nicht vorliegen und damit ein Rückgriff auf eine eindeutige fachliche Praxis nicht möglich ist. Der Rückgriff auf ein – für im Zuge von Konzessionswechseln vorzunehmende Netzbewertungen – unstrittiges Bewertungskonzept ist ebenfalls nicht möglich.99 Darauf, dass mit einem Bewertungsstandard nur ein Rahmen vorgegeben und für Sonderfälle eine eigenverantwortliche Lösung des Bewerters zu finden ist, weist auch der IDW S 1 hin.100 Bereits in der Ausgangsituation unklar ist die Interpretation der in der Kaufering-Rechtsprechung enthaltenden Vorgaben, „objektive“ Kriterien bei der Ertragswertermittlung zu Grunde zu legen und den Kaufpreis auf die „maximale Zahlungsbereitschaft“ des potentiellen Erwerbers zu begrenzen. Es stellt sich die Frage, ob neben der kartellrechtlichen Kontrollfunktion darüber hinaus auch eine konfliktvermeidende Zielsetzung im Sinne einer die unterschiedlichen Zielsetzungen aller Beteiligten ausgleichenden Wertfindungssuche angelegt ist. Aber vielleicht wollte der BGH damit nur einen rein subjektiven Ansatz ausschließen und mit unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten einen Zielkorridor aufspannen. Einerseits, damit sich der zwangsweise Netzabgebende nicht mit einem wirtschaftlich unterdurchschnittlich agierenden Käufer und seinen subjektiven (wertmindernden) Annahmen einigen muss. Andererseits, damit möglichst objektive Kriterien vorgegeben werden, ohne positive subjektive Elemente, die eine Einigung ermöglichen, ausschließen zu wollen. Dass die Vergabe an einen aus wirtschaftlicher Sicht zumindest suboptimalen Erwerber trotz des gewonnenen Konzessionsvergabeverfahrens möglich ist, kann u. a. aus hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines Bewerbers nicht immer zielführenden Vergabekriterien resultieren und ist damit nicht ausgeschlossen.101 Zusätzlich problematisch sind des Weiteren Bewertungssituationen, in denen 121 (noch) kein ausreichender Vergleichsmarkt für ein Bewertungsobjekt besteht (z. B. bei Start-Up-Unternehmen oder bei neuen Technologien wie Glasfasernetze) und damit  



97 Zur Zielsetzung siehe Abschnitt „Motive/Ziel(e)/Aufgabe des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG“. 98 Siehe Abschnitt „Abbildung Kaufering Rechtsprechung des BGH – objektive Kriterien vs. objektivierter Ertragswert?“. 99 Bezüglich der offenen und hinsichtlich ihres Ansatzes strittigen Punkte vgl. die Ausführungen im Abschnitt zur „Umsetzbarkeit der gesetzgeberischen Motive durch Anpassungen des an den objektivierten Unternehmenswert nach IDW S 1 angelehnten objektivierten Ertragswert“ (I 3. b) bb)). 100 Siehe Vorbemerkungen des IDW S 1 i. d. F. 2008. 101 Beispielhaft ist hier eine vorgegebene Mindestinvestitionsquote zu nennen, die nicht nur hinsichtlich eines für den Eigentümer bzw. Betreiber unzulässigen Eingriffs zu prüfen, sondern die auch hinsichtlich ihrer Zielsetzung zu hinterfragen ist.  

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

kein Rückgriff im Rahmen der Bewertung möglich ist. Oder es handelt sich um eine Situation, in der die Parteien nicht auf Augenhöhe agieren können, d. h. eine Partei die andere, aus welchem Grund auch immer, dominiert wie es bspw. bei zwangsweisen Abfindungen der Fall sein kann.102 Im vorliegenden Sachverhalt ist zudem zu beachten, was der Gesetzgeber zu welchem Zeitpunkt erreichen und klären will und zu welchem Zeitpunkt er mit welchem Instrument dazu eingreift. Eine kombinierte Konstellation vorgenannter Ausgangs- und nur beispielhafter Problemsituationen führt dazu, dass im konkreten Fall ein Rückgriff auf ein Verfahren der Bewertungspraxis scheitert. Auf vorgenannte Punkte wird nachfolgend detaillierter eingegangen, sofern sie für die Diskussion um notwendige Anpassungen der Bedingungen gemäß IDW S 1 relevant erscheinen. 122 Zuallererst gibt es trotz einer Vielzahl von Netzabgaben für Netze keine beobachtbaren Marktpreise, an denen man sich im Sinne eines fairen Ausgleichs zwischen Käufer- und Verkäuferinteressen orientieren kann.103 Auch im Rahmen der Ertragsbewertung ist ein Rückgriff auf wirkliche Vergleichsunternehmen – wie beispielsweise zur Ableitung angemessener Betafaktoren104 notwendig – nur sehr eingeschränkt möglich, da es keine börsennotierten reinen Netzgesellschaften in Deutschland gibt. In der Praxis wird daher auf Vergleichsunternehmen zurückgegriffen, die auch im Rahmen der Ermittlung regulatorischer Renditevorgaben herangezogen wurden, sodass die Parameter zur Ermittlung sowohl der Mittelzuflüsse als auch der Kapitalkosten diesbezüglich in sich wiederum stimmig sind.105 123 Des Weiteren handelt es sich bei Netzabgaben nicht um eine Verhandlungssituation, die sich durch eine freiwillige Transaktion am Markt unter Marktteilnehmern ergibt, da die Kaufpreiseinigung im Zuge eines Konzessionswechsels bei gewählter Eigentumsübertragung qua rechtlicher Vorgabe zustande kommen muss. Entsprechend schlecht sind die Voraussetzungen, einen aus Sicht aller Beteiligten fairen Einigungskorridor geschweige denn einen konkreten Einigungswert zu finden. 124 Auch wenn – wie zuvor ausgeführt – der BGH mit seinen Vorgaben ein Preissignal in den Markt senden will, das einen funktionierenden Wettbewerb ermöglicht, greift die Rechtspraxis häufig zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Wettbewerb – hier um die Konzession – bereits stattgefunden hat. Die meisten Kaufpreisüberprüfungen fanden anders als im Sachverhalt der BGH-Kaufering Entscheidung ex post, d. h. nach Konzessionswechsel bzw. erfolgter Netzübernahme statt.106 Dies hat zur Folge, dass ein objekti 



102 Vgl. Meier, S. 19 und Kapital 2.1.4. 103 Vgl. Salcher/Keller/Killisch, S. 703. 104 Zur Bestimmung des unternehmensindividuellen Betafaktors – als Ausdruck des unternehmensindividuellen Risikos im Verhältnis zum Marktportfolio – wird im ersten Schritt auf beobachtbare (Aktien-) Renditen des Bewertungsobjektes selbst oder auf vergleichbare Unternehmen zurückgegriffen. Siehe IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 120, 121. 105 Vgl. dazu auch Müller/Woltery, S. 5. 106 Vgl. bspw. BGH Urt. v. 7.2.2006, KZR 24/04, OLG Düsseldorf, OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19.  



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B. Wertbestimmung

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vierter Ertragswert mit u. a. entsprechender Erwerbertypisierung vorgegeben wird, obgleich sich ein konkreter Erwerber bereits durchgesetzt hat. Erschwerend kommt hinzu, dass gemäß der sog. Wurzeltheorie die Wertfindung auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit zu erfolgen hat, zu dem ein Übergang hätte stattfinden müssen, aufgrund der Uneinigkeit hinsichtlich des Kaufpreises aber nicht stattgefunden hat.107 Dagegen müssen spätere Entwicklungen, deren Wurzeln in der Zeit nach dem Bewertungsstichtag liegen, außer Betracht bleiben.108 Des Weiteren hat in der Praxis in den Fällen, in denen der Kaufpreis strittig ist, regelmäßig noch keine Einigung auf eine einvernehmliche Erlösübertragung stattgefunden. Unter Berücksichtigung alleine der hier umrissenen Problemfelder und noch vor der inhaltlichen Auseinandersetzung zu Umfang und Inhalt notwendiger Anpassungen der gemäß IDW S 1 geltenden Bedingungen für den objektivierten Unternehmenswert ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber zwar formal Klarheit bzgl. der im Zweifel anzuwendenden Bewertungsmethode, nämlich dem Ertragswertverfahren, geschaffen und grundsätzlich den bisher einschlägigen Sachzeitwert durch einen Ertragswert abgelöst hat. Jedoch hat er die Komplexität der Bedingungen, unter denen diese Methode sachgerecht anzuwenden ist, nicht ausreichend berücksichtigt, weshalb weiterhin ein gesamthaftes Bewertungskonzept mit den zu Grunde zu legenden Annahmen und ggf. notwendigen Typisierungen fehlt. Durch die schlichte Ergänzung des allgemein anerkannten Ertragswertverfahrens durch den Begriff „objektiviert“, womit jedoch die damit aufgeworfenen Fragen nicht beantwortet wurden, hat er die Ziele des BGH bzw. seine eigene Zielsetzung109 nicht ausreichend eindeutig und damit nicht rechtssicher umgesetzt. Damit hat der Gesetzgeber wie auch der BGH die Ausgestaltung den Gerichten sowie der Bewertungspraxis überlassen.110 Durch die normative Festlegung eines objektivierten Ertragswertes in § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG hat er zudem die Möglichkeit der Parteien, sich außergerichtlich zu einigen, in der Praxis deutlich erschwert. Denn wirtschaftlich ist nun jeder Käufer daran gehalten, nicht mehr als den im Sinne eines Benchmarks zu ermittelnden und zudem noch auslegungsbedürftigen objektivierten Ertragswert zu zahlen. Ansonsten würde sich das entsprechende Entscheidungsorgan dem Vorwurf aussetzen, je nach Interpretation der notwendigen Objektivierung mehr als nötig gezahlt zu haben.  

107 BGH, Urteil v. 17.1.1973 – IV. ZR142/70. 108 BGH, Urteil v. 17.1.1973 – IV. ZR142/70. 109 Zu seinen Zielsetzungen vgl. Abschnitt „Motive/Ziel(e)/Aufgaben des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG“. 110 Bzgl. der Prüfung, wann ein Bewertungskonzept den Anforderungen entspricht und insbesondere zur Rechtsicherheit beiträgt, wird an dieser Stelle auf die Ausführungen von Meier zum Zieldreieck des § 46 Abs 2 S. 2 EnWG (Meier, S. 115 ff) und zu den daraus resultierenden Anforderungen verwiesen. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

b) Auslegung des objektivierten Ertragswertes anhand gutachtlicher/ kaufmännischer Praxis aa) Grundzüge des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze (1) Begriff 129 Die Ertragswertmethode stellt auf den Zufluss finanzieller Mittel vom Unternehmen an den Unternehmenseigner, sprich Eigenkapitalgeber, ab und zinst alle direkt oder indirekt ihm zufließenden, d. h. zumindest ursächlich mit dem Unternehmen verbundenen, zukünftigen Netto-Zuflüsse ab.111 Der Ertragswert stellt somit den Gegenwert zu dem vom Eigentümer gezahlten Preis im Sinne des von ihm investierten Eigenkapitals dar. Der Wert des Eigenkapitals wird dabei direkt durch die ausschließliche Berücksichtigung der Nettozuflüsse an den Eigenkapitalgeber, und nicht über den Umweg des Gesamtunternehmenswertes als Summe aus Eigen- und Fremdkapitalmarktwert, von dem erst der Marktwert des Fremdkapitals abgezogen werden müsste, ermittelt. Deshalb spricht man beim Ertragswertverfahren auch von einem Nettoverfahren bzw. von einem einstufigen Verfahren.112 Um den Ertragswert eines Netzes mit seinem Sachzeitwert vergleichen zu können, muss der Ertragswert um die Verbindlichkeiten inklusive der Baukostenzuschüsse ergänzt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Baukostenzuschüsse im Bewertungsgegenstand der Ertragsbewertung berücksichtigt werden. 130 Der Ertragswert kann damit als Zukunftserfolgswert einer auf Gewinnverfolgungsziele ausgerichteten Unternehmung aus Sicht des Unternehmenseigners definiert werden. 131 Vor der eigentlichen Bewertung muss der zu bewertende Gegenstand klar abgegrenzt werden. Dies z. B. dann, wenn es sich um einen Teil eines größeren Gesamtnetzes handelt. Die anschließende Ermittlung des Ertragswertes erfolgt in doppelter Hinsicht zumindest zweigeteilt: Im ersten Schritt wird die Unternehmensplanung grundsätzlich in zwei Planungsphasen untergliedert, eine Detailplanungsphase und eine nachhaltige Phase. Für beide Phasen werden die finanziellen Zuflüsse in Richtung Unternehmenseigner ermittelt, die sich vereinfachend aus (a) der regulierten Verzinsung des auf 40 % gedeckelten Eigenkapitals und (b) den operativen Erlösen nach Abzug der zugehörigen Kosten zusammensetzen. Diesbezüglich stellen die anzusetzende Kosteneffizienz, erzielbare Synergiemög 





111 Vgl. Schultze, S. 76 und insbesondere zur Beschränkung auf rein finanzielle Zuflüsse S. 450. Zum Ertragswertbegriff siehe zudem Peemöller/Peemöller, S. 58 f. sowie 337. Mit ursächlich verbundenen Zuflüssen sind Effekte gemeint, die bedingt durch das Unternehmen auch mit Dritten erfolgen können, wie z. B. Steuern, Synergieeffekte auf andere Unternehmen etc.; vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 59. 112 Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 99. Demgegenüber ermittelt bspw. das WACC-Verfahren als ein Bruttoverfahren im ersten Schritt den Gesamtunternehmenswert einschließlich des Wertes der Schulden durch Diskontierung der Cash Flows vor Zinsen mit gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten und subtrahiert erst in einem zweiten Schritt den Wert der Netto-Finanzverbindlichkeiten, um zum Wert des Eigenkapitals zu gelangen. In diesem Sinne wäre auch ein SZW als ein Bruttowert zu interpretieren, der auch den mittels Fremdkapital finanzierten Netzteil berücksichtigt.  







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lichkeiten und realisierbare zusätzliche Anreize aus den operativen Tätigkeiten (sog. „operative Outperformance”) entscheidende Einflussfaktoren dar. Die auf Basis der Unternehmensplanung ermittelten Zuflüsse an den oder die Eig- 132 ner werden mit einem dem eingegangenen Risiko entsprechenden Kapitalisierungszins auf den Bewertungszeitpunkt abgezinst. Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes von beispielweise 5 % spiegelt dabei die alternative Anlagemöglichkeit mit vergleichbarem Risiko wider. Dieser Kapitalisierungszinssatz stellt somit die Kosten für das eingesetzte Kapital bzw. Opportunitätskosten im Sinne der entgangenen alternativen Verzinsung dar. D. h. erst ein Ertrag von über 5 % auf das eingesetzte Eigenkapital wird als Wertzuwachs aus der getätigten Investition empfunden, da auch mit einer alternativen Investition die beispielhaften 5 % hätten erzielt werden können. Erzielt der Investor lediglich 4 %, könnte jedoch im Beispiel 5 % alternativ erzielen, verzichtet er – einen unveränderten und konstanten Kapitaleinsatz unterstellt – mit seiner Entscheidung auf 1 % Rendite, so dass der Wert der Investition bzw. des Unternehmens so weit sinkt, bis auch auf seiner (nun reduzierten) Basis die Alternativrendite von 5 % erzielt wird. Zuletzt muss noch etwaiges nicht betriebsnotwendiges Vermögen – da nicht be- 133 trieblich benötigt und damit auch bis zu diesem Zeitpunkt nicht in der Ertragsbewertung berücksichtigt – im Sinne daraus erzielbarer Liquidationserlöse gesondert bewertet und in den Gesamtwert mit einbezogen werden.113 Mit den vorgenannten Schritten, nämlich der Abgrenzung des Bewertungsgegen- 134 standes, einer umfassenden und auch nachhaltigen Unternehmensplanung, der Bestimmung der dieser Planung zu Grunde zu legenden Annahmen und der Ermittlung eines angemessenen, dem Risiko entsprechenden Kapitalisierungszinssatzes sind wesentliche Kernaufgaben einer Ertragsbewertung vorgezeichnet, auf die nachfolgend unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines regulierten Energienetzes als Bewertungsobjekt separat eingegangen wird. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den bereits erwähnten besonderen Einflussfaktoren, nämlich der Frage nach anzusetzenden Synergien, der zu Grunde zu legenden Effizienz und der Beurteilung der operativen Outperformancemöglichkeit im Rahmen des regulatorischen Rahmens. Auf die bei einer Bewertung im Rahmen einer Netzübertragung unter Beachtung des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG speziellen Aspekte der anzusetzenden Perspektive, der notwendigen Typisierung und weiterer Sondersachverhalte wird in den letzten Abschnitten zu den Grundzügen des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze eingegangen.  















(2) Abgrenzung des übertragungs- und bewertungsrelevanten Mengengerüstes Zur Identifikation der nach Maßgabe des Konzessionsvertrages oder des gesetzlichen 135 Überlassungsanspruches gem. § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG auf den neuen Netzeigentümer zu übertragenden Netzanlagen, dem sog. Mengengerüst, sind i. d. R. keine ortsnetzschar 

113 Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 57; Ernst/Schneider/Thielen, S. 143 ff.  

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

fen Bestandsaufnahmen erforderlich. Hier kann auf entsprechende Dokumentationen beim bisherigen Netzbetreiber Bezug genommen werden die normalerweise ein zutreffendes Abbild der tatsächlich vorhandenen und zu übertragenden Netzkomponenten darstellen. In Einzelfällen kann eine Überprüfung aus der Sicht des Netzerwerbers angezeigt erscheinen, wenn Hinweise für eine mangelbehaftete Fortschreibung technischer Aufzeichnungen vorliegen.114 Nicht selten sind Unsicherheiten bei bestehenden Dokumentationen des Mengengerüstes im Hinblick auf die Identifikation von Bau- bzw. Anschaffungsjahren für ältere Netzkomponenten anzutreffen.115 136 Zu übertragen sind i. d. R. alle im Konzessionsgebiet gelegenen Verteilnetzanlagen, sofern diese mehr als nur unwesentlich der örtlichen Versorgung dienen.116 Jedenfalls sind solche Anlagen vom Übertragungsanspruch erfasst, an denen Letztverbraucher unmittelbar angeschlossen sind.117 Ausgeschlossen sind nur jene Anlagen, die entweder reine Durchgangsleitungen sind, keinen Bezug zur örtlichen Versorgung haben oder ihre Funktion für die örtliche Versorgung völlig unbedeutend ist.118 137 Unabhängig davon können örtliche Netzstrukturen bestehen, bei denen sich aus der Sicht des Erwerbers ein Kauf zusätzlicher Leitungsabschnitte anbietet, um somit die ansonsten entstehenden Entflechtungs- bzw. Einbindungskosten reduzieren zu können. Vielfach bieten sich verschiedene Entflechtungsvarianten an, für die sich ein unterschiedlicher Umfang sog. optional zu übertragender Netzanlagen ergeben kann. Für deren Überlassung und Kaufpreisfindung gilt die konzessionsvertragliche Endschaftsregelung nur dann, wenn der Überlassungsanspruch auf die konzessionsvertragliche Endschaftsregelung gestützt wird. Daher wird der Ermittlung der angemessenen Vergütung vielfach eine Auslotung alternativer Entflechtungskonzepte und die Erzielung einer diesbezüglichen Einigungslösung vorangestellt.119  



(3) Bewertungsphasen – Detailplanungsphase/Ewige Rente 138 Eine Unternehmensplanung untergliedert sich grundsätzlich in zumindest zwei zeitlich

aufeinanderfolgende Phasen, nämlich in die sog. Detailplanungsphase und die nachhaltige Phase, auch Fortführungsphase genannt, deren Ergebnis die sog. Ewige Rente abbildet.120 Die erste, zeitlich naheliegende Planungsphase kann auf Grund besserer Kennt-

114 In der Regel werden Risiken aus eventuell auftretenden Abweichungen zwischen einer Sachzeitwertermittlung und dem tatsächlichen Anlagenübergang durch entsprechende Vertragsgarantien geregelt. 115 Häufig werden diese Netzkomponenten dann nur mit ihrem jeweiligen Anhaltewert bewertet. 116 BGH, Urteil v 7.4.2020 – EnZR 75/18 – Rn 25 (Stuttgart). 117 BGH, Beschluss v. 3.6.2014 – EnVR 10/13. 118 BGH Urt. V. 7.4.2020 EnzR 75/18, Rn 33 (Stuttgart). 119 Vgl. dazu Abschnitt I.1.a) „Entflechtung und kleiner Grenzverkehr“. 120 IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 117. Der Barwert der sog. Ewigen Rente wird englisch Terminal Value (TV) bezeichnet.  



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nisse der nahen Zukunft exakter und detaillierter geplant werden. Eine davon abweichende Untergliederung in drei Phasen oder eine zeitliche Ausdehnung der ersten Planungsphase ist in der Praxis dann sinnvoll, wenn der Wechsel von der Detailplanungsphase in die nachhaltige, hinsichtlich der Planungskonstanz eingeschwungene Phase eine Übergangs- oder Grobplanungsphase notwendig macht, d. h. eine gewöhnlich lange Detailplanungsphase von ein bis maximal zwei Regulierungsperioden zum Ende hin zu weit von einem eingeschwungenen Zustand entfernt ist.121 Insbesondere in der Energiewirtschaft kann dies aufgrund der langen technischen Nutzungsdauern, die von den kalkulatorisch zugestandenen Nutzungsdauern abweichen können, der Fall sein. Denn dadurch, dass die Anlagen technisch länger oder kürzer leben, als sie kalkulatorisch abgeschrieben werden, kann es zu einem zwischenzeitlichen kalkulatorischen Ab- und Aufbau des entsprechenden Anlagevermögens kommen, was die Planung einer Übergangsphase notwendig macht.122 Mit der Planung der nachhaltigen Phase ist zu beantworten, unter welchen Bedin- 139 gungen sich das Unternehmen langfristig entwickelt, d. h. mit welchen Prämissen zu planen, welcher regulatorischen Rahmen langfristig anzusetzen und welches Wachstum zu erwarten ist. Insbesondere, wenn sich der regulatorische Rahmen in der Diskussion befindet, müssen Annahmen – im Zweifel in Form von Wahrscheinlichkeiten für alternative Entwicklungsstränge – getroffen werden. Wird die Fortführung gegebener Rahmenbedingungen und ihrer Wirkmechanismen – wie aktuell der Anreizregulierung – unterstellt, sind die damit verbundenen Annahmen und Effekte bewertungstechnisch auch konsequent anzuwenden. Für die eingeschwungene Phase ist eine nachhaltige Reinvestitionsrate anzusetzen, die im Verhältnis zu den kalkulatorischen Abschreibungen zu wählen ist, da damit der Fortbestand bzw. die Entwicklung der kalkulatorische Verzinsungsbasis und der daraus abzuleitenden Erlöse in der nachhaltigen, eingeschwungenen Phase bestimmt wird. Wird ein nachhaltiges Ertragswachstum unterstellt, muss ebenso eine dafür not- 140 wendige Thesaurierung123 angesetzt werden, um den mit dem Wachstum verbundenen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf zu berücksichtigen und die eingeschwungene Finanzierungsquote aufrecht zu erhalten. Da im nominalen Basiszinssatz als Teil des Kapitalisierungszinssatzes124 auch die Inflationserwartung des Gesamtmarktes eingeht, ist im Zuge der Bestimmung der Wachstumsrate zudem auch immer die unterstellte Inflationserwartung zu berücksichtigen. Die finanziellen Überschüsse ändern sich zwar nicht  



121 Zum Erfordernis einer dritten Planungs- bzw. sog. Grobplanungsphase siehe Peemöller/Mandl/Rabel, S. 63. 122 Bzgl. der kalkulatorisch vorgegebenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern der Anlagegüter siehe jeweils Anlage 1 StromNEV/GasNEV. 123 Nichtausschüttung von Gewinnen des Eigentümers. Alternativ und mit dem gleichen Effekt kann auch eine Eigenkapitaleinlage seitens des bzw. der Eigentümer(s) geleistet werden. 124 Zum Kapitalisierungszinssatz und seiner Zusammensetzung vgl. die Ausführungen im Abschnitt „Kapitalisierung und Kapitalisierungszins“. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

zwangsläufig mit der Geldentwertungsrate. Zu prüfen ist aber, inwiefern die mit dem Unternehmen erzielbaren Erlöse den inflationsbedingt steigenden Kosten angepasst werden können. Da bei der Netzregulierung von Strom- und Gasnetzen der Gesamtindex der Verbraucherpreise eine wesentliche Komponente der Regulierungsformel darstellt, ermöglicht die Netzregulierung grundsätzlich, dass sich inflationsbedingtes Wachstum unmittelbar in höheren Netzentgelten widerspiegelt.

(4) Prognose der Erträge und Aufwendungen 141 Zur Ertragswertermittlung bedarf es einer integrierten und möglichst detaillierten Plan-

Gewinn- und Verlustrechnung, einer Plan-Bilanz, einer Plan-Investitions- und Finanzbedarfsrechnung und in diesem Zusammenhang auch einer festzulegenden Ausschüttungspolitik, da diese das Verhältnis aus Innen- und Außenfinanzierung bestimmt.125 Da es sich, insbesondere im Rahmen eines Teilnetzübergangs, nicht um ein existierendes Unternehmen handelt, muss für das zu betrachtende (Teil-)Netz im Grundsatz eine neue, separate Planung erstellt werden. 142 Wesentliche Grundlage für die Erlösplanung stellen die vor Beginn einer Regulierungsperiode durch die Bundesnetzagentur festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Neuund Altanlagen nach § 21 Abs. 2 EnWG für das regulatorisch anerkannte Anlagevermögen dar. Neben der kalkulatorischen Verzinsung auf das zugestandene Eigenkapital (sog. EK I) und auf das überschießende Eigenkapital (sog. EK II auf das Eigenkapital über 40 %) sowie der kalk. GewSt basieren auch die kalkulatorischen Abschreibungen auf dem wie oben abgegrenzten und für das (Teil-)Netz relevanten Mengengerüst und dem auf dieser Basis zu ermittelnden kalkulatorischen Restwert.126 Zur Finanzierung dieser Anlagen ist die regulatorisch zugestandene Eigenkapitalquote von 40 % auszusteuern, um die maximale Eigenkapitalverzinsung zu realisieren. Die zu genehmigenden rein kalkulatorischen Erlösbestandteile werden im Rahmen der EOG-Überleitung nach § 26 Abs. 2 ARegV vom bisherigen Netzbetreiber übertragen.127 143 Je nach Zuständigkeit hat jeder Netzbetreiber bei der Bundes- bzw. Landesregulierungsbehörde die Kosten seines Basisjahres im Rahmen der alle 5 Jahre stattfindenden Kostenprüfung darzulegen und zu begründen.128 Soweit diese Kosten genehmigt und hinsichtlich ihrer Effizienz beurteilt wurden, bilden sie die Erlösgrundlage des Netzbetreibers für die kommende Regulierungsperiode und bilden damit auch die Basis der für das betreffende Netz zu übertragenden Erlöse. Auf die Schwierigkeiten einer sachgerechten Übertragung der operativen Erlöse wird im weiteren Verlauf eingegangen. Für  



125 Mit der Ausschüttungspolitik wird die Thesaurierung festgelegt und damit indirekt die Höhe der residual notwendigen Fremdkapitalaufnahme; vgl. Schultze, Seite 76 f. 126 Vgl. StromNEV/GasNEV, §§ 6, 7. 127 Zur EOG-Überleitung vgl. Abschnitt „Übertragung einer Erlösobergrenze nach § 26 ARegV“. 128 Das Basisjahr ist das Geschäftsjahr, welches drei Jahre vor Beginn der Regulierungsperiode liegt, für deren EOG-Ermittlung das Basisjahr maßgeblich ist, vgl. § 23a EnWG; §§ 4, 6 ARegV.  

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Teilnetzübertragungen gilt die Effizienz des abgebenden Netzbetreibers für die maßgebliche Regulierungsperiode fort. Darüber hinaus erfolgt seit Beginn der dritten Regulierungsperiode 2018/2019 eine jährliche Anpassung der Kapitalkosten durch den sog. Kapitalkostenauf- und -abschlag, d. h. die direkte Anpassung der Kalkulationsbasis durch Abschreibungen (in Form eines Abschlags) und Investitionen (in Form eines Aufschlags), um dem bei Investitionen sich ansonsten ergebenden Zeitverzug in der Erlösvereinnahmung zu begegnen. Ergänzend gilt in der laufenden, dritten und entsprechend des neuen § 34a ARegV – erst nach Genehmigung und in deutlich abgemilderter Form – für die vierte Regulierungsperiode der sogenannte Übergangssockel. In dessen Zuge wird für Anlagen, die zwischen 2007 bis einschließlich 2016 erstmalig aktiviert wurden, der Kapitalkostenabzug ausgesetzt.129 Für die vierte Regulierungsperiode ist neben den erwähnten Anträgen zudem eine jährliche Absenkung des Restsockels zu berücksichtigen.130 Damit werden bei einem sich über eine Regulierungsperiode aufbauenden Sockel die anfänglich geringsten Sockelwerte mit 80 %, die höchsten Sockelwerte im letzten Jahr gar nicht mehr berücksichtigt. Bezogen auf den rein kalkulatorischen Erlösbestandteil besteht bei (Teil-)Netzbewertungen im Wesentlichen nur die bereits im vorherigen Abschnitt angesprochene Abgrenzungsproblematik des für die Erlöskalkulation bewertungsrelevanten Mengengerüstes. Denn ist einmal das Mengengerüst klar abgegrenzt und kann auf dieser Grundlage der kalkulatorische Restwert bestimmt werden, sind auch die gemäß der Netzentgeltverordnungen StromNEV/GasNEV zu ermittelnden kalkulatorischen Kosten eindeutig zuzuordnen und sei es durch eine entsprechende Erlösübertragung bis zur eigenen Kostenprüfung des neuen Netzbetreibers.131 Die genehmigte EOG beinhaltet jedoch neben den kalk. Entgeltbestandteilen als zweite Erlöskategorie genehmigte pagatorische/operative Kosten. Diese operativen Kosten gelten für die gesamte Regulierungsperiode. Sie berücksichtigen alle kaufmännischen und gewerblichen Tätigkeiten inklusive einer angemessenen Gemeinkostenumlage, die mit der Wahrnehmung aller kaufmännischen sowie gewerblichen Aufgaben als Eigentümer und Betreiber oder mit dem Betrieb eines Netzes inhaltlich verbunden sind sowie die für die Finanzierung des Netzes notwendigen pagatorischen Fremdkapitalkosten. Wie die kalkulatorischen Erlösbestandteile werden auch die operativen Kosten – sofern es sich um beeinflussbare Kosten handelt132 – anhand regulatorischer Fortschreibungsparameter entwickelt. Die Ermittlung der zu übertragenden Erlöse für die operative Rolle stellt bei Teilnetzen eine besondere Herausforderung dar, da es gilt, den für das Teilnetz angemessenen

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129 Vgl. § 34 Abs. 5 ARegV sowie § 34a ARegV. 130 Vgl. § 34a Abs. 3 ARegV. 131 Vgl. §§ 6, 7 StromNEV/GasNEV. 132 Zur konkreten Berücksichtigung der Kosten vgl. die Formel zur Pachtberechnung im Abschnitt „Pachtzinsformel“. Die vorübergehend nicht beeinflussbaren Kosten werden ebenfalls mit dem Verbraucherpreisindex und dem generellen Produktivitätsfaktor fortentwickelt. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Erlösanteil aus dem Gesamterlösblock für eine mehr oder weniger große Anzahl an Netzen, die bisher gesamthaft, d. h. einzelnetzübergreifend, betrieben wurden, herauszutrennen. Als erste Orientierung wären dabei die mit dem (Teil-)Netzerwerb theoretisch anfallenden Aufwendungen zu Grunde zu legen, wobei eine dafür sachgerechte belastbare Datengrundlage notwendig ist. Je nach Käufer(gruppe) ist dabei wiederum die Frage zu beantworten, welche mit dem Teilnetzkauf zusätzlich anfallenden Kosten, sog. Grenzkosten, zu unterstellen sind. Dies kann je nach Definition des Erwerbers bzw. der Erwerbergruppe zu erheblich unterschiedlichen Ansätzen mit entsprechenden Werteffekten führen. 149 Die individuelle Effizienzvorgabe des jeweiligen Netzbetreibers, die gemäß § 16 ARegV bestimmt, um wieviel er seine ineffizienten Kosten in der kommenden Regulierungsperiode reduzieren muss, in Verbindung mit der zukünftigen allgemeinen Geldwertentwicklung (VPI), um deren Höhe die zugestandene Erlösobergrenze gemäß § 4 ARegV erhöht werden darf, und dem gemäß § 9 ARegV vorgegebenen generellen Produktivitätsfortschritt (PF), um dessen Höhe wiederum die vorgenannte Anpassung aufgrund allgemeiner Geldwertentwicklung reduziert wird (VPI-PF), bestimmen maßgeblich die Erlösentwicklung innerhalb der 5-jährigen Regulierungsperiode. Des Weiteren erfolgt eine Anpassung der zugestandenen Erlöse, sofern die Qualität des Netzes nicht den vorgegebenen Kennzahlen entspricht.133 150 Den so kalkulierten und beantragten Kosten im Sinne zukünftiger Erlöse stehen die der integrierten Planung zu entnehmenden Aufwandspositionen gegenüber, die sich einerseits aus Finanzierungsaufwendungen für und den handelsrechtlichen Abschreibungen auf die getätigten Investitionen, andererseits aus den kaufmännischen und gewerblichen Personalaufwendungen zzgl. aller damit verbundenen Gemeinkosten und Materialaufwendungen speisen. Entsprechend muss die integrierte Planungsrechnung sowohl kalkulatorische, handelsrechtliche und nicht zuletzt auch steuerrechtliche Aspekte berücksichtigen. 151 Auf die gerade mit der operativen Erlös- und Aufwandsplanung verbundenen Chancen und Risiken im Rahmen der Anreizregulierung und insbesondere im Zuge von Netzübernahmen wird im Abschnitt zum Ansatz von Synergien gesondert eingegangen.  

(5) Kapitalisierung und Kapitalisierungszins 152 Zur Abzinsung der jährlichen finanziellen Zuflüsse zu einem Barwert benötigt man ei-

nen, dem Risiko der unternehmerischen Tätigkeit angemessenen Kapitalisierungszinssatz, der die beste alternative Anlagemöglichkeit, die dem Investor aufgrund der getätigten Investition entgangen ist, repräsentiert.134 Der Kapitalisierungszins setzt sich aus (1.)

133 Bzgl. der Qualitätsvorgaben und der -bestimmung siehe §§ 18–20 ARegV. 134 Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 63; zur Abbildung alternativer Anlagemöglichkeiten im Kapitalisierungszins siehe Schultze 2003, Seite 63 ff. Siehe zudem die Ausführungen oben unter dem Abschnitt „Grundzüge des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze“.  

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Basiszins, (2.) Betafaktor und (3.) Marktrisikoprämie zusammen. Zur Ermittlung der sogenannten „Ewigen Rente“ wird (4.) zusätzlich eine nachhaltige Wachstumsrate – bzw. mathematisch ein Wachstumsabschlag auf den Kapitalisierungszins – für das nachhaltige Jahr vorgenommen. Der Basiszins als erstes Element des Kalkulationszinssatzes soll die Rendite einer 153 risikolosen Geldanlage abbilden und wird grundsätzlich anhand der Umlaufrendite festverzinslicher, dem Bewertungsobjekt fristadäquater Wertpapiere bzw. Anleihen der öffentlichen Hand ermittelt.135 Da Umlaufrenditen im Zeitverlauf deutlichen Schwankungen unterliegen können, erst recht, wenn man einem langfristigen Bewertungsgegenstand, um welchen es sich bei Netzanlagen handelt, Rechnung tragen will und entsprechend lange Laufzeiten zu Grunde legen muss, führt dies regelmäßig zur Diskussion um die Frage, ob dem Bewertungsstichtag entsprechend stichtagsbezogene Zinssätze anzusetzen sind oder dem zukunftsbezogenen Unternehmensobjekt entsprechend Zinssätze zukünftiger Perioden. Aufgrund der an den Basiszins gestellten Anforderungen hinsichtlich Risikofreiheit und Laufzeitäquivalenz stellt sich zudem die Frage nach geeigneten Wertpapieren, die gemäß IDW/Fachausschuss für Unternehmensbewertungen und Betriebswirtschaft (FAUB) in der Empfehlung veröffentlichter Zinsstrukturkurven (der Deutschen Bundesbank) beantwortet wird. Anhand eines Vergleichs der Parameter Basiszins und Marktrisikoprämie, wie sie 154 auf der einen Seite die Bundesnetzagentur und auf der anderen Seite die Unternehmenspraxis derzeit ansetzen, und der im Rahmen der Konsultation eingereichten Stellungnahmen zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode lässt sich nicht übersehen, dass sowohl die jeweils angesetzten Basiszinssätze als auch die Marktrisikoprämien und damit insgesamt die unterstellten Zinssätze deutlich voneinander abweichen. Daher soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich insbesondere 155 außerhalb gerichtsanhängiger Verfahren in der Praxis bewähren kann, den der regulatorischen Eigenkapitalrendite zu Grunde liegenden Basiszins auch im Zuge der Kapitalkostenableitung zur Bewertung anzusetzen, um diesbezüglich eine Kongruenz der Prämissen auf der Erlös- und Kostenseite herzustellen, um daraus resultierende Werteffekte wiederum direkt zu vermeiden. Dies macht nur dann Sinn, wenn beide Ansätze auch über alle Perioden gleichgesetzt werden, da die regulatorischen Ansätze nur für eine Regulierungsperiode ermittelt werden. Grundlage des von der Bundesnetzagentur ermittelten Basiszinses ist der 10-Jahres-Durchschnitt der Umlaufrenditen von Unternehmens- und Staatsanleihen erster Bonität. Dies vermeidet entsprechende Streitigkeiten unter den Verhandlungsparteien.

135 IDW S 1 i. d. F. 2008, TZ 116. Die Umlaufrendite bildet die gewogene Durchschnittsrendite eines Portfolios ab.  



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Innerhalb gerichtlicher Verfahren werden Sachverständige die kritisch zu diskutierenden Ansätze des Regulierers, die einige Grundsätze des IDW S 1 missachten,136 nicht übernehmen, sondern sowohl eigene Kapitalkosten herleiten als auch eine entsprechende Prognose der regulatorischen Eigenkapitalrenditen zukünftiger Perioden vornehmen. 157 Stringenter Weise ist im Zuge eines deckungsgleichen Prämissenansatzes dann auch der vom Regulierer zugestandene Wagnis- bzw. Risikozuschlag als zweiter Bestandteil des Kalkulationszinssatzes anzusetzen, der das Produkt aus Marktrisikoprämie und Betafaktor darstellt. Durch diesen kongruenten Gesamtansatz der Parameter werden ansonsten entstehende Bewertungsverwerfungen vermieden. Eine Verwerfung aus der unterschiedlichen Anwendung dieser Parameter auf der Erlös- und Kapitalkostenseite bedeutet nichts anderes, als dass sich der Investor mit einer Verzinsungserwartung in einem Markt bewegt, der diese Erwartung rein aus der Anlagenverzinsung nicht ermöglicht. Dies widerspräche im Grundsatz der postulierten Zielsetzung der BNetzA, eine angemessene Marktverzinsung als ausreichenden Anreiz für Investitionen zuzugestehen und würde aus Sicht eines Investors eine Vermögensvernichtung bedeuten. Entsprechen sich kalk. Verzinsung und Kapitalisierungssatz hinsichtlich der genannten Bestandteile, entspricht der Ertragswert der Eigentümerrolle dem regulatorischen Anlagevermögen, d. h. das angelegte Vermögen refinanziert sich vollständig im Sinne der beabsichtigten Verzinsung. 158 Im Zuge der Ermittlung des nachhaltigen Wertes sind in der entsprechenden Planungsphase Überlegungen zum mit dem Bewertungsobjekt realisierbaren Wachstum anzustellen, welches dann bewertungstechnisch in Form eines Abzugs vom Kalkulationszins für diese nachhaltige Phase umgesetzt wird. Der reduzierte Zins, durch den der nachhaltig realisierbare Jahreswert rechnerisch dividiert wird, erhöht dem Wachstum entsprechend den so zu ermittelnden Wert, der dann wiederum noch barzuwerten ist. 156



(6) Behandlung von BKZ/AKB 159 Bei Baukostenzuschüssen (BKZ) wie auch bei Hausanschlusskostenbeiträgen (AKB) han-

delt es sich um Zuschüsse des Netzkunden zur Ersterrichtung der notwendigen Netzinfrastruktur bzw. deren Vorhaltung. Dies bedeutet, dass der Netzkunde im Konzessionsgebiet einen Teil der in die Netzinfrastruktur notwendigen Investitionen selbst trägt. Der Netzbetreiber verbucht diesen Zuschuss als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite seiner Bilanz. Der Netzkunde erhält im Gegenzug dafür keine Verzinsung seiner Investitionen ähnlich einem Bankdarlehen, sondern seine Zuschüsse wirken sich dafür im Rahmen der jährlichen Auflösung mindernd auf die vom Netzbetrei-

136 Vgl. dazu die Ausführungen von Müller/Woltery, S. 5, insbesondere die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Kapitalkostenableitung. Hemmersbach/Ruppert

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ber nachfolgend anzusetzenden und vom Netzkunden zu entrichtenden Netzentgelte aus und werden somit zu Gunsten der Allgemeinheit der Netznutzer sozialisiert. In der Bewertungspraxis wird im Zuge gerichtlich anhängiger Verfahren teilweise 160 der Fehler begangen, dass zwar in der Berechnung der kalkulatorischen Erlöse die nachhaltig erlösmindernden Erträge aus der Auflösung von vereinnahmten BKZ und AKB berücksichtigt werden, im Gegenzug aber nicht die dafür zu vereinnahmenden Finanzmittelzuflüsse. Die zu vereinnahmenden Baukostenzuschüsse sind richtiger Weise planerisch in der Berechnung der kalkulatorischen Erlöse erlösmindernd anzusetzen. Im Gegenzug dazu müssen aber auch die positiven Finanzmittelzuflüsse entsprechend der Zahlungen vom Netzkunden berücksichtigt werden, denn sie mindern die ansonsten vom Netzbetreiber auf anderem Wege aufzubringende Finanzmittel für Investitionen. Zusätzlich ist es geboten, gerade in der ewigen Rente durch die Prämisse der konstanten Eigenkapitalverzinsung den in ihrer Berechnung zu berücksichtigenden nachhaltigen BKZ/AKB-Bestand konstant zu halten. Hier müssen somit korrekter Weise die aus der BKZ/AKB-Auflösung hervorgehenden Erlösreduzierungen den direkten Mittelzuflüssen gegenübergestellt werden. Diese grundsätzliche Logik gilt in gleicher Weise für die Gegenüberstellung von Er- 161 tragswert und zu zahlendem Kaufpreis. Erfolgt also die Ermittlung eines Ertragswertes korrekter Weise unter Berücksichtigung reduzierter Erträge auf Grund vereinnahmter BKZ/AKB, muss dieser (reduzierte) Ertragswert auch dem effektiv zu zahlenden Preis, d. h. dem um die BKZ reduzierten Preis, d. h. einem Preis nach Abzug der BKZ, gegenübergestellt werden. Denn der Käufer und damit zukünftige Netzeigentümer zahlt keinen Preis für den Netzteil, den der Kunde bereits bezahlt hat und für den er zukünftig auch keine Entgelte mehr ansetzen darf. In der Ergebnisrechnung (Gewinn- & Verlustrechnung) werden für die anfallenden Abschreibungen (Aufwand für Abschreibungen) dieser Anlagen daher die vereinnahmten Mittel ratierlich aufgelöst (Ertrag aus der Auflösung der Baukostenzuschüsse), um sie rein ergebnisseitig über die Totalperiode neutral zu stellen (Aufwand gleich Ertrag).137  



(7) Finanzierungsannahmen Im Zusammenhang mit der bereits angesprochenen regulatorischen Deckelung der Ei- 162 genkapitalfinanzierung auf maximal 40 % ist eine an dieser Zielsetzung orientierte Ausschüttungsplanung anzusetzen.138 Daneben ist beim Ansatz der angemessenen Finanzierung zu prüfen und zu beach- 163 ten, um welche Art des Erwerbers es sich handelt. Gerade kommunale Betriebe ver 

137 In den einzelnen Jahren kommt es aufgrund der einheitlichen 20-jährigen Abschreibungsdauer der BKZ/AKB im Gegensatz zu den davon abweichenden (durchschnittlich längeren) handelsrechtlichen Abschreibungsdauern der verschiedenen Anlagengruppen zu Ergebniseffekten. 138 Zur Eigenkapitaldeckelung siehe Abschnitt „Grundzüge des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze“. Hemmersbach/Ruppert

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fügen über die Möglichkeit der günstigen Refinanzierung mittels kommunaler Darlehen auch über längere Laufzeiten. 164 Ebenso ist zu berücksichtigen, in welcher Unternehmensstruktur eine Netzakquisition eingebettet ist, d. h. an welcher Stelle das notwendige Fremdkapital in welcher Höhe aufgenommen wird und zum Kauf des Netzes in welcher Form zur Verfügung steht. So kann es je nach Struktur beispielsweise im Rahmen einer Konzernstruktur gelingen, den Kauf mit deutlich mehr als 60 % Fremdkapitalanteil (1–40 % Eigenkapital) zu finanzieren, ohne die regulatorisch optimale Eigenkapitalquote zu gefährden. Dies kann beispielsweise gelingen, indem eine Muttergesellschaft das aufgenommene Fremdkapital als Eigenkapital einer Tochtergesellschaft zur Verfügung stellt. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang jedoch die Vorgaben der Banken hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Kennzahlen (wie Mindestquoten des bilanziellen Eigenkapitals). 165 Gerade im Zusammenhang mit den zuvor genannten günstigen (kommunalen) Refinanzierungsbedingungen kann eine FK-Finanzierung von weit über 60 % deutliche Wertvorteile bringen, sofern die Kosten der Refinanzierung ausreichend stark unter der zugestandenen Verzinsung für das die 40 % überschießende Eigenkapital, dem sog. EK-II, liegen. Natürlich sind dabei die Laufzeiten der Darlehen und die mögliche Entwicklung der reg. zugestandenen Zinssätze der kommenden Regulierungsperioden in der Finanzplanung zu berücksichtigen.  









(8) Ertragsteuern 166 Grundsätzlich sind die mit dem Eigentum verbundenen persönlichen Ertragsteuern des/

der Unternehmenseigner(s) bei der Ermittlung der Nettozuflüsse zu berücksichtigen.139 Im Zuge einer objektivierten Unternehmenswertermittlung sind die steuerlichen Verhältnisse zu typisieren.140 Wie bei den Finanzierungsannahmen ist auch die zu Grunde liegende Unternehmensstruktur für steuerliche Gesichtspunkte relevant. Je nach Struktur und Vorliegen entsprechender Voraussetzungen können steuerliche Querverbünde, d. h. die Zusammenfassung kommunaler Betriebe gewerblicher Art zur Verrechnung von positiven (z. B. aus Energieversorgung) mit dauerdefizitären Einkünften (z. B. aus Bäderbetrieb) mit dem Ziel der Reduzierung der Ertragssteuerlast, realisiert werden und wirken sich grundsätzlich werterhöhend aus. Ob und inwiefern diese Effekte anzusetzen sind, hängt insbesondere von dem zu Grunde zu legenden Erwerber und dessen Typisierung ab.  





139 IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 28–31. 140 IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 43–47. Zur Typisierung der steuerlichen Verhältnisse vgl. die Ausführungen im Abschnitt „Einordnung des objektivierten Ertragswertes innerhalb der Unternehmensbewertungsmethoden“.  







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(9) Trennungs- und Einbindungskosten – Wer trägt welche Kosten? Trennung und Einbindung sind für die Sicherung des Netzbetriebs zwingend erforderlich. Die auf dem finalen Entflechtungskonzept beruhenden Entflechtungskosten beim abgebenden Netzbetreiber sind grundsätzlich auch von diesem, die aufgrund der Entflechtung beim neuen Netzbetreiber anfallenden Einbindungskosten ebenso vom aufnehmenden Netzbetreiber zu tragen. Die vom Netzbetreiber für das konkrete Netz ermittelten und technisch notwendigen Einbindungsinvestitionen sind im Netzentgeltantrag durch den Erwerber genehmigungsfähig ansetzbar, soweit diese den gemäß § 23 ARegV geforderten Voraussetzungen entsprechen. Sie führen somit zu entsprechenden Netzentgelten in den Folgejahren. Die anfallenden Aufwandspositionen für die kaufmännische Entflechtung z. B. für Datenmigration führen zu zusätzlichem Aufwand. Regelmäßig kommt es im Zuge von Netzübernahmen zu der Diskussion, inwiefern Einbindungskosten, sofern sie aktivierungsfähig sind und nicht (in voller Höhe) genehmigt würden bzw. direkt zu Aufwand (und sofern außerhalb der Fotojahre anfallend, zumindest nicht direkt zu vergleichbaren Erlösen) führen, im Ertragswert zu berücksichtigen sind und folglich durch die Ertragswertminderung final nicht vom aufnehmenden, sondern vom abgebenden Netzbetreiber getragen werden müssten. Das Argument, dass mit einem Netzbetreiberwechsel keine EOG-Erhöhung einhergehen darf, greift hier nicht, da durch jegliche, mit dem Netz verbundene Investition, sofern sie genehmigt wird, eine Veränderung der zukünftigen EOG einhergeht. Zu prüfen wäre allenfalls, ob die jeweiligen Investitionen in die nun getrennten Netze auch ohne Netzübergang in gleicher Höhe angefallen wären oder ob sich das Investitionsvolumen nun gegenüber einer fiktiven Investitionsplanung ohne Trennung erhöht hat. Dies ist in der Realität kaum nachzuhalten, da es sich nur in seltenen Fällen um Investitionen in wirklich zusätzliche Anlagen handelt, sondern nur um veränderte Investitionen aufgrund neuer Netzverläufe. Zudem ist ein Vergleich der nun getrennt durchgeführten Netzplanungen zu einer nicht (mehr) vorhandenen auf unveränderten Netzverläufen beruhenden Netzplanung in ein Netz nicht möglich. Daher spricht im Grundsatz nichts dafür, von einer vollständigen oder auch nur teilweisen Nichtanerkennung von Einbindungsinvestitionen im Zuge einer Ertragswertbewertung auszugehen. Die anfallenden Aufwandspositionen für kaufmännische Entflechtung z. B. für eine Datenmigration führen in gleicher Logik nur dann zu einer ausschließlich zusätzlichen Belastung, sofern von einer Nichtanerkennung im Zuge eines anstehenden Kostenantrags ausgegangen wird. Auch dafür gibt es in Anlehnung an die vorherigen Ausführungen keine Anhaltspunkte. Außerhalb der Fotojahre gelingt dies grundsätzlich nicht.

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(10) Bewertungsperspektive Wie schon bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff des Ertragswertes dargelegt, be- 172 rücksichtigt dieser alle Zuflüsse an den Unternehmenseigner. Dies kann – je nach Auftragsgeber bzw. Beauftragung des Bewerters – der aktuelle Eigentümer, ein potentiell Hemmersbach/Ruppert

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neuer Eigentümer oder auch ein typisierter Eigentümer bzw. eine typisierte Eigentümergruppe sein. Das heißt, entscheidend für die der Bewertung zu Grunde zu legende Bewertungsperspektive ist, von wem der Bewerter zu welchem Zweck und in welcher Funktion beauftragt wird.141 173 Bezogen auf die Besonderheiten einer Netzbewertung im Falle einer Netzübertragung im Zuge eines Konzessionswechsels und insbesondere in Verbindung mit dem neuen § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG geht es im ersten Schritt um die Grundsatzfrage, ob eine Bewertung aus Sicht des gegebenen Eigentümers oder aus Sicht eines potentiellen Netzerwerbers zu erfolgen hat. Grundsätzlich ermöglicht der IDW S 1 sowohl die Perspektive des derzeitigen Eigentümers als auch eines potentiellen Erwerbers. Der objektivierte Wert eines Unternehmens ist hingegen aus Sicht seines derzeitigen Eigentümers, dem die zukünftigen finanziellen Überschüsse zufließen, und dessen aktuellem Fortführungskonzept zu ermitteln.142 Entsprechend wäre auch der objektivierte Ertragswert im Sinne des objektivierten Unternehmenswertkonzepts gemäß IDW S 1 aus Sicht des gegebenen Anteilseigners zu ermitteln. 174 Im Falle einer (Teil-)Netzabgabe im Zusammenhang mit einem Konzessionsübergang handelt es sich jedoch um ein Bündel einzelner Wirtschaftsgüter im Sinne eines Asset-Deals und nicht um ein Unternehmen, auch wenn die Anlagen nach erfolgter Entflechtung wirtschaftlich abgrenzbar sind.143 Auch der IDW weist darauf hin, dass der Wert eines Unternehmens sich gerade durch das Zusammenspiel sowohl materieller als immaterieller Wirtschaftsgüter ergibt und nicht lediglich aus Vermögensbestandteilen und Schulden.144 175 Zudem soll dieses (Teil-)Netz nach der Auswahlentscheidung der Kommune ja gerade nicht – und erst recht nicht vom gegenwärtigen Konzessionsinhaber mit seinem unveränderten Konzept – fortgeführt werden. Die ggf. vorliegende Planung des bisherigen Konzessionärs über den Endzeitpunkt des alten Konzessionsvertrages hinaus ist (a) damit vollständig hinfällig, liegt (b) i. d. R. nicht für ein Teilnetz vor und würde (c) auch nicht im Falle eines Vollnetzüberganges sinnvoll zu Grunde zu legen sein, da wiederum nur das Netz zu übertragen wäre und kein Unternehmen mit Personal, Finanzierungsbedingungen etc. Zudem muss sich ansonsten auch die betroffene Kommune die Frage gefallen lassen, warum ihre Bepunktung zur Konzessionsvergabe an einen neuen Betreiber geführt habe. D. h., dass auch das Ergebnis des Auswahlverfahrens gegen die Fortführung des Netzbetriebs in unveränderter Form spricht. Legt man vorgenannte Einwände (a) bis (c) allesamt zur Seite, ist vor dem Hintergrund der Konzessionsvergabe die Frage zu beantworten, wie eine unveränderte Planung dann eine sachgerechte Grundlage für eine zukunftsbezogene Bewertung sein kann, wenn man zudem einen ansonsten notwendigen Perspektivwechsel auf die Erwerberseite ablehnt.  





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Vgl. dazu Abschnitt „Bewertungskonzeption des IDW S 1“. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 29. Vgl. Peemöller/Berger/Wambach S. 1059, Meier, S. 103, Salcher/Keller/Killisch, S. 703. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 18.  







