Prager Dom von Matthias von Arras und Peter Parler 8072814079, 9788072814077

Karl IV., römischer Kaiser und König von Böhmen, machte sich um den Ausbau zahlreicher monumentaler Bauten verdient, wob

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German Pages 225 [116] Year 2010

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Prager Dom von Matthias von Arras und Peter Parler
 8072814079, 9788072814077

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Karl N., römischer Kaiser und König von Böhmen, machte sich um den Ausbau zahlreicher monumentaler Bauten verdient, wobei sein Hauptaugenmerk dem St.-Veits-Dom auf der Prager Burg galt. Dieser Dom sollte ein Meisterwerk der Gotik werden - eine aus Stein gefertigte Verkörperung des Glaubens, Symbol Seiner königlichen Majestät, Sitz des Erzbischofs, Kultzentrum für die Schutzpatrone des Landes, Schauplatz feierlicher Krönungszeremonien, königliche und zugleich auch nationale Begräbnisstätte. Keine andere Kirche in Europa vereinigte in sich so viele Funktionen. Das Projekt des ersten Baumeisters des Domes, Matthias von Arras, kam schon zu seiner Zeit einem Bauwunder gleich. Die ihm gestellte Aufgabe - den Stil der südfranzösischen Dome auf Prag anzuwenden - passte er unauffällig seinen eigenen Vorstellungen sowie den hiesigen Traditionen an. Peter Parler, sein Nachfolger, ging bei seinem Herangehen an das vor ihm liegende Arbeitspensum recht eigenwillig, dabei genial und aus architektonischer Sicht auch riskant vor, sodass er in Konflikt zu den damals anerkannten baulichen Regeln geriet. Kein Wunder also, dass noch im XXI. Jahrhundert dieser Dom im Herzen unserer Metropole, ursprünglich dem unbekannten sizilianischen Märtyrer Veit geweiht, den Betrachter mit seiner imposanten Vornehmheit sowohl aus der ferne als auch aus der Nähe, aber auch mit seinem Inneren und Äußeren zu verblüffen vermag. Der Prager Dom ist weder der älteste, noch der baulich gewichtigste oder gar höchste Dom in Europa. Seine Einmaligkeit ist in seiner umwerfenden Ausgewogenheit begründet. Die Gesamtlänge des Bauwerkes beträgt 124 Meter und die Breite des Transeptes erreicht imposante 60 Meter. Das Gewölbe erreicht eine Höhe von mehr als 33 Metern und der fast 100 Meter lange Südturm prägt sichtbar das charakteristische Panorama der Hauptstadt. Die heilige Domhalle vermag mehr als 8000 Personen zu fassen, die hier dem Wort Gottes lauschen können.

www.eminent-books.eu ISBN 978-80-7281-407-7

9 788072 814077

ESOTERISCHES PRAG P

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DEUTSCHE BÜCHER AUS DEM VERIAG EMINENT

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JI Ri KUCHAR

ESOTERISCHES PRAG EIN FÜHRER DURCH DIE VERBORGENE GESCHICHTE DER STADT DIE VIEL BIETET UND NOCH MEHR VERBIRGT

TURZOVKA - LOURDES IM HERZEN EUROPAS

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DER ORLOJ / DIE PRAGER ASTRONOMISCHE UHR EIN BEGLEITER DURCH DIE GESCHICHTE UND DAS ESOTERISCHE KONZEPT DES ORLOJ

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von Matthias von Arras und Peter Parler

DES BERÜHMTEN BAUWERKS VON KARL IV. UND PETER PARLER

JAN BONEK, TOMAS BONEK

DIE BÖHMISCHEN KRONJUWELEN UNBEKANNTE GESCHICHTE • VERGESSENE SYMBOLE • VERBORGENE BOTSCHAFTEN

JAN BONEK

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RUDOLF II. UND SEIN KAISERLICHES PRAG EIN MANN, DER DIE GESCH ICHTE SCHRIEB • DIE PRAGER BURG

DAS ZENTRUM EUROPAS

JÜDISCHES PRAG DAS KLEINSTE PRAGER VIERTEL• KNOTENPUNKT UNTERSCHIEDLICHER WELTEN • EINE IN DEN ABGRÜNDEN DER ZEIT VERSUNKENE GESCHICHTE

VACLAV VOKOLEK

KRUMAU DIE STADT DER MYSTISCHEN ROSE

HOLGER KALWEIT

PLATONSTOTENBUCH

Spitzenleistung europäischer Gotik Geniale Künstler und Mysterium des Domes Stolzer Sitz böhmischer Könige und Herz des Landes Hundert Jahre Luxemburger in Böhmen

EROS, SEELENENERGIE UND LEBEN NACH DEM LEBEN

MEINE SUCHE NACH DEM ZEITLOSEN AUGENBLICK

JAN BONEK Weitere Informationen unter

www.eminent-books.eu

INHALT

WlRKUNGSJAHRE VON MEISTER MATTHIAS ................................................86 Jede der Kapellen hat ihre eigene Bedeutung ...........................................89 Vermächtnis von Matthias von Arras ....................................................... 107 Prominentengräber ........................................................................................ 112 STERNSTUNDE VON PETER PARLER .............................................................. 114 Nürnberger Frauenkirche ............................................................................. 121 Kapelle des heiligen Wenzel... ..................................................................... 125 Krönungskammer ........................................................................................... 144 Feierlicher Eingang oder auch das Goldene Tor .................................... 150 Baurechnungen des Domes ......................................................................... 164 Strebesystem und Wendeltreppenhaus .................................................. 167 Unikate Baupläne ............................................................................................ 174 Das Werk eines genialen Meisters: der Hochchor ................................ 177 Heiliges Triforium (Drillingsbogen) .......................................................... 181 Mysterium der Chorfenster ......................................................................... 198 Fast eine Detektivgeschichte ....................................................................... 201 NOCH EIN LETZTES MAL ÜBER DIE BEDEUTUNG DES DOMES ............ 207

WlE EIGENTLICH HElßT DER ST.-VEITS-DOM? ................................................ 9 POST SCRIPTUM ODER WAS SICH WEITER ZUGETRAGEN HATTE ..... 211 MÜNSTER, DOM, KIRCHE - WO WAR WOHL DER ANFANG? ................. 13 Deutscher Nationalstil ...................................................................................... 19 Was ist Gotik? .....................................................................................................21 Das Wunder von fle-de-France ....................................................................... 24

ORIENTIERUNGSPLAN DES DOMES .............................................................. 216 NAMEN DER KAPELLEN IM ST.-VEITS-DOM ................................................ 217

EIN SIEGREICHER STIL BAHNT SICH SEINEN WEG ...................................... 32 Paris des Reiches und des Königtums Böhmen .......................................36 DER DOM ZU PRAG- ERSTERAKT. .................................................................. 44 Warten auf den Grundstein ............................................................................ 48 Das allerwichtigste Jahr in der Geschichte der Prager Architektur ... 54 Arras ......................................................................................................................60 Wer hat Matthias von Arras eingeladen? ................................................... 62 Avignon ................................................................................................................ 73 Rodez .................................................................................................................... 76 Vom Bischof zum Erzbischof ......................................................................... 78 Pallium ................................................................................................................. 81 Grundsteinlegung ..............................................................................................82

LITERATUR .............................................................................................................. 218 ALPHABETISCHES VERZEICHNIS .................................................................... 220

WIE EIGENTLICH HEißT DER ST.-VEITS-DOM? An der Stelle, wo heute im Herzen der Prager Burg ein Dom zum Himmel ragt, stand

seit dem X. Jahrhundert eine seinerzeit überaus bewunderte Rotunde, geweiht dem heiligen Veit. Irgendwann nach dem Jahre 925 ließ sie der damals in Böhmen herrschende Fürst Wenzel errichten. Es ist nicht ganz klar, warum er zum Patron des neuen Sakramentshauses diesen bis dato recht unbekannten sizilianischen Heiligen erwählte. Vielleicht handelte es sich um eher persönliche Gründe, die ihn dazu bewogen, aber viel realistischer scheint die Erklärung zu sein, dass ihn zu jenem Schritt politische Beweggründe veranlassten. Vermutlich wollte er mit jener Geste sein aufrichtiges Verhältnis zu dem immer mächtiger werdenden Königtum westlich der Grenzen seines Landes demonstrieren. Der heilige Veit war traditionell Patron des benachbarten Königtums Sachsen, obwohl seine sterblichen Überreste in der Basilika Saint-Denis bei Paris ruhten. Was alles ist uns eigentlich über jenen Heiligen bekannt? Unter der Regierung von Karl IV. hatte man ihn zum Schutzherrn der tschechischen Länder, des Kirchsprengels und des Metropolitan-Domes erklärt, neben den Heiligen Wenzel, Adalbert, Prokop, Sigismund, der heiligen Ludmilla und den fünf heiligen Brüdern ... Einer Legende nach wurde der heilige Veit Ende des III. Jahrhunderts in der Familie des bedeutenden römischen Beamten Hylas in der Hafenstadt Mazara di Vallo an der Westküste Siziliens geboren. Auch wenn man ihn im heidnischen Glauben erzogen hatte, ließ er sich mit sieben Jahren unter dem Einfluss seiner christlichen Amme Crescencia und ihres Gatten heimlich taufen. Diese Tat kam in dem Augenblick ans Licht, als er es ablehnte, den heidnischen Göttern zu opfern. Vor seinem wütenden Vater, der auf Grund seiner gesellschaftlichen Stellung kein solches „schwarzes Schar' in der Familie dulden konnte, flüchtete der Knabe im Jahre 306 nach Rom. Doch dieser Schritt sollte sich überhaupt nicht als hilfreich erweisen, im Gegenteil. Da er seinen Glauben nicht verhehlte, wurde er festgenommen, verhaftet und schließlich von Kaiser Diokletian zum Tode Die Prager Burg im X. Jh. mit der Rotunde des HI. Veit inmitten eines befestigten Sitzes, den archäologischen Funden nach das Werk des Zeichners und Grafikers Milan Plitek.

