Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen: Teil 1 [11. verb. und erw. Aufl., Reprint 2020] 9783112312179, 9783112300909


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German Pages 324 Year 1958

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Table of contents :
Vorwort zur 10. Auflage
Vorwort zur 11. Auflage
Verzeichnis der Abkürzungen für beide Teile des Werkes
Inhaltsverzeichnis
Gesetzesregister
Die Fälle. Lösungen zum Ersten Teil der Fälle
Erster Teil
Zweiter Teil
Die Lösungen
Ersten Teil der Fälle (Fälle 1—10)
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Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen: Teil 1 [11. verb. und erw. Aufl., Reprint 2020]
 9783112312179, 9783112300909

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Praktische

Strafrechtsfälle mit L ö s u n g e n Ein induktives Strafrechtslehrbuch Von

Dr. Walter Petters L a n d g e r i c h t s r a t a. D.

Elfte verbesserte und erweiterte Auflage

Erster Teil

1958 J. S C H W E I T Z E R V E R L A G B E R L I N UND MÜNCHEN

Satz: Walter de Gruyter

C o . , B e r l i n W 35

D r u c k : B e r l i n e r B u c h d r u c k e r e i U n i o n G . m . b . H . , B e r l i n S W 61 Alle R e c h t e , e i n s c h l i e ß l i c h d e s R e c h t e s d e r H e r s t e l l u n g v o n P h o t o k o p i e n und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur 10. Auflage M i t d e r 10. A u f l a g e ist d a s B u c h in s e i n e r i n n e r e n u n d äußeren Gestaltung grundlegend geändert worden. Schon die letzten Auflagen (insbesondere die neunte) dienten in zunehmendem M a ß e der Erreichung eines d o p p e l t e n Z i e l e s : Einmal an Hand von Fällen mit Lösungen zu zeigen, wie man in logischem A u f b a u und klarer Disposition aus einem komplizierten Lebensvorgang den j u r i s t i s c h e n K e r n h e r a u s s c h ä l t , zum anderen aber die in innerem Zusammenhang mit den jeweiligen Lösungen stehenden Gebiete des Strafgesetzbuches und seiner Nebengesetze in „ V o r b e merkungen" und „Nachträgen" l e h r b u c h a r t i g zu erfassen und, auf eine einfache Formel gebracht, in übersichtlicher und einprägsamer Darstellung zu erörtern. D i e s e Z i e l s e t z u n g h a t m i t d e r vorliegenden Neuauflage ihre V e r w i r k l i c h u n g gefunden. U m diesen Abschluß in der inneren Entwicklung des Buches von einer reinen Fallsammlung mit Lösungen zu einem a u f p r a k t i s c h e n F ä l l e n a u f g e b a u t e n L e h r b u c h auch äußerlich in Erscheinung treten zu lassen, wurde der Buchtitel durch den Zusatz „ E i n i n d u k t i v e s S t r a f r e c h t s l e h r b u c h " erweitert (siehe hierzu die in der Juristischen Rundschau 1950, Heft 1 erschienene Kritik zur 9. Auflage). I m e i n z e l n e n sei z u d e r i n n e r e n N e u g e s t a l t u n g des B u c h e s f o l g e n d e s b e m e r k t : Den „ F ä l l e n " , die in der Neuauflage wesentlich geändert, erweitert und teilweise erneuert wurden, liegt zum Teil Examensmaterial aus der zweiten juristischen Prüfung des ehemaligen Badischen Justizministeriums zugrunde. In der Hauptsache aber sind sie das Ergebnis einer in jahrelanger Tätigkeit als Staatsanwalt und Strafrichter erworbenen p r a k t i s c h e n E r f a h r u n g . Bei ihrer Zusammenstellung war das Bestreben maßgebend, nicht theoretisch interessante Tatbestände zu konstruieren, sondern w i r k l i c h k e i t s t r e u e L e b e n s v o r g ä n g e , soweit sie sich auf dem Gebiet des Strafrechts bewegen, zur Darstellung zu bringen. Nach wie vor bilden diese, in einem besonderen Heft zusammengefaßten und in einer Schlaufe des hinteren Einbanddeckels untergebrachten 24 Fälle das Fundament des Buches. Daneben aber wurden — in Abweichung von den früheren Auflagen — die lehrbuchartigen

IV

Vorwort zur 10. Auflage

Ausführungen in den „Nachträgen" durch zahlreiche k l e i n e r e F ä l l e m i t L ö s u n g e n bzw. durch k u r z e B e i s p i e l e bereichert. Die den Lösungen vorangestellten „ S y s t e m a t i s c h e n V o r b e m e r k u n g e n " (Seite 39—59), die in den bisherigen Auflagen fehlten, bilden den Ausgangspunkt für die Lösungen. Sie enthalten eine Aufgliederung der Grundelemente der strafbaren Handlung und befassen sich besonders ausführlich mit dem Schuldproblem und der neuen Irrtumslehre. Die „ L ö s u n g e n " wurden auf Grund der pädagogischen Erfahrungen, die ich in langjährigen Vorbereitungskursen zum Assessorexamen gesammelt habe, insofern umgestaltet, als die rein theoretischen Erörterungen von den eigentlichen Lösungen vollkommen getrennt und ausschließlich in den „Vorbemerkungen" und „Nachträgen" untergebracht wurden. Die „Lösungen" sowohl wie die theoretischen Ausfuhrungen sind aufgebaut in der Hauptsache auf der Judikatur des R e i c h s g e r i c h t s und der in der amtlichen Sammlung des B u n d e s g e r i c h t s h o f s (bis einschließlich Band 5, Heft 4/5) niedergelegten Rechtsprechung. Daneben wurden auch •— in beschränktem Maße — o b e r l a n d e s g e r i c h t l i c h e Entscheidungen verwertet. Der ursprüngliche Plan, einer Anregung aus Universitätskreisen folgend auch das S c h r i f t t u m zu berücksichtigen (siehe die in der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" Band 65, Heft 4/1953 veröffentlichte Kritik zur 9. Auflage), konnte im Hinblick auf die durch Preisgestaltungsfragen bedingte Notwendigkeit, den Umfang des Buches in bestimmten Grenzen zu halten, in dieser Auflage noch nicht verwirklicht werden. U n b e a r b e i t e t bleiben vorläufig die 5 ersten Abschnitte des Zweiten Teils des Strafgesetzbuches (§§ 80—109 a), da diese Tatbestände sich für eine Zusammenfassung in „ F ä l l e " weniger eignen und überdies die veröffentlichte höchstrichterliche Judikatur auf diesen Gebieten bis jetzt nur einen geringen Umfang hat. Ebenso mußten, durch den Charakter dieses Lehrbuchs bedingt, verschiedene, den ersten Abschnitt des Allgemeinen Teils (§§ 14—42) betreffende Gesetzesstellen außerhalb einer Erörterung bleiben. Was schließlich die ä u ß e r e N e u g e s t a l t u n g des B u c h e s betrifft, erschien im Hinblick auf den nunmehr lehrbuchartigen inneren A u f b a u eine T e i l u n g in z w e i g e t r e n n t e B ä n d e („ErsterTeil'', „Zweiter Teil") zweckmäßig. Der vorliegende „ E r s t e T e i l " , in dem die e r s t e n 10 F ä l l e bearbeitet sind, befaßt sich in der Hauptsache mit den A l l g e m e i n e n L e h r e n des Strafrechts (§§ 1—79) und den fiir die tägliche Strafrechtspraxis w i c h t i g s t e n T a t b e s t ä n d e n . Der „ Z w e i t e T e i l " des Buches, der Ende des Jahres erscheinen wird,

Vorwort zur n . Auflage

V

enthält die L ö s u n g e n z u d e n w e i t e r e n 14 F ä l l e n , die die sämtlichen, im „Ersten T e i l " noch nicht behandelten Gebiete aus dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafgesetzbuches, sowie die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze zum Gegenstande haben. Das I n h a l t s v e r z e i c h n i s wurde zum Zwecke einer raschen Orientierung ergänzt durch ein G e s e t z e s r e g i s t e r . Ein ausführliches a l p h a b e t i s c h e s S a c h r e g i s t e r wird dem „Zweiten T e i l " des Buches beigegeben werden. So möge die seit langem angestrebte und nunmehr mit der 10. Auflage verwirklichte K o m b i n a t i o n e i n e r F a l l s a m m l u n g m i t e i n e m L e h r b u c h dem j u r i s t i s c h e n N a c h w u c h s noch wirksamer als bisher die V o r b e r e i t u n g s a r b e i t zu den j u r i s t i s c h e n P r ü f u n g e n mit ihren gesteigerten Anforderungen e r l e i c h t e r n . Dabei verkenne ich nicht, daß eine solche, vollkommen neuartige Form eines Lehrbuchs keinen geschlossenen Gesamtüberblick gewähren kann und insofern weniger für den Anfanger, als vor allem für den „ f o r t g e s c h r i t t e n e n " S t u d e n t e n und für den R e f e r e n d a r in Frage kommt. Darüber hinaus wird das Buch aber auch dem S t r a f r e c h t s p r a k t i k e r die Möglichkeit geben, sich über schwierige allgemeine Probleme des Strafrechts und die für die tägliche Praxis wichtigsten Straftatbestände in ihrer Auslegung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu orientieren. Heidelberg, im August

1954 Dr. P e t t e r s

Vorwort zur 11. A u f l a g e Das vom Verfasser seit Jahren angestrebte Ziel war i m Prinzip schon mit der 10. Auflage erreicht worden: Ein L e h r b u c h zu schaffen, das die auf wissenschaftlichen und höchstrichterlichen Erkenntnissen beruhenden theoretischen sowie die gesetzesmäßigen Fundamente des Strafrechts an Hand von p r a k t i s c h e n F ä l l e n m i t L ö s u n g e n zur Darstellung bringt, wobei die Lösungen durch eingehende, mit ihnen in unmittelbarem oder auch nur mittelbarem Zusammenhang stehende Abhandlungen allgemeiner Art ergänzt werden. D i e v o r l i e g e n d e N e u a u f l a g e konnte sich daher darauf b e s c h r ä n k e n , verschiedene l e h r b u c h a r t i g e A b s c h n i t t e zuverbessernundweiter auszubauen bzw. vollkommen neu zu gestalten.

VI

Vorwort zur 11. Auflage

Daneben wurde die R e c h t s p r e c h u n g des B u n d e s g e r i c h t s h o f s , die in der 10. Auflage nur bis Band 5 der amtlichen Sammlung berücksichtigt weiden konnte, bis einschließlich Band 10, Heft 2 in die Lösungen eingearbeitet, und zwar teilweise unter Abänderung der bisherigen Ausführungen. Wegen der unverändert gebliebenen Z w e c k b e s t i m m u n g des B u c h e s wird auf die Absätze 2 und 8 des oben abgedruckten Vorworts zur 10. Auflage Bezug genommen. Dank gebührt Herrn Gerichtsreferendar Günter Buchenroth für seine Mitwirkung beim Lesen der Korrekturen und bei der Neufertigung des Inhaltsverzeichnisses und des Gesetzesregisteis. Der z w e i t e T e i l des Werkes, der die Lösung von 14 weiteren Fällen zum Gegenstand hat, erscheint in Neuauflage im Frühjahr nächsten Jahres. Heidelberg, im Dezember 1957 Dr. P e t t e r s

Verzeichnis der Abkürzungen für beide Teile des Werkes BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (amtliche Sammlung)

DJ

Deutsche Justiz

DRZ

Deutsche Rechtszeitschrift

E

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

LK

Leipziger Kommentar zum StGB (Ebermayer,

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

OLG

Oberlandesgericht

Lobe, Rosenberg)

PStG

Personenstandsgesetz

RG

Reichsgericht

RGBl

Reichsgesetzblatt

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozeßordnung

StVO

Straßenverkehrsordnung

ZPO

Zivilprozeßordnung

Inhaltsverzeichnis ( A n s c h l i e ß e n d das Gesetzesregister)

Die Fälle (S. 3—36 des H e f t e s i n d e r S c h l a u f e des h i n t e r e n

Deckels)

Die Lösungen zum Ersten Teil der Fälle (s. 3 9 - 3 0 8 ) Seite

Systematische Vorbemerkungen

39—60

A. Die Tatbestandsmäßigkeit I. I h r e B e s t a n d t e i l e 1. Die Handlung 2. Die objektiven Tatbestandsmerkmale 3. Das subjektive Unrechtselement 4. Der Kausalzusammenhang II. D i e F o l g e n m a n g e l n d e r T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t

39—40 39—40 39 39—40 40 40 40

B. Die Rechtswidrigkeit I. D i e R e g e l II. D i e o b j e k t i v e R e c h t s w i d r i g k e i t ist k e i n T a t bestandsmerkmal III. R e c h t s w i d r i g k e i t s a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e . . IV. Die Folgen m a n g e l n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t .

40—43 40

C. Die Schuld I. D a s W e s e n d e r S c h u l d II. D i e b i o l o g i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n d e r S c h u l d bejahung 1. Die altersmäßige Verstandes-und Willensreife . . 2. Die Zurechnungsfahigkeit III. D i e S c h u l d f o r m e n 1. Der direkte oder unbedingte Vorsatz 2. Der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) . . . . 3. Der dolus generalis 4. Die Fahrlässigkeit IV. Die S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e 1. Die Schuldausschließungsgründe i. e. S 2. Entschuldigungsgründe

41 41—43 43 43—60 43 44—45 44 44—45 45—46 45 45—46 46 46 46—48 46 46—48

Inhaltsverzeichnis

IX Seite

V. Die Folgen eines Schuldausschließungsgrundes VI. T a t b e s t a n d s - u . V e r b o t s i r r t u m insbesondere . 1. Der Tatbestandsirrtum 2. Der Verbotsirrtum VII. Besondere, für die S c h u l d f r a g e bedeutungslose I r r t u m s f ä l l e 1. Objektverwechslung 2. Irrtum über Kausalverlauf 3. Wahnverbrechen VIII. B e d i n g u n g e n der S t r a f b a r k e i t und V e r f o l g barkeit 1. Die Regel 2. Bedingungen der Strafbarkeit 3. Bedingungen der Verfolgbarkeit D. Die persönlichen strafbefreienden Gründe I. S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e II. S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e III. D i e F o l g e n d e r p e r s ö n l i c h e n strafbefreienden Gründe 1. Fall: Ein unerfreulicher Bräutigam Lösung Allgemeiner Teil: Straflose Nachtat (Verwertungsdelikt gegenüber Aneignungsdelikt) S. 66. Der Strafantrag S. 78 und 87—90. Deliktscharakter der „besonders schweren Fälle" S. 81. Besonderer Teil: Betrug (durch Vorenthalten der Wahrheit) S. 61. Unterschlagung (durch Ableugnen des Besitzes) S. 62. Tateinheit zwischen Unterschlagung und Betrug S. 64. Vermögensschädigung beim Betrug S. 65. Tatbestandsirrtum bei Unterschlagung S. 65. Kreditbetrug (Vorspiegelung falscher Tatsachen) S. 67. Unterschlagung bei Sicherungsübereignung S. 69. Versuchte Unterschlagung S. 70. Betrug durch Übereignung einer fremden Sache S. 70. Betrug durch Zahlung mit ungedecktem Scheck S. 71 und 73. Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung S. 72. Betrug durch abredewidrige Ausfüllung eines Blankoakzepts S. 73. Kein gegen Betrug ungeschütztes Vermögen S. 76. Betrug durch Wechselverfälschung S.77. Eingehungsbetrug und Erfüllungsbetrug (Erschleichung von Dienstverträgen) S. 79.

48 48—55 49—51 51—56 56—57 56 56—57 57 57—59 57 58 59 59—60 59 60 60 3 61—90

X

Inhaltsverzeichnis Seite

Rückfallvoraussetzungen beim Betrug S. 80. Persönliche Begünstigung bei Strafantragsdelikten S. 81. §§ 43> 59> 246, 263; f e r n e r : Art. io, 17 und 69 des Wechselgesetzes. F e r n e r : Betrugstatbestände außerhalb des § 263 (insbesondere Versicherungsbetrug und Automatenmißbrauch) S. 82 fr. Unterschlagungstatbestände außerhalb des § 246 (Depotunterschlagung) S. 86 ff. 2. Fall: D e r N a c h s c h l ü s s e l d i e b und sein Gehilfe. . . . Lösung

5 90—125

A l l g e m e i n e r Teil: Die Teilnahme (allgemeine Erörterungen zu § 50 Abs. 1 und 2 mit Beispielen) S. 92 fr. Die Beihilfe (allgemeine Erörterungen S. g8—102; der vorliegende Fall S. 103). Versuch, Rücktritt und tätige Reue (allgemeine Erörterungen mit Beispielen S. 115—120; der vorliegende Fall, insbesondere Rücktritt des Teilnehmers S. 104—106). F e r n e r : Fortgesetzte Tat und Kollektivdelikte (allgemeine Erörterungen) S. 120—125. B e s o n d e r e r T e i l : Rückfalldiebstahl S. 91. Betrug durch Verkauf gestohlener Sachen S. 92. Begünstigung (allgemeine Erörterungen S. 106—110; der vorliegende Fall S. 110—112, insbesondere Selbstbegünstigung S. i n und Begünstigung als Beihilfe S. 113). Hehlerei (an erschwindeltem Geld S. 113; an umgearbeiteter Sache S. 114). §§ 43= 46, 47, 4ß> 49) 5 ° ) 240, 243 I 3, 244, 245, 257, 258, 259, 263, 3 1 9 Z. 1.

3. Fall: D e r falsche K r i m i n a l b e a m t e Lösung

A l l g e m e i n e r Teil: Anstiftung zur Begünstigung bezüglich der eigenen Tat S. 133. B e s o n d e r e r T e i l : Amtsanmaßung (allgemeine Erörterungen S. 125—127; der vorliegende Fall S. 127). Hausfriedensbruch S. 127. Nötigung S. 127. Urkundenfälschung (öffentliche Urkunde S. 128; Mißbrauch von Ausweispapieren S. 129). Diebstahl eines Sparkassenbuchs (allgemeine Erörterungen zum Problem der Zueignungsabsicht S. 130—132; der vorliegende Fall S. 132). Sachliche Begünstigung (Unterschied gegenüber Sachhehlerei S. 135—137; der vorliegende Fall S. 137). §§ 48, 1 2 3 , 240, 242, 257, 258, 259, 263, 267, 2 8 1 .

7 125—150

Inhaltsverzeichnis

XI Seite

F e r n e r : Allgemeine Diebstahlserörterungen (einfacher Diebstahl S. 138—143; schwerer Diebstahl S. 1 4 3 — 1 4 7 ; Rückfalldiebstahl S. 1 4 7 — i 4 8 ; B e s i t z v o n Diebeswerkzeug S. 148—149; Spezialfälle des Diebstahls S. 149—150). 4. Fall:

I r r t u m kann vor Strafe schützen Lösung

8 150—158

Allgemeiner Teil: Tatbestandsirrtum S. 156; Verbotsirrtum S. 157. Beihilfe gegenüber einem im Irrtum befindlichen Täter S. 158. Besonderer Teil: Vollstreckungsvereitelung (allgemeine Erörterungen S. 1 5 0 — 1 5 3 ; der vorliegende Fall S. 153). Verstrickungsbruch (allgemeine Erörterungen S. 1 5 3 — 1 5 5 ; der vorliegende Fall S. 155 bis 158). §§ 49) 59) 137) 288. 5. Fall:

Der gewissenlose Rechtsagent Lösung

9 159—196

Allgemeiner Teil: Untersagung der Berufsausübung S. 182. Eventualdolus bei Hehlerei S. 190. Besonderer Teil: Mittelbare (intellektuelle) Urkundenfälschung (Begriff der öffentlichen Urkunde) S. 159. Meineid (allgemeine Erörterungen zu §§ 153—163 S. 1 5 9 — 1 6 3 ; der vorliegende Fall S. 163). Prozeßbetrug (allgemeine Erörterungen S. 164—166; der vorliegende Fall S. 166). Untreue (allgemeine Erörterungen S. 1 6 6 — 1 7 0 ; der vorliegende Fall S. 170—172). Betrug durch Bewirkung eines Verzichts auf eine nichtige Forderung S. 172. Urkundenfälschung (allgemeine Erörterungen S. 1 7 3 — 1 8 1 ; insbesondere Herstellung einer unechten Urkunde S. 1 7 7 — 1 7 9 ; der vorliegende Fall S. 181 —182). Sachhehlerei (allgemeine Erörterungen S. 183—190; der vorliegende Fall S. 190—191). §§ i53ff-) 246, 259, 263, 266, 267, 271. F e r n e r : Untreuetatbestände außerhalb des § 266, S. 191 — 1 9 2 . Hehlereitatbestände außerhalb des § 259, S. 192. Die Wahlfeststellung, S. 192—194. Fälschung von Gesundheitszeugnissen (§§ 277—279) S. 194—196. 6. Fall:

Der Münzfälscher Johannes Steidel Lösung Allgemeiner Teil: Gesetzeskonkurrenz (allgemeine Erörterungen S. 200—202; der vorliegende Fall S. 202

10 196—221

XII

Inhaltsverzeichnis Seite

bis 205). Tateinheit und Tatmehrheit (allgemeine Erörterungen S. 2 1 6 — 2 1 7 ; der vorliegende Fall S. 208—210). Mittäterschaft bei zweiaktigen Straftaten (allgemeine Erörterungen S. 2 1 4 — 2 1 5 ; der vorliegende Fall S. 215). B e s o n d e r e r T e i l : Münzverbrechen und Münzvergehen (allgemeine Erörterungen) S. 196—199. Abschieben von Falschgeld S. 199; im Zusammentreffen mit Betrug S. 202—204. Versuchtes Münzverbrechen S. 205. Strafbare Vorbereitungshandlung S. 205—206. Vollendete Falschmünzerei S. 207; im Zusammentreffen mit Betrug S. 208—210. Unterschlagung (an Fundsache S. 204; zum Nachteil eines Mittäters S. 207—208). Verbreitung von Falschgeld S. 212; im Zusammentreffen mit Betrug S. 213. §§ 47> 73. 74. '46, i47, HS, 149. !5°> i5'> r 52, 246, 263, 360 Nr. 4 und 5. F e r n e r : Fälschung und wiederholte Verwendung von Stempel- und Postwertzeichen (§§ 275, 276) mit Beispielen S. 217—221.

13

7. Fall: Der beleidigte Ratsschreiber Lösung

221—238

A l l g e m e i n e r T e i l : Notwehr (allgemeine Erörterungen S. 236—238; der vorliegende Fall S. 233—234) B e s o n d e r e r T e i l : Das Vergehen der Beleidigung (allgemeine Erörterungen) S. 221—230. Der vorliegende Fall: Üble Nachrede S. 230; Wahrnehmung berechtigter Interessen S. 231—232; Kompensation S. 233—235; Publikationsbefugnis S. 235. §§ 53. 61, 65, 185—200.

8. Fall: Die unehelichen Kinder der Luise Baumeister

.

Lösung A l l g e m e i n e r T e i l : Mittelbare Täterschaft (allgemeine Erörterungen S. 240—244; der vorliegende Fall S. 248—249). Verbotsirrtum S. 246—247. Besonderer Teil: Personenstandsdelikt (allgemeine Erörterungen S. 239—000; der vorliegende Fall S. 244—249). Mittelbare (intellektuelle) Urkundenfälschung (allgemeine Erörterungen S. 249—252; der vorliegende Fall S. 252—253). §§ 48, 59, 169, 271. 272.

14 239—253

XIII

Inhaltsverzeichnis

Seite

9. Fall: Ein folgenschwerer Einfall Lösung

254

15 286

Allgemeiner Teil: Mittäterschaft (allgemeine Erörterungen S. 267—269; der vorliegende Fall S. 269). Aufforderung zum Verbrechen und deren Annahme (allgemeine Erörterungen S. 270; der vorliegende Fall S. 270—271). Anstiftung (allgemeine Erörterungen S. 271—275; der vorliegende Fall S. 275—277). Sicherungsmaßregeln, insbesondere Sicherungsverwahrung (allgemeine Erörterungen S. 2 79 bis 283; der vorliegende Fall S. 283—285). B e s o n d e r e r T e i l : Erpressung (allgemeine Erörterungen S. 254—257; der vorliegende Fall S. 257). Räuberische Erpressung S. 258—25g. Besonders schwerer Raub S. 260. Körperverletzung mit tödlichem Ausgang S. 260. Fahrlässige Tötung S. 260. Unterschlagung (an Gegenständen einer Leiche) S. 261. Brandstiftung (allgemeine Erörterungen S. 262—264; der vorliegende Fall S. 264—266). Tötungsdelikt S. 266. Unterlassene Anzeige (allgemeine Erörterungen S. 277—279; der vorliegende Fall S. 279). Der Raubmord S. 285—286. §§ 20a, 42a, 42e, 43, 46, 47, 48, 49a, 138, 139, 2 i i , 212, 222, 226, 246, 249, 250, 251, 253, 255, 303, 305, 306, 310, 310a.

10. Fall: Der weibliche Trunkenbold

17 286—308

Lösung

A l l g e m e i n e r Teil:

Kausalzusammenhang

(allge-

meine Erörterungen S. 290—295; der vorliegende Fall S.295—297). Fahrlässigkeit (allgemeine Erörterungen) S. 297—298. Unterlassungsdelikte (allgemeine Erörterungen) S. 301—302. Eventualdolus S. 304.

Besonderer Teil: Giftbeibringung (allgemeine Er-

örterungen S. 286; der vorliegende Fall S. 287). Körperverletzung S. 287—288. Aussetzung (allgemeine Erörterungen S. 289; der vorliegende Fall S. 289—290, 295). Fahrlässige Tötung S. 299; im Zusammentreffen mit Aussetzung mit Todesfolge S. 299. Mord und Totschlag (allgemeine Erörterungen S. 302—304; der vorliegende Fall S. 304—306). Unterlassene Hilfeleistung (allgemeine Erörterungen S. 306—307; der vorliegende Fall S. 307—308). §§ 138, 139) 2 i i , 212, 221, 222, 223, 229, 330c. F e r n e r : Verkehrsflucht (Unfallflucht) S. 308.

Gesetzesregister

Die § § des Strafgesetzbuches (Die Zahlen der Seiten, die grundsätzliche Ausführungen enthalten, sind fett gedruckt)

§§

1 2 4 II 20a 40 41 42 42 a 42 b 42 c 42 d 42 e 42 f 42h 421 42 m 42 n 43 44 46 47 48 49

§§

Seite 81 40

199 59 91, 9 5 , 1 2 4 , 281 ff. 199 199 199 279 279 279 279 2 7 9 , 282 279,

283

279, 2 8 3 182, 2 7 9 279 280 115—116 53 60, 95, 97, 104—106, 116—120, 257, 266 93, 214ff„ 267ff. 90, 9 3 , 242 ff, 271 ff. 9 3 , 98 ff., 1 3 5 , 1 5 8 , 2 7 7 , 293 9 4 , 98, 120, 270, 2 7 4

49a 49b 120, 272 5 0 A b s . l 92 ff., 108, 185, 243 5 0 A b s . 2 60, 63, 94ff., 148 51 52 53

281, 303 44, 4 6 , 94, 2 4 0 , 2 4 4 4 6 , 4 8 , 5 9 , 78, 7 9 , 94. 240, 243 4 1 , 46, 5 0 , 233, 2 3 4 .

236 ff.

54 55 56

46, 48, 50, 94

59

46, 49ff., 55, 58, 59, 66, 6 9 . 93, 142, 14 8 , 156i 2 3 7 , 246, 2 6 2 59, 78, 8 8 f f , 123

61

45. 46

97, 260, 263, 286, 297, 2 9 9 , 3 0 0

295,

62 64 65 67 68 69 70 73 74 82 83 84 89 100 104 110 111 113 116 118 123 125 129 132 132a 133 136 137 138 139 142 143 144 145d 146 147 148 149 150 151 152 153

Seite 89 90

88,

230

59, 2 8 0 59 59 280

216ff. 216ff. 120

201 201 277 42

87 58, 2 7 2 58, 2 7 2 58, 2 6 7 301

294

41, 256 120

42, 54, 8 7 , 2 0 2 , 3 0 1

125—127 127

219

153

153 ff. 2 4 1 47, 277, 3 0 1 278 308 58,

58, 2 0 1 ,

125

301

201

196, 202, 205ff. 197, 1 9 9 , 2 0 9 , 211, 212 ff. 198, 199 ff, 2 0 2 , 2 0 4 198 124, 198 82, 198, 202, 272

199

58,

206, 2 0 7 ,

159 ff, 163

Gesetzesregister

§§ 154 156 157 158 159 160 163 168 169 170 170c 170d 172 173 174 175 175a 176 177 178 179 180 181 181a 182 185 186 187 187a 189 190 191 192 193 194 196 197 199 200 211 212 216 217 218 221

Seite 58, 159 ff. 162, 163 159 ff., 163 95; i 6 2 , 163 95, 120, 162, 163, 264 201, 272 162, 242 95» !20, 264 262 239, 244 ff. 59, 88 290 290 59, 88 49, 57, 59, 242 81, 201 122 94, J24 49, 1 ! 9 , 122, 226 201, 226 294 87 124 47, 5i, 95 124 87, 88 221 ff., 256 58, 222 ff, 225 223 223 87, 223, 230 225 225 225 42, 227 ff, 231 ff. 230 88, 226, 230 227, 230 60, 233, 235 235 45, 56, 96, 97, 202, 266 285, 290, 302 45, 56, 97, 202, 266, 287. 290, 302ff. 42 95, 97 81, 95, 272 95, 202, 289 ff., 294,299. 300

§§

Seite

222 223 223 a 223 b 224 225 226 226a 227 229 230 232 233 236 237 238 239 239a 240 241 242 243 243 243 243 243 243 243 244 245 245 246

XV

Nr. i Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 a

247 248a 248b 248c 249 250 251 253

276, 292, 299 49, 95, 97, 121, 260, 287, 288 121, 259 81 58, 81, 96, 288 273 58, 81, 96, 97, 260, 267, 291, 2 9 4 43 58 119, 202, 286ff. 288 88, 288 60, 288 42, 88 88 59 4 i , 54 277 41, 112, 127,201,254 ff., 256, 276 256, 274 42, 63, 90, 121, 130ff., 138 ff, 241, 261 121, 143 56, 143, 193, 202, 269 91, 106, 145, 193 145 145, 259 145 144, 146 45, 9 1 , 94, 1 4 7 91 82, 148, 272 62 ff, 66, 69, 130 ff, 140, 187, 204, 208, 219, 256, 261 59, 78, 95, 97, 107, 149 ff., 185 59, 95, 143, 148, 150, 201, 285 131, 201 138 97, 201, 256, 258, 285 94, 96, 97, 258ff. 96, 259, 260, 285, 294 42,81,98,20i,254ff,275

Gesetzesregister

XVI §§ 255 257 257a 258 259 260 261 263

264 264a 265 265a 266 267 271 272 273 274 275 276 277 278 279 281 284 285 286

288 289 292 293 296 302 d

§§

Seite 258 46, 47, 59, 81, 92, 95, 106 ff., 1 1 3 , 133, 135 ff., 184 110 109, 1 1 3 , 137, 187 90, 1 1 3 , 1 1 4 f f , 137, 183 ff., 2 1 2 94, 124, 1 9 1 94, 191 61 ff., 6 7 ff, 70, 7 1 , 73ff., 77, 79ff., 92, 132, 164ff., 172, 200, 202, 209, 2 1 1 , 2 1 3 , 214, 2 1 5 , 220 80, 94 59, 82, 95, 107, 185 81, 262, 264, 265 8 3 , 140, 145, 201 81, 167 ff. 134, 74, 76, 1 2 8 f f , 173ff, 194, 249 128, 159, 239, 242, 2 4 9 ff. 252, 2 5 3 253 202 217 204, 2 1 8 , 2 1 9 194 194, 195 194 1 2 9 ff. 5 : , 124 97, 124 51

88, 59, 94, 94, 82, 94,

151 ff. 95, 184 96, 124 124 272 124

Seite

302e 303 304 305 306 307 308 309 310 310a 312 315 316 316a 321 324 327 328 330a 330c 332 340 341 342 346 347 348

124 41, 54, 262, 264, 266 262 262, 265 42, 83, 2 6 2 ff., 265 83, 2 6 3 , 294 82, 83, 2 5 9 , 2 6 2 263 60, 95, 120, 2 6 2 , 2 6 4 264 294 298 298 286 294 294 294 294 58 47, 301, 306ff. 242 54, 95 95 95 ! ° 9 , 277, 301 95 95, 97, J 2 8 , 195, 220. 241, 242, 249 350 63, 95, 96 352 84, 204 353 84, 204 357 272 3 6 0 N r . 4 199 3 6 0 N r . 5 199 3 6 0 N r . 8 126, 239 3 6 1 Nr. 6 124 3 6 1 Nr. 6 a 124 3 6 1 Nr. 6 b 124 3 6 1 Nr. 6c 124 363 129 3 6 7 N r . 1 262 3 6 9 N r . 1 90 3 7 0 N r . 5 59, 95, 148, 201, 285

Soweit in den vorliegenden L ö s u n g e n des E r s t e n Teils des Werkes auf Erläuterungsstellen im Zweiten Teil Bezug genommen wird, ist vor die Bezeichnung der betreffenden Stelle eine II gesetzt. So bedeutet z. B.

Fall II 6, S. 130: Zweiter Teil, Fall 6, Seite 130.

Die Fälle

Petters, Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen, 11. Aufl.

E r s t e r Teil FALL 1: Ein unerfreulicher Bräutigam D e r 29jährige K a u f m a n n A n t o n M ü l l e r tat in den Jahren 1 9 4 2 — 1 9 4 5 bei einer deutschen Wehrmachtseinheit in Straßburg Dienst, wurde dort i m J a h r e 1943 von einem d e u t s c h e n M i l i t ä r g e r i c h t wegen Betrugs z u 6 M o n a t e n Gefängnis und im Jahre 1944 wegen des gleichen Vergehens zu einem J a h r Gefängnis verurteilt. Es gelang ihm nach dem Zusammenbruch, ohne in Gefangenschaft zu geraten, sich nach K a r l s r u h e durchzuschlagen, w o er zunächst v o m Schwarzhandel lebte. D u r c h Vermittlung eines bei einer Dienststelle der Besatzungsmacht beschäftigten Jugendfreundes konnte er schließlich bei der im A u f b a u begriffenen Polizei unterkommen. Er bew ä h r t e sich und sollte nach 2 jähriger Ausbildung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen werden, als durch einen Z u f a l l seine Straßburger Vorstrafen zur Kenntnis seiner vorgesetzten Dienststelle kamen. Er wurde fristlos entlassen. N a c h längerer Arbeitslosigkeit b e g a b er sich 1955 nach S t u t t g a r t . Dort wohnte sein O n k e l X a v e r M ü l l e r , der Alleininhaber der Firma Müller Textilien. A n diesen wandte sich A n t o n m i t der Bitte, ihm in seinem Betrieb irgendeine Beschäftigung zu geben. X a v e r Müller, der zu seinem Stiefbruder, dem verstorbenen V a t e r Antons, seit J a h r e n keinerlei Beziehungen mehr hatte und deshalb auch das V o r leben Antons nicht kannte, verhielt sich gegenüber dem Ansinnen seines N e f f e n zunächst ablehnend. Als dann aber zufällig der Posten eines Provisionsreisenden frei wurde, entschloß er sich, A n t o n versuchsweise einzustellen. W ä h r e n d die Arbeit Antons, der sich als ein sehr gewandter V e r k ä u f e r erwies, die Anerkennung seines Onkels fand, änderte sich diese Situation, als A n t o n in schlechte Gesellschaft geriet. Diese sich nunmehr wieder nach unten bewegende Lebenskurve verlief folgendermaßen: 1 . Anläßlich einer A b r e c h n u n g , die monatlich durch den P r o k u r i s t e n M ü n c h erfolgte, erhielt A n t o n infolge eines Irrtums seitens des M ü n c h einen Hundertmarkschein statt eines Fünfzigmarkscheins. A n t o n , der den I r r t u m sofort erkannte, schwieg zunächst. Als dann M ü n c h a m anderen T a g e A n t o n zur R e d e stellte, bestritt dieser aufs entschiedenste, einen Hundertmarkschein erhalten zu haben. Er w a r dabei entschlossen, den Schein f ü r sich zu behalten und kaufte sich alsbald mit diesem Geld eine Lederjacke. M ü n c h , der den A n g a b e n Antons Glauben schenkte, betrachtete die Angelegenheit nunmehr f ü r erledigt in der A n n a h m e , d a ß l'

4

Die Fälle des Ersten Teiles

das K a s s e n m a n k o von Fünfzig M a r k auf einen anderen, vielleicht später feststellbaren I r r t u m z u r ü c k z u f ü h r e n sei. 2 . Einige W o c h e n n a c h diesem Vorfall erschien bei X a v e r Müller ein K a u f m a n n K u r t Z e i s s u n d t r u g folgendes vor: E r h a b e Anton, d e n er schon seit l a n g e m kenne, vor m e h r e r e n M o n a t e n ein D a r l e h e n von 200 M a r k gegeben, das A n t o n i n n e r h a l b Monatsfrist zurückzuzahlen versprochen h a b e . D a dieser T e r m i n von A n t o n nicht eingehalten w e r d e n konnte, h a b e dieser u m S t u n d u n g f ü r einen weiteren M o n a t gebeten, u n d i h m als Sicherheit sein M o t o r r a d übereignet m i t der M a ß g a b e , d a ß er, Anton, das R a d weiter in Besitz b e h a l t e n u n d b e n u t z e n könne. Er, Zeiss, h a b e n u n in E r f a h r u n g gebracht, d a ß A n t o n , n a c h d e m er 20 M a r k a n seiner Schuld abgezahlt hatte, vor Ablauf der Stundungsfrist das M o t o r r a d bei d e m F a h r r a d h ä n d l e r K l e i n gegen eine bessere M a s c h i n e u n t e r Z a h l u n g eines Differenzbetrages v o n 200 M a r k eingetauscht habe. K l e i n verweigere die H e r a u s g a b e des R a d e s mit der B e g r ü n d u n g , er h a b e von der zwischen i h m (Zeiss) u n d A n t o n getroffenen V e r e i n b a r u n g nichts g e w u ß t ; a u ß e r d e m h a b e A n t o n d e n Differenzbetrag von 200 M a r k mit einem Scheck bezahlt, der keine D e c k u n g g e f u n d e n h a b e . Diese A n g a b e n des Zeiss w u r d e n später von Klein bestätigt. 3 . Fast gleichzeitig meldete sich bei X a v e r Müller a u c h eine F r a u H i l d e S c h w a r z , W i t w e , w o h n h a f t in Ludwigsburg. Aus i h r e m Vorbringen e r g a b sich folgender S a c h v e r h a l t : F r a u Schwarz h a t t e A n t o n , als dieser anläßlich einer Geschäftsreise n a c h Ludwigsburg g e k o m m e n war, kennengelernt. Es entwickelte sich alsbald ein Liebesverhältnis, das schon n a c h kurzer Zeit zur V e r l o b u n g f ü h r t e , n a c h d e m A n t o n u n t e r a n d e r e m a u c h erzählt hatte, d a ß es n u r noch eine Frage der Zeit sei, bis er von seinem schon betagten O n k e l als T e i l h a b e r in die F i r m a Müller aufg e n o m m e n werde, eine B e h a u p t u n g , die n a c h A n g a b e n seines Onkels j e d e r G r u n d l a g e entbehrte. A n t o n , der wußte, d a ß seine B r a u t ein beträchtliches B a r g u t h a b e n von m e h r e r e n tausend M a r k auf der Städtischen Sparkasse hatte, b a t eines Tages F r a u Schwarz, i h m 300 M a r k zwecks U n t e r s t ü t z u n g eines n u r v o r ü b e r g e h e n d in Schwierigkeiten geratenen Freundes zu leihen. F r a u Schwarz h ä n d i g t e i h m einen auf den I n h a b e r z a h l b a r gestellten Scheck ü b e r 300 M a r k aus. K u r z e Zeit später b a t er abermals u m Geld mit der B e g r ü n d u n g , er b r a u c h e eine größere S u m m e , dessen H ö h e er noch nicht a n g e b e n könne, u n d zwar f ü r eine „ G r a t i f i k a t i o n " zwecks Erl a n g u n g einer gemeinsamen W o h n u n g in Stuttgart f ü r die Zeit n a c h der Eheschließung. Auf sein wiederholtes D r ä n g e n stellte F r a u Schwarz zunächst ein Blankoakzept aus, das v e r a b r e d u n g s g e m ä ß mit einem Höchstb e t r a g von 500 M a r k ausgefüllt w e r d e n sollte. Einige T a g e später, als A n t o n erklärt hatte, die 500 M a r k reichten nicht aus, g a b sie i h m abermals ein Akzept ü b e r 500 M a r k . Das Geld, von d e m sie keinen Pfennig zurückerhalten h a b e , schreibe sie, wie sie sich ausdrückte, „ i n d e n S c h o r n s t e i n " ; die V e r l o b u n g h a b e sie aufgelöst. 4 . H e r r M ü l l e r , der ü b e r diese Mitteilungen wenig erfreut w a r , vorläufig a b e r aus F a m i l i e n g r ü n d e n u n d m i t Rücksicht auf den R u f seiner

Fall 2

5

angesehenen Firma von einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft absah und auch Herrn Zeiss und Frau Schwarz gebeten hatte, von weiteren Schritten zunächst Abstand zu nehmen, da er beabsichtige, für den Schaden in vollem U m f a n g e aufzukommen, besprach die ganze Angelegenheit mit seinem Prokuristen Münch. Bei einer eingehenden gemeinsam durchgeführten Vernehmung des Anton gab dieser zunächst sein schwindelhaftes Verhalten g e g e n ü b e r M ü n c h unumwunden zu. A u c h die Machenschaften i m F a l l e Z e i s s - K l e i n stellte er nicht in Abrede. Bezüglich des Schecks über 200 Mark gab er an, daß dieser Scheck zwar am Ausstellungstag ohne Deckung war, daß er aber im Hinblick auf günstige, allerdings noch in der Schwebe befindliche Provisionsgeschäfte bestimmt damit gerechnet habe, sein Sparkassenkonto werde am Fälligkeitstage zur Honorierung des Schecks ausreichen, eine Hoffnung, die sich dann aber leider als trügerisch herausgestellt habe. Schließlich konnte er auch sein gewissenloses Benehmen g e g e n ü b e r F r a u S c h w a r z nicht in Abrede stellen. In diesem Falle räumte er auf eindringlichen Vorhalt noch folgende Einzelheiten ein: den Scheck über 300 Mark habe er der F i r m a M e y e r f ü r Lieferung eines Anzugs und eines Wintermantels in Zahlung gegeben. Das Blankoakzept habe er nach Ausfüllung mit einer Wechselsumme von 700 M a r k zur Bezahlung einer alten Schuld verwendet und das Akzept über 500 M a r k habe er nach Abänderung der Zahl 5 in die Zahl 6 ebenfalls zur Schuldenregulierung und nicht, wie er Frau Schwarz gegenüber behauptet hatte, f ü r „Gratifikationen" verwendet. Im übrigen behauptete er, tatsächlich die Absicht gehabt zu haben, nach beendeter „Selbstsanierung" Frau Schwarz zu heiraten. Es ist ein G u t a c h t e n zu erstatten, das sämtliche Rechtsfragen enthalten soll, auch solche, zu deren restloser K l ä r u n g eventuell noch tatsächliche Feststellungen bezüglich des inneren Tatbestandes erforderlich sind.

FALL 2: Der Nachschlüsseldieb und sein Gehilfe Ein S c h l o s s e r faßte im Sommer 1957 den Entschluß, aus dem abgeschlossenen Warenlager eines großen Tuchgeschäftes Stoffe zu stehlen und diese weiter zu veräußern. Seine Absicht teilte er dem A u s l ä u f e r der Firma, mit dem er eng befreundet war, mit und bat diesen, ihm den Schlüssel zu dem Warenlager, der dem Ausläufer leicht zugänglich war, z u m Zwecke der Herstellung eines Nachschlüssels auf wenige Stunden zur V e r f ü g u n g zu stellen. Der Ausläufer, der über das Vorleben seines Freundes im Bilde war, lehnte das Ansinnen zunächst mit allem Nachdruck ab. Der Schlosser drang aber in ihn und versprach ihm einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Stoffe, wenn er ihm seinen Wunsch erfülle. Schließlich gab der Ausläufer nach und händigte den Schlüssel, den er sich unbemerkt verschafft hatte, dem Schlosser in dessen Wohnung aus. K a u m in sein Geschäft zurückgekehrt, überfiel ihn bittere Reue über den gröblichen Vertrauensbruch seinem Arbeitgeber gegenüber. Er

6

Die Fälle des Ersten Teiles

suchte deshalb alsbald den Schlosser wieder auf und verlangte von ihm die Rückgabe des Schlüssels. Dieser kam dem Verlangen nach und versprach dem Ausläufer auf sein dringendes Bitten, jeden Gedanken an einen Diebstahl aus dem Warenlager aufzugeben. Dieses Versprechen war aber ein trügerisches. Der Schlosser hatte nämlich von dem Schlüssel sofort, nachdem er ihn von dem Ausläufer erhalten hatte, einen Wachsabdruck genommen und war fest entschlossen, sich nach diesem Wachsabdruck einen Nachschlüssel zu fertigen und seine Diebstahlsabsicht auszuführen. Dies tat er dann auch. E r öffnete mit dem Nachschlüssel an verschiedenen Tagen die T ü r zu dem Warenlager und stahl aus diesem nach und nach Stoffe in erheblichem Werte, die er in seiner Wohnung verbarg. Bei der Größe des Warenlagers fiel der Diebstahl zunächst nicht auf. Erst als er einen größeren Umfang angenommen hatte, wurde er bemerkt und bei der Kriminalpolizei zur Anzeige gebracht. Die Kriminalbeamten, die den Tatbestand aufnahmen und den Tatort besichtigten, vernahmen den Inhaber und das gesamte Personal der Firma, auch den Ausläufer, der keinen Zweifel hatte, daß niemand anders als der Schlosser der Täter war. Alle erklärten, sie seien nicht in der Lage, irgendwelche Angaben zu machen, die zur Aufklärung des Falles dienen könnten. Lediglich die Furcht, er könnte selbst Unannehmlichkeiten bekommen, hielt den Ausläufer ab, den Kriminalbeamten die Wahrheit zu sagen. Sofort nach der Vernehmung durch die Kriminalpolizei begab sich der Ausläufer zu dem Schlosser, der ihm auf Vorhalt die Straftat unumwunden einräumte. Der Ausläufer suchte ihn zunächst zu bestimmen, die Stoffe wieder an O r t und Stelle zurückzubringen. Vergebens! Schließlich drohte er ihm mit Anzeige, wenn er der Aufforderung nicht nachkomme; aber auch das machte auf ihn keinerlei Eindruck. Er verkaufte vielmehr den größten Teil der Stoffe u. a. an einen Damenschneider, der sich beim Kaufabschluß verpflichtete, aus einem der schönsten und wertvollsten der gekauften Stücke der B r a u t d e s S c h l o s s e r s zum Selbstkostenpreis ein Jackenkleid anzufertigen. Das Kleid nahm die Braut von dem Schneider in Empfang. Der Schlosser hatte ihr zwar nicht gesagt, woher der Stoff stammte, sie hatte aber in seiner Wohnung die vielen wertvollen Stoffe liegen sehen und war sich keinen Augenblick darüber im unklaren, d a ß ihr Bräutigam nur auf strafbare Weise in ihren Besitz gekommen sein konnte. Der Ausläufer hat in der Folgezeit weder seinem Arbeitgeber noch der Polizei von der Person des Diebes Kenntnis gegeben, und zwar deshalb, weil der Schlosser ihn nach der T a t darum gebeten und ihm von dem Erlös des verkauften Stoffes einen nennenswerten Betrag als Schweigegeld gegeben hatte. Von der Polizei ist der Ausläufer nach der Auszahlung des Schweigegeldes in der Sache übrigens nicht mehr vernommen worden. Nach einigen Monaten gelang es der Kriminalpolizei, den Schlosser, als er gerade den Rest des gestohlenen Stoffes absetzen wollte, festzunehmen. Er räumte alsbald den oben geschilderten Sachverhalt ein.

Fall 3

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Wie ist das Verhalten des Schlossers, des Ausläufers und der Braut des Schlossers strafrechtlich zu beurteilen? Aus den früheren Strafakten des Schlossers wurde folgendes festgestellt: E r hatte bis zum 25. J a n u a r 1947 einen Teil einer dreijährigen Zuchthausstrafe wegen Rückfalldiebstahls verbüßt. Dann wurde die Strafvollstreckung unterbrochen, weil bei ihm Zeichen einer Geistesstörung auftraten. E r befand sich dann bis zum 20. August 1 9 5 3 in einer Heil- und Pflegeanstalt, wurde als gebessert entlassen und erhielt nunmehr f ü r den Rest der noch zu verbüßenden Zuchthausstrafe bedingte Strafaussetzung mit Bewährungsfrist bis 1. J a nuar 1959.