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Auch die gegebene Finanzierungsstruktur ist für eine auf zukünftige Erfolge ausgerichtete Bewertung irrelevant, da Anlagen veräußert werden und die dafür notwendige Finanzierung erst noch vom Käufer in seinem Sinne optimal bestimmt wird.145 Schlussendlich dreht sich die Diskussion in Anlehnung an die Kaufering Rechtsprechung („…für alle denkbaren Erwerber“) gerade um die für die Ertragswertermittlung richtige Definition des Käufers, was allerdings zu der Frage führt, ob die Entschädigung des Alteigentümers ausreichende Berücksichtigung findet und nicht nur die Wirtschaftlichkeit des Käufers.146 Auch jüngste gerichtliche Beschlüsse beauftragten die Sachverständigen bzw. Gutachter mit der Wertermittlung im Sinne eines bestimmten Typus an Erwerbern.147 Vor diesem Hintergrund scheint es inhaltlich sachgerecht zu sein und dies hat sich auch trotz anderslautender Vorgaben des IDW S 1 in der praktischen Umsetzung durchgesetzt, dass die Käuferperspektive im Rahmen von Netzbewertungen anzusetzen ist. Daran schließt sich die Frage an, welche Art von Käufer oder Käufergruppe maßgeblich ist. Im Zuge eines grundsätzlich objektivierten Bewertungsansatzes scheint ein rein individueller und damit subjektiver Käuferansatz rein konzeptionell widersprüchlich. Damit ist zumindest eine gewisse Typisierung angebracht. Eine besondere Herausforderung stellt die folglich vorzunehmende Typisierung des Erwerbers bzw. der Erwerbergruppe dar.148 Ob man zwecks Typisierung alle möglichen Optionen zulässt, d. h. bspw. auch Neueinsteiger, oder nicht sinnvoller Weise eine markttypische Eingrenzung vornimmt, wäre rechtlich zu entscheiden.149 Unter welchen Bedingungen und Abgrenzungen des Marktpotentials mittels Typisierung der anzusetzenden Gruppe dann dem Postulat eines ausreichenden Wettbewerbs genügend Rechnung getragen wird, ist dann die abschließende Frage, die – sofern dazu keine grundsätzliche Aussage möglich ist – ggf. je Einzelfall zu beantworten und gerichtlich zu entscheiden ist.150  

145 Vgl. Abschnitt „Finanzierungsannahmen“. 146 Zu der hier angedeuteten Diskussion, inwieweit ein Ertragswert überhaupt im Einklang mit der Eigentumsfreiheit des Alteigentümers steht, siehe Dünchheim, Rn 186. 147 U. a. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 15, 16, OLG Koblenz, Beschluss vom 11.11. 2010, OLG Karlsruhe vom 24.10.2012; siehe auch Peemöller/Berger/Wambach, S. 1065. 148 Zu den möglichen Erwerbern bzw. deren Typisierung siehe u. a. Büttner/Straßer, S. 12, Peemöller/ Berger/Wambach, S. 1065. 149 Mögliche Kriterien zur Eingrenzung bzw. Strukturierung könnten bspw. das Vorhandensein gleicher und/oder andersartiger Versorgungssparten, die Nähe zur gegenständlichen Konzession, betriebliche (Mindest-)Größen etc. sein. Zum Erwerbertypus siehe auch Abschnitt „Erwerbertypus und Synergien nach Kaufering Rspr. des BGH – OLG Düsseldorf in Sachen SW Fröndenberg“. 150 So auch das OLG Düsseldorf im Fall Fröndenberg, vgl. Abschnitt „Erwerbertypus und Synergien nach Kaufering Rspr. des BGH – OLG Düsseldorf in Sachen SW Fröndenberg“.  



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(11) Weitgehende Typisierung 181 Typisierung bedeutet, dass subjektive Wertvorstellungen durch typischer Weise einem

Entscheidungsträger bzw. einer Gruppe von Entscheidungsträgern in einer vergleichbaren Entscheidungssituation zuzuordnende Wertvorstellungen oder Eigenschaften ersetzt werden.151 Soll also eine von subjektiven Wertvorstellungen und Eigenschaften unabhängige Bewertung vorgenommen werden, bedarf es vielfältiger Typisierungen im Sinne einer Verobjektivierung, wie es auch der IDW S 1 im Zuge seines objektivierten Unternehmenswertes mit seinem umfangreichen Typisierungskonzept vornimmt.152 182 Mit Blick auf die noch zu diskutierende Umsetzbarkeit der gesetzgeberischen Motive durch Anpassungen des objektivierten Ertragswertes ist auf die vom IDW vorgegebenen Typisierungen besonderes Augenmerk zu legen. Denn vor dem Hintergrund einer typisierten Erwerbergruppe – wie zuvor ausgeführt – ist auch die Typisierung der übrigen Annahmen und Bedingungen entsprechend zu überarbeiten.

(12) Ansatz von Synergien 183 Trennt man gedanklich das Bewertungsobjekt in zwei Geschäftsrollen, nämlich (a) in

die sog. Eigentümerrolle, begrenzt auf die Zuflüsse aus den kalk. Entgelten für die investiven Sachanlagen (inkl. der Fremdkapitalkosten), und (b) in die sog. operative Rolle des Netzbetreibers und des Netzbetriebs mit den Zuflüssen aus pagatorischen Entgelten (entsprechend abzgl. der Fremdkapitalkosten), so ist der Ansatz von Synergien neben dem genehmigten Effizienzwert, der sich im Gegensatz zu den Synergien auch auf die sog. Eigentümerrolle im Zuge der sog. TOTEX-Regulierung153 auswirkt, einer der wesentlichen Werttreiber der operativen Rolle.154 184 Denn wie effizient ein Netzbetreiber sein Netz in der Zukunft betreibt, d. h. welcher Effizienzwert ihm behördlich beschieden und als Zielgröße vorgegeben wird, in welchem Maße – gerade durch den Zugewinn von (Teil-)Netzen – er Synergien heben und pagatorische Erlöse von entsprechenden Aufwandspositionen entkoppeln und damit welchen zusätzlichen Mehrwert er aus seiner operationalen Effizienz insgesamt reali 

151 Vgl. Peemöller/Popp, S. 185. 152 Vgl. Meier, S. 95. Siehe dazu insbesondere die aufgeführten Bedingungen im Abschnitt „Einordnung des objektivierten Ertragswertes innerhalb der Unternehmensbewertungsmethoden“ sowie die Abschnitte zum Ansatz von Synergien und zur Bewertungsperspektive. 153 TOTEX-Regulierung besagt, dass die Anreizregulierung und die damit umzusetzenden Effizienzvorgaben sowohl für investive Maßnahmen bzw. kalk. Kosten (sog. CAPEX = capital expenditure) als auch operative Kosten (OPEX = operational expenditure) und damit für alle „Kosten“ (TOTEX = total expenditure) gelten. 154 Unter der operativen Rolle werden hier alle Tätigkeiten verstanden, die nicht durch die kalk. Entgeltbestandteile Zins, Afa (sowie GewSt und pagatorische Fremdkapitalzinsen) gedeckt werden, sondern für die eigens aufwandsgleiche Kosten zu beantragen sind. Hemmersbach/Ruppert

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sieren kann (sog. „Outperformancemöglichkeit”), bestimmt nachhaltig den Wert des operativen Geschäftes.155 Können im Zuge eines Netztransfers hohe Synergien gehoben werden, verbessert dies die Auslastung der operativen Kapazitäten, reduziert die spezifischen Kosten, verbessert damit die Effizienz im Vergleich zu anderen Netzbetreibern und ermöglicht insgesamt operative Effizienzgewinne. Dies erhöht schlussendlich den realisierbaren (operativen) Netzwert, indem die zugestandene EOG die operativen Aufwendungen übersteigt. Der teilweise vernehmbaren Behauptung, dass dies nur ein auf eine Regulierungsperiode begrenzter (einmaliger) Effekt sein könne, ist entgegenzuhalten, dass eine nachhaltig unterstellte Anreizregulierung folglich auch nachhaltige Anreize bieten muss. D. h. im Zuge sich kontinuierlich verändernder Netzbetreiber und Netze entsteht im Rahmen der Kostengenehmigung immer wieder von neuem Wettbewerb unter allen Netzbetreibern. Ansonsten muss ein entsprechend neuer regulatorischer Rahmen nach Auslaufen der Anreizregulierung definiert und planerisch hinterlegt werden. Formal unterscheidet der IDW S 1 zwischen sog. unechten und echten Synergien. Zuletzt genannte ergeben sich im Gegensatz zu den unechten erst mit Durchführung der dem Bewertungsanlass zugrunde liegenden Maßnahmen bzw. hängen vom Grad der Konkretisierung in der Planung ab.156 Entscheidend ist, dass der Ansatz von Synergien maßgeblich vom Bewertungszweck und damit von der anzuwendenden Ausprägung des Ertragswertverfahrens, der dabei angesetzten Perspektive und der Typisierungen abhängt. Zur Veranschaulichung der unterstellten Zusammenhänge: In der Praxis wird von gerichtlich bestellten Sachverständigen und Gutachtern sowie auch in gerichtlichen Beschlüssen hergeleitet (siehe bspw. Verfahren Fröndenberg unten), dass für eine Gruppe von Erwerbern deren subjektive Planungsansätze im Sinne echter Synergien durch Typisierung diese zuvor echten Synergien zu unechten Synergien werden. Diese Herleitung basiert auf der Logik, dass die im ersten Schritt individuellen Synergiepotentiale für alle dieser Gruppe zugehörigen Erwerber gelten und in all deren Unternehmenskonzepten ausreichend konkret und in vergleichbarer Ausprägung enthalten sind. Damit erfüllen die Synergien dieser typisierten Gruppe die definitorischen Anforderungen unechter Synergien und entsprechen beispielsweise auch einem objektivierten Ansatz unter Berücksichtigung des hier vorgenommenen Perspektivwechsels. D. h. auch bei einem objektivierten Bewertungsansatz mit grundsätzlicher Begrenzung auf unechte Synergien kann es je nach angesetzter Perspektive und Typisierung zu einer veränderten Definition der Synergien kommen. Ob man dann noch von einem (wenn auch angepassten) objektivierten Ertragswert, erst recht streng im Sinne des objektivierten Unternehmenswertes des IDW S 1, spre-

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155 Dies gilt erst recht im Rahmen der Anreizregulierung und damit im Vergleich zu übrigen Netzbetreiber, denn nur dieser Vergleich zu anderen Betreibern im Sinne eines Benchmarks stellt die notwendige Vergleichsbasis für die Anreizregulierung mit entsprechenden Strukturparametern dar. 156 IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 50.  



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chen kann, ist fraglich. Allerdings ist dabei zu beachten, dass § 46 EnWG nicht auf den IDW S 1 rekurriert und der IDW S 1 auch formal nicht vom objektivierten Ertragswert spricht, sondern diese inhaltliche Verknüpfung rein aus dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und deren jeweils verbindliche Vorgaben des IDW S 1 in Abhängigkeit von der konkreten Beauftragung resultiert. 189 Zwecks sachgerechtem Ansatz von Synergien ist darüber hinaus zu hinterfragen, in welchen Aufwandspositionen welcher Anteil an fixen und an variablen Kosten enthalten ist und ebenso, welches Verhältnis zwischen Personal- und Materialaufwand vorliegt. Zudem ist der Anteil an Gemeinkosten und deren inhaltliche Zusammensetzung wesentlich. Denn weil mit der Netzübertragung regelmäßig kein individuelles Netzbetriebspersonal, geschweige denn Personal für übergreifende Tätigkeiten wie bspw. kaufmännische, juristische oder personalwirtschaftliche Tätigkeiten übertragen wird, ist allgemein mit dem Konzessionsgewinn die Zielsetzung des Netzerwerbers verbunden, eigene Kapazitäten besser auszulasten. Dort, wo es sich bei den Kostentreibern bspw. um IT-Großsysteme für Anlagenbuchhaltung, Bilanzkreismanagement, Regulierungsmanagement und Systemführung handelt, ist regelmäßig und insbesondere bei Teilnetzübergängen von hohen Synergiepotentialen auszugehen. 190 Im Einzelfall muss man sich bei größeren (Teil-)Netzen und dem Vorliegen der Voraussetzungen für einen Betriebsübergang nach § 613a BGB für dann zumeist technisches Betriebsführungspersonal zwischen Alt- und Neueigentümer einigen und entsprechend bei der Herleitung angemessener Synergien berücksichtigen. In der Praxis erfolgt eine solche Einigung in Bezug auf zu übertragendes Personal auch mittels entsprechender Vereinbarungen und Anreize für Mitarbeiter in Form von Abstandszahlungen. Ob und in welcher Form dies dann in der Ertragswertermittlung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, wer die Abstandszahlungen und Anreize leistet, mit welchem Gehaltsgefüge das Personal übernommen wird und ob der Personalmarkt vergleichbare Einstellungen ermöglicht hätte. D. h. es muss die Frage beantwortet werden, wer in welcher Höhe von der Personalübernahme profitiert bzw. damit belastet wird.  

(13) Bewertungsstichtag – Wurzeltheorie BGH 191 Bewertungsstichtag für einen Ertragswert ist idealerweise der Zeitpunkt, zu dem der

bisherige Konzessionsvertrag endet und auf den neuen Konzessionsnehmer übergeht und auf den entsprechend die Ermittlung des Kaufpreises bezogen wird. In der Praxis kommt es jedoch zwischen diesen Zeitpunkten zu z. T. erheblichen Verwerfungen. Daher ist eine Berücksichtigung zusätzlicher Zeitpunkte zu überlegen. Denn gerade, wenn sich ein Verfahren zeitlich verzögert, die wirksame Konzessionierung angegriffen wird und sich die notwendige Klärung hinzieht, ergibt sich eine Vielzahl möglicher Zeitpunkte, für die eine Wertbestimmung in Frage kommt. 192 Insbesondere stehen in strittigen Verfahren die Zeitpunkte (a) des Konzessionsvertragsendes als theoretischer Übertragungszeitpunkt und (b) der nach Klärung der im Verfahren streitigen Punkte sowie einer ggf. offenen Kaufpreisforderung tatsächliche  

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Zeitpunkt des Netzübergangs bzw. der Kaufpreiszahlung zur Disposition. Aber auch die zuletzt genannten Sachverhalte Netzübergang und Kaufpreiszahlung können zeitlich auseinanderfallen, sofern ein Netz unter Vorbehalt eines noch zu klärenden Kaufpreises übertragen wird. So oder so muss eine Lösung für die zwischenzeitliche Fortentwicklung bzw. Fort- 193 schreibung der zu übertragenden Anlagen gefunden werden. Gleiches gilt für die zeitliche Fortentwicklung eines, für einen in der Vergangenheit liegenden Bewertungszeitpunkt ermittelten Kaufpreises, der dann erst später zur Auszahlung gelangt. Eine Kombination aus beiden Sachverhalten erschwert die zu lösende Fragstellung nach dem korrekten Bewertungszeitpunkt entsprechend. Mit dem unbestimmten Bewertungszeitpunkt einhergehend wird die Umsetzung 194 der sog. Wurzeltheorie erschwert. Diese Theorie besagt, dass die gesamthafte Planung und die darin verarbeiteten Prämissen nur auf dem zum Bewertungsstichtag vorliegenden Erkenntnisstand basieren darf.157 Insbesondere bei Veränderung des rechtlichen Rahmens bzw. der tatsächlichen Verhältnisse zwischen zwei oder mehreren möglichen Bewertungsstichtagen muss jeweils der zu diesem Stichtag vorliegende Kenntnisstand abgeschätzt werden. Dazu ist im Zweifel eine aufwendige Recherche insbesondere der zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten regulatorischen, energierechtlichen und bewertungstheoretischen Literatur notwendig, die Einfluss auf die sachgerechte Bewertung hat. Nur so kann nachgebildet werden, mit welcher Erwartungshaltung und mit welchem Unternehmenskonzept ein Netzerwerber geplant hat. Zudem ist eine Einschätzung des Bewerters notwendig, mit welcher Wahrscheinlichkeit alternative rechtliche oder regulatorische Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Ohne das Vorliegen besonders ausschlaggebender Fakten scheint ein gleichgewichteter Ansatz möglicher Entwicklungspfade sachgerecht. Zuletzt wird diese Problematik im Fall einer fehlenden Einigung der zu übertragen- 195 den Erlöse erschwert, da damit dem Bewerter eine abgestimmte Grundlage der anzusetzenden Erlöse fehlt. Ein Rückgriff auf § 26 Abs. 3 bis 5 ARegV erscheint methodisch möglich, stellt jedoch im Sinne einer Notlösung nur eine willkürliche Schlüsselung dar und hat mit einer sachgerechten Ermittlung nur zufällig zu tun. Dies wird deutlich, nimmt man beispielhaft ein überdurchschnittlich neues Netz mit demgemäß überdurchschnittlich hoher Regulated Asset Base (RAB; dt.: regulatorisch anerkanntes Anlagevermögen) und noch unterdurchschnittlichem Betriebsaufwand zur Prüfung. Eine Schlüsselung gemäß § 26 Abs. 3 bis 5 ARegV würde für dieses neue Netz zu überdurchschnittlich hohen zu übertragenden pagatorischen Erlösen führen, was dem konkreten Aufwand diametral entgegenstünde. Ein Ausgleich für diese unsachgemäß hohe Erlösübertragung muss dann für den abgebenden Netzbetreiber zwangsläufig über einen hohen Ertragswert erfolgen, der diesen Ergebniseffekt berücksichtigt.

157 BGH, Urteil v. 17.1.1973 – IV. ZR 142/70 vgl. a. E. der Gründe.  

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bb) Umsetzbarkeit der gesetzgeberischen Motive durch Anpassungen des an den objektivierten Unternehmenswert nach IDW S 1 angelehnten objektivierten Ertragswert Der objektivierte Ertragswert ist gemäß objektiviertem Unternehmenswert des IDW S 1 insbesondere unter den Bedingungen (a) der Fortführung eines Unternehmens (b) bei unverändertem Unternehmenskonzept (c) und damit nur unter Berücksichtigung unechter Synergien, (d) aus Sicht des Eigners und (e) unabhängig vom Bewertungsanlass (siehe im Detail Abschnitt oben) zu ermitteln (s. o. bzw. IDW S 1). Auch wenn es sich bei Netzen um eine Sachgesamtheit von Anlagen und weniger um ein eigenständiges Unternehmen handelt, so herrscht in der Bewertungspraxis die Meinung vor, dass die Bewertung von Netzen als nach wirtschaftlichen Kriterien abgrenzbare Bewertungsobjekte grundsätzlich unter die Konzeption des IDW S 1 fällt.158 Dennoch handelt es sich, wie zuvor bereits hergleitet, bei einer Netzbewertung im Zuge eines Konzessionsübergangs weder um eine Unternehmensbewertung noch ist diese aus Sicht des gegebenen Eigentümers und damit auch nicht auf Basis einer unveränderten Unternehmensfortführung vorzunehmen. Die zu übertragenden Anlagen werden aus dem bisherigen Unternehmen und dessen Konzept herausgetrennt und in das Unternehmenskonzept des neuen Eigentümers integriert, womit die Realisierung der Rückflüsse und damit die Anlagennutzung im Sinne einer Unternehmung erst möglich wird. Entsprechend wird deutlich, dass die Bewertung kaum vollständig unabhängig vom Bewertungsanlass erfolgen kann, denn sie soll ja gerade aus Sicht eines potentiellen Erwerbers und dessen Übernahme- bzw. Integrationskonzept unter Berücksichtigung der dafür vorliegenden Unternehmens- und Finanzplanung einen angemessenen Wert mittels Ertragswertverfahren ermitteln. Damit dürften aber auch seine typischer Weise realisierbaren Synergien und Effizienzgewinne, die in der Praxis wesentliche Treiber einer Bewerbung um eine Konzession darstellen, zu berücksichtigen sein. Denn entsprechend der veränderten Perspektive erscheint es zumindest konsequent, diesen Ansatz in sich logisch fortzuführen. Damit wären Wertvorstellungen und Annahmen zu berücksichtigen, die typisch für eine noch genauer zu bestimmende Erwerbergruppe sind. Denn mit einem typisierten Erwerber bzw. einer typisierten Erwerbergruppe und seinem/ihrem typisierten Unternehmenskonzept sowie einem auf dieser Ausgangsprämisse basierenden Typisierungskonzept der übrigen Parameter könnte man zumindest von einem in sich geschlossenen Bewertungskonzept sprechen. Anderenfalls handelte es sich um eine von der individuellen Einschätzung des jeweiligen Bewerters abhängige Kombination möglicher Prämissen, was auch zur gegenwärtig strittigen Diskussion hinsichtlich Auslegung und Umsetzung des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG führt. Die denkbare Kombination der Ansätze bzw. Prämissen aus (a) der Bewertung von Netzanlagen an 

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198

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158 IDW S 1, Tz 19. Dieses Verständnis wird auch in der fachlichen Diskussion und Literatur geteilt; vgl. u. a. Peemöller/Berger/Wambach, S. 1064, Müller/Woltery, S. 2; Salcher/Keller/Killisch, S. 703 etc.  

Hemmersbach/Ruppert

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B. Wertbestimmung

stelle eines fortzuführenden Unternehmens, (b) der Perspektive des zukünftigen Eigners anstelle des bisherigen, jedoch (c) der Zugrundelegung des Fortführungskonzeptes des bisherigen Eigners unter Berücksichtigung (d) lediglich seiner unechten Synergien, wäre damit zumindest sehr erklärungsbedürftig. Eine Übersicht möglicher Bewertungskonzepte bietet dazu Meier S. 215 ff. Bei all 200 den dort dargelegten Ansätzen handelt es sich um Ertragswerte mit typisierten Erwerbern, sei es die Gruppe der denkbaren, der besten oder der markttypischen Erwerber. Je nachdem, wie eng man die theoretischen Bewertungskonzepte des IDW S 1 be- 201 grifflich auslegt, gelangt man zu dem Ergebnis, dass nach Umsetzung der notwendigen Anpassungen, insbesondere bzgl. der Erwerberperspektive, es sich nicht mehr um einen objektivierten Ertragswert in Anlehnung an den objektivierten Unternehmenswert gemäß IDW S 1 handelt. Auch unter Berücksichtigung der mehr oder weniger erheblichen Anpassungen dürften die Prämissen dann nicht einmal mehr dem Grundkonzept des objektivierten Unternehmenswertes nach IDW S 1 entsprechen. Festzuhalten ist, dass das Typisierungskonzept des IDW S 1 für den objektivierten 202 Ertragswert in Abhängigkeit des Ausmaßes notwendiger Veränderungen mehr oder weniger deutlich abzulehnen ist.159 Aus rechtlicher Sicht sind die Modifikationen nicht zu beanstanden, weil die unveränderte Anwendung auf energiewirtschaftliche Teilnetze unstreitig nicht möglich ist und sich § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG formalrechtlich nicht auf den IDW S 1 bezieht. Es bleibt die bereits angesprochene Frage, ob man noch von einem objektivierten Ertragswert im Sinne des IDW S 1 sprechen kann.  

cc) Erwerbertypus und Synergien nach Kaufering-Rechtsprechung des BGH – OLG Düsseldorf in Sachen SW Fröndenberg Seit Februar 2017 gilt als wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzabgaben gem. 203 § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG der objektivierte Ertragswert. Auch wenn damit eine Sachzeitwertkontrolle wie zu Zeiten der Kaufering-Entscheidung des BGH entfällt, so ist die grundlegende Methodik der Ertragsbewertung unverändert. Demzufolge ist im aktuellen Ordnungsrahmen im Zuge der Ertragswertermittlung wie zuvor dargelegt ein Erwerbertypus zu Grunde zu legen. Der Streit um den Erwerbertypus rankt sich im Kern um die anzusetzenden Kosten, 204 die für den Betrieb des Netzes bei der Bewertung anzusetzen sind und um deren Höhe. Diese Kosten variieren erheblich je nach unterstelltem Erwerbertypus und bestimmen wie bereits ausgeführt wesentlich die realisierbare Effizienz und mögliche Synergien und damit die Outperformancemöglichkeiten.160 Es liegt auf der Hand, dass bspw. ein neu zu gründendes oder weit entferntes Stadtwerk ein Verteilnetz mit höheren Kosten betreiben muss, als ein bereits bestehendes Versorgungsunternehmen bzw. eines in

159 Vgl. Meier, S. 119. 160 Siehe Abschnitt „Ansatz von Synergien“, I.3.b)aa)(12). Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

räumlicher Nähe. Dies gilt erst recht, sofern dieses bestehende Unternehmen bereits über ein Strom- und/oder Gasnetz verfügt. 205 Entsprechend maßgeblich für die Bewertung ist die Typisierung des dafür zu Grunde zu legenden Erwerbers. Denn damit wird der Kreis der Marktteilnehmer bestimmt, für den sich eine Teilnahme am Konzessionswettbewerb kaufmännisch sinnvoll darstellen lässt. Anders gewendet lautet die Rechtsfrage, ob der Altkonzessionär den Netzkaufpreis so weit absenken muss, dass eine beliebig große Zahl durchschnittlicher oder gar alle theoretisch möglichen Erwerber ein Verteilnetz erwerben und unter ihren Bedingungen profitabel betreiben können müssen. Nach kartellrechtlichen Maßstäben dürfte es jedoch genügen, dass eine ausreichende Anzahl an sehr guten und grundsätzlich effizienten Netzbetreibern in räumlicher Nähe vorhanden ist, die kaufmännisch sinnvoll am Wettbewerb teilnehmen und auch das Netz wirtschaftlich effizient betreiben kann.161 Die Bestimmung dieser ausreichenden Anzahl an Netzbetreibern sollte bereits unter der Annahme eines Erwerbes des neuen Netzes erfolgen. Damit kann einerseits die zukünftige Effizienz nach erfolgter Netzübernahme antizipiert und zudem die Frage beantwortet werden, was unter einem effizienten Netzbetreiber zu verstehen ist. 206 Diese Frage hat der BGH in seiner Kaufering-Rechtsprechung aus 1999 auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf bis heute offengelassen.162 Das OLG Düsseldorf hat im Fall Fröndenberg diese Frage dahingehend beantwortet, dass es nicht notwendig ist, „einen Wettbewerb beliebiger oder durchschnittlicher Erwerber … zu ermöglichen“, sondern es im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung ausreicht, eine Gruppe denkbarer Erwerber unter den guten bzw. den besten zu bestimmen, wie es das LG Dortmund im Fall Fröndenberg getan hat.163 Die faktische Bindung der Kommune ist dann von den Verhältnissen im Einzelfall abhängig.164 Dies bedeutet, dass im Einzelfall zu prüfen ist, bei welcher konkreten Typisierung der Erwerbergruppe deren Anzahl ausreicht, damit im konkreten Einzelfall einem funktionierenden Wettbewerb genüge getan wird. Damit schließt sich die Frage an, wie ein notwendiger, ausreichender und funktionierender Wettbewerb jeweils unter regionalen Bedingungen zu definieren ist. Anderenfalls würde alleine das gegebene (ggf. geringe) Marktpotential die Höhe der Entschädigung des Alteigentümers bestimmen. 207 Wie aus der Urteilsbegründung des OLG Düsseldorf zu interpretieren ist, hält das Gericht die Ertragswertberechnung für verschiedene Erwerbergruppen grundsätzlich für unnötig, sofern bereits die Gruppe der besten potentiellen Erwerber anzahlmäßig dem Wettbewerbsgedanken ausreichend Rechnung trägt.165 Im konkreten Fall, wo diese Information im Vorfeld der Beauftragung nicht vorlag, erachtet das OLG Düsseldorf die

161 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 15, 16. 162 Dies war auch der Anlass dafür, dass das OLG Düsseldorf die Revision zum BGH Karlsruhe zugelassen hat. 163 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 15, 16. 164 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 16. 165 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 15. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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Beauftragung des Sachverständigen für mehrere Gruppen als nicht offensichtlich fehlerhaft.166 Genügt die Gruppe der potentiell besten Erwerber nicht dem Wettbewerbsgedanken, müsste zunächst im Sinne einer Marktanalyse ermittelt werden, wie die Gruppe potentieller Bewerber für das konkrete Verteilnetz definiert werden kann. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition des Altkonzessionärs müsste dann eine rechtliche Vorgabe der zu berücksichtigenden Erwerbergruppe gegenüber dem mit der Bewertung beauftragten Sachverständigen im Zivilprozess erfolgen. Im konkreten Sachverhalt der Entscheidung des OLG in Sachen Fröndenberg wur- 208 den 4 bzw. 5 verschiedene Erwerbergruppen definiert.167 Die erste Gruppe wurde in zwei Untergruppen untergliedert, die sich nur darin unterschieden, dass die beste Erwerbergruppe neben anderen Sparten auch ein Stromnetz betreibt, hingegen die andere Untergruppe „nur“ andere Sparten betreibt.168 Das Ergebnis der regionalen Analyse war, dass bereits für die erste Teilgruppe, d. h. auch in der sog. besten Erwerbergruppe unstreitig 12 konkrete Bewerber in Betracht kamen.169 Diese Anzahl war nach Meinung des OLG Düsseldorf auch im Hinblick auf eine mögliche Prüfung durch den Kartellsenat beim BGH für einen funktionierenden Wettbewerb ausreichend.170 Die subjektiven Merkmale jedes dieser Gruppe zugehörigen Mitglieds wurden da- 209 mit zu für diese Erwerbergruppe typischen Merkmalen.171 Mit dieser Typisierung werden auch die vormals echten Synergiepotentiale eines speziellen potentiellen Erwerbers zu für diesen Erwerbertypus unechten Synergien, da sie eben typisch für diese Gruppe sind und in deren Planungen als Entscheidungsgrundlage konkret enthalten sind. Unter Einbezug dieser nun unechten Synergien und dem auf dieser Basis ermittel- 210 ten Ertragswert – der unter Berücksichtigung des vorgenommenen Perspektivwechsels wiederum auch im grundsätzlichen Einklang mit den Vorgaben des IDW S 1 zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes steht – wurde eine prohibitive Wirkung des im Verfahren aufgerufenen Netzkaufpreises verneint und die Berufung entsprechend zurückgewiesen.172  

166 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 18. 167 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 10. 168 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 10. 169 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 10. 170 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 16, 17. 171 OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 17: „Da das Landgericht bei der Bildung des Kreises ‚denkbarer Erwerber‘ diese mittels Typisierung zu einer Erwerbergruppe zusammengefasst hat, wurden nicht die Synergien eines bestimmten Unternehmens berücksichtigt, sondern diejenigen, die allen Unternehmen der Erwerbergruppe zufließen.“. 172 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2020 – I 27 U 12/19 – S. 4. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

dd) Berücksichtigung von Vertriebssynergien 211 Unter Vertriebssynergien kann man allgemein Einflüsse bzw. positive Effekte auf den

Vertriebserfolg von Energieprodukten aufgrund eines Netztransfers auf einen neuen Betreiber, der ebenfalls in der betreffenden Region bereits vertrieblich tätig ist oder aber zukünftig sein will, verstehen. Dies wird in der gutachterlichen Praxis vereinzelt auch als Ausstrahlungseffekt bezeichnet.173 Diese Effekte gilt es insbesondere bei integrierten Energieversorgungsunternehmen zu prüfen, die nach § 7 Abs. 2 EnWG wegen ihrer Größe von weniger als 100.000 Kunden von der sog. energiewirtschaftlichen Unbundlingvorschrift ausgenommen sind. Aber auch unter der einschränkenden Berücksichtigung dieser Vorschrift, d. h. einer umfänglichen rechtlichen, operationellen und damit auch finanziellen Trennung ist zu prüfen, welche Effekte in der Entscheidungsfindung des Netzübernehmenden eine Rolle spielten.174 212 Wie im Hinweisbeschluss des OLG Schleswig vom 29.10.2018 ausgeführt, zeigt sich in der Praxis, dass kaufmännisch vernünftig handelnde Erwerber sehr wohl prüfen, welche Effekte – bspw. reduzierte oder gar vermiedene Akquisitionskosten – sie im Zuge eines Netzübergangs durch dessen Ausstrahlung auf einen eigenen Energievertrieb zusätzlich realisieren können.175 Dabei ist es unerheblich, dass sich diese nicht im Netzbetrieb selbst niederschlagen.176 Solche Effekte prägen den Entschluss eines integrierten Erwerbers bzw. eines Erwerbers, der zumindest einen Einstieg in den Energievertrieb plant, mit, auch wenn es nicht die eigentliche Leistung des bisherigen, das Netz abgebenden Unternehmens ist bzw. dieser selbst über keinen Netzvertrieb verfügt hat.177 Die in der Zukunft wirkende Ausstrahlung als neuer Netzbetreiber (vor Ort) und damit vom Netz auf den Energievertrieb an Kunden ist davon unabhängig vorhanden. 213 Ob, und wenn ja, unter welchen konzeptionellen Voraussetzungen und insbesondere in welchem Maße welche (konkreten) Effekte im Rahmen der Ertragsbewertung anzusetzen sind, hängt insbesondere von der anzusetzenden Typisierung – hier also zuallererst davon, ob und inwieweit ein (integrierter) Energievertrieb in der maßgeblichen Planung vorgesehen ist – ab.  

4. Musterbeweisbeschluss im Sinne eines Praxistipps zur Umsetzung des objektivierten Ertragswertes unter Berücksichtigung notwendiger Anpassungen 214 Eine mögliche Lösung des oben angesprochenen Auslegungsproblems, nämlich dass der Wirtschaftsprüfer im Zuge seiner Beauftragung ohne weitere Vorgaben selbst viele z. T. rechtliche Fragen zu beantworten hat, liegt in einer gerichtlichen Beauftragung des  

173 Vgl. OLG Schleswig, Hinweisbeschluss v. 29.10.2018, in RdE (4–5/2019), S. 202. 174 Bzgl. der hier sog. Unbundlingvorschriften, insbesondere der Eingrenzung von Weisungsbefugnissen und gesellschaftsrechtlicher Instrumente, siehe EnWG §§ 7, 7a und 7b. 175 Vgl. RdE, (4–5/2019) S. 202 bzw. OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 29.10.2018. 176 Vgl. RdE, (4–5/2019) S. 202 bzw. OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 29.10.2018. 177 Vgl. RdE, (4–5/2019) S. 202 bzw. OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 29.10.2018. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

561

Sachverständigen mit eindeutigen Vorgaben. Exemplarisch könnte ein gerichtlicher Beweisbeschluss nach dem oben Ausgeführten in der Grundform so aussehen:

1

Praxistipp Az. (…) Landgericht (…) Beweisbeschluss In dem Rechtsstreit Stadtwerke (…) GmbH

./.

Regionalversorgung (…) AG

I. Es soll Beweis erhoben werden zu der folgenden Frage: Wie hoch ist der objektivierte Ertragswert im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG des von der Beklagten zum 1.1.2019 übereigneten Verteilnetzes der Allgemeinen Versorgung auf dem Stadtgebiet (…)178 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens auf Antrag der Klägerin.179 II. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Versendung der Akten an den Gutachter ist von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig, der vorläufig auf 30.000 € festgesetzt wird. Der Klägerin wird eine Frist zur Einzahlung von drei Wochen ab Beschlusszugang gesetzt. III. Als Sachverständige(r) wird Herr/Frau (…) beauftragt. IV. Bei der Ertragsbewertung hat der/die Sachverständige a. von dem Mengengerüst der Verteilnetzanlagen gem. Kaufvertrag der Parteien v. (…) auszugehen180 b. die von den Parteien übertragende anteilige Erlösobergrenze gem. § 26 Abs. 2 ARegV zu Grunde zu legen.181 c. die Perspektive eines typisierten Erwerbers zu Grunde zu legen. d. bei der Erwerbertypisierung von einer Erwerbergruppe auszugehen, die in räumlicher Nähe des streitgegenständlichen Verteilnetzes bereits ein Verteilnetz zumindest derselben Sparte, idealerweise auch einer weiteren Sparte betreibt.

178 Die Situation entspricht einer Leistungsklage auf teilweise Kaufpreisrückforderung. 179 In der Situation einer Kaufpreisrückforderung ist der Käufer beweisbelastet; vgl. dazu Abschnitt „Wirtschaftlich angemessene Vergütung – Beweislastverteilung u. Beweisbeschluss“, I.2. 180 Im anderen Fall einer Netzherausgabeklage könnte das Mengengerüst für die Zug um Zug-Leistung streitig sein und müsste ggf. unter Berücksichtigung technisch sinnvoller Entflechtungen ebenfalls durch ein zusätzliches technisches Sachverständigengutachten vorab ermittelt werden. 181 Nach einem abgewickelten Kauf unter Vorbehalt ist die Einigung auf eine anteilige EOG zu unterstellen. Zur Problematik der Korrelation mit dem Ertragswert vgl. Abschnitt „Übertragung einer Erlösobergrenze nach § 26 ARegV“. Hemmersbach/Ruppert

562

e.

Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

festzustellen, dass mindestens 3 potentielle Erwerber der unter c) genannten Kategorisierung tatsächlich zu Beginn des Auswahlverfahrens neben der Beklagten bestanden haben. Wird die Mindestanzahl nicht erreicht, hat der Sachverständige die Erwerbergruppe sukzessive regional, spartenmäßig zu erweitern. Dazu sind zuerst Ein-Sparten-Unternehmen zu ergänzen und dann Unternehmen in einem erweiterten Radius. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten auszuführen, bei welchen Typisierungen hinsichtlich Nähe, Sparten, Größe etc. er die Mindestanzahl von 3 real existierenden, potentiellen Erwerbern erreicht. auf Basis des so ermittelten typisierten Erwerbers die weiteren Typisierungen insbesondere hinsichtlich der dann für diese Gruppe anzusetzenden Synergien, deren optimale Finanzierungsmöglichkeiten und deren Erlös- und Kostenplanung vorzunehmen und in der Bewertung zu berücksichtigen. sich mit den vorgelegten Parteigutachten (…) bei seiner Bewertung kritisch auseinanderzusetzen. im Übrigen die für eine Unternehmensbewertung maßgeblichen Standards des Institutes Deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW S 1) zu beachten.182

f.

g. h.

II. Anspruch auf Besitzüberlassung gem. § 46 Abs. 2 Satz 3 EnWG 1. Miete, Pacht, Leihe, Leasing? 215 Der Gesetzgeber räumt dem Neukonzessionär ein Wahlrecht hinsichtlich einer Übereig-

nung oder einer bloßen Besitzverschaffung ein. Da der Gesetzgeber nur die sachenrechtliche Seite der Netzüberlassung ausgestaltet, stellt sich die Frage nach dem zu Grunde liegenden Schuldverhältnis. Es dürfte in der Praxis unstreitig sein, dass das in § 46 EnWG angelegte gesetzliche Schuldverhältnis zu rudimentär ausgestaltet ist, um sämtliche regelungsbedürftige Sachverhalte einer Netzüberlassung zu erfassen. Während die ganz überwiegend praktizierte Übereignung der Verteilanlagen auf Grundlage eines Kaufvertrages erfolgt, ist der Schuldtypus für die Besitzüberlassung mangels hinreichender Praxis ungeklärt. Bislang ist diese Form der Netzübernahme unüblich und nicht zu beobachten. Bleibt doch der Altkonzessionär mit dem Neukonzessionär in dieser Konstellation für die Dauer des neuen Konzessionsvertrages über das EigentümerBesitzerverhältnis verbunden, was in konfliktären Netzüberlassungsverhandlungen i. d. R. nicht der präferierte Zielzustand der Parteien ist. Gleichwohl kann die Besitzverschaffung für den Neukonzessionär eine strategisch interessante Option sein, um die Finanzierung eines Netzkaufpreises bei einer Übereignung zu vermeiden und gleichzeitig gewisse regulatorische Risiken aus der von der Regulierungsbehörde festgelegten Verzinsung des Anlagevermögens für sich auszuklammern. Die Frage nach dem Schuldtypus ist bei genauer Betrachtung relativ klar zu beantworten: Der Altkonzessionär wird den Besitz nicht unentgeltlich überlassen und dafür ebenfalls eine wirtschaftlich angemessene Vergütung verlangen. Damit scheidet jedenfalls die unentgeltliche Leihe aus. Bei Leasingmodellen unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Finanzierungs 



182 Nicht zwingend muss der Sachverständige immer Wirtschaftsprüfer und damit den berufsständigen Standards verpflichtet sein. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

563

und Operatingleasing. Charakteristisch für das Finanzierungsleasing ist die Amortisation der vom Leasinggeber getätigten Investitionskosten über die Leasingraten.183 Hier kommen neben der Gebrauchsüberlassung Elemente von Finanzierungsgeschäften hinzu (Ratenkauf, Darlehen), während beim Operatingleasing eine derartige Amortisationspflicht über die Laufzeit nicht Gegenstand des Vertrages ist.184 Da bei letzterem die Gebrauchsüberlassung im Vordergrund steht, wird diese Form wie ein gewöhnlicher Mietvertrag i. S. v. § 535 BGB behandelt.185 Neben den Leasingmodellen würde auch ein Mietvertrag im Sinne einer bloßen Gebrauchsüberlassung den Interessen des Netzübernehmers jedoch in der Praxis nicht gerecht. Es geht dem Neukonzessionär weder um ein Finanzierungsgeschäft noch um eine 216 bloße Gebrauchsüberlassung mit dem Ziel, das Netz für sich nutzen zu können. Es geht ihm primär darum, mit dem Netz zu wirtschaften und Erlöse damit zu erzielen. Daher liegt die Pacht i. S. v. § 581 BGB nahe, weil als charakteristisches Element die Fruchtziehung, der Ertrag einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, den wesentlichen Zweck einer Netzübernahme darstellen dürfte.186  







2. Basis einer angemessenen Vergütung für Besitzüberlassung? Nach der gesetzlichen Systematik ist die wirtschaftlich angemessene Vergütung die Ge- 217 genleistung für die Übereignung der notwendigen Verteilungsanlagen, § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG. In Satz 3 der Norm wird sodann geregelt, dass das neue Energieversorgungsunternehmen statt der Übereignung die Einräumung des Besitzes verlangen kann. In Satz 4 schließlich wird die wirtschaftlich angemessene Vergütung im Sinne von Satz 2 mit dem, sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessenden objektivierten Ertragswert des Energieversorgungsnetzes definiert. In diesem Regelungsgefüge stellt sich die Frage, ob der objektivierte Ertragswert auch die gesetzlich verankerte Gegenleistung für den Fall einer Besitzüberlassung darstellt. Dafür spräche der Umstand, dass die wirtschaftlich angemessene Vergütung in Satz 4 generell und unabhängig von dem zuvor normierten Wahlrecht des neuen Energieversorgungsunternehmen definiert wird. § 46 Abs. 2 Satz 2 der Norm wäre dann in Verbindung mit Satz 3 so zu lesen, dass an Stelle der Übereignung die Besitzeinräumung stünde und die wirtschaftlich angemessene Vergütung auch in diesem Fall der objektivierte Ertragswert im Sinne des Satz 4 wäre. Die andere Auslegung wäre, dass die wirtschaftlich angemessene Vergütung nur für den Fall der Übereignung definiert ist, mithin für die Besitzeinräumung eine Regelungslücke bestünde bzw. der Gesetzgeber es den Parteien überlassen wollte, sich auf eine anderweitig basierte Vergütung zu einigen, § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG. Die Auslegungsfrage in eine praktische Relevanz eingebettet hieße bspw., ob der Altkonzessionär die Besitzeinräumung

183 184 185 186

MüKo Schuldrecht/Koch BT1 Finanzierungsleasing Rn 4. Ebenda. Ebenda. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 21.5.2015, Rn 50.

Hemmersbach/Ruppert

564

Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

verweigern könnte, wenn er als Gegenleistung nicht den objektivierten Ertragswert angeboten bekäme. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies abzulehnen, die besseren Gründe sprechen für die zuletzt dargestellte Auslegung: Bei der Ertragsbewertung werden vereinfacht ausgedrückt zukünftige Erlöse den Kosten gegenübergestellt und die Differenz auf einen Bewertungsstichtag abgezinst. Es wird ein Wert ermittelt, wie er typischerweise als Gegenleistung für ein einmaliges Austauschverhältnis – wie bei einer Übereignung – gegenübersteht. Der Besitzeinräumung ist für die Dauer des neuen Konzessionsvertrages ein Dauerschuldverhältnis immanent. In Dauerschuldverhältnissen für Besitzüberlassungen werden jedoch typischerweise periodische Zahlungen vereinbart. Insofern passt das Ertragswertverfahren bereits systematisch nicht zur Bestimmung einer periodischen Gegenleistung für die Besitzeinräumung. Gewichtiger ist allerdings, dass der wirtschaftlich angemessenen Vergütung in Form des objektivierten Ertragswertes einmal die Besitz- und einmal die Eigentumsüberlassung als Gegenleistung gegenüberstünde. Der Gesetzgeber hat in § 46 Abs. 2 Satz 4 zur Konkretisierung des objektivierten Ertragswertes auf die mit dem (gesamten) Energieversorgungsnetz zu erzielenden Erlösen abgestellt und damit keinen Raum für Differenzierungen im Fall der Besitzüberlassung vorgesehen. Da die Besitzüberlassung ein „Weniger“ gegenüber der Eigentumsübertragung darstellt, wäre das Äquivalenzverhältnis im Vergleich zur Übereignung nicht gewahrt und die wirtschaftliche Vergütung nicht angemessen. Konsequenz der hier vertretenen Auslegung ist somit, dass der Gesetzgeber für den Fall der Besitzeinräumung die Vergütung nicht geregelt hat. Die demnach bestehende gesetzliche Regelungslücke ist unter Berücksichtigung des regulatorischen Ordnungsrahmens auszufüllen: Der Neukonzessionär, der das Verteilnetz im Wege der Pacht vom Altkonzessionär übernimmt, ist nach den Inhalten des Konzessionsvertrages für den operativen Betrieb im Gemeindegebiet verantwortlich. Er ist Netzbetreiber im energiewirtschaftlichen Sinne des § 3 Nr. 3 EnWG und erhält die Erlöse für den Netzzugang. Aus den Erlösen, den Netzentgelten, hat der Pächter die Pacht zu erwirtschaften, sodass sich die Frage stellt, wie eine wirtschaftlich angemessene Aufteilung dieser Erlöse vorzunehmen ist. Im Grundsatz setzen sich die Netzentgelte aus kalkulatorischen und aufwandsgleichen Kosten zusammen, § 4 StromNEV/GasNEV i. V. m. § 17 ARegV. Die kalkulatorischen Kosten, insbesondere die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals werden auf Basis der kalkulatorischen Restwerte des Eigenkapitals ermittelt, § 7 StromNEV, GasNEV. Diese Bestandteile der Netzentgeltkalkulation beziehen sich auf den Pachtgegenstand und damit auf das Eigentum des Verpächters. Die aufwandsgleichen Kosten werden aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Netzbetreibers ermittelt (§ 5 StromNEV/ GasNEV) und umfassen alle sonstigen für den operativen Netzbetrieb nötigen Aufwendungen z. B. für Personal, Dienstleister, IT, Verwaltung etc. Aus dieser regulatorischen Systematik wird deutlich, dass alle auf das Sachanlagevermögen bezogenen Kostenbestandteile den Maßstab für die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Sachanlagevermögens des Verpächters im regulierten Ordnungsrahmen darstellen und daher Grundlage für die Ermittlung des Pachtentgeltes sein müssen. Die aufwandsgleichen Kosten für den operativen Betrieb des Verteilnetzes müssen dem Pächter und Netz 





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B. Wertbestimmung

565

betreiber zustehen. Mit den aufwandsgleichen Kosten kann der Pächter das Netz betreiben, kann durch Senkung dieser Kosten in einer Regulierungsperiode Effizienzgewinne erwirtschaften, § 21a Abs. 5 Satz 4 EnWG, und damit die Früchte aus dem Pachtgegenstand ziehen. Ein höheres Pachtentgelt, als auf Basis der kalkulatorischen Kosten ermittelt, wäre unangemessen und würde die Fruchtziehung des Pächters jedenfalls teilweise vereiteln. Eine niedrigere Pacht würde den Eigentümer unangemessen für die Überlassung seines Verteilnetzes entschädigen und die regulatorisch auf das Sachanlagevermögen zugestandenen Erlöse dem Pächter überlassen. Eine sachgerechte Aufteilung der Netzentgeltsystematik abzubilden, ist Aufgabe der Pachtzinsformel.

3. Wesentliche Regelungsinhalte eines Netzpachtvertrages als Praxishinweis a) Pachtzinsformel Eine Regelung im Pachtvertrag könnte im aktuellen Ordnungsrahmen wie folgt aus- 218 sehen: „Die von der Pächterin zu zahlende Pacht bestimmt sich für die Laufzeit dieses Vertrages grundsätzlich nach der nachfolgenden Formel, die weitgehend der Formel nach § 7 ARegV in Verbindung mit Anlage 1 zur ARegV entspricht. Abweichungen gegenüber der in Anlage 1 zur ARegV enthaltenen Formel sind dabei dadurch bedingt, dass die Verpächterin keinerlei operative Risiken aus dem Betrieb des Stromnetzes im Stadtgebiet zu tragen hat. Aufwandsgleiche Kosten werden in der Formel nur insoweit berücksichtigt, wie sie bei der Verpächterin in ihrer Rolle als Netzeigentümerin anfallen und durch die Regulierungsbehörde nicht beanstandet werden (z. B. Grundsteuern, Versicherungsbeiträge, Aufwendungen für Grundstücksbenutzungsrechte, Gebühren (HRG).  

Die für die Pachtberechnung maßgebliche Formel lautet: P = KAdnb,t + (KAvnb,t + (1 – Vt) x KAb,t + B0/T) x (VPIt/VPI0 – PFt) + KKAt + Qt + St Dabei ist: P Die nach diesem Vertrag im Jahr t zu zahlende Pacht KAdnb,t Dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 ARegV für das Jahr t, hier begrenzt auf die Auflösung von Netzanschlusskostenbeiträgen und Baukostenzuschüssen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 ARegV. KAvnb,t Vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteil nach § 11 Absatz 3 ARegV, der für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode anzuwenden ist. Verteilungsfaktor für den Abbau der Ineffizienzen, der im Jahr t der jeweiligen ReVt gulierungsperiode nach Maßgabe des § 16 Anwendung findet. Beeinflussbarer Kostenanteil nach § 11 Absatz 4 ARegV, der für das Jahr t der jeKAb,t weiligen Regulierungsperiode Anwendung findet. Bonus nach § 12a ARegV im Basisjahr, falls seitens zuständiger RegulierungsB0 behörde beim Pächter eine Supereffizienz ermittelt wird. Hemmersbach/Ruppert

219

566

Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

T VPIt

Dauer der jeweiligen Regulierungsperiode in Jahren. Verbraucherpreisgesamtindex, der nach Maßgabe des § 8 Satz 2 ARegV für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode Anwendung findet. Durch das Statistische Bundesamt veröffentlichter Verbraucherpreisgesamtindex für das Basisjahr. Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor nach Maßgabe des § 9 ARegV, der die Veränderungen des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode im Verhältnis zum ersten Jahr der Regulierungsperiode wiedergibt. In Analogie zu dem Term VPIt/VPI0 ist PFt dabei durch Multiplikation der einzelnen Jahreswerte einer Regulierungsperiode zu bilden. Kapitalkostenaufschlag nach § 10a ARegV, der für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode anzuwenden ist. Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenze nach Maßgabe des § 19 ARegV im Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode. Für die Laufzeit des Pachtvertrags wird dieser Summand mit Null angesetzt. Summe der Zu- und Abschläge auf die Pachthöhe nach § 5 Abs. 3 ARegV, wobei ausschließlich die Positionen Berücksichtigung finden, die die Verpächterin in ihrer Rolle als Netzeigentümerin betreffen (Kapitalkostenaufschlag gemäß § 5 Abs. 1a ARegV).