© 2010 Jan Bonek Photo © 2010 Jan Bonek, Petr Bonek, Miroslav Fojtfk, Jiff Kuchaf, Martin Martan, Dusan Stulik Translation© 2010 Karina Szücsova Edition © 2010 Eminent ISBN 978-80-7281-407-7

Des Öfteren werden in dem vorliegenden Buch die tschechischen Landespatrone erwähnt, allerdings spiegelt das berühmte Votivbild des Erzbischofs Johann Oc"ko von Wlaschim am genausten die Atmosphäre am Prager Hofe von Karl IV. wider. Der Kaiser, sein Sohn und auch der Erzbischof sind im selben Maßstab wie die Heiligen abgebildet: links oben der HI. Sigismund, in der Mitte die Jungfrau Maria mit dem Kinde Jesu, rechts dann der HI. Wenzel; in der unteren Bildhälfte ferner der HI. Prokop, der HI. Adalbert, kniend Johann Ocko von Wlaschim und hinter ihm der HI. Veit und die HI. Ludmilla. ..i

verurteilt. Einern Wunder gleich konnte ihn weder das glühende Pech, in das er versenkt wurde, noch geschmolzenes Blei töten, und auch die hungrigen Löwen, denen man ihn vorwarf, erfüllten ihre Aufgabe nicht. Schließlich war es die Hand des Henkers, die ihm sein Leben endlich nahm. Die sterblichen Reste des Märtyrers gelangten im Geheimen in die Hände römischer Christen. Sie behüteten diese bis zum Jahre 836, als der Heilige mit großem Pomp in das königliche Mausoleum und die geheiligte Bestattungsstelle französischer Könige, nämlich in die Basilika Saint-Denis, unweit von Paris, überführt wurde. Von hier aus wanderten diese in Bälde noch weiter und gelangten nach Corvey, in das dortige Zisterzienserkloster. Wie aber die sterblichen Überreste des heiligen Veit in den Besitz von Heinrich 1. gelangten, dem Begründer der sächsischen Herrscherdynastie des Heiligen Römischen Reiches, der auch als Heinrich der Vogler bekannt ist, darüber hüllen die Legenden den Mantel des Schweigens. Offensichtlich besaß dieser genügend „zum Verschenken" denn ansonsten lässt sich nicht logisch erklären, wieso er irgendwann um das Jahr 930 dem Fürsten Wenzel einen Märtyrerarm zueignete, der dann zu Ehren des heiligen Veit auf der Prager Burg eine Vierapsis-Rotunde erbauen ließ. Am Rande sei angemerkt, dass 400 Jahre später Kaiser Karl IV., ein fanatischer Sammler von Reliquien, weitere Überreste des heiligen Veit in Italien erwarb und diese im Jahre 1355 nach Prag bringen ließ. Aber damit greifen wir den Ereignissen vor. Mitte des XI. Jahrhunderts wurde die Rotunde auf der Prager Burg abgerissen, da sie räumlich den gewachsenen Anforderungen nicht mehr genügte. An ihrer Stelle begann ab dem Jahre 1060 auf Geheiß von Spytihnev II. allmählich eine 70 Meter lange

Die Abtei Saint-Denis unweit von Paris steht symbolhaft für die nationale Einheit und die höchste politische Autorität im lande. Im hiesigen Dom neben dem Grab des „Schutzheiligen Frankreichs", dem HI. Denis, ruhten französische Könige und Königinnen.

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MÜNSTER, DOM, KIRCHE ... WO WAR WOHL DER ANFANG?

Die Reliquienbüste des HI. Veit fertigte der Goldschmied Wenzel von Budweis erst im Jahre 1484 an. Dennoch gilt sie als Beweis für die lang anhaltende Tradition der Bildhauerkunst von Parler und zählt zu den führenden Werken der Spätgotik in Prag. Ein bestimmter Zusammenhang mit Vladislav II. kann nicht in Abrede gestellt werden, handelt es sich doch um ein geheimes Porträt des Königs selbst.

und 36 Meter breite romanische Basilika zu entstehen. Der Bau wurde dann von seinem Bruder Vratislav ll. vollendet, unter dessen Regierung die Basilika von Bischof Jaromir-Gebhard im Jahre 1074 geweiht wurde, und nicht nur dem heiligen Veit, sondern auch den Heiligen Wenzel und Adalbert sowie der Jungfrau Maria. Anzumerken gilt, dass die verwendete Benennung, die lang und unpraktisch war, sich nicht durchzusetzen vermochte. Obgleich man sie in Anbetracht der „historischen Ereignisse" am 23. April des Jahres 1997 erneut eingeführt hat, wird im vorliegenden Buch statt „Kathedrale der Heiligen Veit, Wenzel und Adalbert" die bereits während der Regierungszeit von Karl IV. allgemein benutzte, einfachere, traditionelle und bezeichnende Benennung St.-Veits-Dom verwendet.

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Logischerweise muss man „bei den Anfängen" beginnen. Schon die ältesten Zivilisationen verfügten über eigene Tempel, in denen man die Macht Gottes spüren konnte. Und es musste sich dabei überhaupt nicht um ein Gebäude im engeren Wortsinne handeln. Mal erfüllte solch eine religiöse Aufgabe ein Druidenhain, eine Quelle, ein Fluss oder eine geheimnisvolle Höhle, dann wiederum war es ein Hügel oder ein Tal, gegebenenfalls handelte es sich um irgendwo in der Natur aufgefundene Steinmonumente, oftmals auch von Menschenhand erschaffen. In der Regel wurden jene geheiligten Räume in zwei Teile geteilt: der eine war der breiten Öffentlichkeit zugänglich, zum zweiten dagegen hatte nur eine Gruppe Auserkorener freien Zutritt, nämlich die Geistlichen, die direkt mit den Göttern in Kontakt traten. In dieser Hinsicht hatten es die alten Ägypter bis zur Vollkommenheit gebracht. Ihre religiösen Bauwerke, Sitze einer unerschöpflichen Götterschar, hatten nicht nur als geistlicher Mittelpunkt gedient, sondern auch als zweites Zentrum der Macht im Staate. Für die Mehrheit der Gläubigen war es eine unzugängliche, nur zum Teil verständliche Welt. Die Versuche, jenen Zustand zu verändern - wie auch immer - und den Gläubigen nur an einen einzigen Gott zu binden, nahmen üblicherweise einen katastrophalen Ausgang. Der Prozess der Neugestaltung, bei dem ein Volk in einem Gottestempel nur einen einzigen Gott verehrte, war unglaublich kompliziert, quälend und langwierig. Aus den wenigen archäologischen Funden kann man allerdings schließen, dass es eine gesetzmäßige, wenn auch über viele Generationen hindurch verlaufende Entwicklung war. Neben dem altägyptischen König Echnaton (etwa 1359-1342 v. Chr.) war Salomon, Herrscher über Israel und Judäa (vermutlich in den Jahren 964-926 v. Chr.), der erste Regent in der Geschichte, der es vermochte, wenigstens für kurze Zeit den Gedanken an einen einzigen Gott durchzusetzen. Der Sohn von König David schaffte es, sein Territorium vom Mittelmeer bis zu den Nordgrenzen Ägyptens zu erweitern, ohne ein einziges Land zu überfallen und sein Volk auch nur für einen Tag in den Krieg zu stürzen. Die Kontrolle aller wichtigen Handelswege quer durch Arabien, ebenso wie ein einheitliches System der Steuererhebung und die Einnahme von Sondergebühren für die Aufrechterhaltung des königlichen Hofes ermöglichten ihm die Abwicklung von Projekten, die bis dahin als undurchführbar galten. Vor allen Dingen handelte es sich um den so genannten Jerusalemer Felsendom, den bedeutendsten Tempel Israels und wichtigstes Zentrum des Gotteskultes. Es war das erste Sanktuarium in der Geschichte, zu dem „ein Volk" also die gesamte Bevölkerung Israels, Zutritt hatte. Dennoch - um der Wahrheit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen - muss gesagt werden, dass auch dieser Dom seine Tabuzonen hatte. Neben den für die Gläubigen bestimmten Räumen gab es einen Hof, der allein der Priesterschaft vorbehalten war, sowie einen streng bewachten Platz mit einem Kultbild der Gottheit. Hierher durfte