FALL 3: Der falsche Kriminalbeamte Ein stellenloser T e c h n i k e r , der in Geldverlegenheit war, erschien eines Tages in der Wohnung eines Kaufmanns in Stuttgart, der, wie er wußte, sich auf einer Geschäftsreise befand. E r stellte sich der Frau des Kaufmanns als Beamter der Kriminalpolizei vor und erklärte ihr, er sei von der Staatsanwaltschaft beauftragt, in ihrer Wohnung eine Durchsuchung nach falschen Fünfmarkscheinen vorzunehmen; gegen ihren M a n n sei eine Anzeige wegen Falschmünzerei bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden. Die Frau des Kaufmanns bat den „Kriminalbeamten", doch von einer Durchsuchung abzusehen und zu warten, bis ihr Mann von der Reise zurückgekehrt sei; falsches Geld befände sich nicht im Hause, ihr Mann gäbe sich mit derartigen Dingen nicht ab. Der „ K r i minalbeamte" erklärte ihr aber rundweg, er sei verpflichtet, seinen Auftrag auszuführen und legte ihr zu dessen Bekräftigung eine von ihm angefertigte, mit dem von ihm täuschend nachgemachten Stempel „Polizeidirektion Stuttgart" versehene Legitimationskarte vor. Daraufhin ließ ihn die Frau gewähren. E r durchsuchte die Wohnung und verlangte schließlich unter der Drohung, er müsse sie andernfalls verhaften, daß die Frau ihm den verschlossenen Schreibtisch ihres Mannes öffne, da sich in ihm belastende Schriftstücke befinden könnten. In ihrer Angst gab sie dem „Kriminalbeamten" den Schlüssel zu dem Schreibtisch. Bei der Durchsuchung desselben kam ihm ein Sparkassenbuch in die Hände, das er unbemerkt an sich nahm und ebenso unbemerkt in seiner Rocktasche verschwinden ließ. Bald darauf stellte er die Durchsuchung ein und verabschiedete sich von der Frau mit dem Bemerken, sie solle beruhigt sein, er habe nichts Belastendes gegen ihren Mann vorgefunden. A m nächsten Vormittag weihte er einen F r e u n d in das Geschehene ein und bat ihn unter Versprechen einer guten Belohnung, von dem Sparkassenguthaben, das sich inhaltlich des Sparkassenbuchs auf 500 Mark belief, 300 Mark auf der Sparkasse zu erheben. Der Freund war bereitwilligst damit einverstanden und begab sich auf die Sparkasse, wo ihm auf Vorlage des Sparkassenbuchs der verlangte Betrag anstandslos von dem Kassenbeamten ausbezahlt wurde. Die Ausstellung einer Quittung

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Die Fälle des Eisten Teiles

wurde von dem Kassenbeamten nicht verlangt. Die 300 M a r k händigte der Freund gleich darauf mit dem Sparkassenbuch, in welchem der erwähnte Betrag abgeschrieben war, dem Techniker in seiner W o h n n n g aus. Dieser übersandte das Sparkassenbuch noch a m selben T a g e durch die Post an die Kaufmannsfrau mit einem Briefe, den er mit „ d e r Kriminalbeamte von Gestern" nnterzeichnete und in welchem er sich für die ihm in seiner bedrängten Lage, wenn auch ungewollt, gewordene Unterstützung aufs höflichste bedankte. D e m Freunde g a b der Techniker f ü r seine Tätigkeit in der Sache fünf Zehnmarkscheine, die er in dessen Gegenwart von dem Gelde nahm, das dieser auf der Sparkasse abgehoben hatte. Wie ist das Verhalten des Technikers und seines Freundes strafrechtlich zu beurteilen?

FALL 4: Irrtum kann vor Strafe schützen A u f den Lederfabrikanten W u r z e l in Frankfurt a. M . war für 11. M ä r z 1957 ein Akzept über 2700 M a r k fällig und mangels Zahlung z u Protest gegangen. Als sofort der Gläubiger H u r t i g , der Inhaber dieses Wechsels, in scharfen Worten wiederholt auf Zahlung drängte, schickte Wurzel, der sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand, um seine Außenstände u n d das Bargeld dem Zugriff Hurtigs zu entziehen, acht Schuldscheine ü b e r ausstehende Darlehen sowie 1300 M a r k a m 24. M ä r z 1957 an seinen in der Nachbarschaft wohnenden Bruder, der Geld und Scheine gutgläubig in V e r w a h r u n g nahm. Hurtig hatte sich für seine Forderung von 2700 Mark auf das unbelastete Fabrikanwesen Wurzeis auch eine Sicherungshypothek bestellen und a m 5. Februar 1957 eintragen lassen. Als das Akzept keine Deckung fand, erwirkte er am 28. M ä r z 1957 vollstreckbares Urteil und beantragte auf Grund des letzteren Zwangsversteigerung des Fabrikanwesens Wurzeis. Der Beschluß, durch den die Versteigerung angeordnet wurde, war dem Schuldner Wurzel am 13. M a i 1957 zugestellt worden. In dem von den übrigen G e b ä u d e n getrennten Maschinenhaus der Fabrik stand nun seit Januar 1956, in das dafür bestimmte Steinfundament im Boden durch Eisenbolzen und Zement festgemacht, ein von dem Fabrikanten Z e i s s i g unter Eigentumsvorbehalt gelieferter, noch unbezahlter Motor. Als Zeissig von der Versteigerungsanordnung hörte, ließ er am 20. M a i 1957 den Motor durch seine Arbeiter aus der Fabrik Wurzeis wegschaffen und zu sich zurückbringen, ohne daß Wurzel, der über das Vorhaben Zeissigs orientiert w a r und die Arbeiter in die Fabrik hereingelassen hatte, etwas dagegen einwendete. In der Untersuchung v e r t e i d i g t e s i c h Z e i s s i g d a m i t , d a ß er sich an dem Motor das Eigentum bis zur Bezahlung vorbehalten habe, der Motor infolgedessen nicht von der Beschlagnahme ergriffen worden, und er somit zur Wegnahme berechtigt gewesen sei.

Fall 5

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H u r t i g stellte am 27. M a i 1957 Strafantrag wegen der Beseitigung sowohl der Schuldscheine und des Geldes als auch des Motors. 1. Welche strafbaren Handlungen liegen vor? 2. Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Maschine nur lose im Maschinenhaus aufgestellt gewesen und mit Wissen des Zeissig v o m Gerichtsvollzieher f ü r den Gläubiger Hurtig gepfändet gewesen wäre? Welche Bedeutung käme in diesem Falle dem Einwand des Zeissig zu, er habe sich zur Wegnahme f ü r berechtigt gehalten, da er sich das Eigentum an der Maschine vorbehalten habe?

FALL 5: Der gewissenlose Rechtsagent Schreinermeister L e i m in Kaiserslautern hatte einen Prozeß mit K a u f mann R e i c h in Mannheim beim Amtsgericht Mannheim, in welchem Leim bisher von seinem in Mannheim wohnenden Schwager K a r l Müller vertreten worden war. Gegenstand des Prozesses war die Rückforderung eines Darlehens von 250 Mark, das Leim dem Reich vor Jahresfrist gewährt hatte. Der Beklagte gab zu, das Darlehen erhalten zu haben, machte aber geltend, er habe es zurückgezahlt, jedoch vom K l ä g e r keine Quittung erhalten. Z u m Beweis f ü r diese Behauptung berief sich der Beklagte auf den K l ä g e r und beantragte dessen Vernehmung als Partei. Durch Beweisbeschluß ordnete das Gericht gemäß § 450 Z P O . die V e r nehmung des Klägers über diese vom Beklagten aufgestellte und v o m Kläger bestrittene Behauptung an. L e i m , der sich mittlerweile erinnerte, daß er tatsächlich das Darlehen zurückerhalten hatte und sich im klaren darüber war, d a ß er den Prozeß verlieren mußte, wenn er die Wahrheit sagte, d. h. die A n g a b e n des Beklagten bestätigte, begab sich zu dem A g e n t e n K l u g in Kaiserslautern, erzählte ihm den gesamten Sachverhalt und fragte ihn u m R a t . K l u g gab seiner Ansicht über den weiteren Verlauf des Prozesses dahin Ausdruck, daß Leim die von ihm verlangten Angaben wahrscheinlich werde beschwören müssen. Als Leim darauf erklärte, einen solchen Eid könne er nicht leisten, erwiderte K l u g , dem Leim Prozeßvollmacht i. S. des § 8 1 Z P O . erteilt hatte, er werde f ü r ihn, Leim, nach M a n n h e i m fahren und wolle die Sache so gut als möglich f ü r ihn erledigen. Im Verhandlungstermin erschien K l u g , gab sich dem Richter gegenüber als Leim aus, was ohne weiteres gelang, da der Beklagte Reich in diesem Termin nicht persönlich erschienen war, sondern durch seinen Rechtsanwalt vertreten wurde, und Leim selbst bisher j a persönlich vor Gericht noch nicht aufgetreten war. K l u g bestritt die Rückzahlung des Darlehens. Es wurde daraufhin seine Vereidigung gemäß § 452 Z P O . angeordnet. K l u g 1 eistete den Eid. Nach Leistung des Eides schloß der Rechtsanwalt des Reich mit K l u g , als dem vermeintlichen Kläger Leim, einen außergerichtlichen Vergleich,

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Die Fälle des Ersten Teiles

wonach Reich die Klagesumme zahlen und die Gerichtskosten tragen, im übrigen jeder Teil seine Kosten auf sich behalten solle. Die Klagesumme wurde dem K l u g , der zugestandenermaßen in diesem Augenblick gesonnen war, die Sachlage möglichst zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, nämlich nur 100 M a r k an L e i m abzuliefern, und die restlichen 150 Mark f ü r sich zu behalten, alsbald auf dem Büro des Rechtsanwalts ausbezahlt. Hierüber stellte K l u g eine Quittung aus, die er mit dem Namen Leim unterschrieb. D e m Leim teilte K l u g mit, daß er mit Reich einen Vergleich geschlossen habe auf Zahlung von 100 M a r k und Wettschlagung der Kosten und händigte dem ob dieses Ergebnisses hocherfreuten Leim 100 Mark aus, während er die weiteren 150 M a r k , wie geplant, f ü r sich behielt. Wie ist das Gebaren des K l u g u n d das des Leim strafrechtlich zu beurteilen? K a n n gegen K l u g auf Untersagung der Berufsausübung erkannt werden?

FALL 6: Der Münzfälscher Johannes Steidel 1. Der beschäftigungslose F o t o g r a f Johannes Steidel, der schon in seiner Jugend Freude daran hatte, Gipsabgüsse von Metallgeld zu fertigen und auch immer schon großes Interesse f ü r den Aufdruck der Papiergeldscheine bekundet und sich in späteren Jahren eine Sammlung von Inflationsgeldscheinen sowie sonstigen außer Kurs gesetzten Banknoten angelegt hatte, fand i m S o m m e r 1 9 5 3 , kurz nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt M a n n h e i m zurückgekehrt war, auf einem G e h w e g d e r Rheinanlagen einen Z w a n z i g m a r k s c h e i n . Bei näherer B e t r a c h t u n g erkannte er, daß der Schein gefälscht war. Er begab sich mit diesem Schein in ein Kolonialwarengeschäft und kaufte dort für einige M a r k Waren, ohne d a ß der Schein beanstandet wurde. 2. Die gefahrlose Verwertung der falschen Banknote ließ in Steidel, der schon früher gelegentlich den Gedanken der Herstellung von Falschgeld erwogen hatte, den Entschluß reifen, diese verhängnisvolle Idee zur T a t werden zu lassen, zumal sich seine wirtschaftliche Lage — seine Eltern waren bei einem Fliegerangriff im Jahre 1944 ums Leben gekommen, und er selbst konnte bisher noch kein festes Unterkommen finden — zusehends verschlechterte. Er entschloß sich, F ü n f z i g m a r k s c h e i n e anzufertigen. Z u diesem Zwecke verschaffte er sich einen Fotoapparat und stellte zunächst eine mit dem Bilde des n a c h z u m a c h e n d e n echten Fünfzigmarkscheins belichtete G l a s p l a t t e ( N e g a t i v ) her. Dies gelang ihm auf Grund seiner fachlichen Ausbildung ohne g r o ß e M ü h e . Der weitere Versuch aber, das f ü r die Herstellung der Falschscheine erforderliche präparierte Druck-

Fall 6 papier zu beschaffen, blieb ohne Erfolg. E r gab daher den Plan der Falschgeldherstellung wieder auf und vernichtete die Glasplatte. 3. I m H e r b s t 1 9 5 3 lernte Steidel, der noch immer keiner geregelten Tätigkeit nachging, zwei ebenfalls arbeitslose Berufskollegen kennen, von denen der eine sich schon früher mit dem Problem der Münzfälschung befaßt hatte. Er besprach mit ihnen seinen alten Plan der Anfertigung von Papiergeld auf fotografischem Wege, und die drei beschlossen, zunächst einen P r o b e s c h e i n herzustellen und, falls dieser gelingen sollte, zu einem „ganz großen Schlage" auszuholen. Die diesbezüglichen Arbeiten, die Steidel und seine zwei Kollegen in einem Vorstadtviertel von M a n n h e i m im Kellerraum eines bombenzerstörten Hauses durchführten, zeitigten im D e z e m b e r 1 9 5 3 den Erfolg, daß mittels eines sehr komplizierten, hier nicht interessierenden fototechnischen Verfahrens die Herstellung eines zur Täuschung im Verkehr geeigneten Fünfzigmarkscheins gelang. 4. Mit B e g i n n d e s J a h r e s 1 9 5 4 war die Falschmünzerwerkstatt soweit ausgebaut, daß nunmehr mit der serienweisen Herstellung des Falschgeldes begonnen werden konnte. K u r z nach Fertigstellung der ersten Serie von 100 falschen Scheinen A n f a n g M ä r z 1 9 5 4 geriet S t e i d e l mit seinen Kollegen wegen der Verteilung des zu erzielenden Gewinns in Streit und entfernte sich heimlich unter Mitnahme des gesamten in seinem Alleingewahrsam befindlichen Falschgeldbestandes. E r begab sich E n d e M ä r z zunächst nach M ü n c h e n und suchte dort seinen alten Kriegskameraden A l o i s S c h e i b l e r auf, weihte ihn in das Geschehene ein und verabredete mit ihm, gemeinsam die hundert falschen Banknoten „ a n den M a n n zu bringen" und den Erlös zu teilen. 5. Zunächst machte sich vereinbarungsgemäß S t e i d e l im Frühjahr 1954 unter Mitnahme von 10 der falschen Banknoten auf den Weg, während er die restlichen 90 Scheine seinem Freunde S c h e i b l e r in Verwahrung gab. S t e i d e l löste mit einem der Scheine eine Fahrkarte nach S t u t t g a r t . Dort gelang es ihm ohne Schwierigkeiten, gleich am ersten Tage drei der Scheine durch Einkauf kleinerer Warenmengen umzuwechseln. Beim Versuch, in einem vierten Ladengeschäft einen weiteren Schein in Zahlung zu geben, ereilte Steidel sein Schicksal. Der Zufall wollte es, daß zur gleichen Zeit in dem fraglichen Geschäft ein Kriminalbeamter Erhebungen wegen eines zum Nachteil des Inhabers verübten Diebstahls machte; der Beamte schöpfte Verdacht und nahm S t e i d e l vorläufig fest. Die noch in seinem Besitz befindlichen restlichen Scheine wurden von dem Beamten sichergestellt. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft räumte S t e i d e l , der zunächst behauptet hatte, er habe 10 Stück der fraglichen Banknoten von einem „Unbekannten" zur Verwertung erhalten, schließlich ein, daß er die 10 Scheine selbst hergestellt und 4 von ihnen verausgabt hatte. Da eine weitere Klärung des Falles nicht möglich war, erhob die S t a a t s a n w a l t s c h a f t S t u t t g a r t Anklage wegen Münzverbrechens i. S. des § 1 4 6 ; die S t r a f k a m m e r Stuttgart verurteilte Steidel entsprechend der

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Die Fälle des Ersten Teiles

Anklage unter Zubilligung mildernder Umstände — er war unvorbestraft — zu einer Gefängnisstrafe. Das Gericht hat dabei lediglich als erwiesen angesehen, daß S t e i d e l 10 falsche Fünfzigmarkscheine hergestellt und davon 4 Scheine in den Verkehr gebracht habe. 6. Nach im H e r b s t 1 9 5 6 erfolgter V e r b ü ß u n g d e r S t r a f e , die die erfreuliche Wirkung hatte, daß S t e i d e l ernstlich entschlossen war, nunmehr auf ehrliche Weise seinen Lebensunterhalt zu fristen, versuchte er, zunächst in S t u t t g a r t Arbeit in seinem gelernten Beruf als Fotograf zu finden. Seine diesbezüglichen Bemühungen blieben aber erfolglos. E r begab sich daher im D e z e m b e r 1 9 5 6 n a c h M ü n c h e n und traf dort zufällig wieder seinen Freund S c h e i b l e r , dem das Schicksal Steidels in der Zwischenzeit schon bekannt geworden war. Zu seiner großen Überraschung erfuhr er von Scheibler, daß dieser sich noch im Besitze der 90 falschen Fünfzigmarkscheine befand, da er, wie er sich ausdrückte, im Hinblick auf das „ P e c h " des Steidel beim Absatz der 10 Scheine nicht den M u t gehabt habe, in der Zwischenzeit selbst die Verwertung der restlichen 90 Scheine in die Hand zu nehmen. Die guten Vorsätze, die S t e i d e l bezüglich der künftigen Gestaltung seines Lebens gefaßt hatte, gerieten angesichts dieser veränderten Sachlage rasch in Vergessenheit. Die beiden Freunde kamen dahin überein, daß der Restbestand der 90 Scheine geteilt werden sollte, d. h. daß die eine Hälfte der Scheine durch S c h e i b l e r und die andere durch S t e i d e l „vertrieben" werden und jeder den dabei erzielten Gewinn f ü r sich behalten sollte. S t e i d e l selbst trug sich dabei mit dem Gedanken, den „Verdienst" zur Gündung einer selbständigen Existenz als Fotograf zu verwenden. Aber auch dieser Plan scheiterte. S t e i d e l wurde, nachdem er Anfang 1957 19 Banknoten in München „untergebracht" hatte, beim Versuch, mit einem solchen Schein eine Fahrkarte nach K a r l s r u h e zu lösen, wo er den Rest der Scheine absetzen wollte, festgenommen. 7. Alois S c h e i b l e r , der zusammen mit seiner ebenfalls eingeweihten „ B r a u t " E m m a M ü l l e r den Vertrieb des Falschgeldes in M ü n c h e n durchführte, ereilte, nachdem er 10 Scheine verausgabt hatte, das gleiche Schicksal beim Einkauf in einem Lebensmittelgeschäft. Die Ermittlungen ergaben, daß sich die M ü l l e r bei den jeweiligen Einkäufen in der Weise mitwirkend betätigt hatte, daß sie durch die üblichen Ablenkungsmanöver eine aufmerksame Betrachtung des von S c h e i b l e r zum Einwechseln hingegebenen Scheins durch den Verkäufer zu verhindern suchte. W e l c h e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n h a b e n sich J o h a n n e s S t e i del, Alois S c h e i b l e r und die E m m a M ü l l e r schuldig g e m a c h t ?

Fall 7

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FALL 7: Der beleidigte Ratschreiber In einer vom Bürgermeisteramt der Stadt V . einberufenen öffentlichen Versammlung zur Besprechung von Angelegenheiten des Kommunalverbandes V.-Stadt meldete sich die Anna S c h a r f zum Wort, um angebliche Mißstände darzulegen. A m Schluß ihrer Ausführungen wendete sie sich an den Ratschreiber F e d e r l e i n in seiner Eigenschaft als Angestellten des Kommunalverbandes, indem sie erklärte: „ U n d nun kommt eine delikate Sache, nämlich die bekannte Zuckerangelegenheit. Ich frage den Herrn Federlein, woher der Zucker stammt, den er an die Frau M a i e r verkauft hat? Warum mußte der Zucker nachts nach Neuhaus verbracht werden? Warum hat der Herr Federlein der Frau Maier verboten, von der Sache zu reden?" Auf den Zwischenruf des Ratschreibers: „Unverschämtes gesindel!" fuhr sie mit erhobener Stimme fort:

Diebs-

„ S i e sind ein Dieb! Pfui Teufel! Ihnen könnte ich ins Gesicht spucken!" Nachdem der Gemeinderat — nicht auch der Ratschreiber selbst — Strafantrag wegen Beleidigung des Ratschreibers in Beziehung auf seinen Beruf gestellt hatte, wurde die Scharf vom Amtsrichter wegen öffentlicher Beleidigung im Sinne der §§ 186, 185, 196, 200 StGB, zu 100 Mark Geldstrafe hilfsweise 10 Tagen Gefängnis verurteilt; gleichzeitig wurde dem Gemeinderat V . und dem beleidigten Federlein die Befugnis zugesprochen, das Urteil nach Eintritt der Rechtskraft in den Ortsblättern zu veröffentlichen. Der Amtsrichter stellte fest, daß die Angeklagte keine berechtigten Interessen habe wahrnehmen wollen. Sie habe nach der Auffassung der Ohrenzeugen und der Überzeugung des Gerichts gar keine Antwort des Angegriffenen erwartet, auch nicht die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Nebenzweck im Auge gehabt, sondern l e d i g l i c h den Zweck verfolgt, die Ehre des Ratschreibers zu schädigen und ihn in seinem Amt unmöglich zu machen. Sie habe nur sich und ihren Vater an dem Ratschreiber r ä c h e n wollen, da dieser die Bestrafung ihres Vaters herbeigeführt habe. Der Schutz des § 193 müsse daher versagt werden, und zwar auch hinsichtlich der f o r m a l e n Beleidigung, die auf die beleidigende Bemerkung des Ratschreibers erfolgt sei, die a n s i c h unter Umständen nach § 193 S t G B , hätte straflos sein können, bei der sich aber die Absicht zu beleidigen aus der Form der Äußerung ergebe. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie ihre Freisprechung beantragt. Sie rügt Verletzung der §§ 193 und 199 StGB, durch Nichtanwendung und des § 200 durch unrichtige Anwendung. Zur B e g r ü n d u n g läßt die Beschwerdeführerin vortragen: 1. Das Gericht sei bei der Ablehnung der Anwendbarkeit des § 193 StGB, hinsichtlich des e r s t e n Teils ihrer Äußerungen, in denen die Vor-

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Die Fälle des Ersten Teiles

aussetzungen des § 186 StGB, gefunden werden, von rechtsirrtümlichen Erwägungen ausgegangen: Die Absicht, sich zu rächen, sei bei ihr höchstens N e b e n z w e c k gewesen. Das schließe aber die Anwendung des § i g 3 nicht aus, wie das Reichsgericht entschieden habe. Das Gericht habe die Begriffe „ A b s i c h t " und „ M o t i v " verkannt. Das Rachegefühl sei vielleicht die Veranlassung zu der Rede gewesen, den Willen einer Ehrenkränkung des Ratschreibers habe sie aber nicht gehabt. 2. Bezüglich der l e t z t e n Äußerung sei zu Unrecht die Anwendung des § 199 unterblieben. Dasselbe gelte f ü r die Nichtanwendung des § 1 9 3 ; denn mit i h r e r l e t z t e n Äußerung habe sie lediglich die Abwehr der Beleidigung des Ratschreibers bezweckt; der Amtsrichter habe rechtsirrtümlich trotz dieser Zweckrichtung der Äußerung die Absicht der Beleidigung aus der F o r m gefolgert. Der Amtsrichter hätte bei Prüfung der Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 193 sich auf ihren (der Angeklagten) Standpunkt stellen und prüfen müssen, ob sie ihrerseits sich der Möglichkeit bewußt war, daß zur Erreichung eines an sich nicht rechtswidrigen Zweckes die Wahl minder scharfer Worte und Wendungen ausgereicht hätte. 3. Der Amtsrichter habe den § 200 unrichtig angewendet, indem er die Befugnis zur Veröffentlichung des Urteils dem Gemeinderat und dem Beleidigten zugesprochen habe, während sie nach dem bestimmten Wortlaut des § 200 nur dem B e l e i d i g t e n , also nicht auch dem amtlichen Vorgesetzten zugesprochen werden dürfe und andererseits Federlein selbst keinen Strafantrag gestellt habe. Wie ist die Rechtslage? Wie ist insbesondere das Vorbringen in der Revisionsbegründung zu beurteilen? Wie muß das Urteil des Oberlandesgerichts lauten?

FALL 8: Die unehelichen Kinder der Luise Baumeister D i e Fabrikarbeiterin Luise B a u m e i s t e r von Neckarau hatte in ledigem Stande 2 Kinder geboren, Eugen am 19. J a n u a r 1954 und Wilhelm am 26. J a n u a r 1955, von denen der erstere von dem ledigen Taglöhner Albert M ü l l e r , Wilhelm von dem verheirateten Metzgermeister Gustav Z i e r , bei dem die Baumeister in Dienst gestanden hatte, erzeugt worden war. In beiden Fällen hatte die Baumeister bei den damaligen vormundschaftsgerichtlichen Erhebungen die Namen der Väter verschwiegen. Als die Baumeister im J a h r e 1957 sich mit dem sehr vermögenden Landwirt Peter A r b e r in Neckarau verlobte, erkundigte sie sich gelegentlich der Aufgebotsverhandlungen bei dem Standesbeamten in Neckarau, ob nicht zugleich mit der Eheschließung die Anerkennung der von ihr geborenen Kinder durch ihren Bräutigam erfolgen könne,

Fall 8, 9

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und gab auf die Frage, ob Arber auch der Vater der Kinder sei, wissentlich unwahr an, daß dies der Fall sei. Die Baumeister war sich dabei bewußt, daß eine solche Anerkennungserklärung von rechtlicher Wirksamkeit sei, und ihre Absicht ging dahin, daß ihre Kinder zu ihrem Ehemann in erb- und vermögensrechtliche Beziehungen treten sollten. V o m Standesbeamten wurde auf Grund dieser Angaben eine Anerkennungserklärung vorbereitet und nach der Eheschließung von Arber, dem die Baumeister wahrheitswidrig mitgeteilt hatte, der Standesbeamte habe gesagt, die Anerkennungserklärung sei möglich, auch wenn er nicht der tatsächliche Vater der Kinder sei, unterschrieben, obwohl ihm beim Vorlesen aufgefallen war, daß er die Kinder hiermit als die seinigen anerkenne. Er war sich auch nicht darüber im Zweifel, daß durch das Anerkenntnis eine Veränderung im Personenstand der Kinder eintrete; er hatte aber den Angaben seiner Braut Glauben geschenkt. Wie ist das Verhalten der Baumeister in den Jahren 1954, 1955 und wie ist dasjenige der Baumeister und des Arber im Jahre 1957 strafrechtlich zu beurteilen?

FALL 9: Ein folgenschwerer Ein fall In einem kleinen Häuschen unweit einer Stadt wohnte ein alter sehr vermögender S o n d e r l i n g , der keinerlei Verkehr unterhielt, keine Verwandten hatte und sein Hauswesen ohne jede Hilfe selbst versah. Er gönnte sich nichts, lief in der schäbigsten Kleidung umher und war in der ganzen Umgebung als großer G e i z h a l s geradezu verhaßt, weil er trotz seines Reichtums jede Unterstützung, um die er von wohltätigen Vereinen angegangen wurde, und selbst jegliches Almosen an Arme immer aufs schroffste ablehnte. Besonders erbost auf ihn war der Schreinermeister T h u g u t , ein in der Armenpflege eifrigst tätiger Mann. U m dem Geizhals einen Streich zu spielen, kam Thugut im Frühjahr 1957 auf folgenden allerdings folgenschweren Einfall: Er erzählte dem August K ü h n und dem Wilhelm F r e c h , zwei ihm bekannten in ärmlichen Verhältnissen lebenden Gelegenheitsarbeitern, der Sonderling, dessen Lebensweise und Gewohnheiten diese kannten, habe in seiner Wohnung im Schreibtisch einen sehr wertvollen Brillantschmuck, den man dem alten Geizkragen abnehmen und verwerten könne. Sie sollten sich in seine Wohnung begeben und von ihm unter Vorhalten eines Revolvers die Öffnung des Schreibtisches und die Herausgabe des Schmuckes verlangen. Einen Revolver werde er ihnen zur Verfügung stellen. V o n dem Erlöse des Schmuckes würde jeder von ihnen einen schönen Anteil erhalten. Den Rest werde er an Arme und Bedürftige verteilen. So käme endlich einmal wenigstens ein kleiner Teil des Vermögens des Geizhalses unter die Leute. In Wirklichkeit war es aber dem Thugut, was er den beiden Gelegenheitsarbeitern verheimlichte, nur darum zu tun, dem Geizhals einen g r o ß e n

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Die Fälle des Ersten Teiles

S c h r e c k e n e i n z u j a g e n , in der H o f f n u n g , so auf ihn einen bessernden Einfluß a u s z u ü b e n . Die B e h a u p t u n g , der Sonderling h a b e in seinem Schreibtisch einen wertvollen Brillantschmuck, h a t t e er wider besseres Wissen aufgestellt, u n d zwar deshalb, weil er sich im klaren d a r ü b e r w a r , d a ß die beiden Gelegenheitsarbeiter a n die A u s f ü h r u n g seines Planes n u r d a n n gehen w ü r d e n , w e n n i h n e n ein erheblicher Vermögensvorteil sicher sei. T h u g u t n a h m dabei an, er werde sich m i t den beiden schon auseinandersetzen, w e n n sie unverrichteter Dinge zu i h m z u r ü c k k ä m e n . K ü h n u n d Frech erklärten sich u n t e r der B e d i n g u n g einer guten E n t l o h n u n g zur A u s f ü h r u n g des Planes bereit. T h u g u t h ä n d i g t e d e m K ü h n einen Revolver aus, der, was K ü h n u n d Frech w u ß t e n , nicht geladen w a r . Die beiden b e g a b e n sich d a r a u f n a c h d e m H a u s e des Sonderlings. U n t e r wegs besprachen sie noch einmal die zu vollbringende T a t , u n d K ü h n erklärte d e m sichtlich etwas bedenklichen Frech, er solle n u r b e r u h i g t sein, er werde den Geizkragen schon i m rechten Augenblicke a m Halse kriegen u n d i h m d e n Revolver vor das Gesicht halten. I n der W o h n u n g des Sonderlings verlangte K ü h n von i h m die H e r a u s g a b e des Schmuckes. Als dieser in großen Ängsten i h n e n erklärte, er besitze ü b e r h a u p t keinen Brillantschmuck, forderte K ü h n i h n in d r o h e n d e r H a l t u n g auf, den Schreibtisch zu öffnen. D e r Sonderling t a t dies a u c h u n d stellte den beiden a n h e i m , den Schreibtisch zu durchsuchen. Als K ü h n bei der D u r c h s u c h u n g den Schmuck nicht vorfand, erfaßte er mit der linken H a n d den Sonderling mit aller K r a f t a m K r a g e n , m i t d e r rechten H a n d zog er den Revolver aus d e r T a s c h e u n d hielt ihn d e m J a m m e r n d e n u n d sich W i n d e n d e n m i t den W o r t e n vor die Stirne: „ D e n S c h m u c k heraus, oder Sie sind eine Leiche". K a u m w a r e n diese W o r t e gesprochen, d a fiel der Sonderling u m . Ein Herzschlag h a t t e seinem L e b e n j ä h ein E n d e bereitet. K ü h n u n d Frech m a c h t e n an d e m Daliegenden W i e d e r b e l e b u n g s versuche. Sie w a r e n aber vergeblich. Beide h a t t e n keinen Zweifel, d a ß sie einen T o t e n vor sich hatten. Frech, der bei d e m ganzen Vorfalle kein W o r t gesprochen, s o n d e r n lediglich u n t ä t i g dabeigestanden hatte, w a r ü b e r das Geschehnis aufs äußerste bestürzt u n d verließ trotz des Widerspruchs des K ü h n schleunigst das Haus, w ä h r e n d K ü h n sich ü b e r die Leiche h e r m a c h t e , die T a s c h e n des Anzuges durchsuchte u n d sich dabei U h r u n d K e t t e sowie die G e l d tasche des T o t e n , in der sich n u r wenige M a r k b e f a n d e n , aneignete. K ü h n beschloß d a n n , das H a u s in B r a n d zu setzen, d a m i t die Leiche v e r b r e n n e u n d d a d u r c h die A u f k l ä r u n g der T a t erschwert werde. Z u diesem Z w e c k e legte er an die G a r d i n e n eines Fensters des Zimmers, in d e m er sich bef a n d , Feuer m i t der W i r k u n g , d a ß diese sofort v e r b r a n n t e n u n d a u c h die hölzerne U m k l e i d u n g der Fensternische zu g l i m m e n b e g a n n . E r überlegte sich n u n a b e r doch das Sinnlose einer solchen T a t , holte schleunigst in der K ü c h e einen Eimer Wasser u n d b r a c h t e alsbald das F e u e r z u m Erlöschen. Als einige S t u n d e n später b e k a n n t wurde, d a ß der Sonderling tot i n seiner W o h n u n g a u f g e f u n d e n w o r d e n sei, b e g a b sich T h u g u t sofort auf die Staatsanwaltschaft u n d setzte sie von d e m Geschehenen, soweit er d a z u

Fall i o

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in der Lage war, in Kenntnis. Die Kriminalpolizei nahm die Verfolgung der Täter auf und fand K ü h n am gleichen A b e n d auf dem W e g e zu einem Freunde, zu dem er U h r und Kette zur A u f b e w a h r u n g bringen wollte. Bei der Festnahme erschoß K ü h n , der sich mit dem dem Sonderling abgenommenen Geld nach der T a t Munition f ü r den von T h u g u t erhaltenen Revolver gekauft hatte, den Kriminalsekretär und entkam. 1. Welche strafbaren Handlungen liegen vor? 2. K a n n gegen K ü h n die Sicherungsverwahrung angeordnet werden? Aus seinem Vorleben ist festgestellt, daß er in früheren Jahren wiederholt Freiheitsstrafen wegen Diebstahls bzw. Rückfalldiebstahls erlitten hat, und zwar im Jahre 1948 zwei Gefängnisstrafen von 3 bzw. 5 Monaten, im Jahre 1949 eine solche von 2 Jahren und im Juli 1951 eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren. Diese letzte Strafe hat K ü h n nicht verbüßt; er ging damals nach Verkündung des Urteils, das durch seinen und des Staatsanwalts Verzicht auf Rechtsmittel sofort rechtskräftig geworden war, flüchtig und lebte seitdem unter falschem Namen. 3. Wie wäre K ü h n zu bestrafen, wenn er den Sonderling, um ihn zu berauben, erschossen und ihm dann U h r und Geldtasche abgenommen hätte?

FALL 10t Der weibliche Trunkenbold In der N a c h t vom 26. zum 27. Dezember 1956, kurz vor 23 Uhr, betrat die ledige 39 Jahre alte M a r i e S e i f e r t die Wirtschaft zur Blume in W e i l e r . Die Seifert, eine wegen ihres Lebenswandels, insbesondere ihrer Neigung z u m T r u n k , in der ganzen U m g e b u n g ihres Wohnorts E l l m e n d i n g e n berüchtigte Frauensperson, hatte über die Feiertage in verschiedenen Elimendinger Wirtschaften herumgetrunken und war, da sie dort schließlich nirgends mehr etwas erhielt, am A b e n d des 26. nach dem etwa 2 km entfernten Weiler gegangen und hatte dort weitergezecht. Dem entsprach ihr Zustand. Der Blumenwirt Jakob H e l d lehnte es ab, ihr noch irgend etwas zu verabreichen. Einige Gäste aber gaben ihr Schnaps zu trinken, und die Folge war, d a ß die Seifert alsbald völlig betrunken wurde. Inzwischen war die Polizeistunde gekommen; die übrigen Gäste verließen das Lokal, und der Wirt überlegte, was er mit der Seifert anfangen sollte. A u f die Aufforderung, nun endlich auch das Lokal zu verlassen, hatte er überhaupt keine Antwort bekommen, und er sah wohl, d a ß die Seifert in dem Zustand, in dem sie sich jetzt befand, nicht mehr imstande war, ohne fremde Hilfe nach Ellmendingen zurückzukehren; andererseits befürchtete er, durch frühere Erfahrungen gewitzigt, sie werde ihm das Lokal verunreinigen. Er führte sie deshalb aus der Wirtschaft hinaus auf die Straße und ließ sie sich am Straßenrand auf einen Stein setzen; dabei hoffte er — es war in jener Nacht hart gefroren •— auch auf die ernüchternde Wirkung der frischen Luft. Diese Wirkung trat freilich nicht ein. Petters, Strafrechtsfälle mit Lösungen,

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Die Fälle des Ersten Teiles

I m Gegenteil, k a u m w a r H e l d wieder in seiner Wirtschaft, so versuchte d i e Seifert sich zu erheben, u m w e i t e r z u g e h e n ; die F ü ß e gehorchten ihr j e d o c h nicht i m mindesten, sie fiel zu Boden u n d blieb dort liegen. H i e r f a n d e n sie die beiden B a u e r n b u r s c h e n J a k o b L u s t i g u n d H e i n r i c h B a u s c h l i c h e r . Sie e r k a n n t e n sie, u n d d a a u c h sie leicht angeheitert u n d zu irgendeinem „ G a u d i " aufgelegt w a r e n , holten sie einen H a n d k a r r e n , l u d e n die Seifert auf u n d f u h r e n sie bis jenseits d e r etwa i k m von j e n e m O r t zwischen Weiler u n d E l l m e n d i n g e n verlaufenden G e m a r k u n g s g r e n z e . D o r t l u d e n sie sie a b u n d überließen sie i h r e m Schicksal. N a c h Weiler zurückgekehrt, s t a n d e n sie n a c h Dorfsitte noch einige Zeit auf der Ortsstraße h e r u m . D o r t f u h r ein R a d f a h r e r an i h n e n v o r b e i ; sie e r k a n n t e n i h n als den Goldarbeiter K o n r a d S t i c h s aus Ellmendingen, d e r n a c h H a u s e f u h r , hielten i h n an u n d erzählten i h m ihre H e l d e n t a t mit d e m A n f ü g e n , die Weiler E i n w o h n e r h ä t t e n keinen Anlaß, f ü r die Elimendinger L u m p e n zu sorgen. I m W e i t e r f a h r e n f a n d Stichs die Seifert noch a n der Stelle, wo sie von Lustig u n d Bauschlicher a b g e l a d e n w o r d e n w a r ; er w a r geneigt, sich ihrer a n z u n e h m e n , rüttelte sie auf u n d m a c h t e den Versuch, sie z u m Weitergehen zu bringen. Allein schon n a c h wenigen Schritten sah er, d a ß er sie n u r mitschleppen könnte, w e n n er sein F a h r r a d i m Stiche ließ. D a er das nicht wollte u n d a u c h wenig Lust verspürte, sich mit d e r b e t r u n k e n e n Weibsperson die halbe N a c h t h e r u m z u p l a g e n , setzte er sie wieder auf einen Steinhaufen a m S t r a ß e n r a n d hin u n d f u h r weiter. Als er in E l l m e n d i n g e n a m H a u s e des Bürgermeisters A n t r i t t e r vorbeifuhr, k a m i h m a b e r d a n n doch der Gedanke, diesen zu verständigen. E r klopfte Antritter h e r a u s u n d teilte i h m den Sachverhalt mit. Antritter ließ sofort den Polizeidiener Gabriel S c h l a f e r wecken u n d g a b i h m den Auftrag, mit einem K a r r e n die Seifert zu holen. Schlafer versprach sich indessen von der A u s f ü h r u n g dieses Auftrags wenig G e n u ß ; er dachte, die Seifert w e r d e schon allein h e i m k o m m e n , u n d w e n n sie u m k o m m e , so sei das schließlich a u c h kein Schaden f ü r die Gemeinde, u n d legte sich schleunigst wieder zu Bett. Inzwischen blieb die Seifert auf d e m Steinhaufen sitzen, bis in d e r M o r g e n f r ü h e ein B i e r f u h r m a n n sie f a n d u n d auf sein F u h r w e r k lud. Sie g a b aber n u r noch schwache Lebenszeichen von sich u n d s t a r b n o c h a m gleichen T a g e , wie die L e i c h e n ö f f n u n g ergab, a n den Folgen der K ä l t e u n d des ü b e r m ä ß i g e n Alkoholgenusses. W i e ist das V e r h a l t e n der Beteiligten strafrechtlich zu w ü r d i g e n ? G e g e n wen ist Anklage zu e r h e b e n ? Gegen wen etwa das V e r f a h r e n einzustellen?

Z w e i t e r Teil FALL 1: Das Zeitungsangebot des Olaf Hanken In der Charlottenburger Wochenzeitschrift „ D e r Architekt" erschien in den drei aufeinanderfolgenden Nummern vom 16., 23. und 30. März 1 9 5 7 , welche von A l b e r t M ü l l e r als dem verantwortlichen Redakteur gezeichnet waren, folgendes Inserat: Zeichnungen und sonstige Arbeiten f ü r die Diplomprüfungen der Techniker und Architekten werden unter strengster Diskretion gefertigt. Olaf Hanken Der Rektor der Technischen Hochschule in Charlottenburg wendete sich Anfang August 1957 an den Beirat in Rechtssachen der Technischen Hochschule mit der Bitte u m ein Gutachten darüber, ob mit Erfolg eine Strafanzeige gegen Müller oder gegen Hanken erstattet werden könne mit Rücksicht darauf, daß die Kandidaten nach der Prüfungsordnung verpflichtet seien, ihre einzureichenden Arbeiten selbst und ohne fremde Beihilfe zu fertigen und vor der hierzu zuständigen Prüfungskommission an Eides Statt zu versichern, daß dies geschehen sei. Hanken seien die Prüfungsbestimmungen genau bekannt, fügte der Rektor bei. Ob dies bei Redakteur Müller der Fall sei, wisse er nicht. Wie wird das Gutachten lauten? Wann tritt Verjährung ein?

FALL 2: Die rachsüchtige Anzeigerin Bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe kam folgende Anzeige ein: „ A n Staatsanwaltschaft Karlsruhe. V o r einigen Wochen hat der verheiratete Schlosser Robert H a m m e t t e r im Winter'schen Biergarten vor vielen Leuten und darunter Kindern gesagt: ,Unsere heilige Marie ist eine Dirne'. Als Zeuge kann vernommen werden der Metalldreher Hermann L ü c k e r t . Ich stelle daher den Antrag auf Bestrafung. Sollte es nicht zur Annahme kommen, so werde ich den Zeitungen diesen Artikel einsenden, dann wird es wohl helfen. Hochachtungsvoll Hermann Lückert"

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Die Fälle des Zweiten Teiles

Die Erhebungen ergaben, daß der angezeigte Vorfall nicht auf Wahrheit beruhte, und daß die Anzeige von einer gewissen F r a u M ü l l e r auf Bitten der mit Hammetter verfeindeten F r a u Marie H o l t z geschrieben worden war, die den Vorfall frei erfunden hatte. Frau Müller gab auf Einvernahme nicht widerlegbar an, sie habe die Mitteilung f ü r richtig gehalten und habe auf Anraten der Frau Holtz die Anzeige nur deshalb mit dem Namen des angeblichen Zeugen unterschrieben, um den „Mißhelligkeiten" aus dem Wege zu gehen, die mit einer polizeilichen Vernehmung verbunden seien. Jedenfalls habe sie nicht gewußt, daß es strafbar sei, eine wahre Anzeige mit dem Namen einer anderen Person zu unterzeichnen. Gegenüber der Beschuldigung der Beamtennötigung wendete Frau Müller ein, sie fühle sich auch in dieser Beziehung unschuldig, da j a das Verlangen nach Bestrafung des Hammetter berechtigt gewesen sei. Ein Hermann Lückert existiert nicht. Der von Frau Holtz benannte Zeuge heißt Erwin Lückert und war von Frau Müller aus Versehen falsch bezeichnet worden. 1 . Welche strafbaren Handlungen liegen vor? 2. Nach welchem Gesetz wäre Hammetter zu bestrafen, wenn sich der fragliche Vorfall tatsächlich ereignet hätte?

FALL 3: Der Dienstknecht Behringer und die Witwe Engler Der Dienstknecht B e h r i n g e r hat die verwitwete Taglöhnerin Barbara E n g l e r geschwängert; er redet ihr zu, ihre Leibesfrucht abzutreiben, indem er ihr verspricht, er werde sie heiraten, wenn sie dies tue. Sie willigt ein und wendet sich an die Hebamme Marie M ü l l e r mit der Bitte, ihr ein Abtreibungsmittel zu geben. Gegen Bezahlung von i o Mark gibt die Müller der Engler ein zum Einnehmen bestimmtes Abtreibungsmittel, das an sich wirksam ist. Die Engler nimmt dasselbe aber nicht, sondern vernichtet es. Als dies Behringer durch ihre Erzählung erfährt, schüttet er i m E i n v e r s t ä n d n i s mit der Engler eine nach seiner Meinung sehr wirksame, in Wahrheit aber gänzlich harmlose Tinktur in eine Flasche Most, welche er der Engler auf dem Felde zu trinken gibt. Die Engler trinkt die ganze Flasche aus, aber ohne Wirkung auf ihre Schwangerschaft. Durch einen Mitknecht des Behringer kommt die Sache zur Anzeige. 1. Welche strafbaren Handlungen liegen vor? 2. Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn Behringer das „Abtreibungsmittel" ohne Wissen der Engler in den Most geschüttet und die Engler ahnungslos die Flasche ausgetrunken hätte? 3. Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn die Engler in Erwartung eines von Behringer stammenden Kindes in der Absicht, den T o d des

Fall 4, 5

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Kindes bei der unmittelbar bevorstehenden Geburt herbeizuführen, den Behringer durch die unwahre Angabe, sie fühle sich nur unpäßlich, an der Zuziehung einer H e b a m m e gehindert hätte, und infolgedessen das K i n d gestorben wäre?

FALL 4: Die Reue des meineidigen Zeugen A b e r l e ist beim Amtsgericht auf Schadenersatz verklagt, weil er am Nachmittage des 4. April 1957 in Karlsruhe eine wertvolle, seinem Nachbarn Baumann gehörige K a t z e totgeschossen haben soll. Er bestreitet der Wahrheit zuwider die T ö t u n g der K a t z e und behauptet, am 4. April nachmittags in Heidelberg gewesen zu sein . Z u m Beweise hierfür beruft er sich auf seinen Freund D i e t e r l e . In Wirklichkeit ist Aberle nicht am 4., sondern am 3. April mit Dieterle in Heidelberg zusammengetroffen. Er hat aber mit Dieterle, den er durch Zureden zur Zeugnisabgabe bestimmte, über das Zusammentreffen lange gesprochen u n d g l a u b t , ihm s c h l i e ß l i c h d i e i r r i g e M e i n u n g b e i g e b r a c h t z u h a b e n , daß das Zusammentreffen in Heidelberg in der T a t erst am 4. April stattgefunden habe. Dieterle weiß dagegen ganz genau, daß er am 3. und nicht am 4. April in Heidelberg gewesen ist, er läßt aber den Aberle bei seinem Glauben und gibt vor dem Amtsgericht unter E i d w i s s e n t l i c h d e r W a h r h e i t z u w i d e r a n , er sei am Nachmittag des 4. April mit Aberle in Heidelberg zusammengewesen. D e m Amtsrichter erscheinen Dieterles A n g a b e n als glaubwürdig und zuverlässig. Er ist deshalb entschlossen, die K l a g e des Baumann abzuweisen. Seiner Gewohnheit entsprechend verkündet er aber nicht sofort das Urteil, sondern setzt den Termin zur Verkündung auf eine W o c h e hinaus. Dieterle bekommt bald nach seiner V e r n e h m u n g Gewissensbisse, begibt sich am gleichen T a g e nochmals zum Amtsrichter und widerruft seine unwahren Angaben. 1. Wie ist das Verhalten des A b e r l e , 2. wie ist das Verhalten des D i e t e r l e strafrechtlich zu beurteilen? 3. Wie wäre zu entscheiden, wenn Dieterle seine unwahren Angaben zunächst unvereidigt, und dann bei der in einem späteren Termin gemäß § 3 9 1 Z P O . angeordneten nachträglichen Beeidigung wiederholt hätte? 4. Wie wäre zu entscheiden, wenn Dieterle nicht wissentlich falsch geschworen hätte, sondern infolge eines durch das Zureden des Aberle hervorgerufenen Irrtums?

FALL 5: Der Schiffer Alois Weltz Der jetzt 52jährige Alois W e l t z von Mannheim, der den B e r u f e i n e s Schiffers erlernt hatte, in späteren Jahren sich aber in der Hauptsache als Gelegenheitsarbeiter betätigte, zog, nachdem seine Frau nach iojähriger

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Die Fälle des Zweiten Teiles

E h e gestorben w a r , im Jahre 1945 zu der W i t w e D i l g , mit der er schon während der langen Leidenszeit seiner verstorbenen F r a u geschlechtsvertrauliche Beziehungen unterhalten hatte. Bei W e l t z befand sich, als er 1945 z u der W i t w e Dilg zog, seine vierj ä h r i g e T o c h t e r E r n a , die seine verstorbene F r a u z w a r in der Ehe geboren hatte, deren Erzeuger aber ein Dritter gewesen war. Weltz, der hiervon nichts wußte, hatte E r n a stets als seine leibliche T o c h t e r angesehen. D i e W i t w e Dilg besaß 1945 zwei eheliche K i n d e r , die dreijährige T o c h t e r F r i e d a und den zweijährigen Sohn M a x . W e l t z lebte zunächst mit der W i t w e Dilg in wilder E h e und heiratete sie erst 1947. Es entwickelte sich dann ein recht harmonisches Familienleben. Die drei K i n d e r E r n a , F r i e d a und M a x hielten Weltz f ü r ihren V a t e r und nannten ihn auch so. Weltz, der sich a u c h als V a t e r der K i n d e r Frieda und M a x fühlte, leitete in Gemeinschaft mit seiner F r a u die Erziehung der drei K i n d e r und sorgte in selbstlosester Weise auch materiell f ü r sie, obwohl f ü r die K i n d e r M a x und Frieda sofort nach dem T o d e ihres Vaters, des Schreinermeisters Dilg, ein V o r m u n d bestellt worden w a r . M i t t e 1956 starb F r a u W e l t z , verw. Dilg, an einem schweren M a g e n leiden. Weltz lebte nun zusammen mit den drei K i n d e r n allein weiter; die T o c h t e r E r n a versah notdürftig den Haushalt. Infolge des engen Zusammenlebens (die Wohnungsverhältnisse waren die denkbar schlechtesten) sowie des Fehlens j e d e r geschlechtlichen Betätigung wurden bei Weltz, der in früheren J a h r e n ein schwerer Alkoholiker gewesen war, sich aber, solange er mit der W i t w e D i l g zusammenlebte, in dieser Hinsicht gut geführt hatte, andere als väterliche G e f ü h l e gegenüber seinen T ö c h t e r n wach. Als er eines Abends, im Herbst 1956, angetrunken nach Hause k a m , benutzte er die Abwesenheit der K i n d e r Frieda und M a x , die die Herbstferien bei V e r w a n d t e n ihrer verstorbenen M u t t e r verbrachten, dazu, sich der nunmehr 15jährigen T o c h t e r E r n a in unsittlicher Weise zu nähern. Es k a m dabei schließlich, trotz verzweifelter Gegenwehr seitens Erna, z u m Geschlechtsverkehr. E r n a verließ sofort das Haus, ging zu V e r w a n d t e n , ohne diesen etwas v o n d e m Geschehenen zu erzählen und n a h m eine Stelle als L e h r m ä d c h e n bei einer Modistin an. Sie mußte j e d o c h diese Tätigkeit nach einigen M o n a t e n wieder aufgeben, da der V o r f a l l mit dem V a t e r nicht ohne Folgen blieb. E r n a war schwanger geworden. Sie fand nunmehr U n t e r k u n f t bei einer Freundin. Schon bald n a c h d e m E r n a das Haus verlassen hatte, m a c h t e sich Weltz, der nun immer mehr in sein altes Laster, die Trunksucht, verfiel, an das 14jährige K i n d F r i e d a , das er, wenn er abends angetrunken nach Hause k a m , verschiedentlich unsittlich berührte, und mit d e m er a u c h sonstige, den Beischlaf nicht einschließende, unzüchtige H a n d l u n g e n i. S. des Gesetzes vornahm. Frieda, die durch schlechten U m g a n g in sittlicher Beziehung schon sehr verdorben war, und deren schlechte Instinkte durch das T r e i b e n des Vaters erst recht geweckt wurden, klärte ihren Bruder M a x , der mittlerweile a u c h schon 13 J a h r e alt geworden war, in sexueller Beziehung a u f und

Fall 6

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verführte ihn zu ähnlichen Handlungen, wie sie der Vater mit ihr vorgenommen hatte. V o n Nachbarsleuten, denen das Leben des Weltz schon lange verdächtig vorkam, wurde bei der Staatsanwaltschaft Mannheim eine anonyme Anzeige erstattet, in der Weltz bezichtigt wurde, sich an seinen Kindern unsittlich vergangen zu haben. Weltz, der alsbald verhaftet wurde, und auch die Kinder gaben den oben geschilderten Sachverhalt in vollem Umfange zu. Bei den weiteren Erhebungen wurden bei Weltz eine Menge u n z ü c h t i g e r A b b i l d u n g e n vorgefunden, die er zugegebenermaßen zahlreichen Kindern gezeigt und von denen er einige einer Freundin der Frieda, einer gewissen L u i s e K e t t e r e r , geschenkt, später aber wieder zurückerhalten hatte. Luise Ketterer, ein körperlich sehr stark entwickeltes, in geschlechtlichen Dingen aber noch gänzlich unerfahrenes 13jähriges Mädchen, das aus der Nachbarschaft stammte und öfters zu Weltz in die Wohnung gekommen war, bekundete glaubhaft, daß Weltz sie bei einem gelegentlichen Besuch durch Geschenke zum Beischlaf gebracht hatte. Bezüglich dieses Falles gab Weltz an, er habe die K e t t e r e r für 15 Jahre alt gehalten. Im übrigen weist Weltz darauf hin, daß er, was auch durch die diesbezüglichen Erhebungen bestätigt wurde, vor vielen Jahren wegen Trunksucht entmündigt worden sei, und daß er die inkriminierten Handlungen jeweils in der Trunkenheit begangen habe und sich deshalb an Einzelheiten nicht mehr erinnern könne. Kurz vor Abschluß der Voruntersuchung, die mehrere Monate dauerte, da Weltz zur Begutachtung seines Geisteszustandes in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden war, starb die oben erwähnte Tochter Erna bei der Geburt des von Weltz erzeugten Kindes. Nach Abschluß der Voruntersuchung stellte sich noch einwandfrei heraus, daß Weltz identisch war mit der Person, die wiederholt in einem am Rande der Stadt gelegenen Park auf einer Bank sitzend, verschiedenen Frauen seinen e n t b l ö ß t e n G e s c h l e c h t s t e i l g e z e i g t hatte. O b in den einzelnen zur Aufklärung gelangten Fällen außer den betroffenen Frauen noch andere Personen in der Nähe des Tatorts sich aufhielten, konnte nicht mehr festgestellt werden. 1. Welche strafbaren Handlungen liegen vor? 2. Kann Weltz auch bestraft werden, wenn er infolge Trunkenheit bei Begehung der Straftaten zurechnungsunfahig war? 3. Kann Weltz in einer Anstalt (§ 42 a Ziff. 1 u. 2) untergebracht werden ?