VPI0 PFt

KKAt Qt

St

b) Investitionsplanung 220 Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges

und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist, § 11 Abs. 1 EnWG. Der Betreiber hat im Sinne der Versorgungssicherheit Anlagen zu erneuern, das Netz bedarfsgerecht auszubauen und seiner Anschlusspflicht nachzukommen. 221 Daraus folgt, dass der Pächter als operativer Betreiber des Verteilnetzes für Investitionen in das Verteilnetz energiewirtschaftsrechtlich verantwortlich ist. Da er jedoch in einem Pachtverhältnis nicht Eigentümer der Anlagen ist, besteht ein Spannungsverhältnis zu den Interessen des Eigentümers, des Verpächters. Die im besonderen Schuldrecht geregelten Verwendungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Pächters gegenüber dem Verpächter werden den Anforderungen des regulierten Netzbetriebes nicht gerecht. Aufwendungsersatz bei Schäden oder Mängeln des Pachtgegenstandes, § 536a BGB i. V. m. § 581 Abs. 2 BGB stehen unter anderen Voraussetzungen als die planmäßigen Pflichten eines Verteilnetzbetreibers, die beim Abschluss eines Netzpachtvertrages immanent sind. Von daher bedarf es einer grundlegenden Einigung zwischen Eigentümer und Besitzer (Verpächter /Pächter), in welchem Rahmen der Pächter Investitionen in den Pachtgegenstand tätigen darf und ob und in welchem Rahmen diese der Zustimmung des Verpächters bedürfen. Rahmenbedingungen dafür liefern die Entflechtungsregelungen aus § 7a Abs. 4 EnWG. Dabei ist die unmittelbare Anwendung insoweit frag 



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B. Wertbestimmung

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lich, als dass hier die vertikale Integration zwischen Verpächter und Pächter allein über den Pachtvertrag besteht, im Übrigen jedoch keinerlei gesellschaftsrechtliche Verflechtungen im Sinne des § 3 Nr. 38 EnWG im Rahmen einer Netzübernahme begründet werden. Ausnahmen bilden hier allenfalls Netzkooperationsmodelle. Allerdings dürfte in einem „erst recht Schluss“ geboten sein, die Unabhängigkeit 222 eines Verteilnetzbetreibers im Rahmen eines Konzessionswechsels durch Besitzübernahme nicht weiter einzuschränken, als diese innerhalb eines vertikal integrierten Versorgungsunternehmens gesetzlich vorgegeben ist. Um die Unabhängigkeit des Verteilnetzbetreibers zu gewährleisten, sind Weisungen zum laufenden Netzbetrieb ebenso wenig erlaubt, wie Weisungen im Hinblick auf einzelne Entscheidungen zu baulichen Maßnahmen an Energieanlagen, solange sich diese Entscheidungen im Rahmen eines vom vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen genehmigten Finanzplans oder gleichwertigen Instruments halten, § 7a Abs. 4 Satz 5 EnWG. Die Einflussnahme und Kontrolle, insb. die Festlegung jährlicher Finanzpläne oder 223 gleichwertiger Instrumente, sind insoweit zulässig, als dies zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens erforderlich ist, § 7a Abs. 4 Satz 3 EnWG. Um diesen Interessenausgleich zwischen Eigentümer und operativem Netzbetreiber abzubilden, könnte die folgende Regelung im Pachtvertrag dienen:

Praxistipp 1 „Investive technische Maßnahmen haben im Rahmen eines von der Verpächterin zu verabschiedenden Investitions- und Finanzplans zu erfolgen. Die Pächterin hat innerhalb der ersten sechs Monate eines Kalenderjahres unter Beachtung der jeweiligen wirtschaftlichen, technischen und gesetzlichen Anforderungen den Entwurf eines Investitionsplans mit einer Zusammenstellung aller für das folgende Kalenderjahr geplanten investiven technischen Maßnahmen zu erstellen und die Verpächterin zukommen zu lassen. Die Verpächterin hat bis zum Ende eines Kalenderjahres einen Investitionsplan für das folgende Kalenderjahr zu verabschieden und der Pächterin zu übermitteln. Die Pächterin wird der Verpächterin quartalsweise über den aktuellen Stand der Abarbeitung des Investitionsplans und etwaige geplante Modifikationen bei der Realisierung der im Investitionsplan enthaltenen investiven technischen Maßnahmen informieren. Die Information über die Fertigstellung wesentlicher investiver technischer Maßnahmen wird die Pächterin der Verpächterin so rechtzeitig zukommen lassen, dass dies im Rahmen der Finanzplanung berücksichtigt werden kann. Eine wesentliche Über- oder Unterschreitung des verabschiedeten Investitionsvolumens gegenüber dem von der Verpächterin verabschiedeten Investitionsplan bedarf der Zustimmung der Verpächterin. Wesentlich ist die Über- oder Unterschreitung ab einem Investitionsvolumen von […] TEUR. Im Rahmen des verabschiedeten Investitionsvolumens zzgl. Wesentlichkeitsschwelle ist die Pächterin im Hinblick auf einzelne Entscheidungen zu baulichen Maßnahmen frei, solange sich diese Entscheidungen im Rahmen des genehmigten Investitionsplans (inkl. Über- und Unterschreitung) bewegen.“

c) Endschaftsregelung Nach Ende der Vertragslaufzeit ist der Pächter verpflichtet, den Pachtgegenstand dem 224 Verpächter zurückzugeben. Die Laufzeit des Pachtvertrages richtet sich nach der LaufHemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

zeit des Konzessionsvertrages des Pächters, anderenfalls dieser bei einer kürzeren Laufzeit seine konzessionsvertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen könnte, bei einer längeren Laufzeit diese mit etwaigen Überlassungsansprüchen aus den obligatorischen Vorgaben zum Konzessionswettbewerb aus § 46 ff. EnWG kollidieren könnten. 225 Mit Ende des Pachtvertrages ist damit zwangsläufig die Möglichkeit einer Überlassungspflicht gegenüber einem Neukonzessionär in den Blick zu nehmen. Der Überlassungsanspruch des Neukonzessionärs richtet sich nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG gegen den bisher Nutzungsberechtigten. Der bisher nutzungsberechtigte Altkonzessionär ist der Pächter, der sich einerseits dem Rückgabeanspruch seines Verpächters ausgesetzt sieht und bei dessen Erfüllung er jedoch auf der anderen Seite nicht in der Lage wäre, dem Neukonzessionär das Eigentum an dem Verteilnetz zu verschaffen. Um den Überlassungsanspruch des folgenden Neukonzessionärs, der sich sowohl auf die Besitzüberlassung alternativ auf die Eigentumsverschaffung richtet, nicht zu verkürzen, bedarf es einer ergänzenden Gesetzesauslegung. Der Nutzungsberechtigte im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG muss daher, um das gesetzliche Wahlrecht des Neukonzessionärs zu erhalten, mit dem Eigentümer des im Wettbewerb stehenden Verteilnetzes gleichgesetzt werden. Nur der Eigentümer ist nach Rückgabe des Pachtgegenstandes in der Lage, sowohl Besitz als auch Eigentum an dem Verteilnetz einem Neukonzessionär zu überlassen. 226 Daraus resultiert jedoch ein weiteres Spannungsfeld: Bei einem Übergang eines Energieversorgungsnetzes auf einen anderen Netzbetreiber ist der Anteil der Erlösobergrenze für den übergehenden Netzteil auf Antrag der beteiligten Netzbetreiber festzulegen, § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV. Bisheriger Netzbetreiber ist jedoch der Pächter, Schuldner des Überlassungsanspruch nach hier vertretener Auffassung der bisherige Eigentümer. So werden die an sich, für die Bestimmung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung auf Basis des Ertragswertverfahrens, kommunizierenden Röhren EOG und Ertragswert187 zunächst getrennt. Um eine jeweilige Optimierung von Eigentümer oder Netzbetreiber bei den EOG- bzw. Kaufpreisverhandlungen zu Lasten des jeweils anderen zu vermeiden, bedarf es einer vertraglichen Regelung in Form von Informationsund Mitwirkungspflichten, um die Themenkomplexe am Ende der Vertragslaufzeit wieder sachgerecht zusammenzuführen. 227 Eine vergleichbare Fragestellung ergibt sich bei der Entflechtung eines zu übergebenden Teilnetzes. Die Entflechtung kann nur der Pächter als bisheriger Netzbetreiber unter Berücksichtigung seiner Verantwortung und der Versorgungsicherheit bzgl. seines verbleibenden Netzgebietes sinnvoll mit dem neuen Netzbetreiber verhandeln. Auch hier besteht eine Korrelation zu der wirtschaftlich angemessenen Vergütung des Alteigentümers.188 Die Regelungsbedürftigkeit dieser Themen kann hier nur aufgezeigt werden, die denkbaren Lösungen müssen der Vertragsgestaltung im Einzelfall vorbehalten bleiben.  

187 Vgl. Abschnitt I.1.b) „Übertragung einer Erlösobergrenze nach § 26 ARegV“. 188 Vgl. Abschnitt „Entflechtung und kleiner Grenzverkehr“, I.1.a). Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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III. Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung gem. § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG 1. Einführung Gewöhnlich ist der Preis, den ein Erwerber maximal für ein Wirtschaftsgut oder ein Un- 228 ternehmen zu zahlen bereit ist, ein auf Basis seiner individuellen, d. h. subjektiver Prämissen beruhender Entscheidungswert im Sinne seines Grenzpreises.189 Der Grenzpreis ist dabei der Preis, den ein Käufer maximal bereit ist zu zahlen bzw. zu dem ein Verkäufer im Sinne eines Mindestpreises gerade noch bereit ist, zu verkaufen, d. h. Käufer und Verkäufer sich unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen subjektiven Prämissen mit dem Preis zumindest nicht schlechter stellen, als würde das betreffende Wirtschaftsgut oder Unternehmen mit allen Rollen nicht veräußert und vom Eigentümer unverändert betrieben werden.190 D. h. die jeweiligen individuellen Wertvorstellungen müssen mit dem gemeinsam gefundenen Preis vereinbar sein. Diese, sich im normalen Wettbewerb ergebende Verhandlungssituation ist jedoch im Zuge einer durch den Konzessionswechsel bedingten Überlassung nicht gegeben, da eine Veräußerung für den bisherigen Konzessionär – sofern sich der Neukonzessionär für eine Übereignung entschieden hat – rechtlich vorgegeben ist. Unterstellt man die gesetzgeberische Zielsetzung, dass der objektivierte Ertragswert 229 versucht, die beiden subjektiven Interessen der Verhandlungsparteien, nämlich die Erzielung einer angemessenen Entschädigung für den Abgebenden sowie die zur Sicherstellung eines ausreichenden Wettbewerbs um Konzessionen angemessenen Kaufpreises, übereinander zu bringen, so dürfte in der Praxis keine der Parteien einer von der gesetzlichen Vergütung abweichenden Regelung zustimmen. Gleichwohl ermöglicht § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG den Parteien, sich auf anderweitig 230 basierte Vergütungen zu einigen. Nach dem Wortlaut suggeriert diese Regelung zunächst, als wäre der Ertragswert ein mathematisch exakt zu bestimmender Wert, von dem die Parteien abweichen dürfen. Mit „anderweitig basierter Vergütung“ dürfte aber eine abweichende Bewertungsmethodik gemeint sein. Anlass dafür könnten zum Beispiel abweichende Regelungen in Endschaftsklauseln von Konzessionsverträgen sein, die lange vor Inkrafttreten der Reglung aus § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG abgeschlossen wurden. So war es branchenweit üblich, substanzwertbasierte Kaufpreise in Endschaftsregelungen zu vereinbaren. Ein solcher vertraglicher Netzüberlassungsanspruch der Kommune wäre in Zusammenschau mit § 113 EnWG unzulässig,191 wenn nur noch der gesetzlich verankerte objektivierte Ertragswert maßgeblich wäre. Da solche vertraglichen Netzüberlassungsansprüche i. d. R. von der Kommune an den Neukonzessionär abgetreten werden, würde man diesem das ansonsten bestehende Wahlrecht zwischen beiden Anspruchsgrundlagen nehmen. Diese Regelung hat einerseits den Vorteil, dass  









189 Zum Grenzpreis siehe Abschnitt „Subjektiver Ertragswert – subjektiver Entscheidungswert nach IDW S 1“, III.4. 190 Vgl. Castedello/Schöniger/Tschöpel, S. 87. 191 Vgl. Abschnitt „Zulässigkeit der Ausgestaltung vertraglicher Überlassungsansprüche”, IV.2. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

damit ein gewisser Schutz der Privatautonomie einhergeht. Andererseits ist es den Parteien möglich, sofern die alternativen Ansätze einen wirtschaftlichen Verhandlungskorridor eröffnen, sich auf anderem Wege zu einigen. 231 Obwohl für die Bewertung von Anlagen keine einheitlichen Richtlinien oder verbindlichen Vorschriften existieren, werden nach dem Institut für Sachverständigenwesen (IfS), der American Society of Appraiser (ASA) und dem Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) drei Bewertungsverfahren als Standard definiert, nämlich (1.) das Vergleichswertverfahren als marktpreisliches Verfahren zur Bestimmung von Verkehrswerten, (2.) das Ertragswertverfahren und (3.) das Sachzeitwertverfahren.192 Zudem stellt der Sachzeitwert noch in vielen laufenden Konzessionsverträgen die sog. vertragliche Endschaftsregelung dar, weshalb er bewertungstechnisch noch von grundsätzlichem Interesse ist. 232 Der sog. kalkulatorische Restwert gemäß NEV/ARegV stellt die Grundlage zur Ermittlung der kalkulatorischen Entgeltbestandteile dar und ist daher ebenfalls näher zu betrachten, obgleich er nicht den Anspruch auf einen umfassenden Wertansatz für das gesamte Netz erheben kann und nicht die ausschließliche Grundlage der Erlösgenerierung darstellt.193 233 Entsprechend spielen die neben dem in § 46 Abs. 2 Satz 2 und 4 EnWG verankerten objektivierten Ertragswert nachfolgend aufgeführten alternativen Bewertungsmethoden eine besondere, wenn auch in der Praxis untergeordnete Rolle.

2. Substanzbewertung – Sachzeitwert a) Begriff 234 Die Substanzbewertung in Form einer Sachzeitwertermittlung ist ein in der Energiewirtschaft gängiges und bewährtes Bewertungskonzept. Es gehört im Gegensatz zu den Gesamtbewertungsverfahren194, die das Unternehmen als zu bewertende Einheit betrachten, zu den Einzelbewertungsverfahren, da sich der Substanzwert aus der Summe aller einzelnen, isoliert bewerteten Vermögensgegenstände und Schulden berechnet.195 Dabei sind nur die Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, von denen noch ein Beitrag zum Unternehmenserfolg zu erwarten ist.196

192 Vgl. Castedello/Schöniger/Tschöpel, S. 284 f. 193 Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15. Dezember 2010, S. 14. 194 Zum Gesamtbewertungsverfahren vgl. Ballwieser/Hachmeister (2021), S. 10. 195 Zum Verständnis und den Grundformen des Substanzwertes siehe Peemöller/Sieben/Maltry, S. 817 ff. 196 Vgl. Peemöller/Sieben/Maltry, S. 817.  



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B. Wertbestimmung

Der Sachzeitwert als Sonderform des Substanzwertes berücksichtigt dabei ausschließlich die Substanz aller materiellen Vermögensgegenstände.197 Er leitet sich aus deren Tagesneuwerten im Sinne von Wiederbeschaffungswerten neuer Anlagen ab.198 Bezogen auf die Energiewirtschaft kann der Sachzeitwert eines zu übertragenden Versorgungsnetzes daher als jener Wert verstanden werden, der sich für die Summe aller materiellen Wirtschaftsgüter dieses Netzes auf der Grundlage deren Tagesneuwerte unter Berücksichtigung deren Alters und Zustandes als Restwert ermitteln lässt. Er besitzt, auch wenn er zunehmend keine Berücksichtigung in neuen Kaufpreisbestimmungen in Konzessionsverträgen findet, damit weiterhin seine Berechtigung, denn er reflektiert eine substanzbasierte Wertfindung sowohl von Einzelanlagen als auch einer technischen Sachgesamtheit, ohne dass es sich dabei um ein vollumfängliches Unternehmen handelt. Damit werden auch vielfältige Fragestellungen umgangen, die mit anderen Verfahren verbunden sind.199 Eine systemkonforme Einordnung dieses Verfahrens in die betriebswirtschaftliche Theorie steht außer Frage. Es stellt in der Praxis nach wie vor das am häufigsten angewandte Verfahren zur Bewertung von Maschinen und Anlagen dar.200 Für den in Endschaftsklauseln von Konzessionsverträgen verwendeten Sachzeitwertbegriff besteht keine rechtliche Definition. Bei gutachtlichen Sachzeitwertermittlungen wird häufig auf eine Definition des VDEW Bezug genommen.201 Der Sachzeitwert kann jedoch aufgrund seiner in der Energiewirtschaft langjährigen und in der Vergangenheit konsensualen Anwendung bei einer Vielzahl von Netztransaktionen als ein im Transaktionsmarkt „Versorgungsnetze“ feststehender Wertbegriff verstanden werden, dem Elemente einer tradierten Wertkonvention anhaften. Hiernach ermittelt sich der Sachzeitwert eines Verteilnetzes aus der Summe der für alle einzelnen Netzkomponenten gesondert ermittelten Sachzeitwerte, wobei der einzelne Sachzeitwert wie folgt zu ermitteln ist: – Sachzeitwert = Wiederbeschaffungswert × Restwertfaktor, wobei der Restwertfaktor wie folgt ermittelt wird: – Restwertfaktor = Restnutzungsdauer / Gesamtnutzungsdauer

197 Zum Verfahren im Detail siehe u. a. bei Salcher/Keller/Beckmann/Maier, S. 2 f. und Meier, S. 80 ff. 198 Der Wiederbeschaffungswert wird in der Literatur auch synonym mit Wiederbeschaffungskosten, Wiederherstellungswert/-kosten sowie Rekonstruktionsneuwert bezeichnet. Siehe auch Meier, S. 82. 199 Siehe dazu u. a. die zu lösenden Fragestellungen zur Tauglichkeit der fachlichen Praxis und zur Umsetzbarkeit der gesetzgeberischen Motive in den entsprechenden Abschnitten oben. 200 Siehe Castedello/Schöniger/Tschöpel, S. 285. 201 VDEW, Begriffsbestimmungen in der Elektrizitätswirtschaft, Teil 8, Begriffe des Rechnungswesens, 1991, S. 26.  



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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

b) Ermittlung aa) Berücksichtigung von alters-, technologie- und funktionsbedingten Zustandsmerkmalen zum Übertragungszeitpunkt 240 Alters- und funktionsbedingte Merkmale werden i. d. R. mit dem jeweiligen Baujahr der einzelnen Netzkomponenten und der damit einhergehenden Restnutzungsdauer erfasst. Für bestimmte Anlagen bietet es sich darüber hinaus an, einen Tagesneuwert anzusetzen, der für eine funktionsgerechte und aktuell ggf. günstigere Ersatzbeschaffung zu bezahlen wäre. Der finale Sachzeitwert berücksichtigt grundsätzlich das zu einem Stichtag tatsächlich vorhandene Mengengerüst. Im Vorfeld einer Bewertung ist eine Prüfung der Betriebsnotwendigkeit der Anlagen durchzuführen. Wird eine Sachzeitwertermittlung im Vorgriff auf eine anstehende Übertragung vorgenommen, d. h. liegt der Bewertungsstichtag vor dem Übertragungsstichtag, ist eine Aktualisierung der Berechnungen für jene Anlagenab- und -zugänge vorzunehmen, die sich zwischen Bewertungsstichtag und Übertragungsstichtag ergeben.  





bb) Verfahren zur Sachzeitwertermittlung (1) Vorbemerkungen 241 Eine Sachzeitwertermittlung erfolgt auf der Basis des für den Bewertungszeck als relevant identifizierten Mengengerüstes und einer sich hieran anschließenden Neubewertung der einzelnen Netzanlagen. Diese Neubewertung kann grundsätzlich mit zwei Verfahren erfolgen: – Neubewertung der Netzanlagen mittels Tagesneuwerten – Neubewertung der Netzanlagen mittels Indizierung der historischen Anschaffungsund Herstellungskosten 242 Der Sachzeitwert berechnet sich anschließend aus dem ermittelten Tagesneuwert ab-

züglich der aufgrund des Alters bzw. des Zustandes bis zum Bewertungsstichtag vorgenommenen Abschreibungen bzw. multipliziert mit dem entsprechenden Restwertfaktor.

(2) Tagesneuwertverfahren 243 Eine Sachzeitwertermittlung auf Basis von Tagesneuwerten erfolgt nach dem Prinzip

„Menge × Preis“, d. h. auf Basis der identifizierten Anlagenmenge multipliziert mit den stichtagsbezogenen Wiederbeschaffungskosten“. Bei dieser Vorgehensweise geht man von einer Neuerrichtungsfiktion aus, d. h. man unterstellt bzgl. der Wertigkeit, dass das zu übertragende Netz von einem Erwerber in seiner bestehenden Konfiguration auch so (wieder-)errichtet werden müsste. 244 Dabei ist beim Ansatz der dazu notwendigen Tagesneuwerte von der aktuellen Beschaffungssituation und den hierauf basierenden Wiederbeschaffungskosten des gegebenen Netzbetreibers auszugehen, da es bei diesem Vorgehen um fundierte und konkret  



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B. Wertbestimmung

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nachweisbare Daten eines im relevanten Netzgebiet (Regionalnetz) agierenden Netzbetreibers handelt, der zudem auf eine Vielzahl aktueller Netzbaumaßnahmen mit unterschiedlichen Baulosgrößen zurückgreifen kann. Zu diskutieren ist dabei die Angemessenheit der in die Wiederbeschaffungskosten- 245 kalkulation eingehenden Einstandspreise für einzelne Netzkomponenten auf Basis vorliegender Leistungspreisverzeichnisse des gegebenen Netzbetreibers, sofern sie eine Vorteilhaftigkeit großer Beschaffungsvolumina widerspiegeln, die auf den anderen, die Anlagen erwerbenden Netzbetreiber nicht zutreffen. In der Praxis werden die Preislisten einschlägiger Hersteller, sofern zugänglich, herangezogen. Akzeptanz- und Diskussionsfragen können sich auch aus Umfang und Nachweis der 246 im Wege der Gesamtkostenkalkulation hinzugerechneten Gemeinkosten202 und der Zusatzkosten für Bauplanung und Projektierung ergeben. Oftmals wird ersatzweise auf „übliche“ Zuschläge zurückgegriffen, die dann von der subjektiven Erfahrung des betreffenden Gutachters bzw. von der Verwendung und Angemessenheit zugänglicher Daten203 abhängig sind. Ein weiteres Diskussionsfeld erstreckt sich auf bestimmte Typisierungen und de- 247 ren Repräsentanz, die im Rahmen eines Tagesneuwertansatzes üblicherweise vorgenommen werden. Sie betreffen insbesondere Annahmen und Schätzungen zur angewandten Oberflächendurchmischung verlegter Stromkabel- bzw. Gasleitungen, zur Verwendung von typisierten Baulosgrößen beim Kostenansatz für den Grabenbau und zu ähnlichen bewertungsrelevanten Sachverhalten. Dem kann in der Praxis durch Begehungen der Netzanlagen vor Ort sowie Stichproben zur Oberflächenbeschaffenheit und zum Erhaltungszustand der Netzanlagen begegnet werden.

(3) Indiziertes Sachzeitwertverfahren – Indexverfahren Der Sachzeitwert eines abgrenzbaren Netzes kann alternativ dadurch ermittelt werden, 248 indem für alle zu übertragenden Netzkomponenten eine Indizierung der historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten vorgenommen und von den so bewerteten Vermögensgegenständen die altersbedingte Abnutzung in Abzug gebracht wird. Dazu bedarf es einer möglichst differenzierten Dokumentation der historischen An- 249 schaffungs- und Herstellungskosten und der Berücksichtigung aller zum Übertragungsstichtag wertbeeinflussenden Faktoren und Erkenntnisse. Nachteilig ist dabei, dass die bilanzierten Anschaffungs- und Herstellungskosten 250 nicht unbedingt jenes Mengengerüst abbilden, das es eigentlich zu bewerten gilt. Denn

202 Bei den zu berücksichtigenden Gemeinkosten handelt es sich i. W. um Materialgemeinkosten, bei deren Ansatz wiederum Materialdurchsatz, Lagerverweildauer und Lagergemeinkosten zu berücksichtigen sind, sowie interne und externe Ingenieur-/Planungsleistungen im Sinne von Baugemeinkosten (i. W. Materialgemeinkosten, Montagekosten, Kosten für kaufm. Abwicklung, Planung, Projektierung und technische Bauaufsicht). 203 Z. B. von der Verwendung der Honorarordnung von Architekten.  





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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

je nach den in der Vergangenheit beachteten Grundsätzen für die Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand, haben aufwandswirksam erfasste Ausgaben für Netzerneuerungen mangels Aktivierung keinen Eingang in die fortgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten gefunden. Dadurch ergibt sich auch ein unzutreffendes Bild der Altersstruktur der Netzanlagen, da erneuerte Netzkomponenten mit jüngeren Bau- und Anschaffungsjahren nicht an die Stelle ersetzter Altanlagen getreten sind. 251 Eine weitere Unschärfe kann durch die Verwendung von anlagengruppenspezifischen Preisindizes entstehen, sofern sie auf bestimmten anteilsmäßigen Gewichtungen von Lohn-, Material- und anderen Kostenkomponenten beruhen.

cc) Ansatzfähige Nutzungsdauern 252 Die Einschätzung der bei betriebsgewöhnlicher Nutzung erreichbaren Gesamtnutzungs-

dauer einzelner Netzkomponenten besitzt einen sehr bedeutsamen Einfluss auf die Höhe des sog. Restwertfaktors und des damit ermittelbaren Sachzeitwertes einzelner Netzkomponenten. Für die hier ansatzfähigen Nutzungszeiten besteht eine nicht unerhebliche Bandbreite. Für Zwecke der weiteren Erläuterungen unterscheidet man in folgende Kategorien: – Technische Nutzungszeiten, – Technisch-wirtschaftliche Nutzungszeiten, – Kalkulatorische bzw. zur Netzentgeltkalkulation verwendete Nutzungszeiten. 253 Umstritten ist, welche Nutzungszeiten anzusetzen sind, wenn Endschaftsklauseln eine

Sachzeitwertübernahme ohne konkretisierende Regelungen zu dessen Ermittlung vorsehen. Vielfach wird argumentiert, dass in diesen Fällen ein Sachzeitwert unter Verwendung technischer Nutzungszeiten zu ermitteln ist, da eine Abweichung vom branchenüblichen Standard in Form technischer Nutzungszeiten eine entsprechende vertragliche Regelung erfordert. Bei technischen Nutzungszeiten handelt es sich um branchenübliche Erfahrungswerte, die bei entsprechender Wartung als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauern erreicht werden. Sie übertreffen die Bandbreite der in Anlage 1 zur StromNEV bzw. Anlage 1 zur GasNEV dokumentierten Nutzungszeiten erheblich. Als technisch-wirtschaftliche Nutzungszeiten wird deshalb vielfach die obere Bandbreite der dort angegebenen Nutzungszeiten verwendet. Diese sind von jenen Nutzungszeiten abzugrenzen, die für kalkulatorische Zwecke, d. h. für die Netzentgeltkalkulation bzw. für die Strompreisgenehmigung verwendet worden sind. Eine Gleichsetzung mit dem Ziel, einen Unterschied zwischen Sachzeitwert und dem kalkulatorischen Restwert gemäß Netzentgeltgenehmigung zu vermeiden, vermengen Aspekte einer Ertragswertermittlung mit der Methodik der Sachzeitwertermittlung.  

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B. Wertbestimmung

dd) Anhaltewerte Der sog. Anhaltewert ist ein Sondersachverhalt der Sachzeitwertermittlung, da er die 254 Abschreibung bei einem bestimmten Wert anhält und damit den Restwertfaktor an einer Untergrenze „einfriert“. Eine durchgängig lineare Sachzeitwertermittlung würde dazu führen, dass für ältere Netzkomponenten, deren durchschnittlich angenommene Nutzungsdauer abgelaufen ist, kein Restwert mehr und für solche Netzteile mit einer rechnerisch verbleibenden kurzen Restlaufzeit nur sehr geringe Restwerte zum Ansatz kämen. Die Tatsache, dass sich oftmals ein nicht unerheblicher Teil von älteren Netzkomponenten voll funktionstüchtig im Einsatz befindet, gilt als Beleg dafür, dass die Annahme durchschnittlicher Gesamtnutzungsdauern im Prinzip für ältere Netzkomponenten fallweise zu überprüfen bzw. zu modifizieren ist. Der Ansatz von Anhaltewerten, die sich in der Praxis zwischen 10 % bis 30 % des 255 Tagesneuwertes bewegen, hat die Funktion einer pauschalen Korrektur des Linearitätsprinzips. Anstelle einer fallweise vorzunehmenden Einzelschätzung verlängerter Restnutzungszeiten wird angenommen, dass für das Vorhandensein älterer und funktionstüchtiger Netzkomponenten ein Restwertansatz in Höhe von Anhaltewerten einer wirtschaftlich vertretbaren Einschätzung entspricht. Dieses Vorgehen steht prinzipiell im Einklang mit den branchenintern vorliegenden Erfahrungen, dass fortlaufend gewartete Anlagen über eine Funktionstüchtigkeit verfügen, die weit über deren allgemeine durchschnittliche Nutzungszeiten hinausreicht. Bei der Kritik am Ansatz von Anhaltewerten ist zu differenzieren. Eine kritische 256 Auseinandersetzung mit der Höhe der prozentualen Anhaltung ist zumindest bei überalterten Netzen und erhöhtem Störungsaufkommen mit zeitnah anstehender Erneuerung sicherlich angezeigt. Erfahrungsgemäß kann jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Bedeutung der Anhaltewerte im Vergleich zu einer alternativ strikt linear vorgenommenen Sachzeitwertermittlung insgesamt eine untergeordnete Bedeutung zukommt; auf Anhaltewerte entfällt i. d. R. ein Anteil am gesamten Sachzeitwert, der sich erfahrungsgemäß weit unter 10 % bewegt und in dieser Größenordnung sachgerecht ist. Kritische Einwendungen gegen den Ansatz von Anhaltewerten, deren Begründungen sich auf die kalkulatorischen Restriktionen beziehen, die im Bereich der Netzentgeltkalkulation und -genehmigung mit einem Verbot einer kalkulatorischen Abschreibung unter Null gelten,204 berücksichtigen nicht die bereits im vorherigen Abschnitt dargelegte notwendige Unterscheidung bewertungsrelevanter Sachverhalte.  









c) Einordnung und Beurteilung Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG ist zur Bestimmung der wirtschaftlich angemessenen 257 Vergütung für regulierte Strom- und Gasnetze der objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetztes maßgeblich, wenn auch eine anderweitige Vergütung im Zuge

204 StromNEV, § 6 Abs. 6 Satz 2: „Eine Wiederaufleben kalkulatorischer Restwerte ist unzulässig.“. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

der Einigung möglich ist. Damit ist der Sachzeitwert gleich welcher Herleitung im ersten Schritt im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG nicht mehr maßgeblich. Insbesondere die Einigung auf eine Sachzeitwertermittlung auf Basis von Tagesneuwerten wird erwartungsgemäß scheitern, sofern sie ein gegenüber dem indizierten Verfahren erweitertes Mengengerüst und Preise berücksichtigt, die über denen auf der Grundlage indizierter Ansätze liegen. Der Ansatz sog. Anhaltewerte und von zu regulierten Bandbreiten abweichenden Nutzungsdauern verstärkt das Problem. Allerdings berücksichtigt ein Sachzeitwert auf Basis von Tagesneuwerten auch technische Fortentwicklungen und Veränderungen z. B. beim Material sowie Effizienzen in der Produktion, was zu gegenläufigen, d. h. den Tagesneuwert mindernden Effekten führen kann. Der indizierte Sachzeitwert – selbst ohne Anhaltung und bei gleich angesetzten Nutzungsdauern – führt systembedingt zu einer Wertdifferenz zum kalkulatorischen Restbuchwert nach StromNEV/GasNEV, da nach § 6 StromNEV/GasNEV nur der anerkannte eigenfinanzierte Teil der sog. Altanlagen (Aktivierung bis einschließlich 2005) mit Restwerten auf Basis von Tagesneuwerten im kalkulatorischen Restbuchwert anzusetzen ist, hingegen beim indizierten Sachzeitwert alle Anlagen. Ein grundsätzliches Abweichen der Sachzeitwerte vom kalkulatorischen Restwert nach StromNEV/GasNEV bedeutet jedoch nicht ein zwangsläufiges Abweichen vom (objektivierten) Ertragswert, da der kalkulatorische Restwert wie schon erläutert nur eine maßgebliche, aber nicht die einzige Einflussgröße zur Ermittlung eines Netzkaufpreises ist.205 Ein Ertragswert berücksichtigt auch die besonderen Erlöschancen auch bzw. gerade aus der operativen Rolle im Zuge der Anreizregulierung insbesondere durch einen Netzkauf.206 Entsprechend besitzt der Sachzeitwert, auch wenn er zunehmend keine Berücksichtigung in neuen Endschaftsregelungen von Konzessionsverträgen findet, weiterhin seine Berechtigung. Dies unterstreicht auch die Kaufering-Rechtsprechung, die grundsätzlich sowohl Ertragswert als auch Sachzeitwert als Berechnungsgrundlagen zulässt.  



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3. Regulatorisch anerkanntes Anlagevermögen – kalkulatorischer Restwert a) Begriff 262 Ein Restbuchwert ist ein buchmäßig abgeschriebener Wert, der sich nach Abzug des jährlichen „Wertverzehrs“ aus dem ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungswert zu einem Stichtag ergibt. So wie ein bilanzieller (Rest-)Buchwert den Wert, mit dem ein Wirtschaftsgut zum Bilanzstichtag in der Bilanz abgebildet wird, darstellt und nicht (zwangsläufig) mit einem möglichen Liquidationswert und erst recht nicht mit dem daraus erzielbaren Erlöspotential gleichzusetzen ist, stellt auch der in der Energiewirt-

205 Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15. Dezember 2010, S. 14. 206 Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15. Dezember 2010, S. 14. Hemmersbach/Ruppert

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B. Wertbestimmung

schaft etablierte kalkulatorische Restwert einen stichtagsbezogenen Wert und damit kein eigentliches Bewertungskonzept im Sinne einer Unternehmensbewertung dar.207 Er stellt allerdings das regulatorisch anerkannte Anlagevermögen und damit die wesentliche Kalkulationsgrundlage für die Ermittlung der kalkulatorischen Entgeltbestandteile dar.208 Da der kalkulatorische Restwert die Ermittlungsgrundlage der rein kalkulatori- 263 schen Erlöse für den Eigenkapitalgeber darstellt, wäre er – würde man ihn dennoch bewertungstheoretisch unbedingt einordnen wollen – wegen seiner Nichtberücksichtigung der mit dem Netz inhaltlich verbundenen übrigen Rollen ähnlich den Vergleichsverfahren nicht klar als ein Gesamtbewertungsansatz zu interpretieren.209 Man erhält zwar direkt eine erste Orientierungsgröße für den möglichen Gesamtwert einer Netzrolle, nämlich der Eigentümerrolle, aber eben nicht für das alle Rollen umfassende Netzgeschäft bzw. ein gesamthaftes Netzunternehmen.210

b) Ermittlung Seit Beginn der ersten Regulierungsperiode am 1.1.2009 gilt für deutsche Netzbetreiber, 264 dass Netznutzungsentgelte im Wege der Anreizregulierung und damit durch die ARegV bestimmt werden.211 Die Festlegung der Methoden zur Ermittlung der für die Ermittlung der Netznutzungsentgelte relevanten Netzkosten erfolgt durch die Strom- bzw. Gasnetzentgeltverordnung (StromNEV, GasNEV).212 Auf Basis des kalkulatorischen Restwertes werden die Entgeltbestandteile (a) kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, (b) kalkulatorische GewSt und (c) kalkulatorische Abschreibung ermittelt.213 Der kalkulatorische Restwert basiert nach § 6 Abs. 1 NEV auf dem handelsrecht- 265 lichen Anlagengitter und wird jeweils für ein Fotojahr bestimmt. Ausgehend von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellkosten darf der anerkannte eigenfinanzierte Teil der sog. Altanlagen, d. h. der aktivierten Anlagen bis einschließlich 2005, mit Restwerten auf Basis von Tagesneuwerten angesetzt und auf dieser Basis auch linear über die nach StromNEV/GasNEV vorgegebenen Nutzungsdauerspannen abgeschrieben werden.214 Der Teil der eigenfinanzierten Altanlagen wird dabei maximal zu 40 % anerkannt. Die übrigen Altanlagen sowie die sog. Neuanlagen, d. h. die aktivierten Anlagen  





207 Vgl. auch Salcher/Keller/Beckmann/Maier, S. 1. 208 §§ 6, 7 StromNEV/GasNEV. 209 Siehe Abschnitt zu Vergleichsverfahren. 210 Hier ist zu unterscheiden, ob der Eigner alle mit dem Netzgeschäft inhaltlich verbundenen Rollen wahrnimmt, oder ob er den Betrieb und die Betreiberrolle (z. B. mittels Verpachtung) an Dritte vergibt. 211 § 1, Abs. 1 ARegV. 212 Vgl. jeweils § 1 Strom/GasNEV. 213 §§ 6, 7 StromNEV/GasNEV. 214 Bzgl. der Nutzungsdauerspannen ermöglicht die NEV ein Wahlrecht innerhalb der vorgegebenen Bandbreiten. Die jeweils zu den § 6 zugehörigen Anlagen 1 (StromNEV/GasNEV) geben die Spannen der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern je Anlagengruppe in Jahren an.  

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

ab 2006, werden mit ihren fortgeführten ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt und auch nur auf dieser Basis linear über die Nutzungsdauerspannen abgeschrieben. Unter „übrige Altanlagen“ werden entsprechend der obigen Begrenzung der die maximal zugestandene Eigenkapitalquote von 40 % übersteigende eigenfinanzierte Altanlagenanteil sowie der fremdfinanzierte Altanlagenteil subsumiert.  

c) Einordnung und Beurteilung 266 Der kalkulatorische Restwert ist wie zuvor dargelegt eine maßgebliche Einflussgröße im

Kontext einer Ertragswertermittlung, denn er bestimmt den Teil der kalkulatorischen Erlöse. Der Ertragswert bestimmt sich jedoch zudem aus den pagatorischen bzw. operativen Kosten und daraus resultierenden besonderen Erlöschancen, die es im Zuge der Anreizregulierung und insbesondere durch einen Netzerwerb zu berücksichtigen gilt.215 Entsprechend ist auch der teilweise geäußerten Auffassung im Grundsatz entgegenzutreten, der Ertragswert eines Netzes entspräche wertmäßig dem kalkulatorischen Restwert, da dies einen Mehrwert aus dem operativen Netzgeschäft im Sinne der Anreizregulierung durch Effizienzgewinne, Synergien und Outperformance vollständig negieren würde.216 267 Gerade aufgrund der kostenbasierten Ableitung des operativen EOG-Anteils zu Beginn einer jeden Regulierungsperiode hat jeder Netzbetreiber im Rahmen der Anreizregulierung die Möglichkeit, in den darauffolgenden fünf Jahren Effizienzsteigerungen und damit Gewinne oberhalb der kalkulatorischen Verzinsung realisieren zu können. Dies gilt erst recht im Zuge einer Übernahme, durch die Erlöse und Kosten zeitweise entkoppelt sind.217 268 Solche Synergien und Effizienzgewinne sind bereits im EnWG angelegt: „Die Effizienzvorgaben müssen so gestaltet (…) sein, dass der betroffene Netzbetreiber (…) die Vorgaben unter Nutzung der ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen erreichen und übertreffen kann.“218 Würde man den kalkulatorischen Restwert als ein Konzept zur vollständigen Wertfindung betrachten, würde man zumindest diesen Teil vollständig ausblenden. Insgesamt werden die aus der Logik der Anreizregulierung resultierenden Über- und Unterrenditen im Netzgeschäft nicht im kalkulatorischen Restwert berücksichtigt.219

215 Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15. Dezember 2010, S. 14. 216 Zur in der Praxis teilweise vertretenen Auffassung vgl. Salcher/Keller/Killisch, S. 702. 217 Zu den möglichen Skalen- und Verbundeffekten im Rahmen von Netzübernahmen siehe die Ausführungen des VKU (2009), S. 26. 218 § 21a Abs. 5 Satz 4 EnWG. 219 Vgl. Salcher/Keller/Killisch, insbesondere S. 714. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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Aber auch die Chancen und Risiken aus der Bewertung der Eigentümerrolle wür- 269 den vollständig ausgeblendet, sofern die Veränderungen des kalkulatorischen Restwertes im Zeitablauf, die Rückwirkungen der Effizienz, mögliche Abweichungen zwischen der regulatorischen Verzinsung als wesentlichem Erlösparameter und dem Kapitalisierungszins sowie steuerliche Effekte nicht berücksichtigt würden.

4. Subjektiver Ertragswert – subjektiver Entscheidungswert nach IDW S 1 a) Begriff Der Ertragswert als Zukunftserfolgswert (bei heterogener Zielsetzung) versteht all- 270 gemein Erfolg als jede Art in Zukunft erwarteten Nutzens, d. h. auch das Erreichen nicht monetärer Ziele.220 Soweit sich der (subjektive) Nutzen nicht in messbare Zahlen umwandeln lässt, wird der nicht-monetäre Teil in der Praxis jedoch vereinfachend nicht berücksichtigt. Entsprechend ermittelt der subjektive Ertragswert den Wert eines Unternehmens 271 als Bewertungseinheit aus der Eigentümerperspektive, indem er dessen Saldo aus rein finanziellen Zu- und Abflüssen barwertet und einen möglichen Liquiditätserlös des nicht-betriebsnotwendigen Vermögens hinzuaddiert.221 In dieser Definition gehört der subjektive Ertragswert zu den sogenannten Nettoverfahren innerhalb der Gesamtbewertungsverfahren und entspricht exakt dem Ertragswertbegriff, den der IDW S 1 seinem subjektiven Entscheidungswert zu Grunde legt.222  

b) Ermittlung Der Ertragswertbegriff in Form des subjektiven Entscheidungswertes gemäß IDW S 1 272 i. d. F. 2008 diskontiert die Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner, die sich vorrangig aufgrund der Ansprüche auf Ausschüttung bzw. Entnahmen der vom Unternehmen erwirtschafteten, finanziellen Zahlungsüberschüsse abzüglich der von den Eigentümern geleisteten Einlagen (inkl. deren persönlicher Steuern, externer Synergieeffekte mit anderen Unternehmen der Eigentümer) ergeben.223 Zwecks Planung der zukünftigen finanziellen Zahlungsüberschüsse ist wie bei jeder 273 Art der Ertragswertermittlung zuerst eine integrierte Planungsrechnung durchzufüh 



220 Vgl. Schulze, S. 450. 221 Saldo der Zu- und Abflüsse bestehend aus Ausschüttungen und Entnahmen der Eigentümer (inkl. deren persönlicher Steuern, externer Synergieeffekte mit anderen Unternehmen der Eigentümer abzüglich zu erbringender Einlagen. 222 Beim Nettoverfahren (auch als Equity-Verfahren bezeichnet) wird der Unternehmens-/Ertragswert unmittelbar aus den Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner abgeleitet. Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 61, zur Übersicht der Bewertungsverfahren siehe S. 56. 223 Vgl. IDW S 1 i. d. F. 2008, Rn 24–28.  



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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

ren.224 Im Gegensatz zum oben beschriebenen objektivierten Unternehmens- bzw. Ertragswert sind zur Ermittlung der für einen subjektiven Entscheidungswert anzusetzenden finanziellen Überschüsse individuelle auftraggeberbezogene Konzepte bzw. Annahmen anzusetzen.225 Entsprechend umfasst der subjektive Ansatz sowohl die Käufersicht und die Bestimmung seiner Preisobergrenze als auch die Verkäufersicht und seine Preisuntergrenze und ist diesbezüglich bei der Herleitung zu unterscheiden: – Aus Käufersicht sind auch solche strategischen Vorhaben und erkannte Möglichkeiten zu berücksichtigen, die die zukünftige Rentabilität des Kaufobjektes möglichst optimieren, die aber zum Bewertungsstichtag noch nicht eingeleitet wurden oder noch nicht in seinem bzw. im bisherigen Unternehmenskonzept dokumentiert worden sind.226 – Ebenso sind aus Käufersicht neben unechten auch die echten Synergien zu berücksichtigen, d. h. auch Synergien, die sich erst im Kontext des Bewertungsanlasses ergeben.227 Die Berücksichtigung echter Synergien gilt aber im Zuge der Bestimmung der Preisuntergrenze des Verkäufers nicht, sofern diese ohne den Bewertungsanlass entfallen bzw. nicht realisiert werden können.228 – Ausgehend vom zum Bewertungsstichtag vorliegenden Unternehmenskonzept sind demgegenüber günstigere Finanzierungsmöglichkeiten wie auch mögliche Kapitalstrukturoptimierungen (Veränderung des Verschuldungsgrades) zu berücksichtigen.229 In Ergänzung dieser subjektiven Finanzierungsannahmen und der damit einhergehenden veränderten -risiken sind auch die entsprechenden Auswirkungen auf den Kapitalisierungszinssatz zu berücksichtigen.230 – Die Ausschüttung richtet sich nach dem vom Auftraggeber der Bewertung (Käufer oder Verkäufer) geplanten Umfang der Innenfinanzierung durch Thesaurierung bzw. Eigenkapitalzuführung von außen.231 – Sowohl aus Käufer- als auch aus Verkäufersicht sind die finanziellen Überschüsse anzusetzen, die die jeweilige Managementbesetzung erwarten lässt.232 – Die individuellen Ertragssteuern der (zukünftigen) Unternehmenseigner sind zu ermitteln und anzusetzen.233  

224 225 226 227 228 229 230 231 232 233

Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 27. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, TZ 48. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 49. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 50. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 51. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Abschnitt 4.4.3.3. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 54. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 55. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Abschnitt 4.4.3.4. Vgl. IDW s 1 i. d. F. 2008, Rn 58.  







































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B. Wertbestimmung

c) Einordnung und Beurteilung Nach IDW S 1 ermittelt der Wirtschaftsprüfer subjektive Entscheidungswerte insbeson- 274 dere in der Funktion als Berater,234 ohne dabei seine grundsätzlich neutrale und unbeeinflusste Rolle aufzugeben. Damit stellt der subjektive Ertragswert auch in der Energiewirtschaft ein anerkanntes Wertkonzept zur internen Entscheidungsfindung, z. B. zur Beurteilung möglicher Netzakquisitionen dar. Auch zur Ermittlung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung könnte man einen fairen Einigungswert aus den verschiedenen Grenzpreisen der einzelnen Parteien unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Zielvorstellungen ermitteln, auch wenn die Herausforderung dabei u. a. in der Ermittlung bzw. Offenlegung der wirklich subjektiven Wertvorstellungen liegt.235 Der bewertungstheoretische Interpretationsspielraum in Richtung eines subjektiven 275 Entscheidungswertes bzw. im Sinne mehrerer subjektiver Werte zur Ermittlung eines Einigungswertes wurde aber durch die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlich angemessene Vergütung gemäß § 46 Ab. 2 Satz 4 EnWG eliminiert, sofern sich die Parteien nicht auf eine anderweitige Vergütungsbasis gemäß § 46 Ab. 2 Satz 5 EnWG einigen.  



5. Vergleichsverfahren – Multiplikatorverfahren in der energiewirtschaftlichen Praxis a) Begriff Vergleichsverfahren leiten, wie ihre Bezeichnung nahelegt, den Wert eines Unterneh- 276 mens aus dem Vergleich mit realisierten bzw. realisierbaren Marktpreisen oder Börsenkursen vergleichbarer Unternehmen ab.236 Sie stellen in der Energiewirtschaft ein Bewertungsverfahren dar, welches der Wertorientierung und -plausibilisierung dient und auch in vertraglichen Gestaltungen für abstrakte zukünftige Preisbildungen und -anpassungen Anwendung findet. Im Rahmen der zuletzt genannten abstrakten Verwendung stellen sie nicht die eigentliche Wertfindung dar, sondern transportieren nur die einmal vereinbarten Preise und retrograd daraus abzuleitende Wertverhältnisse, z. B. x-mal den kalk. Restwert, in die Zukunft, sofern sich noch Veränderungen an der Bezugsbasis ergeben, im Beispiel am kalk. Restwert. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Vergleichsverfahren:237 277 – Multiplikatorverfahren auf Basis vergleichbarer Unternehmen – Multiplikatorverfahren auf Basis von Erfahrungssätzen  

234 Auch in der Funktion als Vermittler und Schiedsgutachter werden die verschiedenen subjektiven Wertvorstellungen und damit subjektive Entscheidungswerte ermittelt, um auf deren Basis dann einen Einigungswert vorschlagen zu können. 235 Auf die bei der Ermittlung subjektiver Wertvorstellungen auftretenden Schwierigkeiten aufgrund fehlender Informationsoffenlegung, mangelnder Nachvollziehbarkeit und der Auswirkungen einer fehlenden freien Verkaufsauktion sei an dieser Stelle nur ergänzend hingewiesen. 236 Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 81. 237 Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 82 ff.  

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

278 In der Literatur spalten sich die Auffassungen darüber, ob Multiplikatorverfahren eben-

falls zu den Gesamtbewertungsverfahren gehören. Nach Ernst/Schneider/Thielen zählt es jedenfalls zu den Verfahren der Gesamtbewertung.238 Hingegen führen Mandl/Rabel die Vergleichsverfahren als eigene Bewertungsverfahrensgruppe parallel zu den Gesamtbewertungsverfahren auf.239 Unstrittig und relevant ist, dass man aus dem Vergleich direkt einen Gesamtwert des entsprechenden Bewertungsobjektes erhält, gleich, ob es sich um einen Vergleich von Unternehmensteilen oder ganzen Unternehmen handelt.

b) Ermittlung 279 Beim Multiplikatorverfahren (auf Basis konkreter und realisierter Marktpreise vergleichbarer Unternehmen) werden die so vom Markt abgeleiteten Marktpreise mit Performance-Größen wie Cashflow oder Ergebnis vor Zinsen und Steuern (engl. EBIT) in Relation gesetzt. Die auf diese Weise gewonnenen Verhältniszahlen, sog. „multiple“ wie bspw. 5 x EBIT, können dann auf die Bezugsgrößen des zu bewertenden Unternehmens, im Bsp. EBIT, angewandt werden und führen zu einem entsprechenden Unternehmenswert. 280 Beim Multiplikatorverfahren auf Basis von Erfahrungssätzen wird anstelle von Marktpreisen auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit einer Branche und „Daumenregeln“ zurückgegriffen. Auch hier werden im zweiten Schritt die so „gewonnenen“ Verhältniszahlen auf die entsprechenden Bezugsgrößen des zu bewertenden Unternehmens angewandt.

c) Einordnung und Beurteilung 281 Für die Energiewirtschaft existieren diverse Analysen und Auswertungen aus unter-

schiedlichen Quellen zu Marktpreisen vergangener Netztransaktionen mit entsprechenden Spannbreiten für nach Strom und Gas unterteilten „multiples“ mit Bezug auf die kalk. Restwerte.240 282 Die auf diese Weise ermittelten „multiple“ dienen in der Energiewirtschaft einer ersten Wertorientierung bzw. der Plausibilisierung der in Verhandlungen aufgerufenen Netzkaufpreise und werden damit im Sinne einer ersten Sondierung möglicher Verhandlungskorridore und Erwartungen genutzt. Sie dienen auch zur „Übersetzung“ subjektiver Ertragswerte bei hinsichtlich ihrer Abgrenzung noch strittigen kalk. Restbuchwerten.

238 Vgl. Ernst/Schneider/Thielen, S. 8 ff. 239 Vgl. Peemöller/Mandl/Rabel, S. 56. 240 Die Analysen stammen von Beratungsunternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie von Universitäten und Unternehmen.  

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B. Wertbestimmung

Allerdings ist im Rahmen der Nutzung solcher Erfahrungsansätze zu beachten und 283 zu prüfen, ob nicht einzelne, die konkrete Bewertung besonders stark beeinflussende Parameter im Sinne von Ausreißern nicht einen Vergleich von vornherein unsinnig machen. Diesbezüglich sind insbesondere folgende Parameter zu hinterfragen und zumindest grob einzuschätzen: – Entspricht das Verhältnis von kalkulatorischen und pagatorischen Erlösen dem Standard? Ausreißer hin zu sehr hohen pagatorischen Erlösanteilen sind z. B. bei deutlich überalterten und zu großen Teilen abgeschriebenen Netzen und entsprechend hohem Instandsetzungs- und -haltungsaufwand zu vermuten. Ausreißer hin zu sehr hohen kalkulatorischen Erlösanteilen können durch überdurchschnittliches Netzwachstum und damit ein überdurchschnittlich neues Netz und einen sehr hohen kalkulatorischen Restwert bedingt sein. – In welchem Verhältnis stehen Instandhaltungsaufwand und Ersatzinvestitionen zueinander? – Welche technische Netzstruktur liegt vor, d. h., vor allem für Strom, wie hoch ist der Anteil sog. Ringschlüsse im Gegensatz zu einem sternförmigen Netzaufbau, wie hoch ist der Freileitungsanteil bzw. wie hoch ist der Verkabelungsgrad und handelt es sich eher um ein städtisches oder ländliches Netzgebiet? Diese Parameter beeinflussen stark die Kostenentwicklung der Vergangenheit und für die Zukunft. – In welchem Kontext sind die Vergleichsobjekte eingebunden, d. h. sind Netzgrößen vergleichbar, in welchen übergreifenden Netzkomplex erfolgt(e) die Einbindung der Vergleichsobjekte und damit einhergehend sind die Käuferperspektiven vergleichbar? Diese Parameter wirken sich besonders auf zu hebende Synergien und zukünftige Effizienzen aus.  





Bereits anhand dieser wichtigen aber nur beispielhaften Parameter ist zu erkennen, 284 dass – sofern die Vergleichsobjekte in wesentlichen Parametern voneinander abweichen – ein Vergleichsverfahren auf Basis von Erfahrungssätzen und eine Anwendung „branchenüblicher multiple“ schnell zu falschen Ergebnissen führen kann. Daher ersetzt ein Multiplikatorverfahren auch in der Praxis grundsätzlich kein kapitalwertorientiertes Bewertungsverfahren.