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Der HI. Benedikt von Nursia lediglich der so genannte Pontifex gelangen, und dies geschah nur ein Mal pro Jahr. Der Felsendom wurde im Laufe der Jahrtausende mehrfach beschädigt und in der Folgezeit dann wieder aufgebaut. Erst im Jahre 70 v. Chr., in der Zeit des Aufstandes der Israeliten gegen die Römer, wurde der Dom vom Soldatenheer des Befehlshabers Tito, einem Sohn des Kaisers Vespasian, zerstört und bis auf einen kleinen Teil, der so genannten Klagemauer, endgültig und unwiederbringlich vernichtet. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass dieser Dom in Palästina während seiner Existenz „lediglich" einzig und allein die Aufgabe eines Versammlungsraumes, eines Schulzentrums oder einer Herberge für die Pilger erfüllte und hier die jüdische Gemeinschaft ihre Beratungen abhielt. Erst nach der Zerstörung des Sanktuariums auf dem Tempelberg kam es an dieser Stelle zu Gebeten und dem Singen von Psalmen, aus der Heiligen Schrift wurde vorgelesen und diese ausgelegt. Und noch etwas war neuartig und bis dahin unbekannt: In den Synagogen wurden auch Angehörige anderer Konfessionen empfangen, also Christen und Moslems. Allerdings hielten es die Vertreter der unterschiedlichen Konfessionen nicht allzu lange unter einem Dach aus. Schließlich wies man Letztgenannte aus und so begaben sich Christen und Moslems auf die Suche nach neuen Räumen für ihre Gottesdienste. Auf diesem Wege entstanden die ersten Kirchen und Moscheen. Dem ist noch ein winziges und wenig bekanntes Detail hinzuzufügen. Zu dieser Zeit kam es zu den sinnlosen und massiven Zerstörungen der als heidnisch geltenden Tempel. Der alte Glauben sollte „mit den Wurzeln ausgerottet werden" Zu den eifrigsten Befürwortern des neuen Glaubens zählten unter anderem der heilige Martin von Tours (316 oder 317-397), der heilige Bonifatius (673-754) und der heilige Benedikt von Nursia (483-543), Begründer des Die Basilika in der Abtei Saint-Benoit-surLoire, erbaut zum größten Teil im XII. Jh. 1 zählt insbesondere dank der einmaligen Säulen in der Vorhalle zu den bedeutendsten romanischen Sehenswürdigkeiten Frankreichs. In der Krypta unter dem Zentralpfeiler ruhen die Reliquien des HI. Benedikt.

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An der Kathedrale in Bourges wurde zwar - gleichzeitig zu den Kirchen in Soissons und Chartres - ab Ende des XII. Jh. gearbeitet, dennoch stellt sie baugeschichtlich eine radikale Wende dar. Das siebenunddreißig Meter lange Schiff ohne Querschiff trennt das Presbyterium vom Hauptdomschiff und hinterlässt mit seiner ununterbrochenen Ausdehnung einen einzigartigen Eindruck, der darüber hinaus durch das besonders schlanke Strebesystem verstärkt wird. christlichen Mönchtums im Westen und heutiger Patron Europas, der im Jahre 660 in der Krypta der Abtei Saint-Benoit-sur-Loire beigesetzt wurde. Deren legendäre Werdegänge sind geprägt von Erfolgen, erzielt gerade bei der Vernichtung heidnischer Symbole. Jahrelang schien es, dass die Verherrlichung von Christus gerade im Aufbau von Kirchen auf den Fundamenten und aus dem Material der abgerissenen Tempel bestand. Beispiel dafür ist die bedeutendste, vermeintlich auch die erste gotische Kirche in Rom, Santa Maria sopra Minerva. Dieses Heiligtum, geweiht der Göttin Minerva, die als Beschützerin von Handwerkern, Künstlern und Ärzten gilt, ließ im Jahre 50 v. Chr. Pompeius Magnus erbauen. Die Fundamente eines heidnischen Tempels sind bis heute in der hiesigen Krypta ersichtlich, die ursprünglichen Marmorstatuen wurden zu Die Altneu-Synagoge in Prag, eine der ältesten Synagogen in Europa, erfüllte von Anfang an nicht nur die Aufgabe eines Versammlungsplatzes für Beratungen in der Gemeinde, sondern auch die einer Schule. Erst weitaus später wurde sie zur ausschließlichen Gebetsstätte.

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Ein Blick in den Gewölbescheitel des Domschiffes von Bourges. Nicht nur der Architektur wegen, sondern auch aufgrund der erhalten gebliebenen ursprünglichen Vitragen zählt es zu den Spitzenleistungen der französischen Gotik.

Pulver zerstoßen und daraus dann der benötigte Kalk gebrannt; wahrlich eine barbarische Handlung von unvorstellbarem Ausmaß, ein jegliche Logik entbehrendes Niederreißen und erneutes Aufbauen ... Zum Glück begriffen Anfang des VII. Jahrhunderts, das genaue Jahr war 601 n. Chr., die höchsten Kirchenvertreter die Sinnlosigkeit eines solchen Unterfangens. Papst Gregor 1., der Große genannt, verabschiedete damals eine grundsätzliche Enzyklika, in der es heißt: ,,. .. die Götzenbilder müssen zerstört werden, aber die Dome selbst sollte man mit heiligem Wasser besprühen, es sollten in diesen Altäre erbaut werden, in die dann die heiligen sterblichen Überreste beigesetzt werden können. Wenn diese Dome gut erhalten sind, müssen sie der Macht böser Geister entrissen und in die Dienste des wahren Gottes gestellt werden ... " Dank dieser Maßnahme war es gelungen, das römische Pantheon, den Tempel aller Götter, zu retten und in eine christliche Kirche, geweiht Maria, der Mutter Gottes, umzuwandeln, ähnlich wie der athenische Parthenon oder die Dome in Syrakus, Trier, N1mes und viele andere. In ähnlicher Weise entgingen auch zahlreiche Moscheen dem Verderben, wie zum Beispiel die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Sie wurde zum Hauptsitz der Johanniter. Auch die Moscheen in Sevilla und C6rdoba wurden in christliche Gotteshäuser umgestaltet. Ein ähnliches Schicksal ereilte ebenso die Synagogen; als nach dem Jahre 1182 der französische König Philipp II. die Entscheidung traf, alle Juden aus dem Lande zu vertreiben, wurden deren Sanktuarien in Paris umgebaut, ebenso wie die größte europäische fünfschiffige Synagoge in Toledo.

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Schließlich aber hatten die mit Beschlag belegten heidnischen Dome, Moscheen und Synagogen den Bedürfnissen der katholischen Kirche nicht gereicht. So kam es nun zu einer Periode des Aufschwungs bei der Schaffung neuer kirchlicher Bauwerke, wie es Europa in seiner Geschichte bisher nicht erlebt hatte. Modeme Arbeitsmethoden, genügend Arbeitskräfte und auch die neue Art und Weise, wie sich die Baupläne vervielfältigen ließen, lieferten die Grundlage für jenen ungewöhnlichen Bauboom. Allein in Frankreich entstanden in den Jahren 1180 bis 1270 insgesamt 80 neue Dome und knapp 500 Klöster, meistens unter Verwendung von Stein als Baumaterial. An dieser Stelle wäre es angebracht, den Begriff „Kathedrale" zu erläutern. Im ursprünglichen Sinne des Wortes symbolisiert eine Kathedrale das Hirtenamt der Kirche, den Bischofs-, gegebenenfalls Erzbischofssitz. In der Architektur handelt es sich um einen mehrschiffigen Dom, dessen Chor (also der Platz mit dem Altar) eine Galerie mit einem Kapellenkranz und dem unentbehrlichen Strebesystem umsäumt. Solch ein Objekt diente prinzipiell einer großen Menschenschar und für das betreffende Gebiet war es ein unverzichtbares gesellschaftliches Zentrum. Und noch einen Begriff gilt es näher zu betrachten, der gewissermaßen das Grundgerüst des folgenden Textes darstellen wird - gemeint ist nämlich die „Gotik" Es ist überliefert, dass Giorgio Vasari (1511-1574), italienischer Maler, Architekt, und in erster Linie Autor der weltberühmten Schrift über das Leben und Schaffen von 200 italienischen Renaissancekünstlern, Von den ursprünglich 345 Zisterzienserabteien in Frankreich blieben bis heute lediglich 12 bestehen. Und von diesen ist das Kloster Noirlac am besten erhalten.

dieses Wort als erster verwendete und daher auch erfand. Das Werk erfreute sich solch einer besonderen Wertschätzung, dass man Giorgio Vasari seit der Herausgabe seiner Schrift als „Vater der Geschichte der bildenden Kunst" zu betiteln pflegte. Allerdings geschah das unter Vorbehalt. Man warf ihm vor, in die Antike „vergafft" und von den Meistern der Renaissance „verzaubert" zu sein und so habe er unbegreiflicher Weise den Kunststil des Mittelalters verkannt, den er spöttisch als Gotik bezeichnete oder auch als „Stil, der den !dealen der klassischen Welt ausweicht, ein Flickwerk an Spiralen, Zacken, grotesken Verzierungen und überflüssigen Details" Nur Wenige irrten in der Kunstgeschichte so stark ... Das Kloster Noirlac erstreckt sich in der Provinz Berry. Kennzeichnend für den Bau ist die einmalige Verbindung von romanischer und gotischer Architektur.

