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German Pages 159 Year 1996
KATRIN VON WULFFEN
Politikberatung in der Demokratie
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t
Heft 453
Politikberatung in der Demokratie Zur Anwendung institutionenökonomischer Konzepte auf die Gesellschafts- und Unternehmenspolitik
Von
Katrin von Wulffen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wulffen, Katrin von: Politikberatung in der Demokratie : zur Anwendung institutionenökonomischer Konzepte auf die Gesellschaftsund Unternehmenspolitik I von Katrin von Wulffen. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 453) Zug\.: Eichstätt, Kath. Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08598-1 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08598-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 i§l
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung .................................................................................................................. 9 B. Die Struktur der Politikprobleme moderner demokratisch verfaßter Gesellschaften ......................................................................................................... 20 I. Horizontale und vertikale Ausdifferenzierung und Problemselbigkeit in der
Gesellschaft ...................................................................................................... 20 11. Regelgesteuerte Interaktionsprozesse in modernen Gesellschaften .................. 24 III. Die diskursive Natur politischer Prozesse ........................................................ 28
C. Kritik der Theorie der Wirtschaftspolitik und der Neuen Politischen Ökonomie ................................................................................................................ 33 I. Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik: der instrumentalistische
Ansatz ............................................................................................................... 33 I. Das Wissenschafts verständnis der traditionellen Theorie der Wirschaftspolitik ......................................................................................... 33 2. Das Politikverständnis der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik .......................................................................................................... 38 3. Das Demokratieverständnis der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik ........................................................................................ 39 11. Die Neue Politische Ökonomie: die Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik von 8.S. Frey .................................................................................................... 40
I. Public Choice und Neue Politische Ökonomie ........................................... .40 2. Die Konzeption der Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik bei 8.S. Frey ................................................................................................ 42 3. Kritik an 8.S. Freys Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik ................. 47
D. Die normative Institutionenökonomik als Ansatz zur ökonomischen Politikberatung ....................................................................................................... 53 I. Die Wissenschaftskonzeption der normativen Institutionenökonomik ............. 54
6
Inhaltsverzeichnis 1. Ein imperialismusfähiger ökonomischer Ansatz .......................................... 54
2. Die Vermeidung situativer Nachteile: Der Homo Oeconomicus als problemspezifisches Modell menschlichen Verhaltens .......................... 58 3. Der methodologische Individualismus: Der Zusammenhang zwischen individuellem Verhalten und gesellschaftlichen Prozessen ................. ........ 61 II. Die Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik ......................... 64 1. Die Unterscheidung zwischen der 'choice within rules' und der 'choice
among rules' ................................................................................................. 64 2. Die institutionenökonomische Interaktionsanalyse im Stabilitätsparadigma .................................................................................................... 68 III. Die Demokratiekonzeption der normativen Institutionenökonomik ................. 74 1. Vertragstheoretische Demokratiekonzeption und normativer In-
dividualismus ............................................................................................... 74 2. Von der Ergebnis- zur Prozeßorientierung: Vom Effizienz- zum Konsensparadigma ....................................................................................... 79 IV. Die Diskursivität der normativen Institutionenökonomik ................................. 83 1. Die Funktionen öffentlicher Diskursprozesse .............................................. 83
2. Die Unterscheidung zwischen Aufklärung und Steuerung .......................... 87 V. Die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und Unternehmenspolitik .......................................................... 90 I. Die Anwendbarkeit der Wissenschafts- und Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik ................................................................................... 91 2. Die Anwendbarkeit der Demokratiekonzeption der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik ............. 95
E. Beispiele für die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik ................................................ 98 I. Beispiele aus dem Bereich der Gesellschaftspolitik ........................................ 103
I. Das Kartellrecht - die Stabilisierung einer erwünschten zweiseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft ........................................................ 103 2. Das Umweltrecht - die Destabilisierung einer unerwünschten zweiseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft ................................... 107
Inhaltsverzeichnis
7
3. Das Aktienrecht - die ungenügende Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft ............. 109 4. Wettbewerbsrecht und vertikale Integration - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft.. ........... 115 11. Beispiele aus dem Bereich der Unternehmenspolitik ..................................... 121 1. Profitcenter - die Stabilisierung von erwünschten zweiseitigen Dilemmasituationen innerhalb von Unternehmen ..................................... 123 2. Virtual Corporation - die Destabilisierung einer unerwünschten zweiseitigen Dilemmasituation zwischen verschiedenen Unternehmen .... 126 3. Arbeitsrecht und Arbeitsvertrag - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation im Unternehmen ................ 130 4. Mitbestimmung - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation im Unternehmen ......................................... 133 F_ Schlußbemerkung ................................................................................................. 138 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 144 Personenregister ....................................................................................................... 156
"Even il economics is a science the purveyance 01 economic advice is an art. ",
A. Einleitung Während man in den 60er Jahren von dem "Zeitalter der Ökonomen" sprach (so ein Buchtitel des amerikanischen Ökonomen und Politikberaters W. Heller von 1968) und die Blütezeit ökonomischer Politikberatung 2 heraufziehen sah, änderte sich die Situation bereits in den 70er Jahren vollständig. Dem keynesianisch-wohlfahrtsökonomischen Optimismus war die Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme als primär technisches Problem erschienen. Er hatte an die Machbarkeit politischer Planung und an die Möglichkeit einer langfristig rational-technokratischen Politik geglaubt. Die Weltwirtschafts krise von 1973/75 hat diese Konzeption jedoch unglaubwürdig werden lassen. Die Ökonomen gerieten in die Defensive. Zum Teil wurden sie sogar verantwortlich gemacht für Fehlprognosen und enttäuschtes Wachstumsglück 3 • Die Reaktion der Ökonomen bestand in einer Reideologisierung der ökonomischen Debatten, im großen Schisma zwischen den progressiven Keynesianern, die weiterhin auf staatliche Lenkung und Planung vertrauten, und den konservativen Monetaristen, die das Heil in der Durchsetzung liberaler Marktprinzipien (mehr Markt und weniger Staat) suchten4 • Für die konservativen Monetaristen und die Angebotstheoretiker spielte eine theoretische Betrachtung ökonomischer Politikberatung eine geringe, wenn nicht gar keine Rolle, weil es für die Politik ja im wesentlichen darauf ankam, sich zurückzuhalten und den Marktkräften freien Lauf zu lassen.
, Nowzad, 1986, S. 1366. In den 60er Jahren war auch bereits ein großer Teil der deutschsprachigen Beratungsliteratur entstanden. Auch der Verein für Sozialpolitik hat 1963 und 1968 seine Jahresschrift den Problemen wirtschaftspolitischer Beratung durch die Ökonomik gewidmet: BeckerathlGiersch (Hrsg.), 1963; Schneider, H.K. (Hrsg.), 1968. Diese Schriften nahmen v.a. Bezug auf die Kontroverse zwischen positiver und normativer Ökonomik einerseits und den neu institutionalisierten Sachverständigenrat und die Probleme staatlicher Stabilisierungspolitik andererseits. 2
3
Borner, 1988, S. 97.
Stellvertretend für eine ganze Reihe von Vertretern der beiden Konzeptionen seien hier nur zwei Hauptprotagonisten genannt: P. Samuelson und M. Friedman. 4
A. Einleitung
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Auf der anderen Seite kam es - dies vor allem in den 80er Jahren - zu starken Wandlungen in der Natur der politischen Prozesse: Viel war vom "Wertewandel" der Bevölkerung die Rede; basisdemokratische Gruppen versuchten, aus persönlicher Betroffenheit heraus (Umwelt, Kernkraft, Frieden, Frauenrechte) die Politik zu beeinflussen bzw. selbst Politik zu machen 5 • In der Gegenwart müssen die etablierten Parteien bei wachsender Politikverdrossenheit der Bevölkerung einen Legitimationsentzug durch Proteststimmen und Nichtwähler fürchten. Auf einen solchen Wandel der demokratischen politischen Kultur konnten sich die Ökonomen als Politikberater bisher nicht einstellen. Sie haben sich immer verstanden und verstehen sich auch heute noch unausgesprochen - nur als Berater der politischen Spitze, als Politikerberater bzw. als Regierungsberater. Mit dem Wandel der politischen Kultur, der Verbreiterung der politischen Diskussion ging daher nicht eine Vergrößerung des Auftraggeber- bzw. Adressatenkreises für die Politikberater einher. So kam es, daß sich Ökonomen einer neuen, ungewohnten Situation gegenübersahen, auf die die Beratung sich nicht einstellen konnte. Die reine Politikerberatung erweist sich als zunehmend wirkungslos. Wie die WirtschaftsWoche - in zugespitzter Form - schildert, schieben zwar "die Politiker immer mehr Probleme auf Sachverständige und Expertenräte ab, doch auf ihren Rat geben sie selten etwas". Die Politiker versuchten, "eigene Entscheidungsunfahigkeit mit dem Ruf nach Rat zu kaschieren", oder sie benutzten die Beratungsvorgänge nur, um eigene, bereits vorliegende Konzepte nachträglich wissenschaftlich absegnen zu lassen. Die Beratung der Regierenden wird als "zu undemokratisch" kritisiert, und das "Recht auf Öffentlichkeit der Beratungsvorgänge" eingefordert, um diese wirkungsvoller zu machen. 6 Auch die neu entstandene Neue Politische Ökonomie konnte die ökonomische Politikberatung nicht aus ihrer Krise befreien7• Sie zeigt nur auf, warum die politischen Prozesse so oft anders laufen als von den Ökonomen geplant. Die Neue Politische Ökonomie erklärt dies aus der realistischen Annahme, daß die Politiker keine benevolenten Diktatoren sind, wie dies der alte wohlfahrtsökonomische Ansatz annehmen muß, sondern von ihren eigenen Interessen geleitete Individuen. Wird die Annahme des eigeninteressierten Verhaltens dann von den Politikern und Bürokraten auch noch auf die Politikberater ausgedehnt, so manövriert sich die NPÖ selbst in eine Politikberatungs-
5 Habermas erklärt dies damit, daß "die zivilgesellschaftliche Peripherie gegenüber den Zentren der Politik den Vorzug größerer Sensibilität für die Wahrnehmung und Identifizierung neuer Problemlagen besitzt" (Habermas, 1992, S. 460). 6
WirtschaftsWoche, 1994, S. 20ff.
Als erste Hauptwerke dieses Ansatzes im deutschsprachigen Raum seien genannt: Frey 1977 und Bernholz 1979. 7
A. Einleitung
II
Sackgasse bzw. in einen Teufelskreis hinein und ist nicht mehr in der Lage, sinnvoll auf die praktische Politik einzuwirken. Der Endogenisierung aller Akteure fallt alle normative Gestaltungsabsicht von demokratischen politischen Prozessen zum Opfer8 • Seit der Ansatz der NPÖ in den 70er Jahren entwickelt wurde, wurde im Grunde in der deutschsprachigen Theorie der Wirtschaftspolitik nicht mehr über eine Konzeption ökonomischer Politikberatung für die moderne demokratische Gesellschaft nachgedacht9 . Zu dem Thema ökonomischer Politikberatung findet man seither nur noch institutionelle Betrachtungen, vor allem Vergleiche zwischen dem deutschen Sachverständigenrat und dem amerikanischen Council of Economic Advisers lO , ein Aufgreifen der alten Diskussionen über das Werturteilsfreiheitspostulat von Max Weber I I oder Beschreibungen der konkreten Beratungsprozesse im Spannungsfeld zwischen Politik und Wissenschaft l2 • "Fromme Wünsche", wie man die ökonomische Politikberatung denn gerne hätte l 3, ersetzen eine theoretische Auseinandersetzung mit dieser. Nun hat in den letzten Jahren die Ökonomik als theoretische Sozialwissenschaft wichtige Veränderungen erfahren. Neue theoretische Impulse sind vor allem im amerikanischen Raum durch die sog. New Institutional Economics l4 und die Constitutional Economics l5 Buchananscher Prägung ausgelöst worden. Ökonomen wie R. Coase, J. Buchanan und D. North sind für entsprechende Forschungen sogar mit dem Nobelpreis für Ökonomik ausgezeichnet worden. Es ist Ziel der vorliegenden Arbeit zu untersuchen, ob im Rahmen dieser neuen institutionenökonomischen Ausrichtung der Ökonomik nicht auch ein sinnvolles neues theoretisches Konzept der ökonomischen Politikberatung entwickelt werden muß und kann.
8
Homann, 1993a, S. 3.
Damit ist nicht gesagt, daß in der praktischen Wirtschaftspolitikberatung keine Weiterentwicklungen stattgefunden hätten. Aber in dieser Arbeit wird nur die Theorie der ökonomischen Politikberatung in Betracht gezogen. 9
10
Beispielhaft seien hier genannt: Comelius 1990, Gäfgen 1987, Gutowski 1983, Holzheu
11
Auch hier seien nur stellvertretend für eine Vielzahl von Veröffentlichungen genannt: Bonus
1989, Krelle 1984, Wallich 1984.
1981, Gutowski 1983, Giersch 1989. 12
Damit beschäftigen sich u.a.: Bonus 1982, Köhler 1989, Koller 1989, Nelson 1987, Schmidt.
K. 1990, Schultze 1982.
13 Bomer 1988, S. 102ff. wünscht sich mehr "Bescheidenheit", "Intuition" und "Integration" für die ökonomische Politikberatung. 14
Vgl. zum Überblick über die New Institutional Economics u.a.: North 1984, Williamson
1985, Langlois (Hrsg.) 1986 , FurubotnlRichter (Hrsg.) 1991, Richter 1994. 15
Einen guten Überblick über den Ansatz Buchanans liefern Buchanan 1987a, 1987b, 1990.
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A. Einleitung
Der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz zur ökonomischen Politikberatung, der auf den Theorien verschiedener Ökonomen der "klassischen Moderne", (der Nobelpreisträger F.A. v. Hayek, G.S. Becker, J. Buchanan) als Leitfiguren aufbaut, versteht sich als eine neue, gewissermaßen als eine dritte Stufe in der ökonomischen Beratungsliteratur: In einer ersten Stufe der wirtschaftspolitischen Beratung der 50er und 60er Jahre wurden die gesamtwirtschaftlichen Ziele als von den Politikern vorgegeben angenommen, und der Berater sollte nur über die Mittel zur Erreichung dieser ihm extern vorgegebenen Ziele informieren. Als Kritik und Gegenbewegung etablierte sich als zweite Stufe schon früh eine Gruppe von Ökonomen, die betonten, daß dieses instrumentalistische Beratungsverständnis theoretisch und praktisch verfehlt sei, weil von einer Interdependenz der Ziele und Mittel ausgegangen werden müsse. In dieser Arbeit wird nun - quasi als dritte Stufe der ökonomischen Theorie der Beratung - betont, daß es dem Berater nicht darum gehen darf, den Politikern Mittel zur Erreichung gesamtwirtschaftlicher Ziele zur Verfügung zu stellen, sondern daß es in einer modernen demokratischen Gesellschaft darum gehen muß, den einzelnen Individuen, die im Kontext der Gesellschaft interagieren, die Erreichung ihrer je individuellen Ziele zu ermöglichen. Die bisherige Politikerberatung wird dadurch zu genuiner Politikberatung im Sinne von Politik als Gestaltung der Polis, der Gemeinschaft der Bürger, und ihrer vielfältigen Interaktionen. Dieser Beratungsansatz kann positiv und normativ begründet werden, und aus diesen beiden Aspekten ergibt sich dann auch die Konzeption der hier vorgelegten neuen Form der ökonomischen Politikberatung: Die positive Begründung erfolgt zum einen aus der Erkenntnis F.A. von Hayeks, daß nur die Individuen über das besondere Wissen der jeweiligen Umstände von Zeit und Ort verfügen. Und dieses besondere Wissen setzen sie mit Kreativität nur ein, um ihre je eigenen Ziele zu verfolgen. Von daher wird als Ausgangspunkt des hier vertretenen Beratungsansatzes auch ein methodologischer Individualismus gewählt, d.h. im Mittelpunkt der Analyse stehen einzelne Individuen, die im Rahmen der Gesellschaft interagieren. Die Individuen handeln dabei selbstinteressiert, d.h. sie verfolgen ihre je eigenen Ziele, und dies unabhängig davon, in welchem Kontext (z.B. Familie, Arbeitsplatz, Öffentlichkeit) sie sich gerade befinden: ein Ansatz, wie er vor allem von G.S. Becker in die moderne Ökonomik eingearbeitet wurde. Methodologischer Individualismus, das Homo Oeconomicus-Modell und der ökonomische Imperialismus bilden daher das Fundament oder die Wissenschajtskonzeption, auf der der hier entwickelte Ansatz zur ökonomischen Politikberatung aufbaut.
A. Einleitung
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Der zweite positive Aspekt des hier vertretenen Beratungsansatzes bezieht sich auf die angenommene Politikkonzeption. Individuen handeln und interagieren in der Gesellschaft im Rahmen von Institutionen, von allgemeinen Regeln, die Anreize zu bestimmten Formen von Verhalten ausüben. Moderne Gesellschaften sind regelverknüpft, d.h. die soziale Koordination in ihnen erfolgt über Regeln, die die Mittel beschränkend festlegen, die die einzelnen zur Verfolgung ihrer individuellen Ziele einsetzen dürfen. Eine politische Steuerung oder Gestaltung der Gesellschaft kann von daher auch nur über die Etablierung oder Veränderung dieser allgemeinen Regeln, des institutionellen Rahmens für das Handeln der Individuen, erfolgen. Der neue ökonomische Beratungsansatz beruht somit auf einem institutionenökonomischen Konzept von Politikprozessen. Auf der anderen Seite hat der hier vertretene Beratungsansatz aber auch eine normative Komponente: Individuen sind - davon geht man zumindest in modernen demokratisch verfaßten Gesellschaften aus - moralische Subjekte, deren individuellen Rechte, Ziele und Interessen von der Politik berücksichtigt werden müssen. Die Demokratiekonzeption des in dieser Arbeit vorgestellten ökonomischen Beratungskonzeptes beruht daher auf dem Konsensprinzip, wie es als vertrags theoretische Demokratiekonzeption von J. Buchanan in die moderne Ökonomik eingebracht wurde. Jedes Individuum besitzt ein prinzipielles Vetorecht, was die institutionelle Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung angeht. Jedes Individuum muß prinzipiell zustimmen können, wenn die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens gestaltet bzw. verändert werden. Daher muß auch der Politikberater bereits in seiner Beratungskonzeption diesen Gedanken der prinzipiellen Zustimmungsfähigkeit der Individuen zu seinen Gestaltungsvorschlägen berücksichtigen. Er muß den Individuen Vorschläge zu solchen institutionellen Reformen unterbreiten, die zu pareto-superioren Zuständen führen, d.h. zu Veränderungen, bei denen zumindest langfristig alle Betroffenen besser oder zumindest gleich gestellt sind, bzw. besser oder gleich gestellt zu sein erwarten können l6 • Das Modell für Politikberatung sind damit nicht Nullsummen-, sondern Positivsummenspiele. Ob bestimmte Interaktionen zwischen Individuen in der Gesellschaft erwünscht sind (und daher durch die institutionelle Gestaltung stabilisiert werden sollen) oder unerwünscht (d.h. eine institutionelle Gestaltung sollte sie destabilisieren), darüber muß demokratisch entschieden werden. Die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit von Interaktio-
16 Pareto-Superiorität bedeutet dabei nicht, daß nicht auch einmal echte Verluste eintreten können. Es geht nämlich nicht einfach um einen Vergleich der Positionen der Individuen zwischen den Zeitpunkten t und t+ I, sondern es muß auch berücksichtigt werden, wie die Lage elWartungsgemäß in t+ I wäre, wenn keine institutionelle Reform stattgefunden hätte. Es reicht also auch schon zur Pareto-Superiorität, wenn "Schlimmeres verhindert wurde".
14
A. Einleitung
nen ist eine Frage der demokratischen Entscheidung aller Betroffenen in der Gesellschaft 17 • Die individuelle Ziel verfolgung geschieht in modernen Gesellschaften in Interaktion und im Austausch mit anderen Individuen, eine RobinsonÖkonomik ist zur Analyse von Politikproblemen in modernen Gesellschaften verfehlt, was auch in der Theorie der Wirtschaftspolitik allgemein anerkannt ist. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildet daher eine Ökonomik menschlicher Interaktionen l8 • Diese untersucht, wie sich die Handlungen von einzelnen Individuen in einem gesellschaftlichen Kontext zu einem Geflecht von Interaktionen fügen. Die Interaktionen der Individuen führen in der Regel zu sog. interaktiven Dilemmastrukturen, d.h. die Akteure geraten durch individuell rationales Verhalten in kollektive Dilemmata. Solche Interaktionsstrukturen können - je nachdem wie die genaue Handlungskonstellation aussieht - als einseitige oder zweiseitige Dilemmasituationen bezeichnet werden. Diesen Interaktionsproblemen, die in modernen Gesellschaften überall dort auftreten, wo eigeninteressierte Individuen interagieren, muß sich eine moderne Form der ökonomischen Politikberatung annehmen. Denn sie führen entweder dazu, daß an sich produktive Interaktionen zwischen verschiedenen Individuen gar nicht erst zustande kommen, weil Asymmetrien, die zu Zwang oder Ausbeutung führen, befürchtet werden müssen, oder daß an sich unproduktive Interaktionen in ihrer asymmetrischen Struktur stabilisiert werden. In beiden Fällen treten Interaktionsblockaden auf. Aufgabe eines ökonomischen Politikberaters ist es, den betroffenen Individuen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie diese Blockaden durch Änderungen in den institutionellen Rahmenbedingungen für ihr Handeln auflösen können. Individuen interagieren in verschiedenen Bereichen, in verschiedenen Lebenszusammenhängen innerhalb der Gesellschaft: in der Familie, am Arbeitsplatz, im Rahmen von politischen Parteien oder Verbänden, in Reisegruppen, Vereinen usw. In dieser Arbeit wird versucht aufzuzeigen, daß das vorgestellte Beratungskonzept nicht nur auf Fragen der gesamtgesellschaftlichen institutionellen Gestaltung, also der Gesellschaftspolitik, angewendet werden kann, sondern daß es auch tauglich ist, unternehmenspolitische Probleme anzugehen. Denn auch Unternehmen bilden eine kollektive Einheit, in deren Rahmen
17 Unter Demokratie ist in diesem Zusammenhang nicht eine Mehrheitsentscheidung zu verstehen, sondern es wird in dieser Arbeit, wie nocht näher erläutert werden wird, eine vertragstheoretische und konsensorientierte Demokratiekonzeption zugrundegelegt. 18 Nach der Definition von Homann, 1994, S. 54 untersucht "eine Ökonomik menschlicher Interaktion, unter welchen Bedingungen Interaktionen, einfache oder komplexe, also politische, zustandekommen und unter welchen nicht" .
A. Einleitung
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einzelne Individuen interagieren, wo auch Formen von Macht und Ausbeutung zu Interaktionsblockaden führen können. Eine Hauptthese dieser Arbeit ist es, daß die bisherige ökonomische Politiker-Beratung auf eine Politik-Beratung der (demokratischen) Öffentlichkeit umgestellt werden muß. Dabei bildet für die Gesellschaft die demokratische Struktur im Sinne von gleichen Rechten aller den Ausgangspunkt, während eine unternehmenspolitische Beratung von einer Situation der Ungleichheit im Sinne der ungleichen Verteilung von Property Rights ausgehen muß. Aber auch die Unternehmenspolitikberatung muß sich insofern an eine Öffentlichkeit (alle Mitarbeiter des Unternehmens) wenden, als es auch im Rahmen eines Unternehmens um die bereitwillige Zusammenarbeit aller zur Erreichung des Unternehmenszieles, des Erfolges am Markt, gehen muß. Die Herstellung von Öffentlichkeit für die Beratungsprozesse kann zweifach begründet werden: 1. Wie bereits von Hayek in verschiedenen Schriften immer wieder betont hat l9 , sind die kulturellen Bewußtseinsprozesse der Bestimmungsfaktor der Wirtschaftspolitik und damit auch für Wohlstand und Fortschritt20 . Das Denken der Bürger bestimmt ihr (politisches) Handeln. Denkfehler wie der konstruktivistische Rationalismus können daher verhängnisvolle politische Konsequenzen wie den Totalitarismus nach sich ziehen 21 . Dieser konstruktivistische Rationalismus ist nach von Hayek ausgehend von Descartes und seinen Nachfolgern in der Neuzeit entstanden. Er hat die für die Sozialwissenschaften so wichtige Einsicht verdrängt, daß "ein großer Teil der sozialen Bildungen zwar das Ergebnis menschlichen Handeins, aber nicht menschlichen Entwurfs" ist22 . Statt dessen setzt der Konstruktivismus auf die vollständige Planbarkeit und Gestaltbarkeit des sozialen Gefüges durch den Menschen. Von Hayek betont, "daß es sich bei diesen konstruktivistischen Interpretationen sozialer Gebilde keineswegs bloß um harmlose philosophische Spekulationen, sondern um tatsächliche Behauptungen handelt, aus denen folgenschwere Konsequenzen sowohl für die Erklärung gesellschaftlichen Geschehens wie auch für die unserem politischen Handeln offenstehenden Möglichkeiten gezogen wurden"23. Menschen können aufgrund einer falschen Sozialtheorie zu Handlungen veranlaßt werden, die die Funktionsfähigkeit des Systems stören. Daher fordert von Hayek eine Reform des politischen Denkens und dadurch des politischen Handeins: Der konstruk-
19
Vgl. von Hayek, 1969, 1970, 1986.
20 Von Hayek, 1969, S. 27f. 21 Vgl. von Hayek, 1969, S. 78f. 22 Von Hayek, 1970, S. 6. 23 Von Hayek, 1970, S. 7f.
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A. Einleitung
tivistische Rationalismus, den er für die totalitäre Politik verantwortlich macht, soll durch einen kritischen Rationalismus ersetzt werden, der die Begrenztheit menschlichen Wissens anerkennt und zur Verbesserung gesellschaftlicher Ordnungen beiträgt24 . Um dies zu erreichen, sieht von Hayek einen großen Bedarf an wissenschaftlicher Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen der politischen Gestaltung offener (nicht-totalitärer) Gesellschaften 25 . Da die kausale Einflußnahme der Menschen auf die Evolution ihrer Gesellschaften vom Denken (der ideologischen Ausrichtung der Politik) über das politische Handeln (das auf institutionelle Reformen abzielt) auf das Ordnungs ergebnis (den entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Konkurrenzkampf der Gesellschaften) verläuft, ist das Denken der politischen Öffentlichkeit so wichtig 26 . Daher will von Hayek als Sozial wissenschaftler in erster Linie die Bürger demokratisch verfaßter Marktwirtschaften über die Funktionsmechanismen aufklären, denen ihre Gesellschaften unterworfen sind. Denn "ob sich eine freie Wettbewerbswirtschaft erhalten oder ob sie fortschreitend ... verdrängt werden wird, aber auch ob sich die Demokratie selbst erhalten wird, hängt in letzter Linie von der Einstellung der Masse zur Wirtschaftsordnung ab, und diese Einstellung hängt unvermeidlich nicht so sehr von den wahren Interessen sondern von den Einsichten und dem Verständnis ab, das jeder in seiner Position erwirbt."27 2. In modernen Gesellschaften sind nicht nur die Denkmuster und Theorien in den Köpfen der Menschen für den Erfolg der Politik verantwortlich. Ganz entscheidend ist auch die Akzeptanz politischer Maßnahmen durch die Öffentlichkeit, durch die einzelnen Individuen. Moderne Gesellschaften sind - wie bereits erwähnt - durch sog. Dilemmastrukturen geprägt28 , d.h. einzelne Individuen können durch ihr Handeln kollektive Strukturen zerschlagen. Daher ist der Erfolg des politischen Systems, das kollektive Strukturen ermöglichen und stabilisieren will, in Gefahr, wenn nicht das einzelne Individuum in die Gesellschaft und in die öffentlichen Bewußtseinsprozesse, den öffentlichen Diskurs einbezogen wird. Steuerungsdefizite des politischen Systems können nur dann gemildert bzw. beseitigt werde.n, wenn die einzelnen Bürger von der Notwendigkeit und Richtigkeit institutioneller Reformen überzeugt sind und diese mittragen, da sie langfristig vorteilhaft für jeden einzelnen sind. Die Legitimität der Entscheidungen eines demokratischen politischen Systems wird gefährdet,
24
Pies, 1993, S. 62.
25
Pies, 1993, S. 71.
26
Pies, 1993, S. 77.
Von Hayek, 1969, S. 27ff. Die Aktualität dieser Erkenntnis kann angesichts der prekären Reformprozesse in Osteuropa nicht geleugnet werden. 27
28 Es wird in den folgenden Kapiteln der Arbeit verdeutlicht werden, was solche Dilemma- und Ausbeutungssituationen kennzeichnet.
A. Einleitung
17
wenn nicht der Überzeugungsprozeß für bestimmte politische Reformen bereits in den Köpfen der einzelnen Bürger, die die demokratische politische Öffentlichkeit bilden, beginnt. Wie kann nun aber politische Öffentlichkeit für die Beratungsprozesse hergestellt werden? Wer oder was konstituiert diese politische Öffentlichkeit? Habermas definiert sie als den "Kommunikationszusammenhang der potentiell Betroffenen"29. Sie ist ein "Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen", wobei diese sich durch Filterung und Synthetisierung zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten 30 . Alle potentiell betroffenen Mitglieder des politischen Systems (Wähler, Parlamentarier, Beamte, Verbandsfunktionäre usw.) bilden daher die Gruppe der Adressaten für Politikberatung. Eine politisch fungierende Öffentlichkeit äußert sich in einem Prozeß diskursiver Meinungs- und Willensbildung31 . Öffentliche Diskurse haben nach Habermas die Aufgabe, Themen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz zu entdecken, Werte zu interpretieren, Beiträge zu Problemlösungen zu liefern, gute Gründe zu produzieren und schlechte zu entwerten32 • Die politische Öffentlichkeit hat die "Funktion, gesamtgesellschaftliche Probleme wahrzunehmen und zu thematisieren"33. Hieraus ergibt sich eine wichtige Aufgabe der ökonomischen Politikberatung, die die Art der Problemwahrnehmung und die Struktur der Problemthematisierung durch die Öffentlichkeit beeinflussen kann. Die öffentlichen Diskurse "herrschen" zwar nach Habermas selbst nicht, aber sie erzeugen eine "kommunikative Macht, die die administrative nicht ersetzen, sondern nur beeinflussen kann"34. Habermas beschreibt im wesentlichen die Funktionen der öffentlichen Diskursprozesse für moderne demokratisch verfaßte Gesellschaften. Er ist dabei in erster Linie am demokratischen Politikprozeß und nicht am Wirtschaftsprozeß interessiert. Sein Ansatz ist insofern nicht an die moderne Ökonomik anschluß fähig, da er in seinen Betrachtungen von Recht und Moral die Problematik ökonomischer Anreize vollständig außer acht läßt. In der vorliegenden Arbeit zu den Möglichkeiten ökonomischer Politikberatung soll
29
Habermas, 1992, S. 44\.
30
Habermas, 1992, S. 436.
31
Habermas, 1991, S. 39: "Der Diskursbegriff der Demokratie vertraut auf die politische Mobilisierung und Nutzung der Produktivkraft Kommunikation." Nach Meinung von Habermas können konfliktträchtige gesellschaftliche Materien rational, d.h. im gemeinsamen Interesse der Betroffenen geregelt werden, und "das Medium öffentlicher Argumentationen und Verhandlungen eignet sich für diese vernünftige Willens bildung. " 32
Habermas, 1991, S. 44.
33 Habermas, 1992, S. 44\. 34
Habermas, 1991, S. 44.
2 von Wulffen
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A. Einleitung
aber gezeigt werden, wie die öffentlichen Diskursprozesse in einen modernen ökonomischen Ansatz implementiert und für diesen fruchtbar gemacht werden können. Neuerdings hat auch Buchanan den Diskurs für die moderne liberale Ökonomik entdeckt. Daher wird vor allem auf seinen Vorschlag eines "konstitutionellen Diskurses"35 über Regeln zurückgegriffen. Da eine moderne komplexe Gesellschaft nur noch über Regeln gesteuert werden kann, muß die politische Gestaltung auch über die Formulierung von Regeln, über die Schaffung von institutionellen Arrangements geschehen 36 . Es wird daher zu zeigen sein, daß auch die ökonomische Politikberatung nur noch eine Beratung der Öffentlichkeit über die Wahl von (Spiel)Regeln sein kann und nicht mehr eine Beratung der Politiker über die Wahl optimaler Spielzüge. Der keynesianische und der wohlfahrts ökonomische Ansatz hatten diesen Unterschied zwischen der Ebene der Spielzüge und der Spielregeln nivelliert. Die Argumentation der Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Im zweiten Kapitel werden die Politikprobleme moderner demokratischer Gesellschaften charakterisiert, um daraus die Ansprüche an eine moderne Theorie ökonomischer Politikberatung - an ihre Wissenschafts-, Politik- und Demokratiekonzeption - abzuleiten. Im dritten Kapitel soll dann aufgezeigt werden, daß der traditionelle wohlfahrtsökonomisch-instrumentalistische Ansatz zur Politikberatung und auch der der Neuen Politischen Ökonomie, dargestellt anhand der Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik von B.S. Frey, diesen Ansprüchen nicht genügen. Es wird im vierten Kapitel die normative Institutionenökonomik als ein neuer institutionenökonomischer Ansatz zur Politikberatung vorgestellt, der die zuvor formulierten Ansprüche erfüllt und auf einer Ökonomik menschlicher Interaktionen aufbaut. Daneben wird im vierten Kapitel - zunächst theoretisch - dargelegt, daß der Ansatz der normativen Institutionenökonomik auch auf Probleme der Unternehmenspolitik anwendbar ist. Im fünften Kapitel wird dann die Anwendbarkeit des Beratungskonzepts der normativen Institutionenökonomik auf Probleme der Gesellschafts- und Unternehmenspolitik anhand von Beispielen diskutiert.
35 Buchanan, 1991, S. 64, spricht von der "notion of constitutional discourse" und der "role of discourse in constitutional choice".
36 Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß in Krisensituationen, wenn exogene Schocks auftreten, auch einmal ad-hoc-Eingriffe in das System notwendig sein können.
19
A. Einleitung
In der folgenden Übersicht wird die Grundstruktur der Thematik der Arbeit noch einmal grob zusammengefaßt: Interaktionen zwischen Individuen in der Gesellschaft und in Unternehmen
Politikberatung
Wissenschaftskonzeption
Politikkonzeption
Demokratiekonzeption
oMethodologischer Individualismus oHomo Oeconomicus Ansatz oÖkonomischer Imperialismus
oAnreizgestaltung durch Institutionen I Regelgesteuerte Politikprozesse oErmöglichung von Kooperationsgewinnen durch Aufhebung von Interaktionsblockaden oKollektive Ermöglichung der Verfolgung individueller Ziele
oNormativer Individualismus oKonsensprinzip I Zustimmungsfahigkeit von Regeländerungen oDiskursivität politischer Prozesse
Grundstruktur der Arbeit
B. Die Struktur der Politikprobleme moderner demokratisch verfaßter Gesellschaften Um überzeugend darstellen zu können, daß die normative Institutionenökonomik ein geeignetes und sinnvolles Konzept zur Politikberatung in modernen demokratischen Gesellschaften ist, müssen zunächst die Ansprüche formuliert werden, die ein solches Konzept der Politikberatung erfüllen muß. Dazu ist es erforderlich, die Politikprobleme moderner Gesellschaften zu charakterisieren.
i. Horizontale und vertikale Ausdifferenzierung und Problemselbigkeit in der Gesellschaft
Die moderne Soziologie hat seit ihrer Begründung durch Max Weber zu Anfang dieses Jahrhunderts versucht, die Gesellschaft, ihre Entwicklungsprozesse und ihre Problemstrukturen zu analysieren. Dabei haben verschiedene Soziologen l zu verschiedenen Zeiten immer wieder ein Thema behandelt: die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in verschiedene Bereiche (horizontale Ausdifferenzierung) und Subsysteme (vertikale Ausdifferenzierung) bei gleichzeitiger Strukturgleichheit der Probleme in ebendiesen Bereichen und Subsystemen. Bei Weber steht der Prozeß der fortschreitenden Rationalisierung der okzidentalen Gesellschaft im Mittelpunkt vieler Analysen. Im modernen rationalen bürgerlichen BetriebskapitaIismus des Okzidents findet sich gleichzeitig: -
eine rationale Sozialordnung mit einem rational strukturierten, gesatzten Recht und einer rational strukturierten Verwaltung,
-
eine rational berechenbare Technik, die auf exakter Kalkulation durch die Wissenschaft beruht, und
-
die praktisch-rationale Lebensführung des Menschen 2•
I
Hier werden exemplarisch Max Weber, Niklas Luhmann und Jürgen Habermas herausgegrif-
2
Weber, 1973, S. 340-356; Vorbemerkung zu den gesammelten Aufsätzen zur Religionssozio-
fen.
logie.
I. Ausdifferenzierung und Problemselbigkeit
21
Dabei greifen diese drei Aspekte insofern ineinander, als die rationale Sozialordnung den Menschen ökonomische Prämien für die technische Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse verspricht und dadurch erst Anreize für eine praktisch-rationale Lebensführung liefert3 • Weber schildert eine Vielfalt von Rationalisierungsprozessen, die sich auf allen Ebenen soziokultureller Prozesse rekonstruieren lassen4 • Nach Weber entfalten sich Rationalisierungsprozesse in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, und er setzt es sich zum Ziel, die jeweils besondere Weise zu untersuchen und zu beschreiben, in der das Handeln in den einzelnen Lebenssphären rationalisiert wurde 5 • In der europäischen Kultur bedingte der Prozeß der fortschreitenden Entzauberung, Rationalisierung, der Welt, daß die religiöse Handlungsorientierung von der Orientierung des HandeIns am erstrebten (wirtschaftlichen) Erfolg abgelöst wurde 6 • Über die Unterscheidung zwischen Handlungsrationalität und gesellschaftlichen Rationalisierungsprozessen gelangt Habermas zu einer Kritik an Weber: Gesellschaftliche Rationalisierung sei bei Weber auf die Institutionalisierung von individueller Zweckrationalität eingeengt? Habermas unterscheidet dagegen zwischen System- und individueller Handlungsrationalität, da die Handlungsrationalität der Organisationsmitglieder nicht automatisch zu Organisationsrationalität führe. Für die gesellschaftlichen Rationalisierungsprozesse sei daher die Systernrationalität selbstgeregelter Systeme entscheidend8 •
3 Dies ist ein Konzept, das in der modernen Ökonomik, insbesondere im Property-RightsAnsatz im Mittelpunkt der Analyse steht: Die Anreize zum wirtschaftlich rationalen Verhalten des einzelnen entstehen aus der Rechts- und Sozialordnung, die Eigentums- bzw. Handlungs- und Verfügungsrechte festlegt und es dadurch ermöglicht, sich die Früchte der eigenen Anstrengungen anzueignen. Schon bei Weber wird dieser Grundgedanke formuliert: "Die Entwicklung dieser Wissenschaften und der auf ihnen beruhenden Technik erhielt und erhält nun andererseits entscheidende hnpulse von den kapitalistischen Chancen, die sich an ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit als Prämien knüpfen ... Wohl aber wurde die technische Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ... durch ökonomische Prämien bedingt ... diese aber flossen aus der Eigenart der Sozialordnung des Okzidents ... Der moderne rationale Betriebskapitalismus bedarf, wie der berechenbaren technischen Arbeitsmittel, so auch des berechenbaren Rechts und der Verwaltung nach formalen Regeln ... " (Weber, 1973, S. 350). 4 Kalberg, 1981, S. IOf: Zwar ist eine umfassend rationalisierte Gesellschaft nur in den westlichen Zivilisationen entstanden, aber die von Weber unterschiedenen Typen von Rationalität und Rationalisierungsprozessen finden sich punktuell auch in anderen Gesellschaften.
5
Kalberg, 1981, S. 13.
6 HOffUlnn,
1980, S. 104.
7
Habermas, 1989, S. 441ff.
8
Habermas, 1989, S. 449.
22
B. Struktur der Politikprobleme
Jedoch kommt auch Habermas - auf anderem Wege und in einer anderen Terminologie - zu ähnlichen Analyseergebnissen bezüglich der Ausdifferenzierung der Gesellschaft wie Max Weber. Habermas unterscheidet zwischen der "Lebenswelt" und dem "System"9. Die Lebenswelt ist der dem einzelnen durch Prozesse der Verständigung in konkreter Weise erschlossene Alltag, in der der einzelne Mensch sich als Teilnehmer versteht, auf dessen Einsicht und Zustimmung es ankommt. Das System dagegen ist gemäß funktionalen Erfordernissen organisiert, über abstrakte Medien gesteuert und dem in seiner Lebenswelt agierenden Handlungssubjekt nicht durchschaubar lO • Innerhalb der Gesellschaft ist es in verschiedenen Entwicklungsstufen zu einer zweifachen Ausdifferenzierung gekommen: In einem ersten Schritt hat sich die Lebenswelt in verschiedene selbständige Funktionszusammenhänge ausdifferenziert wie Familie, Politik, Religion etc. In der Neuzeit kam es dann in einem zweiten Schritt zur Ausdifferenzierung zwischen Lebenswelt und System. Das System wird von der Lebenswelt abgekoppelt und zweckrational nach funktionalen Erfordernissen organisiert. In einem dritten Entwicklungsschritt jedoch kommt es dann wiederum zu der sog. "Kolonialisierung" der Lebenswelt durch die Systemerfordernisse 11. Die für das funktionale System, den Prozeß der materiellen Reproduktion einschließlich des rechtlichen und politischen Rahmens richtigen Verhaltensweisen schlagen auf die - eigentlich auf Verständigung und Konsens zielende Lebenswelt durch und gestalten diese zunehmend nach dem Muster von Systemprozessen l2 • Immer mehr Lebensbereiche, die an sich auf Verständigung zwischen den Individuen hin angelegt sind, werden nach Habermas systemischen, meist ökonomischen Kalkülen unterworfen. Bei Weber und Habermas werden somit Prozesse der Ausdifferenzierung der Gesellschaft - in verschiedene Lebensbereiche bei Weber und in Lebenswelt und System bei Habermas - geschildert. Gleichzeitig nähern sich die Strukturen in den verschiedenen Bereichen einander an, was als Rationalisierung der Lebensbereiche bei Weber und als Kolonialisierung der Lebenswelt durch das System bei Habermas bezeichnet wird l3 . In den verschiedenen Bereichen und
9
Habermas, 1981, S. 171-293: VI. Zweite Zwischenbetrachtung: System und Lebenswelt.
10
Homann, 1988, S. 18.
11
Habermas, 1981, S. 489ff.
12
Homann, 1988, S. 19.
Luhmann verwendet den Begriff der Ausdifferenzierung: ..... sind komplexe Systeme wie Gesellschaften in Teilsysteme differenziert, die andere Gesellschaftsbereiche als ihre (gesellschaftsinterne) Umwelt behandeln, sich also in der Gesellschaft ausdifferenzieren ..... (Luhmann, 1990, S. 47). Er sieht aber gerade nicht- wie Weber und Habermas - eine Angleichung der Strukturen bzw. Strukturgleichheit in den verschiedenen ausdifferenzierten Teilsystemen der Gesellschaft, sondern eine funktionsspezifisch differenzierte "Codierung". Die ausdifferenzierten Subsysteme sind durch einen jeweils ihnen eigenen binären Code charakterisiert, der zu einer 13
I. Ausdifferenzierung und Problemselbigkeit
23
Subsystemen der Gesellschaft ist die gleiche Struktur der Probleme zu erkennen: das (zweck)rationale Handeln des einzelnen in den verschiedenen Lebensbereichen bei Weber und die Anpassung der Lebenswelt an die zweckrationale Ausgestaltung des Systems bei Habermas. Praktische Probleme, die in den verschiedenen Bereichen und Subsystemen der Gesellschaft auftreten, können damit nach der Kategorie der Zweckrationalität, d.h. im Ziel-Mittel-Schema, rekonstruiert werden. Dabei wird die Rekonstruktion von Problemen im ZielMittel-Schema bei Weber positiv, bei Habermas jedoch - für die Lebenswelt negativ beurteilt. Zur Analyse praktischer Probleme, die die Menschen in der Realität lösen müssen, kann nach Weber ein Schema von Zielen und Mitteln herangezogen werden l4 : Mögliche Ziele und Mittel müssen aufgelistet, untersucht, beurteilt und ausgewählt werden. Menschen werden durch ein praktisches Problem vor die Aufgabe gestellt, Ziele und Mittel gegeneinander abzuwägen 15. Politische Probleme sind nun nach Weber durch die Interdependenz von Zielen und Mitteln gekennzeichnet, das heißt Ziele und Mittel können nicht unabhängig voneinander bestimmt, sondern müssen in einem Prozeß gegenseitigen Abwägens letztlich simultan festgelegt werden. Politische Probleme verlangen daher eine über eine rein technische Mittelananlyse hinausgehende Zielanalyse l6 , d.h. auch Kostenanalyse. Als erste Folgerungen aus diesen soziologischen Untersuchungen können vorläufig bereits zwei Ansprüche an eine moderne Theorie der Politikberatung abgeleitet werden: 1. Da die Struktur politischer Probleme in den verschiedenen Teilbereichen und Subsystemen der Gesellschaft ähnlich ist, muß eine Theorie der Politikberatung auf diese ähnliche Struktur in den verschiedenen Bereichen
Eigengesetzlichkeit der jeweiligen Bereiche führt und die Kommunikation zwischen den Teilsystemen erschwert (Luhmann, 1990, S. 75ff, S. 89) oder unmöglich macht. 14
Pies, 1993, S. 4.
Weber, 1973, S. 188: "Wir können weiter ... die Folgen feststellen, welche die Anwendung der erforderlichen Mittel neben der eventuellen Erreichung des beabsichtigten Zweckes ... haben würde ... Wir bieten alsdann dem Handelnden die Antwort auf die Frage: Was 'kostet' die Erreichung des gewollten Zweckes in Gestalt der voraussichtlich eintretenden Verletzung anderer Werte?" 15
16 Weber, 1973, S. 192: "Das Kennzeichen des sozialpolitischen Charakters eines Problems ist es ja geradezu, daß es nicht auf Grund bloß technischer Erwägungen aus feststehenden Zwecken heraus zu erledigen ist, daß um die regulativen Wertmaßstäbe selbst gestritten werden kann und muß, weil das Problem in die Region der allgemeinen Kulturfragen hineinragt. "
24
B. Struktur der Politikprobleme
gleichermaßen anwendbar, d.h. allgemein oder auch "imperialismusfähig" I? sein. Da die Struktur politischer Probleme durch die Interdependenz von Zielen und Mitteln gekennzeichnet ist, muß eine Theorie der Politikberatung auch auf die Analyse von Mitteln und Zielen gleichermaßen anwendbar sein. Sie darf nicht bei einer reinen Mittelanalyse bei vorgegebenen Zielen stehenbleiben, sondern sie muß es ermöglichen, auch politische Zieldiskussionen für wissenschaftliche Zweckmäßigkeitsargumente zu öffnen, um diese dadurch zu versachlichen l8 . Und das, indem 'Ziele' zu Mitteln für allgemeinere 'Ziele' werden.
11. Regelgesteuerte Interaktionsprozesse in modernen Gesellschaften In modernen Gesellschaften ist der traditionelle Wertekonsens früherer Jahrhunderte endgültig zerbrochen. Es gibt keine einheitliche Weltanschauung der Gesellschaftsmitglieder mehr, d.h. keine einheitlichen Vorstellungen aller von einem gelungenen Leben. Moderne Gesellschaften sind mit dem "Faktum des Pluralismus"19 konfrontiert, sie sind von einem Pluralismus der Werte und der Interessen ihrer Gesellschaftsmitglieder geprägt. Es gibt nicht mehr den einen Lebensentwurf, die eine Lebensorientierung, die für alle Mitglieder der Gesellschaft gleichermaßen verbindlich wäre. Politik ist in modernen Gesellschaften Interessenpolitik, sie dient der Verfolgung von Einzelinteressen im Rahmen einer kollektiven Einheit. Die Homogenität moderner Gesellschaften liegt nicht mehr in gemeinsamen Zielen begründet, sondern in der gemeinsamen Akzeptierung bestimmter Regeln für die Verfolgung der verschiedenen individuellen oder Gruppeninteressen und die Austragung von Konflikten zwischen den
I? Der Begriff "imperialismusfahig" wird im Zusammenhang mit der ökonomischen Theorie von G.S. Becker ("Ökonomischer Imperialismus") verwendet, auf die im Kapitel IV näher eingegangen werden wird. 18
Vgl. HomannlPies, 1991, S. 92ff.
Kersting, 1992, S. 38 schreibt zu den Folgen des Pluralismus für die gegenwärtige politische Philosophie in einem Aufsatz zur Theorie der Gerechtigkeit von Rawls: "Die politische Philosophie ist in der Gegenwart mit dem Faktum des Pluralismus konfrontiert. Angesichts einer Vielzahl divergierender metaphysischer, religiöser und moralischer Konzeptionen wird die Rechtfertigung einer verbindlichen Gerechtigkeitstheorie für das Gemeinwesen selbst zu einer praktischpolitischen Aufgabe und darf nicht dem traditionellen Muster metaphysischer Begründung folgen. Die Philosophie kann sich nicht mehr an der Wahrheit einer Gerechtigkeitstheorie orientieren, sie muß allein ihre politische Brauchbarkeit ins Auge fassen, ihre Eignung, unter den gegebenen Bedingungen einen stabilisierenden, die Sprengkraft des Pluralismus mildernden Konsens zu ermöglichen. " 19
11. Regelgesteuerte Interaktionsprozesse
25
Akteuren. Die Verhaltenskoordination zwischen den verschiedenen Gesellschaftsmitgliedern kann in anonymen modernen Großgesellschaften nicht mehr über gemeinsame Ziele und gemeinsame Wertvorstellungen erfolgen, sondern sie geschieht über abstrakte allgemeine Regeln, "die die zur - nunmehr individuellen - Ziel verfolgung verfügbaren Mittel begrenzen: Moderne Gesellschaften sind 'mittel-verknüpft', nicht 'ziel-verknüpft"'2o. Dieser Pluralismus moderner Gesellschaften ist aber nicht zu bedauern, sondern als die Ermöglichung einer erhöhten Produktivität, einer vermehrten Freisetzung kreativen Potentials zu interpretieren. Wird dem einzelnen Individuum nämlich die Möglichkeit gegeben, seine individuellen Ziele im Rahmen der allgemeinen Regeln zu verfolgen, so führt diese Freiheit auch zu einer vermehrten Nutzung des nur individuell und dezentral vorhandenen Wissens und damit zu einer gesteigerten Gesamtproduktivität für die Gesellschaft. Dies gilt in gleicher Weise für Unternehmen als Subsysteme der Gesellschaft, wo man auch durch Regelsteuerung statt durch direkte Kontrolle versucht, die Kreativität des einzelnen Mitarbeiters freizusetzen. Moderne Gesellschaften und ihre Subsysteme sind daher durch eine hohe Produktivität gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Kooperation gekennzeichnet. Dies führt gleichzeitig zu hoher Komplexität der gesellschaftlichen Strukturen und zu zunehmenden Interdependenzen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern. Die wechselseitigen Abhängigkeiten können durchaus auch asymmetrisch sein, so daß Ausbeutungsprobleme auftreten. Um die Komplexität der Gesellschaft noch politisch beherrschbar zu machen und die Gefahr der Ausbeutung zu bannen, sind allgemeine Regeln erforderlich, die in einer modernen Gesellschaft drei Hauptfunktionen zu erfüllen haben: Sie sollen zur Lösung I. eines Sicherheitsproblems, 2. eines Koordinationsproblems und 3. eines moralischen Problems beitragen 21 . Die Steuerung über allgemeine Regeln in einer arbeitsteiligen Gesellschaft fördert erstens die verläßliche Erwartungsbildung der Individuen, sie koordiniert dadurch zweitens interdependentes Verhalten, und sie ermöglicht es drittens, die in den Regeln inkorporierte Moral allgemein verbindlich geltend zu machen. Ein wichtiger Vorteil der Steuerung moderner Gesellschaften durch allgemeine Regeln liegt darin, daß die Vereinbarung solcher Regeln sog. 20 HorrmnnlPies, 1992, S. 5 verdeutlichen diesen Gedanken, der zunächst durch von Hayek, 1980, in "Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Eine neue Darstellung der liberalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie" expliziert worden ist. 21
Horrmnn, Pies, 1992, S. 6ff.