FALL 6: Der Konditor Willy Frohlein Der Konditor W i l l y F r o h l e i n heiratete im Jahre 1951 in Köln die Tochter eines Bäckers und übernahm im Jahre 1952, als sein Schwiegervater gestorben war, das zunächst gutgehende Geschäft. In der Folgezeit ging die Bäckerei immer mehr zurück, so daß Frohlein sich Ende 1953

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Die Fälle des Zweiten Teiles

genötigt sah, die Führung des Geschäfts seiner Frau zu überlassen und selbst als Saisonarbeiter in verschiedenen Kurorten am Rhein zu arbeiten und auf diese Weise seinen und seiner Familie Lebensunterhalt wenigstens teilweise zu bestreiten. Im Frühjahr 1955 lernte er, als er in einem in der Nähe von Königswinter am Rhein gelegenen Kurhaus f ü r einige Monate Beschäftigung gefunden hatte, dort die 20jährige Küchenangestellte E m m a W o l f kennen, die nach dem frühen T o d der Mutter und der bald darauf er folgten Bestrafung des Vaters zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe — er hatte an der damals 10jährigen E m m a ein schweres Sittlichkeitsverbrechen begangen — auf Anordnung des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1666 B G B . bei ihrer Tante, der verwitweten Kolonialwarenhändlerin Schmitz in Königswinter, in Erziehung gegeben worden war. Frohlein fing mit der Wolff alsbald ein Liebesverhältnis an. E r versprach ihr, sie zu heiraten und verschwieg dabei, wie er das aus naheliegenden Gründen stets zu tun pflegte, wenn er als Saisonarbeiter auswärts war, daß er in K ö l n Frau und K i n d hatte. Frau Schmitz, die sich wegen des leichtsinnigen Lebenswandels ihrer Nichte immer Sorgen gemacht hatte, war mit deren Verhältnis zu Frohlein nicht einverstanden; sie gab daher auch ihre ablehnende Haltung zu erkennen, als eines Tages Frohlein von Heiraten sprach. Das junge Mädchen geriet dagegen sehr bald in den Bann des brutalen und in geschlechtlichen Dingen maßlosen Frohlein, der schließlich erreichte, daß die Wolff ihr Einverständnis zu einer Eheschließung ohne Einwilligung der Tante gab und nach weiterem Zureden dem von Frohlein ausgearbeiteten Fluchtplan zustimmte. Unter dem Vorwand, eine Dampfervergnügungsfahrt mit E m m a machen zu wollen, erreichte Frohlein an einem Sonntagmorgen — es war der 15. Oktober, der T a g der Entlassung aus seiner bisherigen Arbeitsstelle — die Erlaubnis der T a n t e zu diesem angeblichen Ausflug. In Wirklichkeit begaben sich die beiden nach Mannheim, wo Frohlein vor seiner Verheiratung das Bäckerhandwerk erlernt hatte. Sie nahmen dort Wohnung im Gasthaus „ Z u r roten L a m p e " , einem bei der Mannheimer Polizei als Treffpunkt von zweifelhaften Elementen, insbesondere Zuhältern, bekannten Lokal. Frohlein, der sich schon bald nach Beginn der Beziehungen zu der Wolff nicht mehr um seine Familie in Köln gekümmert und insbesondere die sonst üblichen monatlichen Geldunterstützungen, obwohl er sehr wohl hierzu in der L a g e gewesen wäre, trotz Aufforderung der zuständigen Behörde schon längst eingestellt und zuletzt überhaupt nichts mehr von sich hatte hören lassen, entschloß sich nunmehr, seine Beziehungen zu seiner Familie vollständig zu lösen und möglichst bald, aber nicht vor Volljährigkeit der Wolff, diese zu heiraten. E r ging daher Ende Dezember 1955 mit der Wolff, die am 15. Dezember volljährig geworden war, z u m Standesamt Mannheim, gab sich dort als ledig aus und brachte ein G e s u c h um Eheaufgebot ein. Mit der Bescheinigung des Eheaufgebots reisten d ie beiden, da sie sich in Mannheim nicht mehr recht sicher fühlten, n a c h Karlsruhe, wo die Ehe Anfang Februar 1956 geschlossen wurde. Einen Strafantrag stellte übrigens Frau Schmitz unbegreiflicherweise erst E n d e

Fall 6

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Februar 1956, da sie immer noch gehofft hatte, E m m a werde wieder zu ihr zurückkehren, zumal letztere wiederholt, und zwar schon bald nach der Flucht, geschrieben und um Verzeihung gebeten und immer wieder ihre baldige Heimkehr in Aussicht gestellt hatte. Die jungen Eheleute reisten nach der Trauung alsbald wieder nach Mannheim zurück, da Frohlein in Karlsruhe keine Arbeit finden konnte, und mieteten sich hier ein möbliertes Zimmer mit Küchenbenutzung. Frohlein fand zunächst eine gutbezahlte Stellung in der Konditorei eines größeren Cafés, wurde dann aber, als das Unternehmen in Konkurs geriet, schon Anfang J u n i 1956 wieder entlassen und konnte in der Folgezeit auch keine Arbeit wieder finden. Als die wirtschaftliche Notlage immer größer wurde und dadurch auch die ehelichen Beziehungen sich immer mehr lockerten, duldete Frohlein schließlich stillschweigend, daß seine F r a u , die schon sehr bald nach der Eheschließung auch an anderen Männern Gefallen gefunden hatte, sich gelegentlich, im ganzen etwa 3 — 4 m a l , auch außerhalb ihrer Ehe geschlechtlich betätigte und sich hierfür zum Abendessen einladen ließ. Frohlein fand dann im Herbst 1956 wieder Arbeit, und zwar in Frankfurt, während seine Frau in Mannheim eine Stelle als Kellnerin annahm und die Abwesenheit ihres Mannes benutzte, zunächst nebenher, bald aber ausschließlich der Gewerbsunzucht nachzugehen, obwohl sie von ihrem Manne, der einen guten Verdienst hatte, unterstützt wurde. Der Plan, seine Frau nach Frankfurt nachkommen zu lassen, wurde zunichte, da Frohlein Ende 1956 seine Arbeitsstelle wieder verlor. E r kehrte dann Anfang 1957 nach Mannheim zurück, nahm bei seiner Frau, die ein möbliertes Zimmer mit zwei Betten bewohnte, Quartier und mußte sehr bald feststellen, daß seine Frau mittlerweile eine Straßendirne geworden war und ausschließlich in Zuhälter- und Dirnenkreisen verkehrte. E r war zunächst über diese Beobachtung wenig erfreut, fand aber nicht die Energie, dem Treiben seiner Frau Einhalt zu bieten. Da es ihm überdies nicht verborgen blieb, daß das Gewerbe seiner noch immer sehr hübschen Frau sich recht einträglich gestaltete, legte Frohlein in der Folgezeit seiner Frau nicht nur keine Schwierigkeiten mehr in den Weg, sondern beteiligte sich an ihrem Treiben auch aktiv. E r begleitete sie abends jeweils bis zu der Straßenkreuzung, wo ihr „ S t r i c h " begann und begab sich dann in ein in der Nähe befindliches Gasthaus, wo ihn seine Frau während ihres Gewerbebetriebes stets treffen und im Bedarfsfalle R a t und Hilfe finden konnte, und wo sie ihm nach Schluß des Betriebs von dem am Abend verdienten Geld ein reichliches Nachtessen spendierte. Eines Abends, kurz vor Pfingsten 1957, kam Frau Frohlein in höchster Erregung in das erwähnte Lokal und erzählte ihrem Manne, daß ein „ F r e i e r " (so nennen die Straßendirnen ihre Besucher) sich nach dem Geschlechtsverkehr geweigert habe zu zahlen, obwohl sie vorher mit ihm das übliche Entgelt von 5 Mark vereinbart gehabt habe. Sie habe daher die Türe zu der Wohnung von außen zugeschlossen, so daß sich der „ F r e i e r " nicht entfernen könne. Frohlein begab sich sofort mit seiner Frau zu der ganz in der Nähe des „Strichs" gelegenen Wohnung, die übrigens

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Die Fälle des Zweiten Teiles

als regelmäßiges Absteigequartier der Frau Frohlein diente, und fand dort den „Freier", einen älteren Mann vor, der sich in der Zwischenzeit vergeblich bemüht hatte, aus dem abgeschlossenen Raum durch ein Fenster auf die Straße zu gelangen. Frohlein erklärte dem am ganzen Körper zitternden Mann kurzerhand, daß er das Zimmer nicht lebend verlasse, wenn er nicht die von seiner Frau geforderten 5 Mark bezahle. Da der Besucher, der die Vereinbarung des Entgelts nicht bestritt, nur 1 Mark bei sich hatte, versetzte Frohlein ihm mit seinem Schlüsselbund einen Schlag auf das rechte Auge, so daß er bewußtlos zusammenbrach. Durch den Lärm aufmerksam gemacht, drang eine zufällig am Hause vorbeikommende Polizeistreife in die Wohnung ein und nahm die Eheleute Frohlein fest. Bei den eingehenden Nachforschungen über das Vorleben des Frohlein stellte sich der oben geschilderte Sachverhalt heraus. Welche strafbaren Handlungen liegen vor?

FALL 7: Wilderei A. Der Gastwirt Basilius A x t , ein eifriger Jäger, bittet den Forstwart S t u m p f , ihn in dem Forst Schönbühl, in welchem Stumpf die Jagdhut zu besorgen und auch die Niederjagd auszuüben hat, einen Hirsch schießen zu lassen. Stumpf war, wie A x t wußte, von seinem vorgesetzten Forstmeister K . strengstens verboten, Hirsche zu schießen. Trotzdem gibt er schließlich der wiederholten Bitte des Axt, dem er einen größeren Geldbetrag schuldete, nach, übernimmt selbst die Führung im Jagdgebiet, bis es dem Axt gelingt, einen Zwölfender zu schießen. Stumpf behält und verwertet das Tier für sich, während er das Geweih dem Axt schenkt, bei dem es beschlagnahmt wurde. Die Erhebungen ergaben, daß Stumpf schon öfters in dieser Weise befreundeten Jägern entgegengekommen ist. Welcher strafbaren Handlungen haben sich Axt und Stumpf schuldig gemacht? K a n n das Geweih eingezogen werden? B. Zwei W i l d e r e r schießen auf dem Felde der Gemarkung D. einen Hasen. Da sie es nicht wagen, ihn bei T a g in das Dorf einzubringen, verbergen sie den Hasen auf dem außerhalb des Jagdgebiets gelegenen Friedhof unter einem Haufen Kränze, um ihn nach Eintritt der Dunkelheit zu holen. Die Taglohnerin R e i n m u t h beobachtet das Gebaren der Wilderer. Sie steigt über die Mauer des verschlossenen Friedhofs, holt den Hasen und verzehrt ihn. 1. Welches Strafgesetz ist auf die T a t der Reinmuth anzuwenden? 2. Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn sich der Hase bei der Aneignungshandlung noch im Jagdgebiet unversteckt oder versteckt befunden hätte?

Fall 8, 9

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3. Wie, wenn sich der Hase in einer von den Wilderern aufgestellten Schlinge gefangen gehabt hätte? 4. Wie wäre schließlich zu entscheiden, wenn die Reinmuth einen Hasen aus einer vom Jagdberechtigten selbst gestellten Schlinge weggenommen hätte? C. Die gleichen Wilderer werden einige Tage später im Jagdrevier A . dabei betroffen, wie sie langsam am Waldrand entlang gingen und den Waldrand absuchten; dabei war der eine von ihnen im Besitz eines leeren Sackes, während der andere in seiner Jacke mehrere Rehschlingen bei sich führte. Haben sich die Wilderer strafbar gemacht?

FALL 8: Der Tiergarten des Barons von Falkenstein Gottlieb F i c h t e r , ein gewerbsmäßiger Wilderer, beabsichtigt, in dem nach allen Seiten hin wohlverwahrten Tiergarten des Barons von Falkenstein einen Hirsch zu erlegen. Da sich sein eigenes Gewehr in Reparatur befindet, erbittet er sich von seinem Freunde Anselm H e l f e r , der ihn als gewerbsmäßigen Wilderer kennt, und dem er auch von seinem Vorhaben genaue Mitteilung macht, ein Gewehr. Helfer gibt ihm ein solches. Fichter steigt sodann über die Umzäunung des Tiergartens und schießt einen Hirsch. Bevor er aber das erlegte Tier an sich nehmen kann, wird er von dem J a g d a u f s e h e r des Barons, der lediglich den Schuß gehört, also die Tötung des Hirsches noch nicht wahrgenommen hatte und der den Fichter nicht kannte, am Arme gefaßt, festgehalten und aufgefordert, seinen Namen zu nennen. Fichter verweigert die Namensangabe, schlägt dem Aufseher mit der Faust auf den Kopf, reißt sich los und entkommt. Wie ist die Rechtslage?

FALL 9: Das Vergnügungslokal „Seestern" A. Der Betrieb „ S e e s t e r n " in Berlin-Wannsee befindet sich im Alleineigentum des U n t e r n e h m e r s B l u m . Als dessen wirtschaftliche und finanzielle Lage sich zusehends verschlechterte, ließ einer seiner vielen Gläubiger auf Grund eines bereits zugestellten vollstreckbaren Urteils unter Beachtung der vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten eine größere Menge dem Blum gehörenden und ausschließlich dem Restaurationsbetrieb des Unternehmens dienenden Geschirrs p f ä n d e n . Darunter befanden sich auch silberne Eßbestecke, auf denen der Name „Seestern" eingraviert war.

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Die Fälle des Zweiten Teiles

Bezüglich dieses Grundstücks war kurz vorher vom zuständigen Amtsgericht die Zwangsversteigerung in bereits wirksamer Weise angeordnet worden. Der G e r i c h t s v o l l z i e h e r nahm an, daß sich die durch Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks erfolgte Beschlagnahme nicht auf dieses Geschirr erstrecke, da er die Möglichkeit, das Geschirr sei Grundstückszubehör, f ü r ausgeschlossen oder f ü r zu fernliegend hielt, um deswegen von der Pfändung Abstand zu nehmen. Einige T a g e darauf erklärte Blum dem Gerichtsvollzieher, daß er ihm die gepfändeten Eßbestecke schenke, worauf der Gerichtsvollzieher diese Sachen aus dem Pfandlokal, in dem er sie seit der Pfändung verwahrt hatte, abholte, in seine Privatwohnung verbrachte und f ü r sich behielt. Wie ist die Handlungsweise des Gerichtsvollziehers z u beurteilen? B. Blum erholte sich finanziell zunächst wieder, so daß die Anordnung der Zwangsversteigerung aufgehoben wurde. Der wirtschaftliche Wiederaufstieg war aber nur von kurzer Dauer. A m i . März 1957 wurde das K o n k u r s v e r f a h r e n gegen ihn eröffnet. Der Konkursverwalter stellte u. a. fest: 1 . Anfang Februar 1957 hatte Blum sein Grundstück mit zwei Grundschulden von j e 3000 Mark zugunsten seiner beiden Söhne belastet und kurz nach der Konkurseröffnung hatte er sein Guthaben auf der Sparkasse in Höhe von 250 Mark abgehoben und das Geld f ü r seinen Lebensunterhalt verbraucht. Außerdem hatte Blum dem Konkursverwalter bei der eingehenden Vernehmung verschwiegen, daß er Anfang 1957 einem in Not geratenen Jugendfreund 500 Mark geschenkt hatte. 2. Blum hatte noch im Februar 1957 von zwei Konservenfabrikanten A . und B. in größerem Umfange Waren bezogen, und zwar von A. unter Eigentumsvorbehalt, während der Fabrikant B., wie im Strafbefehlsverfahren festgestellt worden war, durch betrügerische Manipulationen des Blum zur Lieferung veranlaßt worden war. In seiner Notlage und um die Eröffnung des Konkursverfahrens hinauszuschieben, hat Blum beide Posten nur zum geringeren Teil in seinen Restaurationsbetrieb verbraucht, und den Hauptteil freihändig weit unter dem Einkaufspreis verkauft. 3. Blum schuldete seinem O b e r k e l l n e r M ü l l e r noch 1000 Mark aus einem Darlehen vom J a h r e 1954 und hatte ihm zur Sicherheit einen Teil der Büroeinrichtung übereignet. Müller hatte aber, als die wirtschaftliche L a g e Blums immer bedenklicher wurde, eine weitere Sicherheit in Form einer Sicherungshypothek verlangt. Blum bewilligte und beantragte die Hypothek, die am T a g e nach Eröffnung des Konkursverfahrens zur Eintragung gelangte. 4. Der Z i g a r r e n h ä n d l e r M e i e r hatte dem Blum am 15. Februar 1957 einen größeren Posten Zigarren ohne Eigentumsvorbehalt auf Kredit geliefert. Auf Blums Anregung, der mit Meier befreundet war, übersandte letzterer dem Blum kurz nach der Konkurseröffnung zwei erdichtete Schriftstücke, nämlich eine neue Rechnung mit dem Datum der alten

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(15. Februar 1957), in der er die Ware fälschlich als Kommissionsware bezeichnete, und ein Schreiben vom 10. März 1957, in dem er die sofortige Rücksendung der Zigarren verlangte. E r bat dabei Blum, die beiden Schreiben dem Konkursverwalter zum Nachweise seines angeblichen Eigentums vorzulegen. Infolge der Postsperre erhielt der Konkursverwalter von dem Schreiben Kenntnis. 5. Es wurde weiter durch den Konkursverwalter festgestellt, daß Blum in einem von ihm Anfang 1957 geleisteten O f f e n b a r u n g s e i d , als er nebenher noch Provisionsgeschäfte betrieb, Provisionsansprüche f ü r künftig abzuschließende Geschäfte nicht angegeben und bezüglich der auf seinem Grundstück damals lastenden Hypothek verschwiegen hatte, daß er von der ersten Hypothek von 5000 Mark einen Teilbetrag von 3000 Mark zurückbezahlt hatte. Ferner hat er in jenem Eid angegeben, er habe eine Forderung in Höh e von 1000 Mark an einen Gläubiger namens Schultze abgetreten, um diesen f ü r eine Forderung gegen ihn in gleicher Höhe sicherzustellen, während in Wirklichkeit die Schuld nur 500 Mark betrug. 6. Ferner brachte der Konkursverwalter zur Anzeige, daß Blum in der sogenannten „Gaststube" seines Unternehmens einen bis Ende 1956 in Betrieb gewesenen S p i e l a u t o m a t e n aufgestellt hatte, und zwar ohne behördliche Genehmigung. Die Erhebungen zu dieser Frage ergaben, daß der Automat gegen Einwurfeines 50-Pfennig-Stücks eine Rolle Pfefferminzpastillen im Werte von 20 Pfennig abgab. Außerdem brachte der Apparat infolge einer besonderen technischen Einrichtung bei Einwurf des Geldstücks zwangsläufig, d. h. unbeeinflußbar vom Spieler, in gewissen unregelmäßigen Zeitabständen ein bis zehn durchlochte Blechmarken hervor. Diese Marken konnten zum Weiterspielen verwendet oder f ü r beliebige Speisen, Getränke usw. in Höhe von 50 Pfennig pro Marke in Zahlung gegeben werden. Den Personen, die von dem Apparat Gebrauch machten, kam es nicht auf die Pfefferminzpastillen, sondern auf die Marken an. Die im Apparat befindlichen Gelder flössen Blum zu. Z u seiner Verteidigung machte Blum zu diesem Falle geltend, er habe nicht gewußt, daß es sich bei diesem Apparat um einen Glücksspielautomat handle. 7. Auch in der L o h n f r a g e gab die Nachprüfung des Geschäftsbetriebs zu Bedenken Anlaß. Ein Vergleich mit den in Konkurrenzunternehmen bezahlten Löhnen führte zu dem Ergebnis, daß diese durchschnittlich etwa 20 bis 3 0 % über der im Blum'schen Unternehmen üblichen Lohnhöhe lagen. 8. Ferner wurden auch Verstöße gegen die aus der Sozialversicherung f ü r ihn sich ergebenden Pflichten festgestellt. Blum war nämlich seit Monaten mit der Zahlung der B e i t r ä g e z u r K r a n k e n v e r s i c h e r u n g und Invalidenversicherung im Rückstand. Insgesamt beliefen sich seine diesbezüglichen Schulden auf mehrere 100 Mark. 9. Schließlich ergab eine Nachprüfung des Geschäftsbetriebs durch das F i n a n z a m t folgendes: Die vorgeschriebenen Lohnsteuerabzüge

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Die Fälle des Zweiten Teiles

wurden zunächst ordnungsmäßig vorgenommen und in der Lohnkasse verwahrt. Als aber das Unternehmen im Herbst 1956 in Zahlungsschwierigkeiten geriet, wies Blum wiederholt seinen Prokuristen Müller an, die den Angestellten abgezogenen, in der Lohnsteuerkasse befindlichen Lohnsteuerbeträge als Betriebsmittel zu verwenden und dafür Zettel über die entnommenen Beträge einzulegen. In den ersten Wochen der Vornahme dieser Manipulationen wurden die Entnahmen wieder ersetzt. Später unterblieb aber der Ersatz. Infolgedessen sind von Mitte November ab die einbehaltenen und im Lohn- und Steuerbuch vorgetragenen Lohnsteuerbeträge nicht mehr an das Finanzamt abgeliefert worden. Wie ist das Verhalten des Blum, und wie das Verhalten des Müller im Falle 3 und dasjenige des Meier im Falle 4 zu beurteilen?

FALL 10: Der pflichtvergessene Schutzmann Dem Polizeiwachtmeister Finding der Polizeidirektion H. wurde der A u f t r a g erteilt, nach der flüchtigen Ida W i l l i b a l d , die nach rechtskräftiger Anordnung der Fürsorgeerziehung in eine Erziehungsanstalt verbracht werden sollte, zu fahnden, sie bei Betreten festzunehmen und in polizeilichen Gewahrsam einzuliefern. Polizei Wachtmeister F i n d i n g traf bald darauf abends auf der Straße -die Willibald an und nahm sie in Vollziehung des erhaltenen Auftrags fest, um sie der Polizeidirektion vorzuführen. Während des Transports durch einen abgelegenen Stadtteil besann er sich aber eines anderen. E r forderte das Mädchen auf, sich mit ihm geschlechtlich abzugeben; wenn sie das tue, werde er sie freilassen, andernfalls, wie ihm befohlen, der Behörde vorführen. Die Willibald willfahrte seinem Wunsche nicht, gleichwohl ließ sie der Polizeiwachtmeister frei, weil er fürchtete, daß sie ihn sonst wegen seines Verhaltens anzeigen werde. Wie ist der Fall strafrechtlich zu beurteilen? Wie wäre er zu beurteilen, wenn sich die Willibald dem Polizeiwachtmeister unter der Bedingung, daß er sie dann freilasse, zum intimen Verkehr angeboten und der Polizeiwachtmeister dieses Anerbieten angenommen, den Geschlechtsverkehr ausgeübt und die Willibald hierauf freigelassen hätte?

FALL 11: Der ungetreue Leihhausverwalter Der V e r w a l t e r e i n e s s t ä d t i s c h e n L e i h h a u s e s will sich aus der Leihhauskasse Gelder zu eigenem Verbrauche verschaffen. E r wählt hierzu folgenden Weg: Aus einem Schrank, in dem die verpfändeten Juwelen aufbewahrt sind, nimmt er einen Brillantring an sich. Dies fällt ihm sehr leicht. Der Schrank läßt sich zwar nur mit zwei verschiedenen Schlüsseln öffnen, von denen

Fall 12

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der eine in seiner, der andere in Verwahrung eines zweiten Beamten, des K o n t r o l l e u r s , sich befindet. Der Kontrolleur pflegt aber — allerdings vorschriftswidrig — jeden Morgen mit seinem Schlüssel aufzuschließen, so daß dem Verwalter den T a g über der Inhalt des Schrankes ohne weiteres zugänglich ist. Eine Kontrollierung der Pfänder ist in den nächsten Tagen nicht zu erwarten. Den Ring übergibt der Verwalter einem ihm als durchaus zuverlässig bekannten D i e n s t m a n n , der oft f ü r Personen, die sich nicht gern auf dem Leihhaus sehen lassen, Verpfändungen besorgt. E r sagt dem Dienstmann, ein F r e u n d von ihm, der nicht genannt zu sein wünsche, wolle den Ring beim Leihhaus verpfänden lassen, er selbst könne dem Freund den Dienst nicht erweisen, weil ihm eine solche Vermittlung durch die Satzungen des Leihhauses verboten sei. Deshalb solle der Dienstmann die Sache besorgen, das f ü r den Ring erhaltene Darlehen solle er mit dem Pfandscheine in einen im Flur des Leihhauses angebrachten Briefkasten, den er — der Verwalter — öffnen könne, werfen. Demnächst erscheint der Dienstmann auf dem Leihhaus und trägt unter Übergabe des Ringes sein Anliegen vor. Der Verwalter und Kontrolleur, die bei solchen Verpfändungen zusammenzuwirken haben, lassen den R i n g abschätzen, setzen die Höhe des Darlehens fest und übergeben dem Dienstmann die Darlehenssumme und Pfandschein. Das Geld entnehmen sie der Leihhauskasse, die sie nach der von ihnen streng beobachteten Vorschrift gemeinschaftlich mit verschiedenen Schlüsseln öffnen und nach Entnahme des Geldes sofort wieder schließen. Den ganzen Vorgang beurkunden sie in den zur Kontrollierung der Tätigkeit der beiden Kassenbeamten bestimmten Büchern (Pfänder- und Kassenbuch). Den Ring legen sie in den Juwelenschrank. Nachdem der Dienstmann Geld und Pfandschein in den Briefkasten geworfen hat, holt der Verwalter beides heimlich ab. Das Geld behält er f ü r sich, den Pfandschein vernichtet er, was er von vornherein beabsichtigt hat, da er den R i n g nicht wieder einlösen will. Damit f ü r den Fall eines späteren Pfändersturzes die Zahl der Pfandstücke stimme, verbringt er bei Einlegung des nunmehr zum zweiten Male verpfändeten Ringes in den Juwelenschrank, ohne daß es der Kontrolleur bemerkt, einen dem verpfändeten nachgebildeten, wertlosen Ring, den er sich vorher zu diesem Zweck verschafft hat. Wie ist die Handlung des Verwalters strafrechtlich zu beurteilen?

FALL 12: Der Postassistent und seine Geliebte Der Postassistent L e i c h t f u ß beim Postamt Mannheim hat am 24. September eine dringende Schuld zu bezahlen; es fehlen ihm hierzu die Mittel. A m Sonntag, dem 22. September, macht er seiner Geliebten, der ehemaligen T e l e g r a p h e n g e h i l f i n M a r t i n , Mitteilung von seiner Lage.

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Diese fragt ihn, ob er sich nicht Postgelder verschaffen könne. Leichtfuß erwidert, er habe auch schon daran gedacht, bis jetzt aber keine Gelegenheit dazu gehabt. Wenn allerdings am nächsten Morgen bei seinem Postamte ein Geldbrief abzufertigen wäre, könnte er diesen verschwinden lassen, denn er habe an diesem T a g e dem P o s t s e k r e t ä r Z e i s bei der Fertigstellung der Postsäcke zu helfen. Darauf erklärte die Martin, sie werde dafür sorgen, daß ihm ein Geldbrief mit 500 Mark f ü r die Postagentur Neckarhausen in die Hände komme. A m Nachmittag desselben Tages betritt die Martin während der dienstfreien Zeit unter Benützung eines Nachschlüssels den Dienstraum der benachbarten Postagentur Neckarhausen, bei der sie früher mehrere J a h r e beschäftigt war, und spricht dem Telegraphenamt Mannheim folgendes Telegramm zu: „ P a g an P. A. (d. h. Postagentur an Postamt) Erbitte 500 Mark Weber". Sie benimmt sich hierbei vermöge der in ihrer früheren Stellung erworbenen Kenntnis des Betriebs so gewandt, daß bei der Annahmestelle kein Mißtrauen entsteht. Der Name des P o s t a g e n t e n W e b e r , der häufig von seiner Ehefrau vertreten wird, ist ihr von früher bekannt. Die Beamtin des Telegraphenamts Mannheim, die das Telegramm am Fernsprecher abnimmt und alsbald auf dem üblichen Vordruck niederschreibt, gibt die Niederschrift an das Postamt Mannheim weiter. Dort muß der Wertbrief mit dem verlangten Geld am Montag vormittag versandt werden. Die Fertigstellung des Wertbriefes und seine Verbringung in den f ü r die Postagentur Neckarhausen bestimmten Postsack obliegt dem Postsekretär Zeis, der sich hierbei der Hilfe des Postassistenten Leichtfuß zu bedienen pflegt. A m Montag vormittag entnimmt Postsekretär Zeis, der seinen Dienst in einem durch ein Drahtgitter abgeschlossenen Teil eines größeren Dienstraumes versieht, 500 Mark der Amtskasse, legt das Geld in einen Briefumschlag, verschließt ihn, versieht ihn mit dem Stempel des Postamts Mannheim, der Adresse und der Aufschrift „ W e r t b r i e f " und übergibt den Brief durch eine Öffnung des Drahtgitters dem dort an einem Schalterbrett arbeitenden Leichtfuß. Dieser hat nun die Aufgabe, den Wertbrief vor den Augen des Zeis in den zum Teil mit gewöhnlichen Briefen gefüllten Postsack f ü r Neckarhausen zu legen, den Sack zuzubinden, mit einer Papierfahne mit der Aufschrift „Neckarhausen" zu versehen und die Schnur mit der ihm von Zeis übergebenen Plombierzange zu plombieren. Dies alles besorgt Leichtfuß vorschriftsmäßig. I m letzten Augenblick aber vertauscht er unter Benützung einer vorübergehenden Unaufmerksamkeit des Zeis den Postsack von Neckarhausen mit einem anderen Sack, der zum Zwecke der Täuschung seines Vorgesetzten von ihm schon vorbereitet und unter dem Schalterbrett bereitgestellt war. Diesen Sack reicht er dem Zeis durch die Schalteröffnung hinein. Den Postsack von Neckarhausen nimmt er heimlich mit sich in einen anderen R a u m des Postamtes, schneidet die Plombe ab, nimmt den Wertbrief an sich, vernichtet die gewöhnlichen Briefe und bringt den Sack, wie von vornherein beabsichtigt, zu den übrigen Säcken des Postamtes zurück. Das Geld verwendet er zur Zahlung seiner Schuld. Der zur Täuschung benützte Sack geht von dem Arbeits-

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räum des Zeis zur Postagentur Neckarhausen, wo das Fehlen des Wertbriefs, dessen Absendung seitens des Postamtes Mannheim angekündigt worden war, entdeckt wird. Welcher strafbaren Handlungen haben sich Leichtfuß und die Martin schuldig gemacht?

FALL 13: Die Eheleute Habermann Der Gastwirt H a h n schuldete dem Malermeister F r e y , der die Hahnsche Wirtschaft renoviert hatte, 600 Mark und hatte f ü r diese Schuld zwei Wechsel über j e 300 Mark, fällig am 1. März und 1. April 1957, akzeptiert. Als der erste Wechsel nicht eingelöst wurde, beauftragte Frey den G e r i c h t s v o l l z i e h e r H a b e r m a n n , den Wechsel mangels Zahlung zu Protest zu bringen. Habermann, der sich infolge leichtsinnigen Lebenswandels seiner Frau stets in finanziellen Schwierigkeiten befand, begab sich am 6. März 1957 zur Ausführung dieses Auftrages in die Wohnung des Hahn, der die aus dem Wechsel geschuldeten 300 Mark sofort bezahlte, worauf Habermann ihm den quittierten Wechsel aushändigte und von ihm, obwohl er einen Wechselprotest nicht aufgenommen hatte, eine Gebühr von 6 Mark f ü r die angebliche Aufnahme erhob. Hierüber dienstlich zur Verantwortung gezogen, fertigte H a b e r m a n n nachträglich einen Wechselprotest mit dem Datum vom 6. März 1957 an, welchen er zum Beweise dafür, daß der Schuldner nicht sofort bezahlt habe und er deshalb zur Errichtung einer Protesturkunde genötigt gewesen sei, seinem Vorgesetzten vorlegte. Der zweite Wechsel über 300 Mark ging zu Protest. H a h n wurde zur Zahlung verurteilt. Da H a h n nicht zahlte, erteilte F r e y dem H a b e r m a n n den Auftrag, bei H a h n zu pfänden. In dem von H a b e r m a n n aufgenommenen Pfändungsprotokoll änderte dieser, nachdem das Protokoll von H a h n unterschrieben und von H a b e r m a n n abgeschlossen war, auf Bitten des H a h n und dessen Zusicherung, er werde sich durch ein Geldgeschenk dankbar erweisen, einige Tage später das in dem Protokoll vermerkte Datum des anberaumten Versteigerungstermins, um H a h n noch eine längere Frist zur Tilgung der Schuld zu gewähren. Gemäß § 26 der GebO. f ü r Gerichtsvollzieher, wonach diese verpflichtet sind, unter den Urschriften und Abschriften ihrer Akten eine Berechnung der Gebühren und Auslagen aufzustellen, liquidierte H a b e r m a n n u. a. f ü r Portoauslagen einen Betrag von 2 Mark, obwohl Portokosten überhaupt nicht entstanden waren, und als Gebühr f ü r die Pfändung 1 o Mark, obwohl die Pfändungsgebühr, wie er sehr wohl wußte, nur 5 Mark betrug. Kurze Zeit nach der Pfändung zahlte H a h n den von ihm aus dem zweiten Wechsel geschuldeten Betrag von 300 Mark, sowie sämtliche von H a b er m a n n liquidierten Gebühren und Auslagen, sowie das versprochene Geldgeschenk in Höhe von 10 Mark mit der Bitte, die 300 Mark dem F r e y auszuhändigen. H a b e r m a n n behielt den gesamten Betrag f ü r sich, Petters, Strafrechtsfälle mit Lösungen, n . A u f l .

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u m dringende, aus übermäßigem Aufwand seiner, wie schon erwähnt, sehr leichtsinnigen Frau herrührende Schulden zu begleichen. E r beabsichtigte dabei, von seiner nächsten Gehaltszahlung 300 Mark dem Frey zu zahlen. Anläßlich einer kurz darauf abermals erfolgten Dienstprüfung kamen die Verfehlungen des Habermann zur Kenntnis der Staatsanwaltschaft. Habermann wurde verhaftet. I n der gegen Habermann angesetzten Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht am 1. J u l i 1957 bemerkte die Ehefrau des H a b e r m a n n , die sich im Zuhörerraum befand, in dem einen der beisitzenden Schöffen den verwitweten Spenglermeister G u t b r o d , der ihr gut bekannt war und mit dem sie seit längerer Zeit freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Während einer Gerichtspause begab sich daher die übrigens sehr hübsche Frau Habermann zu dem auf dem Gerichtsgang sein Frühstück verzehrenden Gutbrod, klagte ihm ihr Leid und versprach ihm, sich dankbar zu erweisen, wenn er dafür sorge, daß ihr Mann nicht zu schwer bestraft werde. Sie ließ dabei in nicht mißzuverstehender Weise erkennen, daß sie bereit sei, f ü r diesen Fall den schon häufig geäußerten Wunsch Gutbrods nach Geschlechtsverkehr zu erfüllen. Gutbrod war über die ihm von der Habermann gemachten Aussichten hocherfreut und versprach, zu tun, was möglich sei. Gemäß diesem Versprechen setzte sich Gutbrod bei der Urteilsberatung des Falles Habermann wider besseres Wissen f ü r die gesetzlich zulässige Mindeststrafe, allerdings erfolglos ein. Welche strafbaren H a n d l u n g e n liegen vor?

FALL 14t Politischer Fanatismus I n einer mittleren Stadt des Rheinischen Industriegebietes kam es in der Zeit der innerpolitischen Hochspannung im J a h r e 1932, im Zusammenhang mit einem politischen Mord, zu folgenden Vorfällen: I. 1. Das im Zentrum der Stadt gelegene, der Partei A gehörende Vereinshaus, hatte anläßlich eines internen Festes geflaggt. In den frühen Morgenstunden, als der Verkehr in der Stadt noch gering war, kletterten drei der Partei B angehörige junge Leute an der Fassade des Hauses empor nach dem im ersten Stockwerk befindlichen Balkon, an dem die Vereinsfahne angebracht war, rissen sie vom Mast und versenkten sie in den hinter dem Haus vorbeifließenden Kanal. 2. Dieser Vorfall, der an sich nur von wenigen Passanten beobachtet worden war, sprach sich bald in der Stadt herum und hatte zur Folge, daß sich schon in den Vormittagsstunden eine nach Hunderten zählende Menschenmenge auf dem vor dem genannten Vereinshaus befindlichen Platz versammelte und dadurch den gesamten Straßenverkehr lahmlegte; u. a. wurde auch die die umliegenden Ortschaften mit der Stadt verbindende Kleinbahn dadurch in Mitleidenschaft gezogen, daß mit S t e i n e n gegen das Lokomotivpersonal geworfen wurde.

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3. Ein großes Polizeiaufgebot begann alsbald mit der Räumung des Platzes und mußte, da die Ansammlung einen bedenklichen U m f a n g angenommen hatte, vom Gummiknüppel Gebrauch machen und teilweise sogar blank ziehen. Nach etwa einer Stunde war der Platz geräumt; die Polizei nahm zahlreiche Verhaftungen vor. U . a. war ein gewisser der Partei B angehöriger Meyer festgenommen worden, der wiederholt den in der N ä h e d e s H a u s e i n g a n g s d e s V e r e i n s h a u s e s stehenden Personen zurief, sie sollten das Haus, das von einer Polizeikette abgeriegelt war, stürmen. Dieser Aufforderung kam eine Gruppe von etwa 30 Personen nach, denen es gelang, die Polizeikette zu durchbrechen und in das Vereinshaus einzudringen, wo sie die dort zum Schutz des Hauses versammelten Personen verprügelten und einen Teil der Hauseinrichtung zerstörten. Der Führer dieser Gruppe war ein gewisser W. Der Polizei gelang es alsbald, das Vereinshaus von den Eindringlingen wieder zu räumen. 4. Eine andere Gruppe hatte versucht, durch den Garten und hint e r e n E i n g a n g in das Vereinshaus zu gelangen, konnte aber von den dort postierten Polizeibeamten daran gehindert werden, wobei ein Polizist zu Boden geworfen und schwer mißhandelt worden war. Es gelang auch in diesem Falle, den Führer dieser Gruppe zu ermitteln; es war ein gewisser X ; auch er konnte alsbald festgenommen werden. 5. I m übrigen vollzog sich die R ä u m u n g in den bei derartigen Vorkommnissen üblichen Formen. Ein Teil des Publikums, unter dem sich auch viele Neugierige befanden, kam ohne weiteres den Anordnungen der Polizei nach, während andererseits zahlreiche Festnahmen notwendig wurden von Personen, die trotz wiederholter Aufforderung den Platz nicht verließen. Unter diesen befand sich auch ein gewisser Y , der, als er festgenommen werden sollte, sich mit den Füßen gegen den Boden stemmte und schließlich von zwei Polizisten zur Wache geschleppt werden mußte. 6. Dabei versuchten verschiedene Personen, u. a. auch ein gewisser Z , den Y aus der Hand der Polizei zu befreien, wobei Z den Polizisten zurief: „Nieder mit euch, ihr Bluthunde" usw. II. Nachdem um die Mittagsstunde die R u h e in der Stadt einigermaßen wieder hergestellt war, kam es am Abend zu erneuten schweren Ausschreitungen, als die Mitglieder der Partei A unter Vorantritt, einer Musikkapelle einen U m z u g d u r c h d i e S t a d t unternahmen. Als nämlich der Zug in Stärke von etwa 150 M a n n in der Nähe der Straße vorbeikam, in der sich das Vereinshaus der Partei B befand, kam es zwischen Angehörigen dieser Partei und den Zugteilnehmern zu einer Schlägerei, bei der eine Person so schwer verletzt wurde, daß sie kurz nach der Einlieferung in das städtische Krankenhaus verstarb. I m einzelnen wurde durch die Erhebungen folgendes festgestellt: An einer Straßenkreuzung, die nur schlecht beleuchtet war, befanden sich unter den Zuschauern des Umzugs auch vier Angehörige der Partei B,

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namens A, B, C, D. Diese hatten schon an einer anderen Stelle in der Stadt den Zug der Partei A an sich vorüberziehen lassen und bei dieser Gelegenheit beobachtet, daß den Schluß des Zuges die drei Personen bildeten, die bei den Vorfällen am Vormittag die Festnahme des oben erwähnten Meyer veranlaßt hatten. Sie beschlossen nunmehr, diesen drei politischen Gegnern — es waren die Arbeiter E , F , G — einen Denkzettel zu geben. Als der Zug die Straßenkreuzung passiert hatte, stürzten sich B und C von hinten auf E und F ; letzterer wurde von B wiederholt mit der Faust und einem entsicherten Revolver ins Gesicht geschlagen, während G dem E mit einem Schlagring neun tiefe Wunden auf dem K o p f beibrachte und, als dieser bewußtlos zusammenbrach, auch dem F noch einige Fußtritte versetzte. G lief davon, wurde jedoch von A und D verfolgt, von A wiederholt auf den K o p f geschlagen und zu Boden geworfen, wobei er auf den Rücken zu liegen kam. A kniete sich auf ihn nieder und versetzte ihm noch drei Faustschläge ins Gesicht, wodurch G eine Gehirnerschütterung erlitt und das Bewußtsein verlor. Dieser Vorfall hatte sich so schnell zugetragen daß D überhaupt nicht zum Schlagen kam. Unmittelbar danach kamen B und C herbeigeeilt. B ging sofort auf den bewußtlos am Boden liegenden G hin und trat ihm mehrmals mit dem Stiefelabsatz ins Gesicht, so daß das Nasenbein zertrümmert wurde. An den Folgen der erlittenen Mißhandlungen verstarb G kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus. Die durch die Zertrümmerung des Nasenbeins verursachte Blutung hatte sich bei seiner infolge der Bewußtlosigkeit eingetretenen Unbeweglichkeit in die Lunge ergossen und den T o d durch Ersticken herbeigeführt. Ursache seines Todes war sonach das Z u sammenwirken der durch A herbeigeführten Gehirnerschütterung und nachfolgenden Bewußtlosigkeit mit der durch die Fußtritte des B bewirkten Zertrümmerung des Nasenbeins. III. 1. I m Laufe der Vernehmung des Meyer stellte es sich heraus, daß auch er es gewesen war, der kurze Zeit vor diesen Vorfällen in einer von ihm geleiteten und auch von zahlreichen Arbeitern städtischer Betriebe besuchten Kundgebung durch Hetzreden erreichte, daß die städtischen Arbeiter einen Beschluß faßten, der zur A r b e i t s n i e d e r l e g u n g der gesamten, aus 50 Arbeitern bestehenden Belegschaft des S t ä d t i s c h e n W a s s e r w e r k s auf die Dauer von einer Woche geführt hatte. 2. Schließlich mußte Meyer auch zugeben, daß er mit einigen Helfershelfern in den Maschinenraum des S t ä d t i s c h e n E l e k t r i z i t ä t s w e r k e s eingedrungen war und dort den Dynamo durch Beschädigung mittels einer Eisenstange außer Betrieb gesetzt hatte, wodurch die Stromversorgung der Stadt auf die Dauer von 24 Stunden unterbrochen worden war. Wie ist der gesamte Sachverhalt nach dem jetzt geltenden Strafrecht zu beurteilen?

Die Lösungen Zum

Ersten Teil der Fälle ( F ä l l e 1—10)

Die Fälle" (S. i—36) liegen gesondert geheftet in der Schlaufe des hinteren Einbanddeckels

Systematische Vorbemerkungen Die strafbare Handlung und ihre Bestandteile (Die nachfolgenden Ausführungen bilden die Grundlage f ü r die Lösungen sämtlicher Fälle der beiden Teile des Werks) E i n e k r i m i n e l l s t r a f b a r e H a n d l u n g liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: 1. Die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t , d. h. es müssen sämtliche im Gesetz aufgeführten äußeren und inneren Tatbestandsmerkmale vorhanden sein. 2 . Das Verhalten m u ß r e c h t s w i d r i g sein; die Rechtswidrigkeit wird durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen. 3 . Das Verhalten m u ß dem Täter z u r S c h u l d z u r e c h e n b a r sein; die Schuld wird durch Schuldausschließungsgründe bzw. Entschuldigungsgründe ausgeschlossen. 4. Die Tatbestandsmäßigkeit m u ß g e r a d e in der P e r s o n d e s T ä t e r s s t r a f b a r sein; dies ist nicht der Fall, wenn persönliche strafbefreiende Gründe vorliegen.

A.

Die Tatbestandsmäßigkeit I. Zu ihr gehören: 1. Zunächst ganz allgemein eine H a n d l u n g , d. h. ein auf freier Willensbetätigung beruhendes T u n oder Unterlassen, das eine Änderung der Außenwelt bewirkt. Die besondere W i l l e n s r i c h t u n g , die dem T u n zugrunde liegt (das W o l l e n des Täters) ist f ü r den Begriff der „ H a n d lung" o h n e B e d e u t u n g . (Sog. k a u s a l e r Handlungsbegriff, im Gegensatz zu der z. T. im Schrifttum, vor allem von Welzel, vertretenen f i n a l e n H a n d l u n g s l e h r e , die nur ein z i e l b e w u ß t e s , planvoll gesteuertes T u n als „ H a n d l u n g " gelten läßt, nach der also nicht nur gefordert wird, daß die Handlung eine Veränderung in der Außenwelt verursacht, wie beim kausalen Handlungsbegriff, sondern daß darüber hinaus eine z i e l b e w u ß t e W i l l e n s ä u ß e r u n g erkennbar wird. Vorsatz und Fahrlässigkeit gehören daher nach der hier vertretenen k a u s a l e n Handlungslehre in das Gebiet der Schuld und nicht in das der Tatbestandsmäßigkeit.) 2 . Die s p e z i e l l e n o b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e , die im gesetzlichen Tatbestand vorgesehen sind, also H a n d l u n g s s u b j e k t (von Bedeutung vor allem bei den Sonderdelikten), H a n d l u n g s o b j e k t



Die Lösungen

(Sache im Gegensatz zur Person, diese wieder im Gegensatz zur Personengesamtheit, die z. B. unter bestimmten Voraussetzungen Beleidigungsobjekt sein kann), die spezielle A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g (z. B. die „Wegnahme" in § 242), das A n g r i f f s m i t t e l (z. B. Täuschung, Drohung, Gewalt in §§ 263, 249), der B e g e h u n g s o r t (z. B. befriedetes Besitztum in § 123, öffentlicher Weg, Straße in §250), B e g e h u n g s z e i t (z.B. in §§217,243 Abs. 1 Nr. 7) und schließlich die f ü r die q u a l i f i z i e r t e n (verschärften) und p r i v i l e g i e r t e n (gemilderten) Tatbestände besonders vorgesehenen Umstände (z.B. in §§ 223a, 243, 217). (Die Frage, inwieweit eine Ausführungshandlung durch „ U n t e r l a s s e n " verwirklicht werden kann, wird in Fall 10, Abschn. F II, S. 301 ff. behandelt.) 3. Außer diesen sinnlich wahrnehmbaren objektiven Umständen gehört zur Tatbestandsmäßigkeit bei manchen Tatbeständen noch ein s u b j e k t i v e s , äußerlich nicht in die Erscheinung tretendes U n r e c h t s e l e m e n t , so z.B. in § 242 die Z u e i g n u n g s a b s i c h t , in § 263 die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t , in § 267 die T ä u s c h u n g s a b s i c h t , in § 259 die V o r t e i l s a b s i c h t (siehe E G H . 5, 51). (Das besondere M o t i v , das den Täter zur strafbaren H a r d l u r g veranlaßt hat, bleibt im allgemeinen im Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes ebenso unberücksichtigt wie die H ö h e d e s S c h a d e n s , den der Täter verursacht hat. Diese Momente wirken sich im allgemeinen bei der S t r a f z u m e s s u n g aus.) 4. Zur Tatbestandsmäßigkeit gehört schließlich auch noch der K a u s a l z u s a m m e n h a n g , nämlich dann, wenn der Tatbestand außer der Willensbetätigung auch noch den Eintritt eines Erfolgs voraussetzt. (Siehe hierzu Fall 10, Abschn. B II 1, S. 290fr.) II. Die Folgen m a n g e l n d e r T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t : 1. Die Handlung bleibt s t r a f l o s , denn eine T a t kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes, der sich inhaltlich mit § 2 StGB, deckt.) (Näheres zu § 2 siehe Fall I I 3, Nachtrag B.) 2. Auch eine Bestrafung des T e i l n e h m e r s (Anstifters oder Gehilfen) ist ausgeschlossen, denn durch die Neuregelung der Akzessorietät in § 50 Abs. 1 wurde die Abhängigkeit der Teilnahmehandlung von der Haupttat, soweit die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t in Frage kommt, nicht beseitigt. (Siehe BGH. 1, 131 und Fall 2, Abschn. B I 1 b, S. 93.) B.