DEUTSCHER NATIONALSTIL Wie schon so oft geschehen, genügten diesmal 300 Jahre, um das Pendel des Interesses zur anderen Seite ausschlagen zu lassen. Und so war alles mit einem Male anders. Die Gotik wurde nun zum einzig anerkannten Stil, der die Qualität der Maler- und Bildhauerkunst, und besonders dann der Architektur, bestimmte. Im Namen der Gotik hatte man hunderte Gebäude, Klöster, Kirchen und ganze Burgen abgerissen, geschleift und umgebaut. Die so genannten Puristen waren fähig, auch qualitativ anspruchsvolle Bauten nur deshalb niederzureißen, um an deren gotische Fundamente und den gotischen Kern zu gelangen. Zum bedeutendsten Repräsentanten dieser Doktrin kristallisierte sich in Böhmen Der Architekt Josef Macker (1835-1899), ein außergewöhnder Architekt Josef Mocker heraus, der unter lich erfolgreicher Absolvent der anderem einer der Hauptakteure des Ausbaues Akademie der Bildenden Künste des St.-Veits-Domes war. Allerdings lassen sich in Wien, zählte zu den bedeuseine Spuren fast in jeder größeren Stadt in tendsten Vertretern der sog. Neugotik. Er war als Zeichner Tschechien nachweisen. Zu seinen Lebzeiten sowie Bauleiter bei der Vollensprach man davon, dass seine Meinung Gesetz dung des Wiener Stephansdosei. Sein Selbstbewusstsein wuchs von Tag zu mes tätig. Im Jahre 1872 wurde Tag. Vielleicht war es ein Zusammenspiel der er mit der Leitung der Bauarbeiten am St.-Veits-Dom in Prag Umstände, dass er im Januar des Jahres 1899 beauftragt. Auch wenn er sich an verstarb, also zu der Zeit, als er noch allgemein der Restaurierung von Sehensgepriesen und von allen als Kenner der Gotik würdigkeiten in ganz Böhmen beteiligte, machte die Arbeit am bewundert wurde. Nur wenige Monate darauf St.-Veits-Dom seinen Umzug auf riefen die Stimmen seiner bisher schweigenden die Prager Burg erforderlich. Die Kollegen nach einem Ende der Verwüstung von eifrigen Diskussionen über seiKunstdenkmälern im Namen der „Stilklarheit" nen unbestrittenen, wenn auch widerspruchsvollen Einfluss auf Die einstige Begeisterung und Bewunderung die Gestalt des Domes dauern bis für diese außergewöhnliche Persönlichkeit, fern in die Gegenwart an. jeglicher Kritik, bekam nun schrittweise Risse. Höhepunkt dieser Entwicklung war die absolute Verdammung seines Werkes im Jahre 1935, anlässlich des Gedenkens an seinen 100. Geburtstag. Die Wahrheit liegt sicherlich, wie so oft im Leben, irgendwo dazwischen. Europa, besonders dann Deutschland und Frankreich, bedurfte Mitte des XIX. Jahrhunderts einer gewissen Stabilisierung oder Verankerung. Die vorangegangenen Stilarten hatten sich als aussichtsloser Weg ohne weitere Anregungen erwiesen und so bot sich in dieser Zeit die Gotik als einziger Weg zu den erprobten Werten der Vergangenheit an. Dass sich die Waage letztlich der Gegenrichtung zugeneigt hatte, drückt das menschliche Naturell treffend aus.

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WAS IST GOTIK?

Vergleicht man die Bilder sowie zeitgenössische Aufnahmen mit dem gegenwärtigen Aussehen des Domes, sollte man nicht vergessen, dass ein wesentlicher Teil erst im XIX. Jh. unter der Leitung der Architekten Josef Kranner, Josef Mocker und Kamil Hilbert vollendet werden konnte.

Der Sinn der vorliegenden Arbeit liegt nicht in der theoretischen Analyse von Quellen und ihrer Herkunft. Es geht auch nicht um die philosophische Begründung einer der größten Wendepunkte in der Kulturgeschichte der Menschheit, begleitet von der Entstehung sowie rascher Verbreitung des gotischen Stils. Zunächst geht es darum, sich bewusst zu machen, um was für eine Zeitperiode es sich damals handelte. Ende des XII. Jahrhunderts hatten die Menschen genug von stiller Unterwürfigkeit, Scheinwissen und Gottesfurcht, verkündet in dunklen romanischen Domen, die für sich selbst und ihre Priesterhirten das Mysterium des Glaubens schützten und wohin der Weg den Unbefugten für immer untersagt blieb. Und damals kam es zu einer Situation, mit der die Kirche mutmaßlich nicht gerechnet hatte. Die erste Agrarrevolution, eine sich massenhaft entwickelnde Städteentfaltung und die bis dahin nie da gewesene Umsetzung ganzer Bevölkerungsgruppen bei der Kolonisierung unbewohnter Teile Europas mussten logischerweise zu einem neuen, und diesmal positiven Verhältnis gegenüber den gesellschaftlichen Werten führen. Und zu all dem gesellte sich das Christentum, das zum ersten Male verkündete, dass das Königreich Gottes sich schon auf Erden entfalten könne. Der Glaube stieg zum Menschen herab und wurde Bestandteil seines alltäglichen Wesens. Die Furcht vor Gott verflog. Mitte des XX. Jahrhunderts hatte Dobroslav Ubal, einer der größten und bedeutendsten Kenner der Gotik, geschrieben:

,, ... das Lächeln gotischer Statuen strahlte einen besonderen Lebensoptimismus aus ... " Damit es aber an dieser Stelle zu keinem Irrtum kommt: Die Gotik war nicht „vom Mond" gefallen. Man muss sie als Resultat eines schmerzhaften Entwicklungsprozesses verstehen, bestimmt vom anhaltenden Zwist zwischen den größtmöglich vorstellbaren Gegensätzen, nämlich der Ehrerbietung Gott gegenüber und der Sehnsucht nach einem rationellen Erfassen der Welt. Die Gotik - gewiss der nachhaltigste Wert des Mittelalters -, die mit ihren Werken auch den heutigen Menschen mitzunehmen und zu begeistern vermag, leuchtete als Licht am Ende des Weges, eingeleitet vermeintlich schon im XI. Jahrhundert, als in Burgund und in der Normandie groß angelegte romanische Kirchen und Klöster als unmittelbare Vorboten eines neuen Stils entstanden, dessen Wiege Frankreich war. Es muss allerdings betont werden, dass die Möglichkeiten des neuen Stils gerade von der Architektur am besten erfasst wurden. Den Worten von Dobroslav Ubal nach sind es vor allem die Dome,

,,deren Ausmaße alle menschlichen Maßstäbe zu übersteigen vermögen, deren Verzierung an den Portalen ebenso wie auf den Turmspitzen so vollkommen ist, dass es das menschliche Auge niemals gänzlich erfassen kann. Und dabei ist diese von Menschenhand erschaffen. Es könnte fast scheinen, dass die Sehnsucht nach der schöpferischen Vollkommenheit, die die Dome ausstrahlen, nicht von dieser Welt stammt."