26
B. Struktur der Politikprobleme
kollektive Selbstbindungsprozesse ermöglicht. Durch die langfristig angelegten Regeln wird es möglich, daß die Gesellschaft oder Subgruppen in der Gesellschaft wie z.B. Unternehmen ihr kollektives Handeln langfristig selbst beschränken. Eine solche Selbstbegrenzung kann überaus produktiv sein, da sie für die Bürger in einer Gesellschaft (bzw. die Mitarbeiter eines Unternehmens) die Verläßlichkeit wechselseitiger Verhaltenserwartungen sicherstellt, die für die volle Entwicklung der individuellen Freiheit unverzichtbar ist2 2• Weil die allgemeinen Regeln für alle Akteure in gleicher Weise gelten, läßt sich durch sie interdependentes Verhalten verläßlich steuern. Die Erweiterung individueller Handlungsmöglichkeiten geht somit aus der kollektiven Vereinbarung von Handlungsbeschränkungen über Regeln hervor. Durch die allgemeinen Regeln wird eine größere Erwartungssicherheit hergestellt, die das Eingehen von produktiven Interaktionen auch beim Vorliegen von asymmetrischen Strukturen, d.h. bei einseitigen Abhängigkeiten zwischen den Akteuren, ermöglicht. Ein einzelner ist bereit, Vorleistungen zu erbringen, z.B. Spezialisierungsinvestitionen zu tätigen, wenn das Verhalten seiner Interaktionspartner durch die allgemeinen Regeln gebunden und damit vorhersehbar ist. Solche Spezialisierungsinvestitionen können in Form von Sachkapitalinvestitionen einzelner Unternehmen im Markt, aber auch in Form von Humankapitalinvestitionen einzelner Mitarbeiter innerhalb von Unternehmen notwendig sein, um Produktivität freizusetzen. Sie werden aber nur dann getätigt werden, wenn das Eingehen von Abhängigkeiten institutionell gehalten, d.h. durch Regeln gesteuert wird. Außerdem bewirkt die Regelsteuerung viertens auch eine Entschärfung der in einer Gesellschaft auftretenden Verteilungskonflikte 23 • Die allgemeine Formulierung der Regeln, die zudem mit einer gewissen Zeitverzögerung eingeführt werden und auf Dauer angelegt sind, erhöht die Unsicherheit der Betroffenen über die genauen Ergebnisfolgen der Regeln für ihre eigene Verteilungsposition 24 • Da die individuellen Verteilungsfolgen allgemeiner Regeln nicht genau abzuschätzen sind, werden Verteilungskonflikte gemildert und die Einigung auf
22
Vgl. Homann. 1993. Spalte 191.
23
Vgl. BrennanlBuchanan. 1985. S. 137ff.
BrennanlBuchanan. 1985. S. 138f: "These rules provide the framework within which patterns of distributional end states emerge from the interaction of persons (players) who play various complex functional roles. The precise distributional effects of a change in the rules on any identified person or group at any point in time may be difficult if not impossible to predict. ... To the extent that proposed changes in rules explicitly embody time lags between approval and implementation. the ability of persons who are potentially affected to predict with accuracy the impact on their own identifiable positions must be reduced .... The temporal element becomes even more significant when it involves the duration or permanence of the proposed rules change." 24
11. Regelgesteuerte Interaktionsprozesse
27
allgemeine Regeln erleichtert25 • Anders als bei einer Einzelfallbetrachtung können dem Individuum bei Regelsteuerung auch einmal Verluste zugemutet werden, vorausgesetzt der langfristige Saldo ist positiv (langfristiges Positivsummenspiei). Moderne Gesellschaften und andere kollektive Einheiten können nicht mehr über gemeinsame Ziele, sondern nur über allgemeine Regeln, die das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder kanalisieren, gesteuert werden. Ein erwünschtes kollektives Ergebnis ist nicht mehr direkt über eine kollektive Zielsetzung zu erreichen. Kollektive Ergebnisse können nur als nicht-intendierte Folgen des intentionalen Handeins der Individuen im Rahmen der allgemeinen Regeln, die die Anreize für das Handeln der Individuen setzen, erzielt werden. Damit kommt es zu einer Entkoppelung zwischen (individuellen) Handlungsmotiven und (gesamtgesellschaftlichen) Handlungsergebnissen. Die nicht-intendierten Folgen lassen sich nicht über die Motive der Individuen, wohl aber institutionell, d.h. über allgemeine Regeln :>teuern. Die politische Steuerung erfolgt also über die Gestaltung und Veränderung von allgemeinen Regeln oder Institutionen 26 • Es ist daher der Anspruch an eine Theorie der Politikberatung für moderne demokratische Gesellschaften zu formulieren, über die wichtigen Funktionen der allgemeinen Regeln bzw. Institutionen aufzuklären und zu ihrer Weiterentwicklung beizutragen. Eine Theorie der Politikberatung, die Empfehlungen zur politischen Gestaltung moderner demokratischer Gesellschaften erarbeiten will, muß über die Funktionsweise und verhaltenskanalisierende Wirkung von allgemeinen Regeln informieren. Sie zeigt institutionelle Lösungsmuster für politische Probleme auf: Die durch Asymmetrien und Ausbeutungsgefahren bisher blockierten Interaktionen zwischen den Akteuren werden über die größere Erwartungssicherheit, die die allgemeinen Regeln bringen, möglich 25 BrennanlBuchanan, 1985, S. 140: "The effect of uncertainty is to mi ti gate substantially any purely distributional aspects of genuine constitutional choice." 26 Vanberg, 1983, S. 55f unterscheidet zwei Bedeutungen des Institutionenbegriffs: "Im Sinne der einen Bedeutungsvariante wird der Institutionenbegriff als Bezeichnung für 'organisierte soziale Kollektive' - wie Staat, Partei, Gewerkschaft, Unternehmen etc. - verwandt, also für 'kollektive Handlungseinheiten' oder - wie man vielleicht besser sagen sollte - für 'korporative Gebilde'. Im Sinne der zweiten Bedeutungsvariante dient er als Bezeichnung für normative Muster oder für Komplexe normativer Regelungen, die der Ordnung des Verkehrs unter den Individuen dienen. Diese Bedeutung ist gemeint, wenn etwa Recht, Eigentum oder Geld als Institutionen bezeichnet werden." Der Begriff der 'Institution' kann also im Sinne von Organisation oder von allgemeiner Regel gebraucht werden. In der vorliegenden Arbeit wird Institution synonym für allgemeine Regel verwendet. Die Verfasserin folgt der Definition der Institution von Elsner, 1987, S. 5: "Eine Institution ist eine Regel für das Entscheiden von Individuen in sich wiederholenden mehrpersonellen Entscheidungssituationen, die insoweit allgemeine Anerkennung erlangt hat, daß die Individuen bestimmte wechselseitige Verhaltenserwartungen besitzen".
B. Struktur der Politikprobleme
28
gemacht. Eine solche Theorie der Politikberatung kann dadurch helfen, neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit sowohl auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als auch auf der Ebene gesellschaftlicher Subsysteme WIe Unternehmen zu erschließen.
III. Die diskursive Natur politischer Prozesse Demokratische Politik geschieht über kollektive Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, die in ihren Folgerungen und Konsequenzen für eine angebbare Gruppe von Menschen verbindlich sind. Politische Entscheidungen regeln und vollziehen als Verfassungs-, Gesetzes- oder Rechtsvorschrift die Ordnung des sozialen Zusammenlebens einer Bevölkerung in den Institutionen eines genauer umschriebenen Territoriums 27 • Politisches Handeln ist daher immer Handeln einer Mehrzahl von Menschen oder im Auftrag einer Mehrzahl von Menschen, also kollektives Handeln. Das pluralistische Politikverständnis geht dabei von verschiedenen Interessen der Individuen aus, die aber von einem gemeinsamen Regelungsrahmen, einer sozialen Ordnung umgrenzt werden. Politik ist Interessenpolitik und gleichzeitig Politik institutioneller Einrahmung. Es ist so möglich, Konflikt (in den individuellen Interessen) und Konsens (über die soziale Ordnung, über die Regeln des sozialen Zusammenlebens) gleichzeitig zu denken. Antagonistische Handlungsanreize auf der Ebene der Spiel züge der einzelnen Akteure und Kooperation bzw. Harmonie auf der Ebene der Spielregeln sind gleichzeitig möglich 28 • Politisches Handeln in einer Demokratie - über die Formulierung allgemeiner Regeln - dient der kollektiven Ermöglichung individueller Freiheit. Jedes individuelle Handeln muß immer kollektiv gehalten bzw. ermöglicht werden, d.h. es müssen kollektiv Organisationsformen für das Handeln der einzelnen Individuen bereitgestellt, institutionalisiert werden. Systematischen Vorrang hat daher das kollektive Handeln (nicht "das Kollektiv") vor dem individuellen Handeln 29 • Selbst die Etablierung individuel-
27
Kühnhardt, 1993, Sp. 825.
28
Vgl. auch Pies, 1993a, Sp. 612.
29 Homann, 1993, Sp. 19lff. Zu unterscheiden ist jedoch scharf zwischen kollektivem Handeln und Kollektivismus. Der Kollektivismus ist eine Gesellschaftsauffassung, nach der das Kollektiv das Handeln der Individuen gemeinsam beschließt. Kollektives Handeln dagegen bedeutet, daß alle entscheiden, welche Rechte den Individuen eingeräumt werden, in die die Gesellschaft dann nicht mehr eingreift, und welche Tatbestände weiterhin kollektiv entschieden werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem "Hobbes'schen Paradigma" oder Inversionsparadigma des Liberalismus. Dieses steht im Gegensatz zum Locke'schen Paradigma oder Konversionsparadigma, das beim Individuum ansetzt und dem einzelnen vorgesellschafltiche Rechte zuspricht, die gegen gesellschaftliche Zu- bzw. Übergriffe verteidigt werden (Pies, 1993, Sp. 615). Dieses Konversions-
III. Diskursive Natur politischer Prozesse
29
ler Rechte, z.B. der individuellen Handlungs- und Verfügungsrechte, der Property Rights auch im Rahmen von Unternehmen, bedarf einer kollektiven Entscheidung. Die realen Politikprobleme der Gesellschaft bzw. des Staates oder von Subgruppen der Gesellschaft (z.B. von Verbänden, Kooperationen oder Unternehmungen) sind daher immer Probleme kollektiven Handeins. Eine Theorie der Politikberatung sollte daher in der Lage sein, solche Probleme kollektiven Handeins analytisch zu durchdringen. Da die drängenden Politikprobleme unserer Zeit nicht nur systematisch kollektiver Natur sind (z.B. Umweltzerstörung, Asyl und Migration), sondern in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft auch nur kollektiv gelöst werden können (durch allgemeine Gesetze, die von der Legislative beschlossen und von der Exekutive durchgeführt werden), muß eine moderne Theorie der Politikberatung Vorschläge und Empfehlungen zu kollektiven Lösungen von Politikproblemen entwickeln, die die Realität demokratischer Gesellschaften anerkennen. Die Interessen der am kollektiven Handeln Beteiligten gehen in der Regel in der Realität zumindest zum Teil auseinander. Werden diese konfligierenden Interessen der einzelnen im Kollektiv in einem demokratischen System als berechtigt anerkannt, so ergibt sich daraus das Problem der Legitimation des kollektiven Handeins. Es ist also die Frage zu lösen, wer das Recht hat, auf kollektive Entscheidungen Einfluß zu nehmen. Da Politikberatung in einer modernen demokratischen Gesellschaft von dem Faktum der Demokratie als Verfahren zur Legitimation kollektiven Handeins ausgehen muß, muß sie demokratische Entscheidungsverfahren anerkennen. Das heißt, daß sie die legitimen Interessen der am demokratischen Prozeß Beteiligten berücksichtigen muß. Diese individuellen Interessen dürfen von einer Theorie der Politikberatung nicht nur nicht leichtfertig aufgrund von sog. Sachzwängen übergangen werden, sondern sie sind vielmehr als ein Produktivitätspotential anzusehen, das in der politischen Gestaltung freigesetzt werden muß. Die Beteiligung der Betroffenen an demokratischen Entscheidungsprozessen geschieht in der Form öffentlicher Diskurse, in denen sich die Akteure über die Regeln ihres Zusammenlebens verständigen. Die Beteiligung der Betroffenen an solchen Diskursen muß aber nicht nur normativ über die Legitimation kollektiven Handeins eingefordert, sondern kann in einer modernen Gesellschaft auch positiv begründet werden: Moderne komplexe Gesellschaften sind ja durch die starke Interdependenz des Handeins ihrer Mitglieder gekennzeichnet. Diese wechselseitige Abhängigkeit der Akteure bewirkt, daß produktives kollektives Handeln nur zustande kommt, wenn alle Interaktionspartner dabei einen Gewinn für sich erzielen können, wenn das kollektive Handeln von den Individuen paradigma bietet keinen angemessenen Zugang zum kollektiven Handeln, sondern es führt zu vielfältigen Blockaden von Politik.
B. Struktur der Politikprobleme
30
als Positivsummenspiel empfunden wird. Es ist daher die Aufgabe einer Theorie der Politikberatung für die moderne demokratische Gesellschaft, gesellschaftliche Probleme als Positivsummenspiele zu rekonstruieren, bei denen alle Beteiligten durch die produktiven Interaktionen gewinnen können, und eben nicht wie in der politischen Auseinandersetzung der Gegenwart üblich - als Nullsummenspiele, bei denen nur der eine gewinnt, was der andere verliert. Über diese positive Rekonstruktion demokratischer Beteiligung von Betroffenen an politischen Prozessen kann die Parallelität von Gesellschafts- und Unternehmenspolitik aufgezeigt werden: In beiden Bereichen müssen die Betroffenen den Interaktionen zustimmen können, wenn sie zustande kommen sollen, denn in beiden Bereichen sind die Strukturen oft von sogenannten sozialen Dilemmata geprägt, wo ein einzelner durch Defektion ein kollektives Arrangement zerstören kann 30 • Dabei besteht aber ein wichtiger Unterschied zwischen den demokratisch-diskursiven Prozessen in der Gesellschaft und im Unternehmen: Für die Gesellschaft gehen wir von einer prinzipiellen Gleichheit der beteiligten Akteure aus, im Unternehmen liegt jedoch in der Regel eine hierarchische Ordnung und damit eine Situation prinzipieller Ungleichheit vor. Für den Politikberatungsprozeß in beiden Einheiten spielt dieser Unterschied aber keine Rolle. Denn der Politikberater will den Betroffenen in beiden Systemen Spielräume für produktive Interaktionen eröffnen, und das heißt Pareto-superiore Veränderungen der institutionellen Regeln für ihre Interaktionen aufzeigen. Solche Pareto-superioren und damit zustimmungsfähigen Veränderungen, die für alle an den Interaktionen Beteiligten zumindest langfristig Verbesserungen bringen, sind aber sowohl vom Ausgangspunkt der Gleichheit als auch der Ungleichheit zwischen den Akteuren aus möglich, zumal wenn die Ungleichheit per Anerkennung der Verfassung selbst anerkannt ist. Werden in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft die Interessen einzelner Gesellschaftsmitglieder als legitim anerkannt, so müssen diese in einer öffentlichen Diskussion artikulierbar sein, damit sie in die politischen Entscheidungsprozesse auch einfließen können. Umgekehrt müssen die Entscheidungen, die im politischen Prozeß getroffen werden, auch wiederum der demokratischen Öffentlichkeit kommuniziert werden, um ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Denn "ein Gemeinwesen und eine Politik, die nicht von der Einsicht und Überzeugung der Bürger getragen sind, müssen entweder scheitern oder aber in vordemokratische Muster zurückfallen"31. Diese zweiseitige Bedeutung von öffentlichen Diskursen muß daher auch von einem modernen Konzept ökonomischer Politikberatung anerkannt und in die theoretische Diskussion
30 Lindenberg, 1993. S. 196 spricht in einem ähnlichen Zusammenhang, jedoch nur in einer Nebenbemerkung, vom "darnage potential" des Individuums. Vgl. auch Lindenberg, 1988. 31
Horrumn, 1993, Sp. 195f.
III. Diskursive Natur politischer Prozesse
31
einbezogen werden. Die politischen Willensbildungsprozesse werden von theoretischen, normativen und empirischen Vorstellungen, aber auch von öffentlichen Diskussionen angeleitet. Nur durch einen öffentlichen Diskurs ist eine einheitliche Problemdefinition, eine gemeinsame Problem- und Situationsdeutung durch den Berater und den Adressaten der Beratung möglich, eine Grundvoraussetzung für den Beratungsprozeß. Die Kommunikation der Öffentlichkeit dient dabei sowohl der Unterrichtung über politischen Entscheidungs(und damit auch Politikberatungs-) bedarf als auch der Information über das Ausmaß der Akzeptanz, mit dem politische Entscheidungen (bzw. Beratungskonzepte ) rechnen können. Durch das Herstellen von Öffentlichkeit, von öffentlichen Diskursprozessen können Herrschaft und die Interessen der Bürger bzw. auf der Ebene des Unternehmens, die Interessen des Managements und der Mitarbeiter einander vermittelt werden. In einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft muß neben dem bereichsbzw. systeminternen auch ein Kommunikations- und Diskussionsprozeß zwischen den verschiedenen Bereichen und Subsystemen in Gang gesetzt werden, um die Produktivitäts vorteile der Arbeitsteilung in einer komplexen anonymen Gesellschaft voll ausschöpfen zu können. Damit stellt sich aber auch an eine ökonomische Theorie der Politikberatung der Anspruch, die Erkenntnisse des Subsystems Wissenschaft, die sich als relevant für gesellschaftliche Probleme erweisen, dem öffentlichen Diskussionsprozeß zu vermitteln 32 . Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, die beanspruchen, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch wichtige Implikationen zu haben, müssen in demokratisch verfaßten Gesellschaften auch in den öffentlichen Diskursprozeß eingespeist werden, um Legitimierbarkeit zu ermöglichen 33 • Zusammenfassend wird durch die Beschreibung der Struktur der Politikprobleme moderner demokratisch verfaßter Gesellschaften deutlich, daß eine moderne Theorie der Politikberatung 1. in ihrer Wissenschajtskonzeption schiedene Gesellschaftsbereiche),
(allgemeine Anwendbarkeit auf ver-
2. in ihrer Politikkonzeption (Ermöglichung erwünschter Interaktionen in der Gesellschaft und im Unternehmen durch institutionelle Gestaltung) und
32 Vgl. HabeT11Uls, 1992, S. 426: "Wenn der Diskurs der Experten nicht mit der demokratischen Meinungs- und Willensbildung rückgekoppelt wird, setzt sich die Problemwahrnehmung der Experten gegen die Bürger durch. Jede Interpretationsdifferenz dieser Art muß aber aus der Sicht des Staatsbürgerpublikums als weitere Bestätigung für einen legitimitätsgefährdenden Systempaternalismus gelten." 33
Suchanek, 1993, S. 127.
32
B. Struktur der Politikprobleme
3. in ihrer Demokratiekonzeption (Diskursivität politischer Prozesse in modernen Demokratien) bestimmten Ansprüchen genügen muß, um als überzeugendes Beratungskonzept anerkannt zu werden. Im folgenden soll nun nachgewiesen werden, daß die traditionelle Theorie ökonomischer Politikberatung und die Neue Politische Ökonomie der Struktur politischer Probleme in modernen demokratischen Gesellschaften und damit den formulierten Ansprüchen nicht gerecht werden und daher von einem neuen theoretischen Ansatz zur Politikberatung abgelöst werden sollten.
c.
Kritik der Theorie der Wirtschaftspolitik und der Neuen Politischen Ökonomie
I. Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik: der instrumentalistische Ansatz Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik l in der deutschen Ökonomik liefert keinen fruchtbaren Ansatz, um die Politikprobleme moderner, demokratisch strukturierter Gesellschaften zu lösen. Die Ansprüche an eine Theorie der Politikberatung, die im zweiten Kapitel erarbeitet wurden, werden von der traditionellen, instrumentalistischen Politikberatungskonzeption nicht eingelöst. Diese Schwäche der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik kann anhand dreier Aspekte aufgezeigt und begründet werden: an hand ihres Verständnisses von der Ökonomik als Wissenschaft, anhand ihrer Konzeption von Politik und den politischen Problemen moderner, demokratisch-pluralistischer Gesellschaften, anhand ihrer Demokratiekonzeption.
1. Das Wissenschaftsverständnis der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik
Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik vertritt ein instrumentalistisches Konzept von ökonomischer Politikberatung: Sein und Sollen werden logisch streng getrennt, eine wissenschaftliche Begründung von Sollenssätzen gilt als unmöglich 2 • Der Ökonom kann nur etwas über die Instrumente, die Mittel zur Erreichung der von der Politik vorgegebenen Ziele aussagen. Eine wissenschaftliche Zieldiskussion ist im allgemeinen tabu 3• Der strengen logi-
1 An dieser Stelle seien nur beispielhaft für diese Theorierichtung in der Ökonomik genannt: Molitor 1963, Schneider, H.K. (Hrsg.) 1968, BeckerathlGiersch (Hrsg.) 1963, vgl. auch kritisch Homann 1980, S. 68ff.
2
Homann, 1980, S. 21.
Damit ist nur die traditionell-instrumentalistische Beratungstheorie angesprochen. Der Soziologe Weber (vgl. Seite 32 ff) und der "nicht-traditionelle" Ökonom Myrdal haben schon frühzeitig 3
3 von Wulffen
34
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
sehen Trennung von Sein und Sollen entspricht die strikte Arbeitsteilung zwischen Wissenschaftlern (Mittelanalyse) und Politikern (Zielformulierung)4. Eine solche Konzeption von ökonomischer Politikberatung ist zunächst einmal empirisch zu kritisieren, da sie den realen politischen Prozeß der Aufstellung von Ziel-Mittel-Kombinationen in modernen demokratischen Gesellschaften, der sich in wechselseitiger Anpassung vollzieht, ignoriert5 . Auch berücksichtigt sie nicht, daß "die Ziele des Politikers oft unklar und unvollständig sind, aus taktischen Gründen postuliert werden oder nur deklamatorischen Charakter haben bzw. oft nachträglich zur Rationalisierung von Entscheidungen oder Handlungen formuliert werden"6. Sie ist aber auch systematisch verfehlt, weil sie die systematische Interdependenz von Zielen und Mitteln nicht erkennt. Die bei der Analyse und Lösung praktischer Probleme der Gesellschafts- und Unternehmenspolitik auftretenden Ziele und Mittel stehen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander: Ziele und Mittel sind interdependent. Etwas, was in einem Fall als Ziel definiert wurde, kann in einem anderen Fall wiederum Mittel zur Erreichung eines anderen, höheren Zieles sein. Alle Ziele werden, wenn sie erreicht sind, zu neuen Mitteln. Ob etwas Ziel oder Mittel ist, hängt daher lediglich vom Zeitpunkt ab, von dem her etwas betrachtet wird. Es gibt auch keine "neutralen" Mittel, alle Mittel besitzen einen eigenen Wert. Dieser Wert der Mittel ist
die Interdependenz von Zielen und Mitteln beschrieben. Dabei hat zwar Myrdal, 1963, die NichtNeutralität der Mittel nachgewiesen, aber in der Frage, wie Werte in die wissenschaftliche Argumentation eingeführt werden können, endet Myrdals Aufsatz aporetisch (vgl. Homann, 1980). Theorie der Wirtschaftspolitik bleibt für Myrdal nämlich nur unter der Voraussetzung der Interessenhannonie möglich. Er stellt sich dem Problem, eine Theorie der Wirtschaftspolitik unter der Voraussetzung von Interessenkonflikten zwischen den Individuen zu betreiben, nicht. Er glaubt weiterhin, daß die Voraussetzung für kollektives Handeln in einer demokratischen Gesellschaft gemeinsame Ziele sind. 4 Eine treffende Umschreibung dieses instrumentalistischen Vorgehens in der ökonomischen Politikberatung liefern Heise/Ragnitz 1990, S. 59: "Der Nationalökonomie als theoretischer Wissenschaft fiele die Aufgabe zu, die Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftslebens zu erkunden, die Ursachen von Fehlentwicklungen offenzulegen und möglichst auch geeignete Gegenmaßnahmen vorzuschlagen. Dem Wirtschaftspolitiker bliebe es vorbehalten, gemäß dem im politischen Prozeß hergeleiteten Zielkatalog zwischen den Handlungsalternativen zu wählen und die notwendigen praktischen Maßnahmen in die Wege zu leiten." Vor allem der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist von dieser Konzeption geprägt: Die gesamtwirtschaftlich zu verwirklichenden Ziele sind ihm vorgegeben, er soll nur Fehlentwicklungen und mögliche Gegenmaßnahmen aufzeigen, ohne selbst Empfehlungen auszusprechen (vgl. Holzheu, 1989, S. 230).
5 Homann, 6
1980, S. 116.
Meier/Mettler, 1985, S. 175.
I. Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik
35
wiederum als Kosten der Ziele zu verstehen 7 . In der ökonomischen Politikberatung muß daher das Zusammenspiel von Zwecken, Mitteln und Nebenfolgen insgesamt der Analyse unterzogen werden. Der zentrale Begriff, der eine systematische Analyse von Zielen, Mitteln und Nebenfolgen in der Ökonomik ermöglicht, ist der Kostenbegriff. Die Interdependenz von Zielen und Mitteln kann nämlich aus dem Kostenbegriff begründet werdens: Die Mittel der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik stellen Kosten im Sinne von Opportunitätskosten dar, im Sinne des Nutzenentganges, der bei einem anderen Einsatz dieser Mittel erreichbar gewesen wäre. Auch die Daten der theoretischen Wirtschaftspolitik können über den Kostenbegriff definiert werden: Sie sind solche Sachverhalte, auf deren Beeinflussung wegen prohibitiv hoher Kosten verzichtet wird. Die unerwünschten Nebenwirkungen des wirtschaftspolitischen Mitteleinsatzes wiederum können als zusätzliche Kosten der Maßnahmen aufgefaßt werden. Und auch die Zielbeziehungsproblematik kann als Kostenproblematik interpretiert werden: Zielkonflikte können als Opportunitätskosten, Zielkomplementaritäten als kostensenkend verstanden werden 9 . Die instrumentalistische Verwendung des Ziel-Mittel-Schemas in der Theorie der Wirtschaftspolitik und in der instrumentalistischen Konzeption von Politikberatung ist mit dem Kostenbegriff der Ökonomik theoretisch nicht zu vereinbaren. Mittel sind (Opportunitäts-) Kosten aufgrund des Vorhandenseins alternativer Ziele bzw. alternativer Zielausprägungen: Opportunitätskosten treten auf, weil der Nutzen der Verfolgung alternativer Ziele, alternative Verwendungsmöglichkeiten von Ressourcen, verloren gehen, wenn man sich auf eine bestimmte Verwendung festlegt. Wo es aber neben einem - vorgegebenen Ziel keine alternativen Ziele gibt, kann es grundsätzlich keine Kosten geben. Dann wäre es der Ökonomik nicht mehr möglich, von einem ihrer zentralen Grundbegriffe, vom Kostenbegriff, zu sprechen. Wird die Nationalökonomie aber als Wissenschaft von den Kosten verstanden, dann ist sie "die Wissenschaft von den alternativen Zielen menschlichen HandeIns unter den Bedingungen der Knappheit" 10. Am Kostenbegriff der Nationalökonomie wird dadurch die Unvermeidbarkeit von Werturteilen aufgezeigt und so die Zieldiskussion einschließlich der Diskussion der Wertkomponente der Ziele legitimiert \\. Ökonomische Wissenschaft, die zur Analyse und Lösung politischer Probleme
7
Homann, 1980, S. 111.
8 Vgl.
für die folgende Argumentation Homann, 1980, S. 143ff.
Diese Zusammenhänge werden in vielen Formen der praktischen Politikberatung (CostBenefit-Analyse, Szenarien-Beratung) bereits selbstverständlich berücksichtigt. Es geht in dieser Arbeit aber um die Konzeption einer Theorie der ökonomischen Politikberatung. 9
\0
Homann, 1980, S. 167.
\\ Homann, 1980, S. 145. 3"
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
36
in demokratischen Gesellschaften beitragen will, muß auch die Analyse und Wahl von Zielen als wissenschaftliche Aufgabe anerkennen. Ökonomische Politikberatung muß sich auch auf die Wahl der Ziele der Politik erstrecken 12 , wobei die Entscheidung den zuständigen demokratischen Instanzen vorbehalten bleibt. Über die Interdependenz von Zielen und Mitteln wird jedoch erst die Notwendigkeit von politischen Ziel- und Wertdiskussionen - neben der technischen Mittelananlyse, deren Notwendigkeit nicht bestritten wird - für die ökonomische Politikberatung begründet. In einem zweiten Schritt ist zu zeigen, inwiefern auch eine Möglichkeit besteht, Wertdiskussionen wissenschaftlich zu führen, also eine normative Wissenschaft zu betreiben. Diese Begründung baut wiederum auf einer Kritik an der Wissenschaftskonzeption der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik auf. Diese legt nämlich ihren Analysen einen Begriff von wissenschaftlicher Objektivität zugrunde, der davon ausgeht, daß wissenschaftliche Fragen auf der Grundlage zureichender Begründung eindeutig entscheidbar sind 13 • Geht man von einem solchen Wissenschaftsverständnis aus, so ist eine normative Wissenschaft, die auch Wert- und Zieldiskussionen führen will, nicht denkbar, da eine solche Form wissenschaftlicher Objektivität in Wertdiskussionen nicht erzielbar ist l4 • Legt man aber statt dessen einen anderen Begriff von wissenschaftlicher Objektivität zugrunde, der der Wissenschaftskonzeption des kritischen Rationalismus entnommen ist, so sind auch explizite Ziel- und Wertdiskussionen möglich. Macht man Wissenschaftlichkeit statt an einem Ergebniskriterium (objektive Wahrheit der Forschungsergebnisse) an einem Verfahrenskriterium (prinzipielle Falsifizierbarkeit im Prozeß wissenschaftlicher Kritik) fest, dann können auch normative Hypothesen als wissenschaftlich anerkannt werden. Eine prinzipiell fallibilistische Wissenschaft, die lediglich Hypothesen formulieren kann, kann dieses sowohl für Mittel- als auch für
12 Auch v. Hayek, 1983, S. 139f, hat diese Forderung aufgestellt: ..... ist es seine (des Theoretikers, Anmerkung der Verfasserin) Pflicht, Möglichkeiten und Folgen gemeinsamen Handelns aufzuzeigen und umfassende Ziele der Gesamtpolitik vorzuschlagen, an die die Mehrheit noch nicht gedacht hat." 13
Homann, 1980, S. 106.
In diesem Begriff wissenschaftlicher Objektivität liegt auch begründet, daß Max Webers Konzeption von Nationalökonomie eine Unausgeglichenheit zwischen einem Interdependenzkonzept und einem Restbestand an Instrumentalismus aufweist. Max Weber erkennt zwar, daß der Charakter praktischer Probleme durch die Interdependenz von Zielen und Mitteln geprägt ist. Hinsichtlich der Verwendung des Ziel-Mittel-Schemas in der wissenschaftlichen Problemlösung jedoch bleibt Max Weber - aufgrund seines Begriffs von wissenschaftlicher Objektivität - dem instrumentalistischen Konzept verhaftet (vgl. Pies, 1993, Kap. 1.2.). 14
I. Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik
37
Zielaussagen tun l5 . Normativität wird dann als Heuristik 16 verstanden, und nicht als Begründungsstrategie für letzte Wahrheiten. Außerdem ist die traditionelle ökonomische Theorie der Politikberatung nicht imperialismusfähig. Sie versteht sich als rein wirtschaftspolitische Beratung der Politiker, ohne zu erkennen, daß die Probleme in den verschiedenen Bereichen und Subsystemen der Gesellschaft von der gleichen Struktur sind und daher auch mit dem gleichen wissenschaftlichen Ansatz angegangen werden können. Ausgangspunkt der instrumentalistischen traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik ist die Untersuchung der Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf bestimmte wirtschaftliche Größen. Ihr Erkenntnisziel besteht in einer "Instrumentenkunde zuhanden der wirtschaftspolitischen Akteure"I? Ein solcher Ansatz ist nicht imperialismusfahig, da er nur auf den engen Bereich der Wirtschaftspolitik zugeschnitten ist und weder in horizontaler Richtung auf verschiedene Gesellschaftsbereiche noch in vertikaler Richtung auf verschiedene Subsysteme der Gesellschaft ausgedehnt werden kann 18. Häufig wird dabei Wirtschaftspolitik auch einfach mit Stabilisierungspolitik gleichgesetzt und als wirtschaftspolitische Beratung nur eine Beratung nach den Schemata der makroökonomischen Angebots- und Nachfragetheorie diskutiert l9 • Da die traditionelle instrumentalistische Theorie der Politikberatung nicht normativ angelegt und nicht imperialismusfähig ist, sich auf technische Mittelanalysen beschränken will und keine politischen Zielanalysen durchführt, genügt sie den Ansprüchen an eine moderne Theorie der Politikberatung nicht.
15
Pies, 1993, S. 2l.
Homann, 1988, S. 90, definiert Heuristik im klassischen Sinn als den Grundgedanken, "den wissenschaftlichen Fortschritt auf eine leistungsfahige Suchstrategie zurückzuführen, die einerseits Willkür und Beliebigkeit ausschaltet, die sich aber andererseits nicht durch ein fehlgeleitetes Streben nach Sicherheit der Erkenntnis oder durch Beachtung zu enger Regeln der Logik oder Methodologie davon abbringen läßt, neue Entwürfe zu wagen". 16
I? Meier/Mett/er, 1985, S. 171f.
Sehr treffend charakterisiert diese enge Perspektive des traditionellen Ansatzes Molitor, 1963, S. 89: "... so arbeitet die Theorie auf der Ebene ihrer Aussagen mit der Abstraktion eines rationalen Verhaltens des Staates oder, wie wir pointierend sagen können, des Wirtschaftsministers. Das heißt: Die Mittelwahl erfolgt unter dem Aspekt des höchsten Erfolgsgrades, der bei gegebenen Bedingungen in der Zielrealisierung zu erreichen ist." 18
19 Vgl. Schneider, H.K. 1990, der als "Paradigmen der Wirtschaftspolitik" und damit gleichzeitig als Paradigmen für den Wissenschaftler als Berater der Politik Angebots- und Nachfragepolitik diskutiert.
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
38
2. Das Politikverständnis der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik
Auch das Verständnis der traditionellen, instrumentalistischen Theorie der Politikberatung von einer modernen Gesellschaft und von den Politikproblemen der modernen Gesellschaft verhindert, daß diese den Ansprüchen an eine moderne Theorie der Politikberatung genügt. Der traditionelle Ansatz sieht nicht, daß moderne Gesellschaften nicht mehr über gemeinsame Ziele, sondern nur über allgemeine Regeln gesteuert werden können. Er erkennt nicht, daß die Politikprobleme moderner Gesellschaften Institutionenprobleme sind. Der Ansatzpunkt für Gesellschaftspolitik wird nicht primär in der Institutionengestaltung, in der Gestaltung der Spielregeln für die Gesellschaft gesehen. Eine instrumentalistische Beratung will ganz im Gegenteil Beratung für möglichst effiziente Spielzüge der Politiker sein 20 . Im instrumentalistischen Ansatz wird die Wirtschaftspolitik im Schema von Zielen, Mitteln und Trägern gedacht21 . Die Ziele werden den Beratern exogen vorgegeben. Die wissenschaftlichen Politikberater haben dann die Aufgabe, den Trägern der Wirtschaftspolitik die richtigen Mittel an die Hand zu geben, um diese Ziele zu erreichen. Politik wird verstanden als die Realisierung von Zielen durch den Staat bzw. durch die Regierung, die als individueller Akteur gesehen wird 22 . Politik wird im instrumentalistischen Ansatz gedacht als Durchsetzung des gegebenen, in konsistente Form gebrachten Zielsystems, wobei ein einheitlicher Wille der Gesellschaft unterstellt wird. Aufgabe des politischen Handeins in einem modernen liberalen Staat kann aber nicht mehr die Verwirklichung von gemeinsamen Zielen sein, sondern es ist die Entwicklung und Garantierung von Regeln, die die einzelnen Bürger beim Verfolgen ihrer individuellen Ziele beachten müssen
20 Tuchtfeldt (u.a. 1963, 1966, 1971) kann als geradezu klassischer Vertreter des instrumentalistischen Ansatzes zur Politikberatung angesehen werden. Politik wird als Verwirklichung von Zielen verstanden. Die wissenschafltiche Politikberatung kann, entlastet von der Zielproblematik, die als gelöst unterstellt wird, dafür sorgen, daß wissenschaftliche Einsichten direkt und umfassend in politisches Handlen umgesetzt werden können (vgl. Homann, 1980, S. 91 und S. 286).
21 Auch modeme, "geläuterte" Theoretiker der Wirtschaftspolitik bleiben trotz aller Kritik an der instrumentalistischen Politikberatungskonzeption letztlich den alten Schemata verhaftet. So kritisiert zwar Gäfgen, 1976, S. I 27f, die "technokratische Steuerung einer sozialen Maschinerie", die die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik anstrebt, bleibt aber selbst auch grundsätzlich bei dem Schema einer Steuerung der Gesellschaft über Ziele und will nur die "informationellen Grundlagen der Steuerung" verbessern. Gäfgen gesteht zwar zu, daß "die Realisierung einer wirtschaftspolitischen Konzeption, welche bestimmte Ziele durch ein typisches Maßnahmenbündel erreichen will, an gesellschaftlichen Einflüssen ... scheitern kann" (S. 136), denkt aber Politikberatung dennoch weiter innerhalb einer solchen Konzeption von Zielen, Maßnahmen und Trägem der Wirtschaftspolitik. 22
So definiert zum Beispiel Mo!itor, 1963, S. 84, Politik als "Verhalten des Staates".
I. Die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik
39
3. Das Demokratieversiändnis der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik
Die instrumentalistische Politikberatungskonzeption der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik ist eine reine Politikerberatung, die sich fast ausschließlich als Regierungsberatung versteht. Die wirtschaftspolitischen Berater üben eine technokratische Funktion aus, sie wollen der Regierung zum bestmöglichen Einsatz des ihr zur Verfügung stehenden Instrumentariums verhelfen 23 . Eine instrumentalistische Beratung dieser Ausrichtung wird fast automatisch demokratiefeindlich, da sie sich exklusiv, bzw. übermäßig auf einen vermeintlichen Entscheidungsträger ausrichtet24 . Sie unterstellt einen benevolenten Diktator25 , der ohne seine eigenen persönlichen Interessen zu beachten, die gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion maximiert. Die Begründung für diese letztlich demokratiefeindliche Haltung der traditionellen instrumentalistischen Beratungskonzeption liegt in der von dieser Theorierichtung vertretenen "Gegensatzthese von Rationalität und Demokratie"26. Diese These impliziert, daß Rationalität und Demokratie in einem gewissen trade-off-Verhältnis zueinander stehen, d.h. ein Mehr an Rationalität in der Politik geht auf Kosten der Demokratie und ein Mehr an Demokratie auf Kosten der Rationalität27 . Versteht man aber unter Rationalität der Politik die Anwen23 Frey, 1978, S. 215. 24 Ostrom, 1990, S. 259: "There can be no universal problem-solver capable of addressing diverse problems as applying to societies as wholes." 25 Comelius, 1990, S. 425f. beschreibt, daß der deutsche Sachverständigenrat auf der Annahme begründet wurde, daß "economic advice is offered to a genuinely benevolent despot, devoid of his own interest, and presumably willing and able to implement, without resistance, the advice offered to hirn". Damit ist natürlich noch keine Aussage über die tatsächliche Beratungspraxis des Sachverständigenrates getroffen.
26 Zu dieser These und für die folgende Argumentation vgl. Homann, 1988, S. 2ff. 27 Vgl. Gäfgen, 1975, S. 56: "Auch diese mangelnde Durchsetzbarkeit rational konstruierter
Ideale deutet auf einen gewissen Gegensatz zwischen Demokratie und Rationalität in der Wirtschaftspolitik hin, zwischen denen ein Komprorniß gefunden werden muß." In der neueren ökonomischen Literatur (z.B. Olson, 1993) wird dagegen gerade die ökonomische Rationalität der Demokratie (im Sinne von Zusicherung individueller Freiheitsrechte, nicht im Sinne von Mehrheitsentscheidung) deutlich herausgestellt: "The moral appeal of democracy is now almost universally appreciated, but its economic advantages are scarcely understood" (Olson, 1993, S. 575). Die Demokratie sichere individuelle Rechte wie Eigentum und Vertragssicherheit, die einen langfristigen wirtschaftlichen Fortschritt erst ermöglichen. Außerdem verhindere ein demokratisches System, daß die politischen Führer das Sozialprodukt übermäßig beanspruchten. Während in einem autokratischen System der Herrscher den Steuersatz wählen würde, der seine eigenen Steuereinkünfte maximiert, würde die herrschende Mehrheit in einem demokratischen System einen geringeren Steuersatz wählen, weil diese Mehrheit ja auch einen signifikanten Anteil am nationalen Einkommen verdiene und daher an einer höheren Produktivität interessiert sei. Auch der Economist, 1994, S. 9 und 15-17, beschreibt in einer seiner jüngsten Ausgaben anhand von
40
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
dung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Politik, so muß man, wenn man die Gegensatzthese von Rationalität und Demokratie vertritt, in der wissenschaftlichen Politikberatung in vordemokratische Argumentationsmuster zurückfallen. Man kommt zu einer auf die Effizienz politischer Programme allein bedachten Rationalitätskonzeption, für die Fragen der Legitimation politischen Handeins irrelevant sind. Die Anforderung an eine Theorie der Politikberatung in einer modernen demokratischen Gesellschaft, die Demokratie als das Verfahren zur Legitimation kollektiven Handeins anzuerkennen und auf einer normativen Demokratiekonzeption aufzubauen, wird damit von der traditionellen instrumentalistischen Theorie der Politikberatung nicht erfüllt 2X •
11. Die Neue Politische Ökonomie: die Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik von B.S. Frey 1. Public Choice und Neue Politische Ökonomie
Die sog. Neue Politische Ökonomie in der deutschsprachigen Theorie der Wirtschaftspolitik geht auf den zunächst von amerikanischen Ökonomen entwickelten Ansatz des Public Choice zurück. Die Theorie des Public Choice ist Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre entstanden. Grundlegende erste Arbeiten auf diesem Feld waren Arrow's Analyse der Unmöglichkeit der Präferenzen aggregation zu einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion, Downs Darstellung des Konkurrenzmodells der Demokratie, Buchanans und Tullocks Analyse von Verfassungsregeln, Olsons Untersuchung des Verhaltens von Gruppen und Niskanens Beschreibung staatlicher Bürokratien29 . Allen diesen Ansätzen gemeinsam ist die Annahme, daß am Markt und im politischen Bereich dieselben, rationalen Menschen handeln und jeweils ihre individuellen Interessen verfolgen. Public Choice kann daher auch als ökonomische Theorie der Politik bezeichnet werden: die Anwendung des ökonomischen Ansatzes und seiner
empirischen Studien, daß "across scores of countries and centuries of history, democracy has promoted growth, far more effectively and consistently than any other political system." 28 HOmilnn, 1980, S. 94: "... so daß der Eindruck bestehen bleibt, daß trotz aller durchaus glaubwürdigen Bekenntnisse zur Demokratie der Kameralist und der Geheimrat die theoretischen Leitbilder der wirtschafts wissenschaftlichen Beratung der Politik geblieben sind." 29 Arrow, Social Choice and Individual Values, J951; Downs, An Economic Theory of Democracy, J 957; BuchananlTuliock, The Calculus of Consent, 1962; OI.fOn, The Logic of Collective Action, 1965; Niskanen, Bureaucracy and Representative Government, J97 J.
11. Die Neue Politische Ökonomie
41
Annahmen auf politische Prozesse30 • Es handelt sich also um eine horizontale Ausweitung des ökonomischen Ansatzes, wodurch sich die Ökonomen ein realistisches Bild von der tatsächlichen Funktionsweise des politischen Mechanismus verschaffen wollten. Die wichtigsten Themen der Public-ChoiceLiteratur sind: Warum gibt es überhaupt kollektives, staatliches, mit Zwangsgewalt ausgestattetes Handeln? WeIche Implikationen haben die verschiedenen möglichen Abstimmungsregeln in einer direkten Demokratie? Wie funktioniert das System der repräsentativen Demokratie, d.h. wie verhalten sich die Parteien, Interessengruppen und Bürokraten? Wie geschieht die Versorgung mit einem öffentlichen Gut mittels politischer Entscheidungsprozesse? Eine wesentliche Weiterentwicklung der Public-Choice-Theorie stellt Buchanans Ökonomische Theorie der Verfassung dar, die sog. Constitutional Economics 31 , auf die in dieser Arbeit noch ausführlich eingegangen werden wird. Im deutschsprachigen Raum wurde Public Choice zu Beginn der 70er Jahre als sog. Neue Politische Ökonomie aufgenommen und weiterentwickelt. Neben der Untersuchung des Zusammenhangs von politischen und soziologischen Faktoren mit ökonomischen Gegebenheiten steht hier auch die explizite Einbeziehung von Werturteilen in die Analyse auf dem Programm 32 • Die Neue Politische Ökonomie will eine Zusammenschau des politisch-ökonomischen Gesamtsystems der marktwirtschafltichen Demokratie versuchen 33 • Ein wichtiger Vertreter der Neuen Politischen Ökonomie ist Bruno Frey, der den Ansatz einerseits durch empirische Tests von Hypothesen, v.a. zum sog. politischen Konjunkturzyklus 34 , weiterentwickelt, andererseits aber überblicks artige Darstellungen bisheriger Ergebnisse veröffentlicht hat 35 • Sein Ansatz wird in dieser Arbeit ausführlicher besprochen, weil er in seiner Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik explizit auf das Thema der Politikberatung eingegangen ist.
30 Mueller, 1989, gibt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Ansätze. Er definiert Public Choice als "the economic study of nonmarket decision making, or simply, the application of economics to political science" und schreibt weiter: "The methodology of public choice is that of economics ... the basic behavioral postulate of public choice. as for economics, is that man is an egoistic, rational, utility maximizer ... the modem public choice literature employs the analytic tools of economics" (Mueller, 1989, S. If).
31
Vgl. u.a. Buchanan, 1975, 1987a, 1987b, 1990 und BrennanlBuchanan, 1985.
32
Vgl. BernholzlBreyer, 1993, S. 2.
33
BernholzlBreyer, 1993, S. 10.
34
Frey, 1978a.
35
Frey, 1974, 1977, 1991.
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
42
2. Die Konzeption der Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik bei B.S. Frey
Bruno Frey will mit seiner Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik36 die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik kritisieren und zugleich einen alternativen Ansatz zur theoretischen Wirtschaftspolitik und zur wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung entwickeln. Frey kritisiert die Ausklammerung demokratischer politischer Prozesse aus dem Blickfeld der traditionellen Theorie und plädiert dafür, Wirtschaft und Politik als ein interdependentes System zu sehen3? Ganz ausdrücklich stellt er seinen Ansatz zur Wirtschaftspolitik und zur wirtschaftspolitischen Beratung auf die Grundlage "demokratischer Gesellschaften westlichen Typs, in denen (zumindest prinzipiell) die Präferenzen der Bevölkerung berücksichtigt werden"38. Die Grundgedanken seines Ansatzes sind: 1. Alle Entscheidungsträger (die Individuen in der Bevölkerung, die Politi-
ker im Parlament, in der Regierung und öffentlichen Verwaltung, und die Politikberater selbst) versuchen, ihren eigenen Nutzen zu vermehren. Es gibt niemanden, der im Interesse des sog. Allgemeinwohls handelt, es gibt keinen 'benevolenten Diktator'.
2. Man muß zwischen der Ebene des Grundkonsenses, auf der die grundsätzlichen und langfristigen Regeln für die Gesellschaft festgelegt werden, und der Ebene des laufenden politischen Prozesses unterscheiden. Der wirtschaftspolitische Berater muß dafür sorgen, daß auf der Ebene des Grundkonsenses die Regeln so festgelegt werden, daß dann im laufenden politischen Prozeß die Durchsetzung der Eigeninteressen der Akteure zu gesamtwirtschaftlich erwünschten Ergebnissen (zur Durchsetzung der Präferenzen der Individuen) und nicht zur gegenseitigen Schädigung der Beteiligten führt. Dann kann die Beratung im laufenden politischen Prozeß dazu dienen, den Akteuren zu zeigen, wie sie in diesem Prozeß ihre eigenen Interessen am besten durchsetzen können.
36 Frey, 1981. Die zweite Auflage der Demokratischen Wirtschaftspolitik, FreylKirchgässner, 1994, ist erst erschienen, nachdem die vorliegende Arbeit bereits im wesentlichen fertiggestellt war. Sie unterscheidet sich aber in den für diese Arbeit entscheidenden Teilen nicht wesentlich von der ersten Auflage des Lehrbuches von 1981 und wird daher nur ergänzend zu Frey, 1981, zitiert. 3?
Frey, 1981, S. 2ff. FreylKirchgässner, 1994, S. 2ff.
38
Frey, 1981, S. VI.