IV. Parallele Netzüberlassungsansprüche aus Konzessionsverträgen 1. Anspruchskonkurrenz – Gesamtgläubiger § 428 BGB Mit Urteil vom 17.12.2013241 hat der BGH entschieden, dass die Kriterien „Endschafts- 285 bestimmung“ und „Kaufpreisregelung“ bei der Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden sind. Die Kriterien hätten einen eindeutigen Bezug zum Konzessionsvertrag und

241 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 78. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

dienten dem Wettbewerb.242 Nun stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die in der Praxis für die Auswahlentscheidung offensichtlich relevanten vertraglichen Regelungen zur Netzüberlassung bzw. Kaufpreisbestimmung zu der gesetzlichen Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG stehen. Dafür ist zunächst einmal in den Blick zu nehmen, dass die konzessionsvertraglichen Regelungen zwischen dem Altkonzessionär und der konzessionsgebenden Kommune bestehen und i. d. R. keine Ansprüche zu Gunsten eines Dritten, eines zukünftigen Konzessionsnehmers begründen (echter Vertrag zu Gunsten Dritter, § 328 BGB). Der gesetzliche Netzüberlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hingegen besteht zwischen dem Neukonzessionär und dem bisher Nutzungsberechtigten (dem Altkonzessionär). So ergibt sich nach Ablauf des Konzessionsvertrages zunächst einmal die Lage, dass zwei Schuldverhältnisse – das eine aus Vertrag, das andere aus Gesetz –, bezogen auf dasselbe Verteilnetz, in der Konzessionsgemeinde bestehen. Damit sieht sich der Schuldner des Überlassungsanspruches zwei unterschiedlichen Gläubigern zur Überlassung des örtlichen Verteilnetzes ausgesetzt, dessen Ansprüche er nur einmal erfüllen kann. Dabei wird nicht übersehen, dass der Anspruchsinhalt, insbesondere im Hinblick auf Kaufpreis und Umfang der zu übertragenden Anlagen, im Konzessionsvertrag abweichend vom gesetzlichen Überlassungsanspruch geregelt sein könnte. Als kleinster gemeinsamer Nenner der Ansprüche dürfte jedoch mindestens der Überlassungsanspruch bzgl. der zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehörenden notwendigen Verteilungsanlagen im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG gelten. 286 Vertragliche und gesetzliche Ansprüche bestehen grundsätzlich nebeneinander.243 In der oben beschriebenen Konstellation liegt der Tatbestand des § 428 BGB vor.244 Bezüglich des Netzüberlassungsanspruchs sind die Konzessionsgemeinde und der Neukonzessionär Gesamtgläubiger. Der Altkonzessionär sieht sich zwei Gläubigern ausgesetzt, die jeweils berechtigt sind, die gesamte Leistung zu fordern. Der Altkonzessionär kann nur einmal die Leistung bewirken. Der Konflikt wird nach § 428 BGB so aufgelöst, dass der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger schuldbefreiend leisten kann. Mit anderen Worten: Er kann sich aussuchen, an wen er die Netzüberlassung leistet. Die Leistung an den einen wirkt schuldbefreiend gegenüber dem anderen Gläubiger. 287 In der Praxis dürfte dieser Fall jedoch theoretischer Natur sein, da die Kommune als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft in der Regel nie den Netzüberlassungsanspruch für sich selbst geltend machen kann. Dies würde nämlich voraussetzen, dass zu Gunsten der Kommune eine wirksame und rechtmäßige Auswahlentscheidung im konzessionsrechtlichen Auswahlverfahren ergangen ist. Anderenfalls würde der Altkonzessionär den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) dem vertraglichen Überlassungsanspruch aus dem Konzessionsvertrag entgegensetzen können. Höchst 



242 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 78. 243 BGH, Urteil v. 29.9.2009 – EnZR 14/08 Rn 12. 244 Britz/Hellermann/Hermes, § 46 Rn 84. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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richterlich entschieden ist dies für den Fall einer rechtsfehlerhaften Auswahlentscheidung. Danach steht der Durchsetzung des Anspruchs aus einer Endschaftsbestimmung der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, wenn eine Auswahlentscheidung der Gemeinde zu Lasten des bisherigen Netzbetreibers gegen das Gebot des diskriminierungsfreien Zugangs nach § 46 Abs. 1 EnWG und damit gegen § 20 GWB verstößt.245 Dieser Einwand muss jedoch erst recht gelten, wenn eine Kommune entweder ohne jedwedes Auswahlverfahren oder jedenfalls nicht als rechtmäßiger Neukonzessionär aus einem solchen Verfahren Netzüberlassungsansprüche aus vertraglichen Endschaftsklauseln gegen den Altkonzessionär geltend macht. Der Fall einer rechtmäßigen Neukonzessionierung der Kommune scheitert aber bereits daran, dass wegen rechtlicher Identität kein Vertragsschluss zwischen Gemeinde und EVU im Sinne des § 46 Abs. 2 EnWG möglich ist.246 In der Regel wird die Kommune, sofern sie beabsichtigt, den Netzbetrieb in eigene 288 Hände zu legen, entweder über Eigenbetriebe oder Eigengesellschaften am Verfahren teilnehmen. Davon geht auch im Grundsatz der Gesetzgeber aus, wenn er in § 46 Abs. 6 EnWG normiert, dass die Regeln für das konzessionsrechtliche Auswahlverfahren für Eigenbetriebe der Gemeinde entsprechende Anwendung finden. Es bleibt daher in der Praxis einzig relevant, dass die Kommune ihre vertraglichen Ansprüche aus der Endschaftsregelung des Konzessionsvertrages auf den neuen Konzessionsnehmer im Wege der Abtretung überträgt und ihm die Durchsetzung überlässt.247 Dabei ist es unmaßgeblich, ob der neue Konzessionsnehmer ein Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft oder eine dritte, von der Kommune unabhängige Person ist. Die Bewertung und Vereinbarung von konzessionsvertraglichen Endschaftsklauseln im Rahmen des Auswahlverfahrens nach § 46 EnWG können daher nur das Ziel verfolgen, die Rechtslage zu Gunsten des Neukonzessionärs im Vergleich zu den gesetzlichen Überlassungsansprüchen zu verbessern. Die Kommune ist jedoch bei ihrer Auswahlentscheidung den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet, § 46 Abs. 4 EnWG. Danach soll die Auswahlentscheidung durch eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche Energieversorgung geprägt sein. Ob und ggf. mit welcher Begründung dieses zuvor genannte Ziel – die Rechtsposition des Neukonzessionärs zu verbessern – jedoch unter die Ziele des § 1 EnWG zu subsumieren ist, erscheint bereits dem Grunde nach fraglich. Bejaht man dies, ist jedenfalls die Gewichtung der Endschaftsregelung und der Kaufpreisbestimmung in einer die Auswahlentscheidung vorbereitenden Bewertungsmatrix kritisch an den übrigen Zielen des § 1 EnWG zu spiegeln. Nach erfolgter Abtretung des konzessionsvertraglichen Anspruchs aus der End- 289 schaftsregelung entsteht zusammen mit dem gesetzlichen Überlassungsanspruch eine Anspruchskonkurrenz. Beide Ansprüche stehen mit den entsprechenden Anspruchs-

245 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 122. 246 Britz/Hellermann/Hermes, § 46 Rn 86. 247 Britz/Hellermann/Hermes, § 46 Rn 84. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

inhalten weiterhin nebeneinander. Der Neukonzessionär kann demzufolge seinen Anspruch auf Netzüberlassung auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen. Er hat im Grundsatz die Wahl, aus welcher Rechtsgrundlage er vorgehen möchte, wobei hier das Verbot der Durchmischung von Ansprüchen im Sinne einer Auswahl der aus der jeweiligen Anspruchsgrundlage sich ergebenden günstigsten Rechtsfolgen besteht. So wäre es beispielsweise unzulässig, wenn sich der Neukonzessionär hinsichtlich des Umfanges des Übertragungsgegenstandes auf die vertragliche Endschaftsregelung aus dem Konzessionsvertrag stützt und für einen, für ihn günstigen Vergütungsanspruch auf die gesetzliche Regelung des § 46 Abs. 2 EnWG. Der Neukonzessionär muss sich also entscheiden, auf welcher Rechtsgrundlage er die Netzüberlassung geltend macht. Sofern er sich für eine Grundlage entschieden hat und der Altkonzessionär auf dieser Basis die Netzüberlassung leistet, erlischt auch der konkurrierende Anspruch durch Erfüllung, § 362 Abs. 1 BGB i. V. m. § 428 S. 1 BGB, jedenfalls soweit dieser deckungsgleich ist.  



2. Zulässigkeit der Ausgestaltung vertraglicher Überlassungsansprüche 290 Zunächst einmal ist wieder in den Blick zu nehmen, dass der BGH mit seiner Entscheidung vom 17.12.2013248 den vertraglichen Netzüberlassungsansprüchen neben der gesetzlichen Regelung weiterhin eine Berechtigung beimisst. Für die Praxis bedeutsam ist allerdings mehr die Frage, inwieweit die Regelungen des § 46 ff. EnWG dispositiv sind, d. h. durch eine Kommune im Wege ihrer Auswahlkriterien ausgeprägt werden dürfen. Vorabzustellen ist, dass konzessionsvertragliche Regelungen, die den gesetzlichen Überlassungsanspruch eines künftigen Neukonzessionärs beschränken würden, eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter darstellen und damit unwirksam wären.249 Im Übrigen regelt § 113 EnWG für laufende Wegenutzungsverträge, dass diese, einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben, unberührt bleiben, unbeschadet ihrer Änderungen durch die §§ 36, 46 und 48 EnWG. Dies bedeutet zunächst einmal, dass laufende Konzessionsverträge, d. h. die vor Inkrafttreten des EnWG in der Fassung vom 20.7.2017 geschlossen wurden, Bestand haben, jedoch die Änderungen, die sich aus § 46 u. § 48 EnWG ergeben, anzupassen sind. Aus dem Wortlaut „im Übrigen“ wird deutlich, dass die Änderungen in den §§ 46 ff. in bereits laufende Konzessionsverträge eingreifen und damit nicht disponibel sind.250 Dies gilt indes nur für Inhalte, die in §§ 46 ff. EnWG explizit und abschließend zu Gunsten des Neukonzessionärs geregelt sind. 291 Als Beispiel wäre hier die Bestimmung des Netzkaufpreises zu sehen. In einem laufenden Konzessionsvertrag könnte für die Bemessung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung des zu überlassenden Verteilnetzes bspw. der Substanzwert der Anlagen  









248 BGH, Urteil v. 17.12.2013 – KZR 66/12 – Rn 78. 249 Vgl. Grüneberg, Einf. vor § 328 BGB Rn 10. 250 Leitfaden BKartA/BNetzA 2015, Rn 51. Hemmersbach/Ruppert

B. Wertbestimmung

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(Sachzeitwert) vereinbart worden sein. Die gesetzliche Regelung definiert die wirtschaftlich angemessene Vergütung mit dem objektivierten Ertragswert. Die Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 5 EnWG sieht jedoch die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung vor. Insoweit wäre in diesem Beispiel keine eindeutige Vorgabe aus dem neuen § 46 EnWG bezogen auf laufende Konzessionsverträge abzuleiten und die Regelung im Konzessionsvertrag bliebe unberührt. Damit kann grundsätzlich festgehalten werden, dass überall dort, wo die Regelungen des § 46 EnWG für Endschaftsregelungen keine zwingenden Vorgaben vorsehen, Spielraum bleibt, im Rahmen der vertraglichen Gestaltung der Endschaftsregelungen, diese zu Gunsten der konzessionsgebenden Kommune auszugestalten.251 Ein Gegenbeispiel wäre die Vereinbarung eines Netzkaufpreises auf Basis des kalkulatorischen Restwertes des Verteilnetzes. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Vergütung im bis dahin geltenden Ordnungsrahmen zulässig gewesen wäre, ist nun vom Gesetzgeber die wirtschaftlich angemessene Vergütung mit dem objektivierten Ertragswert definiert. Nach all dem zum Ertragswertverfahren oben Ausgeführten, dürfte unstreitig sein, dass der kalkulatorische Restwert in aller Regel unterhalb eines objektivierten Ertragswertes liegen wird. Gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. 2 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) verstößt jedoch eine Verpflichtung zur Übertragung von Versorgungseinrichtungen ohne wirtschaftlich angemessenes Entgelt gegen das Nebenleistungsverbot und wäre unwirksam, § 134 BGB. Damit ist mit der Festlegung des objektivierten Ertragswertes als wirtschaftlich angemessene Vergütung zumindest der Methode nach eine Grenze für die Bestimmung einer unzulässigen Nebenleistung im Sinne der KAV eingezogen. Nach alledem wird deutlich, dass mit dem Auswahlkriterium „Kaufpreis“, sowie der 292 BGH es ausführt, in der Praxis wenig Differenzierung im Leistungswettbewerb zu erzielen sein dürfte. Eine geringere Vergütung als der objektivierte Ertragswert unterliegt dem Risiko, gegen das Nebenleistungsverbot in der KAV zu verstoßen. Ein deutlich höherer Kaufpreis dürfte den Interessen der Kommune zuwiderlaufen und sich in den Ausschreibungskriterien nicht als positives Differenzierungskriterium wiederfinden. Infolgedessen finden sich im Zusammenhang mit dem Kaufpreis in der Praxis allenfalls Regelungen zu dessen Bestimmung im Sinne eines schiedsgutachterlichen Verfahrens oder mehr oder weniger klare Prämissen für die Ertragsbewertung. Teilweise sind in Auswahlverfahren auch Regelungen in von Kommunen vorgegebenen Konzessionsverträgen zu beobachten, die dem Altkonzessionär das einer Zug-um-Zug Leistung immanente Zurückbehaltungsrecht abschneiden. Hier wird dann eine Vorleistungspflicht des Altkonzessionärs gegen Zahlung eines vorläufigen Kaufpreises – in der Regel auf Basis der RAB – auferlegt. Im Übrigen wird der Altkonzessionär auf Nachforderungsansprüche im Zivilpro- 293 zess verwiesen mit entsprechender Beweislast. Ob eine solche Regelung mit dem Neben-

251 Zum Verhältnis zum gesetzlichen Anspruch siehe oben IV 1. „Anspruchskonkurrenz – Gesamtgläubiger § 428 BGB“. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

leistungsverbot aus § 3 Abs. 2 Ziff. 2 KAV zu vereinbaren ist, muss mit guten Gründen bezweifelt werden, ist der Altkonzessionär in solchen Konstellationen doch verpflichtet, zunächst zu einem offensichtlich niedrigeren Preis, als dem objektivierten Ertragswert, das örtliche Verteilnetz zu überlassen. Ihn auf die Möglichkeit von Nachforderungen zu verweisen, dürfte den Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot nicht heilen, trägt er damit das Prozess- und Liquiditätsrisiko einer Nachforderung, was mit dem gesetzlichen Leitbild einer Zug-um-Zug Leistung nicht zu vereinbaren ist. 294 Zulässig dürfte hingegen jedoch die Konkretisierung der Endschaftsregelung in Bezug auf die Pflicht zur Übergabe von auf das Verteilnetz bezogenen wirtschaftlichen Daten nach Zeitpunkt, Qualität und Umfang in Anlehnung an § 46a EnWG sein.252

C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen I. Erlösobergrenzen-Übergang gem. § 26 ARegV 1. Vollnetzübergang i. S. v. § 26 Abs. 1 ARegV  



295 § 26 Abs. 1 ARegV liegt der Fall des sog. Vollnetzübergangs zugrunde. Damit ist der

Übergang das gesamten Verteilnetzes des bisherigen Netzbetreibers auf einen neuen Netzbetreiber gemeint. Grund für die Übertragung kann der Verkauf, die Verpachtung oder eine Übertragung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge nach Umwandlungsgesetz (UmwG) sein.253 Dabei kann der Netzbetreiberwechsel die Folge eines Konzessionsverlustes nach § 46 Abs. 2 EnWG sein, wenn der bisherige Netzbetreiber nur in einem Konzessionsgebiet tätig war. Aber auch am Markt frei verhandelte Zusammenschlüsse im Sinne von Netzkooperationen können mit dem Ziel, Synergiepotentiale zu erschließen, sinnvoll sein.254 Wird im Rahmen der Privatautonomie unabhängig von einem konzessionsrechtlichen Auswahlverfahren nach § 46 EnWG ein Netzbetreiberwechsel vereinbart, ist dabei im Blick zu behalten, dass die im Konzessionsverfahren des alten Netzbetreibers maßgeblichen Bewertungsparameter und entscheidungserheblichen Zusagen durch den Netzbetreiberwechsel nicht konterkariert werden. 296 Als Rechtsfolge eines Vollnetzüberganges geht die Erlösobergrenze des bisherigen Netzbetreibers insgesamt auf den künftigen Netzbetreiber über.255 Somit bleibt es für das übergehende Netz bei dem ursprünglichen Erlössenkungspfad entsprechend dem Effizienzwert des abgebenden Netzbetreibers.256

252 Leitfaden BKartA/BNetzA 2015, Rn 48. 253 Theobald/Kühling Bd. 2, Hummel § 26 ARegV Rn 11. 254 Theobald/Kühling Bd. 2, Hummel § 26 ARegV Rn 12. 255 Vgl. BDEW-Anwendungshilfe (2016), S. 36. 256 BDEW-Leitfaden „Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung“ vom 9.11.2010, S. 40 f.  

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C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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Gleiches gilt nach dem Wortlaut der Norm für den in der Praxis untergeordneten Fall von mehreren Vollnetzübergängen auf einen neuen Netzbetreiber. In solchen Fällen bedarf es keiner erneuten Festlegung innerhalb der Regulierungsperiode durch die zuständige Regulierungsbehörde. Der übernehmende Netzbetreiber tritt vielmehr unmittelbar qua Gesetzes in die Erlösobergrenze des abgebenden Betreibers ein. Im Regelfall muss für das bestehende und das neue Netz zum Zeitpunkt des Netzübergangs ein einheitliches Netzentgelt gebildet werden; ein Netzbetreiber hat in seinem Netzgebiet grundsätzlich ein einheitliches Netzentgelt zu veröffentlichen, § 20 Abs. 1 EnWG. Nur bei einem unterjährigen Wechsel akzeptiert die BNetzA unterschiedliche Netzentgelte, da im laufenden Jahr keine Anpassung erfolgen kann. Nur in Ausnahmefällen akzeptiert die BNetzA zeitlich befristet 2 Netzgebiete mit unterschiedlichen Netzentgelten. In diesem Ausnahmefall kann der aufnehmende Netzbetreiber die Netzentgelte des abgebenden Netzbetreibers unter möglicher Anpassung gem. § 4 Abs. 3 ARegV temporär fortführen. Er betreibt dann zwei Netzgebiete mit unterschiedlichen Netzentgelten. Er hat bei der nächsten Neukalkulation gem. § 17 ARegV beide bisherigen Erlösobergrenzen zu addieren und für das neue Gesamtnetzgebiet ab der folgenden Regulierungsperiode durchschnittliche und damit einheitliche Netzentgelte je Netzebene zu kalkulieren. § 26 Abs. 1 ARegV sieht bei Vollnetzübergängen keine ex-ante-Kontrolle durch behördliche Neufestlegung vor. Der Netzübernehmer hat jedoch seine neuen Entgelte gemäß § 20 StromNEV und § 16 GasNEV zu verproben und der für ihn zuständigen Regulierungsbehörde gem. § 28 ARegV mitzuteilen. Beim Vollnetzübergang unterliegt der Netzübernehmer also ebenso wie bei den Anpassungen der Erlösobergrenze gem. § 4 Abs. 3 ARegV einer regulatorischen ex-post-Kontrolle. Dies reicht aus, da die schlichte Addition von Erlösobergrenzen ebenso wenig Wertungsspielräume lässt wie die Erlösobergrenzen-Anpassung gem. § 4 Abs. 3 ARegV. § 26 Abs. 1 ARegV setzt voraus, dass Erlösobergrenzen „festgelegt sind“. Bei Vollnetzübergängen muss die Erlösobergrenze, die übergeht, also nach dem Wortlaut schon festgelegt sein. Dies führt jedoch auch dann zu keinen zweckwidrigen Ergebnissen, wenn das Netz zwar erst nach dem für die Folgeperiode maßgeblichen Basisjahr übergeht, aber noch bevor dem alten Betreiber gegenüber eine Erlösobergrenze festgelegt ist. Auch in solchen Fällen tritt der neue Betreiber im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge in die regulatorischen Rechte und Pflichten des abgebenden Betreibers ein und kann im Rahmen seiner Kostennachweise die Kosten des abgebenden Netzbetreibers im Basisjahr mit geltend machen. Hier bedarf es also keines Übergangs der Erlösobergrenze, weil sie auch in Bezug auf das übernommene Netz schon dem neuen Betreiber gegenüber festgelegt wird. Ist beim Vollnetzübergang die Erlösobergrenze gegenüber dem bisherigen Betreiber noch nicht bestandskräftig festgelegt, weil dieser den Bescheid fristgerecht angefochten hatte, geht nicht nur die (vorläufige) Erlösobergrenze auf ihn über, sondern auch ein etwaiger Neubescheidungsanspruch gegen die seinerzeit zuständige RegulieHemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

rungsbehörde. Gem. § 54 Abs. 2 S. 5 EnWG sind begonnene behördliche oder gerichtliche Verfahren von derjenigen Behörde zu beenden, die zu Beginn des behördlichen Verfahrens zuständig war. Gleiches gilt auch, wenn der Vollnetzübergang nach Eröffnung des Festlegungsverfahrens, aber vor Festlegung erfolgt. § 26 Abs. 1 ARegV ist hier zwar nicht anwendbar, da gegenüber dem abgebenden Betreiber noch keine Erlösobergrenze festgelegt ist. War der abgebende Netzbetreiber landesreguliert, der übernehmende Betreiber aber bundesreguliert, so wird die Erlösobergrenze für das übernommene Netz gem. § 54 Abs. 2 S. 5 EnWG noch von der Landesregulierungsbehörde festgelegt.

2. Teilnetzübergang i. S. v. § 26 Abs. 2 ARegV a) Einvernehmlicher Antrag 303 Bei sog. Teilnetzübergängen i. S. v. § 26 Abs. 2 ARegV ist die Erlösobergrenze des abgebenden Netzbetreibers aufzuteilen. Der dem übergehenden Netzteil zuzurechnende Erlösanteil wird der bisherigen Erlösobergrenze des übernehmenden Betreibers hinzuaddiert und von der bisherigen Erlösobergrenze des abgebenden Betreibers subtrahiert.257 Der dem nicht übergehenden Netzteil zuzurechnende Erlösanteil verbleibt entsprechend beim bisherigen Betreiber. 304 Als Grund für einen Teilnetzübergang gilt das oben zum Vollnetzübergang Ausgeführte entsprechend, wobei der Teilnetzübergang in der Praxis häufig die Folge des konzessionsrechtlichen Auswahlverfahrens sein dürfte. Die Neufestlegung der Erlösobergrenzen gem. § 26 Abs. 2 ARegV erfolgt nicht wie die erstmalige Festlegung der Erlösobergrenze je Netzbetreiber und Regulierungsperiode gem. § 2 ARegV von Amts wegen. § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV sieht vor, dass die Neufestlegung „auf übereinstimmenden Antrag der beteiligten Netzbetreiber“ erfolgt. 305 Ein übereinstimmender Antrag des abgebenden und aufnehmenden Netzbetreibers liegt auch bei zwei getrennten Anträgen vor, insofern diese hinsichtlich des zu übertragenden Erlösanteils deckungsgleich sind.258 Diese privatautonome Einigung bildet die Festlegungsgrundlage der behördlichen Entscheidung. Eine erneute Festlegung der Erlösobergrenzen durch die Regulierungsbehörde ist dann nicht nötig.259 Die Behörde kann den übereinstimmenden Antrag lediglich prüfen.260 Hierzu stellen die zuständigen Regulierungsbehörden für Strom- und Gasnetzbetreiber unterschiedliche Erhebungsbögen auf ihren Internetseiten bereit. Daher ist der Antrag schriftlich und elektronisch bei der zuständigen Regulierungsbehörde einzureichen.261  





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Vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 und 3 ARegV. Leitfaden der Regulierungsbehörden Ziff. 5.1. Vgl. § 26 Abs. 2 Satz 5 ARegV. BDEW Anwendungshilfe 2016, S. 36. Leitfaden der Regulierungsbehörden Ziff. 5.1.3. Hemmersbach/Ruppert

C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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b) Verfahren bei Nichteinigung der überzuleitenden EOG Erfolgt hingegen innerhalb von 6 Monaten nach Aufnahme des Netzbetriebs kein über- 306 einstimmender Antrag der beteiligten Netzbetreiber, hat die zuständige Regulierungsbehörde von Amts wegen nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 S. 3 ARegV und der nachfolgenden Absätze 4 bis 6 die anteilige Erlösobergrenze festzulegen. Die Formulierung „legt… fest“ lässt den Schluss auf eine gebundene Entscheidung der Regulierungsbehörde ohne Ermessen hinsichtlich des „Ob“ zu. Als Kriterium für die Ermittlung der anteiligen Erlösobergrenze sind die Kapitalkosten der übergehenden Anlagen maßgeblich zuzüglich eines Pauschalbetrages für die übrigen Kosten, § 26 Abs. 3 S. 3 ARegV. Grundlage für die Ermittlung der Kapitalkosten sind die zu übertragenden Verteilungsanlagen, auf deren Übereignung sich die Netzbetreiber verständigt haben, § 26 Abs. 4 S. 2 ARegV. Besteht im Falle einer Netzübertragung in Folge eines Konzessionswechsels kein Einvernehmen über die zu übereignenden Verteilungsanlagen, sind die Daten und Informationen zu Grunde zu legen, die der Gemeinde zur Durchführung des konzessionsrechtlichen Auswahlverfahrens vom abgebenden Netzbetreiber gem. §§ 46 Abs. 3 und 46a EnWG übermittelt wurden. Nicht vom Wortlaut der Regelung erfasst sind die Fälle des § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG, 307 bei denen der Neukonzessionär statt der Übereignung lediglich die Besitzeinräumung vom bisherigen Netzbetreiber verlangt. Das in der Verordnung beschriebene Verfahren dürfte jedoch ohne Weiteres analog auf den Fall der Netzübertragung im Wege der Pacht anzuwenden sein. Aus dem Verfahren zur Ermittlung der anteiligen Erlösobergrenze sind keine Gründe für eine Differenzierung zwischen Eigentum und Besitzverschaffung ersichtlich.

aa) Ermittlung der zu übertragenden Kapitalkosten Die Ermittlung der zu übertragenden Kapitalkosten folgt dabei der grundsätzlichen Er- 308 mittlungsmethodik gemäß §§ 6 bis 8 StromNEV/GasNEV262 in Verbindung mit den Regelungen zum jährlichen Kapitalkostenabzug gemäß § 6 Abs. 3 ARegV auf Basis der zu übertragenden Verteilungsanlagen.263 Dabei ist grundsätzlich die Eigenkapitalquote des abgebenden Netzbetreibers zu Grunde zu legen, bei Pachtmodellen eine gewichtete gemäß § 6 StromNEV/GasNEV aus Verpächter und Pächter.264 Kapitalkostenaufschläge werden entsprechend § 26 Abs. 4 Satz 4 nicht berücksichtigt.265 Besteht Einvernehmen

262 Methodik zur Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung sowie der kalkulatorischen Steuern. 263 Vgl. die Ausführungen in Kapital 6 B. I.1.a) „Entflechtung und kleiner Grenzverkehr“. 264 Vgl. Leitfaden der Regulierungsbehörden zu Inhalt und Struktur von Anträgen und Anzeigen zur Abänderung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen nach § 26 ARegV, Stand 30.1.2019, S. 27. 265 Zur Berücksichtigung angemessener Kapitalkosten auf Basis jährlicher Investitionen siehe Kapitel 6 C.II. „Übertrag der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV“.  



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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

hinsichtlich der anzusetzenden Entflechtung und damit der zu übertragenden Verteilungsanlagen, ist auch das Festlegungsergebnis der Regulierungsbehörde hinsichtlich der zu übertragenden Kapitalkosten daran gebunden. 309 Besteht jedoch kein Einvernehmen bzgl. der Entflechtung, werden zur Ermittlung der zu übertragenden Verteilungsanlagen gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 die „Daten und Informationen zu Verteilungsanlagen zugrunde gelegt“, die vom abgebenden Netzbetreiber für das Konzessionierungsverfahren gem. §§ 46 Abs. 3, 46a EnWG zur Verfügung gestellt worden sind.266

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bb) Ermittlung der zu übertragenden aufwandsgleichen Kosten Bei Teilnetzübergängen stellt die Übertragung sachgerechter aufwandsgleicher Kosten für den operativen Netzbetrieb ein zumeist strittiges Thema dar. Aus Sicht des ursprünglichen Netzbetreibers erfolgt der Netzbetrieb zumeist gesamtnetzübergreifend, d. h. in Abhängigkeit von seiner Größe flächenübergreifend über alle Netze oder für zumindest eine regionale Gruppe von Netzen. Das bedeutet, dass für die sachgerechte Heraustrennung eines Netzteils die für dieses Netz spezifischen Kosten für den konkreten Einzelfall ermittelt werden müssen und dann auf dieser Basis auch der entsprechend sachgerechte Erlösanteil. Eine Durchschnittsbetrachtung bietet sich zumindest bei Vorliegen struktureller Unterschiede zwischen den vom flächenübergreifenden Betriebskonzept betroffenen Netzgebieten nicht an. Größendegressionen wirken sich jedoch sehr wohl aus.267 Der neue Netzbetreiber orientiert sich hingegen an seinen für das neue Netz absehbaren zusätzlich anfallenden Kosten.268 Die Ermittlung der zu übertragenden sog. übrigen Kosten soll jedoch, sofern keine Einigung zwischen den Parteien erfolgt ist, gemäß § 26 Abs. 3 Satz 3 ARegV im Sinne eines Pauschalbetrages erfolgen und ist gemäß Absatz 5 zu ermitteln. Dazu wird das Verhältnis zwischen den für das betreffende Netzgebiet zu übertragenden und der Summe aller in der ursprünglich festgelegten Erlösobergrenze enthaltenen Kapitalkosten als Quotient für die übrigen Kosten herangezogen. D. h. hat ein Netz einen großen Anteil an Kapitalkosten an den gesamthaft festgelegten Kapitalkosten, werden diesem Netz auch hohe aufwandsgleiche Kosten zugeordnet. Diese sog. CAPEX-EOG-Schlüsselung gem. § 26 Abs. 5 ARegV kann nur zufällig stimmen. Denn gerade gegenüber anderen Netzen hohe spezifische Kapitalkosten, bspw. je Einwohner oder je km Netz, bedeuten z. B. in der jüngsten Vergangenheit hohe getätigte Investitionen in das Netz oder auch ein insgesamt neues Netz.  

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266 Bzgl. der 2 Jahre vor Auslaufen der Konzession zur Verfügung zu stellenden Informationen siehe § 46 Abs. 3 i. V. m. dem Auskunftsanspruch gemäß § 46a EnWG. 267 Vgl. dazu Kapital 6 B. I.3.b)aa)(4)–(12) „Prognose der Erträge und Aufwendungen“ und „Ansatz von Synergien“. 268 Vgl. dazu Kapital 6 B. I.3.b)aa)(4) „Prognose der Erträge und Aufwendungen“.  







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C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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Gleich ob mit den Investitionen das Netz erneuert, verkabelt oder auch nur erwei- 314 tert wurde, dürfte ein solches Netz zu diesem Zeitpunkt gerade tendenziell unterdurchschnittliche Betriebs- und Instandhaltungskosten verursachen. Das einfache Beispiel eines neuen und damit noch wenig abgeschriebenen Kabelnetzes mit entsprechend hohen Kapitalkosten, jedoch mit gegenüber einem bspw. maroden Freileitungsnetz unterdurchschnittlichen aufwandsgleichen Kosten, dürfte das grundsätzliche Problem veranschaulichen. Entsprechend ist eine Einigung auf eine sachgerechte Überleitung übriger Kosten für beide Parteien, wie noch im letzten Abschnitt dieses Kapitals gezeigt wird, sinnvoll. Problematisch ist, wenn die gemäß jeweiliger subjektiver Planung notwendigen be- 315 trieblichen Aufwendungen des bisherigen und des zukünftigen Netzbetreibers wesentlich voneinander abweichen. Dies kann u. a. durch abweichende Faktorkosten (z. B. Personalkosten oder Vertragskonditionen mit Subdienstleistern), unterschiedlich ausgestattete bzw. ausgelastete Querschnittsfunktionen oder unterschiedliche Betriebskonzepte der Fall sein. Eine Einigungsmöglichkeit auch im Sinne einer effizienten Energieversorgung kann dann zumindest eine (Rück-)Beauftragung derjenigen Leistungen sein, die von einem Dritten oder dem alten Netzbetreiber effizienter bzw. günstiger erbracht werden können. Werden von einem der Netzbetreiber besondere Gründe geltend gemacht, die eine 316 vorläufige Festlegung der übergehenden Erlösanteile vor Ablauf der 6-Monatsfrist notwendig machen, so kann die Regulierungsbehörde gemäß § 26 Abs. 3 Satz 5 ARegV einem entsprechenden Antrag nachkommen.  



c) Minderung der Erlösobergrenze beim abgebenden Gasnetzbetreiber aufgrund der Abspaltung von Anlagen mit Wasserstoffbetrieb gemäß § 26 Abs. 2a ARegV. Um das bundesdeutsche Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 erreichen zu können, 317 kommt Wasserstoff eine Schlüsselrolle zu.269 Mit der Berücksichtigung von Wasserstoffnetzen im EnWG, in der ARegV und ins- 318 besondere durch die neu geschaffene Verordnung über die Kosten und Entgelte für den Zugang zu Wasserstoffnetzen (Wasserstoffnetzentgeltverordnung – WasserstoffNEV) erhalten deren Betreiber die Möglichkeit, freiwillig an der Regulierung ähnlich der für Strom- und Erdgasnetze mit entsprechendem rechtlichem Rahmen teilzunehmen.270 Entscheidet sich der Gasnetzbetreiber zu diesem Schritt, sind die dem reinen Wasserstoffbetrieb zuzuordnenden Anlagen von den übrigen Anlagen, die weiterhin der reinen

269 Vgl. Entwurf der Verordnung über die Kosten und Entgelte für den Zugang zu Wasserstoffnetzen und zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung, Absatz A. Problem und Ziel, von der Bundesregierung verabschiedet am 22.9.2021 sowie Stellungnahmen BDEW zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.2.2021, Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht, Berlin 3. März 2021, S. 4. 270 § 28 EnWG; § 26 Abs. 2a ARegV; § 2 Absatz 3 WasserstoffNEV. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Gasversorgung dienen, hinsichtlich ihrer Erlöse zu trennen. Dazu sind Erlöse für die Anlagen, die zukünftig in einem reinen Wasserstoffnetz betrieben werden oder werden sollen, von der ursprünglich festgelegten Erlösobergrenze des Gasnetztreibers in Abzug zu bringen.271 Der durch den bisherigen Betreiber der Gasversorgungsnetze zu bestimmende Erlösanteil, um den seine bisherige Erlösobergrenze vermindert wird und der auf die der Wasserstoffnutzung zugeführten Anlagen entfällt, folgt dabei der gleichen Logik wie zur Aufspaltung von Gasnetzen bzw. deren Erlösaufteilung.272 Der Betreiber von Gasversorgungsnetzen kann bei der Bestimmung des zu vermindernden Anteils von den Vorgaben des Satzes 2 abweichen, wenn er diese Abweichung gegenüber der zuständigen Regulierungsbehörde nachvollziehbar begründet. 319 Mit § 26 Abs. 2a ARegV werden die beim bisherigen Betreiber der Gasversorgungsnetze in Abzug zu bringenden Erlösanteile bestimmt. Diese stellen jedoch nicht die Erlöse der dem reinen Wasserstoffbetrieb zugeordneten Anlagen dar. Dafür sind insbesondere die Ermittlungsvorschriften der neuen WasserstoffNEV einschlägig, die insbesondere gemäß § 10 Absatz 4 WasserstoffNEV Eigenkapitalzinssätze von 9 % für Neuanlagen bzw. 7,73 % für Altanlagen zugestehen. Diese Zinssätze stellen zumindest Ende 2027 einen deutlich höheren Investitionsanreiz dar als die Zinssätze für Strom- und Gasnetze.273  



d) Auskünfte bzw. Vertraulichkeitsschutz im Neufestlegungsverfahren 320 Im Rahmen eines gemeinsamen Antrags der Netzbetreiber wird seitens der Regulie-

rungsbehörden der Nachweis gefordert, dass die für die Verhandlungen über die Übertragung der Erlösobergrenzen erforderlichen Informationen den beteiligten Netzbetreibern vor den Verhandlungen über den Netzübergang in gleicher Art und Weise vorlagen.274 Ziel ist die Verminderung bestehender Informationsasymmetrien.275 321 Auch das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur fordern in ihrem gemeinsamen Leitfaden zur Konzessionsvergabe die Übergabe z. T. schon vor Abschluss des Netzübertragungsvertrages in der Annahme, genaue Daten zur Ermittlung der kalkulierten Kosten seien zur Ermittlung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ erforderlich.276 Dem hat sich inzwischen auch das OLG Frankfurt angeschlossen.277 Diese Grundsätze gelten umso mehr, als dass inzwischen der objektivierte Ertragswert als  

271 § 26 Abs. 2a Satz 1 ARegV. 272 § 26 Abs. 2a Satz 2 ARegV. 273 § 10 Abs. 4 Satz 3 WasserstoffNEV. 274 Leitfaden der Regulierungsbehörden Ziff. 5.1.4. 275 Leitfaden der Regulierungsbehörden Ziff. 5.2.1. 276 Gemeinsamer Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzession und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, Rn 48 ff. 277 OLG Frankfurt, RdE 2011, 422, 425 f., Rn 85.  



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C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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wirtschaftlich angemessene Vergütung gesetzlich verankert und die Erlösobergrenze eine wesentliche Eingangsgröße zu dessen Ermittlung ist. Hin und wieder werden in der Praxis vom netzübernehmenden EVU im Vorfeld 322 der Antragstellung gem. § 26 Abs. 2 ARegV umfassende Auskünfte nicht nur in Bezug auf die übernommenen Anlagen gefordert, sondern auch in Bezug auf das Restnetz, zumindest Einsicht in die den Regulierungsbehörden einzureichenden Erhebungsbögen, in denen auch die Kosten für das beim netzabgebenden EVU verbleibende Restnetz detailliert aufzuzeigen sind. Solche Forderungen sind unbegründet. Zum einen haben die Behörden eigenständig und unabhängig von den Angaben der Parteien im Antrag zu prüfen, welcher Erlösanteil gem. § 26 Abs. 2 Satz 2 ARegV zuzurechnen ist. Zum anderen folgt daraus, dass der abgebende Netzbetreiber die Kosten des Restnetzes der Regulierungsbehörde offenzulegen hat, nicht automatisch, dass sie auch dem Mitantragsteller zugänglich gemacht werden müssten. Er kann diesen Erhebungsbogen in elektronischer Form verschlüsselt über das Datenportal der BNetzA einreichen, sich dabei auf das in § 71 EnWG geschützte Geschäftsgeheimnis berufen und vorsorglich für den Fall, dass der Mitantragsteller Akteneinsicht beantragt, eine „geschwärzte Fassung“ mitschicken, in der alle vertraulichen Daten des Restnetzes unkenntlich gemacht sind. Wären tatsächlich die Kosten auch des Restnetzes dem neuen EVU im Detail offen- 323 zulegen, aufgeschlüsselt nach kalkulatorischen und aufwandsgleichen Kosten, so wird daraus nicht nur die Aktivierungspolitik und die Abschreibungspraxis des Netzbetreibers erkennbar, sondern indirekt die des Gesamtunternehmens einschließlich der Wettbewerbsbereiche. Gleiches gilt für die aufwandsgleichen Kosten, die überwiegend in Querschnitts- 324 bereichen (sog. Shared Services) entstehen und auf den Netzbereich und die Wettbewerbsbereiche sachgerecht geschlüsselt werden. Damit würde indirekt auch die Kostenstruktur der Wettbewerbsbereiche des netzabgebenden EVU gegenüber dem neuen EVU mit offengelegt. Dass solche Kostendaten der Wettbewerbsbereiche gegenüber konkurrierenden Unternehmen schon im Sinne unverzerrten Wettbewerbs vertraulich zu behandeln sind, liegt auf der Hand. Zur Transparenz und „Vertrauensbildung“ gegenüber dem Netzübernehmer kann das netzabgebende EVU seine Gesamtkosten und die Methode der Erlösanteilzurechnung von einem ggf. auch gemeinsam bestellten neutralen, berufsrechtlich zur Vertraulichkeit verpflichteten Wirtschaftsprüfer überprüfen und die Sachgerechtigkeit bestätigen lassen.

3. Behördenzuständigkeit Der Antrag auf Neufestlegung gem. § 26 Abs. 2 ARegV ist an die zuständige Behörde zu 325 richten. Die Behördenzuständigkeit bestimmt sich nach § 54 EnWG. Bei den meisten Netzübergängen gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG hat das netzabgebende EVU mehr als 100.000 Anschlusskunden oder ist in mehreren Bundesländern tätig und somit gem. § 54 Abs. 3 EnWG bundesreguliert. Dagegen ist das netzübernehmende EVU meist gem. § 54 Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Abs. 2 S. 1, 2 EnWG landesreguliert. In solchen Fällen ist der Antrag gem. § 26 Abs. 2 ARegV gleichlautend an beide zuständigen Regulierungsbehörden zu senden.

4. Neufestlegungszeitpunkt 326 Das Antragsprinzip besagt nicht, dass die Neufestlegung nur ex nunc mit Wirkung ab

der Behördenentscheidung wirksam werden könnte. Vielmehr können die Beteiligten auch eine rückwirkende Neufestlegung ab dem Zeitpunkt beantragen, an dem der Netzübergang tatsächlich vollzogen wurde. Eine „verspätete“ Antragstellung, weil z. B. die Bestimmung des aus Sicht der Beteiligten zuzurechnenden Erlösanteils längere Zeit in Anspruch nahm, ist also unschädlich. Gleiches gilt, wenn die behördliche Neufestlegung längere Zeit in Anspruch nimmt, z. B. wegen Arbeitsüberlastung, Nachforderung weiterer Informationen oder Forderung nach Darstellung in anderer, elektronisch leichter auswertbarer Form. Auch dann wirkt die Neufestlegung stets zurück auf den Zeitpunkt, für den sie beantragt wurde, d. h. den Zeitpunkt des Netzübergangs. Dadurch ändern sich ab diesem Zeitpunkt auch die „nach § 4 ARegV zulässigen Erlöse“ i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 1 ARegV, so dass zugunsten des neuen EVU ein Ausgleich über das Regulierungskonto erfolgt; ihm geht also durch eine verspätete Neufestlegung wirtschaftlich „nichts verloren“. 327 Die beteiligten Netzbetreiber können – freilich auf ihr eigenes Risiko – schon vor einer Neufestlegung die voraussichtliche Anpassung ihrer Erlösobergrenzen bei der Neukalkulation ihrer Netzentgelte gem. § 17 ARegV berücksichtigen, ebenso die veränderten Absatzmengen; denn § 17 Abs. 1 S. 2 ARegV verweist auf § 15 Abs. 2 StromNEV bzw. § 15 Abs. 5 GasNEV, wonach die Netzentgelte so zu kalkulieren sind, dass nach dem Ende der Periode die Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den zulässigen Erlösen möglichst niedrig ist. Dadurch lassen sich die Differenzen im Regulierungskonto infolge einer verspäteten behördlichen Neufestlegung möglichst gering halten. 328 Neben diesen aus einer „verspäteten“ Antragstellung bzw. Bescheidung resultierenden Fragen ist auch zu klären, wann der Antrag gem. § 26 Abs. 2 ARegV frühestens gestellt werden kann, ggf. schon bevor die aufzuteilende Erlösobergrenze des abgebenden Betreibers überhaupt festgelegt wurde. Praxisrelevant ist dies, wenn ein Teilnetz kurz vor Beginn einer neuen Regulierungsperiode übergeht – genauer nach dem Basisjahr für die Folgeperiode, aber vor Beginn der Folgeperiode. 329 Teilweise wird vertreten, auf solche Fallkonstellationen sei § 26 Abs. 2 ARegV nicht anwendbar, weil im fraglichen Zeitraum – der Folgeperiode – das Netz nicht übergehe.278 Diese zeitliche Voraussetzung ist aber im Normtext des § 26 Abs. 2 ARegV nicht enthalten und auch mit Sinn und Zweck der Regelung nicht begründbar. Zwar ist im Zeitpunkt des Netzübergangs noch keine Erlösobergrenze für den abgebenden Netzbetreiber „festgelegt“. Dies schließt aber nicht aus, den Antrag gem. § 26 Abs. 2 ARegV  









278 Ketzler/Bogaczyk, ew 2011, Heft 24, 42, 43. Hemmersbach/Ruppert

C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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für die Folgeperiode dann zu stellen, wenn auch dafür die Erlösobergrenze festgelegt ist. Der an diese verfehlte Prämisse anknüpfende Vorschlag, der abgebende Betreiber solle die Kosten für das noch bis zum Ende der laufenden Periode übergehende Teilnetz in separaten Erhebungsbögen erfassen, damit sie schon in die Kosten- und Effizienzprüfung des künftig übernehmenden Betreibers eingehen, ist zum einen nicht praktikabel. Vor allem bei Aufwandspositionen, die den einzelnen Ortsnetzen überwiegend nur durch Schlüsselung zuordenbar sind, könnte der Übernehmer diese Kosten und ihre Zuordnung bei kritischen Nachfragen seiner Regulierungsbehörde nicht näher erhärten. Zum anderen widerspricht eine solche Vorgehensweise der klaren Vorgabe des § 6 Abs. 1 ARegV. Danach gehen in den vorgenannten Fallkonstellationen die Kosten des übergehenden Teilnetzes noch in die Kosten- und Effizienzprüfung des abgebenden Betreibers ein. Denn für die Kostenprüfung sind gem. § 6 Abs. 1 ARegV allein die Kosten im Basisjahr maßgeblich; gesicherte Erkenntnisse über das bzw. die Planjahr/-e sind gem. § 6 Abs. 2a S. 2 ARegV nicht zu berücksichtigen. Die Kosten für das abgehende Teilnetz können auch nicht über die „Besonderheiten-Regelung“ (§ 6 Abs. 2a ARegV) unberücksichtigt bleiben; dies verbietet sich im Hinblick auf § 26 Abs. 2 ARegV. Auch für die Ermittlung der In- und Output-Parameter sind die Verhältnisse im Basisjahr entscheidend.279 Somit erfolgt die Kosten- und Effizienzprüfung für die Folgeperiode noch beim abgebenden Betreiber, dies selbst dann, wenn das Teilnetz zu diesem Zeitpunkt bereits übergegangen ist.280 Seine Erlösobergrenze wird also so festgelegt, als würde er das Teilnetz auch noch in der Folgeperiode mit betreiben. Hieran besteht häufig sogar ein wirtschaftliches Interesse der netzübernehmenden Unternehmen, jedenfalls dann, wenn sie Teilnetze von einem 100 % effizienten Betreiber übernehmen, selbst aber mit einem schlechteren Effizienzwert rechnen müssen, z. B. wegen Teilnahme am vereinfachten Verfahren gem. § 24 ARegV. Auch hier ist aus der Netzübertragungspflicht gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG i. V. m. § 242 BGB eine Verpflichtung des abgebenden Netzbetreibers abzuleiten, alle von der Regulierungsbehörde geforderten Kostennachweise für das übergehende bzw. schon übergegangene Teilnetz nach bestem Können beizubringen. Dass die Kosten- und Effizienzprüfung noch beim abgebenden Netzbetreiber erfolgt, bedeutet nicht, dass er diese Kosten bzw. die darauf beruhenden Erlösanteile „behalten“ dürfte. Auch auf eine solche Fallkonstellation ist § 26 Abs. 2 ARegV unmittelbar anwendbar. Fraglich ist nur, zu welchem Zeitpunkt der Antrag auf Neufestlegung zu stellen ist. Folgert man aus der Formulierung „neu festzulegen“ in § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV und „festgelegte“ in § 26 Abs. 2 S. 3 ARegV, dass auch hier die Erlösobergrenze für die

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279 Für die Kosten in § 14 Abs. 1 Nr. 1 ARegV explizit geregelt; damit korrespondierend werden auch die Vergleichsparameter gem. § 13 Abs. 3 ARegV entsprechend der Situation im Basisjahr ermittelt. 280 Auch deshalb sind die häufig erhobenen Forderungen nach frühzeitiger umfassender Offenlegung aller Kalkulationsdaten für das übergehende Teilnetz nicht begründet; in den hier erörterten Fällen benötigt der neue Netzbetreiber diese Daten erst für die übernächste regulatorische Kostenprüfung. Hemmersbach/Ruppert

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

Folgeperiode schon festgelegt sein muss, müssten die Beteiligten diesen Antrag zurückstellen und zunächst nur Neufestlegung für die laufende Periode beantragen. Ebenso erscheint vertretbar, den Antrag auf Neufestlegung für die laufende Periode, der in Bezug auf den zuzurechnenden Erlösanteil schon betragsmäßig näher begründet ist, mit dem Antrag zu verbinden, die noch festzulegende Erlösobergrenze des abgebenden Netzbetreibers für die Folgeperiode im gleichen Verhältnis aufzuteilen und dem übernommenen Teilnetz zuzurechnen. 334 Aus der Netzübertragungspflicht gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG i. V. m. § 242 BGB folgt eine Verpflichtung des abgebenden Netzbetreibers, auch bei dieser Antragstellung konstruktiv mitzuwirken.  



II. Übertrag der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV281  



335 Bis Ende der 2. Regulierungsperiode erfolgte die Festlegung der Erlösobergrenzen auf

der Grundlage eines Basisjahres – vorbehaltlich der Anpassungen während der laufenden Regulierungsperiode gemäß § 4 ARegV – für jedes Jahr einer Regulierungsperiode. Mit der Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) 2016 gelten seit Beginn der 3. Regulierungsperiode, d. h. für Gas ab 2018 und für Strom ab 2019, neue Regelungen für einen sog. Kapitalkostenabgleich.282 336 Verteilernetzbetreiber (VNB) können gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV eine Anpassung ihrer Erlösobergrenze (EOG) aufgrund eines Kapitalkostenaufschlags beantragen.283 Der Kapitalkostenaufschlag hat das Ziel, Kapitalkosten aus Investitionen, die nach dem Basisjahr getätigt wurden bzw. absehbar getätigt werden und deshalb nicht in der Festlegung der kalenderjährlichen EOG auf Grundlage des Basisjahres berücksichtigt werden konnten, ohne Zeitverzug zu berücksichtigen.284  





281 Vgl. Bundesnetzagentur (2021): Hinweise zum Verfahren zur Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV für die dritte Regulierungsperiode Gas (2018 bis 2022) bzw. Strom (2019 bis 2023); Stand April 2021. 282 Jährlicher Abgleich der Kapitalkosten bestehend aus Kapitalkostenabzug gemäß § 6 ARegV und Kapitalkostenaufschlag gemäß § 10a ARegV. Da der Kapitalkostenabzug von der Regulierungsperiode bereits vor Beginn der Regulierungsperiode für jedes Jahr der Periode ermittelt wird, stellt er kein gesondert zu betrachtendes Problem dar und wir hier nicht weiter erörtert. 283 Vgl. Bundesnetzagentur (2021): Hinweise zum Verfahren zur Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV für die dritte Regulierungsperiode Gas (2018 bis 2022) bzw. Strom (2019 bis 2023); Stand April 2021, S. 3. 284 Vgl. Bundesnetzagentur (2021): Hinweise zum Verfahren zur Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV für die dritte Regulierungsperiode Gas (2018 bis 2022) bzw. Strom (2019 bis 2023); Stand April 2021, S. 3.  











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C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

Entsprechend § 4 Abs. 4 Satz 3 ARegV beantragt der Netzbetreiber jedes Jahr bis spätestens 30.06 die Kapitalkosten, die gemäß § 10a Abs. 2 S. 1 ARegV entweder seit dem 1.1. des auf das Basisjahr folgenden Jahres bereits entstanden sind oder bis zum 31.12. des Jahres, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt werden soll, noch absehbar sind. Eine Anpassung der EOG aufgrund eines Kapitalkostenaufschlags erfolgt gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 2. HS ARegV immer zum 1.1. des auf das Jahr der Antragstellung folgenden Kalenderjahres. Gemäß § 10a Abs. 1 Satz 3 ARegV gilt eine Genehmigung stets bis zum 31.12. des auf den Antrag folgenden Kalenderjahres, d. h. für das Jahr, für den der Antrag gestellt wurde. Der Kapitalkostenaufschlag kann nur für Investitionen genehmigt werden, die nach dem Basisjahr getätigt wurden und die damit nicht Bestandteil der nach § 29 Abs. 1 EnWG i. V. m. §§ 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ARegV festgelegten und nach § 26 ARegV auf den aufnehmenden Netzbetreiber zu übertragenden Erlösobergrenze sind. Für nach dem Basisjahr bzw. zwischen den Basisjahren stattfindende (Teil-)Netzübergänge bedeutet dies, dass für Investitionen außerhalb der Basisjahre, die (noch) nicht Bestandteil der festgelegten Erlösobergrenze sind, der aufnehmende Netzbetreiber einen Antrag auf Kapitalkostenaufschlag stellen kann bzw. muss, will er eine verspätete Anerkennung vermeiden. Sofern ein Netzbetreiber ein Teilnetz aufnimmt und er zum Stichtag gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 ARegV noch nicht existiert, ist ein Antrag auch nach dem 30.6. unter Berücksichtigung der Vorschriften zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 32 VwVfG grundsätzlich möglich.285 Da der Antrag auf Anpassung der Erlösobergrenze nach Maßgabe des § 10a ARegV gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV – außer unter zuvor genannter Ausnahme – nur einmal jährlich zum 30.6. eines Kalenderjahres gestellt werden kann, sollten sich die Parteien im Zuge der Verhandlungen rechtzeitig zumindest auf eine gemeinsame Investitionsprognose für den antragsrelevanten Zeitraum verständigen.

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III. Der Einfluss der Erlösobergrenzen-Aufteilung auf den ertragsorientierten Wertbeitrag eines Netzerwerbs 1. Grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Erlösobergrenzen-Übertragung und ertragsorientierten Wertbeitrag Die Art und Weise, wie eine Aufteilung der Erlösobergrenze auf ein abzugebendes Teil- 342 netz vorgenommen wird, hat einen erheblichen Einfluss auf dessen künftige Ergebnis-

285 Vgl. Bundesnetzagentur (2021): Hinweise zum Verfahren zur Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Antrages auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 10a ARegV für die dritte Regulierungsperiode Gas (2018 bis 2022) bzw. Strom (2019 bis 2023); Stand April 2021, S. 9.  

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Kapitel 6. Praxis der Netzüberlassung

perspektiven und somit auch auf die hierauf aufbauende Ermittlung von ertragsorientierten Wertbeiträgen eines Netzerwerbs. 343 In diesen Zusammenhang wird auf die entsprechenden Ausführungen in diesem Kapital und insbesondere auf die Ausführungen zu den Grundzügen des Ertragswertes unter Bezug auf Energieversorgungsnetze verwiesen.286 Nachvollziehbar ist, dass bei ansonsten unveränderten Planungsansätzen und insbesondere einer unveränderten Aufwandsplanung höhere oder geringere Erlöse sich direkt auf den Ertrag aus dem Netz und damit auf den auf Basis der Erträge ermittelten Netzwert auswirken.287 344 Entsprechend ist eine sachgerechte Erlösübertragung auch im Interesse beider Parteien. Der abgebende Netzbetreiber hat unabhängig von dem für das verlorengegangene Netz erzielbaren Preis ein Interesse, auch für sein ihm verbleibendes Netz ausreichende Erlöse insbesondere für den operativen Betrieb zu be- bzw. erhalten, da er sonst für die relevanten Perioden seine operativen Kosten nicht decken könnte. Der aufnehmende Netzbetreiber hat neben bzgl. seiner Kostenplanung kostendeckenden Erlöse aber auch ggf. ein Interesse daran, keinen durch unsachgerecht hohe Erlöse „aufgeblähten“ Kaufpreis entrichten zu müssen. 345 Auf die in diesem Zusammenhang ebenso wertwichtige Bestimmung sachgerechter Aufwendungen, die je nach Erwerber sehr voneinander abweichen kann, wurde ebenfalls in den bereits genannten Abschnitten dieses Kapitels ausgiebig eingegangen.

2. Berücksichtigung des Übergangssockels im Rahmen der ErlösobergrenzenAufteilung auf den ertragsorientierten Wertbeitrag 346 Der Übergangssockel für die dritte und in sehr reduzierter Form auch für die vierte Regulierungsperiode stellt einen letztmaligen Ausgleich für die im ungünstigsten Fall um bis zu sieben Jahre verzögerte Kostenberücksichtigung von nach dem jeweiligen Basisjahr getätigten Investitionen der Vergangenheit dar.288 Entsprechend handelt es sich um einen Ausgleich für die aus der Vergangenheit resultierende wirtschaftliche Belastung aus der Vorfinanzierung von Investitionen. Dieser negative Effekt wurde bisher durch den sog. positiven Sockel, insbesondere das sog. goldenen Ende aus letztmaliger Berücksichtigung in der Kostenkalkulation für eine ganze Regulierungsperiode vor vollständiger Abschreibung, wesentlich kompensiert.289 Ein positiver Sockel bedeutet, dass Anlagen weniger als 5 Jahre vor ihrer vollständigen Abschreibung noch für eine vollständige Regulierungsperiode in der Kostenkalkulation berücksichtigt werden. Durch

286 Vgl. B. I.3. 287 Auf dadurch ausgelöste Steuereffekte und Abzinsungseffekte je nach Zeitpunkt der Mehr- oder Mindererlöse wird an dieser Stelle nur ergänzend hingewiesen, aus Vereinfachungsgründen jedoch nicht näher eingegangen. 288 Büdenbender/Pedell, S. 81. 289 Zur Logik des positiven Sockels bzw. des sog. goldenen Endes siehe u. a. Büdenbender/Pedell, S. 82.  