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Citeaux, Wiege und Hauptsitz des Zisterzienserordens sowie Ort der Predigten des HI. Benedikt von Nursia, entstand nach strengsten Regeln des Klosterlebens. Der Orden wurde im Jahre 1098 als reformierter Zweig des Benediktinerordens gegründet. Sei· nerzeit begab sich Abt Robert mit 22 Ordensbrüdern von Molesme nach Burgund, in einen noch unbesiedelten Landstrich. 20 km von Dijon entfernt, an einem Ort namens Citeaux (lat. Cistercium), gründeten sie an der alten römischen Straße das Zentrum eines neuen Ordens. Alljährlich trat hier am 14. September das Generalkapitel aller Äbte zusammen, um sämtliche Angelegenheiten zu erörtern. Die monumentale goti· sehe Architektur in Verbindung mit dem technischen Wissen und Können der Zister· zienser stand an der Wiege mehrerer tausend Klöster in ganz Europa; in Böhmen sind es zum Beispiel Sedletz bei Kuttenberg (Sedlec u Kutne Hory), Plaß (Plasy), Pomuk (Nepomuk) und Königsaal (Zbraslav).

Das gotische Wunder entstand nicht nur aus Kreuzrippengewölbe und Spitzbogen heraus, es erwuchs aus dem geistlichen Milieu der damaligen Zeit, deren geheim ge· haltene und verschiedenartige Kraft dem neuen Stil zum Durchbruch verhalf. Jedes einzelne bauliche Detail schien in Bewegung zu sein. Die Bauwerke „flogen" zum Himmel, befreit von überflüssiger Materie, die sich als Ballast erwiesen hatte. Daher jene hohen Fenster, Arkaden, Triforien, raffinierte Säulenformen und Rippengewölbe. Charakteristisches Merkmal jedes einzelnen Domes war sein eigenständiger, unver· wechselbarer Rhythmus. Denn die Schöpfer dieser Bauten setzten sich zum Ziel, darin nicht nur ihre Vorstellung, sondern auch den Glauben einfließen zu lassen. Obwohl in Kunstkreisen über jedes auch noch so geringfügige Detailjahrzehnte·, ja sogar jahr· hundertelang diskutiert wird (und selbst die glühendsten Diskussionen führen oftmals zu keinem Ergebnis), besteht kein Zweifel daran, dass die ersten gotischen Bauten Mitte des XII. Jahrhunderts in Zentralfrankreich entstanden waren, auf ältestem his· torischen Gebiet und dem Fundament des Königtums, bis heute als 1Ie-de·France be· zeichnet.

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DAS WUNDER VON ILE-DE-FRANCE Warum gerade Saint-Denis, eine ehemalige Abteikirche und heilige Bestattungsstätte französischer Könige, zur Wiege der Gotik wurde, ist nicht bekannt. Unbestritten aber ist, dass sich gerade hier, in unmittelbarer Nähe zu Paris, das Zentrum der mächtigsten Monarchie in Europa befand. Der ursprünglich schmale Streifen zwischen der Loire und der Seine, zwischen Compiegne und Bourges, entfaltete sich allmählich zu einem mächtigen, reichen Land, in dem königliche Beamte die Einhaltung der einzelnen Verwaltungsverordnungen beaufsichtigten und für hohe Einnahmen der königlichen Kasse sorgten. Frankreich lieferte für ganz Europa eine gänzlich neue Sichtweise auf das Mönchs- und Klosterwesen. Die Inspirationen aus Cluny und uteaux hatten die Kraft einer Lawine. Dazu kam noch das Bestreben der Klosterschulen selbst, neue Universitäten entstehen zu lassen. übersehen werden dürfen auch nicht die immer wieder aufs Neue entstehenden Ritterorden und deren grundsätzliche Rolle bei den Kreuzzügen. Ein ebenso wichtiger Moment war die Wiederbelebung der Verehrung von Karl dem Großen, der Schlüsselgestalt der ältesten europäischen Geschichte, und auch eine neue Definierung des Nationalbewusstseins. Dazu gesellte sich noch die allererste Übersetzung des Korans ins Lateinische, des Weiteren die Rückbesinnung auf die Gedanken

Es gab mehrere Gründe für die Errichtung der Abteikathedrale in Saint-Denis. In der hiesigen Klosterkirche wurde im Jahre 754 Pippin der Kleine zum fränkischen König gekrönt, hier wurden die sterblichen Überreste des Nationalheiligen Denis bestattet und sie erfüllte überdies auch die Aufgabe als Begräbnisstätte französischer und merowingischer Könige.

Im Falle des zum größten Teil in den 40er Jahren des XII. Jh. vollendeten Bauwerkes kann man von Glück in der Gestalt des intelligenten und tatkräftigen Abtes Suger sprechen, der seinen Worten nach „den Drang" verspürte, etwas Außerordentliches zu erschaffen. Er verknüpfte viele der bereits bewahrten Elemente miteinander und machte sich um den ersten rein gotischen Bau der Welt verdient. der griechischen Philosophen und die Erfindung des Notentextes. Neue Bautechniken ermöglichten die Entstehung überraschender Formen wie Strebebogen, Kreuz- und Rippengewölbe, Spitzsäulen ... Der Ansicht von Norbert Ohler nach, dargelegt in seinem Werk Kathedrale, ermöglichte all das den ,,Aufbau von bisher nie da gewesenen Bauwerken ungeahnter Größe, Herrlichkeit und technischer sowie ästhetischer Kompliziertheit ... Es war in der Tat etwas Neues. Man vermochte nun das Gewicht von Gewölbe und Dachkonstruktion durch den Aufbau von Strebebogen und -pfeiler zu entlasten. Die Mauerfläche verschwand und wurde durch große Fenster ersetzt. " Aber die Frage, warum zu jener Zeit gerade in lle-de-France, bleibt unbeantwortet. Warum hatten in einem so beschränkten Umkreis mit einem Durchmesser von weniger als 150 Kilometern so viele revolutionäre Veränderungen ihren Platz? Das bleibt für immer im Geheimen verborgen. Und warum entstanden binnen weniger Jahrzehnte Dome und Klöster in Paris, Chartres, Rouen, Amiens, Soissons, Rems, Troyes, Sens und Orleans? Klar ist nur eins: Der allererste gotische Dom stand in Saint-Denis. Wenn man den Verdacht, dass sich Abt Suger (1080-1151) in seinem Pfarrsprengel ein Denkmal für sich errichten wollte - und vieles deutet daraufhin-, ganz außer Acht lässt, einschließlich seines Tagebuches, muss man seinen Mut und seinen schöpferischen Einsatz zu schätzen wissen. Obgleich er einfachen Verhältnissen entstammte, und das war für ihn in der Tat von großer Bedeutung, konnte er auf eine steile kirchliche Karriere zurückblicken. Zeitweise hatte er sogar einen der bedeutendsten Posten im Königtum inne; er wurde zum Regenten gewählt, stellvertretend für den Herrscher,

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als dieser zum Zweiten Kreuzzug aufbrach. Seit jener Zeit pflegte man Suger auch ,,Vater des Vaterlandes" zu nennen. Dieser „zweite Mann in Frankreich" hatte paradoxerweise in seinem eigenen Pfarrsprengel ein mehr als bedauerliches Kirchenbauwerk unter sich, das ihm direkt unter seinen Händen zu verfallen schien. Jemand anderer im Sessel des Abtes hätte sich mit der Situation höchstwahrscheinlich abgefunden, er hätte mutmaßlich verkraftet, dass sich die Gläubigen an manchen Tagen „gegenseitig auf die Füße treten", er hätte die Tatsache, dass diese Holzkirche recht schnell niederbrennen konnte, wohl kaum an sich heran gelassen - nur um seine Ruhe zu bewahren. Der eitle und unbändig vitale Suger allerdings, vernarrt in profane Pracht, traf die Entscheidung, einen Dom in völlig neuen räumlichen Dimensionen zu erschaffen. Damals hatte er wahrscheinlich mit dem Gedanken gespielt, die burgundischen Spitzbogen mit den Rippengewölben der Normandie in einem Bauwerk miteinander zu verbinden, das dann in der Tat ein repräsentatives Tabernakel des Königtums darzustellen vermochte. Darüber hinaus konnte er seinen Plan darauf stützen, dass die Kirche Saint-Denis der Krönungsdom französischer Königinnen war. Auf der einen Seite verfügte er also über ausgezeichnete Kontakte, die ihm ermöglichten, die notwendigen finanziellen Mittel für den Bau direkt bei König Ludwig IX., auch als Ludwig der Heilige bekannt, aufzutreiben, und zugleich sah er in seinem Leben nichts Wichtigeres - und das sei hervorgehoben-, als eine sichtbare Spur zu hinterlassen. Die Ausweitung, hauptsächlich dann der allgemeine Umbau der Klosterkirche, wurde am 14. Juli des Jahres 1140 mit einer feierlichen Grundsteinlegung in die Wege geleitet; der König, zahlreiche Bischöfe, Äbte, Adelige und Vertreter der Stadt Paris waren dabei anwesend. Die Bischöfe verdünnten eigenhändig den Mörtel mit geweihtem Wasser und der König legte selbst den ersten Stein für den Bau. Beachtenswert ist Sugers Bemerkung dazu, der von „gewissen Leuten" spricht, die in den Fundamenten Edelsteine hinterließen. Warum jene Edelsteine nicht in die Domkasse als Beitrag

