Politik und Wirtschaft: Aufsätze und Vorträge. (Festschrift aus Anlaß des 75. Geburtstages von Ferdinand Friedensburg am 17. November 1961) [1 ed.] 9783428404445, 9783428004447


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German Pages 516 [529] Year 1961

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Politik und Wirtschaft: Aufsätze und Vorträge. (Festschrift aus Anlaß des 75. Geburtstages von Ferdinand Friedensburg am 17. November 1961) [1 ed.]
 9783428404445, 9783428004447

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Ferdinand Friedensburg

· Politik und Wirtschaft

FERDINAND

FRIEDENSBURG

Politik und Wirtschaft Aufsätze und Vortrage

D U N C K E R

& H U M B L O T

/

B E R L I N

Schriftleitung: Dr. Rolf Krengel, Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str. 5 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten © 1961 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1961 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW 61 Printed in Germany

Aus

Anlaß

des 75. Geburtstages von Ferdinand

Friedensburg

am 17. November 1961 herausgegeben von der Vereinigung

der Freunde

des Deutschen Instituts für Wirtschaftsf in Verbindung Deutschen Institut für (Institut

für

or schung

mit dem

Wirtschaftsforschung

Konjunkturforschung)

Geleitwort Die Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für schaftsforschung legt Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Ferdinand

Wirt-

Friedensburg

aus Anlaß seines 75. Geburtstages diese Festschrift mit besonders herzlichen Glückwünschen auf -den Geburtstagstisch. Sie hofft, damit dem Jubilar, der seit 1945 als Präsident das Institut i n so hervorragender Weise leitet und zu dessen Ansehen in weiten Kreisen der Wissenschaft, Politik und Wirtschaft den entscheidenden Beitrag geleistet hat, eine Freude zu bereiten. Der Gedanke seiner engeren Mitarbeiter, ihn m i t einer kleinen Auswahl der eigenen Veröffentlichungen, Schriften und Abhandlungen sowohl des Studenten Friedensburg als auch des späteren hohen Regierungs- und Verwaltungsbeamten und des Präsidenten des Instituts zu ehren, wurde von der Vereinigung sofort gern aufgegriffen. „Politik und Wirtschaft", wie die Festschrift lauten soll, bedingen einander. Der Streit darüber, wem das Primat zukommt, ist müßig. Die Beherrschung beider Gebiete aber hat i n dem Lebenswerk unseres verehrten Jubilars eine weithin sichtbare Verkörperung gefunden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ist stolz auf seinen Präsidenten, und die Vereinigung der Freunde wünscht ihm, dem Bergassessor von 1914, zu der Seilfahrt i n ein neues Viertelsäkulum herzlichst Glückauf. Berlin, i m November 1961 Dr. Wilhelm

Borner

Vorsitzender der Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

Ferdinand Friedensburg Persönliche Gedanken von Joachim Tiburtius I n der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit und der Leistungen von Ferdinand Friedensburg haben mir die Herausgeber dieser Festschrift einen Beitrag anvertraut, der aus langer Vertrautheit in das innere Wesen dieses Mannes einführen soll. Ich schreibe als Freund und als Mitarbeiter auf verschiedenen Feldern.

I. I n der Öffentlichkeit ist Ferdinand Friedensburg i m wesentlichen als der Politiker bekannt, der i n Berlin und von Berlin aus i m Bundestag und i m Europa-Parlament w i r k t . Einem engeren Kreise unterrichteter Menschen sind die Unterschiede der Zeiträume bekannt, i n denen seine politische Wirksamkeit als hoher Verwaltungsbeamter des Preußischen Staates und der Stadt Berlin verlief und der anschließenden Mitarbeit als Abgeordneter i n Berlin, Bonn und Straßburg. Wer nur diese summarischen Einblicke hat, soll erfahren, daß Ferdinand Friedensburg seine politische Laufbahn auf der soliden Grundlage eines Fachstudiums für den Bergbau, eines allgemeinen Studiums der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaftslehre aufbaute,, danach i n der Systematik der alten preußischen Verwaltungslaufbahn vom Landrat i m alten Westpreußen über den Polizeivizepräsidenten von Berlin zum Regierungspräsidenten in Kassel aufstieg, und nach der Nazizeit den Weg neu als Präsident der Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie in der sowjetischen Besatzungszone und nach Einrichtung einer selbständigen Berliner Stadtverwaltung als Bürgermeister dieser Stadt begann. Vor einer Würdigung dieser Laufbahn lohnt es sich, einen Gedanken auf die Frage zu verwenden, warum ein Mann von so scharfem und hellem Geist, so vielseitigen Erfahrungen und so ausgeprägtem Charakter heute der deutschen Bundesrepublik nicht in verantwortlicher und leitender, sondern nur i n beratender und kritischer Eigenschaft dient. Auch die zurückhaltende wissenschaftliche Beurteilung bleibt i m Rahmen der Beweisbarkeit, wenn sie feststellt, daß Bundesrepublik und Länder nicht so reich m i t Persönlichkeiten ausgestattet sind, um auf ein Talent so hohen Ranges für leitende Verwaltungsposten verzichten zu können. Die Ursache für diese MißVerhältnisse zwischen

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Ferdinand Friedensburg — Persönliche Gedanken von J. Tiburtius

Anlagen und Verwenduiiig liegt wohl darin, daß die über die Auswahl leitender Personen bestimmenden Gemeinschaften ein Unbehagen gegenüber Menschen empfinden, -die aus ihrem Denken schneller zu Entscheidungen kommen, als es der Mehrheit eines großen Personenkreises klarzumachen ist. Solche Persönlichkeiten taugen mehr dazu, Mehrheiten durch selbständige Leistungen zu beeindrucken, als sich durch Mehrheitsentschlüsse langfristig binden zu lassen. Daraus kann im politischen Leben der parlamentarischen Demokratie leicht der Eindruck der Unstetigkeit und der plötzlichen Improvisation entstehen, während es sich in Wirklichkeit um folgerichtige Gedankengänge und Entschlüsse handelt. Nur werden Menschen wie Ferdinand Friedensburg nicht immer dazu geneigt sein, diese Folgerichtigkeit sachlich und psychologisch einer kontrollierenden Instanz rechtzeitig klarzumachen. Hieraus entsteht bei solchen Instanzen Mißtrauen und Abneigung. Es ist seltsam, i n nachhaltiger Wiederholung feststellen zu müssen, daß Ferdinand Friedensburg i n erster Linie Sympathie und Vertrauen beim „kleinen Mann" gewinnt, denen der „Herr" gefällt, und die dann gern merken, daß dieser Herr m i t ihnen verständnisvoll und freundlich spricht, nachdem er ihnen geduldig zugehört hat. Dieser Volkstümlichkeit steht gegenüber Zustimmung und Sympathie von Menschen wissenschaftlicher Denkgewöhnung, denen i n längerem Umgang die Persönlichkeit Friedensburg verständlich und zugänglich wird, so sehr sie auch einzelne seiner Pläne, z.B. für die Einordnung Berlins i n die Weltpolitik, bedenklich finden mögen. Entscheidend für die Besetzung von hohen Posten i m Staatsdienst sind aber weder die kleinen Leute noch die gelehrte Oberschicht, sondern der geistige Mittelstand, dem Ferdinand Friedensburg zwar eine kühle Wertschätzung, aber kein politisches Vertrauen abgewinnen kann. Besonders hinderlich auf diesem Wege zur politischen Wirksamkeit eines solchen Mannes ist das aktive Temperament, das ihn dazu treibt, seinen Mitbürgern, namentlich i n Notzeiten, seine Dienste anzubieten, worin die Vertreter einer kompakten Majorität i m Sinne des „Volksfeindes" von Ibsen irrigerweise i n erster Linie Ehrgeiz und nicht Sorge um verpaßte Möglichkeiten der Hilfeleistung verstehen. Unabhängigkeit des Denkens und Handelns hat Ferdinand Friedensburg i m Elternhaus und in der Schule mit des Hauses L u f t i n sich aufgenommen. Sein Großvater, Oberbürgermeister von Breslau, ließ ihn teilhaben an der freien L u f t dieser Stadt, in der Gelehrte, hohe Richter, Kaufleute und Intelligente und die patriotische jüdische Oberschicht i n liberaler Verbundenheit ebensoviel galten, wie der benachbarte Landadel i n Berlin. I m Hause seines Vaters, eines hohen Richters, traten die Eindrücke der werdenden Weltstadt um die Jahrhundertwende, die Emanzipation der Bühne und der bildenden Kunst

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von der Gunst des Monarchen und die Bedingtheit technischen und wirtschaftlichen Aufstiegs durch große Unternehmer-Persönlichkeiten hinzu. I m Steglitzer Gymnasium vermittelten ihm hochstehende humanistische Pädagogen den Zugang zu den alten Sprachen und dem aus ihnen gewonnenen Geschichtsbilde. Die strenge Zucht der alten Steglitzer Anstalt hat dem jungen Schüler den Sinn für das Erarbeiten eigener Standpunkte aus der Berührung und Auseinandersetzung m i t den Quellen entwickelt. Gewiiß war das humanistische Gymnasium dieser Zeit eine Einrichtung, die ihre Tore in erster Linie den Söhnen begüterter Eltern öffnete. A u f dem Wege von Klasse zu Klasse wurde aber die Auslese nach der Begabung desto schärfer vollzogen. Die Schätzung des inneren Wertes von Mitschülern und Lehrern wurde durch den geistigen Umgang m i t Homer, Sophokles und Plato, m i t Cäsar, Tacitus und Horaz zu persönlichen Maßstäben des Urteils angeregt. Wer ein Gymnasium wie dieses äußerlich und innerlich durchlaufen hat, w i r d auch dazu vorbereitet worden sein, ein gerechtes Urteil darüber zu gewinnen, daß die alte Ordnung der Abhängigkeit des Besuchs solcher Schulen vom Geldbeutel des Vaters eine schlechte Ordnung war, und daß es für die Nation wie für die Einzelnen unerläßlich ist, hierfür Begabung und Neigung der Schüler entscheiden zu lassen. Abiturienten das Steglitzer Gymnasiums wurden jedenfalls zu solcher Weite und Selbständigkeit des Denkens und keineswegs zum Standesdünkel erzogen. Ferdinand Friedensburg hat Geist und Charakter, schon frühzeitig i m ersten Weltkrieg bewiesen. Er geriet 1914 auf einer Studienreise in englische Gefangenschaft, kam nach Gibraltar und brach von dort aus, wodurch er sich bei einem unglücklichen Sprung einen heute noch spürbaren Beinschaden holte. Anschließende Entlassung aus der Gefangenschaft i n die Schweiz nützte er zu gründlichem Einleben i n die Lebensordnung und Geschichte einer gewachsenen Demokratie. II. Nach 1919 meldete er sich zum Dienst in der preußischen Verwaltung, wo er als entschlossener Demokrat mit akademischer Vorbildung und sicherer Beherrschung guter Beamtentraditionen einen ziemlichen Seltenheitswert genoß. Er wurde Landrat des Kreises Rosenberg i n Westpreußen, der nach der Zusammensetzung seiner Gutsbesitzerschaft als der feudalste Kreis der preußischen Monarchie galt. M i t seinem Bergassessor konnte er in diesem Landstrich nicht viel anfangen. Er hat sich aber durch seine Persönlichkeit und durch das entschiedene Angreifen aller Aufgaben des Wiederaufbaus dieses Kreises unweit

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der deutsch-polnischen Sprachgrenze das Urteil des gesellschaftlichen Oberhauptes dieses Kreisverbandes, Elard v. Oldenburg-Januschau, erworben. „Friedensburg ist zwar ein verfluchter Demokrat, aber der beste Landrat, den der Kreis seit langer Zeit gehabt hat." Dazu w i r d nicht zum wenigsten die mutige Entschlossenheit beigetragen haben, m i t der dieser junge Landrat den Schutz der deutschen Bevölkerung gegen polnische Störungen ordnete und die eindeutige Energie, m i t der er die damals schwankenden Geister i n höheren Verwaltungsstellen aufmunterte. Er gewann zugleich einen sicheren Einblick darin, daß i n Zeiten einer schwachen Staatsregierung i n der Landwirtschaft die Kräfte der Selbstbehauptung und des Selbstschutzes wieder wachgerufen werden mußten, die einst dem preußischen Staat i n diesen Gegenden als anfängliche Gegner gegenüber und dann als getreue Diener zur Seite gestanden hatten. Die Erinnerung an Ordensritter, bauernlegende Junker und Aufbau des preußischen Staates durch Wehrdienst und Besiedelung traten dem jungen Landrat von 1921 in charakteristischen Repräsentanten persönlich vor Augen. Er warnte daher die Staatsregierung i n Berlin vor Gefahren großagrarischer Selbstschutzorganisationen und mahnte sie zugleich dazu, mit gutwilligen Kräften dieser Volksschicht eine feste Staatsordnung, insbesondere gegen äußere Bedrohung, aufzurichten. M i t besonderer Skepsis betrachtete Friedensburg schon i n jenen Jahren die Gestalt des Marschalls v. Hindenburg. Er lernte den alten Herrn als Kreisinsassen frühzeitiger kennen als mancher fernerstehende Deutsche und riet rechtzeitig, aber ohne Erfolg, weder den Verstand dieses Mannes zu unterschätzen noch sein Gemüt zu überschätzen. Die Jahre als Polizeivizepräsident i n Berlin führten Friedensburg in die Aufgaben dieser Behörde, die nach preußischer verwaltungsrechtlicher Überlieferung weit über den Rahmen eines Polizeipräsidenten hinaus i n die Stellung eines Regierungspräsidenten entwickelt worden war. Der Chef dieser Behörde hatte daher neben den A u f gaben des Dienstes für Ordnung und Sicherheit für die Gesamtheit der Verwaltung von Gewerbe, Gesundheit und Theaterwesen zu sorgen. Diese erhöhten Funktionen waren vor den kritischen Augen von preußischem Landtag, Reichstag, Zentralverwaltungen, ausländischen Missionen und einer anspruchsvoll öffentlichen Meinung zu leisten. Für Friedensburg war dies eine ebenso weite Wie hohe Schule. Sie entwickelte neben Kenntnissen und Fähigkeit zu durchgreifendem Handeln auch ein ausgeprägtes kritisches Denken gegenüber den i h m vorgeordneten Personen. Er erlebte i n dieser Stellung die Entwicklung der Sozialdemokratie von der Klasse zum Staat. Dabei erkannte er unbefangen und gerecht ungewöhnliche Kräfte mancher Persönlich-

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keiten an, wie sein Buch über die Weimarer Republik 1 deutlich zeigt. Zugleich sah er aber auch die Hemmungen solcher leitender Menschen, denen es schwer wurde, ihre über die Gewöhnungen jahrzehntelanger Opposition hinauswachsenden staatspolitischen Gedanken der Mehrheit ihrer Klassengenossen so verständlich zu machen, daß ein klares staatliches Handeln jeweils i m rechten Augenblick möglich würde. Viele Unterlassungen und Fehlgriffe i n der Besetzung leitender Stellen, viele Schwankungen i n Gesetzgebung und Verwaltung gegenüber den antidemokratischen Gruppen von rechts und links lernte er darauf zurückzuführen, daß Sozialdemokraten i n patriotischer Bereitwilligkeit ihre Kräfte zur Überwindung des Zusammenbruchs von 1918 dem Vaterlande für manche große Aufgabe zur Verfügung stellen mußten, für die sie weder geistig noch empirisch vorbereitet waren. Kein Wunder, daß der noch junge Polizei Vizepräsident m i t solchen Erkenntnissen auch dien i h m politisch in manchen Grundlagen des Denkens nahestehenden Menschen an den politischen Zentralstellen nicht weniger auf die Nerven fiel als den von ihm bekämpften deiutschnationalen, völkischen und kommunistischen Politikern. Der Posten des Regierungspräsidenten war zwar kein „ab nach Kassel", sondern eine Gelegenheit zu stärkerer Verantwortung, führte ihn aber aus der vertrauten Berliner Weltluft in Verhältnisse mit geringerer Inspiration und geringerer Möglichkeit zu politischem Einfluß auf das zentrale Geschehen. I n Kassel gewann Friedensburg Einblicke i n die Lage und Leistungen der Bevölkerung einer Gegend m i t unterschiedlichen Berufsverhältnissen landwirtschaftlichen, bergbaulichen, klein-, mittel- und großgewerblichen Gepräges. Er lebte wieder i n der Natur einer von ihm zu verantwortenden Aufgabe in einer ihm anvertrauten reichen deutschen Gegend. Auch hier sah er menschliche Werte und menschliche Eigensucht i n allen Berufen und politischen Gruppen. Die Kasseler Jahre von 1927 bis 1933 brachten ihn auf den Weg, die Parteibildung in Deutschland als Grundlage der Verwaltung und der Gesetzgebung ergänzen zu wollen. Er suchte, der Krise parlamentarischer Demokratie i m System der Notverordnungen nicht nur schwankende Koalitionen zwischen bürgerlichen Parteien und Sozialismus, sondern eine Synthese bürgerlicher Parteien in einer Zusammenfassung demokratischer Kräfte gegenüberzustellen, die von den Volkskonservativen über Liberale, Staatsparteiler zu der überkonfessioneller Gemeinschaft zugänglichen Zentrumsleuten reichen sollte. Nachdrücklich warnte er Gesetzgeber und Ministerien davor, Staatsautorität und Staatstreue durch leichtfertigen Optimismus gegenüber dem i n nationalsozialistischem 1 Ferdinand Friedensburg, Die Weimarer Republik, 1. Aufl. Stuttgart 1936; 5. Aufl. Stuttgart 1956. 1957, Norddeutsche Verlagsanstalt O. Goebel.

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Gewände verhüllten Terror der Nationalsozialisten zu zerstören. Hierzu rief er auf durch einen auf gründliche Kenntnis der Rechtsprechung und der Polizeipraxis gestützten Aufsatz, i n dem er dazu mahnte, nicht etwa solchen Verleumdern einen Schutz wegen berechtigter Gesinnung zuzubilligen, die sich zu Unrecht auf Verletzung nationaler Ehre beriefen. I n diesem und i n anderen Aufsätzen, die i n das genannte Buch aufgenommen wurden, t r i t t m i t eindringlicher K r a f t zutage, wie Friedensburg die Entscheidung mündig gewordener Staatsbürger für Gesetzgebung und Regierungsbildung entscheidend sein lassen wollte, aber dazu den Staatsbürgern die Erkenntnisse der Lage ihres Staates zu vermitteln suchte, die aus dem verlorenen Kriege 1914—18 zu gewinnen waren. Nicht der war für ihn der beste Staatsbürger, der das harte Los des Verlustes deutschen Landes und deutscher Menschen am lautesten beklagte, sondern derjenige, der das durch Deutschlands A n teil an diesem Krieg erschütterte Vertrauen zu rechtlicher Gesinnung des deutschen Volkes in der übrigen Welt durch produktive Arbeit und durch die Bereitwilligkeit zu Verträgen als Form neuer Ordnung i m Innern wie i m Äußeren wiederherzustellen bereit war. Nicht Rechtsund Linksradikale verdienten als Sprecher ihres Volkes angesehen zu werden, sondern Staatsmänner, die wie Ebert, Rathenau, Stresemann und Brüning sich um diese Ordnung i m eigenen Lande und i n der Welt bemühten. Wer diese Leute schmähte, erschütterte Ansätze eines neuen Vertrauens drinnen und draußen und war als Staatsfeind zu behandeln, mochte er von rechts oder von links kommen. Friedensburg hat damals i n den Jahren vor der Naziherrschaft diese Wertmaßstäbe i n harter Reibung m i t der politischen Wirklichkeit entwickelt. Er ist mit Vertretern abweichender Anschauungen auch i m bürgerlichen Lager nicht immer sanft umgegangen und hat Männer, die eine rheinische Republik von Deutschland lösen wallten, auch wenn sie hochangesehene Bürger waren, ebenso hart angefaßt, wie die Vertreter polnischer Interessen in Ostdeutschland und die Gegner der Demokratie unter Völkischen wie unter Kommunisten. Er hat auch i n der geistigen Auseinandersetzung m i t Staatsmännern wie Stresemann und Brüning nicht an leidenschaftlicher K r i t i k gespart. Seine innere Entwicklung durch ernste wissenschaftliche Arbeit, auch wenn sie nicht eigentlich staatswissenschaftlicher Natur war, sondern überwiegend im Rahmen von Rohstoffwirtschaft und internationaler Raumwirtschaft liegt, kommt deutlich und respektabel i n der Darstellung zum Ausdruck, die er diesen Männern demokratischer Staatspolitik i n seinem Buch von der Weimarer Republik zuteil werden läßt. Der Leser lernt darin das Wesen einer politischen Auseinandersetziung zwischen erzogenen Demokraten kennen, die einander sachlich bekämpfen, aber dem anderen den Ernst und die Abgewogenheit der Gründe auch des

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i m Ergebnis .abgelehnten Handelns zubilligen wollen. Der Leser lernt unterscheiden zwischen wissenschaftlicher Darlegung von Tatsachen auf der einen und Werturteilen auf der anderen Seite. K e i n Wunder, daß eine Persönlichkeit m i t so weitreichenden Zielen und Lebensäußerungen an allen Seiten aneckte. Die Abberufung durch die Nazis i m Februar 1933 vollendete die Distanzierung, die schon Papen und sein Staatskommissar Bracht dem Regierungspräsidenten i n Kassel deutlich »gemacht hatten. Die anschließende Übersiedlung i n die alte Heimat Berlin führte Ferdinand Friedensburg dazu, diese Ausschaltung von der Staatstätigkeit durch eine entschlossene Hinwendung zu wissenschaftlicher Arbeit für sich selber und für andere fruchtbar zu machen. Er untersuchte die Bergwirtschaft i n Deutschland und in der ganzen Welt und stellte sie i n Aufsätzen und Büchern dar, von denen noch die Rede sein soll. Für seinen Charakter als Mensch und Staatsbürger war es wohl eine Zeit ebenso harter wie edler Bewährung, daß die Nazis den Versuch machten, i h m Unlauterkeiten i n seiner Amtsführung nachzuweisen. Die Untersuchung i n langer Haft ergab die Unsinnigkeit dieser Bezichtigung einer Persönlichkeit, die strengste Sauberkeit i n ihrem privaten Leben und i n dem ihr anvertrauten Pflichtenkreise nach alten Überlieferungen immer verkörpert hatte. III. Nach dem Zusammenbruch ergaben sich für Ferdinand Friedensburg zwei Aufgäben unterschiedlichen Wesens zu sinnvoller Nutzung seiner Kräfte und Erfahrungen. Die erste war vorübergehender Natur. I m sowjetisch besetzten Gebiet errichtete die Militärverwaltung fachliche Zentralbehörden. Für Friedensburg war diese Gründung und Leitung einer Verwaltung des Bergbaus und der Energiewirtschaft eine passende Aufgabe, in der er seine bergmännischen Kenntnisse, seine Gewöhnung an große Verwaltungsarbeit und seine weite Personalkenntnis nutzen konnte. Er übernahm diese Aufgabe nicht ohne Bedenken, w e i l er darin unter eine politische Leitung kommunistischen Gepräges treten mußte. Er überwand die Bedenken i n der Hoffnung, es werde gelingen, diese „Zentralverwaltung für die Brennstoffindustrie der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands" wirklich zu einem Instrument des Wiederaufbaus der Wirtschaftskräfte dieses Gebietes und damit zu einer Einrichtung für Produktion, Beschäftigung und Bedarfsdeckung zu machen, von der Deutschland Nutzen haben könne. I n diese Vorstellung war für Friedensburg die Wiedergutmachungspflicht gegen die Sowjetunion eingeschlossen, sie war aber nicht das alles andere überschattende Ziel. Er mußte bald merken, daß die Sowjet-