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C. Aufteilung der Erlösobergrenzen im Zuge von Netzübernahmen

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den Kapitalkostenabschlag, d. h. die zeitnahe Berücksichtigung an Abschreibungen in der Kalkulation, ist dieser nun entfallen. Übernehmen neue Netzbetreiber ein Teilnetz, so stellt sich für sie, bezogen auf die 347 rein kalkulatorischen Entgeltbestandteile bzw. auf die Bewertung der reinen Eigentümerrolle, eine gänzlich andere Situation dar: Sie erhalten aufgrund der 2016 erfolgten Einführung des Kapitalkostenauf- und -abschlags für ihre übernommenen sowie zukünftigen selbst investierten Anlagen ohne wesentlichen Zeitverzug die vom Regulierer als wirtschaftlich angemessen angesehenen kalkulierten Entgelte. Wie zuvor bereits ausgeführt, refinanziert sich das regulatorisch anerkannte Anlagevermögen mit den kalkulierten zugestandenen Entgelten vollständig, sofern der neue Netzeigentümer die zugestandenen kalkulierten Entgelte als angemessenen ansieht.290 Zusätzliche Entgelte in Höhe des Sockels zur Refinanzierung von Investitionen, insbesondere aus der Vergangenheit, sind für ihn nicht nötig. Entsprechend müssen sich in der Praxis abgebender und aufnehmender Netz- 348 betreiber einigen, ob der zugestandene Sockelbetrag beim abgebenden Netzbetreiber verbleibt oder ebenfalls übertragen wird. Erfolg die Übertragung auch des Sockelbetrags, sind diese zusätzlichen Erlöse in Form eines entsprechenden Preisaufschlags auf das regulatorisch anerkannte Anlagevermögen zu berücksichtigen.  

290 Sofern der neue Netzeigentümer die zugestandenen kalkulierten Entgelte als angemessenen ansieht, entsprechen seine Kapitalkosten der zugestandenen kalkulatorischen Verzinsung. Hemmersbach/Ruppert

Kapitel 7 Wasserversorgung A. Einleitung: Grundstrukturen der Trinkwasserversorgung I. Trinkwasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge Wasser ist eine Lebensgrundlage für den Menschen, ebenso wie für alle anderen Tiere 1 und die Pflanzen. „Eine geordnete Wasserwirtschaft ist“ folglich, in den Worten des Bundesverfassungsgerichts, „sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft lebensnotwendig“.1 Die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser gehört daher zu den zentralen Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Gesetzgeber hat dies (deklaratorisch) in § 50 Abs. 1 WHG festgehalten. Das Recht und die Pflicht, diese Aufgabe wahrzunehmen, haben die örtlichen Kom- 2 munen.2 Die öffentliche Trinkwasserversorgung ist eine Aufgabe, die unter dem Schutz der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG steht.3 Zur Wasserversorgung in diesem Sinne gehören sämtliche Wertschöpfungsstufen, von der Wassergewinnung über die Aufbereitung bis hin zum Transport und der Verteilung an den Endkunden.4

II. Ausgestaltungsvarianten Auf welche Art und Weise die Kommunen die Aufgabe der Trinkwasserversorgung er- 3 füllen, unterliegt ihrer Gestaltungshoheit. Hierfür haben sich in Deutschland unterschiedliche Modelle etabliert, die sich im Wesentlichen in drei Kategorien systematisieren lassen, wobei in allen dreien diverse Varianten existieren:5 Zum einen können Kommunen die Trinkwasserversorgung in eigener kommunaler 4 Verantwortung durchführen. Die Trinkwasserversorgung erfolgt dann entweder durch einen kommunalen Eigen- oder Regiebetrieb oder durch ein rechtlich verselbständigtes Unternehmen in kommunaler Trägerschaft (sei es in öffentlich-rechtlicher Rechtsform als Anstalt oder in privater Rechtsform, typischerweise einer GmbH). Die zuletzt genannte Variante erfolgt regelmäßig durch eine Direkt- bzw. Inhousevergabe von Kon-

1 BVerfG, Urteil v. 29. Juli 1959 – 1 BvR 394/58 = BVerfGE 10, 89–118 Rn 81. 2 Etwas anderes gilt in denjenigen Bundesländern, in denen Wasserverbände eingerichtet worden sind. 3 BVerwG, Urteil v. 16. März 2006 – 4 A 1075/04 = BVerwGE 125, 116–325 Rn 480; Dürig/Herzog/Scholz/Mehde, GG Art. 28 Abs. 2 Rn 93. 4 BeckOK UmweltR/Hasche, WHG § 50 Rn 3. 5 Vgl. Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2020, abrufbar unter: https://de.dwa.de/de/bran chenbild-der-deutschen-wasserwirtschaft.html. von Lucius https://doi.org/10.1515/9783110531909-026

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Kapitel 7. Wasserversorgung

zessionsverträgen an das kommunale Wasserversorgungsunternehmen. Die Kommunen (bzw. kommunalen Unternehmen) können sich dabei privater Dienstleister bedienen (etwa zur technischen oder kaufmännischen Betriebsführung). Zum anderen kooperieren Kommunen untereinander, insbesondere über Zweckverbände oder gemeinsame Wasserversorgungsunternehmen. Schließlich können die Kommunen durch die wettbewerbliche Vergabe von Konzessionsverträgen Unternehmen, die nicht von der Kommune selbst kontrolliert werden, mit der Wasserversorgung beauftragen. Die zuletzt genannte Variante der Konzessionierung im Ausschreibungswettbewerb, über die dieses Kapitel einen kurzen Überblick geben soll, wird zu Unrecht teils mit einer „Privatisierung“ der Wasserversorgung assoziiert oder gleichgesetzt. Eine Aufgabenprivatisierung – wie sie bspw. auf der Grundlage von Art. 87f GG für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen umgesetzt wurde6 – ist mit der Vergabe von Konzessionen ohnehin nie verbunden. Die Aufgabe der Wasserversorgung bleibt auch bei der Wahrnehmung durch einen (privaten) Konzessionär ein Auftrag der kommunalen Daseinsvorsorge – die Konzessionierung ist lediglich ein Modus der kommunalen Aufgabenwahrnehmung. Unter den fast 6.000 Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland7 machen zudem diejenigen in überwiegender oder gar vollständig privater Anteilseignerschaft nur eine kleine Minderheit aus.8 Der ganz überwiegende Teil der Wasserversorgungsunternehmen wird vollständig oder mehrheitlich von kommunalen Eigentümern gehalten, auch dort, wo sich die Kommunen des Instruments des Konzessionierungswettbewerbs bedienen. Anders als im Bereich der Strom- und Gasversorgung sind im Bereich der Wasserwirtschaft Netzinhaberschaft, Wassergewinnung und Wasserlieferung nicht getrennt. Dementsprechend sehen Konzessionsverträge neben dem reinen Wegenutzungsrecht regelmäßig auch eine Lieferverpflichtung des Konzessionsnehmers vor. Für diese Vergabe von Konzessionsverträgen für die Trinkwasserversorgung existiert kein gesetzliches Sondervergaberecht. Trinkwasserkonzessionen sind generell vom Vergaberecht ausgenommen. Oberhalb der Schwellenwerte für die europaweite Ausschreibung greift die Bereichsausnahme des § 149 Nr. 9 GWB.9

6 Vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Möstl, GG Art. 87f Rn 36. 7 Umweltbundesamt, Öffentliche Wasserversorgung v. 20.4.2020, abrufbar unter: https://www.umwelt bundesamt.de/daten/wasser/wasserwirtschaft/oeffentliche-wasserversorgung#grundwasser-ist-wichtig ste-trinkwasserressource. 8 Wirtschaftsdienst, Trinkwasserversorgung: privat gleich teuer?, abrufbar unter: https://www.wirt schaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2018/heft/7/beitrag/trinkwasserversorgung-privat-gleich-teuer.html. 9 Unterhalb dieser Schwellenwerte, die Trinkwasserkonzessionen aber regelmäßig überschreiten dürften, fehlt eine explizite Regelung für Dienstleistungskonzessionen: Die UVgO regelt lediglich die Vergabe von Lieferung- und Dienstleistungsaufträgen, § 23 VOB/A lediglich die Vergabe von Baukonzessionen; vgl. Siegel, NZBau 2019, 353. Vereinzelt findet sich im Landeshaushaltsrecht die Anordnung unterschwellige Vergaben von Konzessionen seien im Wettbewerb zu vergeben, siehe Ziff. 5.4 Verwaltungsvorschrift Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz v. 18.8.2021 (mit nur rudimentären Verfahrensvorgaben). von Lucius

A. Einleitung: Grundstrukturen der Trinkwasserversorgung

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Auf Wegenutzungsverträge im Wasserbereich finden die Regelungen in § 46 EnWG 10 keine Anwendung. Die Konzessionierung unterliegt daher lediglich der „Auffangordnung“ des EU-Primärrechts.10

III. Zulässigkeit von Ausschließlichkeitsrechten im Wasserbereich Wasserkonzessionsverträge sind nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 GWB (ebenso wie Demarkations-, Preisbindungs- und Verbundverträge) vom Kartellverbot freigestellt.11 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Ausnahme die Grundlage für eine geregelte und preisgünstige Versorgung schaffen.12 Mit dieser kartellrechtlichen Privilegierung korrespondiert die spezielle Missbrauchsaufsicht durch die (Landes-)Kartellbehörden nach den §§ 31 ff. GWB.13 Aufgrund dieser Freistellung vom Kartellverbot darf dem Konzessionär das ausschließliche Recht eingeräumt werden, Leitungen zur Versorgung von Letztverbrauchern zu verlegen und zu betreiben.14 Diese im Wasserbereich zulässige Vereinbarung von Ausschließlichkeitsrechten hat in der Praxis eine erhebliche Bedeutung, da auf diese Weise im Konzessionsgebiet das Wegenutzungsrecht für die Dauer des Konzessionsvertrags ausschließlich einem Versorgungsunternehmen gestattet werden. Die Geschlossenheit der Versorgungsgebiete in der Versorgung mit Strom und Gas wurde als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Einführung von Wettbewerb durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24.4.1998 aufgehoben. In der Begründung für die Fortgeltung geschlossener Versorgungsgebiete in der Wasserversorgung wird darauf hingewiesen, dass der Bereich der Wasserversorgung einer strengen staatlichen Fachaufsicht unterworfen ist, um eine qualitativ hochwertige und hygienisch einwandfreie Trinkwasserversorgung und einen flächendeckenden Gewässerschutz zu gewährleisten. Dies erfolge insbesondere durch das Wasserhaushaltsgesetz, die Wassergesetze der Länder sowie das Lebensmittel- und Seuchenrecht.15

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10 Vgl. Kapitel 7 B. 11 Dies galt bereits auf der Grundlage des § 103 GWB a. F. seit Einführung des GWB. 12 Immenga/Mestmäcker/Scholl, GWB § 31 Rn 1. 13 Danach sind die freigestellten Verträge nach § 31a GWB bei den Kartellbehörden zu melden und die Verträge unterliegen einer „speziellen Preishöhenkontrolle für Wasserversorger“, Immenga/Mestmäcker/Scholl, GWB § 31 Rn 47. 14 Vgl. MüKoEuWettbR/Reif, GWB § 31 Rn 82. 15 Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/7274, S. 9, 24 und BT-Drucks. 13/9720, S. 30, 70; kritisch zur Fortgeltung der kartellrechtlichen Bereichsausnahme für die Wasserversorgung Markert, N&R 2009, 118, 119 f.  



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Kapitel 7. Wasserversorgung

IV. Allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht 15 Des Weiteren besteht im Wasserbereich noch heute eine allgemeine Anschluss- und

Versorgungspflicht, d. h. über den Wasserkonzessionsvertrag wird der allgemeine Versorger im betreffenden Kommunalgebiet bestimmt und diesen allgemeinen Versorger trifft eine Netzanschlusspflicht. Demgegenüber wird in der Energieversorgung nach geltendem Recht über den Konzessionsvertrag nur noch der zur allgemeinen Anschlusspflicht nach § 18 EnWG verpflichtete Netzbetreiber bestimmt, nicht aber das zur allgemeinen Versorgung verpflichtete Versorgungsunternehmen, der sog. Grundversorger. Anstelle der verbundenen Anschluss- und Versorgungspflicht wurden im Stromund Gasbereich zwei sich ergänzende Regelungen geschaffen. § 18 EnWG trifft eine Regelung zur allgemeinen Anschlusspflicht. Danach besteht eine Netzanschlusspflicht des EVU, das in einem bestimmten Kommunalgebiet ein Netz der allgemeinen Versorgung betreibt. Daneben begründet § 36 EnWG eine Grundversorgungspflicht in Bezug auf Haushaltskunden, die vom Netzbetrieb unabhängig ist.16 Die Herausnahme der allgemeinen Versorgungspflicht aus dem Konzessionsvertrag im Bereich der Energieversorgung ist Folge der in den sog. EU-Beschleunigungsrichtlinien Strom17 und Gas18 zwingend vorgegebenen Entflechtung des Netzbetriebs vom Versorgungsbereich: Um einen effizienten und nichtdiskriminierenden Netzzugang zu gewährleisten, sollen die Netze durch unterschiedliche Rechtspersonen betrieben werden, wenn vertikal integrierte Unternehmen bestehen.19 Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt des Netzbetreibers sollen nach dem gemeinschaftsrechtlichen Versorgungskonzept von den übrigen Tätigkeitsbereichen unabhängig sein. Versorgung und Netzbetrieb werden demnach getrennt. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Entflechtungsvorgaben der EU-Beschleunigungsrichtlinien in den §§ 6 ff. EnWG umgesetzt. Im Wasserbereich besteht hingegen keine gesetzliche Verpflichtung, Netzbetrieb und Wasserlieferung zu entflechten und als eigenständige Geschäftsfelder zu betreiben. Anschluss an das Wassernetz und die Lieferung des Wassers können daher aus einer Hand vom örtlichen Wasserversorgungsunternehmen angeboten werden.  

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16 Zur grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Grundversorgung und Netzbetrieb, OLG Brandenburg, Beschluss v. 25.9.2008 – Kart. W 4/08 = RdE 2009, 225 f. 17 RL 2003/54/EG des EP und ER v. 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der RL 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37). 18 RL 2003/55/EG des EP und ER v. 26.6.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der RL 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57). 19 Vgl. Erwägungsgrund 8 und Art. 10 und 15 der RL 2003/54/EG für Übertragungs- und Stromverteilernetzbetreiber; Erwägungsgrund 10 und Art. 9 und 13 der RL 2003/55/EG für Fernleitungs- und Gasverteilernetzbetreiber; vgl. zur Trennung der allgemeinen Anschluss- und der allgemeinen Versorgungspflicht im Energiebereich Kapitel 1, Rn 79 ff.  



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A. Einleitung: Grundstrukturen der Trinkwasserversorgung

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Mit einer entsprechenden Liberalisierung auch der Wasserversorgung ist nicht zu 20 rechnen. Ein effektiver Durchleitungswettbewerb, wie bei Strom und Gas, dürfte in der Wasserversorgung wirtschaftlich nicht realisierbar sein.20 Es sind daher auch keine politischen Bestrebungen für eine Liberalisierung ersichtlich, auch nicht seitens der Europäischen Union. Bereits aufgrund ihrer vorhandenen Monopolstellung folgt für Wasserversor- 21 gungsunternehmen mit Blick auf die kartellrechtlichen Vorschriften in §§ 19, 20 GWB sowie nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 138, 826 BGB wegen ihrer Tätigkeit im Rahmen der Daseinsvorsorge eine faktische Anschluss- und Versorgungspflicht.21

1. Inhalt der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht Die Anschluss- und Versorgungspflicht des Wasserversorgungsunternehmens wird be- 22 stimmt durch den Anschluss- und Versorgungsanspruch von Letztverbrauchern im jeweiligen Kommunalgebiet. Die allgemeine Anschlusspflicht bedeutet die Pflicht zur Herstellung und Vorhaltung eines Netzanschlusses und einen korrespondierenden Anspruch der Letztverbraucher auf Anschluss an das Wassernetz. Neben dem Anspruch auf Anschluss an das Netz besteht der Anspruch des Letztverbrauchers auf Versorgung. Es besteht demnach grundsätzlich ein Kontrahierungszwang des Wasserversorgungsunternehmens. Berechtigter des Anschluss- und Versorgungsanspruchs gegenüber dem Wasserver- 23 sorgungsunternehmen ist – abweichend von der Energieversorgung – in der Regel der Grundstückseigentümer oder ein ähnlich dinglich Berechtigter. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung haben die Unternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch den Abschluss des Wasserliefervertrages mit diesem Personenkreis erfüllt.22 Demgegenüber können Mieter oder Pächter einer Wohnung bzw. eines Grundstücks grundsätzlich keinen eigenen Versorgungsanspruch geltend machen.23

2. Rechtliche Durchsetzung und Grenzen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht Der Anspruch auf Anschluss und Versorgung kann gerichtlich im Wege der Leistungs- 24 klage gegenüber dem Versorgungsunternehmen durchgesetzt werden. Da es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge handelt, wird in der Regel auch der Antrag auf Erlass

20 Immenga/Mestmäcker/Scholl, GWB § 31 Rn 11. 21 Hempel/Rodemann/Stintzing/Wesche, Kap. 1 Rn 116; Hempel/Franke/Schütte/Horstkotte, Einf. zu AVBWasserV Rn 139. 22 BGH, Urteil v. 30.4.2003 – VIII ZR 278/02 = IBRRS 2003, 2352; Urteil v. 10.12.2008 – VIII ZR 293/07 = IBRRS 2009, 0130; Hempel/Rodemann/Stintzing/Wesche, Kap. 1 Rn 119. 23 Unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung Hempel/Rodemann/Stintzing/Wesche, Kap. 1 Rn 120. von Lucius

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Kapitel 7. Wasserversorgung

einer einstweiligen Verfügung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zulässig sein. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte. 25 Ihre Grenzen findet die allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht jedoch dort, wo einem Wasserversorgungsunternehmen im Einzelfall der Anschluss oder die Versorgung wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Dies gilt in der Regel im Außenbereich, wenn die Wasserversorgung nur über übermäßig lange Zuleitungen möglich ist. Eine Pflicht des Versorgungsunternehmens besteht in diesen Fällen erst dann, wenn der Kunde durch besondere Leistungen die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ausgeräumt hat. In Betracht kommen etwa die Zahlung eines besonderen Baukostenzuschusses oder die Übernahme von Unterhaltungs- und Erneuerungskosten bei überlangen Hausanschlüssen.24

B. Verfahren der Konzessionsvergabe I. Rechtsgrundlagen 1. Ausnahme vom Vergaberecht 26 Wie bereits einleitend erwähnt, sind Wasserkonzessionen umfassend von der Anwen-

dung des GWB-Vergaberechts ausgenommen (§ 149 Nr. 9 GWB). Konkret betrifft dies Konzessionen, die 27

„die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Trinkwasser oder die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze betreffen“.

28 Darüber hinaus ausgenommen sind Konzessionen (i) über Wasserbau-, Bewässerungs-

und Entwässerungsvorhaben (wenn mehr als 20 % der betreffenden Gesamtwassermenge zur Trinkwasserversorgung bestimmt ist) und (ii) Abwasserbeseitigung oder -behandlung, sofern diese Tätigkeiten mit der Trinkwasserversorgung in einem Zusammenhang stehen, also direkt oder indirekt auf die trinkwasserrelevanten Tätigkeiten bezogen sind.25 Ein baulich-technischer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Abwasserbeseitigung und der Tätigkeit der Bereitstellung oder des Betreibens fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit mit Trinkwasser ist dabei nicht zwingend erforderlich. Vielmehr können auch organisatorische oder unternehmerische Zusammenhänge zwischen den Tätigkeiten ausreichen.26 29 Dass Wasserkonzessionsverträge, die sowohl Wegenutzung als auch Wasserversorgung umfassen, begrifflich Konzessionsverträge im Sinne des Vergaberechts sind (§ 105  

24 Hempel/Rodemann/Stintzing/Wesche, Kap. 1 Rn 121 f. 25 Beck VergabeR/Germelmann, GWB § 149 Rn 88. 26 Vergabekammer Leipzig, Beschluss v. 12. April 2017 – 1/SVK/003-17 – juris.  

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B. Verfahren der Konzessionsvergabe

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GWB), dürfte mittlerweile unstreitig sein.27 In Abgrenzung zu Dienstleistungsaufträgen (im Sinne von § 103 Abs. 4 GWB) ist eine Dienstleistungskonzession dadurch geprägt, dass der Konzessionär als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen das Recht zur Verwertung der Dienstleistungen erhält und das Betriebsrisiko für diese Verwertung übernimmt. Angesichts des Anschluss- und Benutzungszwangs lässt sich die Frage stellen, ob ein relevantes Betriebsrisiko überhaupt übernommen wird. Dies hat der EuGH jedoch bejaht und entschieden, dass eine Konzession auch dann vorliege, wenn das Risiko zwar eingeschränkt sei, aber vom Auftragnehmer in vollem Umfang übernommen werde.28 Die Tatsache, dass für den Bereich der Wasserversorgung ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, schließt somit die Annahme einer Dienstleistungskonzession nicht aus. Auch im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwanges verbleibt ein gewisses Absatzrisiko (etwa beim Rückgang industrieller Nutzungen) sowie das Beitreibungsrisiko bei mittellosen oder vom Anschluss- und Nutzungszwang befreiten Nutzern.29 Gleichzeitig gilt aber, dass Dienstleistungsaufträge (im Sinne von § 103 Abs. 4 GWB) 30 im Bereich der Wasserversorgung nicht unter die Ausnahme für Konzessionsvergaben gemäß § 149 Nr. 9 GWB fallen. Dies hat praktische Relevanz insbesondere für Dienstleistungsaufträge über die (technische oder kaufmännische) Betriebsführung, die grundsätzlich nach den Vorschriften des Vergaberechts auszuschreiben sind.

2. Anwendbarkeit des Europäischen Primärrechts Folge der Bereichsausnahme im GWB ist aber nicht, dass Wasserkonzessionen ohne 31 Ausschreibung vergeben werden können. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens mit EU-weiter Bekanntmachung ergibt sich insbesondere aus EU-primärrechtlichen Vorgaben, also aus Regelungen des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Dies sind insbesondere das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die aus ihnen abgeleiteten Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz. Hieraus ergibt sich die grundsätzliche Verpflichtung, die Leistungen in einem offenen, diskriminierungsfreien und transparenten Bieterverfahren zu vergeben.30 Die genannte Bereichsausnahme der EU-Vergaberichtlinien und des § 149 Nr. 9

27 Vgl. zu den qualifizierten Wegenutzungsverträge i. S. v. § 46 Abs. 2 EnWG auch MüKoEuWettbR/Gabriel, GWB § 102 Rn 44. 28 EuGH, Urteil v. 10.9.2009 – C-206/08 – „WAZV Gotha./.Eurawasser“ = NZBau 2009, 729. 29 Vgl. hierzu auch Byok/Dierkes, RdE 2011, 126, 133. 30 Heller, EWeRK 2016, 210, 211; Schröder, NVwZ 2017, 504; siehe auch Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen als Landeskartellbehörde, „Häufig gestellte Fragen zu dem Verfahren, dem Abschluss und der Freistellung von Wasserkonzessionsverträgen“ v. 1. Dezember 2021, abrufbar unter: https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/documents/haeu fig_gestellte_fragen_zu_wasserkonzessionsvertraegen_12-21.pdf; Landeskartellbehörde Niedersachsen,  

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Kapitel 7. Wasserversorgung

GWB entfaltet insoweit keine Sperrwirkung, da das EU-Sekundärrecht nicht die Geltung der direkt aus dem EU-Primärrecht abgeleiteten Grundsätze einschränken kann.31 32 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des EU-Primärrechts ist, dass die Konzessionsvergabe im konkreten Fall Binnenmarktrelevanz hat. Das ist dann der Fall, wenn an der Konzession aufgrund objektiver Kriterien ein grenzüberschreitendes Interesse für den Wettbewerb besteht. Maßgeblich sind dabei vor allem das Konzessionsvolumen, die geografische Lage des Leistungsortes, die technischen Merkmale der Konzession oder auch Interessensbekundungen oder Beschwerden von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten.32 33 Exakte Schwellenwerte für diese Binnenmarktrelevanz hat die Rechtsprechung (noch) nicht entwickelt. Der EuGH hat jedenfalls entschieden, dass bei einer Wegstrecke von 200 km bis zur Grenze des nächsten EU-Mitgliedstaats ein Binnenmarktbezug nicht mehr ohne Weiteres aus der geografischen Lage folgt.33 Bei einer Entfernung von bis zu 100 km ist dagegen nach verbreiteter Auffassung von einer Binnenmarktrelevanz auszugehen.34 Auch für das binnenmarktrelevante Auftragsvolumen fehlt eine feste Schwelle. Allerdings dürfte ein Überschreiten des vergaberechtlichen Schwellenwerts für eine europaweite Ausschreibung ein Indiz für die Binnenmarktrelevanz sein.35 Diese Schwelle liegt aktuell bei EUR 5.382.000. Berücksichtigt man, dass bei Konzessionsvergaben (vergaberechtlich) zur Ermittlung des Auftragswerts sämtliche Umsätze im Laufe der Vertragslaufzeit addiert werden (§ 3 Abs. 3 KonzVgV), dürfte nahezu jede Trinkwasserkonzession schon wegen ihrer langen Laufzeit und ihres entsprechenden wirtschaftlichen Wertes Binnenmarktrelevanz haben.36 Allenfalls bei sehr kleinen Versorgungsgebieten gilt möglicherweise etwas anderes.

3. Kartellrecht 34 Die Ausschreibungspflicht folgt zudem aus dem Kartellrecht. In der Rechtsprechung ist

geklärt, dass die Kommunen ohne transparente und diskriminierungsfreie Auswahlent-

„Hinweise zur Vergabe von Wasserkonzessionsverträgen gemäß §§ 31, 31a GWB“ v. 17.4.2019, abrufbar unter: https://www.mw.niedersachsen.de/download/143751/Hinweise_zur_Vergabe_von_Wasserkon zessionsvertraegen.pdf. 31 Erwägungsgrund 8 der RL 2014/23/EU des EP und ER v. 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014 L 94 S. 1); Schröder, NVwZ 2017, 504, 505. 32 EuGH, Urteil v. 6.10.2016 – C-318/15 – „Tecnoedi Costruzioni“ = NZBau 2016, 781, 782 Rn 19 f.; Urteil v. 16.4.2015 – C-278/14 – „SC Enterprise Focused Solutions“ = NZBau 2015, 383, 385 Rn 20; Schröder, NVwZ 2017, 504, 505. 33 Vgl. EuGH, Urteil v. 6.10.2016 – C-318/15 – „Tecnoedi Costruzioni“ = NZBau 2016, 781, 783 Rn 24. 34 Schröder, NVwZ 2017, 504, 505; so wohl auch: OLG Düsseldorf, Urteil v. 21. März 2018 – VI-2 U (Kart) 6/ 16; vgl. Dierkes/Wrede, Konzessionsverträge in der Wasserversorgung, BDEW-Anwendungshilfe, 2022, S. 118 f. 35 Gesterkamp, VergabeR 2020, 705, 707; Schröder, NVwZ 2017, 504, 505. 36 Heller, EWeRK 2016, 210, 211; ähnlich Schröder, NVwZ 2017, 504, 505.  



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B. Verfahren der Konzessionsvergabe

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scheidung andere Unternehmen gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB unbillig behindern, da sie auf dem Markt der Trinkwasserkonzessionsvergabe über eine marktbeherrschende Stellung verfügen.37 Die Rechtsprechung legt dabei für die Bewertung, ob eine kartellrechtswidrige Be- 35 hinderung bzw. Diskriminierung vorliegt die „gleichgerichteten Wertungen“ des EU-Primärrechts zugrunde.38 Daraus folgt, dass sich aus der zusätzlichen kartellrechtlichen Begründung der Ausschreibungspflicht für die Bewertung des Ausschreibungsverfahrens keine weiteren materiellen Anforderungen ergeben. Insofern ruht die „Auffanglösung“ für die Trinkwasserkonzessionsvergabe lediglich auf „zwei festen Standbeinen“.39 Rechtlich irrelevant ist dieses zweite Standbein aber nicht: Zum einen ist die Bin- 36 nenmarktrelevanz keine Voraussetzung für die marktbeherrschende Stellung der Kommune; daraus folgt, dass die Ausschreibungspflicht in jedem Falle auf diesem einen Standbein steht, sollten ausnahmsweise doch Zweifel an der Binnenmarktrelevanz einer Konzession bestehen. Zudem greift bei einem Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und § 31b Abs. 6 GWB. Schließlich folgt aus dem Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags gemäß § 134 GWB.40

II. Ausnahmen 1. Inhouse-Vergabe a) Grundsätze Eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht gilt, wenn die Voraussetzungen einer 37 sog. Inhouse-Vergabe vorliegen.41 Die Grundsätze zur Inhouse-Vergabe gelten auch außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Vergaberichtlinien bei Vergaben aufgrund primärrechtlicher Vorgaben, also auch für die Vergabe von Trinkwasserkonzessionen mit Binnenmarktrelevanz.42

37 BGH, Beschluss v. 15.5.2012 – KVR 51/11 = NJW 2012, 3243 Rn 11; Beschluss v. 22.2.2019 – KZR 22/18; OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.3.2018 – VI-2 U (Kart) 6/16 – juris Rn 50; Urteil v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 (Kart) = WuW 2019, 37, 40 Rn 98 ff. 38 OLG Naumburg, Urteil v. 3.6.2022 – 7 U 6/22 – Blatt 10 des UA. 39 Immenga/Mestmäcker/Kling, GWB § 149 Rn 56. 40 Vgl. Kapitel 2 A. 41 Grundlegend EuGH, Urteil v. 18.11.1999 – C-107/98 – „Teckal“ = NZBau 2000, 90, 91 Rn 50; Für die Wasserversorgung greifen ebenfalls die (primärrechtlichen) Grundsätze der horizontalen (interkommunalen) Zusammenarbeit (grundlegend EuGH, Urteil v. 9.6.2009 – C-480/06 – „Stadtreinigung Hamburg“); in diesen Konstellationen dürfte aber regelmäßig gar keine Konzessionsvergabe erfolgen, weshalb die Darstellung hier auf die „vertikale“ Inhouse-Vergabe beschränkt wird. 42 OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.3.2018 – VI-2 U (Kart) 6/16 – juris Rn 51.  

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Kapitel 7. Wasserversorgung

Dabei ist allerdings entscheidend, dass für Trinkwasserkonzessionen nicht die Regelungen des § 108 GWB zugrunde gelegt werden können. Maßgeblich sind allein die (durch die Rechtsprechung des EuGH und der nationalen Gerichte) entwickelten Maßstäbe. Dies hat das OLG Naumburg in einer jüngsten Entscheidung klargestellt: „Die Regelungen des § 108 GWB können mangels Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts nicht unmittelbar und auch nicht entsprechend angewendet werden. Denn es sind spezielle Regelungen zur Bereichsausnahme vom Vergaberecht für verschiedene Formen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit. Sie gründen sich zwar auf die zuvor, d. h. ohne ausdrückliche Regelung durch die Rechtsprechung aus allgemeinen Grundsätzen abgeleiteten Rechtssätze, sind mit diesen aber nicht identisch – die kodifizierte Regelung geht über das, was die Rechtsprechung zuvor als ausschreibungsfreie Rechtsgeschäfte angesehen hat, weit hinaus.“43  

39 Das führt zu der Konsequenz, dass die Anforderungen an die Inhouse-Vergabe aufgrund

primärrechtlicher Vorgaben teils strenger sind als unter dem (auf den Richtlinien beruhenden) § 108 GWB. Normenhierarchisch erscheint dies zwingend: Weder der EU-Richtliniengeber noch der deutsche Gesetzgeber kann die Auslegung des höherrangigen EUPrimärrechts mittels EU-Sekundärrechts bzw. der zu seiner Umsetzung erlassenen nationalen Gesetze bestimmen. Die Ausnahme der Trinkwasserkonzessionen vom Vergaberecht ist daher für die zur Ausschreibung verpflichteten Kommunen nicht in jeder Hinsicht ein Privileg.44

b) Voraussetzungen 40 Voraussetzungen der In-House-Vergabe sind dabei das sog. Kontrollkriterium und das

sog. Wesentlichkeitskriterium.45 Zudem darf die zu beauftragende Einrichtung keine private Kapitalbeteiligung aufweisen.46 Die Kriterien sind als Voraussetzungen für eine Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechtes eng auszulegen.47

aa) Kontrollkriterium 41 Eine ausschreibungsfreie Inhouse-Vergabe kommt nur dann in Betracht, wenn der Auf-

traggeber über den Auftragnehmer bzw. Konzessionär eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt (Kontrollkriterium). Das Kontrollkriterium ist u. a. dann er 

43 OLG Naumburg, Urteil v. 3.6.2022 – 7 U 6/22 – Blatt 11 des UA. 44 Dies gilt auch für den Rechtsschutz, siehe dazu Kapitel 7 B. IV. 45 EuGH, Urteil v. 18.11.1999 – C-107/98 – „Teckal“ = NZBau 2000, 90, 91 Rn 50. 46 EuGH, Urteil v. 22.12.2010 – C-215/09 – „Mehiläinen und Terveystalo Healthcare“ = EuZW 2011, 257, 258 f. Rn 32, 35, 42; OLG Düsseldorf v. 21.3.2018 – VI-2 U (Kart) 6/16 – juris Rn 51. 47 EuGH, Urteil v. 6.4.2006 – C-410/04 – „ANAV“ = NZBau 2006, 326, 328 Rn 26 m. w. N.; Schröder, NVwZ 2017, 504, 506 m. w. N.  









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B. Verfahren der Konzessionsvergabe

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füllt, wenn der Konzessionsgeber allein oder mit anderen öffentlichen Einrichtungen die Gesamtheit der Geschäftsanteile an dem beauftragten Unternehmen hält.48

bb) Wesentlichkeitskriterium Das Wesentlichkeitskriterium ist erfüllt, wenn das zu betrauende Unternehmen seine 42 Tätigkeit im Wesentlichen für den Konzessionsgeber erbringt. Das ist – anders als gemäß § 108 GWB – anhand aller qualitativen und quantitativen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei aber den Umsätzen aus den verschiedenen Tätigkeiten des Unternehmens maßgebliche Bedeutung zukommt.49 Im Anwendungsbereich des § 108 GWB ist ein Fremdumsatz erst dann inhouse-schädlich, wenn er 20 % des Gesamtumsatzes erreicht oder übersteigt. Diese Regelung ist hier aber, wie bereits erwähnt, nicht anwendbar und die Regelung findet auch keine entsprechende Anwendung. Das EU-Primärrecht enthält selbst keine feste prozentuale Obergrenze für einen 43 noch zulässigen, also nicht inhouse-schädlichen Anteil der Fremdumsätze an den Gesamtumsätzen. Der EuGH hat ausdrücklich abgelehnt, den schon in der früheren EU-Sektoren- 44 richtlinie enthaltenen Umsatzschwellenwert von 80 % (bezogen auf den Umsatzanteil aus Tätigkeiten für den Auftraggeber) außerhalb des Anwendungsbereiches der Sektorenrichtlinie entsprechend anzuwenden und betont, dass stets die qualitativen und quantitativen Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, wobei den Umsatzahlen maßgebliche Bedeutung zukomme.50 In einer späteren Entscheidung hat er es als ausreichend angesehen, wenn diese Umsätze 90 % der Gesamtumsätze ausmachen, der Anteil der Fremdumsätze also nicht mehr als 10 % beträgt.51 Der BGH hat zwar einen Fremdumsatz von 10 % als kritisch angesehen, wenngleich er die Frage in der konkreten Entscheidung offenlassen konnte.52 Das OLG Düsseldorf hat unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH einen Anteil der Fremdumsätze am Gesamtumsatz von nicht mehr als 10 % als maßgebliche Grenze angesehen.53 Das OLG Celle hat bereits einen Anteil der Fremdumsätze am Gesamtumsatz von 7,5 % als nicht mehr nebensächlich und damit inhouse-schädlich angesehen.54  













48 EuGH, Urteil v. 19.4.2007 – C-295/05 – „Asemfo./.Tragsa“ = NZBau 2007, 381, 386; Urteil v. 11.5.2006 – C‑340/04 – „Carbotermo“ = NZBau 2006, 453, 454; Urteil v. 13.11.2008 – C-324/07 – „Coditel Brabant“ = NZBau 2009, 54, 56. 49 EuGH, Urteil v. 11.5.2006 – C-340/04 – „Carbotermo“ = NZBau 2006, 453, 455. 50 EuGH, Urteil v. 11.5.2006 – C-340/04 – „Carbotermo“ = NZBau 2006, 453, 455. 51 EuGH, Urteil v. 19.4.2007 – C-295/05 – „Asemfo“ = NZBau 2007, 381, 386. 52 BGH, Urteil v. 3.7.2008 – I ZR 145/05 = NZBau 2008, 664, 667. 53 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 2.11.2016 – VII-Verg 23/16 = NZBau 2017, 112, 114 Rn 24. 54 OLG Celle, Beschluss v. 14.9.2006 – 13 Verg 2/06 = NZBau 2007, 126, 127. von Lucius

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Kapitel 7. Wasserversorgung

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Nachprüfungsinstanzen ist daher davon auszugehen, dass ein Fremdgeschäftsanteil von 10 % die absolute Obergrenze darstellen dürfte.55 46 Dabei sind grundsätzlich nur die Umsätze der jeweils beauftragten juristischen Person entscheidend. Etwas anderes gilt nur in Ausnahmefällen. So hat das OLG Celle56 entschieden, dass die Umsätze einer Tochtergesellschaft des beauftragten Unternehmens einzubeziehen sind, wenn es sich um eine 100 %ige Tochtergesellschaft handelt, die über keine eigenen, ausreichenden personellen und sachlichen Ressourcen für die Ausführung der fraglichen Tätigkeiten verfügt und für beide Gesellschaften ein konsolidierter Jahresabschluss erstellt wird. 47 Nicht als Fremdumsätze gelten solche Umsätze, die das fragliche Unternehmen „auf Grund der Vergabeentscheidungen der kontrollierenden Körperschaft erzielt“. Hierzu können zwar auch die aufgrund solcher Vergabeentscheidungen mit Nutzern erzielten Umsätze zählen. Erforderlich ist bei einer Vergütung durch Dritte aber, dass die Tätigkeiten „auf Grund von Konzessionen oder anderen von der Körperschaft eingegangenen Rechtsbeziehungen erbracht werden“.57 Es muss also ein ausreichender kausaler Zusammenhang zwischen Umsatz und der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung bestehen (sog. „Kausalitätskriterium“).58 48 Dieser Kausalzusammenhang besteht dann nicht, wenn die Inanspruchnahme der vom Konzessionär angebotenen Leistungen auf einer autonomen, den Kausalzusammenhang zur Konzessionsvergabe unterbrechenden Entscheidung der Nutzer beruht.59 45





2. Netzeigentum? 49 Umstritten ist die Frage, ob eine Ausschreibung dann entbehrlich ist, wenn nur dasjenige Wasserversorgungsunternehmen, das Eigentümer der Wasserverteilungsanlagen ist, als Konzessionär in Betracht kommt (sog. „ausschließliches Recht“).60 50 Relevant ist diese Frage im Wesentlichen für die (Neu-)Vergabe von Konzessionsverträgen, die keine Endschaftsbestimmungen haben, und somit keine ausdrückliche

55 Zuletzt OLG Naumburg, Urteil v. 3.6.2022 – 7 U 6/22 – Blatt 14 des UA. 56 OLG Celle, Beschluss v. 29.10.2009 – 13 Verg 8/09 = NZBau 2010, 194, 197 f.; zustimmend Mager, NZBau 2012, 25, 27; ablehnend Immenga/Mestmäcker/Dreher, § 108 GWB Rn 37; Schröder, NVwZ, 2011, 776, 778 f. 57 EuGH, Urteil v. 11.5.2006 – C-340/04 – „Carbotermo“ = NZBau 2006, 453, 455 f. Rn 65 ff. 58 Vgl. nur Immenga/Mestmäcker/Dreher, § 108 GWB Rn 33 ff.; Pünder/Schellenberg/Pünder/Klafki, GWB § 108 Rn 35 m. w. N. 59 OLG Naumburg, Urteil v. 3.6.2022 – 7 U 6/22 – Blatt 14 des UA; vgl. auch OLG Hamburg, Beschluss v. 14.12.2010 – 1 Verg 5/10 = NZBau 2011, 185, 188; OLG Frankfurt, Beschluss v. 30.8.2011 – 11 Verg 3/11 = ZfBR 2012, 77; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.1.2004 – VII-Verg 71/03 = NZBau 2004, 343, 345. 60 Vgl. hierzu sehr ausführlich: Dierkes/Wrede, Konzessionsverträge in der Wasserversorgung, BDEWAnwendungshilfe, 2022, S. 24 ff.; sowie Landeskartellbehörde Niedersachsen, „Hinweise zur Vergabe von Wasserkonzessionsverträgen gemäß §§ 31, 31a GWB“ v. 17.4.2019, S. 7 ff., abrufbar unter: https://www. mw.niedersachsen.de/download/143751/Hinweise_zur_Vergabe_von_Wasserkonzessionsvertraegen.pdf.  

















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B. Verfahren der Konzessionsvergabe

Grundlage für eine Rückübertragung des Netzeigentums an die jeweilige Kommune vorliegt. Eine solche Ausnahme würde aber dazu führen, dass ein in der Vergangenheit einmal ohne Endschaftsbestimmung konzessioniertes Unternehmen eine ewige Konzession erworben hat. Überzeugend erscheint daher die (soweit ersichtlich im Vordringen befindliche Auffassung), dass ein Konzessionsvertrag ohne Endschaftsbestimmung regelmäßig (wegen Verstoßes gegen Kartell- und EU-Primärrecht) gemäß § 134 BGB nichtig ist.61 Nicht geklärt ist freilich die Frage, wie die Rückübertragung in einem solchen Fall rechtlich erfolgen kann.

III. Allgemeine Verfahrensgrundsätze Folge der Anwendbarkeit des EU-Primärrechts ist die grundsätzliche Verpflichtung der je- 51 weiligen Kommune, die Vergabe der Konzession in einem offenen, wettbewerblichen und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben. In der konkreten Verfahrensgestaltung sind die Kommunen weitgehend frei. Eine Vergabe von Wasserkonzessionen, die sich an den Vorschriften der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) orientiert, wird den primärrechtlichen Vorgaben regelmäßig entsprechen; praktikabel erscheint insbesondere ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§ 12 Abs. 1 KonzVgV). Im Einzelnen ergeben sich folgende Pflichten: 52 – Herstellung eines angemessenen Grads an Öffentlichkeit, der das Verfahren dem Wettbewerb öffnet und auch die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabe diskriminierungsfrei durchgeführt wurde;62 – Bekanntmachung in Medien mit europaweiter Publizität, jedoch nicht zwingend im Europäischen Amtsblatt;63 – Gleichbehandlung und Transparenz im Verfahren und in der Wertung, d. h. insbesondere keine nachträgliche Änderung der Gewichtung der Zuschlagskriterien;64 – Vorabinformationspflicht, d. h. Information der unterlegenen Bieter über den geplanten Zuschlag;65  



61 Landeskartellbehörde Niedersachsen, „Hinweise zur Vergabe von Wasserkonzessionsverträgen gemäß §§ 31, 31a GWB“ v. 17.4.2019, S. 9, abrufbar unter: https://www.mw.niedersachsen.de/download/ 143751/Hinweise_zur_Vergabe_von_Wasserkonzessionsvertraegen.pdf; zustimmend wohl: Dierkes/ Wrede, Konzessionsverträge in der Wasserversorgung, BDEW-Anwendungshilfe, 2022, S. 28. 62 EuGH, Urteil v. 7.12.2000 – C-324/98 – „Teleaustria” = NZBau 2001, 148, 151 Rn 61 f.; Urteil v. 13.10.2005 – C-458/03 – „Parking Brixen” = NZBau 2005, 644, 648 Rn 49. 63 EU-Kommission, Grünbuch ÖPP v. 30.4.2004 – KOM(2004) 327 – Rn 30; Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen v. 1.8.2006 (ABl. 2006 C 179 S. 2, 4); vgl. EuGH, Urteil v. 21.7.2005 – C-231/03 – „Coname“ = NVwZ 2005, 1052, 1053 Rn 21; Teufel, KommJur 2012, 87, 89. 64 EuGH, Urteil v. 19.6.2009 – C-226/09 – „Kommission./.Irland“ = NZBau 2011, 50, 52 Rn 42 ff. 65 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 30.11.2010 – 1 S 107.10 = IBR 2011, 1190.  



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– – –

Kapitel 7. Wasserversorgung

keine unverhältnismäßigen, d. h. in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe stehenden Anforderungen in den Vergabeunterlagen;66 keine nachträgliche wesentliche Änderung von Vertragsbedingungen;67 keine unverhältnismäßig lange Vertragsdauer.68  

IV. Rechtsschutz 53 Für den Rechtsschutz der unterlegenen (oder im Falle einer unzulässigen Direktvergabe

übergangenen) Bieter sind die ordentliche Gerichte zuständig; namentlich die nach den jeweiligen landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnungen für Kartellsachen zuständigen Landgerichte. Dies folgt aus der materiell-rechtlichen Einordnung der Kommunen als marktbeherrschende Unternehmen im Rahmen der Trinkwasserkonzessionsvergabe.69 54 Vor den ordentlichen Gerichten können die am Konzessionierungsverfahren beteiligten Unternehmen daher grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und § 31b Abs. 6 GWB geltend machen, um einen unrechtmäßigen Zuschlag zu verhindern. Wenn gemäß §§ 935, 940 ZPO ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden kann, kann dieser Anspruch auch auf dem Wege eines Antrags auf einstweilige Verfügung geltend gemacht werden.70 Gegen einen bereits geschlossenen Konzessionsvertrag bleibt die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit; an der Konzessionsvergabe interessierte und fachlich in Betracht kommende Unternehmen haben diesbezüglich regelmäßig ein Feststellungsinteresse, weil sie bei ordnungsgemäßer Ausschreibung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätten.71 55 Der früher geführte Streit, ob für Dienstleistungskonzessionen der Rechtsweg zu den Zivilgerichten oder den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, dürfte damit erledigt sein. 56 Aus § 149 Nr. 9 GWB folgt, dass die Regelungen für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren insgesamt keine Anwendung finden. Das gilt namentlich für die Präklusionsvorschriften der §§ 135, 160 GWB, die auch keine analoge Anwendung finden. Die Wasserkonzessionsvergabe kennt grundsätzlich keine Rügepräklusion72 und keine Antragsfristen. Das ist höchstrichterlich geklärt.73

66 Herten-Koch, EWeRK 2013, 248 f.; Landeskartellbehörde Niedersachsen, „Hinweise zur Vergabe von Wasserkonzessionsverträgen gemäß §§ 31, 31a GWB“ v. 17.4.2019, S. 9, abrufbar unter: https://www.mw. niedersachsen.de/download/143751/Hinweise_zur_Vergabe_von_Wasserkonzessionsvertraegen.pdf. 67 EuGH, Urteil v. 13.4.2010 – C 91/08 – „Wall AG./.Frankfurt a. M.“ = IBRRS 2010, 1287 Rn 39. 68 EuGH, Urteil v. 9.3.2006 – C-323/03 – „Kommission./.Spanien“ = NZBau 2006, 386, zu einem 20 Jahre andauernden Konzessionsvertrag. 69 Vgl. Kapitel 7 B. I. 3. 70 OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. Juni 2018 – VI-2 U 7/16 (Kart) – juris Rn 81. 71 OLG Naumburg, Urteil v. 3.6.2022 – 7 U 6/22 – Blatt 5 des UA. 72 Bieter sind dennoch gut beraten, erkannte Rechtsverstöße zügig zu rügen oder Rechtsschutz zu suchen. 73 BGH, Urteil v. 7. September 2021 – EnZR 29/20 = NZBau 2022, 111, 113 Rn 23 m. w. N. aus der Rechtsprechung des BGH.  









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C. Inhalt von Wasserkonzessionsverträgen

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Ein Einwendungsausschluss kann sich daher allenfalls aus § 242 BGB durch Verwir- 57 kung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung ergeben. Das setzt aber sowohl ein Zeitmoment (also eine Untätigkeit über einen längeren Zeitraum) als auch ein Umstandsmoment voraus. Ein solches liegt nur vor, wenn das klagende Unternehmen einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, aufgrund dessen die beklagte Kommune annehmen durfte, der Kläger werde die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags nicht mehr geltend machen. Daran fehlt es jedenfalls, wenn der Kläger zuvor seine Rechtsauffassung, die Konzessionsvergabe sei rechtswidrig, aufrechterhalten hat.74 Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des BGH ist davon auszugehen, dass die 58 Nichtigkeit eines rechtswidrig geschlossenen Konzessionsvertrags für einen langen Zeitraum geltend gemacht werden kann.75 Der Verzicht auf ein Ausschreibungsverfahren führt daher für die Kommunen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Auch insoweit zeigt sich, dass die Ausnahme vom Vergaberecht nicht nur privilegiert, da die (für die kommunalen Auftraggeber sehr vorteilhaften) kurzen Rechtsschutz- bzw. Präklusionsfristen entfallen. Diese sind aber auch im Vergaberecht nur „eine Seite der Medaille“ und nur mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, weil sie mit den (bieterschützenden) strikten Informations- und Stillhaltepflichten der öffentlichen Auftraggeber korrespondieren.

C. Inhalt von Wasserkonzessionsverträgen I. Konzessionsabgabenrecht 1. Rechtsgrundlage Gemäß § 117 EnWG gilt für die Belieferung von Letztverbrauchern im Rahmen der öf- 59 fentlichen Wasserversorgung § 48 EnWG entsprechend. Maßgeblich ist der Verweis auf § 48 Abs. 2 EnWG, der eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung auch für den Wasserbereich schafft. Parallel zu den Vorgaben für den Strom- und Gasbereich in der seit dem 1.1.1992 geltenden Konzessionsabgabenverordnung (KAV), könnten somit die Zulässigkeit und Bemessung der Konzessionsabgaben für den Wasserbereich neu geregelt werden. Bislang gelten für den Wasserbereich die Vorgaben aus der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Kommunen und Kommunalverbände76 und ihren Ausführungs- und Durchführungsbestimmungen77 fort.

74 BGH, Urteil v. 7. September 2021 – EnZR 29/20 = NZBau 2022, 111, 113 Rn 26 f. 75 Um die Klagemöglichkeit zu erhalten, sind unterlegene Bieter gut beraten, ihre Rechtsposition zügig geltend zu machen und aufrecht zu erhalten. 76 Konzessionsabgabenanordnung (KAE) v. 4.3.1941, RAnz 1941, Nr. 57, 120, zuletzt geändert durch § 9 V. v. 9.1.1992 (BGBl. I S. 12). 77 A/KAE, D/KAE v. 27.2.1943, RAnz 1943, Nr. 75, zuletzt geändert durch § 9 V. v. 9.1.1992 (BGBl. I S. 12).  





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Kapitel 7. Wasserversorgung

2. Vorgaben aus der Konzessionsabgabenanordnung 60 Bei der Konzessionsabgabenanordnung vom 4.3.1941 (KAE) handelt es sich um eine Re-

gelung des Preisrechts mit dem Ziel, bestimmte, als angemessen erachtete Grenzen durch Konzessionsabgaben nicht zu überschreiten. Sie galt ursprünglich für die Bereiche Elektrizität, Gas und Wasser. Die Erhebung von Konzessionsabgaben nach der Konzessionsabgabenanordnung war nur als Übergangslösung gedacht. Dies wird aus der Regelung in § 2 Abs. 2 S. 2 KAE deutlich. Darin heißt es, dass die Konzessionsabgaben in den folgenden Jahren weiter herabgesetzt und in angemessener Frist ganz beseitigt werden. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen.78 61 Die Rechtsgültigkeit der Konzessionsabgabenanordnung wurde wiederholt von den obersten Gerichten bestätigt.79 Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 20.11.1990 das Verbot der Neueinführung von Konzessionsabgaben (§ 1 Abs. 1 KAE) für nichtig erklärt, im Übrigen aber festgestellt, dass die Rechtsgültigkeit der Konzessionsabgabenanordnung dadurch nicht berührt wird.80 62 Vergleichbar zum Strom- und Gasbereich enthält § 6 KAE ein Nebenleistungsverbot. 63 Gemäß § 6 Abs. 1 KAE dürfen Kommunen, Kommunalverbände oder Zweckverbände Finanzzuschläge oder sonstige Leistungen (z. B. Verwaltungskostenbeiträge, Sachleistungen) von Versorgungsunternehmen neben oder anstelle von Konzessionsabgaben nicht mehr erheben. Diese Regelung steht jedoch der Vereinbarung sonstiger Leistungen insoweit nicht entgegen, als – durch die Zahlung von Verwaltungskostenbeiträgen Aufwendungen abgegolten werden sollen, die die Kommunen auf Verlangen oder zum Vorteil der Versorgungsunternehmen machen, – Sachleistungen zu einem Preis angerechnet werden, den sonstige Abnehmer mit gleichen Abnahmeverhältnissen zu zahlen haben (§ 6 Abs. 3 KAE).  

64 Die vorgenannten Leistungen der Versorgungsunternehmen sind zulässig, da ihnen

eine Gegenleistung der Kommune gegenübersteht, die über die Einräumung des Wegenutzungsrechts hinausgeht. Diese Regelungen entsprechen den Vorgaben für das Nebenleistungsverbot im Strom- und Gasbereich in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV und in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV.