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für den Kirchenbau gelangten, dafür gibt es eine durchaus logische Erklärung. Es handelte sich um eine Gabe für Jesus Christus, die ein für alle Mal in den Fundamenten verbleiben sollte, und nicht als „umgewandeltes" Baumaterial in den Mauern des Domes „im Nichts enden" Die Klosterkirche Saint-Denis, gegründet über dem Grab des heiligen Dionysius von Paris, einem der sieben Bischöfe, die angeblich von Rom nach Gallien zur Verkündung des Glaubens geschickt worden waren, zieht bis heute berechtigterweise die Bewunderung der Betrachter auf sich. Die Einmaligkeit dieses Baues beruht nicht nur auf seiner architektonischen Gestaltung, sondern - und dies in erster Linie - auf der ungewöhnlichen Farbfülle des Lichtes, das den ganzen Raum durchdringt. Das alles ermöglichte ein neuer Konstruktionstyp: Das Gewicht des Mauerwerkes wurde mit Hilfe der Gewölbe auf Pfeiler verteilt, demzufolge verloren die Außenwände ihre Tragefunktion und so gab es nun keinen Hindernisgrund mehr, in diese die hohen Fenster einzufügen .. . Der geschlossene Raum der Kathedrale wurde zu einem einzigen göttlichen Licht, zusammengesetzt aus einer nie da gewesenen Menge an winzigen farbigen Lichtern. Den Besucher sollte sofort das Gefühl überwältigen, in einer völlig neuen Welt aufgewacht zu sein. Es musste für jeden ein Schock sein. Aus dunklen romanischen Kirchen kommend, in denen das Tageslicht ein rarer Gast gewesen war, betrat man auf einmal einen Raum, in dem Gott gerade mit Hilfe des Lichtes zu einem spricht. Übrigens war sich auch Abt Suger dieser Tatsache bewusst, als er im Jahre 1144 in die Mauer des Chores folgende Verse verewigen ließ:

,,Neues Licht, das sich mit hellen Teilen verbindet, es soll hier eine von Licht erfüllte Kirche stehen." Und dazu ließ er selbstbewusst hinzufügen:

,,Ich bin Suger, dies wurde in unserer Zeit gebaut, die Leitung der Bauarbeiten war mir zuteil." Der Dom Saint-Denis unterschied sich so stark von allen bisher errichteten romanischen Bauten, dass man nach einer Bezeichnung für diesen neuen Baustil zu suchen begann. Anfangs war vom „französischen Stil" die Rede. Wie in diesem Buch bereits angeführt, war der heute so geläufige Begriff „Gotik" zu seiner Entstehungszeit im XVl. Jahrhundert eine pejorative, höhnische Bezeichnung für etwas, was die Italiener nicht verstanden. Dazu sei noch angemerkt, dass Abt Suger sein Priesteramt fast dreißig Jahre lang bekleidete. Er verstarb mit 71 Jahren als respektierte und geehrte Persönlichkeit, und dies sowohl am königlichen Hofe als auch unter der Elite der Kirchenhierarchie. Er hinterließ den Dom Saint-Denis, den ersten gotischen Bau der Welt und Vorbild für all die Dome, die in unglaublich kurzer Zeit nicht nur auf dem Gebiet lle-de-France, sondern in den folgenden Jahrzehnten in ganz Frankreich, aber auch in England, Deutschland, Italien und in Bälde ebenso in Mitteleuropa entstanden.

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Die Basilika Saint-Remi in Reims (eine ehemalige Abteikirche) ließ in den 60er Jahren des XII. Jh. der Abt Pierro de Celles umbauen (das Amt bekleidete er in den Jahren 1163 bis 1182). Ihm ist die Entstehung eines Bauwerkes mit zahlreichen originellen Elementen zu verdanken. Erwähnt seien die Fenster des Triforiums, die durch dünne Säulen voneinander getrennt sind. Den Chor und den entlasteten Kapellenkranz verband er mit einem einzigartigen Gewölbe. Die Gestalt des Chores stellte alles bisher Erbaute in den Schatten. Es scheint so, als ob der ganze Chor lediglich aus Fens· tern mit einem Minimum an Mauerwerk zusammengefügt werden sollte. Schmale Strebepfeiler, Säulen und Bögen ließen das Licht frei hindurchdringen. Vor der Basilika erhebt sich das Denkmal des HI. Remigius und von Chlodwig, dem ersten christlichen König des Frankenreiches. Zu seinen Füßen ruhen die Symbole der Herrschaft: ein eisernes Schwert und die königliche Krone.

Die Pariser Kathedrale Notre-Dame wird im Allgemeinen als Prototyp der gotischen Architektur erachtet. Die Pläne für ihre Errichtung wurden lange Jahre vorher geschmiedet. Erst nach ihrer Bewilligung konnte Papst Alexander III. im Jahre 1163 den Grundstein für die Kathedrale legen. Auch wenn die Kathedrale bei Weitem nicht die erste war, die in dem neuen Stil erbaut worden war, so waren doch zahlreiche Bauelemente neu bei diesem erstmaligen Versuch, einen monumentalen fünfschiffigen Bau ins Leben zu rufen, ähnlich dem Petersdom in Rom. Dennoch trat ein Problem auf: Durch die kleinen Fenster gelangte nicht genug Licht, sodass man diese im XIII. Jh. auf komplizierte Art und Weise vergrößern musste.

Den nie enden wollenden Debatten darüber, welche französische Kathedrale die schönste sei, könnte vielleicht mit der Erkenntnis ein Ende gesetzt werden, welche von ihnen die be· deutendste ist ... Und in diesem Falle lautet die Antwort: die Krönungsbasilika der französi· sehen Könige in Reims. Obwohl man ursprünglich den Eindruck gewinnen konnte, dass der „Höhepunkt der Gotik" in Chartres nicht zu übertreffen sei, kam der Baumeister schließlich mit der Idee, den ganzen Bau dem ungewöhnlich langen Hauptschiff unterzuordnen, das bei der Choreographie der Krönungszeremonie die Schlüsselrolle spielen sollte. Von ähnli· eher Bedeutung war auch die Entscheidung, statt der ursprünglich verwendeten Rosetten Rundfenster einzufügen. Beachtenswert ist des Weiteren das Besetzen jeder freien Stelle an den Außenwänden des Domes mit riesengroßen Engelstatuen des himmlischen Heeres zum Schutze des Königs.

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EIN SIEGREICHER STIL BAHNT SICH SEINEN WEG Erwähnt sei noch einmal die Tatsache, dass binnen eines kurzen Zeitraumes in Frankreich etwa 80 Kathedralen und Klosterkirchen emporstiegen. Meistens fanden sie nachweislich in der Kirche Saint-Denis ihre Vorlage. Die erste unter ihnen war eine kleine Kathedrale in der Stadt Senlis, heute nicht selten außer Acht gelassen, deren Bau im Jahre 1151 begann. Nur wenige Jahre später kamen die Benediktinerabteikirche Saint-Germain des-Pres in Paris und die Abteikirche Saint-Remi in Reims, in der traditionell das heilige Öl für die Salbung der französischen Herrscher bei deren Krönung aufbewahrt wurde, hinzu. Die Bedeutung jener Kirche wurde auch von der Tatsache bestimmt, dass man an dieser Stelle den heiligen Remigius beigesetzt hatte. Dieser salbte als erster in der Geschichte mit heiligem Öl, nämlich Chlodwig, den Begründer des christlichen Frankenreiches, bei dessen Taufe. Von hier aus führte der Weg direkt zum Bau des Domes Notre-Dame in Paris im Jahre 1163, der als Prototyp einer gotischen Kathedrale gilt. Dieser imposante Bau, 130 Meter lang und 35 Meter breit, übertraf alle bisherigen Maßstäbe. Kein Wunder also, dass die Errichtung eines solchen Bauwerkes den Abriss eines ganzen Viertels erzwang. Allerdings war dies für einen Dombau in der Hauptstadt unerlässlich, zudem noch in unmittelbarer Nachbarschaft zur königlichen Residenz gelegen. Ohne sämtliche außergewöhnlichen Elemente zu beschreiben, die für Notre-Dame bestimmend sind, sollte ein Detail nicht unberücksichtigt bleiben: Die Westfrontseite, in die gänzlich neu auch beide Türme integriert wurden, bildet der Siegesbogen. Die eindrucksvollste Stelle aber ist die Galerie der Könige, deren Aneinanderreihung die historische Kontinuität sowie Autorität eines der bedeutendsten europäischen Königshäuser versinnbildlicht. Auf diese Weise gelangt man zu dem in jeder Hinsicht monumentals-