H. Die Neue Politische Ökonomie
43
3. Der gesellschaftliche Grundkonsens ist nach Frey durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet39 : Er regelt grundsätzliche Aspekte der Gestaltung der Gesellschaft; die Einigung der Individuen erfolgt in einer Situation der Ungewißheit (die Individuen wissen bei der Einigung auf die grundsätzlichen Regeln nicht, in welcher konkreten Lage sie selbst und ihre Nachfahren sich in Zukunft befinden werden); der Grundkonsens besteht in einer freiwilligen Übereinkunft, d.h. die Regelungen können nur einstimmig gefällt werden. In einigen Punkten stimmt der in dieser Arbeit zu formulierende Ansatz zur ökonomischen Politikberatung mit Freys Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik überein: Frey kritisiert sowohl die "technokratisch-elitäre" Wirtschaftspolitik als auch die "Ordnungspolitik" traditioneller Prägung4(). Die technokratisch-elitäre Wirtschaftspolitik weist seiner Meinung nach fünf gravierende Mängel auf: 1. Die von diesem Ansatz postulierte und zu maximierende gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion ist ein für eine Demokratie ungeeignetes Konzept, da in einer demokratischen Gesellschaft die Aufstellung einer solchen Wohlfahrtsfunktion diktatorische Elemente aufweist41 • 2. Die gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion läßt sich in der Praxis nicht empirisch (durch Befragung oder durch das Vorgehen des RevealedPreferences-Ansatzes) bestimmen. 3. Aus der Annahme, daß jeder Entscheidungsträger danach strebt, seinen eigenen Nutzen zu maximieren, folgt, daß kein Entscheidungsträger in der Wirtschaftspolitik ein Interesse daran hat, die gesellschaftliche Wohlfahrt zu maximieren. Die von der technokratisch-elitären Wirtschaftspolitik vorgeschlagenen Maßnahmen zur Herstellung des Pareto-Optimums der Gesellschaft werden daher in der Regel nicht ergriffen werden. 4. Die technokratisch-elitäre Wirtschaftspolitik weist einen methodologischen Widerspruch auf, weil die Maximierung einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion nicht mit dem individualistischen und demokra-
39
Frey, 1981, S. 9, Frey/Kirchgässner, 1994, S. \Of.
40
Frey, 1981, S. 257ff, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 341 ff.
41 Frey, 1981, S. 261, mit geringfügigen Änderungen auch Frey/Kirchgässner, 1994, S. 344f: "Die gesellschaftliche Wohlfahrts funktion läßt sich nur unter höchst eingeschränkten und unrealistischen Bedingungen widerspruchslos aus den Präferenzen der Individuen ableiten. Dieses aUgemeine Unmöglichkeitstheorem ist heute unbestritten .... Die von der technokratisch-elitären Wirtschaftspolitik zugrundegelegte Wohlfahrtsfunktion existiert entweder gar nicht, oder sie wird nicht auf die Präferenzen der Individuen zurückgeführt, d.h. sie enthält eine diktatorische Komponente."
44
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
tischen Grundprinzip der Konsumenten- und Wählersouveränität kompatibel ist42 . 5. Die technokratisch-elitäre Wirtschaftspolitik nimmt bei der Zusammenstellung ihrer optimalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen an, daß das Verhalten der individuellen Entscheidungsträger, der Konsumenten und Unternehmer, vorgegeben sei. Die rationalen Reaktionen der nichtstaatlichen Entscheidungsträger auf die staatlichen Maßnahmen werden somit nicht berücksichtigt, und die technokratisch-elitäre Planung ist daher notwendigerweise suboptimal. 43 Der in dieser Arbeit zu entwickelnde Ansatz zur ökonomischen Politikberatung stimmt mit all diesen Kritikpunkten Freys an der traditionellen technokratisch-elitären Theorie der Wirtschaftspolitik grundsätzlich überein, wie aus dem Kapitel m.l bereits hervorgeht. Auch mit Freys Kritik an der traditionellen Ordnungspolitik lassen sich Übereinstimmungen feststellen. Die neoliberale Ordnungspolitik (oder: der Ordoliberalismus der Freiburger Schule) hat zwar mit Freys "Wirtschaftspolitik mittels Grundkonsens gemeinsam, daß ein langfristig zu geltender Rahmen gesucht wird, in dem die grundsätzlichen gesellschaftlichen Bedingungen festgelegt werden"44. Aber Frey sieht dennoch auch Anlaß zur Kritik: Der Ordoliberalismus ist ideologisch stark der marktwirtschaftlichen Konkurrenz verhaftet. Diese wird als "Mechanismus zur Regelung wirtschaftlicher Probleme ... gepriesen"45, ohne daß alternative Entscheidungssysteme dabei ernsthaft in Erwägung gezogen würden. Auch wird die marktwirtschaftliche Konkurrenz weitgehend als Idealtyp analysiert46 . Probleme z.B. aufgrund der nicht zu leugnenden Existenz von externen Effekten und öffentlichen Gütern werden vernachlässigt. Ein anderer Kritikpunkt Freys an der Ordnungstheorie besteht darin, daß diese nicht betrachtet, wie die gesellschaftlichen Regeln im demokratischen Prozeß zustande kommen, sondern sich nur auf die Auswirkungen der Regeln im laufenden politischen Prozeß konzen-
42
FreylKirchgässner, 1994, S. 346.
43
Frey, 1981, S. 261ff, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 347.
44 Frey, 1981, S. 264, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 348. Vgl. zu Parallelitäten und Unterschieden zwischen der älteren deutschen Ordnungstheorie und der modemen Constitutional Economics Buchananscher Prägung auch Vanberg, 1988.
45
Frey, 1981, S. 264, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 348.
Frey, 1981, S. 264, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 348. Vgl. hierzu auch Kirchgässner, 1988, wo dieser den "kryptononnativen Gehalt" der Ordnungstheorie beschreibt. Eine ähnlich ausgerichtete frühe Kritik an der Ordnungstheorie der Freiburger Schule akzentuiert auch Riese, 1972, S. 36: Eucken habe mit seiner Ordnungs theorie nicht die Absicht verfolgt, eine Theorie der Funktionsweise von Wirtschaftsordnungen zu entwickeln, sondern er habe seine Ordnungstheorie geschaffen, um das Fundament der Rechtfertigung der freien Verkehrswirtschaft zu legen. 46
Il. Die Neue Politische Ökonomie
45
triert47 • Der Regierung wird - ähnlich wie in der technokratisch-elitären Wirtschaftspolitik - das Handeln einer Art benevolenten Diktators unterstellt, der autonom handelt und die Regeln und Institutionen der Gesellschaft von außen auferlegt. Damit geht auch die Ordnungstheorie an den politischen Gegebenheiten und den normativen Grundlagen demokratischer Gesellschaften vorbei, ja auch sie wird letztlich demokratiefeindlich. Aber nicht nur mit Freys Kritik an anderen Ansätzen, auch mit einigen positiven Zügen seines eigenen Konzeptes lassen sich Übereinstimmungen finden. Seine Konzeption der Beratung auf der Ebene des gesellschaftlichen Grundkonsenses ist ein analytisch und pragmatisch brauchbares Konzept zur ökonomischen Politikberatung, das einigen der im zweiten Kapitel formulierten Ansprüche an Politikberatung genügen kann: Freys Ansatz gründet auf dem analytischen Prinzip des methodologischen Individualismus. Handlungseinheit in Freys ökonomischen Verhaltensmodell ist der einzelne; d.h. das auf der Ebene der Gesellschaft beobachtete Geschehen wird auf das Handeln von einzelnen Individuen zurückgeführt48 • Es wird davon ausgegangen, daß die Individuen innerhalb der ihnen gesetzten Restriktionen versuchen, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Daher muß es in der wirtschaftspolitischen Beratung der Gesellschaft darum gehen, die Eigeninteressen der beteiligten Individuen und Gruppen, die sich im laufenden politischen Prozeß durchsetzen, auf der Ebene des Grundkonsenses durch produktive Arrangements so zu kanalisieren, daß gesamtwirtschaftlich erwünschte Ergebnisse erreicht werden 49 • In Freys Konzeption ist es möglich, den Gedanken gesamtwirtschaftlicher bzw. gesamtgesellschaftlicher Ergebnisse als nichtintendierte Folgen intentionalen Handeins von Individuen zu denken. Freys Ansatz der Beratung auf der Ebene des Grundkonsenses geht vom Konsensparadigma einer vertragstheoretischen Demokratiekonzeption aus, d.h. grundsätzlich müssen die langfristig festzulegenden Regeln für alle Mitglieder der Gesellschaft zustimmungsfähig sein. Von dem ergebnisorientierten Ansatz der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik (angestrebtes Ergebnis sind das Pareto-Optimum in der technokratisch-elitären Wirtschaftspolitik und die individuelle Freiheit am Markt in der traditionellen Ordnungstheorie) wendet
47
Frey, 1981, S. 264, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 348.
Frey, 1990. S. 4. Zum Prinzip des methodologischen Individualismus und zum Verhaltensmodell des Homo Oeconomicus vgl. ausführlich Kapitel D dieser Arbeit. 48
49 Frey, 1981, S. 268, ähnlich auch Frey/Kirchgässner, 1994, S. 352: "Die drei genannten Aufgaben (des Beraters auf der Ebene des Grundkonsenses, Zusatz der Verfasserin) können nur dann erfüllt werden, wenn der wirtschaftspolitische Berater die Interessen der beteiligten individuen und Gruppen akzeptiert. Er muß danach streben, deren Eigeninteresse zu nutzen, um produktive Arrangements zu erreichen."
C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
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sich Frey ab und statt dessen dem verfahrensorientierten Ansatz der Vertragstheorie zu: Durch die Übereinkünfte im gesellschaftlichen Grundkonsens "werden nicht einzelne Fälle entschieden, sondern man legt das bestmögliche Verfahren der Entscheidungsfindung fest. Ausschlaggebend ist der richtige Prozeß; die einzelne Entscheidung wird dann akzeptiert und ist inhaltlich nicht im voraus festgelegt."5o Im Gegensatz zu der nur auf die Effizienz des Ergebnisses ausgerichteten traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik werden in Freys verfahrensorientiertem Ansatz "Anpassungskosten der Betroffenen" und "Spannungen im laufenden politischen Prozeß"51 sogar gewollt und herbeigeführt, damit die gesellschaftlichen Spielregeln "produktiv wirksam werden können". Ökonomische Politikberatung wird von Frey - zumindest auf der Ebene des Grundkonsenses - verstanden als aufklärende Beratung, die sich an die Gesamtheit der Individuen in einer Gesellschaft, an die Öffentlichkeit richtet 52 . Die Funktion des wirtschaftspolitischen Beraters der Öffentlichkeit besteht darin, "die für politische Entscheidungen mobilisierbaren Werturteile im Sinne einer größeren Rationalität zu beeinflussen"53. Das normative Leitbild einer solchen Rationalisierung von Werturteilen der Bürger über die Spielregeln ihres Zusammenlebens scheint nun aber - so interpretiert zumindest c.e. von Weizsäkker die Aussagen Freys - in einer freien demokratischen Gesellschaft der hypothetische Konsens der Bürger zu sein54 . Erst in zweiter Linie - im laufenden politischen Prozeß - wird die Beratung bei Frey verstanden als Politikerberatung, und nicht mehr nur als Politikberatung. Freys Konzept der ökonomischen Politikberatung auf der Ebene des Grundkonsenses ist - wie das in dieser Arbeit zu formulierende - als eine Beratung über die Wahl von Regeln angelegt55 • Die Aufgaben des Beraters in Freys Wirtschaftspolitik mittels Grundkonsens bestehen darin, Vorschläge zu produk-
50 Frey, 1981, S. 24, ähnlich auch Frey/Kirchgässner, 1994, S. 30. Zum Konsensparadigma des in dieser Arbeit vertretenen Ansatzes zur ökonomischen Politikberatung siehe Kapitel D. . 51 Frey, 1981, S. 268, Frey/Kirchgässner, 1994. S. 352. Zu den produktiven Dilemmastrukturen in dem in dieser Arbeit vorgestellten Ansatz siehe Kapitel D und E.
52 Frey, 1981, S. 266, ähnlich auch Frey/Kirchgässner, 1994, S. 350: "Der wirtschaftspolitische Berater kann Mittel und Wege suchen, um einen Konsens über die von ihm oder anderen vorgeschlagenen gesellschaftlichen Spielregeln zustandezubringen. Dazu stehen ihm verschiedene Verfahren zur Verfügung: I. Das wichtigste Mittel besteht darin, die Individuen über die Vorteile der zur Debatte stehenden gesellschaftlichen Regelungen aufzuklären.". 53
Von Weizsäcker, 1982, S. 309.
54
Von Weizsäcker, 1982, S. 309.
55
Zu dem Paradigmen wechsel von der Beratung über effiziente Spiel züge zu einer Beratung über die Wahl produktiver Spielregeln siehe Kapitel D.
11. Die Neue Politische Ökonomie
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tiven gesellschaftlichen Übereinkünften in die Debatte auf der Ebene des Grundkonsenses einzubringen; Mittel und Wege zu suchen, um einen Konsens über die vorgeschlagenen gesellschaftlichen Spielregeln zustandezubringen; und sicherzustellen, daß die gesellschaftlichen Regeln im laufenden politischen Prozeß über eine genügend lange Zeit aufrechterhalten bleiben 56 • Wie in dem in dieser Arbeit vorgestellten Ansatz zur ökonomischen Politikberatung57 so wird auch bei Frey versucht, eine fruchtbare Verbindung zwischen der "choice within rules" der positiven ökonomischen Analyse und der "choice among rules" Buchananscher Prägung zu schaffen. Wie an verschiedenen Stellen von Freys Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik deutlich wird 58 , will Frey die Wahl zwischen Regeln, also die choice among rules, durch die Analyse des Verhaltens der Individuen innerhalb bestimmter Regeln, die choice within rules, informativ anleiten.
3. Kritik an 8.S. Freys Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik
Bei aller Übereinstimmung mit bestimmten Grundgedanken in der Theorie von Frey und mit dessen Kritik an den traditionellen Ansätzen zur Theorie der Wirtschaftspolitik muß doch auch Freys Konzept einer Theorie demokratischer 56
Frey, 1981, S. 265ff, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 350ff.
57
Vgl. Seite 64 ff.
58 Vor allem wenn es darum geht zu zeigen, wie geeignete Institutionen bzw. Behörden oder bürokratische Einrichtungen geschaffen werden müssen, damit die Spielregeln auf der Ebene des Grundkonsenses auch im laufenden politischen Prozeß durchgesetzt werden können, verwendet Frey die Verhaltensanalyse innerhalb gegebener Institutionen oder Regeln, um die Wahl produktiver Arrangements auf der Ebene des Grundkonsenses zu ermöglichen. So zum Beispiel bei der Diskussion der Errichtung einer Investititonslenkungsbehörde zur Verbesserung der Wirkungsweise des Preismechanismus in Frey, 1981, S. 123 (dieses Kapitel ist in der Auflage von 1994 gestrichen worden): "Beim Eingehen eines Grundkonsenses werden die Beteiligten erwägen, wie sich die Institutionen, die die Investitionslenkung durchführen, in der Wirklichkeit verhalten werden." Auch im gesamten 6. Kapitel von Frey, 1981 und Frey/Kirchgässner, 1994, das sich mit der öffentlichen Verwaltung auseinandersetzt (Frey, 1981, S. 156ffbzw. Frey/Kirchgässner, 1994, S. I 73ff), wird diese Vorgehensweise deutlich: Die Analyse des Verhaltens der staatlichbürokratischen Institutionen im laufenden politischen Prozeß (Budgetmaximierung, diskretionärer Spielraum) dient dazu zu ermitteln, welche Vorkehrungen auf der Ebene des Grundkonsenses getroffen werden können, damit die öffentliche Verwaltung im laufenden politisch-ökonomischen Prozeß dann die Wünsche der Individuen erfüllt. Der Ansatz wird auch deutlich im 7. Kapitel zu den wirtschaftlichen Interessengruppen: Frey, 1981, S. 180 bzw. Frey/Kirchgässner, 1994, S. 201: "Der wirtschaftspolitische Berater muß das Verhalten sowie die Möglichkeiten und Grenzen der organisierten Gruppen kennen, um geeignete gesellschaftliche Übereinkünfte vorschlagen zu können."
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Wirtschaftspolitik anhand dreier Aspekte kritisiert werden: anhand seines Wissenschafts-, Demokratie- und Politikverständnisses. 1. Zwar legt Frey seinem methodologischen Ansatz das Modell des Homo Oeconomicus zugrunde 59 ,dieses Modell wird aber nicht konsequent beibehalten, sondern mit anderen, eher psychologischen Elementen vermischt. Frey charakterisiert das ökonomische Verhaltensmodell zwar zunächst ganz richtig60 , übernimmt aber dann zum Teil auch Aspekte anderer Ansätze. Die von ihm beschriebenen fünf Elemente des ökonomischen Verhaltensmodells werden gleichgesetzt mit der Vorstellung einer "begrenzten Rationalität" bei Simon 61 , was theoretisch unsauber ist. Diese theoretische Inkonsequenz Freys wird auch deutlich, wenn er beschreibt, wie die Ökonomie von der Psychologie profitieren kann 62 : Frey ist insgesamt von seinem Ansatz her stark empirisch, genauer: verhaltenswissenschaftlich ausgerichtet. Daher betont er, daß die ökonomische Theorie vor allem im Bereich der Gestaltung von Experimenten von der Psychologie lernen kann, um ihre theoretischen Hypothesen an der Realität empirisch zu überprüfen 63 . Für Frey steht der Homo Oeconomicus nicht im Wider59
Frey, 1990, S. 4ff.
Frey, 1990, S. 4ff: Handlungseinheit ist der einzelne; das menschliche Verhalten wird durch Anreize bestimmt; die Anreize werden durch Präferenzen und Einschränkungen hervorgerufen, zwischen denen strikt getrennt wird; die Individuen sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht, sie verhalten sich (im großen und ganzen) eigennützig; Einschränkungen bestimmen den zum Handeln verfügbaren Möglichkeitsraum und werden maßgeblich durch Institutionen vermittelt. 60
61 Frey, 1990, S. 11: "Die für die Erklärung der Wirklichkeit entscheidenden Überlegungen beruhen nicht auf der Nutzenmaximierung, sondern auf den oben diskutierten fünf Elementen des ökonomischen Verhaltensmodells: Individualismus; systematische Reaktionen auf Anreize; Trennung zwischen Präferenzen und Einschränkungen, wobei letztere Verhaltensänderungen bestimmen; Eigennutz und die Rolle der Institutionen. Dieser Ansatz entspricht der Vorstellung einer 'begrenzten Rationalität' (Simon 1982)."
62 Frey, 1990, S. 26ff. Zum Verhältnis zwischen Psychologie und Ökonomik entwickelt Frey auch das sog. "ipsative Modell menschlichen Verhaltens" (Frey, 1988). Der ipsative Möglichkeitsraum für menschliches Handeln muß zunächst generiert werden, wofür die Psychologie zuständig sei, dann stelle für die zweite Phase der Wahl zwischen den generierten Alternativen die Ökonomik das geeignete Erklärungsschema dar. HOTTUlnn/Suchanek, 1989, S. 89 halten dieses Zwei-PhasenModell von Frey für verfehlt, weil Frey die Nicht-Zuständigkeit der Ökonomik für die erste Phase nicht durchzuhalten vermag, da das Individuum den Möglichkeitsraum auch strategisch einschränken kann. Das Phasenmodell von Frey denke die Interdisziplinarität zwischen Psychologie und Ökonomik additiv und erweise sich daher als unfruchtbar.
63 Frey, 1990, S. 26f: "In der ökonomischen Theorie und insbesondere auch in der Finanzwissenschaft besteht noch immer die Tendenz, theoretische Argumente ohne empirische Überprüfung vorzulegen. Die modeme Sozialpsychologie ist hingegen ausgeprägt empirisch orientiert. Theoretische Hypothesen werden in der Regel mit Hilfe von Labor- oder Feldexperimenten überprüft. ... Experimente werden in der Psychologie vor allem darum verwendet, weil sie die beste Möglichkeit bieten, die Einflußfaktoren auf das individuelle Verhalten präzise zu kontrollieren und zu variieren. In weiten Bereichen der Ökonomie kann dieser Vorteil ebenfalls genutzt und damit ein breiteres
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spruch zur psychologischen Betrachtung. Das psychologische Verhaltensmodell sei durchaus mit der in seinem Ansatz vertretenen Auffassung des Homo Oeconomicus vereinbar. Das ökonomische und das sozialpsychologische Modell menschlichen Verhaltens hätten eine ganz ähnliche Struktur, die auf ein ähnliches Menschenbild zurückgehe 64 . Es stellt sich die Frage, ob diese Einschätzung Freys nicht auf eine theoretisch verfehlte Konzeption zurückgeht. Frey begründet seine Homo Oeconomicus-Annahme nämlich damit, daß der "neutral eigennützige Menschentyp"65 der in der Realität am häufigsten anzutreffende ist. Er begründet den Homo Oeconomicus also empirisch 66 und nicht - wie es in einem theoretisch sauberen Ansatz angemessen wäre - modelltheoretisch 67 . Außerdem kann Freys Ansatz einer Aufnahme psychologischer Theorieelemente in die Ökonomik kritisiert werden. Wie Lindenberg gezeigt hat, verfolgen die Psychologie einerseits und die Ökonomik und Soziologie andererseits verschiedene analytische Ziele (Analyse des Individuums vs. Analyse sozialer Systeme) und müssen daher auch auf verschiedenen Theorieansätzen zum Verhalten des Individuums aufbauen 68 . 2. Weitere Kritik muß bezüglich Freys Demokratieverständnis an der inkonsequenten Anwendung des Konsensparadigmas in seiner Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik geübt werden. Zwar betont Frey einerseits seine eigene Kritik an der technokratisch-elitären, demokratiefeindlichen Wirtschaftspolitik, die versucht, das Optimum einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion zu bestimmen, aber auch er führt seine Orientierung am Konsensparadigma nicht konsequent durch, sondern fällt immer wieder in das kritisierte Effizienzparadigma zurück. So spricht er bei der Kennzeichnung der Merkmale des Grundkonsenses dann doch wieder von "pareto-optimalen" Arrangements, von geSpektrum von empirischen Methoden zum Erklären und Voraussagen des Verhaltens erreicht werden." 64
Frey, 1990, S. 33.
65
Frey, 1990, S. 6.
Frey, 1990, S. 6: "Eigennütziges Verhalten zu unterstellen ist verläßlich; daß die Menschen ihren eigenen Vorteil wahrnehmen, ist in aller Regel zu erwarten." 66
67 Zu dem Modell des Homo Oeconomicus vgl. ausführlich Seite 54 ff. 68 Lindenberg, 1990, S. 736: "In economics and sociology, the main task is to analyze social
systems. In other words, the analytical primacy is focused on social systems. In order to explain social systems and related social phenomena, both disciplines have to make use of theories of action; i.e. the theoretical (or explanatory) primacy is focussed on the individual. Thus the two primacies refer to two different levels. There is analytical interest in the individual but only as an instrument for coming up with explanations on the social systems level. In psychology, the situation is different. Here both analytical and instrumental (theoretical) interests focus on the individual. Given that the analytical primacy in both cases is different, different requirements are placed on the 'individual' theories in psychology on the one hand and in economics and sociology on the other." 4 von Wulffen
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samtwirtschaftlich erwünschten Lösungen, obwohl im Konsensparadigma nur noch von pareto-superioren Lösungen, die allseitig zustimmungsfähig sind denn nur das ist demokratisch - gesprochen werden kann 69 • Daß das Konsensparadigma bei Frey nicht konsequent in seinen Ansatz eingearbeitet wird, hängt damit zusammen, daß Frey keine normative Demokratiekonzeption entwickelt. Was Demokratie ist, wird in Freys Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik grundsätzlich positivistisch bestimmt, d.h. von der Funktionsweise westlicher parlamentarischer Demokratien abgeleitet7°. Die Schwäche Freys, den normativen Ansatz der demokratischen Vertragstheorie trotz der expliziten Grundlegung im gesellschaftlichen Konsens nicht genügend ausgearbeitet zu haben, zeigt sich in zwei Punkten: "Zum einen wird der Grundkonsens ... als wirklich vorhanden behauptet, d.h. den positiven Ausführungen ad hoc aufgesetzt. Zum anderen unterscheidet Frey vier gesellschaftliche Entscheidungsverfahren, die er in der Realität westlicher Demokratien vorfindet, nämlich Preismechanismus, Demokratie - gemeint sind Wahlen, Abstimmungen - öffentliche Verwaltung und wirtschaftliche Interessengruppen. Das bloße Nebeneinander von Demokratie und den anderen drei Verfahren sowie die Reduktion der Demokratie auf Wahl- bzw. Abstimmungsverfahren legt die Problematik offen: Aus dem Aufzählen der Entscheidungsverfahren, die in Demokratien vorkommen, ergibt sich weder eine ausgearbeitete Theorie der Demokratie ... noch der Umriß einer tragfähigen Konzeption von Demokratie."71 Frey endogenisiert in seinem Ansatz auch das Regierungsverhalten, indem er die Annahme trifft, daß auch die Politiker ihren eigenen Nutzen maximieren. Dadurch geht bei ihm der Träger bzw. das Subjekt rationaler Wirtschaftspolitik im laufenden politischen Prozeß verloren72 . Die Chancen für eine rationale
69 Frey, 1981, S. 257, FreylKirchgässner, 1994, S. 340: "Als Merkmale eines Grundkonsenses werden unterschieden: ... (4) Möglichkeit zu produktiven (pareto-optimalen) Arrangements." Zu der Unterscheidung zwischen dem Konsens- und dem Effizienzparadigma siehe ausführlich in Kapitel D dieser Arbeit. 70
Homann, 1988, S. 16.
71 Homann, 1988, S. 17. 72 Homann, 1982, S. 16 kritisiert in diesem Zusammenhang an Frey, daß die Wohlfahrt der Bürger bereits bei den Klassikern des ökonomischen Denkens niemals auf altruistische Motive oder das Motiv, dem Allgemeinwohl dienen zu wollen, gegründet worden war: "So wenig für das Gemeinwohl gemeinwohlorientierte Wirtschaftssubjekte benötigt werden, genau so wenig werden für die Rationalität der Politik rationalitäts-motivierte Politiker oder Berater benötigt. Ja mehr noch: Die Suche nach einem rationalitäts-motivierten Subjekt von Politik als der Bedingung für rationale Politik läßt eine im Grunde verfehlte Fragestellung erkennen, insofern darin unterstellt wird, daß Gutes nur aus guten Motiven und - was viel bedenklicher ist - Schlechtes nur aus schlechten Motiven entstehen kann. Denn damit ist man bereits wieder in den Denkmustern, aus
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Wirtschaftspolitik stehen daher seiner Meinung nach schlecht. Auch bei Frey bleibt so der Gegensatz zwischen Rationalität und Demokratie, wie er auch in der traditionellen Theorie der Wirtschaftspolitik gesehen wurde, bestehen. Er wird nur von ihm zugunsten der Demokratie entschieden und zuungunsten der Rationalität, zugunsten einer Demokratie jedoch, die weiterhin als Herrschaft der Mehrheit aufgefaßt wird73 . Letztlich manövriert sich Frey durch die Ausdehnung der Eigennutzannahme nicht nur auf die Politiker und Bürokraten, sondern auch auf die Politikberater in eine Sackgasse bezüglich ökonomischer Politikberatung. Wer kann noch zu einer Erhöhung der Rationalität der politischen Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft beitragen, wenn alle Individuen nur ihren eigenen Nutzen verfolgen? Er übersieht dabei, daß moderne Gesellschaften auf einer höheren Ebene kostengünstige Verfahren entwickelt haben, sog. Dilemmastrukturen zweiter Ordnung, "second-order public-good problems"74 zu überwinden. Es können institutionelle Regelungen etabliert werden, die das eigennützige Verhalten von Politikern und auch Politikberatern so kanalisieren, daß erwünschte politische Prozesse stattfinden (z.B. durch die Institution des politischen Unternehmers). Eine Überwindung der Gegensatzthese von Rationalität und Demokratie ist dadurch möglich. 3. Ein anderer Kritikpunkt bezüglich seines Politikverständnisses betrifft einen inneren Widerspruch in Freys Konzeption demokratischer Wirtschaftspolitik: Obwohl Frey bei der Beschreibung seines methodologischen Vorgehens betont, daß Veränderungen im menschlichen Verhalten in seinem Ansatz auf Veränderungen des Möglichkeitsraumes zurückgeführt werden sollen und eben nicht auf Präferenzenänderungen75, wird bei der Diskussion der Funktionsweise von Politikberatung im laufenden politischen Prozeß in seiner Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik die Beeinflussung und Veränderung von Präferenzen (der Bevölkerung und der politischen Anbieter, also der politischen Akteure) als wirtschaftspolitisches Instrument diskutiert1 6• Hier klaffen also theoredenen auch die Fiktion des wohlmeinenden Diktators erwachsen ist - mit all den Konsequenzen für das Verständnis von Politik, die bereits erörtert wurden."
73 Homann, 1982, S. 17. 74 Der Begriff des second-order public-good wurde von
Zusammenhang mit dem Sanktionierungsproblem geprägt.
Co[eman, 1990, S. 270ff allerdings im
75 Frey, 1990, S. 5: "Veränderungen im menschlichen Verhalten werden (soweit wie möglich) auf beobachtbare und meßbare Veränderungen des durch die Einschränkungen bestimmten Möglichkeitsraumes zurückgeführt und nicht auf (nicht-beobachtbare und meßbare) Präferenzänderungen .... hn Unterschied zu Präferenzänderungen (Wertewandel) sind die im ökonomischen Ansatz verwendeten Erklärungen für die Veränderungen des Möglichkeitsraumes und damit des Verhaltens empirisch erfaßbar ... "
76 Frey, 1981, S. 278, ähnlich FreylKirchgässner, 1994, S. 362: "lnfonnation im laufenden politischen Prozeß kann das Verhalten der verschiedenen Entscheidungsträger (Individuen, Gruppen und Regierung), die alle ihre eigenen Ziele verfolgen, beeinflussen .... Infonnation kann
4"
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C. Theorie der Wirtschaftspolitik und Neue Politische Ökonomie
tisch-methodologischer Anspruch und pragmatisch-konkretes Vorgehen im Ansatz Freys auseinander. Politik wird bei Frey nicht konsequent als Institutionen - und das heißt eben Restriktionengestaltung konzipiert. Die Unterscheidung Freys zwischen der wirtschaftspolitischen Beratung auf der Ebene des Grundkonsenses und der im laufenden politischen Prozeß scheint auf den ersten Blick einleuchtend zu sein und wird in der Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik bei Frey ja auch breit dargestellt. Jedoch stellt sich bei näherer Prüfung die Frage, ob und warum neben einer Beratung auf der Ebene des Grundkonsenses, wird sie im Sinne Freys richtig und konsequent betrieben, überhaupt noch eine Beratung im laufenden politischen Prozeß notwendig ist. Frey sagt selbst, daß, wenn die Spielregeln des demokratischen Prozesses (auf der Ebene des Grundkonsenses) richtig gesetzt sind, die Verfolgung des Eigennutzes zur bestmöglichen Berücksichtigung der Präferenzen der Individuen führe 7 • ,Sind die grundlegenden politischen Rechte und die staatlichen (kollektiven) Institutionen festgelegt, ist der Ablauf des wirtschaftlichen und politischen Prozesses weitgehend bestimmt78 • Es müßte also eine Beratung auf der Ebene des Grundkonsenses genügen, die Beratung im laufenden politischen Prozeß wäre überflüssig. Daß Frey dennoch der Diskussion der wirtschaftspolitischen Beratung im laufenden Prozeß einen breiten Raum gewährt, hängt wohl damit zusammen, daß er ein möglichst umfassendes, pragmatisches und realitätsnahes (im Sinne von Nähe zur tatsächlichen Ausübung von Wirtschaftspolitik) Lehrbuch zur Theorie der Wirtschaftspolitik vorlegen wollte, das auch die traditionellen wirtschaftspolitischen Instrumente beschreibt (z.B. Globalsteuerung). Der Lehrbuchcharakter seiner Darstellung führt somit zu einem gewissen Eklektizismus in seiner Theorie, zu mangelnder theoretischer Rigorosität und zu inkonsequenter und unvollständiger Verankerung seines Ansatzes im Konsensparadigma der vertragstheoretischen Demokratiekonzeption. Weil er auch die traditionellen Instrumente der Wirtschaftspolitik in seinem Lehrbuch darstellen möchte, gelingt ihm keine konsequente Hinwendung zum Konzept von Politik als Institutionengestaltung, als Gestaltung der Spielregeln für die Gesellschaft. lediglich aufklären, aber auch die Präferenzen verändern," Auch Frey, 1981, S. 281f und ähnlich Frey/Kirchgässner, 1994, S. 375: "Für die Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik entsteht kein Problem, solange der wirtschaftspolitische Berater ausschließlich aufklärende Information vermittelt. Die Präferenzen der Bevölkerung werden akzeptiert. Sobald jedoch die Präferenzen der Bevölkerung verändert werden, entsteht ein Legitimationsproblem. " Zu diesen Zitaten von Frey ist zu bemerken, daß eine Informationsänderung als Situationsänderung interpretiert werden muß und nicht als eine Änderung der Präferenzen gesehen werden darf. Würde Frey Information als Änderung der Situation, der Handlungsrestriktionen verstehen und nicht als Präferenzenänderungen, so wäre die theoretische Schlüssigkeit der Argumentation wieder hergestellt. Vgl. zu der Rolle der Information im ökonomischen Verhaltensmodell auch Blankart, 1991, S, 11. 77
Frey, 1981, S.2, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 2 ..
78
Frey, 1981, S. 35, Frey/Kirchgässner, 1994, S. 375.
D. Die normative Institutionenökonomik als Ansatz zur ökonomischen Politikberatung Im dritten Kapitel wurde aufgezeigt, daß sowohl die traditionelle instrumentalistische Politikberatungskonzeption als auch die Neue Politische Ökonomie, dargestellt anhand der Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik von B. S. Frey, den Ansprüchen an eine ökonomische Theorie der Politikberatung, wie sie aus dem zweiten Kapitel abgeleitet wurden, nicht genügen können. In diesem Kapitel soll nun nachgewiesen werden, daß ein alternativer Ansatz zur ökonomischen Politikberatung, die normative Institutionenökonomik 1, besser geeignet ist, als theoretische Grundlage für eine ökonomische Politikberatung in modernen demokratischen Gesellschaften zu dienen. Hierzu wird zunächst die normative Institutionenökonomik anhand ihres Wissenschafts-, Politik (beratungs)und Demokratieverständnisses charakterisiert, um dann die Anwendbarkeit diese Ansatzes auf Probleme der Gesellschafts- und Unternehmenspolitik zunächst in diesem Kapitel theoretisch, im vierten Kapitel anhand von Beispielen - darzustellen. Die moderne Institutionenökonomik will erklären, wie Institutionen 2 (im Sinne von allgemeinen Regeln, d.h. Verfassungen, moralischen und gesellschaftlichen Normen sowie Gesetzen und Tabus) einerseits als unbeabsichtigte Konsequenzen individuellen Verhaltens entstehen, und wie sie andererseits selbst das Handeln der Individuen begrenzen und formen. Institutionen sind Produkte und Bedingungen menschlichen HandeIns. Institutionenänderungen werden im ökonomischen Ansatz als Restriktionenänderungen erfaßt. Die Aussagen der Institutionenökonomik sind also Aussagen über die Entstehung (z.B. bei D. North) und - in den dieser Arbeit zugrundeliegenden Ansätzen - vor allem über die verhaltenskanalisierende Wirkung von Institutionen. Die Institutionenökonomik beschäftigt sich mit der ökonomischen Analyse des institutionellen Rahmens sozialen Geschehens. Zur modernen Institutionenökonomik gehören verschiedene Forschungsansätze, denen gemeinsam ist, daß sie die I Vgl. Pies, 1993, Zur paradigmatischen Grundlegung der normativen Institutionenonökonomik als Rationalisierung des politischen Liberalismus. 2 Bonus, 1994, S. 15: "Eine Institution besteht in einem Satz von Regeln und Normen, seien sie informell oder förmlich niedergelegt, sowie in Sanktionen für den Fall von Verstößen. Institutionen etablieren Nebenbedingungen für das Handeln der von ihnen Betroffenen und sind mithin von eminent ökonomischer Natur."
D. Normative Institutionenökonomik
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Interdependenz zwischen menschlichem Rationalverhalten und institutionellen Regelungen untersuchen 3 . Die Institutionenökonomik ist gegenwärtig wohl einer der fruchtbarsten Zweige der modernen Ökonomik4 . Die normative Institutionenökonomik will das positive Erklärungswissen der Institutionenökonomik normativ umsetzen in politische Empfehlungen zur Gestaltung der Gesellschaft. Sie soll im folgenden dargestellt werden.
I. Die Wissenschaftskonzeption der normativen Institutionenökonomik 1. Ein imperialismusfähiger ökonomischer Ansatz
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird gezeigt, daß die Struktur der Politikprobleme moderner demokratischer Gesellschaften in den verschiedenen Lebensbereichen und den verschiedenen Subsystemen der Gesellschaft die gleiche ist. Daher muß ein wissenschaftlicher Ansatz, der als Grundlage für Politikberatung in diesen Gesellschaften dienen wiIl, ein 'imperialismusfahiger' Ansatz sein, d.h. ein allgemeiner Ansatz, der auf die verschiedenen Lebensbereiche und Subsysteme der Gesellschaft gleichermaßen anwendbar ist. Um in der ökonomischen Politikberatung die bereichsüberspannenden Interdependenzen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nicht nur zu beschreiben, sondern auch "theoriegeleitet zu analysieren, ist ein theoretisches Instrument vonnöten, das die anzustrebende integrierende Sicht der Dinge schon beinhaltet"5. Unter ökonomischem Imperialismus versteht man die "Anwendung des ökonomischen Erklärungsschemas auf verschiedene, traditionell von anderen Wissenschaften exklusiv bearbeitete 'Bereiche' und damit die Reformulierung von Problemen der Wirklichkeit bzw. der anderen Wissenschaften unter dem Blickwinkel des Knappheitsproblems. "6 Es ist vor allem G.S. Beckers Verdienst, die Ökonomik imperialismusfähig gemacht zu haben. Dadurch öffnet er diese auch für die Gesellschaftstheorie 3 Richter, 1994, S. 3 unterscheidet innerhalb der modemen Institutionenökonomik vier verschiedene Schulen: I. Die neue politische Ökonomik (Public Choice), 2. Die Neue Institutionenökonomik (New Institutional Economics), 3. Die Ökonomische Analyse des Rechts, und 4. Die neue österreichische Schule (Neo-Austrian School). 4 Zur modemen Institutionenökonomik ist in den letzten Jahren eine Fülle von Literatur veröffentlicht worden. Beispielhaft seien hier nur genannt: Eggertsson 1990, E/sner 1987, Hutchi.wn 1984, Langlois 1986, Richter 1990, 1994, Williamson 1984, 1985, 1990.
5
Siegenthaler, 1993, S. 8.
6
Homann/Suchanek, 1989, S. 75.
I. Wissenschaftskonzeption
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und -politik. Dies gelingt ihm, indem er die Ökonomik nicht mehr über ihren Gegenstands- bzw. Problembereich7 definiert, sondern über ihr Erklärungsschemas. Kennzeichen des Beckerschen ökonomischen Erklärungsschemas sind drei Grundannahmen: 1. Die Individuen verhalten sich nutzenmaximierend9 •
2. Die Präferenzen der Individuen sind über die Zeit stabil und bei verschiedenen Individuen gleich (Annahme der Invarianz und Universalität der Präferenzen). Dabei werden Präferenzen nicht definiert bezüglich marktlieher Güter oder Dienste, sondern als tieferliegende Präferenzen, als sog. Metapräferenzen über fundamentale Aspekte des Lebens 10. Dadurch wird es möglich, den Präferenzbegriff universal, nicht nur innerhalb einer Gesellschaft, sondern auch interkulturell, anwendbar zu machen. 11 3. Märkte koordinieren über Preise und Einkommen die Handlungen der Marktteilnehmer, so daß Marktgleichgewichte entstehen l2 • Durch Änderungen der Restriktionen (in Form von Preisen und Einkommen) werden Änderungen des Verhaltens der Marktteilnehmer hervorgerufen. Dieser ökonomische Ansatz ist aber nicht auf den Marktsektor beschränkt, er ist imperialismusfähig, weil als Preise nicht nur die tatsächlichen Marktpreise,
7 Becker, 1976, S. 3f zitiert diese traditionellen Definitionen der Ökonomik als Wissenschaft: "Economics is said to be the study of (I) the allocation of material goods to satisfy material wants, (2) the market sector, and (3) the allocation of scarce means to satisfy competing ends .... All of these definitions of economics simply define the scope, and none tell us one iota about what the "economic" approach is." 8 Becker, 1976, S. 5: "... I believe that what most distinguishes economics as a discipline from other disciplines in the social sciences is not its subject matter but its approach". Vgl. HoIrIßnnlSuchanek, 1989, S. 71: Der Begriff Erklärungsschema ist der wörtlichen Übersetzung von 'approach' durch Ansatz vorzuziehen, weil die aktive Komponente von 'approach' in 'Ansatz' verlorengeht, und im Begriff des Schemas die Tätigkeit des Schematisierens des Forschers mit anklingt.
9 Becker, 1976, S. 5: "Everyone recognizes that the economic approach assumes maximizing behavior more explicitly and extensively than other approaches do ... ". 10 Becker, 1976, S. 5: "... preferences are assumed not to change substantially over time, nor to be very different between wealthy and poor persons, or even between persons in different societies and cultures ... these underlying preferences are defined over fundamental aspects of life, such as health, prestige, sensual pleasure, benevolence, or envy ... ". II
HOlrlßnnlSuchanek, 1989, S. 78.
12 Becker, 1976, S. 5: "Moreover, the economic approach assumes the existence of markets that with varying degrees of efficiency coordinate the actions of different participants ... Prices and other market instruments allocate the scarce resources within a society and thereby constrain the desires of participants and coordinate their actions."
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D. Normative Institutionenökonomik
sondern auch die Schattenpreise des nichtmarktlichen Sektors fungieren können 13. Die Preise spiegeln die Opportunitätskosten der zum Einsatz kommenden knappen Ressourcen wider. Zu diesen Opportunitätskosten gehören nicht nur monetäre Kosten, sondern auch Zeit-, Informations-, Transaktions- und psychische Kosten. Durch die Einführung eines solch breiten Opportunitätskostenkonzepts wird das Becker-Modell geschlossen, fast zu einer Tautologie l4 • Aber es wird zu einer fruchtbaren Tautologie geschlossen, da es ein breites heuristisches Potential entwickeln kann l5 . Entscheidend ist, daß auftretende Diskrepanzen zwischen dem Becker-Modell und der Realität als Anomalien interpretiert und in eine verbesserte Spezifizierung der Opportunitätskosten umgesetzt werden. Treten Diskrepanzen zwischen Realität und Modell auf, dann werden diese nicht ad hoc über instabile Präferenzen oder irrationales Verhalten erklärt 16 (beides wären unfruchtbare Tautologisierungen), sondern man versucht, Kostengrößen zu spezifizieren, die bisher noch nicht erkannt worden waren. Fruchtbar ist die Beckersche Art der Tautologisierung also, weil er sich "im Zuge seiner Positivierungsstrategie ganz bestimmte Ausstiegsmöglichkeiten aus seinem explikativen Forschungsprogramm systematisch verbietet"17. Die normative Institutionenökonomik beruht auf einem ökonomischen Analyseansatz, der alle Verhaltensänderungen der Individuen auf Änderungen der Restriktionen und nicht auf Präferenzenänderungen zurückführt. Die Annahme stabiler Präferenzen zwingt den Ökonomen, die Erklärung für Verhaltensände13 Becker, 1976, S. 6: "The economic approach is c1early not restricted to material goods and wants, nor even to the market sector. Prices, be they the money prices of the market sec tor or the "shadow" imputed prices of the nonmarket sector, measure the opportunity cost of using scarce resources, and the economic approach predicts the same kind of response to shadow prices as to market prices." 14 Becker, 1976, S. 7: "Of course, postulating the existence of costs c10ses or completes the economic approach in the same, almost tautological, way that postulating the existence of (sometimes unobserved) uses of energy completes the energy system ... The critical question is whether a system is completed in a useful way."
15 HomannlPies, 1991, S. 84: "Um dieses Potential abschätzen zu können, muß man sich vor Augen führen, wie die Ökonomik mit dem Becker-Modell arbeitet und sich dabei die tautologische Abschließung des Systems zunutze macht. Im Prinzip geht man in fünf Schritten vor. Erstens spezifiziert man die Kostenfaktoren. Zweitens leitet man im Modell ab, wie sich Kostenänderungen auf das individuelle Verhalten auswirken. Drittens ermittelt man empirisch, wie sich Kosten und Verhalten in der Realität geändert haben. Viertens vergleicht man die Verhaltensprognose des Modells mit dem in der Realität beobachteten Verhalten. Fünftens, und dies ist entscheidend, werden etwaige Diskrepanzen zwischen Modell und Realität als 'Anomalien' interpretiert und in verbesserte Kostenspezifizierungen umgesetzt."
16 Becker, 1976, S. 12: "Examples abo und in the economic literature of changes in preferences conveniently introduced ad hoc to explain puzzling behavior." 17
Pies, 1993, S. 90.
I. Wissenschaftskonzeption
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rungen der Individuen in Restriktionenänderungen «Schatten-)preise und Einkommen) und damit in Kostengrößen, genauer in Änderungen der Opportunitätskosten, zu suchen. Der Ansatz ist daher als eine Heuristik aufzufassen, die ein produktives Erklärungsschema für reale Phänomene bietet. Der BeckerAnsatz gibt daher im Gegensatz zu einem Ansatz, der sich auf Präferenzenänderungen zurückzieht, auch Größen an, die Restriktionen nämlich, die politisch gezielt beeinflußt werden können. Er ist somit der angemessene Ansatz, um die als Institutionen-, und das bedeutet: Restriktionenprobleme erkannten Politikprobleme moderner Gesellschaften analytisch anzugehen. Der geschilderte ökonomische Ansatz ist zwar imperialismusfähig bzw. imperialistisch l8 , aber das bedeutet nicht (wie der Begriff "Imperialismus" fälschlicherweise implizieren könnte), daß andere wissenschaftliche Ansätze verdrängt werden sollen. Es ist möglich, gleiche Gegenstands- bzw. Problembereiche mit verschiedenen wissenschaftlichen Erklärungsschemata zu analysieren, die jeweils legitime, aber eben verschiedene Fragen aus einer anderen Problemperspektive heraus stellen. Solche legitimen anderen Fragestellungen wären z.B. die psychologische nach dem individuellen Sozialisationsschicksal oder die physikalische nach den Bausteinen der Materie. Imperialistisch bedeutet hier also die Ausdehnung des Anwendungs- oder Gegenstandsbereichs der Ökonomik bei gleichzeitiger Präzisierung ihrer Problemstellung l9 • Der Becker-Ansatz ist in besonderem Maße geeignet, als einheitliches Erklärungsschema auf die verschiedensten Gegenstandsbereiche angewendet zu werden 20 . Den Analysen der verschiedenen Bereiche wird ein einheitliches Verhaltensmodell: das Modell des Homo Oeconomicus, zugrundegelegt, das im folgenden Abschnitt näher beschrieben werden soll.
lK Becker, 1976, S. 8: "Indeed, I have come to the position that the economic approach is a comprehensive one that is applicable to all human behavior, be it behavior involving money prices or imputed shadow prices ... ". 19
HomannlSuchanek, 1989, S. 71.
20 Becker, 1976, S. 14: "The heart of my argument is that human behavior is not compartmentalized, sometimes based on maximizing, sometimes not, sometimes motivated by stable preferences, sometimes by volatile ones, sometimes resuiting in an optimal accumulation of infonnation, sometimes not. Rather, all human behavior can be viewed as involving participants who maximize their utility from a stable set of preferences and accumulate an optimal amount of infonnation and other inputs in a variety of markets."
D. Normative Institutionenökonomik
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2. Die Vermeidung situativer Nachteile: Der Homo Oeconomicus als problemspezifisches Modell menschlichen Verhaltens
Das Erklärungsschema der Ökonomik ist der sog. Homo-OeconomicusAnsatz: Erkläre so, daß Akteure ihren erwarteten Nutzen unter Restriktionen maximieren. Die Homo-Oeconomicus-Annahme besagt: Der Mensch paßt sich rational und eigeninteressiert an die Situationen an, in denen er sich jeweils befindet21 . "Rational" bezieht sich dabei auf das beobachtbare Verhalten, das als 'verständliche' Anpassung an die jeweilige Situation zu rekonstruieren ist. Die Annahme im Beckerschen ökonomischen Modell, daß alle Individuen sich grundsätzlich in allen Lebensbereichen und allen Situationen als rationale Nutzenmaximierer verhalten, ist selbst unter Ökonomen zum Teil immer noch heftig umstritten. Die Auseinandersetzung um den Homo Oeconomicus beruht aber auf Mißverständnissen über den Sinn und Zweck dieses Konstrukts. Der Homo Oeconomicus ist kein Menschenbild, sondern ein reines Analysekonstrukt, ein Verhaltensmodell, das sich sowohl auf Markt- als auch auf NichtMarkt-Bereiche anwenden läßt. Die Homo-Oeconomicus-Annahme dient nicht der Beschreibung des menschlichen Wesens, sondern sie ist ein wissenschaftliches Modell menschlichen Handelns 22 , das seine Bedeutung und seinen Sinn im Rahmen einer spezifischen wissenschaftlichen Problemstellung gewinnt23 • Diese wissenschaftliche Problemstellung, die auch für die Politikprobleme moderner Gesellschaften konstitutiv ist, ist die grundsätzliche Frage der Ökonomik: Wie gehen Menschen in ihren Interaktionen mit Knappheit (Knappheit an Geld, an Zeit, an Wissen usw.) um? Der schen, wird 24 • macht,
Homo Oeconomicus spiegelt sich nicht in den Eigenschaften der Menin ihren Präferenzen wider, wie fälschlicherweise oft angenommen Das eigeninteressierte Verhalten, das den Homo Oeconomicus ausbezieht sich auf das "situationsabhängige Verhalten und nicht auf die
21Suchanek,1993,Sp.427. 22 Daher kann man auch als Ökonom Zeugnissen der Weltliteratur zustimmen, die nicht im individuellen Vorteilsstreben das Wesen des Menschen sehen wollen, so z.B. Dostojewski, Aus dem Dunkel der Großstadt. 1864/1986, S. 28ff: "... wann ist es denn in allen diesen Jahrtausenden vorgekommen, daß ein Mensch nur um seines eigenen Vorteils willen gehandelt hätte? Was soll man denn mit den Millionen von Tatsachen anfangen, die da deutlich bezeugen, daß die Menschen wissentlich, das heißt in voller Erkenntnis ihrer wahren Vorteile, dennoch diese Vorteile hintangesetzt und mit stürmischem Eifer auf gut Glück und aufs Geratewohl einen andem Weg eingeschlagen haben ... ?" 23
Suchanek, 1993, Sp. 426.