Die Rechtswidrigkeit I. R e g e l m ä ß i g e r g i b t s i c h a u s d e r T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t e i n e r H a n d l u n g o h n e w e i t e r e s i h r e R e c h t s w i d r i g k e i t ; denn durch das in der Strafdrohung liegende Verbot der bestimmten, durch den gesetzlichen Tatbestand normierten Handlung wird zum Ausdruck gebracht, daß die Handlung in ihrer regelmäßigen strafrechtlichen Ge-

Systematische Vorbemerkungen

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staltung auch rechtswidrig ist. (E. 2, 377; 61, 247; 63, 218). (Lediglich bei den sog. u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n ist noch eine Feststellung notwendig, daß für den Unterlassenden eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Siehe Fall 10, Abschn. F II 1 b S. 301.) II. Die objektive Rechtswidrigkeit ist kein Tatbestandsmerkmal 1. Die Tatsache, daß im Gesetz in e i n i g e n F ä l l e n das Begriffsmerkmal „ r e c h t s w i d r i g " a u s d r ü c k l i c h in den g e s e t z l i c h e n T a t b e s t a n d aufgenommen wurde, hat keine andere Bedeutung, als die eines Hinweises auf den für alle Deliktstatbestände geltenden Satz, daß die Verwirklichung des Tatbestandes n i c h t i m m e r r e c h t s w i d r i g ist, sondern in zahlreichen Fällen des täglichen Lebens auch r e c h t m ä ß i g erfolgen kann, wie z. B. in den Fällen der §§ 123, 239, 240, 303—305, in denen deshalb die Rechtswidrigkeit ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen wurde. 2. Es gilt daher ganz allgemein der Grundsatz, daß die Verwirklichung eines Straftatbestandes d a n n n i c h t r e c h t s w i d r i g ist, wenn U n r e c h t a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e (auch R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e genannt) vorliegen, d. h. wenn die tatbestandsmäßige Handlung auf Grund einer G e g e n n o r m des geschriebenen oder des Gewohnheitsrechtes oder für das natürliche Rechtsgefühl rechtmäßig ist. (BGH. 2, !95-) 3. Die o b j e k t i v e R e c h t s w i d r i g k e i t ist jedenfalls in k e i n e m Falle ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l , das vom Vorsatz umfaßt sein müßte. (Daß dagegen das B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t ein selbständiges, neben den Vorsatz tretendes S c h u l d e l e m e n t bildet, wird unten in Abschn. C VI 2, S. 51 erörtert.) III. Nicht rechtswidrig sind tatbestandsmäßige Handlungen allem in folgenden Fällen:

vor

1. Wenn die Voraussetzungen des b ü r g e r l i c h - r e c h t l i c h e n N o t s t a n d e s i. S. der §§ 228, 904 BGB. (siehe Zweiter Teil des Werkes, Fall 3, Nachtrag A, Abschn. II) gegeben sind, oder der Fall des § 229 BGB. (erlaubte Selbsthilfe) vorliegt. 2. Wenn die Handlung durch N o t w e h r geboten ist, § 53 und § 227 BGB. (Siehe Fall 7, Abschn. B II und Nachtrag zu Fall 7, S. 233, 236.) Dagegen ist Ü b e r s c h r e i t u n g d e r N o t w e h r rechtswidrig auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 vorliegen, in welchem Falle lediglich ein Schuldausschließungsgrund gegeben ist. (Siehe unten Abschnitt C IV 3b, S. 46.) 3. Wenn ein sog. ü b e r g e s e t z l i c h e r N o t s t a n d vorliegt, Grundsatz der G ü t e r - u n d P f l i c h t e n a b w ä g u n g : Der Täter handelt nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig, wenn er in einer Lebenslage, in der ein Rechtsgut nur durch Eingriff in ein anderes erhalten werden kann, das g e r i n g w e r t i g e r e Rechtsgut zur Rettung des h ö h e r w e r t i g e n

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Die Lösungen

opfert. (E. 6 1 , 254.) (Siehe im übrigen Zweiter Teil des Werkes Fall 3 Nachtrag A III.) 4. W e n n bei der B e l e i d i g u n g die Voraussetzungen des § i g 3 gegeben sind. (E. 59, 4 1 4 ; 65, 427 u n d Fall 7, Abschn. A V I I , S. 227.) 5. W e n n beim L a n d e s v e r r a t d u r c h einen Abgeordneten die Voraussetzungen des § 100 Abs. 3 gegeben sind. 6. W e n n A m t s h a n d l u n g e n vorliegen, z. B. V e r h a f t u n g , Betreten von W o h n u n g e n gegen den Willen des Wohnungsberechtigten bei der Durchsuchung usw. 7 . W e n n sich die H a n d l u n g e n (z. B. Körperverletzungen) aus einem E r z i e h u n g s - o d e r D i s z i p l i n a r r e c h t der Eltern (§§ 1 6 3 1 , 1634 BGB.), Lehrer, des L e h r h e r r n (§ 127 a G e w O . ) usw. ergeben, w e n n also die Rechtsordnung die Z u f ü g u n g körperlichen Schmerzes erlaubt. (Siehe hierzu E. 61, 1 9 3 ; 76, 3; B G H 6, 263.) 8. W e n n der Verletzte e i n w i l l i g t , vorausgesetzt, d a ß die Einwilligung einem Willen entspringt, der v o m R e c h t als m a ß g e b e n d a n e r k a n n t ist, insbesondere, d a ß die Person, in deren rechtliche Interessen eingegriffen wird, die genügende g e i s t i g e R e i f e u n d U r t e i l s k r a f t besitzt, u m sich der Bedeutung des Angriffs u n d der Gestattung seiner Verletzung klar zu sein. (Wegen Gleichstellung des m u t m a ß l i c h e n mit d e m wirklichen Willen siehe E. 6 1 , 256.) In Frage kommen hier folgende H a n d l u n g e n : a ) solche, die b e g r i f f l i c h einen Angriff auf den freien Willen voraussetzen, bei denen er also ein ausdrückliches Tatbestandsmerkmal bildet, z. B. §§ 123, 177, 236, 2 5 3 ; b ) solche, die s t i l l s c h w e i g e n d einen widerstrebenden Willen voraussetzen. Hierher g e h ö r e n : aa) Die V e r m ö g e n s r e c h t s v e r l e t z u n g e n . Es sind also Diebstahl, Unterschlagung u n d Sachbeschädigung ausgeschlossen, wenn der Eigentümer in die Aneignung oder Zerstörung einwilligt (E. 44, 42); eventuell k o m m t nach der sog. subjektiven Theorie, die auch der Bundesgerichtshof vertritt (siehe B G H . 3,235), V e r s u c h in Frage, nämlich d a n n , wenn der T ä t e r diesen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung nicht k a n n t e u n d insofern f ü r ihn subjektiv die T a t eine rechtswidrige war. (Siehe unten Abschn. C V I 1 a, bb, S. 49.) ( N . B . Eine B r a n d s t i f t u n g wird d u r c h die Einwilligung des Eigentümers nicht rechtmäßig, da sie nach § 306 s t r a f b a r ist wegen Gefahrd u n g der Allgemeinheit.) bb) Die H a n d l u n g e n g e g e n L e i b u n d L e b e n . Die Einwilligung in die T ö t u n g m a c h t letztere nicht straflos (§ 216). Dabei ist zu beachten, d a ß das Verlangen einer jugendlichen Person unter 18 J a h r e n rechtlich unbeachtlich ist, d a sie meist noch kein hinreichendes Urteil ü b e r den W e r t oder U n w e r t des Lebens besitzt (E. 72, 399). Die Frage, w a n n die Einwilligung des Verletzten eine K ö r p e r v e r l e t z u n g straflos

Systematische Vorbemerkungen

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m a c h t , ist d u r c h die Strafrechtsnovelle vom 26. M a i 1933 in § 226 a d a hin beantwortet, d a ß die Einwilligung grundsätzlich einen Rechtfertigungsgrund schafft, es sei denn, d a ß die T a t trotz der Einwilligung g e g e n d i e g u t e n S i t t e n verstößt ( z . B . sadistische Züchtigungen). N a c h dieser Regelung in § 226a ist die O p e r a t i o n , da sie regelmäßig nicht gegen die guten Sitten verstößt, nicht rechtswidrig u n d somit keine s t r a f b a r e Körperverletzung. (E. 25, 375; 74, 92. I m Schrifttum wird vielfach die Ansicht vertreten, d a ß der ärztliche Eingriff schon tatbestandsmäßig keine Körperverletzung sei; siehe zu § 226a auch B G H . 4, 88 u n d 118.) cc) Die H a n d l u n g e n g e g e n d i e E h r e . So k a n n z. B. einer H a n d lung, die a n sich eine t ä t l i c h e B e l e i d i g u n g darstellt, d u r c h Einwillig u n g des von ihr Betroffenen die Rechtswidrigkeit u n d d a m i t die Eigenschaft der Beleidigung genommen werden, vorausgesetzt, d a ß der Einwilligung nach den persönlichen Verhältnissen der einwilligenden Person rechtliche Beachtung zukommt. (Jugendliches Alter des Verletzten bei Angriff auf die Geschlechtsehre, E. 41, 394; 71, 349 u n d Fall 7 Abschn. A V 3, S. 226.) 9 . W e n n sich der T ä t e r bei der ü b l e n N a c h r e d e f ü r seine Behaupt u n g auf eine Auskunft einer zuständigen Amsstelle stützen k a n n (E. 73, 67). 1 0 . Die S e l b s t t ö t u n g ist n i c h t r e c h t s w i d r i g ; daher sind Versuch u n d j e d e Art der T e i l n a h m e straflos (BGH. 2, 152). W e r jedoch einen anderen z u m Selbstmord bestimmt, k a n n u. U . als mittelbarer T ä t e r s t r a f b a r werden, u n d zwar d a n n , wenn beim Selbstmörder die Voraussetzungen des § 5 1 Abs. 1 vorliegen. (Bestritten; siehe J Z . 1952, s. 371.)

IV. Die Folgen mangelnder Rechtswidrigkeit: 1. Der T ä t e r k a n n nicht bestraft w e r d e n ; eine P r ü f u n g der Schuldfrage ist daher gegenstandslos. 2 . A u c h der T e i l n e h m e r bleibt straflos. B e i s p i e l : A, der d e m in Notwehr befindlichen B einen Stock zur A b w e h r gibt, handelt ebenso rechtmäßig, wie der Angegriffene selbst u n d k a n n daher n i c h t wegen B e i h i l f e zur Körperverletzung bestraft werden. Ebensowenig k a n n derjenige wegen A n s t i f t u n g bestraft werden, der einen in Notwehr Befindlichen auffordert, den Angreifer niederzuschlagen. C.

Die Schuld I. Das Wesen der Schuld. Die S c h u l d im strafrechtlichen Sinne ist ist die p e r s ö n l i c h e V e r a n t w o r t l i c h k e i t widrige T a t . Sie u m f a ß t die b i o l o g i s c h e n barkeit u n d die s e e l i s c h e n B e z i e h u n g e n

V o r w e r f b a r k e i t , d. h. sie des Täters f ü r seine rechtsVoraussetzungen der Strafdes Täters zur T a t . „ M i t

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Die Lösungen

dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, d a ß er sich n i c h t r e c h t m ä ß i g v e r h a l t e n , d a ß er sich f ü r d a s U n r e c h t e n t s c h i e d e n h a t , o b w o h l er sich r e c h t m ä ß i g verh a l t e n , d. h. s i c h f ü r d a s R e c h t h ä t t e e n t s c h e i d e n k ö n n e n . " (Siehe B G H . 2, 200.)

II. Die biologischen Voraussetzungen der Schuldbejahung. 1. Die a l t e r s m ä ß i g e V e r s t a n d e s - u n d W i l l e n s r e i f e : a ) Infolge gesetzlicher P r ä s u m t i o n des Fehlens dieser Voraussetzungen gilt als u n b e d i n g t s c h u l d u n f ä h i g das K i n d bis z u m vollendeten 14. L e b e n s j a h r (§ 1 Abs. 3 J G G . ) . b) B e d i n g t s c h u l d f ä h i g ist d e r J u g e n d l i c h e vom vollendeten 14. bis z u m vollendeten 18. Lebensjahr, d. h. er k a n n bestraft w e r d e n , w e n n er „ n a c h seiner sittlichen u n d geistigen E n t w i c k l u n g reif g e n u g ist, das U n r e c h t d e r T a t einzusehen u n d n a c h dieser Einsicht zu h a n d e l n " . (§§ 1 Abs. 2, 3 J G G . ) W i r d im einzelnen Falle die Schuldfähigkeit festgestellt, d a n n wird die T a t m i t den im Gesetz besonders vorgesehenen M a ß n a h m e n g e a h n d e t (Jugendstrafe von 6 M o n a t e n bis zu 10 J a h r e n , Z u c h t m i t t e l , u n d zwar J u g e n d a r r e s t , Auferlegung besonderer Pflichten und Verwarnung). c) U n b e d i n g t s c h u l d f ä h i g sind P e r s o n e n ü b e r 1 8 J a h r e . I h r e Schuldfähigkeit wird n u r im Zweifelsfalle geprüft. (Wegen A n w e n d u n g des J u g e n d s t r a f r e c h t s auf „ H e r a n w a c h s e n d e " , d. h. auf Personen, die z. Z. der T a t 18, aber noch nicht 21 J a h r e alt sind, siehe § 105 J G G . ) 2. D i e Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t : a ) Als b i o l o g i s c h e U r s a c h e n der Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g k e i t i. S. des § 51 k o m m e n n a c h d e m Gesetz in F r a g e : Die Bewußtseinsstörung, die k r a n k h a f t e S t ö r u n g der Geistestätigkeit u n d die Geistesschwäche. aa) Die B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g k a n n k r a n k h a f t ( D ä m m e r z u s t a n d , Epilepsie, pathologische R a u s c h z u s t ä n d e ) oder nicht k r a n k h a f t sein (z. B. Schlaf, S c h l a f t r u n k e n h e i t , Hypnose, O h n m a c h t ) . Bei T r u n k e n h e i t liegt eine Bewußtseinsstörung nicht erst d a n n vor, w e n n es sich u m eine sinnlose T r u n k e n h e i t h a n d e l t , sondern es genügt schon eine d u r c h sie hervorgerufene starke T r ü b u n g des Bewußtseins. bb) U n t e r k r a n k h a f t e S t ö r u n g d e r G e i s t e s t ä t i g k e i t fallen alle Psychosen d a u e r n d e r oder v o r ü b e r g e h e n d e r Art. (Zu letzteren gehören Fieberdelirien, Schwangerschaftspsychosen usw.) cc) G e i s t e s s c h w ä c h e ist ein geringerer G r a d k r a n k h a f t e r S t ö r u n g der Geistestätigkeit. b) Als p s y c h o l o g i s c h e W i r k u n g dieser Z u s t ä n d e verlangt das Gesetz die U n f ä h i g k e i t , das U n e r l a u b t e der T a t e i n z u s e h e n oder n a c h dieser Einsicht zu h a n d e l n . (Ausschluß des Unterscheidungs- oder Hemmungsvermögens.) (Bei der v e r m i n d e r t e n Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t n a c h § 51 Abs. 2 genügt es, w e n n die oben g e n a n n t e n biologischen U r s a c h e n eine erheb-

Systematische V o r b e m e r k u n g e n

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liehe V e r m i n d e r u n g des U n t e r s c h e i d u n g s - o d e r H e m m u n g s v e r m ö g e n s z u r Folge h a b e n . W e g e n d e r Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t des T a u b s t u m m e n siehe § 55-) c ) W e g e n des P r o b l e m s d e r „ a c t i o l i b e r a i n c a u s a " siehe Z w e i t e r Teil des Werkes, Fall 5, A b s c h n . V I I I 1. III. D i e S c h u l d f o r m e n ( p s y c h o l o g i s c h e s

Schuldelement).

Als S c h u l d f o r m e n k e n n t das Strafgesetz d e n V o r s a t z u n d F a h r l ä s s i g k e i t . Beide Begriffe sind i m Gesetz n i c h t f o r m u l i e r t .

die

1. D e r d i r e k t e o d e r u n b e d i n g t e V o r s a t z . a ) E r besteht n a c h d e r R e c h t s p r e c h u n g des Reichsgerichts i n d e m b e w u ß t e n W o l l e n aller M e r k m a l e des ä u ß e r e n T a t b e s t a n d e s (siehe u. a. E. 58, 249). B e i s p i e l : A will B t ö t e n u n d gibt m i t d e m Bewußtsein, d a ß die K u g e l d e n B tödlich treffen w e r d e , auf diesen einen S c h u ß a b , d e r d e n T o d des B z u r Folge h a t . A ist wegen M o r d s ( § 2 1 1 ) bzw. T o t s c h l a g s (§ 2 1 2 ) zu b e s t r a f e n . b ) D e r V o r s a t z m u ß sich stets a u f ein b e s t i m m t e s (konkretes) G e schehnis b e z i e h e n . D e r T ä t e r m u ß also die n a c h G e g e n s t a n d , Zeit, O r t usw. b e s t i m m t e Z u w i d e r h a n d l u n g gegen ein Gesetz wenigstens in a l l e n w e s e n t l i c h e n B e z i e h u n g e n , w e n n a u c h n i c h t m i t s ä m t l i c h e n Einzelheiten d e r A u s f ü h r u n g in seine V o r s t e l l u n g u n d seinen W i l l e n aufg e n o m m e n h a b e n . D a g e g e n schließen u n e r h e b l i c h e A b w e i c h u n g e n von d e m V e r l a u f , d e n d e r T ä t e r voraussetzt, die Z u r e c h n u n g z u m V o r satz n i c h t a u s (E. 5 1 , 3 1 1 ) . B e i s p i e l : A ü b e r f a l l t d e n B, u m i h n d u r c h Beilhiebe zu t ö t e n . D i e S c h l ä g e h a b e n z w a r die beabsichtigte Z e r t r ü m m e r u n g des Schädels n i c h t zur Folge, d e r T o d ist a b e r infolge einer a u f die V e r l e t z u n g z u r ü c k z u f ü h r e n d e n I n f e k t i o n eingetreten. Es liegt eine v o l l e n d e t e v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g vor, d e n n eine solche A b w e i c h u n g des Geschehensverlaufs liegt i m R a h m e n d e r t ä g l i c h e n E r f a h r u n g , ist also n u r eine „ u n e r h e b l i c h e A b w e i c h u n g " . (E. 70, 258.) E i n n u r versuchtes T ö t u n g s d e l i k t w ü r d e vorliegen, w e n n B auf d e m T r a n s p o r t z u m K r a n k e n h a u s tödlich v e r u n g l ü c k t . ( W e g e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g i m einzelnen siehe Fall 10, A b s c h n . B I I 1, S. 290 fr.) c) Der Vorsatz m u ß a u c h d i e s t r a f s c h ä r f e n d e n U m s t ä n d e umfassen, wie z. B. die V o r a u s s e t z u n g e n des s t r a f s c h ä r f e n d e n R ü c k f a l l s (§§ 244, 264) oder die T a t s a c h e eines b e s t i m m t e n V e r w a n d t s c h a f t s v e r h ä l t n i s s e s , z. B. in § 223 Abs. 2. (Siehe u n t e n A b s c h n . V I 1 a cc, S.49.) 2. D e r b e d i n g t e V o r s a t z ( d o l u s e v e n t u a l i s ) . E r ist d a s W o l l e n ( I n k a u f n e h m e n ) des v o m T ä t e r n u r als m ö g l i c h v o r g e s t e l l t e n E r f o l g s . (Fall 10 A b s c h n . F I I 3 c, S. 304, w o a u c h d e r U n t e r s c h i e d zwischen dolus eventualis u n d b e w u ß t e r F a h r lässigkeit b e h a n d e l t wird.) Siehe a u c h die e i n g e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n in B G H 7, 363: „ D e r T ä t e r k a n n a u c h einen solchen Erfolg billigen, d e r i h m a n sich u n e r w ü n s c h t ist."

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Die Lösungen

B e i s p i e l : D e r W i l d e r e r A e n t d e c k t a m W a l d r a n d d e n F ö r s t e r B, d e r i h n verfolgt. E r g i b t e i n e n t ö d l i c h w i r k e n d e n S c h u ß a u f d e n F ö r s t e r a b . A hatte dabei zunächst n u r die Absicht, d e n Förster k a m p f u n f ä h i g zu m a c h e n , er ist sich a b e r b e w u ß t , d a ß d e r S c h u ß a u c h eine t ö d l i c h e Wirkung haben kann und ist a u c h m i t d i e s e m E r f o l g e i n v e r s t a n d e n , d . h . er n i m m t a u c h diesen v o n i h m als m ö g l i c h e r k a n n t e n E r f o l g i n seinem W i l l e n auf. A. ist w e g e n eines vorsätzlichen T ö t u n g s d e l i k t s zu bestrafen. 3 . W e g e n d o l u s g e n e r a l i s siehe u n t e n A b s c h n . V I I , 2, S. 56. 4. D i e F a h r l ä s s i g k e i t . F a h r l ä s s i g h a n d e l t , w e r d i e S o r g f a l t a u ß e r A c h t l ä ß t , z u d e r er n a c h d e n U m s t ä n d e n u n d n a c h seinen p e r s ö n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n verp f l i c h t e t u n d f ä h i g ist u n d d e s h a l b n i c h t voraussieht, d a ß sich d e r T a t bestand der strafbaren H a n d l u n g verwirklichen k a n n ( e i n f a c h e F a h r l ä s s i g k e i t ) o d e r , o b w o h l er d a s f ü r m ö g l i c h h ä l t , d a r a u f v e r t r a u t , d a ß es n i c h t g e s c h e h e n w i r d ( b e w u ß t e F a h r l ä s s i g k e i t ) . (Siehe Fall 10, A b s c h n . B I I I , S. 297.)

IV. Die Schuldausschließungsgründe: 1. nach 2. nach

D i e o b e n in A b s c h n i t t I I 2 e r ö r t e r t e U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t §§ 5 1 Abs. 1, 55 Abs. 1. Der T a t b e s t a n d s i r r t u m nach § 5 9 und der V e r b o t s i r r t u m B G H . 2, 194fr. (siehe d e n f o l g e n d e n A b s c h n i t t V ) .

3 . Die auf d e m Grundsatz der N i c h t z u m u t b a r k e i t b e r u h e n d e n S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e , d i e a u c h als E n t s c h u l d i g u n g s g r ü n d e (siehe E . 6 1 , 242, 249; 66, 222, 225 u n d 399) b e z e i c h n e t w e r d e n . Z u diesen E n t s c h u l d i g u n g s g r ü n d e n ist f o l g e n d e s z u b e m e r k e n : a ) I n d e r R e g e l ist d a v o n a u s z u g e h e n , d a ß d i e B e f o l g u n g des in e i n e m Strafgesetz a u s g e s p r o c h e n e n V e r b o t s b z w . G e b o t s a u c h z u m u t b a r ist. Es sind a b e r L e b e n s l a g e n d e n k b a r , in d e n e n ein n o r m g e m ä ß e s V e r h a l t e n n i c h t m e h r z u m u t b a r ist, so d a ß e i n e v o n e i n e m Z u r e c h n u n g s f ä h i g e n t a t b e s t a n d s m ä ß i g , r e c h t s w i d r i g u n d vorsätzlich o d e r fahrlässig b e g a n g e n e H a n d l u n g u. U . lediglich d e s h a l b n i c h t b e s t r a f t w e r d e n k a n n , weil in d e m k o n k r e t e n Fall die Z u m u t b a r k e i t eines gesetzm ä ß i g e n V e r h a l t e n s fehlt. b ) D e r G e s e t z g e b e r h a t diesem G e d a n k e n R e c h n u n g g e t r a g e n in folgenden Bestimmungen: a a ) I n § 52 ( N ö t i g u n g s s t a n d , siehe Z w e i t e r T e i l des W e r k e s , F a l l 3 Nachtrag A). b b ) I n § 54 ( N o t s t a n d , siehe Z w e i t e r T e i l des Werkes, F a l l 3, N a c h trag A). cc) I n § 53 Abs. 3 ( N o t w e h r ü b e r s c h r e i t u n g in B e s t ü r z u n g , F u r c h t o d e r S c h r e c k e n , siehe F a l l 7, N a c h t r a g , S. 2 3 7 ) . d d ) I n § 2 5 7 Abs. 2.

Systematische Vorbemerkungen

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c ) Z u der Frage, inwieweit der Schuldausschließungsgrund der N i c h t zumutbarkeit über diese gesetzlichen Fälle hinaus ganz allg e m e i n als sog. ü b e r g e s e t z l i c h e r E n t s c h u l d i g u n g s g r u n d Bedeutung gewinnen kann, hat das R e i c h s g e r i c h t wie folgt Stellung genommen : aa) In E. 30, 25 wurde bei einem F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t eine Prüfung seitens des Untergerichts vermißt, ob es dem Angeklagten als Pflicht z u g e m u t e t werden konnte, eher den Befehl seines Dienstherrn nicht zu befolgen, und dadurch seine Arbeitsstelle zu verlieren, als durch Benützung des ihm zugewiesenen Pferdes (es war ein sog. L e i n e n f ä n g e r ) bewußt die Möglichkeit der körperlichen Verletzung eines anderen zu setzen. bb) In s p ä t e r e n E n t s c h e i d u n g e n (E. 58, 97 und 226) wurde dem Zumutbarkeitsgedanken in zwei Fällen der s c h w e r e n K u p p e l e i insofern R a u m gegeben, als die Prüfung verlangt wurde, ob dem E h e m a n n bzw. den E l t e r n z u z u m u t e n war, gegen die Unzucht der Ehefrau bzw. des Sohnes mit den nach Sachlage allein in Frage kommenden Maßnahmen (Scheidung bzw. Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe) einzuschreiten. Ebenso B G H . 6, 57. cc) B e d i n g u n g s l o s a n e r k a n n t wurde der den Fall des Zusammentreffens von S e l b s t - u n d (§ 257 Abs. 1), vor allem bei Gleichheit der dem zur Last fallenden Vortat. (E. 60, 1 0 1 ; 63, 233 Fall 2 Abschn. B V ü d , S . m . )

fragliche Grundsatz f ü r Fremdbegünstigung Täter und dem anderen und 3 7 3 ; 73, 267 und

dd) In E . 66, 399 wurde die bisherige Rechtsprechung insofern wieder e i n g e s c h r ä n k t , als in dieser Entscheidung der Grundsatz aufgestellt wurde, daß dem Täter bei vorsätzlichen Straftaten andere als die im Gesetz umschriebenen Entschuldigungsgründe, also vor allem der sog. übergesetzliche E n t s c h u l d i g u n g s g r u n d der N i c h t z u m u t b a r k e i t nicht zugebilligt werden könnten. ee) In E . 77, 125, der letzten, diesen Fragenkomplex betreffenden Entscheidung, wird abermals anläßlich eines Falles der V o r s c h u b l e i s t u n g z u r U n z u c h t d u r c h N i c h t e i n s c h r e i t e n , also durch Unterlassen, die Anwendung des Grundsatzes der Zumutbarkeit gebilligt. ff) Z u s a m m e n f a s s e n d wird man aus dieser wechselvollen reichsgerichtlichen Rechtsprechung den Schluß ziehen können, daß die N i c h t z u m u t b a r k e i t als a u ß e r g e s e t z l i c h e r Entschuldigungsgrund i m m e r zur Anwendung gelangen muß in dem oben in cc) erörterten Fall des § 257 Abs. 1 , und daß er m ö g l i c h e r w e i s e anzuwenden ist bei allen F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n sowie den v o r s ä t z l i c h begangenen Straftaten, s o w e i t die Ausführungshandlung (wie insbesondere bei § 330c) in einem U n t e r l a s s e n besteht. (Die Frage, ob der in ständiger Rechtsprechung •— siehe insbesondere E. 68, 288 — vertretene Standpunkt, daß eine A n z e i g e p f l i c h t nach § 138 nicht nur f ü r den T ä t e r des ver-

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Die Lösungen

brecherischen Vorhabens, sondern auch f ü r den T e i l n e h m e r entfällt, da es eine Pflicht zur Selbstanzeige nicht gibt, ebenfalls auf dem U n zumutbarkeitsgedanken beruht, oder ob lediglich kriminalpolitische Erwägungen hierfür m a ß g e b e n d waren — siehe E. 60, 256 — m a g d a h i n gestellt bleiben; siehe zu § 138 Fall 9, Abschn. C I I I , S. 277.) d) Z u der s e h r u m s t r i t t e n e n F r a g e schließlich, ob außer den oben behandelten Schuldausschließungsgründen ein weiterer sog. übergesetzlicher Entschuldigungsgrund in solchen Fällen denkbar ist, in denen der T ä t e r sein rechtswidriges Verhalten mit rein s i t t l i c h e n M o t i v e n zu rechtfertigen versucht, soll hier nicht eingegangen werden, zumal dieses Problem im demokratischen Staat von untergeordneter praktischer Bedeutung sein dürfte. Es sei daher lediglich auf das Urteil des O G H . vom 5. 3. 49 betr. T ö t u n g von Geisteskranken im nationalsozialistischen Staat ( E u t h a n a s i e ) verwiesen. (Siehe SJZ. 1949 Nr. 5 Sp. 347 und Nr. 8 Sp. 559. Vgl. auch E. 63, 2 1 5 ; 64, 101 betr. die sog. F e m e m o r d e . ) V. D i e F o l g e n e i n e s S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d e s : 1. Der T ä t e r bleibt straflos; sein V o r s a t z wird aber, mit Ausnahme des § 59, von der mangelnden Schuld nicht b e r ü h r t ; so ist der unter den Voraussetzungen der §§ 52, 54 oder im entschuldbaren Verbotsirrtum H a n d e l n d e schuldlos, obwohl er vorsätzlich gehandelt hat. (Siehe Fall 2, Abschn. B I 1 b.) 2. Die H a n d l u n g bleibt r e c h t s w i d r i g ; Notwehr gegen sie ist also möglich. (N.B. Beim sog. ü b e r g e s e t z l i c h e n N o t s t a n d , siehe oben Abschn. B I I I 3 entfällt nicht nur die Schuld, sondern auch die Rechtswidrigkeit.) 3. Die durch das Fehlen einer Schuld bedingte Unmöglichkeit der Bestrafung des H a u p t t ä t e r s schließt gemäß § 50, Abs. 1 die Möglichkeit einer B e s t r a f u n g d e s T e i l n e h m e r s nicht aus, vorausgesetzt, d a ß der H a u p t t ä t e r vorsätzlich gehandelt hat, was im Falle des § 59 nicht der Fall ist. (Siehe Fall 2, Abschnitt B I, 1 b, S. 93.) VI. T a t b e s t a n d s - u n d V e r b o t s i r r t u m i n s b e s o n d e r e Den f ü r die tägliche Strafrechtspraxis wichtigsten u n d in seiner juristischen Aufgliederung schwierigsten Schuldausschließungsgrund bildet der I r r t u m . Er bedeutet das Z e n t r a l p r o b l e m d e r g e s a m t e n S c h u l d l e h r c u n d soll daher, getrennt von den übrigen Schuldausschließungsgründen, i n d i e s e m b e s o n d e r e n A b s c h n i t t V I behandelt werden. Dabei sei ausdrücklich bemerkt, d a ß die folgenden A u s f ü h r u n g e n a u s s c h l i e ß l i c h auf dem G e s e t z u n d der Rechtsprechung des R e i c h s g e r i c h t s u n d des B u n d e s g e r i c h t s h o f s aufgebaut sind. In der die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Irrtumslehre grundlegend ä n d e r n d e n E n t s c h e i d u n g d e s B u n d e s g e r i c h t s h o f s (BGH. 2, 194fr., B e s c h l u ß d e s G r o ß e n S e n a t s f ü r S t r a f s a c h e n v o m 28. M ä r z 1 9 5 2 ) wird scharf zwischen T a t b e s t a n d s i r r t u m u n d V e r b o t s i r r t u m als den G r u n d e l e m e n t e n d e r n e u e n I r r t u m s l e h r e unterschieden.

Systematische V o r b e m e r k u n g e n

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1. D e r T a t b e s t a n d s i r r t u m des § 5 9 : D e r T ä t e r h ä l t s e i n T u n f ü r e r l a u b t , w e i l er n i c h t w e i ß , w a s er t u t . „Der im Irrtum ü b e r den w a h r e n Sachverhalt h a n d e l n d e T ä t e r ist an sich rechtstreu; er will die Rechtsgebote befolgen u n d verfehlt dieses Ziel n u r wegen seines I r r t u m s ü b e r d i e S a c h l a g e , aus der sein H a n d e l n erwächst. Dieser I r r t u m h i n d e r t ihn in der Regel, die G e f a h r eines Rechtsverstoßes ü b e r h a u p t zu erkennen. Deshalb trifft auf ihn der G e d a n k e des § 59 zu, i h m nicht die wirkliche, sondern zu seinen G u n s t e n n u r die irrig a n g e n o m m e n e Sachlage z u z u r e c h n e n . " ( B G H . 3, 105, 107.) a

) § 5 9 betrifft zunächst u n m i t t e l b a r , d . h . nach d e m W o r t l a u t d i e s e r G e s e t z e s s t e l l e n u r den r e i n e n T a t b e s t a n d s i r r t u m . aa) „ Z u m g e s e t z l i c h e n T a t b e s t a n d g e h ö r e n d e " , i h n a l s o b e g r ü n d e n d e T a t u m s t ä n d e , die der T ä t e r bei B e g e h u n g der äußerlich strafbaren H a n d l u n g nicht kannte, sind ihm „ n i c h t z u z u r e c h n e n " , d. h. w e n n ein solcher I r r t u m vorliegt, k a n n der T ä t e r nicht bestraft werden, weil d u r c h diesen I r r t u m der Vorsatz u n d d a m i t die Schuld ausgeschlossen wird. B e i s p i e l : W e g n a h m e einer objektiv f r e m d e n S a c h e ist kein D i e b s t a h l , w e n n der W e g n e h m e n d e infolge tatsächlichen I r r t u m s (z. B. Verwechselung) oder infolge I r r t u m s bezüglich der bürgerlichrechtlichen Eigentumsvorschriften (§§92gff. BGB.) a n n i m m t , d i e Sache gehöre i h m ; er irrt in diesemFalle ü b e r das V o r h a n d e n sein des T a t u m s t a n d e s „ f r e m d e S a c h e " , der z u m T a t b e s t a n d des Diebstahls (§242) gehört. W e i t e r e s B e i s p i e l : A begeht u n z ü c h t i g e H a n d l u n g e n mit einem K i n d e u n t e r 14 J a h r e n ; zu seiner Entlastung f ü h r t er an, er h a b e geglaubt, das sehr entwickelte K i n d sei schon 15 J a h r e alt. E r k a n n , w e n n m a n seinen A n g a b e n G l a u b e n schenkt, nicht wegen Verbrechens n a c h § 176 Abs. 1 Ziff. 3 bestraft werden, da er den gesetzlichen T a t u m s t a n d „ P e r s o n u n t e r 1 4 J a h r e n " nicht g e k a n n t h a t . bb) E r a c h t e t dagegen u m g e k e h r t der T ä t e r einen z u m gesetzlichen T a t bestand gehörigen T a t u m s t a n d i r r t ü m l i c h f ü r v o r l i e g e n d , d a n n ist i h m n a c h E. 42, 92; 64, 127 u n d B G H . 3, 253 dieses n u r in seinem I r r t u m v o r h a n d e n e T a t b e s t a n d s m e r k m a l in U m k e h r des § 59 z u z u r e c h n e n . Ebenso wie der T a t b e s t a n d s i r r t u m die Schuld ausschließt, wirkt er sich u m g e k e h r t z u u n g u n s t e n des T ä t e r s aus, w e n n er zur A n n a h m e eines in Wirklichkeit n i c h t v o r h a n d e n e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l s f ü h r t . Der T ä t e r ist wegen V e r s u c h s a m u n t a u g l i c h e n O b j e k t strafbar. B e i s p i e l : Wegnahme d e r e i g e n e n Sache in der M e i n u n g , es sei eine f r e m d e ; es liegt v e r s u c h t e r D i e b s t a h l vor. O d e r : V e r k e h r t ein M a n n mit einem M ä d c h e n in der i r r i g e n A n n a h m e , er sei ihr l e i b l i c h e r V a t e r , so liegt ein v e r s u c h t e s V e r b r e c h e n n a c h § 173 Abs. 1 vor. cc) Die gesetzliche R e g e l u n g in § 59 gilt nach d e m W o r t l a u t dieser Gesetzesstelle nicht n u r f ü r straf b e g r ü n d e n d e , sondern a u c h f ü r s t r a f e r h ö h e n d e U m s t ä n d e . B e i s p i e l : W e r seinen V a t e r körperlich mißh a n d e l t , o h n e zu wissen, d a ß er sein V a t e r ist (z. B. infolge Verwechselung in d e r Dunkelheit) k a n n nicht wegen Vergehens n a c h § 223 Abs. 2, sond e r n n u r nach Abs. 1 des § 223 bestraft werden. Petters, Strafrechtsfälle mit L ö s u n g e n , n . A u f l .

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Die Lösungen

b ) Dem schuldausschließenden Tatbestandsirrtum des § 59 ist der Irrtum über das Vorhandensein der t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n eines R e c h t s f e r t i g u n g s - o d e r E n t s c h u l d i g u n g s g r u n d e s gleichzusetzen. (E. 63, 2 1 9 ; 72, 302.) Der B u n d e s g e r i c h t s h o f ist dieser Rechtsprechung, soweit sie sich auf R e c h t s f e r t i g u n g s g r ü n d e erstreckt, gefolgt, und zwar in drei Entscheidungen ( B G H . 3 , 1 0 6 , 1 9 6 und 359), die zeitlich n a c h dem grundlegenden Beschluß vom 28. März 1952 (BGH. 2, 194), in dem über diese Frage noch nicht entschieden war, ergangen sind. Es kann aber wohl ohne weiteres angenommen werden, daß diese Stellungnahme a u c h f ü r S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e (Entschuldigungsgründe) zu gelten hat. (Siehe auch B G H . 1 , 207.) (N. B. Da die irrtümliche Annahme eines die Rechtswidrigkeit — Widerrechtlichkeit — ausschließenden t a t s ä c h l i c h e n Umstandes als Tatbestandsirrtum nach § 59 zu beurteilen ist, muß i n s o f e r n die Rechtswidrigkeit ausnahmsweise als Tatbestandsmerkmal gewertet werden, das vom Vorsatz des Täters umfaßt sein muß. Siehe B G H . Urteil vom 19. 12. 52, J R . 1953 S. 147.) aa) B e i s p i e l f ü r I r r t u m ü b e r d i e t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n e i n e s R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d e s : Der Förster A begegnet im Walde dem Landwirt B, den er irrtümlicherweise f ü r e i n e n W i l d e r e r h ä l t , d e r i h n a n g r e i f e n w o l l e . E r gibt auf diesen einen Schuß ab und tötet ihn. A kann nicht wegen vorsätzlicher Tötung (Totschlag) bestraft werden, da er irrtümlicherweise die t a t s ä c h l i c h e n Voraussetzungen der N o t w e h r nach § 53, also einen Rechtfertigungsgrund f ü r vorliegend erachtet hat. (Sog. P u t a t i v n o t w e h r ; wegen eventueller Bestrafung unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Tötung siehe unten Abschnitt d.) bb) B e i s p i e l f ü r I r r t u m ü b e r d i e t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n e i n e s S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d e s : In einem Vorstadtkino ruft ein betrunkener Besucher „ F e u e r ! " , worauf eine Panik im Publikum entsteht, das zum Notausgang eilt. Der Besucher A stößt dabei mit anderen Flüchtenden an dem engen Notausgang zusammen, so daß der Ausgang verstopft ist. Darauf erfaßt A den neben ihm eingepreßten B am Halse und stößt ihn mit voller Wucht gegen den Türpfeiler, um ins Freie zu gelangen. B wird dabei verletzt. A kann nicht wegen vorsätzlicher Körperverletzung bestraft werden, da er irrtümlicherweise die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schuldausschließungsgrundes, nämlich des N o t s t a n d e s nach § 54 f ü r vorliegend erachtete. (Sog. P u t a t i v n o t s t a n d ; wegen eventueller Bestrafung unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Körperverletzung siehe unten Abschn. d.) cc) Liegt dagegen beim Täter n i c h t ein Irrtum über die t a t s ä c h l i c h e n Voraussetzungen eines Rechtfertigungs- bzw. Schuldausschließungsgrundes vor, sondern ein Irrtum über die Anwendbarkeit der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen auf einen in tatsächlicher Beziehung richtig erkannten Sachverhalt, dann liegt nicht ein Tatbestandsirrtum, sondern ein V e r b o t s i r r t u m vor. (Siehe B G H . 3, 105.) B e i s p i e l : A , der von B beleidigt worden ist, glaubt, daß er sich, wenn er diese Beleidigung nach einer Woche mit einer Körperverletzung erwidert, im Zustand der er-

Systematische Vorbemerkungen

5i

laubten Notwehr befinde. (Siehe im übrigen betr. Verbotsirrtum die eingehenden Ausführungen unten im Abschnitt 2.) c) I r r t u m über R e c h t s b e g r i f f e : aa) Während die Mehrzahl der Straftatbestände sich zusammensetzt aus einzelnen Tatbestandsmerkmalen, die ohne weiteres a u c h f ü r d e n L a i e n nicht zweifelhaft sein können, verwendet der Gesetzgeber in einzelnen Tatbeständen auch R e c h t s b e g r i f f e , so z. B. bei verschiedenen Sittlichkeitsdelikten den Begriff „ U n z u c h t " , oder in § 284 den Begriff „Glücksspiel" oder in § 286 den Begriff „ A u s s p i e l u n g " . bb) Bezüglich eines Rechtsirrtums hatte das R e i c h s g e r i c h t die vielumstrittene Theorie aufgestellt, es müsse i n j e d e m e i n z e l n e n F a l l e g e p r ü f t werden, ob der fragliche Rechtsbegriff dem S t r a f r e c h t oder einer a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e n N o r m , insbesondere dem Z i v i l r e c h t angehöre. Nur im letzteren Falle wurde einem diesbezüglichen Irrtum schuldbefreiende Wirkung zugesprochen. So hatte das Reichsgericht die obengenannten Rechtsbegriffe als dem S t r a f r e c h t angehörend bezeichnet und z. B. entschieden, daß ein Vater sich der schweren Kuppelei nach § 1 8 1 Abs. 1 Nr. 2 schuldig macht, wenn er den Geschlechtsverkehr seiner minderjährigen Tochter mit dem Bräutigam duldet und daß sein Einwand, er habe nicht gewußt, daß ein solcher Verkehr „ U n z u c h t " sei, bedeutungslos sei, da er auf einer irrigen Auslegung des S t r a f g e s e t z e s beruhe. cc) I m Gegensatz hierzu gibt der B u n d e s g e r i c h t s h o f durch seine Lehre \ o m V e r b o t s i r r t u m auch für d e n Fall, daß der Täter sich bei der Bewertung eines normativen S t r a f t a t b e s t a n d s m e r k m a l s irrt (sog. S u b s u m t i o n s i r r t u m ) , dem Richter die Möglichkeit der Schuldverneinung bzw. Strafmilderung. (Siehe unten Abschn. 2 betr. Verbotsirrtum, und B G H . 2, 1 9 7 ; 5, 3 1 0 ; 9, 347.) In dem oben (Abschn. bb) erwähnten Beispiel (schwere Kuppelei) müßte also die Schuld des Vaters verneint und dieser freigesprochen werden, wenn das Gericht zu der Uberzeugung käme, daß der fragliche Irrtum des Vaters entschuldbar war. d) Beruht in den auf dem Gebiete des T a t b e s t a n d s i r r t u m s liegenden Fällen der Irrtum auf F a h r l ä s s i g k e i t , d. h. war er v e r s c h u l d e t , dann erfolgt Bestrafung gemäß § 59, Abs. 2, vorausgesetzt, daß das fragliche Delikt auch bei fahrlässiger Begehung (wie z. B. vor allem die Körperverletzung) mit Strafe bedroht ist.

2. Der sog. Verbotsirrtum: a ) G r u n d s a t z : Der Täter weiß, was er tut, nimmt aber irrig an, es sei eijaubt. „ A u c h der im Verbotsirrtum Handelnde verfehlt zwar bei seinem T u n das Richtige, aber infolge eines E r k e n n t n i s f e h l e r s a u f d e m G e b i e t e d e s r e c h t l i c h e n S o l l e n s . " ( B G H . 3, 107.) V e r b o t s i r r t u m ist also der I r r t u m ü b e r die R e c h t s w i d r i g k e i t ( B G H . 2, 197). b) G r u n d s ä t z l i c h e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n T a t b e s t a n d s i r r t u m u n d V e r b o t s i r r t u m (siehe hierzu B G H . 5, 3 1 0 ) : 4"

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Die Lösungen

aa) Glaubt der Täter, seine Handlung verstoße nicht gegen ein Strafgesetz, so steht noch nicht ohne weiteres fest, daß er sich in einem Verbotsirrtum befunden habe. Es muß vielmehr zunächst festgestellt werden, w a r u m der Täter seine Handlung für erlaubt hält. Dies kann nämlich darauf beruhen, daß er infolge V e r k e n n u n g d e r S a c h l a g e ein bestimmtes M e r k m a l d e s ä u ß e r e n T a t b e s t a n d e s n i c h t k e n n t ; in einem solchen Falle liegt, wie wir oben festgestellt haben, ein T a t b e s t a n d s i r r t u m vor, der den Vorsatz ausschließt. bb) Es ist aber auch möglich, daß der Täter in vollem Bewußtsein des Vorliegens sämtlicher zum gesetzlichen Tatbestand gehörender Umstände (Tatbestandsmerkmale) e n t w e d e r auf Grund i r r i g e r A u s l e g u n g eines e i n z e l n e n , n o r m a t i v e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l s glaubt, den mit Strafe bedrohten Tatbestand nicht zu erfüllen, o d e r daß er die bewußte Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale n i c h t a l s U n r e c h t ansieht, d. h. daß er glaubt, das, was er tue, verstoße nicht gegen ein Strafgesetz (z. B. Verführung nach § 182). In diesen beiden Fällen liegt ein V e r b o t s i r r t u m vor, durch den der Vorsatz unberührt bleibt. cc) Beruht nun der Irrtum auf einer f a l s c h e n r e c h t l i c h e n B e u r t e i l u n g eines e i n z e l n e n n o r m a t i v e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l s (siehe oben Abschn. 1 c, cc), dann ist folgendes zu beachten: Ein solcher A u s l e g u n g s - o d e r S u b s u m t i o n s i r r t u m (der erstere der beiden in Abschnitt bb) erwähnten Fälle) kann n i c h t als T a t b e s t a n d s i r r t u m i. S. des § 59 gewertet werden, etwa mit der Begründung, der Täter habe das betreffende Tatbestandsmerkmal falsch ausgelegt und insofern n i c h t g e k a n n t , sondern ein solcher Irrtum kann im allgemeinen nur nach den Grundsätzen des V e r b o t s i r r t u m s behandelt werden. Andererseits ist aber e i n s c h r ä n k e n d hierzu festzustellen, daß, wie in B G H . 3, 255 und 4, 352 ausgeführt wird, zur B e j a h u n g d e s V o r s a t z e s bzw. des Unrechtsbewußtseins nicht erforderlich ist, daß der Täter das einzelne Tatbestandsmerkmal r e c h t l i c h so wertet, wie es der R e c h t s k u n d i g e tut,sondern es genügt einedem G e s e t z e n t s p r e c h e n d e W e r t u n g , n a c h L a i e n a r t , d. h. der Täter muß zwar „nicht in rechtstechnischer Beurteilung, aber doch in einer seiner Gedankenwelt entsprechenden allgemeinen Bewertung das U n r e c h t m ä ß i g e seiner T a t erkennen oder erkennen können" (BGH. 10, 4 1 ) . Ist dies der Fall, so kann der Täter wegen vorsätzlich begangener T a t bestraft werden. Verneinendenfalls können nur die Grundsätze über den Verbotsirrtum zur Anwendung gelangen. c) Da der Verbotsirrtum sich darin erschöpft, daß der bewußten Tatbestandsverwirklichung unrichtig ein V e r b o t s i r r t u m erst dann in Frage kommen, der Täter sich nicht in einem T a t b e s t a n d s i r r t u m 5> 31°)-

die Rechtswidrigkeit beurteilt wird, kann wenn feststeht, daß befunden hat (BGH.