Pfeiler und das Gewölbe der Kathedrale in Bourges. Auf der gegenüberliegenden Seite eine der dortigen Vitragen. ten Dom, zur Kathedrale von Chartres. Deren genereller Umbau begann im Jahre 1194 nach dem Brand der alten Kirche. Den ersten Schock über die Katastrophe löste die Überzeugung ab, dass der Tabernakel von der Jungfrau Maria selbst in Brand gesetzt worden war, weil sie sich einen ansehnlicheren Dom wünschte. Es gelang, das Vorhaben des Kapitalanlegers insofern umzusetzen, sodass es nun fast undenkbar war, jenes großzügige Projekt noch zu übertreffen. Im Jahre 1210 brannte ebenso die Krönungskathedrale der französischen Könige in Reims. Damit erwies es sich als unerlässlich, diese erneut zu errichten. Der damals herrschende Philipp II. August sollte in Bälde sein fünfzigstes Thronjubiläum feiern und so musste man damit rechnen, dass die Krönung seines Nachfolgers in nicht so weiter Ferne bevorstand. Die berechtigten Anforderungen an die Qualität des Bauwerkes, die in aller Stille getroffene Entscheidung, dass die Kathedrale in Reims noch mächtiger als die in Chartres sein muss, und schließlich auch der auf ihm lastende Druck der in naher Zukunft zu erwartenden Wahl eines neuen Königs ließen den Erzbischof von Reims nicht mehr zur Ruhe kommen. Der Gipfel von all dem sollte aber erst noch folgen. Im Jahre 1223 wurde der französische König Ludwig VIII. direkt an der Baustelle gekrönt und mit heiligem Öl gesalbt. Gleiches geschah dann mit Ludwig IX., genannt der Heilige, im Jahre 1226. Letzten Endes übertraf die Kathedrale in Reims tatsächlich ihre Konkurrentin an Größe, aber damit endeten die Bemühungen, die Großzügigkeit des Bauwerkes in Chartres in den Schatten stellen zu wollen. Die baulichen Risiken und vor allem dann die Kosten erreichten eine unverhältnismäßige Höhe. Auf einen charakteristischen und sehr kühnen Weg machte sich der Architekt der Kathedrale von Bourges. Er schuf ein fünfschiffiges Bauwerk und ließ dabei das Querschiff weg. Höchst originell war die Struktur der Stützpfeiler, die wirkten, als ob sie die Aufgabe als klassisches Stützsystem verloren hätten. Die Säulen gingen nämlich direkt in das Gewölbe über, sodass das Objekt scheinbar von runden, ungeteilten Pfeilern gebildet wurde. Jedenfalls unterscheidet sich diese Kathedrale von allen übrigen französischen Sakralbauten jener Zeit. Der Hauptgrund ist darin zu finden, dass der Münster in Bourges Sitz eines sich recht anmaßend gebärdenden Erzbischofs war,

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dem - obwohl weit von Paris - es wichtig erschien, mit seinen Bauten präsent zu sein. Dabei ließ er den Baumeistern bei ihrer Arbeit freie Hand, was zu außergewöhnlichen Ergebnissen führte. Zu guter Letzt sei der bedeutendste Sakralbau unter all denen, die im XIII. Jahrhundert Frankreich überschwemmten, erwähnt. Die Rede ist von der gotisch-königlichen Kapelle Sainte-Chapelle, die auf einem begrenzten Raum inmitten des königlichen Palastes auf der Pariser Insel lle de la Cite erbaut wurde. Sie entstand in den Jahren 1243-1248 auf Wunsch von Ludwig IX., der - wie bereits erwähnt - auch als Ludwig der Heilige bekannt war. Ludwig wollte an dieser Stelle besonders wertvolle Reliquien hinterlegen, vor allem dann die Dornenkrone von Jesus Christus, die er durch eine komplizierte Geschäftstransaktion von dem verarmten Kaiser Balduin erworben und im Jahre 1239 (manchmal ist dieses Ereignis auf das Jahr 1241 datiert) nach Paris überführt hatte. Der Architekt, mutmaßlich Pierre de Montereau, musste mit mehreren anspruchsvollen Aufgaben zurechtkommen: Der Bau sollte wenigstens so groß werden wie die übrigen Dorne und sämtliche modischen Extras waren tabu. Die Oberkapelle mit dem Reliquienschrein sollte schlicht wirken und das durch die schmalen Buntglasfenster eindringende Licht musste in gewissem Sinne eine mystische Atmosphäre erzeugen. Das Gewölbe stellte den Sternenhimmel dar. Dieses geniale Bauwerk bestimmte in seiner raffinierten Schlichtheit für lange Zeit das Maß der „klassischen Gotik" Es wurde sogar zum Standard für sakrale Bauten außerhalb Frankreichs, wo die Entwicklung, besonders dann im Südteil des Landes, eine andere Richtung nahm. Allerdings entwickelte sich die Gotik zum französischen Exportartikel und spätestens Ende des XIII. Jahrhunderts wurde sie zum europäischen Stil erhoben, und dies nicht nur in der Architektur, sondern auch bei der Ausübung von Zeremonien und dem Stil der Bekleidung. Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren neue Technologien und das Vereinfachen des ganzen Bauprozesses. Zu den wichtigen Neuerungen zählten auch Baupläne. Bis zu diesem Moment hatte man im Terrain immer wieder und wieder den ganzen Bau neu skizziert - manchmal auf Sand, ein anderes Mal im frischen Mörtel mit Hilfe von Schnur und Pflöcken. Allerdings erlaubte diese Art und Weise nicht die Erfassung von Details, deren folgende Verarbeitung sich deshalb langwierig, mühselig und kostspielig gestaltete. Infolge der Weiterentwicklung entstanden die Aufzeichnungen nun mit Hilfe von Zirkel und Richtlatte in aushärtendem Gipsmörtel auf dem Boden. Spätestens im Jahre 1220 gab es dann die ersten Pläne auf Pergament und innerhalb kürzester Zeit hatte sich diese Art der Bauzeichnung durchgesetzt und verbreitete sich rasant. Und das geschah der Tatsache zum Trotz, dass deren Gestaltung überhaupt nicht einfach war. In glatt poliertes Pergament hatte der Projektant mit einer scharfen Reißfeder „ein für alle Mal" eine Gerade, eine Kreislinie oder eine andere verlangte Kontur einzukratzen. Damit diese Linie sichtbar wurde, musste man sie mit einer speziellen Farbe, ähnlich der Tusche, tränken. Für ihre Erzeugung hatte jeder bedeutende Architekt seine ganz eigene Vorgehensweise, wovon ein erhalten gebliebenes, geheimes Rezept der Familie von Peter Parler zeugt.

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Sainte-Chapelle, dieser politisch bedeutendste Bau in Frankreich erhielt eine Aufgabe, der gewachsen zu sein, nicht so einfach war. Es ging darum, ,,nicht die neueste Pariser Mode nachzuahmen, sondern zur klassischen Sprache der Architektur zurückzukehren" Der Schöpfer, höchstwahrscheinlich Pierre de Montereau, musste daher auf allen Zauber verzichten und sich auf einen „schlichten und dennoch eleganten" Baustil konzentrieren. Und ihm gelang etwas, was selbst er nicht ahnen konnte - er setzte für lange Zeit die Maßstäbe der Klassik. Dabei wartete auf ihn noch eine besondere Schwierigkeit in Bezug auf die Farbigkeit der Fenster: das satte Rot und Blau, die Farben der königlichen Familie, und die Wirkung der Verglasung auf das ganze Interieur.

Jedenfalls bedeutete dieser Vorgang tatsächlich eine Revolution der bis dato üblichen Übertragung und Reproduktion architektonischer Vorstellungen, die den Maurern sowie Steinmetzen als Arbeitsgrundlage gedient hatten. Zeichnungen auf Pergament veranschaulichten ganz genau die Vorschläge und Gedanken der Baumeister und konnten hunderte Kilometer entfernt von der Stelle ihrer Entstehung eingesetzt werden. Das ermöglichte den Architekten, von einer Baustelle zur anderen zu reisen und ihre Projekte anzubieten. Auf diesem Wege schufen sie sich eine streng bewachte Sammlung, die nicht selten mehrere Jahre lang auf ihre praktische Anwendung wartete. Da es sich um die Basis der Prosperität für die Baumeisterfamilien handelte, durften einzig und allein deren Mitglieder Kopien verwenden. Alles andere galt als geistiger Diebstahl. Wichtig war auch, dass ein Architekt oder Baumeister jetzt keine Angst mehr vor dem Nichtvollenden seines Werkes haben musste. Sein Vorhaben war nun in Plänen erfasst, und so wie es die Traditionsregeln bestimmten, wurde das bauliche Werk auch nach dem Tode des Baumeisters von seinen Nachfolgern beendet.

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Karl IV. in den Vorstellungen des Illustrators der Sehedelsehen Weltchronik von 1493.