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union die Leistungen von Bergbau, chemischer Großindustrie und Energieerzeugung überwiegend für ihren Bedarf nutzte und der Bevölkerung ihrer Zone und des übrigen Deutschland nur einige Brocken zuteil werden ließ. Der Ausbeutungsstandpunkt kam nicht nur in dieser Verwendung der Produkte, sondern auch i n anhaltenden Demontagen zur Geltung. Da die Russen über diese A r t der Wirtschaftsführung m i t dem Präsidenten Friedensburg nicht einig werden konnten, setzten sie i n die Verwaltung neben ihn -und über die von Friedensburg berufenen ausgezeichneten Fachleute ihre politischen Kommissare und drängten Friedensburg nach einem knappen Jahr selbstloser Arbeit aus der Verwaltung hinaus. Die politische Entwicklung Berlins brachte i m Oktober 1946 mit den ersten Stadtverordnetenwahlen Friedensburg die Aufgabe, i n der neuen Verwaltung der Stadt Bürgermeister zu werden. Hier trat er i n eine aus SPD, CDU, Liberaldemokraten und Kommunisten gemischte Regierung. I n den dadurch bedingten Gegensätzen und Reibungen leistete er als wesentlichsten Beitrag den Aufbau und die Überwachung der Polizei. Dies bedeutete damals zunächst die Abgrenzung und Verbindung gegenüber und mit den Alliierten, die sich i n dem disparaten Gebilde der Kommandantur zu vieren noch eine Weile zu behaupten suchten. Das bedeutete i m innerdeutschen Bereich die nicht weniger schwierige Aufgabe, den Schutz der Bürger und des Lebens der Stadt vor den Störungen durch solche Polizeibeamte izu sichern, die i m Gegensatz zu anderen ihre Instruktionen nicht nach diesen Bedürfnissen, sondern vom Zentralkommitee der kommunistischen Partei, d. h. der SED, empfingen und danach handelten. Friedensburg gehörte zu den Berliner Politikern, die gleichwohl die Einheit der Verwaltung auch unter diesen Lasten zu erhalten suchten und die Loslösung der Westsektoren i n einer eigenen Verwaltung erst i n dem Augenblick für unvermeidlich hielten, i n dem die Kommunisten auch hier unter dem Schutz der Russen ein Gewaltregime etablierten, das die Westmäche nicht verhindern konnten oder wollten. Friedensburgs persönlicher Anteil an dieser Entwicklung zeigte seine alten Kräfte persönlichen Mutes. Er verließ später als andere das Stadthaus in der Parochialstraße, nur der Gewalt weichend. Er hat dann als Bürgermeister neben Ernst Reuter und Louise Schröder noch bis zur Bildung eines Senates von Berlin Anfang 1951 gedient und trat dann auf den Platz eines Abgeordneten der CDU. Sein Verhältnis zu Ernst Reuter war das gegenseitiger Achtung, aber nicht der Sympathie. Als Berliner Abgeordneter trat er auch i n den Bundestag ein. Hier wirkte er i m Sinne Berlins und unter Ausnutzung seiner beträchtlichen außenpolitischen Einblicke. Ehrliche Versuche, seinen Überzeugungen i n der Außenpolitik Geltung zu verschaffen, führten bei den

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Empfängern seiner Ratschläge mehr zu Erstaunen und Unbehagen als zu einer Befolgung. I m Europa-Parlament konnte er eigene Beiträge von der Grundlage fortschreitender Mitarbeit in der Wirtschaftsforschung aus leisten. IV. Die Wirtschaftsforschung stellte Ferdinand Friedensburg die zweite und die dauernde Aufgabe nach 1945. Das Deutsche Institut für W i r t schaftsforschung i n Berlin hatte durch den (Zusammenbrach und die Neuordnung aller Arbeit i n Deutschland seinen Leiter und Begründer, den bedeutenden Gelehrten und Organisator Ernst Wagemann, verloren. Dieses Institut gehörte zur großen Fülle der Hinterlassenschaften, die aus der Reichshauptstadt als überregionale Aufgabe und Substanz auf die Trümmerstadt überkommen waren. Friedensburg selber hat diese Situation, hat Anlaß und Umstände seines Eintretens i n die Leitung dieses Instituts anschaulich und zutreffend i n seinen persönlichen Erinnerungen geschildert 2 . Der objektive Betrachter muß dieser Selbstdarstellung einiges hinzufügen. M i t dem Ausfall des großen A n regers, Darstellers und Imperators Ernst Wagemann war in der Leitung des Instituts eine Lücke entstanden, die i n gleicher Fülle und Legitimation, wie er sie verkörperte, 1945 nicht leicht zu schließen war. Die großen Nationalökonomen dieser Zeit und ihr Nachwuchs entwickelten ihre Kräfte mehr i n Richtung der Deduktion, insbesondere der mathematischen Theorie, als der empirischen Forschung. Einige Persönlichkeiten, die beide Methoden zu vereinigen geeignet waren, erklärten sich i m Blick auf die unsichere Lage Berlins nicht bereit, herzukommen. Innerhalb der leitenden Kräfte des Instituts selber standen teils jüngere Persönlichkeiten, von denen die gleiche Abneigung gegen dauernde Bindung an Berlin angenommen werden mußte, teils waren es Forscher von zwar ausgesprochener Eigenart und wissenschaftlicher Kraft, die nur m i t - und nebeneinander, aber nicht i n der Überordnung über andere Mitarbeiter Großes leisten konnten. I n dieser Lage war das Eintreten Friedensburgs ein rettender Vorgang. Obwohl er kein „gelernter" Nationalökonom war, gelang es ihm, von seinem besonderen Vorzug des geduldigen Zuhören-Könnens und von seiner Gabe und Gewöhnung unterstützt, widerstreitende Kräfte zu gegenseitiger Duldung und Zusammenarbeit zu gewinnen, aus den Abteilungsleitern ein wirkliches Kollegium zu machen, dem er die Mitverantwortung für die wissenschaftliche Leitung übertrug. Diese eigenartige und so bewährte Konstruktion hat Friedensburg im Laufe der Zeit überdies dadurch gefestigt, daß er seine neuen leitenden 2

Vgl. vorliegende Festschrift, S. 209 ff.

I I Festschrift für Ferdinand Friedensburg

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Mitarbeiter fast ausnahmslos aus dem Institut selbst wählte, wobei das Alter (oder die Jugend) der Betreffenden bei i h m stets sehr wenig, ihre Leistung und Befähigung zur Zusammenarbeit dagegen sehr viel galten. Es kommt hinzu, daß Friedensburg auf seinem Gebiete, dem der Bergwirtschaft, der Arbeit des Instituts, wie schon vor 1945, wertvolle Beiträge aus eigener Forschung hinzufügen konnte. Ferner war es ein Glück, daß Friedensburg die Haushaltsgrundlagen des Instituts durch sein Ansehen bei Berliner und Bonner Behörden, bei den politischen Parteien und den Wirtschaftsgruppen i m nötigen Maße halten und erhalten konnte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verdankt seinem Präsidenten die Stellung, die ihm in manchen Stürmen die Verbindung zu anderen Instituten m i t gleichen oder ähnlichen Aufgaben sichern und i n einer von Friedensburg begründeten Gemeinschaft der Wirtschafts-Forschungsinstitute zunächst i n Deutschland und dann i n Europa die Führung einbrachte. Für Friedensburgs persönliche Entwicklung, mit der dieser Beitrag sich freundschaftlich-kritisch zu beschäftigen hat, scheint m i r charakteristisch zu sein, daß er, der von Hause aus i n diese Arbeit als Empiriker eines Randgebietes eintrat, immer m i t besonderem Interesse dafür zu haben war, daß seine M i t arbeiter die theoretische Grundbesinnung auf Objekt und Methode der Gesamtarbeit vor Augen hatten und weiterbildeten. Friedensburg hat seine bergwirtschaftlichen Feststellungen und Gedanken i n einer Fülle von Aufsätzen und Gedanken in einem zusammenfassenden Buch 3 dargestellt. Für den Nationalökonomen und damit auch für das Institut für Wirtschaftsforschung sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Arbeit nach Friedensburgs eigenem Urteil i n einem Vortrag über die Zukunftsvorräte der Metalle 4 zu finden. Friedensburg entwickelt darin die Überzeugung, daß die Vorstellung von einer drohenden Erschöpfung der Vorräte von Erzen aller Arten auf der Erde falsch sei. Die bisherigen Untersuchungen, die zu solchen Befürchtungen geführt hätten, seien immer nur unter Beschränkung auf die uns technisch zur Zeit noch erreichbare Teufe von 2000 m geführt worden. Auch i n dieser Teufe stünden in der Erdrinde zur Zeit noch „praktisch unendlich große Mengen von Eisenerzen, aber auch von Kupfer, Zink, Blei und Z i n n zur Verfügung". Diese Vorräte zu nutzen und effektiv zu machen, sei lediglich eine Frage der erzielbaren Preise und der damit zu deckenden Kosten. Die Kosten würden durch die Technik der Gewinnung und Aufbereitung bestimmt, die Preise durch die Nachfrage und die Bereitschaft der Nachfragen3 Ferdinand Friedensburg, Die Bergwirtschaft der Erde, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart. 4 Ferdinand Friedensburg, Die Zukunftsvorräte der Metalle, Zeitschrift für Erzbergbau und Metallhüttenwesen, 1957, Heft 12.

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den, die nötigen Aufwände zu leisten. Hierfür sei bei allen wehrwirtschaftlich erheblichen Rohstoffen eine unbegrenzte Bereitschaft der Militärmächte anzunehmen. Diese Bereitschaft lasse auch für das Uranmetall die praktische Unbegrenztheit der erreichbaren Vorräte schon bis zu 2000 m Teufe als gesichert ansehen. Außerdem könne eine fortschreitende Gewinnungstechnik auch eine Ausdehnung des Abbaues i n 3000 bis 4000 m Teufe als technisch möglich vorgestellt werden. Der Verfasser dieses Gutachtens hat selber zuviel Erfahrungen m i t der wirtschaftlichen Bedingtheit solcher rein technischen Vorstellungen sammeln können und müssen, u m nicht zu erkennen, daß diese „auf die Erde als Ganzes gerichtete Betrachtungsweise" nicht ausreicht, u m die Bedarfsdeckung der einzelnen Länder zu beurteilen und zu ordnen. Hierfür gelten auch nach seiner Feststellung die Konkurrenzverhältnisse, die sich nach den jeweiligen Preis-Kostenverhältnissen zwischen den einzelnen Orten 'der Erzförderung ergeben. Wenn die deutsche Eisenindustrie nach Hermann Görings Rezept so tief i n den Vogelsberg 5 hineingreifen würde, um daraus „beliebige Mengen von Eisen herauszukratzen", dann würde sie, nach Friedensburgs Feststellungen, wieder „ m i t Unkosten arbeiten müssen, die vielleicht dreimal höher lagen als die der Eisenindustrie Frankreichs, Großbritanniens, Belgiens oder der Vereinigten Staaten, vom Ostblock einmal ganz zu schweigen". Friedensburg zieht aus diesem Kostenvergleich die nötigen Schlüsse für die Belastung der deutschen Lebenshaltung -und mahnt alle Länder, „die internationalen Beziehungen zu verstärken, um eine zuverlässige Versorgung der kommenden Geschlechter m i t metallischen Rohstoffen sicherzustellen". Das Verdienst seines Buches und seiner Aufsätze scheint m i r darin zu liegen, der Nationalökonomie und der Wirtschaftspolitik für ihre Überlegungen richtige Daten aus der Forschung des b erg wirtschaftlichen Fachmannes zu liefern und falsche Daten zu korrigieren. I n gleicher Richtung gehen seine Gedanken®, wenn er Tiefbohrungen nach unbekannten Mineralienvorkommen als aussichtsreicher einschätzt, wenn sie darauf gerichtet sind, „am ehesten geschichtete Lagerstätten mit großer Flächenausdehnung festzustellen", Während die Auffindung von Ölvorkommen oder Erzgängen, auf die es der deutschen Wirtschaft am meisten ankommen würde, unter solchen Umständen nur einem besonders günstigen Zufall zu verdanken sein wird. Die Lagerstätten der Buntmetalle, der reicheren Eisenerze und des Schwefelkieses sind dagegen begrenzt und werden, wie auch die Erdölvorkommen, über diese Grenzen nur durch Fortschritte der Technik hinausgeführt werden können. 5 6

II*

Die Metalle, a.a.O., S. 575/576. Die Bergwirtschaft der Erde, a.a.O., S. 169/170.

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Bedeutende Aussichten für den deutschen Bergbau weist Friedensburg der Entwicklung der besonders leistungsfähigen deutschen Techn i k zu, die durch Fortschritte die Nutzbarmachung ärmerer Eisenerze und Aluminiumrohstoffe steigern und damit der Gewinnung nicht nur von Eisen, sondern auch von Leichtmetallen dienen könnte. Der Nationalökonom denkt bei dieser Analyse der Zusammenhänge zwischen Preisen, Technik, Kosten und Angebotslagen an die alten Gedankengänge, die zur Lehre vom Verhältnis zwischen Produktionstechnik, Kosten und Ertrag der auf landwirtschaftlichen Boden aufzuwenden Arbeit geführt haben, an die Geschichte des fälschlich sagenannten „Gesetzes vom abnehmenden Bodenertrage". Für den Nichtfachmann i n bergbaulichen Fragen w i r d es wichtig sein, daß Friedensfourg seine Feststellungen der „Vorräte" an Erzen nicht von ursprünglichen und unabänderlichen Qualitäten der Materie abhängen läßt, sondern von den (Schwierigkeiten ihrer Gewinnung und A u f bereitung. Damit gewinnt der Begriff der Materie von der bergtechnologischen Seite her für Mineralien eine weitere Relativierung, nachdem die Kernphysik die Vorstellung von der Materie i m Ganzen ihrer Absolutheit entkleidet hat. F ü r den Wirtschaftspolitiker ist es aufschlußreich, i m Kapitel des genannten Buches 7 , über die .Sowjetunion eine gründliche Untersuchung der Versorgung m i t Mineralien zu lesen, aus der die Grenzen der Selbstversorgung auch dieses Reiches, insbesondere i n Kupfer, Blei, Nickel, einigen anderen Buntmetallen und ßtahlveredlermaterialien erkennbar sind. Diesem Bilde gegenüber steht die Versorgung der Vereinigten Staaten, die i n den gleichen Mineralien, daneben ζ. B. auch i n Schwefelkies und Kalisalz, nur unzureichend auf eigener Förderung aufgebaut ist. Für die Versorgung der USA g i l t darüber hinaus, daß i n manchen Rohstoffen dieser A r t nicht nur Mengen- sondern auch Qualitätsergänzungen durch Einfuhr von den Verarbeitern für nötig gehalten werden. Eine besondere Nutzanwendung eigener Forschung hat Friedensburg i n letzter Zeit durch die Übernahme eines Gutachtens zur Energieversorgung Deutschlands für die Bundesregierung leisten können. Dieses Gutachten hat „die gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Struktur des Energiemarktes zu analysieren, der vornehmlich durch die Bedingungen bestimmt wird, unter denen Energieträger angeboten bzw. nachgefragt werden". Das Gutachten untersucht die Bedingungen, unter denen die verschiedenen Energieträger mit ihren unterschiedlichen technischen Bedingungen, Kosten und Preisen i m Wettbewerb miteinander stehen. Diese Feststellungen sollen dann den Rahmen 7

Die Bergwirtschaft der Erde, a.a.O., S. 403.

Ferdinand Friedensburg — Persönliche Gedanken von J. Tiburtius

zeigen, innerhalb dessen die Nachfrage auf den bestgeeigneten Energieträger zur Bedarfsdeckung zu lenken ist. Die Untersuchung ist ausgelöst worden durch die Sorge, die im deutschen Bundestage der krisenhaften Situation des deutschen Steinkohlenbergbaus nach dem Umbruch von 1958 zugewandt wurde. Während vorher Kohlenknappheit herrschte, mußten von jenem Zeitpunkt an große Steinkohlenmengen auf Halde genommen und Feierschichten eingelegt werden. Damit wurde «der Rahmen der Untersuchung auf das Wachstum der Gesamtwirtschaft i m Angebot von Energieleistungen der verschiedenen Herkunft und i m Bedarf ausgedehnt. Umfang und Ernst der Fragestellung kommen darin zum Ausdruck, daß an «dem Gutachten die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute neben der Mehrzahl ihrer einzelnen Mitglieder in besonderer Aufzählung, dazu Spezialinstitute und eine große Zahl von Gelehrten aus Technologie, Volks- und Betriebswirtschaftslehre beteiligt wurden. Auch hierin konnte Friedensburg neben eigenen Kenntnissen der Forschungsmethoden seine Verbindung zu weiten Kreisen benötigter Mitarbeiter, auch aus ausländischen Instituten, dienstbar machen. V. Zum Gesamtbilde der Persönlichkeit gehört seine Stellung zur Kirche. Ferdinand Friedensburg und die Seinen haben ein deutliches Bekenntnis abgelegt, als sie sich 1933 für den B e i t r i t t zur Bekennenden Kirche entschieden. ISie haben diese Überzeugung stets deutlich gemacht. Anlaß hierzu gaben sowohl nationalsozialistische als auch kommunistische Angriffe und Verfolgungen. Wer Ferdinand Friedensburg näher kennt, weiß, daß diese Bereitschaft nicht nur der Ausdruck politischer Protesthaltung i m Sinne eines äußerlichen K u l t u r Protestantismus war, sondern aus tieferen Wurzeln und „Teufen" seiner Natur wuchs. Es ging i h m darum, eigenen Glauben zu bekennen und nicht etwa, einem (politischen Gegner auch m i t dieser Waffe eins auszuwischen. Die evangelische Kirche hat diese folgerichtige Haltung gewürdigt. Sie durfte froh darüber sein, daß Ferdinand Friedensburg 1945 als Domherr von Brandenburg seine Zugehörigkeit auch i n dieser Form zum Ausdruck brachte, als das ehrwürdige Stift das besondere Kapitel seiner Geschichte erleben mußte, Kirche i n einer unter kirchenfeindlicher Staatsgewalt lebenden politischen Provinz zu sein. Ferdinand Friedensburg hat i n allen Zeiten seines bewegten und bewegenden Lebens vermocht, „seines Glaubens zu leben". Vielleicht t r i f f t daher das alte Bibelwort auf i h n zu, das solche Menschen Gerechte nennt.