Systematische Vorbemerkungen d) D i e s t r a f r e c h t l i c h e n

F o l g e n eines

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Verbotsirrtums:

aa) W e r im u n v e r s c h u l d e t e n V e r b o t s i r r t u m einen Straftatbestand verwirklicht (gleichgültig, ob es sich u m eine sittlich fundierte Strafrechtsnorm oder nur u m eine formale Ordnungsvorschrift handelt, siehe B G H . 4, 4), bleibt s t r a f f r e i . bb) Bei v e r s c h u l d e t e m Irrtum kann die Strafe e r m ä ß i g t werden und z w a r nach den in § 44 A b s . 2 und 3 aufgestellten Grundsätzen. a ) Der Irrtum ist v e r s c h u l d e t , w e n n der T ä t e r bei gehöriger A n s p a n n u n g d e s G e w i s s e n s das U n r e c h t m ä ß i g e seines T u n s hätte erkennen können. D a b e i ist nach B G H . 4, 237 z u beachten, d a ß diese A n s p a n n u n g des Gewissens e t w a s a n d e r e s ist, als die Beobachtung der im V e r k e h r erforderlichen und dem T ä t e r zuzumutenden Sorgfalt bei den F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n . Denn — so sagt der B G H . — »hinsichtlich der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit eines straftatbestandsmäßigen Sachverhalts werden h ö h e r e A n f o r d e r u n g e n gestellt als hinsichtlich der Erkenntnis der Tatumstände selbst, weil mit der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens seine Rechtswidrigkeit in der R e g e l gegeben und dies allgemein bekannt ist." Es besteht also betr. die Frage, w a n n der Irrtum verschuldet ist, ein erheblicher Unterschied zwischen Verbotsirrtum und Tatbestandsirrtum. ß) W e r aus p o l i t i s c h e n oder w e l t a n s c h a u l i c h e n G r ü n d e n glaubt, ein V e r b o t nicht anerkennen zu müssen (sog. U b e r z e u g u n g s v e r b r e c h e r ) , wird auch bei „ A n s p a n n u n g des Gewissens" nicht zur richtigen Einsicht gelangen. D a er aber weiß, daß das, was er tut, nach dem R e c h t der Gemeinschaft, in der er sich befindet, verboten ist, scheidet für ihn ein beachtlicher Verbotsirrtum aus. ( B G H . 8, 162.) y) „ D e r abgestumpfte G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e r hat durch strafbare Lebensführung die Ansprechbarkeit durch sittliche Werte u n d damit die Fähigkeit eingebüßt, durch Gewissensanspannung zur Unrechtserkenntnis zu gelangen. Seine Schuld ist Lebensführungsschuld" ( B G H . 2, 208). cc) W e r in d e m Bewußtsein handelt, m ö g l i c h e r w e i s e U n r e c h t zu tun und diese Möglichkeit in seinen Willen aufnimmt, hat das Unrechtsbewußtsein (Bewußtsein der Rechtswidrigkeit). dd) Schließlich ist noch zu beachten, daß das Unrechtsbewußtsein bei t a t e i n h e i t l i c h e r Verletzung v e r s c h i e d e n e r S t r a f g e s e t z e „teilbar" ist, d. h. d a ß der T ä t e r das U n r e c h t m ä ß i g e gerade derjenigen T a t b e standsverwirklichung kennen m u ß , die ihm zur Last gelegt wird. (Siehe B G H . 10, 35 und Fall I I 5, Abschnitt I 1 a m Ende.) e) A l l g e m e i n e E r ö r t e r u n g e n z u d i e s e r , f ü r d i e g e s a m t e S t r a f r e c h t s p r a x i s so b e d e u t s a m e n L e h r e v o m V e r b o t s i r r t u m : aa) D e n A u s g a n g s p u n k t f ü r die bildete folgende E r w ä g u n g ( B G H . 2, a u s . Schuld ist V o r w e r f b a r k e i t . M i t dem T ä t e r vorgeworfen, d a ß er sich

Anerkennung des sog. Verbotsirrtums 201): „ S t r a f e s e t z t S c h u l d v o r dem Unwerturteil der Schuld wird nicht rechtmäßig verhalten, d a ß er

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Die Lösungen

sich f ü r d a s U n r e c h t entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich f ü r d a s R e c h t hätte entscheiden können. Voraussetzung daf ü r , daß der Mensch sich in freier, verantwortlicher, sittlicher Selbstbestimmung f ü r das Recht und gegen das Unrecht entscheidet, ist aber die K e n n t n i s v o n R e c h t u n d U n r e c h t . " Es darf also niemand verurteilt werden, der nicht wußte und auch nicht wissen konnte, daß sein T u n ein Unrecht ist. bb) Mit diesem fundamentalen Grundsatz, daß S t r a f e S c h u l d v o r a u s s e t z t , stand die vom R e i c h s g e r i c h t in ständiger Rechtsprechung vertretene Irrtumslehre in Widerspruch. Denn das R e i c h s g e r i c h t hat bis zu seiner Auflösung den Standpunkt vertreten, daß es zur S t r a f b a r k e i t g e n ü g e , wenn der mit bewußtem Willen Handelnde den vom Gesetzgeber unter Strafe gestellten Tatbestand verwirkliche. Handle also der Täter — so argumentierte das Reichsgericht — mit voller Kenntnis der tatsächlichen Sachlage und irre nur darin, daß er glaube, seine Handlung falle nicht unter das Gesetz, so verkenne er lediglich die T r a g w e i t e d e s S t r a f g e s e t z e s , was f ü r die Schuldfrage unbeachtlich sei. Es galt also der Grundsatz „ U n k e n n t n i s des G e s e t z e s s c h ü t z t v o r S t r a f e n i c h t " . Begründet hat das R G . diesen heftig umstrittenen Standpunkt damit, daß das, was durch ein s t a a t l i c h e s S t r a f g e s e t z verboten sei, in der Regel auch dem a l l g e m e i n e n S i t t e n g e s e t z widerspreche (siehe vor allem E. 57, 408), eine Stellungnahme, die, wie der B G H . mit Recht bemerkt, für die politisch und sozial ausgeglichene Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zweifellos berechtigt war. (Von diesem r e i c h s g e r i c h t l i c h e n G r u n d s a t z ist bereits der G e s e t z g e b e r a b g e w i c h e n auf dem Gebiet des S t e u e r r e c h t s in § 395 der Reichsabgabenordnung, auf dem Gebiet des D e v i s e n r e c h t s in § 71 des Devisengesetzes vom 12. Dezember 1938 und schließlich in jüngster Zeit f ü r das W i r t s c h a f t s s t r a f r e c h t in § 6 des Wirtschaftsstrafgesetzes i. d. Fassung vom 9. J u l i 1954 und in § 12 des Gesetzes über O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n vom 25. März 1952. In allen diesen Spezialgesetzen wird verlangt, daß neben dem Vorsatz noch das Bewußtsein des Täters vorhanden sein muß, mit der fraglichen Handlung etwas Verbotenes zu tun; dem verschuldeten Verbotsirrtum wird in diesen Nebengesetzen strafmildernde, dem unverschuldeten strafausschließende Wirkung beigelegt.) cc) Bei der j u r i s t i s c h e n E i n o r d n u n g d e s V e r b o t s i r r t u m s i n d a s S y s t e m d e r a l l g e m e i n e n S c h u l d l e h r e hat sich der B u n d e s g e r i c h t s h o f f ü r die sog. S c h u l d t h e o r i e entschieden, d. h. er hat der objektiven Rechtswidrigkeit die Eigenschaft eines vom V o r s a t z zu umfassenden Tatbestandsmerkmals abgesprochen, und zwar auch f ü r die Fälle, in denen die Rechtswidrigkeit ausdrücklich im gesetzlichen Tatbestand, wie z. B. in §§ 123, 239, 340, 303—305 aufgenommen ist, und hat das Unrechtsbewußtsein ( B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t ) zu einem s e l b s t ä n d i g e n neben den Vorsatz tretenden S c h u l d e l e m e n t erklärt. B e g r ü n d e t wird dieser Standpunkt folgendermaßen (siehe B G H . 2, 204): Würde man die objektive Rechtswidrigkeit als T a t b e s t a n d s m e r k m a l

Systematische Vorbemerkungen

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u n d damit die Kenntnis der Rechtswidrigkeit als einen der Kenntnis der Tatumstände gleichstehenden Bestandteil des V o r s a t z e s anerkennen, dann wäre die F o l g e einer solchen, auf der sog. V o r s a t z t h e o r i e aufgebauten Konstruktion, daß eine Bestrafung v o r s ä t z l i c h e r Delikte, die im v e r s c h u l d e t e n Verbotsirrtum begangen sind, gemäß § 59 Abs. 2 auf diejenigen Straftaten b e s c h r ä n k t wäre, die auch bei f a h r l ä s s i g e r Begehung mit Strafe bedroht sind. Da nun aber die weitaus meisten Deliktstatbestände nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sind, wäre die weitere Folge einer solchen Konstruktion, daß bei verschuldetem Verbotsirrtum S t r a f w ü r d i g e s t r a f l o s bleiben müßten in den Fällen, in denen die Straftat nicht fahrlässig begangen werden kann oder aber, da die Strafe dem Strafrahmen der fahrlässigen T a t entnommen werden müßte, der Grad der Schuld u. U. nicht hinreichend berücksichtigt werden könnte. 3. Als Abschluß dieser Erörterungen folgt eine c h r o n o l o g i s c h e Ü b e r s i c h t d e r b i s h e r i g e n , nach dem Beschluß vom 28. M ä r z 1952 ergangenen wichtigsten BGH. Entscheidungen zur Irrtumslehre, soweit die Urteile in der amtlichen Sammlung veröffentlicht sind. a ) BGH. 3, 7 (Abtreibung): Nimmt der Täter (Arzt) irrigerweise an, die A b t ö t u n g d e r L e i b e s f r u c h t zur Rettung des Lebens der Mutter sei auch ohne sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen erlaubt, so liegt kein durch irrige Vorstellungen über die gegebenen Tatsachen beeinflußter Irrtum (Tatbestandsirrtum nach § 59), sondern ein solcher über die rechtliche Bewertung seines Verhaltens, also ein V e r b o t s i r r t u m vor. b) BGH. 3, 105 (Züchtigungsrecht): Der Irrtum über Art und U m f a n g d e s Z ü c h t i g u n g s r e c h t s ist ein V e r b o t s i r r t u m und f ü h r t daher bei Vermeidbarkeit zur Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die irrige Annahme eines zur Züchtigung an sich berechtigenden S a c h v e r h a l t s , aus dem der Täter auf seine Züchtigungsbefugnis in dem k o n k r e t e n Falle schließt, ist als T a t i r r t u m nach § 59 zu behandeln; er f ü h r t bei Vermeidbarkeit zur Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung. c) BGH. 3, 194 (Notwehr): Ist der in N o t w e h r Handelnde infolge einer Täuschung über die Nachhaltigkeit und Stärke des Angriffs über die Grenzen der notwendigen Verteidigung hinausgegangen, so handelt er im T a t i r r t u m , nämlich im Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. d) BGH. 3, 82 (Unechte Unterlassungsdelikte): Bei u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n gehört die strafrechtlich bedeutsame Rechtspflicht, die unterlassene Handlung vorzunehmen, zum gesetzlichen Tatbestand. Ein Irrtum über das Bestehen dieser Rechtspflicht ist daher grundsätzlich Tatbestandsirrtum. e) BGH. 3, 271 (Tötung auf Befehl): G e s t a p o b e a m t e , die in Ausführung eines rechtswidrigen Geheimerlasses des früheren Reichssicherheitshauptamtes bei rechtswidrigen Tötungen und Körperver-

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Die Lösungen

letzungen mitwirkten, befanden sich, wenn sie irrtümlich glaubten, ihr Verhalten sei durch den Erlaß gerechtfertigt, nicht in einem I r r t u m ü b e r T a t u m s t ä n d e (Tatbestandsirrtum), sondern im V e r b o t s i r r t u m . f) BGH. 4, 105 (Erpressung): Glaubt der T ä t e r im Falle des § 253, auf die Bereicherung einen Anspruch zu haben, so befindet er sich im Tatbestandsirrtum. (Siehe Fall I I 6, Abschn. A V I , 1 b.) g ) BGH. 3, 400; 5, 284; 7, 23 u n d 261; 9, 347 (Parteiverrat): Siehe Fall I I , 13, N a c h t r a g Abschn. X . h) BGH. 8, 321 (Beamteneigenschaft). i) BGH. 8, 358 (Verführung). k ) BGH. 10, 8 ( I r r t u m über verfahrensrechtliche Stellung bei Leistung des Eides). VII. Besondere, f ü r die Schuldfrage bedeutungslose Irrtumsfälle: 1. Die O b j e k t v e r w e c h s l u n g , sog. e r r o r i n p e r s o n a v e l o b j e c t o : Die T a t ist gegen ein Angriffsobjekt gerichtet, das der Täter auch tatsächlich trifft, das er aber mit einem anderen Objekt v e r w e c h s e l t , das tatbestandlich gleichwertig ist. (E. 18, 337; 19, 179; siehe auch E. 70, 295.) Beispiele: a ) A will B töten, tötet aber infolge einer Personenverwechslung den C. A ist wegen vollendeten Mords (§211) bzw. Totschlags (§212) zu bestrafen ( e r r o r i n p e r s o n a ) . b) A will ein H e r r e n f a h r r a d stehlen, verwechselt aber in dem F a h r r a d geschäft, in das er in der N a c h t eingebrochen ist, das zu stehlende Herrenfahrrad mit einem D a m e n f a h r r a d . A ist wegen vollendeten Einbruchdiebstahls (§ 243 Abs. 1 Nr. 2) zu bestrafen ( e r r o r i n o b j e c t o ) . (N.B. V o n d i e s e n b e i d e n I r r t u m s a r t e n i s t z u u n t e r s c h e i d e n d i e s o g . A b i r r u n g ( a b e r r a t i o i c t u s ) , d. h. der Fall, d a ß sich der Angriff in einer anderen Person oder Sache vollendet, als in der, gegen die er gerichtet ist. In einem solchen Falle kommen V e r s u c h u n d F a h r l ä s s i g k e i t in Frage. B e i s p i e l : A schießt mit Tötungsvorsatz auf B, trifft a b e r den danebenstehenden C tödlich. Es liegt v e r s u c h t e T ö t u n g des B vor, mit der, j e nach Lage des Falles, noch eine f a h r l ä s s i g e T ö t u n g des C tateinheitlich zusammentreffen kann, nicht aber kommt eine vollendete T ö t u n g des G in Frage. Denn trotz Verursachung der T ö t u n g des C war der W i l l e des A weder direkt auf diese T ö t u n g gerichtet, noch hatte er sie als mögliche Folge in seinen Willen aufgenommen. Die T ö t u n g des C k a n n d e m A also nicht z u m Vorsatz angerechnet werden, obwohl die beiden Angriffsobjekte gleichen Rechtsschutz genießen. Siehe E. 2, 335; 3) 384; 58» 28). 2. D e r I r r t u m ü b e r d e n K a u s a l v e r l a u f , a u c h d o l u s g e n e r a l i s genannt. Er liegt vor, wenn der T ä t e r i r r t ü m l i c h g l a u b t , die T a t durch seine Ausführungshandlung v o l l e n d e t zu haben, während aber der Erfolg erst

Systematische Vorbemerkungen

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durch eine n e u h i n z u t r e t e n d e Ursache in einem späteren Zeitpunkt eintritt. Auch dieser Irrtum ist f ü r die Schuldfrage belanglos; es liegt eine vollendete Tat vor. B e i s p i e l : Es liegt vollendeter Mord bzw. Totschlag vor, wenn der Täter die von ihm mit Tötungsvorsatz verletzte Person, die er irrtümlich für tot hält, ins Wasser wirft und der Tod sonst nicht eingetreten wäre; denn als Ursache eines Erfolgs ist jede Handlung anzusehen, die nicht weggedacht werden kann, ohne daß auch der Erfolg wegfiele, und der Erfolg wurde mit dem Willen des Täters verursacht. (E. 67, 258.) ( B e s t r i t t e n ! Im Schrifttum wird teilweise der Standpunkt vertreten, d a ß versuchte Tötung in Tateinheit mit einer fahrlässigen vorliege, da der wirkliche Ursachenverlauf von dem vorgestellten e r h e b l i c h abweiche; siehe SJZ. 49, Sp. 68.) 3. Schließlich ist auch das W a h n v e r b r e c h e n für die Schuldfrage b e d e u t u n g s l o s , insofern als es immer s t r a f l o s bleibt. Es liegt vor, wenn der Täter in K e n n t n i s a l l e r T a t u m s t ä n d e i r r t ü m l i c h a n n i m m t , seine Handlung sei s t r a f b a r . B e i s p i e l : Der Onkel, der irrtümlicherweise annimmt, daß der intime Verkehr mit der Nichte Blutschande sei, kann nicht wegen Vergehens nach § 1 7 3 Abs. 2 bestraft werden. a) Das W a h n v e r b r e c h e n u n t e r s c h e i d e t s i c h v o m V e r s u c h a m u n t a u g l i c h e n O b j e k t dadurch, daß bei letzterem der W i l l e des Täters auf ein w i r k l i c h e s , nicht bloß vermeintliches Delikt hinzielt, das aber deshalb nicht zur Vollendung gelangen kann, weil der Täter irrtümlich ein e i n z e l n e s nicht vorhandenes Tatbestandsmerkmal für tatsächlich vorliegend erachtet (siehe oben Abschn. VI 1 a, bb), während der „ W a h n v e r b r e c h e r " irrtümlich eine Erweiterung des Geltungsgebietes einer Strafnorm auf seine Handlung annimmt, d. h. auf Grund eines richtig vorgestellten Sachverhalts den f a l s c h e n S c h l u ß zieht, seine Tat sei ein bestimmtes Verbrechen. Sein W i l l e ist also auf die Verwirklichung eines u n v e r b o t e n e n Erfolgs gerichtet. (E. 42, 92; 66, 127.) b) Vom V e r b o t s i r r t u m u n t e r s c h e i d e t sich d a s W a h n v e r b r e c h e n dadurch, daß der im V e r b o t s i r r t u m Handelnde ein bestimmtes Verhalten für s t r a f l o s hält, das aber s t r a f b a r ist, während umgekehrt der „ W a h n v e r b r e c h e r " seine „ T a t " für s t r a f b a r hält, während sie s t r a f l o s ist. VIII. Bedingungen der Strafbarkeit und Verfolgbarkeit 1. In der R e g e l ist die Möglichkeit einer Bestrafung gegeben, wenn Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld erwiesen sind. A u s n a h m s w e i s e ist aber darüber hinaus in e i n i g e n Fällen die Strafbarkeit davon abhängig gemacht, daß bestimmte a u ß e r h a l b d e r S c h u l d l i e g e n d e U m s t ä n d e ( S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n ) gegeben sind. In a l l e n Fällen ist Bedingung für eine Strafe, daß die formellen ( s t r a f p r o z e s s u a l e n ) Voraussetzungen gegeben bzw. prozessuale Hindernisse nicht vorhanden sind ( V e r f o l g b a r k e i t s b e d i n g u n g e n ) .

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Die Lösungen 2. B e d i n g u n g e n d e r S t r a f b a r k e i t .

Die Frage, ob im E i n z e l f a l l eine außerhalb des Vorsatzes liegende B e d i n g u n g oder ein vom Vorsatz zu umfassendes T a t b e s t a n d s m e r k m a l vorliegt, ist bei einigen Tatbeständen z w e i f e l h a f t . a) B e d i n g u n g e n d e r S t r a f b a r k e i t s i n d : aa) Nach dem W o r t l a u t d e s G e s e t z e s : Der Eintritt des Erfolgs in §111 Abs. i ; der Eintritt des Erfolgs in § 143 u n d in § 227. (Bei den sog. qualifizierten Erfolgsdelikten — z. B. in §§ 224, 226 — ist der Erfolg die Bedingung der h ö h e r e n Strafbarkeit.) bb) Nach der R e c h t s p r e c h u n g : Die objektive Rechtmäßigkeit der Amtshandlung in § 1 1 3 (E. 67, 373; 72, 301; B G H . 4, 161), und Zweiter Teil des Werkes Fall 8, Abschn. A I I I 1 f; ferner die Zuständigkeit der eine „ A n o r d n u n g " treffenden Obrigkeit in § 110, und die Zuständigkeit der Behörde in § 137 (E. 63, 329; 64, 76 und Zweiter Teil des Werkes Fall I Abschn. I I 3 d ) ; ferner die Unwahrheit bzw. Nichterweislichkeit der beleidigenden Tatsache in § 186 (E. 8, 171 und Fall 7 Abschn. A I I I S. 224); ferner die Rauschtat in § 330 a (E. 73, 13 und Zweiter Teil des Werkes Fall 5 Abschn. X 2) und schließlich die Konkurseröffnung bzw. Zahlungseinstellung bei den Konkursdelikten (E. 45, 88 und ZweiterTeil des Werkes Fall 9 Abschn. B I 1 c). b ) Dagegen bildet nach der Rechtsprechung ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l (also nicht eine Bedingung der Strafbarkeit) das in den §§ 153, 154 und 156 verlangte Erfordernis der „zuständigen Stelle" bzw. „Behörde" (E. 60, 25; 65, 206; 72, 80 und BGH. 3, 253 und Fall 5 Abschn. A I I ie, S. 159), ferner das f ü r die Vortat bei der Hehlerei aufgestellte Erfordernis „mittels einer strafbaren Handlung erlangt" (E. 64, 131 und F a l l s Abschn. B I 4b S. 181). c) D i e F o l g e n des F e h l e n s e i n e r B e d i n g u n g der S t r a f b a r k e i t : aa) Der Angeklagte m u ß f r e i g e s p r o c h e n werden. bb) Hält er aber die tatsächlich vorhandene Bedingung, z. B. die objektiv rechtmäßige Amtsausübung in § 1 1 3 i r r t ü m l i c h e r w e i s e f ü r nicht rechtmäßig (er wehrt sich z. B. gegen seine infolge einer entschuldbaren Personenverwechslung seitens des Polizeibeamten vorgenommene Festnahme in dem irrigen Glauben, diese M a ß n a h m e sei keine rechtmäßige Amtsausübung, da er j a gar nicht der gesuchte Täter sei), d a n n kann dieser I r r t u m jedenfalls n i c h t als T a t b e s t a n d s i r r t u m gewertet werden, denn die rechtmäßige Amtsausübung ist ja — wie wir oben festgestellt haben — kein Tabestandsmerkmal des § 113. Dagegen dürfte die Frage, ob in einem solchen Falle die f ü r den V e r b o t s i r r t u m geltenden Grundsätze zur Anwendung gelangen könnten, wohl zu bejahen sein. (Siehe hierzu Beschluß des BGH. v. 23. 12. 52 in J Z . 1953, S. 277; siehe andererseits BGH. 4, 161.) Handelt es sich aber um ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l (siehe oben Abschn. b), dann m u ß e i n e r s e i t s der Täter freigesprochen werden, wenn das Tatbestandsmerkmal nicht gegeben ist, oder er dasselbe nicht kennt (Tatbestandsirrtum nach § 59), während a n d e r e r s e i t s Be-

Systematische Vorbemerkungen

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strafung wegen V e r s u c h s zu erfolgen hat, wenn er das fehlende Tatbestandsmerkmal irrtümlich für vorliegend erachtet. (Umkehr aus § 59, siehe oben Abschn. VI 1 a bb, S. 49.) 3. B e d i n g u n g e n d e r V e r f o l g b a r k e i t sind: a) Der S t r a f a n t r a g bei den Antragsdelikten (§§ 61 ff.) und die Nichtverjährung (§§ 67—69). b) Die A u f l ö s u n g d e r E h e in § 170, die rechtskräftige S c h e i d u n g in § 172 und die N i c h t i g k e i t s e r k l ä r u n g der Ehe in § 238 (siehe E. 22, 137). c) D i e F o l g e n des F e h l e n s e i n e r s o l c h e n B e d i n g u n g : aa) Nicht Freisprechung, sondern E i n s t e l l u n g des Verfahrens durch U r t e i l in der Hauptverhandlung gemäß § 260 Abs. 3 StPO. bzw. durch B e s c h l u ß außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 206a. (Siehe Petters, Strafprozeßfälle mit Lösungen, 6. Aufl. Fall 6 Abschn. B I I 1.) bb) Nimmt der Täter i r r t ü m l i c h e r w e i s e das Fehlen einer Verfolgbarkeitsbedingung als vorliegend an (der Sohn glaubt z. B., sein Vater werde wegen des von ihm beabsichtigten Diebstahls den nach § 247 Abs. 1 erforderlichen Strafantrag nicht stellen), so ist ein solcher Irrtum f ü r die Strafbarkeit eines vom Sohn gegenüber seinem Vater begangenen Diebstahls b e d e u t u n g s l o s .

D.

Die persönlichen strafbefreienden Gründe Wie in der Vorbemerkung vor Abschnitt A erwähnt, ist bei Feststellung der Strafbarkeit einer Handlung als l e t z t e r P u n k t die Frage zu prüfen, ob ein s t r a f b e f r e i e n d e r Grund, d. h. ein S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d oder ein S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d vorliegt. I. Strafausschließungsgründe sind solche Umstände, die einen staatlichen Strafanspruch überhaupt nicht entstehen lassen. Strafausschließungsgründe sind: 1. Das A n g e h ö r i g k e i t s v e r h ä l t n i s (§ 52 Abs. 2) im Falle der persönlichen Begünstigung nach § 257 Abs. 2. (Siehe hierzu E. 14, 102; 71, 154.) 2. Ein b e s t i m m t e s V e r w a n d t s c h a f t s v e r h ä l t n i s bei der Blutschande nach § 173 Abs. 4 (siehe hierzu Zweiter Teil des Werkes Fall 5 Abschn. I 7) und bei gewissen Eigentumsdelikten (§§ 247 Abs. 2, 248a Abs. 3, 264a Abs. 4, 370 Nr. 5) und schließlich bei der Pfandkehr des § 289 Abs. 4. 3. Das E h e g a t t e n v e r h ä l t n i s in §§ 247 Abs. 2, 248a Abs. 3, 264a Abs. 4, 370 Nr. 5 und 289 Abs. 4. 4. Die A b g e o r d n e t e n i m m u n i t ä t (§11 und Art. 46 des Grundgesetzes) .

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Die Lösungen

II. S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e sind solche U m s t ä n d e , die erst n a c h Beg e h u n g d e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g eintreten, bei d e n e n also ein bereits entstandener S t r a f a n s p r u c h n a c h t r ä g l i c h wieder wegfällt. S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e sind: 1. R ü c k t r i t t u n d t ä t i g e R e u e b e i m Versuch n a c h § 46 u n d bei einigen vollendeten Delikten, vor allem bei der Brandstiftung n a c h § 310. (Siehe i m übrigen N a c h t r a g A zu Fall 2, S. 114fr.) 2 . V e r f o l g u n g s - u n d V o l l s t r e c k u n g s v e r j ä h r u n g , deren Nichtvorliegen oben in Abschn. C V I I I als Bedingung der Verfolgbarkeit charakterisiert w u r d e (siehe im übrigen Zweiter Teil des Werkes, N a c h t r a g zu Fall 1). 3 . Die K o m p e n s a t i o n n a c h §§ 199, 233. (Siehe hierzu Fall 7 Abschn. B I I 2, S. 233.) 4 . Die B e g n a d i g u n g .

III. Die Folgen der persönlichen strafbefreienden Gründe: 1. Der T ä t e r k a n n nicht bestraft werden. 2 . F ü r die S t r a f b a r k e i t des T e i l n e h m e r s ist ein n u r in der Person des T ä t e r s vorliegender strafbefreiender G r u n d b e d e u t u n g s l o s . Dies ergibt sich n u n m e h r eindeutig aus der Neufassung des § 50 Abs. 2. (Siehe hierzu Fall 2 Abschn. B I 2 b cc, S. 95, u n d die dort in Abschn. d cc a n g e f ü h r t e n Beispiele.

ZU FALL 1: A. Antons Verhalten gegenüber dem Prokuristen Münch I. Das Schweigen beim Empfang des Hundertmarkscheines 1. Der B e t r u g (§ 263) besteht in der vorsätzlichen Schädigung fremden Vermögens durch Täuschung in der Absicht, sich oder einen anderen rechtswidrig zu bereichern. Die T ä u s c h u n g s h a n d l u n g d. h. das zur Irreführung bestimmte, sich in Wort, Schrift, Geste oder schlüssiger Handlung bekundende Verhalten kann e n t w e d e r in der Vorspiegelung falscher Tatsachen o d e r in einer Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen bestehen. 2. Da der Prokurist Münch infolge eines o h n e a k t i v e s Z u t u n Antons entstandenen Irrtums zur Auszahlung der 100 Mark veranlaßt worden ist, scheidet f ü r diesen Zeitpunkt eine Irrtumserregung durch V o r s p i e g e l u n g einer falschen Tatsache aus. 3. Es fragt sich daher, ob Anton diesen I r r t u m durch U n t e r d r ü c k u n g der wahren Tatsache, daß er soviel, wie gezahlt wurde, nicht zu fordern hatte, u n t e r h a l t e n hat. a ) Die f r ü h e r e R e c h t s p r e c h u n g des R e i c h s g e r i c h t s ging grundsätzlich dahin, daß das b l o ß e V o r e n t h a l t e n d e r W a h r h e i t noch keine Täuschung i. S. des § 263 bedeute, da die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (z. B. § 242 BGB.) über T r e u u n d G l a u b e n strafrechtlich bedeutungslos seien. Man kam daher zu dem Ergebnis, daß ein r e i n p a s sives V e r h a l t e n nur dann eine Unterdückung darstelle, wenn im Einzelfalle eine ausdrückliche R e c h t s p f l i c h t z u r O f f e n b a r u n g bestand. Die bewußte Benutzung eines bei dem Geschädigten bereits vorhandenen Irrtums stellte also f ü r sich allein noch kein Unterdrücken einer wahren Tatsache i. S. des § 263 dar. (E. 31, 208; 65, 211.) b) S p ä t e r (siehe E. 69, 284; 70, 45, 156 und 227) wurde f o l g e n d e r G r u n d s a t z aufgestellt: Fordern T r e u u n d G l a u b e n mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nach der Auffassung des redlichen Verkehrs, der Anschauung aller billig und gerecht Denkenden über das, was sittlich erlaubt und erträglich ist, eine bestimmte Tatsache zu offenbaren, so besteht eine R e c h t s p f l i c h t z u r O f f e n b a r u n g . (Siehe hierzu BGH. 6, 198: Bei einem gegenseitigen Vertrag kann sich nach T r e u u n d G l a u b e n für den einen Vertragsteil die Rechtspflicht ergeben, eine bei ihm n a c h dem Vertragsschluß eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren.)

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Die Lösungen

c) Schließlich hat der B u n d e s g e r i c h t s h o f den noch weitergehenden allgemeinen G r u n d s a t z aufgestellt, daß der A r b e i t n e h m e r auf Grund der allgemeinen T r e u p f l i c h t gegenüber seinem A r b e i t g e b e r verpflichtet sei, alles zu unterlassen, was das Betriebsvermögen des Arbeitgebers benachteilige und drohende Schäden von diesem abzuwenden. (Siehe BGH. 2, 325: Ein Bergmann, der die ihm nach dem Tarifvertrag zur Deckung seines eigenen Bedarfs zustehenden Hausbrandkohlen anfordert, obwohl er beabsichtigt, sie zu veräußern, begeht eine Täuschungshandlung durch Verschweigen dieser Absicht.) d) Die Frage, ob diese sehr weitgehende Entscheidung, die j a einen anders gearteten Fall betrifft und in erster Linie feststellt, daß in der Anforderung der Deputatkohlen die stillschweigende p o s i t i v e Erklärung des Bergmanns enthalten sei, er werde das Verbot des Weiterverkaufs respektieren, auch auf den v o r l i e g e n d e n F a l l anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Tatbestand läßt keinerlei Schluß dahingehend zu, daß Anton schon bei der Empfangnahme des Hundertmarkscheins die Absicht hatte, die zuviel gezahlten fünfzig Mark für sich zu behalten. Denn nur bei einem tatsächlichen Nachweis in dieser Richtung könnte i. S. von § 263 von einer v o r s ä t z l i c h e n , d. h. bewußten und gewollten Vermögensschädigung und einer Bereicherungsabsicht gesprochen werden. II. Das Bestreiten bei der Zurredestellung a m nächsten T a g 1 . Die U n t e r s c h l a g u n g (§ 246) ist die v o r s ä t z l i c h e A n e i g n u n g e i n e r f r e m d e n b e w e g l i c h e n S a c h e , d i e d e r T ä t e r im A u g e n b l i c k d e r A n e i g n u n g s h a n d l u n g in B e s i t z o d e r G e w a h r s a m hat. a) Es ist daher z u n ä c h s t zu prüfen, ob der fragliche Geldschein, zweifellos eine bewegliche Sache, für Anton, als er zur Rede gestellt wurde, eine f r e m d e gewesen ist. aa) Da Münch dem Anton den Schein mit dem Willen übergeben hat, das Eigentum daran auf ihn zu übertragen und das Geld von Letzterem mit dem Willen in Empfang genommen wurde, es für sich zu erwerben, ist Anton z u n ä c h s t E i g e n t ü m e r des Scheins geworden. bb) Münch hat sich aber bei Auszahlung des Scheins in einem I r r t u m befunden und war daher gemäß §§ 119, 143 BGB. zur A n f e c h t u n g des Übereignungsaktes, der den Eigentumsübergang des Scheins auf Anton zur Folge hatte, befugt. Diese Anfechtung erfolgte rechtsgültig in Form des V o r h a l t s . (Siehe R G . in Zivilsachen Bd. 48, 221.) Die W i r k u n g der Anfechtung besteht nach § 142 Abs. 1 BGB. darin, daß das an sich rechtswirksam entstandene Geschäft ohne weiteres und endgültig n i c h t i g wird, und zwar mit der Folge, als wäre es von Anfang an nichtig gewesen. Der Hundertmarkschein ist also infolge der Rückwirkung der Anfechtung in der Hand des Anton zu einer f r e m d e n S a c h e geworden. (Hätte Anton den Schein v o r der Anfechtung veräußert, dann hätte er keine Unterschlagung begangen, da § 142 Abs. 2 BGB., der eine Rückwirkung der Anfechtung gegenüber dem die Anfechtbarkeit Kennenden ausspricht, in strafrechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung ist.)

Fall I

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b) Es ist nun weiter zu prüfen, ob eine Z u e i g n u n g s h a n d l u n g erfolgte. aa) Z u e i g n u n g bedeutet die A n m a ß u n g eines tatsächlichen, der Eigentümerstellung gleichen Machtverhältnisses an der fremden Sache, also die B e g r ü n d u n g eines P s e u d o e i g e n t u m s . Anders als die W e g n a h m e bei § 242 erfordert die Z u e i g n u n g i. S. der §§ 246, 350 k e i n e k ö r p e r l i c h e V e r f ü g u n g über die Sache, etwa in dem Sinne, d a ß dadurch der T ä t e r eine anders geartete V e r f ü g u n g s g e w a l t erlangt, als er sie vorher hatte. A n d e r e r s e i t s aber genügt der b l o ß e W i l l e , die Sache behalten zu wollen oder eine bloße W a n d l u n g im Willen des Gewahrsamsinhabers n o c h n i c h t z u m Tatbestand der Unterschlagung. (Siehe E. 63. 3 7 8 . ) bb) E r f o r d e r l i c h i s t v i e l m e h r , d a ß der Inhaber der fremden S a c h e nicht nur den W i l l e n hat, darüber gleich dem berechtigten Eigentümer und mit Ausschluß desselben die Sachherrschaft auszuüben, d. h. den bisherigen Fremdbesitz in Eigenbesitz umzuwandeln, sondern d a ß a u c h diese Absicht in einer ä u ß e r e n H a n d l u n g oder einer Unterlassung z u m Ausdruck gelangt, wie z. B. durch Abschluß eines K a u f v e r t r a g s , d u r c h V e r p f ä n d u n g , durch V e r m i s c h u n g fremden Geldes mit eigenem, wenn der Vermischende bereits bei der V o r n a h m e der V e r m i s c h u n g das Bewußtsein und die Absicht hat, sich durch die V e r m i s c h u n g die Gelder rechtswidrig zuzueignen. (E. 71, 96.) ccl Es kann nun aber auch s c h o n i n d e m b l o ß e n A b l e u g n e n d e s B e s i t z e s sich der Wille des Täters manifestieren, die Sache sich rechtswidrig anzueignen. (E. 5, 253; 61, 160.) D a b e i ist allerdings z u beachten, daß das A b l e u g n e n bzw. eine sonstige wahrheitswidrige B e h a u p t u n g , um sie als Zueignungshandlung bewerten zu können, d e m g e g e n ü b e r e r f o l g e n m u ß , der die S a c h e m i t R e c h t als sein E i g e n t u m in A n s p r u c h n i m m t u n d h e r a u s v e r l a n g t . M a c h t dagegen der Beschuldigte anläßlich seiner v e r a n t w o r t l i c h e n V e r n e h m u n g u n w a h r e A n g a b e n , so wird er das in der R e g e l z u m Z w e c k e der V e r t e i d i g u n g und nicht in der Absicht tun, den Gegenstand wirtschaftlich seinem Eigent u m zuzuführen. (Siehe SJZ. 1947, S. 675.) dd) D a im v o r l i e g e n d e n F a l l e nicht zweifelhaft sein kann, d a ß das A b l e u g n e n des Besitzes des fraglichen Scheins seitens Antons nur in der A b s i c h t erfolgt ist, die gesamten hundert M a r k behalten zu können, bestehen gegen die A n n a h m e einer v o l l e n d e t e n U n t e r s c h l a g u n g keine Bedenken. (NB. Erhöhte Strafe ist in § 246 angedroht, w e n n die Sache dem T ä t e r anvertraut war, sog. V e r u n t r e u u n g (z. B. eine vermietete Sache), wobei zu beachten ist, d a ß das „ A n v e r t r a u t s e i n " ein „persönliches V e r h ä l t n i s " i. S. des § 50. Abs. 2 darstellt, so d a ß dieser besondere T a t umstand einem Teilnehmer, bei d e m er nicht vorliegt, nicht zugerechnet werden kann, siehe E. 72,326. W e g e n F u n d u n t e r s c h l a g u n g siehe Fall 6 Abschn. A I l 3 a , S . 2 0 4 ; wegen W e g n a h m e von Gegenständen einer L e i c h e siehe Fall 9 Abschn. A II 2, S. 2 6 1 ; wegen Zusammentreffen von § 246 mit § 259 siehe Fall 5 Abschn. B I 3 b , S. 186; wegen Zusammentreffen von § 246 mit § 288 siehe Fall 4 Abschn. I 1 b cc, S. 152.)

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Die Lösungen

2. Es ist n u n w e i t e r zu p r ü f e n , o b sich A n t o n eines t a t e i n h e i t l i c h (§ 73) m i t d e r U n t e r s c h l a g u n g z u s a m m e n f a l l e n d e n B e t r u g s schuldig gemacht hat. a) N i c h t zweifelhaft k a n n sein, d a ß in d e m Bestreiten des Besitzes nicht n u r eine A n e i g n u n g s h a n d l u n g i. S. des § 246 zu erblicken ist, sondern d a ß dieses Bestreiten gleichzeitig eine „ V o r s p i e g e l u n g f a l s c h e r T a t s a c h e n " i. S. des § 263 enthält. Es b e d a r f a u c h keiner E r ö r t e r u n g , d a ß d u r c h dieses Bestreiten ein I r r t u m bei M ü n c h hervorgerufen w o r d e n ist, d e r seinerseits wieder eine V e r f ü g u n g , n ä m l i c h eine Verzichtleistung auf R ü c k f o r d e r u n g z u r Folge h a t t e . b ) Fraglich k a n n lediglich sein, o b diese Verzichtleistung einen V e r m ö g e n s s c h a d e n verursacht hat. aa) Die U n t e r l a s s u n g d e r a l s b a l d i g e n G e l t e n d m a c h u n g eines Rückforderungsrechts b e d e u t e t d a n n eine V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g , w e n n d e r Berechtigte d u r c h die T ä u s c h u n g ü b e r das Bestehen seines Anspruchs in U n k e n n t n i s oder Zweifel versetzt u n d d a d u r c h v e r a n l a ß t wird, von der D u r c h s e t z u n g seines Anspruchs a b z u s e h e n . (E. 63, 1 9 1 ; 70, 227.) D a b e i ist die Tatsache, d a ß der fragliche A n s p r u c h trotz der Verzichtleistung, die j a in U n k e n n t n i s der Sachlage erfolgte, unverletzt weiter besteht, ohne Bedeutung f ü r die F r a g e der Vermögensbeschädigung. D e n n ein R ü c k f o r d e r u n g s a n s p r u c h n a c h § 8 1 2 BGB. darf bei der Schadensfrage ebenso wenig berücksichtigt w e r d e n , wie ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h n a c h §§ 823fr. BGB., d e n der Geschädigte gegen den T ä u s c h e n den aus der S c h a d e n s z u f ü g u n g h a t , oder ein A n f e c h t u n g s a n s p r u c h n a c h §§ 123, 124 BGB. (Siehe a u c h E. 4 1 , 27.) bb) Es ist ferner ohne Bedeutung, o b d u r c h die Verzichtleistung seitens des getäuschten M ü n c h dessen e i g e n e s V e r m ö g e n oder dasjenige d e r F i r m a geschädigt w o r d e n ist, d e n n n u r der G e t ä u s c h t e u n d der V e r f ü g e n d e müssen i d e n t i s c h sein, nicht aber der G e t ä u s c h t e u n d d e r G e s c h ä d i g t e . (Siehe hierzu F a l l s Abschn. A I I I 1, S. 164.) cc) W i r k o m m e n somit im v o r l i e g e n d e n F a l l zunächst zu d e m Ergebnis, d a ß , o h n e Berücksichtigung der oben festgestellten U n t e r s c h l a g u n g , die objektive T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t eines B e t r u g s u n d seine Rechtswidrigkeit vorliegen. c ) D a ß a u c h das in § 263 geforderte s u b j e k t i v e U n r e c h t s e l e m e n t , n ä m l i c h die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t bei Anton v o r h a n d e n w a r , k a n n n a c h Sachlage ebensowenig zweifelhaft sein, wie die weitere T a t s a c h e , d a ß A n t o n a u c h s c h u l d h a f t gehandelt h a t , d. h. d a ß sein Vorsatz sämtliche objektiven T a t b e s t a n d s m e r k m a l e des § 263 u m f a ß t e , d a ß er sich insbesondere a u c h d a r ü b e r im klaren war, d a ß sein schwindelhaftes Verh a l t e n einen Vermögensschaden verursachen werde. d ) T r o t z d e m a b e r m u ß , u n d zwar im Hinblick auf den festgestellten U n t e r s c h l a g u n g s t a t b e s t a n d , die A n n a h m e eines tateinheitlich mit diesem

Fall i

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V e r g e h e n zusammenfallenden B e t r u g s a b g e l e h n t werden, u n d zwar aus folgenden G r ü n d e n : aa) D a A n t o n d e n Besitz des H u n d e r t m a r k s c h e i n s in d e r Absicht a b geleugnet h a t , sich denselben rechtswidrig zuzueignen, war, wie oben ausg e f ü h r t , m i t d i e s e m A b l e u g n e n die rechtswidrige Z u e i g n u n g d u r c h welche das V e r m ö g e n der F i r m a bzw. des M ü n c h geschädigt w u r d e , v o l l e n d e t und demnach der E i n g r i f f i n f r e m d e s V e r m ö g e n v o l l z o g e n . bb) Oberster G r u n d s a t z f ü r die F r a g e der Vermögensbeschädigung ist a b e r der, d a ß ein V e r m ö g e n n i c h t s c h o n d a n n b e s c h ä d i g t ist, w e n n der Getäuschte d u r c h den in i h m erregten I r r t u m zu irgendeiner vermögensrechtlichen V e r f ü g u n g bestimmt w o r d e n ist (sog. s u b j e k t i v e T h e o r i e ) , sondern erst d a n n , w e n n das V e r m ö g e n d u r c h die V e r f ü g u n g o b j e k t i v dergestalt beeinträchtigt wird, d a ß der Geldwert des Vermögens n a c h d e r V e r f ü g u n g g e r i n g e r ist, als der Geldwert, den es g e h a b t hätte, w e n n die T ä u s c h u n g s h a n d l u n g nicht v o r g e k o m m e n wäre. (Sog. o b j e k t i v e Theorie, die f ü r die Praxis — siehe vor allem die g r u n d l e g e n d e R e c h t s p r e c h u n g in E. 16, 1 ff. — allein m a ß g e b e n d ist.) (NB. Dieser f u n d a mentale G r u n d s a t z wirkt sich bei E i n g e h u n g e i n e s g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g s d a h i n aus, d a ß ein Vermögensschaden verneint werden m u ß , w e n n d e m V e r m ö g e n des Getäuschten der gleiche Vermögenswert zuwächst, d e n er infolge der T ä u s c h u n g aus seinem V e r m ö g e n a n den T ä u s c h e n d e n herausgibt. W i r d also z. B. ein gefälschtes R u b e n s b i l d wider besseres Wissen als echt verkauft, so tritt ein Vermögensschaden i. S. des § 263 grundsätzlich nicht ein, w e n n d e r W e r t des unechten Bildes d e m vom T ä u s c h e n d e n geforderten u n d v o m Getäuschten bezahlten K a u f p r e i s entspricht, es sei d e n n , d a ß n a c h der I n d i v i d u a l i t ä t d e s k o n k r e t e n F a l l e s , vor allem n a c h der Persönlichkeit des Erwerbers eine von diesem G r u n d s a t z abweichende Beurteilung geboten erscheint. Siehe hierzu vor allem E. 68, 2 1 2 ; 76, 49. Siehe ferner B G H . 4, 3 7 3 : W e r die D i r n e u m den vereinbarten L o h n prellt, begeht keinen Betrug, d e n n die H i n g a b e der D i r n e ist f ü r sie keine Vermögensverfügung.) cc) Der B e t r u g s t a t b e s t a n d k a n n i m v o r l i e g e n d e n F a l l e j e d e n falls deshalb n i c h t z u r A n w e n d u n g gelangen, weil der Geldwert des f r e m d e n Vermögens n a c h d e r V e r f ü g u n g (Verzichtleistung seitens des M ü n c h ) nicht geringer geworden ist gegenüber d e m d u r c h die U n t e r schlagung des Scheins schon entsprechend reduzierten Vermögensstand. M . a . W . D e r d u r c h A n t o n s A b l e u g n e n in d e r P e r s o n des M ü n c h er r e g t e I r r t u m ist n i c h t k a u s a l g e w o r d e n f ü r d i e B e s c h ä d i g u n g f r e m d e n V e r m ö g e n s . (Siehe hierzu E. 5, 2 5 2 ; 24, 40g.) 3 . Sollte im Ermittlungsverfahren A n t o n g e l t e n d m a c h e n (und d a mit w ü r d e n a c h Sachlage wohl zu r e c h n e n sein), e r h a b e n i c h t g e w u ß t , d a ß d u r c h die Zurredestellung seitens des M ü n c h der H u n d e r t m a r k s c h e i n f ü r ihn, A n t o n , zu einer f r e m d e n S a c h e geworden sei, u n d er könne deshalb nicht wegen U n t e r s c h l a g u n g bestraft werden, so w ü r d e mit einem solchen Entlastungsvorbringen ein T a t b e s t a n d s i r r t u m (Nichtkennen des zu § 246 gehörenden T a t b e s t a n d s m e r k m a l s „ f r e m d " ) geltend g e m a c h t P e t t e r s , Strafrechtsfälle mit Lösungen, i r . Aufl.

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Die Lösungen

werden. Es müßten alsdann, entsprechend den Ausführungen in den „Systematischen Vorbemerkungen" folgende Fragen geprüft werden: a) Ist der Irrtum g l a u b h a f t ? b) War er u n v e r m e i d b a r (entschuldbar)? c) War er v e r m e i d b a r (unentschuldbar)? Bei V e r n e i n u n g der e r s t e n Frage erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Fragen. Das Vorbringen Antons wäre bedeutungslos. Bei B e j a h u n g der e r s t e n und z w e i t e n Frage müßte eine schuldhaft begangene Unterschlagung verneint werden. Anton könnte nicht wegen Vergehens nach § 246 bestraft werden. Bei B e j a h u n g der ersten und d r i t t e n Frage müßte e b e n f a l l s S t r a f l o s i g k e i t wegen Unterschlagung eintreten, weil der Tatbestand des § 246 nur vorsätzlich erfüllt werden kann, § 59 Abs. 2 also nicht in Frage kommt. Wäre demnach infolge eines glaubhaften (unverschuldeten oder verschuldeten) T a t b e s t a r d s i r r t u m s eine Bestrafung wegen U n t e r s c h l a g u n g a u s g e s c h l o s s e n , dann dürften wohl keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, daß Anton sich eines B e t r u g e s s c h u l d i g gemacht hat. Denn dessen Vorliegen ist ja nur, wie oben ausgeführt wurde, als tateinheitlich mit Unterschlagung zusammentreffend zu verneinen, und eine erfolgreiche Geltendmachung eines schuldausschließenden oder auch nur schuldmildernden Irrtums in irgendeiner Form ist bezüglich des B e t r u g s t a t b e s t a n d s nach Sachlage kaum denkbar; insbesondere wäre ein etwaiges Vorbringen Antons in der Richtung, er habe nicht gewußt, daß durch sein lügenhaftes Verhalten fremdes Vermögen geschädigt werden könnte (Nichtkennen des Tatbestandsmerkmals der Vermögensbeschädigung), von vornherein als unglaubhaft zurückzuweisen. (Der Geltendmachung eines V e r b o t s i r r t u m s , d . h . mangelnden Bewußtseins der Rechtswidrigkeit, dürfte sowohl hinsichtlich § 246 als auch bezüglich § 263 von vornherein der Erfolg versagt bleiben.) III. D e r Kauf der Lederjacke 1. Wie oben in Abschn. I I 1 ausgeführt wurde, hatte sich Anton den Hundertmarkschein in Form des Ableugnens des Besitzes zugeeignet (§246). 2. Durch Verwendung des unterschlagenen Hundertmarkscheins zum Kauf einer Lederjacke ist zu der durch die Unterschlagung eingetretenen t a t s ä c h l i c h e n Schädigung des Münch bzw. der Firma Müller noch eine r e c h t l i c h e , nämlich der Verlust des Eigentums an dem Schein hinzugekommen (§§ 932, 935 BGB.). 3. S t r a f r e c h t l i c h ist aber die V e r w e r t u n g des bereits durch Ableugnen des Besitzes unterschlagenen Scheins nur als eine weitere Betätigung der bereits durch die erste Unterschlagung erlangten tatsächlichen Herrschaft über die unterschlagene Sache, gewissermaßen nur als F o r t s e t z u n g des bereits durch die erste Unterschlagung vollzogenen Eingriffs in fremdes Vermögen zu beurteilen. M. a. W. D a s sog. V e r w e r t u n g s d e l i k t m u ß g e g e n ü b e r d e m A n e i g n u n g s d e l i k t , so-

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f e r n f ü r b e i d e S t r a f t a t e n d i e s e l b e P e r s o n als v e r l e t z t in Bet r a c h t k o m m t , s t r a f l o s b l e i b e n . (Sog. s t r a f l o s e N a c h t a t i m Gegensatz zu d e m Fall, d a ß der T ä t e r über den d u r c h die vorher begangene T a t d e m anderen zugefügten Schaden hinaus eine n e u e u n d a n d e r e Schädigung d u r c h die V e r f ü g u n g über den entwendeten Gegenstand bewirkt. Der oben erwähnte Grundsatz der Straflosigkeit eines Verwertungsdelikts gegenüber d e m Aneignungsdelikt greift in einem solchen Falle nicht Platz. E. 54, 8 1 ; 6 0 , 3 7 2 u n d Fall 2, Abschn. A V , S. 92, u n d Fall 6, Abschn. A I I 2 a, S. 200.)