Auch der in Kapitel m.2. dieser Arbeit bereits kritisierte B. Frey unterliegt diesem Irrtum: Er teilt die verschiedenen "Menschentypen" anhand der "Verteilung der menschlichen Präferenzen" ein (vgl. Frey, 1990, S. 6). Eigennütziges Verhalten nähme eine MittelsteIlung ein, da die Menschen weder Heilige noch Verbrecher seien. 24
I. Wissenschaftskonzeption
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(situationsunabhängige) Einstellung, nur die persönlichen Interessen gelten zu lassen"25. Das Modell des Homo Oeconomicus darf also nicht als Beschreibung der Vorstellungen und Motive der Menschen (ihrer Präferenzen) mißverstanden, sondern muß vielmehr auf die sozialen und situativen Knappheitsbedingungen bezogen werden. Es will besagen, daß die Handlungen der Akteure weitgehend von den Situationsbedingungen bestimmt sind. Das HomoOeconomicus-Modell fungiert als Heuristik für die Situation und die von ihr ausgehenden Handlungsanreize 26 . Es handelt sich dabei daher - zugespitzt - gar nicht um eine Verhaltens-, sondern um eine Situationstheorie27 . Sie will beschreiben, wie die Individuen auf situative Anreize reagieren, daß sie immer versuchen werden, situative Nachteile, z.B. Situationen der Ausbeutung durch andere, zu vermeiden. Es sind nämlich weniger die Vorstellungen und Motive der einzelnen Akteure, die zu dem beobachteten (und den Ökonomen interessierenden) Verhalten führen, als die sozialen und situativen (Knappheits- bzw. Anreiz-)Bedingungen, etwa institutionelle oder finanzielle "Sachzwänge" oder das Verhalten von Konkurrenten und Trittbrettfahrern28 • Der Homo Oeconomicus reagiert auf das Verhalten anderer, die die Ergebnisse des eigenen Tuns beeinflussen. Es handelt sich bei der sog. H-O-Annahme um ein präempirisches Schema29 , das als "Heuristik der Situation und der von ihr ausgehenden Handlungsanreize"30 fungiert. Eine empirische Bewährung wird nur von den Folgerungen aus dem Modell des Homo Oeconomicus verlangt und nicht unmittelbar von den Annahmen. Eine Verfeinerung innerhalb des Homo-Oeconomicus-Ansatzes nimmt Lindenberg vor. Er spricht vom Modell des Homo Socio-Oeconomicus, das aus der Konvergenz von Ökonomik und Soziologie hervorgeht31 . Dieses Modell ist seiner Meinung nach geeignet, "theory-guided research" anzugehen 32 , d.h. die gemeinsamen Aspekte in einer großen Vielfalt von Problemen der Gesellschaft 25
Suchanek, [993, Sp. 428.
Zintl, [989, S. 60f: "Die Figur des homo oeconomicus sollte nicht als Behauptung über die Eigenschaften von Menschen im allgemeinen wahrgenommen werden, sondern als Behauptung über ihre Handlungsweisen in bestimmten Situationen. Die Frage ist dann nicht, ob der Mensch so ist, sondern vielmehr, in welchen Situationen er sich verhält, als sei er so." 26
27
Homann, 1992, S. 10.
2S
Suchanek, 1993, Sp. 428. Vgl. insgesamt zum Homo Oeconomicus auch Suchanek, 1994.
29 Auch Brennan und Buchanan, 1985 und 1987, wollen die Verwendung des Homo Oecono-
micus in ihrem Ansatz methodologisch und nicht empirisch rechtfertigen. Ihre Argumentation wird in Kapitel IV.2. anhand der Unterscheidung zwischen der choice within roles und der choice among roles dargelegt werden.
30 Homann, [992, S. 10. 31 Lindenberg, 1990, S. 727ff. 32
Lindenberg, 1990, S. 734.
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D. Normative Institutionenökonomik
zu adressieren. Das Modell des Homo Socio-Oeconomicus ist zwar ein Modell individuellen Verhaltens, aber es ist geeignet zur Analyse sozialer Systeme und sozialer Phänomene. Es kann charakterisiert werden als RREEMM, als "resourceful, restricted, expecting, evaluating, maximizing man"33. In diesem Modell verschmelzen die Kernaspekte von Ökonomik und Soziologie: die Bedeutung von relativen Preisen und Knappheit einerseits und die Definition der Situation, die über die sog. "framing-Effekte" einbezogen wird, andererseits 34 . Die grundlegende Idee der framing-Effekte besteht darin, daß "people have various potential goals in any action situation and that one goal wins out to structure (i.e. to "frame") the situation, by providing the criteria for selecting and ordering the alternatives. The winning goal is the one that discriminates best, i.e. the one that provides the most structure by creating the largest difference between the alternatives. "35 Die Berücksichtigung solcher framing-Effekte ist für einen Ansatz ökonomischer Politikberatung wichtig, da die Reaktionen der von politischen Maßnahmen Betroffenen sehr stark von deren jeweiligem "frame", von der Art, wie sie ihre jeweilige Situation strukturieren, beeinflußt werden. Im Anschluß an StiglerlBecker (1977), die von universalen und allgemeinen Präferenzen bzw. Zielen aller Menschen ausgehen, sieht auch Lindenberg zwei solcher grundlegender Ziele, die gleichzeitig wichtige frames darstellen: "physical well-being" und "social approval"36. Aus ihnen leitet er wiederum drei sog. "instrumental goals", also Zwischenziele zur Erreichung der beiden oberen Ziele, ab, die wiederum in bestimmten Situationen als frames fungieren können: "gain", das Vermehren des eigenen absoluten oder relativen Wohlstands, "norm-conformity", ein sozialen Normen entsprechendes Handeln, und "loss-avoidance", das Bestreben, entweder einen drohenden Verlust zu vermeiden oder einen tatsächlichen Verlust zu reduzieren 37 . Frames sind nicht ein für alle Mal für bestimmte Situationen vorgegeben, sie können sich ändern, sie können beeinflußt werden 38 . Die Strukturierung einer Situation durch ein Individuum hängt dabei auch wesentlich von den institutionellen Gegebenheiten (den Property Rights und den politischen Institutionen) in einer Gesellschaft
33 Lindenberg, 1990, S. 739. 34
Lindenberg, 1990, S. 742ff.
Lindenberg, 1992, S. 5. Vgl. auch Lindenberg, 1993, S. 202, wo der Zusammenhang zwischen den framing-Effekten ("the structuring of an action situation by one particular goal") und dem Aufbau von sog. self-command capital untersucht wird. 35
36
Lindenberg, 1992, S. 7.
37 Lindenberg, 1992, S. 7f. 38 Lindenberg, 1992, S. 6: "Frames can and will change ... In other words, if I can influence the way you structure the situation, I can thereby also influence your sensitivity to various factors."
I. Wissenschaftskonzeption
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ab 39 • Die institutionenökonomische Politikberatung muß das Auftreten solcher frames beachten. Sie kann die Situationswahrnehmung der von politischen Problemen Betroffenen berücksichtigen und beeinflussen, um dadurch politische Probleme erst lösbar zu machen. Sie kann dazu beitragen, über die Bedeutung der frames aufzuklären und dadurch zu einer Steigerung der Wirksamkeit politischer Maßnahmen führen. Wie das Modell des Homo Oeconomicus in den Rahmen einer Institutionenanalyse eingebunden und damit zur Grundlage für eine institutionenökonomische Form der Politikberatung gemacht werden kann, soll im nächsten Abschnitt deutlich werden.
3. Der methodologische Individualismus: Der Zusammenhang zwischen individuellem Verhalten und gesellschaftlichen Prozessen
Die normative Institutionenökonomik baut ihre Analysen auf der Grundlage des methodologischen Individualismus auf. Darunter versteht man ein methodisches Konzept, das die Erklärung kollektiven oder sozialen HandeIns auf das Handeln von Individuen zurückführt40 . Handeln ist immer Handeln von Individuen, Kollektive handeln nicht, es handeln immer nur die Individuen in ihnen 41 • Die Analyse ist dabei aber nicht auf den Einzelfall einer individuellen Handlung zugeschnitten, sondern auf die in der Tendenz zu erwartenden Reaktionen vieler Akteure. Nur Individuen können bestimmte Zwecke bzw. Ziele verfolgen. Wenn von "sozialen Zielen" die Rede ist, dann sind damit nicht Ziele im Sinn von Handlungszielen, sondern die Regeln für das Zusammenleben der Individuen im Kollektiv, in der Gesellschaft gemeint. Durch diese Regeln entsteht eine Ordnung der Gesellschaft, die es den Individuen erst ermöglicht, innerhalb dieser Ordnung ihre persönlichen Ziele zu verfolgen, da sie verläßliche wechselseitige Verhaltenserwartungen bilden können 42 . 39 Lindenberg, 1992, S. 12: "An extended theory of institutions should tell us what the major frames are and how they are affected by given institutions (say property rights and political institutions ) and how, in turn, the frarnes influence behavior and thereby the workings and developments of institutions. " 40 Buchanan, 1987b, S. 586: "Social aggregates are considered only as the results of choices made and actions taken by individuals."
41 Der methodologische Individualismus wurde bereits in der klassischen politischen Ökonomie vertreten. Heute ist er "almost universally accepted by economists who work within mainstream, or non-Marxian, traditions." (Buchanan, 1987b, S. 586) 42 Das Zusammenspiel der Verfolgung individueller Ziele im Rahmen der allgemeinen Regeln der Gesellschaft wurde vor allem von F.A. v. Hayek, 1969, in seinen Freiburger Studien zu den "Arten der Ordnung", zu der Unterscheidung zwischen "Rechtsordnung und Handelnsordnung"
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D. Normative Institutionenökonomik
Politische Probleme, zu deren Lösung ein ökonomischer Ansatz der Politikberatung beitragen will, sind immer soziale Probleme im Sinne von Problemen, die die Interaktionen zwischen verschiedenen Individuen bzw. die Gesellschaft als Ganze und nicht nur vereinzelte Individuen betreffen. Der Homo Oeconomicus als allgemeine Annahme über Reaktionen in gesellschaftlichen Interaktionen zeigt für solche Situationen seine besondere analytische Stärke. Das Rationalmodell individuellen Verhaltens, das Modell des Homo Oeconomicus, wie es in den beiden voranstehenden Abschnitten beschrieben wurde, dient als individualtheoretische Grundlage zur Ableitung von Hypothesen über gesellschaftliche Zusammenhänge. Die Ökonomik im Sinne der normativen Institutionenökonomik versteht sich als "individualistische Sozialtheorie" , bei der die ModelIierung individuellen Verhaltens lediglich dazu dient, Kollektivphänomene zu erklären und zu prognostizieren 43 • Sie will an hand des Individualmodells des Homo Oeconomicus zeigen, wie eine Änderung der gesellschaftlichen Daten, d.h. der Institutionen und damit der Restriktionen für das Handeln der Individuen, sich auf die individuellen Entscheidungen auswirkt, um dann durch eine Zusammenschau dieser individuellen Handlungsfolgen auf soziale Entwicklungen schließen und soziale Regelmäßigkeiten erklären zu können. Es wird eine mehrstufige Analyse vorgeschlagen: 1. Welche Anreize gehen von der bisherigen Situation aus? 2. Wie beeinflussen Institutionen diese Anreizstruktur? 3. Welche Reaktionen der Akteure sind bei (institutionellen) Veränderungen der Anreizstruktur zu erwarten? 4. Welche aggregierten Folgen ergeben sich aus diesen Reaktionen? Anhand des individualtheoretischen Homo-Oeconomicus-Modells soll also die handlungskanalisierende Wirkung von Restriktionen bzw. Institutionen für und in den "Bemerkungen über die Entwicklung von Systemen von Verhaltensregeln" zusammengefasst. 43 Zintl, 1989, S. 59: "Offensichtlich sind Rationalmodelle gut geeignet, in der Mikrofundierung von Makrotheorien verwendet zu werden. Dies gerade deshalb, weil diese Modelle sich nicht auf systematisch oder ad hoc eingeführte individuelle Präferenzen stützen, sondern auf situative Restriktionen. Man muß nicht in eine Auseinandersetzung um Menschenbilder eintreten, wenn man etwa die handlungskanalisierende Wirkung von Institutionen untersucht, oder wenn man sich ein Bild von den Handlungsveränderungen zu machen sucht, die durch Situationsveränderungen ausgelöst werden können. Wenn sich die Restriktionen ändern, folgen bei wie auch immer gegebener Präferenzenverteilung prognostizierbare Verhaltensänderungen im Aggregat - diese Prognosen können richtig oder falsch sein. Deutlich wird hier, daß nicht etwa die Stabilität individueller Präferenzen Anwendungsbedingung einer solchen Modellierung ist, sondern gerade umgekehrt der Verzicht darauf, Verhaitensänderungen durch Präferenzänderungen zu erklären."
I. Wissenschafts konzeption
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die Gesellschaft als Ganze aufgezeigt werden. Gesellschaftliche Zustände werden nicht auf individuelle Motive, sondern auf die Merkmale der Situation, in der die Individuen handeln und die durch Institutionen geprägt wird, zurückgeführt. Institutionen können als soziale Restriktionen und das heißt als Beschränkungen der Handlungsmöglichkeiten der Individuen, als Nebenbedingungen bei deren Nutzenmaximierung aufgefaßt werden. Umgekehrt kann aber auch gezeigt werden, daß sich viele Institutionen moderner demokratischer Gesellschaften aus dem ökonomischen individuellen Rationalkalkül heraus verstehen und erklären lassen 44 • So kann z.B. der Rechtsstaat, der die Freiheitsspielräume der Individuen gegeneinander abgrenzt und dadurch die Anarchie überwindet und Rechtssicherheit schafft, daraus erklärt werden, daß die Individuen erkennen, daß zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen der Bestand einer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt gesichert werden muß. Daher müssen sie eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheitsrechte in Kauf nehmen 45 • Auch der sog. Leistungsstaat wird aus einem individuellen Kalkül heraus begründet: Da gemeinsame Anliegen auftreten, also solche, die ein Individuum allein nicht realisieren kann, müssen im Leistungsstaat die Regeln der gemeinsamen Beschlußfassung, also die Bedingungen, unter denen die Individuen gemeinsame Beschlüsse akzeptieren müssen, festgelegt werden 46 . Diese allgemeinen Regeln begrenzen dann wiederum als Institutionen das Handeln der Individuen. Um für die Lösung politischer Probleme der Gesellschaft anwendbar zu sein, darf der analytische Ansatz der normativen Institutionenökonomik nicht bei einer reinen Reaktionsanalyse im Sinne des Beckerschen Entwurfs stehenbleiben, sondern er muß Interaktionsanalyse, also Analyse der Interaktionen zwischen verschiedenen Individuen sein. Dabei ist jedoch die Beckersche Reaktionsanalyse insofern als Grenzfall einer Interaktionsanalyse zu interpretieren, als sie in anonymen Viel-Personen-Kontexten, in polypolistischen Strukturen, die dann als 'Spiele gegen die Natur' modelliert werden können, anwendbar ist. In sozialen Kontexten zwischen wenigen Personen muß beachtet werden, wie sich die Mitmenschen eines Individuums verhalten. Es genügt in diesem Fall nicht, nur die opportunitätskosten-induzierten Verhaltensänderungen des einzelnen zu beachten, sondern es muß auch berücksichtigt werden, wie die Interaktionspartner agieren. Sie verhalten sich 'strategisch'. Für solche Interakti-
44 Blankart, 1991, S. 43. Eine solche Erklärung kann als Gedankenmodell dienen, birgt aber immer die Gefahr eines funktionalistischen Fehlschlusses. 45 Buchanan, 1975, S. 95 definiert den Rechts(schutz)staat als "protective state ... which acts as the enforcing institution of society".
46 BlankartlStoetzer, 1991. S. 165. Buchanan, 1975, S. 95, spricht vom Leistungsstaat als dem "productive state ... which facilitates public-goods exchanges".
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onsanalysen sind andere imperialismusfähige Ansätze der Neuen Institutionenökonomik, die aber gleichermaßen mit der Homo-Oeconomicus-Annahme arbeiten, wie die Gruppentheorie von Olson oder der Williamsonsche Transaktionskostenansatz anwendbar. Auf diese beiden Ansätze wird im Zusammenhang mit der Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik und dem Stabilitätsparadigma im nächsten Abschnitt eingegangen.
11. Die Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik Im zweiten Kapitel war als Anspruch an eine moderne Theorie der Politikberatung abgeleitet worden, daß sie die Politikprobleme moderner Gesellschaften als Institutionenprobleme erkennt, und sich daher auch ihre Vorschläge zu politischem Handeln auf eine Institutionengestaltung beziehen sollen. Es soll im folgenden gezeigt werden, daß die normative Institutionenökonomik, da sie institutionenökonomische Analysen anwendet, diesem Anspruch genügen kann. Es wird der positive Analyse- und Erklärungsansatz der normativen Institutionenökonomik für Politikprobleme moderner demokratisch verfaßter Gesellschaften dargestellt.
1. Die Unterscheidung zwischen der 'choice within mies' und der 'choice among mies'
Buchanan, der Begründer der Constitutional Economics, des ökonomischen Ansatzes, der auch der Politikberatungskonzeption der normativen Institutionenökonomik zugrunde liegt, definiert sein Forschungsprogramm so: "Constitutional political economy is a research program that directs inquiry to the working properties of rules, and institutions within which individuals interact, and the pro ces ses through which these rules and institutions are chosen or come into being. "47 Constitutional Economics ist somit genuine Institutionenanalyse. Buchanan konzentriert dabei seine Analyse auf die Wahl zwischen verschiedenen Regeln oder Institutionen, auf die sog. "choice among constraints" bzw. "among rules" , während er dem traditionellen neoklassischen Ansatz die Untersuchung der Wahl innerhalb gegebener Regeln, die "choice within constraints", zuschreibt48 . Die normative Institutionenökonomik will dagegen diese beiden Ansatzpunkte in einem fruchtbaren Erklärungsschema
47
Buchanan, 1990, S. 1.
48
Buchanan, 1987b, S. 585; 1990, S. 2f.
11. Politikkonzeption
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miteinander verbinden, um dadurch zur Lösung von Politikproblemen beitragen zu können. Brennan und Buchanan haben anhand ihrer Verwendung des Homo Oeconomicus deutlich gemacht, daß sie sich scharf von der positiven ökonomischen Theorie neo klassischer Prägung abgrenzen wollen49 • In der von ihnen kritisierten empirischen ökonomischen Theorie, die der "choice within given institutions" entspricht, würde der Homo Oeconomicus aufgrund des "best empirical fit" gerechtfertigt: "In short, these economists defend the use of homo econornicus on empirical, scientific grounds"50. Zum Beleg werden Aussagen Stiglers in den Tanner Lectures von 1980 herangezogen 51 . Da Brennan und Buchanan aber die Erklärung und Voraussage menschlichen Verhaltens im Rahmen gegebener Regeln oder Institutionen als Aufgabe der Ökonomie als Wissenschaft für sich ablehnen 52 , wollen sie für ihren alternativen Ansatz der ökonomischen Institutionenanalyse (der choice among rules) die Verwendung eines modifizierten Homo Oeconomicus anders - nämlich nicht empirisch, sondern methodologisch - begründen53 . Diese Begründung scheint jedoch nicht nur nicht geglückt zu sein, sondern in ihrer Folge auch die mögliche fruchtbare Verbindung zwischen positiver, "predictive empirical economic science" und normativer Constitutional Economics verhindert zu haben. Im Gegensatz zu den positiven Ökonomen, die ein Modell des Menschen verwenden müssen, das die
49
Brennan/Buchanan, 1987, S. 52, 56, 60.
50 Brennan/Buchanan, 1987, S. 54. 51 Brennan/Buchanan, 1987, S. 54: "... articulated by George Stigler in his 1980 Tanner lectures at Harvard University: ... We believe that man is a utility-maximizing animaI." Stigler rechtfertigt den Homo Oeconomicus damit, daß der Mensch sich in der Realität wie ein nutzenmaximierendes Wesen verhält, und zwar in allen möglichen Situationen: "Man is eternally a utiIitymaximizer - in his horne, in his office (be it public or private), in his church, in his scientific work - in short everywhere." Abweichungen von der Nutzenmaximierung werden von Stigler auf Informationsmängel oder Kalkulationsfehler zurückgeführt: "He can and often does err: perhaps the caIcu1ation is too difficult, but more often his information is incomplete. He Iearns to correct these errors, a1though sometimes at heavy cost" (Stig/er, 1980, S. 23f). Die Annahme des Homo Oeconomicus wird also von StigIer auf empirische und nicht auf methodologische Gründe zurückgeführt.
52 Brennan/Buchanan, 1987, S. 55f: "Our implied criticism of the over-extended usage of the homo economicus abstraction in trying to explain human behavior 'scientifically' lies in our conviction that 'scientific prediction', in the sense normally indicated, is not what our whole exercise is about and that this application is not the usage for which the abstraction was intended."
53 Brennan/Buchanan, 1987, S. 56: "We suggest here an alternative usage of the homo economicus abstraction that seems more acceptable in all respects. In one sense, we offer a methodo1ogica1, rather than a predictive ('scientific'), defense of the whole construction .... the model of human behavior that we might properly use in choosing among alternative institutions may be different from the model that would be more appropriate in making predictions about behavior within existing institutional structures."
5 von Wulffen
D. Normative Institutionenökonomik
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besten Vorhersagen über die Konsequenzen von Änderungen in den Parametern ermöglicht, ein Modell des "average or representative man"54, müsse die Constitutional Choice Analysis ein Modell des Menschen verwenden, das ein "weighted average man" ist55 , ein Mensch, der 'etwas schlimmer' als der durchschnittliche ist, damit alle erdenklichen Gefahrenpotentiale, die von den Menschen innerhalb einer Gesellschaft ausgehen können, auch bei der Formulierung und Gestaltung von gesellschaftlichen Regeln und Institutionen berücksichtigt werden können 56 . Die "zynische Korrektur" des empirisch angemessenen Typus zum Homo Oeconomicus erfolgt bei BrennanJBuchanan, weil die Wohlfahrtswirkungen bei pessimistischen Abweichungen des Verhaltens vom Durchschnitt gravierender sind als bei positiven 57 • Diese eigentümliche Begründung von Brennan und Buchanan für das Homo Oeconomicus-Modell führt dazu, daß Brennan und Buchanan nach Regeln suchen, die eine maximale Absicherung der Freiheit des Individuums vor Übergriffen ermöglichen, und nicht nach den kostengilnstigsten Regeln für die Gesellschaft. Die Schleife des Zusammenspiels zwischen Buchanans maximaler Absicherung gegen Gefahrenpotentiale in seiner normativen Institutionenökonomik und dem neoklassischen Forschungsprogramm, das es ermöglicht, nach optimalen Regeln zu suchen, indem es auch die Kosten der Absicherung berücksichtigt und nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen sieht, wird abgeschnitten. Gerade aber im Bereich der ökonomischen Politikberatung könnte sich eine Verbindung zwischen der Constitutional Economics als Beratung über die Wahl von Regeln und dem positiven neoklassischen Programm Beckerscher Prägung als sinnvoll und fruchtbar erweisen. Die positive Analyse untersucht, wie sich Restriktionen (constraints, allgemeine Regeln oder Institutionen) auf die Handlungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte und damit in der Aggregation auf die Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses auswirken. Die normative Analyse geht umgekehrt vor und schließt von der Erwünschtheit bzw. Unerwünschtheit der Ergebnisse des Handeins auf die zu empfehlenden Regeln bzw. Regeländerungen. Folgende eineindeutige
54
BrennanlBuchanan, 1987, S. 60.
BrennanlBuchanan, 1987, S. 60: "... where the weights at stake involve the costs that various types impose on the socia! fabric." 55
56 Der Zynismus von BrennanlBuchanan erkennt dabei allerdings richtig, daß von einzelnen große Gefahrenpotentiale für kollektive Arrangements ausgehen können (vgl. Seite 68 ff). Sie formulieren diesen Gedanken aber nicht konsequent in institutionenökonomischen Interaktionsmustern sondern fallen in wohlfahrtsökonomische Argumente zurück: BrennanlBuchanan, 1987, S. 59: "It is the appropriate model for testing whether institutions serve to transform private interest into public." 57
Vgl. Homann, 1993a, S. 10.
11. Politikkonzeption
67
Zuordnung gibt dieses sehr grobe Schema, das lediglich als vereinfachtes Strukturierungselement dienen kann, wieder.
Positive Analyse Constraints
Handlungen
Ergebnisse
........,-"~~~_...;. N;.;;.o;;;;;. rrnative Analyse Unterscheidung von positiver und nonnativer Analyse
Das neoklassische Programm eines ökonomischen Imperialismus Beckerscher Prägung führt eine positive Analyse von Spiel zügen durch (Handlungen im Rahmen gewisser bestehender Regeln Ergebnisse). Diese positive Analyse von Spiel zügen kann als wissenschaftliche Informationsgrundlage für die normative Regelberatung genutzt werden. Die ökonomische Politikberatung selbst darf nicht bei der Beratung über die Effizienz von Spielzügen stehenbleiben (wie das die traditionelle, jedoch erfolglose Politikerberatung getan hat), sondern sie muß sich auf die Wahl von Spielregeln beziehen. Die (Un)erwünschtheit von Ergebnissen58 führt zur Empfehlung der Implementierung bestimmter allgemeiner Regeln. Die ökonomische Politikberatung auf der Grundlage der normativen Institutionenökonomik sucht also nicht mehr nach optimalen Lösungen für Spielzüge-Probleme (optimal choice within given rules), sondern nach alternativen Regeln (choice among rules), die im Vergleich zum status quo zu besseren (erwünschteren) Ergebnissen führen. Dabei muß ganz besonders berücksichtigt werden, wie eine neu zu formulierende Regel in das schon bestehende System von Regeln paßt, d.h. ob sie die Wirkungsweise anderer Regeln negativ oder positiv beeinflußt. Durch die Verwendung des Ansatzes der normativen Institutionenökonomik in der ökonomischen Politikberatung wird eine fruchtbare Verbindung geschaffen zwischen der "choice among rules" und der "choice within rules", zwischen der neoklassischen Beckerschen Analyse und der Constitutional Economics Buchanans. Denn nur dann, wenn man nach einer positiven wissenschaftlichen (Anreiz)Analyse vorhersagen kann, wie die Menschen sich innerhalb gegebener Regeln verhalten werden und zu welchen Ergebnissen dieses Verhalten führen wird, kann die normative Frage nach der Wahl bestimmter Regeln, die er-
58 Es wird im Kapitel 1V.3. deutlich werden, wie in einer Demokratie über die Erwünschtheit bzw. Unerwünschtheit von Ergebnissen zu entscheiden ist.
5"
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D. Normative Institutionenökonomik
wünschte Ergebnisse hervorbringen, beantwortet werden. Dabei betont Buchanan zu Recht, daß die Ergebnisse nur indirekt, über die Gestaltung von Prozessen durch Regeln, beeinflußt werden können. Man kann durch politische Maßnahmen nicht direkt ein gewünschtes Ergebnis (z.B. das Maximum der gesellschaftlichen Wohlfahrt wie im wohlfahrtsökonomischen Ansatz der Wirtschaftspolitik) herbeiführen. Dieser Gedanke der Abwendung von der Ergebnisund hin zur Prozeßorientierung wird im Rahmen der Analyse der Demokratiekonzeption der normativen Institutionenökonomik noch einmal aufgegriffen werden.
2. Die institutionenökonomische Interaktionsanalyse im Stabilitätsparadigma
Wie in Kapitel D.1. bereits erläutert, steht bei der Lösung politischer Probleme nicht die einzelne Aktion bzw. Reaktion eines Individuums im Mittelpunkt, sondern die soziale Interaktion zwischen verschiedenen Individuen, die im Rahmen der Gesellschaft oder einer anderen kollektiven Einheit ihre eigenen Ziele verfolgen. Als Stabilitätsparadigma wird in diesem Zusammenhang eine Konzeptualisierung bezeichnet, "die eine institutionenökonomische Interaktionsanalyse auf die Fragestellung ausrichtet, welche Interaktionen angesichts eines bestimmten institutionellen Arrangements stabil bzw. instabil sind"59, d.h. welche sich selbst durchsetzen (self-enforcing commitments) bzw. welche nicht. Im Rahmen dieses Stabilitätsparadigmas wird also untersucht bzw. abgeschätzt, welche Folgen für den sozialen Interaktionsprozeß, für die Stabilität von Interaktionen, zu erwarten sind, wenn man die institutionellen Grundlagen der Gesellschaft, also die Regeln des menschlichen Zusammenlebens, verändert. Anhand des Beispiels des wohlbekannten sog. Gefangenendilemmas 60 kann der Inhalt des Stabilitätsparadigmas: institutionelle Reformen können zur Stabilisierung bzw. Destabilisierung von Interaktionen dienen, verdeutlicht werden. Die beiden Gefangenen, die sich als Homines Oeconomici verhalten, verfehlen die für sie beide kollektiv beste Lösung. Sie erreichen das ihnen gemeinsame Ziel der Kooperation (beide leugnen und erhalten nur eine geringfügige Gefängnisstrafe) nicht. Sie befinden sich in einem sozialen Dilemma, da die Auszahlungsmatrix des Spieles so gestaltet ist, daß die Handlungsanreize beide Gefangenen zu einem Geständnis treiben, wodurch sie letztlich aber in einer für beide schlechteren Situation (beide erhalten eine hohe Gefängnisstrafe) enden. Beide müssen befürchten, daß der andere Gefangene versuchen wird, 59
Pies, 1993, S. 159.
Vgl. zu einer ausführlichen Erläuterung dieses spieltheoretischen Modells Locher, 1991a und 1991b. 60
11. Politikkonzeption
69
die individuell beste Situation des Kronzeugen zu erreichen. So treibt die erwartete Defektion eines Gefangenen 61 beide zum Geständnis und damit in die kollektiv schlechteste Lösung. Aufgrund der Struktur der Situation, aufgrund der individuellen Handlungsanreize wird ein für beide günstigerer Zustand, der prinzipiell erreichbar wäre, die kollektiv beste Lösung, nicht erreicht. Die Anreize, d.h. die Spielregeln, sind so gesetzt, daß die beiden Gefangenen, obwohl, oder gerade weil sie sich als eigennutzmaximierende Homines Oeconomici individuell rational verhalten, systematisch gegen ihre eigenen Interessen verstoßen müssen. Sie befinden sich in einer Dilemmasitution. Ändert man jedoch die Auszahlungsmatrix und damit die individuellen Kosten-NutzenKalküle beider Gefangenen, so kann das Gefangenendilemma überwunden werden. Wegen der kollektiven Struktur des Interaktionsproblems im sozialen Dilemma kann dieses auch nur kollektiv - d.h., spieltheoretisch formuliert, durch eine Veränderung der Spielregeln, der Auszahlungsmatrix - gelöst werden. Eine Veränderung der Spielregeln ist insofern möglich, als man den Gefangenen erlauben kann, miteinander zu verhandeln und bindende Verträge abzuschließen 62 • Situationen, die die Struktur eines Gefangenendilemmas aufweisen, treten in der Realität moderner Gesellschaften sehr häufig auf. Die Dilemmastruktur bildet in der Gegenwart eine Hauptursache für Probleme kollektiver Natur. Sie wird in der Ökonomik auch unter der Überschrift "Öffentliche Güter und Marktversagen" abgehandelt. Einen wichtigen Schritt zur Analyse dieser Probleme hat 0lson63 mit seiner Theorie der Gruppen gelegt. Er zeigt, daß Gruppen nur unter ganz bestimmten Bedingungen64 ein gemeinsames Ziel, ein
61 VanberglBuchanan, 1989, S. 55 sprechen in diesem Zusammenhang vom sog. "compliance problem that results from the fact that there are potential gains from defecting. " 62 Weimann, 1990, S. 83f beschreibt einen möglichen Ausweg aus der Gefangenendilemmasituation, der durch eine solche Veränderung der Spielregeln gewonnen werden kann, als "teilspielperfektes Gleichgewicht": Spieler I unterbreitet im ersten Schritt Spieler 2 einen Vertrag, indem er ihm eine Strategiekombination vorschlägt. 1m zweiten Schritt kann Spieler 2 diesen Vertrag annehmen oder ablehnen. Lehnt er ihn ab, treffen beide im dritten Schritt ihre Strategieentscheidung unabhängig voneinander. Da beide Spieler rückwärts vom letzten Schritt aus kalkulieren und wissen, daß auf dieser Stufe das unerwünschte kollektive Resultat eintreten wird (beide gestehen), wird Spieler I nur einen Vertrag anbieten und Spieler 2 nur einen solchen annehmen, der ihn besser stellt als dieses Ergebnis der dritten Stufe. Damit erreichen sie die kollektive beste Lösung, daß beide leugnen und nur eine geringfügige Gefangnisstrafe erhalten.
63
Olson, The Logic of Collective Action, 1965.
Mitglieder einer Gruppe erreichen ein ihnen gemeinsames Ziel nur, wenn I. die Gruppe genügend klein ist, so daß ein sozialer Mechanismus der gegenseitigen Beobachtung und Überwachung funktionieren kann, oder wenn 2. sog. selektive Anreize gesetzt werden, d.h., daß das Erreichen des kollektiven Gutes oder Zieles gleichzeitig mit dem Erhalt eines privaten Gutes, das 64
70
D. Normative Institutionenökonomik
kollektives oder öffentliches Gut, das nur allen gemeinsam zugute kommt und keinem einzelnen individuell zurechenbar ist, erreichen können. Die Gruppen befinden sich in der Situation des Gefangenendilemmas: Für jeden einzelnen ist es individuell rational, zu versuchen, die Position des Defektierers bzw. die sog. Trittbrettfahrerhaltung einzunehmen. Denn wenn ein einzelner allein versucht, zum Erreichen des kollektiven Gutes beizutragen (z.B. durch Einbau eines Katalysators zur Reinhaltung der Luft, ohne daß dieser Einbau gesetzlich vorgeschrieben ist), erreicht er nichts (ein einzelner Katalysator bewirkt nichts) bzw. trägt sogar für sich einen Schaden davon, weil er Mühen und Kosten aufgebracht hat. Umgekehrt ist es aber auch individuell rational, selbst nichts zu tun, also keinen Katalysator einzubauen, wenn alle anderen sich um das Erreichen des kollektiven Gutes bemühen. Denn wenn alle anderen außer ihm selbst zum kollektiven Gut der reineren Luft beitragen (durch Einbau des Katalysators), kommt dieses auch dem einzelnen Trittbrettfahrer zugute, ohne daß er selbst seinen Beitrag dazu geleistet hätte. Dieses individuelle Kalkül wird von allen (potentiellen) Gruppenmitgliedern nachvollzogen, so daß letztlich keiner bereit ist, zum Erreichen des kollektiven Gutes beizutragen. Prinzipiell wäre eine Überwindung des Gefangenendilemmas über drei Wege möglich: über direkte Kooperation der Interaktionspartner, über motivationsorientierte Lösungen und über regelorientierte Lösungen 65 • Die Institutionenökonomik geht - entsprechend ihrem Verhaltensmodell - nur den dritten Weg: Sie will durch die Änderung der Rahmenbedingungen, der Restriktionen der Akteure, über eine Gestaltung der Spielregeln, d.h. der Institutionen der Gesellschaft, bestimmte Dilemmasituationen beseitigen. Die ökonomische Literatur zum Gefangenendilemma geht fast immer davon aus, daß eine Dilemmasituation irgendwie überwunden werden muß. Es ist aber umgekehrt auch durchaus denkbar, daß über die Gestaltung der Spielregeln bzw. der Anreizstrukturen von der Politik bewußt ein soziales Dilemma herbeigeführt wird 66 . Ein solches
jedem einzelnen Gruppenmitglied individuell zurechenbar ist. gekoppelt wird, oder wenn 3. staatlicher Zwang die Gruppe zur Zusammenarbeit zwingt (vgl. Olson, 1965, S. 45ff). 65 Locher 1991b, S. 60ff. Diese Dreiteilung möglicher Lösungen des Gefangenendilemmas ist insofern zu kritisieren, als der von Locher gemachte Unterschied nur für eine bloß phänomenologische Betrachtung existiert. Im Grunde fallen alle Lösungen in einer Form, der regelorientierten, zusammen: Die direkte Kooperation der Gefangenen ist insofern mit der regelorientierten Lösung identisch, als es hier um den Abschluß bindender Verträge geht. Die zweite Lösung, die motivationsorientierte, meint die kleine Gruppe, wo die Kontrolle und Sanktion des Verhaltens gemäß der Gruppenregeln informell im täglichen Umgang erfolgen kann. Regelorientiert ist damit aber auch diese Lösung. 66 Ein Beispiel hierfür ist die Kartellgesetzgebung, die dazu dient, die potentiellen Kartellmitglieder in einem produktiven sozialen Dilemma, nämlich der Wettbewerbssituation, verharren zu lassen. Diese Zusammenhänge werden im fünften Kapitel näher erläutert werden.
11. Politikkonzeption
71
Dilemma kann gegebenenfalls durchaus produktiv für die Gesellschaft sein 67 . Es muß Sinn und Ziel der institutionenökonomischen Analyse sein, die jeweils auftretenden Dilemmastrukturen politisch durch eine Veränderung der Auszahlungsmatrix beherrschbar zu machen. Eine ökonomische Politikberatung auf der Grundlage der normativen Institutionenökonomik muß aufzeigen, wie produktive Dilemmastrukturen durch institutionelle Reformen stabilisiert und unproduktive überwunden werden können. Neben den Gefangenendilemmasituationen im engeren Sinne gibt es in der Gegenwart moderner Gesellschaften noch andere politisch problematische Interaktionstypen, deren Struktur im institutionenökonomischen Stabilitätsparadigma rekonstruiert werden kann. Diese können als asymmetrische Interaktionsstrukturen im Sinne von Ausbeutungssituationen 68 oder auch einseitigen Dilemmasituationen bezeichnet werden. Sie werden in der neuen Institutionenökonomik vor allem in den Ansätzen zu einer Theorie der Firma behandelt69 , sind aber als Problemstrukturen auch in der Gesellschaft allgemein anzutreffen . Die Asymmetrie der Interaktionen kann auf einer asymmetrischen Verteilung von Informationen beruhen. In diesem Fall spricht man von Principal-Agent-Situationen. 7o Die Asymmetrie bzw. Ausbeutung(sgefahr) kann aber auch in einer asymmetrischen Struktur der Investitionen bzw. in der Notwendigkeit einseitiger Vorleistungen eines Interaktionspartners (sog. spezifische Investitionen) begründet sein. Dann spricht man von Hold-Up-Situationen. Das Principal-Agent-Konzept analysiert das Verhältnis zwischen einem Auftraggeber (Principal) und einem Auftragnehmer (Agent) bei der gemeinsamen Aufgabenbewältigung durch vertikale Arbeitsteilung. Dies ist eine Problematik, die in unzähligen Situationen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft auftritt: z.B. beim Verhältnis zwischen Management und Eigentümer in der Aktiengesellschaft, in der Politiker-Bürger-Konstellation in der repräsentativen Demokratie. Zentral ist dabei die ungleiche Informationsverteilung zwischen Auftraggeber und Ausführendem, die es möglich macht, daß der Agent nicht im Interesse des Principals handelt, sondern seine eigenen Interessen
67 hn folgenden Kapitel werden anhand von Beispielen sowohl gewollte, weil produktive, als auch ungewollte, weil unproduktive, Dilemmastrukturen dargestellt werden. 68 "Ausbeutung" ist hier nicht im marxistischen Sinne zu verstehen, sondern es ist gemeint, daß ein Interaktionspartner die Struktur der Situation zu seinem Vorteil und zum Nachteil des anderen Interaktionspartners ausnutzen kann.
69 Hierunter sind vor allem zu nennen: KleinlCrawfordlA/chian 1978, Williamson 1985, AlchianlWoodward 1987. 70 Hier werden nur solche Principal-Agent-Interaktionen behandelt, wo diese Asymmetrie als problematisch empfunden wird. Fälle von rationaler Ignoranz der Interaktionspartner werden also ausgeklammert.
D. Normative Institutionenökonomik
72
verfolgt. Der Agent besitzt bei der Ausführung seines Auftrages zum Teil Informationen, über die der Principal grundsätzlich nicht oder nur bei Inkaufnahme (prohibitiv) hoher Kosten verfügen kann. Auch ist es möglich, daß der Agent Handlungen vollzieht, die der Principal grundsätzlich oder aufgrund hoher sog. monitoring costs nicht beobachten kann?l. Das institutionenökonomische Stabilitätsparadigma kann nun analysieren, ob bestimmte Principal-AgentSituationen trotz ihrer prekären Struktur zustande kommen, bzw. welche institutionellen oder vertraglichen Voraussetzungen gegebenenfalls geschaffen werden müssen, um sie zu stabilisieren. Die zweite Gruppe dieser asymmetrischen Interaktionen ist durch die Notwendigkeit spezifischer Investitionen gekennzeichnet. Dieses Interaktionsmuster hat insbesondere Williamson mit seinem sog. Transaktionskostenansatz analysiert1 2• Eine grundsätzlich nützliche und produktive Interaktion kann es notwendig machen, daß ein Interaktionspartner eine spezifische Investition vornimmt, so daß er sich aufgrund enormer sog. "sunk costs"73 in große Abhängigkeit von seinem Interaktionspartner begibt. Spezifische Investitionen können zum Beispiel in der Wahl eines bestimmten Standortes in der Nähe des Interaktionspartners oder im Erwerb von firmenspezifischem Humankapital durch einen Mitarbeiter bestehen74 . Nach Eingehen der Interaktion (Williamson spricht von einer "fundamentalen Transformation" einer ex-anteWettbewerbssituation in ein ex-post zweiseitiges MonopoF5) besteht eine große Differenz zwischen dem Wert der Investition in der bestehenden Interaktion und ihrem Wert in der nächstbesten Verwendung. Diese Differenz wird auch Quasirente genannt. Dabei entsteht die Gefahr, daß der andere Interaktionspartner die Quasirente des einen, der spezifisch investiert hat, auszubeuten ver-
71 Arrow, 1985, S. 38: "I will call the two types of principal-agent problems hidden action and hidden information, respectively. In the literature, they are frequently referred to as moral hazard and adverse selection."
72 Für einen kurzen Überblick über Williamsons Ansatz sei Williamwn 1984 empfohlen. Eine ausführliche Darstellung bietet Williamson 1985.
73 Von sog. sunk costs spricht man, wenn ein Vertrags partner in spezifische Faktoren investiert, so daß die Differenz zwischen dem Barwert der Investition in der kontrahierten Verwendung und der nächstbesten Verwendungsart unmittelbar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses "versinkt". 74 Williamwm, 1984, S. 73f unterscheidet vier verschiedene Formen der Spezifität: die sog. site specificity (Wahl des Standortes), physical asset specificity (bestimmte Verwendungsart eines Kapitalgutes), human asset specificity (Erwerb von firmenspezifischem Humankapital) und dedicated assets (Eweiterungsinvestitionen aufgrund der Nachfrage eines bestimmten Nachfragers).
75
Williamson, 1984, S. 66.
11. Politikkonzeption
73
sucht7 6• Aus Angst vor einer solchen Ausbeutung (Williamson selbst spricht in seinem Ansatz von "opportunistischem Verhalten" der Interaktionspartner77) würden solche Interaktionen ganz unterbleiben, wenn nicht institutionelle Arrangements gefunden werden könnten, die die Ausbeutung verhindern und damit zur Stabilisierung der Interaktion beitragen. Auch hier kann die institutionenökonomische Stabilitätsanalyse genutzt werden, um anzugeben, unter welchen institutionellen Gegebenheiten die Ausbeutungsgefahren auch unter der Bedingung der Notwendigkeit spezifischer Investitionen gebannt werden, so daß die prekären, aber durchaus produktiven Interaktionen dennoch zustande kommen können. Die geschilderten Dilemma- und Ausbeutungsstrukturen sind in der Gegenwart moderner Gesellschaften von großer Bedeutung. Hierin findet die Verwendung des Homo-Oeconomicus-Ansatzes in der normativen Institutionenökonomik eine weitere Begründung: "In Dilemmasituationen sind nicht die Verhaltensweisen oder Charaktere für das Ergebnis verantwortlich, sondern die - gewissermaßen unpersönlichen - Anreizstrukturen der Situation. Diese 'erzwingen' die allgemeine Defektion sogar dann, wenn niemand genuin, also aus egoistischen Motiven, defektiert. "78 Der Homo Oeconomicus ist das angemessene Analysekonstrukt für solche Situationen, weil er den Zwang zur Defektion annimmt. Er ist damit spezifisch berechnet auf die in modernen Marktwirtschaften allgegenwärtigen Dilemma- und Ausbeutungssituationen 79 • Eine Politik(beratungs-) konzeption, die nicht auf solche Problemstrukturen fokussiert ist, geht an den politischen Problemen der Gegenwart vorbei. Die Politik(beratungs) konzeption der normativen Institutionenökonomik kann aktuelle politische Probleme im Stabilitätsparadigma institutionenökonomisch rekonstruieren. Sie kann dadurch in Dilemma- und Ausbeutungssituationen die Folgen alternativer institutioneller Arrangements für die Gesellschaft anhand des Stabilitätsparadigmas abschätzen. Dieses Paradigma fragt: 1. Ist eine Interaktion bei gegebenen institutionellen Arrangements, d.h. bei gegebenen Anreizstrukturen, stabil, d.h. kommt sie überhaupt zustande?
76 Dieser Ansatz bietet damit einen neuen, positiven Zugang zum Phänomen der Macht: Über Macht verfügt, wer die Quasirente seines Interaktionspartners ausbeuten kann . Das Phänomen der Macht gelangt dadurch in den positiven Analysebereich der Ökonomik und muß nicht mehr in die Politologie abgeschoben und einseitig normativ behandelt werden.
77 Wifliamson, 1984, S. 57: Opportunismus wird definiert als "se1f-interest seeking with guile". 7R
Homann, 1993a, S. 7.
79 Homann,
1994, S. Ilff.
74
D. Normative Institutionenökonomik
2. Wie müßte das institutionelle Arrangement, die Anreizstruktur für das Handeln der Individuen, verändert werden, um die Interaktion gegebenenfalls zu (de-) stabilisieren? Eine Haupuhese der Neuen Institutionenökonomik besteht dabei in der Auffassung, daß nur solche Interaktionsstrukturen (oder "Verhältnisse") stabil sein können, die aus sich selbst heraus durchsetzbar, also self-enforcing, sind. Denn eine zentrale Rolle spielt in der Neuen Institutionenökonomik die Glaubwürdigkeit von Verpflichtungen, die die Interaktionspartner eingehen. Diese kann im Kern nur durch sich selbst durchsetzende, d.h. anreizkompatible Verträge gesichert werden 80 . Ein Vertrag setzt sich dann von selbst durch, d.h. er ist selfenforcing, wenn seine vereinbarten Regelungen gewährleisten, daß die Auszahlungen bei Vertragseinhaltung stets höher sind als bei Vertragsbruch. Eine Bewertung der Wünschbarkeit der sozialen Interaktionen und damit der institutionellen Arrangements kann im Rahmen der normativen Institutionenökonomik nur über das demokratische vertragstheoretische Konsensprinzip vorgenommen werden, das im folgenden Abschnitt näher erläutert werden soll.
IH. Die Demokratiekonzeption der normativen Institutionenökonomik Im zweiten Kapitel war der Anspruch an eine Konzeption der Politikberatung für moderne demokratische Gesellschaften abgeleitet worden, Diskursivität als Verfahren zur Legitimation kollektiven HandeIns anzuerkennen und in der Beratung nicht in vordemokratische Argumentationsmuster zurückzufallen. Es soll nun gezeigt werden, daß die normative Institutionenökonomik diesem Anspruch genügen kann und dadurch auch die sog. Gegensatzthese von Rationalität und Demokratie81 überwindet.
1. Vertragstheoretische Demokratiekonzeption und normativer Individualismus
Die normative Institutionenökonomik baut nicht nur auf der Grundlage eines methodologischen Individualismus auf, sondern sie geht zudem von der Notwendigkeit des sog. normativen Individualismus aus. Es wird nicht nur zur positiven Analyse und Erklärung gesellschaftlicher Prozesse auf die Handlun-
80
V gl. Richter, 1994, u.a. S. 28, 35, 41, 52.
81
Vgl. Seite 38 f.
111. Demokratiekonzeption
75
gen des einzelnen Individuums zurückgegriffen, vielmehr liegt auch der Entscheidung über kollektives Handeln die Zustimmung des einzelnen Individuums zugrunde. Die Individuen sind die einzige Quelle von Werten 82 . Daher ist kollektives Handeln nur dann legitim, wenn ihm prinzipiell alle betroffenen Individuen zustimmen können. Nach Auffassung der normativen Institutionenökonomik muß in einem demokratischen Staat jedem Individuum grundsätzlich, d.h. paradigmatisch, ein individuelles Vetorecht zugestanden werden 83 . Die Zustimmung der Betroffenen und nicht die Maximierung einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion ist das normative Kriterium zur Auswahl politischer Empfehlungen84 . Die normative Institutionenökonomik ersetzt damit die objektivistisch-wohlfahrtsökonomische Perspektive der traditionellen Theorie der Politikberatung durch eine subjektivistisch-kontrakttheoretische. Dabei ist es wichtig, zwischen den direkt Beteiligten und dem weiteren Kreis von Betroffenen zu unterscheiden. In der Regel haben politische Entscheidungen Implikationen für einen weiteren Kreis als denjenigen der primär Beteiligten. So werden Entscheidungen auf kommunaler Ebene auch die Nachbargemeinden und das Land betreffen, Entscheidungen auf Länderebene den Bund, und Entscheidungen auf Bundesebene können über Grenzen hinweg andere Bevölkerungsgruppen in anderen Teilen der Erde tangieren. Vor allem auch in unternehmenspolitischen Fragen, wo der Kreis der Beteiligten relativ eng sein kann, ist vom Politikberater darauf zu achten, daß auch die Interessen der nichtbeteiligten Betroffenen im Sinne des normativen Individualismus Berücksichtigung finden 85 . Aufgabe des Politikberaters im Sinne der normativen Institutionenökonomik wäre somit: "deciding externally whether the interests of relevant parties are served by a particular political arrangement"86.
82
Buchanan, 1985, S. 36ff.
Buchanan, 1990, S. 15 beschreibt den nonnativen Individualismus als eine der drei grundlegenden Voraussetzungen der Constitutional Economics: "... the generalization of the indiviudalistic and the rationality postulates to all persons in the political community ... In this sense the whole of the constitutional economics research programm rests squarelyon a democratic foundation." 83
R4 Buchanan, 1987c, S. 162: "... the test for efficiency in the institutional rule is agreement among affected parties." Der Einstieg in die Nonnativität kann im ökonomischen Imperialismus der nonnativen Institutionenökonomik gar nicht mehr über Ineffizienzen wie in der traditionellen Wohlfahrtsökonomik geschehen, weil traditionelle Ineffizienzen in diesem tautologischen Ansatz in verbesserte Kostenschätzungen umgesetzt und damit positiv verarbeitet werden müssen (HomannIPies, 1991, S. 89).
85 Buchanan, 1987c, S. 157 macht diese Unterscheidung zwischen Beteiligten und Betroffenen anhand des Gefangenendilemmas deutlich: "... the subset of the population made up of prisoners only may not be the set relevant for a political-collective evaluation of the institution." Und einige Seiten weiter (S. 160) betont er nocheinmal, daß das "agreement among all potentially interacting parties" entscheidend ist für die Annahme eines Vorschlags zur Institutionenänderung. R6
Hardin, 1990, S. 49.