Z u m 1 7 . November 1 9 6 1 Die Idee, dieses Buch herauszugeben, ist am 17. November 1960 — also genau ein Jahr vor dem heutigen 75. Geburtstag — während eines Gesprächs entstanden, das die Unterzeichneten m i t Herrn Dr. Ferdinand Friedensburg jr., dem Sohn unseres Präsidenten, führten. Die Finanzierung des Buches machte dank der generösen Haltung der Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und ihres Vorstandes keine Sorgen. Dagegen bedurfte es mancher List, u m unser verehrtes Geburtstagskind nicht mehr als unbedingt erforderlich i n unsere Pläne einzuweihen. Ganz besonderer Dank gebührt daher Frau Nelly Friedensburg, die uns Fotos aus früheren Jahren zur Verfügung stellte und jederzeit bereit war, uns m i t Rat und Tat zu helfen. Dieses Buch dokumentiert einmal mehr die Vielseitigkeit der Interessen und Fähigkeiten und den geradezu hellsichtigen politischen Weitblick Ferdinand Friedensburgs. Vieles von dem, was hier zusammengefaßt wurde, ist nicht mehr oder schwer zugänglich, aber noch heute so wichtig u n d aktuell, daß es sich schon deshalb lohnte, die Arbeiten aus der Diaspora der Publikationsorgane zu holen und zusammenzufassen. Zeitlich gesehen reicht die Sammlung von Arbeiten von der ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung des jungen Bergassessors von 1913 zu dem Vor trag, den Ferdinand Friedensburg jüngst aus Anlaß der 75-Jahresfeier des Gymnasiums zu Steglitz gehalten hat. Sachlich gesehen reicht die Skala von den methodisch strengen und spröden Untersuchungen des Verwaltungsjuristen, die jedoch stets das politische Denken des Verfassers durchschimmern lassen, über die Arbeiten des Fachwissenschaftlers zu den Veröffentlichungen des humanistisch gebildeten und historisch interessierten Politikers. Es schien uns auch notwendig zu sein, Ferdinand Friedensburgs A n t e i l an der Gestaltung der Berliner Frage (der bis heute, freilich nicht auf die Dauer, von mancher fragwürdigen Legendenbildung überschattet und verdeckt ist) darzustellen und — last not least — eine Auswahl

XXIV

Z u m 17. November 1961

aus den persönlichen Erinnerungen eines Mannes zu bringen, dessen Leben i n so vielfältiger Weise Tragik und Hoffnung der Deutschen widerspiegelt. Unserem verehrten Präsidenten, Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Ferdinand Friedensburg, wünschen w i r an seinem heutigen 75. Geburtstag m i t allen Mitarbeitern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von ganzem Herzen Glück. Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str. 5 Klaus-Dieter

Arndt

Rolf Krengel

Inhalt Recht — Verwaltung — Polizei Der neue Staat im Strafgesetzbuchentwurf (1926)

3

Fünfzehn Notverordnungen in zwei Jahren (1933)

16

Verwaltungsmöglichkeiten der europäischen Zollunion (1926)

24

Über die zweckmäßige Größe der Verwaltungsbezirke der Mittelinstanzen (1931). Ein Beitrag zur Reichs- und Verwaltungsreform 34 Das Berufsbeamtentum — Ethos und Wirklichkeit (1951)

45

Vom Wesen der modernen Polizei (1927)

60

Der Kampf für die öffentliche Sicherheit und Ordnung als Mittel zur Festigung der internationalen Beziehungen (1927)

66

Bergwirtschaft Die zukünftige Erzversorgung der deutschen Eisenindustrie (1913)

75

Die bergrechtliche Unterscheidung von Stein- und Braunkohle (1914)

85

Zur Sozialisierung des Kohlenbergbaues (1920)

97

Hat Deutschland den Weltkrieg durch unverhältnismäßige Rohstoffeinfuhr vorbereitet? (1935) 108 A n International Mineral Policy (1936)

119

Selbstversorgungspolitik in der Erdöl Wirtschaft (1939)

124

Das Erdöl im Wirtschaftskrieg 1914—1918 (1939)

142

Kohle und Eisenerz zwischen Deutschland und Frankreich (1950)

157

Internationale Zusammenarbeit in der Mineralrohstoffwirtschaft (1954) . . 163 Die Rohstoffversorgung der wachsenden Erdbevölkerung (1955)

172

Bedrohung der Weltwirtschaft durch zunehmende Erschwerung i m Verkehr mit Mineralrohstoffen (1959) 185 Der Anstieg der Bergbauleistung Chinas (1960)

198

Volkswirtschaft Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seit 1945 (1950)

209

Die Gründung der „Vereinigung Europäischer Konjunkturforschungsinstitute" (Association d'Instituts Européens de Conjoncture Economique) (1957) 218 Probleme der deutschen Wirtschaft zwischen Osten und Westen (1957) . . 226

XXVI

Inhalt

Politik — Geschichte Die deutsche Revolution (1918)

235

Wie soll Deutschland antworten? (1919)

243

Deutschland und der Völkerbund (1920)

248

Der Selbstschutz der Landwirtschaft (1923)

253

Schwarzrotgoldene Staatspolitik (1925)

257

Kolonien (1925)

261

Diktatur 6% 53 °/o 15 °/o etwa 2 % etwa 5 %

M i t Ausnahme von Nickel und Asbest sind hiernach die von den Amerikanern angeführten Handelsbeziehungen i n den einzelnen Stoffen von ganz untergeordneter Bedeutung, also für die tatsächliche Handelsentwicklung gar nicht wesentlich oder charakteristisch. Verschiebungen i n den Bezugsländern kamen bei derartigen Rohstoffeinfuhren ständig vor. Beispielsweise sank die deutsche Gesamt-Zinneinfuhr von 1912 auf 1913 um 9 %>, während die Einfuhr aus den Straits gleichzeitig u m 2 °/o anstieg. Die Einwendungen gegen die statistischen Feststellungen der Amerikaner gehen aber noch weiter. Die reinen Einfuhrziffern bestimmter Rohstoffe lassen für sich — selbst wenn man die Gesamteinfuhr herangezogen hätte — keineswegs immer ein Urteil zu, i n welchem Umfange der Gesamtverbrauch daran gestiegen ist bzw. ob außergewöhnliche Vorräte verblieben sein müssen. Man muß die Ziffern der Wiederausfuhr in dem Rohstoff selbst bzw. i n den Fabrikaten daraus berücksichtigen; bekanntlich spielt der Veredelungsverkehr i m deutschen Außenhandel seit Jahrzehnten eine beträchtliche Rolle. Bei den Metallen ist zu prüfen, ob nicht etwa den Einfuhränderungen i m Rohmetall Veränderungen i m Erzhandel oder i n der bergbaulichen Eigenerzeugung gegenüberstehen. Alles dies haben die Amerikaner außer acht gelassen. U m die Wertlosigkeit ihrer Statistiken zu vollenden, geben sie die Einfuhrmengen bald nach der Menge, bald nach dem Werte an, ohne zu prüfen, ob nicht Preis- oder Qualitätsveränderungen die Entwicklung beeinflußt haben. Bei allen derartigen Untersuchungen muß man endlich berücksichtigen, was von den Amerikanern nur ganz unzureichend geschieht, daß sich die deutsche Volkswirtschaft i n der Vorkriegszeit und gerade auch i n den unmittelbaren Vorkriegsjahren in einem gewaltigen A u f schwung befand, der sich vor allem i n einer raschen Zunahme der

112

ergwirtschaft

schwerindustriellen Rohstoffe äußerte. Außerdem haben alle großen europäischen Länder, darunter Deutschland, zwischen 1911 und 1914 sehr erhebliche Rüstungsverstärkungen vorgenommen, die ganz allgemein und völlig offenkundig einen vermehrten Verbrauch an kriegswichtigen Rohstoffen i m Gefolge hatten. Beispielsweise hat schon eine vor dem Kriegsausbruch erschienene Veröffentlichung 7 auf deutscher Seite festgestellt, daß Rußlands Bleiverbrauch, der eine Reihe von Jahren hindurch einigermaßen gleichmäßig geblieben war, i m Jahre 1913 plötzlich um rund 30 °/o gegen das Vorjahr anstieg (1910: 48 800 t, 1911: 42 900 t, 1912: 45 600 t, 1913: 58 800 t). Diese auffällige Erscheinungwurde ganz zutreffend auf die erhöhten Rüstungen zurückgeführt, die die russischen Wehr- und Flottengesetze von Juni—Juli 1912 i n der Tat mit sich gebracht hatten. Genaue Maßstäbe lassen sich freilich nicht angeben, innerhalb deren eine Steigerung von Rüstungsrohstoffen damals als normal gelten konnte; gewisse Erhöhungen sind jedenfalls, unabhängig vom allgemeinen Konjunkturverlauf, ohne weiteres zu erwarten. Die deutsche Schwerindustrie selbst erlebte i n den Vorkriegsjahren, nicht zuletzt infolge raschen Vordringens auf dem Weltmarkt, ohnedies eine Hochkonjunktur, die weit über die allgemeine K o n j u n k t u r hinausging. Als angenäherter Anhalt sei angeführt, daß die deutsche Einfuhr an land- und forstwirtschaftlichen sowie mineralischen Rohstoffen aller A r t von 1911 auf 1912 u m 4°/o und von 1912 auf 1913 u m 2V2 °/o, dagegen als Beispiel der schwerindustriellen Rohstoffe die i m Kriegsfall großenteils nicht gefährdete Einfuhr von Eisenerzen von 1911 auf 1912 um 12 °/o, von 1912 auf 1913 aber sogar noch um 16 % gestiegen ist. Überprüft man unter Beachtung dieser Gesichtspunkte die Behauptungen von Smith und Leith i m einzelnen, so erhält man folgendes Eegebnis®: 1. Manganerz. Die amerikanische Friedensdelegation und mit ihr Smith und Leith entnehmen ihre Angaben der amtlichen deutschen Statistik, verlegen aber die Ziffern der Jahre 1910 und 1911 auf die Jahre 1911 und 1912 und lassen die richtigen Ziffern des Jahres 1912 fort, ob infolge Versehens oder zur kräftigeren Beweisführung, bleibe dahingestellt. Jedenfalls erzielen sie ein völlig falsches Bild: die deutsche Manganerzeinfuhr springt bei ihnen zwischen „1912" und 1913, i n der Tat höchst auffällig, u m 62%. 7 Die jährlich erscheinenden statistischen Zusammenstellungen der M e t a l l gesellschaft, Metallbank u n d Metallurgischen Ges. A.-G. i n F r a n k f u r t a. M. über „Erzeugung u n d Verbrauch der wichtigsten Metalle", w'edergegeben nach der Berg- u n d Hüttenmännischen Zeitschrift Glückauf 1914, S. 1318 ff., insbesondere S. 1322. 8 D : e deutschen Handelsziffern smd entnommen dem Statistischen J a h r buch f ü r das Deutsche Reich, Jahrgang 1911—1915, B e r l i n 1911 ff. u n d den

Hat Deutschland den Weltkrieg durch Rohstoffeinfuhr vorbereitet?

113

Zahlentafel 2 Deutsche Versorgung mit Manganerz

Zeit 1911 1912 1913

1. Halbjahr 1914

Verbrauch a )

Einfuhr

Ausfuhr

421 000 t 513 000 t 680 000 t

10 0001 8 000 t 9 000 t

411 000 t 515 000 t 671 0001

392 0001

3 000 t

389 000 t

a) D i e h e i m i s c h e d e u t s c h e F ö r d e r u n g a n M a n g a n e r z e n v o n g l e i c h e r B e s c h a f fenheit w i e d e r j e n i g e n der ausländischen Erze w a r ganz bedeutungslos. D i e f ü r die deutsche K r i e g s v e r s o r g u n g überaus w i c h t i g e F ö r d e r u n g manganhaltiger Eisenerze läßt einen Vergleich n i c h t zu. (Vgl. P. K r u s c h : „ D i e V e r s o r g u n g D e u t s c h l a n d s m i t m e t a l l i s c h e n R o h s t o f f e n ( E r z e n u n d M e t a l l e n ) " , L e i p z i g 1913, S. 159 f f .

Die Einfuhrsteigerung der letzten Vorkriegszeit ist also keineswegs ungleichmäßig oder ungewöhnlich; sie hielt sich i m Rahmen der allgemeinen schwerindustriellen Konjunktur. 2. Nickel. Die deutsche Versorgung m i t dem für Rüstungszwecke besonders wichtigen Metall Nickel erfolgte nur zu weniger als 1 °/o aus heimischer Erzförderung. Etwa zwei Drittel des Bedarfs wurden von deutschen Hütten gedeckt, die Erze und Abfälle aller A r t aus dem Auslande verarbeiteten, ein Drittel durch Einfuhr von Nickelmetall. Smith und Leith verwendeten die Ziffern der amerikanischen Ausfuhr an Nickelmetall nach Deutschland, die nur etwa 15—20 °/o des deutschen Gesamtverbrauchs deckte, also schon deshalb kaum Beweiskraft für die Frage der deutschen Kriegsvorbereitung besaß. Bei diesem einzigen wirklich kriegswichtigen Rohstoff, der sich unter den langen statistischen Erörterungen der amerikanischen Sachverständigen findet, unterliegen diese aber einem weiteren unverzeihlichen Irrtum. Nach ihren übereinstimmenden Angaben soll sich die amerikanische Nickelausfuhr nach Deutschland vom Fiskaljahr 1913 (endend am 30. 6.1913) zum Fiskaljahr 1914 (endend am 30. 6.1914) mit einer Steigerung von 1060 auf 5020 t fast verfünffacht haben. Das wäre i n der Tat eine sensationelle Zunahme, selbst m i t Rücksicht auf die nur beschränkte Bedeutung der amerikanischen Ziffern. Die deutsche Statistik läßt jedoch für den gleichen Zeitraum keine außergewöhnliche Entwicklung erkennen. Der Widerspruch hätte sich für die amerikanischen Sachverständigen ohne weiteres geklärt, wenn sie sich der Mühe unterzogen hätten, die gesamten Ausfuhrziffern ihres eigenen Landes heranzuziehen. Eine so unverhältnismäßige Zunahme Monatlichen Nachweisen über den auswärtigen Handel Deutschlands, B e r l i n 1911 ff., die Produktionsziffern den Vierteljahrsheften zur Statistik des Deutschen Reiches B e r l i n 1911 ff., alle herausgegeben v o m Kaiserl. Statistischen A m t . Die deutsche Einfuhrstatistik ist n u r bis zum 30. J u n i 1914 veröffentlicht. 8 Festschrift für Ferdinand

Friedensburg

ergwirtschaft

114

der Bezüge eines einzigen Landes u m nicht weniger als 11 °/o der Weltproduktion mußte irgendwie i n der Gesamtstatistik des betreffenden Metalls zum Ausdruck kommen. Die Weltproduktion und sogar die amerikanische Gesamtausfuhr an Nickel wiesen aber für die betreffenden Jahre eine stetige, gleichmäßige Entwicklung auf. Das Rätsel löst sich, wenn man die amerikanische Ausfuhrstatistik nach den Ländern außer Deutschland heranzieht 9 . Sie gibt die amerikanische Nickelausfuhr für die Fiskaljahre (endend am 30. 6.) wie folgt wieder: Zahlentafel

3

Amerikanische Nickelausfuhr in t

Insgesamt davon nach Deutschland nach Holland . . .

1911

1912

1913

1914

8 600 865 3 720

12 010 1150 3 430

12 600 1060 4150

13 100 5 020 1050

Dem plötzlichen Ansteigen der deutschen Bezüge entspricht also ein fast ebenso starkes Sinken der holländischen, das jeder Fachmann sofort zu deuten weiß: Seit jeher empfing das rheinisch-westfälische Industriegebiet einen wesentlichen Teil seiner Rohstoffe über Rotterdam; m i t seinen unverhältnismäßigen Nickeleinfuhrmengen war das kleine Holland nur Konsignationslager oder Durchgangsgebiet für das deutsche Hinterland. Erst mit dem Jahre 1913/14 wurde die amerikanische Statistik genauer hinsichtlich des endgültigen Bestimmungslandes, ein Vorgang, der sich bei der vergleichenden Bearbeitung ausländischer und deutscher Statistik des deutschen Außenhandels nicht selten herausstellt und daher jedem ernsten Fachmann geläufig sein sollte. Selbstverständlich bedeutet eine solche statistische Verschiebung nicht die geringste Veränderung i n der wirklichen deutschen Versorgung. Ihre tatsächliche Entwicklung war folgende: Zahlentafel

4

Deutsche Nickelversorgung in t Zeit

Eiüttenerzeugung a )

Einfuhr

Roh-Nickel 1911 1912 1913 1. H a l b j a h r 1914

4 500 4 800 5 200 weniger als 3 000 b)

2 700 2 140 3 400 1 100

a) Z u r u n d 95 % a u s a u s l ä n d i c h e n E r z e n u n d b ) E r z e u g u n g des g a n z e n J a h r e s 4200 t .

Ausfuhr roh u n d verarbeitet 2 500 2 530 2 400 1400 Zwischeeprodukten.

Verbrauch

4 700 4 400 6 200 weniger als 2 700

Hat Deutschland den Weltkrieg durch Rohstoffeinfuhr vorbereitet?

115

Der deutsche Verbrauch weist also erhebliche Schwankungen auf, die i m Jahre 1913 auch von den bekannten Heeresverstärkungen beeinflußt sein mögen. Gerade das letzte Halbjahr vor dem Kriege ist aber durch einen erheblichen Rückgang i n der Nickelversorgung gekennzeichnet. Tatsächlich trat nach Kriegsbeginn verhältnismäßig rasch empfindlicher Nickelmangel infolge des Fehlens größerer Vorräte ein. 1 0 3. Zinn. Die deutsche Zinnversorgung erfolgte zur knappen Hälfte aus der Erzeugung der heimischen Hütten, die fast ausschließlich Weißblechabfälle und ausländische Erze verarbeiteten, i m übrigen durch Einfuhr, von der durchschnittlich ein Achtel aus Britisch Hinterindien stammte. Die von Smith und Leith herangezogenen Ziffern dieser Teileinfuhr sind also für die Gesamtlage der deutschen Zinnversorgung so bedeutungslos, daß ihre Erörterung sich erübrigt. Zahlentafel

5

Deutsche Zinnversorgung in t Zeit

1911 1912 1913 1. H a l b j a h r 1914

Rohzinn Hüttenerzeugung

Einfuhr Z i n n roh u n d i n Legierungen

Ausfuhr

11400 10 600 12 000

14 700 15 700 14 400

10 600 9 600 10 100

7 300

5 200

Irgendeine außergewöhnliche Entwicklung ist nicht festzustellen; auch die für die deutsche Gesamtversorgung wichtige Zinnerz-Einfuhr war i m ersten Halbjahr fast genau die gleiche wie i m entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. 4. Messing ist eine Kupferlegierung mit durchschnittlich 30 °/o Zink, dem einzigen Metall, an dem i n Deutschland auch während des Krieges Überfluß herrschte. Die jährliche Messingeinfuhr Deutschlands war recht gering; sie betrug nur etwa 5 %> der Kupfer einfuhr. A n der Messingeinfuhr hatten die Vereinigten Staaten m i t etwa 20 °/o Anteil, während sie von der deutschen Kupfereinfuhr fast 90 %> zu liefern pflegten. Es bleibt daher, wenn man nicht unsachliche Absichten voraussetzen w i l l , schlechthin unverständlich, daß die amerikanischen Sachverständigen zwar die gänzlich bedeutungslose Messing-Statistik, 9 Schriftenreihen des Dept. of Commerce in Washington: a) Trade of the US w i t h the W o r l d 1912—1913 ff. Washington 1914 ff. b) M o n t h l y Summary of Commerce and Finance of the US for the fiscal Year 1913 ft. Washington 1913 ff. 10 B. Neumann: „Das Metallhüttenwesen i n den Jahren 1914 u n d 1915". Berg- u n d Hüttenmännische Zeitschrift Glückauf 1916, S. 569 ff., insbes. S. 688.

8*

ergwirtschaft

116

noch dazu nach dem Geldwert, wiedergeben, aber nicht die Statistik für Kupfer heranziehen. I n diesem besonders wichtigen Metall, an dem es i n Deutschland bekanntlich schon während des zweiten Kriegsjahres empfindlich fehlte, war die Versorgung bis zum Sommer 1914 ganz gleichmäßig. Zahlentafel

6

Deutsche Kupferversorgung

in t Zeit

Erzeugung der deutschen H ü t t e n a) an R o h - K u p f e r

Einfuhr an K u p f e r u n d Kupferlegierung

38 600 45 500

1911 1912 1913 1. H a l b j a h r 1914

49 500

a) Z u e t w a 60 % a u s h e i m i s c h e n

Ausfuhr

213 000 229 300 256 800

86 000 92 400 110 700

130 900

55 000

Erzen.

5. Aluminium. Die von Smith und Leith wiedergegebene Ausfuhr der Vereinigten Staaten nach Deutschland ist belanglos. Überdies ist die Aluminiumstatistik für den hier behandelten Zweck ohne Bedeutung, da es an A l u m i n i u m während des Krieges nicht fehlte. Die Einfuhr an dem Metall und seinen Legierungen von 1911 bis zum ersten Halbjahr 1914 betrug: 10 600, 18 200, 15 500 und 7100 t. 6. Asbest, Schwefel, Graphit und Glimmer. Für diese noch von Smith und Leith angeführten Rohstoffe genügt die kurze Wiedergabe des deutschen Gesamtaußenhandels darin; die Statistik zeigt überall eine ganz ruhige und gleichmäßige Entwicklung. Zahlentafel

7

Deutscher Außenhandel in Asbest, Schwefel, Graphit und Glimmer

in t Zeit 1911 1912 1913 1. H a l b j a h r 1914

Asbest

Schwefel

Einfuhr

Ausf.

Einfuhr

12 300 14 800 14 700

1 500 1 900 1 500

46100 42 300 46 600

7 400

700

29 800

Graphit

Glimmer

Ausf.

Einfuhr

Ausf.

Einiuhr

Ausf.

1 800 1 700 3 400

32 800 37 600 37 200

3 800 4 500 5 400

1 100 1 400 1300

200 200 300

21900

2 200

560

100

U m die von den amerikanischen Sachverständigen so unvollständig und irreführend angeschnittene Frage aber noch abschließend statistisch zu klären, soll die deutsche Einfuhr auch derjenigen mineralischen Roh-

Hat Deutschland den Weltkrieg durch Rohstoffeinfuhr vorbereitet?

117

stoffe untersucht werden, die zwar bei Smith und Leith unberücksichtigt geblieben sind, die aber eigentliche Rüstungsstoffe darstellen und an denen es i n Deutschland i m wesentlichen gemangelt hat. Zahlentafel

8

Deutsche Einfuhr an weiteren Rohstoffen für die Rüstungsindustrie in t Antimonerz

Wolframerz

Rohantimon

Chromerz

Zeit

Bleierz

Rohblei

1911 1912 1913 1. H a l b j a h r 1914

144 000 123 000 143 000

101 000 94 000 84 000

6 100 2 600 3100

3 700 3 400 3 600

3 700 4 500 4 800

16 000 23 200 23 300

83 000

29 000

1500

1600

2 500

6 300

Zeit

Chilesalpeter ganzes Jahr

1911 1912 1913

731 000 813 000 774 000

1. H a l b j a h r

Roh-Benzin

Erdöl

ganzes Jahr

472 000 543 000 507 000

761 000 795 000 745 000

590 000

363 600

181 000 198 000 159 000

1. H a l b j a h r 1914

1

74 000

Bei der Beurteilung der Einfuhrziffern des Salpeter ist zu berücksichtigen, daß die Verschiffung der hauptsächlich für landwirtschaftliche Düngezwecke eingeführten Rohstoffe sich überwiegend auf die ersten Monate des Jahres zu konzentrieren pflegte. Von den für die Kriegswirtschaft vordringlich wichtigen Rohstoffen blieben nur Kohle und Eisen unerörtert, da an ihnen, wie vorauszusehen gewesen war, während des Krieges kein Mangel herrschte. 11 Bei keinem der untersuchten Rohstoffe, weder bei den mehr oder weniger wichtigen der amerikanischen Veröffentlichungen noch bei den wirklich wichtigen, läßt die Statistik irgendein Anzeichen für ungewöhnliche Voreindeckungen erkennen. I m Gegenteil, bei den meisten dieser Rohstoffe ist ein Absinken der Einfuhrziffern für das letzte Halbjahr vor dem Weltkriege zu beobachten! t i F . Friedensburg: „ K o h l e u n d Eisen i m Weltkriege u n d i n den Friedensschlüssen". München 1934, S. 128 ff.