B. Antons Verhalten gegenüber dem Kaufmann Zeiß I. Die Aufnahme des Darlehens 1. U n t e r K r e d i t b e t r u g versteht m a n eine in Bereicherungsabsicht bewirkte Vermögensschädigung, die durch eine mittels T ä u s c h u n g veranlaßte Vermögensverfügung ohne sofortige Gegenleistung verursacht worden ist. 2 . Auch beim D a r l e h n s v e r t r a g , d. h. bei der G e w ä h r u n g einer Geldsumme gegen Zusicherung der Rückzahlung zu d e m vereinbarten Fälligkeitstermin m u ß (wie bei j e d e m zweiseitigen Vertrag) bei P r ü f u n g der Frage, ob er auf betrügerische Weise zustande gekommen ist, o b j e k t i v L e i s t u n g u n d G e g e n l e i s t u n g in ihrem beiderseitigen wirtschaftlichen Wert v e r g l i c h e n werden, d. h. es m u ß festgestellt werden, o b der Geldgeber i m A u g e n b l i c k s e i n e r Vermögensverfügung (Herausgabe des Geldes) einen, d e m baren Geld entsprechenden G e g e n a n s p r u c h gegen den Darlehnsnehmer erwirbt (siehe insbesondere E. 74, 130). Ist zur Zeit der Vermögensverfügung der Rückforderungsanspruch im Verhältnis zur eigenen Leistung u n t e r w e r t i g , d a n n ist ein Vermögensschaden eingetreten, u n d der Tatbestand des § 263 ist erfüllt, v o r a u s g e s e t z t , d a ß der Geldgeber d u r c h ein täuschendes Verhalten seitens des in Bereicherungsabsicht handelnden Darlehnsnehmers zur H e r g a b e des baren Geldes veranlaßt worden ist u n d d a ß letzterer vorsätzlich gehandelt hat. 3. U m i m v o r l i e g e n d e n F a l l e f e s t s t e l l e n z u k ö n n e n , o b A n t o n sich d a s D a r l e h e n v o n 200 M a r k a u f b e t r ü g e r i s c h e Weise verschafft h a t , m ü ß t e n d e m n a c h folgende F r a g e n geklärt werden: a ) H a t Anton gegenüber Zeiß f a l s c h e T a t s a c h e n v o r g e s p i e g e l t bzw. wahre Tatsachen unterdrückt? Z u r B e j a h u n g d i e s e r F r a g e wäre nicht unbedingt der Nachweis erforderlich, d a ß Anton über k o n k r e t e , seine Leistungsfähigkeit a m vereinbarten RückZahlungstermin betreffende Tatsachen u n w a h r e Angaben gemacht hat, sondern es würde s c h o n g e n ü g e n , wenn der m a n g e l n d e Z a h l u n g s w i l l e bei A u f n a h m e des Darlehns nachweisbar wäre. 5

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Die Lösüngen

Denn schon in dem bloßen Kreditbegehren liegt die s c h l ü s s i g e E r k l ä r u n g , d a ß der Kreditsucher leistungswillig ist. Würde also der Nachweis gelingen, daß Anton schon im Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehnssumme die Absicht hatte, die zweihundert Mark nicht zurückzuzahlen, dann wäre damit auch der V e r m ö g e n s s c h a d e n auf Seiten des Zeiß erwiesen; denn dieser hätte dann als G e g e n w e r t f ü r die Hergabe baren Geldes eine F o r d e r u n g g e g e n e i n e n z a h l u n g s u n w i l l i g e n S c h u l d n e r erhalten, also keinen seiner eigenen Leistung wirtschaftlich entsprechenden Gegenwert in sein Vermögen hereinbekommen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß m a n g e l n d e r Z a h l u n g s w i l l e bei v o r h a n d e n e r Z a h l u n g s f ä h i g k e i t nicht ohne weiteres und in allen Fällen eine Verminderung oder Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Darlehngebers auf Rückzahlung des Darlehns bedingt; denn es besteht j a in einem solchen Falle noch die Möglichkeit, die Leistung des Geschuldeten trotz der Böswilligkeit des Schuldners zu erzwingen, siehe E. 43, 172. Immerhin dürfte aber in einem solchen Falle wohl eine f ü r den Begriff des Vermögensschadens ausreichende V e r m ö g e n s g e f ä h r d u n g vorliegen, wenn nach der konkreten Sachlage schon die eingetretene Gefahr eines Verlustes, also die Ungewißheit darüber, ob nicht ein Verlust eintreten werde, eine Verschlechterung des g e g e n w ä r t i g e n Vermögensstandes herbeiführen. (Siehe E. 53, 260 betr. Erlangung eines Erbscheins auf Grund gefälschten Testaments und dadurch bewirkte Vermögensgefährdung bezüglich der wirklichen Erben.) b ) Was den s u b j e k t i v e n T a t b e s t a n d betrifft, wäre zu seiner Bejahung die Feststellung erforderlich, d a ß Anton sich der v i e r o b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e (Täuschung, Irrtumserregung, Vermögensverfügung und Vermögensschaden) sowie des unter ihnen bestehenden K a u s a l z u s a m m e n h a n g s b e w u ß t war und daß er in der A b s i c h t gehandelt hat, sich einen rechtwidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. c) Eine a b s c h l i e ß e n d e B e u r t e i l u n g des Verhaltens Antons bei A u f n a h m e des Darlehns ist also nicht möglich, da hierzu noch Beweiserhebungen bezüglich der inneren Vorgänge erforderlich wären. Sollte dabei der Nachweis f ü r den mangelnden Rückzahlungswillen, d. h. f ü r den direkten Vorsatz bezüglich der Vermögensschädigung des Zeiß nicht gelingen (was bei den meisten Betrugsfällen der täglichen Praxis der Fall ist), dann würde es f ü r eine Strafbarkeit des Anton s c h o n g e n ü g e n , wenn er diese Folge als nur m ö g l i c h e r w e i s e e i n t r e t e n d in seinen W i l l e n aufgenommen, d. h. daß er das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbeschädigung mit dem E v e n t u a l d o l u s umfaßt hat. 4. Schließlich wäre, falls ein Betrug bei E i n g e h u n g des Darlehnsvertrags zu verneinen ist, noch die Frage zu prüfen, ob sich Anton in dem Zeitpunkt, als er u m V e r l ä n g e r u n g der Stundung bat, h i e r b e i eines Betrugs schuldig gemacht hat. Dabei ist grundsätzlich folgendes zu beachten: Eine S t u n d u n g bedeutet nur dann einen V e r m ö g e n s s c h a d e n , wenn durch sie die Forderung an Wert verliert, d. h. wenn

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der w i r t s c h a f t l i c h e W e r t d e r F o r d e r u n g durch die Stundung g e r i n g e r geworden ist. Das wäre dann der Fall, wenn Anton z. Z. der Stundung noch zahlungsfähig oder in höherem Maße zahlungsfähig war als später. War dagegen die Forderung des Zeiß zur Zeit der Stundung s c h o n so g e f ä h r d e t , daß sie durch die Stundung nicht mehr an Wert verlieren konnte, dann wäre ein Vermögensschaden zu verneinen. (BGH. 1, 264.) Da Z e i ß anläßlich der weiteren Stundung zu seiner einfachen Darlehnsforderung zusätzlich eine Sicherheit in Gestalt der Übereignung des Motorrades erhalten hatte (siehe den folgenden Abschn. II), dürfte er auch im Zeitpunkt der Stundung keinen Vermögensschaden erlitten haben.

II. Die Sicherungsübereignung des Motorrades und dessen Weitergabe an Klein 1. Durch die sog. f i d u z i a r i s c h e E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g , die einen Ersatz bildet für die rechtlich nicht mögliche Sicherung durch Faustpfand ohne Besitzübertragung, geht das Recht vollwirksam auf den Empfänger ( T r e u h ä n d e r ) über. Die Besonderheit einer solchen Übertragung besteht darin, daß der Erwerber das Recht vereinbarungsgemäß bloß zu einem b e s t i m m t e n Z w e c k erhält und dem Veräußerer ( T r e u g e b e r ) obligatorisch zur Rückübertragung verpflichtet ist, sobald der vorgesehene Zweck erreicht ist oder sich erledigt hat. Vom w i r t s c h a f t l i c h e n Standpunkt aus hat die Sache als dem Treugeber „gehörend" zu gelten, r e c h t l i c h entsteht aber für den T r e u h ä n d e r , auch gegenüber dem T r e u g e b e r , vollwirksames E i g e n t u m . Für diesen und nicht für den Treuhänder ist die übereignete Sache eine „ f r e m d e " i. S. des § 246. (E. 61, 65; 64, 419.) Das Sicherungseigentum ist rechtlich volles Eigentum (RGZ. Bd. 124, S. 73, 74). 2. Ob im e i n z e l n e n F a l l e eine Sicherungsübereignung gewollt und erzielt wurde, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Feststellung, insbesondere der Vertragsauslegung. (Siehe hierzu BGH. 1, 262). Im v o r l i e g e n d e n F a l l e dürfte nicht zweifelhaft sein, daß zwischen Anton und Zeiß ein h i n r e i c h e n d b e s t i m m t e s R e c h t s v e r h ä l t n i s vereinbart worden ist, durch das Zeiß den mittelbaren Besitz und das Eigentum an dem Motorrad erlangte. (§§ 930, 868 BGB.) 3. Daß Anton durch den Eintausch des sicherungsübereigneten Motorrades, also einer für ihn „fremden Sache" gegen ein anderes Motorrad sich ersteres r e c h t s w i d r i g z u g e e i g n e t hat, kann demnach nicht zweifelhaft sein. Dabei ist ohne Bedeutung, daß Anton zu diesem Zeitpunkt einen Teilbetrag des Darlehns an Zeiß zurückgezahlt hatte; denn das Sicherungseigentum des Zeiß hat bis zur v ö l l i g e n Tilgung seiner Forderung fortbestanden. 4. Würde Anton glaubhaft geltend machen, er habe n i c h t g e w u ß t , daß durch die Sicherungsübereignung das Motorrad für ihn eine fremde Sache geworden war, dann käme ein T a t b e s t a n d s i r r t u m i. S. des § 59 in Frage, der, ohne Rücksicht darauf, ob er verschuldet oder nicht

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verschuldet war, Straflosigkeit zur Folge haben müßte. (Siehe oben Abschn. A I I 3.) 5 . Wäre schließlich die Sicherungsübereignung mangels Feststellbarkeit eines hinreichend bestimmten Rechtsverhältnisses u n w i r k s a m , dann hätte sich Anton, wenn er die Ü b e r e i g n u n g f ü r g ü l t i g g e h a l t e n hätte, einer v e r s u c h t e n U n t e r s c h l a g u n g schuldig gemacht. (Siehe Systematische Vorbemerkungen Abschn. C V I 1 a bb, und BGH. 1, 263.)

C. Antons Verhalten gegenüber Klein I. Die Übergabe des Motorrads an Zahlungs Statt Dieser Tatbestandsteil, der oben als U n t e r s c h l a g u n g z u m N a c h t e i l d e s Z e i ß gewertet worden ist, m u ß nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt eines eventuellen B e t r u g s z u m N a c h t e i l K l e i n s geprüft werden. 1. Obwohl Anton gegenüber Klein über die Eigentumsverhältnisse an d e m zu übereignenden Motorrad keine ausdrücklichen Zusicherungen gemacht hat, kann trotzdem in diesem S c h w e i g e n die V o r s p i e g e l u n g f a l s c h e r T a t s a c h e n , begangen durch eine konkludente Handlung, erblickt werden. Wer einen Vertragsantrag zu einem Rechtsgeschäft macht, e r k l ä r t d a m i t s t i l l s c h w e i g e n d , daß die Voraussetzungen dazu in seiner Person und in der Sachlage gegeben seien (E. 41, 31). So dürfte insbesondere jedes Anbieten einer Sache zum Eigentumserwerb die s t i l l s c h w e i g e n d e Z u s i c h e r u n g enthalten, daß die Sache die verkehrsüblichen Eigenschaften hat, zu denen in erster Linie das Eigentum bzw. die Verfügungsberechtigung des Veräußerers gehört. Daß ferner durch dieses Verhalten Antons eine durch I r r t u m s e r r e g u n g verursachte V e r m ö g e n s v e r f ü g u n g , nämlich die Herausgabe eines neuen Motorrades erfolgte, bedarf keiner Erörterung. 2 . Dagegen bedarf die F r a g e d e r V e r m ö g e n s s c h ä d i g u n g einer Prüfung. a) O b j e k t i v ist die Rechtslage so, daß Klein, der j a von der Sicherungsübereignung nichts wußte, durch Eintausch des alten Motorrades gegen ein neues gemäß § 932 BGB. E i g e n t ü m e r des Rades geworden war, denn es war dem Eigentümer Zeiß nicht „abhanden gekommen" i. S. des § 935 BGB. Das R e i c h s g e r i c h t hat daher in einem solchen Falle mangels Vorliegen eines z i v i l r e c h t l i c h e n Vermögensschadens in seiner f r ü h e r e n Rechtsprechung die Möglichkeit eines v o l l e n d e t e n Betrugs verneint (siehe vor allem E. 49, 16) und lediglich die Möglichkeit der Bestrafung wegen v e r s u c h t e n Betrugs bejaht (siehe E. 51, 205), wenn nämlich der Veräußerer der i r r i g e n M e i n u n g war, der Erwerber einer unterschlagenen Sache könne kein Eigentum an ihr erlangen (irrtümliche Annahme des in Wirklichkeit nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmals der Vermögensschädigung, siehe „Systematische Vorbemerkungen" Abschn. C V I 1 a, bb, S. 49).

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b) Die s p ä t e r e Rechtsprechung (siehe E. 73, 61) ging dann aber dahin, daß in einem solchen Falle sehr wohl ein v o l l e n d e t e r Betrug in Frage kommen könne. Dort wird ausgeführt, daß der gutgläubige Käufer einer unterschlagenen Sache zwar Eigentum an ihr erwerbe, daß der Käufer aber der G e f a h r v o n R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n , und sogar der Möglichkeit ausgesetzt sei, unter dem Verdacht der Hehlerei strafrechtlich verfolgt zu werden; die Kaufsache sei mit einem s i t t l i c h e n M a k e l behaftet und ein solcher mache sie auch als Vermögensstück minderwertig. D e r K ä u f e r e i n e r s o l c h e n S a c h e e r l e i d e a l s o t r o t z E r w e r b des E i g e n t u m s e i n e n V e r m ö g e n s s c h a d e n . c) Der B u n d e s g e r i c h t s h o f hat sich dieser grundlegenden Rechtsprechung angeschlossen (siehe BGH. 1, 92; 3, 370) und dabei noch mit Recht auf Absatz 2 des § 932 BGB. hingewiesen, daß nämlich der g u t e G l a u b e des Erwerbers darin besteht, daß er den Veräußerer o h n e g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t f ü r den Eigentümer hält, insofern also f ü r ihn die Gefahr, sein Eigentum (notfalls in einem Rechtsstreit) verteidigen zu müssen, eine n a h e l i e g e n d e ist. 3. Es ist somit in v o r l i e g e n d e m F a l l e dahin zu entscheiden, daß sich Anton, bei dem auch der i n n e r e Tatbestand des § 263 (dolus und Bereicherungsabsicht) wohl als gegeben unterstellt werden kann, sich gegenüber Klein eines v o l l e n d e t e n B e t r u g s schuldig gemacht hat, der t a t e i n h e i t l i c h (§ 73) mit der z. N. von Zeiß begangenen U n t e r s c h l a g u n g zusammenfällt. II. Die t e i l w e i s e Begleichung des Kaufpreises m i t e i n e m ungedeckten Scheck ü b e r 200 Mark 1. Die Frage, ob die H i n g a b e e i n e s u n g e d e c k t e n S c h e c k s s c h l e c h t h i n d i e V o r s p i e g e l u n g enthalte, daß der Aussteller schon bei B e g e b u n g des Schecks ein entsprechendes Guthaben bei dem Bezogenen habe, wurde früher v e r s c h i e d e n beantwortet. Erst durch einen gemäß § 121 Abs. 2 StPO. erlassenen B e s c h l u ß d e s B u n d e s g e r i c h t s h o f s (BGH. 3, 70) wurde diese Frage dahin geklärt, daß es T a t f r a g e sei, ob bei Hingabe eines ungedeckten Schecks damit vorgespiegelt werde, der Scheck sei b e r e i t s b e i d e r H i n g a b e gedeckt, oder aber er werde zum Z e i t p u n k t d e r E i n l ö s u n g gedeckt sein. Der Aussteller brauche jedenfalls nicht immer anzunehmen, daß der Empfänger Wert darauf lege, den g e g e n w ä r t i g e n Kontostand zu erfahren. Aber auch das Tatbestandsmerkmal der V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g sei, so führt der BGH. a . a . O . weiter aus, bei Hingabe eines zur Zeit der B e g e b u n g ungedeckten Schecks nicht ohne weiteres gegeben, denn ein solcher sei nicht s c h l e c h t h i n weniger wertvoll als ein erst im Zeitpunkt der E i n l ö s u n g gedeckter Scheck. 2. Unter Zugrundelegung dieser Stellungnahme muß die Frage, ob A n t o n s i c h a u c h in d i e s e m F a l l e e i n e s K r e d i t b e t r u g s gegenüber Klein schuldig gemacht hat, mangels ausreichender t a t s ä c h l i c h e r Beweisgrundlagen offenbleiben.

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D. Antons Verhalten gegenüber der Witwe Schwarz I. Die Erlangung des Schecks über 300 Mark und seine Weitergabe an die Firma Meyer 1. D a ß der Herausgabe des Schecks eine T ä u s c h u n g s h a n d l u n g Antons vorausging, ist schon jetzt auf Grund des objektiven Sachverhalts erwiesen. Denn auch die Mitteilung einer b e s t i m m t e n A b s i c h t , wie v o r l i e g e n d die Behauptung, das erbetene Darlehen zu einem b e s t i m m t e n Z w e c k verwenden zu wollen, ist, wenn der Verwendungszweck nicht der Wahrheit entspricht, die „Vorspiegelung einer falschen Tatsache". (Siehe E. 66, 58.) 2 . N i c h t erwiesen ist aber bis jetzt, ob der durch die Täuschung hervorgerufene I r r t u m k a u s a l geworden ist f ü r die V e r m ö g e n s v e r f ü g u n g , d. h. f ü r die Herausgabe des Schecks. Auch hier gilt nach den allgemeinen Regeln betr. ursächliche Zusammenhänge der Grundsatz, d a ß eine Irrtumserregung n i c h t n u r d a n n als Ursache einer Vermögensverfügung anzusehen ist, wenn sie die a l l e i n i g e oder doch die hauptsächlichste Bedingung dafür ist, daß die Verfügung vorgenommen wird, sondern d a ß es genügt, wenn die Irrtumserregung ü b e r h a u p t e i n e B e d i n g u n g jenes Erfolgs in dem Sinne ist, daß sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß zugleich der Eintritt des Erfolgs, nämlich die Vornahme der Vermögensverfügung, entfallen müßte. (E. 76, 86.) Gerade in dieser Beziehung bestehen aber in v o r l i e g e n d e m F a l l e erhebliche Zweifel; denn es ist doch sehr wohl möglich, daß Frau Schwarz, die j a schon damals ein Liebesverhältnis mit Anton unterhielt und zunächst offenbar noch keine Veranlassung hatte, an der Ehrlichkeit Antons zu zweifeln, ihm den Scheck auch dann gegeben hätte, wenn ihr der wirkliche Verwendungszweck des Geldes bekannt gewesen wäre, oder, noch weitergehend, daß sie auch mit der Nichtzurückzahlung der 300 Mark einverstanden war. Wenn somit die K a u s a l i t ä t z w i s c h e n I r r t u m s e r r e g u n g u n d V e r m ö g e n s v e r f ü g u n g verneint werden müßte, würde sich eine weitere strafrechtliche Aufklärung dieses Falles erübrigen. A n d e r n f a l l s müßten sich die weiteren Erhebungen in dem oben in Abschn. B I 3 skizzierten R a h m e n bewegen. Dabei wäre insbesondere zu beachten, d a ß der Betrug möglicherweise s c h o n i m A u g e n b l i c k d e r Ü b e r g a b e d e s S c h e c k s a n A n t o n , also schon v o r seiner Einlösung, als v o l l e n d e t angenommen werden könnte; denn schon in diesem Zeitp u n k t hat Frau Schwarz eine wirtschaftliche Einbuße erlitten insofern, als sie k e i n e n e n t s p r e c h e n d e n G e g e n w e r t in ihr Vermögen erhielt, da schon in diesem Augenblick f ü r sie die G e f a h r bestand, von einem gutgläubigen Erwerber aus dem Scheck haftbar gemacht zu werden. (Siehe Art. 12, 22 Scheckgesetz.) Der Betrug hätte also auch dann schon in diesem Zeitpunkt als v o l l e n d e t angesehen werden müssen, wenn Frau Schwarz später den Scheck hätte sperren lassen. (BGH. 1, 92.)

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3. Würden die zur Aufklärung dieses Falles erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis führen, daß Anton den S c h e c k d u r c h B e t r u g e r l a n g t hat, d a n n wäre die weitere Frage zu prüfen, ob in der V e r w e n d u n g des erschwindelten Schecks zur T i l g u n g e i n e r S c h u l d a n d i e F i r m a M e y e r d i e s e r gegenüber ein w e i t e r e r B e t r u g begangen wurde. Auch diese Frage dürfte zu b e j a h e n sein. Ebenso wie f ü r Frau Schwarz in dem Augenblick, als Anton sich von ihr den Scheck durch schwindelhaftes Verhalten verschafft hat, die G e f a h r bestand, von einem gutgläubigen Dritten aus dem fraglichen Scheck in Anspruch genommen zu werden, lief andererseits die F i r m a M e y e r bei Abschluß des Kaufvertrags G e f a h r , daß der von Anton durch Betrug erlangte Scheck infolge möglicher Sperrung durch Frau Schwarz zunächst nicht eingelöst wird, d. h. daß die Firma bei der Einlösung z u n ä c h s t Schwierigkeiten haben werde. Daran ändert nichts die Tatsache, daß, wie schon oben bemerkt, gemäß Art. 12, 22 Scheckgesetz die zahlungsfähige Frau Schwarz der gutgläubigen Firma gegenüber f ü r die Schecksumme von 300 Mark sicher war, denn ein durch Betrug erlangter Scheck gilt nicht als „abhanden gekommen" i. S. des Art. 21, Scheckgesetz. Der Vermögensschaden würde also auch in diesem Falle in einer V e r m ö g e n s g e f ä h r d u n g bestehen, insofern, als die Firma Meyer als Gegenwert f ü r die Lieferung von Kleidungsstücken im Werte von 300 Mark eine mit einem „sittlichen Makel behaftete Sache" (siehe E. 73, 61 und oben Abschnitt C l 2 b ) , nämlich einen durch Betrug erlangten Scheck erhalten hätte. (Siehe auch die schon erwähnte Entscheidung BGH. 1, 92.) 4. Z u s a m m e n f a s s e n d kommen wir somit zu dem Ergebnis, d a ß sich Anton, falls er sich den Scheck durch Betrug verschafft hat, durch dessen Weitergabe eines w e i t e r e n B e t r u g s z. N. d e r F i r m a M e y e r schuldig gemacht hat, vorausgesetzt natürlich, daß auch f ü r den zweiten Betrug ein ausreichender Beweis dafür erbracht werden kann, daß auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 263, wie sie in den verschiedenen bisher behandelten Fällen erörtert worden sind, vorliegen. Daß der zweite Betrug nicht etwa eine s t r a f l o s e N a c h t a t gegenüber dem ersten bedeutet, ergibt sich aus der Tatsache, d a ß es sich in beiden Fällen um v e r s c h i e d e n e P e r s o n e n als G e s c h ä d i g t e handelt. Zwischen beiden Betrugsfällen liegt Realkonkurrenz (Tatmehrheit) i. S. des § 74 vor.

II. Die abredewidrige Ausfüllung des Blankoakzepts und seine Weitergabe 1. V o r b e m e r k u n g : Die V e r m ö g e n s V e r f ü g u n g (das sog. ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 263) bildet, wie wir schon wiederholt festgestellt haben, das B i n d e g l i e d zwischen der Täuschungshandlung und der Vermögensschädigung, zu deren Erreichung sich der Täuschende des Getäuschten gewissermaßen als eines „ g u t g l ä u b i g e n W e r k z e u g s " bedient. U n d zwar m u ß der Schaden u n m i t t e l b a r durch die Handlung des Getäuschten herbeigeführt werden. (Es liegt daher

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k e i n B e t r u g , sondern D i e b s t a h l vor, wenn es sich n u r u m ein w i d e r s t a n d s l o s e s G e s c h e h e n l a s s e n der W e g n a h m e einer Sache handelt. W e n n also z. B. der T ä t e r unter d e m täuschenden V o r w a n d , er sei Angestellter des Elektrizitätswerks u n d wolle den Verbrauchszähler nachprüfen, sich Zutritt zur W o h n u n g verschafft u n d d a n n dort einen Gegenstand wegnimmt, oder wenn der T ä t e r sich fälschlicherweise als K r i m i n a l b e a m t e r ausgibt, u m auf diese Weise einen d u r c h i h n „beschlagn a h m t e n " Gegenstand sich persönlich zuzueignen, so liegt kein Betrug, sondern Diebstahl vor.) 2 . I m v o r l i e g e n d e n F a l l e interessiert lediglich die Frage, w e r d e r „ V e r f ü g e n d e " i s t , wenn die V e r f ü g u n g d u r c h Abschluß eines V e r t r a g s geschieht. a ) N a c h E. 49, 19 ist nur derjenige der „ V e r f ü g e n d e " i. S. des § 263, der die V e r f ü g u n g s g e w a l t über den G e g e n s t a n d d e s V e r t r a g s besitzt, w e n n auch die Mitwirkung eines a n d e r e n z u m Abschluß des Vertrags unentbehrlich ist. Wird also eine Sache veräußert, eine Ford e r u n g abgetreten, ein Schuldverhältnis begründet, so ist nach dieser Rechtsprechung V e r f ü g e n d e r n u r der Veräußerer, der Abtretende, n i c h t a b e r a u c h der, der die Sache oder die F o r d e r u n g erwirbt, obwohl ohne seine M i t w i r k u n g die V e r f ü g u n g u n d damit auch die den Bestand eines Vermögens vermindernde W i r k u n g der V e r f ü g u n g nicht möglich ist. b ) Diese ursprüngliche Rechtsprechung w u r d e d a n n s p ä t e r (siehe E. 64, 228) d a h i n geändert bzw. e r w e i t e r t , d a ß der Begriff „Verf ü g u n g " i. S. des § 263 nichts anderes bedeute, als d a ß d u r c h d e n v o m T ä t e r e r r e g t e n I r r t u m d e r G e t ä u s c h t e zu e i n e m rechtsg e s c h ä f t l i c h e n H a n d e l n b e s t i m m t w i r d , d a s r e c h t l i c h in den V e r m ö g e n s b e s t a n d eines a n d e r e n eingreift. 3. U n t e r Z u g r u n d e l e g u n g d i e s e r I n t e r p r e t a t i o n des Begriffs der V e r m ö g e n s v e r f ü g u n g ergibt sich für den vorliegenden Fall folgende Lösung: a ) V o r b e m e r k u n g : Der B l a n k o w e c h s e l ist eine hinsichtlich sämtlicher oder einzelner Wechselerfordernisse in b l a n k o , d. h. u n a u s g e f ü l l t gelassene U r k u n d e , die aber mit der Bestimmung d e m Verkehr übergeben wird, d a ß sie in d e m unvollständigen Teile ausgefüllt und d a m i t zu einem vollständigen Wechsel werde. b ) Z u n ä c h s t h a t A n t o n d a d u r c h , d a ß er das Blankoakzept a b r e d e w i d r i g m i t einer Wechselsumme von 700 M a r k (statt wie vereinbart mit höchstens 500 Mark) ausgefüllt u n d den so fertiggestellten Wechsel a n einen gutgläubigen Dritten zur Deckung einer Schuld weitergegeben hat, sich einer U r k u n d e n f ä l s c h u n g i. S. des § 267, nämlich der H e r s t e l l u n g e i n e r u n e c h t e n U r k u n d e zur T ä u s c h u n g im Rechtsverkehr, schuldig gemacht. Es handelt sich zwar nicht u m einen der beiden R e g e l f ä l l e dieser ersten Alternative des § 2 6 7 , d a ß nämlich die g a n z e Erklärung einschließlich der Unterschrift von einem anderen h e r r ü h r t als demjenigen, der als ihr Aussteller erscheint ( b e i d e K o m p o n e n t e n , I n h a l t

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und Unterschrift sind erdichtet) oder daß ein schon vorhandener Text mit einem fremden Namen unterzeichnet wird, sondern um eine u n b e f u g t e T e x t a u s f ü l l u n g , um eine sog. B l a n k e t t f ä l s c h u n g , die sowohl dann vorliegt, wenn der Text vollkommen ohne Willen des Ausstellers auf das Papier gesetzt wird, als auch dann, wenn dies (wie im v o r l i e g e n d e n F a l l e ) entgegen einer mit dem Aussteller getroffenen V e r e i n b a r u n g geschieht. Auch in einem solchen Falle des M i ß b r a u c h s d e r A u s s t e l l u n g s v o l l m a c h t (ähnlich dem Mißbrauchstatbestand des § 266) wird eine u n e c h t e U r k u n d e h e r g e s t e l l t , denn auch hier erscheint der Träger des Namens zu Unrecht als Urheber der Erklärung. ( F r ü h e r war diese Art der Urkundenfälschung ausdrücklich in einem besonderen § 268 geregelt, der anläßlich der Neufassung des § 267 durch V O . vom 29. Mai 1943 aufgehoben wurde; siehe auch Fall 5 Abschn. A V i f , S. 177 und B G H . 5, 295.) c) A n t o n hat sich nun durch W e i t e r g a b e dieser unechten Urkunde zum Zwecke einer Schuldentilgung eines B e t r u g s z u m N a c h t e i l d e r A k z e p t a n t i n S c h w a r z schuldig gemacht. aa) Anton hat durch die s t i l l s c h w e i g e n d e V o r s p i e g e l u n g der falschen Tatsache, der Wechsel gehe in Ordnung (siehe oben Abschn. G I 1), den A b n e h m e r des Wechsels g e t ä u s c h t und ihn dadurch zu einer V e r f ü g u n g , d. h. zu einem rechtsgeschäftlichen Handeln, nämlich den A b s c h l u ß e i n e s W e c h s e l b e g e b u n g s v e r t r a g e s bestimmt, der rechtlich in den Vermögensstand der Frau Schwarz eingegriffen hat; denn die bis dahin noch nicht vorhanden gewesene W e c h s e l v e r p f l i c h t u n g d e r F r a u S c h w a r z wurde jetzt zur E n t s t e h u n g gebracht. Dieser Eingriff bewirkte für die Akzeptantin Schwarz einen V e r m ö g e n s s c h a d e n , da sie nunmehr für eine Wechselschuld von 700 Mark statt für eine solche von 500 Mark haftete; denn die a b r e d e w i d r i g e A u s f ü l l u n g begründet nach Art. 10 und 17 des Wechselgesetzes vom 21. Juni 1933 die E i n r e d e d e r A r g l i s t nur gegenüber dem, der die Ausfüllung widerrechtlich bewirkt hat, nicht aber gegenüber gutgläubigen Erwerbern. (E. 51, 166; 64, 226.) (Daß G e t ä u s c h t e r und G e s c h ä d i g t e r im v o r l i e g e n d e n Falle n i c h t d i e g l e i c h e P e r s o n ist, steht, wie schon oben in Abschn. A II 2 b, bb erwähnt wurde, der Anwendung des § 263 nicht entgegen.) bb) Es bedarf lediglich noch die Frage einer Prüfung, ob der V e r w e n d u n g s z w e c k des Blankowechsels der Annahme einer Vermögensschädigung entgegensteht; denn es ist nach Sachlage anzunehmen, daß mit „ G r a t i f i k a t i o n e n " für beschleunigte Beschaffung einer Wohnung nur B e s t e c h u n g s g e l d e r für Beamte des Wohnungsamtes gemeint waren. Waren sich Anton und Frau Schwarz über eine solche Verwendung einig, dann sind gemäß § 138 BGB. zivilrechtlich gültige Rechtsbeziehungen zwischen Anton und Frau Schwarz nicht entstanden, und es erhebt sich die Frage, ob t r o t z d e r n i c h t i g e n V e r e i n b a r u n g ein Vermögensschaden i. S. des § 263 für Frau Schwarz eingetreten ist. Die Frage ist zu b e j a h e n . Die f r ü h e r e Rechtsprechung ging allerdings dahin, daß,

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wer auf Grund eines unwirksamen, z. B. unsittlichen Vertrags eine Leistung aus seinem Vermögen bewirkt, trotz des Ausbleibens der Gegenleistung keinen Schaden erleide, weil er auf sie keinen Anspruch habe, m. a. W. daß der Tatbestand des Betrugs einen E i n g r i f f in das r e c h t lich g e s c h ü t z t e V e r m ö g e n erfordere. Mit dem grundlegenden Beschluß der V e r e i n i g t e n S t r a f s e n a t e vom 14. November 1910 betr. V e r k a u f u n t a u g l i c h e r A b t r e i b u n g s m i t t e l (E. 44, 230) wurde mit der alten Rechtsprechung gebrochen und der Grundsatz aufgestellt, daß a u c h geschädigt ist, wer auf Grund einer Täuschung leistet, um eine u n s i t t l i c h e Gegenleistung zu erlangen, obgleich er nach § 8 1 7 BGB. einen Rückforderungsanspruch nicht hat. Es g i b t a l s o k e i n g e g e n B e t r u g u n g e s c h ü t z t e s V e r m ö g e n . (Siehe auch die Rechtsprechung zum „betrogenen Betrüger" in E. 44, 230 und E. 65, 3ff. sowie BGH. 2, 364; 8, 256 und Fall 5, Abschn. A I V 2 b, S. 171.) d) Die Weitergabe des abredewidrig ausgefüllten Blankowechsels enthält gleichzeitig auch einen B e t r u g zum N a c h t e i l des W e c h s e l a b n e h m e r s : Obwohl die Akzeptantin Schwarz, wie oben ausgeführt, dem gutgläubigen Abnehmer des Wechsels trotz der Blankettfälschung in Höhe der Wechselsumme von 700 Mark haftet, ist der g e t ä u s c h t e A b n e h m e r durch die Diskontierung des Wechsels g e s c h ä d i g t worden, denn er hat den Wechsel als einen ordnungsmäßigen entgegengenommen, während infolge der Blankettfälschung mit der G e f a h r zu rechnen war, daß die Akzeptantin bei einem Versuche des Abnehmers, den Wechselbetrag von 700 Mark einzuziehen, S c h w i e r i g k e i t e n bereiten und daß die Beitreibung des Betrags die Führung eines Rechtsstreits notwendig machen werde. Eine darin liegende V e r m ö g e n s g e f ä h r d u n g des Abnehmers des Wechsels steht, wie schon oben wiederholt erwähnt, einer Vermögensbeschädigung gleich. (E. 64, 226.) (N. B. Wäre auf dem Wechsel die Z a h l 500 gestanden und Anton hätte lediglich in B u c h s t a b e n 700 Mark geschrieben, so wäre auch in diesem Falle der Tatbestand des § 267 gegeben, da nach Art. 6 des Wechselgesetzes bei Verschiedenheit der Summe die B u c h s t a b e n z a h l maßgebend ist.) 4. Da schließlich nach Sachlage kaum ein Zweifel sein kann, daß Anton auch v o r s ä t z l i c h gehandelt hat, d. h. daß er das B e w u ß t s e i n hatte von einer irgendwie durch sein Verhalten eintretenden Vermögensbeschädigung, sei es z. N. der Frau Schwarz, sei es z. N. des Abnehmers des Wechsels, ist somit z u s a m m e n f a s s e n d f e s t z u s t e l l e n , daß sich Anton einer U r k u n d e n f ä l s c h u n g i. S. des §267, begangen in T a t e i n h e i t mit einem z. N. der Frau Schwarz und des Wechselabnehmers verübten B e t r u g , schuldig gemacht hat. (Daß T a t e i n h e i t und nicht Tatmehrheit vorliegt, ergibt sich aus den Ausführungen in Fall 3, Abschnitt A I I 2 c, S. 129.)

III. Die Abänderung des zweiten Wechsels und dessen Weitergabe 1 . Ebenso wie im obigen Falle hat sich Anton dadurch, daß er auf dem fertigen Wechsel die Zahl 5 in die Zahl 6 a b g e ä n d e r t hat, einer

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U r k u n d e n f ä l s c h u n g schuldig gemacht, d. h. er hat in diesem Falle eine „ e c h t e U r k u n d e v e r f ä l s c h t " (zweite Alternative des §267). 2. Ein B e t r u g g e g e n ü b e r d e r A k z e p t a n t i n S c h w a r z kommt in diesem Fall aber n i c h t in Frage; denn eine Fälschung des fertigen Wechsels in wesentlichen Teilen (wozu in erster Linie Unterschrift und Wechselsumme gehören) betrifft die G ü l t i g k e i t d e r w e c h s e l r e c h t l i c h e n E r k l ä r u n g mit der aus Art. 69 Wechselgesetz sich ergebenden Folge, daß der Akzeptant nicht für die erhöhte, sondern n u r f ü r d i e u r s p r ü n g l i c h e Summe haftet, und der Einwand der Fälschung daher j e d e m Wechselinhaber, auch dem Gutgläubigen gegenüber geltend gemacht werden kann. Es tritt somit eine Schädigung des Vermögens des Akzeptanten nicht ein, es sei denn, daß man, ebenso wie auf Seiten des Abnehmers im Falle des Blankowechsels, auch eine vermögensrechtliche G e f ä h r d u n g des Akzeptanten im Falle des verfälschten Wechsels als vorliegend erachtet. 3. Dagegen hat sich Anton zweifellos g e g e n ü b e r d e m g e t ä u s c h t e n A b n e h m e r des verfälschten Wechsels, der diesen in Höhe der verfälschten Summe in Zahlung genommen hat, andererseits aber seine Ansprüche gegen Frau Schwarz als Akzeptantin nur in Höhe der ursprünglichen Summe realisieren kann, eines v o l l e n d e t e n B e t r u g s schuldig gemacht. I V . Während die obigen Ausführungen in den Abschnitten I — I I I sich jeweils mit der E i n z e l b e h a n d l u n g der drei in das Vermögen der Frau Schwarz erfolgten Eingriffe befaßte, f ü h r t eine G e s a m t w ü r d i g u n g des betrügerischen Verhaltens Antons gegenüber Frau Schwarz zu f o l gendem Ergebnis: 1. Schon die v o r d e r V e r l o b u n g gemachten u n w a h r e n A n g a b e n Antons, er werde in absehbarer Zeit als Teilhaber in das Geschäft seines Onkels aufgenommen, rechtfertigen den Verdacht, d a ß Anton schon damals keine ehrlichen Absichten gegenüber Frau Schwarz verfolgte. 2. D a ß auch bei der e r s t e n g e l d l i c h e n I n a n s p r u c h n a h m e der Frau Schwarz ( S c h e c k ü b e r 3 0 0 M a r k ) ein nicht unerheblicher Verdacht in der Richtung besteht, daß Anton dieses Vermögensobjekt durch Betrug erlangt hat, wurde schon oben erörtert. 3. Dieser Verdacht m u ß d a n n aber zu einem d r i n g e n d e n T a t v e r d a c h t bezüglich der Verschaffung der b e i d e n W e c h s e l führen. Offensichtlich war die unwahre Erklärung, das geforderte Geld zur Erlangung einer gemeinsamen Wohnung zu verwenden, ein notwendiges Teilstück seiner betrügerischen Vorspiegelungen, die Anton f ü r notwendig hielt, u m die zur Schuldenzahlung erforderlichen Geldbeträge zu erhalten. 4. Diese Feststellungen, d a ß Anton s p ä t e s t e n s b e i d e r B e s c h a f f u n g d e r b e i d e n W e c h s e l dolos i. S. des §263 gehandelt hat, d . h . daß er sich durch Betrug in den Besitz der Wechsel gesetzt hat, führen rechtlich zu folgendem Ergebnis:

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a) Die W e i t e r g a b e des abredewidrig ausgefüllten ersten und des verfälschten zweiten Wechsels bildet, soweit F r a u S c h w a r z als Geschädigte in Frage kommt, zusammen mit den schon bei der Erlangung der Wechsel begangenen Betrugsfällen eine f o r t g e s e t z t e T a t , vorausgesetzt, daß Antons Vorsatz sich von vornherein auch auf diese betrügerischen Manipulationen an den beiden Urkunden erstreckte. (Siehe hierzu Nachtrag B zu Fall 2.) b) Mit diesem fortgesetzten Betrug z. N. der Frau Schwarz fallen tateinheitlich (§ 73) zusammen die beiden z. N. der gutgläubigen W e c h s e l a b n e h m e r begangenen, unter sich in Realkonkurrenz (§ 74) stehenden Betrugsfälle und die beiden Urkundenfälschungen. (Siehe BGH. 1, 67 und Nachtrag A zu Fall 6, S. 216.)

E. Sonstige Rechtsfragen I. D e r S t r a f a n t r a g . (Siehe auch Nachtrag B dieses Falles.) 1. Nach §§ 247 Abs. 1, 263, Abs. 5 können U n t e r s c h l a g u n g bzw. D i e b s t a h l oder B e t r u g , wenn die T a t g e g e n A n g e h ö r i g e begangen wurde, nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn der „ V e r l e t z t e " , d. h. derjenige, in dessen Rechtssphäre die verbotene Handlung eingreift (E. 68, 305), einen S t r a f a n t r a g gemäß § 61 stellt. 2. Als „ A n g e h ö r i g e " i. S. des § 52 Abs. 2 haben u. a. auch die G e s c h w i s t e r zu gelten, und zwar a u c h d i e h a l b b ü r t i g e n . Dieses Verhältnis der Angehörigkeit erstreckt sich aber n i c h t auf die N a c h k o m m e n der Geschwister. O n k e l X a v e r u n d N e f f e A n t o n s i n d a l s o k e i n e A n g e h ö r i g e n i. S. des § 52 Abs. 2. Aus dieser Tatsache ergibt sich f ü r die v o r l i e g e n d e n F ä l l e , daß es, soweit eine Unterschlagung bzw. ein Betrug, begangen g e g e n ü b e r M ü n c h in Frage kommt (siehe oben Abschn. A) g l e i c h g ü l t i g ist, ob im Einzelfall die Firma Müller oder der Prokurist Münch als „ V e r l e t z t e " i. S. des §61 in Frage kommen. Läge ein A n g e h ö r i g e n v e r h ä l t n i s zwischen Xaver und Anton Müller vor (wäre z. B. Anton der Schwiegersohn oder Stiefsohn des Xaver Müller), dann wäre rechtlich folgendes zu beachten: a) Soweit U n t e r s c h l a g u n g des Hundertmarkscheins in Frage kommt, würde als V e r l e t z t e r Xaver Müller zu gelten haben, denn die Gelder, die Münch zur Auszahlung der Provisionen an die Reisenden zur Verfügung standen, gehörten dem Firmeninhaber zu Eigentum. Eine Verfolgung Antons wegen Unterschlagung wäre also (im Falle des Vorliegens eines Angehörigenverhältnisses) von der Stellung eines Strafantrags abhängig. b) Soweit der Vorgang als B e t r u g zu werten wäre, müßte festgestellt werden, ob nach dem Anstellungsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Abmachung ein Kassenmanko zu Lasten des Prokuristen M ü n c h gehen sollte. W ä r e dies der Fall, dann käme a l s V e r l e t z t e r

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n u r M ü n c h in Frage; ein Strafantrag wäre also zur Verfolgung Antons nicht erforderlich. Andernfalls aber, d. h. wenn ein Kassenmanko immer zu Lasten der Firma ging, dann müßte zwecks Bestrafung Antons der Firmeninhaber X a v e r M ü l l e r e i n e n S t r a f a n t r a g stellen. Denn beim Betrug können zwar, wie schon oben in Abschn. A I I 2 b erwähnt wurde, G e t ä u s c h t e r und G e s c h ä d i g t e r v e r s c h i e d e n e Personen sein (Getäuschter und Verfügender müssen dagegen identisch sein), aber als V e r l e t z t e r i. S. des §61 kommt immer n u r d e r G e s c h ä d i g t e und nicht auch der Getäuschte in Frage; denn § 263 dient lediglich dem Schutze des Vermögens. (E. 74, 167.) (N. B. Dagegen gilt beim D i e b s t a h l als V e r l e t z t e r sowohl der E i g e n t ü m e r als auch der G e w a h r s a m s i n h a b e r ; es bedarf daher zur Bestrafung wegen Diebstahls keines Strafantrags, wenn einer von den beiden Verletzten nicht zu den in § 247 genannten Personen gehört. Wenn also z. B. der Sohn ein seinem Vater gehörendes Fahrrad, das sich zur Reparatur bei einem Fahrradhändler befindet, diesem in diebischer Absicht wegnimmt, so ist die Bestrafung des Sohnes wegen Diebstahls nicht von einem Strafantrag des Vaters abhängig.) 3. Was schließlich die B e t r ü g e r e i e n z u m N a c h t e i l d e r F r a u S c h w a r z betrifft, gilt folgendes: Als V e r l o b t e i. S. des § 52 Abs. 2 sind nur solche Personen anzusehen, die sich gegenseitig ein e r n s t l i c h gem e i n t e s E h e v e r s p r e c h e n gegeben haben (E. 61, 270; BGH. 3, 216.). Da Anton, wie wir oben festgestellt haben, offenbar von vornherein darauf ausging, die ihn bedrängenden Gläubiger mit Hilfe der Ersparnisse seiner „ B r a u t " loszuwerden, waren seine Erklärungen, er wolle Frau Schwarz später heiraten, ein notwendiges Teilstück seiner betrügerischen Vorspiegelungen, um die von ihm benötigten Gelder zu erlangen. D a ß Frau Schwarz zunächst an die Ernsthaftigkeit des Eheversprechens glaubte, ist dabei gleichgültig. Z u r S t r a f v e r f o l g u n g d e r zum Nachteil der Frau Schwarz begangenen Betrügereien ist d e m n a c h ein S t r a f a n t r a g g e m ä ß § 263 Abs. 5 n i c h t erforderlich.

II. Antons Vorleben 1. D a s V e r s c h w e i g e n d e r V o r s t r a f e n . Von besonderer Bedeutung auf dem Gebiete des sog. E i n g e h u n g s b e t r u g s , der im täglichen Leben weit häufiger in Frage kommt, als der sog. E r f ü l l u n g s b e t r u g (bei dem sich der Vermögensschaden aus der Vergleichung des vom Verletzten vorher erworbenen Vertragsrechts mit dem Wert derjenigen Leistung, die er als Erfüllung erhält und annimmt, ergibt, siehe E. 16, ioff.), ist die d u r c h T ä u s c h u n g b e w i r k t e B e g r ü n d u n g eines Arbeitsverhältnisses. a ) Wird ein P r i v a t d i e n s t v e r t r a g abgeschlossen, so kann sich der Stellenbewerber eines B e t r u g s schuldig machen, wenn er die Stelle dadurch erhält, daß er eine gewisse b e r u f l i c h e V o r b i l d u n g vorspiegelt, die er trotz gleicher tatsächlicher Leistung nicht besitzt, voraus-

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Die Lösungen

gesetzt, d a ß d e m Stellungsuchenden höherer L o h n versprochen w u r d e als f ü r einen Bewerber o h n e die b e h a u p t e t e V o r b i l d u n g n a c h d e n auf d e m Arbeitsmarkte geltenden Sätzen üblich ist (E. 65, 275). Das gleiche gilt f ü r den Fall, d a ß d e r Bewerber eine b e s o n d e r e V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t u n d Z u v e r l ä s s i g k e i t vorspiegelt u n d die Bezahlung gerade m i t Rücksicht d a r a u f besonders hoch festgesetzt ist, weil es sich u m eine Vertrauensstellung h a n d e l t (E. 73, 268; 75, 8 ; B G H . 1, 14). b ) Bei E r s c h l e i c h u n g e i n e r B e a m t e n s t e l l u n g d ü r f t e Eingehungsb e t r u g d a n n in F r a g e k o m m e n , w e n n d e r T ä t e r n a c h seinem Vorleben u n w ü r d i g u n d u n t a u g l i c h ist; d e n n d a n n steht d e r Ü b e r n a h m e der beamtenrechtlichen Fürsorge wegen Untauglichkeit des T ä t e r s zu einer Beamtenstellung ein Gegenwert nicht gegenüber. (E. 65, 282; siehe a u c h D R Z . 48, S. 66, betr. betrügerische Erschleichung d e r A u f n a h m e in den juristischen Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendar.) c) I m v o r l i e g e n d e n F a l l e d ü r f t e sich A n t o n g e g e n ü b e r d e r P o l i z e i d i r e k t i o n K a r l s r u h e eines B e t r u g s schuldig g e m a c h t h a b e n , d e n n d a ß eine wegen Betrugs wiederholt vorbestrafte Person als f ü r den B e r u f e i n e s P o l i z e i b e a m t e n u n t a u g l i c h anzusehen ist, bedarf keiner E r ö r t e r u n g . (Siehe J R . 48, 141.) N i c h t dagegen k a n n mit gleicher Bestimmtheit bezüglich der E r l a n g u n g einer A n s t e l l u n g a l s P r o v i s i o n s r e i s e n d e r entschieden werden, d a eine solche Beschäftigung i m allgemeinen nicht auf einem besonderen Vertrauensverhältnis beruht. (NB. Gegen das in d e r e r w ä h n t e n R e c h t s p r e c h u n g z u m Ausdruck komm e n d e Bestreben, die w i r t s c h a f t l i c h e I n t e r p r e t a t i o n des Vermögensschadensbegriffs zugunsten einer „ p e r s o n a l e n " aufzugeben, u m die d u r c h Fehlen eines T a t b e s t a n d s d e r „ A m t s e r s c h l e i c h u n g " bestehende Lücke im geltenden StGB, zu schließen — in § 146 des Entwurfs 1927 w a r ein solcher T a t b e s t a n d vorgesehen — w e r d e n mit R e c h t Bedenken geltend g e m a c h t , siehe S J R . 47, 212 u n d die dortige A n m e r k u n g . ) 2. Die V o r s t r a f e n als R ü c k f a l l v o r a u s s e t z u n g e n a) Die Voraussetzungen des § 264 sind i h r e m Wesen n a c h ebenso geregelt, wie diejenigen f ü r d e n Rückfalldiebstahl in §§ 244 Abs. 1, 245. (Siehe N a c h t r a g zu Fall 3.) N a c h d e m G e s e t z e s w o r t l a u t wird zunächst vorausgesetzt, d a ß die V o r b e s t r a f u n g des T ä t e r s i m „ I n l a n d " , d. h. in einem z u m „ D e u t s c h e n R e i c h " gehörigen Gebiet erfolgt ist (E. 21, 19). N a c h der r e i c h s g e r i c h t l i c h e n R e c h t s p r e c h u n g sollen a b e r d e m Willen des Gesetzgebers entsprechend, V o r b e s t r a f u n g e n , die zwar nicht i n n e r h a l b d e r G r e n z e n des Inlandes, aber in einem von D e u t s c h l a n d b e s e t z t u n d verwaltet gewesenen Gebiet d u r c h ein d e u t s c h e s M i l i t ä r g e r i c h t (E. 54, 48) oder ein b ü r g e r l i c h e s G e r i c h t (E. 75, 374) erfolgt sind, als im „ I n l a n d " erfolgt gelten; d e n n ausschlaggebend sei lediglich die T a t s a c h e , d a ß die V o r b e s t r a f u n g e n in B e t ä t i g u n g d e r i n l ä n d i s c h e n G e r i c h t s b a r k e i t , d. h. auf G r u n d des deutschen Strafrechts u n d eines den inländischen A n f o r d e r u n g e n e n t s p r e c h e n d e n Verfahrens erfolgt sind. (Siehe auch E. 63, 395; 73, 38, 379, 386; 75, 344; 77, 100 u n d B G H . 4, 335.)