76
D. Normative Institutionenökonomik
Der Konsens bzw. das Vetorecht jedes einzelnen Individuums ist aber nicht nur normativ zu fordern, sondern kann auch positiv, aus der Struktur der politischen Probleme der Gegenwart heraus begründet werden. Der normative Individualismus und die Konsensforderung können noch einmal positiv begründet werden durch Faktizität: Die Einbindung des einzelnen Individuums in den kollektiven Konsens ist nämlich in modernen Gesellschaften notwendig, weil jeder einzelne die Macht hat, in den durch interaktive Dilemma- und Ausbeutungssituationen gekennzeichneten modernen Gesellschaften kollektive Strukturen zu zerschlagen. In den für die moderne Gesellschaft charakteristischen Dilemmastrukturen kann der einzelne den anderen sein Verhalten aufzwingen. Positiv kann das in Wettbewerbssituationen genutzt werden, wenn ein Pionierunternehmer andere zwingt, seine Innovation zu imitieren. Negativ wirkt es sich jedoch im Falle öffentlicher Güter aus. Hier führt prinzipiell dieselbe Dilemmastruktur dazu, daß ein Unternehmen seine Wettbewerbsvorteile aus einer Ausbeutung der Natur oder dem Ausnutzen von Gesetzeslücken zieht. Es reicht modelltheoretisch ein einzelner Defektierer, ja sogar nur ein potentieller Defektierer, um alle Interaktionspartner auf die Defektionsstrategie zu zwingen 87 . Die Produktion öffentlicher Güter wird verhindert, das schlechte Beispiel macht Schule, und alle landen in der kollektiv schlechtesten Situation. In den asymmetrischen einseitigen Dilemma- oder Ausbeutungssituationen haben einzelne bzw. einzelne Gruppen aufgrund der Asymmetrien ein sog. damage potential 88, d.h. die Etablierung der asymmetrischen Principal-Agent- und Hold-Up-Strukturen spielt den einzelnen (Gruppen) Zerstörungs- bzw. Blockademacht zu. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, den einzelnen von vorne herein in das kollektive Arrangement, das nur in einer institutionellen Lösung des Dilemma- bzw. Ausbeutungsproblems bestehen kann, einzubinden: "Paradigmatisch müssen alle Individuen als Vertragspartner gelten, die die bestehende Kooperation nachhaltig stören und/oder weitergehende mögliche Kooperationen blockieren können."89 Insofern wird die Gegensatzthese von Rationalität und Demokratie überwunden, als die demokratische Struktur der Gesellschaft, die prinzipielle Einbindung jedes einzelnen Individuums in den
87 Vgl. nähere Erläuterungen hierzu auch in Kapitel E. 88 Der Begriff des "damage potential" wurde von Lindenberg. jedoch in einern anderen Zusammenhang (vgl. Lindenberg, 1988) geprägt.
89 Homann, 1994, S. 67. Es gilt, das Paradigmatische dieser Forderung zu betonen. So können bei der Ermittlung der Betroffenen prohibitiv hohe Transaktionskosten auftreten. Auch kann durchaus eine rationale Ignoranz der Betroffenen vorliegen, die gar nicht in den Beratungsprozeß einbezogen werden wollen.
III. Demokratiekonzeption
77
Konsens über Regeln, noch einmal ökonomisch rational begründet werden kann 90 . Die Einbindung des einzelnen Individuums in den Prozeß der Entscheidungsfindung des Kollektivs kann zudem auch begründet werden durch die dezentrale Verteilung des Wissens in der Gesellschaft. Wissen ist in einer Gesellschaft oder auch in einzelnen kollektiven Einheiten, wie z.B. in Unternehmen 91 , nicht zentral an einer Stelle vorhanden, sondern nur in den Köpfen der einzelnen Individuen. Zu dieser Erkenntnis .hat vor allem von Hayek in seinen Schriften über den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren wesentlich beigetragen92 • Nur die einzelnen Individuen besitzen die Kenntnis der "besonderen Umstände von Ort und Zeit"93. Daher kann dieses dezentral vorhandene Wissen auch nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn man diese einzelnen Individuen an den kollektiven Entscheidungen partizipieren läßt, d.h. wenn man die Zustimmung der einzelnen zu den Entscheidungen einholt. Sonst 'blockiert' der einzelne produktive Interaktionen, da er gar nicht sein spezifisches Wissen einbringen kann. Wird dieses spezifische Wissen eines Individuums jedoch eingefordert und genutzt, so hat dies auch positive Motivationsfol-
90Beispieie für eine ökonomisch-rationale Begründung der Demokratie in der neueren ökonomischen Literatur sind auch Olson, 1993, und Becker, 1989: Olson zeigt, daß in einer Demokratie die für das ökonomische Wachstum wichtigen langfristigen Investitionen größer sind als in einem nicht-demokratischen politischen System. Becker begründet, daß der Wettbewerb zwischen verschiedenen Interessengruppen in der Demokratie die wirtschaftliche Effizienz erhöht. 91 Matsushita, 1993, S. 15 greift diesen Gedanken auf in einem Vergleich japanischer und westlicher Managementmethoden: " Für Euch besteht Management darin, die Ideen aus den Köpfen der Manager in die Köpfe der Mitarbeiter zu bringen. Wir hingegen sind jenseits des Taylorismus. Wir wissen, daß das wirtschaftliche Umfeld heute so komplex und schwierig, zunehmend unvorhersehbar und gefahrlich ist, daß das Überleben des Unternehmens letztlich von der alltäglichen Aktivierung des letzten Gramms von Intelligenz abhängen wird. Nur unter Ausnutzung der kombinierten Denkleistung aller Mitarbeiter kann sich ein Unternehmen den Turbulenzen und Zwängen erfolgreich stellen und überleben". Es ist in den letzten Jahren ein Trend unter dem deutschen Management (und in der Managementliteratur) abzusehen, japanische Managementmethoden zu kopieren. Dort bemüht man sich bereits seit längerer Zeit, die Ressource Mensch besser zu nutzen, indem Kreativität und Wissen der Belegschaft eines Unternehmens stärker mobilisiert wurden. Auf die Fülle der zu diesem Thema erschienenen betriebswirtschaftlichen Veröffentlichungen soll in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.
92 Vgl u.a. von Hayek, 1945: The Use of Knowledge in Society. Hierin S. 5: "... the knowledge of the circumstances which we must use never exists in concentrated or integrated form but solely as the dispersed bits of incomplete and frequently contradictory knowledge which separate individuals possess." Oder S. 8: "... that practically every individual has some advantage over all others because he possesses unique information of which beneficial use might be made only if the decisions depending on it are left to hirn or are made with his active co-operation."
93VonHayek,1952,S.I07.
D. Normative Institutionenökonomik
78
gen für den einzelnen, da er erkennt, daß sein individueller Beitrag zum kollektiven Handeln erwünscht und notwendig ist. Die Einbindung des einzelnen Individuums in den Konsens hat also einen normativen und einen positiven Aspekt: Menschen verstehen sich einerseits als moralische Subjekte, andererseits hat ihre Einbindung aber auch ganz konkrete Motivationsfolgen, die die Produktivität kollektiver Arrangements erhöhen, und durch die Zustimmung aller wird das mögliche Zerstörungspotential der Individuen aufgefangen 94 . Dabei ist die Partizipation jedes einzelnen Individuums zumindest für die Realität demokratischer Gesellschaften nicht wörtlich zu nehmen. Es müssen wichtige Unterscheidungen zwischen der Ebene der theoretischen Rekonstruktion des Legitimationskonzeptes Demokratie bzw. des Konsensparadigmas und der Ebene der Empirie beachtet werden. Darauf weist Homann 95 hin: Für ihn ist der Konsens die Norm. Alles kollektive Handeln wird im Rahmen der neueren Vertragstheorie im Paradigma des Vertrages bzw. der freiwilligen Kooperation gedacht. Als Randbedingung muß aber zu der Norm des Konsenses auch die Knappheit mitbedacht werden. Knapp sind alle Ressourcen, insbesondere die Zeit, die bis zur Erreichung eines Konsenses verstreichen kann. Als Resultat aus Norm Konsens und Randbedingung Knappheit ergeben sich die realen Organisationsformen der Demokratie, wo in vielen einzelnen Entscheidungen auf den Konsens als Entscheidungsregel verzichtet werden muß96. Daher haben auf der Ebene der Empirie auch praktisch alle Entscheidungen ein systematisches Legitimationsdefizit. Nur auf der Ebene der Verfassungsentscheidungen muß ein (hypothetischer) Konsens verwirklicht werden, in postkonstitutionellen Entscheidungen dagegen wird aufgrund der hohen Entscheidungskosten auf das Erreichen von Konsens verzichtet. Demokratie wird definiert als "Organisationsform, deren Zweck es ist, kollektives Handeln unter gleicher Berücksichtigung der legitimen Interessen aller Beteiligten" (deutlicher wäre: "aller Betroffenen", Zusatz der Verfasserin) "zu organisieren"97. Demokratie dient dabei der Kostensenkung im sozialen Zusammenleben. Einerseits sollen
94 Auch Williamson 1984, S. 59ff widmet bei der Diskussion seiner Verhaltensannahmen einen Abschnitt der "dignity" und zeigt damit. daß auch er die Qualität der Menschen als moralische Subjekte anerkennt: "Reference to transaction cost economizing without regard to dignity encourages the view that individuals be considered strictly as instruments." 95 Vgl. insgesamt Horrumn 1988, S. I 59ff für die folgende Argumentation. 96 Vgl. auch Buchanan. 1987c, S. 161: "It is necessary to distinguish carefully between agree-
ment or unanimity as a test for an 'efficiency-enhancing-trade' and unanimity as adecision rule .... That is to say, the 'efficient' decision rule may be such that specific outcomes need not meet the consensus test." 97
Horrumn, 1988, S. 160.
III. Demokratiekonzeption
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durch das Konsensprinzip bzw. durch die Rückbindung an dieses Prinzip die Diskriminierungskosten gesenkt werden, andererseits werden durch die Organisationsformen der Demokratie (Mehrheitsentscheidung, Wahlen, Repräsentation durch das Parlament, Parteien usw.) aber auch die realen Entscheidungskosten berücksichtigt. In realen Entscheidungssituationen wird daher häufig auf Konsens verzichtet werden (müssen), weil auch die Kosten der Entscheidungsfindung bzw. die Kosten des Nicht-Zustandekommens von Entscheidungen berücksichtigt werden. Eine weitere Unterscheidung zwischen Theorie und Empirie der vertragstheoretischen Demokratiekonzeption (wobei die empirische Ebene letztlich für eine Politikberatungskonzeption entscheidend ist) betrifft den Vergleichspunkt, gegenüber dem sich eine von einem Politikberater vorgeschlagene Regelung als pareto-superior erweisen muß. Auf der Ebene der Empirie ist dieser Vergleichspunkt der status quo. Alle Vorschläge für institutionelle Reformen, die ein Politikberater in der Realität in die Diskussion einbringt, werden sich an den historisch gewachsenen Zuständen ausrichten und nicht von einem fiktiven Nullpunkt ausgehen 98 . Auf der Ebene der theoretischen Rekonstruktion jedoch müßte jede einzelne kollektive Handlung isoliert nur unter dem Aspekt betrachtet werden, ob Konsens erzielt werden kann oder nicht. Wenn daher eine Regeländerung nicht die jeweils erforderliche Zustimmung erhält, kann daraus umgekehrt nicht geschlossen werden, daß der status quo legitim ist. Dennoch ist für eine Politikberatung, die die realen Zustände in einer Gesellschaft oder in einem Unternehmen verbessern will, der sog faktische Konsens, der die tatsächliche, empirisch vorgefundene Anfangsausstattung der von einer institutionellen Reform Betroffenen berücksichtigt, der einzig mögliche Weg.
2. Von der Ergebnis- zur Prozeßorientierung: Vom Effizienz- zum Konsensparadigma
Der Wechsel von der Ergebnis- zur Prozeßorientierung, der sich schon in der Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik gezeigt hatte, wird auch auf der normativen Ebene der Demokratiekonzeption deutlich. Aus ihrer vertragstheoretischen Demokratiekonzeption und der Annahme des normativen Individualismus ergibt sich, daß die normative Institutionenökonomik die ergebnisorientierte Ausrichtung traditioneller Konzepte der Politikberatung
98 Aufderheide, 1994, S. 42ff unterscheidet fiktiven und faktischen Konsens folgendermaßen: Der fiktive Konsens geht von der Basis einer für alle gleichen Ressourcenausstattung und einem Schleier der Ungewißheit über die eigene zukünftige Position aus. Beim faktischen Konsens wird dagegen die empirisch vorgefundene Ressourcenausstattung als Ausgangspunkt berücksichtigt.
80
D. Normative Institutionenökonomik
zugunsten eines prozeß- bzw. verfahrensorientierten Ansatzes aufgeben muß99. Nicht mehr die Effizienz von Ergebnissen, das Erreichen des Maximums der gesellschaftlichen Wohlfahrt, wie in der traditionellen Wohlfahrtsökonomie ist entscheidendes Kriterium und Ziel der Politikberatung im Sinne der normativen Institutionenökonomik. An die Stelle des Effizienzparadigmas tritt das Konsensparadigma: Der Konsens über Regeln und damit die Zustimmungsfähigkeit pareto-superiorer Verbesserungen wird zum Kriterium legitimer Politik 1oo • Prozeß- und nicht mehr Ergebniskriterien sind in der kontrakttheoretischen Perspektive entscheidend für die Legitimität von institutionellen Arrangements lOl . Insofern entspricht die normative Institutionenökonomik dem Habermasschen Diskursprinzip, als auch dieses genau für die Normen Geltung beansprucht, die die Zustimmung aller potentiell Betroffenen in rechtlich institutionalisierten Verfahren diskursiver Meinungs- und Willensbildung erhalten lO2 • Coase kann mit seinem Aufsatz von 1960 zum "Problem of Social Cost" in diesem Zusammenhang als Vorläufer bzw. Begründer der modernen Institutionenökonomik angesehen werden. Er wendet sich - zumindest in seiner positiven Analyse - bereits von der Ergebnisorientierung ab und betont die Wichtigkeit rechtlich-institutioneller Arrangements, die ja zunächst einmal Prozesse und nicht direkt Ergebnisse steuern. Der Kern seines Aufsatzes besteht in dem Nachweis, daß zwar ohne Transaktionskosten die optimale Lösung aus der
99 Dadurch versucht sie auch die Kritik Ostroms (Ostrom, 1990, S. 250f) an der Demokratie aufzugreifen. Dieser sieht einen sog. 'cognitive bias' der Demokratie in ihrer "preoccupation with results - payoffs - to the neg1ect of means - forms, the institutional arrangements for the structuring of human communication in due deliberation, the elucidation of information and the shaping of a common understanding appropriate to the resolution of conflict and taking collective actions". HM) Buchanan, 1987c, S. 160: "The fact that, given the institutional structure postulated, outcomes are reached through an exchange-contract process open to all entrants is the criterion for efficiency of those outcomes, the only one that is available without resort to some objectivist standard". Und weiter auf S. 163: "In the subjectivist-contractarian perspective, 'efficiency' cannot be said to exist except as determined by the process through which results are generated, and criteria for evaluating patterns of results must be applied only to processes. " Zwar sind die Individuen letztlich immer an den für sie relevanten Ergebnissen interessiert, aber durch den Rückgang auf Regeln liegen die singulären Ergebnisse im Dunkeln. Die Zustimmung der individuen zu den Regeln wird daher von den durchschnittlich und langfristig für das Individuum - nicht das Kollektiv - zu erwartenden Ergebnissen abhängig gemacht. Vgl. auch Aufderheide, 1994, S. 48.
101 VanberglBuchanan, 1989, S. 56: "The contractarian notion and the dialogue notion of agreement both imply a procedural criterion - as opposed to an outcome criterion - of legitimacy". 102 Habermas, 1992, S. 161 und S. 165. Auch Habermas, 1991, S. 38: "Damit verschiebt sich die Beweislast von der Moral der Bürger auf solche Verfahren der demokratischen Meinungs- und Willensbildung, die die Vermutung, vernünftige Resultate zu ermöglichen, begründen sollen."
III. Demokratiekonzeption
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Wohlfahrtsökonomie zustande kommen könnte lO3 • Da aber in der Realität immer Transaktionskosten auftreten, können wir nicht ein irgend wie geartetes Optimum einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion, ein Ergebnis also, direkt anstreben, sondern müssen in mikroökonomischen Kalkülen, in Interaktionen zwischen Individuen denken. Hierbei brauchen wir das Recht, rechtliche Regelungen, die die Prozesse, und das heißt die generellen Resultate, und nicht Einzelresultate, ins Zentrum der Betrachtung stellen. Coase hat damit durch seinen Aufsatz die ökonomische Analyse des Rechts, die ökonomische Organisationstheorie und die Property-Rights-Ökonomik, das heißt grundlegende Bausteine der modernen Institutionenökonomik, maßgeblich beeinflußt, wenn nicht sogar begründet!04. Er hat einen bedeutenden Schritt für die Institutionenökonomik getan, weil er an konkreten Beispielen (Fällen mit negativen externen Effekten) zeigte, daß man eine ökonomische Analyse der Wirkungen von "sozialen Arrangements" (=Institutionen, also Regeln für das Zusammenleben der Menschen) braucht, um wirtschaftspolitische (bzw. rechtliche) Empfehlungen zur Lösung von Externalitätenproblemen abgeben zu können. Zwar kann Coase damit in seinem positiven, auf Interaktionen zugeschnittenen Analyseansatz als moderner Ökonom im Sinne der Institutionenökonomik gelten, im normativen Bereich ist er aber doch noch stark am Effizienzparadigma, und damit an einem "vormodernen" Ansatz orientiert. Den Schritt zum Konsensparadigma vollzieht er nicht. Coase bleibt letztlich dem Paradigma der traditionellen Wohlfahrtsökonomik verhaftet, obwohl er diese selbst ja heftig kritisiert 105. Ganz zu Beginn seines Aufsatzes weist er darauf hin, daß das Externalitätenproblem "sowohl als Total- als auch als Marginalproblem betrachtet werden muß"I06, was auf den Ansatz einer Optimierungslösung und damit auf das Effizienzparadigma hindeutet. Auch verwendet er immer wieder Begriffe wie "Maximierung des Wertes der Produktion" oder "Vergleich der erwirt103 Auch Bonus, 1994, S. 38 spricht in diesem Zusammenhang von der "am gründlichsten mißverstandenen Arbeit von Coase". Denn "gerade indem Coase von den Transaktionskosten abstrahierte, meinte er deren fundamentale Bedeutung für den Entwurf geeigneter Institutionen zu demonstrieren. " 104 Coase zeigt, wie rechtliche Regelungen die Effizienz des ökonomischen Systems beeinflussen (Coase, 1960, S. 165). Auch sagt er, daß es darum gehen muß, die effiziente Organisationsform zur Internalisierung externer Effekte zu finden. Dabei können zur Internalisierung sowohl private, marktliche als auch unternehmensinterne oder auch staatliche Regelungen angebracht sein. Es kommt darauf an, das jeweils kostengünstigste Arrangement zu wählen (Coase, 1960, S. 168). Coase verwendet zwar nie selbst den Begriff Property-Rights, aber es wird aus dem Zusammenhang klar, daß er genau dies meint, wenn er von 'legal entitlements' oder 'social arrangements' spricht.
105 In Abschnitt VII und VIII seine Aufsatzes wird seine Kritik an Pigou und der Pigouschen Tradition deutlich (S. 179ff).
!06
Coase, 1960, S. 149.
6 von Wulffen
D. Nonnative Institutionenökonomik
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schafteten Sozialprodukte"107, die andeuten, daß er trotz aller Kritik immer noch stark nach dem gesamtwirtschaftlich effizienzorientierten Ergebniskalkül der Wohlfahrtsökonomik argumentiert. Coase sieht, daß die Zuschreibung von Property Rights, die Reziprozität in seinem Konzept, ein Nullsummenspiel beinhaltet. Der dadurch auftretende Konflikt wird aber bei ihm - im Gegensatz zum Ansatz von Buchanan und der normativen Institutionenökonomik - nicht über eine langfristige Kompensation (am Markt, durch soziale Absicherung und vor allem durch Regeln) gelöst, sondern über die gesamtwirtschaftliche Effizienz, die sichergestellt werden muß. Man könnte zwar an vielen Stellen des Aufsatzes von Coase die von ihm noch im Effizienzparadigma formulierten Aussagen gemäß dem Konsensparadigma reformulieren, ohne seine Grundaussage zu verfälschen lO8 , aber grundsätzlich denkt Co ase im normativen Bereich nach dem Muster gesamtwirtschaftlicher Effizienz. An manchen Stellen wird jedoch in den Formulierungen von Coase auch deutlich, daß er das Wissenschaftsverständnis der Wohlfahrtsökonomik kritisiert und nicht mehr das Optimum einer sozialen Wohlfahrtsfunktion, das Pareto-Optimum also, anstrebt, wie dies eben die traditionelle Wohlfahrtsökonomie getan hat, sondern sich - wie die moderne Institutionenökonomik - auf mögliche Verbesserungen des status quo, also auf Pareto-superiore Zustände bzw. Regeln, konzentriert 109 • Die positiven Analyseansätze von Coase passen also durchaus in das Paradigma der normativen Institutionenökonomik. Auf der normativen Seite bleibt er jedoch noch zu stark dem wohlfahrtsökonomischen Effizienzparadigma verhaftet, den konsequenten Schritt zu einem vertragstheoretischen Konsensparadigma geht er nicht. Damit kann Coase aber dennoch für die positive Analyse als einer der Begründer eines nach dem institutionenökonomischen Paradigma ausgerichteten Konzeptes von ökonomischer Politikberatung angesehen werden.
107
Coase, 1960, S. 163, 186.
108 Coase,
1960, S. 164: "Natürlich, falls solche Transaktionen kostenlos sind, werden solche Änderungen immer dann vorgenommen, wenn dies zu einer Produktionswertsteigerung führt." Der Sinn der Aussage von Coase bleibt erhalten, wenn man sagt: ... werden solche Änderungen immer dann vorgenommen, wenn dies im beiderseitigen Interesse liegt. 109 Coase, 1960, S. 197: "Ein besserer Problemzugang besteht wohl darin, von einer Situation auszugehen, die annäherungsweise der Realität entspricht, die Wirkungen einer vorgeschlagenen Regelungsänderung zu untersuchen und den Versuch einer Entscheidung zu unternehmen, ob alles in allem die neue Sachlage besser oder schlechter ist als der Ausgangspunkt."
IV. Diskursivität
83
IV. Die Diskursivität der normativen Institutionenökonomik 1. Die Funktionen öffentlicher Diskursprozesse
Das Konsensparadigma der normativen Institutionenökonomik ist als theoretisches Konstrukt, als Heuristik zu verstehen, die die Suche des Politikberaters nach institutionellen Reformen anleitet. Der Konsens aller Betroffenen ist nur ein theoretisch-hypothetischer, aus ihm können keine konkreten Verpflichtungen abgeleitet werden I 10. Im politischen Entscheidungsprozeß wird der als Gedankenexperiment vom Politikberater vorgenommene Konsenstest dann aber auf eine diskursive Probe gestellt, in der sich zeigen muß, ob sich die vorgeschlagenen Reformen im Wege der politischen Entscheidungsfindung auch durchsetzen lassen II I. In der Realität ist nicht mehr der hypothetische Konsens, sondern die empirische Akzeptanz der Maßnahmen durch die Betroffenen entscheidend I 12. Um einen faktischen Konsens der Individuen aber überhaupt prinzipiell zu ermöglichen, ist es notwendig, daß der Politikberater die politischen Probleme von vorne herein als Nicht-Nullsummenspiele konzeptualisiert. Denn nur dann wird gewährleistet, daß nicht ein Individuum durch eine institutionelle Neuordnung verliert, was ein anderes gewinnt, worin das erste natürlich niemals freiwillig einwilligen würde. Wird ein politisches Problem von vorne herein als Nullsummenspiel konzeptualisiert, dann ist ein Konsens auf jeden Fall ausgeschlossen. Wird es aber als Positivsummenspiel, oder zumindest als Nicht-Nullsummenspiel vom Politikberater rekonstruiert, d.h. sind zumindest langfristig allseitige Kooperationsgewinne möglich, dann ist ein Konsens der betroffenen Individuen - auch wenn man von der Homo-OeconomicusAnnahme ausgeht - zumindest möglich. Um eine Nullsummenkonzeption in eine Nicht-Nullsummenkonzeption zu überführen, ist in der Regel die Veränderung des Zeithorizontes der Betrachtung des politischen Problems notwendig: So können kurzfristige Nullsummenspiele (z.B. ein kurzfristiger Einkommensverlust einer Gruppe) häufig in längerfristige Positivsummenspiele (z.B. der längerfristige Arbeitsplatzerhalt) transformiert werden. Eine solche Transformation ist auch durch Kompensationslösungen im Sinne einer sozialen Absicherung oder über kompensatorisch wirkende andere allgemeine Regeln denkbar. 110 Vgl. Aufderheide, 1994, S. 51: "... auch der hier so genannte faktische Konsens ist selbstverständlich ein hypothetischer ... ". 11I
Pies, 1993, S. 193.
Hardin, 1990, S. 47 greift diese Problematik des Gegensatzes von theoretischem Konsens und empirischer Akzeptanz auf, bei ihm allerdings als Kritikpunkt an der vertragstheoretischen Perspektive verstanden: "Much of the way the institutions will work will be a function of how they can be made to work in the context of real people with their complex motivations and incentives. Therefore, the institutions will grow in important ways rather than simply be designed." 112
6"
D. Normative Institutionenökonomik
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Der Erfolg ökonomischer Politikberatung in modernen demokratisch verfaßten Marktwirtschaften hängt nämlich entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die Wirkungen von Regeländerungen auf die potentiellen Verlierer einer institutionellen Reform zu berücksichtigen, die in der Lage sind, jegliche Veränderungen zu blockieren ll3 • Im Rahmen einer Konzeption der Politikberatung müssen die Prozesse mitbedacht werden, durch die ein hypothetischer Konsens in eine empirische Akzeptanz bei den einzelnen, von der kollektiven Entscheidung Betroffenen umgesetzt werden kann. Institutionelle Regeln und Arrangements zur Gestaltung gesellschaftlicher Zustände können nur erfolgreich sein, wenn ihr Sinn und Zweck sowie die allgemeine Vorteilhaftigkeit von den betroffenen Individuen auch verstanden und akzeptiert wird. Hier sind öffentliche Diskussionsprozesse, die Verantwortung der Medien, der gesamte Informations- und Kommunikationsprozeß zwischen Berater und Öffentlichkeit zu nennen. Ökonomische Politikberatung ist nämlich sinnlos, wenn sie der Öffentlichkeit nicht nahe gebracht wird ll4 • Öffentliche Diskursprozesse ll5 sind daher notwendig, um die kritische Öffentlichkeit, die betroffenen Individuen, über die Konzeptualisierung des politischen Problems durch den Berater zu informieren. Darüber hinaus dienen sie dazu, die Betroffenen über die Notwendigkeit und den Nutzen der institutionellen Neuordnung aufzuklären ll6 • Die öffentlichen Diskursprozesse machen evtl. notwendige Veränderungen der institutionellen Arrangements ersichtlich, sie initiieren und kommunizieren sie.
1I3
Vgl. Aufderheide, 1994, S. 53.
Frey, 1981, S. 373 und FreylKirchgässner, 1994, S. 459, sehen verschiedene Möglichkeiten, um die Vermittlung der Vorschläge der Berater an die Öffentlichkeit zu sichern: "Eine staatliche Institution kann von privaten Rundfunk- und Fernsehsendern Zeit zum Ausstrahlen entsprechender Sendungen kaufen. Privaten und öffentlichen Sendern können entsprechende Vorschriften auferlegt werden. Bei einem regulierten staatlichen Monopol von Rundfunk und Fernsehen kann ein genereller Auftrag zur Orientierung über Grundsatzfragen der Wirtschaft und Gesellschaft vorgesehen werden." ll4
lI5 Ueberhorst, 1986, zeigt anhand eines konkreten Beratungsprozesses zur Gestaltung der Hamburger Energiepolitik beispielhaft auf, wie eine "diskursive Gestaltung politischer Kontroversen" (S. 6) aussehen kann, damit die geforderte "Kommunikationsgemeinschaft von Bürgern, Wissenschaftlern und Politikern" (S. 16) möglich wird. Damit wertbezogene Entscheidungen in einer demokratischen Gesellschaft intersubjektiv vermittelbar und gesellschaftlich legitimiert sein können, fordert er die Entwicklung prozeduraler Maßstäbe und die Schaffung der institutionellen Voraussetzungen, welche eine "hinreichend diskursive, politisch-wissenschaftliche Erörterung der verschiedenen Alternativen in der Öffentlichkeit und in den gesetzgebenden Körperschaften gewährleisten" (S. 23).
ll6 Hermann Krings hat in diesem Sinne formuliert: "Berater sind immer Aufklärer, und Aufklärung stellt fast immer eine öffentliche Betätigung dar" (zitiert nach SZ Nr. 222 vom 25.9.93, S. 18: Freiheitsphilosophie, Hermann Krings wird 80).
IV. Diskursivität
85
Es sind also zwei Aufgaben, die öffentliche Diskursprozesse erfüllen müssen: I. Sie können die Einschätzung des einzelnen Individuums über seine individuelle Kosten- und Nutzenposition verändern. Änderungen der individuellen Kosten-Nutzen-Schätzungen werden auf soziale Interaktionen und die sie begleitenden Diskurse zurückgeführt. Kommunikation wird somit im Politikberatungsansatz der normativen Institutionenökonomik konsequenterweise als Veränderung der Restriktionen, der individuellen Kostenrelationen im opportunity set, und nicht als Veränderung der Präferenzen der Individuen konzipiert. Über öffentliche Diskursprozesse muß versucht werden, die Akzeptanz der institutionellen Arrangements bei den Individuen zu erreichen, weil das Nichtdurchschauen und Nichtverstehen des Sinnes der institutionellen Gegebenheiten zu Widerstand und evtl. zu ihrer Abschaffung führt. Gerade in den geschilderten Dilemmasituationen ist dabei eine permanente Aufklärung der Individuen notwendig. Wenn Aufklärung im Sinne der Erzeugung eines Lerneffektes nämlich darin besteht, daß ein kollektives Gut geschaffen wird, das Trittbrettfahren ermutigt, dann haben wir es mit einem sozialen Dilemma zu tun, und die Aufklärung ist "prekär"117, d.h. nicht stabil. Die Aufklärung muß daher permanent erneuert werden. 2. Öffentliche Diskursprozesse dienen auch der Information des politischen Beraters über die Struktur der politischen Probleme, die dieser benötigt, um die Problemsituationen nach seiner Heuristik rekonstruieren und sinnvolle institutionelle Arrangements als Lösungen vorschlagen zu können. Der Berater erfährt durch den Diskurs, wie die Öffentlichkeit be-
117 Lindenberg, 1986 und 1986a, hat die Unterscheidung zwischen prekärer und robuster Aufklärung eingeführt. Er spricht von robuster Aufklärung, wenn die Aufklärung eine nur neue Koordination von Überzeugungen und von Handeln zustande bringt (z.B. im Falle von Verkehrsregeln). In Gefangenendilemmasituationen hat man es dagegen mit prekärer Aufklärung zu tun, weil es immer einen Anreiz zu individuellem Abweichen, zum Defektieren gibt. Nur informelle Regeln sind dabei jedoch prekär; Regeln müssen sanktionsbewehrt sein, um robust zu werden. Dies bedeutet nicht notwendigerweise eine verstärkte Regulierung. Zum Beispiel erleichtert eine Vereinfachung des Steuersystems die Kontrolle und damit die Sanktion bei Regelverstoß, obwohl es eine Deregulierung bedeutet.- Eine andere Art von "prekärer Aufklärung" (ohne direkt von Aufklärung zu sprechen) beschreibt Heiner, 1990: Er zeigt, daß Akteure aus Unsicherheit Regeln befolgen. Weil ein sog. "c-d-gap", eine Differenz zwischen der Kompetenz eines Akteurs (competence) und der Schwierigkeit eines Problems (difficulty) auftritt, optimiert bzw. maximiert der Akteur nicht in jeder Entscheidungssituation, sondern er befolgt Regeln, obwohl ein Abweichen von der Regel eventuell zu besseren Ergebnissen führen würde. Nimmt nun aber nach Heiner die "self-recognition" bzw. die "mental ability" des Agenten zu, so kann das "producing a tendency to deviate from previously followed rules" (S. 38). Eine solche mögliche negative Wirkung von Aufklärung bzw. Lernen des Individuums wird im Zusammenhang dieser Arbeit jedoch nicht weiter beachtet.
86
D. Normative Institutionenökonomik
stimmte Probleme wahrnimmt. Eventuell können nämlich framingEffekte auftreten, die der Berater bei der Konzeption institutioneller Lösungsvorschläge berücksichtigen mußIIS. Die öffentlichen Diskursprozesse dienen für den Berater als Entdeckungsverfahren, um im Wettbewerb von Argumenten - zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit institutionelle Arrangements aufzudecken, die zu pareto-superioren Zuständen, zu zustimmungsfähigen produktiven Interaktionen führen können. Diskursivität wird also im Ansatz der normativen Institutionenökonomik als "Zweibahnstraße" verstanden, als zweiseitiger Kommunikations- und Informationsprozeß zwischen Berater und Öffentlichkeit. Auch die Diskursivität kann wie das Konsensprinzip sowohl normativ gefordert als auch positiv begründet werden: Einerseits muß durch die Diskursprozesse das Selbstverständnis der Individuen als moralische Subjekte berücksichtigt werden, andererseits führt der öffentliche Diskurs aber auch zu Erkenntnisgewinn und hat positive Motivationsfolgen. Da das Wissen in der Gesellschaft nur dezentral bei den einzelnen Individuen vorhanden ist, kann ein öffentlicher Diskurs gesellschaftliche Produktivität (Entdecken von Problemstrukturen, Auffinden neuer Lösungen) freisetzen. Die Beteiligung der einzelnen an einem solchen Diskurs fördert aber auch deren Zustimmung und Akzeptanz und damit ihre Motivation, an kollektiven Arrangements teilzunehmen. Die Diskursivität spielt auch im Ansatz von Habermas diese zweifache Rolle. Für ihn ist es unerläßlich, daß die sozialstaatlichen Massengesellschaften das "Gebot einer politisch fungierenden Öffentlichkeit" ernst nehmen I19. Ein "diskursiv ausgetragener Meinungsstreit" 120, ein "kritischer Prozeß öffentlicher Kommunikation"121 muß in Gang gesetzt werden, um moderne demokratische Gesellschaften überhaupt funktionsfähig zu halten. Der von Habermas geprägte Diskursbegriff der Demokratie vertraut auf die "politische Mobilisierung und Nutzung der Produktivkraft Kommunikation"122, um konflikurächtige gesellschaftliche Materien rational, im gemeinsamen Interesse der Betroffenen zu regeln. Er sieht, daß öffentliche Diskurse die Macht haben, Themen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz zu entdecken, Werte zu interpretieren, Beiträge
IIS Ein wichtiger framing-Effekt ist z.B. der sog. loss-frame: Vorrangiges Ziel von Akteuren ist es, einen möglichen Verlust zu vermeiden. Berücksichtigt ein Politikberater das Vorhandensein des loss-frames, so versucht er, die Situation so zu rekonstruieren, daß Nullsummenspiele vermieden werden (vgl. Lindenberg, 1992, S.8). 119
Habermas, 1991, S. 33.
120 Habermas, 1991, S. 21. 121 Habermas, 1991, S. 33. m Habermas, 1991, S. 39.
IV. Diskursivität
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zu Problemlösungen zu leisten uswY3, Aufgaben also, die eine Konzeption demokratischer Politikberatung unbedingt auch berücksichtigen muß. Die Diskurse herrschen zwar nach Habermas selbst nicht, erzeugen aber eine "kommunikative Macht, die die administrative nicht ersetzen, sondern nur beeinflussen kann. Dieser Einfluß beschränkt sich auf die Beschaffung und den Entzug von Legitimation."124 Auch bei ihm stehen also Erkenntnisgewinn und Information als positive Funktionen der Diskursivität neben dem normativen Kriterium der Legitimation, das wiederum aber positive psychologische Folgen (Motivation) hat l25 • Aufgabe eines ökonomischen Beratungskonzeptes ist es, einerseits die Bedeutung der diskursiven Prozesse der Politik aufzuzeigen, andererseits aber auch, die Möglichkeit ihrer Durchführung nachzuweisen und sie durch Verfahrens- und Methodenvorschläge (wiederum durch institutionelle Gestaltung) zu fördern.
2. Die Unterscheidung zwischen Aufklärung und Steuerung
Albert hat in einem grundlegenden Aufsatz von 1972 126 Gesellschaft, Wissenschaft und Politik aus der Perspektive des kritischen Rationalismus beleuchtet. Es ging ihm dabei um die "Frage nach der Rolle, die die Erkenntnis für die Lösung praktischer - und damit auch politischer - Probleme spielen kann" 127. Dies bezeichnet auch genau die Frage, die die vorliegende Arbeit behandeln 123
Habennas, 1991, S. 44.
124
Habennas, 1991, S. 44.
Während Habermas einen politikwissenschaftlichen Ansatz verfolgt, baut Siegenthaler, 1993, den Gedanken der Diskursivität und die Bedeutung von Kommunikationsprozessen in einen rein ökonomischen Ansatz zur Erklärung von Konjunkturschwankungen ein. Er unterscheidet zwischen Phasen der Strukturstabilität, in der sich eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen gegebener kognitiver Regelsysteme und gegebener Institutionen vollzieht, und Phasen der Krise, in denen das Vertrauen in die Regeln und Institutionen verloren geht. Der Erwerb von neuen kognitiven Regelsystemen und neuen Institutionen - das sog. fundamentale Lernen vollzieht sich diskontinuierlich im Kontext von Krisen. Fundamentales Lernen geschieht nun als Lernen in Gemeinschaft, als soziales Lernen. Eine soziale Organisation formiert sich nämlich in Krisen, weil sie dem Aktor den Rückhalt bietet, den er zum Erwerb neuen Regelvertrauens braucht. Prozesse fundamentalen Lernens werden im Gespräch mit anderen vollzogen. Das Individuum bleibt dabei ein Homo Oeconomicus, es wird als Homo Oeconomicus zu einem kommunikativen Wesen. Siegenthaler hält also im Gegensatz zu Habermas am Ökonomischen Handlungsmodell fest, er schließt in dieses die Kommunikationsbedürftigkeit der Aktoren immer schon ein. 125
126 ALbert, 1972: Aufklärung und Steuerung, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik in der Perspektive des kritischen Rationalismus. 127
Albert, 1972, S. 17.
D. Normative Institutionenökonomik
88
will: Wie kann der wissenschaftliche Ansatz der normativen Institutionenökonomik von einem Politikberater zur Lösung gesellschafts- und unternehmenspolitischer Probleme fruchtbar gemacht werden? Für Albert gibt es zwei Weisen der Orientierung von Resultaten der Wissenschaft für die Probleme der gesellschaftlichen Praxis: Aufklärung und Steuerung 128 • Mit diesen bei den Begriffen kann auch die Rolle des Politikberaters in der normativen Institutionenökonomik umschrieben werden. Die Diskursivität der normativen Institutionenökonomik zeigt sich dabei insbesondere in ihrem Beitrag zur Aufklärung der demokratischen Öffentlichkeit. Der Politikberater, der nach der Konzeption der normativen Institutionenökonomik vorgeht, wendet sich nicht - wie die traditionelle wohlfahrtsökonomische Beratung - an den einzelnen Politiker, sondern direkt an eine kritische Öffentlichkeit l29 • Da der Adressat der Politikberatung nicht mehr der einzelne Politiker ist, der im Rahmen gegebener Regeln seine Spielzüge optimieren will, sondern alle Betroffenen, die im Rahmen zu definierender Spielregeln zusammenleben müssen, liegt der normativen Institutionenökonomik auch ein anderer Begriff von Politik zugrunde. Politik wird nicht mehr verstanden als 'Verwirklichung von Zielen' der Politiker, sondern als Organisierung kollektiven HandeIns durch die und in den politischen Institutionen einer Gesellschaft. Politische Entscheidungen werden somit nicht mehr als Einsatz von Optimierungsmechanismen durch Politiker, sondern als Koordinationsmechanismen zwischen verschiedenen Individuen verstanden 130 . Dabei wird Politik - ähnlich wie das Aufeinandertreffen von Geschäftspartnern am Markt - im Tauschparadigma gedacht. Politische Probleme umfassen Probleme der wechselseitigen Verknüpfung des HandeIns von Individuen durch Austauschprozesse, die allen Beteiligten Vorteile versprechen l31 . Aufgabe des Politikberaters ist es in diesem Zu-
12R
Albert, 1972, S. 19.
Buchanan, 1987b, S. 585: "The constitutional economist, precisely because the subject matter is the analysis of alternate sets of rules, has nothing to offer by way of policy advice to political agents who act within defined rules ... the whole exercise is aimed at offering guidance to those who participate in the discussion of constitutional change." Buchanan vertritt dabei ein elitäres Konzept, er versteht unter der sog. "continuing constitutional convention" die Gruppe von Wissenschaftlern oder Verfassungsrechtlern, die an der pennanenten Verfassungsdiskussion teilnehmen. Die nonnative Institutionenökonomik will diese Basis verbreitern und die gesamte kritische Öffentlichkeit, jeden, der - zu erträglichen Kosten - teilnehmen will, einbeziehen, weil sie erkennt, daß jedes einzelne von einer kollektiven Entscheidung betroffene Individuum in modemen Dilemma- bzw. Ausbeutungsstrukturen die Macht hat, das kollektive Arrangement zu kippen (vgl. Sei te 64 ff). 129
130
Vgl. Aufderheide, 1994, S. 48.
Buchanan, 1987a, S. 246 umschreibt das Tauschparadigma: "Politics is a structure of complex exchange among individuals, a structure within which persons seek to secure cOllectively their 131
IV. Diskursivität
89
sammenhang, den Beteiligten deutlich zu machen, inwiefern solche produktiven Tauschprozesse möglich sind, die Kooperationsgewinne hervorbringen und nicht in Nullsummenspielen enden. Der Politikberater klärt die betroffenen Individuen auf über produktive Interaktionsmöglichkeiten und zeigt, welche Blockaden in den institutionellen Strukturen beseitigt werden müssen, die solchen Interaktionen im Wege stehen. Solche Blockaden sind auf die bereits beschriebenen Ausbeutungsgefahren zurückzuführen, die in asymmetrischen Interaktionsstrukturen begründet liegen. Die Politikblockaden sind nur aufzulösen, wenn es gelingt, "in öffentlichen Diskursen Gesellschaft als Unternehmen der Zusammenarbeit zum wechselseitigen Vorteil mit Kooperationsgewinnen prinzipiell für alle deutlich werden zu lassen und Probleme wie Umwelt, Frieden, Dritte Welt, Migrationen usw. so anzugehen, daß langfristig Paretosuperiore Regelungen entstehen können" 132. Die normative Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption will die Einsicht der Bürger in grundlegende Funktionszusammenhänge der modernen Gesellschaft und in die modernen Situationsstrukturen ( in die Dilemma- und Ausbeutungssituationen eben) erhöhen. Die Aufgabe der Aufklärung umfaßt nach Albert allgemein, "die in der Gesellschaft vorherrschenden Auffassungen, vor allem auch insoweit sie für Einstellungen und Handlungen - zum Beispiel politisches Verhalten - bedeutsam sind, einer sachlich fundierten Kritik zu unterwerfen und auf diese Weise zu ihrer Revision ... beizutragen" 133. Für die normative Institutionenökonomik besteht ihr Aufklärungsauftrag darin, Informationen über Eigenschaften alternativer Regelarrangements in gesellschaftliche Politikdiskurse einzuspeisen 134, um dadurch zur Rationalisierung dieser Diskurse zu verhelfen. Politische Argumente werden in ökonomische Kategorien übersetzt, um dadurch zu ihrer Klärung beizutragen: Die ökonomische Erklärung, wie sich institutionelle Reformen auf individuelle Kosten-Nutzen-Kalküle auswirken, läßt sich in politische Aufklärung über die Notwendigkeit gesellschaftlicher institutioneller Reformprozesse umsetzen. Der Politikberater hat die Aufgabe, die kritische Öffentlichkeit über die Möglichkeiten pareto-superiorer Regelverbesserungen zu informieren. Dabei werden die Vorschläge zu institutionellen Reformen nicht objektivistisch aus der Sicht des Wissenschaftlers, sondern vom Wissenschaftler aus der Sicht der Betroffenen, also subjektivistisch, beurteilt 135 •
own privately defined objectives that cannot be efficiently secured through simple market exchanges." 132
Hornann, 1993a, S. 16.
133
Albert, 1972, S. 19.
134
Pies, 1993, S. 121.
135
Pies, 1993, S. 134.
D. Normative Institutionenökonomik
90
Die normative Institutionenökonomik kann die Wirkungsmöglichkeiten für menschliches Handeln im Hinblick auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Institutionen und damit auf die Bewältigung praktischer Probleme aufzeigen. Da politische Probleme primär Institutionenprobleme sind, muß ihre Lösung auch in der Veränderung der Institutionen als Produkt politischer Gestaltung liegen. Der Politikberater, der der Öffentlichkeit politisches Steuerungswissen an die Hand geben will, versteht sich als 'institutional design specialist'l36. Seine Rolle besteht darin, potentielle Regeländerungen zu entdecken und Vorschläge zu Reformen institutioneller Arrangements in den politischen Diskurs der Gesellschaft einzuspeisen, die vielleicht allgemeine Zustimmung finden können 137 .
V. Die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und Unternehmenspolitik Die moderne Institutionenökonomik hat mit einem grundlegenden Aufsatz von Coase l38 ihren Anfang genommen. Hierin hat Coase untersucht, warum es überhaupt Unternehmungen, verstanden als hierarchische Gebilde mit interner Arbeitsteilung gibt bzw. warum nicht alle Transaktionen l39 über marktliche Prozesse gesteuert werden. Die moderne Institutionenökonomik hat damit bereits in ihren Anfängen auch Unternehmen als besondere Form von Institutionen aufgefaßt und versucht, ihre Entstehung, ihren Wandel und ihre interne Organisation zu erklären. Coase hat in seinen Arbeiten zwischen den bei den Bereichen der Ökonomik, zwischen der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre, wie sie im deutschsprachigen Raum unterschieden werden, keinen prinzipiellen Unterschied gemacht. Hauptanliegen seines Werkes - und der gesamten neuen Institutionenökonomik - sind die ökonomische Analyse und Gestaltung von Institutionen unter Berücksichtigung der jeweiligen Transaktionskosten 140. Damit zeigt sich bereits in seinen Anfängen, daß der institutionenökonomische
136
WilLiamson, 1984, S. 55.
Buchanan, 1987c, S. 160: "... that the proper role for the normative political economist was that of discovering potential rules changes that might yield general benefits and then of presenting these changes as hypotheses subject to the Wicksellian contractual-consensus test." 137
138
Coase, 1937: The Nature ofthe Firm.
139 Unter einer Transaktion versteht man die Vereinbarung und Verwirklichung einer arbeits-
teiligen Leistungserstellung. Transaktionen rufen Transaktionskosten hervor. Das sind die Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten, die zur Koordination winschaftlicher Leistungsbeziehungen notwendig sind (Picot, 1982, S. 269f). 140
Picot, 1992, S. 82.
V. Anwendbarkeit auf Gesellschafts- und Untemehmenspo1itik
91
Ansatz die Chance bietet, auf so diverse Gebiete wie die Wirtschafts- bzw. Gesellschaftspolitik und die Unternehmenspolitik angewendet zu werden und damit ein methodisches Zusammenwachsen der gesamten Ökonomik in ihrer volks- und betriebswirtschaftlichen Ausrichtung zu ermöglichen. Gerade auch die Ökonomik menschlicher Interaktionen liegt in dieser Tradition: Menschen interagieren in der Gesellschaft und in Unternehmen gleichermaßen, und Interaktionsprobleme bzw. -blockaden treten in bei den kollektiven Einheiten gleichermaßen auf. Im folgenden soll nun deutlich werden, daß auch die normative Institutionenökonomik als Weiterentwicklung der von Coase herkommenden neuen Institutionenökonomik, wie sie bisher anhand ihrer Wissenschafts-, Politik(beratungs)- und Demokratiekonzeption gekennzeichnet wurde, auf Probleme der Gesellschafts- und der Unternehmenspolitik anwendbar ist. Die Aufgabe der ökonomischen Politikberatung besteht dabei in der theoretischen Strukturierung von Interaktionsblockaden in der Gesellschaft und im Unternehmen, die den Individuen die Verfolgung ihrer Ziele im Rahmen des kollektiven Handeins erschweren, und im Aufzeigen von institutionellen Lösungsmechanismen für diese Blockaden.
1. Die Anwendbarkeit der Wissenschafts- und Politikkonzeption der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik
Im Unternehmen und innerhalb der Gesellschaft sind es nicht die anonymen Kräfte des Systems, die das Geschehen determinieren, sondern die Strategien von Akteuren, die im Rahmen ihrer Wahlmöglichkeiten ihre Interessen verfolgen. Politisches Handeln erfordert, daß für die einzelnen ein Handlungsspielraum (anstelle lückenloser Determination oder Programmierung) existiert bzw. hergestellt werden kann, so daß in beiden sozialen Kontexten "ein gewisses Maß an nutzbarer Unvorhersehbarkeit" 141 gegeben ist. Die Akteure suchen jeweils ihre Interessen zu wahren oder durchzusetzen, Vorteile zu erringen bzw. - meist wichtiger - situative Nachteile zu vermeiden. Dabei konkurrieren sie in beiden Bereichen, in der Gesellschaft und im Unternehmen, um knappe Güter (Ressourcen, Positionen) oder Rechte. Nicht sachrationale Problemlösung (als technische Optimierung), sondern Verhandlung (als Interessendurchsetzung oder -ausgleich) und Tausch sind das zentrale Analyseund Problemlösungs-Schema in beiden Bereichen l42 , wobei sich dies in polypo-
141
Neuberger, 1990, S. 263.
142
Neuberger, 1990, S. 263.
92
D. Normative Institutionenökonomik
listischer Konkurrenz einem Setting nähert, das als 'Spiel gegen die Natur' modelliert werden kann. Das allgemeine Verhaltensmodell des Homo Oeconomicus ist daher sowohl auf Probleme der Gesellschaft als auch auf Probleme des einzelnen Unternehmens anwendbar. In beiden Bereichen reagiert ein Akteur auf die Situationsanreize so, daß er situative Nachteile für sich zu verhindern oder zumindest zu reduzieren sucht. Die Modellierung des Menschen als eigeninteressierter rationaler Nutzenmaximierer ist - wie G.S. Becker gezeigt hat - für alle Lebensbereiche möglich. Das Becker-Modell zeigt, daß menschliches Verhalten über die Gestaltung der Restriktionen beeinflußt werden kann. Daher können Probleme politischer Gestaltung für die Gesellschaft allgemein und für das einzelne Unternehmen auch als Restriktionen- bzw. Institutionenprobleme aufgefaßt werden. Anreizprobleme bilden das Kernstück institutionenökonomischer Modelle und sind sowohl im Unternehmens- als auch im Gesellschaftsbereich anzutreffen. Sowohl im Unternehmen bzw. zwischen der Unternehmung und ihrer Umwelt als auch in der Gesellschaft allgemein geht es um die arbeitsteilige Erfüllung kollektiver Aufgaben. Hierbei ist darauf zu achten, die jeweiligen Akteure, die Homines Oeconomici, zu einem Handeln zu motivieren, das nicht nur ihren individuellen Zielen, sondern auch den kollektiven Interessen genügt. Anreizprobleme sind als komplementärer Faktor zu den bereits beschriebenen Dilemma- und Ausbeutungsstrukturen zu sehen: Wenn diese Strukturen in anonymen Kontexten auftreten, wo eine laufende Kontrolle des einzelnen Individuums (ein sog. monitoring) nicht möglich ist, dann müssen die Kontrollund Sanktionssysteme über in allgemeine Regeln und institutionelle Arrangements inkorporierte Anreize funktionieren. Durch die Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen können im Unternehmen und in der Gesellschaft Anreizsysteme geschaffen werden.