118

ergwirtschaft

Die Statistik bestätigt also durchaus die anderweitig längst bekannte Tatsache, daß Deutschland i m Sommer 1914 i n der Rohstoffversorgung — sehr zu seinem Schaden — ausgesprochen ungerüstet gewesen ist. Die deutschen Archive sind auch hinsichtlich dieser Seite der Vorkriegspolitik längst geöffnet: Das große Werk des Reichsarchivs über den Weltkrieg hat i n zwei besonderen Bänden 1 2 die wirtschaftliche Vorbereitung zum Weltkrieg behandelt und die allerdings ganz dürftigen Maßnahmen — es handelte sich fast ausschließlich um Ernährungsund Finanzierungsfragen — völlig offenkundig geschildert. Nicht der geringste Anlaß hätte vorgelegen, hierbei die Schaffung von Rohstoffvorräten zu verschweigen, zumal derartige Maßregeln bei verständiger Überlegung als nicht minder notwendig und berechtigt gelten müßten, als die Aufstellung von Truppeneinheiten und der Bau von Kriegsschiffen, die man i n allen Ländern als selbstverständliche und zulässige Vorbereitungen anzusehen pflegt. Eine Verheimlichung derartiger Maßnahmen wäre vom deutschen Standpunkt umso sinnloser, als man wegen der Unterlassung der notwendigen Rüstungsergänzungen i n dieser Hinsicht durchaus berechtigte Vorwürfe erheben kann und sie tatsächlich erhebt. 13 I n einer wie gefährlichen Lage sich Deutschland schon i m Herbst 1914 infolge des Fehlens von Rohstoffreserven befunden hat, ist aus zahlreichen Veröffentlichungen 14 und allen, die die Kriegszeit bewußt erlebt haben, zur Genüge bekannt. Soweit es auf die wirtschaftliche Vorbereitung durch Rohstoffeinfuhren ankommt, kann man also nur feststellen, daß Deutschland den Krieg für den Sommer 1914 nicht nur nicht gewollt, sondern ihn auch nicht vorausgesehen hat. Der von der amerikanischen Friedensdelegation und von Smith und Leith versuchte Nachweis des Gegenteils ist i n allen Einzelheiten wertlos und zum Teil sogar regelrecht falsch. Die Veröffentlichungen bieten tief bedauerliche Beispiele für die leichtfertige und gewissenlose A r t , m i t der Deutschland i n dieser weltgeschichtlichen Frage beschuldigt worden ist.

12 Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Bearbeitet i m Reichsarchiv. Kriegsrüstung u n d Kriegswirtschaft. Bd. 1: Die militärische, wirtschaftliche u n d finanzielle Rüstung Deutschlands von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des W e l t krieges. Bd. 2: Anlagen zu Bd. 1. B e r l i n 1930. 13 Ζ. B. Generalleutnant Schwarte bei einer Buchbesprechung i n den „Preußischen Jahrbüchern", 1935, S. 75 ff. 14 U. a. CI. v. Delbrück: „Die wirtschaftliche Mobilmachung i n Deutschland 1914". München 1924. O. Goebel: „Deutsche Rohstoffwirtschaft i m W e l t krieg". Hrsg. von der Carnegie-Stiftung Stuttgart 1930. W. Rathenau: „Deutschlands Rohstoffversorgung i m Weltkrieg". B e r l i n 1916. F. Seesselberg: „Der Stellungskrieg 1914—1918". B e r l i n 1926. Vgl. auch F. Friedensburg a. a. O., S. 178 ff.

A n International Mineral Policy* We publish below a short summary of the results of an investigation carried out by Dr. Friedensburg upon this important subject, a f u l l account of which is contained in the December issue of "The New Commonwealth Quarterly". A l t h o u g h i t does not deal specifically w i t h the reforms which this Society exists to advocate and although we do not necessarily agree w i t h our contributor's findings, we present i t to our readers as an outstanding contribution to the discussion of one of the most important problems of peaceful change.

The supply of mineral raw materials, which is the basis of modern technical civilization, is, more than any other economic problem, dependent upon international exchange. Mineral reserves are distributed haphazardly and unequally over the earth. Some countries are richly endowed, others poverty-stricken. Of the total mineral production of the earth, the U.S.A., Great Britain and Germany between them possess no less than 60 per cent., whereas vast territories such as China and Italy each produce less than 1 per cent, of the total output. The importance of individual countries as producers of raw materials does not depend merely upon the total value of their mineral production, but also upon the relationship of this production to the needs of industry. Most highly industrialised nations, even if they are themselves important producers of mineral raw materials, are dependent upon imports, partly owing to the great diversity of minerals. Russia and Germany have to import vast quantities, though standing high in the list of producers, whereas other States which possess mineral reserves insufficient to justify the establishment of home industries can point to considerable exports. The World War made all nations keenly conscious of the gaps i n their raw material supplies. Self-sufficiency became their aim and this aspiration found expression i n the Peace Treaties. World policy after the war was dominated b y the struggle for new oil-fields. Only w i t h the world crisis of 1929, which was characterised by overproduction of raw materials, did the struggle subside, and only Germany, Italy and Japan maintained their claims. To-day there is increasing recognition, notably i n the speech of Sir Samuel Hoare in Geneva i n September 1935, of the danger to world peace which lies in the perpetuation of these conditions. * The New Commonwealth Quarterly, Vol. 4 (1936), Nr. 9.

120

ergwirtschaft

What is the remedy to be? I t w i l l not be sufficient merely to share out tropical territories to hungry nations; i t must be quite soberly admitted that the supply of mineral raw materials would not be appreciably altered even by far-reaching unselfish concessions on the part of the satiated powers. I t is an error to assume that there are in countries such as Afghanistan and Abyssinia vast unexploited m i neral reserves. I f there were, they would long ago have been exploited. The heavy demands of industry w i l l have to be satisfied by some other method than exchange of territory. A few illustrations of the needs of industry w i l l bear out this assertion. Germany's main deficiencies are in petroleum, iron ore, lead, copper, and pyrites, the major portion of which she must obtain from abroad, and i n many other less important minerals which she locks completely. The return of all her former colonies would not remedy these deficiencies. The colonies Italy already possesses, though seven times as large as the motherland, possess no mineral reserves, nor are any to be found i n any accessible colonies. Nor does i t seem that Japan can remedy her mineral deficiencies by military penetration into Eastern Asia. Even such a large economic unit as the British Empire is completely, or to a great extent, deficient in such important mineral raw materials as petroleum, quicksilver, antimony, potash, sulphur and phosphate, nor is the position of France any better. If, in the attempt to satisfy the land-hunger of countries w i t h few or no colonies, not only colonial territory properly speaking, but also parts of politically independent and relatively advanced territories were to be included, the prospects of a solution of the mineral problem would be heightened. But at the same time, the national feeling of the populations of those districts would be outraged, and the ensuing danger to world peace would be greater than the present danger arising from inequality of mineral resources. I t cannot be affirmed too strongly that the need for an international arrangement to secure supplies of mineral raw materials w i l l for most nations continue to exist undiminished after the widest possible fulfilment of colonial aspirations. I t would probably be intensified, since the economic nationalism which is everywhere on the increase would turn the acquired territories into closed preserves for the benefit of the Sovereign Power. Moreover, some of the best-known deposits of important raw materials are threatened w i t h exhaustion; in others, such as coal and copper, there is such overproduction that most mines are run at a loss. Only international administration can solve these problems.

A n International Mineral Policy

121

The tendency towards a planned economy is one of the characteristic features of modern development, and this being so, there seems no reason why such a system should not be extended beyond the frontiers of one's own country to include the international exchange of minerals. I n the sphere of private trade, there are already many illustrations of the successful international co-operation of mining interests. Many concerns are organized on a purely international basis and the capital of a number of leading firms comes from different countries. I n other cases, financial groups of various States have, in co-operation w i t h their governments, joined i n the common exploitation of certain natural resources overseas. Even before the World War the attempt had begun to join up the mining cartels existing i n many countries w i t h others abroad for international co-operation, but the attempt did not succeed on any scale u n t i l some time after the war, when peoples and industrialists became conscious of common interests. Raw materials now began to play a leading part i n the international cartel movement. There was a planned delimitation, adjustment and mutual adaptation of national economies, i n which process the governments often co-operated, sometimes openly taking the initiative, at other times quietly promoting or approving. A n especially important motive for concluding international mining agreements was provided by the frontier alterations of the peace treaties, through which some exceedingly productive mining areas were severed from their former economic connections. The re-organization of markets thus effected destroyed the existing equilibrium and seriously impaired the chances of a peaceful and successful reconstruction of world trade. I t is true that the Peace Treaties attempted to cope w i t h these foreseeable dangers by transitional regulations, but these proved to be quite inadequate and had to be replaced by detailed agreements. I n this way the unbridled competition i n the iron and steel trade, resulting from the cession to France of the Lorraine ironore areas and foundries, from the separation of Luxembourg from the German customs unit and the inclusion of the Saar mines in the French customs area, led to the establishment i n 1926 of the International Steel Cartel. This now controls the steel exports of Germany, France, Belgium, Luxembourg, Czechoslovakia, Austria, Hungary and, more recently, Great Britain, Poland and the South African Union, and i n this way about 90 per cent, of the steel which reaches the world market. Even more closely k n i t together is the potash industry, and similar unions of international character exist (or did exist) for most of the more common non-ferrous metals, especially copper, lead,

122

ergwirtschaft

tin, zinc, quicksilver and aluminium. Of these, the administration of the world t i n trade is interesting as a pattern for similar arrangements in the future. The governments of the chief producing countries— British Malay, Bolivia, Dutch East Indies and Nigeria—concluded in 1931 under the pressure of the world economic crisis a genuine treaty, i n which they pledged themselves to take legislative measures in their own countries w i t h the object of limiting production and regulating exports, and to set up an international controlling organization. As a result of this exemplary arrangement, the t i n industry succeeded in remaining comparatively healthy even i n the worst years of crisis. Thus there are i n the mineral industry very many instances of international co-operation, but a planned, systematic administration is completely lacking, urgently necessary though i t is and widely as i t has been discussed. I t was proposed by the French Delegation at the Paris Peace Congress, a resolution i n favour of i t was passed at the International Miners' Congress i n Geneva (1920), and since then both Christian and Socialist Trade Unions have demanded it. Most important of all, the League of Nations, soon after its inception, undertook an investigation of the problem. First, League officials dealt w i t h coal, petroleum and mineral manures, but the work did not go beyond the assembling of material, although i t was taken up again and again i n the following years. Unfortunately, the League, which alone up to the present can be used for promoting international economic co-operation, possesses neither the external universality nor the internal authority indispensable to success. I t has to respect all conceivable interests, including the divergent interests of producers and consumers, of employers and employees, and the employers i n particular have been wont to reject any initiative of the League. The first step towards carrying through an international mining administration would have to be an inventory of all important mineral reserves, particularly of their future possibilities of development. On the basis of this inventory, production would be regulated, taking into account the capacity of the existing concerns and the needs of consumers. There would have to be a quota distribution for each country on the lines of the international t i n cartel, to be adjusted according to the state of the market. For the sake of expediency it would be w e l l to extend private industrial cartels to the numerous spheres in special need of such administration. A l l amalgamations should be subject to the supervision of an expert international body, endowed w i t h full authority and able to secure justice to consumers as w e l l as producers.

A n International Mineral Policy

123

Equality of all countries w i t h regard to the supply of mineral raw materials w i l l not i n itself be sufficient. Those countries lacking raw material reserves and anxious to employ capital should be allowed to use their capital and enterprise i n raw material territories, and some progress might be made on the line of concessions, although if the rights of sovereignty are not to be infringed, the latter solution bristles w i t h difficulties. Those who reject all such solutions must realize that present conditions of inequality cannot in the long run be endured and may possibly lead to developments which w i l l compel the nations now i n possession to make even greater sacrifices, even if they should retain their superiority. The only possible way at present to relieve the tension arising from the unequal distribution of mineral raw materials consists i n systematic international co-operation i n mining, which, if wisely carried through, would benefit all countries equally, producing and consuming. The indispensable basis for such a settlement is, of course, an international organisation endowed w i t h external and internal authority which alone can secure respect for the interests of the weak. The material needed for such a new order is so great that even the League, were i t to take up the problem i n a creative spirit, could obtain from i t new strength and new authority.

Selbstversorgungspolitik i n der Erdölwirtschaft* Der folgende Aufsatz gibt einen Überblick über die verschiedenartigen Bestrebungen, die i m L a u f der letzten Jahre u n d Jahrzehnte i m Ausland eingesetzt haben, u m die Versorgung m i t Erdöl von der Einfuhr so u n abhängig w i e möglich zu machen. I n Großbritannien u n d Frankreich sind irgendwelche nennenswerte Erfolge auf diesem Gebiet bis heute nicht erreicht worden. Beide Länder bleiben bei der für die Kriegführung so wichtigen Erdölversorgung v o l l k o m m e n auf die überseeischen Zufuhren angewiesen. Möglichkeiten und Wege

I n allen Ländern, die sich m i t der Aufgabe der stärkeren Selbstversorgung m i t Mineralölen befassen, steht der Wunsch weit voran, über natürliche Erdölvorkommen zu verfügen. Infolge der Eigenart des geologischen Auftretens von Erdöl, das nicht, wie etwa Kohle, an bestimmte auf große Flächen gleichbleibende Horizonte gebunden ist, sondern i n porösen Gesteinen verschiedensten Alters und verschiedenster Zusammensetzung oft ganz regellos auftritt, besteht selten von vornherein irgendeine positive oder negative Gewißheit für die Aussichten der Erdölsuche. I n feinster Verteilung ist Erdölsubstanz überaus weit verbreitet, und auch geeignete Speichergesteine für ein gehäufteres Auftreten finden sich nicht selten. Trotzdem sind solche Anreicherungen Ausnahmeerscheinungen, und die besonderen Ursachen für ihre Entstehung sind zwar i n den letzten Jahren mit mannigfachem Erfolg, aber doch noch keineswegs erschöpfend erforscht worden. So lassen sich irgendwelche sicheren Schlüsse über das Auftreten von Erdöl, namentlich außerhalb des Umkreises bekannter Felder und vielfach selbst in der Nachbarschaft gut erschlossener Vorkommen, nur durch systematische und überaus kostspielige Bohrarbeiten gewinnen. Abbaufähiges Erdöl kann noch i n mehreren 1000 m Tiefe auftreten. Ein Meter Tiefbohrung kostet 300—1000 RM. Eine einzige Tiefbohrung erfordert infolgedessen Kosten, die mehreren 100 000, ja oft mehreren Millionen R M gleichkommen. Da die Flächenerstreckung der Ölvorkommen häufig ganz gering ist, bedarf es meist einer größeren Anzahl von Tiefbohrungen, u m über die Möglichkeiten i n einem bestimmten als erdölhöffig angesehenen Gebiet Gewißheit zu erlangen. Die für die Entwicklung des Bergbaus auf viele Mineralien, ζ. B. Gold, so wertvolle Tätigkeit des Einzelprospektors spielt für die Erdölwirtschaft also keine Rolle. Die * Vierteljahrshef te zur Wirtschaftsforschung, 14. Jg. (1939/40), H. 2/3,

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

125

Suche nach Erdöl ist so ausgesprochen wie i n kaum einem anderen Wirtschaftszweig eine Angelegenheit des Großkapitals oder der Staatswirtschaft. Es gibt bestimmte, weit verbreitete Gesteinsarten, die ihrer Natur nach jede Aussicht auf die Auffindung von Erdölvorkommen ausschließen; dies gilt namentlich von den alten kristallinen Gesteinen, die u. a. fast die gesamte skandinavische Halbinsel oder die nördliche Hälfte von Kanada oder den größeren Teil von Zentralafrika einnehmen. Hiervon abgesehen, sind aber die meisten Länder geologisch mannigfaltig genug aufgebaut, um wenigstens theoretisch eine Möglichkeit für das Auftreten von Erdöl zuzulassen. Die Verfeinerung der Schürfmethoden, namentlich die Anwendung physikalischer Meßverfahren, hat neuerdings die Kenntnis vom Aufbau und von der Zusammensetzung des Erdinnern unter der Oberfläche erheblich erleichtert und erweitert, so daß weit besser als noch vor einem Jahrzehnt die aussichtsreicheren Gebiete eingekreist und verengert werden können; Gewißheit verschafft aber nur das Tiefbohrverfahren. Ganz allgemein läßt sich feststellen, daß die i n vielen Ländern m i t sehr beträchtlichem Geldaufwand, aber auch m i t viel wissenschaftlichem Scharfsinn durchgeführte Erdölsuche bisher verhältnismäßig geringe Erfolge hatte. Die meisten größeren Erdölvorkommen der Erde haben sich durch verschiedene Merkmale, namentlich durch den Aust r i t t von Pech oder Gas, an der Oberfläche angezeigt und waren daher seit Jahrhunderten bekannt, längst ehe ihr wirtschaftlicher Wert begriffen worden war. Das gilt von den meisten Feldern der Vereinigten Staaten ebenso wie vom Kaukasus, von Mesopotamien, Persien und auch von Hannover und vom Elsaß. Diese und die i n geographischem Zusammenhang mit ihnen erschlossenen Vorkommen liefern noch heute den größten Teil der Welterdölförderung. Erdölfelder, die einzig auf Grund theoretischer Errechnungen oder reinen Zufalls entdeckt worden sind — wie die durch einen ölausbruch i n der Strecke eines Kalibergwerkes aufgefundene, freilich mengenmäßig beschränkte öllagerstätte i m Untergrund Südwestthüringens—, bilden ausgesprochene Ausnahmeerscheinungen. I n Deutschland sind zwar, allerdings ebenfalls nicht allzu weit von seit Alters her bekannten Fundstätten, eine Reihe mehr oder weniger wertvoller Vorkommen i n den letzten Jahren durch umfassenden Einsatz von Schürfarbeiten entdeckt worden; aber die gleichartigen Bemühungen i n England, Frankreich und Italien, Südafrika, Australien usw. blieben trotz des aufgewendeten, ζ. T. recht beträchtlichen Kapitals i m wesentlichen erfolglos. Man kann zwar annehmen, daß sich die Wahrscheinlichkeit neuer Entdeckungen i n gewissem Umfang durch großzügige Schürfausgaben steigern läßt, namentlich wenn diese auf Grund sorgfältiger wissenschaftlicher Vorarbeiten angesetzt

126

Β ergwir tschaft

werden; aber selbst unter dieser Voraussetzung gilt der Satz vom abnehmenden Ertrag für die Erdölsuche m i t ganz besonderer Schärfe. Für die Kapitalinvestitionen i n allen neuen Gebieten, d. h. i n allen Gebieten außerhalb der seit Jahrzehnten bekannten und erschlossenen Erdölfelder, hat sich, sowohl i m ganzen als auch i n den meisten Einzelfällen, ein ganz unwirtschaftliches Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis herausgestellt. Unter diesen Umständen haben sich viele der i n Betracht kommenden Länder der Frage der Beschaffung von Ersatz- oder Austauschstoffen zugewandt. Namentlich die von deutscher Seite ausgearbeiteten Verfahren zur Herstellung flüssiger Treibstoffe aus Stein- oder Braunkohle haben weltweite Beachtung gefunden und zu jahrelangen Untersuchungen und Erörterungen bezüglich ihrer Anwendung in den mineralölbedürftigen Ländern geführt. Auch auf diesem Gebiet sind aber die Ergebnisse außerhalb Deutschlands bisher ziemlich dürftig geblieben. Mehrere der wichtigsten dieser Länder, namentlich Italien, aber auch Frankreich und Japan, verfügen auch i n Kohle nach der gegenwärtigen Förderleistung und nach den Vorräten über keine ausreichende Grundlage, um hierauf die Eigenversorgung mit Erdöl i n nennenswertem Umfang aufzubauen, zumal für eine Tonne künftigen Treibstoffs oder Schmieröls mehrere Tonnen Kohle, nach englischen Erfahrungen 5 t Steinkohle für 1 t Benzin 1 , aufgewendet werden müssen. Kapitalschwache Länder scheuen auch die sehr beträchtlichen Geldinvestitionen, die für die Errichtung solcher Anlagen i n Betracht kommen, oder sind hierzu aus eigener K r a f t außerstande; der Kapitalaufwand für eine Fabrik zur Erzeugung von jährlich 150 000 t Benzin aus Kohle w i r d i n England auf £ 8 000 000 angegeben2. Industrietechnisch wenig entwickelte Länder würden i m übrigen zum selbständigen Betrieb solcher Werke, von der ersten Errichtung ganz abgesehen, schwerlich imstande sein, so daß insofern die angestrebte Unabhängigkeit wieder in Frage gestellt wäre. Von der großen Zahl der mineralölbedürftigen Länder kommen also für diese Lösung i n größerem Umfang nur diejenigen i n Betracht, die über reichliche Kohlevorkommen, genügend Kapital und einen hochentwickelten technisch-industriellen Apparat verfügen. A l l e übrigen Ersatzmöglichkeiten bieten nach dem heutigen Stand der Technik und Wirtschaft nur eine beschränkte Aushilfe. A m wichtigsten ist hiervon die Verwendung von Benzol, das bei der Destillation von Steinkohle i n Kokereien oder Gasanstalten als Nebenerzeugnis abfällt, einen sehr hochwertigen und i m Preis mit Benzin wettbewerbsfähigen Treibstoff darstellt, aber als Nebenerzeugnis mengenmäßig an 1 Nach dem Bericht des sog. Falmouth-Ausschusses, Committee of I m perial Defence. Sub-Committee on oil from coal. Report London 1938, S. 29. 2 Falmouth report: a. a. O., S. 32.