Fall i

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b) Sind also die s o n s t i g e n V o r a u s s e t z u n g e n des § 264, vor allem auch die des Absatz 3 (§ 245) gegeben (nach dem v o r l i e g e n d e n Tatbestand kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden), dann bestünden gegen eine Anwendung des § 264 keine Bedenken. (Siehe auch BGH. 7 , 2 6 5 . ) 3. Sind die V o r a u s s e t z u n g e n des A b s a t z 4 des § 263 ( b e s o n d e r s s c h w e r e r Fall) g e g e b e n ? a) In b e s o n d e r s s c h w e r e n F ä l l e n tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Z u c h t h a u s bis zu 10 J a h r e n . Nach E. 69, 169 setzt ein solcher Fall immer voraus, daß er sich einigermaßen deutlich von dem gewöhnlichen Bilde einer strafbaren Handlung der in Betracht kommenden Art in einer den Täter belastenden Weise unterscheidet, wobei die Tat in ihrer Gesamtheit e i n s c h l i e ß l i c h V o r l e b e n des Täters zu würdigen ist. Von den imGesetz früher beispielsweise angeführtenFällen dürften auch n a c h Aufhebung des Abs. 4 Satz 2 des § 263 durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz die dort angeführten Erschwerungsgründe, nämlich „Arglist" und „besonders großer Schaden" nach wie vor als zur Begründung eines „schweren Falls" geeignet anzusehen sein. b) Würde man das Vorliegen des Absatz 4 des § 263 b e j a h e n (siehe wegen des Begriffs „besondere Arglist" E. 76, 53), dann wäre noch f o l g e n d e s zu b e a c h t e n : Die in Schrifttum und Rechtsprechung umstrittene, vor allem für den Versuch und die Verjährung bedeutsame Frage, ob bei Vorliegen eines besonders schweren Falles das V e r g e h e n des Betrugs zu einem V e r b r e c h e n wird, wurde in BGH. 2, 181 in Übereinstimmung mit E. 69, 49 v e r n e i n t . Danach soll der a l l g e m e i n e G r u n d s a t z , daß bei Einordnung der strafbaren Handlung in die D r e i t e i l u n g des § 1 der o r d e n t l i c h e Strafrahmen maßgebend ist, auch dann gelten, wenn das Gesetz, ohne daß b e s o n d e r e Tatbestandsmerkmale für den außerordentlichen Strafrahmen aufgestellt sind, lediglich bei Vorliegen eines „besonders schweren Falles" ( § § 2 6 3 Abs. 4 ; 2 6 6 Abs. 2 ; 2 1 8 Abs. 1 und 4 ; 2 2 3 b Abs. 2 , 2 5 3 ) Zuchthausstrafe vorsieht. (NB. Umgekehrt ist nach BGH. 2, 393 eine w a h l w e i s e mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Handlung — siehe §§ 174, 224, 226 — stets ein V e r b r e c h e n , auch wenn sie im Einzelfalle mit einer Gefängnisstrafe geahndet wird; siehe auch BGH. 4, 226: Betrug, unter den Voraussetzungen des § 20 a begangen, ist nicht deshalb ein Verbrechen, sondern bleibt ein Vergehen, und BGH. 3, 47: Besonders schwere Fälle einer Ü b e r t r e t u n g — z. B. § 24 II des Jugendschutzgesetzes und § 25 II der Arbeitszeitordnung sind keine Vergehen.) III. Das Verhalten des Xaver Müller Zum Schlüsse bedarf noch die gegenüber Zeiß und Frau Schwarz geäußerte B i t t e des Xaver Müller, v o n w e i t e r e n S c h r i t t e n z u n ä c h s t A b s t a n d zu n e h m e n , einer strafrechtlichen Beurteilung. 1. Der erste Mischtatbestand des § 257 Abs. 1, die sog. p e r s ö n l i c h e B e g ü n s t i g u n g — und diese allein könnte hier in Frage kommen — verstößt gegen das Verbot der Vereitelung von Strafansprüchen des Staats. Petters,

Strafrechtsfälle mit L ö s u n g e n , n . A u f l .

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Die Lösungen

Die persönliche Begünstigung will die staatliche Rechtspflege hemmen, den Eintritt der Rechtsfolgen hindern, welche der Staat an die Begehung eines Verbrechens oder Vergehens knüpft. (E. 40, 393.) 2. Da somit O b j e k t der Straftat ein schon bestehender und von Rechts wegen verfolgbarer S t r a f a n s p r u c h bildet, kann von einer Begünstigungshandlung bei A n t r a g s d e l i k t e n erst n a c h S t e l l u n g d e s S t r a f a n t r a g s die Rede sein. So wenig der Verletzte, der es unterläßt, einen Strafantrag zu stellen, sich hierdurch der Begünstigung schuldig macht, ebensowenig „begünstigt" derjenige, der den Verletzten zu bestimmen sucht, von seinem Antragsrecht keinen Gebrauch zu machen (E. 40, 393). Soweit also X a v e r M ü l l e r in der i r r i g e n A n n a h m e , die gegenüber der „ B r a u t " begangenen Betrügereien seien Antragsdelikte, die Stellung eines Strafantrags verhindern wollte, müßte schon aus den oben erwähnten Gründen einem solchen Verhalten jede strafrechtliche Bedeutung abgesprochen werden. 3. Aber auch eine Einwirkung in der Richtung, k e i n e S t r a f a n z e i g e zu erstatten, dürfte nur dann den Tatbestand des § 257, erste Alternative, erfüllen, wenn die Einwirkung auf eine zur Verfolgung k r a f t G e s e t z e s v e r p f l i c h t e t e P e r s o n , z. B. einen Polizeibeamten erfolgt. (Siehe E. 9, 242; siehe aber auch E. 14, 88, wo dahin entschieden wurde, daß schon dann eine Beistandsleistung vorliegen könne, wenn j e m a n d den zur Anzeige einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat Entschlossenen bestimmt, von der Strafanzeige abzusehen.) U n t e r Z u g r u n d e l e g u n g d e r e r s t g e n a n n t e n E n t s c h e i d u n g ist i m v o r l i e g e n d e n F a l l e e i n e S t r a f b a r k e i t d e s X a v e r M ü l l e r z u v e r n e i n e n . (Ausführliche Erörterungen zu § 257 befinden sich in Fall 2 Abschn. B V 1, S. 107.)

Nachtrag A I. Weitere Betrugstatbestände: 1. Der N o t b e t r u g des § 264a Abs. 1 und der V e r w a n d t e n n o t b e t r u g des § 264a Abs. 4. O b der Täter die N o t l a g e selbst verschuldet hat, ist gleichgültig; erforderlich ist lediglich, daß die Not die Triebfeder des Handelns gewesen ist. (E. 69, 313.) Zu den „ g e r i n g w e r t i g e n G e g e n s t ä n d e n " gehören alle durch § 263 geschützten Vermögenswerte (BGH. 5, 263 in Abweichung von E. 63, 153). Wegen „Geringwertigkeit" siehe BGH. 6, 41. 2. Der V e r s i c h e r u n g s b e t r u g des § 265. a ) Er bedeutet gegenüber § 263 eine Vorverlegung der Vollendung, indem er die Vorbereitung eines Betrugs zu einem selbständigen Verbrechen macht. (NB. Vorbereitungshandlungen des Täters werden als v o l l e n d e t e T a t außerdem bestraft in §§ 1 5 1 , 245a, 296.) Die später etwa nachfolgende Erhebung der Versicherungsentschädigung bildet einen selbständigen Betrugstatbestand i. S. des § 74. (E. 17, 62; 48, 188). Nicht erforderlich ist, d a ß der Versicherungsvertrag gültig ist (BGH. 8, 343). Nach E. 68, 2 ist § 265 immer nur dann gegeben, wenn sich die betrügerische Absicht des Brandstifters gerade auf die von ihm angezündete versicherte

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Sache und auf die Verschaffung der Versicherungssumme bezieht, die h i e r f ü r zu zahlen ist. b) § 265 enthält zwei Mischtatbestände. aa) Inbrandsetzen (siehe Fall 9 Abschn. A I I I 1 a) einer gegen Feuersgefahr versicherten Sache irgendwelcher Art, also ohne Rücksicht auf die in §§ 306—308 getroffenen Einschränkungen, wobei zu beachten ist, daß § 265 häufig mit §§ 306, 308 tateinheitlich zusammentreffen wird. (E. 60, 129; BGH. 1, 209.) bb) Das Sinkenlassen oder Strandenlassen eines versicherten Schiffs. Voraussetzung ist in beiden Fällen ein formell gültiger Versicherungsvertrag, während es ohne Bedeutung ist, ob der Versicherungsschutz wegen Prämienrückstandes zeitweise ruht. c) Eine Bestrafung aus § 265 wirkt nicht rückfallbegründend. d) Der Strafaufhebungsgrund des § 310 findet auf § 265 keine Anwendung. (E. 56, 95.) e ) T ä t e r kann auch ein D r i t t e r sein, der selbst nicht versichert ist, somit an der Tat kein eigenes vermögensrechtliches Interesse hat. Da aber für den Versicherten die Erlangung der Versicherungssumme nur dann einen r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s v o r t e i l bedeutet, wenn er keinen Anspruch auf die Versicherungssumme hat, scheidet § 265 aus, wenn der Versicherte an der Brandstiftung des Dritten v ö l l i g u n b e t e i l i g t war. (E. 69, 1 und BGH. 1, 20g: Betrügerische A b s i c h t liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, durch Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalles sich oder einem anderen einen rechtsw i d r i g e n Vermögensvorteil in Gestalt der Versicherungssumme zu verschaffen. Eine solche Absicht f e h l t , wenn sie dahin geht, den Versicherungsnehmer [Versicherten] eine ihm von Rechts wegen zustehende Brandentschädigung zu verschaffen.) Der Versicherungsnehmer, der einen Dritten von der Inbrandsetzung nicht zurückhält, begeht Beihilfe, da er aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet ist, den drohenden Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern (NJW. 51, 204). Wird nur eine nichtVersicherte Sache in Brand gesetzt in der Absicht, allein durch Löschmaßnahmen eine versicherte zu zerstören und von dem Versicherer Ersatz des Löschschadens zu fordern, so ist § 265 nicht anwendbar. Wird dagegen eine versicherte Sache in Brand gesetzt, so ist eine betrügerische Absicht des Täters auch dann zu bejahen, wenn er den Versicherer nur wegen des Löschschadens an anderen Gegenständen in Anspruch zu nehmen gedenkt, die nicht Feuer gefangen haben (BGH. 6, 252). 3. Der A u t o m a t e n m i ß b r a u c h und das Erschleichen f r e i e n Eintritts. (5265a.) a) Die Bestimmung über den A u t o m a t e n m i ß b r a u c h war notwendig, da das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1933 (E. 68, 65) den Mißbrauch eines vollautomatisch betriebenen M ü n z fernsprechers als nicht unter den Tatbestand des Betrugs oder eine son6'

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Die Lösungen

stige Strafvorschrift fallend f ü r straflos erklärt hat. Der Mißbrauch von W a r e n a u t o m a t e n wird im allgemeinen nach § 242 zu bestrafen sein, so daß § 265a nur auf den sog. L e i s t u n g s a u t o m a t e n anwendbar ist. (Siehe Fall 3, Nachtrag, Abschn. I 5f, S. 140.) b) Mit der Schaffung des zweiten Tatbestandes, E r s c h l e i c h e n f r e i e n E i n t r i t t s , wurde die alte Streitfrage über die Strafbarkeit des sog. b l i n d e n P a s s a g i e r s (E. 42, 40), d. h. die Frage, ob in diesem Falle ein Betrug vorliege, da j a niemand getäuscht werde, beseitigt. c) Bei m i ß b r ä u c h l i c h e r B e n u t z u n g e i n e s F e r n s p r e c h e r s kommen folgende Tatbestände in Frage: aa) Wer von einem M ü n z f e r n s p r e c h e r aus die Nummer eines Telephonteilnehmers anruft, und, obwohl die Leitung frei ist, noch v o r M e l d u n g des Teilnehmers seiner vorgefaßten Absicht gemäß w i e d e r a b h ä n g t , hat die „Leistung eines Automaten erschlichen, in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten". bb) Wer in der Absicht, die Gebühren nicht zu entrichten, ein F e r n g e s p r ä c h unter der täuschenden Vorgabe herbeiführt, ein fester Fernsprechteilnehmer u n d nicht der Benutzer eines Münzfernsprechers sei der Besteller, macht sich des Betrugs nach § 263 schuldig, denn auf Grund dieser Täuschungshandlung gelingt es ihm, n e b e n der beabsichtigten Belästigung des Teilnehmers s i c h s e l b s t d e r Z a h l u n g s p f l i c h t z u e n t z i e h e n f ü r die auf seine Bestellung hergestellte Fernverbindung; die Post erleidet ferner einen S c h a d e n , da ein Drittel der Gebühr berechnet wird, wenn lediglich die Verbindung hergestellt, ein Gespräch aber nicht geführt wird. cc) Die B e n u t z u n g e i n e r ö f f e n t l i c h e n F e r n s p r e c h z e l l e zwecks m i ß b r ä u c h l i c h e r I n a n s p r u c h n a h m e des Münzfernsprechers ist H a u s f r i e d e n s b r u c h i. S. des § 123, weil das Betreten der Zelle, um einen Betrug oder einen Automatenbetrug zum Nachteile der Post zu begehen, dem erkannten Willen der Postverwaltung entgegensteht. 4. Die G e b ü h r e n ü b e r h e b u n g und A b g a b e n ü b e r h e b u n g der §§ 352, 353Beide Gesetzesstellen hönnen mit § 263 tateinheitlich zusammentreffen. (Siehe Zweiter Teil des Werkes, Fall 13 Abschn. A.) 5. Die u n l a u t e r e R e k l a m e des § 4 des Reichsgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. (Wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben, gemacht in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen usw.) Die Straftaten aus § 4 können ebenfalls tateinheitlich mit § 263 zusammentreffen. (E. 71, 16.) 6. Die N a h r u n g s m i t t e l f ä l s c h u n g nach §§ 4, 12 des Lebensmittelgesetzes vom 17. J a n u a r 1936, wonach insbesondere bestraft wird, wer zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr Lebensmittel nachmacht oder verfälscht.

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Kommt es zur Täuschung, so liegt zugleich Betrug vor. (E. 11, 355; 35. 29; 59, 311; 73, 83.) 7. Die Vergehen der §§ 24ff. des W a r e n z e i c h e n g e s e t z e s vom 18. Juli 953> wonach bestraft wird, wer im geschäftlichen Verkehr Waren usw. mit dem Namen oder der Firma eines anderen oder mit einem nach dem Gesetz geschützten Warenzeichen widerrechtlich versieht, oder wer derartig widerrechtlich gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält. Wird gleichzeitig eine Täuschung bezweckt und erreicht, so kann Tateinheit mit Betrug gegeben sein. (E. 29, 312; 42, 137.) I

8. Der S t e u e r b e t r u g nach § 396 Reichsabgabenordnung. a

) § 396 (früher § 359) lautet: „Wer zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erschleicht oder vorsätzlich bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt werden, wird wegen Steuerhinterziehung mit Geldstrafe bestraft." (Siehe Zweiter Teil des Werkes, Fall 9 Abschn. C.) b) § 396 enthält ein sog. S o n d e r g e s e t z und schließt deshalb die gleichzeitige Anwendung des § 263 aus. (E. 63, 142.) (NB. Das gleiche gilt für die Monopolhinterziehung des §119 Branntw. Mon. G. sowie für die P o r t o h i n t e r z i e h u n g des § 27 Postgesetz [E. 75, 302].) 9. Aus dem A k t i e n g e s e t z vom 30. Januar 1937: § 295 (wissentlich falsche Angaben bei der Gründung einer AG. und bei der Ausgabe von Aktien) und § 296 (betr. unwahre Darlegungen, Berichte oder Bilanzen). Beide Gesetzesstellen können mit Betrug zusammentreffen. (Siehe E. 24, 8; 30, 300; 53, 149.) 10. Aus dem Gesetz betr. die G e s e l l s c h a f t e n m i t b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g : § 82. (Wissentlich falsche Angaben gegenüber Handelsregister und unwahre Darstellung über die Vermögenslage.) Zusammentreffen mit Betrug ist möglich. 11. Aus dem B ö r s e n g e s e t z : § 88, dessen Abs. 1 den sog. Kursbetrug und dessen Abs. 3 den sog. Prospektbetrug unter Strafe stellt. Beide Gesetzesstellen können mit vollendetem oder versuchtem Betrug zusammentreffen, wenn der Täter zugleich den Vorsatz hat, durch die Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises bzw. durch die Herbeiführung von Zeichnungen oder Kaufgeschäften das Vermögen eines anderen zu beschädigen. Die Strafe ist gemäß § 73 aus § 88 a. a. O. als dem schwereren Gesetz gegenüber § 263 zu entnehmen. II. Eine Ergänzung bzw. Erweiterung des Tatbestandes der Unterschlagung und der Untreue i. S. der §§ 246, 266 enthalten die §§ 34> 38 des G e s e t z e s ü b e r die V e r w a h r u n g u n d A n s c h a f f u n g von W e r t p a p i e r e n vom 4. Februar 1937. (RGBl. I S. 171.)

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Die Lösungen

1 . § 34 ( D e p o t u n t e r s c h l a g u n g ) dieses Gesetzes lautet: „Ein Kaufmann, der, abgesehen von den Fällen der §§ 246, 266 des Strafgesetzbuchs und des § 95 Abs. 1 Nr. 2 des Börsengesetzes, eigenen oder fremden Vorteils wegen 1. über ein Wertpapier der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, das ihm als Verwahrer oder Pfandgläubiger anvertraut worden ist, oder das er als Kommissionär f ü r den Kommittenten im Besitz hat, oder das er im Falle des § 31 f ü r den Kunden im Besitz hat, rechtwidrig verfügt, 2. einen Sammelbestand solcher Wertpapiere oder den Anteil an einem solchen Bestand dem § 6 Abs. 2 zuwider verringert oder darüber rechtswidrig verfügt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu fünfJ a h r e n . Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die T a t das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt h a t . " Diese Bestimmung bezweckt, die Vergehen der Unterschlagung des § 246 und der Untreue des § 266 zu ergänzen und darf nur dann zur Anwendung kommen, wenn nicht einer dieser beiden Tatbestände vorliegt. § 34 a. a. O. könnte also z. B. dann Platz greifen, wenn dem Täter nicht nachzuweisen ist, daß er bei der rechtswidrigen Verfügung über die fremden Wertpapiere die Absicht hatte, sich dieselben anzueignen, d. h. wenn er den Nachweis erbringen kann, daß er jederzeit den Willen und die Möglichkeit hatte, die Papiere wieder zu ersetzen, und daß er die Herrschaftsgewalt über die Papiere dem Kunden nur vorübergehend entziehen wollte, z. B. durch Verpfändung mit dem Willen und der Möglichkeit, sie jederzeit wieder auszulösen. (E. 65, 215.) Die Bestimmung des § 34 greift ferner Platz bei Verfügungen über Wertpapiere, die — besonders im Falle der Einkaufskommission — n o c h Eigentum des Verfügenden, also f ü r ihn keine fremden Sachen i. S. des § 246 sind. (E. 66, 406.) § 34 kann also sowohl dann Anwendung finden, wenn es sich um f ü r den Bankier fremde, als auch wenn es sich u m n o c h in seinem Eigentum befindliche Wertpapiere handelt. 2. § 38 ( S c h w e r e D e p o t u n t e r s c h l a g u n g ) lautet: „Ein K a u f m a n n , der im Bewußtsein seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein fremdes Wertpapier, das er im Betrieb seines Handelsgewerbes als Verwahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär im Besitz hat, sich oder einem anderen rechtswidrig zueignet, wird mit Zuchthaus bestraft, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat oder wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist; dem Kommissionär steht ein K a u f m a n n gleich, der nach § 31 in Verbindung mit § 29 die Pflichten eines Verwahrers hat. Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten auch f ü r andere als die im § 1 Abs. 1 bezeichneten Wertpapiere.

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In minder schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten." Im Gegensatz zu § 34 wird hier die r e c h t s w i d r i g e Z u e i g n u n g mit Strafe bedroht. Der Täter muß handeln mit dem Bewußtsein der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, d. h. er muß in dem Augenblick, in dem er sich die Papiere rechtswidrig zueignet, wissen, daß er nicht in der Lage ist, dem Eigentümer der Wertpapiere einen Ersatz zu leisten. 3. Diese Strafbestimmungen der §§ 34, 38 des genannten Gesetzes finden nach § 39 auch auf die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder einer eingetragenen Genossenschaft, die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung usw. Anwendung in Ansehung von Wertpapieren, die sich im Besitz des Unternehmens befinden oder von den genannten Personen einem Dritten ausgehändigt sind. Nachtrag B Der Strafantrag I. G r u n d s ä t z l i c h werden strafbare Handlungen ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten von A m t s w e g e n verfolgt (sog. O f f i z i a l d e l i k t e ) . Nur in einer geringen Anzahl von Fällen ist die Strafverfolgung von der Stellung eines S t r a f a n t r a g s abhängig (sog. A n t r a g s d e l i k t e ) . Ein Teil der Antragsdelikte kann im Privatklageweg verfolgt werden (sog. P r i v a t k l a g e d e l i k t e , siehe hierzu § 374 StPO.). Der Kreis der Antragsdelikte ist weit größer als der der Privatklagedelikte; zu letzteren gehören vor allem die Beleidigung, die leichte bzw. fahrlässige Körperverletzung, der Hausfriedensbruch und die Sachbeschädigung. Ein Strafantrag ist e r f o r d e r l i c h bei den V e r b r e c h e n nach §§ 179, 236, 243 und 244 in Verbindung mit § 247; bei den V e r g e h e n nach §§ 104, 122b, 123, 170, 172, 182, 185—1873, 189, 223, 230, 232, 236, 237, 242 und 246 in Verbindung mit §§ 247, 248 a, 263 Abs. 5, 264 a Abs. 3, 265 a Abs. 3, 266 Abs. 3, 288, 289, 294, 299, 300, 301, 302, 303; bei den Ü b e r t r e t u n g e n nach § 370 Nr. 5 und 6. II. Der S t r a f a n t r a g des § 61 ist nach seiner rechtlichen Natur weder ein Tatbestandsmerkmal noch eine Bedingung der Strafbarkeit, sondern eine B e d i n g u n g d e r S t r a f v e r f o l g u n g , eine sog. P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g , E. 57, 143. (Siehe Systematische Vorbemerkungen Abschn. G III 3 a und Petters, Strafprozeßfälle, Nachtrag zu Fall 7.) Die Handlung ist also a u c h o h n e A n t r a g r e c h t s w i d r i g u n d s t r a f b a r . Wenn z. B. der Sohn dem Vater ein Fahrrad stiehlt und verkauft es an einen Dritten, der den Sachverhalt kennt, so ist der Dritte Hehler, auch wenn der Vater keinen Strafantrag gegen den Sohn stellt, denn der Sohn hatte das Fahrrad durch eine strafbare Handlung erlangt. Oder wenn der Dritte den Sohn zum Diebstahl anstiftet, dann ist er auch dann als Anstifter strafbar, wenn der Vater keinen Strafantrag gegen den Sohn stellt.

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Die Lösungen III. M a n unterscheidet a b s o l u t e u n d relative A n t r a g s d e l i k t e .

1. Von a b s o l u t e n spricht man, wenn die Verfolgung unter allen U m ständen von einem Antrag abhängig ist, z. B. in den Fällen der §§ 170, 172, 179, 236, 237. 2. R e l a t i v e Antragsdelikte sind solche, bei denen der Strafantrag nur bei Vorliegen g e w i s s e r n ä h e r e r B e z i e h u n g e n zwischen dem Täter und dem Verletzten erforderlich ist, wie z. B. bei Diebstahl, Unterschlagung und Betrug gegen Angehörige. I V . Der zum A n t r a g B e r e c h t i g t e ist der u n m i t t e l b a r V e r l e t z t e , d. h. der Träger des verletzten Rechtsguts. 1. Bei einigen Delikten bestimmt das Gesetz den Berechtigten ausdrücklich, z. B. in §§ 170, 182, 189, 288. 2. Beim D i e b s t a h l ist V e r l e t z t e r sowohl der Eigentümer als auch der Gewahrsamsinhaber, während beim B e t r u g Verletzter nur der Geschädigte und nicht auch der Getäuschte ist. 3. Der N i c h t v e r l e t z t e hat ein Antragsrecht im e i g e n e n Interesse in den Fällen der §§ 196, 232 und zur Wahrnehmung f r e m d e r Interessen im Falle der §§ 65, 182. (Siehe Fall 7, Abschn. A V I I I S. 230.) (Siehe auch Petters, Strafprozeßfälle, Fall 17 Abschn. B I 1 b.) 4. Das Antragsrecht ist u n v e r e r b l i c h , jedenfalls bei Verletzung eines h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n Rechtsguts; ob dies auch bei Verletzung m a t e r i e l l e r Rechtsgüter zutrifft, ist bestritten. (Siehe E. 1 1, 53.) V. Als I n h a l t d e s A n t r a g s genügt jede Erklärung, die den Willen des Berechtigten eindeutig erkennen läßt, daß w e g e n e i n e r b e s t i m m t e n T a t e i n e S t r a f v e r f o l g u n g e i n t r e t e n s o l l . (E. 64, 106.) 1. Einer ausdrücklichen Bezeichnung dieser Erklärung als Strafantrag bedarf es nicht; es gelten daher auch die Erhebung der Privatklage oder Nebenklage als Strafantrag (E. 31, 168). Eine rechtliche Qualifizierung der zu verfolgenden Handlung ist nicht erforderlich. 2. Nur bei den r e l a t i v e n (nicht bei den absoluten) Antragsdelikten m u ß die P e r s o n , gegen die sich der Antrag richtet, a u s d r ü c k l i c h g e n a n n t sein. (E. 31, 169.) 3. Der in dem Antrag zum Ausdruck gebrachte W i l l e muß b e s t i m m t sein. Eine a u f s c h i e b e n d e Bedingung macht den Antrag unwirksam während eine a u f l ö s e n d e nicht zu beachten ist. (E. 14, 96.) 4. Der Antrag kann in sachlicher und persönlicher Beziehung b e s c h r ä n k t sein. Der Verletzte kann also seinen Antrag sowohl auf e i n e von mehreren S t r a f t a t e n als auch auf e i n e von mehreren an einer Straftat beteiligten P e r s o n e n spezialisieren. (§ 63 wurde aufgehoben.) 5. H a t von m e h r e r e n V e r l e t z t e n n u r e i n e r Strafantrag gestellt, so deckt dieser Antrag nicht die fehlenden Anträge der anderen Antrags-

Fall I

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berechtigten. Deshalb darf die Verurteilung nicht auf die Verletzung derjenigen Personen erstreckt werden, die keinen Strafantrag gestellt haben. (E. 72, 44.) VI. Die F o r m des Antrags ist in § 158 Abs. 2 StPO. vorgeschrieben. Bei einem G e r i c h t oder der S t a a t s a n w a l t s c h a f t muß der Antrag schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde, also vor allem der P o l i z e i , kann er nur schriftlich gestellt werden. Bei A u f n a h m e e i n e s P r o t o k o l l s bei einem G e r i c h t oder der S t a a t s a n w a l t s c h a f t ist also nicht erforderlich, daß der Antragsteller das Protokoll unterschreibt; dagegen ist ein zu Protokoll der P o l i z e i b e h ö r d e gestellter Antrag nur dann als gültig anzusehen, wenn das Protokoll vom Antragsteller unterzeichnet ist. VII. Die Antragsfrist beträgt 3 Monate. 1. Sie hat den Z w e c k , aus Gründen der öffentlichen Rechtsordnung den Zustand der Unentschiedenheit darüber abzukürzen, ob der Staat verpflichtet sei, eine Straftat zu verfolgen oder nicht. (E. 71, 39.) 2. Die Frist ist nicht vom Tage der begangenen Handlung an zu berechnen (wie bei der Verjährung), sondern b e g i n n t m i t d e m T a g e , an dem der zum Antrag Berechtigte von der Handlung und von der Person des Täters K e n n t n i s erlangt hat. Hierzu gehört das Wissen von Tatsachen, die einen Schluß auf Handlung und Täter zulassen, und zwar ein solches Wissen, daß dem Antragsberechtigten „vom Standpunkt eines besonnenen Mannes aus" zugemutet werden kann, gegen den anderen mit dem Vorwurf einer strafbaren Handlung hervorzutreten und die Strafverfolgung herbeizuführen. (E. 45, 128.) Der an Gewißheit nahe angrenzende Verdacht ist der zuverlässigen Kenntnis gleichzusetzen. (E. 75, 300.) 3 . Sind m e h r e r e P e r s o n e n a n t r a g s b e r e c h t i g t , sei es, weil die Handlung mehrere unmittelbar verletzt, sei es, daß einer der oben in Abschn. IV 3 genannten Fälle vorliegt, so läuft für jeden eine b e s o n d e r e F r i s t , die mit seiner eigenen Kenntnis beginnt (§ 62). (Siehe E. 46, 203 betr. den Fall, daß gemäß § 196 mehrere Vorgesetzte antragsberechtigt sind.) 4 . Bei f o r t g e s e t z t e n Straftaten wird die Frist erst von der Kenntnis des letzten strafbaren Tätigkeitsaktes an berechnet. (E. 40, 32g.) Dasselbe gilt f ü r die E r f o l g s d e l i k t e , d. h. bei ihnen beginnt die Antragsfrist erst mit der Kenntnis vom Erfolg zu laufen. (E. 61, 303.) Beim D a u e r d e l i k t beginnt die Frist erst mit dem Aufhören des strafbaren Zustandes. (E. 43, 286.) (Siehe oben Abschn. A I I I 2 c am Ende.) 5. Die Antragsfrist ist von der V e r j ä h r u n g v o l l k o m m e n u n a b h ä n g i g . Selbstverständlich aber hat ein nach Eintritt der Verjährung gestellter Strafantrag keine Bedeutung. (Der Antrag kann auch noch in der Revisionsinstanz gestellt werden, BGH. 3, 73.)



Die Lösungen

V I I I . Besteht eine Fortsetzungstat teils aus A n t r a g s d e l i k t e n , teils aus O f f i z i a l d e l i k t e n , so kann die T a t auch ohne Strafantrag verfolgt werden, wie z. B. fortgesetzter Betrug teils v o r , teils n a c h der Verlobung. (E. 7 1 , 286.) I X . Der Strafantrag hat die Wirkung, daß die Staatsanwaltschaft zur Übernahme der Strafverfolgung b e r e c h t i g t und regelmäßig auch v e r p f l i c h t e t ist. Die Z u r ü c k n a h m e des Strafantrags ist grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn daß die Zurücknahme ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist (siehe §§ 123, 170 a Abs. 2, 194, 232, 247, 248 a, 263 Abs. 5, 264 a, 266 Abs. 3, 303, 370); dann ist sie aber nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig. (§ 64.) (Siehe auch B G H . 9, 149.) X . Fehlt d e r erforderliche S t r a f a n t r a g oder wird er in den gesetzlich zulässigen Fällen zurückgenommen, so ist das Verfahren e i n z u s t e l l e n (siehe § 260 Abs. 3 StPO.), und zwar auch dann, wenn die Anklage nicht wegen des Antragsdeliktes, sondern unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt wegen einer ohne Antrag verfolgbaren aber nicht erweislichen Straftat erhoben worden ist. (E. 72, 300.)

ZU FALL 2: A. Das Verhalten des Schlossers I . In der erfolgreichen Bestimmung des Ausläufers durch den Schlosser, ihm den Schlüssel f ü r das Warenlager zu überlassen, liegt an sich, rein äußerlich, eine A n s t i f t u n g z u r B e i h i l f e an dem von dem Schlosser begangenen Diebstahl. Da aber die Anstiftung zur Beihilfe Teilnahme an der T a t des Gehilfen, der Gehilfe aber Teilnehmer an der T a t des Haupttäters ist, enthält die Anstiftung zur Beihilfe mittelbar eine Teilnahme an der Haupttat. Der Täter kann aber nicht n e b e n seiner Bestrafung wegen der Haupttat n o c h a l s T e i l n e h m e r an seiner T a t bestraft werden; denn § 48 erfordert eine von einem a n d e r e n begangene Straftat. (E. 27, 2 7 3 ; 56, 59.) II. Das „ A n s i c h b r i n g e n " d e s S c h l ü s s e l s kann schon deshalb nicht als eine Ausführungshandlung der H e h l e r e i (§ 259) gewertet werden, weil die V o r t a t fehlt; denn der Ausläufer hat den Schlüssel nicht „mittels einer strafbaren Handlung erlangt", d. h. in rechtswidriger Zueignungsabsicht (§ 242) sich verschafft, sondern nur in der Absicht an sich genommen, ihn v o r ü b e r g e h e n d ( „ f ü r wenige Stunden") seinem Freund zur Verfügung zu stellen. (Strafloser furtum usus; siehe Fall 3 Abschn. A I I I i a , S. 130.) III. Dagegen dürfte sich der Schlosser zunächst einer Ü b e r t r e t u n g nach § 369 Z. 1 ( U n b e f u g t e A n f e r t i g u n g e i n e s H a u s s c h l ü s s e l s ) schuldig gemacht haben, wenn man den Schlüssel zu einem abgeschlossenen Warenlager einem Hausschlüssel gleichstellt, d. h. einem Schlüssel, der unmittelbar die Öffnung des Hauses bzw. Warenlagers ermöglicht.

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IV. Die Entwendung der Stoffe 1. Es liegt s c h w e r e r D i e b s t a h l , nämlich ein sog. N a c h s c h l ü s s e l d i e b s t a h l i. S. des § 243 Abs. 1 Nr. 3 vor; denn ein Schlüssel ist f a l s c h , wenn er vom Berechtigten zur Zeit der T a t nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung des konkreten Schlosses bestimmt ist. (Siehe im übrigen Fall 3 Nachtrag, Abschn. II 3, S. 145 und BGH. 5, 205.) 2. Der Diebstahl, der an mehreren Tagen ausgeführt wurde, hat als in f o r t g e s e t z t e r T a t begangen zu gelten; denn die g l e i c h a r t i g e n Einzelhandlungen richten sich gegen d a s s e l b e R e c h t s g u t und sind aus einem e i n h e i t l i c h e n , sich auf einen z e i t l i c h und ö r t l i c h festumrissenen Sachverhalt beziehenden V o r s a t z hervorgegangen. (Siehe im übrigen Nachtrag B.) 3. Einer Prüfung bedarf aber die Frage, ob die Voraussetzungen des s t r a f s c h ä r f e n d e n R ü c k f a l l s vorliegen. a ) V o r b e m e r k u n g : Der § 245 ergänzt den § 244 in zwei Punkten: Es werden p o s i t i v der vollen Verbüßung der Vorstrafen, die § 244 verlangt, die t e i l w e i s e Verbüßung und der E r l a ß gleichgesetzt, während n e g a t i v der z w e i t e R ü c k f a l l nach einer gewissen Frist ausgeschlossen wird (sog. R ü c k f a l l v e r j ä h r u n g ) . Liegen nämlich zwischen der zur Aburteilung stehenden d r i t t e n Tat und der Verbüßung oder dem Erlaß der Strafe f ü r die z w e i t e T a t mehr als 10 J a h r e , dann kommt die Rückfallstrafe des § 244 nicht in Betracht. (Siehe im übrigen Fall 3 Nachtrag, Abschn. III, S. 147.) b) Aus dem W o r t l a u t des § 245, der zwischen „ T e i l v e r b ü ß u n g " und „ V e r b ü ß u n g " unterscheidet, ergibt sich, daß eine T e i l v e r b ü ß u n g die 10jährige Frist nicht in Lauf setzt. (Siehe hierzu BGH. 2, 273.) c) Da im v o r l i e g e n d e n F a l l e der Täter am 25. J a n u a r 1947 seine frühere Zuchthausstrafe wegen Rückfalldiebstahls n o c h n i c h t g a n z v e r b ü ß t hatte, konnte die Rückfallverjährung zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Lauf treten. D e r S c h l o s s e r h a t s i c h s o m i t e i n e s u n t e r d e n V o r a u s s e t z u n g e n des s t r a f s c h ä r f e n d e n R ü c k f a l l s b e g a n g e n e n fortg e s e t z t e n s c h w e r e n D i e b s t a h l s i. S. d e r §§ 243 Abs. 1 Nr. 3, 244 s c h u l d i g g e m a c h t . (Wegen evtl. Sicherungsverwahrung siehe Fall 9 Abschn. D, S. 279 fr.) (NB. Hätte der Schlosser am 25. J a n u a r 1947 die damals verhängte Zuchthausstrafe v o l l k o m m e n v e r b ü ß t gehabt und wäre im Anschluß an die Verbüßung z. B. 5 J a h r e in Sicherungsverwahrung gewesen, dann wäre am 25. J a n u a r 1957 die Rückfallverjährung eingetreten; denn eine dem § 20 a Abs. 3 Satz 3 entsprechende Auslegung des § 245 ist unstatthaft. Bei der Rückfallverjährung des § 245 wird lediglich schematisch und objektiv auf die gesetzliche Frist abgestellt und nicht wie im Falle des § 20 a Abs. 3 darauf, ob der Angeklagte in der Zeit, während der er nicht verbüßte, seine verbrecherische Neigung betätigen oder sich bewähren konnte. Es sind daher in die Zehnjahresfrist der Rückfallverjährung des § 245 z u g u n s t e n d e s A n g e k l a g t e n die Zeiten einzurechnen, in denen er sich in Sicherungsverwahrung befunden oder auf

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Die Lösungen

Grund eines a n d e r e n als des zur Rückfallbegründung herangezogenen letzten Urteils eine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Siehe BGH. i, 245, wo die in E. 77, 176 vertretene gegenteilige Auffassung abgelehnt wird. Siehe schließlich E. 56, 68 und E. 64, 146: Eine Verurteilung, deren Vermerk im S t r a f r e g i s t e r g e t i l g t ist, ist nicht rückfallbegründend, und zwar ist maßgebend der Umstand und der Zeitpunkt der T i l g u n g s f ä h i g k e i t , d. h. es ist gleichgültig, ob die Strafe tatsächlich getilgt worden ist.)

V. Der Verkauf der gestohlenen Stoffe an den Damenschneider 1. Da durch den Diebstahl der K a u f m a n n geschädigt wurde, während durch den Verkauf der Stoffe an den D a m e n s c h n e i d e r dieser einen Schaden erlitt insofern, als er den Kaufpreis zahlte, aber gemäß § 935 Satz 1 BGB. kein Eigentum an den Stoffen erwerben konnte, bedeutet der Verkauf der Stoffe k e i n e s t r a f l o s e N a c h t a t gegenüber dem Diebstahl. (Siehe Fall 1 Abschn. A I I I 3, S. 66.) 2. Da ferner das Anbieten einer Sache zum Eigentumserwerb die s t i l l s c h w e i g e n d e Z u s i c h e r u n g enthält, d a ß die Sache die verkehrsüblichen Eigenschaften hat, zu denen in erster Linie das E i g e n t u m bzw. die Verfügungsberechtigung des Veräußerers gehört (siehe Fall 1 Abschn. C I i , S. 70), bestehen, da schließlich auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 263 gegeben sind, gegen die Annahme, daß sich der Schlosser eines in T a t m e h r h e i t (§74) zum Nachschlüsseldiebstahl begangenen v o l l e n d e t e n B e t r u g s schuldig gemacht hat, keine Bedenken. VI. In dem unter Zahlung eines Schweigegeldes erfolgten eindringlichen B i t t e n g e g e n ü b e r d e m A u s l ä u f e r , ihn nicht zu verraten, könnte an sich, wenn der Ausläufer durch sein diesbezügliches Verhalten sich einer B e g ü n s t i g u n g schuldig gemacht hätte, eine A n s t i f t u n g zu diesem Vergehen erblickt werden. Denn daraus, d a ß der Täter oder Teilnehmer eines begangenen Verbrechens oder Vergehens in Beziehung auf letzteres nicht Täter des in § 257 als Begünstigung mit Strafe bedrohten besonderen Vergehens sein kann, folgt keineswegs, daß er nicht als Anstifter oder Gehilfe an der T a t des Begünstigers teilnehmen könnte. (E. 4, 60.) Da aber, wie unten (siehe Abschn. B V I I ) dargelegt wird, der Ausläufer sich durch die Annahme des Geldes usw. jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung strafbar gemacht hat, muß auch das entsprechende Verhalten des Schlossers rechtlich ohne Bedeutung bleiben. (Siehe auch Fall 3 Abschn. A V, S. 133.)

B. Das Verhalten des Ausläufers I. Vorbemerkung: Die Teilnahme 1. Allgemeine Erörterungen zu § 50 Abs. 1 a) G r u n d s ä t z l i c h ist T ä t e r , wer die T a t a u s f ü h r t oder, falls er an der Ausführungshandlung körperlich selbst nicht beteiligt ist, bei der Vorbereitung oder in der Form der Hilfeleistung zur Verwirklichung des

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Tatbestandes beiträgt, sofern er die T a t a l s e i g e n e w i l l , siehe E . 74, ¡24. (Wegen „restriktiver" und „extensiver" Täterschaft siehe Fall 8 Abschn. B I I I , S. 242.) Als T e i l n e h m e r gilt, wer den Täter zu der T a t a n s t i f t e t (§ 48) (siehe hierzu Fall 9 Abschn. C I) oder ihm bei der Ausführung der T a t h i l f t (§ 49). M i t t ä t e r s c h a f t (§ 47), die eigentlich eine besondere Art der Täterschaft bildet, im System des Strafgesetzbuches aber ebenfalls als eine Teilnahmehandlung angesehen wird, liegt vor, wenn mehrere auf Grund eines g e m e i n s c h a f t l i c h e n Entschlusses und mit v e r e i n t e n K r ä f t e n derart zusammenwirken, daß jeder mit Hilfe der mitwirkenden K r ä f t e des anderen die T a t als e i g e n e verwirklichen will. (Siehe hierzu Fall 9 Abschn. B I, S. 267 fr.) aa) Treffen m e h r e r e T e i l n a h m e f o r m e n eines Teilnehmers an derselben Haupttat zusammen, so tritt die geringere Teilnahmeform hinter der bedeutenderen zurück. (E. 70, 296.) Dabei ist die Mittäterschaft die schwerere Teilnahmeform gegenüber der Anstiftung, und letztere die schwerere gegenüber der Beihilfe. bb) Die S t r a f d r o h u n g ist in allen drei Fällen die f ü r die Täterschaft geltende; lediglich bezüglich des G e h i l f e n ist eine fakultative S t r a f m i l d e r u n g vorgesehen. b) Die g e s a m t e T e i l n a h m e l e h r e wurde durch die Verordnung vom 29. M a i 1943 g r u n d l e g e n d g e ä n d e r t , und zwar in der Hauptsache durch die N e u f a s s u n g des § 50 A b s . 1. aa) V o r der genannten Verordnung konnte d e r A n s t i f t e r u n d G e h i l f e nur dann bestraft werden, wenn sich auch der Haupttäter selbst strafbar gemacht hatte, d. h. wenn dieser vorsätzlich eine rechtswidrige T a t begangen und a u ß e r d e m s c h u l d h a f t gehandelt hatte. (Grundsatz der e x t r e m e n A k z e s s o r i e t ä t der Teilnahme.) Dagegen ist nach dem j e t z i g e n § 50 Abs. 1 jede von mehreren an einer Straftat beteiligten Personen lediglich nach dem M a ß e i h r e r e i g e n e n S c h u l d strafbar, ohne Rücksicht darauf, ob der andere bestraft werden kann oder nicht. (Grundsatz der limitierten Akzessorietät.) Dementsprechend wurde auch der Gesetzestext in §§ 48, 49 geändert. bb) Der B u n d e s g e r i c h t s h o f ist in der Auslegung dieses neuen § 50 Abs. 1 von seiner f r ü h e r e n , in B G H . 4, 355 und 5, 47 vertretenen Auffassung später abgewichen. In diesen zwei Entscheidungen wurde nämlich der Standpunkt vertreten, daß sowohl Anstiftung als auch Beihilfe auch dann strafbar sein können, wenn der Haupttäter infolge T a t b e s t a n d s i r r t u m s nach § 59 Abs. 1 schuldlos gehandelt hat. D a g e g e n wurde in B G H . 9, 370 in einer überzeugenden Begründung der Grundsatz aufgestellt, daß eine Verurteilung wegen Anstiftung oder Beihilfe immer voraussetze, daß der Haupttäter v o r s ä t z l i c h gehandelt hat und daß daher, da j a dem nach § 59 Abs. 1 Handelnden der Vorsatz fehlt, eine strafbare Teilnahme an einer infolge Tatbestandsirrtums schuldlosen Haupttat nicht möglich sei. cc) N a c h w i e v o r ist f ü r die Strafbarkeit des Teilnehmers ohne Bedeutung, ob ein p e r s ö n l i c h e r , s t r a f b e f r e i e n d e r G r u n d (Straf-

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ausschließungsgrund oder Strafaufhebungsgrund) eine Strafbarkeit des Haupttäters ausschließt, wie u m g e k e h r t (wie schon erwähnt) nach wie vor die Strafbarkeit des Teilnehmers zur Voraussetzung hat, daß die Haupttat r e c h t s w i d r i g ist. Es ist daher nach wie vor nicht strafbar, wer einen in Notwehr befindlichen auffordert, den Angreifer niederzuschlagen oder wer ihm einen Stock zur Abwehr überläßt. dd) Z u s a m m e n f a s s e n d ist somit f e s t z u s t e l l e n : Von den drei die Tatbestandsmäßigkeit, die Rechtswidrigkeit und die Schuld der Haupttat betreffenden Abhängigkeitsbeziehungen wurde durch die Neuregelung nur die für die S c h u l d , nicht aber die für die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t und die R e c h t s w i d r i g k e i t der Haupttat geltende Abhängigkeit der Teilnahmehandlung berührt (BGH. i, 132). Und weiter: Als S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e beim Haupttäter kommen in diesem Zusammenhang nur U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (§ 51), N ö t i g u n g s s t a n d (§ 52), N o t s t a n d (§54), S t r a f u n m ü n d i g k e i t (§ 1 Abs. 3 JGG.), m a n g e l n d e R e i f e (§ 3 JGG.) und schließlich noch e n t s c h u l d b a r e r V e r b o t s i r r t u m , n i c h t aber (wie wir oben gesehen haben) T a t b e s t a n d s i r r t u m in Frage. (Wegen Abhängigkeit der Tatbestandsmäßigkeit der Teilnahmebehandlung von der Haupttat siehe Fall 9 Abschn. C I 3 b, 5. 273.)