PARIS DES REICHES UND DES KÖNIGTUMS BÖHMEN Es lässt sich kaum beurteilen, wie der junge Karl aus dem Geschlecht der Luxemburger die kulturellen ' Veränderungen in Frankreich des XN. Jahrhunderts wahrgenommen hatte. Höchstwahrscheinlich bedeuteten sie für ihn 7 wunderbare Jahre am königlichen Hofe in Paris, als er Wissen, Erfahrungen und Erlebnisse sammelte. Und Steinchen für Steinchen fügte sich für Karl schrittweise das Mosaik eines französischen Herrschers zusammen, dessen Autorität in vielen Aspekten nicht genau definiert war. Dessen Ansehen war durch den souveränen und unantastbaren machtpolitischen Platz in der damaligen Welt mitbestimmt. Die Stellung eines von Gott gesalbten Königs (das heilige Öl für die Krönung hatten angeblich Engel mitgebracht), der über den weltlichen Gesetzen steht, war schon seit heidnischen Zeiten überliefert und dann vom Christentum noch gefestigt und verstärkt worden. Aber aus dieser Tatsache ergaben sich auch gewisse Komplikationen. Das französische Reich galt als Lehensgut des heiligen Dionysius von Paris (französisch: St. Denis). Logischerweise wurden das Kloster und der Dom Saint-Denis mit dem Grab des Heiligen zum Zentrum des königlichen Kultes. Unter anderem aus diesem Grund hatte man hier die Herrscher und deren Gattinnen beigesetzt. Das bietet auch eine Erklärung dafür, warum Karl N. später so eifrig den St-Wenzels-Kult durchsetzte und einen entsprechenden Raum für dessen Einsegnung - die St.-WenzelsKapelle im St.-Veits-Dom - erbauen ließ. Da er sich auch anderweitiger Nutzungsmöglichkeiten bewusst war, situierte er in den Dom außerdem die Krönungszeremonie der böhmischen Könige. Es war ihm klar, dass er bei der entsprechenden Zeremonie auf Die Königsgruft im Kloster Saint-Denis.

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das heilige Öl „verzichten" musste, also die heilige Salbung des Herrschers, die ja bereits in Reims erfolgt war, und so erzwang er wenigstens für die Vertreter des Königtums Böhmen die bischöfliche Weihe. Abgesehen davon, dass sich bis heute die Fachleute streiten, inwiefern Karl N. bei der Zusammenstellung der Krönungszeremonie französische Sitten und Bräuche nutzte, ist doch höchst auffällig, dass er sich bemühte, ,,den christlichsten Königen" der christlichen Welt ebenbürtig zu sein; für solche Herrscher hielten sich vor allem die französischen Monarchen seit der Zeit Ludwigs IX., der Heilige genannt, der in den Jahren 1226 bis 1270 an der Macht war. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die ungehemmte Sammelleidenschaft heiliger Reliquien bei Karl IV. aus der Zeit seines Aufenthaltes in Paris herrührte. Seine außergewöhnliche Ansammlung von Reliquien, einschließlich der Dornenkrone von Christus, bis heute in der Schatzkammer von Notre-Dame aufbewahrt, wurde direkt am königlichen Hofe in der extra dafür bestimmten Kapelle Sainte-Chapelle gehütet. Wenn man sämtliche Hoffeste, Paraden, die sich immer und immer wiederholenden Gottesdienste sowie all die unerlässlich erscheinenden Hochzeitsfeste Audienzen, Eidablegungen und manchmal auch Bestattungen außer Acht lässt, die' allesamt typisch für das Leben am mächtigsten Hofe im damaligen Europa waren, bleibt übrig der stabilste und sichtbarste Ausdruck der staatlichen Repräsentanz, der wohl auch Karl fesselte: die Architektur. Auch wenn die Blütezeit des Dombaus während seiner Zeit in Frankreich bereits ihren Zenit überschritten hatte, wurde noch weiterhin gebaut und es gab genug zu bewundern. Doch objektiv betrachtet muss man sagen: Während in Mittelfrankreich die Finanzen für weitere Projekte langsam ausgingen, begann in den übrigen Teilen Europas erst das goldene Zeitalter gotischer Dome. Mit anderen Worten ausgedrückt, was das XII. und Xlll. Jahrhundert in der Architektur Frankreichs waren, das war in der Geschichte Westeuropas, also auch in den böhmischen Ländern, das XIV. Jahrhundert. Ein noch vor kurzem barbarischer Landstrich konnte nun die Früchte der großen Umwandlungen ernten: Man hatte die Landwirtschaft modernisiert, eine Fülle an Nahrungsmitteln lieferte die Grundlage für die Populationsexplosion, es Auf dem Grabmal des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt hatte man die mächtigsten Männer der damaligen Welt dargestellt, unter anderem Heinrich VII. von Luxemburg, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und seinen Sohn, den böhmischen König Johann von Luxemburg.

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Der St.-Veits-Dom auf der Prager Burg, unbestritten die meistbewunderte Dominante der Hauptstadt seit der zweiten Hälfte des XIV. Jh. kamen neue Handelsverbindungen hinzu, was sich in neu aufkommenden Gedanken und einer umfassenderen Bildung positiv niederschlug, es kam aber auch den revolutionären Umbrüchen in der Kunst zustatten und diese drückte dem Stil, dem keine Grenzen bekannt waren, ihren Stempel auf: der Gotik. Das Hochmittelalter war geboren .. . Durchaus erwähnenswert ist, dass die böhmischen Länder innerhalb eines kurzen Zeitraumes Prozesse verkraften mussten, für die Europa einen schmerzhaften und langwierigen Weg zurückgelegt hatte. In die Karten spielte den böhmischen Ländern dabei die Tatsache, dass aus den verzwickten und nicht selten unübersichtlichen Kämpfen um die Krone von Karl dem Großen von allen rivalisierenden Geschlechtern letztendlich die im Grunde genommen eher unauffälligen Luxemburger siegreich hervorgingen. Dank Heinrich VII. und seinem Sohn Johann wurden die böhmischen Länder in die europäische Großmachtpolitik eingegliedert. Hinzugefügt sei noch, dass mit der Thronbesteigung durch die Luxemburger (künftig betraf dies ebenso die Herrscher aus dem Geschlecht der Habsburger) der böhmische König fast 350 Jahre lang zugleich römisch-deutscher Kaiser war. Der St.-Veits-Dom wurde nicht nur zum geistigen Zentrum des Landes und zur Krönungskathedrale zugleich, sondern auch zur Begräbnisstätte der böhmischen Könige und Königinnen ....

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Die Bedeutung Prags als einer der dominierenden Metropolen Europas erkannte ganz richtig auch Karl IV. Er erfasste als erster, dass Prag in der Geschichte Böhmens dieselbe Rolle spielt wie Paris in der französischen. Und er verwöhnte im wörtlichen Sinne des Wortes die Stadt auf verschwenderische Weise. Trotz einer Unmenge an monumentalen Bauten, von denen die meisten bis heute ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen, widmete er dem St.-Veits-Dom auf der Prager Burg seine besondere Aufmerksamkeit. Kein Wunder, war der Dom doch höchster Ausdruck der Kunstfertigkeiten gotischer Baumeister und zugleich der wichtigste öffentliche Bau der damaligen christlichen Welt, sozusagen eine steinerne Verkörperung des Glaubens. Im Gegensatz zu ähnlichen Tabernakeln in Westeuropa erfüllte jener in Prag (ähnlich wie der St.Lukas-Dom zu Roskilde in Dänemark) noch weitere Funktionen. Es handelte sich um den bedeutendsten königlichen Bau, der als Krönungsdom sowie als Begräbnisstätte der Herrscher und deren Familienmitglieder diente. Damit es aber zu keinem Irrtum kommt, der Begriff „Kathedrale" ist vom griechischen Katedra abgeleitet, was als Stuhl oder Sessel der Kirchenmacht übersetzt wird, also im religiösen Sinne bezeichnet das Wort eine beliebige Kirche bei einem Bischofs-, Erzbischofs- oder Domkapitelsitz. Darüber hinaus kann eine Kathedrale zum geistli· chen Zentrum des Landes, zum Schauplatz bedeutender Gegebenheiten des Volkes werden und demzufolge die Erhabenheit auch des höfischen Herrschers betonen. Im architektonischen Sinne des Wortes charakterisiert die Kathedrale einen konkreten Typ einer großen gotischen Kirche mit einigen spezifischen Zügen. Rund um das Presbyterium windet sich ein Korridor, an den Kapellen anliegen. Das Hauptschiff dominiert in der Höhe deutlich gegenüber der Galerie. Die Mauerstatik muss sich häufig auf besonders große Fenster einstellen, dank denen der Innenraum erleuchtet wird, was ihm dann die gewisse mystische Atmosphäre verleiht. Die Außenstützkonstruktion, die so genannten Fialen, sind nicht selten die Visitenkarte eines Baumeisters.