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

127

die Erzeugung der Hauptprodukte Koks bzw. Gas geknüpft ist. Auch ein anderes Destillationserzeugnis der Steinkohle, Koksgas oder Leuchtgas, kann i n verdichtetem Zustand als Treibstoff verwendet werden; in manchen Ländern zieht man auch natürliche Erdgase für diesen Zweck heran. Ähnlich beschränkt ist die Heranziehung von Spiritus als Treibstoff; abgesehen davon, daß er nicht unerheblich teurer als natürliches Benzin zu sein pflegt, kann er nur durch Heranziehung von Überschüssen pflanzlicher Rohstoffe hergestellt werden, die namentlich i m Krieg, wenn überhaupt, nur in beschränkten Mengen zur Verfügung stehen. Zur Herstellung von 11 Treibsprit werden etwa 12 t Kartoffeln benötigt. Die Herstellung aus Sulfit-Zellstoffablaugen ist mengenmäßig wegen des geringen vergärbaren Gehalts der Ablaugen unerheblich. Benzol und Spiritus werden i m übrigen auch für sonstige industrielle Zwecke benötigt und bilden ζ. B. wichtige Grundstoffe bei der Herstellung mancher Sprengstoffe; umso enger ist ihre Verfügbarkeit für Treibstoffzwecke. — I n der Tat haben diese verschiedenen Ersatzmittel während des Weltkrieges auch i n denjenigen Ländern, die ernsten Mangel an Erdöl litten, aber reichlich Benzol, Teeröl und Spiritus erzeugten, nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Endlich können die bei der Destillation oder Schwelung (Tieftemperaturverkokung) der Stein- und Braunkohle i n erheblichen Mengen anfallenden Teeröle nicht nur als Ausgangsstoff für die Herstellung von Benzol, sondern auch unmittelbar als Heizöl oder sogar als Dieselöl an Stelle von Erdölerzeugnissen Verwendung finden. Sie sind meist verhältnismäßig billig, bedürfen aber infolge ihrer anderen chemischen Zusammensetzung und physikalischen Eigenschaften besonderer Einrichtungen oder der Zumischung natürlicher Mineralöle, so daß ihre Verwendung für Treibstoffzwecke in der Friedenswirtschaft i n keinem nennenswerten Umfang üblich ist. Wie Benzol und Kohlengas steht aber auch dieses Ersatzmittel nur i n solchen Mengen zur Verfügung, als das Haupterzeugnis benötigt wird. Die Gewinnung ist also nicht beliebig steigerungsfähig. Nach dem Weltkrieg hat noch ein weiteres Ersatzmittel für natürlichen Treibstoff in der Form des Holzgases zeitweilig starke Beachtung gefunden. Gewisse technische Nachteile seiner Verwendung und die Tatsache, daß gerade i n den hauptsächlich interessierten Ländern Holz für solche Zwecke nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, haben die Ausbreitung dieses Verfahrens von vornherein aufgehalten. Die Zahlenübersicht zeigt, i n welchem Umfang die geschilderten Ersatzmittel zur Zeit w i r k l i c h angewendet werden und welchen Anteil sie an der Versorgung der einzelnen ausländischen Staaten m i t Mineralölen besitzen. Die Zahlen lassen ohne weiteres erkennen, daß die ge-

128

ergwirtschaft Verbrauch von künstlichen Treibstoffen in der Welt 1937 a )

Land

Synthetische Treibstoffe

Benzol

Teeröl

Verdichtetes Gas

in

Großbritannien Frankreich Italien Japan Belgien Niederlande Schweden . Finnland . . . Ungarn . . . . Jugoslawien Schweiz . . . a) Ä q u i v a l e n t

115 52 — — — — — — — — —

von

Spiritus

1000

Holzgas

FrdölInsgesamt verbrauch

t

in v H

— 232 g e r i n g gering 16 365 10 800 80 gering eering 153 etwa 50 335 6 600 13b' — gering 37 etwa V5 75 2 670 3 2 b ) gering — 25 einige 60 4 630 37 gering gering gering — 37 900 11 gering gering gering — 11 1 520 — — — 1 15 16 1 200 — 0,2 — gering — 0,2 300 — — — 3 10 13 291 — — — — 4 4 100 — — 3 gering — 3 500

flüssigen

Treibstoffen.



b)

Ant il der Krsatzsioffe am Erdölverbrauch

3,3 5 3 1,3 4 0,7 1,3 4,5 4 0,6

Erzeugung.

samte Entwicklung sich noch im Anfangsstadium befindet und daß alle diese Aushilfs- und Ergänzungsmöglichkeiten zur Zeit keinerlei w i r k lich nennenswerte Bedeutung i m Rahmen des allgemeinen Selbstversorgungsstrebens besitzen. Nach den geschilderten technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen w i r d man ihnen auch keine wesentlich besseren Aussichten für die Zukunft zusprechen können. Um so berechtigter ist die i n allen in Frage kommenden Ländern zu beobachtende Zielsetzung auf Erschließung natürlicher Erdölvorkommen. Großbritannien Großbritanniens 3 Eigenversorgung in natürlichen Mineralölen beruht bisher außer auf einer gänzlich belanglosen Förderung von natürlichem Erdöl allein auf der Ausnutzung der in Südostschottland abgebauten Ölschiefer. Infolge des überlegenen Wettbewerbs der eingeführten ausländischen Mineralöle befindet sich aber die Schieferölindustrie seit 1913 i n fast ununterbrochenem Rückgang, nachdem sogar während des Weltkriegs infolge Arbeiter- und Holzmangels die Aufrechterhaltung der vollen Leistung unmöglich gewesen war. Dagegen hatte die 1917 unter den Wirkungen des Unterseebootkrieges drohende ölknappheit 3 Brunner, Ch. T.: Britain's petroleum nolicy etc. Petr. Times 1938, S. 329/36, 363/69. — Nash, A. W.: The fuel supply of Great Britain. M i n . J. 1937 (197), S. 449/50, 473/74. — Strasoldo, Ν . V.: E i n kurzer Rückblick über die Ö l p o l i t i k Englands. Petroleum 1939, Nr. 17, S. 300,02 (nach einer Diss. Wien 1939). — The b r i t i s h petroleum d r i l l i n g Campaign. B u l l . I m p . Inst. 1939 (I), S. 88/107. — Committee of I m p e r i a l Defence. Sub-committee on o i l f r o m coal. Report. London 1938 (amtlich).

Selbstversorgungspolitik in der Erdöl wir tschaft

129

systematische Schürfarbeiten auf natürliche Erdölvorkommen veranlaßt. Die Regierung ließ Bohrarbeiten auf eigene Rechnung durch eine Privatfirma vornehmen, da für eine reine Privatinitiative die Aussichten trotz der auf das Zwei- bis Dreifache gestiegenen Kriegspreise keinen ausreichenden Anreiz boten. Die m i t einem Gesamtaufwand von £ 560 000 i n verschiedenen Gegenden niedergebrachten 11 Bohrungen blieben aber ergebnislos bis auf einen kleinen Anfangserfolg einer Bohrung bei Hardstoft unweit Chesterfield, die aber erst nach dem Waffenstillstand fündig wurde und überdies nach kurzer Zeit auf einen bedeutungslosen Förderertrag zurückging. I m Jahr 1928 führte Großbritannien einen Zoll auf ausländische Treibstoffe zunächst i n Höhe von 4 d je gallon (etwa 8 Pfg. je 1 nach der Goldparität) ein und erhöhte diesen Zoll 1931 auf 6 d, dann auf 8 d. Der Schutz, der i n der letztgenannten Höhe noch jetzt besteht, kam i n erster Linie der schottischen Schieferölindustrie zugute, die dadurch vor der vollständigen Stillegung während der Weltwirtschaftskrise gerettet wurde; wehrwirtschaftliche Rücksichten sollen die Admiralität bestimmt haben, dafür einzutreten, daß die heimische Industrie von der zunächst als Finanz-, nicht als Schutzzoll gedachten Maßnahme ausgenommen wurde. Die Ölschiefererzeugung blieb aber auf der Höhe etwa der Hälfte der Förderung von 1913 stehen; eine Steigerung war nicht zu erzielen, so daß der A n t e i l der Industrie an der heimischen Versorgung gegenüber dem rasch wachsenden Verbrauch immer geringer geworden ist. Dagegen trug der Z o l l zu einer neuen Belebung der Schürftätigkeit auf natürliche Erdölvorkommen bei. Um die diesmal ganz der Privatwirtschaft überlassene Schürftätigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, wurde i m J u l i 1934 die Petroleum Production Act angenommen, die das Eigentum an etwaigem Erdöl i n englischem Boden zum Regal erklärte und für private Schürfgesellschaften erneut ein Lizenzverfahren einführte. Unter diesem Gesetz sind bisher 14 797 sq. miles (rd. 38 000 qkm) hauptsächlich i n Südostengland und i n den Ost-Midlands i m Lizenzweg zugeteilt und darauf bis Mitte 1939 38 Flach- u n d 18 Tiefbohrungen m i t einer gesamten Bohrlänge von reichlich 30 000 m und einem bisherigen Gesamtkostenaufwand von rd. £ 1 000 000 niedergebracht worden. Es beteiligten sich Tochtergründungen der großen englischen und amerikanischen Erdölgesellschaften. Der Erfolg bestand i n einem Fund bei Dalkeith unweit Edinburgh, wo anfänglich täglich eine t, und i n einem Anfang 1939 gemachten Fund bei Eakring unweit Nottingham, wo i n einer Tiefe von 585 m mit einem Auffangsergebnis von 14 t täglich der bisher weitaus größte Ertrag auf den Britischen Inseln erzielt wurde. Über die Nachhaltigkeit läßt sich noch nichts aussagen. I m Verhältnis zur Höhe des tatsächlichen Bedarfs sind derartige Funde 9

Festschrift für Ferdinand

Friedensburg

130

ergwirtschaft

naturgemäß bedeutungslos. Ein erheblicher Teil der Lizenzgebiete ist inzwischen schon wieder aufgegeben worden. Die Aussichten auf eine Vermehrung der Schürferfolge lassen sich nicht abschließend beurteilen, werden aber allgemein als wenig günstig angesehen. A u f dem Weg über die Gewinnung natürlicher Mineralöle läßt sich irgendeine nennenswerte Besserung der englischen Selbstversorgung nicht erwarten. Die Voraussetzungen für die Erzeugung von Ersatzmitteln sind i n England durch seinen Kohlenbergbau zwar gegeben. Die Erzeugung von Benzol, Teeröl und Gas bleibt aber Nebenbetrieb und kann nicht für sich beliebig gesteigert werden. Da der Treibstoffverbrauch wesentlich rascher gestiegen ist als der Verbrauch von Koks und Leuchtgas, ist der Anteil dieser Ersatzmittel an der Versorgung des Landes i m Lauf der Jahre gesunken. Die i n England stärker als i n anderen Ländern gepflegte Tieftemperaturverkokung (Schwelung) der Steinkohle, für die sich vor allem viele mittelenglische Kohlen verwenden lassen, liefert Teeröl, das als Beimischung zum Heizöl der Flotte geeignet ist. Mengenmäßig ist aber auch dieses Verfahren bedeutungslos, da das Haupterzeugnis, der Schwelkoks, nur i n beschränktem Umfang Absatz findet. Die Erzeugung von Treibstoffen aus Kohle auf chemischem Wege (Kohleverflüssigung) ist i n zwei Anlagen, einer größeren bei Billingham i n Nordwestengland und einer kleineren in Südwales, eingeleitet worden, i n beiden Fällen ohne unmittelbare staatliche Unterstützung, dagegen i n der Wirtschaftlichkeit durch den Einfuhrzoll auf ausländische Treibstoffe einigermaßen gesichert. Die Leistung der beiden Werke erreicht aber kaum 1 v H des gesamten Mineralölverbrauchs. Neuerdings sind zwei weitere kleine Anlagen i m Bau. — M i t verdichtetem Gas laufen erst einige Wagen. — Die Erzeugung und der Verbrauch von Treibsprit spielt i n England nur eine ganz untergeordnete Rolle und ist auch nicht steigerungsfähig, da die erforderlichen pflanzlichen Rohstoffe fehlen oder nur i n völlig unzureichenden Mengen erzeugt werden können. I m ganzen erzeugte Großbritannien 1937 einschließlich der Ersatzstoffe 4 v H seines Bedarfs an Mineralölen i m eigenen Lande gegen 14 v H vor dem Weltkrieg. Es bestehen auch nur ganz geringe Aussichten, diesen Anteil i n absehbarer Zeit zu steigern. Das britische Weltreich

Das i n vielen seiner Teile so reich m i t mineralischen Bodenschätzen ausgestattete Britische Reich 4 erzeugt auf eigenem Gebiet nur 29 v H seines Verbrauchs an Erdöl; alle wichtigen Länder wie Großbritannien 4

Agnew, Α.: O i l supply of the B r i t i s h Empire i n case of war. Journal

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

131

Die Entwicklung der EigenVersorgung in Großbritannien*) Gewinnung

Jahr

Verbrauch

1

000 t

Eigenversorgung

Gewinnung

295

2 094

14

1918

....

247

5414

4

1925 1926 1927 1928 1929 1930

.... .... .... .... .... ....

212 169 177 176 175 174

6 504 7 556 8189 8 248 8 500 9 270

3 2 2 2 2 2

Verbrauch

1

vH

....

1913

Jahr

000

t

Eigenversorgung vH

1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

149 118 120 121 120 121 126

8 474 8 587 9 329 10 469 10 670 11 116 10 800

2 1 1 1 1 1 1

1937b) 1938

491 130

11300 11700

4 1

a) S t a t i s t i c a l s u m m a r y o f t h e m i n e r a l i n d u s t r y o f t h e B r i t i s h E m p i r e a n d f o r e i g n c o u n t r i e s . L o n d o n 1913—1937 ( I m p e r i a l I n s t i t u t e ) . — b ) M i t E r s a t z s t o f f e n .

selbst, die Dominien und Britisch-Indien sind ausgesprochene Bedarfsländer, und die tatsächliche Förderung erfolgt auf Trinidad, Bahrein, Brit. Borneo und i n Birma, m i t einem kleineren Betrag auch i n Canada (Alberta). Planmäßig ist i m Frieden offenbar zur Steigerung der Förderung innerhalb des Empire nichts geschehen, obwohl sich auch das Committee of Imperial Defence m i t diesem Problem mehrfach befaßt hat. Die Auffassung des Empire als einer innerlich zusammengehörigen Wirtschaftseinheit hat sich noch wenig durchgesetzt. Auch sieht man infolge des starken politischen und wirtschaftlichen Einflusses Großbritanniens i n den wichtigen Lieferländern I r a n und Irak und infolge der engen Beziehungen zu den weiteren Lieferländern, den Vereinigten Staaten, Venezuela und Niederländisch Indien — diese 5 Länder decken etwa 4/δ des Gesamteinfuhrbedarfs des Weltreichs —, den Zwang zur Eigenversorgung als nicht so dringend an. Immerhin hat der kräftige Aufschwung der Trinidad-Förderung i n den letzten Jahren und die 1933 erfolgte Aufnahme der Förderung i m Schutzstaat Bahrein den Empire-Anteil an der Versorgung erheblich gesteigert. I n einigen Dominien, insbesondere i n Australien, Südafrika und Neuseeland, sind die Fragen der Selbstversorgung m i t Mineralölen, namentlich i m Hinblick auf den Krieg, i n den letzten Jahren lebhaft erörtert worden. Sie waren auch Gegenstand planmäßiger staatlicher E r m i t t lungen und Untersuchungen. Da die geologischen Arbeiten und Bohrungen bisher keinerlei Aussicht auf die Auffindung ergiebiger ö l Royal U n i t e d Services Institute 1933, S. 278/96. — Fernau, F. W.: Erdölversorgung u n d Erdölpolitik i m Britischen Weltreich. Wiss. Wehr 1939, S. 336/58. — The mineral position of the B r i t i s h Empire. London 1937 (Imperial Institute). 9*

Β erg

132

irtschaft

felder eröffnet haben, ist auch die Frage der Erzeugung von Ersatzmitteln, insbesondere i m Wege der Hydrierung von Kohle, geprüft worden. Z u praktischen Maßnahmen auf diesem Gebiete ist es aber bisher nicht gekommen. Ersatzmittel für Mineralöle spielen i n der Versorgung der Empire-Länder m i t Ausnahme des Mutterlandes keine Rolle. Britisches Weltreich ohne Großbritannien Gewinnung

Jahr

Verbrauch

1 000 t

Eigenversorgung

2 400

66

....

1 872

3 100

60

.... .... .... .... .... ....

2 700 2 800 2 900 3 270 3 495 3 590

a) a) a) a) a) a)

....

1918 1925 1926 1927 1928 1929 1930

Gewinnung

vH

1574

1913

Jahr

Verbrauch

1 000 t

Eigenversorgung vH

1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937b) . . . .

3 430 3 390 3 402 3 780 4 085 4 820 5 955

c) c) 9 700 10 700 12 000 11 800 14 800

36 35 34 41 40

1937e) . . . . 1938

5 955 6 873

14 800

40

a) D a d i e E i n f u h r i n H o h l m a ß e n n a c h g e w i e s e n w i r d , i s t e i n e z u m V e r g l e i c h m i t a n d e r e n J a h r e n erforderliche G e n a u i g k e i t n i c h t z u errechnen. — b) Ohne E r s a t z s t o f f e . — c) M i t E r s a t z s t o f f e n .

Frankreich 5

Frankreich hat erst durch den Frieden von Versailles eine bescheidene eigene Erdölförderung i n dem elsässischen Revier von Pechelbronn erhalten. Dessen Förderung war bereits während des Weltkrieges durch Inangriffnahme des bergmännischen Abbaus der Ölsande auf eine möglichst hohe Leistung gebracht worden und hat sich seitdem trotz Ausführimg zahlreicher Schürfbohrungen i n der näheren Umgebung nicht mehr nennenswert steigern lassen. Die Schieferölgewinnung i n der Gegend von Auton (Saône et Loire) ist ganz unbedeutend und ebenfalls nicht nennenswert steigerungsfähig. Die Förderung erreichte 1937 n u r noch etwa die Hälfte derjenigen von 1913. 5 Bihel, Α.: Le pétrole et l'état. Paris 1938. — Brunschwig, M . : L e problème français des carburants de substitution, (Rev. de L ' I n d . Minérale 1938, S. 313/28. — Finaton, Ch.: L e pétrole en France. Rev. Pétr. 1935, S. 139/43, 1937, S. 1077/81. — Schlumberger, R. Α.: L e pétrole et l'independance nationale. Rev. Deux Mondes 1936 (34), S. 388/409. — Carburants nationaux, combustibles et énergies de remplacement. Rev. Pétr. 1939, S. 574/576. — Combustibles, finances et défense nationale. Rev. Deux Mondes 1938 (48), S. 546/75. — Französische Erdölwirtschaft u n d Erdölgesetzgebung. Sonderheft der Zeitschrift Petroleum. Jg. 1935, Nr. 34. — Que fait on pour trouver du pétrole en France et aux colonies? Rev. Pétr. 1938, S. 58/9.

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

133

Die unzureichende Eigenversorgung hat Frankreich schon früher beschäftigt als andere Länder. Das 1924 geschaffene (1939 wieder aufgehobene) amtliche Office National des Combustibles Liquides erhielt als eine seiner wichtigsten Aufgaben die systematische Durchforschung des Landes. Größere M i t t e l wurden auch hier erst i m Rahmen der A u f rüstung der letzten Jahre eingesetzt. Für die Zeit von 1937 bis 1940 stellte die Regierung dem genannten Office National einen Kredit von 43 M i l l , frs zur Verfügung, jedoch wurden noch zusätzliche Kredite gewährt, so daß schon Ende 1938 37,5 M i l l , frs ausgegeben waren, während für 1939 weitere 34 M i l l , frs angewiesen sind. Die Bohrungen fanden i n vielen Landesteilen statt. I m Sommer 1939 wurde ein Fund in einem zwar schon lange als erdölhöffig angesehenen, aber bisher völlig produktionslosen Gebiet i m Tal der oberen Garonne gemacht, der erhebliche Hoffnungen ausgelöst hat. Näheres über den offenbar nicht beträchtlichen Ertrag ist nicht bekanntgeworden. Die Erwartung größerer Erfolge ist i n der französischen Fachwelt ganz gering. Durch das Office National hatte die französische Regierung angesichts der geringen Aussichten auf die Auffindung w i r k l i c h leistungsfähiger natürlicher Vorkommen schon i m Frieden eine Reihe von anderen Maßnahmen getroffen, u m die Lage der Mineralölversorgung des Landes zu verbessern. Außer Beteiligungen an ausländischen Ölunternehmen, insbesondere an der Irac Petroleum Co., der Anlegung sehr beträchtlicher Speichervorräte und dem Ausbau der Tankerflotte richtete sich die Arbeit des Office National auf zwei große Aufgaben, den Aufbau einer inländischen Raffinerieindustrie für eingeführtes Rohöl und die Entwicklung von Verfahren zur Erzeugung von Ersatzmitteln. Die wichtigste staatliche Maßnahme auf diesem Wege w a r die 1928 eingeleitete Zollpolitik; Fertigfabrikate wurden m i t erheblichen Schutzzöllen (zunächst 11,25 frs je h l Benzin und 40,50 frs je 100 kg Schmieröl) belegt, Rohöl aber frei gelassen. A u f dieser wirtschaftlichen Voraussetzung entwickelte sich die französische Raffinerieindustrie, die 2,6 M i l l , frs investierte und eine jährliche Leistungsfähigkeit von rd. 4V2 M i l l , t, etwa drei Viertel des französischen Friedensbedarfs an Mineralölen, erreichte. Damit wurde zwar eine ansehnliche Devisenersparnis und eine betriebstechnisch bedingte und durch behördliche Anordnungen noch verstärkte Anhäufung von Vorräten erzielt, aber keine eigentliche Verbesserung der Selbstversorgungslage. Ein solcher Erfolg war auch der Entwicklung der Ersatzstoffwirtschaft i n Frankreich nicht beschieden. Die entscheidende Grundlage für ihren Aufbau, ausreichende Kohle, besitzt Frankreich nicht, da es seit Jahrzehnten ständig etwa zwei Fünftel seines Kohlenbedarfs einführen muß. Durch den Wegfall der Lieferungen von Deutschland ist die Dekkung des Einfuhrbedarfs an Kohle für Frankreich i m Kriege wieder

134

Β erg

irtschaft

besonders akut geworden. Frankreich hat sich darauf beschränken müssen, eine möglichst vielseitige Erfahrung i n der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Ausarbeitung der Verfahren zu sammeln und gleichzeitig ein gewisses Mindestmaß auch an mengenmäßiger Aushilfe zu schaffen. Die Gewinnung von Destillationserzeugnissen der Kohle ist infolge der geringen Leistung des Kohlenbergbaus mengenmäßig gering; eine nennenswerte Steigerung kommt hier nicht i n Betracht. Aus dem gleichen Grunde gelangte die Hydrierung, der das Land an sich große Aufmerksamkeit schenkte, nicht zu der oft erörterten großzügigen Entfaltung. Drei kleine „Lotsen"-Anlagen i m nordost-französischen Kohlenrevier, die zusammen nur eine Leistungsfähigkeit von etwa 50 000 t besitzen, sollten i m Frieden w o h l nur den Anschluß an die technische Entwicklung sichern. Da sich die Privatwirtschaft trotz des Zollschutzes für künstliche Treibstoffe zurückgehalten hat, kam für die Errichtung größerer Werke nur der Staat i n Frage. Wiederholt war ein großzügiges Ausbauprogramm — genannt wurden 3 Anlagen von je 60—100 000 t Jahresleistung am kriegsgesicherten Standort der kleinen west- und südfranzösischen Braunkohlenreviere — angekündigt worden. Aber erst Anfang 1939 ist eine Staatsgarantie für Kredite i n Höhe von 400 M i l l , frs beschlossen worden, womit zunächst eine Anlage i n der Nähe der Loire-Mündung errichtet werden sollte. Dieses Kapital würde allerdings nur für ein einziges Werk m i t einer Jahresleistungsfähigkeit von 60—75 000 t Treibstoff ausreichen. Es ist infolgedessen kaum anzunehmen, daß bis jetzt auf diesem Gebiet wesentliche Fortschritte erzielt wurden. Größere Mengen hat i m Frieden zeitweilig die Verwendung von Treibstoffspiritus geliefert, den die staatliche Monopolverwaltung aus der Verarbeitung von Wein, Getreide und auch aus Kartoffeln zur Verfügung stellte. Wegen der finanziellen Verluste für den Fiskus und da die Rohstoffe teils infolge ungünstiger Ernten, teils infolge Besserung der Agrarpreise i n geringerem Umfange angeboten wurden, war der Beimischungszwang wiederholt herabgesetzt worden. Auch die Verwendung von Holzgas hat i n Frankreich nicht die ursprünglich i n Aussicht genommene Verbreitung gefunden. Theoretisch bestehen auf diesem Gebiet wohl die größten Aussichten für eine Steigerung des inländischen Versorgungsanteils an Treibmitteln, zumal die französische Waldfläche m i t 19,2 v H des Gesamtgebiets des Landes verhältnismäßig groß ist. I m Gesamtergebnis erzielt Frankreich neben 1 v H des Mineralölbedarfs, die von der kleinen Erdölförderung geliefert werden, kaum weitere 5 v H durch Ersatztreibstoffe. Beide Anteile befanden sich i n den letzten Jahren trotz umfassender systematischer Bemühungen i n ständigem Rückgang.