Gesellschaft und Unternehmen können als regelgeleitete Interaktionsprozesse l4 3, als "Systeme von institutionellen Beziehungsmustern"l44 im Sinne der normativen Institutionenökonomik verstanden werden. Sowohl auf die Gesellschaft als auch auf das Unternehmen ist der Begriff der Verfassung als Gesamtheit der (rechtlich) institutionalisierten Rahmenregelungen für die gesellschaftlichen und die unternehmenspolitischen Entscheidungsprozesse anwendbar. Im Rahmen der Regeln der kollektiven Einheit interagieren die Individuen miteinander. Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen der "choice among rules" und der "choice within rules" läßt sich somit auf beide, auf Gesellschaft und
143
Pies, 1993, S. 132.
144
Picot, 1982, S. 269.
V. Anwendbarkeit auf Gesellschafts- und Untemehmenspolitik
93
Unternehmen, anwenden. In bei den Bereichen erfordert die arbeitsteilige wirtschaftliche Aktivität zur Erfüllung einer Gesamtaufgabe eine Koordination von Leistungsbeziehungen. Die Möglichkeit einer solchen Koordination über institutionelle Arrangements wird von der (normativen) Institutionenökonomik untersucht. Sie beschäftigt sich in erster Linie mit Koordinationsproblemen. Politik wird verstanden als Einsatz institutioneller Lösungsmuster zur Schaffung pareto-superiorer Strukturen in der Gesellschaft und in anderen kollektiven (Sub)einheiten. Man könnte daher sowohl von der Konzeption einer Gesellschaftsordungs- als auch einer Firmenordnungspolitik sprechen. Die politische Gestaltung über Institutionen trägt dazu bei, systematische Ordnungsdefizite in der Gesellschaft und im Unternehmen zu überwinden. Es können in bei den Bereichen sechs typische Formen solcher Ordnungsdejizite beobachtet werden: 145 1. Lücken in der Rahmenordnung, die vergessen wurden zu regeln, 2. neu entstehende Defizite aufgrund von technischen oder sozialen Entwicklungen, 3. Defizite im Kontroll- oder Sanktionssystem der Gesellschaft oder des Unternehmens, 4. Defizite, die im Wettbewerb entstehen, weil die Ordnungsstandards in verschiedenen regionalen Einheiten, national oder international, verschieden sind, 5. Informations- und Machtasymmetrien, die kurzfristig nicht abzubauen sind, 6. Defizite aufgrund der Notwendigkeit von transaktionsspezifischen Investitionen. Aufgabe des Politikberaters wäre in beiden Systemen die Aufklärung über die Möglichkeit zustimmungsfähiger Regeländerungen zur Beseitigung dieser Ordnungsdefizite und die Information über die mögliche Steuerung der kollektiven Einheit durch institutionelle Gestaltung. In bei den Systemen, in der Gesellschaft und im Unternehmen besteht dabei eine Dialektik von Gegnerschaft und Abhängigkeit: Einerseits ist das Gegnerschema Voraussetzung allen politischen Handeins: Konkurrierende Parteien stehen sich gegenüber. Andererseits bedürfen diese Parteien einander, um jeweils ihre eigenen Interessen zu realisieren. Gegnerschaft und gegenseitige Abhängigkeit sind somit konstitutiv für eine politische Beziehung. Die Beteilig-
145
Homann, 1992a, S. 81.
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D. Normative Institutionenökonomik
ten rivalisieren miteinander, aber sie brauchen einander auch und profitieren voneinander l46 . Daher unterstellt politisches Handeln auch "gemischt-motivierte Situationen", in denen sowohl die Möglichkeit zur Kooperation wie zur Konkurrenz besteht l47 • Die normative Institutionenökonomik erlaubt es, diese Dialektik zu denken, indem sie von einer Kooperation auf der Ebene der Spielregeln und einer Gegnerschaft auf der Ebene der Spielzüge ausgeht. Das Stabilitätsparadigma der normativen Institutionenökonomik ist auf beide Bereiche anwendbar. Sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch in der Gesellschaft treten instabile Interaktionen, Dilemma- und Ausbeutungsstrukturen auf, die erwünscht oder unerwünscht sein können. Zum Beispiel kann die Wettbewerbssituation als produktive Dilemmastruktur zwischen verschiedenen Unternehmen im Rahmen der Gesellschaft und innerhalb eines einzelnen Unternehmens zwischen verschiedenen Profit Centern beobachtet werden. Umgekehrt kann auch eine Ausbeutungssituation - als unerwünschtes und unproduktives Dilemma - in bei den Bereichen auftreten: z.B. als Ausbeutung des Eigentümers durch den Angestellten im Unternehmen oder als kollektive Ausbeutung der Umwelt in der Gesellschaft. Institutionelle Lösungen können von der normativen Institutionenökonomik aufgezeigt werden, die jeweils zur Überwindung oder zur Etablierung sozialer Dilemmata dienen. Der Berater kann institutionelle Arrangements für die Gesellschaft und für das Unternehmen vorschlagen, die erwünschte produktive Interaktionen ermöglichen bzw. unerwünschte und unproduktive Interaktionen verhindern. Damit wird auch deutlich, daß die Zeit in beiden Bereichen eine wichtige Rolle spielt, denn dem politischen Handeln geht es immer um die Gestaltung der Zukunft. Der Politikberater will für die Zukunft produktive Handlungsspielräume für die Betroffenen eröffnen und nicht Vergangenheitsbewältigung betreiben. Die politische Beratung der Gesellschaft und des Unternehmens ist in die Zukunft gerichtet, auch wenn zum Verständnis der Situation und der ihr inhärenten Chancen ein Rückgriff auf die Vergangenheit oft hilfreich sein kann.
146
Neuberger, 1990, S.263.
147
Neuberger, 1990, S. 263.
V, Anwendbarkeit auf Gesellschafts- und Untemehmenspolitik
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2. Die Anwendbarkeit der Demokratiekonzeption der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik
Die vertragstheoretische Demokratiekonzeption Buchanans läßt sich auf alle kollektiven Einheiten anwenden 148. Immer wenn mehrere Individuen sich zur Verfolgung ihrer Ziele zusammenschließen, ist eine identische Struktur festzustellen: Die kollektive Einheit - die Gesellschaft wie das einzelne Unternehmen - ist ein Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil l49 • Sie ist produktiv für alle einzelnen, denen es ermöglicht wird, innerhalb des Kollektivs ihre individuellen Ziele zu verfolgen. So wird Demokratie im Rahmen der Gesellschaft und im Rahmen des einzelnen Unternehmens verstanden als Instrument zur Produktivitätssteigerung. Die Zusammenarbeit im Kollektiv trägt zur Entfaltung der Möglichkeiten des einzelnen Individuums bei. Eine strenge Analogie zwischen Unternehmen und Gesellschaft kann aber für den rein normativen Aspekt der Demokratie nicht gesehen werden: Unternehmen sind nämlich im Gegensatz zu einer demokratisch organisierten Gesellschaft zwei stufig legitimiert, d.h. ihnen ist auf einer ersten Stufe erst einmal eine Verfassungs- bzw. Eigentumsordnung, die bestimmte property rights konstituiert, vorgegeben. Durch diese Allokation von Eigentumsrechten wird ein Status der Ungleichheit zwischen den Akteuren geschaffen, während man für die Gesellschaft als solche ja von einer prinzipiellen Gleichheit der Akteure ausgeht. Im Buchananschen vertrags theoretischen Modell ist aber eine Ungleichheit der Akteure bei Vertragsabschluß nicht nur möglich, sondern auch realistisch l5O • Erst im Rahmen der vorgegebenen Eigentumsordnung können dann Demokratisierungsprozesse innerhalb des Unternehmens erklärt - und das heißt positiv abgearbeitet - werden: Das Vetorecht jedes einzelnen von kollektiven Entscheidungen betroffenen Individuums kann sowohl für das Unternehmen als auch für die größere Einheit der Gesellschaft aus der faktisch gegebenen Fähigkeit des einzelnen zur Zerstörung des kollektiven Arrangements in immer komplexeren Interaktionsstrukturen abgeleitet werden. Es kann also ökonomisch begründet und nicht mehr nur normativ gefordert werden. Desweiteren besteht sowohl im Unternehmen als auch in der Gesamtgesellschaft die besondere Struktur, daß nur dezentral bei den einzelnen Individuen das jeweilige 148 Buchanan, 1990, S, 6: "But the inclusive domain of constitutional economics also includes the derivation, analysis of, and justificatory argument for rules that constrain both individual and collective behavior in a wide array of membership groupings, larger than the one-unit limit but smaller than the all-inclusive limit of the whole polity. Clubs, trade unions, corporations, parties, universities, associations - these, and many more, exist and operate under constitutions that are amenable to scientific inquiry." 149
Rawls, 1979, S, \05.
l50
Vgl. Buchanan, 1984, S, 15,
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D. Normative Institutionenökonomik
Wissen der besonderen Umstände von Ort und Zeit vorhanden ist. Auch daher ist deren Einbeziehung in die institutionelle Gestaltung unerläßlich. Weil gegebenenfalls durch kollektives Handeln eine Neuordnung von Besitzständen eintreten kann, ist der Konsens der Betroffenen über Spielregeln wichtig. Prinzipiell muß jedes Individuum, das der kollektiven Einheit zugehört bzw. von den Entscheidungen der kollektiven Einheit betroffen ist, den Spielregeln zustimmen können, auch wenn nicht unbedingt die Zustimmung zu den konkreten Ergebnissen des Wirtschaftsprozesses im Einzelfall vorhanden ist. Interpretiert man also Demokratie auf der Ebene der Gesellschaft und des Unternehmens in den Kategorien positiver Ökonomik, dann kann man sowohl die Vorentscheidungen über Unternehmen auf Verfassungs- und Wirtschaftsordnungsebene als "demokratisch" akzeptieren als auch zugleich darstellen, daß die Demokratisierungsprozesse in Unternehmen aus denselben positiven Gründen erfolgen wie auf gesellschaftlicher Ebene l51 . Ein wichtiger Unterschied zwischen der Ebene des Unternehmens und der Ebene der gesamten Gesellschaft bleibt noch zu erwähnen: Auf der Ebene der Gesamtgesellschaft bilden prinzipiell alle Beteiligten auch den Kreis der Betroffenen, d.h. wir brauchen den hypothetischen Konsens aller Gesellschaftsmitglieder 152. Auf der Ebene des Unternehmens dagegen ist die Menge der Betroffenen größer als die der Beteiligten. Das Management und die Mitarbeiter im Unternehmen bilden nur einen Teil der Population. Es entsteht eine InsiderOutsider-Problematik. Verbesserungen für die Beteiligten im Unternehmen auf Kosten Dritter außerhalb des Unternehmens sind nicht zulässig. Unternehmen sind insofern "gesellschaftliche Veranstaltungen, die nur solange ihre Berechtigung haben, wie sie den Betroffenen Vorteile bringen"153. Dies impliziert, daß prinzipiell alle in einem Unternehmen Beschäftigten und alle von den Unternehmensentscheidungen Betroffenen außerhalb des Unternehmens im Rahmen der vorgegebenen Eigentumsordnung den Unternehmensentscheidungen zu151 Zur gegenwärtigen "Welle der Demokratisierung" in den Unternehmen im Zuge der Übernahme japanischer Managementmethoden (Stichwort "Lean production") ist fast täglich auch in Zeitungen und Magazinen zu lesen. So forderte Hans Olto Eglau in der Zeit vom 7. Oktober 1993 auf Seite 22 unter der Überschrift "Japan-Syndrom": "Lean Management reicht nicht aus. Die Unternehmen müssen die Kreativität und das Wissen der Belegschaft stärker mobilisieren." Im gleichen Tenor schreibt Ulrich Beck in der SZ Nr. 252 vom 30.131. Oktober, S. 17: "Nach wie vor entscheiden die neutralen Indikatoren Gewinn und Einkommen über Erfolge von Produktionen und Beteiligungen, aber das inhaltliche 'Wie' wird politisch, kontrovers, mitbestimmter, zustimmungsfahig, zustimmungspflichtig. Auch daher die 'neue Heiligkeit' der Wirtschaft: Unternehmensethik, Unternehmenskultur, das Zauberwort der 'selbstverantwortlichen' Gruppenarbeit, Experimente Jenseits der Hierarchie'." 152 Betroffene in anderen Gesellschaften gibt es zwar, sie bleiben hier jedoch außer Betracht, stellen aber konzeptionell kein neues Problem dar. 153
HomannlBloome-Drees, 1992, S. 130.
V. Anwendbarkeit auf Gesellschafts- und Unternehmenspolitik
97
stimmen können müssen. Das bedeutet jedoch keineswegs, daß tatsächlich über alle einzelnen Entscheidungen des Managements basisdemokratisch abgestimmt werden muß. Nur der hypothetische Konsens über die institutionellen Regeln muß gegeben sein. Auch müssen nicht alle Ansprüche von den von den Unternehmensentscheidungen Betroffenen vom Unternehmen selbst bzw. im Rahmen der Unternehmensverfassung abgegolten werden. Es ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung darüber zu treffen, welche Ansprüche nur allgemein über die Rahmen- bzw. Wirtschaftsordnung der Gesellschaft abgegolten werden sollen. In der Gesellschaft und im Unternehmen sind legitime Ordnungen gleichzeitig die Basis und das Ziel politischen Handeins. Es herrscht kein regelloser Krieg aller gegen alle, der die Stärksten und Gerissensten siegen läßt - das wäre nämlich auch für die 'Sieger' äußerst unproduktiv. Politisches Handeln ist nicht regellose Interessendurchsetzung, sondern interessengeleitetes Handeln auf dem Hintergrund einer gültigen Ordnung oder Struktur. Aber auch diese Ordnung gilt es durch politisches Handeln, durch die Gestaltung institutioneller Arrangements immer wieder weiterzuentwickeln, um einerseits Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche der geltenden Rahmenordnung zu beseitigen und andererseits durch neue Regeln mehr produktive Interaktionen möglich zu machen. In modernen Gesellschaften, insbesondere nach dem Ende des Sozialismus, ist das Potential an solchen produktiven Interaktionen nämlich bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Im folgenden Kapitel soll nun die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschafts- und die Unternehmenspolitik anhand konkreter Beispiele aus beiden Bereichen nachgewiesen werden.
7 von Wulffen
E. Beispiele für die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf die Gesellschaftsund die Unternehmenspolitik Die im vierten Kapitel anhand ihrer Wissenschafts-, Politik(beratungs)- und Demokratiekonzeption charakterisierte normative Institutionenökonomik soll im folgenden zunächst auf die Gesellschafts- und dann auf die Unternehmenspolitik angewendet werden. Die Politikbeispiele aus dem Bereich der Gesellschaft und des Unternehmens sollen dabei drei Hauptaspekte der normativen Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption verdeutlichen: 1. Die normative Institutionenökonomik ermöglicht eine positive Analyse des Politikproblems anhand des Stabilitätsparadigmas: Ist eine bestimmte Interaktionsstruktur in der Gesellschaft bzw. im Unternehmen stabil bzw. instabil und aus welchen Gründen ist sie es, d.h. welche Anreizstrukturen für das Handeln der Interaktionspartner liegen vor? 2. Die normative Institutionenökonomik verwendet den Konsens der Betroffenen als normatives Prinzip. Welche Interaktionsstrukturen sollen stabilisiert bzw. destabilisiert werden, d.h. welche sind für die Betroffenen produktiv und damit allgemein zustimmungsfähig bzw. welche nicht? 3. Die normative Institutionenökonomik zeigt, wie institutionelle Arrangements zur politischen Gestaltung verwendet werden können: Wie können mit Hilfe institutioneller Regelungen Verhaltensanreize gestiftet werden, so daß erwünschte Ergebnisse (stabile bzw. instabile Interaktionsstrukturen) erzielt, Interaktionsblockaden beseitigt und Produktivitätsspielräume im Handeln der Interaktionspartner eröffnet werden? Für beide Bereiche, für die Gesellschaft und das Unternehmen, werden zwei große Gruppen von asymmetrischen Interaktionsstrukturen als Beispiele aufgezeigt, nämlich sog. einseitige und zweiseitige Dilemmasituationen
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
99
Situationstypen zur Anwendung des Politikberatungskonzeptes der normativen Institutionenökonomik Zweiseitige Dilemmasituationen
Einseitige Dilemmasituationen
Interaktionspartner können sich wechselseitig ausbeuten
Ein Interaktionspartner kann andere(n) ausbeuten
Funktionierender Wettbewerb l (private Güter)
Gutes Beispiel macht Schule
Nicht funktionierender Wettbewerb
Principal-Agent
Hold-up
Asymmetrisch verteilte Information
Notwendigkeit spezifischer Investition
(öffentliche Güter) Schlechtes Beispiel macht Schule
Interaktionspartner auf einer Marktseite
Interaktionspartner auf verschiedenen Marktseiten
Wie in der Übersicht angedeutet, sollen sowohl für die gesellschaftspolitische als auch für die unternehmenspolitische Seite Beispiele diskutiert werden, die verschiedene Typen von asymmetrischen Interaktionsstrukturen verkörpern: einseitige und zweiseitige Dilemmasituationen2 • Bei den zweiseitigen Dilemmasituationen können sich die Interaktionspartner wechselseitig ausbeuten. Dies sind die klassischen Gefangenendilemmasituationen, in denen für die Interaktionspartner individuell rationales Verhalten zu dem kollektiv schlechtesten Ergebnis führt. Das Verhalten jeweils eines Interaktionspartners zwingt allen anderen dieses Verhalten auf. Spieltheoretisch formuliert ist das individuelle Defektieren die dominante Strategie, und ein (potentieller) Defektierer reicht aus, um alle Interaktionspartner auf die Defektionsstrategie zu zwingen, indem sie - präventiv - auf das Verhalten des einen (potentiellen) Defektierers
1 Unter einem funktionierenden Wettbewerb soll im folgenden verstanden werden der wirksame Wettbewerb der dynamischen Wettbewerbstheorie (vgl. Schmidt. L. 1990. S.lOfO. Der Wettbewerb ist im Sinne von Hayeks ein Entdeckungsverfahren. das durch eine Folge nie abgeschlossener Vorstoß- und Verfolgungsphasen der Unternehmer charakterisiert ist.
2 Unter Dilemmasituationen sollen solche Situationen verstanden werden. bei denen individuell für einzelne Interaktionspartner rationale Strategien nicht zum kollektiv erwünschten Ergebnis führen. sondern. ganz im Gegenteil. letztlich alle Interaktionspartner schlechter gestellt werden.
7"
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
100
re-agieren 3. Durch das allseitige Defektieren landen aber schließlich alle bei der kollektiv schlechtesten Lösung. Diese klassische Gefangenendilernrnasituation kann durch die folgende Auszahlungsmatrix verdeutlicht werden. Die Auszahlungen geben die Jahre im Gefängnis wieder, je geringer also die Werte desto besser für die beiden Gefangenen. Die Strafe für B steht links, die für A rechts vom Komma.
A gestehen
nicht gestehen
gestehen
8/8
0/10
nicht gestehen
10 /0
1/1
B
Auszahlungsmatrix Gefangenendilemma
Die bei den Gefangenen stehen vor folgender Situation: Für beide ist das Gestehen die individuell beste Entscheidung, die dominante Strategie, weil sie gleichgültig welche Strategie der andere Gefangene verfolgt - die geringstmögliche Haftstrafe ermöglicht. Gestehen aber beide Gefangenen, so landen sie bei der für beide kollektiv schlechtesten Lösung, beide müssen für acht Jahre ins Gefängnis, obwohl - wenn beide geleugnet hätten - es möglich gewesen wäre, die Haftstrafe auf ein Jahr zu reduzieren. Die Struktur dieser zweiseitigen Dilernrnasituationen kann man - wie die nachfolgenden Beispiele aus dem Bereich der Gesellschafts- und der Unternehmenspolitik zeigen werden - in funktionierenden Wettbewerbssituationen, die mit der Nutzung privater Güter verbunden sind, und in nichtfunktionierenden Wettbewebssituationen, die mit der Nutzung öffentlicher Güter einhergehen, wiederfinden. In funktionierenden Wettbewerbssituationen ist das allseitige Defektieren erwünscht, da "das gute Beispiel Schule macht" (im Wettbewerb erfolgreiches unternehmerisches Handeln zum Wohle der Konsumenten wird belohnt und imitiert), und die privaten Güter effizient genutzt werden. In Situationen, die mit der Nutzung öffentlicher Güter zusam-
3
Homann, 1994, S. 65.
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
101
menhängen (z.B. Umwelt), führt die Dilemmastruktur dagegen dazu, daß "das schlechte Beispiel Schule macht": Die öffentlichen Güter werden ausgebeutet. Die Dilemmasituation ist in diesem Falle unerwünscht. Hier wird daher eine Überwindung des Dilemmas im Sinne einer Kooperationslösung angestrebt. Ein weiteres Merkmal der zweiseitigen Dilemmasituationen besteht noch darin, daß sich die Interaktionspartner auf ein und derselben Seite des Marktes befinden (z.B. alle Hersteller eines Produktes, alle Unternehmen einer Branche, alle Konsumenten eines Gutes). Sog. einseitige Dilemmasituationen 4 treten auf, wenn nur einer der Interaktionspartner aufgrund asymmetrisch verteilter Information (Principal-Agent) oder aufgrund der Notwendigkeit einseitiger spezifischer Investitionen (Holdup) die Fähigkeit erlangt, den oder die anderen Interaktionspartner auszubeuten, d.h. seinen Nutzen auf deren Kosten zu mehren. Aus Angst vor dieser Ausbeutungsgefahr kämen solche Interaktionen, die aber für die Beteiligten durchaus produktiv sein können, gar nicht erst zustande. Sie müssen daher durch geeignete institutionelle Reformen ex ante stabilisiert werden. Von einer Dilemmasituation kann man auch in diesen Fällen sprechen, weil auch hier die individuell für die einzelnen Interaktionspartner rationalen Strategien nicht zum kollektiv erwünschten Ergebnis führen, sondern ganz im Gegenteil letztlich alle Interaktionspartner durch das Nichtzustandekommen der Interaktion schlechter gestellt werden. Auch diese Situationen können in einer spieltheoretischen Form dargestellt werden. Die Interaktionspartner sind hierbei der Principal und der Agent im Falle asymmetrisch verteilter Informationen. Im Falle der spezifischen Investitionen muß man unterscheiden zwischen dem Interaktionspartner, der spezifisch investiert, und dem, der die durch diese spezifische Investition entstandene Abhängigkeit ausbeuten kann. Spieltheoretisch handelt es sich aber in diesen Fällen nicht um die klassische Spielmatrix. Da wir es hier mit einseitigen Dilemmata zu tun haben, hat nämlich nur der "Ausbeuter" die Möglichkeit entweder vertragstreu zu handeln oder auszubeuten. Der jeweilige Interaktions-
4 Der Begriff des einseitigen Dilemmas, der "one-sided version of the well-known prisoners' dilemma game" findet sich bei Kreps, 1990a, S. 101. Kreps spricht für den Fall des einseitigen Dilemmas von einem sog. "trust game", das er folgendermaßen beschreibt: "Consider an individual, A, who is playing the following game against some second party, B. First A must choose whether or not to trust B. If A eIects not to trust B, then both A and B get nothing. If A eIects to trust B, B is made aware of this and has the option either to honor that trust or to abuse it. If A trusts B, and B chooses to honor that trust, both get $10. But if A trusts Band B chooses to abuse that trust, B gets $ 15 and A loses $ 5." D.h. wenn Adern B vertraut, wird er - zumindest in einem einmaligen Spiel - von einem rationalen Spieler B, einem Homo Oeconomicus, ausgebeutet werden.
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
102
partner kann dies, wenn er die Interaktion einmal eingegangen ist, nur hinnehmen. Er hat dann keine eigenen alternativen Handlungsmöglichkeiten mehrs. Ausbeuter
Abhängiger
Vertragstreue
Ausbeutung
2 I 2
-2 I 4
Auszahlungsmatrix einseitiges Dilemma
Die Alternative zu diesen bei den möglichen Ergebnissen besteht im NichtZustandekommen der Interaktion mit den Auszahlungen 0/0. Ein rational entscheidender "Abhängiger" (der Principal bei asymmetrisch verteilter Information bzw. derjenige Interaktionspartner, der spezifisch investieren muß) wird auf die Interaktion verzichten, weil er sich dann besser stellt (Auszahlung 0) als im Falle der Ausbeutung (Auszahlung -2). Das Nicht-Zustandekommen der Interaktion bedeutet aber das kollektiv für beide schlechteste Ergebnis (Auszahlung 0,0 im Vergleich zu den möglichen 2,2, wenn die Interaktion zustandekäme). Wir haben es also wieder mit einer Dilemmasituation zu tun, weil individuell rationales Verhalten zu dem kollektiv schlechtesten Ergebnis führt. Die Lösung dieses sozialen Dilemmas bestünde darin, die Interaktion ex ante zu stabilisieren, indem die einseitige Abhängigkeit in eine wechselseitige verwandelt wird. Die folgenden Beispiele werden solche Lösungsmöglichkeiten für einseitige Dilemmasituationen näher erläutern. Die Interaktionspartner befinden sich bei Principal-Agent und Hold-Up Situationen auf verschiedenen Marktseiten (z.B. Nachfrager und Anbieter eines Produktes, Politiker und Bürger in der repräsentativen Demokratie, Kinder und Eltern in der Familie usw.). Das Politikproblem kann im Falle ein- und zweiseitiger Dilemmasituationen entweder darin bestehen, daß eine erwünschte aber instabile Dilemmasituation stabilisiert werden soll, oder daß eine stabile aber unerwünschte Dilemmasituation destabilisiert werden soll. Stabilisierung durch vom Politikberater vorgeschlagene institutionelle Arrangements heißt, daß die Interaktionen durch sich dann selbstdurchsetzende (self-enforcing ) Verträge möglich gemacht werden. Die Etablierung von erwünschten interaktiven Dilemmastrukturen spielt dabei den einzelnen (Gruppen) Zerstörungs- bzw. Blockademacht zu. Diese Macht muß durch institutionelle Sicherungen im Zaum gehalten werden, wenn die
5
Vgl. die Darstellung des sog. "trust game" bei Kreps, I 990a, S. 100.
1. Beispiele der Gesellschaftspolitik
\03
hohe Produktivität solcher Strukturen sich dort und nur dort voll entfalten soll, wo sie erwünscht ist. Es ist Aufgabe des Politikberaters, institutionelle Reformen vorzuschlagen, die erwünschte Dilemmastrukturen stabilisieren, indem sie Akteuren die Macht geben, andere unter Druck zu setzen, und unerwünschte destabilisieren, indem sie die Blockademacht einzelner Interaktionspartner aufheben.
I. Beispiele aus dem Bereich der Gesellschaftspolitik Die Gesellschaftspolitik wird nach dem Verständnis der normativen Institutionenökonomik als Gesellschaftsordnungspolitik verstanden: Es sollen institutionelle Arrangements vom Politikberater vorgeschlagen werden, die die interne Organisation der Gesellschaft selbst und ihre Außenbeziehungen zu anderen Gesellschaften regeln und Produktivitäts- und Selbstentfaltungsspielräume für das Zusammenleben der Individuen in der Gesellschaft eröffnen.
1. Das Kartellrecht - die Stabilisierung einer erwünschten zweiseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft
(I) Der Wettbewerb zwischen den Anbietern auf einer Marktseite ist ein Beispiel für eine instabile zweiseitige Dilemmastruktur. Die Situation, in der sich die Anbieter eines privaten Gutes auf einem Wettbewerbsmarkt befinden, ist mit der der Gefangenen im sog. klassischen Gefangenendilemma zu vergleichen: Alle Anbieter haben ein gemeinsames Interesse daran, einen möglichst hohen Preis für ihr Gut zu erzielen. Ähnlich wie die beiden Gefangenen den Wunsch haben, sich abzusprechen, um ihre Haftstrafe zu reduzieren, haben auch die Anbieter auf einem Markt ein Interesse daran, sich abzusprechen, um ihre Absatzpreise in die Höhe zu treiben. Wie die obige Auszahlungsmatrix zeigt wäre nämlich der Quadrant 4, beide Gefangenen kooperieren und gestehen nicht, das für beide kollektiv beste Ergebnis. Dies entspräche auf einem Wettbewerbsmarkt der Preisabsprache im Kartell. Nun ist aber wiederum diese Preisabsprache der Wettbewerber instabil: Wird nämlich gemeinsam ein hoher Absatzpreis abgesprochen, bildet sich also ein Preiskartell, so hat jeder einzelne Anbieter wiederum einen individuellen Anreiz dazu, diesen Preis zu unterbieten, um selbst die eigene Absatzmenge zu
104
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
erhöhen und die eigenen Kapazitäten besser auszulasten 6 • Diese individuell rationale Strategie ist mit der des Defektierers oder des Kronzeugen im Gefangenendilemmabeispiel gleichzusetzen. Die jeweils individuell beste Lösung ist nämlich für A der Quadrant 3, die Kombination aus einem Geständnis von A und dem Leugnen von B, und für B der Quadrant 2, wo B gesteht und A leugnet. Verfolgen aber nun beide Gefangenen bzw. beide Anbieter die individuell beste Strategie und gestehen bzw. senken ihren Absatzpreis unter das vereinbarte Niveau, so landen sie letztlich in Quadrant 1, dem für sie kollektiv schlechtesten Ergebnis. Damit ist die Kartellbildung schon aufgrund der Spielregeln des Wettbewerbs inhärent instabil. Ein gutes Beispiel für diese inhärente Instabilität liefert das OPEC-Preiskartell im Rohölmarkt. Neben den Schwierigkeiten, wegen der unterschiedlichen Interessen der OPEC-Länder überhaupt eine Einigung auf eine gemeinsame Preisforderung zu erzielen, zeigt es auch das sog. "chiseling problem", nämlich den Anreiz für die Kartellmitglieder, ihre Erzeugungsmenge über das Niveau hinauszuheben, das den überhöhten Kartellpreis ermöglichen würde 7 . (2) Da die inhärente Instabilität eines Kartells aber erst nach einiger Zeit wirksam wird, werden die Anbieter in Deutschland bereits von vorne herein durch die Institution des Kartellrechts bzw. des Kartellamtes daran gehindert, ihre Mengen und Preise abzusprechen, d.h. den Wettbewerb zwischen sich auszuschalten und eine Kooperation einzugehen 8• Auch dies ist mit dem ursprünglichen Gefangenendilemmabeispiel vergleichbar. Auch hier werden nämlich die beiden Gefangenen vom Haftrichter in getrennte Zellen gesperrt, um zu verhindern, daß sie sich absprechen und bindende Verpflichtungen
6 Vgl. Olson, 1965, S. 9: "In short, while all firms have a common interest in a higher price, they have antagonistic interests where output is concerned."
7 Scherer/Ross, 1990, S. 244f: "Once agreement has been reached. a different set of problems arise. The very act of fixing the price at a monopolistic level creates incentives for seilers to expand output beyond the quantity that will sustain the agreed-upon price ... Detecting and deterring cheating has been termed the central cartel problem, and, ... many economists argue that pricefixing cartels are inherently unstable." R Das deutsche Kartellrecht in Gestalt des Gesetzes gegen Weubewerbsbeschränkungen von 1957 wendet sich gegen private Störungen des Weubewerbs durch Weubewerbsbeschränkungen verschiedenster Art, z.B. eben durch horizontale Weubewerbsbeschränkungen über KarteIlvereinbarungen. Es sieht ein grundsätzliches Kartellverbot vor. Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Verbot sind Konditionen-. Rabau-, Strukturkrisen-. Rationalisierungs-. Export-, Import- und Ministerkartelle (vgl. Schmidt, L. 1990, S. 155t). Unter das Kartellverbot fallen damit in erster Linie sämtliche Abreden von Unternehmen über die Preise und die Preisbestandteile einschließlich der Rabatte oder Skonti (vgl. Emmerich. 1991, S. 69).
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
105
eingehen, um so den Quadranten 4 zu erreichen9 • Der Schutz des Wettbewerbs vor Beeinträchtigungen durch Koordination des Marktverhaltens der Unternehmen ist also Aufgabe der Institution des Kartellrechts und der Kartellbehörde. So hat das deutsche Kartellamt in Berlin z.B. im letzten Jahr gegen 13 Unternehmen des pharmazeutischen Großhandels wegen Rabattabsprachen ein Bußgeld von 37 Mio. DM verhängt. Auch von 73 Unternehmen in der Heizungs- und Sanitär-Branche wurde wegen Submissionsabsprachen eine Geldbuße in Höhe von 59 Mio. DM erhoben 10. Dies alles zeigt den Sinn des Kartellverbots. Offenbar gelingt es nämlich Unternehmen doch immer wieder -trotz der längerfristigen inhärenten Instabilität von Kartellen -, wirksame Kartellabsprachen zu treffen. Die für Märkte geltenden Spielregeln sind damit von der Wettbewerbspolitik bewußt so zu gestalten, daß die Anbieter in ihrem sozialen Dilemma gehalten werden. Ihre Interaktion in Form eines Kartells, ihre Kooperation im Sinne des Quadranten 4, soll durch die Institutionalisierung des Kartellrechts unmöglich gemacht, die instabile Dilemmasituation, in der sich die Anbieter auf einem Wettbewerbsmarkt befinden, soll stabilisiert werden. (3) Die Spielzüge der Anbieter im Wettbewerb am Markt, ihr Verfolgen der Defektions- bzw. Kronzeugenstrategie, resultieren in ihrer kollektiven Selbstschädigung - zum Wohle der Nachfrager, der Konsumenten. Hierin ist begründet, warum dieses System des Wettbewerbs in einer Marktwirtschaft allgemein zustimmungsfahig ist. Der Logik des Wettbewerbs, des Anbieterdilemmas, ist der Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten zu verdanken. Der Wettbewerb hat nämlich zwei positive Folgen für die Gesellschaft: Er fördert Innovationen der Anbieter, die vom Markt, von den Konsumenten belohnt werden, und er fördert die Nachahmung erfolgreicher Innovationen durch die anderen Anbieter ll . Das "gute Beispiel macht Schule", der Schumpetersche Pionierunternehmer wird von anderen Unternehmern, seinen Konkurrenten im Wettbewerb, nachgeahmt. Die für die Gesellschaft insgesamt positive Wirkung der Konkurrenz beruht auf der Tatsache, daß sich die Unternehmen bei Wettbewerb in einer Gefangenendilemmasituation befinden. Jeder Anbieter ist in der überwiegenden Zahl der Fälle als Marktteilnehmer aber selbst Konsument oder Bezieher von Produktionsfaktoren, so daß der Wettbewerb und die Kartellgesetzgebung insgesamt auch für die Produzentenseite prinzipiell zustimmungsfähig sind. Daher kann man in diesem Fall im Sinne der normativen Institutionenökonomik von einem erwünschten, weil allgemein zustimmungsfähigen Dilemma
9 Zu der Parallelität der Strukturen des Gefangenendilemmas und des Anbieterdilemmas vergleiche auch: HOl1umn/Pies, 1991a, S. 610, HOl1umn/Blome-Drees, 1992, S. 32 und Locher, 1991a, S. 22f. 10
Deutscher Bundestag, Drucksache 12/5200, 1993, S. 37.
11
Von Hayek, 1969, S. 249-265, beschreibt den "Wettbewerb als Entdeckungsverfahren".
106
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
sprechen, das durch die entsprechenden institutionellen Arrangements: u.a. die Möglichkeit der privaten Aneignung von Gewinnen, die freie Preisbildung am Markt, die Handelbarkeit von Property Rights und eben durch das Kartellrecht, aufrechterhalten werden sollte. (4) Funktionierender Wettbewerb als eine erwünschte zweiseItIge Dilemmastruktur zwischen den Anbietern am Markt kann in modernen Gesellschaften bewußt durch die Schaffung oder Veränderung von Institutionen, von Regeln für das Zusammenleben der Individuen in der Gesellschaft, gestaltet, ja sogar neu etabliert werden l2 • So wird immer wieder versucht, neue Bereiche, die bisher nicht durch Wettbewerbsstrukturen gekennzeichnet waren, einem solchen auszusetzen. Aufgabe eines Politikberaters wäre es in einem solchen Fall, aufzuzeigen, welche Folgen eine Wettbewerbsstruktur für die Betroffenen mit sich brächte (Aufklärungsfunktion des Beraters) und durch welche institutionellen Reformen funktionierender Wettbewerb etabliert werden könnte (Steuerungsfunktion des Beraters). Ein Beispiel für eine solche neue Wettbewerbsetablierung ist die Zulassung von privaten Arbeitsvermittlern in Deutschland als Konkurrenz zu den staatlichen Arbeitsämtern, wodurch man sich eine effizientere Vermittlung von Arbeitslosen auf unbesetzte Stellen erhofft I3. Überhaupt kann der Arbeitsmarkt als gutes Beispiel dafür dienen zu zeigen, daß durch geeignete institutionelle Reformen wieder ein echter Arbeitsmarkt, ein funktionierender Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern und Nachfragern von Arbeit, etabliert werden könnte. Eine ganze Reihe von institutionellen Regeln schützt nämlich momentan diejenigen, die Arbeit haben, aber benachteiligt diejenigen, die ohne Arbeit sind, verzerrt also den Wettbewerb. Ein Beispiel für eine solche Institution ist der Kündigungsschutz l4 : Werden in 12 Auch Vanberg, 1994, der in der Tradition der kulturellen Evolutionstheorie von Hayeks steht, gibt neuerdings zu, daß es für wettbewerbliche Prozesse eines Regelwerks bedarf, das wir rational - und nicht per Evolution - verbessern können und müssen: S. 39:"Wenn wir die Bedingungen näher bestimmen können, unter denen ein wettbewerblicher evolutorischer Prozeß von individuellen Interessen gesteuert wird, und wenn wir eine solche Steuerung für wünschenswert halten, können wir versuchen, entsprechende Bedingungen durch geeignete institutionelle Rahmenbedingungen herzustellen."
I3 Schlicht, 1994, S. 9 zeigt, daß eine private Arbeitsvermittlung, die ausschließlich auf die Vermittlung von Arbeitslosen beschränkt würde, ähnlich wirken würde wie eine Lohndifferenzierung. Die alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten der bereits Beschäftigten würden sich zugunsten der Arbeitslosen verschlechtern. Dies würde den Lohndruck senken und letztlich höhere Beschäftigung ermöglichen. 14 Siebert, 1994, diskutiert diese institutionellen Regelungen unter der Überschrift "Falsche Fährten am Arbeitsmarkt". Auch Schlicht, 1994, S. 9 empfiehlt eine Abschwächung des Kündigungsschutzes als institutionelle Maßnahme, um das Problem der Arbeitslosigkeit anzugehen. Der Kündigungsschutz führe nämlich dazu, daß die Einstellung von nicht völlig überzeugenden Bewerbern sehr risikoreich sei und führe somit zu einer Verengung des Marktes. Auf der anderen
l. Beispiele der Gesellschaftspolitik
107
einer Volkswirtschaft Arbeitnehmer vor Entlassungen institutionell gesichert, so sind diejenigen, die beschäftigt sind, zwar abgesichert. Aber die Unternehmen berücksichtigen den Kündigungsschutz schon bei der Einstellung. Sie haben daher einen Anreiz, neue Arbeitskräfte eher nicht nachzufragen, da sie sie kurzfristig nicht wieder "loswerden". Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird dadurch künstlich verringert und ein funktionierender Wettbewerb zwischen Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen außer Kraft gesetzt. Es geht dabei nicht darum, die Menge an Arbeit besser auf Arbeitsplatzinhaber und Arbeitslose zu verteilen, sondern darum über die gesamtwirtschaftlichen Effekte kurzfristiger Einstellungen die Arbeitsmenge zu erhöhen. Es geht also um einen Wachstumseffekt. Der Politikberater, der nach dem Konzept der normativen Institutionenökonomik vorgeht, kann in diesem Fall aufzeigen, 1. welche institutionellen Regeln das Funktionieren des Arbeitsmarktes bisher behindert haben (Aufzeigen der Anreizstruktur), 2. durch welche institutionellen Reformen diese Behinderungen beseitigt werden könnten, und 3. daß solche Reformen allgemein zustimmungsfähig sind, weil sie zu pareto-superioren sozialen Zuständen (auch für diejenigen, die bisher noch einen Arbeitsplatz besitzen, aber vielleicht auch einmal von Arbeitslosigkeit betroffen sein werden), eben zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit führen.
2. Das Umweltrecht • die Destabilisierung einer unerwünschten zweiseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft
Während das Anbieterdilemma sozial erwünscht ist 15 und eine Kooperation der Unternehmen durch die Kartellgesetzgebung verhindert werden soll, liegt Seite hat aber der Kündigungsschutz auch eine pOSItIve motivationale Komponente für die Arbeitnehmer, deren Bedeutung nicht vernachlässigt werden darf. So wird in der Theorie impliziter Kontrakte (vgl. Franz, 1991, S. 297ft) aufgezeigt, daß die Ergänzung der üblichen Arbeitsverträge durch eine Versicherungskomponente einen Nutzengewinn für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bieten kann: Der Arbeitnehmer verzichtet in günstigen Zeiten auf eine Beteiligung an dem dann hohen Produktivitätsfortschritt, während in der gegenteiligen Situation bei quantitativ und zeitlich begrenzten Produktionsrückgängen keine Entlassungen vorgenommen werden. Obwohl es sich dabei nur um implizite Vereinbarungen handelt, werden solche Verträge eingehalten (sie sind "selfenforcing"), weil ein beiderseitiger Vorteil möglich wird. 15 Es ist hier bisher nur das erwünschte Dilemma unter den Anbietern am Markt im Zusammenhang mit dem Kartellrecht diskutiert worden, aber in einer funktionierenden Marktwirtschaft ist natürlich auch ein Wettbewerb zwischen den Nachfragern am Markt zur Steuerung der Produktion erwünscht.
108
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
im Falle des Umweltschutzes der umgekehrte Fall vor: Mit Hilfe der Umweltschutzgesetzgebung soll gerade ein soziales Dilemma überwunden, die Kooperation der Unternehmen bzw. der Gefangenen, also das Erreichen des Quadranten 4, soll gesichert werden. (1) Eine saubere Umwelt ist ein sog. öffentliches Gut, von dessen Nutzung prinzipiell niemand ausgeschlossen werden kann. Diese Eigenschaft der Umweltqualität als öffentliches Gut konfrontiert die Umweltpolitik mit ganz besonderen Problemen. Für ein einzelnes Unternehmen ist es nämlich in der RegeJ16 vorteilhaft, die Position des Kronzeugen im Gefangenendilemma (Erreichen des Quadranten 2 bzw. 3 in der obigen Matrix) einzunehmen. Die Logik des Wettbewerbs am Markt (Senkung der Kosten, um Gewinne zu maximieren) zwingt es sogar dazu. So wird ein Unternehmen zum Beispiel solange keinen teuren Filter in seine Produktionsanlagen einbauen, wie kein allgemeiner Anreiz (positiver oder negativer Art) dazu besteht. Es ist für das Unternehmen individuell rational, auf den Einbau zu verzichten, solange nicht alle anderen Unternehmen, mit denen es konkurriert, auch dazu gezwungen werden mitzumachen. Baut nämlich ein einzelnes Unternehmen einen Filter ein, so hat es die gesamten Kosten zu tragen, verspürt aber kaum einen Nutzen, weil sein einzelner Beitrag zur Reinhaltung der Luft zu gering ist. Umgekehrt ist es wiederum rational, die Position des Defektierers einzunehmen, wenn alle anderen einen Filter einbauen, weil man dann die Kosten für den Filter selbst spart, aber dennoch in den Genuß besserer Luftqualität kommt. Da jedes einzelne Unternehmen dieser Logik gemäß handelt - das "schlechte Beispiel macht Schule" -, wird nichts zur Verbesserung der Umweltqualität getan, solange nicht ein allgemeiner Anreiz dazu besteht.
(2) Eine solche Dilemmasituation (das Erreichen des Quadranten 1) ist sozial unerwünscht, weil sie zu einer ständigen Verschlechterung der Umweltqualität führt. In diesem Fall liegt daher das Politikproblem darin, eine gesellschaftlich unerwünschte Dilemmasituation zu überwinden. Nach der Argumentation der normativen Institutionenökonomik ist daher ein institutionelles Arrangement zu suchen, das die Unternehmen aus diesem unerwünschten Dilemma befreit. Eine institutionelle Lösung kann dabei in einer für alle Unternehmen verbindlichen Festsetzung eines Umweltstandards liegen. Eine solche Festsetzung kann entweder vom Staat, durch staatlichen Zwang und staatliche Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen durchgesetzt werden oder durch eine kollektive Selbstbindung der Unternehmen selbst. Das heißt, daß die Unternehmen z.B. eine sog.
16 Es gibt auch Ausnahmen, wenn durch eine sog. innovatorische Wettbewerbsstrategie sich ein Unternehmen gleichzeitig hohe Gewinne sichern und etwas für die Umweltqualität tun kann. Die Vorausssetzung hierfür ist jedoch, daß die entsprechenden Präferenzen und damit die Zahlungsbereitschaft der Individuen bestehen. Vergleiche dazu HoTtUlnnlBlome-Drees, 1992, S. 153.
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
109
Branchenvereinbarung zur Verbesserung der Luftqualität treffen und gleichzeitig auch die entsprechenden Sanktionsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der beschlossenen Standards vorsehen I? Nur durch eine Festlegung allgemein verbindlicher Spielregeln kann es also zu der gewünschten Überwindung des Gefangenendilemmas und zum Erreichen des Quadranten 4 kommen. Appelle an die Vernunft oder Einsicht der Unternehmen sind verfehlt, weil sie die Logik am Markt, die Anreizstruktur der Wettbewerber, nicht anerkennen. Das Problem der Umweltverschmutzung ist "nicht ein Resultat ineffizienter Märkte, sondern ein Resultat effizienter Märkte, die allerdings von unvollkommenen Spielregeln gesteuert werden"IR. Um also das Problem der Verschlechterung der Umweltqualität in den Griff zu bekommen, sind die Spielregeln, nach denen die Unternehmen miteinander konkurrieren, wettbewerbsneutral durch für alle verbindliche Umweltstandards zu verändern. Es sind dann keine anderen, "altruistischen" Motive der Unternehmen notwendig, um die Einhaltung der verschärften Umweltstandards zu ermöglichen, sondern das eigene Mitmachen eines Unternehmens bei einer solchen Verschärfung ist der "Preis", den es dafür zahlt, daß auch seine Wettbewerber unter die allgemeinen Spielregeln gezwungen werden. Es werden damit zustimmungsfahige soziale Arrangements getroffen, die die kollektive Selbstschädigung der Gesellschaft durch eine fortlaufende Umweltzerstörung beenden.
3. Das Aktienrecht - die ungenügende Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft (I) Politische Probleme können in der Gesellschaft nicht nur in der Form von zweiseitigen Dilemmasituationen auftreten, auch problematische einseitige Dilemmastrukturen können oft nur politisch beherrscht werden. Die PrincipalAgent-Struktur ist eine solche besondere Form der einseitigen Dilemmasituation zwischen zwei individuellen oder kollektiven Akteuren, die in modernen Gesellschaften sehr häufig auftritt. Ein Auftragnehmer, der Agent, handelt im Auftrag seines Prinzipals, des Auftraggebers. Da ein Informationsgefalle zwischen Agent und Prinzipal besteht, Information ist zwischen beiden asymmetrisch zugunsten des Agenten verteilt, ist es dem Agenten möglich, diskretionäre Handlungsspielräume zum eigenen Vorteil zu nutzen. Es besteht also, in 17 Die Sanktionsmöglichkeiten bei freiwilligen Branchenvereinbarungen sind natürlich mit Problemen behaftet. Denkbar wäre aber, daß ein sog. "Ehrenkodex" aufgestellt wird. Ein Unternehmen, das diesem Ehrenkodex zuwiderhandelt, wird dann öffentlich "an den Pranger gestellt". Es verliert dadurch in der Öffentlichkeit an Reputation, wodurch auch seine Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten reduziert werden. Dadurch besteht ein Anreiz, dem Kodex gemäß zu handeln.
18
HomannlPies, 1991a, S. 613.
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E. Beispiele für die Anwendbarkeit
den Begriffen der Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas ausgedrückt, ein Anreiz des Agenten zur Defektion, zur Nicht-Kooperation. Es liegt daher umgekehrt im Interesse des Prinzipals, die Agency-Beziehung so zu strukturieren, daß der Agent trotz der vorhandenen Informations- und Kontrollprobleme 19 den Interessen des Prinzipals gemäß handelt, daß also eine Kooperation im Sinne des Erreichens des Quadranten 4 der Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas möglich wird. Dies liegt letztlich auch im Interesse des Agenten, da die Alternative im Nichtzustandekommen der Interaktion bestünde, wodurch in der Regel auch der Agent schlechter gestellt würde. Es geht also darum, eine soziale Interaktion, hier eine Kooperation zwischen zwei Individuen oder Gruppen auf verschiedenen Marktseiten, zustande kommen zu lassen bzw. eine einseitige Dilemmasituation zu vermeiden. Dazu müssen institutionelle Arrangements getroffen werden, die einem rationalen Agenten die notwendigen Anreize vermitteln, gleichzeitig in seinem und im Interesse des Prinzipals zu handeln. Die Auszahlungsmatrix muß mit anderen Worten so gestaltet werden, daß für den Agenten ein Anreiz besteht, die Kooperationsstrategie zu verfolgen. Es können Situationen eintreten, in denen Agent und Prinzipal nicht in der Lage sind, selbst und direkt die erforderlichen Institutionen oder Verträge zu schaffen, sondern in denen allgemeine politische Lösungen durch die Gesellschaft bereitgestellt werden müssen 20 • Ein Grund hierfür liegt häufig in der Vielzahl und Heterogenität der Betroffenen, die ein kollektives Handeln unmöglich machen. Als gesellschaftspolitisches Beispiel für die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik auf Principal-Agent-Probleme sollen hier die Regelungen diskutiert werden, die das moderne Aktienrecht für die Beziehungen zwischen Management und Aktionären in einer großen Aktiengesellschaft getroffen hat. (2) In einer modernen Aktiengesellschaft vertrauen die Aktionäre, die Prinzipale, ihr Kapital den Managern, ihren Agenten, an, die die Unternehmung leiten. Die Aktionäre haben wenig praktische Kontrolle über die laufenden Entscheidungen des Managements. Eine solche Form der Interaktion könnte angesichts dieser Machtasymmetrie wohl nicht überleben, wenn nicht das Rechtssystem dem Management gewisse Restriktionen gesetzt hätte. Ein Hauptelement im Gefüge dieser rechtlichen Restriktionen ist die Verpflichtung des Managements gegenüber den Aktionären, im Interesse der Aktionäre der Gesellschaft zu handeln, die sog. Treue- und Sorgfaltspflicht des Manage-
19 Man spricht in diesem Zusammenhang von sog. "monitoring costs", die der Prinzipal aufwenden muß, um den Agenten zu kontrollieren (vgl. z.B. AlchianlWoodward, 1987, S. 132f).
20 PrattlZeckhauser, 1985, S. 29: "". situations in which principals may be unable to structure contracts directly. One may only be able to contract within the structures that the economy and society as a whole have produced."