78 Kritisch zur Fortgeltung der kartellrechtlichen Bereichsausnahme für die Wasserversorgung Markert, N&R 2009, 118 ff. 79 BGH, Urteil v. 22.10.1954 – I ZR 226/53 = NJW 1955, 104 f.; BVerwG, Urteil v. 12.10.1965 – VII C 115.63 – BeckRS 1965, 104281. 80 BVerwG, Urteil v. 20.11.1990 – 1 C 30.89 = NVwZ 1991, 1192, 1194.  



von Lucius

619

C. Inhalt von Wasserkonzessionsverträgen

3. Weitere Vorgaben aus den Anordnungs- und Durchführungsbestimmungen zur KAE Aus den Anordnungs- und Durchführungsbestimmungen zur KAE sind folgende weitere 65 Vorgaben zu beachten:

a) Konkretisierung des Nebenleistungsverbots § 10 A/KAE konkretisiert, welche Leistungen nicht als sonstige Leistungen i. S. d. § 6 KAE 66 anzusehen sind und damit nicht unter das Nebenleistungsverbot fallen. Sodann benennt § 12 A/KAE weitere Leistungen, die nicht als verbilligte Sachleistun- 67 gen gelten. Hierzu zählen unentgeltliche oder verbilligte Wasserlieferungen für Feuerlösch- und Feuerlöschübungszwecke, für Zwecke der Straßenreinigung und für öffentliche Zier- und Straßenbrunnen sowie die verbilligte oder kostenlose Errichtung und Unterhaltung von Anlagen für Löschwasserversorgung und Feuerschutz durch ein Wasserwerk. Eine Umsetzung dieser Regelung erfolgt regelmäßig durch eine ausdrückliche Bestimmung im Konzessionsvertrag in Bezug auf Feuerlöschwasser. Als Verbilligung einer Sachleistung gilt ferner nicht ein Preisnachlass für den Eigen- 68 verbrauch der Kommunen, wenn er – nach Hundertsätzen des Rechnungsbetrags bemessen wird und 10 vom Hundert des Rechnungsbetrages nicht übersteigt, – für alle Abnahmestellen einer Kommune, deren Verbrauch nach allgemeinen Tarifen abgerechnet wird, gleich hoch ist und – von dem nach allgemeinen Tarifpreisen ermittelten Rechnungsbetrag sichtbar in Abzug gebracht wird, sog. Gemeinderabatt (§ 12 Abs. 2 A/KAE).  



b) Unzulässige Heimfallverpflichtungen Gemäß § 13 A/KAE gelten ausdrücklich Heimfallverpflichtungen als verbilligte Sachleis- 69 tungen. Unter einer Heimfallverpflichtung versteht man die Verpflichtung eines Versorgungsunternehmens, nach Ablauf des Konzessionsvertrages seine Anlagen unentgeltlich oder gegen eine nur teilweise Entschädigung auf die Kommune zu übertragen. Der Wert, den ein Heimfallrecht besitzt, besteht in dem Sachzeitwert, den die unentgeltlich heimfallenden Anlagen zum Zeitpunkt des Heimfalls besitzen, oder wenn ein Entgelt zu zahlen ist, in der Differenz zwischen dem Sachzeitwert und dem zu zahlenden Entgelt.81 In älteren Konzessionsverträgen waren solche Heimfallverpflichtungen häufig zu finden. Nach § 13 A/KAE gelten sie als verbilligte Sachleistungen, die gemäß § 6 Abs. 1 KAE nicht mehr zulässig sind.

81 Morell, S. 125. von Lucius

620

Kapitel 7. Wasserversorgung

c) Keine Tarifordnung mit allgemeinen Bedingungen und Tarifpreisen 70 Für den Wasserbereich besteht ferner keine Tarifordnung mit allgemeinen Bedingun-

gen und Tarifpreisen, wie sie für den Strom- und Gasbereich mit den Bundestarifordnungen Elektrizität und Gas vorhanden waren. § 2 Abs. 3 KAE bestimmt, dass hier die Preise maßgebend sind, die den allgemeinen Tarifpreisen der anderen Sparten entsprechen. Dies wird in § 5 Abs. 1 A/KAE konkretisiert.

II. Keine im Gesetz vorgegebene Laufzeitbegrenzung 71 Anders als im Strom- und Gasbereich (§ 46 Abs. 2 S. 1 EnWG) findet sich für den Wasser-

bereich keine gesetzliche Laufzeitbegrenzung. Obwohl es keine ausdrücklich im Gesetz vorgegebene Laufzeitbegrenzung für Konzessionsverträge in der Wasserversorgung gibt, sind auch in diesem Bereich langfristige ausschließliche Vertragsbindungen Schranken unterworfen. Diese Schranken ergeben sich aus kartellrechtlicher sowie kommunalordnungsrechtlicher Sicht. 73 So sind langfristige ausschließliche Vertragsbindungen kartellrechtlich problematisch, da sie im Geschäftsverkehr regelmäßig eine Beschränkung des Nachfrage- und Anbieterwettbewerbs bewirken. Eine überlange Laufzeit kann deshalb als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten gegen die §§ 19, 20 Abs. 1 GWB und gegen Art. 102 AEUV verstoßen. 74 Die Kommunen sind ferner nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gehalten, von Zeit zu Zeit günstigere Alternativen zu suchen und Leistungen neu auszuschreiben. Dies gilt ebenso für den Abschluss von Wegenutzungsverträgen. Daher sollten auch für Konzessionsverträge in der Wasserversorgung keine überlangen Vertragslaufzeiten vereinbart werden. Als Orientierungsgröße darf dabei ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren gelten, den das OLG Düsseldorf für (noch) zulässig erachtet hat.82 72

82 OLG Düsseldorf, Urteil v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 (Kart) = WuW 2019, 37, 40 Rn 101. von Lucius

Kapitel 8 Wasserstoffkonzessionen Wasserstoff gewinnt im Zuge der Dekarbonisierung der Energieerzeugung immer mehr 1 an Bedeutung. Die Nationale Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020 plant einen deutlichen Hochlauf.1 Wasserstoff soll danach bis 2030 vorrangig in Bereichen wie bspw. der Stahl- und Chemieindustrie eingesetzt werden, die sich nicht anders dekarbonisieren lassen, und längerfristig auch in Teilen des Wärmemarkts.2 Die Nationale Wasserstoffstrategie geht dabei von einem Wasserstoffbedarf im Jahr 2030 von 90 bis 110 Terrawattstunden aus.3 Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition von 2021 setzt demgegenüber ambitioniertere Ziele, die einen größeren und schnelleren Zuwachs des Wasserstoffbedarfs zur Folge hätten.4 In den nächsten Jahren soll dazu eine Wasserstoffnetzinfrastruktur aufgebaut wer- 2 den.5 Bis Wasserstoff in großem Stil durch eigene Wasserstoffnetze fließt, ist es aber noch ein weiter Weg. Teilweise sollen bestehende Erdgasleitungen umgenutzt werden und teilweise sollen neue Leitungen gebaut werden.6 In den Verteilernetzen wird es voraussichtlich keinen direkten Umstieg auf Wasserstoff von heute auf morgen geben. Der Weg der Umrüstung auf ein reines Wasserstoffnetz führt nach den bisherigen Planungen der Verteilnetzbetreiber über eine schrittweise Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz.7 Die vorhandenen Erdgasleitungen sind in der Regel auch für Wasserstoff geeignet (sog. H2-ready), sodass diesbezüglich keine größeren Investitionen erforderlich sind.8 Bei anderen Anlagen des Erdgasnetzes können aber unter anderem aufgrund höherer Durchflussgeschwindigkeiten Umrüstungen erforderlich sein. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der Beimischung von Wasserstoff in 3 das bestehende Erdgasnetz und reinen Wasserstoffnetzen. Die Beimischung wird wie Erdgas behandelt. Reine Wasserstoffnetze sind gesondert geregelt. Mit Blick auf den Markthochlauf sind die regulatorischen Vorgaben für reine Wasserstoffnetze im EnWG bewusst zurückhaltend geregelt, um eine Überregulierung zu vermeiden.9 Mit der geplanten Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie sollen Wasserstoffnetze auch im Unionsrecht normiert werden. Anders als im deutschen Recht soll sich die Regelungstiefe zwischen Gasnetzen und Wasserstoffnetzen nicht wesentlich unterscheiden. Inhaltlich

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 5 ff. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 5. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 5. Vgl. Koalitionsvertrag 2021, S. 21, 46 f. Vgl. Eröffnungsbilanz Klimaschutz, S. 20. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 13. Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, S. 37 f. m. w. N. Vgl. Ausschussdrucks. d. Deutschen Bundestags 19(9)1021 vom 9.4.2021, S. 1. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 118.

Vaulont https://doi.org/10.1515/9783110531909-028











622

Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

sieht der Entwurf der Gasbinnenmarktrichtlinie10 aber einige grundlegende Abweichungen gegenüber den Vorschriften für Gasnetzen vor. Im Nachgang der Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie dürfte auch das nationale Recht überarbeitet werden und die Regelungstiefe deutlich zunehmen.

A. Beimischung von Wasserstoff in Gasnetzen 4 Nach der heutigen Rechtslage ist eine Beimischung von Wasserstoff in den bestehenden

Gasnetzen teilweise möglich.

I. EnWG-Novelle 2011 5 Mit der Novelle des EnWG im Jahr 2011 änderte der Gesetzgeber den Gasbegriff in § 3

Nr. 19a EnWG.11 Seitdem umfasst die Gasdefinition des EnWG auch Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist. Wasserstoff kann auf dieser Grundlage in einem bestehenden Gasnetz dem Erdgas beigemischt werden, wobei es regulatorisch wie Erdgas behandelt wird. 6 Diese Gasdefinition ist auch für Gaskonzessionsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG maßgeblich. Konzessionsverträge, die zeitlich nach dieser Gesetzesänderung abgeschlossen wurden, beinhalten damit die notwendigen Wegerechte zum Betrieb eines Erdgasnetzes, in dem Wasserstoff, der mittels Wasserelektrolyse erzeugt wurde, beigemischt wird. 7 Aber auch Konzessionäre, deren Gaskonzessionsverträge vor der Änderung des Gasbegriffs abschlossen wurden, haben die Wegerechte für eine Beimischung nach der heutigen gesetzlichen Gasdefinition. Konzessionsverträge gemäß § 46 Abs. 2 EnWG sind eng mit den regulatorischen Vorgaben verknüpft. Betreiber von Energieversorgungsnetzen müssen die aktuell geltenden Vorgaben in ihrem gesamten Netz einheitlich einhalten und haben bspw. auch nach Übernahme eines anderen Energieversorgungsnetzes gemäß § 26 Abs. 1 EnWG weiterhin nur eine Erlösobergrenze. Dies strahlt auch auf den Regelungsgehalt der Konzessionsverträge aus. Diese werden, obwohl sie zwischen der Kommune und dem Konzessionär in der Regel als privatrechtliche Vereinbarung12 mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren abgeschlossen werden, durch geänderte energiewirtschaftsrechtliche Regelungen eingeschränkt, erweitert oder angepasst. Andernfalls würden bei Netzbetreibern mit mehreren Konzessionen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten vergeben wurden, entsprechend der jeweiligen Rechtslage zum Zeitpunkt der

10 Vgl. EU‐Kommission, Richtlinienvorschlag COM/2021/803 final vom 15.12.2021. 11 BGBl. 2011 I S. 1554. 12 Vgl. Säcker/Wegner, EnWG, § 46 Rn 52 m. w. N.  



Vaulont

A. Beimischung von Wasserstoff in Gasnetzen

623

Konzessionsvergabe unterschiedliche Vorgaben für die einzelnen Konzessionsgebiete gelten. Dies würde aber den regulatorischen Vorgaben und der gesetzgeberischen Vorstellung eines einheitlichen Netzes zuwiderlaufen. Änderungen des gesetzlichen Gasbegriffs betreffen damit auch alle Konzessionsverträge, die bereits zuvor abgeschlossen wurden. Alle Gaskonzessionäre haben demnach auch die Wegerechte für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im jeweiligen Konzessionsgebiet mit Erdgas, dem Wasserstoff im Sinne des § 3 Nr. 19a EnWG beigemischt wurde. Für die Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz sind in technischer Hinsicht 8 wohl keine zusätzlichen Fähigkeiten erforderlich, sodass ein Gasnetzbetreiber auch über das erforderliche Wissen für eine Beimischung verfügen müsste. Vor einer Beimischung ist daher keine erneute Prüfung der Eignung und Zuverlässigkeit des Netzbetreibers durch die gemäß § 4 Abs. 1 EnWG zuständige Behörde erforderlich. Die bestehende Genehmigung des Netzbetriebs deckt damit auch die Beimischung von Wasserstoff ab.

II. Erzeugungsart maßgeblich Wasserstoff kann auf verschiedenen Wegen erzeugt werden. Es ist daher nicht technolo- 9 gieneutral, dass der Gasbegriff in § 3 Nr. 19a EnWG auf die Beimischung von Wasserstoff begrenzt ist, der mittels Wasserelektrolyse erzeugt wurde. Bei der Herstellung mittels Wasserelektrolyse wird Wasser in einem Elektrolyseur 10 unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten.13 Wird der Elektrolyseur mit erneuerbaren Energien betrieben, wird der erzeugte Wasserstoff als grüner Wasserstoff bezeichnet. Momentan sind die Kapazitäten zur Herstellung von grünem Wasserstoff aber noch sehr begrenzt und die Erzeugungskosten vergleichsweise hoch.14 Bei der derzeitig vorherrschenden Herstellungsmethode wird Erdgas durch Dampf- 11 reformierung in Wasserstoff und CO2 aufgespalten, wobei das CO2 in die Atmosphäre entweicht.15 Diese Form des Wasserstoffs wird grauer Wasserstoff genannt. Wird das bei der Dampfreformierung anfallende CO2 hingegen abgeschieden und dauerhaft eingespeichert, sodass es nicht zur Erderhitzung beiträgt, spricht man von blauem Wasserstoff.16 In einer anderen Herstellungsmethode fällt bei der Aufspaltung von Erdgas in Wasserstoff fester Kohlenstoff an, der sich einfacher einlagern lässt als gasförmiges CO2.17 Die Bezeichnung für den auf diesem Wege erzeugten Wasserstoff ist türkisener Wasserstoff.18

13 14 15 16 17 18

Vgl. IKEM, S. 6. Vgl. BT-Drs. 20/160, S. 398 f., m. w. N. Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, S. 6, 15. Vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung, S. 4. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 29. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 29.

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

Daneben gibt es noch weitere Herstellungsmethoden von Wasserstoff.19 Die weiteren Farbbezeichnungen betreffen vor allem die Erzeugungsart des Stroms, mit dem ein Elektrolyseur betrieben wird.20 13 Während die Bundesregierung mittel- bis langfristig den Bedarf rein mit regenerativ erzeugtem grünem Wasserstoff decken möchte, geht sie davon aus, dass kurz- bis mittelfristig vor allem blauer Wasserstoff benötigt wird.21 Dieser wird jedoch von dem aktuellen Gasbegriff des EnWG in § 3 Nr. 19a nicht erfasst. Seine Beimischung in das bestehende Erdgasnetz ist daher momentan regulatorisch nicht möglich22 und auch die Gaskonzessionsverträge gemäß § 46 Abs. 2 EnWG geben den Netzbetreibern kein Wegerecht zum Betrieb von Leitungen, in denen Wasserstoff eingespeist wird, der auf einem anderen Wege als mittels Wasserelektrolyse erzeugt wurde. 14 Nur mit einer Änderung des Gasbegriffs im EnWG wäre die Beimischung von Wasserstoff unabhängig der Erzeugungsart möglich. Bis dahin bleiben u. a. der graue und der blaue Wasserstoff, aber auch der aus Biogas erzeugte, biogene Wasserstoff (teilweise auch als oranger Wasserstoff bezeichnet23) ausgeschlossen. Ein Grund für diese Begrenzung auf bestimmte Erzeugungsarten ist nicht ersichtlich und wird auch in der Gesetzesbegründung24 nicht genannt. In ihrem Koalitionsvertrag von 2021 kündigte die Bundesregierung an, „für einen schnellen Hochlauf und bis zu einer günstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff […] auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik“ zu setzen.25 Es ist daher zu erwarten, dass der Gasbegriff in den nächsten Jahren technologieneutral novelliert wird und dann Wasserstoff unabhängig von dessen Erzeugungsart beigemischt werden kann. 12



III. Vertragliche Regelungen 15 Für Gaskonzessionsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG ist der gesetzliche Gasbegriff aus § 3

Nr. 19a EnWG maßgeblich. Die Verträge beinhalten das Wegerecht für die Beimischung von Wasserstoff in das Gasnetz, soweit dies von der gesetzlichen Regelung erfasst ist. Eine gesonderte vertragliche Regelung, die eine Beimischung von Wasserstoff ausdrücklich erlaubt, ist nicht erforderlich. 16 Es ist grundsätzlich denkbar, dass eine Kommune dem jeweiligen Gaskonzessionär ausdrücklich die Wegerechte auch für Wasserstoffbeimischung unabhängig von der Herstellungsart einräumt. Damit hätte dieser zwar die Wegerechte für die Beimischung

19 20 21 22 23 24 25

Vgl. BT-Drs. 20/160, S. 398 f. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 29. Vgl. Nationale Wasserstoffstrategie, S. 3. Vgl. Regulierung von Wasserstoffnetzen, S. 28, Fn. 14. Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, S. 4 f. Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 50. Vgl. Koalitionsvertrag 2021, S. 59 f.  





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B. Reine Wasserstoffnetze

625

bspw. von blauem Wasserstoff. Die regulatorischen Vorgaben beschränken sich aber auf den gesetzlichen Gasbegriff in § 3 Nr. 19a EnWG und lassen keine davon abweichenden Gase zu. Sie verhindern damit eine weitergehende Wasserstoffbeimischung. Eine Nutzung etwaiger weitergehender Wegerechte ist daher nicht möglich und eine Vereinbarung über zusätzliche Wegerechte zwischen der Kommune und dem Gaskonzessionär bietet keinen Vorteil. Es gibt demzufolge einen Gleichlauf der Wegerechte und der regulatorischen Grenzen bzgl. einer Beimischung. Sobald der gesetzliche Gasbegriff novelliert und bspw. technologieneutral gefasst werden würde, würden damit auch die Wegerechte der Gaskonzessionäre entsprechend angepasst bzw. erweitert. Die Regelungen des Gaskonzessionsvertrags gelten vollumfänglich auch im Falle 17 einer Wasserstoffbeimischung, sodass sich aus Sicht der Kommune damit nichts ändert. Insbesondere ist auch die Konzessionsabgabe nach der Konzessionsabgabenverord- 18 nung (KAV) in der vereinbarten Höhe vom Konzessionär weiterhin an die Kommune zu bezahlen. Dies folgt daraus, dass auch für die Konzessionsabgabenverordnung der Gasbegriff gemäß § 3 Nr. 19a EnWG maßgeblich ist. Unerheblich ist dabei, dass der Brennwert von Wasserstoff niedriger ist als der von Erdgas. Für eine Kilowattstunde muss ungefähr drei Mal so viel Wasserstoff im Vergleich zu Erdgas durch die Leitung fließen.26 Der Verordnungsgeber stellte für die Konzessionsabgabe in § 2 KAV bewusst auf die Energiemenge und nicht auf die durchgeleitete Gasmenge ab. Der geringere Brennwert von Wasserstoff wirkt sich daher nicht auf die zu zahlende Konzessionsabgabe aus. Da die Wasserstoffbeimischung wie reines Erdgas behandelt wird, ergeben sich aus 19 Sicht der Kommunen mit einer Beimischung von Wasserstoff keine Änderungen gegenüber dem Betrieb eines reinen Erdgasnetzes.

B. Reine Wasserstoffnetze I. Rechtliche Grundlagen 1. EnWG-Novelle 2021 Der Gesetzgeber schuf mit der Novelle des EnWG im Jahr 2021 die Kategorie der reinen 20 Wasserstoffnetze nach § 3 Nr. 39a EnWG.27 Damit wollte er den Markthochlauf von Wasserstoff ermöglichen und zur Umsetzung der deutschen Wasserstoffstrategie erste regulierungsrechtliche Grundlagen für eine Wasserstoffnetzinfrastruktur schaffen.28 Die Regelungen sind ausdrücklich Übergangsregelungen bis zu dem angekündigten gemeinsamen Ordnungsrahmen auf EU-Ebene.29 Infolge dieser zu erwartenden EU-Vor-

26 27 28 29

Vgl. TÜV Süd. BGBl. 2021 I S. 3026. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 2. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 2.

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626

Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

gaben und den Erfahrungen der nächsten Jahre mit der Umsetzung der Wasserstoffstrategie seien diese Regelungen in der Zukunft anzupassen.30

a) Gesetzlicher Begriff des Wasserstoffnetzes 21 Nach der Definition des § 3 Nr. 39a EnWG müssen die Wasserstoffnetze, wie die Energie-

versorgungsnetze der allgemeinen Versorgung, von ihrer Dimensionierung so ausgelegt sein, dass sie nicht nur feststehenden oder bestimmbaren Kunden offenstehen, sondern einer unbestimmten Anzahl an Kunden zur Verfügung stehen. Ein Netz, das diese Anforderungen nicht erfüllt und bspw. nur für bestimmte Kunden ausgelegt ist, ist daher kein Wasserstoffnetz im Sinne des § 3 Nr. 39a EnWG. 22 In diese Netze darf nur reiner Wasserstoff ohne weitere Beimischungen eingespeist werden.31 Anders als bei der Beimischung in einem Gasnetz ist die Herstellungsart des Wasserstoffs bei einem Wasserstoffnetz nicht relevant. Diese Technologieneutralität wird teilweise als wichtiger Baustein für die Markthochlaufphase gesehen32, dem die Beschränkungen für die Beimischung aber Grenzen setzen dürften. Da nach den bisherigen Plänen der Verteilnetzbetreiber die Umstellung auf Wasserstoffnetze in der Regel zunächst in einem Zwischenschritt über die Beimischung von Wasserstoff in den bisherigen Netzen verläuft, dürfte die Begrenzung auf Wasserstoff aus Wasserelektrolyse im Hinblick auf die ohnehin knappen Wasserstoffmengen einen zusätzlichen Flaschenhals darstellen.

b) Anwendung der Regelungen für Strom- und Gasnetze auf Wasserstoffnetze 23 Auf die eigenständige Kategorie der Wasserstoffnetze finden die meisten Regelungen für die Strom- und Gasnetze keine Anwendung. Das EnWG unterscheidet bspw. bei Wasserstoffnetzen nicht zwischen der Transport- und der Verteilnetzebene mit ihren jeweils unterschiedlichen Funktionen. Es gibt daher auch keine Regelungen, die eine Trennung der überörtlichen Transportleitungen von den örtlichen Verteilnetzen vorschreiben. 24 Nach dem neu eingefügten § 28j Abs. 1 S. 1 EnWG sind nur die Regelungen des Teils 5 des EnWG zur Planfeststellung und Wegenutzung sowie die Regelungen zu Behörden und Verfahren nach den Teilen 7 und 8 in Bezug auf die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Wasserstoffnetzen anwendbar. Zahlreiche grundlegende Regelungen in Bezug auf den Strom- und Gasnetzbetrieb finden daher keine Anwendung auf Wasserstoffnetze. Beispielsweise erfordert die Aufnahme des Betriebs eines Wasserstoffnetzes keine Genehmigung nach § 4 EnWG. Anders als bei Strom- und Gasnetz-

30 Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 2. 31 Vgl. Büdenbender, RdE 2022, 102, 104. 32 Vgl. Büdenbender, RdE 2022, 102, 105. Vaulont

B. Reine Wasserstoffnetze

627

betreibern wird daher nicht in einem behördlichen Genehmigungsverfahren vorab überprüft, ob ein Wasserstoffnetzbetreiber die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt, um den Netzbetrieb entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf Dauer zu gewährleisten. Es besteht nach § 113c Abs. 3 EnWG lediglich eine Anzeigepflicht bei der Umrüstung einer Erdgasleitung auf Wasserstoff, bei der nachzuweisen ist, dass die Beschaffenheit der genutzten Leitung den Anforderungen des § 49 Abs. 1 EnWG entspricht. Auch die Regelungen zu einer Anschlusspflicht in den §§ 17, 18 EnWG finden keine Anwendung auf Wasserstoffnetze.

c) Wegerechte Die Wegerechte für Leitungen zum Transport von Wasserstoff und für Wasserstoffnetze 25 sind nicht klar und eindeutig im EnWG geregelt.33 Nach § 28j Abs. 1 EnWG findet der Teil 5 des EnWG Anwendung auf Wasserstoffnetze. Zudem finden sich in den §§ 113a bis 113c EnWG Regelungen zur Überleitung von Wegenutzungsrechten auf Wasserstoffleitungen.34 Teilweise wird der Verweis auf Teil 5 in § 28j Abs. 1 EnWG so verstanden, dass auch 26 die §§ 46 ff. EnWG auf die Vergabe von Wegerechten Anwendung finden.35 Allerdings wies der Bundesrat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens darauf hin, dass es nach der Regelung des § 28j EnWG und der Gesetzesbegründung nicht eindeutig sei, ob die Wegenutzungsrechte für Wasserstoffnetze nach den §§ 46 ff. EnWG vergeben werden.36 Er forderte daher, die Regelung in § 113a Abs. 3 EnWG neu zu fassen, damit diese ausdrücklich die entsprechende Anwendung der §§ 46 bis 48 EnWG für die Vergabe von Wegerechten für Wasserstoffnetze regelt.37 Diesen Änderungsvorschlag lehnte die Bundesregierung ab, da er aus fachlicher Sicht nicht überzeugend sei.38 Eine derartige Rechtsgrundverweisung könne so im Bereich der Wasserstoffversorgung nicht zur Anwendung kommen. Zudem seien an die Vergabe von Konzessionsverträgen weitere Rechtsfolgen in den §§ 46 ff. EnWG geknüpft, die in der Markthochlaufphase von Wasserstoff als Überregulierung einzustufen seien.39 Es sei daher falsch, das gesamte Wegenutzungsrecht für Strom- und Gasnetze auf Wasserstoffnetze zu übertragen.40 Wäre die Bundesregierung davon ausgegangen, dass bereits aufgrund des Verwei- 27 ses auf Teil 5 in § 28j Abs. 1 EnWG die Vergabe von Wegerechten für Wasserstoffnetze nach den §§ 46 ff. EnWG erfolgen müsste, hätte der Bundesrat mit seinem Änderungs 







33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 156 m. w. N. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 63. Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 164 m. w. N. Vgl. BR-Drs. 165/21(B), S. 26. Vgl. BR-Drs. 165/21(B), S. 26 f. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28.

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

vorschlag lediglich die bestehende Rechtslage wiederholt. Die Bundesregierung hätte sich kaum von dem Änderungsvorschlag derartig deutlich distanziert und ihn inhaltlich abgelehnt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Bundesregierung in ihren Überlegungen zwischen der erstmaligen Vergabe von Wegerechten für den Aufbau eines neuen Wasserstoffnetzes und der erneuten Vergabe von Wegerechten für ein bestehendes Wasserstoffnetz differenzieren wollte. Ihre Gegenäußerung könnte daher als Klarstellung zu verstehen sein, dass der Verweis auf Teil 5 in § 28j Abs. 1 EnWG nicht zu einer Anwendung der §§ 46 ff. EnWG bei der Vergabe von Wegerechten für Wasserstoffnetze führen soll. Letztlich ist diese Frage aber bislang nicht entschieden. Infolge der absehbaren Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie dürften die nationalen Regelungen zu den Wasserstoffnetzen grundlegend überarbeitet und deutlich detaillierter werden. Es ist zu erwarten, dass im Zuge dessen auch die Vergabe von Wegerechten für Wasserstoffnetze im Rahmen von Konzessionsvergabeverfahren ausdrücklich geregelt wird. 28 Die Überleitung von bestehenden Wegerechten auf Wasserstoffnetze richtet sich nach § 113a EnWG. Danach gelten bestehende Wegrechte im Falle einer Umstellung auf ein Wasserstoffnetz fort. Gestattungsverträge und beschränkt persönliche Dienstbarkeiten für die Errichtung und den Betrieb von Gasversorgungsleitungen sind nach § 113a Abs. 1 EnWG im Zweifel so auszulegen, dass von ihnen auch die Errichtung und der Betrieb von Leitungen zum Transport von Wasserstoff umfasst ist. Aufgrund des Wortlauts der Regelung ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine reine Auslegungsregel handelt, welche dann Anwendung findet, wenn der Wortlaut der Gestattungsverträge bzw. der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist („im Zweifel“). Soweit sich diese jedoch ausdrücklich auf „Erdgas“ und nicht auf „Gas“ beziehen, dürfte eine Auslegung als Wasserstoff daher nicht in Frage kommen.41 29 Wegenutzungsverträge nach § 46 EnWG werden demgegenüber von der spezielleren Norm des § 113a Abs. 2 EnWG erfasst.42 Im Falle einer Umstellung auf Wasserstoff gelten danach die Regelungen des bestehenden Wegenutzungsvertrags bis zu dem Ende der vereinbarten Laufzeit fort. Es ist auch möglich, nur einzelne Leitungen eines Gasnetzes zu Wasserstoffleitungen umzurüsten.43 Da es sich bei § 113a Abs. 2 EnWG im Gegensatz zu Abs. 1 nicht um eine Auslegungsregel, sondern um eine gesetzlich bewirkte Anpassung der bestehenden Verträge handelt,44 ist es unerheblich, ob sich der ursprüngliche Wegenutzungsvertrag ausdrücklich auf „Erdgas“ beschränkt. Dies gilt auch für Wegenutzungsverträge nach § 46 EnWG, die nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung abgeschlossen wurden. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der auch in der Überschrift der Norm zum Ausdruck kommt, dient die Regelung des § 113a EnWG  

41 Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 157 m. w. N.; Riege, EnWZ 2021, 387, 394. 42 Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 158 m. w. N. 43 Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28. 44 Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 138; Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 158 m. w. N.; Stelter/Schieferdecker/Lange, EnWZ 2021, 99, 104.  











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B. Reine Wasserstoffnetze

629

der Überleitung bestehender Wegerechte für Gasleitungen und -netze auf Wasserstoffleitungen und -netze.45 Dementsprechend findet sich im Gesetzeswortlaut keine Stütze für die insoweit einschränkende Auffassung46, die nur Wegenutzungsverträge erfassen will, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden. Soweit die Gesetzesbegründung zu § 113a Abs. 2 EnWG an „bestehende“ Verträge anknüpft,47 bezieht sich dies auf den Zeitpunkt der Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff und nicht den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 27.7.2021. Andernfalls könnten bestehende Gasinfrastrukturen nicht ohne gesonderte Vereinbarungen über die Wegerechte auf Wasserstoff umgestellt werden, sofern der ursprüngliche Wegerechtsvertrag erst nach diesem Datum geschlossen wurde. Dies würde dem gesetzgeberischen Ziel, den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur zu erleichtern und bestehende Erdgasleitungen umzurüsten,48 zuwiderlaufen. Das Datum des Vertragsschlusses im Verhältnis zu dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ist daher unerheblich und die im Zeitpunkt der Umstellung eines Gasnetzes auf ein Wasserstoffnetz bestehenden Wegerechtsverträge gelten nach § 113a Abs. 2 EnWG für den Transport und die Verteilung von Wasserstoff fort. Nach Auslaufen des ursprünglichen Wegerechtsvertrags haben die Gemeinden 30 nach § 113a Abs. 3 EnWG dem Betreiber des Wasserstoffnetzes ihre öffentlichen Verkehrswege auf Basis von Wegenutzungsverträgen nach § 46 zur Verfügung zu stellen. Inwieweit dabei die Regelungen zur Konzessionsvergabe nach § 46 Abs. 2 EnWG Anwendung finden, ist wie dargestellt noch offen.

d) Regulatorische Vorgaben Mit den speziellen Regelungen für die Wasserstoffnetze i. S. d. § 3 Nr. 39a EnWG soll der 31 zügige und rechtssichere Einstieg in den schrittweisen Aufbau einer nationalen Wasserstoffnetzinfrastruktur ermöglicht werden.49 Die Regulierung von Wasserstoffnetzen ist in den §§ 28j-28q EnWG gesondert normiert und weicht von den Vorgaben für die Regulierung von Strom- und Gasnetzen deutlich ab. Diese Übergangsregelungen für die Einstiegsphase sollen nach der Gesetzesbegründung gelten, bis zukünftige Vorgaben auf EU-Ebene umzusetzen sind.50 Die Betreiber von Wasserstoffnetzen haben nach § 28j Abs. 3 EnWG ein Wahlrecht, in die Regulierung zu optieren. Erst nach Abgabe einer solchen unwiderruflichen Erklärung unterfallen die Wasserstoffnetze des betreffenden Netzbetreibers der Regulierung.  

45 46 47 48 49 50

Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 75 f., 83. Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 159. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 138. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 2, 60. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 118. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 118.

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

Solange ein Netzbetreiber nicht in die Regulierung optiert, unterfällt ein Wasserstoffnetz dem allgemeinen Kartellrecht. Ein Anspruch auf Zugang zu dem Netz oder anderen Infrastruktureinrichtungen kann sich in diesen Fällen aus § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB ergeben.51 33 Die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates im November 2021 erlassene Wasserstoffnetzentgeltverordnung (WasserstoffNEV) macht umfangreiche Vorgaben zur Regulierung der Wasserstoffnetze und schreibt u. a. die Eigenkapitalverzinsung fest. Nach den Plänen der EU-Kommission werden mit der anstehenden Novellierung der Gasbinnenmarktrichtlinie die Wasserstoffnetze in die ausschließliche Zuständigkeit der Regulierungsbehörden fallen.52 Diese haben dann, wie bei der Regulierung von Strom- und Gasnetzen, frei von Vorgaben der Exekutive und Legislative im Rahmen ihrer ausschließlichen Kompetenz zu agieren. Die regulatorischen Rahmenbedingungen dürfen dann nicht durch eine derartige Verordnung vorgegeben werden. Vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde53 wird die WasserstoffNEV daher mit der geplanten Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie gegen Unionsrecht verstoßen. Der regulatorische Rahmen für Wasserstoffnetze dürfte sich dann grundlegend ändern und insbesondere in der Detailtiefe deutlich zunehmen. Zahlreiche offene Fragen, wie bspw. der Umgang mit möglicherweise verkürzten Lebensdauern von Anlagen infolge einer Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff oder mit vorzeitigen Erneuerungen von Anlagen, um eine Umstellung zu ermöglichen, dürften dann im Rahmen des neuen Regulierungsregimes geklärt werden. 32



2. Entwurf Novelle Gasbinnenmarktrichtlinie 34 Nachdem zunächst der deutsche Gesetzgeber mit der EnWG-Novelle 2021 Wasserstoffnetze als eigenständige Kategorie normierte und diese einem gegenüber den Strom- und Gasnetzen abgeschwächten Regulierungsregime unterwarf, wird nun auch der angekündigte EU-Ordnungsrahmen für Wasserstoffnetze konkreter. In dem Entwurf der geplanten Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie54 werden Wasserstoffnetze als eine eigene Kategorie von Energienetzen umfassend und detailliert geregelt. Der EU-Richtliniengeber hat offenbar nicht die Befürchtungen des deutschen Gesetzgebers55, eine Überregulierung könnte die Markthochlaufphase von Wasserstoff behindern. 35 Nach Art. 72 des Entwurfs der Novelle unterliegen Wasserstoffnetze zukünftig wie die Strom- und Erdgasnetze der Regulierung durch die Regulierungsbehörde.56 Die Anforderungen des EuGH an die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und die Un-

51 52 53 54 55 56

Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 118. Vgl. EU‐Kommission, Richtlinienvorschlag COM/2021/803 final vom 15.12.2021, Art. 72. EuGH, Urteil vom 2.9.2021, Az. C-718/18. Vgl. EU‐Kommission, Richtlinienvorschlag COM/2021/803 final vom 15.12.2021. Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 2. Vgl. EU‐Kommission, Richtlinienvorschlag COM/2021/803 final vom 15.12.2021, Art. 72. Vaulont

B. Reine Wasserstoffnetze

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zulässigkeit von legislativen und exekutiven Vorgaben57 würden insoweit auch für die Regulierung von Wasserstoffnetzen gelten. An einigen Stellen unterscheiden sich die Regelungen in dem Entwurf zu den Was- 36 serstoffnetzen grundlegend von den bisherigen Regelungen für Strom- und Gasnetze. So unterscheidet der Richtlinienentwurf ausdrücklich nicht zwischen einer Fernleitungsund einer Verteilnetzebene bei Wasserstoffnetzen. Auch sieht er für die Wasserstoffnetzbetreiber keine de-minimis-Regelung wie für die Gasverteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden vor. Vielmehr sehen die umfangreichen Unbundling-Vorgaben für Wasserstoffnetzbetreiber ein horizontales und ein vertikales Unbundling vor. Die Umnutzung eines bestehenden Gasnetzes zu einem Wasserstoffnetz wäre damit nur bei einer Übernahme des Netzes durch ein drittes, nicht im Sinne von §§ 15 ff. AktG verbundenes Unternehmen oder einer gleichzeitigen Umstellung sämtlicher Gasnetze eines Unternehmens möglich. Eine schrittweise Umstellung der Netze auf Wasserstoff innerhalb eines Unternehmens wäre durch diese Vorgaben untersagt. Da für die bisherigen Gasnetzbetreiber eine Umstellung in der Regel mit einem Verkauf der Netze an ein drittes Unternehmen verbunden wäre, dürfte dies eine zusätzliche Hürde für den Hochlauf von Wasserstoff darstellen. Der Berichterstatter des EU-Parlaments schlug in seinem Bericht daher eine An- 37 gleichung der Regelungen für Wasserstoffnetze an die Regelungen für Gasnetze vor.58 Danach würde es auch bei Wasserstoffnetzen eine Fernleitungs- und eine Verteilernetzebene, eine de-minimis-Regelung und dieselben Unbundling-Vorgaben wie für Gasnetzbetreiber geben. Eine Entscheidung über diese Änderungsanträge und der Beschluss der Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie stehen noch aus.  

II. Wasserstoffkonzessionen 1. Vergabe der Wegerechte Es ist umstritten, ob die Regelungen zur Konzessionsvergabe nach § 46 Abs. 2 EnWG An- 38 wendung auf die Vergabe von Wasserstoffkonzessionen finden.59 Nach Auslaufen eines gemäß § 113a Abs. 2 EnWG übergeleiteten Wegerechts aus ei- 39 nem Gaskonzessionsvertrag besteht gemäß § 113a Abs. 3 EnWG ein Anspruch gegen die Kommune auf Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrags. Die Norm ist dahingehend auszulegen, dass sie sich nicht nur auf Wasserstoffnetze bezieht, sondern auch die Betreiber von Wasserstoffleitungen erfasst werden, die ebenfalls einen Anspruch auf Ab-

57 Vgl. EuGH, Urteil vom 2.9.2021, Az. C-718/18, Rn 112 ff. 58 Vgl. Europäischen Parlaments, Draft report zu dem Richtlinienvorschlag (COM(2021)0803 – C9-0468/ 2021 – 2021/0425(COD)), abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/ITRE-PR732908_EN.pdf, zuletzt abgerufen am 7.8.2022. 59 Vgl. dazu unter Kapitel 8 B., Rn 25 ff.  



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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

schluss eines Wegenutzungsvertrags für die Verlegung und den Betrieb von einzelnen Wasserstoffleitungen haben.60 40 Ein Wegenutzungsvertrag für die Verlegung und den Betrieb von Wasserstoffleitungen oder eines Wasserstoffnetzes ist ein aliud zu Wegenutzungsverträgen nach § 46 EnWG.61 Soweit § 113a Abs. 3 EnWG auf § 46 EnWG verweist, handelt es sich dabei nicht um einen Rechtsgrundverweis62, sondern bezieht sich auf die Rechtsfolgen. Die Kommune hat danach einen Wegerechtsvertrag abzuschließen, der nicht an die Tatbestandsvoraussetzungen in § 46 Abs. 1 S. 1 und § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG anknüpft63, der aber mit der Einräumung des Wegerechts und der Verpflichtung zur Zahlung einer Konzessionsabgabe die Rechtsfolgen der Verträge nach § 46 EnWG beinhaltet.64 Es gibt keine unterschiedlichen Voraussetzungen für den Abschluss von Wegenutzungsverträgen zur Errichtung und dem Betrieb einzelner Wasserstoffleitungen oder eines Wasserstoffnetzes. Diese unterscheiden sich daher lediglich in dem Umfang der erteilten Wegerechte. Eine Wasserstoffkonzession ist daher ein Wegenutzungsvertrag nach § 113a Abs. 3 EnWG, in dem die Kommune dem Netzbetreiber das Wegerecht zur Verlegung und dem Betrieb eines Wasserstoffnetzes in dem Konzessionsgebiet einräumt. 41 Es gibt wie bei Strom- und Gaskonzessionen keine Ausschließlichkeit bei Wasserstoffkonzessionen. Nur bei Wasserkonzessionsverträgen gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 GWB geht mit der Konzession die Pflicht der Kommunen einher, mit keinem anderen Unternehmen einen Wasserkonzessionsvertrag abzuschließen. Kommunen können daher theoretisch mehrere Wasserstoffkonzessionen für dasselbe Konzessionsgebiet vergeben. Der Gaskonzessionär hat keinen Anspruch darauf, dass die Kommune auf sein Bestandsnetz Rücksicht nimmt und einem dritten Unternehmen die Erteilung einer Wasserstoffkonzession deshalb versagt. 42 Möchte ein Unternehmen erstmalig ein derartiges Wegerecht für die Verlegung und den Betrieb einer Wasserstoffleitung oder eines -netzes erteilt bekommen, ist die Rechtslage uneindeutig. Folgt man der oben genannten Auffassung, dass die §§ 46 ff. EnWG keine Anwendung auf die Vergabe von Wegerechten für Wasserstoffnetze finden, dürfte das Unternehmen, mangels einer eigenen Regelung über die Vergabe einer Wasserstoffkonzession, einen Anspruch auf Abschluss eines Wegenutzungsvertrags nach § 113a Abs. 3 EnWG analog haben. Dieser gleichartige Kontrahierungszwang der Kommune würde aus dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB folgen. Die Gemeinde darf frühere Gaskonzessionäre, die zunächst ein nach § 113a Abs. 2 EnWG übergeleitetes Wegerecht hatten und anschließend einen Anspruch auf Neuabschluss eines Wasserstoffkonzessionsvertrags nach § 113a Abs. 3 EnWG haben, nicht bevorzugt behandeln und anderen Unternehmen das Wegerecht für Wasser 

60 61 62 63 64

Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 162 m. w. N. Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 162. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28; Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 162. Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28. Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 162.  



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B. Reine Wasserstoffnetze

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stoffleitungen und -netze versagen. Folgt man hingegen der Auffassung, dass sich die Vergabe der Wegerechte in diesen Fällen nach §§ 46 ff. EnWG richtet, müsste die Gemeinde ein Konzessionsvergabeverfahren durchführen. Der § 113a Abs. 3 EnWG wäre in diesem Fall als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig. Vorsorglich kann die Gemeinde in derartigen Fällen ein Verfahren zur Vergabe ei- 43 ner Wasserstoffkonzession durchführen. Mangels Ausschließlichkeit könnte sie auch mehrere Wasserstoffkonzessionen vergeben, sodass sämtliche interessierten Unternehmen eine Wasserstoffkonzession erhalten.  

2. Vertragsinhalte Kommunen können wie bei Strom- oder Gaskonzessionsverträgen die Wegerechte für 20 Jahre an den Wasserstoffnetzbetreiber vergeben. Eine kürzere Laufzeit ist möglich, aber aufgrund der erforderlichen Investitionen und des Aufwandes zum Aufbau bzw. zur Umrüstung des Netzes wohl eher wenig sinnvoll. Eine Laufzeit von mehr als 20 Jahren ist – soweit sie nicht bereits durch eine direkte Anwendung von § 46 Abs. 2 EnWG ausgeschlossen ist – kritisch zu betrachten. In dem Konzessionsvertrag kann eine Verpflichtung zum Anschluss von Letztverbrauchern und zum Betrieb des Netzes vereinbart werden. Eine derartige vertragliche Anschlusspflicht hat aber Grenzen, wie auch die gesetzliche Anschlusspflicht für Stromund Gasnetzbetreiber in den §§ 17, 18 EnWG. Der Wasserstoffkonzessionär kann nicht verpflichtet werden, Kunden anzuschließen, wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Dies würde dem Ziel eines effizienten Netzbetriebs zuwiderlaufen. Die Kommune darf sich nicht in die Regulierung einmischen und Vorgaben machen, die dem regulatorischen Rahmen widersprechen bzw. die in der ausschließlichen Zuständigkeit der Regulierungsbehörde liegen. Mit der absehbaren Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie werden die Wasserstoffnetze in der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde liegen. Etwaige regulatorische Vorgaben der Kommune in einem Wasserstoffkonzessionsvertrag sind spätestens mit dieser Novelle aus europarechtlichen Gründen unwirksam. Auch bis dahin dürfen Kommunen keine derartigen Vorgaben gegenüber Wasserstoffnetzbetreibern machen. Der nationale Gesetzgeber hat ausdrücklich und insoweit abschließend den Regulierungsrahmen im EnWG geregelt. Es würde dem gesetzgeberischen Ziel, den Markthochlauf mit bewusst zurückhaltenden regulatorischen Vorgaben für Wasserstoffnetze zu unterstützen65, widersprechen, wenn Kommunen einen eigenen Regulierungsrahmen vorgeben könnten. Auch Wasserstoffnetzbetreibern, die nicht nach § 28j Abs. 3 EnWG in die Regulierung optiert haben, können Kommunen keine regulatorischen Regelungen im Konzessionsvertrag vorgeben. In dem Vertrag können die Parteien die Übernahme des Wasserstoffnetzes nach Ende des Vertrags durch die Kommune im Sinne eines Vorkaufsrechts einvernehmlich re-

65 Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 118. Vaulont

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45

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

geln. Möglich ist dabei auch, die Abtretbarkeit der damit einhergehenden Rechte und Pflichten an einen Dritten zu vereinbaren. Schließlich können auch Regelungen zu dem Umgang mit stillgelegten Leitungen nach dem Ende des Vertrags getroffen werden.

3. Gegenleistung für Kommunen 48 Die Regelungen eines bestehenden Konzessionsvertrags gelten im Falle einer Umstel-

lung von einem Gas- auf ein Wasserstoffnetz nach § 113a Abs. 2 EnWG bis zu dem Ende der vereinbarten Laufzeit vollumfänglich fort. Die bisher für Gas vereinbarten Konzessionsabgaben sind daher für die verbleibende Laufzeit des Vertrags weiterhin in der ursprünglich vereinbarten Höhe an die Kommune zu zahlen. 49 In dem Gesetzgebungsverfahren zur EnWG-Novelle 2021 war zunächst in § 113a Abs. 2 S. 2 EnWG die Zahlung einer Konzessionsabgabe in Höhe der Höchstsätze für Gas nach der KAV vorgesehen.66 Dieser S. 2 wurde aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen.67 Der Gesetzgeber wollte demnach bewusst nicht in die zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen eingreifen und die Konzessionsabgabe durch eine vorgeschriebene analoge Anwendung der Höchstsätze der KAV ggfs. anheben. 50 Bei dem Neuabschluss eines Wasserstoffkonzessionsvertrags kann die Kommune grundsätzlich frei mit dem Wasserstoffnetzbetreiber eine von diesem zu zahlende Konzessionsabgabe vereinbaren. Dabei sind die Parteien nicht an die direkt für Wasserstoffnetze geltende KAV gebunden. Eine analoge Anwendung der KAV dürfte nur in Betracht kommen, wenn die Regelungen zur Konzessionsvergabe nach § 46 Abs. 2 EnWG auf die Vergabe von Wasserstoffkonzessionen Anwendung finden. Andernfalls gibt es wie bei einem Fernwärmenetz momentan keine speziellen gesetzlichen Vorgaben. 51 Bei der Fernwärme gibt es unterschiedliche Modelle für die Bemessung der Konzessionsabgabe. Während manche Kommunen die KAV heranziehen und dabei auf die Konzessionsabgabe für Gas abstellen, orientieren sich andere Kommunen an der Konzessionsabgabe für Wasser nach der Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung (KAE). Wasserstoffnetze sind vergleichbar mit Gasnetzen, sodass es sachgerecht ist, wenn Kommunen bei der Festlegung der Wasserstoffkonzessionsabgabe die Beträge der Gaskonzessionsabgabe zugrunde legen. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 113 Abs. 2 EnWG über die Fortgeltung des laufenden Konzessionsvertrages deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht die Gaskonzessionsabgabe auch für Wasserstoff sachgerecht ist und Anpassungen hierbei nicht zwingend sind. Eine Orientierung an den Regelungen über die Konzessionsabgaben für Wasser scheidet hingegen aus. Diese bestimmen die zu zahlende Abgabe prozentual auf der Grundlage des Entgelts. Dabei wird nicht zwischen Netzentgelt und der eigentlichen Lieferung unterschieden, sondern der Gesamtbetrag zugrunde gelegt. Für Wasserstoffnetze, bei denen zwischen Netzbetreiber

66 Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 45, 138. 67 Vgl. BT-Drs. 19/30899, S. 21. Vaulont

B. Reine Wasserstoffnetze

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und Lieferant differenziert wird, kann die Konzessionsabgabe daher nicht anhand einer derartigen Regelung bemessen werden. Für Wasserstoffnetze besteht zudem die Möglichkeit der Anwendung der in einigen Kommunen für Fernwärme üblichen Bemessungsmethode der Konzessionsabgabe als Festbetrag pro Meter Leitungslänge. Allerdings sind Kommunen nicht völlig frei bei der Festlegung der zu zahlenden 52 Konzessionsabgabe. Sie handeln bei der Vergabe der Wegerechte für Wasserstoffnetze – wie bei der für Strom-, Gas- und Fernwärmenetze68 – als Unternehmen im Sinne des GWB und sind daher kartellrechtlich gebunden. Die von dem Wasserstoffnetzbetreiber zu zahlende Konzessionsabgabe, die dieser auf seine Kunden umlegen kann, darf daher nicht unangemessen hoch sein. Zudem können Kommunen und Netzbetreiber einen Kommunalrabatt vereinbaren. 53 Dieser darf aber wie bei Strom- und Gasnetzen nicht für kommunale Gesellschaften gewährt werden, die im Wettbewerb stehen.69 Auch darf er nicht zu hoch sein. Mangels einer der KAV entsprechenden Regelung ist dabei eine Gesamtschau aus vereinbarter Konzessionsabgabe und Kommunalrabatt erforderlich. Orientieren sich die Konzessionsabgaben an der KAV, ist auch ein Kommunalrabatt in Höhe von 10 % auf das Wasserstoffnetzentgelt entsprechend der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 KAV für Strom und Gas zulässig. Finden die Regelungen der §§ 46 ff. EnWG keine Anwendung auf die Vergabe von Wasserstoffkonzessionen, können die vereinbarten Wasserstoffkonzessionsabgaben die Sätze der KAV theoretisch auch geringfügig übersteigen. In diesem Fall müsste dann der zulässige Kommunalrabatt ggfs. entsprechend niedriger sein. Es empfiehlt sich vor dem Hintergrund der Unsicherheit über die Anwendung der 54 Regelungen der §§ 46 ff. EnWG für die Vergabe der Wasserstoffkonzessionen, dass auf die Regelungen der KAV bezüglich der Gasnetze abgestellt wird. Damit besteht kein Risiko, dass überhöhte Abgaben oder unzulässige Nebenleistungen vereinbart werden.  





III. Umstellung bestehendes Gasnetz 1. Konzessionsvertrag a) Überleitung nach § 113a EnWG Wird eine bestehende Gasleitung oder ein Gasnetz auf reinen Wasserstoff umgestellt, 55 gelten nach § 113a Abs. 2 EnWG die Regelungen der bisherigen Wegenutzungsverträge im Sinne des § 46 EnWG bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit fort. Damit sind weiterhin Konzessionsabgaben in der vereinbarten Höhe zu bezahlen. Die Endschaftsregelungen gelten ebenfalls fort mit darin eventuell vereinbarten Optionen der konzessionsgebenden Kommune zur Übernahme des Netzes nach Vertragsende. Es ist auch 68 Vgl. BGH, Urteile vom 17.12.2013, – ZR 65/12 – Stromnetz Heiligenhafen, juris Rn 18; – KZR 66/12 – BGHZ 199, 289–322, Stromnetz Berkenthin, juris Rn 19; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 6.4.2021 – 17 U 3/19 Kart – juris Rn 52. 69 Vgl. ausführlich hierzu Kapitel 1 E. Rn 231 ff.  

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

möglich, nur einzelne Leitungen oder Teile eines Gasnetzes auf Wasserstoff umzustellen.70 56 Nach dem Auslaufen des bisherigen Wegenutzungsvertrags, hat die Kommune gemäß § 113a Abs. 3 EnWG mit dem Wasserstoffnetzbetreiber auf seinen Wunsch hin einen Gestattungsvertrag abzuschließen.71 Die Vertragsbedingungen dieser Nachfolgevereinbarung dürfen nicht schlechter sein als die der insgesamt bestehenden Wegenutzungsverträge für Gasleitungen der Kommune.72 57 Eine Umnutzung eines Wasserstoffnetzes zurück in ein Gasnetz ist nicht geregelt. Dies ist aber ebenfalls möglich. Während der Laufzeit des ursprünglichen Wegerechtsvertrags für Gasleitungen hat der Netzbetreiber unstreitig das Wegerecht hierfür. Nach dessen Ende dürfte er für einzelne Leitungen einen Anspruch aus § 46 Abs. 1 EnWG auf Abschluss eines Wegerechtsvertrags haben. Sollte ein Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 3 Nr. 17 EnWG vorliegen, ist ein neuer Konzessionsvertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG erforderlich.

b) Übernahme des Netzes durch anderes Unternehmen 58 Wird ein Gasnetz auf Wasserstoff umgestellt und das Netz gleichzeitig von einem ande-

ren Unternehmen übernommen, gehen im Regelfall nicht die Rechte und Pflichten aus dem Gaskonzessionsvertrag mit über. Vielmehr bleibt der bisherige Gaskonzessionär aus dem Gaskonzessionsvertrag berechtigt und verpflichtet. Das übernehmende Unternehmen könnte als neuer Wasserstoffnetzbetreiber wie oben unter B.II.1. dargestellt einen Anspruch auf Abschluss eines Wegerechtsvertrags mit der Kommune nach § 113 Abs. 3 EnWG analog zu Vertragsbedingungen haben, die nicht schlechter sein dürfen als die des ursprünglichen Gaskonzessionsvertrags und weiterer Wegenutzungsverträge der Kommune. Alternativ könnte auch ein Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 Abs. 2 EnWG durchzuführen sein. 59 Vorsorglich kann die Gemeinde in derartigen Fällen ein Verfahren zur Vergabe einer Wasserstoffkonzession durchführen. Mangels Ausschließlichkeit könnte sie auch mehrere Wasserstoffkonzessionen vergeben, sodass sämtliche – neben dem das Netz übernehmenden Unternehmen – interessierten Unternehmen eine Wasserstoffkonzession erhalten.

2. Forcieren der Umstellung durch Gemeinde 60 Es kann dazu kommen, dass eine Gemeinde eine Umstellung des örtlichen Gasnetzes auf

ein Wasserstoffnetz forcieren möchte. Dies ist aber nur in engen kartellrechtlichen

70 Vgl. BT-Drs. 19/28407, S. 28. 71 Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 162 f. 72 Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 138; Elspas/Lindau/Ramsauer, N&R 2021, 258, 266.  