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

135

Die Entwicklung der Mineral-Eigenversorgung in Frankreich Gewinnung

Jahr

Verbrauch

1 000 t

Eigenversorgung

Jahr

Gewinnung

1 000 t

vH

1913

....

5

737

1

1918

....

7

936

1

1925 1926 1927 1928 1929 1930

.... .... .... .... .... ....

65 67 73 74 75 76

2 040 2121 2 285 2 620 2 993 3 598

3 3 3 3 3 2

Verbrauch

Eigenversorgung vH

1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

74 75 79 78 76 79 77

4052 4516 5 875 6 178 6 801 7 347 6 600

2 2 2 1 1 1 1

1937a) 1938

412 76

6 935 6 900

6 1

a) M i t E r s a t z s t o f f e n .

Das französische Kolonialreich Die ungünstige Versorgungslage des Mutterlandes i n bezug auf Mineralöle gilt noch verschärft von den Kolonien 6 trotz ihres 21mal größeren Umfangs und obwohl es sich gerade hier besonders eifrig u m die Auffindung leistungsfähiger Erdölfelder bemüht hat. Außer einigen gänzlich unbedeutsamen Ölvorkommen in Algerien besitzt das ausgedehnte Kolonialreich einzig i n Nordwestmarokko ein kleines Ölfeld, das nach langjährigen Bemühungen unter erheblichem Kapitaleinsatz (bis Ende 1938 145,8 M i l l , frs) erschlossen worden ist, aber noch nicht einmal 5 v H des Mineralölbedarfs des Protektorats selbst deckt, von Beiträgen für das Mutterland oder die übrigen Kolonien ganz zu schweigen. Die Erdölsuche ist i m Kolonialreich ebenfalls vom Office National des Combustibles Liquides eingeleitet worden, unter M i t w i r k u n g der Vereinigung französischer ölgesellschaften und i n Marokko besonders unter M i t w i r k u n g einer von der scherifischen Regierung m i t erheblichem Kapitaleinsatz geschaffenen Schürfgesellschaft. Die Anstrengungen richteten sich insbesondere auf diejenigen Reichsteile, i n denen Erdöl aus strategischen Erwägungen eine erhöhte Bedeutung besitzen würde, also 6 Friedensburg, F.: Der Bergbau i n den französischen Kolonien u n d Mandatsländern. Kol. Rdsch. 1939, A p r i l u n d Juli. — de Vries, Y.: Recherches de pétrole en France et aux colonies. Rev. Pétr. 1937, S. 1831/39. Création d'un Comité National pour le développement des carburants d'outre-mer. Chron. M i n . Col. 1938, S. 274, 1939, S. 223. — Les carburants de remplacement aux colonies. Rev. Petr. 1939, S. 695. — Les recherches de pétrole en France et aux colonies. Rev. Petr. 1939, S. 169/170. — Les ressources minérales de la France d'outre-mer. V. L e pétrole, Paris 1937. — Que f a i t - o n pour trouver d u pétrole en France et aux colonies? Rev. Pétr. 1938, S. 58/59.

ergwirtschaft

136

außer Marokko auf Madagaskar, Indochina, Martinique und Guadeloupe, daneben auf Tunis und Äquatorialafrika. Außerhalb Marokkos wurden bis Ende 1938 60 M i l l , frs hierfür ausgegeben und die erforderlichen staatlichen Kredite noch i m laufenden Jahr erneut erteilt. Das praktische Ergebnis ist bisher gleich N u l l ; über die weiteren Aussichten läßt sich angesichts des gewaltigen Umfangs der zur Verfügung stehenden Gebiete nichts abschließendes sagen, wenn auch die Hoffnungen auf große Funde allmählich stark zurückgeschraubt worden sind. Infolgedessen haben die i n Frage kommenden Stellen neuerdings auch die Frage der Beschaffung von Ersatzmitteln i n ihre Forschungsarbeit einbezogen, namentlich unter dem Gesichtspunkt, den eigenen Kolonien i m Kriege ein Mindestmaß an unabhängiger Versorgung zu sichern. I n Frage kommen Holzgas, Holzkohle, Alkohol aus verschiedenen pflanzlichen Rohstoffen und auch pflanzliche Öle zur unmittelbaren Verwendung i m Dieselmotor. Keine dieser Möglichkeiten ist bisher bis zur praktischen Anwendung gediehen. Die Entwicklung der Mineral-Eigenversorgung des französischen Kolonialreichs Gewinnung

Jahr

1

000

t

....

0,1

gering

1918

....

0,5

gering

.... .... .... .... .... ....

2 1,5 1 2 3 2

288 359 371 539 674 801

a) M i t

Gewinnung

Jahr

vH

1913

1925 1926 1927 1928 1929 1930

Eigenversorgung

Verbrauch

1 0,4 0,3 0,4 0,4 0,2

Verbrauch

t

vH

1 1 1 1 0,4 0,5 3

843 1050 1001 918 1006 1096 1 110

0,1 0,1 0,1 0,1

3 4

1 110 1400

0,3 0,3

1

1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

.... . . . ....

a

1937 ) . . . . 1938

000

Eigenversorgung

0,3

Ersatzstoffen.

I m Gesamtergebnis ist also das Kolonialreich m i t seinem rasch wachsenden eigenen Mineralölbedarf so gut wie vollständig auf Einfuhr angewiesen; irgendwie greifbare Aussichten auf eine Änderung dieses Zustandes erscheinen nicht gegeben. Japan 7

Das japanische Inselreich verfügt über einige nicht ganz unbedeutende Erdölfelder, die an der Nordwestküste der Hauptinsel Hondo 7 Fetzer, F.: ö l p o l i t i k der Großmächte unter kriegswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das japanische Beispiel. Schriften zur kriegswirtschaft-

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

137

liegen. Sie sind aber infolge Erschöpfung der natürlichen Vorräte von ihrer Höchstleistung i m Jahre 1915 m i t 400 000 t bis 1933 auf weniger als die Hälfte zurückgegangen, während gleichzeitig der Verbrauch wie i n allen übrigen Ländern mächtig anstieg. Der inländische Selbstversorgungsanteil sank damit so bedrohlich, daß die Regierung verhältnismäßig frühzeitig umfassende Gegenmaßnahmen einleitete. Sie richtete ihre Arbeit von vornherein auf alle denkbaren Möglichkeiten: Verstärkung der inländischen Förderung, Heranziehung von Ersatzmitteln, Gewinnung von Einfluß auf ausländische, aber geographisch auch für den Kriegsfall nicht zu ungünstig gelegene Erdölfelder und endlich auf eine planmäßige Organisation der inländischen Erdölwirtschaft, wobei das Ziel einer möglichst hohen Vorratshaltung i m Vordergrund stand. Das am 28. März 1934 erlassene Mineralöl-Verkehrsgesetz regelte die Mineralöl-Einfuhr durch Lizenzen, wobei von vornherein der Rohöl-Einfuhr größere Kontingente zugewiesen und gleichzeitig die bisher den japanischen M a r k t beherrschenden ausländischen, namentlich nordamerikanischen Gesellschaften zurückgedrängt wurden. Den Importeuren wurde eine Lagerhaltung i n der Mindesthöhe ihres vorjährigen Gesamtumsatzes auferlegt und nach langen Auseinandersetzungen für den hierbei erwachsenden Zinsverlust auch eine Teilentschädigung gewährt. Wie i n Frankreich und Italien wurde die Einfuhr von Rohöl gegenüber der Einfuhr von Fabrikaten erheblich begünstigt; die ursprünglich als reiner Finanzzoll erhobene Einfuhrabgabe wurde zum Schutzzoll für die inländische Raffinerieindustrie bis auf 12 sen je gallon erhöht. Das Ergebnis dieser Politik läßt sich statistisch nicht verfolgen, da die japanischen Veröffentlichungen auf diesem Gebiet immer lückenhafter geworden sind; es läßt sich aber annehmen, daß jetzt der überwiegende Teil der Einfuhr i n Rohöl erfolgt und daß außerdem beträchtliche Vorräte aufgespeichert worden sind, bis die Kriegsführung i n China auch an diesen Reserven gezehrt hat. Die Steigerung der inländischen Erdölförderung ist bis zu einem gewissen Grade gelungen, wenn auch das Ansteigen des Verbrauches eine Steigerung des inländischen Selbstversorgungsanteils nicht zuließ. M i t einer wesentlichen Vergrößerung der jetzigen Förderung ist nicht mehr zu rechnen; eher w i r d das Umgekehrte der F a l l sein. Die Versuche, i n den angrenzenden Ländern Erdölkonzessionen zu erwerben, erwiesen sich als wenig erfolgreich; größere Erdölvorkommen finden sich erst liehen Forschung u n d Schulung. H a m b u r g 1935. — Otaki, M.: Japanese national petroleum policy. W o r l d Petroleum. 1937, September, S. 64/65. — Rosinki, H.: Japans Erdölversorgung u n d Erdölpolitik. Weltwirtschaftl. A r c h i v 1934 (39), S. 382/414. — Coal hydrogénation i n Japan. I r o n and Coal Trade's Review 1937 (135), S. 716. — L e problème des carburants au Japan. Rev. de L ' I n d . Min. 1938, S. 165/66.

138

ergwirtschaft

außerhalb des japanischen Machtbereichs i n Russisch-Sachalin und Niederländisch-Ostindien, wo die japanischen Unternehmen kein besonderes Entgegenkommen erwarten können. Die Entwicklung auf Sachalin w i r d noch zu erörtern sein. A u f Sumatra und Borneo kamen die japanischen Schürf gesellschaf ten, soweit sie überhaupt zugelassen wurden, zu keinem Erfolge. Die unter diesen Umständen angestrengten Bemühungen u m die Entwicklung einer Ersatzstoffindustrie werden durch die geringe Leistung des japanischen Kohlenbergbaus beeinträchtigt; seit dem Weltkriege muß Japan zusätzlich Kohle einführen. Überdies ist die japanische Kohle nicht hochwertig; über ihre Eignung zur Schwelung oder Hydrierung lauten die Urteile teilweise ungünstig. Das i m Jahre 1936 zur Ermutigung der Ersatzmittelindustrie ergangene Gesetz sah eine Reihe von Beihilfen außer für die Schürfarbeiten auf den japanischen Inseln und i n Nord-Sachalin für Versuche auf dem Gebiet der Tieftemperaturverkokung (Schwelung), der Hydrierung und der Verwendung von Holzkohlengas vor. Es wurde eine halbstaatliche Gesellschaft mit 100 M i l l . Yen Kapital gegründet und eine Kohlenverflüssigungsanlage vorgesehen, die eine Jahresleistung von 140 000 t Benzin unter Verwendung teils inländischer, teils mandschurischer Kohle erreichen soll. Das Kapital soll allmählich bis auf 500 M i l l . Yen m i t entsprechender Steigerung der Kapazität erhöht werden. Für den A n t e i l des P r i vatkapitals übernahm die Regierung eine 5%ige Zinsgarantie. Gleichzeitig gründeten einige großindustrielle Konzerne eigene Gesellschaften und errichteten Versuchsanlagen. Über die zahlenmäßigen Ergebnisse dieser vor drei Jahren eingeleiteten Arbeiten sind Angaben nicht mehr veröffentlicht worden. Jedenfalls versprach sich die Regierung damals die Deckung eines wesentlichen Anteils des inländischen Treibstoffverbrauchs durch die neuen Anlagen, die allerdings i n erheblichem Umfange auf die Einfuhr ausländischer Kohle angewiesen blieben. Neben der Gewinnung von Treibstoffen aus Kohle stand und steht die Verwendung von Treibsprit i m Vordergrunde, der jedoch angesichts der schmalen Ernährungsbasis der dicht bevölkerten Insel keineswegs m i t unbeschränkten Mengen verfügbar ist. A n Stelle der ursprünglich geplanten Verarbeitung von Rohrzucker auf Spiritus wurden die Pläne auf Kartoffeln umgestellt. Die Verwendung von Treibsprit beeinträchtigt nicht nur die inländische Lebensmittelversorgung, sondern ist für den Staat auch recht kostspielig, da auf der einen Seite die Einnahmen aus den Einfuhrzöllen sinken, auf der anderen Seite durch die notwendigen Regierungszuschüsse zur Verbilligung der viel zu teuren Spiritusproduktion neue Ausgaben entstehen. So läßt sich denken, daß die Absichten auf diesem Gebiet i n der finanziell und wirtschaftlich so scharf angespannten Lage Japans nicht voll zur Durchführung gelangt

Selbstversorgungspolitik in der Erdölwirtschaft

139

sind. — Von sonstigen Ersatzmitteln hat man sich m i t der Gewinnung von Benzol aus Torf und m i t der Anwendung von Holzkohlengas oder eigentlichem Holzgas beschäftigt. Über die Ergebnisse ist bisher wenig bekanntgeworden; i m Herbst 1939 sollen 3000 Kraftfahrzeuge auf Holzgas und Holzkohlengas eingerichtet worden sein. Die Entwicklung der Mineralöl-Eigenversorgung in Japan

Jahr

Eigenver sorgung

Gewinnung

Jahr

Gewinnung

1 000 t

1913

269

478

56

1918

324

409

79

1925 1926 1927 1928 1929 1930

261 248 249 255 272 277

705 866 1037 1 848 2 046 2 087

37 29 24 14 13 13

a) M i t

267

1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

197 248 307 334 354

2190 2 569 2 691 3 290 3 992 4 442 4 630

L937a) 1938

420 363

4 695 3 400

221

Ersatzstoffen.

Das Gesamtergebnis der japanischen Wirtschaftspolitik auf dem Gebiet der Erdölselbstversorgung läßt sich angesichts der unzulänglichen statistischen Veröffentlichungen nicht zuverlässig beurteilen, zumal die i n den Jahren 1934—1936 aufgestellten Programme noch nicht zur vollen Auswirkung haben kommen können. Die noch zur Zeit des Weltkrieges so günstige Lage Japans hinsichtlich der inländischen Mineralölbedarfsdeckung hat sich jedenfalls wesentlich verschlechtert, und eine Wiedergewinnung der früheren Position erscheint völlig ausgeschlossen; die Ergiebigkeit der Erdölfelder läßt zweifellos nach, und die geologischen, agrarischen und finanziellen Voraussetzungen für eine wirklich leistungsfähige Ersatzmittelindustrie fehlen. Wahrscheinlich w i r d der inländische Versorgungsanteil weiter rasch sinken, sobald die jetzt durch die Not der Kriegszeit bedingte Drosselung des Verbrauchs wieder einer freieren Entwicklung weichen wird. Das japanische Kolonialreich Da Japan weder i m Frieden noch i m Kriege eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Zufuhren aus den meisten der von i h m abhängigen Gebieten zu befürchten braucht, w i r d gerade auf ölwirtschaftlichem Gebiete die getrennte Behandlung von Japan und den von ihm abhängigen Ländern nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen gerecht.

ergwirtschaft

140

Die japanische Selbstversorgungspolitik schließt Formosa, Korea und die Mandschurei wie Teile des Mutterlandes ein. Die gesonderte Betrachtung läßt aber deutlich erkennen, wie schwer es selbst einem so erdölbedürftigen und dabei so straff organisierten Lande wie Japan fallen würde, durch Heranziehung der abhängigen Länder zu einer unabhängigen Mineralölversorgung zu gelangen. Tatsächlich verbrauchen selbst diese wirtschaftlich noch nicht v o l l entwickelten Länder selbst bereits so erhebliche Mineralölmengen, daß sie statt einer Erleichterung eine zunehmende Belastung der gesamtjapanischenMineralölbilanz bedeuten. Die eigentlichen Erdölvorkommen sind i n allen japanischen Kolonialgebieten ganz unbedeutend, ebenso wie i n China selbst, und bei der uralten hochentwickelten Technik der Chinesen ist auch kaum damit zu rechnen, daß die Gegenwart in China und i n den früher von Chinesen wirtschaftlich erschlossenen Ländern auf dem auch gerade für China seit Jahrtausenden so bedeutungsvollen Gebiet der Erdölerschließung überraschende Aufschlüsse bringen wird. Japan hat zwar i n der Nordmandschurei während der letzten Jahre Schürfbohrungen vorgenommen, aber keine Erfolge erzielt. Die Entwicklung der Mineralöl-Eigenversorgung des japanischen Kolonialreiches

Gewinnung

Jahr

Verbrauch

1 ooo t 1913

....

3

gering

1918

....

1925 1926 1927 1928 1929

.... .... .... .... ....

1 3 12 20 15 9

gering 41 55 88 90 110

Eigenversorgung

Gewinnung

Jahr

1 000 t

vH

7 22 23 16 8

Verbrauch

1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

. , . .... , , . , , .

8 7 5 97 102 67

Eigenversorgung vH

136 165 194 299 409 534 601 800

6 4 3 3 2 12

U m so wichtiger können unter diesen Umständen die Ersatzmöglichkeiten werden, die i n der Form der Verarbeitung von Ölschiefer und i n der Kohleverflüssigung bestehen. Ölschiefer steht i n der Südmandschurei i n geologischem Zusammenhange m i t dem Hauptkohlenvorkommen von Fushun i n praktisch unbegrenzten Mengen, jedoch m i t nur mäßigem ölgehalt zur Verfügung, und die Verarbeitung ist trotz der sehr billigen Gewinnbarkeit des Ölschiefers ziemlich kostspielig, so daß die Erzeugnisse mit den eingeführten natürlichen Mineralölen

Selbstversorgungspolitik in der Erdöl

irtschaft

141

nicht wettbewerbsfähig sind. Auch läßt sich die Gewinnung nicht unbegrenzt steigern, da der Schieferölabbau von der Höhe der Kohlenförderung abhängig ist. Infolgedessen wendet man sich i n der Mandschurei m i t besonderem Interesse der Gewinnimg von Treibstoffen aus Kohle zu, wofür mehrere der bedeutenden Kohlevorkommen des Landes recht geeignet sein sollen. Die Durchführung erfolgt teilweise i n Japan selbst, wohin die mandschurische Kohle ausgeführt wird. Der Staat Mandschukuo hat ferner gemeinsam m i t der Südmandschurischen Eisenbahngesellschaft und einigen Großindustrie-Unternehmen eine eigene Gesellschaft zur Errichtung einer Kohleverflüssigungsanlage bei Fausin gegründet, deren Jahresleistung i n 5 Jahren auf 280 000 t gebracht werden soll. Die mandschurische Regierung hat die Abnahme der Gesamterzeugung zu einem Preise garantiert, der der Gesellschaft eine 4°/oige Verzinsung sichert. Über die Durchführung dieses Programmes sind zuverlässige Angaben nicht mehr bekanntgeworden. Auch Korea und Formosa, von den zur Zeit militärisch besetzten Gebieten i n China selbst ganz abgesehen, verfügen über beträchtliche Kohlenvorkommen, wenn auch vielfach von geringerem Werte. Rohstoffmäßig scheinen daher für die Kohleverflüssigung i n diesen Ländern ausreichende Möglichkeiten zu bestehen. Von der Entwicklung sonstigfer Ersatzmittel i m japanischen Kolonialreich ist nichts bekanntgeworden.

Das Erdöl i m Wirtschaftskrieg 1 9 1 4 - 1 9 1 8 * Der Aufsatz bildet einen Abschnitt einer umfassenden Untersuchung, deren Gesamtergebnisse von dem Verfasser unter dem T i t e l „Das Erdöl i m Weltkriege" bei Ferdinand Enke, Stuttgart, veröffentlicht worden ist. Es handelt sich u m den i m internationalen Schrifttum erstmaligen V e r such, die i n Reden u n d Zeitungsartikeln so oft u n d lebhaft erörterte Bedeutung des Erdöls für den Verlauf des Weltkrieges kriegsgeschichtlich, wirtschaftlich u n d technisch zu klären.

1. Allgemeines Obwohl die Bedeutung des Erdöls für die Kriegführung erst i m Verlauf des Weltkrieges schärfer hervorgetreten, bzw. erkannt worden ist, haben beide Parteien es frühzeitig i n den Rahmen der allgemeinen Wirtschaftskriegsmaßnahmen einbezogen. Der Abbruch aller Wirtschaftsbezieihungen zwischen den Kriegführenden, der den Weltkrieg — i m Geigensatz ziu den meisten früheren Kriegen — kennzeichnete, übte auf den internationalen Erdölhandel nur geringe unmittelbare Wirkungen aus, da die gegenseitigen Lieferungen zwischen den beteiligten Ländern gerade i n Erdöl schon vor dem August 1914 verhältnismäßig kleinen Umfang besessen hatten. Von den 1914 i n den Krieg tretenden Ländern führten nur Rußland und Österreich-Ungarn (Galizien) nennenswerte Mengen von Erdölerzeugnlssen aus. Die Ausfuhr Rußlands erreichte 1913 etwa 10 % der Produktion, war also für Rußland selbst nicht lebenswichtig. Tabelle 1 Rußlands Mineralausfuhr 1913 Empfangsland

Menge i n 1000 t

Großbritannien Türkei Deutsches Reich Ägypten Frankreich Belgien Italien Sonstige J3unkeröl

178 149 129 123 112 83 17 3 156

Insgesamt

950

* Petroleum, 35. Jg. (1939), Nr. 9.