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
111
ments 21 • Im Rahmen dieser Pflicht sind gewisse institutionelle Vorkehrungen getroffen worden, die alle dazu dienen, das Informations- und Machtgefälle zwischen Prinzipal und Agent zu mildern, um dadurch eine zustimmungsfahige soziale Interaktion, nämlich die produktive Arbeitsteilung zwischen Kapitalbereitstellung und Unternehmensführung, zu stabilisieren. Dazu gehören die Institutionen des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung und die Publizitätspflicht des Managements. Der Vorstand, also das Management der Aktiengesellschaft, hat dem Aufsichtsrat vor allem über die beabsichtigte Geschäftspolitik, die Rentabilität der Gesellschaft und den Gang der Geschäfte zu berichten. Der Aufsichtsrat wird von der Hauptversammlung, der Versammlung aller Aktionäre, bestellt. Die Hauptversammlung beschließt daneben vor allem auch über die Verwendung des Bilanzgewinns und über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung, und sie entlastet den Vorstand. Zum weiteren Schutz der Aktionäre besteht für Aktiengesellschaften auch ein Publizitätszwang, d.h. sie sind verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse (Bilanz und Gewinnund Verlustrechnung) sowie einen Geschäftsbericht zu veröffentlichen. Der Jahresabschluß ist nach ganz bestimmten handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellen. Er muß zudem von einem unabhängigen Abschlußprüfer auf die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung hin geprüft werden. Auch diese institutionellen Regelungen dienen grundsätzlich dazu, dem Prinzipal einen Einblick in und eine gewisse Kontrolle über das Management, den Agenten, zu ermöglichen, um dadurch ihre Interaktion (die sog. Agency-Relationship) zu stabilisieren und eine Ausbeutung des Prinzipals durch den Agenten zu vermeiden. Das Problem asymmetrischer Information in Principal-Agent-Beziehungen ist also nicht per se gegeben, sondern muß immer in Abhängigkeit vom institutionellen Rahmen gesehen werden. Eine weitere Institution, die dazu dient, ein Machtgleichgewicht zwischen Prinzipal und Agent herzustellen, ist der externe Druck vom Kapitalmarkt. Durch die Drohung einer feindlichen Übernahme wird das Management einer Aktiengesellschaft diszipliniert 22 • (3) Ob diese institutionellen Regelungen zur Stabilisierung der erwünschten Kooperation bzw. zur Destabilisierung der einseitigen Dilemmasituation zwischen Aktionären und Management ausreichen, ist im Falle der deutschen Publikumsaktiengesellschaft stark umstritten. So führt Wenger die geringe Investitionsbereitschaft deutscher Sparer in Aktien auf die immer noch gravierenden Mängel im Anreiz- und Kontrollsystem des Managements und auch der
21 Die Sorgfaltspflicht des Managements einer Aktiengesellschaft ist in §93 des deutschen Aktiengesetzes, die Treuepflicht ist jedoch nicht explizit gesetzlich verankert. 22
Zur Diskussion über den sog. "market for corporate control" vgI. JensenlMeckling, 1976.
112
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
Banken zurück 23 . Eine an sich wegen der vorhandenen Spezialisierungsvorteile und der möglichen breiten Vermögens- und Risikostreuung produktive und daher erwünschte Interaktion kommt nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße zustande, weil bestehende institutionelle Rahmenbedingungen sie behindern. Ganz im Sinne des in dieser Arbeit vertretenen Ansatzes der normativen Institutionenökonomik untersucht Wenger, wie sich die institutionelle Gestaltung des deutschen Aktienrechtes unter der Homo-Oeconomicus-Annahme auf die Handlungen von Aktionären als Prinzipale und Managern und Banken (Depotstimmrecht) als Agenten auswirkt und zu welchen Ergebnissen diese Handlungen bezüglich der Interessenwahrnehmung der (Klein-)Aktionäre und bezüglich einer effizienten Kapitalallokation führen. Für das Verhältnis der Aktionäre zum Management sind nach Wen ger drei Gruppen institutioneller Regeln oder Anreize wichtig: 24 I.
Die Regelung des Kapitalentzugs durch die Anteilseigner: Nach dem derzeitigen deutschen Aktienrecht hätten die Aktionäre keine ausreichenden Befugnisse, dem Management Kapital zu entziehen. Vielmehr stehe die Rückführung von Finanzmitteln auf den Kapitalmarkt weitgehend im Ermessen der Unternehmensleitung. Es gäbe einerseits keine Managerkontrolle mittels eines routinemäßigen Kapitalentzugs, andererseits würde aber auch das Zustande kommen von Aktionärsmehrheiten für eine Voll- oder Teilliquidation eines Unternehmens durch prohibitiv wirkende Organisationskosten belastet.
2.
Die Vergütungssysteme für Manager: Auch die Vergütungssysteme für Manager sind ein wichtiger Bestandteil der institutionellen Rahmenbedingungen für die Principal-AgentInteraktion zwischen Aktionären und Unternehmensleitung. Es wird von Wenger diskutiert, wie die Handlungen der Manager durch die Wahl eines geeigneten Vergütungssystems an die Interessen der Aktionäre, der
23 Wenger, 1992, S. 98 spricht von einem "quantitativ unterentwickelten" deutschen Aktienmarkt und führt dies darauf zurück, daß "die Interessen der Aktionäre nicht mit dem ökonomisch gebotenen Nachdruck zur Geltung gebracht worden" sind. Vgl. auch Wenger, 1991, S. 145: "Wir haben in Deutschland ein Aktienmarktvolumen, das im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt weit unter demjenigen vergleichbarer Volkswirtschaften mit voll entwickelten Kapitalmärkten liegt. Daraus dürfen wir folgern, daß bei uns einiges nicht in Ordnung ist." Nach Wenger, 1992, S. 89 lag der Aktienanteil an der privaten Geldvennögensbildung in Deutschland im Durchschnitt der Jahre 1970-1977 nur bei einem Prozent, der Anteil der Aktien am Geldvennögensbestand der deutschen privaten Haushalte war 1983 auf 4,2 Prozent gesunken. 24 Vgl. für die folgende Diskussion der Anreizsysteme des Managements von deutschen Publikumsaktiengesellschaften Wenger, 1987, S. 219ff.
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
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Prinzipale, gebunden werden könnten. Naheliegend wäre es, die Manager in Abhängigkeit vom Aktienkurs zu entlohnen, auch wenn dies nicht zu einer "perfekten Interessenparallelisierung"25 zwischen Managern und Aktionären führt. Zumindest sollte das Gehalt von Managern kursabhängige Bestandteile enthalten, auch wenn der Aktienkurs nur ein "stark verrauschtes Signal der Leistungen des Managements"26 darstellt. 3.
Die Absetzungsmechanismen für Manager: Ein weiterer Aspekt der aktivitätsbezogenen Kontrolle des Managements durch seinen Prinzipal, die Aktionäre, liegt in den vorhandenen Absetzungsmechanismen. Strebten Aktionäre, die mit den Leistungen der Unternehmensleitung unzufrieden sind, ein Auswechseln des Managements an, so stünden sie nach Wenger in Deutschland oft prohibitiv hohen Organisationskosten gegenüber, weil zunächst eine Aktionärsmehrheit gebildet werden muß. Die Absetzung des alten Managements sei ein öffentliches Gut, und nur durch die Schaffung selektiver Anreize, die den Aktionären die Überwindung der Organisationsschwelle erleichtern, sei sie zu erreichen. Solche selektiven Anreize könnten durch die Errichtung einer institutionellen Struktur erzeugt werden, die "sozial erwünschte Formen des 'Verrats' auch individuell rational erscheinen läßt, also Belohnungen für 'Nestbeschmutzer' bereitstellt und damit gleichzeitig gesellschaftliche Wertvorstellungen destabilisiert, die auf die Diskriminierung von Denunzianten hinauslaufen "27.
Insgesamt macht Wen ger also deutlich, wie die Principal-Agent-Interaktion zwischen Aktionären und Management durch geeignete institutionelle Reformen - im wesentlichen durch die Erleichterung von Kapitalentzug und Absetzung des Managements und durch eine Verstärkung leistungsabhängiger Vergütungsbestandteile der Manager - stabilisiert bzw. die einseitige Dilemmasituation überwunden werden könnte. Wenger untersucht daneben auch die asymmetrische Interaktionsstruktur zwischen den Banken als Agenten und den Depotbesitzern als Prinzipale 2R , die in die Interaktionsstruktur zwischen Aktionären und Management eingebettet ist. Die Institution des Depotstimrnrechts der Banken, die Ausübung der Stimmrechte von Kleinaktionären durch die jeweilige Depotbank, destabilisiert nach Wen ger diese Beziehung. Das Depotstimrnrecht binde nämlich die Banken 25
Wenger, 1987, S. 227.
26
Wenger, 1987, S. 228.
27 Wenger, 1987, S. 233. 2R Vgl. für die folgende Diskussion der Auswirkungen des Depotstimrnrechts der deutschen
Banken Wenger, 1992, S. 81ff. 8 von Wulffen
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
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nicht genügend in ein Anreizsystem ein, das sie zwänge, Kleinaktionärsinteressen zu berücksichtigen. Die Banken werden (hierin zeigt sich die HomoOeconornicus-Annahme bei Wenger) die mit dem Depotstimrnrecht verbundene Machtposition zum eigenen Vorteil nutzen. Daraus folgt, daß sie bei Interessenkonflikten zwischen dem Management und den Aktionären typischerweise auf der Seite der Verwaltung stünden, weil die Bankenvertreter mit der Unternehmensleitung durch ein Netz persönlicher Beziehungen (Aufsichtsrat) verbunden sind. Ihre Funktion als Kreditgeber des Managements bewirkt darüber hinaus eine noch stärkere Interessenparallelisierung zwischen bei den auf Kosten der Aktionäre, denn "niedrige Dividenden und damit hohe Selbstfinanzierung erhöhen ceteris pari bus die Haftungsmasse für gewährte Kredite; eine Liquidation dagegen führt zur Beendigung bestehender Geschäftsbeziehungen ". Ganz im Einklang mit der Unternehmensleitung begünstigten die Banken daher eine "strukturkonservierende Investitionspolitik" . Zusätzlich muß man bei einer Analyse der Auswirkungen der Institution des Depotstimrnrechts auch die Entscheidungsproblematik eines einzelnen Aktionärs und der Gruppe von Aktionären als Kollektiv berücksichtigen 29 . Für den Klein(st)aktionär ist es rational, nicht selbst die Mühe einer sachverständigen Kontrolle des Managements auf sich zu nehmen. Die Erteilung einer Depotdauervollmacht an seine Bank kommt ihm insofern entgegen, als sie ihm einerseits wenig Mühe bereitet, und er andererseits dennoch sicherstellt, daß seine Stimme nicht ganz verloren geht. Auf Seiten der Aktionäre sind Kontrollaktivitäten daher immer mit kollektiven Entscheidungsproblemen verbunden, weil die individuellen Anreize für isoliertes Handeln des einzelnen Kleinaktionärs zu schwach sind. Private Organisationsbemühungen der Aktionäre sind wegen der zu überwindenden Organisationsschwelle dabei wiederum auf die Unterstützung durch die Banken angewiesen. Aber auch bei einer Verstärkung der Staatsaufsicht bliebe das grundsätzliche Problem aller Vertretungsmechanismen bestehen: "Wem auch immer das Vertretungsrecht zufällt, wenn die Kleinaktionäre nicht von sich aus die Initiative ergreifen - er verfügt über Entscheidungsspielräume, die sich einer direkten Kontrolle durch die Vertretenen entziehen. Festzuhalten bleibt deshalb, daß alle von der Initiative des Anlegers abgelösten Vertretungsmechanismen ... in der Publikums-AG letzten Endes zur Entmachtung des Kleinaktionärs führen"30. Um wiederum die Kontrolle des Managements durch die Aktionäre zu erleichtern und auch den Kleinaktionären eine angemessene Vertretung ihrer 29 Vgl. die Diskussion zur Nutzung von Vertretungsmechanismen als Entscheidungsproblem des Aktionärs und zur Organisation von Vertretungsmechanismen als kollektives Entscheidungsproblem bei Wenger, 1992, S. 90ff. 30
Wenger, 1992, S. 94.
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
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Interessen zu ermöglichen, schlägt Wenger eine institutionelle Reform, nämlich die Abschaffung des Depotstimmrechts und die Bindung der Stimmrechtsvertretung in der Hauptversammlung an die Vorlage einer notariell beglaubigten Vollmacht vor 31 • Er geht davon aus, daß eine solche institutionelle Reform dazu führen würde, daß in verstärktem Umfang sog. dominierende Minderheiten von Aktionären mit einem Aktienanteil von ein bis fünf Prozent in die Kontrolle des Managements investierten, die bisher gegen die Depotstimmenmehrheit der Banken nichts ausrichten konnten. Denn ein Aktienanteil von ein bis fünf Prozent ist zwar wenig für die Aktiengesellschaft insgesamt, aber doch für den einzelnen Aktionär absolut gesehen ein recht beachtlicher Vermögenswert. Die sog. dominierenden Minderheiten haben daher ein relativ starkes privates Interesse an dem öffentlichen Gut der Kontrolle des Managements, so daß ein Anreiz für sie besteht, in diese Kontrolle verstärkt einzutreten. Diese Personengruppe hätte es wegen ihrer überschaubaren Zahl auch leichter, sich im Interesse einer gemeinsamen Zielsetzung wirksam zu organisieren. Die nun nicht mehr durch Depotstimmen vertretenen Kleinaktionäre könnten dann als Trittbrettfahrer von deren Kontrollaktivitäten profitieren. Eine institutionelle Reform - die Abschaffung des Depotstimmrechts der Banken - würde also durch die Ermöglichung einer effizienteren Kontrolle des Agenten durch den Prinzipal zur Stabilisierung der produktiven Interaktion, der Kooperation zwischen Management und Aktionären beitragen. Es wäre dann zu erwarten, daß die Investitionsbereitschaft rationaler Anleger in Aktien zunehmen würde, weil eine verstärkte Kontrolle des Managements über die dominierenden Minderheiten zur Durchsetzung der Aktionärsinteressen möglich würde. Eine einseitige Dilemmasituation und damit eine Interaktionsblockade würde aufgehoben werden.
4. Wettbewerbsrecht und vertikale Integration - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation in der Gesellschaft
(1) Traditionell war in der Wirtschaftstheorie und in der auf ihr aufbauenden Wettbewerbstheorie und -politik die vertikale Integration verschiedener Unternehmen ausschließlich auf das Bestreben zurückgeführt worden, eine MonopolsteIlung erlangen oder eine vorhandene MonopolsteIlung auf vor- oder nachgelagerte Marktstufen übertragen zu wollen 32 . Der vertikalen Integration
31 Vgl. zu der Argumentation Wengers für die Abschaffung des Depotstimmrechts Wenger, 1990, S. 150f und Wenger, 1992, S. 94. 32
8"
Bössmann, 1989, S. 12.
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E. Beispiele für die Anwendbarkeit
wurden dabei verschiedene Arten von monopolistischen Praktiken angelastet33 • In der normativen Institutionenökonomik wird dagegen eine andere Problemperspektive gewählt, die dann auch zu anderen wettbewerbspolitischen Implikationen im Falle der vertikalen Integration führen kann. (2) Wichtige Erkenntnisse zur Problematik der vertikalen Integration hat für die moderne Institutionenökonomik Williamsons Transaktionskostenansatz gebracht 34 • Williamson beschreibt die vertikale Integration als eine institutionelle Lösung für organisatorische Probleme der hier diskutierten Struktur, für einseitige Dilemmasituationen mit Hold-Up-Charakter nämlich, wo einer der Interaktionspartner spezifisch investieren muß. Nicht das Monopolisierungsstreben der Unternehmer, sondern Effizienzüberlegungen, das "transaction cost economizing"35, erklären für ihn vertikale Integrationsprozesse. Die Faktorspezifität steht dabei im Mittelpunkt seines Konzeptes: "The condition of asset specificity is the main factor to which a predictive theory of vertical integration 33 Bössmann, 1989, S. 12 nennt vor allem drei solche Praktiken: I. Marktausschluß: Ein Produzent, der die Handelsstufe übernimmt, kann Konkurrenten vom Zugang zu Nachfragern ausschließen. 2. Erhöhung von Marktbarrieren: Anbieter sind angesichts eines integrierten Konkurrenten gezwungen, ebenfalls auf mehreren Produktionsstufen in einen Markt einzutreten. 3. Preisdiskriminierung: Ein Monopolist, der einen Produktionsfaktor an verschiedene Produzenten mit unterschiedlichen Nachfrageelastizitäten auf den Absatzmärkten liefert, kann seinen Gewinn dadurch erhöhen, daß er die Produktion selbst übernimmt und Preisdiskriminierung betreibt. 34 Als die Summe und Zusammenfassung seiner bisher wichtigsten Erkenntnisse kann Williamson, 1985, gelten. 35 Williamson, 1985, S. 103: "".that transaction cost economizing is the main factor responsible for decisions to integrate." Auch Williamson schlägt - wie die normative Institutionenökonomik einen komparativen Institutionenvergleich vor. Es geht ihm nicht um die Bestimmung der effizientesten Lösung, sondern um die Auswahl pareto-superiorer Lösungen. Dennoch unterscheidet sich der Effizienzbegriff der Williarnsonschen Transaktionskostenökonomik fundamental von dem in dieser Arbeit vertretenen Ansatz. Während nämlich Williamson als Effizienzkriterium für den Institutionenvergleich die Reduzierung von Transaktionskosten vorschlägt, steht im Konzept der normativen Institutionenökonomik die Zustimmungsfähigkeit der Betroffenen zu den institutionellen Arrangements im Vordergrund. Williamsons Kriterium der Transaktionskostensenkung ist dabei aus drei Gründen problematisch (vgl. Ribhegge, 1990, S. 10): Erstens müssen bei einem umfassenden Institutionenvergleich die Gesamtheit aller Kostenarten, nicht nur die Transaktionskosten, sondern insbesondere auch die Produktionskosten berücksichtigt werden (in Form individueller Opportunitätskosten). Williamson würde dem zwar auch zustimmen, trifft aber in seinem Ansatz die unrealistische Annahme, daß die Produktionskosten auch bei wechselnden institutionellen Arrangements konstant gehalten werden können und sich nur die Transaktionskosten ändern. Zweitens bezieht sich Williarnsons Effizienzkonzept der Transaktionskostensenkung im wesentlichen auf die einzelwirtschaftliche Ebene, also die Beteiligten. Der Kreis der von einem institutionellen Muster Betroffenen wird dadurch für eine gesellschaftliche Analyse zu eng gehalten. Drittens ist fragwürdig, ob eine Reduzierung von Transaktionskosten wirklich immer vorteilhaft und erwünscht ist. Transaktionskosten können ganz im Gegenteil sogar bewußt geschaffen oder erhöht werden (z.B. im Falle der Stabilisierung erwünschter Dilemmasituationen oder umgekehrt bei der Destabilisierung unerwünschter Interaktionen).
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
117
must appeal"36. Unspezifische Faktoren sind jederzeit ohne Wertverlust anders verwendbar. Vollkommen spezifische Faktoren sind dagegen solche, die nur bei ganz bestimmten Transaktionen eingesetzt werden können. Die Verwendungsbeschränkung spezifischer Faktoren kann bei Sachkapital 1. räumlich (der Produzent eines Inputfaktors wählt eigens einen Standort in der Nähe seines Abnehmers),
2. physisch (Anschaffung einer ganz spezifisch auf die Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnittenen Maschine) oder 3. auch ökonomisch (Produktionskapazität speziell für einen Kunden),
und bei Humankapital 4. durch individuelles Erfahrungswissen bedingt sein 37 . Ist es zum Eingehen einer Transaktion zwischen zwei Unternehmen notwendig, daß zumindest ein Transaktionspartner spezifisch investiert, so verändert sich der Wettbewerbscharakter der Situation mit Beginn der Interaktion. Es entsteht ein bilaterales Monopol, da die Unternehmen durch die Spezifität der Investition in Abhängigkeit voneinander geraten (sog. lock-in-Effekt). Diese Abhängigkeit birgt bei Williamson insofern Gefahren, als er die Annahme opportunistischen Verhaltens einführt38 . Ergibt sich nämlich für einen Interaktionspartner die Gelegenheit, den anderen, der sich durch spezifische Investitionen in Abhängigkeit von ihm begeben hat, auszubeuten, so wird er dies auch tun, um seinen Nutzen zu maximieren. Die vertikale Integration, die Integration des Eigentums an den spezifisch investierten Ressourcen in einer Hand, verhindert jedoch eine solche Ausbeutung und ermöglicht eine Interaktion, die sonst nicht stattfinden würde, weil für einen Partner das Risiko zu groß wäre 39 . Durch
36
Williamson, 1985, S. 103.
37 Schumann,
1987, S. 214. Vgl. zu den vier verschiedenen Arten von spezifischen investitionen auch Seite 64 ff dieser Arbeit.
38 Williamson versteht dabei den Opportunismus als Eigenschaft der Akteure, während er im Ansatz der normativen Institutionenökonomik als situativer Anreiz eingeführt werden müßte (vgl. Seite 54 ff dieser Arbeit). 39 Williamson hat in diesem Zusammenhang das sog. "hostage model" (Williamson, 1985, S. l67ff), das Modell des Geiseltausches entwickelt. Der Austausch von Geiseln, z.B. in Form der Hinterlegung einer Art Bürgschaft, eines Bonds, macht das Commitment zweier Interaktionspartner am Markt glaubwürdig, weil sie jeweils den Wert des Bonds verlieren, wenn einer den anderen ausbeutet. Dadurch wird es erst möglich, daß ein Interaktionspartner spezifisch investiert, weil die Höhe der unwiederbringlichen sunk costs seiner spezifischen Investition durch den Wert des vom anderen hinterlegten Bonds gedeckt ist. "Credible commitments appear in conjunction with irreversible specialized investments ... are undertaken in support of alliances and to promote exchange ... Economic equivalents of hostages are used widely to effect credible commitments" (S.
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E. Beispiele für die Anwendbarkeit
die vertikale Integration wird das Versprechen der Interaktionspartner, sich nicht auszubeuten, erst glaubwürdig4(). (3) Auch ohne die Einführung der neuen Verhaltensannahme des Opportunismus, den Williamson in den Präferenzen der Individuen verankert sieht, schon im traditionellen neoklassischen Konzept des Homo Oeconomicus kann die vertikale Integration auf die Spezifität von Investitionen zurückgeführt werden. So verbleiben KleiniCrawford/Alchian 41 im methodologischen Rahmen des auch in dieser Arbeit vertretenen ökonomischen Imperialismus: Verhaltensänderungen der Wirtschaftsakteure werden in ihrem Ansatz auf Restriktionenänderungen, auf situative Anreize zurückgeführt. Wenn Menschen sich opportunistisch verhalten, dann liegt das daran, daß die Situation sie dazu zwingt: Wird nämlich spezifisch investiert, so schafft dies nach dem Konzept von KleiniCrawford/Alchian ausbeutbare Quasirenten 42 • Die ausbeutbare Quasirente ist dabei die Differenz zwischen dem Nutzen der Investition in ihrer jetzigen und in der nächstbesten Verwendung. Eine solche Ausbeutung wird auch Hold-up genannt43 . Will man diese Ausbeutung vermeiden, so sind langfristige Verträge oder eine vertikale Integration die Lösung44 • Für rationale Akteure entsteht in solchen Situationen also ein Anreiz, institutionelle Maßnahmen zu ergreifen, um der möglichen Ausbeutung durch den oder die Interaktionspartner vorzubeugen. Andernfalls müßten sie auf die Interaktion verzichten. (4) Demnach steigt bei Williamson mit zunehmender Faktorspezifität und bei KleiniCrawford/Alchian mit zunehmender Quasirente die Attraktivität vertika167t). WilLiamwn zeigt, daß die Hinterlegung eines Bonds durch den Käufer in Höhe des "nonsalvageable value of advance commitments" der spezifischen Investition des Produzenten zum gleichen Ergebnis führt wie die vertikale Integration zwischen bei den als "marketing" und "producing division" eines Unternehmens (S. 169ft).
4() Richter, 1994, S. 19f: "Das stärkste Mittel zur Verminderung des Risikos opportunistischen Verhaltens der Gegenseite besteht in einer Vereinigung (Union) der vertrags schließenden Parteien ... die Vereinigung der Eigentümer verschiedener Ressourcen zu einer gemeinsamen Unternehmung (z.B. vertikale Integration)." 4\ Klein/Crawjord/Alchian, 1978: VerticalIntegration, Appropriable Rents, And The Competitive Contracting Process.
42 KleiniCrawjordJAlchian, 1978, S. 298: "After a specific investment is made and such quasi rents are created, the possibility of opportunistic behavior is very real."
43 AlchianIWoodward, 1987, S. 131: "But once the investment is made, the temptation is for the rest of the team to expropriate the quasi-rent - to refuse to pay the resource more than its highest value elsewhere - to 'holdup' the dependent resource." 44 KleiniCrawjordJAlchian, 1978, S. 298f: " ... this problem can be solved in two possible ways: vertical integration and contracts .... In particular, vertical integration is examined as a means of economizing on the costs of avoiding risks of appropriation of quasi rents in specialized assets by opportunistic individuals."
I. Beispiele der Gesellschaftspolitik
119
ler Integration. Die normative Institutionenökonomik will nun die beiden Konzepte im institutionenökonomischen Stabilitätsparadigma rekonstruieren 45 • Für dieses Paradigma ist nicht das Einsparen von Transaktionskosten Beurteilungskriterium für institutionelle Arrangements, sondern es stellt die (Vor-)Frage nach potentiell produktiven, aufgrund institutioneller Anreizstrukturen jedoch instabilen Interaktionen, d.h. Interaktionen, die nicht zustande kommen. Solche instabilen Interaktionen können auftreten, wenn sog. brisante Investitionen notwendig sind: Pies spricht von einer brisanten Investition, wenn sie die produktivere Verwendung einer Ressource durch eine Reduktion ihrer Alternativnutzung erkauft46 • Das bedeutet, daß eine brisante Investition die Quasirente erhöht. Dem Effekt einer höheren Produktivität steht damit auch der einer höheren Ausbeutungsgefahr gegenüber. Verwendet man wiederum die Begrifflichkeit des Gefangenendilemmas, so besteht ein Anreiz eines Interaktionspartners zur Defektions- bzw. Kronzeugenstrategie und damit zur Ausbeutung des anderen Interaktionspartners. Es handelt sich um eine einseitige Dilemmasituation. Fälle brisanter Investitionen treten z.B. immer dann auf, wenn ein Unternehmen spezifische Kapazitäten zur Produktion von Vorleistungen für ein bestimmtes anderes Unternehmen errichtet. Häufig ist dies in der Automobilindustrie vor allem bei kleineren Zulieferern der Fall, die z.B. im Raum Stuttgart nur für Mercedes Benz arbeiten. Die gegenwärtige rege Diskussion in der Öffentlichkeit über dadurch entstehende Abhängigkeiten und Ausbeutungsgefahren und verschiedene Möglichkeiten der Vertragsgestaltung (z.B. der Kooperationsversuch "Tandem" zwischen Mercedes und seinen Zulieferern) macht die Bedeutung der Thematik deutlich. Die Brisanz von Investitionen gefährdet wegen der Gefahr der Defektion die Stabilität von Interaktionen, die Kooperation zwischen den Interaktionspartnern. Die Wirtschaftssubjekte befinden sich auch in einem solchen Fall in einem sozialen Dilemma, d.h. sie können ein ihnen gemeinsames Ziel, nämlich das Eingehen einer produktiven Interaktion, nicht erreichen, solange es nicht durch institutionelle Lösungen - durch langfristige Marktverträge oder eben durch die vertikale Integration der Interaktionspartner - möglich ist, sich glaubhaft gegen die Ausbeutungsgefahr abzusichern. Mit Hilfe des Ansatzes der normativen Institutionenökonomik bzw. des Stabilitätsparadigmas ist es damit möglich, die vertikale Integration als institutionelle Lösung für ein Interaktionsproblem zwischen zwei Individuen oder Gruppen auf verschiedenen Marktseiten zu verstehen. Die vertikale Integration ist insofern von den Betroffenen aus gesehen prinzipiell zustimmungsfähig, als sie es ermöglicht, eine produktive Interaktion, die aus Angst vor Ausbeutungsgefahren sonst eventuell unterlassen
45
Vergleiche dazu Pies, 1993, S. 231 ff.
46
Pies, 1993, S. 233.
120
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
würde, doch zustande kommen zu lassen. Die vertikale Integration ermöglicht als institutionelle Lösung die Destabilisierung einer einseitigen Dilemmasituation bzw. die Stabilisierung der Kooperation zwischen den interagierenden Unternehmen. Eine positive Analyse bestimmter Interaktionsmuster zwischen verschiedenen Unternehmen zeigt, daß die Spezifität von Investitionen zu vertikaler Integration führen kann. Von dem Vorliegen vertikaler Integration kann man daher jetzt nicht mehr automatisch auf Unerwünschtheit (im Sinne von Marktbeherrschung oder Marktrnacht) schließen, denn jetzt können bestimmte Fälle vertikaler Integration aufgrund ihrer Produktivität allgemein erwünscht sein. (5) Als ein Beispiel für die positive Wirkung der vertikalen Integration kann - wie bereits erwähnt - die Automobilindustrie dienen. Hier wurden die Hersteller ganz spezifischer Gußformen für bestimmte Automodelle mit den Automobilproduzenten, den Nachfragern dieser Gußformen, vertikal integriert, um eine Ausbeutungssituation zu verhindern 47 • Da eine Gußform nur für ein bestimmtes Fahrzeugmodell eines bestimmten Produzenten verwendbar ist, begibt sich der Hersteller der Form in Abhängigkeit von diesem Produzenten. Sobald er nämlich die Produktionskapazität für die Gußform bereitgestellt hat, d.h. hohe sunk costs eingegangen ist, kann er vom Autohersteller ausgebeutet werden. Er kann gezwungen werden, die Formen zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen als ursprünglich vereinbart wurde, weil dies für ihn immer noch besser ist, als gar keinen Abnehmer für sie zu finden. Diese instabile einseitige Dilemma- oder Hold-Up-Situation wurde durch die vertikale Integration zwischen Zulieferern und Herstellern überwunden 4R • Als ein Nachteil der vertikalen Integration in der Automobilindustrie hat es sich aber inzwischen erwiesen, daß integrierte Zulieferer nicht mehr unter Wettbewerbsdruck stehen und sich daher Produktivitätseinbußen ergeben können. Man sucht deshalb in der Gegenwart wieder verstärkt nach Alternativen, nach sog. funktionalen Äquivalenten zur vertikalen Integration. Hier bieten sich z.B. langfristige Lieferverträge an, die den Zulieferern garantieren, daß sie ihre spezifischen Investitionen abschreiben können. Eine weitere häufig praktizierte institutionelle Lösung des Ausbeutungsproblems bei spezifischen Investitionen der Zulieferer besteht darin, daß die Automobilproduzenten direkt die Kosten für die spezifischen Werkzeuge oder Maschinen übernehmen. Alle diese institutionellen Lösungsmuster dienen dazu, die Anreizstruktur (die Auszahlungsmatrix) der Interaktionspartner so zu verändern, daß eine Kooperation zwischen bei den dauerhaft stabilisiert wird. Durch die Änderung der Auszah47
Klein/CrawjordJAlchian, 1978, S. 308ff.
Klein/CrawjordJAlchian, 1978, wählen die vertikale Integration zwischen General Motors als Automobilproduzent und Fisher Body als Hersteller der Gußformen im Jahr 1926 als Beispiel. 4R
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
121
lungsmatrix wird das Versprechen der Kooperation bzw. der Nicht-Ausbeutung erst glaubwürdig, die einseitige Dilemmasituation wird aufgehoben. (6) Das Konzept der normativen Institutionenökonomik kann damit dazu dienen, die wettbewerbspolitische Diskussion über Prozesse vertikaler Integration auf neue Aspekte zu lenken. Kann die vertikale Integration zweier Unternehmen in einem konkreten Fall als Bemühen rekonstruiert werden, Ausbeutungsgefahren zu verhindern, um dadurch potentiell produktive Interaktionen zu stabilisieren, und erreicht sie damit die potentielle Zustimmung der Betroffenen 49 , so muß dies auch bei einer wettbewerbspolitischen Entscheidung ausreichend berücksichtigt werden. Die Williamsonsche Perspektive lenkt somit im Sinne einer komparativen Institutionenanalyse den Blick auf funktionale Äquivalente zur Lösung von Organisationsproblemen (vertikale Integration oder langfristige Vertragsbeziehungen), statt wie der Machtansatz einfach normativ zu verbieten.
11. Beispiele aus dem Bereich der Unternehmenspolitik Unternehmenspolitik in einer demokratisch verfaßten Marktwirtschaft besteht im wesentlichen darin, sich Märkten anzupassen bzw. Märkte zu "machen" und die sich auf ihnen bietenden Chancen zu nutzen. Märkte sind charakterisiert durch zielorientiert handelnde Marktteilnehmer, deren Dispositionen in einem interaktiven Prozeß aufeinander abgestimmt werden 50 • Dieser interaktive Prozeß zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern steht im Mittelpunkt einer Analyse der Möglichkeit unternehmenspolitischer Beratung mit Hilfe der normativen Institutionenökonomik. Dabei muß davon ausgegangen werden, daß auch die einzelne Unternehmung 5 ! kein monolithischer Block ist, sondern eine
49 Die potentiell Betroffenen sind in diesem Fall nicht nur die bei den beteiligten Interaktionspartner. In einem politischen Prozeß muß entschieden werden, ob eventuell auch andere Wirtschaftssubjekte (auf der Anbieter- oder Nachfragerseite) von der vertikalen Integration betroffen sind. Selbst Williamwn, 1985, S. 85, gibt zu, daß die "vertical integration can and sometimes does serve a variety of economic purposes". Dann ist es notwendig, auch diese anderen Faktoren und die mit ihnen zusammenhängenden Interessen zu betrachten. Die legitimen Interessen dieser anderen Betroffenen müssen dann auch in der politischen Entscheidung über die Genehmigung einer vertikalen Integration berücksichtigt werden. eine vertikale Integration auf Kosten Dritter ist nicht zulässig. Darauf wird jedoch im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit nicht mehr näher eingegangen. da die Beurteilung für den Einzelfall erfolgen muß. 50
Hax. 1991. S. 66.
Die Begriffe Unternehmen bzw. Unternehmung sollen in dieser Arbeit die organisatorische Form bezeichnen, in der eine spezifische Verbindung zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Arbeitsmitteln zum Zwecke einer Produktion von Gütern oder Dienstleistungen stattfindet. Richter, 5!
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
122
kollektive Einheit, die aus einer Vielzahl von rational handelnden Individuen besteht. Diese Individuen greifen in das Geschehen ein, um ihren jeweiligen Interessen Geltung und Durchsetzung zu verschaffen, wobei sie alle ein gemeinsames Interesse haben: an der sozialen Interaktion der Unternehmung beteiligt zu sein, von ihr zu profitieren bzw. mehr zu profitieren als von alternativen Engagements. Daher muß auch der interaktive Prozeß zwischen diesen Individuen innerhalb eines Unternehmens, der dem Handeln des Unternehmens am Markt vorgelagert ist, in die Betrachtung miteinbezogen werden. Gegenstand der Institutionenökonomik ist im Falle der Unternehmenstheorie sowohl die ökonomische Analyse des institutionellen Rahmens für die Unternehmung als auch die Analyse ihrer inneren Organisation52 . Institutionelle Arrangements sind nämlich sowohl in den Innen- als auch in den Außenbeziehungen der Unternehmen von Bedeutung. Der Managementprozeß wird heute überwiegend als eine Steuerung komplexer Systeme gesehen. Die Manager üben dabei eine Art Metasteuerung aus, d.h. sie versuchen nicht mehr, den strategischen Prozeß eines Unternehmens von seinem Ende her zu beherrschen, sondern ihn indirekt über die Festlegung von Spielregeln und das Geben von Informationen zu steuern. Diese Regelsteuerung anstelle einer direkten Handlungskontrolle ist nicht nur heute angesichts zunehmend komplexer werdender Unternehmensstrukturen unvermeidlich, sondern sie bringt auch große Produktivitätsgewinne, weil sie die Kreativität der Mitarbeiter freisetzt. Unter Unternehmenspolitik soll daher im folgenden verstanden werden: das Bemühen, das geeignete institutionelle Arrangement zu finden für Transaktionen zwischen der Unternehmung und ihrer Umwelt (Markttransaktionen) und innerhalb der einzelnen Unternehmung 53 • Geeignet sind die Arrangements dann, wenn sie für die Betroffenen produktiv und damit zustimmungsfähig sind. Unternehmenspolitik wird somit konzipiert als eine Art Firmenordnungspolitik unter dem (normativ und positiv begründeten) Prinzip der Zustimmungsfähig-
1994, S. 34 definiert die Unternehmung als ein "Netz relationaler Verträge", d.h. ein Netz von unvollständigen Beziehungsverträgen zwischen dem Unternehmenseigentümer und sämtlichen in der Unternehmung eingesetzten Ressourcen. Innerhalb dieses relationalen Vertragsnetzes finden dann laufend einzelne Transaktionen statt. 52
Richter, 1991, S. 396.
Auch Coase, 1972, S. 73 beschreibt dieses zweigleisige Vorgehen, institutionelle Arrangements innerhalb von Unternehmen und zwischen Unternehmen zu beschreiben: "This would concentrate on what activities firrns undertake, and would endeavor to discover the characteristics of groupings of activities within firrns .... In addition to studying what happens within firrns, studies should also be made of the contractual arrangements between firrns (long-terrn contracts, leasing ... ), since market arrangements are the alternative to organization within the firm." 53
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
123
keit, des Konsenses der BetrotIenen54 • Dieses Prinzip setzt - wie im vorigen Kapitel bereits erläutert - nicht die Gleichheit der Akteure im Sinne einer gleichen Ausgangsposition wie in der politischen Demokratie voraus, ganz im Gegenteil: Für die Problematik der Interaktionsstrukturen in Unternehmen ist es oft entscheidend, daß die zu diskutierenden ein- und zweiseitigen Dilemmastrukturen auch noch mit Asymmetrien in der Auszahlungsmatrix verbunden sind aufgrund der ungleich verteilten Property Rights. Auch für den Bereich der Unternehmenspolitik werden im folgenden Beispiele zu zwei- und einseitigen (Principal-Agent und Hold-up) Dilemmasituationen herangezogen, um die Anwendbarkeit der normativen Institutionenökonomik zur ökonomischen Rekonstruktion unternehmenspolitischer Probleme aufzuzeigen.
1. Profitcenter • die Stabilisierung von erwünschten zweiseitigen Dilemmasituationen innerhalb von Unternehmen (l) Nicht nur zwischen verschiedenen Unternehmen, sondern auch im Rahmen eines einzelnen Unternehmens können zweiseitige Dilemmasituationen auftreten. Zur Steigerung der Effizienz und Produktivität eines Gesamtunternehmens kann Wettbewerb zwischen verschiedenen Bereichen oder Abteilungen einer Firma institutionalisiert und damit eine erwünschte zweiseitige Dilemmasituation innerhalb eines Unternehmens bewußt geschaffen werden. Die Spielregeln können im Rahmen eines Unternehmens nämlich so gesetzt werden, daß einzelne Bereiche als Profit oder Cost Center organisiert sind und miteinander unternehmensintern wie an einem Markt verkehren (z.B. durch das Institutionalisieren von Transferpreisen). Das Schaffen einer solchen Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens, deren Erfolg nach dem von ihnen erwirtschafteten Profit beurteilt wird, kann aber auch zu für das Gesamtunternehmen unerwünschten Folgen führen. So können zum Beispiel die Profitcenter "Privatkunden" und "Firmenkunden" in einer Bank in einen für die Gesamtbank unguten Wettbewerb um solche Kunden eintreten, die nicht eindeutig der einen oder anderen Kundengruppe zugerechnet werden können (wie z.B. Gewerbekunden, die überwiegend die Produktpalette von Privatkunden nachfragen). Um diese negative Entwicklung eines im Prinzip erwünschten Dilemmas zu verhindern, und die Kunden im Sinne der Gesamtbank dem für ihre Betreuung am besten geeigneten Profitcenter zuzuführen,
54 Es wird hier auf die bereits in Kapitel 3.5.3. getroffene Unterscheidung zwischen an unternehmenpolitischen Entscheidungen Beteiligten und von unternehmenspolitischen Entscheidungen Betroffenen hingewiesen.
124
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
sind institutionelle Regeln zu etablieren, wie zum Beispiel die Zahlung von Prämien, die die Abteilungen zur Abgabe bestimmter Kunden an die andere Betreuungseinheit anreizen sollen. Als Beispiel einer zwar prinzipiell erwünschten, aber zum Teil überspitzten zweiseitigen Dilemmasituation im Rahmen einer Bank kann auch der Wettbewerb zwischen verschiedenen Filialen um die Vergabe von Firmen- oder Verbraucher krediten angesehen werden 55 . Ist die Höhe der Kreditsumme eine erfolgswirksame Steuerungsgröße im Rahmen des internen Bankenwettbewerbs, so kann dies zu einer unerwünschten Ausdehnung des Gesamtkreditvolumens und des notwendigen Wertberichtigungsvolumens zu Lasten der Zentrale führen. Angesichts der Zielvorstellungen der kreditvergebenden Filialen Volumensausweitung und Gewinnung von Marktanteilen vor Ort - kommt es zu einem allzu großen Druck auf die Kompetenzträger in den Filialen. Diese stehen nämlich dann in einer zweifachen Wettbewerbs situation: in Konkurrenz zu anderen Banken am Markt und im hausinternen Wettbewerb um die besten Abschlußzahlen. Solange die einzelnen Filialleiter die Kosten ihrer lokalen Kreditausweitung in die Gesamtbank externalisieren können (Reputationsverlust und pauschales Wertberichtigungsvolumen fallen zentral und damit für den lokalen Entscheidungsträger nicht direkt spürbar an), führt die hausinterne Wettbewerbssituation zu einer zu starken Ausweitung riskanter Kreditabschlüsse vor allem in Zeiten eines härteren Wettbewerbs am Markt. Auch hier muß im Interesse aller Betroffenen (auch der Kreditnehmer) durch institutionelle Regelungen diese prinzipiell erwünschte zweiseitige Dilemmasituation des bankinternen Wettbewerbs wieder beherrschbar gemacht werden. Eine mangelhaft koordinierte Konkurrenz der Filialen führt nämlich zu einer Schädigung der Gesamtbank und der Bankkunden. Grundsätzlich müssen daher einem Filialleiter, der allzu riskante Kreditabschlüsse tätigt, Karrierenachteile entstehen, so daß er die Kosten seines Kreditportefeuilles nicht mehr externalisieren kann, sondern selbst tragen muß. Es müssen wirksame hausinterne Sanktionen eingeführt werden für den Fall des Abschlusses allzu riskanter Kredite. Denkbar wäre zum Beispiel, daß die Zentrale ihren Mitarbeitern vor Ort strengere Auflagen hinsichtlich der Kreditwürdigkeitsprüfung und Kreditvergabe machte. Die hausinterne Revision müßte dann bei ihrer Beurteilung nicht von der bloßen Quantität abgeschlossener Kredite ausgehen, sondern vielmehr ihr Urteil vor allem auch von deren Qualität abhängig machen. (2) Auch im Rahmen eines Unternehmens werden also zweiseitige Dilemmasituationen bewußt herbeigeführt durch die Institutionalisierung von internen Wettbewerbsstrukturen, um den Unternehmenserfolg insgesamt zu steigern. 55 Vgl. Voge/sang, 1994, S. 143 ff zu der Problematik des Verbraucherkredits im Konsumentenkreditgeschäft der Banken.
11. Beispiele der Untemehmenspolitik
125
Bestimmten Fehlentwicklungen dieser Dilemmata muß dann aber wiederum durch institutionelle Regelungen gegengesteuert werden. Solche Fehlentwicklungen von unternehmensinternen Wettbewerbsstrukturen liegen z.B. vor, wenn die Kosten von Fehlentscheidungen externalisiert werden können. Der Anreiz eines internen Profit oder auch Cost Centers, eigene Verluste zu minimieren, ist dann wesentlich abgeschwächt. Eine solche Situation kann z.B. auch eintreten, wenn Fehlentscheidungen eines internen Servicebereiches im Unternehmen nur bei den von diesem abhängigen Geschäftsbereichen zu Konsequenzen führen, aber nicht bei dem Servicebereich selbst. Hier versagt dann die institutionalisierte übergeordnete Unternehmenssteuerung. Es wäre die Aufgabe des Controllingbereiches, die kritisierten Fehlsteuerungen zu vermeiden, indem auch für den Servicebereich die Kosten transparent offengelegt und in dessen Verantwortungsbereich gestellt würden. Problematisch sind interne Wettbewerbs- oder Dilemmasituationen in Unternehmen auch dann, wenn die Vorteile bzw. der Nutzen eigener Entscheidungen von anderen (z.B. auch von Vorgesetzten) angeeignet werden können, wenn also positive externe Effekte entstehen. Die Anreize für das Handeln von einzelnen Individuen oder Gruppen im unternehmensinternen Wettbewerb, sich besonders anzustrengen, um gute Ergebnisse zu erzielen, sind dann wesentlich abgeschwächt, wenn andere die Lorbeeren ernten. Auch in solchen Fällen kann es eine Aufgabe des unternehmensinternen Controllings sein, die Anreize anders zu setzen, um die Erfolge auch den wirklich dafür Verantwortlichen zurechnen zu können. Es kann aber auch im Aufgabenbereich der Personalentwicklung liegen, institutionelle Strukturen zu entwickeln (z.B. interne Assessment Center), die es möglich machen, wirkliche Leistungsträger innerhalb des Unternehmens wahrzunehmen und weiter zu motivieren. (3) Unternehmenspolitik über die Gestaltung der unternehmensinternen institutionellen Rahmenbedingungen dient dazu, für das Gesamtunternehmen produktive Interaktionen zwischen den verschiedenen Abteilungen oder Bereichen eines Unternehmens zu ermöglichen. Aufgabe eines Unternehmenspolitikberaters im Sinne der normativen Institutionenökonomik ist es dabei aufzuzeigen, welche Anreizwirkungen die Etablierung von unternehmensinternen Wettbewerbsstrukturen auf die Betroffenen hat, um gegebenenfalls die Sicherung von erwünschten Dilemmasituationen durch entsprechende institutionelle Regelungen erst möglich zu machen. Hierbei ist es vor allem notwendig, eine rationale Selbstschädigung des Gesamtunternehmens durch eine mangelhaft koordinierte interne Konkurrenz zu vermeiden. Durch institutionelle Sicherungen müssen vor allem auch die in unternehmensinternen Wettbewerbssituationen wie am Markt auftretenden externen Effekte internalisiert werden, damit die interne Konkurrenzsituation die für das Gesamtunternehmen erwünschten Effekte einer erhöhten Motivation der einzelnen Abteilungen und Mitarbeiter
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
126
und damit einer erhöhten Produktivität des Gesamtunternehmens hervorrufen kann.
2. Virtual Corporation • die Destabilisierung einer unerwünschten zweiseitigen Dilemmasituation zwischen verschiedenen Unternehmen (1) Als Beispiel für die Schaffung und damit gleichzeitig notwendige Beherrschung einer zweiseitigen Dilemmasituation zwischen verschiedenen Unternehmen kann die sog. "Virtual Corporation" dienen. Dabei handelt es sich um eine enge Kooperation zwischen mehreren selbständigen Unternehmen auf Zeit, die diese eingehen, um gewisse Vorteile im Wettbewerb, windows %pportunity, gemeinsam auszunutzen 56 • Die Unternehmen sind dabei außerhalb dieser zeitweiligen Kooperation in der Regel Wettbewerber in einem Markt. Die Virtual Corporation ist von ihrer Struktur und ihren Zielen her vergleichbar mit einer sog. strategischen Allianz, sie ist aber auf einen kürzeren Zeitraum der Zusammenarbeit angelegt. Im Unterschied zu einer strategischen Allianz bildet auch der gezielte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie fast immer die Grundlage für die Gestaltung virtueller Organisationen 57 • Ziel ist es, die individuellen Stärken der beiden Unternehmen in einzelnen Gliedern der Wertschöpfungskette, die Schlüsselkompetenzen der an der Kooperation beteiligten Unternehmen 58 , die auf verschiedenen Gebieten liegen sollten, in einer schlagkräftigen Organisation auf Zeit zu verbinden. Die Virtual Corporation oder kurzfristige strategische Allianz wird aufgrund ihrer höheren Flexibilität einer dauerhaften Integration der beiden Unternehmen vorgezogen. Als Gründe für bzw. Typen der Kooperation der Partnerunternehmen werden beschrieben 59:
I. Der Ausbau von Marktanteilen bzw. der Eintritt in bisher nicht belieferte
Märkte, um einen gegebenen Fixkostenblock auf eine größere Zahl von Mengeneinheiten zu verteilen. So könnten z.B. zwei Unternehmen ko-
56 Die Virtual Corporation wird definiert als "new corporate modelthat uses technology to link people, assets, and ideas in a temporary organization. After the business is done, it disbands ... It's a temporary network of companies that come together quickly to exploit fast-changing opportunities. In a Virtual Corporation, companies can share costs, skills, and access to global markets, with each partner contributing what it's best at." (Business Week, 1993, S. 36ff). Vgl. zur Definition einer "virtuellen Organisation" auch Klein, S. 1994, S. 309.
57
Vgl. Klein, S. 1994, S. 309f.
Business Week, 1993, S. 37: "Each company ... will contribute only what it regards as its 'core competencies', ... the key capabilities of a company." 58
59 Die verschiedenen Formen der Allianz werden u.a. beschrieben von BackhauslPlinke, 1990, S. 32. Vgl. auch Voigt, 1993, S. 247.
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
127
operieren, um das Vertriebsnetz des Partners in jeweils anderen Regionen der Welt zu nutzen. Eine solche Allianz wird auch als Markterschließungs- oder Volumens-Allianz bezeichnet. Beispiele liefern zahlreiche strategische Allianzen, die Bosch mit amerikanischen und asiatischen Partnern eingegangen ist, um Zugang zu den Märkten des jeweiligen Partnerunternehmens zu erlangen 6o • 2. Die Verbesserung der im Unternehmen vorhandenen Kompetenz in bezug auf einzelne Glieder der Wertschöpfungskette durch einen Wissenstransfer zwischen den Kooperationspartnern, eine Form der Allianz, die als Kompetenzallianz bezeichnet werden kann. Als Beispiel hierfür kann die strategische Allianz zwischen Mitsubishi und Daimler, genauer ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Plastik-Recyclings, dienen 61 . 3. Die gemeinsame Entwicklung neuer Produkte oder Produktionsverfahren durch die Bündelung von Forschungsanstrengungen, wobei vor allem eine Teilung des Risikos der Neuentwicklung angestrebt wird. Die gemeinsame Entwicklung des 64-Mega-Chips durch Siemens und IBM ist ein Beispiel für diese Form der sog. burden-sharing-Allianz. (2) Durch die Bildung einer Virtual Corporation begeben sich die Kooperationspartner im Rahmen einer zweiseitigen Dilemmasituation in große wechselseitige Abhängigkeit voneinander, da sie in die Kooperation ihre Schlüsselkompetenzen einbringen62 • Es werden zwar beim Eingehen der Allianz vertragliche Vereinbarungen getroffen über die inhaltlichen Schwerpunkte und die Art und Dauer der Zusammenarbeit, über die Art und den Umfang der einzubringenden Ressourcen und über Art und Ausmaß der Kontrolle des Kooperationsvorhabens63 • Da aber eine solche Allianz ein "constantly evolving bargain"64 darstellt, können nicht bereits zu Beginn alle Eventualitäten berücksichtigt werden. Die Teilnehmer an der Allianz sind darauf angewiesen, daß ihr jeweiliger Partner
60
BackhauslPi/tz, 1990, S. 80.