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B. Reine Wasserstoffnetze

Grenzen und unter Berücksichtigung ihrer kommunalen Verpflichtung zur Daseinsvorsorge möglich.

a) Beendigung des Gaskonzessionsvertrags Endet der bisherige Gaskonzessionsvertrag, ist die Kommune nicht in jedem Fall zum 61 Abschluss eines neuen Gaskonzessionsvertrags verpflichtet. Die Regelung des § 46 Abs. 3 EnWG, nach der eine Kommune spätestens zwei Jahre vor Ablauf des bisherigen Konzessionsvertrags ein neues Vergabeverfahren bekannt machen muss, verpflichtet die Kommune nicht zu einer Neuausschreibung eines neuen Konzessionsvertrags. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Regelung den Wettbewerb fördern, indem eine anstehende Neuvergabe bekannt gemacht wird.73 Eine Verpflichtung der Kommune, die Konzession neu zu vergeben, ergibt sich daraus aber nicht. Andernfalls müsste jede einmal vergebene Konzession auf alle Zeiten immer wieder vergeben werden. Eine solche Vergabepflicht kann sich aber aus der Verpflichtung der Kommune zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge ergeben. Danach muss eine Kommune die Energieversorgung durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.74 Hierzu gehört auch die Erteilung von Wegerechten für die Errichtung und den Betrieb des kommunalen Gasnetzes.75 Im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG steht der Kommune dabei aber ein eigener Entscheidungsspielraum zu. Hat sie in der Vergangenheit bspw. zwei Konzessionsverträge für unterschiedliche Teile ihres Gemeindegebiets abgeschlossen, kann sie nach deren Ende auch lediglich eine Konzession für das gesamte Gemeindegebiet vergeben. Ebenso kann sie grundsätzlich entscheiden, eine auslaufende Gaskonzession nicht mehr neu zu vergeben, sondern stattdessen eine Wasserstoffkonzession auszuschreiben. Allerdings dürfte in diesem Fall aus ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge folgen, dass die Kommune diese Entscheidung eines Umstiegs mit einem ausreichenden Vorlauf trifft und ggf. entsprechende Unterstützungsleistungen für die Umstellung der Heizungsanlagen der Letztverbraucher gewährt. Da bei einer Umstellung von Gas auf Wasserstoff bestehende Heizungsanlagen umfangreich nachgerüstet oder gar komplett ausgetauscht werden müssen, sind für eine solche Umstellung wohl mehrjährige Übergangsfristen erforderlich. Nutzt die Kommune ein bestehendes Sonderkündigungsrecht, um einen laufenden 62 Gaskonzessionsvertrag kurzfristig zu beenden, ist der Zeitraum für eine Umstellung sämtlicher gasbetriebener Heizungen auf Wasserstoff als Energieträger möglicherweise zu kurz. Dies hängt im Einzelfall von der jeweiligen Kündigungsfrist ab. Wurde in dem auslaufenden Gaskonzessionsvertrag eine Methode zur Kaufpreis- 63 berechnung vereinbart, um lange Verhandlungen zwischen Neu- und Altkonzessionär

73 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 21. 74 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.3.1984 – 1 BvL 28/82 – BVerfGE 66, 248–259, juris Rn 37; Kammerbeschl. v. 16.5.1989 – 1 BvR 705/88 – juris Rn 5; BGH, Urteil vom 21.3.1996 – III ZR 245/94 – juris Rn 28, m. w. N. 75 Vgl. BGH, Urteil vom 9.3.2021 – KZR 55/19 – Rn 37 – Gasnetz Berlin.  

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Kapitel 8. Wasserstoffkonzessionen

zu verhindern, kann sich das Ende des Gasnetzbetriebs hierauf auswirken. Die zugrunde gelegte Wertberechnung (bspw. nach IDW S1) geht in der Regel von einem Fortbetrieb des Gasnetzes aus. Eine Einstellung des Gasnetzbetriebs und ein eventueller Fortbetrieb als Wasserstoffnetz unter einem möglicherweise anderen Regulierungsregime kann dabei ebenso Auswirkungen haben wie veränderte Lebensdauern und Sonderabschreibungen. Eine genaue Vorhersage ist, insbesondere mit Blick auf die technisch noch offenen Fragen und die vom Gesetzgeber ausdrücklich als „Übergangsregelungen für die Einstiegsphase“ bezeichneten Regulierungsvorgaben76, nicht möglich. In neu abgeschlossenen Gaskonzessionsverträgen empfiehlt sich daher in den Endschaftsregelungen die klarstellende Klausel, dass die Regelungen zur Kaufpreisberechnung nur für den Fall eines Fortbetriebs als Gasnetz greifen.

b) Übergang Netz von Gaskonzessionär auf Wasserstoffkonzessionär 64 Verlängert eine Kommune die auslaufende Gaskonzession nicht und vergibt stattdessen

eine Wasserstoffkonzession an ein drittes Unternehmen, stellt sich die Frage der Übernahme des bisherigen Gasnetzes. Soweit der bisherige Gaskonzessionär nicht selbst einen Wasserstoffkonzessionsvertrag mit der Kommune abschließt, um das Netz als Wasserstoffnetz zu betreiben, dürfte er ein Interesse an dessen Verkauf oder ggfs. einer Verpachtung haben. Er kann direkt mit dem Wasserstoffkonzessionär darüber verhandeln. Enthält der ursprüngliche Gaskonzessionsvertrag in den Endschaftsregelungen ein Recht der Kommune zur Übernahme des Netzes nach Vertragsende, kann die Kommune dieses Netz kaufen und anschließend an den Wasserstoffkonzessionär veräußern. Eine Abtretung dieses Erwerbsrechts von der Kommune an den Wasserstoffkonzessionär dürfte möglich sein, wenn in dem Konzessionsvertrag eine Abtretungsmöglichkeit an einen Dritten vereinbart wurde und dieses nicht von der Vergabe eines neuen Gaskonzessionsvertrags abhängig ist. 65 Der Wasserstoffkonzessionär selbst hat keinen Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gegen den bisherigen Gaskonzessionär.77 Auch wenn das gesetzgeberische Ziel des Übereignungsanspruchs, wirtschaftlich unsinnige Doppelinvestitionen zu vermeiden,78 im Falle einer Wasserstoffkonzession zum Tragen kommen könnte, fehlt es bislang an einer entsprechenden Regelung. Im Zuge der zu erwartenden umfassenden Überarbeitung der Regelungen für Wasserstoffnetze dürfte auch ein Übereignungsanspruch des neuen Wasserstoffkonzessionärs, entsprechend dem Anspruch des Stromoder Gaskonzessionärs nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geregelt werden.

76 Vgl. BT-Drs. 19/27453, S. 118. 77 Vgl. Kment/Wenzel, RdE 2022, 153, 163 m. w. N. 78 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 21.  



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Sachregister A Ablehnungsinformationsschreiben 3 49 ff. Akteneinsicht 3 57 frühestmöglicher Zeitpunkt 3 56 Inhalt 3 52 ff. Rangfolge 3 55 Rechtsfolge 3 57 f. Rügefrist 3 57 Textform 3 49 Transparenzgebot 3 51, 3 54 f. wesentliche Gründe 3 53 Abschlagszahlungen 1 381, 1 384 Abwasserbeseitigung 7 28 Akteneinsicht 4 98 ff. Ablehnungsinformationsschreiben 3 57 Angebotsunterlagen 4 119 ff. Anspruchsberechtigung 4 99 ff., 4 106 ff., 4 109 ff. Ausschluss 4 127 ff. Ausschreibungsausschluss 3 130 f., 4 106 ff. Auswahlentscheidung 4 125 Auswahlkriterien 4 123 ff. Auswahlverfahren 3 180 Auswertungsunterlagen 4 117 f. Auswertungsvermerk 3 537, 3 539 Beginn der Rügefrist 4 143 f. Begrenzung 4 127 ff. Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 4 98, 4 127 ff. einstweilige Verfügung 4 146 ff. Geltendmachung eines Verstoßes 4 145 Intransparenz der Auswahlentscheidung 4 142 isolierte Geltendmachung 4 149 Nebenintervention 4 103 f. Nichtwahrung der Wochenfrist 4 109 ff. obsiegendes Unternehmen 4 101 ff. Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 4 56 Rügefrist 4 112 Umfang der Unterlagen 4 113 ff. unberechtigte Verweigerung 4 141 ff. unterlegenes Unternehmen 4 100 Wochenfrist 4 109 ff. Aktiengesellschaft 2 238 f. Allgemeine Bedingungen/Preise Grundversorgungspflicht 1 95 ff.  



















































https://doi.org/10.1515/9783110531909-030

Internet 1 98 Preismissbrauchsaufsicht 1 97 Sonderkonditionen 1 95 allgemeine Versorgung 1 92 Altkonzessionär Datenherausgabe 3 13 Netzüberlassung 6 1 ff., s.a. dort Altlasten 1 175 Amtsblatt der Europäischen Union 3 26 Amtsträger 1 342 ff. Andienungsrecht 1 19 Anhaltewerte 6 254 ff. Anschlusspflicht 1 79 f. Trinkwasserversorgung 7 15 f., 7 22 f. Wasserstoffkonzessionen 8 45 Arbeitsplätze 3 203 Arealnetz 1 76 arm’s length principle 2 216 Asset-Deals 6 174 asynchrone Gesellschafterstellungen 2 216 aufwandsgleiche Kosten 6 310 ff. Ausbleiben von Wettbewerb 5 23 Ausgleichsmaßnahmen 3 408 Ausgleichszahlung 2 78 Auskunftsrechte 3 462 Ausschließlichkeitsrechte Konzessionsverträge 1 7 Trinkwasserversorgung 7 11 ff. Wasserstoffkonzessionen 8 41 Ausschreibungsausschluss 3 106 ff. Akteneinsicht 3 130 f., 4 106 ff. Ausschluss 3 122 ff. Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 4 137 Chinese Walls 3 117 Diskriminierungsverbot 3 106 Eignungskriterien 3 109 ff. Ermessen 3 123, 3 126 externe Berater 3 132 ff., 3 136 f. Geheimwettbewerbsverletzung 3 115 ff. Heilung des Verfahrensfehlern 3 119 Informationsaustausch 3 118 Konzern 3 117 Mindestanforderungen 3 114 Rügeerfordernis 3 127 ff. Transparenzgebot 3 106 Verfahren 3 121 ff.  



































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Sachregister

Verhältnismäßigkeit 3 124 Voraussetzungen 3 106 ff. Ausschreibungspflicht 7 31 ff., 7 34 ff. Ausschreibungsverfahren 3 1 ff. Ablehnungsinformationsschreiben 3 49 ff., s.a. dort Ausschreibungsausschluss 3 106 ff., s.a. dort Auswahlentscheidung 3 479 ff., s.a. dort Auswahlverfahren 3 138 ff. Bekanntmachungsverfahren 3 23 ff., s.a. dort Beschleunigungsgrundsatz 3 77 ff. Datenherausgabe 3 5 ff., s.a. dort Diskriminierungsverbot 3 63, 3 65 f. Eignungsprüfung 3 81 ff., s.a. dort Geheimwettbewerb 3 69 ff., s.a. dort Interessenbekundungen 3 37 ff., s.a. dort kommunale Belange 3 102 Kommunalrabatt 3 99 Kontrahierungszwang 3 99 ff. Konzessionsabgaben 3 98 Kriterienkataloge 3 102 marktbeherrschende Stellung 3 64 Mindestanforderungen der Gemeinde 3 97 ff., 3 103 ff. Rüge 4 1 ff., s.a. dort Rügefrist 3 564 Transparenzgebot 3 63, 3 67 unbillige Behinderung 3 68 Unterzeichnung des Konzessionsvertrags 3 564 ff. Verfahrensbriefe 3 97, 3 99 Vergaberecht 3 62 Verwaltungskostenbeiträge 3 99 Außenbereich 7 25 außerordentliche Kündigungsrechte Interims-Konzessionsverträge 5 18 Sonderkündigungsrecht 3 452 f. Wegenutzungsverträge 1 184 f. Auswahlentscheidung 3 479 ff. Akteneinsicht 4 125 Auswertung der Angebote 3 505 ff., s.a. dort Bekanntmachung 3 570 ff. Bietermitteilung 3 558 ff., s.a. dort Doppelfunktion eines Gemeinderats 3 498 ff. Gremienbesetzung 3 495 ff. Gremienentscheidung 3 545 ff., s.a. dort Information der Öffentlichkeit 3 570 ff. kommunalrechtliche Prüfung 3 556 f. Konzessionsausschuss 3 502 ff.  































































Mitwirkungsverbot einzelner Gemeinderatsmitglieder 3 498 ff. Neutralitätsgebot 3 479 Rüge gegen ~ 4 47 ff., s.a. dort Trennung bei kommunalem Mitbewerber 3 482 ff., s.a. dort Vorfestlegung 3 480 f. Auswahlkriterien 3 138 ff., 3 211 ff. Akteneinsicht 4 123 ff. Anforderungen 3 140 ff. Beschränkungen 3 151 ff., 3 170 ff. Bewertungsmethode 3 272 ff., s.a. dort bezügliches Gebiet 3 162 ff. Bietergemeinschaften 3 160 effiziente Ressourcennutzung 3 309 ff. Effizienz 3 306 ff. Effizienz, kaufmännische 3 240 Effizienz, regulatorische 3 243, 3 313 Effizienz, technische 3 240, 3 306 Einfluss auf den Netzbetrieb 3 261 Eingemeindungsklausel 3 166 einheitlicher Strom-/Gaskonzessionsvertrag 3 156 Einstandsregelung 3 176 f. Endschaftsregelungen 3 176 f., 3 262 Energiearten 3 155 ff. Folgekostenpflicht 3 258 Folgepflicht 3 258 Gegenleistungen 3 170 ff. gemeindliche Belange 3 250 ff. Gewichtung 3 264 ff., 3 270 Information über ~ 3 268 ff. Kapazitätskonzept 3 218 Kaufpreisregelung 3 262, 3 468 ff. kommunale Belange 3 215, 3 250 ff., 3 427 ff., s.a. dort Kommunalrabatt 3 257 Konkretisierung durch Unterkriterien 3 263 Konzessionsabgaben 3 172 ff., 3 257 Konzessionsgebiete 3 162 ff. Kosteneffizienz 3 241, 3 306 Laufzeitenbund 3 167 ff. Leerrohre 3 461 Leistungsfähigkeit des Netzbetreibers 3 218 Mangelgewährleistung 3 461 f. Nebenleistungsverbot 3 174 f. Netzbezug 3 152 ff. Netzverluste 3 242 notwendige ~ 3 216 ff.  





























































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Sachregister

Preisgünstigkeit 3 237 ff., 3 314 ff., s.a. dort Rechtsstaatsprinzip 3 148 Rechtsunterworfenheit 3 140 ff. Rüge gegen ~ 4 40 ff., s.a. dort sachbezogene ~ 3 148 ff. sachgerechte ~ 3 251 f. Selbstverwaltungsgarantie 3 140, 3 211 Sonderkündigungsrecht 3 446 ff., s.a. dort Treibhausgasneutralität 3 412 ff., s.a. dort Umweltverträglichkeit 3 402 ff., s.a. dort Ungefährlichkeit des Netzes 3 236 Unterkriterien 3 263 Verbraucherfreundlichkeit 3 246, 3 381 ff., s.a. dort Vergaberecht 3 149 Versorgungsbezug 3 152 ff. Versorgungssicherheit 3 219 ff., 3 280 ff., s.a. dort Vertragsstrafen 3 276 ff., 3 477 f. Zusammenarbeit bei Baumaßnahmen 3 259 f. Zusammenfassung von Gemeindegebieten 3 164 f. Zuverlässigkeit des Netzbetriebs 3 221 ff., s.a. dort Auswahlverfahren 3 138 ff. Akteneinsicht 3 180 Arbeitsplatzaspekte 3 203 Auswahlentscheidung 3 479 ff., s.a. dort Auswahlkriterien 3 138 ff., 3 148 ff., 3 211 ff., s.a. dort Bevorzugung kommunaler EVU 3 191 ff. Diskriminierungsverbot 3 144, 3 179 Eigenbetriebe 3 182 Energierecht 3 146 Ermittlung des besten Netzbetreibers 3 178 ff. formelle Anforderungen 3 140 ff. Gewerbesteuerzerlegung 3 204 f. Inhouse-Vergabe 3 182 ff. Kartellrecht 3 147 kommunale Entscheidungsträger in Bewerbergremien 3 206 Kommunalisierung 3 191 ff. Konzernprivileg 3 196 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 3 199 ff. materielle Anforderungen 3 178 ff. Mitwirkungsverbot 3 207 Neutralitätsgebot 3 181, 3 207 Selbstverwaltungsgarantie 3 140 ff.  































































Transparenzgebot 3 144, 3 180 Vergaberecht 3 144 Verstoßfolgen 3 208 ff. Auswertung der Angebote 3 505 ff. Akteneinsicht 4 117 f. Anforderungen 3 511 ff. Auswertungsvermerk 3 532 ff. Beurteilungsspielraum 3 511 ff. Bewertungsmethode 3 513 Bietergespräche 3 542 ff. Diskriminierungsverbot 3 512 Dokumentation 3 532 ff., s.a. Auswertungsvermerk Eignungskriterien 3 509 Fachwissen 3 505 Formvorgaben 3 507 Gremienentscheidung 3 545 ff. Konzeptwettbewerb 3 518 ff. messbare Werte 3 515 ff. Mindestanforderungen 3 509 Nebenleistungsverbot 3 528 ff. Plausibilitätsprüfung 3 520 ff. Prognosen 3 525 qualitativer Vergleich 3 516 SAIDI-Werte 3 515 Transparenzgebot 3 512 Vollständigkeit 3 508 Vorprüfung 3 506 ff. Zertifikate 3 526 Auswertungsvermerk 3 532 ff. Akteneinsicht 3 539 Bewertung der Leistungen 3 539 ff. Bietermitteilung 3 558 Darstellung der Angebote 3 534 ff. Gemeinderat 3 545 ff. Gremienentscheidung 3 545 f. qualitative Bewertung 3 540 Übertragungsfehler 3 538 Umfang der Begründung 3 532 ff.  







































B Baukostenzuschüsse objektivierter Ertragswert 6 129, 6 159 ff. Preisgünstigkeit 3 369, 3 371 ff. Trinkwasserversorgung 7 25 Baumaßnahmen Ausgleichsmaßnahmen 3 408 Auswahlkriterien 3 259 f. Folgekostenpflicht 1 252, 1 263 ff.  







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Sachregister

Netztrennungsvereinbarung 6 16 Wegenutzungsverträge 1 159 ff. Bekanntmachungsverfahren 3 23 ff. Amtsblatt der Europäischen Union 3 26 Angaben 3 25 Ausschreibungsverfahren 3 23 ff. Auswahlentscheidung 3 570 ff. Bundesanzeiger 3 26 Eignungsprüfung 3 40 Interessenbekundungsfrist 3 24 Konzessionsverträge 1 28 ff., 1 36, 3 59 ff. kürzere Vertragslaufzeit 3 34 Mindestfrist 3 23, 3 27 Mustertext Bekanntmachung 3 31 Rüge gegen Bekanntmachung 4 29 ff., s.a. dort Sonderkündigungsrecht 3 36 Verfahrensfehler 3 28 ff. vorzeitige Vertragsverlängerung/-beendigung 3 32 f. Berkenthin-Entscheidung 3 462, 3 468 Berufsausübungsfreiheit 5 40 Berufsfreiheit 5 38 ff. Beschleunigungsgrundsatz 3 77 ff. Beschleunigungsrichtlinie Strom 1 84 Beschwerdemanagement 3 396 Besitzüberlassungsanspruch 6 5, 6 215 ff. angemessene Vergütung 6 217 Leasing 6 215 Leihe 6 215 Miete 6 215 Netzpachtvertrag 6 218 ff. Pacht 6 216 Bestechlichkeit 1 346 Bestechung 1 348 Beteiligungen der Gemeinde 1 237 ff. Beteiligungsmodelle s. Kooperations-/ Beteiligungsmodelle Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 4 98, 4 127 ff. Abwägung der Interessen 4 139 f. Angebot 4 129 Ausschreibungsausschluss 4 137 Begriff 4 128 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 322 fehlerhafte Einschätzung des Unternehmens 4 135 Geheimhaltungsinteresse 4 132 ff. Geheimwettbewerb 4 140 geschwärzte Angaben 4 135 ff.  



































Offenlegungsfolgen 4 132 ff. Prüfungspflicht 4 130 ff., 4 138 Transparenzgebot 4 140 Vorgaben des Bewerbers 4 131 willentliche Fehleinschätzung 4 136 Betriebsausgabenabzug 1 479 ff. Betriebsführungsmodell 2 186 ff. Eigenbetriebe 2 240 kommunale Leistungsfähigkeit 2 241 f. Betriebsgenehmigung Eignungsprüfung 3 82, 3 86 ff. Energieversorgungsnetz 3 82 EVU 1 202 ff. Wegenutzungsverträge 1 202 ff., 1 203 Beweislast einstweilige Verfügung 4 86 Weiterverteilung 1 440 ff. Bewertungsgutachten 3 532 Bewertungsmethode 3 272 ff. absolute ~ 3 273 Auswertung der Angebote 3 513 Mischformen 3 275 relative ~ 3 274 Bietergemeinschaften 3 160 Bietergespräche 3 542 ff. Bietermitteilung 3 558 ff. Auswertungsvermerk 3 561 fehlerhafte ~ 3 562 Form 3 558 Gründe der Vergabeentscheidung 3 559 Inhalt 3 558 f. obsiegender Bieter 3 563 Rügefrist 3 560 unterbliebene ~ 3 562 unterlegene Bieter 3 558 ff. Bund 1 129 Bundesanzeiger 3 26  



























C CAPEX-EOG-Schlüsselung 6 313 Change of Control-Klausel 3 448 ff. Chinese Walls 3 117 Contrat de Concession 1 2  

D Darlehen 1 388 Daseinsvorsorge Pflicht zum Netzbetrieb 5 51, s.a. dort Trinkwasserversorgung 7 1 ff., s.a. dort  

643

Sachregister

wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 123, s.a. dort Datenherausgabe 3 5 ff. Altkonzessionär 3 13 Anspruch potentieller Bieter/Interessenten 3 22 Auskunftsanspruch der Gemeinde 3 9 ff. Ausschreibungsverfahren 3 5 ff. Datenaktualisierung 3 17 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 72 Kartellbehörden 3 21 Konzessionsverträge 1 39 Netzkaufvertrag 6 45 ff. Netztrennungsvereinbarung 6 20 Rechtsschutz der Gemeinde 3 20 f. Strukturdatenbereitstellung (Beispiel) 3 14 technische Daten 3 11 Vertraulichkeitsvereinbarung 3 15 f. Verweigerung 3 12 Verweigerung, teilweise 3 19 Verweigerung, unberechtigte 3 18 wirtschaftliche Daten 3 9 Datenherausgabepflichten Auskunftsanspruch der Gemeinde 3 9 ff. Wegenutzungsverträge 1 180 ff. de-minimis-Regelung 8 36 Demarkationsabsprachen geschlossene Versorgungsgebiete 1 10 Konzessionsverträge 1 8 Deponiekosten 1 175 Dienstbarkeiten 1 176 ff. Anlagen 1 178 Entschädigung 1 179 fiskalische Grundstücke 1 176 Folgekostenpflicht 1 168 Formulierungsvorschlag 1 179 Grunddienstbarkeit 1 177 lastenfreier Erwerb 1 179 Netzkaufvertrag 6 74 ff. Übertragbarkeit 1 178 Wegenutzungsverträge 1 147, 1 176 ff. Wertminderung 1 179 Dienstleistungsaufträge 7 29 f. Dienstleistungskonzessionen 1 51 ff. Begriff 1 51 Wegenutzungsverträge 1 54 Direktleitungen 1 68 Discounted Cash-Flow-Verfahren 6 116  

























Diskriminierung 1 195 Diskriminierungsverbot Ausschreibungsausschluss 3 106 Ausschreibungsverfahren 3 63, 3 65 f. Auswahlverfahren 3 144, 3 179 Auswertung der Angebote 3 512 Netzentgeltprognose 3 345 Wegenutzungsverträge 1 196 Doppelbewerbung 3 75 Doppelbewertung 3 417 ff. Drittvergleichsfähigkeit Bewertung 2 281 Einzelfälle 2 274 ff. Endschaftsregelungen 2 94 Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 2 268 Garantiezusagen 2 89 Gesamtschau 2 281 Kapitalaufbringung 2 91 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 67, 2 71, 2 100, 2 267 ff. Kriterien 2 267 ff. monetäre Aspekte 2 271 Durchgangsleitungen 1 74 Nebenleistungen 1 272 Wegenutzungsverträge 1 7 Durchleitungsanlagen 6 36 dynamische Verweisungsklauseln 1 224  









E EBIT 6 279 Effizienz Auswahlkriterien 3 240 ff., 3 306 ff. Mehrfachbewertung 3 307 Effizienzgewinne 6 198 Effizienzwert 6 332 Eigenbetriebe Auswahlverfahren 3 182 Betriebsführungsmodell 2 240 Eignungsprüfung 3 96 Geheimwettbewerb 3 76 Gewerbesteuer 2 357 Kommunalrabatt 1 234 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 41 Körperschaftsteuer 2 351 ff. Netzpachtmodell 2 240 Netzüberlassung 6 288 steuerneutrale Restrukturierungen 2 369 Trinkwasserversorgung 7 4  







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Sachregister

Eigengesellschaften 3 184 Auswahlverfahren 3 182 Eignungsprüfung 3 96 Kommunalrabatt 1 237 ff., 3 439 Netzüberlassung 6 288 Trinkwasserversorgung 7 4 Eigenkapitalverzinsung 2 127 f. Eigentümergesellschaft 1 136 Eigenverbrauch 1 93 Eignungsprüfung 3 81 ff. Ausschreibungsausschluss 3 109 ff. Ausschreibungsverfahren 3 81 ff. Bekanntmachungsverfahren 3 40 Betrieb von Hochspannungs-/Hochdruckanlagen 3 93 ff. Betriebsgenehmigung 3 82, 3 86 ff. Betriebsgenehmigung für das Konzessionsgebiet 3 89 ff. Eigenbetriebe 3 96 Eignungskriterien 3 84 f., 3 86 ff. Energieaufsichtsbehörde 3 82 Energieversorgungsnetz 3 82 Ermessen 3 84 Interessenbekundungen 3 39 ff. Mindestanforderungen 3 97 ff. Nachweis 3 81 ff. Recht der Gemeinde 3 81 vorweggenommene ~ 3 41 Eingemeindungsklausel 3 166 Einstandsregelung 3 176 f. einstweilige Verfügung 4 5, 4 61 ff. Akteneinsicht 4 146 ff. Berufung 4 91 Beweislast 4 86 Beweismaßstab 4 79 ff. Bewertung 4 78 Durchlaufen beider Instanzen 4 167 ff. Eilbedürfnis 4 73 Entscheidung des Gerichts 4 87 Entscheidungsspielraum der Kommune 4 77 Formanforderungen 4 63 f. Glaubhaftmachung 4 159 Hauptsacheverfahren 4 150 ff., s.a. dort hinreichende Bestimmtheit 4 67 inhaltliche Anforderungen 4 66 ff. örtliche Zuständigkeit 4 65 Präklusion 4 61, 4 157, 4 168 ff. präsente Beweismittel 4 159 Prüfungsgegenstand 4 72 ff.  













































Prüfungsmaßstab 4 76 ff. Rechtsbehelfe 4 89 ff. Rechtsschutzfrist 4 62 Rechtsweg 4 65 Revision 4 92 Rüge 4 72 Trinkwasserversorgung 7 24 Vollziehungsfrist 4 88 Vollzug 4 88 Vorwegnahme der Hauptsache 4 68 ff. Vorwegnahmeverbot 4 158 Zwischenverfügungen 4 71 Endschaftsregelungen Auswahlkriterien 3 176 f., 3 262 Drittvergleichsfähigkeit 2 94 Entflechtung 6 227 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 226 kommunale Belange 3 467 ff. Konzessionsverträge 1 18 ff. Netzpachtvertrag 6 224 ff. Sachzeitwert 6 238 Wegenutzungsverträge 1 186 ff. Energieeffizienz 3 404 f. Energiehändler 1 92 Energiekonzepte 1 306 energiepolitische Leistungen 1 305 ff. Energierecht Auswahlverfahren 3 146 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 27 ff., 2 261 ff. Energieversorgungsnetz Arealnetz 1 76 Betrieb von Hochspannungs-/Hochdruckanlagen 3 94 f. Betriebsgenehmigung 3 82 Eignungsprüfung 3 82, s.a. dort fiskalische Grundstücke 1 145 geschlossenes Verteilernetz 1 77 Konzessionsabgaben 1 463 ff. Konzessionsverträge 1 66 Kundenanlagen 1 71 ff. Leitungen 1 59 Letztverbraucher 1 66 Netzüberlassung 6 1 ff., s.a. dort objektivierter Ertragswert 6 93 ff., s.a. dort Pflicht zum Netzbetrieb 5 21 ff., s.a. dort Pflicht zur Netzübernahme 5 54 ff., s.a. dort Stichleitungen 1 69 Wasserstoffbeimischung 8 7, s.a. dort  





































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Sachregister

Wegenutzungsverträge 1 57 wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 137 Entflechtung 6 7 Endschaftsregelungen 6 227 Entflechtungskonzept 6 82 Entflechtungsvereinbarung 6 9 Grundversorger 1 82 Konzessionsverträge 1 34 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 261 ff. physikalische Netztrennung 6 81 technische ~ 6 80 Trinkwasserversorgung 7 18 Entflechtungs-/Einbindungskosten Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 297 Netzentgeltprognose 3 351 objektivierter Ertragswert 6 167 ff. Entflechtungskonzept 6 82 Entflechtungsvarianten 6 137 Entwidmung 1 148 f. EnWG 1935 1 5 EnWG 1998 1 21 ff. EnWG 2005 1 32 ff. EnWG 2011 1 38 ff. EnWG 2017 1 42 ff. Erdverkabelung 3 409 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 295 ff. Abspaltung von Wasserstoff-Anlagen 6 317 ff. abweichende betriebliche Aufwendungen 6 315 aufwandsgleiche Kosten 6 310 ff., 6 314 Auskünfte 6 320 ff. Begriff 6 303 Behördenzuständigkeit 6 325 Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 6 322 CAPEX-EOG-Schlüsselung 6 313 Datenherausgabe 6 72 Endschaftsregelungen 6 226 Erhebungsbogen 6 322 ertragsorientierter Wertbeitrag 6 342 ff. Festlegung der ~ 6 306 goldenes Ende 6 346 Kapitalkosten 6 308 Kapitalkostenaufschläge 6 308, 6 335 ff. Minderung der Erlösobergrenze 6 317 ff. Netzentgeltprognose 3 350 Netzkaufvertrag 6 70 ff.  





























Neufestlegungsverfahren 6 320 ff. Neufestlegungszeitpunkt 6 326 ff., s.a. dort positiver Sockel 6 346 Regulierungsbehörden 6 306 shared services 6 324 Teilnetzübergang 6 303 ff. übereinstimmender Antrag 6 305 Übergangssockel 6 346 ff. übrige Kosten 6 312 Verfahren bei Nichteinigung 6 306 ff. Vertraulichkeit 6 322 Vollnetzübergang 6 295 ff., s.a. dort Wasserstoffnetze 6 318 Ermessen Ausschreibungsausschluss 3 123, 3 126 Eignungsprüfung 3 84 Versorgungssicherheit 3 281 erneuerbare Energien 3 411 Erneuerbare-Energien-Anlage 3 424 Erreichbarkeit 3 394 Ersatzinvestitionen 3 224 ertragsorientierter Wertbeitrag 6 342 ff. Ertragsteuer Kapitalgesellschaften 2 304 ff., s.a. dort objektivierter Ertragswert 6 166 Personengesellschaften 2 331 ff., s.a. dort Ertragswert 1 327 ff. Erwerbertypus 6 203 ff. Anzahl der Netzbetreiber 6 205 Erwerbergruppen 6 208 Fröndenberg-Entscheidung 6 206 Kosten des Netzbetriebs 6 204 Kreis der Marktteilnehmer 6 205 Wettbewerbsgedanke 6 207 EU-Beschleunigungsrichtlinien 1 82 EVU s.a. Netzbetreiber Aufgaben 5 37 Begriff 1 130 Betriebsgenehmigung 1 202 ff., 1 203 Datenherausgabe 3 5 ff., s.a. dort Eigentümergesellschaft 1 136 Eigenversorgung 1 132 Folgepflicht 1 158 ff., s.a. dort Letztversorgung 1 131 Netzbetreiber 1 136 Pachtmodell 1 136 Wegenutzungsverträge 1 111, 1 130 ff. Ewige Rente 6 138, 6 152 externe Berater 3 132 ff., 3 136 f.  

































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Sachregister

F Fachaufsicht 7 14 Fernwärme 8 51 Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung 1 61 Feuerlöschwasser 7 67 Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 276 ff. Auskünfte zu Leitungen 1 299 Beteiligungsmodelle 1 286, 1 293 Drittvergleichsfähigkeit 2 268 einstufiges Verfahren 1 290 Etablierung von Beteiligungsmodellen 1 286 Garantiedividende 1 296 Geldleistungen 1 280 geldwerte Zuwendungen 1 300 Glasfasernetzaufbau 1 298 Kaufpreisrisiko 1 297 Kausalzusammenhang 1 285 Kooperationsmodelle 1 295 Leistungen 1 279 Prozesskostenrisiko 1 297 Spenden 1 300 Sponsoring 1 301 Übernahme von Entflechtungs-/Einbindungskosten 1 297 Unentgeltlichkeit 1 281 Vertragsstrafen 1 302 f. Vorzugspreis 1 281 wirtschaftliche Risikotragung 1 296 Zusammenhang Leistung-Konzessionsvergabe 1 283 ff. zweistufiges Verfahren 1 291 Finanzierungsannahmen 6 162 ff. Finanzzuschläge 7 63 fiskalische Grundstücke Dienstbarkeiten 1 176 Energieversorgungsnetz 1 145 öffentliche Verkehrswege 1 143 ff. Folgekostenpflicht 1 158, 1 165 ff., 1 250 ff. Anspruchsgrundlage 1 257 Auswahlkriterien 3 258 Baumaßnahmen 1 252 Baumaßnahmen Dritter 1 263 ff. Begriff 1 165 Dienstbarkeiten 1 168 Drittverursachung 1 167 Gemeinde als Veranlasserin 1 261 KAV 1 378  



kommunale Belange 3 456 ff. Kostendämpfungs-/Preisbegrenzungsfunktion 1 253 lnfrastrukturunternehmen 1 264 marktübliche Kosten 1 254 öffentliche Verkehrswege 1 258 f. Straßenbaubehörde 1 264 Träger 1 165 Vergütung notwendiger Kosten 1 252 ff. Versorgungsanlagen 1 168 Versorgungsleitungen 1 255, 1 259 Verteilungsanlagen 1 167 Verursachung 1 166 Wertminderungen 1 256 Folgepflicht 1 158 ff., 1 250 f. Auswahlkriterien 3 258 Begriff 1 161 f. Gemeinde 1 164 kommunale Belange 3 454 f. Nebenleistungsverbot 1 163 Straßenbaumaßnahmen 1 161 Versorgungsleitungen 1 159 Verursacher der Baumaßnahmen 1 159 ff. Fortzahlungsfrist 1 48 Fortzahlungspflicht Grenzen der ~ 5 7 ff. nachvertragliche Konzessionsabgaben 5 3 f., 5 6 Übertragung der Verteilungsanlagen 5 6 Fremdvergleichsgrundsatz 2 216 Fuhrpark, klimaschutzfreundlicher 3 423  































G Garantiedividende Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 296 Netzeigentumsmodell 2 206 Garantiezusagen Ausgleichszahlung 2 75, 2 78 Drittvergleichsfähigkeit 2 89 Garantiehöhe 2 88 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 72 ff. Laufzeit 2 87 Marktüblichkeit 2 72, 2 81 ff., 2 86 Netzbetreibermodell 2 76 Netzeigentumsmodell 2 76 Regulierungsbehörde 2 79 Renditevergleich 2 81 ff. überregulatorische ~ 2 81 ff.  







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Sachregister

Gaskonzessionsverträge Pflicht zum Netzbetrieb 5 53 Wasserstoffbeimischung 8 15 ff. Gaslieferungen 1 415 ff. Gasspeicher 1 63 Gebietsänderungen 1 120 ff. Gefahrübergang 6 27 Geheimwettbewerb 3 69 ff. Ausschreibungsausschluss 3 115 ff. Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 4 140 Doppelbewerbung 3 75 Eigenbetriebe 3 76 Informationsaustausch zwischen Beteiligten 3 71 f. Interessenbekundungen 3 70 Konzern 3 73 f. geldwerte Zuwendungen 1 300 Gemeinde Eignungsprüfung 3 81 ff., s.a. dort Folgepflicht 1 164 Gebietsänderungen 1 120 ff. Gebietsreform 1 121 gemeindefreie Gebiete 1 114 Kommunalrabatt 1 220 ff., s.a. dort Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 1 ff., s.a. dort Pflicht zum Netzbetrieb 5 42 ff., 5 52, s.a. dort Samtgemeinde 1 114 Verbandsgemeinde 1 115 Verwaltungseinheiten 1 113 ff. Wegenutzungsverträge 1 111 f. gemeindefreie Gebiete 1 114 Gemeindeordnungen Kommunalaufsicht 2 165 wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 119 Gemeinderabatt 3 329 Gemeinderat Auswahlentscheidung 3 495 ff. Auswertungsvermerk 3 532 f. Gemeingebrauch 1 139 f. Gemeinkosten 6 246 gemeinsame Gesellschaft als Dienstleistungsmodell 2 198, 2 244 ff. gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb 2 192 ff., 2 244 ff. geschlossene Versorgungsgebiete 1 10  







































geschlossene Verteilernetze 1 77 Haushaltskunden 1 92 Konzessionsabgaben 1 466 ff. Gewässerschutz 7 14 Gewerbesteuer Eigenbetriebe 2 357 Kapitalgesellschaften 2 308 f. Gewerbesteuerzerlegung 3 204 f. Gewichtung der Preiskriterien 3 375 ff. Fehlgewichtung 3 375 Gewichtung zwischen den Zielen 3 377 f. Kartellbehörden 3 376 Rechtsprechungspraxis 3 377 ff. relative Untergewichtung 3 375 Untergewichtungsverhältnisse 3 379 f. Gewinnausschüttungen 2 324 ff. Gewinnerzielungsabsicht 2 126 ff. Glasfasernetzaufbau 1 298 Gleichbehandlungsgebot 3 335 GmbH 2 232 ff. GmbH & Co. KG Besteuerung 2 237 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 236 f. Netzeigentumsgesellschaft 2 289 ff. Netzeigentumsmodell 2 211 goldenes Ende 6 346 Gremienentscheidung 3 545 ff. Auswertung der Angebote 3 545, 3 550 f. Auswertungsvermerk 3 545 Beschlussfassung 3 550 ff. Dokumentation 3 554 Grundlage 3 551 kommunalrechtliche Prüfung 3 556 f. nachträgliche Kriterienänderung 3 552 Neubewertung 3 549 nicht-öffentliche Sitzung 3 546, 3 553 Vorbereitung/-beratung 3 545 ff. Grenzpreis 6 228 Grenzpreisregelungen 1 443 ff. Geltendmachung 1 458 Grenzmengenregelung Gas 1 450 Grenzpreisregelung Gas 1 454 ff. Grenzpreisregelung Strom 1 445 ff. Grenzpreisunterschreitung 1 458 Testate 1 458 Grenzpreisunterschreitung Eigenerklärung 1 459 Geltendmachung 1 458 Konzessionsabgaben 1 381  







































648

Sachregister

Letztverbraucher 1 460 Lieferanten 1 460 Testat 1 459 Grunddienstbarkeit 1 177 Grundstückseigentümer 7 23 Grundstückskauf Netzkaufvertrag 6 38, 6 73 Netzüberlassung 6 11 Grundversorger 1 33 abweichenden Vereinbarungen 1 109 f. Beschleunigungsrichtlinie Strom 1 84 Bestimmungsrecht 1 110 Entflechtung 1 82 Feststellung des ~s 1 104 ff. Gemeinde 1 109 Grundversorgungspflicht 1 81 ff., s.a. dort Netzbetrieb 1 82 Trinkwasserversorgung 7 16 Wechsel des ~s 1 107 f. Grundversorgungspflicht 1 81 ff. Allgemeine Bedingungen/Preise 1 95 ff., s.a. dort Anspruch auf Vertragsschluss 1 87 Begriff 1 86 Beschleunigungsrichtlinie Strom 1 84 Eigenanlage/Drittversorgung des Abnehmers 1 103 Entnahme von Energie 1 88 EU-Beschleunigungsrichtlinien 1 82 Feststellung des Grundversorgers 1 104 ff. Haushaltskunden 1 86, 1 89 ff., s.a. dort Inhalt 1 86 ff. Kontrahierungszwang 1 87 Netzbetrieb 1 82 Niederspannung/-druck 1 99 Preismissbrauchsaufsicht 1 97 Sonderkonditionen 1 95 Vertragsform 1 88 Wechsel des Grundversorgers 1 107 f. wirtschaftliche Zumutbarkeit 1 100 ff. Gruppenbesteuerung 2 312 ff. GWB 1980 1 11 ff.  

























H Hängebeschluss 3 565 Hauptsacheverfahren 4 150 ff. Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren 4 151 ff. Feststellung der Unwirksamkeit 4 175 f.  





Frist 4 177 ff. Klageformen 4 172 ff. Präklusion 4 156, 4 160 f., 4 164 f. Unterlassung des Vertragsschlusses 4 173 f. Zulässigkeit 4 150 ff. Hausanschlusskostenbeiträge 6 159 ff. Haushaltskunden 1 89 ff., 1 375 allgemeine Versorgung 1 92 Begriff 1 89 f. Eigenverbrauch 1 90, 1 93 Energiehändler 1 92 geschlossene Verteilernetze 1 92 Grundversorgungspflicht 1 86 Letztverbraucher 1 92 maximale Abnahmemenge 1 94 nicht private Zwecke 1 91, 1 94 Schutzniveau 1 91 Weiterverteilung 1 92 Heimfallverpflichtungen 7 69 Höchstpreisrecht Kartellbehörden 2 256 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 62 Nebenleistungsverbot 1 331 ff. Wegenutzungsverträge 1 170, 1 205 ff.  





















I IDW S 1 6 103 ff. Berater 6 108 Berücksichtigung von Synergien 6 112 Bewertungskonzeption 6 106 ff. Bewertungsstandards 6 105 fachliche Standards 6 104 Funktionenlehre 6 108 IDW 6 103 Kölner Schule 6 108 neutraler Gutachter 6 108 ff. notwendige Typisierungen 6 112 objektivierter Ertragswert 6 100, 6 196 objektivierter Unternehmenswert 6 100 Schiedsgutachter 6 108 Standard zur Unternehmensbewertung 6 103 Typisierungskonzept 6 202 Wirtschaftsprüfer 6 104 IDW-Hinweise 1 382 Konzessionsabgaben 1 382 Indexverfahren 6 248 ff. Informationspflichten 1 180 ff. Informationsrechte 3 462 ff. Inhouse-Vergabe  











649

Sachregister

Auswahlverfahren 3 182 ff. Binnenmarktrelevanz 7 37 Kartellvergaberecht 7 38 Konzessionsvergabe (Wasser) 7 37 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 41 ff., 2 45, 2 50 Voraussetzungen 7 40 ff. Instandhaltungskonzept 3 293 ff. intelligente Messsysteme Tarifkundenfiktion 1 411 Verbraucherfreundlichkeit 3 399 ff. Interessenbekundungen 3 37 ff. Auswahlkriterien 3 43 ff. Eignungsprüfung 3 39 ff. Erklärung 3 37 f. Fortgang nach Eingang der ~ 3 42 ff. Geheimwettbewerb 3 70 Interessenbekundungsfrist 3 24, 3 37 Trennung bei kommunalem Mitbewerber 3 488 Verfahrensbriefe 3 45 Interims-Konzessionsverträge 5 13 ff. auflösende Bedingung 5 18 außerordentliche Kündigungsrechte 5 18 Jahresfrist 5 17 Konzessionsabgaben 5 16 zeitliche Grenze 5 17 Internet Allgemeine Bedingungen/Preise 1 98 Serviceangebot 3 385 Investitionsplanung 6 220 ff. Investitionsstrategie 3 303 f.  



























K kalkulatorischer Restwert 6 232, 6 262 ff. Anlagevermögen 6 262 Anreizregulierung 6 266 Beurteilung 6 266 ff. Effizienzgewinne 6 268 eigenfinanzierte Altanlagen 6 265 Ermittlung 6 264 f. Mehrwert 6 266 Sachzeitwert 6 259 Synergien 6 268 Tagesneuwerte 6 265 Wertverzehr 6 262 Kapazitätskonzept 3 218 Kapitalaufbringung 2 91  





Kapitalgesellschaften 2 304 ff. Einzelbesteuerung 2 305 ff. Gewerbesteuer 2 308 f. Gewinnausschüttungen 2 324 ff. Gruppenbesteuerung 2 312 ff. Kapitalertragsteuer 2 329 Kommanditgesellschaft auf Aktien 2 311 Körperschaftsteuer 2 305 ff. steuerlicher Querverbund 2 320 ff. steuerneutrale Restrukturierungen 2 362 ff. Veräußerungsgewinne der Gesellschafter 2 330 Verlustverrechnung 2 320 ff. Kapitalisierungszins 6 132, 6 152 ff. Kapitalkosten 6 308 Kapitalkostenabgleich 6 335 Kapitalkostenauf-/-abschlag 6 144 Kapitalkostenaufschläge Basisjahr 6 339 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 308, 6 335 ff. Netzbetreiber 6 337 Zweck 6 336 Kartellamt Konzessionsverträge 1 9 Laufzeitbegrenzung 1 15 Kartellbehörden Bußgeldverfahren 2 258 Datenherausgabe 3 21 Gewichtung der Preiskriterien 3 376 Höchstpreisrecht 2 256 Kontrahierungszwang 1 194 Konzessionsvergabe 2 253 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 253 ff. Laufzeitbegrenzung 1 16 Nebenleistungsverbot 2 256 Untersagungsverfügung 2 258 Kartellrecht Auswahlverfahren 3 147 Konzessionsvergabe (Wasser) 7 34 ff. objektivierter Ertragswert 6 119 Wasserstoffnetze 8 32 Kartellverbote Wasserkonzessionsverträge 7 11 Wegenutzungsverträge 1 6 Kaufering-Entscheidung 6 97 ff. Laufzeitbegrenzung 1 13 objektivierter Ertragswert 6 95, 6 102 Kaufpreisbestimmung 6 52 Kaufpreisregelung 3 262, 3 468 ff.  































650

Sachregister

Kaufpreisrisiko Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 297 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 92 KAV 1 205 Ausschreibungsverfahren 3 2 Entstehungsgeschichte 1 358 ff. Folgekostenpflicht 1 378 Grenzpreisregelungen 1 443 ff., s.a. dort Hauptziele 1 205 Haushaltskunden 1 375 Höchstpreisrecht 1 364 Kommunalrabatt 1 378 Konzessionsabgaben 1 362 ff., s.a. dort Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 62 ff., s.a. dort Nebenleistungen 1 206 ff., s.a. dort Reformbestrebungen 1 370 ff. Regelungsgegenstand 1 362 Schwachlastregelung 1 398 ff., s.a. dort Sondervertragskunden 1 376, 1 394 f. Tarifkunden 1 374, 1 393 Tarifkundenfiktion 1 377, 1 407 ff. Verwaltungskostenbeiträge 1 378 Wasserstoffkonzessionen 8 49 f. Klimaneutralität 3 410 Kommanditgesellschaft auf Aktien 2 311 Kommunalaufsicht Gemeindeordnungen 2 165 Konzessionsvergabe 2 170 Konzessionsverträge 2 169 f. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 162 ff. Nothaushalts-Kommunen 2 173 ff. Selbstverwaltungsgarantie 2 162 kommunale Belange 3 102, 3 215, 3 250 ff., 3 427 ff. Auskunftsrechte 3 462 ff. Bauabstimmungen mit den Kommunen 3 460 ff. Berkenthin-Entscheidung 3 462, 3 468 Endschaftsregelungen 3 467 ff. Folgekostenpflicht 3 456 ff. Folgepflicht 3 454 f. Informationsrechte 3 462 ff. Kaufpreisregelung 3 468 ff. Kommunalrabatt 3 437 ff. Konzessionsabgaben 3 431 ff. Leerrohre 3 461 Mangelgewährleistung 3 461 f.  

















































Nebenleistungsverbot 3 429 Sonderkündigungsrecht 3 446 ff. Vertragsstrafen 3 477 f. Verwaltungskostenbeiträge 3 440 Vorbehaltskauf 3 474 ff. kommunale Einrichtungen 1 112 kommunale Zweckverbände Kommunalrabatt 1 246 Trinkwasserversorgung 7 5 Wegenutzungsverträge 1 118 f. Kommunalrabatt 1 220 ff. Ausschreibungsverfahren 3 99 Auswahlkriterien 3 257 Begriff 1 220 Berechtigter 1 231 ff. Beteiligungen der Gemeinde 1 237 ff. dynamische Verweisungsklauseln 1 224 Eigenbetriebe 1 234 ff. eigenbetriebsähnliche Einrichtungen 1 236 Eigengesellschaften 1 237 ff., 3 439 Gegenstand der Rabattierung 1 225 ff. gesetzliche Umlagen 1 226 KAV 1 378 kommunale Belange 3 437 ff. kommunale Zweckverbände 1 246 Konzessionsabgaben 1 225 f. Kriterieninhalt 3 439 Landkreise 1 245 nach Auslaufen des Vertrages 1 247 f. Netzentgelte 1 229 Netzzugangskosten 1 225 Niederspannung/-druck 1 222 f. rabattgewährendes Unternehmen 1 249 Regiebetriebe 1 234, 1 236 Samtgemeinde 1 242 Umsatzsteuer 1 230 Veränderung 1 221 ff. Verbandsgemeinde 1 242 f. Verpflichteter 1 249 Verwaltungsgemeinschaft 1 242 Wasserstoffkonzessionen 8 53 Kommunalrecht Bewertung der Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 141 ff. Kommunalaufsicht 2 162 ff., s.a. dort Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 106 ff., 2 227 ff. Netzbetreibermodell 2 151 ff. Netzeigentumsmodell 2 147 ff.  











































651

Sachregister

Netzpachtmodell 2 141 ff. Selbstverwaltungsgarantie 2 107 ff., s.a. dort Stadtwerke-Modell 2 159 f. unzulässige wirtschaftliche Betätigung 2 161 ff. wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 119 ff., s.a. dort Kompetenz der Mitarbeiter 3 395 Kontrahierungszwang Ausschreibungsverfahren 3 99 ff. Grundversorgungspflicht 1 87 Kartellbehörden 1 194 Leitungen 1 192 Netzüberlassung 6 77 Trinkwasserversorgung 7 22 Wasserstoffkonzessionen 8 42 Wegenutzungsverträge 1 192 Konzeptwettbewerb 3 513, 3 518 f. Konzern Ausschreibungsausschluss 3 117 Auswahlverfahren 3 196 Geheimwettbewerb 3 73 f. Personengesellschaften 2 344 Konzessionsabgaben 1 78, 1 170, 1 205 ff., 1 363 Abgabenrecht 1 477 Abrechnung in der Praxis 1 381 ff. Abschlagszahlungen 1 381, 1 384 Anpassung 1 385 Ausschreibungsverfahren 3 98 Auswahlkriterien 3 172 ff., 3 257 Begriff 1 205, 1 363, 3 98 besondere Energieversorgungsnetze 1 463 ff. Betriebsausgabenabzug 1 479 ff. Darlehen 1 388 Durchgangsleitungen 1 272 einfacher Wegenutzungsvertrag 1 464 f. Einkünftekorrektur 1 482 ff. Ertragsteuer der Gemeinde 1 498 ff. Ertragsteuer des Netzbetreibers 1 478 ff. Fortzahlungsfrist 1 48 geschlossene Verteilernetze 1 466 ff. Grenzpreisregelungen 1 443 ff., s.a. dort Grenzpreisunterschreitung 1 381 Höchstsätze 1 198 f., 1 206 ff. höchstzulässige ~ 3 433 IDW-Hinweise 1 382 Interims-Konzessionsverträge 5 16 KAV 1 205, 1 362 ff., s.a. dort kommunale Belange 3 431 ff.  













































Kommunalrabatt 1 225 f. Konzessionsabgabenverordnung 1 205 Kundenanlagen 1 471 f. Ladesäulen/-stationen 1 422 ff. nach Ablauf des Vertrages 1 389 ff. nachvertragliche ~ 5 1 ff., s.a. dort Nebenleistungen 1 206 ff., s.a. dort Pachtmodell 1 383 Privatautonomie 1 208 Schlussabrechnung 3 435 Schlussrechnung 1 381 Schwachlastregelung 1 398 ff., s.a. dort Sondervertragskunden 1 424 steuerlicher Fremdvergleich 1 490 ff., 1 494 ff. Steuerrecht 1 476 ff. Testate 1 381 f. Umsatzsteuer 1 473 ff., 1 501 ff. Umsatzsteuerklausel 1 386 verdeckte Gewinnausschüttung 1 483 ff. Verwaltungskostenbeiträge 1 268 Wärmepumpen 1 424 Wasserkonzessionsverträge 7 59 ff. Wasserstoffbeimischung 8 18 Wasserstoffkonzessionen 8 48 ff., 8 52 Weiterverteilung 1 428 ff., s.a. dort Zahlungsmodalitäten 3 434 Konzessionsabgabenanordnung 7 60 ff. Finanzzuschläge 7 63 Nebenleistungsverbot 7 62, 7 66 ff. Preisrecht 7 60 Rechtsgültigkeit 7 61 Konzessionsabgabenverordnung 1 205, s.a. KAV Konzessionsausschuss 3 502 ff. Konzessionsgebiete Auswahlkriterien 3 162 ff. Betriebsgenehmigung 3 89 ff. Konzessionsrichtlinie 3 2 Konzessionsvergabe Ausschreibungsverfahren 3 1 ff., s.a. dort Auswahlkriterien 3 43 ff. einstufiges Verfahren 2 36, 2 221 Kartellbehörden 2 253 ff. Kommunalaufsicht 2 170 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 28, 2 35 ff., 2 264 ff. marktbeherrschende Stellung 2 255 Preisgünstigkeit 3 316 Rechtsschutz 4 1 ff., s.a. Rüge Rüge 4 1 ff., s.a. dort  

























































652

Sachregister

Selbstverwaltungsgarantie 2 116 ff. Trinkwasserversorgung 7 6 Verfahrensbriefe 3 45 Vorfestlegung 2 59 ff., 2 221 zweistufiges Verfahren 2 39, 2 221 Konzessionsvergabe (Wasser) 7 6, 7 26 ff. Abwasserbeseitigung 7 28 Ausschreibungspflicht 7 31 ff., 7 34 ff. Binnenmarktrelevanz 7 32 f. Dienstleistungsaufträge 7 29 f. Inhouse-Vergabe 7 37 ff. Kartellrecht 7 34 ff. Kontrollkriterium 7 41 Netzeigentum 7 49 f. Rechtsgrundlagen 7 26 ff. Rechtsschutz 7 53 ff. Verfahrensgrundsätze 7 51 f. Vergaberecht 7 26 ff. Wasserkonzessionsverträge 7 29, s.a. dort Wesentlichkeitskriterium 7 42 ff., s.a. dort Konzessionsverträge 1 1, 1 78 Andienungsrecht 1 19 Anschlusspflicht 1 79 f. Ausbleiben von Wettbewerb 5 23 ausschließliche Wegerechte 1 7 Ausschreibungsverfahren 3 1 ff., s.a. dort Begriff 1 2, 1 65 Bekanntmachungsverfahren 1 28 ff., 1 36, 3 59 ff. Betriebsgenehmigung 1 202 ff. Datenherausgabe 1 39 Demarkationsabsprachen 1 8 Durchgangsleitungen 1 7 dynamische Verweisungsklauseln 1 224 Endschaftsregelungen 1 18 ff. Energieversorgungsnetz 1 66 Entflechtung 1 34 EnWG 1998 1 21 ff. EnWG 2005 1 32 ff. EnWG 2011 1 38 ff. EnWG 2017 1 42 ff. Gemeinde 1 111 f., s.a. dort geschlossene Versorgungsgebiete 1 10 Grundversorger 1 33 Grundversorgungspflicht 1 81 ff., s.a. dort Interessenbekundungen 3 37 ff., s.a. dort Interims-Konzessionsverträge 5 13 ff., s.a. dort Kartellamt 1 9 Kommunalaufsicht 2 169 f.  



























































Konzessionsabgaben 1 205 ff., s.a. dort Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 1 ff., s.a. dort Laufzeitbegrenzung 1 11 ff., 1 25, 1 152 ff., 5 22, s.a. dort nachvertragliche Konzessionsabgaben 5 5, s.a. dort Netzüberlassung 6 1 ff., s.a. dort öffentliche Verkehrswege 1 137 ff., s.a. dort operationelle Entflechtung 1 34 Pflicht zum Netzbetrieb 5 21 ff., s.a. dort Pflicht zur Netzübernahme 5 54 ff., s.a. dort rechtliche Einordnung 1 50 rechtliche Entflechtung 1 34 Rückbau von Netzen 5 57 ff., s.a. dort Rüge 4 1 ff., s.a. dort Rügepflichten 1 42 f., 1 49, 1 155 ff. Sonderkündigungsrecht 3 446 ff., s.a. dort stillschweigende Verlängerung 5 14 Trennung Netzbetrieb-Versorgungsrecht 1 34 Überlassung der Verteilungsanlagen nach Beendigung 1 26 f. Übertragungspflicht 1 18 Umstellung des Gasnetzes 8 55 ff. Unterzeichnung 3 564 ff. Vergabe 3 1 ff., s.a. Ausschreibungsverfahren Versorgungspflicht 1 81 ff., s.a. Grundversorgungspflicht Vertragspartner 1 130 ff. vorzeitige Verlängerung 1 30 Wasserstoffbeimischung 8 6, s.a. dort Zivilrechtsweg 1 50 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 1 ff. Aktiengesellschaft 2 238 f. arm’s length principle 2 216 asynchrone Gesellschafterstellungen 2 216 Auswahlverfahren 3 199 ff. Betriebsführungsmodell 2 186 ff. Bewertung 2 298 Drittvergleichsfähigkeit 2 67, 2 71, 2 100, 2 267 ff. Eigenbetriebe 2 41 Einbeziehung anderer Geschäftsfelder 2 21 ff. Einfluss auf die lokale Netzinfrastruktur 2 183 Energierecht 2 27 ff., 2 261 ff. Entflechtung 2 261 ff. Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 286, 1 293, 1 295 finanzielle Aspekte 2 179  























































653

Sachregister

freie Konzessionierung 2 41 ff. Fremdvergleichsgrundsatz 2 216 Garantiezusagen 2 72 ff., s.a. dort gemeinsame Gesellschaft als Dienstleistungsmodell 2 198, 2 244 ff. gemeinsame Gesellschaft mit Netzbetrieb 2 192 ff., 2 244 ff. Gesamtnichtigkeit 2 101 ff. gesellschaftsrechtliche ~ 2 14 ff., 2 19 f., 2 231 ff. GmbH 2 232 ff. GmbH & Co. KG 2 236 f. Höchstpreisrecht 2 62 Inhouse-Privileg 2 55 Inhouse-Vergabe 2 41 ff., 2 45, 2 50 Kapitalaufbringung 2 91 Kapitalgesellschaften 2 304 ff., s.a. dort Kartellbehörden 2 253 ff. Kaufpreisrisiko 2 92 KAV 2 62 ff. Kommunalaufsicht 2 162 ff., s.a. dort Kommunalrecht 2 106 ff., 2 227 ff., s.a. dort Konzessionsvergabe 2 28, 2 35 ff., 2 264 ff. Konzessionsvergabe, Vorfestlegung 2 59 ff. Marktüblichkeit 2 67 ff., 2 71, 2 100, 2 271 ff. Motive der Kommunen 2 179 ff. Nebenleistungsverbot 2 30 ff., 2 64 ff. Nebenleistungsverbotsverstoß 2 101 ff. Netzbetreiber 2 299 ff., s.a. dort Netzbetreibermodell 2 19 f. netzbetriebliche Risiken 2 246 Netzeigentumsmodell 2 14 ff., 2 249 f. Netzpachtmodell 2 4 ff., 2 190 f. Organisationsformen 2 210 ff. Personengesellschaften 2 331 ff., s.a. dort Praxisbeispiele 2 283 ff. Prozessrisiko 2 92 rechtliche Rahmenbedingungen 2 25 ff. Rechtsformen 2 210 ff. regionale Kooperationen 2 24 schuldrechtliche ~ 2 4 ff. Selbstverwaltungsgarantie 2 57 Stadtwerke-Modell 2 21 ff., 2 208 f., 2 251 f. steuerlicher Querverbund 2 181 Typen 2 184 ff. Übersicht 2 298 Vergaberecht 2 56 Verteilung des Einflusses 2 97 ff.  























































































wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 119 ff., s.a. dort wirtschaftliche Risikotragung 2 92 ff. Körperschaftsteuer Eigenbetriebe 2 351 ff. Kapitalgesellschaften 2 305 ff. Personengesellschaften 2 346 ff. Kraftwerke 1 63 Krisenfälle 3 302 Kundenanlagen Energieversorgungsnetz 1 71 ff. Konzessionsabgaben 1 471 f. Kundencenter 3 386 ff.  