2. Allgemeine Erörterungen zu § 50 Abs. 2 a) D e r Sinn des A b s a t z 2 ist f o l g e n d e r : Sind bei einer Straftat außer dem Haupttäter noch ein Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt, so soll für diese letzteren dann eine a n d e r e g e s e t z l i c h e S t r a f d r o h u n g maßgeblich sein als für den Haupttäter, wenn das Gesetz eine Strafdrohung aus Gründen, die nur in der Person des H a u p t t ä t e r s liegen, schärft, mildert oder ausschließt. Die P e r s ö n l i c h k e i t des H a u p t t ä t e r s soll also dem T e i l n e h m e r w e d e r z u m V o r t e i l noch zum N a c h t e i l g e r e i c h e n . Liegen u m g e k e h r t die strafandernden Umstände nur b e i m T e i l n e h m e r und nicht auch beim Haupttäter vor, so wirken sie sich nur in der Person des Teilnehmers aus. (NB. Dies gilt auch für § 49 a, Abs. 1; siehe BGH. 6, 308.) b) Diese T r e n n u n g der T e i l n a h m e von der H a u p t t a t , die bezüglich der S c h u l d f r a g e in Absatz 1 des § 50 vollzogen wurde, erfolgt aber nur soweit, als s t r a f ä n d e r n d e (und zwar strafschärfende oder strafmildernde) sowie s t r a f a u s s c h l i e ß e n d e Umstände in Frage kommen. aa) S t r a f s c h ä r f e n d e U m s t ä n d e (Eigenschaften oder Verhältnisse) sind: ¡x) Die G e w e r b s - oder G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i t in den Fällen der §§260, 292 Abs. 3, 293 Abs. 3, 302 d, 175 a Nr. 4. (Siehe BGH. 3, 192; 6, 261; 8, 208.) ß) Der Rückfall in §§ 244, 261, 264, 250 Abs. 1 Nr. 5. y) Die B e a m t e n e i g e n s c h a f t bei den u n e c h t e n Beamtendelikten, d. h. denjenigen Straftaten, die an sich von jedem begangen werden

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können, die aber schwerer bestraft werden, wenn der T ä t e r Beamter ist. Hierher gehört vor allem die A m t s u n t e r s c h l a g u n g des § 350; ferner sind zu nennen die Fälle der §§ 340, 341, 342, 347 und 348 Abs. 2. (Siehe Zweiter Teil des Werkes, Vorbemerkung vor Fall 10.) 55

p f ä n d b a r e r Sachen, § 8 1 1 ZPO., oder dem Schuldner nicht gehöriger Sachen oder bei Pfändung von Grundstückszubehör entgegen § 865 Abs. 2 ZPO.) bb) T ä t e r des § 137 kann j e d e r sein; in der Regel ist es der S c h u l d n e r , seltener der G l ä u b i g e r . Auch ein G e r i c h t s v o l l z i e h e r kann Verstrickungsbruch an dem von ihm gepfändeten Gegenstand begehen. (Siehe hierzu BGH. 3, 306 und Zweiter Teil des Werkes, Fall 9 Abschn. A I 3.) cc) Die wirksame Beschlagnahme d a u e r t f o r t solange, bis die schlagnahme durch das Vollstreckungsorgan aufgehoben, oder seitens Gläubigers gegenüber dem Schuldner oder Gerichtsvollzieher auf Pfandrecht verzichtet wird. N i c h t aber endet sie ohne weiteres mit Befriedigung des Gläubigers.

Bedes das der

dd) Die H a n d l u n g i. S. des § 137 besteht in der Entziehung aus der Verstrickung durch B e i s e i t e s c h a f f u n g , Z e r s t ö r u n g oder auf sonstige Weise. (Die Ausführungshandlung des § 288 besteht in Veräußerung oder Beiseiteschaffung; ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser Ausführungshandlung und derjenigen des § 137 besteht nicht.) Die Sache ist der V e r s t r i c k u n g e n t z o g e n , wenn die durch Beschlagnahme oder Pfändung begründete amtliche Verfügungsgewalt d a u e r n d oder z e i t w e i s e aufgehoben ist. c) D e r s u b j e k t i v e (innere) T a t b e s t a n d d e s § 137 Zum V o r s a t z gehört das B e w u ß t s e i n d e s T ä t e r s , daß die Sache von der an sich örtlich und sachlich zuständigen Behörde entsprechend gesetzlicher Vorschrift und unter Beachtung der w e s e n t l i c h e n Formalitäten (also r e c h t s w i r k s a m ) zur Zeit der T a t b e s c h l a g n a h m t oder gepfändet ist und daß er sie durch seine Handlung der amtlichen Verfügungsgewalt entzieht. Dagegen gehört n i c h t zum Vorsatz das B e w u ß t s e i n von der m a t e r i e l l e n R e c h t m ä ß i g k e i t des Pfändungsaktes, da diese ja, wie wir oben gesehen haben, kein Tatbestandsmerkmal des § 137 bildet, sondern, ebenso wie die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 113, nur als B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t zu werten ist. (Siehe „Systematische Vorbemerkungen", Abschn. C V I I I 2 a bb, S. 58.) Ferner ist eine A b s i c h t der Zueignung der Sache ebensowenig erforderlich wie die Absicht auf Erlangung eines Vermögensvorteils oder Zufügung eines Vermögensnachteils. 2. Der v o r l i e g e n d e F a l l , s o w e i t er Z e i s s i g b e t r i f f t a) In o b j e k t i v e r B e z i e h u n g sind im vorliegenden Fall maßgebend die Bestimmungen der §§ 20, 22 des Gesetzes über die Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g und Z w a n g s v e r w a l t u n g vom 20. Mai 1898. aa) Nach § 20 ZVG. gilt die Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g s a n o r d n u n g als B e s c h l a g n a h m e des Grundstücks; letztere wird nach § 22 a . a . O . mit dem Zeitpunkt wirksam, in welchem der Beschluß, durch den die Zwangsversteigerung angeordnet ist, dem Schuldner zugestellt wird, im v o r l i e g e n d e n F a l l e also am 13. J a n u a r 1954.

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Die Lösungen

bb) Nach § 20 Abs. 2 Z V G . umfaßt die Beschlagnahme eines Grundstückes auch diejenigen Gegenstände, auf welche sich bei einem Grundstück die H y p o t h e k erstreckt. Nach § 1 1 2 0 B G B . erstreckt sich die Hypothek auf die „ s o n s t i g e n B e s t a n d t e i l e " sowie auf das Zubehör des Grundstückes mit Ausnahme der Zubehörstücke, welche nicht in das Eigentum des Eigentümers des Grundstückes gelangt sind. Sog. w e s e n t l i c h e B e s t a n d t e i l e unterliegen der Bestimmung des § 93 B G B . cc) Da im v o r l i e g e n d e n F a l l e im Hinblick auf die A r t d e s E i n b a u e s der Motor als eine mit dem Grund und Boden festverbundene Sache i. S. des § 94 B G B . , also als ein w e s e n t l i c h e r B e s t a n d t e i l des Grundstücks anzusehen sein dürfte, hat sich die H y p o t h e k a u c h a u f d e n M o t o r erstreckt, ohne Rücksicht darauf, daß Zeissig sich das Eigentumsrecht vorbehalten hatte, denn nach §§ 93, 946 B G B . erlischt das Recht des Eigentümers an solchen Sachen trotz des Vorbehaltes. D e r M o t o r ist a l s o a m 13. M a i 1957 r e c h t s w i r k s a m b e s c h l a g n a h m t w o r d e n . b) Das B e i s e i t e s c h a f f e n erfolgte in unserem Falle nicht durch den Schuldner Wurzel, sondern durch einen D r i t t e n , nämlich den Lieferanten der Maschine bzw. durch dessen Angestellte, deren sich Zeissig als Werkzeuge bediente. (Wegen der Strafbarkeit des Schuldners Wurzel siehe unten Abschn. 3.) c ) Was nun den die i n n e r e T a t s e i t e betreffenden E i n w a n d des Z e i s s i g betrifft, er sei zur Wegnahme des Motors b e r e c h t i g t gewesen, da er sich das Eigentum an dem Motor vorbehalten habe und dieser infolgedessen n i c h t v o n d e r B e s c h l a g n a h m e e r g r i f f e n worden sei, haben folgende Erwägungen Platz zu greifen: aa) Wie oben erörtert wurde, ist das Eigentum des Zeissig durch den Einbau der Maschine verlorengegangen und der Motor mit dem Grundstück rechtswirksam beschlagnahmt worden. Zeissig befindet sich also in einem I r r t u m , wenn er glaubt, daß sein Eigentumsrecht zur Zeit der Wegnahme des Motors noch bestanden habe. Wäre dies der Fall gewesen (z. B. infolge loser Aufstellung der Maschine), dann wäre die Maschine gemäß § 1 1 2 0 B G B . allerdings nicht von der Beschlagnahme ergriffen worden, da in diesem Falle die Maschine ein dem Wurzel nicht gehörendes Zubehörstück gewesen wäre und die Wegschaffung des Motors hätte den Tatbestand des § 137 schon in objektiver Beziehung nicht erfüllt. bb) Es fragt sich nun, w e l c h e B e d e u t u n g diesem I r r t u m des Zeissig f ü r die Frage der strafrechtlichen Schuld zukommt. Da Zeissig sich in dem Irrtum befand, daß die Beschlagnahme des Grundstücks den Motor nicht berühre, fehlte ihm die Kenntnis des zum Tatbestand des § 137 gehörenden Tatumstandes der erfolgten Beschlagnahme. Diese Nichtkenntnis führt, d } sie auf einem reinen T a t b e s t a n d s i r r t u m i. S. des § 59 beruht (Nichtkenntnis des zum Vergehen des § 1 3 7 gehörigen Tatbestandsmerkmals der Beschlagnahme) zur V e r n e i n u n g d e r S c h u l d f r a g e . Zeissig hat sein Tun f ü r erlaubt gehalten, weil er infolge eines I r r t u m s ü b e r d i e S a c h l a g e „nicht wußte, was er tat". E r bleibt straflos ohne Rücksicht darauf,

Fall 4

'57

ob dieser Irrtum v e r s c h u l d e t oder n i c h t v e r s c h u l d e t w a r ; denn § 59 Abs. 2 kann nicht zur Anwendung gelangen, da das Delikt des Verstrickungsbruchs nur v o r s ä t z l i c h begangen werden kann. (Siehe „Systematische Vorbemerkungen" Abschn. C V I 1 a, S. 49.) cc) Die r e i c h s g e r i c h t l i c h e Rechtsprechung zur Irrtumslehre führt zu dem g l e i c h e n E r g e b n i s , allerdings mit dem einschränkenden Erfordernis einer ausdrücklichen Feststellung, daß die fragliche Unkenntnis eine n i c h t d e m S t r a f r e c h t s g e b i e t e angehörende Rechtsnorm betrifft, was vorliegend j a der Fall ist. (Siehe E . 1, 368; 19, 287.) d) D e r E i n w a n d d e s Z e i s s i g i m F a l l e 2 W ä r e die M a s c h i n e lose im M a s c h i n e n h a u s a u f g e s t e l l t gew e s e n u n d v o m G e r i c h t s v o l l z i e h e r g e m ä ß § 808 Z P O . g e p f ä n d e t worden, dann wäre die R e c h t s l a g e folgende: aa) Abgesehen davon, daß die Maschine nicht im Eigentum des Wurzel stand und schon aus diesem Grunde nicht hätte gepfändet werden dürfen, war die Pfändung aber auch im Hinblick auf § 865 Z P O . (Zubehör unterliegt stets lediglich der Immobiliarzwangsvollstreckung) g e s e t z w i d r i g . (Siehe E . 6 1 , 367.) bb) Da aber das Gesetz, wie wir oben gesehen haben, das Erfordernis der m a t e r i e l l e n R e c h t m ä ß i g k e i t des Pfandungsaktes n i c h t aufstellt, ist die Maschine trotzdem r e c h t s w i r k s a m g e p f ä n d e t worden, vorausgesetzt, daß die wesentlichen Formvorschriften beobachtet worden sind. cc) Wenn nun in diesem Falle Zeissig, der w e i ß , d a ß d i e M a s c h i n e g e p f ä n d e t ist, geltend macht, er habe g e g l a u b t , ein R e c h t z u r E n t s t r i c k u n g zu haben, da er j a Eigentümer der Maschine sei, dann macht er nicht einen Tatbestandsirrtum wie im ersten Falle (Abschn. 2 c bb) geltend, sondern einen V e r b o t s i r r t u m . E r w e i ß , w a s er t u t , d. h. daß er eine gepfändete Sache beiseite schafft, er hält aber s e i n T u n i n f o l g e V e r k e n n e n s d e r V e r b o t s n o r m des § 137 f ü r e r l a u b t . E r beruft sich also auf das m a n g e l n d e B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t seiner Handlungsweise. (Siehe „Systematische Vorbemerkungen", Abschn. G V I 2, S. 51.) In diesem Falle könnte aber (im Gegensatz zum ersten Falle) S t r a f l o s i g k e i t n u r d a n n e i n t r e t e n , wenn der Irrtum u n v e r s c h u l d e t war. Andernfalls, d. h. wenn das Gericht zu der Überzeugung käme, daß Zeissig bei „ g e h ö r i g e r A n s p a n n u n g d e s G e w i s s e n s " hätte erkennen können, daß er mit seiner T a t Unrecht tue, käme lediglich eine S t r a f m i l d e r u n g nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 und 3 (Versuchsstrafe) in Frage. dd) Nach der r e i c h s g e r i c h t l i c h e n Rechtsprechung zur Irrtumslehre müßte Zeissig in diesem Falle wegen Verstrickungsbruchs nach § 137 b e s t r a f t werden, also ohne Rücksicht darauf, ob der Irrtum verschuldet oder nicht verschuldet (vermeidbar oder nicht vermeidbar) war, da sich sein Irrtum als ein Mangel der Kenntnis des in § 137 aufgestellten Verbots der Nichtachtung der durch einen zuständigen Beamten verfügten Vollstreckungshandlung, also als einen r e i n e n S t r a f r e c h t s i r r t u m darstellt. (Siehe E . 9, 403; 14, 1 5 1 ; 19, 287.)

I58

Die Lösungen

3. D i e S t r a f b a r k e i t d e s W u r z e l a) Daß das Verhalten des W u r z e l , der die Arbeiter des Zeissig in die Fabrik hineingelassen und die Wegschaffung des Motors widerspruchslos geduldet hat, objektiv eine B e i h i l f e h a n d l u n g zu dem Vergehen des Verstrickungsbruchs darstellt (Beihilfe durch Tat, siehe Fall 2 Abschn. B I 3d, S. 99) kann nicht zweifelhaft sein. b ) Da aber, wie oben ausgeführt wurde, die S c h u l d Z e i s s i g s infolge T a t b e s t a n d s i r r t u m s unbedingt (also ohne Rücksicht darauf, ob der Irrtum verschuldet war oder nicht) zu verneinen ist, entsteht die Frage, wie sich diese Tatsache auf die Strafbarkeit des W u r z e l unter dem Gesichtspunkt der B e i h i l f e auswirkt. aa) Nach f r ü h e r e m Recht, d. h. vor dem Inkrafttreten der Verordnung vom 29. Mai 1943 konnte, wie im Fall 2 Abschn. B I 1 b ausgeführt wurde, der A n s t i f t e r und G e h i l f e nur dann bestraft werden, wenn sich auch der Haupttäter selbst strafbar gemacht, d. h. wenn dieser nicht nur eine r e c h t s w i d r i g e Tat begangen, sondern außerdem s c h u l d h a f t gehandelt hatte. (Grundsatz der e x t r e m e n A k z e s s o r i e t ä t der Teilnahme.) Nach a l t e m Recht hätte also das Verhalten der Wurzel ohne Zweifel s t r a f l o s bleiben müssen. bb) Nach dem j e t z i g e n R e c h t (§ 50 Abs. 1) ist für die Strafbarkeit des Teilnehmers n i c h t mehr erforderlich, daß der H a u p t t ä t e r s c h u l d h a f i handelt, sondern es genügt, daß der Haupttäter den ä u ß e r e n Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirklicht bzw. zu verwirklichen versucht hat (Grundsatz der l i m i t i e r t e n Akzessorietät), immer aber vorausgesetzt, daß der H a u p t t ä t e r v o r s ä t z l i c h handelt (BGH. g, 370 in Abweichung von BGH. 4, 355 und 5, 47). Da nun aber der im T a t b e s t a n d s i r r t u m Befindliche nicht nur schuldlos, sondern, wie in Fall 2 Abschn. B I 1 b, bb S. 93 ausgeführt wurde, auch o h n e V o r s a t z handelt, kommen wir zu dem Ergebnis, daß Wurzel auch nach dem n e u e n § 50 Abs. 1 n i c h t w e g e n B e i h i l f e z u m V e r s t r i c k u n g s b r u c h bestraft werden kann. 4. D i e S t r a f b a r k e i t d e s W u r z e l i m F a l l e 2 Hätte es sich um eine l o s e im Maschinenhaus aufgestellte r e c h t s w i r k s a m g e p f ä n d e t e Maschine gehandelt, dann wäre die Rechtlage für W u r z e l , dem die Pfändung ebenfalls bekannt war, folgende: a) Wie wir oben festgestellt haben, hat sich in diesem Falle der Haupttäter Zeissig in einem V e r b o t s i r r t u m befunden; seine Strafbarkeit hängt also davon ab, ob dieser Irrtum verschuldet oder nicht verschuldet war. In jedem Falle aber hat Zeissig v o r s ä t z l i c h gehandelt (im Gegensatz zu Fall 1, bezüglich dessen wir festgestellt haben, daß ein den Vorsatz ausschließender T a t b e s t a n d s i r r t u m vorgelegen hat). b) Hieraus folgt, daß das Verhalten des Zeissig in diesem z w e i t e n Falle, ohne Rücksicht darauf, ob sein Verbotsirrtum verschuldet oder nicht verschuldet war, einer Bestrafung Wurzeis wegen Beihilfe zum Verstrickungsbruch nicht entgegensteht, es sei denn, d a ß auch er sich in einem u n v e r s c h u l d e t e n V e r b o t s i r r t u m befunden hat.

Fall 5

'59

ZU FALL 5t A. Die Tat des Klug I. Liegt intellektuelle Urkundenfälschung i.S. des § 271 vor? 1. Wegen allgemeiner Erörterungen zu § 271 siehe Fall 8 Abschn. C II 1 (S. 249). 2 . Für den v o r l i e g e n d e n F a l l ergibt sich folgendes: a) Das V e r h a n d l u n g s p r o t o k o l l ist an sich eine vom Richter und Urkundsbeamten im Rahmen ihrer amtlichen Befugnis aufgenommene ö f f e n t l i c h e U r k u n d e i. S. des § 415 Z P O . ; sie will aber zu öffentlichem Glauben n u r b e w e i s e n , daß die in ihr enthaltenen Erklärungen von den darin genannten Personen abgegeben worden sind, n i c h t aber, daß diese Erklärungen, mögen sie die Person oder die Sache betreffen, der W a h r h e i t entsprechen. Denn die B e w e i s k r a f t d e s V e r h a n d l u n g s p r o t o k o l l s im Zivilprozeß bezieht sich gemäß § 164 Z P O . nur auf die Beobachtung der f ü r die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen F ö r m l i c h k e i t e n (§§ '59ff- ZPO.), und zwar nur f ü r die Zivilsache, in der das Protokoll aufgenommen ist, und n u r f ü r d a s ü b e r g e o r d n e t e G e r i c h t , das die Gesetzmäßigkeit des bisherigen Verfahrens nachzuprüfen hat. Die B e w e i s k r a f t eines solchen Protokolls wirkt also nicht f ü r u n d gegen J e d e r m a n n , bezieht sich insbesondere ebensowenig auf die Tatsache, daß die in der Urkunde als e r s c h i e n e n e P a r t e i aufgeführte Person diejenige ist, f ü r die sie sich ausgibt, wie auf die Tatsache, daß der Inhalt der Erklärungen der Wahrheit entspricht. (E. 11, 126, 188, 314; 39, 346;

46, 113.)

b) D a s o m i t i m v o r l i e g e n d e n F a l l e e i n e w e s e n t l i c h e V o r a u s s e t z u n g f ü r d i e S t r a f b a r k e i t n a c h § 271 f e h l t , k a n n d i e f a l s c h e N a m e n s a n g a b e d e s K l u g n u r a l s e i n e Ü b e r t r e t u n g n a c h § 360 Ziff. 8 g e w e r t e t w e r d e n . (NB. I n gleichem Sinn hat das Reichsgericht in E. 11, 126 und E. 59, 19 unter Bezugnahme auf § 274 StPO., der inhaltlich mit § 164 Z P O . übereinstimmt, a u c h b e z . d e r s t r a f g e r i c h t l i c h e n P r o t o k o l l e entschieden, daß nämlich weder der materielle Inhalt der zu Protokoll gegebenen Erklärungen noch die Identität des Erklärenden mit der protokollierten Personenbezeichnung beurkundet wird. Das gleiche gilt auch f ü r S t r a f u r t e i l e und S t r a f b e f e h l e [E. 41, 201]. Siehe aber E. 72, 226, wo entschieden wurde, daß sich die ö f f e n t l i c h e B e w e i s k r a f t d e r g e r i c h t l i c h e n N i e d e r s c h r i f t ü b e r e i n e n V e r g l e i c h [§794 Nr. 1 ZPO.] auch auf die P e r s o n e n g l e i c h h e i t der Vertragschließenden erstreckt.)

II. Hat Klug sich eines Meineids schuldig gemacht? 1. V o r b e m e r k u n g : A l l g e m e i n e E r ö r t e r u n g e n z u §§ 153—163a) Die jetzige Fassung des 9. Abschnitts des Strafgesetzbuches beruht auf der Verordnung vom 29. Mai 1943 und der zweiten Durchführungsverordnung hierzu vom 20. J a n u a r 1944.

i6o

Die Lösungen

b) Die Vorschriften der §§ 153—163 dienen, ebenso wie diejenigen der §§ 267fr., nach ihrem Grundgedanken dem S c h u t z e d e r R e c h t s p f l e g e ; sie sollen im Interesse einer zuverlässigen Wahrheitsermittlung die B e w e i s k r a f t der Eidesleistungen und der eidesstattlichen Versicherungen, und in den durch § 153 gezogenen Grenzen auch diejenige der uneidlichen Aussage sichern (siehe E. 73, 147). c) G e m e i n s a m e s T a t b e s t a n d s m e r k m a l s ä m t l i c h e r T a t b e s t ä n d e des 9. Abschnitts des StGB, ist der Tatumstand „ f a l s c h " . aa) Eine Aussage ist „ f a l s c h " , wenn sie mit dem tatsächlichen Geschehen o b j e k t i v nicht übereinstimmt. Es müssen also der W o r t l a u t und S i n n dessen, was der Aussagende erklärt hat, mit dem Gegenstand der Aussage verglichen werden. (Sog. o b j e k t i v e Theorie, die in der Praxis vorherrschend ist, siehe E. 76, 96.) Dabei ist zu beachten, daß derjenige, der die Richtigkeit seiner Angaben an E i d e s S t a t t versichert, n i c h t gleichzeitig behauptet, daß er n i c h t s v e r s c h w e i g e , während Partei und Zeugen in der E i d e s f o r m e l gleichzeitig beschwören, daß sie nichts verschwiegen haben. (Siehe hierzu E. 63, 232.) Im übrigen verletzt ein Zeuge durch V e r s c h w e i g e n die Wahrheitspflicht nicht nur dann, wenn er über die fragliche Tatsache gefragt wird, sondern auch dann, wenn die Tatsache in untrennbarem Zusammenhang zur Beweisfrage steht, selbst wenn es sich um eine Tatsache handelt, die ihn berechtigt, die Aussage zu verweigern; will er von dieser Befugnis Gebrauch machen, so hat er das zu erklären. (BGH. i, 22; 2, 90; 7, 127.) bb) Nach der im S c h r i f t t u m teilweise vertretenen s u b j e k t i v e n T h e o r i e ist mit dem wirklichen Geschehen lediglich die V o r s t e l l u n g zu vergleichen, die der Aussagende von dem Sachverhalt hat. cc) Der p r a k t i s c h e U n t e r s c h i e d ist folgender: Erklärt der Aussagende A, er sei an einem bestimmten Tage in H. gewesen, was auch der Wahrheit entspricht, während er irrigerweise g l a u b t , er sei an einem a n d e r e n Tage dort gewesen, so ist seine Aussage nach der s u b j e k t i v e n Theorie falsch, während sie nach der o b j e k t i v e n Theorie richtig ist. Nach der s u b j e k t i v e n Theorie müßte A wegen vollendeter uneidlicher bzw. eidlicher Aussage (Meineid) bestraft werden, während nach der o b j e k t i v e n Theorie n u r V e r s u c h in Frage käme (irrtümliche Annahme des in Wirklichkeit nicht vorliegenden Tatbestandsmerkmals „falsch"). dd) Ist Gegenstand der Aussage die Ü b e r z e u g u n g von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache, so ist die Aussage f a l s c h , wenn der Aussagende die Überzeugung nicht hat, die er bekundet, mag die Tatsache selbst wahr sein oder nicht. (E. 12, 58; 17, 185.) d) Zum i n n e r e n Tatbestand der §§ 153, 154 und 156 ist die Feststellung erforderlich, daß sich der Täter im Augenblick der Aussage der Unwahrheit seiner Äußerung b e w u ß t war, bzw. mit der M ö g l i c h k e i t g e r e c h n e t hat, daß das, was er bekundet, mit dem Geschehenen nicht übereinstimmt und diese Möglichkeit in seinen Willen aufgenommen hat,

161

Fall 5

d. h. auch mit diesem Erfolg einverstanden war ( d o l u s e v e n t u a l i s ) . (Siehe E. 70, 267.) (Wegen des inneren Tatbestandes der §§ 159, 160 siehe Z w e i t e r T e i l d e s W e r k e s , Fall 4.) e) Bezüglich der Frage der „ z u s t ä n d i g e n S t e l l e " in §§ 1 5 3 , 154 bzw. „ B e h ö r d e " in § 156 ist folgendes zu beachten: aa) Daß in allen drei Fällen ein v o l l e n d e t e s Delikt n i c h t in Frage kommen kann, wenn die fragliche Stelle bzw. Behörde n i c h t z u s t ä n d i g ist, kann nicht zweifelhaft sein, wobei die Frage zunächst unentschieden bleiben kann, ob der Begriff „zuständige Stelle" bzw. Behörde als ein Tatbestandsmerkmal oder als eine Bedingung der Strafbarkeit anzusehen ist. bb) Bezüglich dieser letzteren Frage hat das R G . f ü r den Tatbestand des M e i n e i d s (§ 154) entschieden (entsprechendes h a t f ü r § 1 5 3 zu gelten), daß die „Zuständigkeit" n i c h t B e d i n g u n g der Strafbarkeit, s o n d e r n ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l ist. Daraus ergibt sich, daß einerseits der Aussagende nicht bestraft werden kann, wenn er dieses Tatbestandsmerkmal nicht kennt (§ 59 I), andererseits aber V e r s u c h vorliegt, wenn er die Zuständigkeit irrtümlicherweise f ü r vorhegend erachtet (siehe Systematische Vorbemerkungen vor Fall 1, Abschn. C V I i a bb, S. 49). So wurde in E. 65, 206 entschieden, daß bei Leistung eines Eides, der zwar vor dem Amtsgericht, also vor einer zur Abnahme von Eiden a l l g e m e i n zuständigen Behörde, aber gegenüber einem Beamten, der zur Vertretung der Behörde bei solchen Amtsgeschäften nicht berufen war (es handelte sich in der erwähnten Entscheidung um einen Referendar) geleistet worden ist, z w a r n i c h t v o l l e n d e t e r , wohl aber v e r s u c h t e r Meineid in Frage kommt, da der Aussagende g e g l a u b t habe, vor einem zur Abnahme von Eiden zuständigen Beamten zu stehen. (Ebenso E. 72,80.) cc) Der B u n d e s g e r i c h t s h o f hat sich dieser reichsgerichtlichen Rechtsprechung in vollem Umfange angeschlossen. (BGH. 3, 255 in teilweiser Abweichung von B G H . 1 , 13.) Diese Entscheidung hat auch f ü r §§ 1 5 3 , 156 zu gelten, ist aber hinsichtlich des V e r s u c h s praktisch bedeutungslos geworden, da durch das dritte Strafrechtsänderungsgesetz die Absätze 2 der §§ 1 5 3 , 156 (Versuch) aufgehoben worden sind. f ) D i e f a l s c h e u n e i d l i c h e A u s s a g e des § 153. aa) Nach f r ü h e r e m Recht konnte die f a l s c h e u n e i d l i c h e A u s s a g e nur unter dem Gesichtspunkte der Begünstigung (§ 257) oder der falschen Namensangabe (§ 360 Nr. 8) oder des Betrugs (§ 263) oder gegebenenfalls gemäß § 271 strafrechtlich erfaßt werden. Durch die oben genannte Verordnung wurde in § 1 5 3 die uneidliche Aussage als besonderer strafrechtlicher Tatbestand aufgestellt. bb) Die f a l s c h e u n e i d l i c h e A u s s a g e muß v o r G e r i c h t oder vor einer a n d e r e n zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen z u s t ä n d i g e n S t e l l e abgegeben werden. N i c h t unter den Tatbestand des § 153 fallen also Zeugenaussagen vor der P o l i z e i oder dem S t a a t s a n w a l t oder dem N o t a r . P e t t e r s , Strafrechtsfälle mit L ö s u n g e n . 1 1 . A u f l .

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IÖ2

Die Lösungen

, cc) Die f a l s c h e u n e i d l i c h e A u s s a g e ist als solche nur dann strafbar, wenn sie von einem Z e u g e n oder S a c h v e r s t ä n d i g e n abgegeben wird. Es sind also nach wie vor n i c h t strafbar die falsche Aussage bei der uneidlichen P a r t e i v e r n e h m u n g i m Z i v i l p r o z e ß (es sei denn, daß sie den Tatbestand des Betrugs erfüllt), und die falsche Aussage eines A n g e k l a g t e n vor Gericht. Ebensowenig fällt unter § 1 5 3 die uneidliche Versicherung, die ein Schuldner gemäß § i g d Vollstreckungsverordnung vom 19. M a i 1933 im O f f e n b a r u n g s e i d v e r f a h r e n abgibt. dd) Der sog. E i d e s n o t s t a n d des § 157 findet auch auf § 1 5 3 Anwendung. ee) Die Neufassung des § 158 sieht auch f ü r § 1 5 3 die Möglichkeit s t r a f b e f r e i e n d e n R ü c k t r i t t s vor. f f ) Die V e r l e i t u n g zur falschen Aussage (§ 160) sowie die v e r s u c h t e A n s t i f t u n g hierzu (§ 159) findet auch auf die uneidliche falsche Aussage Anwendung. gg) Eine f a h r l ä s s i g falsche Aussage entsprechend dem § 163 gibt es nicht. g ) Der M e i n e i d d e s § 1 5 4 : aa) Während in dem früheren § 1 5 3 der P a r t e i m e i n c i d und der falsch geschworene a u f e r l e g t e E i d (Offenbarungseid der §§ 807, 883 Z P O . und Verklarungseid des Schiffers nach § 525 H G B . ) und in dem früheren § 1 5 4 der Z e u g e n - u n d S a c h v e r s t ä n d i g e n m e i n e i d behandelt wurde, betrifft der jetzige § 154 a l l e M ö g l i c h k e i t e n d e s Meineids. bb) Sowohl f ü r § 1 5 3 als auch f ü r § 154 gilt (wie schon erwähnt) als V o r a u s s e t z u n g , daß die falsche Aussage vor einer wenigstens i n a b s t r a c t o zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle erfolgt sein muß. Ohne Bedeutung f ü r die Anwendbarkeit des § 154 ist es dagegen, ob im E i n z e l f a l l die Abnahme des Eides zulässig war, ob also der Richter nach den v e r f a h r e n s r e c h t l i c h e n Vorschriften den Eid nicht hätte abnehmen sollen oder dürfen (E. 70, 144). Es ist daher ein Meineid auch möglich, wenn der Täter ein Eidesverweigerungsrecht hat (§ 63 StPO.), oder wenn ihm die Eidesfähigkeit nach § 1 6 1 StGB, aberkannt ist (§ 60 Nr. 2 StPO.), oder wenn eine Person falsch schwört, deren eidliche Vernehmung nach § 60 Nr. 3 StPO. deshalb verboten ist, weil sie bezüglich der den Gegenstand der Untersuchung bildenden strafbaren Handlung als Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler verdächtig oder bereits verurteilt ist. Die bestrittene Frage schließlich, ob ein J u g e n d l i c h e r u n t e r 16 J a h r e n , wenn ihm entgegen der Vorschrift des § 60 Nr. 1 StPO. ein Eid abgenommen wird, sich des Meineids schuldig machen kann, wird vom Reichsgericht bejaht. (Siehe Beschluß der Vereinigten Strafsenate vom 23. M a i 1903, E. 36, 278.) cc) Der Eid ist (mit Ausnahme des Sachverständigeneides im Zivilprozeß) ein N a c h e i d , d. h. sowohl im Strafprozeß als auch im Zivilprozeß erfolgt die Beeidigung des Zeugen bzw. der Partei n a c h der Vernehmung, und zwar in der Weise, daß der Richter an den Schwur-

Fall

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Pflichtigen die Worte richtet: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, d a ß Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen h a b e n " und der Schwurpflichtige hierauf die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." (Siehe § 66c StPO.) dd) Voraussetzung jeder Bestrafung wegen Meineids ist stets, daß die w e s e n t l i c h e n F ö r m l i c h k e i t e n bei Abnahme des Eides beobachtet werden. Die Frage, ob eine Förmlichkeit w e s e n t l i c h ist, beurteilt sich danach, ob ihr Fehlen geeignet ist, dem Eide die Eigenschaft einer bewußten, feierlichen, bis zu einem gewissen Grade formelhaften Bekräftigung der Wahrheit zu nehmen (E. 70, 366). So wurde in E. 62, 149 entschieden, d a ß die Nichtbeachtung des § 69 StPO. eine Bestrafung wegen Meineids nicht ausschließt. (Siehe aber E. 65, 273.) Das gleiche gilt, wenn die Zuziehung des Urkundsbeamten zur Verhandlung unterlassen wurde. (E. 38, 107; 65, 207.) Dagegen ist der Gebrauch der Worte: „Ich schwöre" unerläßliche Voraussetzung einer Bestrafung wegen Meineids. (E. 67, 333.) h ) Wegen f a l s c h e r V e r s i c h e r u n g a n E i d e s S t a t t (§ 156) siehe Zweiter Teil des Werkes, Fall 1; wegen Eidesnotstand (§ 157), wegen Berichtigung (§ 158) und wegen fahrlässigen Falscheids (§ 163) siehe Zweiter Teil des Werkes, Fall 4. 2. D e r v o r l i e g e n d e F a l l : a ) Solange die u r s p r ü n g l i c h e F a s s u n g des § 153 bestand „wer einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört", erhob sich die Frage, ob Klug im Hinblick auf die Tatsache, d a ß er gar nicht Prozeßpartei war, einen Parteimeineid i. S. des § 153 a. F. schwören konnte. Die damalige Rechtsprechung des RG. ging dahin, d a ß in einem solchen Falle, d. h. wenn statt des Schwurpflichtigen ein unberechtigter Dritter unter Täuschung der Behörde über seine Persönlichkeit die Eidesworte spricht, der Tatbestand des Meineids deshalb nicht gegeben sei, weil der Eid nicht „ i h m " , sondern der nichterschienenen Partei auferlegt sei. Da zudem in der a l t e n Z i v i l p r o z e ß o r d n u n g die Partei, der durch b e d i n g t e s E n d u r t e i l der Eid auferlegt war, ihre Personalien nicht anzugeben und zu beschwören brauchte, konnte das Verhalten der falsch schwörenden Nichtpartei auch nicht unter diesem Gesichtspunkt als Meineid erfaßt werden. b ) Als dann durch die Zivilprozeßnovelle vom 27. Oktober 1933 der bisherige Parteieid durch die P a r t e i v e r n e h m u n g ersetzt wurde, trat in der fraglichen Rechtsprechung insofern eine Änderung ein, als gemäß §§ 4 5 3 9 5 Abs. 2, Satz 1 Z P O . der Eid bei der Parteivernehmung a u c h d i e P e r s o n a l i e n mitumfaßt, so d a ß Klug, der sich j a bei der Eidesleistung des Namens des Leim bedient hat, sich schon damals mindestens in dieser Beziehung einer wissentlichen Eides Verletzung schuldig gemacht hätte. c) Nach der oben erörterten N e u f a s s u n g des § 154 „wer vorsätzlich falsch schwört" kann nunmehr kein Zweifel sein, daß K l u g nicht nur bez. seiner P e r s o n a l i e n , sondern auch bez. des unwahren I n h a l t s seiner Erklärung einen M e i n e i d geleistet hat.

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Die Lösungen

III. Betrug zum Nachteil des Reich? 1. G r u n d s ä t z l i c h e s ü b e r den P r o z e ß b e t r u g . Man muß unterscheiden zwischen dem u n m i t t e l b a r g e g e n ü b e r dem P r o z e ß g e g n e r und dem durch eine e r s c h l i c h e n e p r o z e s s u a l e V e r f ü g u n g des R i c h t e r s begangenen Betrug. a) Für den u n m i t t e l b a r g e g e n ü b e r dem P r o z e ß g e g n e r begangenen Betrug wurden von jeher die für den Betrug allgemein geltenden Grundsätze angewendet. Wer also durch ein lügenhaftes Vorbringen den Prozeßgegner zum Abschluß eines V e r g l e i c h s oder zu einem V e r z i c h t , einem A n e r k e n n t n i s oder zur K l a g e z u r ü c k n a h m e veranlaßt, macht sich eines Betrugs schuldig, wenn die übrigen objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 263 gegeben sind. b) Beim e i g e n t l i c h e n P r o z e ß b e t r u g , d. h. in dem Falle, daß der Täter sich eine prozessuale Verfügung eines Staatsorgans, insbesondere eines Richters, e r s c h l e i c h t , diesen also gewissermaßen als g u t g l ä u b i g e s W e r k z e u g zur Schädigung des Prozeßgegners benutzt, vertrat das Reichsgericht folgenden Standpunkt: aa) D i e R e c h t s p r e c h u n g bis z u m I n k r a f t t r e t e n der Z i v i l p r o z e ß n o v e l l e v o m 27. O k t o b e r 1933. Oi) Eine Täuschung mittels alleiniger Aufstellung einseitiger u n w a h r e r P a r t e i b e h a u p t u n g e n kommt deshalb nicht in Frage, weil der Prozeßrichter regelmäßig nicht befugt ist, auf solches Parteivorbringen hin ohne Beweis für den streitigen Anspruch eine Entscheidung zu treffen; wenn trotzdem l e d i g l i c h auf Grund der einseitigen Behauptung eine den Gegner schädigende Entscheidung getroffen wird, ist die Schädigung nicht vermöge einer Täuschung des Richters, sondern dadurch erfolgt, daß der Richter eine ihm obliegende Funktion nicht ausgeübt hat. In diesem Falle kann höchstens eine straflose Vorbereitungshandlung in Frage kommen. ß) Gibt aber die wissentlich Falsches behauptende Partei dem unwahren Vorbringen d u r c h B e w e i s m i t t e l (Vorlegung inhaltlich falscher oder gefälschter Urkunden — bloße Bezugnahme auf diese in der Klageschrift genügt nicht —) den Anschein der Wahrheit, und gelangt der Richter bei Prüfung dieses Beweismaterials zu der Überzeugung, das Unwahre sei wahr, so steht der Annahme des zum Betrugstatbestand erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschungshandlung und Vermögensbeschädigung nichts entgegen. (E. 16, 193; 20, 392; 36, 118.) y) Ist der Richter schließlich v e r p f l i c h t e t , auf eine Parteihandlung hin eine das Vermögen des Gegners schädigende Entscheidung zu treffen, ohne daß es auf seine Überzeugung ankommt (z. B. im M a h n v e r f a h r e n bei Erwirkung eines Zahlungsbefehls oder eines Vollstreckungsbefehls oder im V e r s ä u m n i s v e r f a h r e n ) , muß der Kausalzusammenhang zwischen Irrtumserregung und Vermögensbeschädigung deshalb verneint werden, weil nicht die Überzeugung des Richters für die Entscheidung maßgebend war, sondern weil der benachteiligende Erfolg k r a f t g e s e t z l i c h e r N o t w e n d i g k e i t eingetreten ist; der Richter hätte dem Gesuch auch dann entsprechen müssen, wenn er sich nicht hätte täuschen lassen. (E. 42, 410.)

Fall 5

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bb) D i e R e c h t s p r e c h u n g n a c h I n k r a f t t r e t e n d e r P r o z e ß novelle: I m Hinblick auf die Statuierung der W a h r h e i t s p f l i c h t (§ 138 Abs. 1 Z P O . ) hat sich die bisherige Rechtsprechung bezüglich des eigentlichen Prozeßbetrugs grundsätzlich geändert. (Siehe E. 69, 44 und 192.) Den Abschluß dieser Rechtsprechung bildet E . 72, 1 1 5 ; hier wird festgestellt, daß j e d e b e w u ß t f a l s c h e P a r t e i b e h a u p t u n g zur Annahme des Betrugstatbestandes führen kann und daß bezüglich dieses Grundsatzes auch im V e r s ä u m n i s v e r f a h r e n keine Ausnahme gilt. (Ob diese Stellungnahme auch auf das M a h n v e r f a h r e n Anwendung finden soll, ist aus der genannten Entscheidung nicht erkennbar, dürfte aber wohl zu bejahen sein. Siehe auch E . 65, 34 betr. Betrug durch Ausnützung der irrigen Auffassung des Schuldners über die Bedeutung eines Zahlungsbefehls.) c) Bezüglich der s u b j e k t i v e n S e i t e des Prozeßbetrugs, d. h. der Absicht, sich einen r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s v o r t e i l zu verschaffen, hat der B u n d e s g e r i c h t s h o f (siehe B G H . 3, 160) entgegen der in E. 72, 136 niedergelegten reichsgerichtlichen Rechtsprechung dahin entschieden, daß der alte Grundsatz, ein vermögensrechtlicher Anspruch werde nicht deshalb r e c h t s w i d r i g , weil sich der Berechtigte u n e r l a u b t e r M i t t e l bediene, a u c h f ü r d e n B e t r u g i m Z i v i l p r o z e ß gelte. Wer also einen Richter durch unwahre Angaben im Prozeß täuscht, um einen rechtlich b e g r ü n d e t e n , aber möglicherweise, etwa wegen Beweisschwierigkeiten gefährdeten Klageanspruch zum Erfolg zu verhelfen, ist weder wegen vollendeten noch wegen versuchten Betrugs strafbar. d) V e r s u c h u n d V o l l e n d u n g des P r o z e ß b e t r u g s . aa) Schon das falsche Parteivorbringen in der K l a g e e r h e b u n g stellt einen B e t r u g s v e r s u c h dar, der sich während des ganzen Verlaufs des Rechtsstreits f o r t s e t z t , wenn der Kläger die bewußt unwahre Parteibehauptung, die er in der Klage aufgestellt hatte, durch seinen Prozeßbevollmächtigten in dem Rechtsstreit vertreten läßt und zur gerichtlichen Anerkennung zu bringen sucht. (E. 72, 150.) bb) Für die Frage, wann der Prozeßbetrug aus dem Stadium des Versuchs in dasjenige der V o l l e n d u n g ü b e r g e h t , können zeitlich vier Momente in Frage kommen, nämlich der Zeitpunkt der Urteilsverkündung, der Zustellung, der Rechtskraft und der Leistung. Während Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils mehr oder weniger Formalakte sind, durch die ein definitiver Rechtszustand nicht geschaffen wird, bewirkt die R e c h t s k r a f t des Urteils eine definitive Regelung der zwischen den Parteien bestehenden materiellen Rechtsbeziehungen. Erst in diesem Zeitpunkt ist der P r o z e ß b e t r u g , falls das unwahre Parteivorbringen kausal f ü r den Urteilsspruch geworden ist, v o l l e n d e t . cc) Gelingt die Täuschung des Richters nicht, hat also das bewußt unwahre Parteivorbringen keinen Erfolg, so ist a u c h der Betrugs v e r s u c h erst mit Eintritt der R e c h t s k r a f t des betreffenden Urteils v o l l e n d e t ,

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Die Lösungen

so daß auch erst mit diesem Zeitpunkt die Verjährung beginnt. (E. 72, 138 und 150.) dd) Bei Täuschung der G e g e n p a r t e i ist der Betrug in dem Augenblick v o l l e n d e t , in dem die Partei auf das unwahre Verhalten hin z. B. einen Vergleich schließt, ihre Klage zurücknimmt, ihre Einreden fallen läßt, ohne daß eine richterliche Entscheidung ergangen ist. 2. D i e s e G r u n d s ä t z e f ü h r e n , a u f d e n v o r l i e g e n d e n F a l l a n g e w a n d t , zu f o l g e n d e m E r g e b n i s : a ) Da es sich nach dem Wortlaut des Tatbestands nicht um eine bloße Parteibehauptung, sondern um eine v e r a n t w o r t l i c h e V e r n e h m u n g d e r P a r t e i nach §§ 445fr. Z P O . handelt, wäre schon nach der in E. 69, 192 niedergelegten Rechtsprechung, erst recht aber nach E. 72, 1 1 5 u n d 150, die Frage nach dem Kausalzusammenhang zwischen Täuschung u n d Vermögensbeschädigung ohne weiteres zu bejahen, wenn auf Grund des Ergebnisses der Parteivernehmung der Richter den Beklagten Reich zur Zahlung der 250 Mark verurteilt hätte. An diesem Ergebnis ändert aber auch nichts die Tatsache, d a ß die unwahre Behauptung nicht vom Kläger selbst, sondern von Klug herrührte. Da außerdem nach Sachlage Klug wußte, d a ß der von ihm f ü r seinen Klienten erstrebte V e r m ö g e n s v o r t e i l e i n r e c h t s w i d r i g e r war, bestehen gegen die A n n a h m e eines v e r s u c h t e n B e t r u g s d u r c h T ä u s c h u n g d e s R i c h t e r s k e i n e r l e i B e d e n k e n (siehe auch E. 59, 106). b ) N u n ist es aber zu keiner durch Irrtumserregung bewirkten Vermögensdisposition (Urteilspruch) des R i c h t e r s gekommen, sondern die Täuschungshandlung des Klug wirkte sich in der Person des gegnerischen A n w a l t s aus mit der Maßgabe, daß dieser sich infolge des in ihm erregten Irrtums zum Abschluß des fraglichen Vergleichs veranlaßt sah. Wenn auch Klug vielleicht von vornherein nicht die Absicht hatte, den Anwalt zu täuschen, so hat er doch immerhin nicht verhindert, daß die zunächst dem Richter gegenüber gewollte Täuschung sich in dem Anwalt auswirkte, und damit auch diesen Erfolg in seinen Vorsatz aufgenommen. Es l i e g t d a h e r e i n v o l l e n d e t e r B e t r u g z u m N a c h t e i l d e s R e i c h v o r . In diesem vollendeten Betrug geht der dem Richter gegenüber begangene Betrugsversuch auf. Der Betrug war nicht erst mit der Auszahlung der Klagesumme vollendet, sondern s c h o n i m A u g e n b l i c k d e s A b s c h l u s s e s d e s V e r g l e i c h s , da ein Vermögen nicht nur durch Entziehung aktiver Vermögensbestandteile geschädigt werden kann, sondern schon durch eine Belastung mit einer Schuldverbindlichkeit. D i e s e r B e t r u g w u r d e in T a t e i n h e i t m i t d e m o b e n e r ö r t e r t e n M e i n e i d begangen.

IV. Das Verhalten des Klug gegenüber Leim 1. V o r b e m e r k u n g : A l l g e m e i n e E r ö r t e r u n g e n z u § 266. a ) Durch die Strafrechtsnovelle vom 26. Mai 1933 wurde der T a t bestand der U n t r e u e neu formuliert. I m Gegensatz zum alten Recht, in dem sich das Verbot der Untreue gegen drei bestimmt bezeichnete

Fall

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Personenkreise richtete, die durch Gesetz, durch Rechtsgeschäft und durch obrigkeitliche Verpflichtung zur Verfügung über fremdes Vermögen berufen sein konnten, hat der neue § 266 diese kasuistische Regelung verlassen und stellt nunmehr einen a l l g e m e i n e n T a t b e s t a n d der Untreue auf, der die Möglichkeit einer strafrechtlichen Erfassung a l l e r A r t e n v o n t r e u w i d r i g e r V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g bietet. Der neue § 266 unterscheidet z w e i G r u p p e n von Untreuehandlungen, und zwar die Untreue in Form des Mißbrauchs einer Vertretungsbefugnis und die Untreue, begangen durch Verletzung einer Interessenwahrneh mungspfl icht. b) D i e U n t r e u e d u r c h M i ß b r a u c h e i n e r V e r t r e t u n g s b e f u g n i s , sog. M i ß b r a u c h s t a t b e s t a n d . (Ausübung eines rechtlichen Könnens ohne rechtliches Dürfen, B G H . 5, 63.) aa) Dieser Teil des § 266 setzt voraus, daß dem Täter die B e f u g n i s zusteht, über fremdes Vermögen zu v e r f ü g e n oder einen anderen zu v e r p f l i c h t e n . Durch die letztere Alternative wird zum Ausdruck gebracht und damit eine Streitfrage des alten Rechts erledigt, daß nämlich eine Untreue nicht nur durch Verringerung des fremden Aktivvermögens, sondern auch durch Belastung des fremden Vermögens mit einer Schuldverbindlichkeit, also durch Vergrößerung des Passivvermögens begangen werden kann (z. B. Ausstellung eines Wechsels oder Übernahme einer Bürgschaft). Immer aber ist V o r a u s s e t z u n g d e s M i ß b r a u c h s t a t b e s t a n d s , daß sich die Vertretungsbefugnis auf f r e m d e s Vermögen, d. h. r e c h t l i c h (nicht nur w i r t s c h a f t l i c h ) in f r e m d e m Eigentum stehendes Vermögen bezieht; sind die Vermögensbestandteile n u r w i r t s c h a f t l i c h f r e m d , dann kommt der T r e u b r u c h s t a t b e s t a n d in Frage. (BGH. i , 187.) bb) Die V e r t r e t u n g s b e f u g n i s kann beruhen: (x) auf Gesetz, z.B. Vertretungsmacht des V a t e r s bez. der Verwaltung des Kindesvermögens (§ 1630 BGB.) oder diejenige des E h e m a n n s bezgl. der Verwaltung des Vermögens seiner Frau (§§ 1376, 1378 BGB.) oder diejenige der E h e f r a u nach § 1357 (Schlüsselgewalt). (Auf alle diese Fälle konnte der frühere § 266 keine Anwendung finden, weil diese Personen zu keinem der dort angeführten Personenkreise gehören.) ß) Auf b e h ö r d l i c h e m A u f t r a g , z. B. Vertretungsmacht des Vormunds (§ 1774 B G B . ) , des Pflegers (§§ 1909fr. BGB.), des Konkursverwalters (§§6, 78 K O . ) ; ferner die Vertretungsmacht des B e a m t e n (siehe E . 69, 333). y) Auf R e c h t s g e s c h ä f t . In diese Kategorie gehören die B e v o l l m ä c h t i g t e n des alten § 266 Z. 2, also solche Personen, die von dem Auftraggeber zu einem rechtsgeschäftlichen Handeln gegenüber einem Dritten bestellt und berechtigt sind, über sein, des Auftraggebers Vermögen zu verfügen. Hierher gehören auch die vertretungsberechtigten Organe juristischer Personen und Gesellschaften. cc) Die H a n d l u n g des Vertrelungsberechtigten muß einen Mißbrauch der Vertretungsbefugnis enthalten und zur Folge haben, daß f ü r den,

Die Lösungen dessen Vermögensinteressen der Vertretungsberechtigte zu betreuen hatte, ein Nachteil entsteht.