A n t e i l an der Gesamteinfuhr des Empfangslandes i n v H 10 9

. 15

geschätzt 80 6

Das Erdöl i m Wirtschaftskrieg 1914—1918

143

Auch die Lücke i n -der deutschen Versorgung, die durch den Ausfall der Einfuhr aus Rußland entstand, war zu verschmerzen, u m so weniger der Ausfall für die Türkei, der dort allerdings keine nennenswerte Einwirkung auf den Kriegsverlauf ausgeübt hat, da die Türkei wenig auf flüssigen Treibstoff angewiesene Waffen verwendet hat. M i t ider Schließung der Dardanellen i m Herbst 1914 verlor die russische Erdölwirtschaft aber vor allem auch ihren Ausgang ziu den verbündeten und neutralen Ländern, und damit büßte die Versorgung Englands, Frankreichs und Italiens einen keineswegs unwichtigen Lieferer ein. Tabelle 2 Österreich-Ungarns Ausfuhr in Erdölerzeugnissen 1913

Empfangsland

Menge i n 1000 t

Deutsches Reich Schweiz Frankreich Italien Schweden Belgien Dänemark Niederlande Bunkeröl f ü r Hamburg . . . Sonstige

276 38 37 13 12 11 9 6 71 18

Insgesamt

491

A n t e i l an der Gesamteinfuhr des Empfangslandes i n v H 19 42 5 5 6 geschätzt 10

Die galizische Ausfuhr war nur für Deutschland u n d die Schweiz wesentlich, wurde aber /diesen beiden Ländern gegenüber nicht durch den Krieg beeinträchtigt; i m Gegenteil, die beiden Länder konnten während des Krieges aus Galizien einen größeren A n t e i l an ihren Bezügen decken als im. Jahre 1913. Auch die Länder des britischen und des französischen Kolonialreiches lieferten keine nennenswerten Erdölerzeugnisse an die Mittelmächte. Das Aufhören der Handelsbeziehungen übte also aiuch insofern auch hier keine wirtschaftsmäßige W i r k u n g auf den Gegner aus. U m so wichtiger wurde die Unterbrechung des Handelsverkehrs i n Erdöl zwischen >den kriegführenden Truppen und den neutralen Ländern durch eigentliche Wirtschaftskriegsmaßnahmen der beiden Krieigsparteien. Aiuf der Seite der Entente bestanden die Maßnahmen im Verbot des Handels m i t dem Feinide, das i m Laufe des Krieges auch auf alle mittelbaren Beziehungen ausgedehnt wurde, und vor

144

ergwirtschaft

allem i n der Blockade. Sie wurde zunächst i m völkerrechtlichen Kreuzerkrieg ausgeübt, bald aber durch Einwirbungen auf die Neutralen so verschärft, daß izaum großen Teil auch deren Leistungen an die Mittelmächte nicht mehr möglich waren, ölwirtschaftlich fand diese Entwicklung m i t dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten i m A p r i l 1917 ihren Höhepunkt; da diese allein zwei D r i t t e l des Weltverbrauches an Erdöl lieferten, übten sie einen entscheidenden Einfluß lauf den Welthandel i n Erdöl aus und vermochten die Absperrung der Mittelmächte zu vollenden. Aber auch die wirtschaftskriegsmäßige Einwirkung der Mittelmächte auf die Ölversorgung ihrer Geigner war keineswegs gering. Die Sperrung der Dardanellen brachte nicht nur die russische, sondern auch die neutrale rumänische Ausfuhr zum Stillstand, zumal ihre Ausgangsmöglichkeiten über Land sich praktisch in 'den Händen «der Mittelmächte befanden. Tabelle 3 Rumäniens Ausfuhr an Erdolerzeugnissen 1913 Menge i n 1000 t

Empfangsland

England Frankreich Deutsches Reich Ägypten Italien Österreich-Ungarn Türkei Niederlande Belgien Dänemark Sonstige

233 153 127 122 118 77 65 45 25 14 57

Insgesamt a) N i c h t f e s t z u s t e l l e n , bestimmt.

A n t e i l an der Gesamteinfuhr des Empfangslandes i n v H 13 21 9 a)

66 fast 100 a) a) a) a)

1036 da offenbar

teilweise

für Bunkerzwecke

bzw.

Transit

Zur See war der eigentliche Kreuzerkrieg der deutschen Marine von geringem Erfolge gegen die Ölversorgung der Geigner, um so erfolgreicher aber i m weiteren Verlauf des Krieges der m i t Unterseebooten geführte Feilidzug .gegen die Handelsflotte der Entente. 2. D i e Wirtschaftskriegsmaßnahmen der Entente

Die einzelnen alliierten Länder trafen ihre Wirtschaftskriegsmaßnahmen zunächst einzeln u n d ohne engere Fühlungnahme miteinander. England ging hierbei i n der Regel voran; infolge seiner beherr-

Das Erdöl im Wirtschaftskrieg 1914—1918

145

sehenden Stellung i m Weltverkehr üibte es auch tatsächlich den maßgebenden Einfluß aus. Trotzdem machte sich i m Laufe des Krieges die mangelnde Ubereinstimmung i n der Durchführung der Wirtschaftsblockade, voir allem i n der Regelung der Wirtschaftsbeziehungen zu den Neutralen, nachteilig fühlbar, so daß eine engere Gleichschaltung durchgeführt werden mußte. Die Pariser Wirtschaftskonferenz der Entente i m Frühjahr 1916 brachte die entscheidende Wendung i n dieser Hinsicht; sie sicherte die Vereinheitlichung der Blockademaßnahmen und fand ihre Fortsetzung i n verschiedenen interalliierten Besprechungen, bei denen schließlich auch einheitliche Blockadelisten und damit auch eine einheitliche Behandlung der Erdölerzeugnisse verabredet wurden. Die Rolle des Erdöls und der daraus hergestellten Erzeugnisse war für den Wirtschaftskrieg durch die Bestimmungen der Londoner Deklaration von 1909 festgelegt, an die alle Kriegführenden formell gebunden waren. Nach § 24 dieses internationalen Abkommens waren Brennstoffe und Schmiermittel — also alle Mineralölerzeugnisse — relative Konterbande. Als „relativ" bezeichnete Konterbande waren durften nur dann der Beschlagnahme verfallen, wenn sie i m Einzelfall ausdrücklich für die militärischen Zwecke des Gegners bestimmt waren. Die erste englische KonterbandeerkMrung vom 5. August 1914 hielt sich noch an diese Regelung; i n der Praxis wurde jedoch der Begriff der relativen Konterbande so eng ausgelegt, daß alle für Deutschland oder seine Verbündeten bestimmten Ölfrachten, deren man habhaft werden konnte, sofort bei Kriegsbeginn, ohne Rücksicht auf ihren Β es t i m m ung&z we ck, der Beschlagnahme anheimfielen. A u f diese Weise sind i n den «ersten Kriegswochen eine Reihe von unterwegs befindlichen Ölladjungen Deutschland verlorengegangen und England zugefallen. Schon am 23. Dezember 1914 erklärte die englische Regierung alle Mineralöle — ihrer seit 1909 tatsächlich entwickelten kriegswirtschaftlichen Bedeutung entsprechend zu Recht — zur absoluten Konterbande und hob endlich am 19. A p r i l 1916 die von vornherein etwas künstliche Unterscheidung zwischen beiden Konterbandebeigriffen auch förmlich auf. Die englische Auffassung, die für die tatsächliche Gestaltung des Wirtschaftskrieges zur See fast allein Bedeutung besaß, wurde i m übrigen von seinen Verbündeten früher oder später geteilt. Abgesehen von den Konterbandeerklärungen, die die neutralen Lieferungen an die Mittelmächte trafen, erließen die Kriegführenden und weiterhin auch die meisten neutralen Länder Ausfuhrund Durchfuhrverbote für Erdöl und Erdölerzeugnisse und sicherten sich auf (diese Weise die vollständige Handelskontrolle durch ihre Behörden. 10

Festschrift f ü r F e r d i n a n d

Friedensburg

146

ergwirtschaft

Praktisch hatte der gesamte überseeische Schiffsverkehr mit Deutschland (und Österreich-Ungarn und damit -die gesamte unmittelbare überseeische Erdöleinfuhr bereits bei Kriegsbeginn aufgehört, und seitdem haben n u r kleine vereinzelte Mengen über die Nachbarländer Deutschland von Übersee erreicht. Die erst 1915 förmlich erklärte Blockade der deutschen Küsten war von vornherein und für die gesamte Kriegsdauer voll wirksam. Ebenfalls von Anfang an richtete England als Hauptträger der Blockademaßnahmen seine Bemühungen auch darauf, daß die Mittelmächte Erdölerizeugnisse nicht auf dem Umweg über die neutralen Nachbarn erhielten. Rußliand war es schon am 9. Oktober 1914 gelungen, ein Ausfuhrverbot der rumänischen Regierung für Rohöl und Benzin zu erzwingen und damit diese wichtige Bezugsquelle für Deutschland teilweise zu verstopfen. U m die Versorgung der Mittelmächte mittels des Transithandels ihrer neutralen Nachbarn zu unterbinden, leitete die Entente ausgedehnte Sperr- und Kontrollmaßnahmen gegen den ganzen Warenverkehr der Neutralen ein. Sie waren i n dieser Hinsicht durchaus erfolgreich. Das einfachste und sicherste Mittel, gerade auch zur Verhinderung von Öllieferungen, bestand i n der ständigen Unterversorgung der neutralen Märkte selbst. Da man das Ö l i n den neutralen Ländern, zumal unter der lebhaften Konjunktur der späteren Kriegsjahre, dringend selbst i n steigenden Mengen benötigte, vermochten diese sich es nicht zu leisten, irgend welche Mengen an die Mittelmächte /abzugeben. Die Unterversorgung durfte allerdings nicht übertrieben werden, u m nicht die Nachbarstaaten Deutschlands i n eine allzu starke wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Deutschland hineinzutreiben; auch bedurfte die Entente vielfach selbst der wirtschaftlichen Gegenleistungen der neutralen Länder. Jedenfalls hat die Versorgung 'dieser Länder gerade in Erdöl so erhebliche «Fehlbeträge aufgewiesen, daß nicht nur keine Abgabe an die Mittelmächte erfolgen konnte, sondern diese i m weiteren Verlauf (des Krieges sogar von ihrer eigenen viel zu knappen Versorgung, freilich gegen entsprechende Gegenleistungen, gewisse Mengen an die neutralen Nachbarstaaten abgaben. I n Holland war die Treibstoffnot so dringend, daß die Regierung eine wesentlich schärfere Rationierung durchführen miußte, als sie i n den kriegführenden Ententeländern selbst bestand; i m Jahre 1918 erhielt Holland nur noch reichlich 2'% seines Friedensbedarfes u n d diese i n der Hauptsache von den Mittelmächten! I n Schweden bestand gegen Kriegsende ein solcher Mangel an Schmieröl, daß nicht anders als in Deutschland minderwertige Ersatzmittel, ζ. B. Erzeugnisse aus Holzteer, herangezogen werden mußten.

Das Erdöl im Wirtschaftskrieg 1914—1918

147

Die den neutralen Ländern namentlich i n den letzten Kriegsjahren zugeführten Mengen waren aber auch i m Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf der Mittelmächte so geringfügig, daß sie selbst i m Falle eines gelegentlichen Transits keine erhebliche Bedeutung besitzen konnten. Nennenswerte Ausfuhr an die Mittelmächte w i r d von ihnen überhaupt nicht nachgewiesen, so daß die Erdölhandelsbilanz der Mittelmächte m i t ihren Nachbarländern während der Kriegsjahre durchaus passiv abgeschlossen hat. Tabelle 4 Die Mineraleinfuhr der neutralen Nachbarländer Deutschlands 1913—1918 i n 1000 t Empfangsland / Lieferland

1913

1914

Schweiz insgesamt Deutschland Österreich-Ungarn Verein. Staaten von A m e r i k a Niederlande insgesamt Deutschland Österreich-Ungarn Verein. Staaten von A m e r i k a Dänemark insgesamt Deutschland Österreich-Ungarn Verein. Staaten von A m e r i k a Schweden insgesamt Deutschland Österreich-Ungarn Verein. Staaten von A m e r i k a

93 1 25 52 214 11 4 156 158

62 1 17 35 207 2

8 112 180 6 12 101

9 105 144 3 8 98

A l l e v i e r Länder insgesamt . . davon i n Prozent Mittelmächte Verein. Staaten von A m e r i k a

645

560

10 65

7 73

a) A b



1917 e i n s c h l i e ß l i c h d e s b e s e t z t e n



172 147 —

1915

56 — —

48 209

1916

49 —

12 21 205

1917

40 —

18a) 22 104













190 146 — —

138 147

181 147 —

98 65 7





138 163

58 51













1918

30 0,4 20a) 9 5 2 2 —

18 1 3a) 12 40 6 3a) 30

126

150

49

560

564

260

93

2 87

10 87

40 55



90

Rumäniens.

Über «die Erdölmengen, die Deutschland auf dam Wege über Italien bis zu dessen Kriegseintritt am 23. Mai 1915 und i n den Ausnahmefällen womöglich noch darüber hinaus bezogen haben könnte, ist man lediglich iauf Vermutungen angewiesen. Da die Bedeutung des Erdölproblems i n dem damaligen Kriegsabschnitt noch nicht ausreichend erkannt worden war, läßt sich m i t Sicherheit annehmen, daß systematische Bemühungen u m eine derartige Einfuhr — i m Gegensatz zu den Bemühungen etwa i n der Baumwollversorgung — nicht erfolgt sind. Für einen derartigen Handel fehlte es ja auch an allen friedens10•

148

ergwirtschaft

wirtschaftlichen Voraussetzungen, ohne die die Ausnutzung solcher Möglichkeiten mit den erforderlichen Lager- und Transporteinrichtungen innerhalb kurzer Zeit, namentlich für größere Mengen, nicht organisiert werden kann. Man darf daher w o h l vermuten, daß die auf diesem Wege nach Deutschland gelangten Mengen höchstens einige 1000 t betragen haben, also für die Gesamtversorgung ganz unwesentlich gewesen sind. Die zur Überwachung des neutralen Erdölhandels getroffenen Maßnahmen der Entente unterschieden sich nicht von ihren allgemeinen Vorkehrungen auf diesem Gebiete. Die i m Lauf der Kriegsjahre immer mehr verschärfte Überwachung war zunächst dadurch erschwert, daß dieser Handel zu einem wesentlichen Teil von neutralen Lieferländern — den Vereinigten Staaten, Mexiko, Niederländisch-Indien — auf Schiffen unter neutraler — nordamerikanischer, norwegischer, holländischer — Flagge an neutrale Verbrauchsländer erfolgte, also nach den herkömmlichen Völkerrechtsbegriffen gar nicht erfaßt werden konnte. Durch rücksichtslose Ausnutzung seiner Herrschaft über die gesamten Seewege gelang es England trotzdem, auch diesen Handel vollständig zu kontrollieren. Es enthielt den Neutralen diejenigen Waren vor, i n denen sie auf England angewiesen waren, ζ. B. namentlich Bunkerkohle, übte die Durchsuchung aller nach europäischen Häfen bestimmten Schiffe unter willkürlicher Einführung des Begriffes der „fortgesetzten Reise" äußerst schikanös aus, und schritt endlich, namentlich, nachdem der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten die letzte Rücksichtnahme machtpolitisch unnötig gemacht hatte, bis zur völlig rechtswidrigen Beschlagnahme von neutralen Waren, ja zuletzt sogar zur Beschlagnahme des neutralen Schiffsraumes. Die Abhängigkeit der kleinen neutralen Länder von England und Frankreich m i t ihren großen Kolonialreichen auf zahllosen Versorgungsgebieten machte die neutralen Länder auch i n denjenigen Dingen gefügig, i n denen eine solche Abhängigkeit nicht unmittelbar bestand. I m A p r i l 1917 traten die Vereinigten Staaten, die so lange die Vorkämpfer der neutralen Länder \gegen Rechtswidrigkeiten des Wirtschaftskrieges gewesen waren, selbst i n die Führung des W i r t schaftskrieges gegen die Mittelmächte ein u n d übernahmen gerade auch die Eins ehr änkungsm aßn aihmen gegen die Neutralen m i t besonderer Schärfe. A u f dem Gebiet der Erdölversorgung richteten sie am 15. J u l i 1917 eine vollständige Ausfuhrkontrolle ein; von diesem Zeitpunkt ab verschlechterte sich die Erdölversorgung der Neutralen weiter wesentlich und kam, namentlich gegenüber Holland, i m Jahre 1918 praktisch zum Stillstand. Zur Durchführung der Überwachung diente das auch auf den anderen Versorgiung^ebieten bewährte System, nur Lieferungen an

Das Erdöl i m Wirtschaftskrieg 1914—1918

149

solche neutralen Firmen zuzulassen, die als besonders zuverlässig angesehen, namentlich festgestellt wurden und zur Erhaltung ihrer Vorzugsstellung selbst (bemüht bleiben mußten, jede unmittelbare oder auch nur mittelbare Weiterleitung an die Geigenseite zu verhüten. Wer irgendwie den Mittelmächten Vorschub leistete, wurde auf eine schwarze Liste gesetzt und von sämtlichen wie immer gearteten Beziuigsmöglichkeiten aus den Ententeländern oder Übersee ausgeschlossen. Bei der weitgehenden Abhängigkeit aller neutralen kleinen Länder Europas von der Einfuhr war jeder Widerstandsversuch gegen 'derartigen Zwang auf «die Dauer zwecklos; ja die neutralen Regierungen mußten sogar selbst dazu übergehen, den Einfuhrhandel zu monopolisieren, um die Vermeidung jeden Mißbrauchs zu gewährleisten u n d damit den notleidenden eigenen Bevölkerungen ein Mindestmaß an Versorgung zu sichern. Die beste Gegenwirkungsmöglichkeit, die iden Mittelmächten offenstand, war infolge ihrer eigenen Wirtschaftsnot stets beschränkt; sie bestand i n Lieferungen eigener einigermaßen entbehrlicher Waren, unter denen namentlich Kohle, Eisen (und Kalisalz einige Bedeutung erlangten. Der sich aus diesen Voraussetzungen ergebende Wirtschaftskampf auf dem Boden der neutralen Staaten hat aber auf die Erdölwirtschaft der Kriegführenden keinen wesentlichen Einfluß ausgeübt. Abschließend läßt sich jedenfalls feststellen, daß die Wirtschaftskriegsmaßnahmen der Entente gegen die Erdölversorgung der Mittelmächte sowohl unmittelbar über See als auch hinsichtlich des Transits über die neutralen Länder voll erfolgreich gewesen sind; während der ganzen Kriegsdauer sind Lieferungen an die Mittelmächte auf diesem Wege gänzlich belanglos gewesen. Diese abschließende Feststellung gilt i m wesentlichen auch für die Versorgung der deutschen und österreichisch-ungarischen Unterseeboote, die gelegentlich an den Küsten des Mittelmeeres, teilweise auch auf offener See, von neutralen Schiffen aus Ö l übernommen haben. Nähere Einzelheiten über diese Vorgänge sind naturgemäß nicht bekannt. U m größere Mengen kann es sich i n keinem F a l l gelhandelt haben, auch wenn man auf der Seite der Entente bisweilen geneigt gewesen ist, dieser Vermittlung eine gewisse Bedeutung für die Möglichkeit der Unterseebootskriegführung außerhalb der Heimatgewässer beizumessen.

3. D i e Wirtschaftskriegsmaßnahmen der Mittelmächte

I n Deutschland, das .auf allen nicht unmittelbar die Frontabschnitte der Verbündeten betreffenden militärischen, politischen und w i r t schaftlichen Gebieten so stark die 'Führung besaß, daß für die praktischen Zwecke dieser Untersuchung allein die deutschen Maßnahmen

150

ergwirtschaft

von Belang sind, ist die Kriegführung viel zu lange i m Sinne früherer Jahrzehnte und Jahrhunderte als eine i m wesentlichen militärische Aufgabe aufgefaßt worden. Trotzdem hat die Eigenart der geographischen Lage Deutschlands gleich zu Beginn des Krieges eine W i r t schaftskriegsmaßnahme von allergrößter Bedeutung geradezu aufgezwungen, die Abschneidung Rußlands von fast seiner gesamten bisherigen Einfuhr. Die Schließung der russischen Westgrenze und der Dardanellen, später ergänzt durch einen ziemlich erfolgreichen Handelskrieg lauf schwedischem Boden und durch die Erschwerung der Schiffahrt nach idem Nördlichen Eismeer infolge des Unterseebootkrieges, hat letzten Endes den Hauptanteil am Zusammenbruch des Riesenreiches beigetragen, dessen Rüstungsindustrie für sich einem derartigen Kriege noch nicht entfernt gewachsen war u n d dessen W i r t schaft auch sonst die Bezüge aus den großen Industrieländern, namentlich Deutschland, noch nicht entfernt entbehren konnte. Insofern hat diese zunächst wohl fast unbewußte Wirtschaftskriegsmaßnahme eine der am tiefsten und am längsten wirkenden Folgen des Völkerringens bewirkt, die völlige Umgestaltung des europäischen Ostens 1 . I n ölwirtschaftlicher Hinsicht war Rußland selbst als eines der wichtigsten Produktionsländer i m Wege des Wirtschaftskrieges freilich unverwundbar; die Schließung der Dardanellen für die russische und zugleich für die rumänische Ausfuhr traf indessen die westlichen Verbündeten. Wie aus den Tabellen 1 und 3 hervorgeht, waren die Bezüge an Erdölerzeugnissen, die die westeuropäischen Länder durch die Dardanellen erhielten, keineswegs gering. England empfing 1913 auf 'diesem Wege an russischem und rumänischem Ö l zusammen 23 °/o seiner Gesamteinfuhr, Frankreich 36 *% und Italien 72 % . Die Gesamteinfuihrmenge aller drei Länder aus dem Schwarzen Meer erreichte nicht weniger als 811 000 t, fast ein Viertel ihrer allgemeinen Einfuhr. Dieser A n t e i l fiel seit Mitte September 1914 fast vollständig aus, die rumänische Ausfuhrstatistik verzeichnet ihre letzten, schon recht dürftigen Lieferungen an -diese bisherigen Abnehmer mit 3800 t, die i m August 1914 nach Italien abgefertigt wurden. Wenn die förmliche Schließung der Dardanellen auch erst am 26. September erfolgte, so hatten die Reedereien doch bereits seit dem Einlaufen von „Goeben" und „Breslau" i n die M>eerenge am 10. August alle Transporte zurückgehalten, u m sie nicht i n ein Kampfgebiet geraten zu lassen. Den Einfluß dieses Ausfalls auf die Kriegshandlungen darf man nicht über-, aber auch nicht unterschätzen. N i m m t man an, daß für die folgenden Jahre 'die gleiche Lieferung wie 1913 zu erwarten ge1 F ü r die Würdigung der überragenden Bedeutung der Wehrwirtschaft ist es wichtig, festzustellen, daß auch die andere weltgeschichtliche W i r k u n g des Krieges, der Zusammenbruch Deutschlands u n d Österreich-Ungarns, i m wesentlichen auf dem wirtschaftlichen Schlachtfelde entschieden worden ist.