L Ladesäulen/-stationen Konzessionsabgaben 1 422 ff. Treibhausgasneutralität 3 424 Länder 1 129 Landesverfassungen 5 48 Landkreise Kommunalrabatt 1 245 Wegenutzungsverträge 1 117 Laufzeitbegrenzung 1 11 ff., 1 25, 1 152 ff. 20-Jahres-Rhythmus 1 13 EnWG 1998 1 25 GWB 1980 1 11 ff. Kartellamt 1 15 Kartellbehörden 1 16 Kaufering-Entscheidung 1 13 Konzessionsverträge 5 22 Monopolgebiete 1 13 Rügepflichten 1 155 ff. Umgehungsmöglichkeiten 1 16 Verlängerung, faktische 1 17 Verlängerung, vertragliche 1 15 Verstöße 1 14 Verzögerung des Konzessionsverfahrens 1 154 f. Wasserkonzessionsverträge 7 71 ff. Wasserstoffkonzessionen 8 44 Wettbewerb 1 13, 1 153 Zweck 1 13 Laufzeitenbund 3 167 ff. Leasing 6 215 Leerrohre 3 229 Auswahlkriterien 3 461 Leihe 6 215 Leistungspreisverzeichnisse 6 245  















654

Sachregister

Multiplikatorverfahren 6 277 Musterbeweisbeschluss 6 214

Leitungen Arten 1 58 betriebliche Steuerung 1 62 Direktleitungen 1 68 Durchgangsleitungen 1 74 Energieversorgungsnetz 1 59 Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung 1 61 Gasspeicher 1 63 Kontrahierungszwang 1 192 Kraftwerke 1 63 Letztverbraucher 1 59 Stichleitungen 1 69 f. Wegenutzungsverträge 1 56, 1 58 Weiterverteilung 1 60 Zubehör 1 62 Letztverbraucher Energieversorgungsnetz 1 66 Grenzpreisunterschreitung 1 460 Haushaltskunden 1 92 Leitungen 1 59 Wegenutzungsverträge 1 78 Weiterverteiler 1 431 ff. lnfrastrukturunternehmen 1 264





















M marktbeherrschende Stellung Ausschreibungsverfahren 3 64 Konzessionsvergabe 2 255 Marktrisikoprämie 6 154 Marktüblichkeit Bewertung 2 281 Einzelfälle 2 274 ff. Garantiezusagen 2 72, 2 81 ff., 2 86 Gesamtschau 2 281 Gutachten 2 272 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 67 ff., 2 71, 2 100, 2 271 ff. Mengengerüst 6 135 Messstellenbetreiber 6 32 Messstellenbetrieb 3 328 Miete 6 215 Mittelspannungsnetz 1 434 Mitunternehmerinitiative 2 293 Mitwirkungsverbot 3 207 Mobilfunkanlagen 1 406 Monopolgebiete Laufzeitbegrenzung 1 13 Trinkwasserversorgung 7 21  







N Nachnutzungs-Alternative 5 61 nachvertragliche Konzessionsabgaben 5 1 ff. Fortgewährung weiterer Vertragsleistungen 5 11 f. Fortzahlungspflicht 5 3 f., 5 6 Grenzen der Fortzahlungspflicht 5 7 ff. Höhe nach Vertragsablauf 5 10 Jahresfrist 5 1 Konzessionsverträge 5 5 Übergangszeitraum 5 1 Übertragung der Verteilungsanlagen 5 6 verzögerte Netzübernahmen 5 3 Zahlungsdauer 5 1 Nebenintervention 4 103 f. Nebenleistungen 1 206 ff. Belieferung von Verteilerunternehmen 1 272 f. Benutzung anderer Verkehrswege 1 271 Durchgangsleitungen 1 272 energiepolitische Leistungen 1 305 ff. Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 276 ff., s.a. dort Folgekostenpflicht 1 250 ff., s.a. dort investive Maßnahmen 1 311 ff. Kommunalrabatt 1 220 ff., s.a. dort Nebenleistungsbegrenzungen 1 270 ff. Nebenleistungsverbot 1 206, s.a. dort Nebenleistungsverbotsverstoß 1 331 ff., s.a. dort Privatautonomie 1 208 Regelbeispiele unzulässiger ~ 1 274 ff. unangemessene Überlassungsentgelte 1 323 ff., s.a. dort Verteilerunternehmen 1 272 f. Verwaltungskostenbeiträge 1 266 ff., s.a. dort zulässige ~ 1 219 ff. Nebenleistungsverbot 1 206, 1 274 ff. Angemessenheit 1 322 Ausnahmen 1 304 ff., 1 322 Auswahlkriterien 3 174 f. Auswertung der Angebote 3 528 ff. energiepolitische Leistungen 1 305 ff. Feuerlöschwasser 7 67 Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 276 ff., s.a. dort  

































655

Sachregister

Folgepflicht 1 163 Heimfallverpflichtungen 7 69 Höchstpreisrecht 1 331 ff. investive Maßnahmen 1 311 ff. Kartellbehörden 2 256 kommunale Belange 3 429 Konzessionsabgabenanordnung 7 62, 7 66 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 30 ff., 2 64 ff., 2 101 ff. Nebenleistungsverbotsverstoß 1 331 ff., s.a. dort Preisnachlass für Eigenverbrauch 7 68 Schutz der Wettbewerber 1 218 Verstoß 1 209 Zweck, ursprünglicher 1 211 f. Zweckveränderung 1 214 ff. Nebenleistungsverbotsverstoß 1 331 ff. Abgeordnetenbestechung 1 354 Amtsträger 1 349, 1 354 Beseitigungsanspruch 1 340 Bestechlichkeit 1 346 Bestechung 1 348 Gesamtnichtigkeit der Vertragsklauseln 1 337 f. Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages 1 332 ff. kartellrechtliche Folgen 1 341 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 101 ff. Sponsoring 1 353 steuerrechtliche Folgen 1 356 f. strafrechtliche Folgen 1 342 ff. Teilnichtigkeit der Preisabrede 1 333 ff. Unterlassungsanspruch 1 340 Verbotsgesetz 1 331 Vorteilsannahme 1 345 Vorteilsgewährung 1 350 wettbewerbsrechtliche Folgen 1 339 f. zivilrechtliche Folgen 1 331 ff. Netzanschlusskosten 3 370 Netzanschlusspflichten 5 35 Netzausbau Treibhausgasneutralität 3 414 f. Zuverlässigkeit des Netzbetriebs 3 223 Netzbetreiber Eignungsprüfung 3 81 ff., s.a. dort Ertragsteuer 1 478 ff., 2 303 ff. EVU 1 136 Kapitalgesellschaften 2 304 ff., s.a. dort Kapitalkostenaufschläge 6 337  













































Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 299 ff. Netzüberlassung 6 1 ff., s.a. dort Organisationsform 2 300 ff. Personengesellschaften 2 331 ff. Pflicht zum Netzbetrieb 5 28 ff., s.a. dort Rückbau von Netzen 5 57 ff., s.a. dort Treibhausgasneutralität 3 413 f. Übertragung einer Erlösobergrenze 6 85 Umsatzsteuer 2 358 ff. Umstrukturierungen 2 361 ff. Versorgungssicherheit 5 32 ff. Weiterverteilung 1 441 Netzbetreibermodell 2 19 f. Garantiezusagen 2 76 Kommunalrecht 2 151 ff. wirtschaftliche Risikotragung 2 96 Netzbewirtschaftung 3 292 Netzeigentumsgesellschaft 2 205 Gebrauchsüberlassung 2 219 GmbH & Co. KG 2 211, 2 289 ff. Gründung 2 219 Sacheinlage der Netzanlagen 2 213 Netzeigentumsmodell 2 14 ff., 2 249 f. Auslaufens des Konzessionsvertrags 2 215 Garantiedividende 2 206 Garantiezusagen 2 76 GmbH & Co. KG 2 211 kaufmännische Betriebsführung 2 203 Kommunalrecht 2 147 ff. Mindestgewinnanteil 2 206 Netzeigentumsgesellschaft 2 205 Pachtentgelt 2 200 Pachtmodell 2 199 ff. Pachtzinsanpassung 2 201 Pachtzinsermittlung 2 202 Sacheinlage der Netzanlagen 2 213 Vergaberecht 2 204 wirtschaftliche Risikotragung 2 95 Netzentgelte Entwicklung 3 318 Kommunalrabatt 1 229 konzessionsgebietsscharfe ~ 3 319 Netzentgeltprognose 3 331 ff., s.a. dort örtlich-spezifische ~ 3 319 Netzentgeltprognose 3 331 ff. Bewertungsmethode 3 358 Bewertungsrelevanz der Prognosegüte/ Plausibilisierung 3 357 Datengrundlage 3 332  





































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Sachregister

Diskriminierungsverbot 3 345 Entflechtungs-/Einbindungskosten 3 351 entgeltbildende Faktoren 3 344 ff. Gleichbehandlungsgebot 3 335 Kundengruppen 3 334 Netzentgeltberechnung 3 347 Netzentgelte der Bewerber 3 365 ff. Netzentgelttarife 3 333 ff. Plausibilisierungsanforderungen 3 352, 3 354 ff. Plausibilitätsprüfung 3 352 f. Preisgünstigkeit 3 318, 3 320 Prognosezeitraum 3 339 ff. Quersubventionierung 3 333 Referenzabnahmefälle 3 335 regulatorischer Rahmen 3 347 Sanktionszusagen 3 361 ff. steuerbare Verbrauchseinrichtungen 3 338 Übertragung der Erlösobergrenze 3 350 vorgelagerten Netzkosten 3 348 f. Netzentwicklung 3 303 f. Netzkauf 6 7 Arbeitsrecht 6 69 Grundstückskauf 6 11 Netzkaufvertrag 6 8 ff., 6 25 ff., s.a. dort Netzkaufvertrag 6 8 ff., 6 25 ff. Ansprüche/Forderungen Dritter 6 59 ff. Datenherausgabe 6 45 ff. Dienstbarkeiten 6 74 ff. Durchleitungsanlagen 6 36 Eigentumsübertragung 6 26 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 70 ff., s.a. dort Fälligkeitsregelung 6 42 Gefahrübergang 6 27 gemischt genutzte Leitungen 6 34 Grundstücke 6 38 Grundstückskauf 6 73 Kaufgegenstand 6 28 ff. Kaufpreis 6 39 ff., 6 291 f. Kaufpreisanteile 6 40 f. Korrekturen von Netzentgeltabrechnungen 6 63 Messstellenbetreiber 6 32 negative Kaufgegenstandsabgrenzung 6 33 Netztrennungsvereinbarung 6 24, 6 29 Rechnung 6 42 Sachmängelgewährleistung 6 43 f. Schäden durch den Netzbetrieb 6 62 stillgelegte Anlagen 6 31  











































Streitbeilegungsregelungen 6 64 Übereignung 6 26 Übernahme des Gesamtnetzes 6 37 Übertragung von Verträgen/Rechten 6 56 ff. Übertragungszeitpunkt 6 27 Unterlagenübergabe 6 45 ff. Veröffentlichung zum Netzbetreiberwechsel 6 58 Verpflichtung zum Verkauf 6 26 Vertraulichkeit 6 65 ff. Vorbehalte 6 49 ff., s.a. dort Netzpachtmodell 2 4 ff., 2 190 f. Eigenbetriebe 2 240 kommunale Leistungsfähigkeit 2 241 f. Kommunalrecht 2 141 ff. Netzpachtvertrag 6 6, 6 218 ff. Endschaftsregelungen 6 224 ff. Investitionsplanung 6 220 ff. Pachtzinsformel 6 218 f. wesentliche Regelungsinhalte 6 218 ff. Netzqualität 3 235 Netzregulierung 3 315 Netztrennung 6 7 Baumaßnahmen 6 16 Netztrennungs-/ Netzeinbindungskosten 6 17 f. Netztrennungsvereinbarung 6 9 Netztrennungsvereinbarung 6 9 Aufbau 6 15 Baumaßnahmen 6 16 Datenherausgabe 6 20 Funktion 6 15 Netzanschlüsse 6 23 Netzkaufvertrag 6 24, 6 29 technische Übergabe 6 22 Übergabepunkte 6 19 Übertragungsstichtag 6 21 Netzüberlassung 6 1 ff. Anspruchskonkurrenz 6 285 ff., 6 289 Besitzüberlassungsanspruch 6 5, 6 215 ff., s.a. dort Eigenbetriebe 6 288 Eigengesellschaften 6 288 Entflechtung 6 7 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 295 ff., s.a. dort gerichtliche Geltendmachung 6 78 f. Gesamtgläubiger 6 286 gesetzlicher ~sanspruch 6 77 ff.  







































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Sachregister

Grenzpreis 6 228 Grundstückskauf 6 11 kalkulatorischer Restwert 6 232, 6 262 ff., s.a. dort kleiner Grenzverkehr 6 83 Kontrahierungszwang 6 77 Netzkauf 6 7 Netzpachtvertrag 6 6, s.a. dort Netztrennung 6 7 objektivierter Ertragswert 6 93 ff., s.a. dort pachtweise Besitzüberlassung 6 6 parallele Ansprüche aus Konzessionsverträgen 6 285 ff. Sachzeitwert 6 234 ff., s.a. dort Schuldverhältnis 6 215, s.a. Besitzüberlassungsanspruch subjektiver Ertragswert 6 270 ff., s.a. dort Substanzbewertung 6 234 ff. Übereignung 6 4 Übereignungsanspruch 6 77 Übertragung einer Erlösobergrenze 6 84 ff., s.a. dort Umstellung des Gasnetzes 8 64 f. Vergleichsverfahren 6 276 ff., s.a. dort Vergütung, anderweitig basierte 6 228 ff. Vergütung, angemessene 6 91 f., 6 95, 6 228 ff., s.a. objektivierter Ertragswert Vergütungsstreit 6 91 f. vertraglicher ~sanspruch 6 285 ff. Netzverluste 3 242 Netzzugangskosten 1 225 Neuerrichtungsfiktion 6 243 Neufestlegungszeitpunkt 6 326 ff. Effizienzwert 6 332 Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 327 Folgeperiode 6 328 f., 6 332 f. Mitwirkungspflicht 6 334 rückwirkende Neufestlegung 6 326 neutraler Gutachter IDW S 1 6 108 ff. Wirtschaftsprüfer 6 111 Neutralitätsgebot Auswahlentscheidung 3 479 Auswahlverfahren 3 181, 3 207 Trennung bei kommunalem Mitbewerber 3 482 Niederspannung/-druck 1 99 Niederspannungsnetz 1 434 Nothaushalts-Kommunen 2 173 ff.  





































O objektivierter Ertragswert 6 93 ff., 6 117 Abgrenzung der Unternehmensbewertungsmethoden 6 113 ff. Asset-Deals 6 174 Aufwandspositionen 6 150 Baukostenzuschüsse 6 129, 6 159 ff. Begriff 6 100 Bewertungsgegenstand 6 131 ff. Bewertungsperspektive 6 172 ff. Bewertungsphasen 6 138 ff. Bewertungsstichtag 6 191 ff. Definition 6 106 ff., 6 117, 6 130 Detailplanungsphase 6 138 Discounted Cash-Flow-Verfahren 6 116 Effizienzgewinne 6 198 Eigenkapitalquote 6 142 Entflechtungs-/Einbindungskosten 6 167 ff. Entflechtungsvarianten 6 137 Erlösentwicklung 6 149 Erlösplanung 6 142 Ertragsteuer 6 166 Ertragswert der Eigentümerrolle 6 157 Ertragswertmethode 6 129 Erwerbertypus 6 203 ff., s.a. dort Ewige Rente 6 138, 6 152 ex post-Kaufpreisüberprüfungen 6 124 fachliche Praxis 6 120 fehlende Marktpreise 6 122 fehlende Verhandlungssituation 6 123 fehlender Vergleichsmarkt 6 121 finanzielle Überschüsse 6 118 Finanzierungsannahmen 6 162 ff. Fremdkapital 6 164 gesetzgeberischer Motive 6 93 ff. gutachtliche/kaufmännische Praxis 6 129 ff. Hausanschlusskostenbeiträge 6 159 ff. IDW S 1 6 100, 6 103 ff., 6 196, s.a. dort individuelle Effizienzvorgabe 6 149 Kapitalisierungszins 6 152 ff. Kapitalisierungszinssatz 6 132 Kapitalkostenauf-/-abschlag 6 144 Kartellrecht 6 119 Käuferdefinition 6 177 ff. Kaufering-Entscheidung 6 102 Kaufering-Urteil 6 95 Kostenprüfung 6 143 Marktrisikoprämie 6 154 Mengengerüst 6 135  

































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Sachregister

Musterbeweisbeschluss 6 214 nicht betriebsnotwendiges Vermögen 6 133 normative Festlegung 6 128 Objektivierung 6 115 operative Kosten 6 146 ff. Prognose der Erträge/Aufwendungen 6 141 ff. Prohibitivitätskontrolle 6 99, 6 102 Regelfall 6 94 Risikozuschlag 6 157 Sachgesamtheit von Anlagen 6 197 Sachzeitwert 6 99, 6 114 Synergien 6 183 ff., 6 198 TOTEX-Regulierung 6 183 typisierter Erwerber 6 199 Typisierung 6 181 f. Unternehmensplanung 6 131 Verteilnetzanlagen 6 136 Vertriebssynergien 6 211 ff. Wurzeltheorie 6 125, 6 194 objektivierter Unternehmenswert 6 100 öffentliche Verkehrswege 1 137 ff. diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung 1 191 ff., 1 198 Eignung der ~ 1 201 Entwidmung 1 148 f. faktische ~ 1 142 fiskalische Grundstücke 1 143 ff. Folgekostenpflicht 1 258 f. Gemeingebrauch 1 139 f. gewidmete Grundstücke 1 138 Kapazitäten der ~ 1 201 Privatweg 1 140, 1 142 Sondernutzung 1 140 sonstige Benutzung 1 140 Verkehrswege 1 137 Wegenutzungsverträge 1 55 Widmung 1 139 operative Kosten 6 146 ff.  























P Pacht 6 216 Pachtmodell EVU 1 136 Konzessionsabgaben 1 383 Pachtzinsformel 6 218 f. Personengesellschaften 2 331 ff. Gestaltungsoptionen 2 343 ff. gewerbliche Mitunternehmerschaften 2 334 ff.  







Gewerblichkeit 2 332 Konzern 2 344 Körperschaftsteuer 2 346 ff. Option zur Körperschaftsbesteuerung 2 346 ff. steuerneutrale Restrukturierungen 2 366 ff. Treuhandkommanditistenmodell 2 345 Veräußerung von Mitunternehmeranteilen 2 340 ff. vermögensverwaltende ~ 2 332 Pflicht zum Netzbetrieb 5 21 ff. Auffangverantwortung 5 42 ff. Ausbleiben von Wettbewerb 5 23 Berufsausübungsfreiheit 5 40 Berufsfreiheit 5 38 ff. Daseinsvorsorge 5 51 einfachgesetzliche Zuweisung 5 50 Gas 5 53 Gemeinde 5 52 Gewährleistungsverantwortung des Staates 5 43 f. Landesverfassungen 5 48 nach Auslaufen des Wegenutzungsvertrages 5 28 ff. nachwirkende Schutzpflichten 5 31 Netzanschlusspflichten 5 35 Netzbetreiber 5 28 ff. öffentliche Hand 5 42 ff. parallele Wertung beim Vertrieb 5 41 Pflicht zur Selbstverwaltung 5 49 privater Netzbetrieb wider Willen 5 27 ff. Selbstverwaltungsgarantie 5 45 ff. Stilllegungsverbote 5 36 Strom 5 53 Versorgungssicherheit 5 32 ff. Pflicht zur Netzübernahme Ausgleich 5 54 Neukonzessionär 5 54 Notfall-Netzbetrieb 5 56 Übereignungspflicht 5 55 Verteilnetzanlagen 5 56 Plausibilisierungsanforderungen 3 352, 3 354 ff. Plausibilitätsprüfung Auswertung der Angebote 3 520 ff. Netzentgeltprognose 3 352 f. positiver Sockel 6 346 Präklusion einstweilige Verfügung 4 61, 4 157, 4 168 ff. Hauptsacheverfahren 4 156, 4 160 f., 4 164 f.  







































659

Sachregister

Rüge 4 3, 4 11 Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 4 55 Preisgünstigkeit 3 237 ff., 3 314 ff. Baukostenzuschüsse 3 369, 3 371 ff. Einfluss-/Sanktionsmöglichkeiten der Gemeinde 3 359 ff. Entwicklung der Netzentgelte 3 318 Gemeinderabatt 3 329 gesetzliche Abgaben/Umlagen 3 328 Gewichtung der Preiskriterien 3 375 ff., s.a. dort Informationsrechte 3 360 Konsultationsrechte 3 360 Konzessionsvergabe 3 316 Kosten des Netzanschlusses 3 368 ff. Messstellenbetrieb 3 328 Netzanschlusskosten 3 370 Netzentgelte der Bewerber 3 365 ff. Netzentgeltprognose 3 318, 3 320, 3 331 ff., s.a. dort Netzregulierung 3 315 Rechtsanwendungspraxis 3 322 f. Regulierungsbehörden 3 317 Sanktionszusagen 3 361 ff. Unterbietungswettbewerb 3 316 Unterkriterien 3 325 ff. Preismissbrauchsaufsicht 1 97 Privatautonomie 1 208 Privatweg 1 140, 1 142 Prohibitivitätskontrolle 6 99, 6 102 Prozessrisiko Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 297 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 92  





















Q Quersubventionierung 3 333 Querverbund, steuerlicher Kapitalgesellschaften 2 320 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 181  

Referenzabnahmefälle 3 335 Regiebetriebe Kommunalrabatt 1 234, 1 236 Trinkwasserversorgung 7 4 regionale Kooperationen 2 24 Regulierungsbehörden Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 306 Garantiezusagen 2 79 Übertragung einer Erlösobergrenze 6 89 Vollnetzübergang 6 298, 6 300 Wasserstoffkonzessionen 8 46 Wasserstoffnetze 8 35 Renditevergleich 2 81 ff. Risikozuschlag 6 157 Rückbau von Netzen 5 57 ff. Missverhältnis Aufwand-Leistung 5 63 Mitverursachung der Gemeinde 5 69 Nachnutzungs-Alternative 5 61 Rechtsmissbrauchseinrede 5 70 Schadensersatz 5 65 Stilllegungsklauseln 5 62 unzulässige Rechtsausübung 5 64 Verpflichtungen aus Gesetz 5 66 ff. Verpflichtungen aus Vertrag 5 60 ff. Verwirkung 5 64, 5 70 Rückforderungsvorbehalt 6 53 Rüge 4 1 ff. Abhilfe 4 23, 4 93 Akteneinsicht 4 98 ff., s.a. dort Begründung 4 20 einstweilige Verfügung 4 5, 4 61 ff., s.a. dort EnWG-Novelle 4 1 Formanforderungen 4 18 Hauptsacheverfahren 4 150 ff., s.a. dort inhaltliche Mindestanforderungen 4 19 ff. Nicht-Entscheidung 4 28 Nichtabhilfe 4 24, 4 94 f. Obsiegen der Kommune 4 97 Obsiegen des Bieters 4 96 Präklusion 4 3, 4 11 Rechtsverletzungen 4 9 Rüge gegen Auswahlentscheidung 4 47 ff., s.a. dort Rüge gegen Auswahlkriterien 4 40 ff., s.a. dort Rüge gegen Bekanntmachung 4 29 ff., s.a. dort Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 4 53 ff., s.a. dort Rügefrist 4 13 ff., s.a. dort  





















R Reaktionszeit 3 300 Rechtsschutz s.a. Rüge, s.a. einstweilige Verfügung Konzessionsvergabe 4 1 ff. Konzessionsvergabe (Wasser) 7 53 ff. Rechtsstaatsprinzip 3 148  











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Sachregister

Rügeobliegenheiten 4 10, 4 12 Stufen des Konzessionsverfahrens 4 4 Zeitpunkt der Entscheidung 4 25 ff. Rüge gegen Auswahlentscheidung 4 47 ff. Gegenstand 4 48 Rügefrist 4 49 ff. typische Rügen 4 52 Rüge gegen Auswahlkriterien 4 40 ff. Gegenstand 4 41 ff. Rügefrist 4 44 f. typische Rügen 4 46 Rüge gegen Bekanntmachung 4 29 ff. außerordentliche Bekanntmachung 4 39 Gegenstand 4 30 ff. Nichteinhaltung der Mindestfrist 4 38 Rügefrist 4 34 unterlassene Bekanntmachung 4 37 unzureichende Daten 4 36 Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 4 53 ff. Akteneinsicht 4 56 Entscheidungspflicht 4 59 f. Präklusion 4 55 Rügefrist 4 57 typische Rügen 4 58 Rügefrist 4 13 ff. Ablehnungsinformationsschreiben 3 57 Akteneinsicht 4 143 f. Ausschreibungsverfahren 3 564 Beginn 4 13 Berechnung 4 13 Bietermitteilung 3 560 Einhaltung 4 15 ff. Ende 4 13 f. Rüge gegen Auswahlentscheidung 4 49 ff. Rüge gegen Auswahlkriterien 4 44 f. Rüge gegen Bekanntmachung 4 34 Rüge gegen sonstige Verfahrensverstöße 4 57 Rügepflichten Ablehnungsinformationsschreiben 3 57 Ausschreibungsausschluss 3 127 ff. Konzessionsverträge 1 42 f., 1 49, 1 155 ff.  





































S Sacheinlage der Netzanlagen 2 213 Sachmängelgewährleistung 6 43 f. Sachzeitwert 6 234 ff. Anhaltewerte 6 254 ff.  





ansatzfähige Nutzungsdauern 6 252 f. Begriff 6 234 ff. Beurteilung 6 257 ff. Einzelbewertungsverfahren 6 234 Endschaftsregelungen 6 238 Ermittlung 6 240 ff. Ermittlungsverfahren 6 241 ff. indizierter ~ 6 248 ff., 6 259 kalkulatorischer Restwert 6 259 materielle Vermögensgegenstände 6 235 objektivierter Ertragswert 6 99, 6 114 Tagesneuwerte 6 235 f., 6 240 Tagesneuwertverfahren 6 243 ff., s.a. dort unangemessene Überlassungsentgelte 1 326 Verteilnetzanlagen 6 239 Wiederbeschaffungswerte 6 235 Zustandsmerkmale zum Übertragungszeitpunkt 6 240 SAIDI-Werte Auswertung der Angebote 3 515 Versorgungssicherheit 3 290 Samtgemeinde 1 114 Kommunalrabatt 1 242 Schadensersatz 5 65 Scheinbestandteile 5 67 Schlussrechnung 1 381 Schonung von Bäumen 3 407 Schrankentrias 2 121 Schwachlastregelung 1 398 ff. Lastverlagerung 1 399 f. Mobilfunkanlagen 1 406 Privilegierung der Energieabnahme 1 406 Reformbedürftigkeit 1 402 ff. Schwachlastzeiten 1 399 Tarifkundenfiktion 1 409 Veröffentlichung der Schwachlastzeiten 1 400 Selbstverwaltungsgarantie 2 107 ff., 2 222 Auswahlkriterien 3 140, 3 211 Auswahlverfahren 3 140 ff. Energieversorgung 2 107, 2 112, 2 222 finanzielle Eigenverantwortung 2 110 Kommunalaufsicht 2 162 Konzessionsvergabe 2 116 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 57 Pflicht zum Netzbetrieb 5 45 ff. Trinkwasserversorgung 7 2 wirtschaftliche Betätigung 2 108 wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 113 ff., s.a. dort  































Sachregister

Wirtschaftstätigkeit außerhalb des Gemeindegebiets 2 223 ff. Serviceangebot 3 382 ff. Erreichbarkeit 3 394 Internet 3 385 Kanäle der Erreichbarkeit 3 382 ff. Kompetenz der Mitarbeiter 3 395 Kundencenter 3 386 ff. telefonische Erreichbarkeit 3 384 Vor-Ort-Termine 3 387 ff. Smart Metering 3 399 ff. Sonderkonditionen 1 95 Sonderkündigungsrecht 3 446 ff. außerordentliche Kündigungsrechte 3 452 f. Auswahlkriterien 3 446 ff. Bekanntmachungsverfahren 3 36 Change of Control-Klausel 3 448 ff. kommunale Belange 3 446 ff. ordentliche Kündigung 3 446 f. Vertragsstrafen 3 278 Sondernutzung Begriff 3 442 Benutzung der Straße 3 442 f. gebührenpflichtige ~ 3 441, 3 444 öffentliche Verkehrswege 1 140 Straßennutzung 3 441 Sondervertragskunden 1 376, 1 394 f. Grenzpreisregelungen 1 443 ff., s.a. dort Konzessionsabgaben 1 424 Konzessionsabgabensätze 1 395 Tarifkundenfiktion 1 411, 1 418 Spenden 1 300 Sponsoring Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 301 Nebenleistungsverbotsverstoß 1 353 staatliche Gebietskörperschaften 1 129 Stadtwerke-Modell 2 21 ff., 2 208 f., 2 251 f. Kommunalrecht 2 159 f. steuerlicher Querverbund Kapitalgesellschaften 2 320 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 181 Steuerrecht Kapitalgesellschaften 2 304 ff., s.a. dort Konzessionsabgaben 1 476 ff. Nebenleistungsverbotsverstoß 1 356 f. Personengesellschaften 2 331 ff., s.a. dort stillgelegte Anlagen 6 31  















































Stilllegungsklauseln 5 62 Stilllegungsverbote 5 36 Störungsprävention 3 297 f. Straßenbaubehörde 1 264 Streitbeilegungsregelungen 6 64 Strom 5 53 Stromlieferungen 1 407 ff. Strukturdatenbereitstellung (Beispiel) 3 14 subjektiver Ertragswert 6 270 ff. Begriff 6 271 Beurteilung 6 274 f. Ermittlung 6 272 Preisober-/-untergrenze 6 272 Subsidiaritätsgrundsatz 2 133, 2 230 Substanzbewertung 6 234 ff. Synergien 6 198 Betriebsführungspersonal 6 190 echte ~ 6 186 IDW S 1 6 112 kalkulatorischer Restwert 6 268 objektivierter Ertragswert 6 183 ff. Outperformancemöglichkeit 6 184 sachgerechter Ansatz 6 189 unechte ~ 6 186 Vertriebssynergien 6 211 ff.  













T Tagesneuwerte Anhaltewerte 6 255 kalkulatorischer Restwert 6 265 Sachzeitwert 6 235 f., 6 240 Tagesneuwertverfahren 6 243 ff. Gemeinkosten 6 246 Leistungspreisverzeichnisse 6 245 Neuerrichtungsfiktion 6 243 Tagesneuwerte 6 244 Typisierungen 6 247 Zusatzkosten 6 246 Tarifkunden 1 374, 1 393 Konzessionsabgabensätze 1 396 Tarifkundenfiktion 1 377, 1 407 ff. Gaslieferungen 1 415 ff. intelligente Messsysteme 1 411 Niederspannung 1 407 f. Schwachlastregelung 1 409 Sondervertragskunden 1 411, 1 418 Stromlieferungen 1 407 ff. Viertelstundenmessung 1 411 f. Teilnetzübergang 6 303 ff.  















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Sachregister

Testate Detaillierungsgrad 1 461 Grenzpreisregelungen 1 458 Konzessionsabgaben 1 381 f. TOTEX-Regulierung 6 183 Transparenzgebot Ablehnungsinformationsschreiben 3 51, 3 54 f. Ausschreibungsausschluss 3 106 Ausschreibungsverfahren 3 63, 3 67 Auswahlverfahren 3 144, 3 180 Auswertung der Angebote 3 512 Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse 4 140 Treibhausgasneutralität 3 412 ff. begonnene Vergabeverfahren 3 426 des Netzbetreibers 3 422 Doppelbewertung 3 417 ff. eigener Netzbetrieb 3 422 Erneuerbare-Energien-Anlage 3 424 Fuhrpark, klimaschutzfreundlicher 3 423 H2-Readiness des Netzbetriebs 3 425 interdisziplinäre Konzepte/Systeme 3 419 Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge 3 424 Netzausbau 3 414 f. Netzbetreiber 3 413 f. Umsetzung von Netzanschlussbegehren 3 424 Umweltmanagementsystem 3 418 Umweltverträglichkeit 3 416, 3 419 Unterkriterien 3 421 ff. Versorgungssicherheit 3 415 Trennung bei kommunalem Mitbewerber 3 482 ff. Anforderungen 3 484 ff. Aufhebung des Verfahrens 3 491 f. Ausschreibungsausschluss 3 493 f. Auswirkung auf Vergabeentscheidung 3 490 Beginn 3 487 f. Interessensbekundungen 3 488 Neutralitätsgebot 3 482 organisatorische ~ 3 484 ff. personelle ~ 3 484 ff. Rückversetzung des Verfahrens 3 491 f. Verstoß 3 483, 3 489 ff. Trennung Netzbetrieb-Versorgungsrecht Konzessionsverträge 1 34 Trinkwasserversorgung 7 8 Treuhandkommanditistenmodell 2 345  





















Trinkwasserversorgung 7 1 ff. Anschlusspflicht 7 22 f. Ausgestaltungsvarianten 7 3 ff. Ausschließlichkeitsrechte 7 11 ff. Außenbereich 7 25 Baukostenzuschüsse 7 25 Durchleitungswettbewerb 7 20 Eigenbetriebe 7 4 Eigengesellschaften 7 4 einstweilige Verfügung 7 24 Entflechtung 7 18 EU-Beschleunigungsrichtlinien 7 18 Fachaufsicht 7 14 gerichtliche Zuständigkeit 7 24 Geschlossenheit der Versorgungsgebiete 7 14 Gewässerschutz 7 14 Grundstückseigentümer 7 23 Grundversorger 7 16 kommunale Zweckverbände 7 5 Kontrahierungszwang 7 22 Konzessionsvergabe (Wasser) 7 6, 7 26 ff., s.a. dort Leistungsklage 7 24 Mieter 7 23 Monopolstellung 7 21 Netzanschlusspflichten 7 15 Netzinhaberschaft 7 8 Pächter 7 23 Regiebetriebe 7 4 Selbstverwaltungsgarantie 7 2 Trennung Netzbetrieb-Versorgungsrecht 7 8 Vergaberecht 7 9 Versorgungspflicht 7 15 ff., 7 22 f. Wasserkonzessionsverträge 7 11, 7 59 ff., s.a. dort Wasserversorgungsunternehmen 7 19 Wegenutzungsverträge 7 10 Zumutbarkeit 7 25  

























U Übereignung Netzkaufvertrag 6 26 Netzüberlassung 6 4 Übereignungsanspruch 6 77 Übergangssockel 6 346 ff. Übertragung einer Erlösobergrenze 6 84 ff. außergerichtliche Netzabgabeverhandlungen 6 87 Ertragswertermittlung 6 84, 6 87  



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Sachregister

Netzbetreiber 6 85 Netzkaufpreis 6 88 Regulierungsbehörden 6 89 Teilnetz 6 86 Übertragungspflicht 1 18 Übertragungszeitpunkt 6 27 Umgehungsmöglichkeiten 1 16 Umsatzsteuer Kommunalrabatt 1 230 Konzessionsabgaben 1 473 ff., 1 501 ff. Netzbetreiber 2 358 ff. Umsatzsteuerklausel 1 386 Umstellung des Gasnetzes 8 55 ff. Beendigung des Gaskonzessionsvertrags 8 61 ff. durch anderes Unternehmen 8 58 f. Forcieren durch die Gemeinde 8 60 ff. Netzüberlassung 8 64 f. Netzübernahme 8 58 f. Überleitung der Konzessionsverträge 8 55 ff. Umweltmanagementsystem 3 418 umweltschonende Materialien 3 406 Umweltverträglichkeit 3 247 ff., 3 402 ff. Ausgleichsmaßnahmen 3 408 Energieeffizienz 3 404 f. Erdverkabelung 3 409 erneuerbare Energien 3 411 Klimaneutralität 3 410 Schonung von Bäumen 3 407 Treibhausgasneutralität 3 416, 3 419 umweltschonende Materialien 3 406 unangemessene Überlassungsentgelte 1 323 ff. Ertragswert 1 327 ff. Sachzeitwert 1 326 Unbundling 8 36 Unentgeltlichkeit 1 281 Unterbietungswettbewerb 3 316 Unterlagenübergabe 6 45 ff.  































Smart Metering 3 399 ff. verdeckte Gewinnausschüttung 1 483 ff. Verfahrensbriefe 3 45 Ausschreibungsverfahren 3 97, 3 99 Vergaberecht Ausschreibungsverfahren 3 62 Auswahlkriterien 3 149 Auswahlverfahren 3 144 Konzessionsvergabe (Wasser) 7 26 ff. Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 56 Netzeigentumsmodell 2 204 Trinkwasserversorgung 7 9 Vergleichsverfahren 6 276 ff. Beurteilung 6 281 ff. EBIT 6 279 Ermittlung 6 279 f. Multiplikatorverfahren 6 277 Verkehrswege 1 137 Verlustverrechnung 2 320 ff. Veröffentlichung zum Netzbetreiberwechsel 6 58 Versorgung 2 136 Versorgungsanlagen Begriff 1 324 Folgekostenpflicht 1 168 Scheinbestandteile 5 67 unangemessene Überlassungsentgelte 1 323 ff., s.a. dort Versorgungsleitungen 1 255, 1 259 Versorgungspflicht 1 81 ff., s.a. Grundversorgungspflicht Trinkwasserversorgung 7 15 ff., 7 22 f. Versorgungssicherheit 3 219 ff., 3 280 ff. Ausstattung des Bewerbers 3 284 ff. Begriff 3 280 Ermessen 3 281 finanzielle Ausstattung 3 289 Instandhaltungskonzept 3 293 ff. Investitionsstrategie 3 303 f. Krisenfälle 3 302 Netzbewirtschaftung 3 292 Netzentwicklung 3 303 f. personelle Ausstattung 3 286 ff. Pflicht zum Netzbetrieb 5 32 ff. Reaktionszeit 3 300 SAIDI-Werte 3 290 Störungsbeseitigung 3 299 ff. Störungsprävention 3 297 f. technische Ausstattung 3 285  































V Verbandsgemeinde 1 115 Kommunalrabatt 1 242 f. Verbraucherfreundlichkeit 3 246, 3 381 ff. Bearbeitung von Netzanschlussbegehren 3 398 Beschwerdemanagement 3 396 Information der Öffentlichkeit 3 397 intelligente Messsysteme 3 399 ff. Serviceangebot 3 382 ff., s.a. dort  

















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Sachregister

Treibhausgasneutralität 3 415 Ungefährlichkeit des Netzbetriebs 3 291 Unterkriterien 3 282 Verteilerunternehmen 1 272 f. Verteilnetzanlagen objektivierter Ertragswert 6 136 Pflicht zur Netzübernahme 5 56 Sachzeitwert 6 239 Verteilungsanlagen Beseitigung stillgelegter ~ 1 172 ff. Folgekostenpflicht 1 167 Vertragsstrafen Auswahlkriterien 3 276 ff., 3 477 f. Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 302 f. Leistungsniveau 3 276, 3 279 mangelnde Leistung 3 277 Sonderkündigungsrecht 3 278 Strafzahlungen 3 278 Wegenutzungsverträge 1 183 Vertraulichkeitsvereinbarung 3 15 f. Vertraulichkeitsvereinbarungen 6 65 ff. Vertriebssynergien 6 211 ff. Verwaltungsgemeinschaft 1 242 Verwaltungskostenbeiträge 1 266 ff. Ausschreibungsverfahren 3 99 bereits abgegoltene Leistungen 1 268 Definition 1 267 KAV 1 378 kommunale Belange 3 440 Konzessionsabgaben 1 268 Pauschalisierung 1 269 Schätzung 1 269 Verwirkung 5 64, 5 70 Viertelstundenmessung 1 411 f. Vollnetzübergang 6 295 ff. Begriff 6 295 einheitliches Netzentgelt 6 298 Erlösobergrenze 6 296 Festlegung der Erlösobergrenze 6 301 f. mehrere ~e 6 297 Regulierungsbehörden 6 298, 6 300 Vor-Ort-Termine 3 387 ff. Vorbehalte 6 49 ff. Betriebsmittel 6 51 einfache ~ 6 53 Kaufpreisbestimmung 6 52 Netzübertragung 6 50 qualifizierte ~ 6 53  



























Rückforderungsvorbehalt 6 53 Zinsrisiko 6 54 f. Vorbehaltskauf 6 49 kommunale Belange 3 474 ff. Vorprüfung 3 506 ff. Vorteilsannahme 1 345 Vorteilsgewährung 1 350 Vorzugspreis 1 281  





W Wärmepumpen 1 424 Wasserkonzessionsverträge 7 11, 7 59 ff. Feuerlöschwasser 7 67 Finanzzuschläge 7 63 Heimfallverpflichtungen 7 69 Kartellverbote 7 11 Konzessionsabgaben 7 59 ff. Konzessionsabgabenanordnung 7 60 ff., s.a. dort Konzessionsvergabe (Wasser) 7 29 Laufzeitbegrenzung 7 71 ff. Nebenleistungsverbot 7 62, 7 66 ff. Preisnachlass für Eigenverbrauch 7 68 Tarifordnung 7 70 Wasserstoff blauer ~ 8 11 Erzeugungsart 8 9 ff. Gasbegriff 8 14 grauer ~ 8 11 grüner ~ 8 10 Nationale Wasserstoffstrategie 8 1 oranger ~ 8 14 türkiser ~ 8 11 Wasserelektrolyse 8 5, 8 10 Wasserstoffbeimischung 8 4 ff., s.a. dort Wasserstoffnetzinfrastruktur 8 2 Wasserstoffbeimischung 8 4 ff. EnWG-Novelle 2011 8 5 ff. Gasdefinition 8 5 f. Gaskonzessionsverträge 8 15 ff. Konzessionsabgaben 8 18 Konzessionsverträge 8 6 Netzbetreiber 8 8 Wegenutzungsverträge 8 16 Wasserstoffkonzessionen 8 38 ff. Anschlusspflicht 8 45 Ausschließlichkeit 8 41 Fernwärme 8 51 KAV 8 49 f.  

























665

Sachregister

Kommunalrabatt 8 53 Kontrahierungszwang 8 42 Konzessionsabgaben 8 48 ff., 8 52 Laufzeitbegrenzung 8 44 Regulierungsbehörden 8 46 Vertragsinhalte 8 44 ff. Wegenutzungsverträge 8 39 ff. Wegerechte 8 38 ff. Wasserstoffnetze 8 1 ff. Begriff 8 21 f. de-minimis-Regelung 8 36 Entwurf Novelle Gasbinnenmarktrichtlinie 8 34 ff. EnWG-Novelle 2021 8 20 ff. Erlösobergrenzen-Aufteilung 6 318 Kartellrecht 8 32 rechtliche Grundlagen 8 20 ff. Regelungen für Strom-/Gasnetze 8 23 f. regulatorische Vorgaben 8 31 ff. Regulierungsbehörden 8 35 reine ~ 8 3, 8 20 ff. Umstellung des Gasnetzes 8 55 ff., s.a. dort Unbundling 8 36 Wasserstoffbeimischung 8 2 f., 8 4 ff., s.a. dort Wasserstoffkonzessionen 8 38 ff., s.a. dort Wasserstoffnetzentgeltverordnung 8 33 Wasserstoffnetzinfrastruktur 8 2 Wegenutzungsverträge 8 29 Wegerechte 8 25 ff. Wasserstoffnetzentgeltverordnung 8 33 Wasserversorgungsunternehmen 7 19 Wegenutzungsverträge 1 1 ff., s.a. Konzessionsverträge Abgrenzung 1 51 ff. Altlasten 1 175 ausschließliche Wegerechte 1 7 außerordentliche Kündigungsrechte 1 184 f. Baumaßnahmen 1 159 ff. Begriff 1 52, 1 55 Beseitigung stillgelegter Verteilungsanlagen 1 172 ff. Betriebsgenehmigung 1 202 ff., 1 203 Bund 1 129 Datenherausgabepflichten 1 180 ff. Demarkationsabsprachen 1 8 Deponiekosten 1 175 Dienstbarkeiten 1 147, 1 176 ff., s.a. dort Dienstleistungskonzessionen 1 51 ff., s.a. dort  



















































dingliche Sicherung 1 146 Diskriminierung 1 195 diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung 1 191 ff., 1 198 Diskriminierungsverbot 1 196 Durchgangsleitungen 1 7 Eignung der Verkehrswege 1 201 einfache ~ 1 1, 1 57 ff. Endschaftsregelungen 1 186 ff. Energie 1 55 Energieversorgungsnetz 1 57 EnWG 1935 1 5 EnWG-Novellen 1 5 ff. EVU 1 111, 1 130 ff., s.a. dort Folgekostenpflicht 1 158, 1 165 ff., s.a. dort Folgepflicht 1 158 ff., s.a. dort Formen 1 56 Gebietsänderungen 1 120 ff. Gegenstand 1 78 Gemeinde 1 111 f., s.a. dort GWB 1 5 Höchstpreisrecht 1 170, 1 205 ff. Informationspflichten 1 180 ff. Inhalt 1 78 ff. Interimsregelungen 1 120 ff. Kapazitäten der Verkehrswege 1 201 Kartellverbote 1 6 kommunale Einrichtungen 1 112 kommunale Zweckverbände 1 118 f. Kontrahierungszwang 1 192 Konzessionsabgaben 1 78, 1 170, 1 198 f., 1 205 ff., s.a. dort Länder 1 129 Landkreise 1 117 Laufzeiten 1 150 ff. Leitungen 1 56, 1 58, s.a. dort Letztverbraucher 1 78 Nebenleistungen 1 206 ff., s.a. dort öffentliche Verkehrswege 1 55, 1 137 ff., s.a. dort Parteien 1 111 ff. qualifizierte ~ 1 1, 1 56, 1 65 f., s.a. Konzessionsverträge rechtliche Einordnung 1 50 staatliche Gebietskörperschaften 1 129 Trinkwasserversorgung 7 10 typische Regelungen 1 150 ff. Vertragspartner 1 130 ff. Vertragsstrafen 1 183  













































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Sachregister

Verweigerung des Vertragsschlusses 1 196, 1 197 ff. Wasserstoffbeimischung 8 16 Wasserstoffkonzessionen 8 39 ff. Wasserstoffnetze 8 29 Wegerechte Konzessionsverträge 1 7 Wasserstoffkonzessionen 8 38 ff. Wasserstoffnetze 8 25 ff. Weiterverteiler 1 429 Abgrenzung 1 431 ff. Letztverbraucher 1 431 ff. Weiterverteilung 1 428 ff. Beweislast 1 440 ff. Entgeltlichkeit 1 439 Haushaltskunden 1 92 Höhe der Konzessionsabgaben 1 430 Leitungen 1 60 Letztverbraucher 1 431 ff., 1 437 Mittelspannungsnetz 1 434 Netzbetreiber 1 441 Niederspannungsnetz 1 434 ohne geschäftlichen Schwerpunkt 1 436 Weiterverteiler 1 429 Wesentlichkeitskriterium 7 42 ff. Fremdgeschäftsanteilsgrenze 7 45 Fremdumsätze 7 42 ff., 7 47 Kausalzusammenhang 7 47 f. Umsätze 7 46 Umsatzschwellenwert 7 44 Widmung 1 139 wirtschaftliche Betätigung der Kommune 2 119 ff. außerhalb des Gemeindegebiets 2 223 ff. Bezug zu den öffentlichen Aufgaben 2 124 Daseinsvorsorge 2 123 Eigenkapitalverzinsung 2 127 f. Energieversorgungsnetz 2 137 energiewirtschaftliche Betätigung 2 134 ff. Gemeindeordnungen 2 119 Gewinnerzielungsabsicht 2 126 ff.  

































kommunalrechtlich unzulässige ~ 2 161 ff. Leistungsfähigkeit der Kommune 2 130 ff. öffentlicher Zweck 2 122 ff., 2 228 Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung 2 134 ff. Risikofreistellung 2 156 f. Schrankentrias 2 121 Selbstverwaltungsgarantie 2 113 ff. Subsidiaritätsgrundsatz 2 133, 2 230 Unternehmensgegenstand 2 125 Versorgung 2 136 wirtschaftliche Risikotragung Finanz-/Sachleistungen ohne Gegenleistung 1 296 Kooperations-/Beteiligungsmodelle 2 92 ff. Netzbetreibermodell 2 96 Netzeigentumsmodell 2 95 Wirtschaftsprüfer IDW S 1 6 104 neutraler Gutachter 6 111 Wurzeltheorie 6 125, 6 194  













Z Zertifikate 3 526 f. Zinsrisiko 6 54 f. Zivilrechtsweg 1 50 Zuverlässigkeit des Netzbetriebs 3 221 ff. Beseitigung von Versorgungsunterbrechungen 3 232 ff. Ersatzinvestitionen 3 224 Instandhaltung des Netzes 3 230 f. intelligente Netzinfrastrukturen 3 225 Investitionen in das Netz 3 222 ff. Leerrohre 3 229 Netzausbau 3 223 Netzleitsystem 3 226 Netzqualität 3 235 Umsetzung der Investitionen 3 228 Zwischenverfügungen 4 71