Süddeutsche Zeitung, Nr. 278 vom 2.12.93, S. 33: "Hier hat der deutsche Partner einen Entwicklungsvorsprung bei der mechanischen Aufbereitung, während Mitsubishi über das chemische Know-how verfügt." 61
62Klein, S. 1994, S. 311: "Die Ambivalenz von Gemeinsamkeiten, etwa gemeinsamen Zielen und Strategien, und notwendiger Eigenständigkeit erfordert wechselseitiges Vertrauen, das zum Teil in der wechselseitigen Abhängigkeit gründet. Ein offener Austausch von Informationen, der die einzelnen Unternehmungen verletzlich gegenüber Mißbrauch macht, bildet eine wesentliche Erfolgsbedingung virtueller Organisationen. " 63
Vgl. Hoffmnnn, 1992, S. 296.
64
HamellDoZ!Prahalad, 1989, S. 134.
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
128
sein Kooperationsversprechen einhäIt65. Durch das Eingehen der Allianz entsteht eine unerwünschte zweiseitige Gefangenendilemmasituation - die Kooperation der Unternehmen kann nämlich als ein öffentliches Gut interpretiert werden -, in der eines der Unternehmen die Haltung des Defektierers einnehmen könnte, um seinen eigenen Nutzen auf Kosten seines Kooperationspartners zu maximieren. Um eine solche Situation von vorne herein zu verhindern und das Eingehen der für beide produktiven Kooperation überhaupt möglich zu machen, müssen institutionelle Arrangements geschaffen werden, die die Haltung des Defektierers unattraktiv werden lassen. BackhauslPiItz fordern ein sog. AnreizBeitrags-Gleichgewicht66 , d.h. jeder Allianzteilnehmer muß einen Anreiz haben, auch am Erfolg des Partners interessiert zu sein. Eine gleichgewichtige Kapitalbeteiligung der Partnerunternehmen an der Allianz soll zu diesem Gleichgewicht beitragen: " ... fifty-fifty ownership is important for another reason: it builds trust by ensuring that each partner is concerned about the other's success, or .,. each partner has a stake in mutual success"67. Institutionelle Sicherungen der Kooperation beinhalten daneben die Vereinbarung von Rechten der beiden Partner zur Kontrolle der in die Allianz einbezogenen Aktivitäten und von negativen bzw. positiven Sanktionen, wenn einer der Partner nicht die gewünschten Leistungen erbringt bzw. umgekehrt, wenn die Allianz sich gut entwickelt. Hier ist z.B. an die Vereinbarung einer erst stufenweisen Weiterentwicklung der Kooperation nach anfänglichem Erfolg zu denken. Es müssen also vertragliche Vorkehrungen getroffen, Spielregeln vereinbart werden, die die Partner an der eigenen Erfüllung des Kooperationsversprechens interessieren. Das Eingehen von gegenseitigen Verpflichtungen zur Kooperation muß durch institutionelle Vorkehrungen glaubwürdig gemacht werden 68 • Dadurch erst wird eine Virtual Corporation oder eine strategische Allianz zu einem sich selbstdurchsetzenden und damit stabilen Vertrag.
65 Business Week. 1993, S. 39: "If power and flexibility are the obvious benefits of the virtual corporation, the model has some real risks, too .... a company joining such a network loses control of the functions it cedes to its partners - who may drop the ball. Proprietary infonnation or technology mayescape." 66
BackhauslPiltz, 1990, S. 9.
67
Bleeke/Emst, 1991, S. 132.
Richter, 1994. S. 35: "Wie bei allen relationalen Verträgen reduziert sich auch im Falle der Unternehmung, verstanden als Netz relationaler Verträge, die Problematik auf das Glaubwürdigmachen von Verpflichtungen. Hier wie im Falle des Marktes haben wir es mit "Investitionen in Vertrauen" zu tun. In allen Beziehungen ("Verhältnissen"), die sich nicht (allein) durch Rechtszwang durchsetzen oder aufrechterhalten lassen, spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Die Selbstdurchsetzung der Verträge, praktiziert nach dem Motto "wie-Du-mir-so-ich-Dir" (Axelrod, 1984), setzt voraus, daß sofort und auf einfache Weise zu erkennen ist, was ein Vertrauensbruch ist." 68
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
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Eine andere institutionelle Lösung, die zur Stabilisierung der Interaktion denkbar ist, ist der Aufbau von Reputationskapital: Ein Unternehmen muß daran interessiert sein, ein glaubwürdiger Kooperationspartner zu bleiben, wenn es in Zukunft noch in andere für es nützliche Virtual Corporations oder strategische Allianzen eintreten will. Nur wer nicht als Defektierer bekannt ist, wird, wenn sich in Zukunft andere Kooperationsmöglichkeiten bieten, auch als möglicher Partner ernst genommen werden 69 • Damit wird die Transparenz am Markt für mögliche Kooperationen eine wichtige Form ihrer institutionellen Sicherung. Neben der Institution der Reputation und der damit notwendig verbundenen Markuransparenz könnte man sich die institutionelle Sicherung der Virtual Corporation auch mit Hilfe eines Geiselaustauschs zwischen den beteiligten Unternehmen im Sinne von Williamsons "hostage model" vorstellen 70 • Das Interesse beider Beteiligten am Fortbestehen der Interaktion wird durch die Hinterlegung einer Art von Bürgschaft, eines Bonds, sichergestellt, der verloren geht, wenn die Kooperation vorzeitig bzw. einseitig aufgelöst wird. (3) Die Schaffung einer Virtual Corporation kann damit im Sinne der normativen Institutionenökonomik als Beispiel für eine zustimmungsfahige, weil für beide Seiten produktive Kooperation zwischen zwei Partnerunternehmen interpretiert werden. Diese müssen versuchen, die zwischen ihnen entstehenden Abhängigkeiten und Ausbeutbarkeiten durch institutionelle Arrangements beherrschbar zu machen. Ihre Kooperation als eine Art öffentliches Gut muß geschützt, die entstehende zweiseitige Dilemmasituation beseitigt und eine mögliche Defektion eines Partners durch vertragliche Sicherungen verhindert werden, um die erwünschte Interaktion, nämlich die Kooperation innerhalb der Virtual Corporation, zu stabilisieren. Den Unternehmen ist es dadurch möglich, die Abhängigkeits- und Ausbeutungsprobleme zwischen sich zu lösen, ohne 69 Business Week, 1993, S. 40: "The current c1utch of strategie alliances and joint ventures could help here, too, since they give companies a track record of cooperation. 'People who think they can screw each other because we're going to terminate six months later are missing the point, because what we're building is a web of trust and shared understandings ... "'. Der Aufbau von Reputation zur Ermöglichung produktiver Interaktionen wird von Kreps, I 990a, im Zusammenhang mit dem Stichwort der "Unternehmenskultur" diskutiert: Diese wird als Beispiel für die evolutorische Herausbildung einer Institution dargestellt, die durch den Aufbau von Reputation und Vertrauen produktive hierarchische Transaktionen erst möglich macht. Die Organisationskultur des Unternehmens ermöglicht es nämlich, allgemeine Regeln zu fixieren und bekannt zu machen, nach denen das Management bei Eintreten unvorhersehbarer Ereignisse handeln wird. Dadurch gibt sie den Untergebenen ex-ante eine Idee, wie die Organisation auf unvorhersehbare Umstände ex-post reagieren wird (Richter, 1994, S. 36). Das Unternehmen wird von Kreps als "reputation bearer" (S. 111) gesehen, das eine Unternehmenskultur entwickelt, die den Mitarbeitern die Identität des Unternehmens kommuniziert (S. 126). 70
Vgl. zum sog. hostage model Seite 115 ff.
9 von Wulffen
130
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
eine vertikale Integration eingehen zu müssen, was ihnen auf Dauer eine größere Flexibilität ennöglicht. Aufgabe eines Politikberaters wäre es in diesem Zusammenhang, Möglichkeiten zu produktiven, und damit allseits zustimmungsfähigen Interaktionen und Kooperationen zwischen Partnerunternehmen aufzuzeigen und zugleich institutionelle Sicherungen für deren Kooperationsfonnen vorzuschlagen.
3. Arbeitsrecht und Arbeitsvertrag - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation im Unternehmen (l) Problematische Zweierinteraktionen im Sinne des Principal-AgentAnsatzes treten auch innerhalb eines Unternehmens häufig auf. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß Infonnation zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer im einzelnen Unternehmen asymmetrisch verteilt ist. Da das Überwachen des Agenten durch den Prinzipal mit Kosten verbunden oder überhaupt nicht möglich ist (monitoring costs) und andererseits der Agent mit plastic assets umzugehen hat1 1, d.h. unter verschiedenen legitimen Entscheidungen bezüglich der Ressourcenverwendung wählen kann, entsteht das Problem des sog. moral hazarcP 2, des moralischen Risikos. Unter moral hazard (oder auch hidden action, d.h. versteckte Aktion genannt) versteht man eine Situation, in der ein Interaktionspartner (der Agent) nach Vertragsabchluß unter mehreren Handlungsalternativen eine Auswahl treffen kann, die für den zweiten Interaktionspartner (den Prinzipal) nicht vollkommen beobachtbar ist, aber dessen Bewertung der Interaktion beeinflußt73 • In den Begriffen des Gefangenendilemmas formuliert wird also wiederum das Zustandekommen einer produktiven Kooperation zwischen zwei Interaktionspartnern, zwischen dem Agenten und dem Prinzipal, durch die Möglichkeit einer individuellen Defektionsstrategie gefährdet.
(2) Ein wichtiges Beispiel für eine Principal-Agent-Situation ist das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber (oder dem Vorgesetzten) als Prinzipal und dem Arbeitnehmer (oder dem Mitarbeiter) als Agent im Unternehmen. Die 71 AlchianlWoodward, 1987, S. I 32ff. sprechen von der "plasticity of assets", der Plastizität von Vermögenswerten, "to indicate there is a wide range of legitimate decisions within which the user may choose, or that an observer can less reliably monitor the choice."
72 AlchianIWoodward, 1987, S. 134: "The combination ofplasticity plus high monitoring costs results in potential morally hazardous exploitation." 73 Kreps, 1990, S. 577: "... we consider the problem of moral hazard, where one party to a transaction may undertake certain actions that (a) affect the other party's valuation of the transaction but that (b) the second party cannot monitorIenforce perfect1y."
II. Beispiele der Unternehmenspolitik
131
"hidden action", die der Prinzipal nicht beobachten kann, ist in diesem Falle die Arbeitsanstrengung, die der Arbeitnehmer oder Mitarbeiter im Unternehmen bei der Erfüllung seiner Aufgaben aufbringt1 4 • Die eigene Anstrengung stellt für den Arbeitnehmer einen Nachteil (weil Mühe) dar, ist aber von Nutzen für den Arbeitgeber im Sinne einer Produktivitätssteigerung des gesamten Unternehmens. Die Lösung für ein solches Principal-Agent-Problem im Unternehmen besteht darin, durch institutionelle, arbeits vertragliche Regelungen die richtigen Anreize für den Agenten zu setzen, so daß dieser seine Arbeitsanstrengungen erhöht1 5• Selbst wenn der Arbeitgeber das Niveau des Lohnes für den Arbeitnehmer nicht direkt in Relation zu dessen Anstrengung festsetzen kann 76 , so kann doch eventuell auf indirektem Wege eine Verbindung zwischen Arbeitsanstrengung und Entlohnung geschaffen, und es können dadurch die erwünschten Anreize gesetzt werden. Ein Entlohnungssystem ist dann zweckmäßig, wenn es jeden Mitarbeiter motiviert, so zu arbeiten, wie es zur Erreichung der gemeinsamen Zielsetzung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite am sinnvollsten ist. Zu diesem Zweck kann beispielsweise ein Entlohnungssystem eingesetzt werden, bei dem ein Teil der Vergütung variabel in Abhängigkeit vom Erreichen definierter Ziele vereinbart wird. Der Mitarbeiter erhält dann beim Erreichen der Ziel vorgabe einen Bonus oder eine Prämie. Zur Erschließung eines verdeckten Leistungspotentials können leistungsabhängige Entlohnungssysteme angewandt werden. So werden in Produktionsabteilungen neben einem fixen Lohnanteil Akkordzuschläge und Prämien gezahlt. In Bereichen des Verkaufs und der Akquisition sind Umsatzbeteiligungen üblich 77 • Als weitere Möglichkeit zur Überwindung des Principal-Agent-Dilemmas ist auch an eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer zu denken. Durch die Institutionalisierung einer Gewinnbeteiligung wird zudem der einzelne Arbeitnehmer auch dazu angeregt, seine Kollegen im Team zu beobachten, weil sein eigener Verdienst von der Produktivität aller abhängt, so daß auch durch die gegenseitige Kontrolle die Arbeitsanstrengung insgesamt zunehmen dürfte. Auch die Effizienz10hntheorie78 zeigt in ihren Shirking-Ansätzen auf, daß eine Entlohnung der Arbeitnehmer oberhalb des markträumenden Lohnniveaus als Leistungsanreiz
74
Arrow, 1985, S. 38: "The most typical hidden action is the effort of the agent".
Allgemein formuliert heißt das: "The 'solution' to a problem of moral hazard is the use of incentives - structuring the transaction so that the party who undertakes the actions will, in his own best interests, take actions that the second party would (relatively) prefer." (Kreps, 1990, S. 577) 75
76 Dies wäre nur dann möglich, wenn die Entlohnung direkt von der Anzahl der hergestellten Stücke abhängig gemacht werden könnte für den Fall, daß nur die Arbeitsgeschwindigkeit des Arbeiters selbst diese beeinflußt und nicht der Maschinentakt oder das Tempo des gesamten Teams.
9'
77
Vgl. Meyer, 1990, S. 26.
78
Vgl. Franz, 1991, S. 300ff.
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
132
dienen kann. Drückebergerei wird verhindert, indem bei Arbeitsplatzverlust hohe Einkommenseinbußen drohen. Eine andere Möglichkeit, das einzelne Individuum zu einer höheren Arbeitsanstrengung zu motivieren und dadurch das Principal-Agent-Dilemma zu überwinden, kann die Einrichtung einer Arbeitsgruppe sein. Wie Wilkesmann zeigt, kann unter Umständen eine "echte" Gruppe79 einen Selbststeuerungsmechanismus (eine Art "Gruppenverfassung" im Sinne von selbst gesetzten Normen) entwickeln, der den einzelnen zur Kooperation mit der Gruppe und damit zu erhöhter Anstrengung treibt. Die Gruppe schafft über soziale Normen, den sozialen Status in der Gruppe und über Emotionen selektive Anreize für das einzelne Individuum, um kooperatives Verhalten zu erzeugen. "Manchmal ist für das Management die Selbststeuerung der Gruppe gerade der Grund für die Einführung der Gruppenarbeit. Eine Gruppe besitzt - unter gewissen Voraussetzungen - mehr Überwachungs- und Sanktionskapazität, als sie je ein Vorgesetzter ausüben kann"80. Ein anderes Beispiel für eine Principal-Agent-Interaktion im Unternehmen, die durch eigene unternehmens politische institutionelle Regelungen stabilisiert werden kann, ist die bereits erwähnte Interaktion zwischen den Aktionären, den Kapitaleignern einer Aktiengesellschaft, und dem Management. Will man, daß die Interessen der Manager, der Agenten, zum Wohle des Unternehmens mit denen der Aktionäre, der Prinzipale, übereinstimmen, so muß man die Manager zu Miteignern der Gesellschaft machen, indem man sie verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Aktien (einen spürbaren Teil ihres persönlichen Vermögens) der von ihnen geleiteten Gesellschaft auf längere Zeit zu halten. So verpflichten einige amerikanische Unternehmen, z.B. Kodak oder Chrysler, ihre Topmanager dazu, eine bestimmte Summe in Relation zu ihrem Basisgehalt auf längere Zeit in Aktien des eigenen Unternehmens zu investieren 81 . (3) In beiden Fällen werden institutionelle Regelungen, eine Art Unternehmensverfassung 82 , dazu genutzt, erwünschte, weil produktive Interaktionen
79 Wilkesmann, 1992, S. 88 definiert als "echte Gruppen" solche, bei denen die Gruppeninteraktion Bedingung für die Aufgabenbewältigung ist. Bei unechten Gruppen ist dagegen eine Gruppeninteraktion nicht zwingend notwendig zur Aufgabenerfüllung.
80 Wilkesmann, 1992, S. 81 Vgl. The Economist,
155.
1993, S. 17f: "Share-ownership by top managers is the simplest and most effective way to align the interests of managers and shareholders ... Nothing will concentrate a manager's mind on his company's sustained success like having a large chunk of his wealth bound up in its shares." Auch das deutsche Genossenschaftsgesetz (§9 GenG) sieht genau das vor, da es aber nur den Besitz eines einzigen Anteils vorschreibt, bleibt die konkrete Ausgestaltung der prinzipiell guten Idee wirkungslos. 82 Zu dem Konzept einer Unternehmensverfassung vgl. Gifford, 1991. Gifford sieht die Etablierung einer Unternehmensverfassung als institutionelles Arrangement ähnlich der Etablierung der Verfassung eines Staates. Die Unternehmensverfassung schützt die Eigentums- und Verfügungs-
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
133
zwischen zwei Gruppen, zwischen den Prinzipalen und den Agenten, zu stabilisieren. Die Aufgaben eines (Unternehmens-) Politikberaters bestehen in diesen Beispielen jeweils darin, 1. die betroffenen Akteure, die Prinzipale und Agenten, über die Struktur der einseitigen Dilemmasituationen aufzuklären, d.h. zu versuchen, ihnen ihre jeweiligen Anreize offenzulegen, 2. ihnen aufzuzeigen, daß eine Stabilisierung der Principal-Agent-Struktur auf bei den Seiten erwünscht, weil für beide produktiv ist, und 3. Vorschläge zu institutionellen Arrangements, zur Gestaltung der "Unternehmensverfassung" zu unterbreiten, die zur Stabilisierung der produktiven Principal-Agent-Interaktionen bzw. zur Überwindung des unerwünschten einseitigen Dilemmas beitragen können.
4. Mitbestimmung - die Destabilisierung einer unerwünschten einseitigen Dilemmasituation im Unternehmen
(1) Die Mitbestimmung 83 der Arbeitnehmer im Unternehmen war lange Jahre
(und ist zum Teil auch heute noch) in Deutschland sehr umstritten. So werden als - eher vage - Gründe für Mitbestimmung im wirtschaftlichen Bereich immer wieder genannt: die Übertragung des Demokratieprinzips auf die Wirtschaft, die Gleichstellung von Arbeit und Kapital, die Kontrolle wirtschaftlicher Macht rechte, die property rights, der Mitglieder des Unternehmens. Die Unternehmensverfassung besteht aus einern Set von unabhängigen expliziten und impliziten Verträgen zwischen der Firma und ihren verschiedenen Mitgliedern, und aus Mechanismen, die die Einhaltung dieser Verträge sicherstellen sollen. Gifford interpretiert die Unternehmensverfassung dabei speziell unter dem Aspekt des Schutzes firmenspezifischer Investitionen der Firmenmitglieder, ein Aspekt, der hier erst im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit der Institution der Mitbestimmung diskutiert werden soll. Wolf!, 1994, S. iff, schildert sehr plastisch anhand des Beispiels von General Electric die Koordinations- und Motivationsfunktionen, die eine Unternehmensverfassung ausüben kann. Insbesondere die in einer Unternehmensverfassung implementierten Sanktionsmöglichkeiten stellen eine kollektive Selbstbindung, der sich alle Mitarbeiter unterwerfen, sicher und tragen so zur Lösung des Motivationsproblems in der unternehmensinternen Dilemmasituation bei. 83 Auf eine genauere Eingrenzung des Begriffs "Mitbestimmung" wird hier verzichtet, ebenso wie auf eine empirische Analyse der zahlreichen Formen von Mitbestimmung in der Realität. Unter Mitbestimmung soll im folgenden ganz allgemein verstanden werden die Mitwirkung der Arbeitnehmer(vertreter) an Entscheidungsprozessen im Unternehmen, die von einern reinen Informationsrecht bis zu einern sehr umfassenden Vetorecht der Arbeitnehmer bei allen sie betreffenden Fragen reichen kann. Der Begriff Mitbestimmung wird also eher im Sinne von Partizipation gebraucht. Er wird aber dennoch hier benutzt, weil er auch in der einschlägigen Literatur zu den firmenspezifischen Humankapitalinvestitionen verwendet wird, ohne aber auch dort genau definiert zu werden.
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
134
und die Wahrung der Würde des Menschen. Die Gegenargumente sind vor allem ordnungspolitischer (Verwässerung der Eigentumsrechte) und ökonomischer (geringere Wettbewerbsfähigkeit aufgrund reduzierter Flexibilität) Natur. Die Neue Institutionenökonomik hat nun in den letzten Jahren eine ökonomische Neuinterpretation der Mitbestimmung möglich gemacht. Die Mitbestimmung kann innerhalb diese Ansatzes funktional begründet werden: Sie kann als institutionelle Lösung für ein Ausbeutungsproblem im Rahmen einer einseitigen unerwünschten Dilemmasituation verstanden werden. Sie ist eine Vorkehrung, um die firmenspezifischen Investitionen 84 der Arbeitnehmer vor der Ausbeutung durch opportunistisches Verhalten der Kapitaleigner, der Arbeitgeber zu schützen. Dadurch macht sie es erst möglich, daß sich die produktivitätssteigernden Effekte der Bildung von firmenspezifischem Humankapital entfalten können 85 . (2) Auch in der Frage der Mitbestimmung hat Williamsons Transaktionskostenansatz Wichtiges geleistet. Bei ihm gilt auch für Arbeitsmarkttransaktionen, daß die Eigenschaften der Transaktionen bestimmen, weIchen "governance structures", also weIchen Organisationsstrukturen, diese Transaktionen unterliegen sollen, um möglichst viele Transaktionskosten einzusparen 86 . Im Gegensatz zum Ansatz der normativen Institutionenökonomik, dem es auf die prinzipielle Zustimmungsfähigkeit der Betroffenen zu den institutionellen Arrangements ankommt, geht es WilIiamson also primär um die Effizienz institutioneller Arrangements für die Beteiligten, um Transaktionskostensenkung. Dennoch kann sein Ansatz wichtige Hinweise für die Interpretation der Mitbestimmung auch im Sinne der normativen Institutionenökonomik liefern. Denn auch bei Williamson kommt der Eigenschaft der Spezifität der Humankapitalinvestitionen der Mitarbeiter eines Unternehmens die entscheidende Rolle zu bei der Bestimmung der angemessenen institutionellen Form für die Arbeitsmarkttransaktion 87 . Wird firmenspezifisch investiert, so haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Interesse daran, das Beschäftigungsverhältnis längerfristig aufrecht-
84 Unter firmenspezifischen Humankapitalinvestitionen sind diejenigen zu verstehen, die zwar die Arbeitsproduktivität des einzelnen im jeweiligen Betrieb erhöhen, die aber zu einem gravierenden Produktivitätsabfall beim Wechsel der Firma führen (Ribhegge, 1990, S. 3). 85
Vgl. Schmidtchen, 1987.
86 Williamson, 1985, S. 241: "The transaction cost approach rests on the proposition that govemance structures for labor must be matched with the attributes of labor transactions in a discriminating way if transaction cost economizing is to be accomplished." 87 Wi/liamwn, 1985, S. 243: " Specifically, skills that are acquired in a Ieaming-by-doing fashion and that are imperfectIy transferable across employers have to be embedded in a protective govemance structure lest productive values be sacrificed if the employment relation is unwittingly severed."
11. Beispiele der Unternehmenspolitik
135
zuerhalten und vor Ausbeutung durch den Vertragspartner zu schützen 88 • Die Vorteile der kollektiven Organisation der Arbeitnehmer nehmen dabei mit dem Grad der Spezifität des von ihnen investierten Humankapitals ZU 89 • (3) Auch in der Theorie der Firma der Neuen Institutionenökonomik stehen die Transaktionen zwischen dem Arbeitgeber und den Beschäftigten im Vordergrund der Analyse. Unternehmen werden verstanden als mehr oder weniger hierarchische Organisationsformen, für die sich zwei Probleme stellen: das Meßproblem und die Problematik firmenspezifischer Humankapitalinvestitionen90 • Beide Aspekte sind auch in der Mitbestimmungsdiskussion von Bedeutung. In einem Unternehmen liegt Teamproduktion vor91 • Daraus ergibt sich das Problem, daß die Leistungsbeiträge des einzelnen nicht exakt meßbar sind. Das einzelne, seinen eigenen Nutzen maximierende Individuum wird deshalb versuchen, seine Leistung auf Kosten der anderen zu reduzieren. Man spricht in diesem Fall von sog. shirking. Bei Teamproduktion scheitert eine rein leistungsbezogene Entlohnung am Meßproblem. Daher müssen Entlohnungsformen gefunden werden, die ausreichende Leistungsanreize bieten und die Attraktivität des shirking reduzieren92 • Der Marktmechanismus kann nur dann für eine marktgerechte Entlohnung sorgen, wenn unzufriedene Arbeitnehmer ohne große Kosten ihre Beschäftigung wechseln können. Dies ist aber genau dann nicht möglich, wenn die Arbeitnehmer firmen spezifische Humankapitalinvestitionen vorgenommen haben. Durch eine Ressourcenspezialisierung, also auch durch die Vornahme einer spezifischen Humankapitalinvestition, kommt es zu einer Differenz zwischen den ex-ante- und den ex-post-Opportunitätskosten der
88
Williamson, 1985, S. 255.
Williamson, 1985, S. 256: "The incentive to organize production workers within a collective governance structure increases with the degree of human asset specificity, and the degree to which an internal governance structure is elaborated will vary directly with the degree of human asset specificity." Oder Williamson, 1985, S. 263: "... the benefits of collective organization ... are especially great in circumstances where the labor force acquires (or the management wishes to induce the workers to acquire) firm-specific human capital." 89
90
Ribhegge, 1990, S. 2.
Von Teamproduktion spricht man, wenn die Produktivität eines Individuums durch die Aktivität eines anderen erhöht werden kann. Diese Vorstellung von der Firma wurde von A/chianlDemsetz, 1972, entwickelt. Im Zusammenhang dieser Arbeit kann der Begriff der Teamproduktion aber nur mit Vorsicht benutzt werden, weil man nicht von einem gemeinsamen Ziel des Teams ausgehen kann. Die Teilnehmer am Team verfolgen jeweils grundsätzlich ihre eigenen Handlungsziele. Das einzige ihnen gemeinsame Ziel ist die Fortsetzung, der Fortbestand des Unternehmens. Dabei ist jedoch zu beachten, daß starke innerbetriebliche externe Effekte positiver und negativer Art auftreten. Diese müssen über die dauerhafte innerbetriebliche Organisation, die Unternehmensverfassung, verarbeitet werden. 91
92
Ribhegge, 1990, S. 3.
136
E. Beispiele für die Anwendbarkeit
Ressource, zu sog. sunk costs 93 . Ein Arbeitnehmer wird diese sunk costs für firmenspezifische Humankapitalinvestitionen nur dann aufwenden, "wenn der Gegenwartswert der dadurch ausgelösten Lohnsteigerung zumindest dem Gegenwartswert der Kosten der firmenspezifischen Investitionen entspricht. Der Arbeiter erzielt dann eine Quasirente."94 Bei firmenspezifischen Investitionen kann der Arbeitnehmer nicht mit der Drohung abzuwandern eine eventuelle Aneignung seiner Quasirente durch den Arbeitgeber verhindern. In einer Welt der Unsicherheit und des beschränkten Wissens ist eine vollständige ex-anteRegelung dieser Situationen durch perfekte Arbeitsverträge nicht möglich 95 . Die Mitbestimmung kann in einem solchen Fall als institutionelle Sicherheitsvorkehrung aufgefaßt werden, die Versuche der Firma bzw. des Arbeitgebers vereitelt, sich die Quasirente des Arbeitnehmers anzueignen. Damit bringt die Mitbestimmung den Arbeiter überhaupt erst dazu, die Risiken der Vornahme firmenspezifischer Investitionen einzugehen96 , und nützt so auch den Unternehmen. (4) Die Mitbestimmung wird damit im Sinne der normativen Institutionenökonomik zu einer institutionellen Lösung für Ausbeutungsprobleme im Rahmen der Unternehmenspolitik, genauer der institutionellen Überwindung der einseitigen Dilemmabeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Sie ist von den betroffenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus gesehen zustimmungsfähig, weil sie eine produktive Interaktion, eine Kooperation zwischen beiden Gruppen durch den Aufbau von firmenspezifischem Humankapital überhaupt erst ermöglicht, indem sie eine Ausbeutung der Interaktionspartner (ein sog. Hold-Up) verhindern hilft. Je besser durch die Mitbestimmung der Schutz der Quasirenten gewährleistet ist, desto größer ist ceteris paribus die Attraktivität transaktionsspezifischer Investitionen 97 . Dabei müssen jedoch zwei gegenläufige Effekte der Mitbestimmung beachtet werden: Neben der durch die Spezialisierung eintretenden Produktivitätsteigerung reduzieren die firmenspezifischen Investitionen auch die Flexibilität und Mobilität der
93 Vgl. Schmidtchen, 1987, S. 141f. 94
Schmidtchen, 1987, S. 142.
Ribhegge, 1990, S. 7: "Perfekte Konditionalverträge scheitern an der 'beschränkten Rationalität' der Individuen. Wir kennen nicht alle zukünftigen Umweltzustände, wir besitzen nicht das Wissen, die Auswirkungen alternativer Umweltzustände zu bestimmen. Wir wissen auch nicht, wie die anderen auf veränderte Umweltzustände reagieren, ganz zu schweigen davon, daß wir aufgrund von Transaktionskosten gar nicht in der Lage sind, umfassende Konditionalverträge zu formulieren und auszuhandeln. All dies spricht dafür, daß Arbeitsverträge immer vage und unvollständig sein müssen und sie interpretierbar sind. Es ist möglich, systematisch vom Geist des Vertrages abzuweichen, ohne daß dieses Verhalten einen einklagbaren Vertragsbruch darstellt." 95
96
Schmidtchen, 1987, S. 143.
97
Ribhegge, 1990, S. 16.
11. Beispiele der Untemehmenspolitik
137
Arbeitnehmer. Auch diese Folge der Anreizstruktur der Mitbestimmung sollte bei einer abschließenden Beurteilung der Mitbestimmung durch einen (Unternehmens-) Politikberater und bei dessen Überlegungen zu ihrer konkreten Ausgestaltung berücksichtigt werden 98 • Dieser kann also zusammenfassend aufzeigen, 1. wie sich die Institution der Mitbestimmung unter der HomoOeconomicus-Annahme auf das Verhalten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Unternehmen auswirkt (Analyse der Anreizstruktur), und 2. daß die Mitbestimmung eine geeignete Institution ist, um eine produktive Interaktion, eine Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Unternehmen durch die Vornahme von firmenspezifischen Humankapitalinvestitionen zu stabilisieren bzw. um eine einseitige Dilemmasituation mit Defektion und Ausbeutung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber zu vermeiden.
98
Vgl. Ribhegge, 1990, S. 16.
F. Schluß bemerkung Der Ansatz der normativen Institutionenökonomik, der einem modernen Konzept ökonomischer Politikberatung für die Gesellschaft und das Unternehmen zugrundegelegt werden sollte, kann zusammenfassend und in Abgrenzung zum traditionellen theoretischen Konzept ökonomischer Politikberatung folgendermaßen charakterisiert werden: J. Ausgangspunktfür die Politikberatung
Die traditionelle Theorie ökonomischer Politikberatung hat von der mangelnden Effizienz gesamtwirtschaftlicher Ergebnisse ihren Ausgangspunkt genommen. Der Politikberater wird dann eingeschaltet, wenn die Allokationseffizienz der ökonomischen Ressourcen mangelhaft ist (bei Arbeitslosigkeit, Strukturkrisen usw.). Der Ansatz der institutionenäkonomischen Politikberatung geht dagegen davon aus, daß die moderne Ökonomik, die als Institutionenökonomik die Entstehung und die Wirkungen von institutionellen Arrangements auf das Handeln der Individuen untersucht, ihre Kategorien auf die Untersuchung von Interaktionsprozessen zwischen verschiedenen Individuen (in der Gesellschaft und im Unternehmen) ausrichten muß. In der modernen, arbeitsteiligen und komplexen Gesellschaft und deren Subsystemen ist nicht mehr das Handeln einzelner und die Aggregation der einzelnen Handlungsfolgen zu gesamtwirtschaftlichen Ergebnissen sinnvolles Analyseobjekt für die Ökonomik, sondern die Interaktionsprozesse zwischen den Handelnden müssen analysiert werden. Solche Interaktionen eröffnen einerseits Produktivitätsspielräume, schaffen aber andererseits auch Interdependenzen und damit Ausbeutbarkeiten zwischen den Handelnden, die zu Interaktionsblockaden führen können. Ausgangspunkt für die institutionenökonomische Politikberatung sind daher solche Blockaden in den Interaktionsprozessen zwischen den handelnden Individuen. Die institutionenökonomische Politikberatung stellt in einer Ökonomik menschlicher Interaktionen die Produktivität dieser gesellschaftlichen Kooperationsprozesse als Ursprung und Motor interaktiven Handeins in den Mittelpunkt ihrer Analysen. 2. Vorgabe für den Politikberater Die traditionelle Theorie ökonomischer Politikberatung ging in ihrem instrumentalistischen Ansatz davon aus, daß dem Politikberater von den Politi-
F. Schlußbemerkung
139
kern gesamtwirtschaftliche Ziele vorgegeben werden, die es gilt, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen zu erreichen. Die moderne institutionenökonomische Konzeption von Politikberatung geht dagegen davon aus, daß es keine gesamtwirtschaftlichen Handlungsziele geben kann, sondern nur allgemeine Regeln, in deren Rahmen die Individuen ihre je eigenen Ziele verfolgen. Vorgabe für die ökonomische Politikberatung ist daher, diese individuelle Zielerreichung zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. 3. Adressaten der Politikberatung
Die traditionelle Form der ökonomischen Politikberatung hat sich an die Politiker, ja sogar zum Teil nur speziell an die Regierung als die politische Spitze gewandt. Die institutionenökonomische Konzeption der Politikberatung richtet sich dagegen - zumindest gedanklich I - direkt an die von Politikproblemen, und das heißt von Interaktionsblockaden, betroffenen Individuen. Beratung wird als Aufklärung der betroffenen Öffentlichkeit verstanden. 4. Normatives Kriterium für die Politikberatung
Als normatives Kriterium für die traditionelle ökonomische Politikberatung fungierte die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt in Form eines gesamtwirtschaftlichen Pareto-Optimums als optimalen Gleichgewichtszustands der Wirtschaft. Die institutionenökonomische Politikberatungskonzeption geht dagegen davon aus, daß in ihrem Ansatz folgerichtig nicht mehr das ergebnisorientierte Kriterium allokativer Effizienz, sondern das prozeßorientierte Kriterium der Zustimmung der betroffenen Individuen zu den politischen Reformvorschlägen als normative Orientierung für den Politikberater dienen kann. Da die Integration der Menschen in eine soziale Ordnung in einer modernen demokratischen Gesellschaft nicht mehr durch den Bezug auf eine externe Instanz erfolgen kann, sondern auf den individuellen Vorteil gegründet werden muß2, verfolgt die normative Institutionenökonomik als Konzept ökonomischer Politikberatung den Ansatz einer subjektivistischen Wertlehre. Das heißt, daß die subjektiven Kosten-Nutzen-Schätzungen der von den politischen Problemen betroffenen Individuen für die Politikberatung entscheidend sind. Die Oppor-
I Wenn sich die Politikberatung direkt an die von den Politikproblemen betroffenen Individuen wendet, entsteht das Problem der rationalen Nachfrage nach Politikberatung: Wie kann die Organisationsschwelle zum kollektiven Handeln bei den Individuen überwunden werden? Letztlich werden daher in der Regel doch wiederum die Politiker selbst, die politischen Unternehmer, auch in der institutionenökonomischen Konzeption die Politikberatungsleistungen nachfragen.
2
Vgl. HoTtUlnn, 1993a, S. 4.
F. Schlußbemerkung
140
tunitätskostenkalküle der von den politischen Problemen und damit auch von den vorgeschlagenen Lösungsansätzen, den institutionellen Arrangements, Betroffenen sind entscheidendes Kriterium für den Politikberater zur Auswahl und Bewertung der institutionellen Lösungsmuster. Als normatives Prinzip der Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption fungiert daher die Möglichkeit der Zustimmung der Betroffenen zu den institutionellen Arrangements. Da die Individuen die einzige Quelle von Werten sind3, müssen die von den institutionellen Arrangements Betroffenen in ihrer Eigenschaft als moralische Subjekte vom Politikberater in einer Demokratie anerkannt werden. Der Konsens der betroffenen Individuen fungiert als normatives Prinzip für die Politikberatungskonzeption. Nur wenn die Betroffenen einem institutionellen Arrangement (hypothetisch) zustimmen (können), weil sie unter diesem Arrangement Kooperationsgewinne erwarten, kann dieses als Lösung für ein Politikproblem vom Politikberater vorgeschlagen werden. Dieses normative Prinzip des Konsenses kann wiederum aus Faktizität, also funktional begründet werden. Denn in modernen Gesellschaften treten sog. Dilemmastrukturen auf, d.h. Situationen, wo ein einzelnes Individuum eine kollektive Struktur zerschlagen kann, wenn es - aus individuell durchaus rationalen Gründen - die Haltung eines Defektierers oder Trittbrettfahrers einnimmt. Um dies zu vermeiden, müssen die einzelnen Individuen von vorne herein in die Gestaltung der kollektiven Strukturen mit einbezogen werden. Eine zweite funktionale Begründung für die Einbeziehung der Individuen in den Konsens über institutionelle Maßnahmen zur Lösung politischer Probleme besteht darin, daß nur in den Köpfen der einzelnen das für die politische Gestaltung relevante Wissen vorhanden ist bzw. entstehen kann. Will man dieses Wissen und das damit verbundene Kreativitätspotential nutzen, so muß man die Individuen an der Lösungsfindung beteiligen. Um die Zustimmung der Betroffenen zu den institutionellen Arrangements zu erreichen und den Konsens der Betroffenen in eine tatsächliche Akzeptanz der politischen Maßnahmen zu überführen, sind öffentliche Diskursprozesse notwendig. Diese Diskursprozesse dienen der Aufklärung der Individuen über die Notwendigkeit und den Nutzen institutioneller Arrangements. Nur wenn die Individuen ihre eigenen Vorteile wahrnehmen, die mit der institutionellen (Neu)ordnung verbunden sind, kann mit ihrer Bereitschaft zur Zustimmung gerechnet werden. Ein Konsens der Individuen ist dabei faktisch nur möglich, wenn das politische Problem vom Politikberater als Nicht-Nullsummenspiel konzeptualisiert wird. Einer normativen Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption kommt daher die Aufgabe zu, die öffentlichen Diskurse kon-
3 Buchanan,
1985, S. 36ff.
F. Schlußbemerkung
141
zeptionell und inhaltlich anzuleiten und zu gestalten. Die Diskursivität muß als "Zweibahnstraße" verstanden werden: Der Berater muß die Öffentlichkeit, den Kreis der Betroffenen und nicht nur die Politiker, über seine Konzeptualisierung des politischen Problems und seinen Lösungsvorschlag informieren. Dazu benötigt er aber zunächst einmal auch Informationen zur Problemwahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Der Politik(beratungs-)prozeß moderner demokratischer Gesellschaften oder Unternehmungen findet daher als zweigleisiger öffentlicher Diskurs statt. 5. Gestaltungsinstrumente für die Politikberatung
Ökonomische Politikberatung für eine moderne demokratisch verfaßte Gesellschaft wird nach dem in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Konzept nicht mehr - wie im traditionellen Ansatz - verstanden als Beratung der Politiker über die Wahl optimaler Spielzüge zur Verfolgung gesamtwirtschaftlicher Ziele, sondern als Aufklärung der Öffentlichkeit, d.h. der von den Politikproblemen Betroffenen, über die Wahl pareto-superiorer Spielregeln, die es ihnen ermöglichen, ihre individuellen Ziele zu verfolgen. Im Sinne der Buchananschen Constitutional Economics trifft diese konstitutionelle Form der Politikberatung über die Gestaltung von Regeln auf die constitutional preferences der Individuen\ auf die Präferenzen der Individuen, die deren trade-offs zwischen verschiedenen Regeln reflektieren 5• Die konstitutionellen Präferenzen der Individuen beinhalten zwei konzeptionell unterscheidbare Komponenten: eine Interessen- und eine Theoriekomponente6 . Damit ist gemeint, daß die Präferenzen eines Individuums bezüglich der Wahl von Spielregeln sowohl seine Theorien über die Wirkungsweise der Regeln widerspiegeln als auch seine Interessen bezüglich der zu erwartenden Ergebnisse. Eine Politikberatung als Aufklärung über Spielregeln kann nun auf diese beiden Komponenten, auf die Theorien und auf die Interessen, positiv einwirken. Die Interessenkomponente der konstitutionellen Präferenzen wird in der Regelberatung beeinflußt über den sog. veil of ignorance, den Schleier der Ungewißheit, hinter dem die Individuen über die Auswahl bestimmter Spielregeln entscheiden7 . Dieser Schleier entsteht, weil die genauen Ergebnisfolgen der
4
Vanberg/Buchanan, 1989, S. 52 und Vanberg/Buchanan, 1991, S. 61.
5
Vanberg/Buchanan, 1991 S. 61.
6
Vanberg/Buchanan, 1991, S. 61.
Vanberg/Buchanan, 1989, S. 54: "In constitutional maUers people typically find themselves behind a veil of uncertainty that prevents them from accurately anticipating the particular ways in which they will be affected by the prospective workings of alternative mies. The veil of uncertainty can be more or less transparent, or, in other terms its 'thickness' may vary, dependent on certain 7
142
F. Schlußbemerkung
allgemeinen Regeln für die einzelnen Individuen schwer abzuschätzen sind. Die Regeln sind allgemein formuliert und auf dauerhafte Stabilität angelegt. Dadurch wird der Schleier der Unwissenheit "dichter", und die Möglichkeiten einer Einigung der Individuen über die Spielregeln nehmen zu 8 • Durch die Auswahl allgemeiner, auf lange Frist angelegter Regeln werden Interessenkonflikte entschärft und eine Einigung auf Regeln trotz widerstreitender individueller Interessen prinzipiell ermöglicht. Die fallweise Hinnahme von Verlusten kann bei zumindest langfristig zu erwartender Besserstellung akzeptabel werden. Auch die Theoriekomponente der konstitutionellen Präferenzen der Individuen kann vom Politikberater beeinflußt werden: Die normative Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption informiert die betroffenen Individuen über die allgemeinen Konsequenzen bestimmter Regeln, die durch eine positive Anreizanalyse im institutionenökonomischen Stabilitätsparadigma abgeschätzt werden. Sie klärt die Individuen über die allgemeinen Folgen der konstitutionellen Regeln auf. "Potential knowledge-grounded disagreement"9 wird dadurch aus dem Weg geräumt. Die Informationen werden in der Form eines konstitutionellen Diskurses, eines konstitutionellen Dialogs zwischen Berater und Öffentlichkeit, an die Betroffenen weitergegeben. "In this interpretation, 'discourse' includes everything that advances the acquisition, communication and processing of general constitutional information and knowledge." 10 In einem solchen konstitutionellen Diskurs wird nach Buchanan nicht einfach ein Komprorniß erzielt, sondern die Einigung wird gesehen als Entdeckungsprozeß, "to 'discover' what - in some objective sense - is fair or just" 11. In dem Buchananschen Ansatz wie auch in der normativen Institutionenökonomik als Politikberatungskonzeption erhält die Prozeßorientierung somit gegenüber der Ergebnisorientierung traditioneller Konzepte zur Politikberatung den Vorrang. 6. Anwendungsspektrum der Politikberatung Die traditionelle Theorie ökonomischer Politikberatung hat sich im wesentlichen nur auf den eng definierten Bereich der Wirtschaftspolitik (verstanden als das, was Wirtschafts- und Finanzminister zu verantworten haben) bezogen. characteristics of the actual choice situation .... The variables that affect the veil's thickness can, to some extent, be manipulated ... " 8 Vanberg/Buchanan, 1989, S. 54: "The more general rules are and the longer the period over which they are expected to be in effect, the less certain people can be about the particular ways in which alternative rules will affect them. They will therefore be induced to adopt a more impartial perspective and, consequently, they will be more likely to reach agreement."
9
Vanberg/Buchanan, 1991, S. 63.
10
Vanberg/Buchanan, 1991, S. 64.
II
Vanberg/Buchanan, 1989, S. 57.
143
F. Schlußbemerkung
Die institutionenökonomische Konzeption geht dagegen davon aus, daß die politischen Probleme in der Gesellschaft allgemein von ähnlicher Struktur sind. Sie lassen sich daher auch mit einem ähnlich strukturierten Ansatz analysieren. Das analytische Konzept der institutionenökonomischen Politikberatung ist daher "imperialismusfähig" und kann allgemein auf Probleme der Gesellschaftspolitik und auf Probleme von Subsystemen der Gesellschaft wie z.B. Unternehmen angewendet werden kann. Die folgende Übersicht dient abschließend der gebündelten Zusammenfassung der beschriebenen wesentlichen Unterschiede zwischen der traditionellen und der in dieser Arbeit vorgestellten normativ-institutionenökonomischen Politikberatungskonzeption: Unterscheidungskriterien
Traditionelle Politikbe- Institutionenökonomische Politikberatung ratung
Ausgangspunkt
Ineffizienz der Ergebnisse
Blockaden in den Interaktionsprozessen
Vorgabe
Gesamtwirtschaftliche Ziele
Individuen verfolgen eigene Ziele
Adressaten
Politiker
Von den Interaktionsblockaden Betroffene
Normatives Kriterium
Allokationseffizienz / Pareto-Optimum
Zustimmung der Betroffenen / Allseitige Kooperationsgewinne
Gestaltungsinstrumente
Spielzüge der Politiker
Spielregeln für die Interaktionen der Betroffenen
Anwendungsspektrum
Wirtschaftspolitik
Gesellschaftspolitik einschl. Subsysteme der Gesellschaft
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Personenregister Albert 87; 88; 89; 144; 150 Alchian 71; 110; 118; 120; 130; 135; 144; 149 Arrow 40; 72; 131; 144 Aufderheide 79; 80; 83; 84; 88; 144 Backhaus 126; 127; 128; 144 Beck 96 Becker 12; 24; 55; 56;57;60;77;92; 144; 153 Beckerath 9; 33; 144; 153 Bernholz 10; 41; 144 Blankart 52;63; 145 Bleeke 128; 145 Bloorne-Orees 96 Bonus 11; 53; 81; 131; 145 Borner 9; 11; 145 Bössrnann 115; 116; 145 Brennan 26; 27;41; 59;65;66; 145 Breyer 41; 145 Buchanan 11; 12; 13; 18; 26; 27; 40; 41;59;61;63;64;65;66;68;69; 75; 78; 80;82;88;90;94;95; 140; 141; 142; 145; 146; 154 Coase 11; 80; 81; 82; 90; 91; 122; 146; 151; 152 Colernan 51 Cornelius 11; 39; 146 Crawford 71; 118; 120; 149 Dernsetz 135; 144 Dostojewski 58
Downs 40; 146 Doz 127; 148 Eggertsson 54; 146 Eglau 96 Eisner 27; 54; 147 Ernrnerich 104; 147 Ernst 128; 145 Eucken 44; 153 Franz 107; 131; 147 Frey 10; 18;39;41;42;43;44;45; 46;47;48;49;50;51;52;53;58; 84; 147 Friedrnan 9 Furubotn 11; 147 Gäfgen 11; 38; 39; 144; 147; 153 Giersch 9; 11; 33; 144; 147; 153 Gifford 132; 147 Gutowski 11; 148 Haberrnas 10; 17;20;21;22;31;80; 86; 87; 148 Harnel 127; 148 Hardin 75; 83; 148 Hax 121; 148 Hayek 12; 15; 16; 25; 36; 61; 77; 105; 148 Heiner 85 Heise 34; 148 Heller 9 Hoffrnann 127; 148 Holzheu 11; 34; 149
Personenregister Homann 11; 14; 21; 22; 24; 25; 26; 28;30;33;34;35;36;38;39;40; 48;50;51;54;55;56;57;59;66; 73;75;76; 78;89;93;96; 100; 105; 108; 109; 139; 148 lensen 111; 149 Kalberg 21; 149 Kersting 24; 149 Kirchgässner 42; 43; 44; 45; 46; 47; 50; 51; 52; 84; 147; 149 Klein 71; 112; 114; 118; 120; 126; 127; 149 Köhler ll; 149 Koller 11; 150 Krelle 11; 150 Kreps 101; 102; 129; 130; 131; 150 Krings 84 Kühnhardt 28; 150 Langlois ll; 54; 150 Lindenberg 30; 49; 59; 60; 61; 76; 85; 86; 150 Locher 68; 70; 105; 150 Luhmann 20; 22; 150 Matsushita 77; 150 Meckling 111; 149 Meier 34; 37; 150 Mettler 34; 37; 151 Meyer 131; 151 Molitor 33; 37; 38; 151 Mueller 40; 151 Myrdal 33; 151 Nelson 11; 151 Neuberger 91; 94; 151 Niskanen 40; 151 North 11; 53; 151 Nowzad 9; 151
157
Olson 39;40;64;69; 70;77; 104; 151 Ostrom 39; 80; 151 Picot 90; 92; 151 Pies 16; 23; 24; 25; 28; 36; 53; 56; 68; 75; 83; 89; 92; 105; 109; 119; 149; 152 Pigou 81 Piltz 127; 128; 144 Plinke 126; 144 Prahalad 127; 148 Pratt 110; 144; 146; 152 Ragnitz 34; 148 Rawls 24; 95; 149; 152 Ribhegge 116; 134; 135; 136; 137; 152 Richter 11; 54; 74; 118; 121; 122; 128; 129; 147; 152 Riese 44; 152 Ross 104; 152 Samuelson 9 Scherer 104; 152 Schlicht 106; 152 Schmidt 11; 99; 104; 152 Schmidtchen 134; 136; 152 Schneider 9; 33; 37; 145; 146; 152; 153 Schultze 11; 153 Schumann 117; 153 Siebert 106; 153 Siegenthaler 54; 87; 153 Simon 48; 153 Stigler 60; 65; 153 Suchanek 31;48;54;55;57;58;59; 149; 153 Tuchtfeldt 38; 153 Tullock 40; 146 Ueberhorst 84; 153
158
Personenregister
Vanberg 27; 44; 69; 80; 106; 141; 142; 153 Vogel sang 124; 154 Voigt 126; 154 Wallich 11; 154 Weber 11;20; 21;22;23;33; 36; 149; 154 Weimann 69; 154 Weizsäcker 46; 154 Wenger 111; 112; 113; 114; 115; 154
Wilkesmann 132; 154 Williamson 11; 54; 71; 72; 73; 78; 90; 116; 117; 118; 121; 134; 135; 144; 154 Wolff 133; 152; 155 Woodward 71; 110; 118; 130; 144 Zeckhauser 110; 144; 146; 152 Zimmermann 155 Zintl 59; 62; 155