Das Erdöl i m Wirtschaftskrieg 1914—1918

151

wesen wäre, so gingen den Westmächten für die 52 Kriegsmonate i m ganzen rund 3 1 /2 Millionen Tonnen Ölzufuhr verloren. Die zum Ersatz herangezogenen überseeischen Ö Ire vie re waren nach Ausbau ihrer Anlagen zur Deckung des Ausfalles an sich woihl i n der Lage. Die Frachtentfernung Constantza—Marseille beträgt aber kaum ein D r i t tel der Frachtentfernung Golfhafen (Vereinigte Staaten oder Mexiko) —Bordeaux, und Entsprechendes g i l t von einem Vergleich m i t den persischen und hinterindischen Versorgungsmöglichkeiten. Die erzwungene Umlenkung (des russischen und rumänischen Anteiles an der Ölversorgung der Westmächte auf Amerika und Asien nahm also mindestens den dreifachen Schiffsraum i n Anspruch und verschärfte infolgedessen die 1916 und vor allem 1917 so bedrohliche Frachtraumlage der Alliierten. Die Anfang 1917 namentlich für die Ölversorgung der britischen Flotte entstehende Krisis beruhte zum nicht geringen Teil auf den Schwierigkeiten, die die Sperrung der Dardanellen auf diesem kriegswirtschaftlich so besonders wichtigen Gebiete m i t sich brachte. Dagegen verhinderte die hoffnungslose Unterlegenheit der Mittelmächte an Überwasserschiffen eine ernstliche Beeinträchtigung der Ölzufuhr 'an die Alliierten mit dem überlieferten Mittel des Kreuzerkrieges. Die Erfolge der deutschen Kreuzer „Emden" und „Karlsruhe" und der Hilfskreuzer „Möve", „Wolf" usw. waren unter dem Gesichtspunkt der Einzelleistung beachtlich genug 'und haben auch die Schiffahrt i n den betroffenen Meeresteilen vorübergehend empfindlich gestört, jedoch keine weiterreichende Wirtschaftskriegswirkung ausgeübt. F ü r die Ölversorgung ist nur zu erwähnen, daß der Kreuzer „Emden" auf seiner Kriegsfahrt i m Indischen Ozean am 23. September 1914 den vorderindischien Hafen Madras angegriffen und hierbei zwei allerdings nur teilweise gefüllte Öltanks von See aus i n Brand geschossen hat. I m August 1915 wurden zwei Tankschiffe der Standard Oil Co., deren Ladung für Schweden bestimmt war, i m Skagerrak von deutschen Fahrzeugen aufgebracht u n d nach Swinemünde geleitet; sie sollen später wieder freigegeben worden sein. Der herkömmliche Kreuzer krieg wurde von deutscher Seite durch den am 18. Februar 1915 eingeleiteten und seit dem 1. Februar 1917 unbeschränkt geführten Unterseebootskrieg gegen die feindliche Handelsflotte ergänzt und verschärft. Diese Form der Kriegführung hat den den Alliierten zur Verfügung stehenden Schiffsraum, namentlich in den ersten Monaten ihrer unbeschränkten Durchführung, sehr empfindlich geschädigt rund zeitweilig die militärische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gegner i n fast entscheidendem Maße gefährdet. Der — freilich durch (die nachteiligen politischen Folgen dieser Kriegführung i m Laufe der Zeit mehr als aufgewogene — Erfolg

ergwirtschaft

152

traf i n erheblichem Ausmaß auch die Ölversorgung der Alliierten, von der ihre Kriegführung auf allen Land- und Seekriegsschauplätzen i n wesentlichem Umfange abhing. Der zu Beginn des Krieges für den internationalen Erdölhandel zur Verfügung stehende Schiffsraum betrug 409 Tankschiffe m i t einer Tragfähigkeit von 1 600 000 t; er reichte naturgemäß, von gewissen Reserven abgesehen, nur für die Transportmengen der [Friedenszeit »asuis. Der Erdölverbrauch vergrößerte sich aber van Jahr zu Jahr; die Einfuhr der drei alliierten Westmächte an Erdölerzeugnissen stieg von 2,8 Millionen Tonnen i m Jahre 1913 auf 6,5 Millionen Tonnen i m Jahre 1918, also u m 130 °/o; Tabelle 5 Der Tankschiffraum der Welt 1914—1918 Nach Lloyds Register 30. Juni 1918 Flagge

Zahl der Schiffe

30. Juni 1917

Wasserverdrän- Zahl der Schiffe gung in 1000 t

30. Juni 1914

Wasserverdrängung in 1000 t

Zahl der Schiffe

Wasserverdrängung in 10001 930 732 59 75 79 16 42 19 49 13

Britisch USA Deutsch Holländisch · Norwegisch . Belgisch Italienisch Französisch · Russisch Mexikanisch Spanisch ·.. Rumänisch · Dänisch Japanisch · ·. Griechisch · ·. Sonstige

200 83 46 29 10 11 3 4 4 4 1 2 1 5 1

883 259 215 80 49 29 15 16 9 13 1 8 6 22 2

198 111 13 35 20 6 6 5 40 4

809 492 54 75 74 13 28 14 49 13

204 144 14 35 21 5 7 5 40 4

8

7

10

7

Insgesamt . . .

404

1600

450

1641

473

2 049

























4 —

13 —

4 —

13 —

dazu kam der 1918 fast IV2 Millionen Tonnen erreichende Bedarf der amerikanischen Land- und Seestreitkräfte auf den europäischen Kriegsschauplätzen. Die zu transportierende Menge war also etwa die dreifache der Friedensziffer. Die überseeische 'Einfuhr Deutschlands i n Höhe von 900 000 t i m Jahre 1913 fiel allerdings fort. Die dadurch frei werdende Tonnage wurde jedoch zum erheblichen Teil durch die

Das Erdöl i m Wirtschaftskrieg 1914—1918

153

i n deutschen und zum Teil i n neutralen Häfen festgehaltenen Tanker ausgeglichen. Die Umlenkung eines Viertels der Friedenseinfuhr der Westmächte von den Schwarze-Meer-Ländern auf die dreimal weiter entfernten Ölländer Amerikas und Asiens verschärfte den Frachtraumbedarf so, daß man Ersparnisse und Mehrbedarf infolge der ersten Kriegseinwirkung wohl als ausgeglichen anseihen darf. Für die Verdreifachung der Transportmenge stand also insofern keine Reserve zur Verfügung. Ein Blick auf 'die Tabelle 5 zeigt, daß der Tankschiffraum nicht entfernt m i t diesen Bedürfnissen gewachsen ist; die Vergrößerung 1913 bis 1918 erreichte nur 28°/o. Die Ziffern der Tabelle sind selbstverständlich nur als Salden zu verstehen, wie sie sich aus dem Bestand, dem durch Neubau erzielten Zuwachs und dem natürlichen und durch die Kriegsereignisse verursachten Abgang ergeben. Welchen A n t e i l der Unterseebootkrieg an der Tankerknappheit gehabt hat, die die vorstehenden Ziffern ohne weiteres erkennen lassen, steht nicht genau fest, da die Tankerverluste von keiner Seite genau angegeben worden sind. Zwischen den deutschen Veröffentlichungen der Unterseebootserfolge, bei denen i m übrigen kein Nachweis der versenkten Frachten, also etwa der versenkten Ölmengen, ebenso wie eine Aussonderung der Tanker bisher erfolgt ist, und den Angaben der Gegenseiten klaffen erhebliche Abweichungen. Sie erklären sich zum Teil (durch die selbstverständlichen Tendenzen jeder Kriegsberichterstattung, i n der Hauptsache aber wohl durch die für die Unterseebootskommandanten bestehende Schwierigkeit, den tatsächlichen Ablauf der Wirkungen eines Torpedotreffers zu beobachten, namentlich seit i m weiteren Verlauf dieses Feldzuges die Angriffe auf große Entfernung und unter erheblicher Gegenwirkung ausgeführt werden mußten. Da die großen Ölbehälter i m Rumpf der Öltanker, namentlich i m leeren Zustand, aber infolge des niedrigen spezifischen Gewichtes des Öls fund Benzins sogar i m gefüllten Zustande, falls sie selbst unversehrt geblieben waren, den getroffenen Fahrzeugen zusätzlichen Auftrieb verliehen, scheint eine besonders große Zahl torpedierter Öltanker noch gerettet worden zu sein. Diese Fahrzeuge mußten freilich i n der Regel einer langwierigen Reparatur unterworfen werden; i m Jahre 1917 soll fast der vierte Teil des gesamten Tankerbestandes i n Reparatur gewesen sein. Dieser Zustand verursachte einen erheblichen Ausfall an verfügbarem Tankraum und beanspruchte die ohnedies überlasteten Werften, bedeutete also einen Teilerfolg des Unterseebootskrieges; er bringt aber Unsicherheit in die Verluststatistik. Auch die Angaben auf der Seite der Alliierten über ihre Verluste infolge des Unterseebootskrieges zeigen mancherlei Abweichungen.

154

Β erg

irtschaft

Namentlich i m Jahre 1917 wurde es bequem, gegenüber der öffentlichen K r i t i k , die ja namentlich i n England wesentlich lebhafter und öffentlicher vor sich ging als etwa i n Deutschland, die Folgen begangener Fehler als unerwartete Wirkungen des nicht vorhersehbaren Unterseebootskrieges hinzustellen u n d i n diesem Zusammenhang auch dessen ziffernmäßige Ergebnisse zu übertreiben. I n der gleichen Richtung w i r k t e diie ebenfalls für England kennzeichnende A r t 'der inländischen Propaganda, die die erlittenen Fehlschläge und Verluste möglichst kraß schildert, u m die gleichgültige und womöglich der kriegerischen Anstrengung abgeneigte Volksmasse zu größerer Leistung und Opferfreudigkeit anzuspornen. Bis Ende 1916 hielten sich die Verluste der Tankerflotte verhältnismäßig niedrig, zumal ein immerhin erheblicher Teil unter amerikanischer Flagge fuhr u n d noch nicht ohne Warnung und Prüfung versenkt werden 'durfte; tatsächlich scheinen bis Ende 1916 i m ganzen nur 62 000 t Tankerschiff räum, kaum 4 % der verfügbaren Gesamttonnage, vernichtet worden zu sein. Auch nach der Verkündigung des unbeschränkten Unterseebootkrieges blieben die eigentlichen Tankerverliuste verhältnismäßig niedrig, wenn man von den auch i m englischen Schrifttum gelegentlich verbreiteten Übertreibungen absieht; nach einer .anscheinend zuverlässigen englischen Quelle 2 , die ausnahmsweise einmal Ziffern zu den Verlusten an Tankschiffen bekannt gibt, wären i n der Zeit vom Ende März 1917 bis Anfang September 1917, also während des eigentlichen Höhepunktes des Unterseebootkrieges, i m ganzen 16 Öltanker versenkt worden, also unter Einsetzung der Durchschnittsgrößen ein Verlust an kaum 60 000 Bruttoregistertonnen eingetreten. Die deutsche Schätzung, daß i m ganzen etwa 100 Tankschiffe m i t insgesamt 430 000 Bruttoregistertonnen i m Verlauf des Unterseebootskrieges „versenkt oind unbrauchbar" wurden 3 , stimmt m i t diesen Angaben und Annahmen unter der Voraussetzung überem, daß ein erheblicher Teil der „unbrauchbar" gewordenen Fahrzeuge nachträglich wiederhergestellt werden konnte. Wenn man diese Schätzung zugrunde legt, so würde insgesamt nur reichlich ein Fünftel des 1918 verfügbaren Tankerschiffraumes betroffen worden sein. Die Neubauten auf englischen u n d nordamerikanischen Werften haben jedoch während des Krieges mehr als das Doppelte dieser Ziffer erreicht. Nach mehreren von einander unabhängigen Quellen haben England und die Vereinigten Staaten während des Krieges rund 1 M i l l i o n Tonnen neuen Tankerraum geschaffen, von denen der größte Teil noch vor 2 Gibson, R. H., and M. Prendergast: The german submarine w a r 1914 bis 1918. London 1931, S. 166. 3 v.Höfer, H., i n C. Engler und H. v . H ö f e r : Das Erdöl, Bd. V, Leipzig 1919, S.508.

Das Erdöl im Wirtschaftskrieg 1914—1918

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dem Waffenstillstand i n Dienst getreten ist. Zieht man die ziemlich beträchtlichen sonstigen Abgänge i n Betracht — die während des Krieges in großer Eile gebauten Fahrzeuge, namentlich auch die 1917 i n den Vereinigten Staaten wegen Stahlmangels gegossenen Zementtanker, bewährten sich großenteils nur recht schlecht — und berücksichtigt man die Tatsache, daß über 100 000 t des amerikanischen Kriegszuwachses an Tankern auf die Beschlagnahme von deutschen Fahrzeugen zurückzuführen ist, so lassen sich die Zahlen annähernd in Übereinstimmung bringen. Hiernach würden die eigentlichen Unterseebootsverluste reichlich 300 000 t betragen haben, der sonstige Abgang an Tankschiffen während des Krieges etwa 100 000 t und der Reinzuwachs infolge Neubauten nach Abzug dieser Ausfälle etwa 600 000 t. Dieser Zuwachs reichte aber nicht entfernt aus, u m den so stark erhöhten Biedarf zu befriedigen. Die Interallied Petroleum Conference legte ihrem sehr vorsichtigen Verteilungsprogramm für den Tankerschiffraum einen monatlichen Abgang von 1 °/o infolge U-Bootsverlusten zugrunde. Zu den unmittelbaren Vernichtungen oder Beschädigungen kam als weitere sehr empfindliche Wirkung des U-Bootskrieges der Zwang für die gegnerischen Schiffe hinzu, bestimmte, oft m i t Umwegen verknüpfte Straßen innezuhalten u n d späterhin nur noch i n Geleitzügen zu fahren. Hierdurch traten wesentliche Verzögerungen i n der Ausnutzung des verfügbaren Schiffsraumes und damit weitere scharfe Verknappungen ein. Allerdings wurden dadurch die Versenkungsziffern rasch herabgedrückt, zumal allmählich sämtliche Tankschiffe m i t Geschützen ausgerüstet wurden und eine Bedienungsmannschaft von englischen bzw. amerikanischen Kanonieren an Bord nahmen. Die Frage, ob die besonders große Bedeutung der Tankschiffe für die Kriegsführung der Alliierten von der deutschen Seekriegsleitung erkannt und richtig gewürdigt worden ist, mag zunächst gegenstandslos erscheinen. Namentlich i m weiteren Verlauf des Krieges arbeiteten die Unterseeboote unter solchen Schwierigkeiten, daß eine besondere Auslese i n ihren Beutezielen kaum i n Frage gekommen wäre. Die Kommandanten mußten froh sein, wenn sie überhaupt Meeresteile ohne überwältigende Abwehrmaßnahmen und darin irgend welche Ziele auffanden. Immerhin ist die von einem amerikanischen Seeoffizier 4 geäußerte K r i t i k beachtenswert, daß die deutschen Unterseeboote die sehr beträchtlichen Erfolgsmöglichkeiten gegen die Öltransporte der Alliierten an der Floridaküste nicht erkannt hätten. Hier hätte sich auf engem Raum ein wesentlicher Teil der ölversor4 Foley, Capt. P. : Petroleum problems at the w o r l d war. A. study i n practical logistics. U. S. Naval Inst. Proc. 1928 (50, II), S. 1802/1832, insbesondere S. 1829. Foley meint, der „sweet l i t t l e Cherub" des Glückes habe die armen A l l i i e r t e n an diesem gefährlichen Engpaß ihrer Kriegswirtschaft geschützt.

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ergwirtschaft

gung der Alliierten auf dem Wege von den Golfhäfen nach dem Osten zusammengedrängt. Die K r i t i k läßt sich nicht ohne weiteres abweisen, zumal das Inselgewirr der A n t i l l e n den dort operierenden Booten sicherlich Stützpunkte hätte liefern können. Ob diese Möglichkeit überhaupt erwogen worden ist, läßt sich nicht ermitteln; da i m Verlauf des Weltkrieges auf beiden Seiten die Verbindung zwischen der militärischen Führung und der wirtschaftlichen Sachkunde — gerade auch hinsichtlich der Möglichkeit, wirklich empfindliche Stellen der feindlichen Wirtschaft zu treffen — überall und ständig zu wünschen übrig ließ 5 , würde die Unterlassung i m vorliegenden Falle nur dem allgemeinen B i l d entsprechen. Die Beeinträchtigung der Öltransporte der Alliierten durch die unmittelbaren und mittelbaren Wirkunigen des Unterseebootskrieges traf die Ölversorgung um so schärfer, als diese infolge der ständigen Verbrauchszunahme eigentlich eine Vervielfachung ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht hätte. Die Versorgung konnte vielfach nur unter erheblichen Schwierigkeiten durchgeführt werden und hat sich zweimal, Anfang 1917 und Anfang 1918, i n ernster «gefahrdrohender Bedrängnis befunden. Die Ölversorgung der Alliierten, denen theoretisch reichlich neun Zehntel der Erdölförderung der Welt i m Jahre 1918 offenstand, war unter diesen Umständen i m wesentlichen ein Transportproblem. Daß die Versorgung trotz des Mißverhältnisses zwischen Frachtraum und den zu befördernden Frachtmengen nicht stärker versagte, liegt an den umfassenden und gründlichen Maßnahmen, die von den Verbündeten i m ganzen und England und Amerika i m einzelnen für die Sicherung ihrer Bezüge getroffen worden sind. Hierbei sind vor allem die rücksichtslose Zurückziehung der Tankschiffe aus allen nicht kriegswichtigen Transportwegen, die Einführung des Transports von Öl i m Doppelboden aller den Atlantischen Ozean überquerenden Handelsschiffe und zahlreiche kleinere Erleichterungen, wie der Bau einer Ölleitung quer durch Schottland, aufzuführen. I m Wirtschaftskrieg um das Erdöl waren die Mittelmächte jedenfalls von vornherein die Schwächeren, da sie kaum 2 1 / 2 % der Welterdölförderung unmittelbar beherrschten. Die Störung der Versorgung ihrer Gegner 'durch Absperrung der russischen und rumänischen Erdöllieferungen nach Westen und durch Verringerung der sonstigen Öltransportmöglichkeiten i m Unterseebootskrieg schädigte die Geigner beträchtlich, aber doch nicht annähernd so, daß die verhängnisvolle Wirkung der eigenen Blockade ausgeglichen oder eine wirklich fühlbare Schwächung der alliierten Kriegsführung erreicht wurde. 5

Friedensburg, F.: K o h l e u n d Eisen i m Weltkrieg u n d i n den Friedensschlüssen, München-Berlin 1934, S. 181 ff., insbes. S. 184. — Bruneau, P.: L e rôle d u Haut Commandement au point de vue économique de 1914 à 1921, Paris 1924, insbesondere S. 17 f.

Kohle und Eisenerz zwischen Deutschland und Frankreich * Die gegenseitige Abhängigkeit i n der Versorgung m i t Kohle und Eisenerz und der gegenseitige Wettbewerb i n der Verarbeitung der beiden Rohstoffe bilden seit Jahrzehnten den Gegenstand friedlicher und unfriedlicher Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich. Die Beziehung zwischen beiden Ländern auf diesem wichtigen Gebiet läßt sich einfach dahin kennzeichnen, daß Deutschland ein Kohlenausfuhr-, aber ein Eisenerzeinfuhr-Land ist, während Frankreich umgekehrt Kohle einführt und Eisenerz ausführt. Dabei handelt es sich i n allen Fällen keineswegs nur u m verhältnismäßig geringfügige Mengen: Deutschland war jahrzehntelang nächst Großbritannien der wichtigste Lieferant auf dem Weltkohlenmarkte, und Frankreich stand unter allen Kohle einführenden Ländern seit jeher an der ersten Stelle. Ebenso war Deutschland bis zum letzten Weltkriege der bei weitem stärkste Käufer von Eisenerzen, und Frankreich war das ebenfalls bei weitem wichtigste Ausfuhrland i n diesem weltwirtschaftlich so wichtigen Rohstoff. I n beiden Ländern haben diese Bergbauer Zeugnisse stets eine hervorragende Stelle i m Außenhandel eingenommen. Entsprechend dem allgemeinen Streben nach Selbstversorgung namentlich in den rüstungswirtschaftlich wichtigen Rohstoffen, zu denen Kohle und Eisenerz i n erster Linie gehören, begann man überdies i n beiden Ländern, dem Einfuhrbedarf — i n Deutschland i n bezug auf Eisenerze, i n Frankreich i n bezug auf Kohle — immer stärkere Aufmerksamkeit zuzuwenden, ja ihn sogar zum Gegenstand ernster politischer Sorgen zu machen, vielleicht manchmal über das tatsächlich gerechtfertigte Maß hinaus. Seit langer Zeit bildet daher diese gegenseitige Abhängigkeit den Gegenstand politischer Spannungen und imperialistischer Bestrebungen, wie sie namentlich i n der Zeit vor und nach dem ersten Weltkriege i n einer geradezu die Weltgeschichte beeinflussenden Form zutage getreten sind 1 . Unter den gegebenen Verhältnissen, zumal angesichts der nachbarlichen Lage der wichtigsten Produktionsstandorte auf beiden Seiten, lag es nahe, daß beide Länder i n den betreffenden Rohstoffen seit jeher * Wochenbericht des Deutschen Instituts f ü r Wirtschaftsforschung, Berlin, 17. Jg.